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Full text of "Vergleichende Darstellung der Grundmacht oder der Staatskräfte aller europäischen Monarchien und Republiken"

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Vergleichende   Darstellung 


dmacht  oder  der  Staatskräftc 


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aller    europäischen 

Monarchien    inid    RepuJjliken. 


In    z w ey    Ahtheilungen, 

von   denen   die   erste:    das  Land ^    die   Urproduction j    die   industrielle   und   die 

commercielle    Production ;    die    zwejte:   die  Bewohner ^    die    Geistescultur ^    die 

Vertheidigungskr Lifte  und  die  Finanzen  der  europäischen  Staaten  wnfasst. 


Von 

J.      C.     B   i   s   i  n  g   e   r  , 

Professor  der  Statistik  an  drr  k.  k.  Tliuresiauischcu  Kilterakademic  zu  Wien. 


C.  st.  chlap,  ref.  real.  gymnasium| 

V  «Ces.  Oudejovioiob. 

Uöltelskä  knshovna. 


1 Q.  'm.- 


Pesth    und    Wien. 

Verlegt    bey    C.    A.    Hart  leben    und    gedruckt    bey   A.    Strauss. 
1823. 


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o      r      r      e      ci      e. 


Jrlein  im  J,  1818  unter  dem  Titel:  j^T^  er  gl  eichende  D  ars  telluTig  dei- 
Staatsverfassung  der  europäischen  Monarchien  itnd  Republi- 
ken' erschienenes  Werk  fand  ^  seiner  Mängel  ungeachtet  ^  idcht  nur  günstige 
^ufnalime  bej  dem  Publicum  im  In-  und  Auslande  ^  sundern  hatte  auch  das 
Glück  j  des  Allerhöchsten  JVohlgefallens  Sr.  Majestät  des  Kaisers ^  meines  aller- 
gnädigsten  Gebieters  und  Herrn  ^  so  wie  einer  huldvollen  Auf  merksamkeit  Sr.  Ma- 
jestät des  Königs  i^on  Baiern  j  gewürdiget  zu  werden. 

Durchdrungen  vom  innigsten  Danke  gegen  so  huldreiche  Monarchen  j  und 
aufgemuntert  sowohl  durch  Höchstderen  allergnädigste  Merkmale  des  Bej falls 
und  der  Zufriedenheit ^  als  ancli  durch  die  vortheilhaften  Urtheile  billiger  Rich- 
ter _,  wage  ich  es  nun  j  eine  vergleichende  Darstellung  der  Grundmaclit  oder  der 
Staatskräfte  der  europäischen  Monarchien  und  Republiken  heraus  zu  geben. 

Der  Plan  ^  den  ich  dazu  entwarft,  zerfällt  in  zwej  Abtheilungen.  Die  erste 
handelt  von  dem  Lande  j  der  Urproduction  j  der  industriellen  und  commerciellen 
Production ;  die  zwejte  von  den  Bewohnern  j,  der  Geistescultur ^  den  Vertheidi- 
gungskräften  und  den  Finanzen  der  europäischen  Staaten. 

Das  Einzelne  dieser  Hauptrubriken  zeigt  die  vorausgehende  Inhalt s anzeige  _, 
welche  zum  bequemen  Nachsuclien  vollständig  eingeric/itet  und  mit  der  Angabe 
der  Seitenzahlen  j  welche  jeder  Gegenstand  einnimmt,,  versehen  ist. 

Ueberall  bestrebte  ich  mich  dasjenige  ^  was  auf  einen  Staat  zu  seinem  Vor- 
theile  oder  Nachtheile  wirkt ^  hervorzuheben ^  und  auf  diese  Art  mein  Weik  aus 
dem  Standpuncte  der  Staatswirthschaft  ^  deren  Wesen  in  der  Weckung  ^  Erhal- 
tung und  Benutzung  der  Staatskräfte  besteht ,  zu  bearbeiten. 

fn  wie  fern  ich  diesen  Zweck  erreicht  habe ^  muss  ich  dem  Urtheile  des  Ken- 
ners überlassen  ^  dem  die  Schwierigkeiten  dieses  in  seiner  Art  neuen  Versuches 
Tiicht  entgehen  werden. 

Der  ehrwürdige  Veteran  ^  der  berühmte  grossherzoglich-liessische  geheime 
Regierungsrath  Crome  zu  GiesseUj,  suchte  zwar  in  seinem  Werke:  j^Allgemeine 
Llebersiclit  der  Staatskräfte  von  den  sämmtliclien  europäischeti  Reichen  und  Län- 
dern" die  staatswirthschaftliche  Seite  der  europäischen  Staaten  besonders  hervor- 
zuheban ;  allein  dieses  übrigens  vortreffliche  IVerk  ist-^  iv/e  der  Hr.  Verfasser 
selbst  darüber  in  der  Vorrede  S.  XIL  urtlieilt  ^  lücht  sjstematiscli  geordnet  j  auch 
nicht  nach  der  vergleichenden  Metliode  j  wie  das  vorliegende  TVerk ^  sondern  nach 
der  eth?iographische?i  Methode  bearbeitet.  Her/'  Crome  und  ich  bemühten  sich 
alsoj  die  Staatskräfte  der  europäischen  Staaten  aus  dem  Gesichtspuncte  der 
StaatSH'irthschaft  darzustellen  j  jedoch  mit  dem  ü/iterscJäede ^  dass  Hr.  Crome 
die  Staaten  einzeln  nach  einander  j  und  von  jedem  für  sich  betrachtet  die  Staats- 


inerkwnrdigkelten  nach  den  Ilaiiptfächei-n  beschreibt j,  ich  aber  der  natilrlicheji 
Ord/iung  der  Gegenstände  folge  j  und  in  Rücksicht  jedes  derselben  von  den  Staa- 
ten das  Uebereinstimmende  j  AehnlicJie  oder  Verschiedene  bemerke ^  durch  Zu- 
sammenstellung  und  Fergleichnng  die  Vorzüge  und  Mängel  derselben  wiirdige ^ 
und  den  FortJieU  der  scJineUeren  Uebersicht  gewähre. 

Die  Belege  und  jJutoren  ^  deren  ich  mich  bedient  habe ^  sind  Theils  im  Texte j 
Theils  in  den  Noten  des  Textes  nachgewiesen.  Gern  würde  ich  dieses  Werk  ^  um 
den  tferth  desselben  noch  mehr  zu  erhöhen  _,  mit  einer  besondern  statistischen  Li- 
teratur und  einem  Verzeichnisse  von  Landkarten  ausgestattet  haben  j,  wenn  ich 
nicht  dabej  besorgt  Iiätte  j  ein  zu  dickleibiges  ^  Jolglicli  zu  tJieueres  Buch  zu 
liefern. 

Dass  ich  mich  übrigens  bey  der  Bearbeitung  dieses  TVerkes  der  besten  Hidfs- 
mittelj  auch  handschriftliclier  und  mündlicher  Mittheilungen  (wofür  ich  lUermit 
meinen  verbindlichen  Dank  abstatte J  bediente ^  wiid jeder  Kenner  leicht  bemer- 
ken. Wenn  sachkundige  Leser  noch  manches  verniisseii  _,  und  manche  Unrichtig- 
keiten und  Mängel  entdecken:  so  hoffe  ich  um  desto  meJir  auf  Nachsicht  Aiispruch 
machen  zu  können  j  da  man  lürgends  auf  so  viel  Unzuverlässiges  j  idigends  auf 
so  viele  j  und  zum  Tlieil  auffallende  Varianten  j,  als  im  FacJie  der  Statistik  ^  stösstj 
besonders  wenn  es  um  Bestimmung  des  Flächeninhalts  „  der  VolkszuJd.  ^  des  Vieh- 
standes „  des  wirthschaftlichen  Ertrags j  der  Staatseinkünfte  u.  s.  w.  zu  thun  ist. 
Ich  bitte  desswegen  Kenner  eines  jeden  Faches  um  ihre  Erinnerungen  und 
Belehrungen  j  da  ich  nichts  mehr  wünsche  j,  als  die  Forderungen  billiger  Richter 
nach  und  nach  zu  befriedigeUj,  und  die  Brauchbarkeit  meiner  Schrift  zu  vermehren. 


IVien  1  den  2.  August   1822. 


/.   C.   Bisinger. 


n 


t. 


Erste    j4bth eilung. 

Das  Land,  die  Urproduction ,   die  Fabrication  und  dei'  Handel  der  euro- 
päischen Staaten. 


1.  Land  der  europaischen  Staaten 

Eintheilung  Europa  s. 

1.  a)   vjreograpliische,  oder  nach  den  Ländern. 

2.  b)  Politische ,  oder  nach  den  souveraiuen 
Staaten.  ....... 

3.  Grösse  von  Europa.       ..... 

4.  Bestandtheile  und  Classificirung  der  einzel- 
neu europäischen  Staaten,  nach  dem  Gesichts- 
puucle  ihres  Flächeninhaltes. 

§.  5.   Staaten  der  ersten  Grösse. 

$.  6.   Staaten  der  zweyten  Grösse.         .  .         . 

^.  7.  Staaten  der  dritten  Grösse,  .  . 

§.  8.  Staaten  der  vierten  Grösse. 

ij.  Q.  Gränzeu  und  Lage.        ..... 

&.    10.  Colonien.     ....... 

Ausserenropäische   Besitzungen. 

I.  Spaniens.     ....... 

n.  Grossbritauuiens.        ..... 

in.  Portugals 

IV.  Der  Niederlande 

V.  Frankreichs.         ...... 

VI.  Danemarks.        ...... 

VII.  Schwedens.      ...... 

VIII.  Russlands 

Obeijlächliche  Beöcli.aJJ'eiiheU. 

11    Gebirge.       .  *. 

12.  Höhcnleiter  der  erhabensten  Puncle. 
i3.  Gletscher,    Lawinen  und  Bergsturze. 

14.  Abdachung.  ...... 

15.  El)eueu.         ....... 

16.  Gewässer.     .  .  .  ,  .  . 

17.  Meere  und  Meereugen.  .... 

18.  Laudseen.     ....... 

iq.  Flüsse.    Hauptflusse  oder   Ströme  mit  ihren 

vorzüglicliereu  Nebenflüssen. 
§.  20-  Küstentlüsse.         ...... 

§.  21.   Kuustflüsse   oder  Cauälc.      .... 

§.  22.  Sümpfe  und  Moräste.  .... 

§.  23 — 24.  Physisclies  Klima.  .... 

■J.   25.  Natürliche   Fruchtbarkeit. 


Seite 
3 


14 
16 
17 

25 

26 
29 


II.  Urprodticlion. 

a)   Nat'irproducte  aus  dem  l'ßanzenreiche. 

26.  (Kultur  des  Bodens.      .....       64 

27.  .\ckerbau.     .......        65 


28.  Hindernisse  des  Ackerbaues. 

2g.  Beförderungsmittel  des  Ackerbaues. 

30.  Getreidearten. 

31.  Futterkräuter. 

32.  Gartengewächse. 

33.  Baumfrüchte. 

34.  Slaudenfrüchte. 
55.  Weinstock  (vitis  vinifera). 

Fabriken-  und  Handelsgewächse. 

36.  a)   Flachs   und  Hanf. 

37.  b)  Tabak 

38.  c)  Färbe-   und  Gärbekräuter. 
3g.  d)  Zuckerrolu-. 

40.  e)  Baumwolle, 

41.  f)   Öhlgewächsc. 

42.  g)  Arzeneykräuter. 

43.  li)  Verschiedene  andere  Fabriken- 
delskränter. 

44-  Waldbäume  oder  Holz. 


b)  Naturproducte  aus  dem   Th 
4S.  Viehzucht. 


Sau, 


Bäl« 


§.  46.  Pferdegescldecht. 
§.  47'  Rindvieli. 
1^.  48.  Schafe. 
§.  4g-  Ziegen. 
§.  5o.  Schweine. 
§.  5i.  Renntliiere. 
§.  52.  Hunde. 

§.  53.  Jagdthiere  ,    und    Thiere  ,    deren 
züglich  genutzt  werden. 

2)   Fögel. 

a)  Landvögel. 
54-   aa)  Hühnerartige  ,  zahme  und  wilde. 

55.  bb)  Sangvögel.       . 

56.  cc)  Raubvögel. 

b)  Wasservögcl. 

57.  aa)  Schwimmvögel. 

58.  bb)  Sumpfvögel. 


ög. 


3)  Aniphihii^u. 
4)    Fische. 


60.   Fischerey,     . 
61  ■  a)   Knorpellisciu 
62.  b)  Mit    Graten 


rselieue  FiscUi 


Seite 
68 
70 
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104 
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1Z7 


120 
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123 

124 

123 


126 

127 


VI 


1  t. 


Seite 
63.  Wallfisclie. •         .     i3o     §.  102.   Pottaschesiedereycn;   Bereiluug  ilei    Soda 


Seite 


VS.  6^  Robben i3i 

5)  Inseclcn. 

§.  65.  a)   Nützliche l32 

§.  66.  b)  Schädliche i34 

§.  67.        .  .  .      6)    Jf'ürmei.  .  .  .      i35 

c)    Nulurproihu-le  aus  dem  Mineralreiche. 

§.  68.  Borybau läy 

a)  Metalle. 
f.  6g.  aa)  Edle.      . 


193 


70.  bb)  Unedle.  1)  Kupfer.       .  .         . 

^.  71.  2)  Eisen.      .  .  .      ■    ■ 

§.   72.  3)  Bley 

73.  4)  Zinn.        ...... 

74 — ^5.  5)   Quecksilber — 

b)  Erdharze  oder  brennbare  Mineralien. 
§.   76.   1)  Bcrgöhl,  Schwefel  und  Bergpech.  .      149 

§.  77.  2)  Torf-,  Stein-,  Canntl- und  BraunkoMeu.      i5o 
§,  78.  3)  Bernstein  und  Grapliit.  .         .  .      i53 

c)   Ste.nc. 
^.  79.  aa)  Kieselsleine.    1)    Edelsteine   und    Halb- 
edelsteine  — 

80.  2)  Unedle. l56 


und  des  sogenannten  Kelp.       .... 
§.  io3.  Verschiedene   andere    Manufacturcn ,     die 

ihren   Stoff   aus   dem  Pflanzenreiche  nehmen.      194 

b)  ManuJ'acluren    zur   f^erarbeitung    der    rohen    Slojf'e 

aus  dem   Thierreiche. 
§.  104 — 106.  Wollenmanufacturen.         .         .  .     ip5 

§.  107.  Hutfabricatiou.  .....     200 

§.   108.  Seidenmanufacturen.  ....      201 

§.   10g.  Uedergärbereyen.         .....      2o4 

§.   iio.  Verschiedene  andere  Fabricate  aus  Stoffen 

des  Thierrcichs.       ......     206 

c)  Fabriken  ,  welche  Materialien    aus    dem  Mineralrei- 

che verarbeiten. 

§.  111 — ii5.  Eisen-,  Stahl-  und  andere  Metall- 
fabriken. .......     208 

§.    116.   Farbefabriken,  .... 

§.    117.  Glas-  und  Spiegelfabricaliou.    . 

^.   n8.  ThouwaarenfabricatioiT. 

§.    lig.  Fabricatiou  der  Salze.         ....      222 

§.   120-  Beförderungsmittel  des  Kunsllleisses  iu  den 

europäischen   Staaten.     .....     224 


217 
218 
219 


8i.  bb)    Kalksteine. 


—    VI.  Commerciellc  Prodiiciion  oder  Handel. 


—    §■ 

i5g     $. 


^.   82.  cc)  Talksteiue l58 

§.  83.  dd)  Tufsteiuu.  andere  vidkauischeProducte. 
§.  84-   ee)   Sandsteine.     ...... 

§.  85    ff)   Granit 

^.  86.     .  .      d)    Thon-   und  Erdarten. 

v)   Salze. 

§.  8;— Pg.  1)  Kochsalz 

$.  90.  2)   Salpeter ,   Soda ,   Glaubersalz    und  ande- 
re Salzarten.  ...... 

^  gl.  Mineralwasser.      ...... 


170 


»7> 


III.  Liduslrielle  Production. 

§.  q2.  Von  Handwerken  ,  Manufacturcn  und  Fabri- 
ken überhaupt.  ...... 

§.  g3.  Zustand  des  europaischen  Kunstlleisses  iin 
Allgemeinen.  ...... 

a)    Uebersicht   der  nahmhaj'testen  Zweige    des    europäi- 
schen   Kunsißeisscs  ,  und    zwar  derjenigen  Manufactu- 
rcn ,  welche   Materialien  veredeln,   aus   dem  Pflanzen- 
reiche. 
§.  g4 — 95.  Manufacluren  ,  welche  Flachs  und  Hanf 

verai  heilen.      .  .  .  .  .  ,  .175 

§.   96.  BaumwoUcnmanufacturen.  .  .  .      180 

§.  97.  Mauufactureu ,   welche    Getreidesamen   ver- 
arbeiten. ...... 

§.  98.  Tabaksfabriken.  .... 

§.  gg.  Zuckersiedereven.  .  .  .  .  ,     j 

§.  100.   Ühlfabricalion.  .... 

§.    101.  Arbeiten  in  Holz.        .... 


121.  "Wichtigkeit  des  Handels. 

122.  Umfang  des  europaischen  Handels.  .  , 
' — '                      A.  Auswärtiger  Handel  der  Europäer. 
—                                 a)    Seehandel    derselben. 

§.    123.   1)  Handel  der  Europaer  nach  der  Ostsee  , 
161  dem  mittelländischen   Meere   oder  der  Levan- 

te ,   und  dem  schwarzen  Meere. 

167  'J.   124.   2)  Handel  der  Europäer  mit  und  nach  den 

168  Küsten  von  West-  und  Ost-Afrika. 
i§.   125.  3)   Handel  der  Europäer  mit  uud  nach  Ost- 
indien ,   China  ,  Japan  uutl  Persieu. 

§.   126 — 127.  Handel    der  Europäer  mit  und   nach 

Amerika  und  Australien.  .... 

§.    128.  .  b)  Landhandel. 

12g.  Einfuhrartikel  aus    andern  Erdtheilen  nach 

Europa.  ....... 

l3o.  Ausfuhrartikel  aus  Europa  nach  den  andern 

Erdlheilen 

i3i.  Ausgleichung  der  Schuld  Europa's  für  die 

Consumtion  aiissereuropäischer  Waaren. 
l32.  B.  Handel  der  Europaer  unter  sich. 
i33.   Handelsbilanz.  .....      241 

Beförderungsmittel  des  Handels. 

A.  In  Ansehung  der  Communication. 
§.  a34.  a)  Zu  Lande.  Landstrassen  und  Posten. 
i83     §.   i35.  b)   Zu  Wasser,  aa)  Seefahrt.       . 
187     §.  i36.   bb)  Flussfahrt  und  cc)  Canalfahrt.     . 
9  B.    /n  Rücksicht  des  JVaarenumsalzes. 

190  §.  137.  a)  Handelsplätze,  Jahrmärkte  uud  Messen. 

191  ^.  i38.  b)  Maass   und  Gewicht 


227 


229 


232 


234 


237 
238 


23g 


2.io 


24s 
246 


25i 
256 


C.  In  Ansehung  des  Oeldumsalze 

§.  139.  a)   Geld 

i§.  i4Q-  '')    Banken.  .... 

§.  i4i.  c)  Wechsel  und  Börsen. 


n     h     a     1     t.  VII 

Seile  Seile 

§.    i42-  D.  In  Rücksicht  des  Ineinanrlerwirhens  der 

■     258  verschiedenen  Gewerbsclasscn.  .  .  .      265 

.     261      §.    l43-  E'  In  Ansehung  des  auswärtigen  Handels.       — 

264     §.  144.  Hindernisse  des   Handels.  .  .  .     268 


Zwej'te    Abtheilung. 

Die  Bewohner,  die  Geistesculiur ,  die  Verdieidigungskräfte  und  die  Finan- 
zen der  europaischen  Staaten. 


I.  Bewohner  der  europäischen  Staaten. 

§.   1.  Volksmenge.  .  .         .  .         .  .271 

ij.   2.  Classification  der  europäischen  Staaten,  nacli 

dem  Gesichtspuucte  ihrer  Volkszahl.      .          .  — 
§.  3.   Staaten  der  ersten  Rangordnung.            .          .272 
^.  4-  Staaten  der  zweyten  Rangordnung.        ,          .276 

§.   5.  Staaten  der  dritten  Rangordnung.           .          .  277 

§.   6.  Stauten  der  vierten  und  fünften  Rangordnung.  — 

■J.    7.  Bevölkerung.           ......  278 

^.  8.  Mittel  zur  Erforschung  der  Volksmenge.       .  280 

Nationah'erschiedenheil  der  Europäer. 
^.  g — 11.    a)   In    Rucksicht    auf  Abstammung    und 

Sprache.            .......  285 

§.  12.  b)  In  Rücksicht    auf  ihre    körperlichen  Ei- 
genschaften, Lebensdauer  und  Natioual-Krank- 

heiten 296 

§.  i3 — 17.  c)  Nach  ihrem  Nationalcharakter.           .  298 

«.   18.   d)   Nacli  ihrer  Religion 3i3 

§.   ig — 21.  e)    In  Anscliung  ihrer  Wohnplätze.        .  3i6 
|§.  22.  f)  In  Rücksicht  ilirer  Gewerbe  oder  Beschäf- 
tigungen   329 


11.   Gßistescuhur. 

■§.  23.  Nothwendigkcit  der  Verschiedenheil  der  Bil- 
dungsanstallen  in  einem  Staate,  iind  Ver- 
hältuiss,  in  welchem  sie  zu  demselben  stehen.     53o 

I.  Allgemeine  Bildungsanslalten. 

§.  24'  .  .      A.   f^olksschulcn.       .  .  .      ri3i 

B.  Oewerhsschulen  j 

oder  Bildungsanslalten    zur   f^ermehrung  des  Nationul- 

Rcichthums  oder  der  Production  überhaupt. 
§■  25.  a)  Bürgerschuleu   (niedere  und  höhere  odci 

RealscluUen) ,   Industrie-   u.   Sonntagsschulcn.     553 
$.  26.    b)  Bürgerliclie    Specialschulen    oder  höhere 

technische  Bildungsanslalten-  .  .  .      .334 

§.  27.   c)   Polytechnische  Institute.  .  .  .     536 

C.  Gelcht tenschulen , 

oder  Bildungsanslalten  für   das  Jdministratii'C  und  Er- 
haltende des  Staates. 
§.  28.  a)  Niedere.     ' 358 


$.  2g.  b)  Höhere  Gelehrtenschulen.        .         ,  .     33g 

§.  3o-  aa)  Universitäten.  .....     53g 

§.  3i.  bb)    Mittelschulen    zwischen    Universitäten 

und  Gymnasien.       ......     344 

§.  32.  cc)   Gelehrte  Specialschulen    oder   Lehran- 
stalten für  Beflissene  der  einzelnen  Facultäts- 
studicn.  .......        — 

§.  35.   Pflauzschulen  zur  Bildung  künftiger  Lehrer.      346 

II.  Blldungs-   und    Erziehungsanstalten   filr  be- 
sondere Zwecke  oder  Stände  und  Classen  voh 
Einwohnern. 

6-   34.  Anstalten  zur  Erweiterung  und  I^ervollkomin- 
nung  wissenschaßlicher  und  technischer  Kennt- 
nisse j    so    wie    zur   höheren    Ausbildung    der 
Künste.  .......     34'' 

^.  35.  A.  Gelehrte  Gesellschaflen  und  polyteclmi- 

sche  Vereine.  ......     35l 

§.  56.  B.  Kunstgesellschaften.  ....     553 

i§i.    37.  Anstalten    zur    J^erbreilung  der  Schriften, 

A.  Buchhandel    .......     555 

^.  38.  B.  Literarische  Zeitschriften.       .  .  .     357 

§.  3g.  Einrichtungen  für  einzelne  Wissenschaften.     358 
§.  4o.  Hülfsmittel  für  Künste  ,  so  wie  für  wissen- 
schaftliche und  technische  Kenntnisse.  .     35g 
^.  4i.  Aufsichtsaustalten  über  öfl'cutliciie  Schrii'leu.      362 

Zustand  der   ff  isseiischajien  und  Künste. 
j,.  42-  A.  In  Europa  überhaupt.     .  .  .         ■      564 

^.  45 — 47-  B-  I"   den  einzelnen  Landen)  und  Staa- 
ten insbesondere.    ......       -^ 


III.  Vertheidigung-skiäftc. 

c.   48.  Kriegsmacht 376 

A.    Landmacht. 

&.  49.  Arten  der  Truppen — 

^.  5o 5i-  Stärke  der  Armeen.       ....  579 

§.  52-  Aufbringung  und  Ergänzung  der  Mannschaft.  084 

&.  53-  Unierhaltung  und  Verpflegung  des  Militärs.  585 
§.  54.  Unterrichts-  und  Erziehungsanstalten.         .       ■ — 

&.  55.   Dlsciplin  und  Geübtheit  der  Soldaten.         .  387 

^.  56.    Belolinungen  und  Strafen.  .  .  .  388 

§.  57.  Festungen  und   andere  Mililäranstallcn.        .       — 


VIII 


B.    Seemacht, 
^.  58.  Arten  der  ScliiiTe.  ..... 

§.  5g.  Stärke   der  Seemacht.  .... 

§.  6o-  Marine-Auslalten.         ..... 

IV.  Finanzen. 

§.  61 — 62.   Quellen  der  Staatseinkünfte. 
§.  63.  Rangordnung    der    europäischen  Staaten  in 
Rücksicht  ihrer  Einkünfte. 


Seite 

390 
391 
395 


Seite 


396 


^.  64-  Berechnung  des  Beytrages   eines  jeden   ein- 
zelnen Individuums  in  den  europäischen  Staa- 
ten zu  den  Einkünften  derselben.    . 
§.  65.  Arten  der  Erliebung  der  Staatseinkünfte.    . 
§.  66.  Grundsatz  des  Unterschiedes  zwischen  dem 
Haushalte  des  Privatmannes  und  dem  Staats- 
haushalte.        ....... 

§.  67.  Staatsbedürfnisse  j  Gegenstände  desAufwandes.  — 
§.  68.  Staatsschulden.     ......      4ll 

^.  6g.  Mittel ,  die  Forderungen  der  Slaatsgläubiger 

allmählich  zu  befriedigen.         ....     4i5 


4o5 
406 


407 


Vergleichende    Darstellung 

der 

Giunclmacht  oder  der  Staatskräftc 

aller 

europäischen    Monarchien    und    Republiken. 


Von 

P  r  o  f.  .  B  i  s  i  n  £;  e  r. 


Erste     A  b  t  Ii  e  i  1  u  o  g. 

Das  Land,   die  Urprodiiniori;    die  Faljiicaiion  und  der  Handel   der  europaischen 

Slaalcn. 


1.    Land    der    eiiropäisclien     Staaten. 

Eintlieiluiig    Europas, 

§•   1- 
a)  Gcograpliischc,  oder  nach   den  Ländern. 

xiiuropa  ist  getheill  in  Länder  und  Staaten.  jNicht  jedes  Land  macht  einen  bcsondern 
Staat  ausj  die  enropäischen  Staaten  erstrecken  sich  oft  ans  einem  Lande  in  ein  ande- 
res, ja  sogar  in  andere  Erdtheile.  Ehen  so  ninnnt  nicht  jeder  europäische  Staat  ein 
ganzes  Land  ein;  es  gil)t  Länder  in  Europa,  die  aus  mehreren  Staaten  zusammen  ge- 
setzt sind.  Länder  imd  Staaten  müssen  also  wohl  unterschieden  werden.  Die  Gränzen 
eines  Staates  dehnen  sich  so  weit  aus,  als  sein  Gebiet  reicht.  Da  nun  die  Ausdeh- 
nung dieses  Gebietes  von  \  ertragen  mit  anderen  Staaten  abhängt,  so  sind  die  Grän- 
zen der  Staaten  willkürlicli  und  vielen  Veränderungen  unterworfen.  Dagegen  sind 
die  Gränzen  der  Länder  von  der  Natur  bestimmt  —  durch  Gel)irge,  Meere  und  Flüs- 
se, welche  die  natürlichen  Gränzen  bilden,  und  als  solche  fest  und  bestimmt  sind. 

in  Hinsicht  der  Hauptgclnrge  und  der  grössten  inländischen  Meere  ergilit  sicli 
folgende  Eintheilung  der  evu-opäischen  Länder: 

A.  yilpenländer j  und  zvsar:  a)  nördlich  von  den  Alpen:  L  Deutschland ;  IL  die 
Schweiz;  b)  südlich  von  den  Alpen:  HL  Italien;  c)  westlich  von  diesem  Gebirge: 
n'.  Frankreich. 

B.  Fjrenäische  Halbinsel :  \ .  Spanien  ;  W.  Portugal. 

C.  Nordseelände}- j  imd  zwar:  a)  westliche:  YH.  Qrosshritannien  und  Irland; 
\HL  Niederlande;  b)  östliche:  IX.  Dänemark;  X.  Norwegeti. 

D.  Baltisclie  oder  Ostseeländer ^  imd  zwar:  a)  nördlich:  XL  Schweden;  b)  ösi- 
lich:  XII.  Russland;  c)  südlich:  XIII.  Preussen. 

E.  Karpathische  Länder,  und  zwar:  a)  nördlich  von  den  Karpalhcn:  XI\'.  Ga- 
iizien  uud  Polen;  b)  südlich  von  diesem  Gebirge:  XA'.  Ungern  und  Sieheidiiugcn ; 
KM.  die  Türkej. 

§•  2. 
L)  Politische,  oder  nach  den  s  o  u  v  e  r  a  i  n  e  n  Staaten. 

Europa  hat  gegenwärtig  in  seinem  Umfange  52  (grosse,  mitticic,  kleine  und 
sehr  kleine)  Monarchien  und  28  Republiken  (s.  §§.  5 — 8).  Die  Mehrzahl  dieser  Staa- 
ten bildet  zwey  Staatensysteme:  1)  den  Bund  der  Deutschen  j  bestehend  aus  41  son- 
veraincn  Staaten,  wovon  07   Monaiclüca   mid  4  Rcpuldiken  sind;  2)  df^^'  Bund  der 


i  I.  Land  der  europ.  Staaten.  §.  5.  Grosse  von  Europa.  §.  4.  Bcstandlheile  elc. 

Schweizer  j  oder  die  sc/nveizei'isclie  Eidgeiiossenschciftj  bestellend  aus  22  souverai- 
nen  Caiiioneii  oder  Eidyerossen ,  wovon  n\u-  einer  (Nciifcliatel)  unter  einer  luoiiai- 
cliischcu,  die  übrigen  21  uuler  einer  rcpublikauischen  Verfassung  stehen. 

§.  3. 

G  r  ü  s  s  «    von    Europa. 

Unter  den  fünf  Erdlhcilen,  in  welche  die  heutige  Welt  abgeihciit  wird,  ist  £"/;- 
/■o;?«  zwar  der  kleinste;  allein  der  bekannteste,  und  in  Rücksicht  seiner  Cultur  und 
seines  Einflusses  auf  die  übrigen  Erdlheile,  der  wichtigste.  Es  ist  hier  auch  nicht 
ein  Fleckchen  zu  finden,  dessen  Bewohner  nicht  in  einer  wirklichen  Staatsverbindung 
lebten,  während  in  allen  andern  Erdlheilen  immer  nxu-  ein  grösserer  oder  geringerer 
Theil  ihrer  gesammtcn  Bevölkerung  zu  einem  eigentlichen  politischen  Leben  sich  er- 
hoben hat.  Europa  ist  demnach  der  Hauplschauplalz  arbeitender  und  bearbeiteter 
Humanität.  Der  Flächeninhalt  desselben  wird  verschieden  angege])en.  Fabri  rechnet 
dafür  i5o,ooOj,  Hassel  154,449,  i^lcn-sel  \b!.\,l\,b-j ,  Crome  i5.5,07i  ,  Rcaidel  165,041  , 
Cannabich  164 — 168,000,  Gaspari  168,000,  Stein  i7i,3g7,  Gal/ettiij i,ßo6,  Ock- 
hart  172,675,  Müller  174,012  und  ßergmann  181, 632  QM.  Der  grosse  Unterschied 
zwischen  den  ersteren  und  lelzteren  AngaJjen  rührt  hauptsäclilich  von  der  willkürli- 
chen Annahme  der  östlichen  Gränze  her. 

Zu  Afrika  verhält  sich  Europa  uw^cSahr  wie  -^ ,  zu  ^sien  wie  ^,  zu  Amerika 
wie  ^,  nach  andern  wie  i.  ^on  Australien  oder  Siuiindien  soll  JSeuliolland  aÜMii, 
die  grösste  unter  allen  Inseln  unsers  ganzen  riancten ,  fast  so  gross,  wie  Europa  seyn, 
imd  der  Flächeninhalt  der  ganzen  Inselwelt  180,000  —  200,000  QM.  benagen. 

Die  grösste  Länge  von  Westen  nach  Osten  betiägt  ungefähr  800,  die  grös.sie 
Breite  von  Süden  gegen  Norden  55o  geographische  Meilen. 

§.  4- 

Beslandtlieilf    und    Classificirung    der    einzelnen    europäischen    Staaten. 
II  a  eil  dem  G  es  ic  h  ts  p  u  n  et  e  ihres  Flächeninhaltes. 

Das  Gebiet  der  europäischen  Staaten  zerfällt  in  Beslandtheile,  die  theils  ein  zn- 
sammenhängcndes  Ganzes  bilden  aj ,  theils  durch  bedeutende  Strecken  dazwischen 
gelegener  fremder  Länder  bj ,  theils  durch  IMeerc  und  Meerengen  cj  von  einander 
gelrennt  sind,  theils  sich  sogar  in  andere  Erdtheile  erstrecken  dj.  —  iSicht  minder 
verschieden  ist  die  Vertheilung  des  gcsammten  Bodens  von  Europa ,  dessen  Flächen- 
inhalt wir  zu  154,950  QM.  annehmen.  Es  thcilen  sich  in  denselben  Staaten  von  sehr 
ungleichem  Gebietsumfange.  Man  kann  sie  in  dieser  Hinsicht  füglich  unter  4  Glasscii 
bringen,  zu  deren  Bestimmung  man  die  Grössen  von  10,000,  1000  und  100  QM.  an- 
nimmt. Die  Classe  der  Staaten  von  erster  Grösse  behauplen  diejcniigen  ,  deren  Gebiet 
lo,ooo  QM.  oder  darüber  einnimmt.  Zu  den  Staaten  von  zwejter  j  dritter  und  vier- 
ter Grösse  gehören  diejenigen,  deren  Areal  vmter  10,000,  jedoch  wenigstens  1000 
QM.  enthält;  ferner  diejenigen,  deren  Flächenraum  unter  looo  bis  joo  QM.  fällt; 
endlich  jene,  deren  Flächeninhalt  nicht  i;iiiiual  100  QM.  beträgt. 


I.  Land  Jcr  ciu-op.  Staaten.  §.  5.  Staaten  dur  ersten  Ginssc.  9 

Dio  Glosse  d<\s  Fläclicnranmes  brgriiiidet  jedoch  keiueswcys  allein  die  wahre 
Stärke  der  Slaalen  ej ,  ohgleieh  derselhc  gleichsam  die  Unterlage  des  Staates j  iiiii- 
hin  ein  wesenlhcher  Bestandiheil  desselben  ist^  ohne  welchen  derselbe  gar  nicht 
vorhanden  seyn  würde.  Auch  ist  die  grössere  oder  geringere  Ausdehnung  eines  mehr 
oder  weniger  fruchlbaren  Areals  für  den  Staat  vun  so  wichtiger,  da  nicht  allein  die 
Summe  der  IS'aturkräfle ,  worüber  derselbe  verfügen  kann,  dadiu-ch  ab-  oder  zu- 
nimmt, sondern  auch  in  vielen  Fallen  die  Siiirke,  die  Sicherheit  und  dej-  Flor  des 
Staates  durch  Besitz  einzelner  Provinzen  vuigemein  gewinnt  fj. 

Es  darf  übrigens  hier  nicht  unbemerkt  Ijleiben ,  dass  die  Angaben  von  der  Grösse 
der  einzelnen  europäischen  Staaten  in  den  geographischen  und  statistischen  Schriften 
sehr  von  einander  ahweichen,  und  so  lange  abweichen  werden,  bis  sänuTillichc  Staa- 
ten genau  vermessen ,  und  die  Resultate  der  Vermessungen  auf  officiellem  Wege  zur 
Kenntniss  des  Publicums  gelangt  sind.  Die  grösste  Schwierigkeit  in  der  Bestimmung 
des  Areals  findet  man  bey  solchen  Staaten,  deren  Gränzen  seit  der  letzten  grossen 
Wellcalastrophe  neu  geschaffen  wurden,  wo  man  auf  alte  Ab iheihuigen  keine  Rück- 
sichtnahm, und  die  auf  einer  Seite  grössere  oder  kleinere  Theile  verloren,  auf  der 
andern  aber  einen  Zuwachs  von  ganzen  Ländern,  oder  vun  Parzellen  derselben,  oder 
von  beydcn  zugleich  erhielten.  Wer  kann  nun ,  um  den  Flächeninhalt  des  Ganzen  zu 
bestimmen,  zuverlässig  behaupten,  dieses  oder  jenes  verlorene  oder  hinzugekomjuene 
Stück  Landes,  oder  Fleckchen,  bctriujt  20,  oder  5,  oder  i  QM.? 

d)  So  machen  z.  B.  Russlands  ungeheure  Besitzungen  ein  ^■ollkomme■n  zusammenji'äng"n(les 
Ganzes  aus.  —  b)  So  ist  es  der  Fall  mit  Preussen ,  Baiern  und  andern  Staaten.  —  c)  Diess 
findet  Stall  bey  Frankreich  ,  Spanien,  Grossbrilannien ,  Dänemark ,  Sardinien  ,  Toscana,  bej- 
den  Sicilien  ,  der  T'ürkcy  und  den  \  ereinigten  Slaalen  der  jonischen  Inseln.  —  rf)  So  ist  es 
der  Fall  mit  Russland ,  der  Türkej-  und  allen  Colonialslaalen.  —  e)  Man  vergleiche  z.  B. 
Schifedcn  und  Norwegen  mit  der  prettssischen  Monarchie.  —  J)  Was  würde  z.  B.  Preussen 
ohne  Schlesien  ,  und  Russland  ohne  die  Ostsee-Proinnzen  geworden  seyn? 

§.  5. 

Slaatenderer  sie  n  Grösse. 

A.  Das  russische  Kaiserthum.  Es  umfasst : 

a)InEiu-opa:  1)  Grossrussland;  2)  Kleinriissiand;  3)  ScJiwarz- w\A  TVeiss- 
russlaiid ;  4)  Lilthaiien  mii  Blaljstock ;  5)  Neuriissland  mit  dein  Fjaudc  der  donisclien 
Kosaken,  mit  Bessarabien  und  demjenigen  Theile  Agv  Moldau j,  welcher  am  linken 
Ufer  des  P/'«//i-Fliisses  liegt;  6)  die  Ostseeprnvinzen ;  7)  das  Königreich  Polen. 

b)  In  Asien:  1)  das  Königreicli  Kasan;  2)  das  Königreich  Astrachan j  mit  Gru- 
sieUj  der  Steppe  der  Kirgisen ^  Imerette  und  den  im  J.  i8t3  von  Persien  abgetrete- 
nen Provinzen  an  der  Westküste  des  caspischen  Meeres;  3)  das  Königreich  Sibirien ^ 
wozu  auch  die  Beringsinsel  ^  die  Kupferinsel  j  die  Kurilen  und  Aleuten  gehören. 

c)  Die  mittlere  TVestküste  von  Amerika  ^  welche  sich  unter  59°  N.  Br.  mit  der 
Halbinsel  Alaschka  und  östlicher  bey  Prmz  JVilhelmssund  und  Cooks- Einfahrt  an- 
fängt, und  hoch  im  Norden  hinaufgeht. 

Der  Flächeninhalt  dieser  beynahc  unermesslichen  Ländcrmasse  bclrägl,  ohne  die 


6  I.  Land  der  europ.  Staaten.   §.  5.   Siaalcn   der  ersten   Grosse. 

niitllcrc  Westküste  von  Amaiika  und  die  persisclion  Pi-ovinzen,  345:,25o  QM.,  wovon 
74,5oo  anf  den  europäischen  (2000,  nach  andern  2293,  in.shesondere  auf  das  Königreich 
Polen)  ttnd  270,750  auf  den  asiatischen  Theil  gerechnet  werden.  Der  grösstc  Staai ,  der 
je  bestand^  um  i  grösser,  als  die  zweifache  Grösse  von  ganz  Europa,  umfassend  hey- 
nahe den  achten  Theil  des  ganzen  Festlandes  und  ungefähr  den  acht  und  zwanzig- 
sten Theil  der  ganzen  Erdfläche.  Als  Iwan  Wasiljewitsch ^  der  Wiedcrhci  steller  des 
russischen  Staates,  1462  den  Thron  bestieg:  betrug  der  Ländcrhestand  19,782  QM. 
In  einem  Zeiträume  von  etwa  358  Jahren  vergrösserle  also  Russland  sein  Areal  weil 
über  sie])enzehn  Mal. 

E.  Schweden.  Älit  diesem  Königreiche  ist,  seit  1814,  das  Königreich  Norwegen 
vereiniget;  hingegen  ist  es  nun  ohne  a)  die  kornreiche  Provinz  Finnland j  welche 
(nebst  einem  Theile  \on  JSorland ,  bis  an  die  Flüsse  Tornea  imd  Muonio,  und  mit 
den  Alandsinsehi)  im  J.  180g  im  Friedrichshammer  russisch-schwedischen  Friedcns- 
traclate  an  Russland  al)getrcten  wurde;  dcssgleichen  b)  ohne  Schwedisch- T'ovpom- 
mern  j  nebst  der  Insel  Rügen,  welche  1814  im  Kieler  Frieden  fiir  Norwegen  an  Dä- 
neiuark,  i8i5  aber  von  Dänemark,  gegen  das  Horzogthum  Ijauenburg  (jenseit  der  El- 
be) und  eine  3i"imie  Geldes  an  Preussen  abgetreten  wurden. 

Der  Flächeninhalt  des  schwedischen  Grundgebiels  in  Europa  beträgt  gegenwärtig 
i6,i55  QM-,  wovon  auf  Norwegen  (in  Westen  von  Schweden)  7012  QM-  konnuen. 
Schweden  mit  Norwegeji  ist  mithin  nach  Russland  an  Areal  der  grösstc  europäische  Staat. 

C.  Das  österreichische  Kaiserthum.  Es  begreift  gegenwärtig: 
1)  Das  Erzherzoglhuni  Oesterreich  j  bestehend: 

a)  aus  dem  Lande  anter  der  Enns 364  QM. 

b)  aus  dem  Lande  ob  der  Enns 208  — 

c)  aus  dem,  mit  dem  Lande  ob  der  Enns,  unter  gleiche  Landes- 
verwaltung gesiclken  Herzoglliume  Salzburg ^  jiiit  Ausnahme 
des  an  Baiern  libcrlassenen  Landstrichs  am  linken  Ufer  der 
Salzach  imd  der  Saal,  und   ohne   die  mit  Tvvol  vereinigten  Di- 

stricte  des  Ziller-  und  Brixnerthaics 128  — 


700     — 

2)  Das  Ilerzogthnm  Stejermark 5gg     — 

3)  Das  im  J.  1816  errichtete  Königreich  Illyrien  ^  bestehend:  a)  aus  dem 

Herzoglliume  Krain ;  b)  dem  Herzoglliume  Kärnthen,  c)  dem  im 
Wiener  Frieden  an  Frankreich  abgetretenen  Theile  von  Civil-Croa- 
tien ,  oder  dem  Carlstädter  Kreiso ;  d)  dem  neuorganisirten  öster- 
reichischen Seeküstenlande  j  zusammengcsetzl :  aa)  aus  dem  alten 
Gebiete  von  Triest ;  bb)  aus  Theilen  von  Krain,  oder  dem  Adels- 
Ä<?rge/' Kreise;  cc)  dem  ehemahhgen  ungrischen  Seekiistenlande  : 
dd)  Istrien ;  ee)  dem  österreichischen  und  einigen  Parzellen  des 
venetianisclien  FriaulSj  und  ff)  den  ehemals  zu  Dalmatien  gehöri- 
gen ^«a;7ze/üc7;e«  Inseln /'^dg'/m^  CAe/'i'o  und  Oii'erOj  zusammen     614     "" 

Ftiilrag    1713    QM. 


I.  Land  der  cufop.  Staaten.  §    5-  Staateu  der  ersten  Grösse.  •: 

Überlrag   1715    Q"M, 

4)  Die  yefurstete   Grafschaft    Tjrol ,  nebst  dem  Gerichte  Pils  und  den 

i'Oiarlhetgischeti  Herrschaften,  ohne  das  hey  Baiern  vcrhiiehcne 
Gericht  PFeiler  _,  aber  mit  Einschhiss  der  von  Salzburg  getrennlcn 
Landesiheile 5+6     — 

5)  Das  Königreich  Böhmen  mit  den  Disiricten  von  Eger  und  ^sch  .     .     g5i      — 

6)  Das  IMarkgrafthum  Mähren,  mit  dem  österreichischen  Anthcile  an  dem 

Hcrzogtlnmie  Schlesien  (83  QM.)        55i     — 

7)  Das  Königreich  Galizien  mit  der  Bukowina  j  oder  dem  österreichi- 

schen Am  heile  an  der  Moldau 1023     — 

8)  Das  Königreich  Ungern  mit  den  Provinzial-Dislricten  der  demselben 

einverleibten  Königreiche  Slawonien,  und  Croatien ,  aber  mit  Aus- 
nahme desjenigen  Theils  von  Croalien,  welcher  im  Wiener  Frie- 
den von  Ungern  getrennt  worden  war,  mid  jetzt  ein  Bestandtheil 
des  Königreichs  lUyrien  ist' 4o3.i      — 

g)  Das  Grossftirstenihum  Siebenbiergen  ^  mit  der  inclavirten  und  gröss- 

tcn  Theils  mit  dem  Provinziale  ganz  vermengten  Älilitärgränze  .     .   1046     — 

10)  Das  lombardisch- venezianische  Königreich,  bestehend  aus  zwey 
Gouvernements-Bezirken  : 
a)  Aus  dem  der  österreichischen  Lombardej  und  einigen  veneziani- 


schen Districten 


jgo 


b)  Aus  dem   von  P^enedig   mit  einigen  Theilen  des  österreichischen 

Friauls     . 440     — 

11)  Das  Königreich  Dalmatien  ^  ohne  die    obenbesaglen  quarnerischen 

Inseln^  aber  mit  den  Disiricten  von  Cattaro  und  Ragusa       .     .     .  3o4     — 

12)  Die  Militär gränze  : 

a)  Die  Croatische 278  — 

b)  Die  Slai'onische  mit   dem   Tschaikisten-Bislricie  in  Ungern     i35  — 

c)  Die  Ungriscli-Banatische 14.5  — 

d)  Die  Siebcnbiirgische  (s.  oJjcn  >r.  g).  558     — 


Zusammen  i2,o56  QM. 

Die  österreichische  Monarchie  hat  also  gegenwärtig  ein  Areal  von  i2,o56  QM. 
Denüan  rechnet  dafiir  12,076,  Hassel  12,123  und  Crome  12,210  geogr.  QM. 

Als  die  durchlauchtigste  Dynasiie  Habsburg  1282  in  Besitz  der  Lcänder  kam,  wo- 
durch die  erste  Aussicht  zur  kiinl'ligen  Grösse  dieses  Hauses  sich  öffnete:  l)etrug  der 
Flacheninhalt  derselben  ungcf'ahi-  1000  Q^I.  In  einem  Zcitraiune  von  53g  Jaltren  ver- 
grösserte  also  das  Haus  Habsburg-Lotliriugen-Oesterrcich  seine  Besitzungen  mehr  als 
zwölf  Mal. 

D.  Jy^n-  deutsche  Bund.  Deutschland  war  noch  im  J.  1806  ein  lubegriffvon  un- 
gefähr 200  grösseren  und  kleineren  Suaten,  welche  insgesaumit  mit  einander  verbun- 
den waren,  a)  verniillelst  eines  gemeinschaftlichen,  von  den  Churfiiistcn  gewähl- 
ten Beichsuberhauptcs  (des  römisilien ^  oder  vielmehr  JÖtw'sch-deutschen  Kniscra)^ 


8  'I.  Land   der  curop.   Slaalcu.  ij.  5.   Slaatcu  der  crsteu   Grösse. 

}>)  vcrmillclsl  einer  ajli;enieincn  Reiclistai;.s -Versammlung^  und  anderweitiger  politi- 
scher Vcrfassungsbesümmungen.  An  die  Stelle  dieses  zusammengesetzten  Staatskör- 
pers ^  der  den  Nahmen  heiliges  römisches  Beich  _,  oder  auch  römiscli-deiitsches  und 
heiliges  Beich  iühne ,  trat  e\n  Bnndessjstemj,  rheinischer  Bund ^  rJieinische  Bun- 
desstaaten (Etats  confe'de're's  du  Rhin)  genannt^  nachdem  mehrere  vormalige  deut- 
sche Reichsstände,  ursprünglich  in  W.  vuid  SW.  Deutscldands,  zu  Paris  den  12.  Jul. 
1806  che  Acte  des  Bundes  geschlossen,  und  den  1.  Aug.  desselben  Jahres  von  dem 
Reichstage  zu  Rcgens])urg  sich  getrennel,  auch  der  Kaiser  von  Osterreich  den  6-  Aug. 
chcn  genannten  Jahres  auf  die  Jjisher  getragene  römische  Kaiser-  und  deutsche  Kö- 
nigskrone, welche  Österreichs  Beherrscher  in  i3  Geschlechtsfolgen  ununterbrochen 
trugen,  verzichtet  hatte.  Jener  Verein,  dessen  Mitglieder  Souveraine  hiessen,  aber 
im  Grunde  nichts  weiter  waren,  als  Vasallen  des  französischen  Kaisers,  der,  unter  dent 
Nahmen  eines  Protectors  _,  sie  als  untergeordnete  Glieder  seines  grossen  Reiches  an- 
sah,  dauerte  nur  sieben  Jahre  und  einige  Monathe.  Deutschland  umfasst  nunmehr, 
vermöge  der  zwey  Pariser  Fricdcnsschliisse  1814  und  i8i5,  dessgleichen  kraft  der 
Wiener  Congress-Acte  i8i5,  einen  in  neueren  Grundlagen  begriindetcn  Staatenljund, 
welcher  der  deutsche  Bund  heisst ,  tuid  aus  41  souverainen  deutschen  Bundeslaaten 
besteht.  Die  Mitglieder,  mit  Angaljc  der  Grösse  ihrer  Staaten,  sind  folgende  : 

1)  Der  Kaiser  von   Österreich  wegen  seiner  sammtlichen  ,    ehemals 

zum  deutschen  Reiche  gehörigen  Besitzungen  aj  mit     .     .     .     .     .  3732  QM. 

2)  Der  König  von  Preussen  ebenfalls  wegen  seiner  säunutlicheu  deut- 
schen Staaten  bj  mit 33o7  — 

3)  Der  König  von  Baiern  mit 1407  — 

4)  D^r  König  von  Sachsen  mit 340  — 

5)  Der  König  von  Ilanover  mit 684  — 

6)  Der  König  von  Wiirlemberg  mit    .     .     , 36o  — 

7)  Der  König  von  Dänemark   wegen  der  Herzoglhümer  Holstein   und 
Lauenburg  mit 174  — 

8)  Der  König  der  Niederlande  wegen  des  Grossherzogthimies  Luxem- 
burg mit 110      — 

g)  Der  Grossherzog  von  Baden  mit 272  — 

to)  Der  Churfürst  von  Hessen  mit 201  — 

11)  Der  Grossherzog  von  Hessen  mit 2l4  — 

12)  Der  Grossherzog  von  Sachsen-Weimar  mit      ........  -67  — 

i3)  Der  Herzog  von  Sachsen-Gotha  mit 55  — 

14)  Der  Herzog  von  Sachsen-Meinungen  mit       .........  18  — 

15)  Der  Herzog  von  Sachsen-Hildburghausen  mit       .......  11  — 

16)  Der  Herzog  von  Sachsen-Coburg-Saalfeld  mit 27  — 

17)  Der  Herzog  von  Braiuischweig  mit 72  — 

18)  Der  Grossherzog  von  Mecklenburg-Schwerin  mit 224  — 

uj)  Der  Grossherzog  von  ^leckleuburg-StreUtz  mit    .......  41 

Flirtrag  ii,3l6     Q^i 


I.  Land  der  europ.  Staaten.  §.  5.  Staaten  der  ersten  Grösse.  o 

Übertrag  ii,3l6  QM. 

20)  Der  Herzog  von  Holstein-Oldenburg  mit 120  

21)  Der  Herzog  von  Nassau  mit 102  

22)  Der  Herzog  von  Anhalt-Dessau  mit I7  

23)  Der  Herzog  von  Anhall-Bernburg  mit l5  

24)  Der  Herzog  von  Anlialt-Köthen  mit i5  — 

25)  Der  Fiirst  von  Schwarzburg-Sondershausen  mit 23  

26)  Der  Fürst  von  Schwarzburg-Rudolstadt  mit 22  — 

27)  Der  Fiirst  von  HohcnzoUern-Hechingcn  mit 5  

28)  Der  Fiirst  von  Hohcnzollern-Sigmaringen  mit l3  

2g)  Der  Fiirst  von  Liechtenstein  mit 2/°  

30)  Der  Fiirst  von  Waldeck  mit 22      — 

31)  Der  Fiirst  von  Reuss  alt.  Linie,  oder  der  Fiirst  von  Reuss-Greiz  mit  7       — 
32 — 34)  Das  fiirsllicho  Haus  Reuss  jüngerer  Linie  ,  oder   die  Fürsten 

von  Rcuss-Schleiz,  Lobenstcin-Lobenstcin  und  Lobenstein-Ebcrs- 

dorf,  zusammen  mit 21  — 

35)  Der  Fürst  von  Lippc-Dclmold  mit 24  — 

36)  Der  Fürst  von  Schaumburg-Lippe  mit lo  — 

37)  Der  Landgraf  von  Hessen-Homburg  mit 5  — 

38)  Die  frcyc  Stadt  Frankfurt  am  ^Liiii  mit 5  — 

3g)   Die  freye  Hansestadt  Lübeck  mit 5^-"'  — 

40)  Die  freye  Hansestadt  Bremen  mit 3^'^°  

41)  Die  freye  Hansestadt  llamlnirg  mit     .  ■ 5^'°  — 

Zusammen   11,761     QM. 
Ohne  die  österreichisch -preussisch- dänisch  und  niederländisch- deutschen  Be- 
sitzungen ,   folglich  der  Flächeninhalt  der  j-ein  deutschen   Bundesstaaten,   von  dem 
Königreiche  Baiern    an   bis  zu   den   freycn    Städten    herab ,    oder    der    Flächenraiun 
Deutschlands  gleichsam  ini  engeren  Sinne ,  beträgt  3gg3  QM. 

E.  Frankreich.  Die  Provinzen,  woraus  dieses  Königreich  nach  und  nach  er- 
wuchs, waren  vor  dcniJahre  1648  folgende:  i)L-le  de  France ;  2)  Picardie ;  3)  Cham- 
pagne ;  /^)  Bourgogne ;  5)  Dauphine;  6)  Ljonois ;  7)  Provence;  8)  Languedoc; 
g)  Guienne ;  10)  Orleans;  ii)  Bretagne;  12)  Normandie.  Seit  1648  kamen  hinzu : 
13)  Elsass ;  \ li)  Franche-Comtc ;  \b)  Lothringen ;  16)  ein  Theil  der  Niederlande; 
17)  die  Lisel  Corsika  im  mittelländischen  Meere.  Li  dieser  Ausdehnung  betrug  Frank- 
reichs Flächeninhalt  iir.  Jahre  i7go  mehr  als  io,000  QM. ,  welches  Areal  von  i7g5 
bis  Dec.  1810,  während  der  Abwechselung  der  niannigfaliigsten  und  entgegengesetz- 
testen Regicriingsformon,  durch  Friedenstraciate  und  weitere  Verhandlungen,  ja  selbst 
durch  Senatus-Consiille  imd  Decrete,  einen  Zuwachs  von  mehr  als  4000  QM.  ge- 
wann, so,  dass  Frankreichs  unmittelbares,  furchtl)ar  gestaltetes  Gnmdgebiet  sich  von 
Rom  bis  an  die  Nordsee  erstreckte,  und  ganz  Europa  unter  dessen  zerstörendem  Ein- 
flüsse stand.  Es  büsslc  aber  alles,  was  es  in  dieser  Periode  des  Glückes  und  des 
Übermulhes  errang,  in  den  Jahren  i8i5,  1814  und   i8i5  völlig  wieder  ein.  Lidesscn 

2 


10  I.  Laud  der  euiop.  Staaten.  5.  6.  Staaten  der  zweyleu  Grösse. 

cihiell  CS  im  Pariser  Frieden  1814  —  durch  die  Grossiimih  der  Sieger  —  so  viel  von 
den  eroberten  Liinderu  wieder  zurück,  dass  es  ungefähr  10,444  Q^l-  hesass,  mithin 
einige  hundert  QM.  mehr,  als  1790-  In  dem  zwcylen  Pariser  Frieden  vom  20.  Nov. 
l8i5  musstc  CS  aber  181  Q^l-  wieder  abtreten,  nähmhch:  das  Herzogthum  Bouillon  ^ 
die  Festungen  J^/ulijjpei'ille  und  Marienhuvg  j  mit  ihren  Territorien,  dessgleichcn  die 
Festungen  Saarlouis  und  Landau  j  nebst  dem  auf  dem  Unken  Ufer  der  Lauter  ge- 
le"cnen  Abschnitt  des  Departements  des  JSiederrheins  j  so  wie  einen  Thcil  der  Land- 
schaft Gex  j  das  Fiirstcntinim  Monaco  und  denjenigen  Thcil  Savorens  j  der  in  Folge 
des  Pariser  Fricdenstractats  vom  3o.  May  1814  bey  Frankreich  geblieben  war.  Nach 
Abzug  dieser  Abtretungen  besitzt  Frankreich  gegenwärtig  nach  (7/'07/ie  ungefähr  io/263 
QM.  Hassel  rechnet  dafür  10,264,  Fabrl  10,000  luid  Klein  nur  g65o  QM. 

a)  Nach  der  österreichischen  Abstixumiing  vom  6.  April  1816  gehören  folgende  Provinzen 
und  Läiidertheile  des  österreicliischeu  Kaiserthumes  zum  deutschen  Bunde  :  1)  das  Erzherzog- 
ihümÜslevreichj  2)  das  Herzogthum  Slererinai-k  ;  3)  das  Heizoglhuni  Ä(Vr/i</ie/!  ;  4)  das  Her- 
zogthum Krain ;  5)  das  österr.  Friaul ,  oder  der  Görzerkreis  (Görz ,  Gradiska,  Tolmein, 
Flitsch  und  Aquileja)  ;  6)  das  Gebiet  von  Trlest ;  7)  die  gelürstete  Grafschaft  Tjrol ,  mit 
den  Gebieten  von  Trient  und  Brixen ,  dann  Vorarlberg ,  mit  Ausschluss  \on  Weiler;  8)  das 
Herzogthum  Salzburg  österreichischen  Antheils ;  y)  das  Königreich  Böhmen;  10)  das  Mark- 
grafthuni  Mähren;  n)  der  österreichische  Antheil  an  dem  Herzogthume  Schlesien,  mit  In- 
begriff der  böhmisch-schlesischen  Hcrzogthümer  .^asc/i(«(3  und  Zalor ;  i2)  die  Grafscliaft 
Hohen-Geroldseck  j  welche  aber  x8ig  an  Baden  abgetreten  wurde.  Der  Fliiclicninhalt  dieser 
Provinzen  und  Ländertheile  beträgt,  ohne  die  böhmisch-schlesiscben  Herzogthümer  Ausch- 
wiLz  und  Zaior ,  welche  seit  dem  i5.  Jahrhunderte  mit  Polen  verbunden  waren,  und  bey 
der  ersten  Theilung  von  Polen  (1772)  mit  den  übrigen  Bezirken  an  Österreich  kamen, 
3617,  mit  denselben  5737  geogr.  QM.  Es  gehören  also  etxras  mehr  als  y  des  österreichi- 
schen Staatsgebiets  zum  deutschen  Bunde. 
6)  Nach  der,  in  der  22.  Sitzung  des  Bundestages  1818  gegebenen  prcussischcn  Erklärung  ge- 
hören lolgende  preussische  Pro\  inzen  zum  deutschen  Bunde:  i)  Pommern  ;  2)  Brandenburg ; 
3)  Schlesien;  4)  Sachsen;  5)  If^estphalen  ;  G)  Clecc-Berg  :  7)  Nieder-Rhcin.  Der  Flächen- 
inhalt dieser  7  Provinzen  enthält  33o7  QM.  Es  gehört  also  weit  mehr  als  die  Hälfte  des 
preussischen  Staatsgebiets  (s.  §.  6)  zum  deutschen  Bunde. 

§.  (3. 

Staate  n   d  er   z  w  e  y  t  e  n   Gross  e. 

A.  Das  osmanische  Kaiserihuin.  Es  begreift: 

a)  In  Europa  :  1)  Rum-Ili  oder  Romanien ;  2)  Bulghar-IIi  oder  Bulgarien;  3)  Ar- 
naut-Filajeti  oder  Macedonien  und  Osmanisch- Albanien ;  4)  Janjah  oder  Thessa- 
lien; b)  Livadie?i  (Hellas  oder  Graccia  propria) ;  6)  Morah-Pllajeti  oder  Morea  (Pe- 
Idponncsus);  7)  Serf-rUajeti  oder  Sennen;  8)  Boschnah-lli  oder  Bosnien  nebst  der 
Herzegowina  und  dem  Antheile  an  Croatien  wnA  Dahnatisn ;  g)  die  StattJtnltcr- 
schajt  des  Kapudan- Pascha ^  bestehend  aus  dem  thracischen  Chersones  und  den 
Insehi  des  Archipelagus ;  10)  noch  einige  Inseln  im  mittelländischen  Meere  ,  woi'unter 
Candia  (sonst  Greta)  die  vornciunste  ist. 

1))  In  Asien:  1)  Natolien  oder  JnadoU .,  d.  i.  Morgenland^  Levante^  auch 
Klein-Jsien  genannt  j  unter  den  dazu  gerechneten  Inseln  sind  Cjpcrn  mid  Rliodis 


I.  L^nd  der  europ.  Staaten.  §.  6.  Staaten  der  zweylen  Grösse.  Ij 

(Rhodus)  die  vornehmsten j  2)  Syrien  nebsi  Palästina  und  dem  Lande  der  Drusen; 
^)  Mesopotamien  oder  AL  Dschesira  ;  4)  Tarkomanien  oder  Türkisch  •  Armenien  ^ 
nebst  Kurdistan  (Assyrien)  und  Irak  Arabi  (Babylonien  imd  Chaldäa) ;  5)  ein  kleiner 
Thcil  von  Georgien  mid  einige  Stücke  von  Arabien. 

c)  In  Afrika :  1 )  Aegjpten;  2)  OsmaniscJi-Nubien :  3)  ein  Theil  der  Landscliaft^rtrÄrt. 

Schulzlander  oder  mittelbare  Provinzen  sind  : 

a)  In  Europa:  1)  das  Furstenthuiu  fFalnchey ;  2)  zwcy  Drittheile  des  Fürsten- 
thums  Moldau;  b)  in  Afrika:  die  Staaten  der  Berberer  j  oder  die  militärisch-aristo- 
kratischen Reptd^liken :  Algier,   Tunis  \.\in{  Tripoli. 

Der  Flächeninhalt  dieser  Länderinasse ,  ohne  Algier,  Tunis  tmd  Tripoli,  wird, 
mehr  nach  Schätzungen  als  nach  zuverlässigen  Daten,  zu  45>485  QM.  angenommen. 
Davon  rechnet  man,  nach  der  im  Buknreschter  Frieden  1812  erfolgten  Alitretmig 
von  ganz  Bessarabien  und  i  der  Moldau  j  zusammen  von  85oQ^I.,  ungefähr  9220  auf 
den  europäischen  Antheil,  3o,ooo  auf  den  asiatischen  und  6260  auf  den  afrikanischen. 

B.  Spanien.  Dieses  Königreich  ist  aus  5  Monarchien  zusannncngcsctzt :  aus  Ca- 
stilien  j  Aragonien  und  Navarra  (Ober-N'avarra),  ^vic  auch  aus  den  baskisclien  Pro- 
vinzen Biscaja  ^  Guipuscoa  und  Alava. 

Zu  Castilien,  welches  fast  |-  von  ganz  Spanien  nrnfasst,  gehören  die  Königreiche 
Neu-  und  Alt-Castilien  _,  Galizia  j  Cordova  j,  Sevilla j  JaeUj,  Granada  und  MurciUj 
die  Fiirstenlhiimer  Leon  und  Asturien  untl  die  Landschaft  Estremadura. 

Zu  Aragonien  gehört:  1)  das  Königreich  Aragonien  an  sich  selbst-  2)  das  König- 
reich P alencia ;  3)  das  Königreich  Mallorca  (.Majorca),  bestehend  ans  den  baleari- 
scJien  Inseln  QMallorca  und  Minorca)  und  den  pitlijnsischen  Inseln  (Ä'issa  luid  Eor- 
menterd)  ;  4)  das  Fiirstenthuni  Catalonien. 

Das  iireal  dieser  Bestandtheilc  der  spanischen  Monarchie  in  Europa  beträgt ,  nach 
Antillon  und  Crome ,  8441  QM.  Nach  andern  wird  es  von  8885  l>is  zu  9400  QM.  an- 
gegeben, in  welcher  letzteren  Angabe  auch  die  spanisch-canarischen  Inseln  mitge- 
rechnet sind. 

Der  feste  Flecken  Olivenca  in  der  Landschaft  Estremadura  wurde  1801  ,  nebst 
einem  Gebiete  von  2  Q^L ,  von  Portugal  an  Spanien  abgetreten,  und  soll,  in  Folge  des 
loö-  Artikels  der  Acte  des  ^V.  <3. ,  jetzt  wieder  an  Portugal  zuri'ickfallen ,  ist  aljcr 
noch  immer  von  Sjjanien  besetzt. 

C.  Das  brittische  Reich.  Es  besteht  aus  zwey  grossen  Inseln,  Grosshritannien 
und  Irland j  welche  gegenwärtig  durch  ein  gemeinschaftliches  Parlament  drey  völlig  Jiiit 
einander  vereinigte  Königreiche  enthalten.  Grossbritannien  ,  die  grösste  der  brittischen 

,  und  überhaupt  aller  europäischen  Inseln,  begreift  ungefidir  in  seinen  südlichen  zwey 
Dritteln  das  Königreich  England  mit  dem  Fürstenlhmne  fFales j  in  seinem  nördli- 
chen Drittel  das  Königreich  Schottland.  Dazu  konunen  noch  die  benachljarlen  Inseln 
Man  imd  TViglit ,  und  die  an  der  französischen  Küste  liegenden  brittischen  (norman- 
dischen)  Inseln  Jersey _,  Guernsey j  Alderney  \mdSa}-kj  welche  zu  England,  dann 
die  hebridischen j  arkadischen  und  scIiettläudiscJten  Inseln,  welche  zu  Schottland 
gehören.  Ausserdem  besitzen  die  Eritteo  in  Europa  die  Feslinig  Gi'>raltar  in  Spanien 
an  der  Strasse  nach  der  Levante;  die  Insel  Malta  mit  dcji  Inseln  Gozzo  und  Camino 


12  I.  Land  der  europ.  Staaten.  §.  6.  Staatep  dur  zwevtGu  Grösse. 

im  miitelläiidisclicn  Meere,  und  die  vormals  dänische  Insel  Helgoiaiid  an  der  Müa- 
dmig  der  Elbe. 

Der  Flächenrauni  dieser  Beslandlheile  des  britlisclien  Reiclis  in  Eurojia  belrägl, 
nach  CroniCj  546l  QM.  Davon  konnnen  auf  England  2696,  auf  Schottland  1451  ,  auf 
Irland  i3o4,  auf  Malta,  Gozzo  und  Gomino  j^,  auf  Gibraltar  und  Helgoland  2^  QM. 

D.  Das  Königreich  Preussen.  Diese  Monarchie  enthält: 

a)  In  ihrer  öslliclien  Hafte  (s.  §.  g.  B.)  die  Provinzen:  1)  Preussen;  2)  West- 
preussen;  5)  Posen;  4)  Brandenburg ;  5)  Pommern;  6)  Schlesien;  7)  Sachsen. 

b)  In  ihrer  ^vcstlichen  Hälfte  die  Provinzen:  8)  IFestphalen  ;  g)  Cieve-Berg ; 
10)  Nieder- Rhein. 

c)  Das  Fürstenthuni  JSeufchatel. 

Das  Areal  der  ersten  Hälfte  beträgt,  nach  einer  neuen,  bey  dem  statistischen  Bu- 
reau angelegten  Berechnung,  4201,  das  der  zweytcn,  mit  Inbegrilf  des  Fürstenthu- 
mes  Neufchatel,  827,  folglich  der  Flächeninhalt  des  ganzen  preussischen  Staates  5o28 
geogr.  QM. ,  wovon  14  auf  das  Fürsientljum  Neufchatel  \.omniQn. 

E.  Das  Königreich /?ä72em«rÄ-.  Diese  Monai-chie  mnfasst  gegenwärtig,  nach  den) 
Verluste  von  Norwegen ,  1)  das  Königreich  Dänemark  an  sich,  bestehend  aus  zwey 
grossen  Inseln,  Seeland  und  Fünen _,  mehreren  kleinen  Insehi  und  der  Halbinsel  Jiit- 
land;  2)  das  Herzogthum  ScJdeswig ;  3)  die  Färöerinseln ;  4)  die  Insel  Island;  5)  die 
in  den  deutschen  Staatenbund  getretenen  Herzogthümer  Holstein  vmd  Lauenburg. 

Der  Flächeninhalt  dieser  Bcstandtheile  der  dänischen  Monarchie  in  Europa  ent- 
hält 2447  Q^h  Davon  rechnet  man  683  für  das  Königreich  Dänemark  an  sich,  162 
für  das  Herzogthum  Schleswig,  23  für  die  Färöerinseln,  1400  hii'  die  Insel  Island,  145 
ftir  Holstein  und  2g  fiir  Lauenburg. 

F.  Das  Königreich  bejder  Sicilien.  Es  l)egrcift  1)  das  Königreich  Neapels  wel- 
ches den  ganzen  untern  Theil  des  schönen  Italiens  einnimmt;  2)  das  Königreich  Sici- 
lien j  die  grössle  Insel  im  mittelländischen  jNleere ,  neijst  den  um  Sicilien  hegenden 
liparischen  und  ägatischen  Inseln ,  und  der  Insel  Panialaria. 

Beyde  Königreiche  enthalten  zusammen  2o37  QM. ,  wovon  1  }5o  auf  Neapel ,  und 
587  auf  Sicilien  und  die  dazu  gehörigen  Insehi  kommen. 

G.  Das  Königreich  Portugal.  Diese  Monaichie  enthält  2  llauplthcile  von  sehr 
ungleicher  Grösse:  1)  Das  Königreich  Portugal  an  sich,  mit  nachfolgenden  Provin- 
zen: a)  Entre  Ducro  e  Minho;  b)  7ras-los  Montes ;  c)  la  Bejra ;  d)  Estremadura: 
e)  Alentejo  ;  2)  das  Königreich  y^lgannen. 

Der  Fläclienraum  dieser  Bcstandtheile  der  portugiesischen  Monarchie  in  Europa 
l)Cträgt,  nach  y^niillun  und  Croine  _,  1954  gcogr.  QM.  Andere  rechnen  dafür  1667, 
wieder  andere  i8t)2  QM- 

H.  Das  Königreich //^/(V/7i.  Es  besteht  aus  8  Heicbsprovinzen,  hier  Kreise  ge- 
nannl.  Diese  Kreise  sind  uml  zwar: 

a)  In  Osten  des  Rheins ,  an  beyden  Seiten  der  Dov.au:  1)  der  /sarkreis  (Theil 
des  ehemahgen  Herzoglhums  Baiern _,  Berchtesgaden  und  der  an  Baiern  gekommene 
Aniheil  an  Ä7/:/'«;'i;\,  nähmhch  die  Gerichte  TVaging  ^  Putmaning  ^  Teisendoi-fund 
Laufen);  2)  der  UnWr-Donaukreis  (vorinaliges  Fürstenthuni  PassaUj  Theile  vom  vor- 


I.  Ldiitl  der  europ.  Staaten.  <j.  6.   Staaten  der  -iwejteu  uiosse.  i3 

maligen  Hcrzoj^lliume  ^flie/vi  j  vom  vormal.  Fürslcnlliimie  Frejsitigen^ ;  3)  der  Ite- 
genkreis  (Tlieile  von  dem  vormal.  Herzoglhume  Baiern  und  der  Oberpfalz  ^  von  den 
vormal.  Fürsteiiihümern  Sulzbach  und  Regensburg ^  mii  der  Siadl  dieses  Namens, 
die  fürstlich  Thurn-  und  Taxische  Mediatherrschaft  Wehrt);  4)  der  Ober-Donau- 
kreis (Theile  vom  vormal.  Herzogth.  Baiern _,  vom  vormal.  Fihsleulhume  JXeuburg _, 
vom  neuen  Fürsten th.  Eichstüdt  des  Herzogs  yon  Leuditenberg  clc. ,  vom  vormal. 
Fürsteiith.  Augsburg  j  nebst  der  Stadt  dieses  Nahmcns,  die  vormalige  Älarkgrafscliafi 
Burgau;  —  lürstl.  Fugger-Babenhausische j  fürstl.  Esterhazische _,  gräfl.  Stadion- 
sche^  gräll.  Fugger-GLöttisc.lie_,  Fugger- Kirchberg,  j  Fugger-JSordendorfisclie _,  griifl. 
Walbolt-Bassenheimisclie  Mediatherrschaften ,  dessgl.  vormal.  deutsche  Reichsstäd- 
te); 5)  der  Rezatkreis  (Theile  von  den  vormal.  Fürstenthümern  Aiispach  mid  Bay- 
reuth j  der  Oberpfalz  ^  vom  Mediatfürstenih.  Eichstädt  des  Herzogs  J?Mg-erj  v.  Leuch- 
tenberg j  fiirstl.  Oettingen-TV allerstein-  und  Spielbergische j,  fürstl.  Hohenlohe- Schil- 
üngsfürstische  j  fürsil.  Schwarzenbergische  j,  hirstl.  TVredischcj,  grafl.  Castellische^ 
gräfl.  Pappenheimische  j  Rechtern-Limburgisch-Speckfeldischc  Mediailiorrschaften  , 
dessgl.  einige  vormal.  deutsche  Reichsstädte)  ;  6)  der  Ober-Mainkreis  (Theile  von 
den  vormal.  Fi'irstenthümern  Bamberg  und  Bayreuth  j  von  der  Oberpfalz  ^  die  her- 
zoglich baierische  Mediatherrschaft  Banz  des  Herzogs  JFilhelm  in  Baiern ,  die  gräfl. 
Ortenburgische  Medialherrsch.  Tanibac/ij  die  gräfl.  G/ec/iWc/^f? Herrschaft  Thurnau); 
7)  der  Uiiter-Mainkreis  (bisheriges  Grossherzogthum  JFürzburg,  vormal.  Fürstenlh. 
Aschaffenburg  j  die  vormal.  grossherzogl.  hessischen  Ämter  Alzenau ,  Amorbach  ^ 
Miltenberg  und  Heubach  _,  die  Fuldaischen  Ämter  Bi'ückenau  j  Hammelburg  j,  Bi- 
berstein und  Weihers,  verschiedene  Mcdiatlande,  fürstl.  Schwarzenherp^ische_,  fiirstl. 
Löwenstein-TFerthlieimische j  fürsil.  Leiiiingische _,  gräfl.  Castellische j  gräfl.  Rech- 
tern-Liinburg-Speckfeldisc/te  ,  gräfl.  Schönborjilsche  und  gräfl.  Erbachische  Älediat- 
herrschaften). 

b)  In  ^Vesten  des  Rheins :  8)  der  Rheinkreis  (Theile  von  den  iVaiizösisciicn  De- 
partements Donnersberg _,  Saar  und  JSiederrhein ,  nähmlich  die  Bezirke  Frauken' 
thal  j  Landau  j  Kaiserslautern  und  Zivej  brücken). 

Der  Flächeninhalt  dieser  8  Kreise  lieträgt  nach  Mensel  1407  Q1M-;  Hock  tmd 
Cannabich  rechnen  dafür  1480  QM. ;  Fabri  i5o5  QM. 

I.  Das  Königreich  Sardinien.  Zu  diesem  Königreiche  gehört:  1)  die  Insel  luid 
das  Königreich  kyrt/v/irtten  an  sich,  im  millelländischen  Meere;  2)  ein  Thcil  von  der 
Halbinsel  Italien,  und  zwar:  a)  das  Herzogthum  Savojen j  in  dem  Umfange,  welchen 
es  im  J.  1790  halle,  mit  Ausnahme  der  Gemeinde  Sl.  Julien j  welche  durch  den  W.  C. 
und  den  Gencral-Recess  der  Frankfurter  Terrilorial-Commission  vom  20.  J'^'v  1819 
mil  dem  Ganton  Ge^z/" vereiniget  wurde;  b)  das  Fürslcntiium  Piemont  mit  der  Graf- 
schaft i\7sGrt ;  c)  das  Herzogthum  Montf  errat ;  d)  ein  Theil  des  IJerzogthumcs  Mai- 
land; e)  die  ehemalige,  i8l5  in  ein  Herzogthum  verwandelte  und  dem  Könige  von 
Sardinien  zugewandte  Republik  Genuas  nebst  der  Insel  Capraja,  zwischen  der  nord- 
östlichen Spitze  von  Corsica  und  der  Küste  Toscana's.  —  Das  kleine,  in  der  Graf- 
schaft JSizza  liegende  Füislenthum  Monaco  steht  unter  sardinischer  Hoheit. 

Der  Flächenraum  des  königl.  sardinischen  Staates  beträgt,  nach  Crome  j  Hassel 


,^  I.  Land  der  earop.  Staaten,  ij.  7.  Staaten  der  dritten  Grösse. 

und  Mensel^  \2TJ  (nach  andern  i3oo — l5oo)  QM. ,  wovon  auf  die  Insel  Sardinien 
43o  i,'erccbnct  werden. 

K.  Das  Könifj^reich  der  JMeder'lande.  Dieses  neue  Königreich  ist  gebildet  aus  der 
Vereinigung  der  vormaligen  Republik  der  vereinigten  Niederlande  j  nachherigen  Ba- 
tavischen  Republik  (einige  Zeit  Königreich  Holland),  mit  Belgien j  oder  den  ehe- 
mnW'^cn  österreichischen  Niederlanden  j  vormal.  burgundischen  Kreise  des  ehemal. 
römisch-deutschen  Reichs,  in  Verlundung  mit  dem  vonnal.  weltlichen  Gebiete  des 
ßisthums  Lüttich  j  und  einigen  bisherigen  königl.  preuss.  imd  königl.  französischen 
Bcstandtheilen,  nebst  dem  Mcdiaihcrzogthume  Bouillon. 

Das  Areal  dieses  Königreichs  beträgt  1164  Q^'-  Davon  kommen  a)  532  auf  die 
g  nördlichen  Provinzen  {Holland j  Zeeland  j,  Utrechts  Oberyssel  _,  Friesland ^  Gro- 
ningen,, Geldern j  Drenthe  und  Nord-Brabant);  b)  522  auf  die  8  südlichen  Pro- 
vinzen {Sild'Brabant j  Ost- Flandern  ^  West-Flandern „  Hennegau,  Namur  j  Lim- 
burg j  Antwerpen  und  Liittich)\  c)  no  auf  das  Grossherzoglhum  Luxemburg ,  das 
in  poliüschcr  Hinsicbi  zwar  an  das  Interesse  des  deutschen  Bundes  geknüpft  ist,  aber 
in  jeder  andern  Rücksicht,  in  eben  dem  Maassc  zu  dorn  Königreiche  der  Niederlan- 
de gerechnet  wird ,   als  Holstein  imd  Lauenburg  zur  dänischen  Monarchie  gehören. 


Staaten   d  0  r  <1  r  i  1 1  e  n   G  r  ö  s  s  f . 

A.  Die  Schweiz  oder  die  schweizerische  Eidgenossenschaft.  Dieser  verbündete 
Staatskörper  besteht  gegenwärtig,  kraft  der  Erklärung  des  Wiener  Congresses  vom 
20.  März  i8l5;,  der  zufolge  mit  den  bisherigen  ig  Cantoncn  {Zürich^  BerUj  Lucern, 
Uri,  ScliwjZj  Unterwaiden ,  Glarus ,  Zug,  Frejburg ,  Solothurn ,  Basel,  Schaff- 
hausen, Appenzell  ,  St.  Gallen,  Graubündten ,  Aargau j  Thurgau,  Tessin  und 
TFaadt) ,  als  der  Grundlage  des  schweizerischen  Bundessystems,  Wallis,  Neufcha- 
fe/ und  Genf,  als  neue  Cantone,  vereiniget  worden,  aus  22  Cantoncn,  deren  Flä- 
cheninhalt, nach  dem  Territorial-\'erlusie  des  Gantons  Graubündten  aj ,  aber  mit 
dem  netten  Gebietszuwachse  der  Cantone  Ber?i  bj ,  Basel  cj ,  Neufchatel  dj  und 
Genf  e) ,  nach  Hassel,  Cannabich  und  Meusel  zu  871  QM.  berechnet  wird,  an  wel- 
cher Gesammtsumme  Bern ,  als  der  grösste  Canton,  mit  171 ,  Genf,  als  der  kleinste, 
mit'  5  QM.  Antheil  nimmt.  Crome  in  seiner  Verhältnisskarte  von  Europa  rechnet  für 
die  Schweiz  83g,  in  seinci-  Generalkartc  von  Ilelvetien  aber,  die,  so  wie  jene  Karte 
seinem  Werke :  „Allgemeine  Übersicht  der  Staatskräfte  von  den  sämmtlichen  euro- 
päischen Reichen  und  Ländern"  bcj'gefügt  ist,  107g  geogr.  QM. 

B.  Der  Kirchenstaat  (Slato  della  Chiesa),  oder  das  weltliche  Gebiet  des  Papstes. 
Es  liegt  im  mittleren  Italien,  und  uraflisst  gegenwärtig  wieder:  1)  die  Stadt  Rom  mil 
ihrem  Gebiete;  2)  die  Delegationen  von  Fiterbo ,  Spoleto ,  Perugia,  Camerino , 
Macerata  ,  Ancona  j  Urbino ,  Romagna ,  Bologna  und  Ferrara;  letzlere  mit  Aus- 
nahme des,  auf  dem  linken  Ufer  des  Po  gelegenen  Theils  ,  welcher,  nebst  dem  Be- 
.satzungsrechte  in  den  Städten  Ferrara  und  Comachio ,  kraft  des  io3.  Artikels  der 
Acte  des  W.  C,  an  Österreich  abgetreten  wurde;  5)  das  Hcrzogthum  Benevent  imd 
das  Fürsienthtun  Ponte  Corvo  im  Ncapoliianischcn. 


I.  Laad  der  europ.  Staateo.  §.  -•  Staaten  der  dritten  Grosse.  li 

Das  Ganze  einhält,  nach  Hassel  j  Crome  und  Mensel _,  ein  Areal  von  714  ^'cogr. 
QM.;  nach  Fabri  nur  5oo,  nach  TVilhelm  Meyer  abei\,  der  ein  neues  geographi- 
sches Werk  über  Iiahen,  mii  einer  neuen  Karte  von  dieser  Halbinsel  herausgab,  816 
geogr.  QM. 

Das  Fiirstenthum  Avignon  und  die  Grafschaft  J^enaissin  in  Frankreich,  die  dem 
römischen  Stuhle  von  den  Franzosen  schon  1790  entrissen  worden,  sind,  in  Folge 
des  3-  Artikels  des  Pariser  Friedenstraciais  vom  3o.  Mav  1814,  bcy  Frankreich  ver- 
blieben. 

C.  Das  Grossherzogtlumi  Toscana.  Zu  diesem  wiedcriiergeslellten  Grossherzog- 
thume  gehört:  1)  das  Flor  entmische  Gebiet  5  2)  da.s  Pisa?iische  Gebiet;  3)  das  Ge- 
biet von  Siena;  hieizu ,  nach  dem  Art.  100  der  Acte  des  W.  C.,  4)  der  vorhin  zum 
Königreich  Neapel  gehörig  gewesene  Slato  degli  Presidii ;  5)  dcrThcil  derInscl_E'/(^a^ 
welcher  vor  1801  unter  der  Lchnsherrlichkeit des  Königs  beyder  Sicilien  stand;  6)  die 
Lehnsherrschaft  mid  Souverainetät  über  das,  dem  Prinzen  Ludwig  Buoiicampagni 
erbeigenthümliche  Fürstenthum  Pionibino  auf  der  Insel  Elba ;  7)  die  im  loscanischen 
Gebiete  eingeschlossenen,  vormals  kaiserlichen  Lehen  Vernio j  Montanlo  luul  Monte 
Santa  Maria. 

Das  Ganze  enthält,  nach  Crome j  einen  Flächeninhalt  von  426  geogr.  QM. ;  nach 
Hassel  3g5,  nach  Fabri  420,  nach  Cannabich  410  QM. 

D.  JJcv  Parmesisc/ie  Staat,  bestehend  aus  den  Herzoglhümeru  Parma j  Piacen- 
za  und  Guastalla ^  mit  Ausnalime  der,  auf  dem  linken  Ufer  des  Po  gelegenen  Be- 
zirke, welche  kraft  des  Art.  gg  der  Acte  des  W.  C.  an  Osterreich  abgetreten  wurden. 
Auch  ist  im  Pariser  Tractate  vom  10.  Juny  1817,  in  Betracht  der  besondern  Wich- 
tigkeil der  Festung  Piacenza  für  das  A  erlheidigungssystem  von  Italien,  festgesetzt 
worden,  dass  Sr.  k.  k.  apostolischen  Majestät  bis  zum  Eintritt  der,  auf  den  Fall  der 
Erlöschung  der  spanischen  Linie  des  Hauses  Bourbon  l>cstimmlen  Reversionen  ,  d;is 
Besatzungsrecbt  iu  besagter  Stadt  zustehen  solle. 

Der  Flächeninhalt  des  parmesischen  Staates  wird  zu  102  —  106  geogr.  QM.  be- 
rechnet. 

Ausserdem  gehören  in  diese  Glasse  8  deutsche  Bundesstaaten : 

E.  Hann^'er;  F.  TFürteniberg ;  G.  Saclisen ;  \\.  Baden  ;  I.  Mecklenburg-Sch.we- 
rin ;  K.  C/iurhessen;  L.  Grossherzoglhum  Hessen;  M.  Holstein-Oldenburg  und  N. 
Nassau j  von  denen,  in  Ansehung  der  Grösse  des  Flächenraumes  (s.  §.  5)  Hanover 
vor  Toscana  zu  stehen  kommt ;  die  zunächst  darauf  folgenden  6  Staaten  alicr  nach 
Toscana j  jedoch  vor  Parmas  den  Vorzug  behaupten,  und  Nassau  mit  dem  parme- 
sischen Staate  migefähr  von  gleicher  Grösse  ist. 

a)  IndeiTi,  die  Thäler  VcUUn,  CUifcii  (Chiavcnna)  und  IVorms  (Bormio)  ,  welche  1797  schon 
an  die  damalige  cisalpinische  Republik  abgetreten  wurden ,  durch  die  Entscheidung  des 
W.  C.  mit  dem  Rönigreiclie  Italien  an  Österreich  übergingen.  Dafür  erhielt  Graubüiidteii 
die  kleine  österreicliische  Herrschaft  Razuns  wieder,  welche  innerhalb  seiner  Gränzen  liegt. 

b)  Auf  dem  Wiener  Congress  wurde  der  grüsste  Theil  des  Bislhums  Basel,  nebsl  der  Stadt 
und  dem  Gebiete  ^on  Eiel ,  dem  Canton  Bern  zugetheilt. 

c)  Durch  die  Entscheidung  desselben  Congrcsses  wurden  3  QIM.  mit  i2  Gemeinden  des  Bis- 
thums  Basel  mit  dem  Canton  gleiches  Nahmens  vereinigt. 


i6  I.  Land  der  europ.  Staaten.  §.  8.  Staaten  der  vierten  Grosse. 

d)  Auch  der  Canton  Neufchalel  wurde  mit  einigen  Bezirken  \ova   Bisthume  Basel  vergrössert. 

e)  Genf  erhielt  durch  den  W.  C.  und  den  General-Recess  der  Frankfurter  Territorial-Com- 
mission  \on  Sacoyen  einen  Landesbezirk  von  ungefähr  12,700  Einwohnern,  worin  die  Stadt 
CaiTouge  liegt,  und  von  Frankreich  einen  Theil  der  Landschaft  Gex  j  mit  3ioo  Einwohnern, 

§.  8. 

Staaten  der  vierten  Grösse. 

A.  Der  modenesische  Staat,  bestehend:  a)  aus  den  Herzoglliüniern  Modena _, 
Reggio  und  Miirindola  _,  in  der  Ausdehnimg,  welche  diese  Provinzen  zur  Zeit  des 
Friedens  von  Canipo  Fonuio  liatten ;  b)  aus  dem  Herzogthume  Massa  und  dem  Für- 
sienlhume  Carrara_,  mit  dem  vormahgen  kaiserhchen  Lehn  in  der  Lunigiatia  ^  wel- 
clte  beyde  letztere  Provinzen,  nebst  dem  besagten  Lehn,  eigenllich  der  Erzlierzoginn 
Maria  Beatrix  von  Este  mid  ihren  Eriken  und  Nachfolgern ,  zugetheilt  wurden. 

Das  Ganze  enthält  einen  Flächenraum  von  imgefahr  c\2 — g6  gcogr.  QM. ,  wovon 
auf  die  Fürstenlhümer  Massa  und  Carrara  i5 — 18  gerechnet  werden. 

B.  Die  vereinigten  Staaten  der  jonischen  Inseln  j  oder  die  jonische  Republik  ^ 
auch  die  Siebeninseln-Repub/ik  t^enaiml ,  bestehend  aus  7  grösseren  und  einigen  klei- 
nern Inseln  im  adriaiischen  Meere,  nahmentlich :  1)  Corfic;  2)  Paxo  vcüx.  Antipnxo ; 
3)  Santa  Maiira ;  4)  Theaki  (das  Itliaka  der  Alten);  5)  CepJialonia;  6)  Zante ;  7)  Ce- 
rigo  (das  Cylherca  der  Allen)  mit  Cerigetto. 

Diese  Inseln  enthalten  zusammen  ungefähr  46  QM-,  und  sind,  durch  die  Pariser 
Convention  vom  5.  Nov.  i8l5,  ausschliesslich  unter  Grosshritanniens  Schutz  gestellt 
worden.  So  ist  denn  die  Beherrscherinn  der  Meere  gegenwärtig  auch  im  Besitze  des 
Schlüssels  des  adriatisclien  Meeres. 

C.  Die  ehemalige  Republik  Lucca  ward  im  J.  i8o5  in  ein  Fürslenlhum  verwan- 
delt, und  i8l5  auf  dem  Congress  zu  Wien  zu  einem  Herzogthume  erhoben.  Als  sol- 
ches ward  dieses  Land  der  vormaligen  Königinn  von  Hetrnrien  Marie  Loidse_,  Infantinn 
von  Spanien ,  und  deren  männlichen  Nachkonmien  als  Entscliädigimg  für  deren  An- 
sprüche an  Parma  übergeben,  und  damit  üljerdem  eine  Rente  von  5oo,ooo  Franken 
verbunden  ,  deren  Zahlung  der  Kaiser  von  Österreich  und  der  Grossherzog  von  Tos- 
cana  übernommen  haben. 

Der  Flächeninhalt  dieses  neuen  Herzogthumes  beträgt  20  QM.  Andere  rechnen 
dafiir  23  QM. 

D.  Die  freye  Stadt  Krakau.  Diese  Stadt  und  deren  Gebiet  wurde  in  einem  ad- 
ditionellen  Tractat  der  Schlussactc  des  W.  C.  zu  einer  freyen  Stadt  erklärt,  imd  un- 
ter Österreichs,  Russlands  und  Preusscns  Schutz  gestellt.  Sie  enthält  mit  ihrem  Ge- 
biete, nach  Hasselww^  Creme,  ig,  \\a.c\\Fabri_,  Cannabich  und  andern  aber  nur  8  QM. 

E.  Die  uralte  Repnblikette  San  Marino,,  im  päpstlichen  Gebiete,  zwischen  Ro- 
magn-a  und  Urlnno,  und  unter  päpstlichem  Schutze,  beherrscht  ein  Gebiet  von  etwa 
2  QM. ,  worauf  1  Städtchen,  S.  Marino j,  und  2  Dörfer,  Faetano  tuid  Serravalle j 
sich  befinden. 

Ausserdem  gehören  in  diese  Rubrik  27  deulsclie  Bundesstaaten  (s.  §.  5-  D.),  von 
denen   3  fiBrn«/2.yr;/nve7g  j  Sachsen- Weimar  luid   Sachsen  -  Gotha J  in  Ansehung 


J.   Land  licr  turop.   Staaten.  ^.  g.   Giaiuen  udJ  Lage.  17 

ihres  Areals  i\i\cli  3Iodena ,  aber  vor  den  i'ereinigten  Staaten  der  jonischen  Inseitig 
6  f Mecklenburg- StrelitZj  Saclisen-Coburg-Saalfehij,  Lippe-Detmold j,  Sclnvarzbiirg- 
Sondcrsh.'iusenj  Schwarzburg-Rndolstadt  und  TValdeckJ  nach  der  jonischen  Rc- 
puhhk,  ahcr  vor  Lucca  7A\  stehen  kommen,  die  ülirigen  18  sämniüich  kleiner  alsZfiC- 
Crtj  ajjcr  doch  grösser  als  Siin  Marino  sind;  folglich  ist  dieser  Staat  der  kleinste  un- 
ter den  sümmtlichen  europäischen  Staaten.  \  ergleicht  [man  diese  Repiddikette  mit 
dem  ungeheuren  russischen  Reiche  in  Europa:  so  lindet  man,  dass  crsterer  Staat  sich 
zu  dem  letzteren  wie  1  :  5-],2bo  verhalt,  oder  San  Ma.rino's  Fliichenraum  5^7^-f^  Mal 
kleiner,  als  das  Areal  des  europäischen  Paisslands  ist. 

§•9- 

Gränzen  und  Lage. 

Die  Gränzen  der  europäischen  Staaten  sind  sämmtlich  durch  politische ,  d.  i. 
durch  Siaalsvertriige  bestimmte,  Scheidungslinien ,  die  entweder  Natur-  oder  Kunst- 
gränzcn  sind,  l)ezeichnet.  Es  gibt  Land-  imd  \Vassergränzen,  als  natürliche  Schutz- 
wehre gegen  feindliche  Angriffe ,  und  wo  sie  fehlen  ,  Gränzstädte  ,  Gränzcordone , 
Schanzen  mid  Festmigen,  denen  man  durch  Kunst  die  Eigenschaft  euicr  Schutzwelire 
gegen  drohende  JNachbaren  zu  ertheilen  gesucht. 

AVenigcr  kostbare  und  grössere,  aber,  wie  die  Erfahrung  alter  luid  neuer  Zeiten 
lehrt,  nie  volle  Siclicrheit  hat  der  Staat,  dessen  Gränzen  schon  durch  natürliche  Be- 
günstigung (durch  G'.^birge  und  ^Valdungcn ,  Meere,  Flüsse  und  Sümpfe)  die  Eigen- 
schaft erhielten,  die  \  ertheidigmig  gegen  feindliche  einfalle  von  den  Nachbarstaaten 
zu  erleichtern. 

Dieser  natürliche  Vortheil  aber  vergrössert  oder  vermindert  sich,  je  nachdem  die 
Gestalt  des  Staatsgebiets  und  die  Nachbaren  sind.  Frankreich  z.  B.  hatte  im  Vertrauen 
auf  die  Neutralität  der  Schweiz  überall,  wo  es  an  deren  Gebiet  angränzt,  auf  der 
ganzen  Strecke  des  Jura,  zu  seiner  Sicherheit  nirgends  künstliche  Forlificationen  ange- 
legt; dagegen  ist  es  gegen  Deutschland  durch  eine  dreylache  Linie  von  Festungen  ge- 
schützt. Je  mehr  sich  die  Gestalt  eines  Staatsgebiets  einem  vollkommenen  Quadrate 
oder  einer  vollkoumienen  Kreisfläche  nähert:  desto  kürzer  ist  die  Ujnfangslinie  dessel- 
ben, desto  mehr  sind  die  Staatskräfte  concenlrirt,  desto  leichter  ist  das  Land  gegen 
feindliche  Anfälle  zu  schützen  ,  und  desto  gleichförmiger  kann  die  Regierung  auf  alle 
Theile  des  Staates  wirken.  Daher  auch  das  Streben  der  europäischen  Regierungen  in 
altern  und  neuern  Zeiten,  die  Arrondirung  (Zurundimg)  ihrer  Staaten  zu  bewirken. 
Die  verhältnissmässig  gedehnteste  Gestalt  (s.  luilen  B.)  unter  allen  europäischen  Staa- 
ten hat  Freusseji ;  der  am  besten  abgerundete  Staat  a!)cr  ist  FrankreicJi. 

Europa  ist  auf  drey  Seiten  mit  Meeren  umgeben;  auf  der  vierten  hängt  es  in  ei- 
ner langen  Linie  an  Asien.  Im  Süden  hat  es  Aas  mittelländische  Meer  j  wodurch  es 
von  Afrika  geschieden  wird;  im  Westen  den  westlichen,  und  insbesondere  den  atlan- 
tiscfien  Ocean  ,  welcher  dasselbe  von  Amerika  scheidet;  im  Norden  denselben  Ocean, 
welcher  zwischen  Norwegen  und  Grönland  auch  das  Nordmeer  hcisst,  imd  das  nörd- 
liche Eismeer.  Über  die  östliche  oder  Juandgränze  gegen  Asien  waren  die  Meinimgen 

3 


j  8  I.   Laud  der  curup,    ütaitcn.   §.  g.   Gtaiizeu   und    Lage. 

der  Erdheschreiber  bisher  j^clheilt ,  scheinon  sich  aber  allj^ciuach  darin  zu  vereinigen; 
dass  man  he])er  eine  iialiiiliche  als  pohlische  Gränze  annimmt,  und  so  sind  auf  dieser 
Seile  als  Griinzliuie  von  Süden  nach  iNorden  anzusehen:  das  asowsche  Meer,  der  Don- 
(luss  l>is  zum  Einfluss  der  Sura  in  die  Wolga  ,  dann  das  uralische  Gebirge.  Es  lieiTschl 
aber  liierbey  noch  sehr  viel  Unljesümmies.  Dieser  Gr'anzbeslimmung  zu  Folge  liegt 
Europa  zwischen  dem  36' — 71°  nördlicher  Breite  und  zwischen  dem  8 — ^77'  östli- 
cher Länge. 

Die  einzelnen  europäischen  Staaten  und  Länder   aljcr   haben  folgende  Gränzeu, 
und  zwar: 

L  Die  miticleuropiiiscJien  Staaten  imd  Länder. 

A.  Das  Kaiserbhuni  Oesterreich.  Gegen  Norden:   Sachsen   in  einer  Länge  von  53 
Meilen  von  der  baierschen  bis  zur  preussischen  Gränze  ;  Preussen  an  der  böhmischen, 
mährischen  und  schlesisclien  Gränze  bis  an  die   Weichsel,   dem  Städtchen  Oswiezin 
gegen   iiljcr,    37  Ml.;    das   Geljiet  der  freyen    Stadt  Krakau  ,    von    der   ]ireussischcn 
Gränze  bis  zur  jMundung  der  Wolika  in  die  Weichsel,  11  ML;  gegen  Nordosten  und 
Osten:  Russland  von  der  Gränze   der  freyen  Stadt  Krakau  längs  der  Weichsel,  Sann, 
Püdhorczc ,  des   Dniesters  und  des  Pruths ,  bis  wo  dieser  Fluss  die  Bukowina  verlässt, 
ll3^Mi.;  das   osmanische  Reich  längs   der  Bukowina,  Siebenbürgen,  Ungern,  Slavo- 
vien,  Croaticn ,  Dalinatien,  Ragusa  und  Gallaro,  202^-  All. ;  gegen  Süden:  das  adrialL- 
sche  Meer  von  Cattaro    bis  zur  Mündung  des  Po;  derselbe  Strom  längs  der  Gränze 
des  Kirchenstaats,   i3  Ml.;  Modena  io|-  ML;  Parma  144  ML;  gegen  Westen:  Sardi- 
nien am   Po  und    Ticino,  205-  Meilen;  die  Schweiz  an  der  lombardischen  und  Ty- 
rolergränze  68  ML;  das  Fürstenlhum Liechtenstein  3i  ML;  Baiern,  längs  derTyroler- 
und  Salzbui'gergränze  bis  zur  Salzach,  an  diesem  Flusse  imd  dem  Inn  l)is  zur  Donau, 
und  nördlich  über  dieseUjc  an  dem  Böhmerwaldgebirge  bis  zum  Ascher-Dislrict,  148  ML 
Der  mächtigste  Gränznachbar  Österreichs  ist  in  gegenwärtigen  Verhältnissen  Russland  j 
nach  diesem  Staate  ist  der  wichtigste  Nachbar  Österreichs  Preussen;  aber  die  ausge- 
dehnteste Gränzlinie  ist  jene  mit  der  Türkey.  —  In  seinem  gegenwärtigen  Zustande 
bildet  der  österreichische   Staat  einen  fast   ganz  zusammenhängenden  Erdstrich ,  der 
sich  vom  42°  7'  bis  zum  5l°  4'  nördlicher  Breite  ,  und  vom  25°  56'  bis  zum  44°  10'  öst- 
licher Länge  erstreckt. 

B.  Der  preussische  Staat  zerfalh  in  zwey,  durcli  andere  Staaten  getrennte  llaupt- 
iheile,  den  östlichen  luid  westlidien. 

a)  Der  östliche,  als  der  bcy  weitem  grössere  (s.  §.  6.  D.)  gränzl  gegen  Norden: 
an  die  Ostsee;  gegen  Osten:  an  Russland,  PoLn  und  den  Freyslaat  Krakau ;  gegen 
Süden:  an  Österreich  und  Sachsen;  gegen  Westen:  an  18  deutsche  Bundesstaaten 
(Baiern,  Weimar,  Gotha,  Coburg-Saalfcld ,  Meinungen  und  Hildburghausen,  l)eyde 
reussische  Haupllinien,  beyde  schwarzburgische  und  die  drey  anhaltisclien  Häuser, 
Churliessen,  Hanovcr,  Braunschweig  und  beyde  mecklenburgische  Häuser).  Die  Länge 
des  ganzen  Gränzzuges  der  zusammenhängenden  Hauptmasse  des  preussischen  Staates 
enlhäit  585  geogr.  ML  Bildete  sie  grade  ein  Quadrat ,  so  würde  ihre  Umgränzung  nur 
260  ML  lang  seyn;  die  Länge  der  Gränzen  wird  also  durch  die  Unregelmässigkeit  ih- 
rer Gestall  mehr  als  verdoppelt.  Zu  dieser  Hauptmasse  gehören  noch  andere  Thcile , 


1.   Land  der  europ.   Sta.iteu.  ■$>.  g.   Giauzcu  und  Lage.  in 

die  tlieils  ganz  von  anderen  deulsclien  Staaten  umsclilossen  sind^  wie  Gefall,  Ziogcn- 
rück^  Kanisdorf,  Wanderslcbon  ,  Schlensingon  ,  Bencckcnstein  ,  ^Volfsb^lI•g  und  Du- 
ckow,  tlieils,  wie  voinchndich  dasErfurler  Gebiet,  nur  in  geringer  Beriilirung  mit  dem 
Ganzen  stehen. 

b)  Der  westliche  Theil,  welcher  auf  der  nächsten  Landstrassc  von  Heiligenstadt 
über  Kassel  auf  Warburg  7^  Ml.  von  dem  östlichen  entfernt  ist,  gränzt  gegen  Norden: 
an  llanovcr;  gegen  Osten:  an  8  deutsche  Bundesstaaten  (Hanover,  Braunschweig, 
Lippc-Delmuld,  Schaumburg-Lippe,  Waldeck,  Churhessen,  (irossherzogthum  Hes- 
sen und  Nassau);  gegen  Süden:  an  die  baierschen,  hessen-homburgischen,  oldenbur- 
gischen und  sachsen-coburgischen  Länder  auf  dem  linken  Rheinufer ,  von  der  Nahe 
oberhalb  Kreuznach  bis  zum  Einflüsse  der  Blies  in  die  Saar,  und  von  da,  Ins  an  die 
Mosel  unterhalb  Sierk^  an  Frankreich;  gegen  Westen:  an  die  Niederlande  mit  Ldjc- 
grilf  des  Grossherzogthums  Luxeml)iug.  Die  Länge  dieser  Gränzcn  beträgt  254  J?<^ogr. 
Ml.  Hätte  dieser  Landcsthoil  die  Gestalt  eines  Quadrats:  so  würde  sein  Umfmg  bey 
gleichem  Flächeninhidie  nur  114  j\ll.  betragen ;  die  Unregelmässigkeit  seiner  Gestalt 
veilängert  den  Gränzzug  also  um  mehr  als  das  ,Do])[ielle.  Zu  diesem  Theile  gehören, 
aber  hängen  nicht  mit  ihm  zusammen:  die  Siädtc  Liigde  und  TVetzlar  ^  dann  das  vor- 
mals nassauische  Amt  Atzbach  und  die  Ämter  Brauiifels _,  Grcifensteui  imd  Hohen- 
solins  ä). 

Der  östliche  Theil  liegt  vom  49°  45' — 55"  40'  N.  Br. ,  imd  vom  27°  40' — 40°  3o'L. ; 
der  westliche  Theil  erstreckt  sich  vom  4g''  10' — b'Z"  5o'  N.  Br. ,  und  vom  23°  5o' — 
27°  5'  0.  L. 

Das  unter  preussischer  Honeit  stehende  Fürstenihnm  Neiifchatel  mit  der  Graf- 
schaft P'aleng'ui  isK  am  Jura  längs  der  französischen  Gränze  gelegen;  es  stehet  mit  dem 
Gros  der  preussischen  Monarchie,  so  wie  mit  deren  politischen  Einrichtung  in  gar 
keiner  Berührung;  es  macht  vielmehr  einen  Theil  der  Schweizer-Eidgenossenschaft 
aus  ,  und  hat  seine  eigenlhümliche  Verfassung. 

C.  Deutschliuid  gränzt  gegen  N.  an  die  Nordsee ,  die  Eyder,  den  schleswig- 
holsteinischen Canal,  das  Königreich  Dänemark  und  die  Ostsee;  gegen  O.  an  das  Kö- 
nigreich Preussen,  das  Grossherzoglhum  Posen,  die  Königreiche  Galizien  ,  Ungern 
und  Croatien;  gegen  S.  an  das  adriatischc  jMeer,  an  Italien  (das  lombardisch-vcntLia- 
nische  Königreich)  und  die  Schweiz ;  gegen  W.  an  das  Königreich  Frankreich  und  das 
Königreich  der  Niederlande.  Es  erstreckt  sich  vom  i^'S  12' — 55"  N.  Br. ,  und  vom  2.3 
8— 36'  40'  O.  L. 

Die  verschiedenen,  in  Deulscldand  liegenden  Staaten,  welche  durch  den  deut- 
schen Bund  zu  eintem  polilischcn  Ganzen  vereiniget  sind,  haben,  mit  Ausnahme  Öster- 
reichs und  Preussens ,  folgende  Gränzen  : 

1)  Das  Königreich  Baieriij,  in  zwey  gelrennten  TheUen  ,  a)  der  grossere,  dicssseits 
des  Rheins,  an  beyden  Seilen  der  Donau:  gegen  N.  churhessische ,  sächsische  (gross- 
lierzogl.,  herzogl.  und  köuigl.  sächsische)  und  reussische  Lande;  gegen  O.  und  S. 
österreichisch-deutsche  Lande;  gegen  W.  würtembeigische,  ])adcnsc]ie  und  giossher- 
zogl.  hessische  Lande.  Die  geographische  Lage:  vom  47' — 5o'  40'  N.  Br.  und  vom  26' 
3o' — o\'  20'  L.;  b)  der  kleinere  1  heil ,   Jenseils   des   l»lieins,    im    N.  des  vog.-sischcn 


2a  I.   Lüiiil  Jui'  euiuf>.  SUalcü.   'f.  9.   Girtiizcju  u:id  Lage. 

Gcl)ir/js  am  Rliciii ,  ist  umgehen  von  Fraukreicli,  der  prenssisclicn  Provinz  Nieclei'- 
rheiu,  hcssen-hombm-gisclieu  mid  grosshcrzogl.  hessischen  Landen.  Die  geographi- 
sche Lage  ist:  vom  48'  5o' — 49'  5o'  N.  Br.  imd  vom  24''  42'— 2ß"  12'  L- 

2)  Das  Königreich  TFärtemberg ^  an  der  Donau,  ani  Neckar,  an  der  raulien  Alp 
und  am  Schwarzwaldc,  gränzt  gegen  N.  an  Baden  und  Baiern;  gegen  O.  an  Baierii  j 
gegen  S.  an  chcn  dasselbe,  den  Bodensec  und  Baden;  gegen  W.  an  den  Rhein.  Die 
geographische  Lage  ist:  vom  47°  3o' — 4g"  40'  N.  Br.  und  vom  25"  40' — 28°  L. 

5)  Das  YdvsieiwXwan  LiecJitenstein,  am  Rhein,  ui  S.  O.  vom  Bodeusce,  zwische-n 
Grauhündien  und  den  zu  Tyrol  gehörigen  vorarlhergisclien  Herrschniten. 

4)  Die  fürstlich-  holteiizollernsclien  Lande ^  am  Schwarzwalde  und  der  rauhen 
Alp,  zwischen  Wiirtemberg  imd  Baden. 

5)  Das  Grossherzoglhum  Baden,  längs  des  R.lieins,  wodurch  es  von  Franki'eicli 
geschieden  wird  ;  gegen  N.  Grossherzoglhum  Ilesscji  und  tlie  l)aierischen  Staaten  ; 
gegen  O.  Würtem])erg;  gegen  S.  der  Bodensee  und  der  Rhein;  gegen  W.  der  Rhein. 
Die  Hallte  der  Brücke  zwischen  Strassburg  und  Kehl  gehört  zw  Frankreich  j,  die  an- 
dere Jlalf'ie  zum  Grossherzogilium  Baden.  Die  geographisclie  I-^age  ist:  vom  47°  3o' — 
49"  5o'  N.  Br.  und  vom  20'  14' — 27°  40'  L. 

6)  Das  Grossherzogthum  Nassau _,  am  Rhein  und  Main,  Ijcgränzt  von  der  preus- 
sischen  Provinz  Niederrhein,  dem  Grossherzoglhunie  Hessen,  dem  Gebiete  der  frcyen 
Stadt  Frankfurt  am  Main  luid  an  dem  Rheine ,  der  die  südliche  Gränze  macht.  Die 
geographische  Lage  ist:  vom  4g"  5o' — bl°  N.  Br.  und  vom  25" — 26°  8'  L. 

7)  Das  Grosshcrzogl  huii!  Hessen^  in  zwey  getrennten  Abthcihmgen  :  a)  der  nördli- 
che Theil ,  zwischen  der  preussischcn  Provinz  ^Veslphalen,  den  nassauischen,  waldecki- 
schen,  clmrhessischen  imd  baierisclien  Landen,  und  dem  Gebiete  der  freycn  Stadt 
Frankfurt  am  Main;  b)  der  südliche  Theil,  am  Main  und  an  bcyden  Ufern  des  Rheins, 
begränzt  von  dem  Gelnele  der  freyen  Sladt  Frankfurt  am  Main,  den  churhessischen, 
baiei'ischen  und  baden'schen  Landen ,  der  preussischen  Provinz  Niederrhein  und  dem 
Rheine,  der  auf  dieser  Seite  die  Gränze  zwischen  Nassau  und  dem  Grossherzogthum« 
Hessen  macht. 

8)  Die  \imd>^vAÜK-\\-Jiessen-homburgischen  Lande^  eljenfalls  \\\  zwey  a!)gcsondcr- 
len  Abtheilungen  :  a)  diessseits  des  Rheins,  in  der\Vellerau,  zwischen  den  grosslierzogl. 
hessischen,  churhessischen  und  nassauischen  Landen;  b)  jenseits  des  Rheins,  ein 
Abschnitt  von  dem  vormaligen  Saar-Departement  des  französischen  Reichs,  zwischen 
dem  baierisclien  Rheinkreise  und  der  preussischen  Provinz  Nieden-hein. 

g)  Die  chnrliessiscJien  Lande  bilden  gleichfalls  kein  zusammenhängendes  Ganzes  ; 
um-  der  eine  Haupttlieil  liegt  gesammelt  an  und  auf  den  Wesergebirgen,  während  die 
kleinem  zerstreueten  Stücke  an  der  Weser,  auf  dem  Thüringerwalde ,  am  Mam  und 
in  der  Nähe  des  Spessart  liegen.  Im  Ganzen  sind  dieselben  jedoch  von  der  preussi- 
schen Provinz  Wesiphalen  ,  den  Königreichen  Hanover  und  Baiern,  den  grossherzogl. 
und  herzogl.  sächsischen,  grossherzogl.  hessischen,  nassanischen  und  waldeckischen 
Landen  und  dem  Gebiete  der  freyen  Stadt  Frankfurt  am  Main  liegränzt. 

10)  Das  Fürstenthum  IValdeck:  a)  die  Grafschaft  Waldeck:,  als  der  eine  Theil, 
an  der  Diemel,  zwischen  Churhosscn ,  Grossherzogthum  Hessen  und  der  preussischen 


I.   Land   Jcr  europ.   Sl.i.iten.  §.  g.   Graiizcn   nnd  Lage.  ?! 

rioviiiz  Weslphalciij  1))  die  Gnifscliiill  Pyrmont  j  nls  der  andere  Tljoil,  uinvcil  dei* 
Weser,  uingoben  von  preussisclieu ^  Lianöycrischen  und  lippe-de'linoldisclieii  Landen, 

11)  Das  Füislenltnim  Lip])e:  a)  die  fürsllich  /ippe-detmoldisc/ieit  Lande,  an  den 
kleinen  Flüssen  Werre  ,  Emnier  und  Aach,  z^^isellen  hanöverisclien,  preussisclien 
und  scliaucn])urg-]ippiscLen  Landen  und  der  Grafscliaft  Pyrmonl;  L)  die  fiirsllich 
schauenbiirff-!i/>pisc/ien  Laude,  an  der  Weser  und  am  Slcinliudersce  ;  umgeben  von 
hanövcrischen ,  preussisclien,  lippc-deLmoldischen  Landen  und  von  dem  cliurlicssi- 
schen  Anllicile  an  Schauenburg. 

12)  Das  Königreich  Hanover.  Es  bildet  kein  geschlossenes  Ganzes,  indem  es  die 
Gehiete  des  Grossherzogs  von   Oldenburg    ixnd  der  freyen   Hansestadt  Bremen    cin- 

"schliessU  Es  Avird  im  Osten  von  den  preussisclien,  mecklenburgischen  und  braun- 
schweigischen  5  imSsiden  von  den  sclnvarzl)urgischcn,  cluuliessischen  und  jireussisch- 
westphalischen j  im  Westen  von  den  lippischen,  waldeckischen  luid  preussisclien  Lan- 
den und  dem  Königrciclie  der  Niederlande 3  im  Norden  von  der  Nordsee,  von  HolsLein, 
Lauenburg  und  dem  Gebiete  der  freyen  Hansestadt  Hamljurg  begränzt.  Die  geogra- 
phische Lage,  vom  llarzgebirge  bis  zur  Nordsee,  vom  öl"  3o' — 55"  45'  N.  Er.  und  vom 
24°  10' — 2g'  20' L. 

l5)  Die   herzogl.  liolsLein-oldcnhurgischcn  Lande:   a)  Herzogthum  Oldenburg ^ 
zwischen  der  Nordsee  und  den  hanöverisclien  Landen  an  der  Weser  j  h)  Fürsicnlhum 
Lübeck _,  an  der  Ostsee  luid  Trave,  umgeben  von  diinischen  Landen  luid  dem  Gebiete 
der  freyen  Hansestadt  Lübeck  5   c)  Fiirstenthum  JJirkenfeld j   im  Westen  des  Rheins 
an  der  Nahe,  ein  Aljscluiitt  vom  vormaligen  französischen  Departement  Saar. 

14)  Die  herzogl.  braunschweig-wolfeubütteF sehen  Lande  liegen  zerstreut  an  der 
Ocker,  Leine,  Weser,  an  imd  auf  dem  Harze,  zwischen  preussisclien,  hanöverisclien, 
anhaltischen  und  schwarzburgischen  Gebieten. 

15)  Die  grossherzogl.  mecklenburgischen  Lande  liegen  liings  der  Ostsee  vom  53^ 
4' — 54°  40'  N.  Br.  und  vom  28'  2o' — So"  4'  L. ,  und  gränzen  gegen  N.  an  die  Ostsee  j 
gegen  O.  an  Pommern  und  Brandenburg  j  gegen  S.  an  Brandenburg;  gegen  W.  au 
Stadt-Lidjeckisches  Gebiet,  Lauenburg  und  Ijüneburg. 

^6)  Die  herzogl.  anhaltisclien  Lande,  in  zerstreuten  Theilen,  an  der  Elbe  und 
iS'rtaZc'j  umgeben  von  der  preussisclien  Provinz  Sachsen  und  einem  kleinen  Striche  von 
Braunscliwcig. 

17)  Das  Königreich  Sachsen  j  seit  i8l5  fast  um  die  Hälfte  verkleinert,  gränzt  ge- 
gen O.  und  N.  an  die  preussisclien  Lande;  gegen  ^V.  an  dieselben,  an  das  FLirslen- 
tlium  Akenburg  und  die  reussischen  Lande ;  gegen  S.  an  die  Königreiche  Böhmen  und 
Baiern.  Die  geographische  Lage  ist  vom  So"  lo' — 5l°  5o'  N.  Br.  und  vom  29°  35' — 
32°  35'  L. 

18)  Die  grossherzogl.  sachsen-iveimäriscJien  Lande," in  zwey  Haupttheilen,  a)  das 
Fiirsteiitluun  /'F(?tmrt/'j  an  der  Saale ,  Elster,  Hm,  Orla ,  Unstrut,^  und  Gera,  um- 
geben von  der  preussisclien  Provinz  Sachsen,  den  golhaischen,  schwarzburgischen 
und  reussischen  Landen  ;  b)  das  Fürstenlhum  Eisenach  .,  am  Thiiringerwahlo  und 
Rhöngebirge  ,  und  an  den  Flüssen  \Vcrra  ,  Llstcr,  Nesse,  Hörsei  und  Fulda,  be- 
gruiut  von  preussisclien,  churliessisclien,  golhaischen  luid  meinungen'schen  Gebieten. 


g»  1.   LaiiJ  ilei    curop.  Staaten,  '^.  g.   Grämen  uuil   Lage. 

in)  Die  licrzögl.  sachsen-gothaischen  Lande,  in  zwey  getrennten  Hauptdicilen  , 
a)  das  Fiirsienlliuin  Gotha  an  der  Um,  Gera,  Unstrul,  llörsel ,  zwischen  prcussi- 
sclien,  scliwarzbiirgischcn ,  weiniarischen ,  mcimxngen'schen  nnd  churlicssisclien  Lan- 
den; 1))  der  grösste  Thcil  des  Fürslcnthunis  Altenburg ^  in  mehrere  Sliioke  getrennt, 
Wovon  das  eine  ganz  von  dem  Königreiclie  Sachsen,  dem  preussischen  Sachsen,  dem 
weimarischen  Anthcile  des  Neustädlerkreises  nnd  von  reussischen  Landen  umgeben 
ist,  und  an  der  Pleisse  hegt,  das  andere  an  der  Saale,  zwischen  dem  preussischen 
Sacliscn,  den  weimarischen,  coLiirg-saalfeldischen ,  schwarzburgischen  und  reussi- 
schen Landen  sich  hinzieht.  Indessen  hegen  l>eyde  Fürstenlhiimer  ,  mit  dem  dazu 
"chörigcn  Anthcile  an  Henncljcrg,  an  der  Nord- und  Oslseite  des  Thüringerwaldes. 

20)  Diehcrzogl.  S.cobnrg-saalfeldiscJieii  Lande,  in  zwey  a])gesondcrien  Theilen, 
a)  in  O.  des  Rheins,  zum  Tlieil  am  Tlütringerwahle ,  in  S.  von  den  herzog),  saclisen- 
golhaischen  Gebieten,  an  den  Fliissen  Hz  und  Saale;  b)  in  ^V.  des  Rheins,  ein  Di- 
strict  des  vormaligen  Saar-Departemenls,  zwischen  der  preussischen  Provinz  Nieder- 
rhein und  dem  baierischcn  Rheinki-eise,  an  den  Flüssen  Nahe,  Glanz  und  Blicss. 

21)  Die  herzogl.  S.  meinuiigeiisclien  Lande,  in  S.  vom  Fürslenihuiue  Gotha,  an 
der  Werra  imd  an  der  Hz,  in  NO.  einen  Theil  des  Thüringcrwaldcs,  in  W.  einen 
Theil  des  Rhöngebirges  begreifend. 

22)  Die  herzogl.  S.  liihllnirgJiaiisiscJien  Lande,  in  O.  vom  S.  meinungen'schen 
Anlheile  an  Ilennebcrg ;  in  W.  vom  S.  meinungen'schen  Anlheile  am  Fiirstenlhume 
Coburg  ,  an  der  Werra  und  Rodach  und  am  Thüringerwalde.  Ein  Stück  liegt  ge- 
lrennt im  Würzburgischen. 

23)  T)iG  {\ivi\\n'\i  schwar-bitrgLSc]ieii\jM\Ao,  in  zwey  abgesonderten  Stücken,  a)  der 
eine  Theil,  welcher  die  Oberlieri'scliaft  genannt  wird,  liegt  am  Thüringprwalde, 
zwischen  den  grossherzogl.  und  herzogl.  sächsischen  Landen  und  der  preussischen 
Provinz  Sachsen,  an  der  Saale,  Hm  und  Geira  ;  b)  der  andere  Theil,  die  Utiter- 
herrschüf t  'j^enannl,  an  der  Helme,  "\Vi[)per  und  ndbe,  ist  ganz  vom  preussisclien 
Gebiete  umgeben. 

24)  Die  fürsiliih  reussiscbcii  Lande,  an  der  Saale  und  Elster,  zwischen  den 
Koniofeichen  Sacliscn  und  Raiern,  dem  iieusladlischen  Kreise  inul  dem  Fiirsiciuliumc 
Ahenburg. 

25)  Die  freye  Stadt  Frankfurt  _,  zu  beyden  Seilen  des  Älains.  Stadtgebiete,  zwi- 
schen Churhessen,  Grossherzogthum  Hessen  inid  Ilerzogthum  Nassau. 

26)  Die  freye  Hansestadt  Lübeck j,  an  der  Tiave,  etwa  2  Meilen  von  ihrer  Mün- 
dung in  die  Ostsee  und  an  der  Wackenitz.  Stadtge])iete^  an  der  Ostsee,  zwischen 
den  mecklenburgischen  und  oldenburgischen  Landen. 

27)  Die  freye  Hansestadt  Bremen^  an  der  ^Veser,  etwa  i5  ML  von  ihrer  Mün- 
dung in  die  Nordsee.  Stadtgebiete,  zwischen  hanöverischen  und  oldenburgischen  Lan- 
den, an  beyden  Seiten  der  Weser  und  Wümme. 

28)  Die  freye  Hansestadt  Hamburg ^  an  der  Elbe,  welche  hier  die  Aister  und 
BlUe  aufninmit,  etwa  18  Ml.  oberhalb  der  Mündung  der  Elbe  in  die  Nordsee.  Stadt- 
gebiete an  der  Nordsee,  zwischen  den  Hcrzoglhümern  Holstein  und  Oldenburg. 

D.  Die  Schweiz  oder  Sdnveizcr-E'ulgenossenscliaft  gränzi  gegen  N.  an  Deuti,r}i- 


I.  Land  der  cuiüp.  Staaten.  §.  g    GrHnicn  uud  Lag?.  23 

laiid  (Baclcii,  Wurlcniberg  imd  Baiern);  gegen  O.  au  dasselbe  (Tyrol) ;  gegen  S.  an 
Italien  (die  italienischen  Staaten  Österreichs  und  die  des  Königs  von  Sardinien) ;  ge- 
gen W.  an  Frankreich.  Durch  die  Alpen  wird  die  Schweiz  von  Ilalrcii  und  Deutsch- 
land, durch  den  Juia  von  Frankreich  getrennt.  Die  geographische  Lage  ist:  vom  40* 
40' — 47"  45'  N.  Br.  uud  vom  23°  40' — 28°  8'  L. 

E.  Die  fj-eje  Stadt  Krakaii  j  an  dem  Einflüsse  der  Rudawa  in  die  Weichsel , 
auf  dem  Puncte,  wo  die  Länder  der  drcy  grossen  Mächte,  Österreich,  llussland  luid 
Preussen ,  zusammenstossen. 

IL  Die  süd-  und  westeuropäischen  Länder  und  Staaten. 

A.  Italien _,  eine  Halbinsel,  zu  welcher  mehrere  Inseln  gehören,  erstreckt  sich 
südwärts  in  das  mittelländische  Meer,  von  welchem  der  Theil  auf  der  Ostkiiste,  das 
adriatiscJie  Meer  odi'v  :mi-h  Act  i'etietianisclie  Meerbusen _,  \u\A  der  Theil,  der  die 
Wcslküsle  des  minieren  Italiens  bespühlt,  das  tuscische  oder  heti'urische'SLeQrhchst. 
An  der  Landseite  bilden  die  Alpen  eine  natürliche  Gränze  dieses  Landes,  welche  es 
in  N.  von  der  Schweiz,  in  N.  und  NO.  von  den  österreichischen  deutschen  Provinzen 
und  in  NW.  von  Frankreich  trennen.  Die  geographische  Lage  ist  vom  23°  3o  —  36* 
3o'  L. ,  und  vom  35°  40'  —  46"  40'  N.  Br. 

Die  in  diesem  Lande  gegenwärtig  bestehenden  Staaten  hal)cn  zu  Gränzen ,  mid 
zwar: 

a)  In  Oberitalien  : 

1)  Das  Königreich  Sardinien  j  bestehend  a)  aus  der  Insel  Sardinien  im  mittel- 
ländischen Meere,  ^)  aus  dem  festen  Lande.  Das  letztere:  gegen  N.  den  Genfersee 
und  die  Schweiz,  wo  hohe  Alpen  (die  penninischen  und  lepontischen)  eine  natürliche 
Gränze  machen ;  gegen  O.  die  Herzogthümer  Lucca  und  Parma ,  das  lombardische  Kö- 
nigreich imd  der  Lago  maggiore;  gegen  S.  das  mittelländische  Meer;  gegen  W.  Frank- 
reich ,  wo  der  ^^ar ,  die  See-  und  cotlischen  Alpen  natürliche  Gränzen  bilden.  Das 
feste  Land  des  sardinischen  Staates  erstreckt  sich  vom  23°  3o'  —  27°  5o'  L.  und  vom 
43   40'  — 46  40'  N.  Br. 

2)  Das  zum  Kaiserthum  Österreich  gehörige  lombardisch- venetianische  König- 
reich gränzt  an  die  sardinischen  Staaten,  die  Schweiz,  an  Deutschland ,  das  adrialische 
Meer,  die  Flüsse  Po  imd  Ticino  imd  den  Lago  maggiore.  Der  Thalwcg  des  Po 
bis  zur  Mündung  des  Goro  bildet  gegen  INIodena,  Parma  ,  Piacenza  und  den  Kir 
cbcnstaat  die  Gränze. 

5)  Das  Herzoglhum  Parma  _,  nebst  Piacenza  und  Guastalla  _,  an  den  Flüssen 
Po  und  Taro ,  zwischen  sardinischen,  lom])ardisch-venetianischen ,  modenesischen 
und  toscanischen  Gebieten. 

4)  Das  Herzogthum  il/o<^/<?/jaj  nchst  Reggio  und  3/irandola  j  am  Panaro  ,  zwi- 
schen Parma,  Piacenza  und  Guastalla,  dem  lomljardisch-venet.  Königreiche,  dem 
Kirchenstaate,  Toscana,  Massa  und  Lucca. 

5)  T)aLS  Herzo'^ünun  3Iassa j  nebst  Carrara_,  am  mittelländischen  Meere,  zwi- 
schen Modena,  Lucca  mid  Genua. 

6)  Das  Herzoglhum  Zwccßj  am  mittelländischen  Meere,  zwischen  Genua,  Mo'- 
dena  und  Toscana. 


j^  S.   Land  der  euroj).   Slaatcu.   ^.   g.   GriiiizcD  und  Lage. 

b)  lu  Millclitalicn : 

y)  Das  Grossherzogllium  Toscana ^  am  miuclländisclion  Meere,  das  liier  3as 
tnscische  oder  /letriuische  lieissl,  an  den  Flüssen  Arno,  Ombrone  und  Chiana  (mit 
Ausnalime  einiger  getrennlenTheile),  zwischen  Modena,  Luccannd  dem  Kirchenstaate. 

3)  Der  Kirchenstaat j  am  tuscischen  mid  adriatischen  Meere,  zwischen  demlom- 
hardisch-venet.  Königreiche,  Modena,  Toscana  und  Neapel. 

n)  Die  kleine  Republik  San  Marino ^  im  Umfange  des  Kirchenstaates,  zwischen 
Ilomagna  und  UrLino,  an  der  Vereinigung  der  Flüsse  Tamaro  und  Calore. 

c)  In  Unlerilalicn  : 

lo)  Das  Königreich  JXeapelj  Lcgr'anzt  gcjuen  N.  von  dem  Kirchenstaate;  gegen 
W.  von  dem  mittelländischen  Meere ;  gegen  O.  von  dem  adriatischen  Meere ;  gegen 
S.  getrennt  diu-ch  die  Meerenge  oder  Strasse  von  Messina,  Faro  cli  Messitia_,  von  der 
Insel  und  dem  Königreiche  Sicilien  im  mittelländischen  Meere.  Es  liegt  zwischen 
dem  3i^  —  36^°  O.  L.,  und  zwischen  dem  37°  5o'  —  42°  47'  N.  Br.  Siciliens  Lage  ist 
zwischen  dem  29°  42'  —  53"  23'  O.  L.  und  zwischen  dem  36°  40' — 38"  27'  N.  Br. 

B.  J)\eyQvc\i\\^lQn  Staaten  der  jonischen  Inseln  liegen  im  jonischen  und  ägei^- 
schen  Meei-e,  an  der  Küste  von  Albanien,  Livadien  und  Morea. 

C.  Das  Königreich  Frankreich  gränzt  gegen  N.  an  den  Canal,  der  es  von  Eng- 
land scheidet,  die  Niederlande  imd  Deutschland;  gegen  O.  an  den  Rhein,  an  Deutsch- 
land, die  Schweiz  und  Italien;  gegen  S.  an  das  mittelländische  Meer  imd  Spanien, 
wo  die  Pyrenäen  eine  natürliche  Gränze  bilden;  gegen  W.  an  das  atlantische  Meer. 
Es  hegt  zwischen  dem  i3    und  26°  O,  L.  und  zwischen  dem  42°  und  5l°  N.  Br. 

D.  Das  Königreich  iS/'«"/e«  hat  zu  Grunzen:  gegen  N.  die  Pyrenäen,  wodurch 
es  von  Frankreich  geschieden  wird,  vmd  das  atlantische  Meer,  das  dort  das  Meer  von 
Biscaya  (mare  Cantabricum)  genannt  wird ;  gegen  O.  das  mittelländische  Meer ;  gegen  S. 
dasselbe  vmd  das  atlantische  Meer ;  gegen  W.  Portugal  und  das  atlant.  Meer.  Die  geographi- 
sche Lage  ist  zwischen  dem  8"  und  dem  21°  O.  L.,  vmd  zwischen  dem  36°  imd  44"  N.  Br. 

E.  Das  Königreich  Po/t?/,§-rtZ:  gegen  N.  und  O.  Spanien;  gegen  S.  und  W.  das 
atlantische  Meer.  Es  liegt  zwischen  dem  8°  14'  —  ii°53'O.L.  imd 36° 58'  —  42°  12'N.  Br. 

F.  Das  brittische  Reich:  gegen  N.  das  calcdonische  Meer;  gegen  O.  die  Nordsee; 
gegen  S.  der  Canal,  wodurch  es  von  Frankreich  getrennt  ist;  gegen  W.  Gewässer  des 
atlantischen  Meeres,  von  welchen  dasjenige,  das  England  von  Irland  scheidet,  die 
irländische  See  hcisst,  und  im  Süden  durch  den  St.  Georgs-Canal  mit  dem  Occan  zu- 
sammenhängt. Es  liegt  vom  7°  —  20"  O.  L.  und  vom  5o°  —  61°  N.  Er. 

G.  Das  Königreich  der  Niederlande :  gegen  N.  die  Nordsee 3  gegen  O.  Deutsch- 
land (königl.  hanöver'sche  und  königl.  preussischc  Gebiete);  gegen  S.  Frankreich; 
gegen  W.  Frankreich  und  die  Nordsee.  Die  gcograpliische  Lage:  zwischen  dem  20' 
und  25°  O.  L. ,  und  zwischen  dem  4g"  3o'  und  53^  5o'  N.  Br. 

III.  Die  nord-  und  osteuropäischen  Staaten, 

A.  Das  Königreich  i^rinemarA";  gegen  N.  der  codanische  ISIeerlrLisen ,  Cattegatt 
genannt;  gegen  O.  die  Ostsee;  gegen  S.  die  Eyder  imd  der  scUeswig-holsteinische 
Canal,  wodurch  es  von  Deutschland  getrennt  wird;  gegen  W.  die  Nordsee,  von  den 
Dänen  die  Westscc  genannt.  Dänemark  selbst  mit  Schleswig,  Holstein  und  Laucnbuig 


I.  LanJ   der  curop.   Staatou.  tj.   lo.   Colouien,  25 

Jit-yl  vom  24°  20'  —  So"  41'  O.  L. ,  und  voju  53°  4l' — 58"  N.  Br.  Die  Färoer-Inscln  und 
die  Insel  Island  liegen  ixn  nördlichsten  Tlieile  des  allantischen  oder  amerikanischen 
Occans,  jene  zwischen  6l°  und  62°  nördlicher  Breite,  diese  erstreckt  sich  vom  353" 
■ —  1°  östlicher  Länge,  und  vom  63'  —  68"  nördlicher  Breite. 

B.  Das  Königreich  iScArt-et^/e/t  mit  IVomvegeJi :  gegen  N.  das  nördliche  Eismeer; 
gegen  O.  Russland,  wo  der  Torneafluss  die  Gränze  macht^  der  hothnische  und  finni- 
sche xMcerhusen ;  gegen  S.  die  Ostsee;  gegen  W.  der  Sund,  das  Cattegalt  und  die  Nord- 
see. Die  geographische  Lage:  vom  55°  22' —  71°  2o'  N.  Br. ,  imd  vom  21° —  4g°5o'O.L. 

C.  Das  Kaiserthum  Riissland  mit  dem  Königreiche  Polen :  gegen  N.  von  Tschu- 
cholskoi-Noss  an  der  Berings-Meerenge  his  zur  lai^pischen  Gränze  an  den  Eis-Ocean, 
dessen  undurchdringliche  Massen  es  vom  JNordpole  scheiden;  gegen  O.  der  grosse 
östliche  Ocean,  der  hier  Asien  von  Amerika  trennt,  und  durch  die  Berings-Meerenge 
mit  dem  nördlichen  Eismeere  zusammenhängt;  gegen  S.  das  schwarze,  das  asow'sclic 
und  caspische  Meer^  kaukasische  Länder,  Persien,  die  freye  Talarey  und  das  chine- 
sisclie  Reich;  gegen  W.  Norwegen,  Schweden,  die  Ostsee,  der  finnische  und  hoth- 
nische Mecrhusen,  Preussen,  das  Grossherzogthum  Posen,  Schlesien,  das  Gehiet 
der  freyen  Stadt  Krakau,  Galizien  und  die  europäisclie  Türkey.  Es  ist  Nachbar  des 
österreichischen  Kaiserstaates  und  des  chinesischen  Reichs,  liegt  ganz  und  imunter- 
hrochen  auf  der  nördlichen  Hälfte  der  Erdkugel,  und  erstreckt  sich  vom  35°  20'  —  2l5° 
der  Länge  (mit  Einschluss  der  Inseln  im  östlichen  Ocean) ,  und  vom  40" — 78°  der 
nördlichen  Breite. 

D.  Das  o^7nrt«wc/ie  Kaiserthum :  a)  A\e  europäische  Tüvkey :  gegen  N.  Russland 
und  Österreich  (s.  oben  A.  Osterreich);  gegen  O.  Russland,  das  schwarze  Meer,  die 
Meerenge  von  Constantinopel ,  das  Marmormeer,  die  Strasse  der  Dardanellen  und  der 
Archipclagus ;  gegen  S.  das  mittelländische  jMeer;  gegen  W.  das  jonische  und  adriali- 
sche  Meer  und  Dalmatien  ;  1))  die  asiatische  Tiirkev :  gegen  N.  das  schwarze  Meer 
und  Georgien;  gegen  O.  Persien;  gegen  S.  der  persische  IMeerbnsen  und  Aral)ien ; 
gegen  W.  die  Landenge  von  Suez,  das  mittelländische  Meer,  die  Dardanellenstrasse, 
das  Marmormeer  und  die  Meerenge  von  Constantinopel.  Die  geographische  Lage  von 
beyden  zusammen  ist  vom  54°  —  68'  östl.  L. ,  und  vom  og'  —  48'  38'  nördl.  Br. 

n)  Übersicht  der  Bodenflache  und  Be\ölkerung  tles  proussischen  Staates.  Aus  den  für  das  Jahr 
1817  amtlich  eingezogenen  Nachrichten.  Berlin  (1818:  von  Uoffmann ,  Director  des  slati- 
stischeu  Bureau's). 

§•    lO- 

(  C    o    1    o    n    i    e    n. 

Unter  Colonien  versteht  tnan  hier  solche  Besitzungen  der  Enfopäer  in  puderen 
Erdtheilen,  die  in  der  Absicht  erobert  und  mit  Europäern  bevölkert  worden  ,  um  dort 
Producta  zu  gewinnen,  die  das  Mutterland  nicht  hat,  sie  diesem  zu  verkaufen,  vmd 
das,  was  sie  selbst  an  Kunst-  und  Natnrproducten  bedürfen,  von  demselben  zu  kau- 
fen, oder  nach  vorgängiger  Schätzung  in  Geld  einzutauschen. 

Diese  Herrschaft  der  Europäer,  durch  Gewinnsucht  und  Sehnsucht  nach  neuen 
Genüssen  veranlasst,  aber  durch    "eistiLrc  L'berle^enheit  ire^riuidet,  verbreitete    »ich 

4 


^5  )■   Land  dir  europ.   Staaten.  vS.   lo.   Coloiiieu  :   Sp;iniens. 

seit  clor  Iclzten  Hälfte  des  i5.  JalirhunJerts  bis  zur  Hälfte  des  18.  über  halb  Asien  ^ 
mehr  als  drey  Viertheile  von  Amerikaj  und  an  den  Küsten  Afrika  s  tind  Australiens,, 
bis  zu  den  Gränzen,  welche  die  Natur  selbst  durch  ewige  Eisfelder  gesetzt  hat.  Es 
sind  aber  nur  Seemächte ,  die  an  dem  Colonialweseu  Anlheil  nchaien ,  weil  nur  sie 
Colonien  besitzen  und  vcrtheidigen  können.  Die  ersten  Colonievölker  waren  Am  Spa- 
nier und  Portugiesen ;  an  diese  sclüossen  sich  später  an  die  Holländer ,  Engländer 
und  Franzosen  j  und  nach  diesen  traten  in  die  Reibe  der  Colonialstaaten  Dänemark 
m\A  Schweden.  Selljst  das  entfernte  Russland  iiahm  nicht  niu"  durch  Caravanen  an 
dem  chinesischen  Handel  Antheil,  sondern  fing  auch  an^  nach  Entdeckung  der  Ku- 
rilen und  yJleute/i j  Jagd  und  Pclzhandel  dort  zu  treiben,  welche  demnächst  zu  Nie- 
.  derlassmigen  dascll)st  bis  zu  den  Küsten  von  Nordwest-Amerika  führten  aj. 

Die  ausgedehntesten  Besitzungen  hatte  bisher  Spanien  in  Süd-  und  Nordamerika j 
so  wie  Grossbritannien  in  Nordamerika j  obgleich  die  Hauptquelle  der  briitischen 
IMacht  eigentlich  die  ostindischen  Besitzmigen  sind.  Die  spanischen  IProvinzen  in 
Amerika  fingen  seit  1810  an,  sich  allmählich  von  dem  Mutterlande  loszusagen  und 
iuial)hängig  zu  erklären;  zuerst  die  südamerikanischen,  seit  1821  auch  die  nordameri- 
kanischen mit  der  Erdenge  vmd  Provinz  Panama.  Da  indessen  die  Cortes  im  gegen- 
wärtigen Jahre  erklärten ,  dass  die  spanische  Regiermig  alle  möglichen  Mittel  anwen- 
den werde,  um  den  auswärtigen  Regierungen  zu  beweisen,  dass  Spanien  auf  keine 
Weise  das  Recht,  das  selbes  auf  diese  Provinzen  hat,  aufgegeben  habe:  so  können 
wir  hier  bloss  den  bisherigen  Colonicn-Resland  angeben. 

Ausser  europäische    Besitzungen: 
I.      Spaniens. 

A.  In  Afrika:  Ceuta  ^  Pennon  de  VeletZj,  Alhuzenas  j,  Melilla  (Presidios  d'Afri- 
que  genannt);  ferner  die  canarischen  Inseln,  worunter  Canaria ^  Teneriffa  und 
i^e/ro  die  vornehmsten,  und  drey  Guineainseln:  Annaboa  (.iimabon,  atu-h  Ronan- 
no),  die  Prijizeninsel  imd  Fernando  del  Po. 

E.  In  Asien:  die  Insel  Magindanao ^  die  Marianen ^  die  Carolinen  imd  die  Phi- 
lippineti  nebst  den  Bashiinseln. 

C.  In  Nordamerika :  1)  das  Yicekönigrcich  Neuspanien  oder  Mexico^  die  wich- 
ligsle  aller  spanischen  Colonien,  nebst  Neumexico  und  Californien ;  2)  die  General- 
Capitanerie  Guatimala;  3) die  beyden  Floridas^  neuerlich  von  den  vereinigten  nord- 
amerikanischen  Staaten  in  Anspruch  genommen,  und  im  J.  1819  von  Spanien  an  die- 
selben abgetreten. 

■  D.'  Li  fFestindien :  unter  den  grossen  Antillen:  1)  Cuha  ;  2)  Porto  oder  Puerto- 
Pdco;  3)  der  Antheil  an  St.  Domingo ^  der  im  Pariser  Fricdenslractate  vom  3o.  May 
1814  Spanien  zurückgegeben  wurde,  aber  im  Besitze  der  Neger  sich  befindet. 

E.  In  Südamerika :  1)  die  Yicekönigreiche  Neugranada  ^  Peru  und  Rio  de  la 
Plata  oder  Buenos  Ajres ;  2)  die  General-Capitanericn  Caraccas  unA  Chilis  neJjsi 
der  Halbinsel  Patagonien  (Magelianenlande)  und  einem  Theilc  der  FaUdands-  oder 
nialouinischen  Inseln. 


I.  Land  Jer  curop.  Slaaten.  '^.   lo.  Coluiiien  :  Grossl)ri(anuiens.  21 

Diese  fast  nnermesslicheii  Cüloiiioi  umfassen  zusammen  ein  Areal  von  ungefähr 
24o3ö-^  n*"'^n''-  Q-^Jt* )  wovon  auf  Spaniscli-Amciika  überhaupt  235,602,  auf  Spanisch- 
.Siidaracrika  iusLesoudere  172,576  QM.  konunen. 

II.    Grossbrilanniciis. 

A.  In  Afrika :  a)  die  der  Krone  unmiticlhar  unterworfenen  Provinzen : 

1)  \)\^  Niederlassungen  auf  der  Westküste: 

a)  In  Senegamlnen:  die  Insel  James  ^  die  Insel  Bidam  _,  die  Götzerdnseln  (Ido- 
los,  oft  nur  Losinseln  genannt)  und  das  Geliiet  der  lyje/va-Zt'o/m-Gcsellschaft,  seit 
1788  mit  dem  Anfings  (alier  späterhin,  Jaut  Londoner  Berichten  vom  Jahre  i8i5, 
trotz  der  vom  Puljlicum  erhaltenen  UnterslLilzung ,  sehr  vernachlässigten)  menschen- 
freundlichen Zwecke^  die  Negervölker  zu  civilisiren  luid  den  Negerhandel  zu  hinter- 
treiben, in  Verbindung  mit  Anbau  westindischer  Plantagen-Producie. 

ß)  In  Oberguinea  auf  der  Goldküste:  verschiedene  Forts,  worunter  Calw  Cor- 
so  oder  Cape-Coastcastle  das  Haupifort,  und  nach  diesem  Anamaboa  das  bcträclit- 
llchste  ist. 

2)  Das  T^orgebirge  der  guten  Hoffnung ^  oder  das  Capland  auf  der  SiidsjMtze 
von  Afrika. 

3)  /i'Ze-£/e-/<)"ß«cej  sonst  Moritzinsel  genannt,  nebst  den  dazu  gehörigen  Inseln 
Rodrigue  und  les  Sechelles. 

b)  Die  Besitzungen  der  ostindischen  Gesellschaft  bestehen  bloss  aus  der,  im 
allantischen  Ocean  liegenden  Insel  St.  Helena  _,  dem  Ilaupilanduiigsplaize  der  ostiiidi- 
schen  Seefahrer. 

B.  In  Asien  j  und  zwar  in  Ostindien j  wo  die  wichtigsten,  reichsten  Colonien  der 
Brilten,  die  Hauptstütze  ihrer  Macht,  hegen;  jetzt,  nach  gebrochener  Älacht  der 
Mahrattenfürsten  bj ,  von  weit  grösserer  Ausdeluiuug  als  ehedem ,  wenn  gleich  nur 
der  kleinste  Theil  dieser  Besitzungen  der  brittischen  Krone,  der  bey  weitem  grössere 
ciijcr  Handelsgesellschaft  —  der  brittisch-ostindischen  Compagnie,  imter  dem  Schu- 
tze der  ersteren  —  gehört;  wichtig  durch  die  Vorthcile,  welche  durch  den  Handel 
dieser  Gesellschaft  nach  imd  von  diesen  Ländern  auf  den  Staat  selbst  zurückfliessen. 

aa)  Besitzungen  der  Krone  : 

1)  Die  gewürz-,  gold-  und  diamantenreiche  Insel  Cejlanj,  oder  Cejlon  im  indi- 
schen Meere-,  welche  die  Britlen  erst  im  J.  i8l5  durch  die  Eroberung  des  Königreichs 
Katidj  ganz  ihren  Befehlen  imterwai-feu ;  2)  ßunwut  j.  Insel  im  Meere  von  Celebes ; 
3)  Oroolong  j  eine  der  Pelewinseln. 

bb)  Besitzungen  der  ostindischen  Gesellschaft,  theils  unmittelbare,  thcils  mit- 
telbare : 

1)  Die  unmittelbaren  Besitzungen  sind  tinter  drey  Präsidentschaften,  eine  Resi- 
dentschafi  und  ein  Gouvernement  veriheilt. 

a)  Die  Präsidentschaft  Calcuita „  oder  Fort  TFilhehn  an  einem  Arm  des  Ganges. 
Sie  hat  ihren  Nahmen  von  CalcuttUj,  dem  Hauptsitfe  der  britlischen  Regierung  und 
dos  General-G.ouverneius  vom  ganzen  brittischen   Ostindien.  Es   gehören  dazu  llen- 

4* 


2li  !■   Laud  der  euro^i.   Staaten,  ^.    lo.  Colonun  :   GiosjbritiiDuicns. 

galetij  Bahar  ^  Otide  oder  Julid  ^  Tipni  _,  Benares  j  nebst  der  Resiclenlschafi  (iVü-' 
Jicrhin  Präsidenlscliaft)  vom  Fort  Ahirlborough  auf  der  Insel  Sumatra  j  und  deni 
Gouvernement  von  der  Prinz-TV alesinsel  (Pulo-Peenang),  nahe  beym  westlichen  Ein- 
gänge der  Strasse  von  Malacca. 

1))  Die  PräsidentscliaCt  Madras  j  oder  St.  Georg  an  der  Küste  von  Coromaiidel  j 
init  dem  weitläufigen  Carnatik _,  und  melircreu  benacbJjartcn  Ländern  und  Seeplä- 
tzen, nebst  der  neuen  Niederlassung  auf  der  Insel  Gross- Jndamnn. 

c)  Die  Präsidentschaft  Bombay j  deren  Gebiet  mehrere  an  der  malaharisdien 
und  der  Mahrattenküste  gelegene  luseln,  Festungen,  Handelsplätze  und  Landstri- 
che begreift. 

d)  Die  Factorcy  zu  Caiiton  in  China ,  die  den  Thcchandcl  und  den  Verkehr  mit 
diesem  Reiche  imterhält. 

2)  Die  mittelbaren  Besitzungen  oder  zinsbaren  Vasallen-Staaten  sind  :  Cochin , 
Travancor  j  Nizam  oder  Subah  von  Dekan ^  ISahob  von  Oud  oder  yluhdj  Neu- 
AJjsore  (Reste  \oi\  Hyder  Jlis  und  Tippo  Äi/zcZ»'^  furchtbarem  Reiche),  Kurga  _,  Ka~ 
nanor j  Kalikut  oder  Kalkut ^  ^gra  _,  Delhi  imd  ISepahl  oder  Napaid.  Die  Fürsten 
dieser  Staaten  knüpfen  nicht  allein  Staatsverti'äge  an  das  Interesse  der  Gesellschaft, 
sondern  sie  sind  auch  dadurch  in  der  Regierung  ihrer  Länder  sehr  beschränkt,  vuid 
verbunden  den  brittischcn  Schutz  mit  bedeutenden  Lehnsgefällen  ztt  erkaufen. 

C.  In  Nordamerika:  a)  nordöstlich:  1)  die  Insel  JS'ewfutidland  (Terre  ncuve), 
nebst  den  Hudsoiisbusen-hvindern  und  der  Halbinsel  Labrador ;  2)  ein  Theil  von 
Canada;  3)  die  Halbinsel  Neiischottland  (sonst  Acadien  genannt),  wovon  ein  Theil 
Neubraunschweig\\e\sst ,  mit  der  Insel  C<7/7  Breton;  b)  die  bermudischen  oder  Som~ 
mei'inscln ;  c)  südlicher:  die  Niederlassungen  an  der  Honduras-  und  Campechebay  _, 
in  der  spanischen  Provinz  Yucatan  _,  wichtig  wegen  des  Fällens  von  Mahagony-  vuid 
Campecheholz  j  dcssgleichcn  in  den  Ländern  der  ■Muscito-Indianer,  in  der  spanischen 
General- Capitancrie  Guatimala  j  d)  einige  Landstriche  an  der  Nordweslküste  von 
Amerika  cj. 

D.  In  TVestindien :  a)  unter  den  grossen  Antillen:  Jamaika j  die  wicliiigste  Co- 
lonie  der  Britten  in  Westindien;  b)  unter  den  kleinen  AntUlen :  1)  die  Jungferiusehv 
Virgin  Gorda  _,  Turtola  und  Anegada;  2)  Jnqnilla  und  Barbude  ;  5)  St.  Cliristoph 
oder  St.  Kitts;  4)  Newis ;  5)  Montserrat ;  6)  Antigua  oder  Antigoa ;  7)  Domi/iica; 
8)  St.  Vincent;  n)  Barbados ;  10)  Grenada  mit  den  meist  unbenutzten  Grenadilien 
(Grenadinen) ;  11)  la  Trinidad;  12)  Tabago  vmd  St.  Lucie.  c)  die  Bahama-  oder 
hicaischen  Inseln. 

E.  In  Südamerika  :  die  Inseln  Berbice  _,  Essequeho  und  Demcrary. 

F.  In  Australien:  a)  auf  der  Ostküste  Neuhollands,  oder  im^  Neusildwales:  die 
seit  1788  bey  der  Sidneybucht  mit  vielem  Aufwände  errichteten  Colonien:  a)  Albion 
mit  der  Stadt  Sidnej ^  mit  dem  herrlichen  Hafen  Port  Jakson;  ß)  Fiosehill^  zu  de- 
ren Anbau  jährlich  Verbrecher  zu  ganzen  Schitfsladungen  aus  England  hingebracht 
werden.  Ausser  den  öffenthchen  Beamten  und  dem  Militär,  gibt  es  daselbst  drey  Co- 
lonistenclassen:  Verbrecher,  die  ihre  Strafzeit  ausstehen ;  Verbrecher,  deren  Strafzeit 
verflossen  und   denen  man  die  Rechte  freyer  Leute   zugestanden j  dann  freye  Leute, 


1.   Land  der  euroj).   ÜUateu.   §,   lü.  Culonien:   Portiigils.  3,. 

tlcncn  die  Eilaubniss  zum  Ai)sicdcln  als  Belolinung  oder  auf  ihre  Bitte  ertlioili  wor- 
den ist.  —  Dieser  Tlieil  von  Neuholland  wird  von  engliscLen  Sclirifistcllern  die  (Jial- 
schaft  Cumberlimd  genannt,  wozu  die  Inseln  JXorfolk  und  Howcs-Eiland  geliorcn. 

h)  Auf  der  Südküste  Nculiollands  :  die  drille  Ver])recliereolonie  zu  l^oft  l),./- 
pj-mple  au£  der  Insel  f^an-DiemeTulaniL  Die  in  England  immer  zunehmende  Meji"e 
von  Ühchliätern,  die  zur  Transportation  vcrurlheilt  werden,  liat  die  Regierung  ver- 
anlasst, eine  dritte  Colonic  in  der  südlichen  Hemisphäre  anzulegen,  um  sich  des  Aus- 
wurfs der  Nation  zu  entladen. 

Diese  zahlreichen  Colonicn  Grossbritanniens  enthalten  zusannnen  einen  Flächen- 
inhalt von  etwa  100,843  geogr.  QM.  Davon  konnnen  60,242  auf  Bvlttisch-jSordame- 
Tikuj  28 — 3o,ooo  rm[  Brittisch-Ostindien  j  6128  nn(  Br'ittisch-^Jrifca  j  Sigö  vlu?  Brit- 
tisch-Australien _,  68g  ^\\£  Brittiscli-TVestindien  \xn&  488  mi(  Brittisch-Südanierikn. 

III.     Portugals. 

A.  In  Asien  nur  noch  geringe  Reste  der  ehemals  daselbst  ausgedehnten  poriu- 
giesisclien  Herrschaft ,  und  zwar :  a)  in  Ostindien :  die  Plüize  Goa  ,  Daman  und  Diu  j 
ein  Theil  der  sundischen  Insel  Timor  mit  dem  Gomtoir  Dilil  und  die  Factorev  Bün- 
del am  Hooglyüuss  j  b)  in  China:  die  Insel  Macao  luiter  chinesischer  Hoheit. 

B.  In  Afrika^  und  zwar:  1)  auf  der  ^\  eslküste  von  Miitelafrika  in  Senegam])ien: 
die  Stadt  Kaschao  (Gachao ,  Cacheu)  am  Flusse  San  Domingo,  nebst  der  Insel  Bissao  ■ 
2)  auf  der  Westküste  von  Südafrika  in  Siid-  oder  Niederguinea:  einige  Stadie  luid 
Plätze  in  den  Negerreichen  Congo ,  Angola  luid  Benguela;  3)  auf  der  Osiküste  von 
Südafrika:  a)  die  Insel  Mozanibicjue _,  die  für  Portugal  das  ist,  was  Albion,  Rosehill 
und  Port  Dalrymple  für  Grossbritannien  sind.  Alle  Jahre  kommen  daselbst  2  ScliifTe 
mit  Verbrechern  und  einigen  Soldaten  befrachtet  an  j  b)  ein  District  an  dem  Flusse 
Zambese  j  den  der  König  von  Monomotapa  gegen  einen  jährlichen  Tribut  von  einem 
rothsammtcnen  Kissen,  einem  schönen  Sessel  und  einigen  andern  Kleinigkeiten  an 
die  Portugiesen  abgetreten  hat ;  4)  folgende  westafrikanische  Inseln :  St.  Ascension 
(Himmclfahrtsinscl),  St.  Thomas  j  die  Inseln  des  grünen  Vorgebirges  oder  die  c^/y- 
i'erdiscJien  Inseln  (Ilhas  verdes) ,  Madeira  _,  Porto  Santo  und  die  azorisclien  Inseln. 

C.  In  Amerika  j  und  zwar  in  dessen  südlichem  Theile:  1)  Brasilien ;  2)  ein  Theil 
von  Guiana j  gegenwärtig  von  beschränkterem  Umfange,  da  der  König  von  Portugal 
kraft  der  Bestimmungen  des  Pariser  Friedenstraclates  von  1814,  imd  des  Wiener  Coii- 
gresscs  von  i8i5,  sich  verpflichtet  hat,  dasfranzösisc/te  Gnianaj  wieesam  1.  Jan.  1702 
bestand,  nähndich  bis  zum  Flusse  O;-«/70CÄj  an  Frankreich  zurück  zugeben  j  3)  fast 
das  ganze  Amazonenland ;  4)  ein  kleiner  Absclinitt  von  Peru  und  Paraguay.  Diese 
Landschaften  zusammen  wurden  unter  dem  gemeinschaftlichen  Nahmen  Brasilien 
durch  das  königliche  Decrct  vom  16.  Dec.  i8l5  zu  dem  Range  eines  KönigreicJis 
erhoben. 

Der  Flächeninhalt  der  gesammten  Colonien  Portugals  beträgt  ungeflihr  ioo,5o7 
geogr.  QM. ,  wovon  auf  die  Besitzungen  in  Asien  5o  ■  auf  die  in  Afrika  i^q-j  und  aul'cii; 
Königreicdi  Brasilien  loo^ooo  konnnen. 


2q  ^   J^anJ  Jcr  europ.   SUateu.   §.  lo.   Culoinen:   der  IviedeilanJr  ;  FianVrcicIis. 

IV.     Der     Niederlande. 
\.  In  Jfi-ika  auf  tlei"  Küste  Von    Guinea  i5  l)Cfcsli!^le  Factoroyen,  worinitor  die 
Toris  Delmina  und  Art^^Ui  die  wicliüir.sten  sind. 

B.  In  Asien  auf  der  Insel  Java  das  Generalgouvernement  von  J3(itnvia  (der  Haupt- 
stadt des  niederländischen  Ostindiens)  mit  seinen  Dependenzen^  tmd  zwar:  i)die  In- 
sel Celebes  j  so  weit  sie  ein  Eigentimm  der  Niederländer  ist;  nUhmlich  a)  die  West- 
küste Macassar ;  b)  die  InsclMonada  ;  2)  die  molnckisclien  Inseln  ,  besonders  diejeni- 
gen die  vorzu<^''Sweise  mit  Gewürznelken  und  INIuscalen  begabt  sind ,  als :  Amboina , 
die  bandaisclien  Inseln ,  Tidor  j,  Ternate  und  Timor.  Von  einigen  sind  die  Nieder- 
länder völli"e  Landesherren,  die  meisten  aber  haben  ihre  eigenen  Fürsten,  die  jedoch 
von  ihnen  abhängen.  3)  Auf  der  grossen  Insel  Sumatra :  Padang„  als  das  Hauptcomj>- 
toir  die  Handelsloge  zu  Palembang  imd  die  zinnreiche  Insel  Banka,,  welche  die  Nie- 
länder in  Fo^c  der  Convention  vom  i5.  Aug.  1814,  als  Tausch  für  Cocldn  imd  was 
dazti  "chört,  auf  der  Küste  Malabar,  von  Grossbritannien  erhielten.  4)  Die  Stadt;  l/cz- 

■  Incca  atif  der  Halbinsel  dieses  Nahmens,  imd  die  Insel  Ilioinv  in  der  Strasse  von  Ma- 
lacca.  5)  Einzelne  Niederlassungen  a\i(  Bor?ieOj  Coromandcl  tuid  in  Bengalen ^  so 
\vie  in  Japan  imd  Pej^sien. 

C.  In  Siidamerika  _,  uml  zwar  in  dem  nördlichsten  Theile  von  Guiana  :  gegen- 
wärii"  die  einzige  Colonie  Surinam^  die  übrigen  bisher  niederländischen  Colonien: 
EssequebOj^  Demerarj'  und  BerbicCj,  sind  niui,  in  Folge  der  oben  erwähnten  Conven- 
tion ein  ti^enihum  derBritten;  doch  behielten  alle  Niederländer,  die  dort  Planta- 
"cn  besitzen  oder  ein  Anrecht  daran  haben,  so  wie  auch  diejenigen ,  denen  in  der 
Fol"e  diese  Pflanzungen  durch  Erbrecht  zufallen,  auf  demselben  Fasse,  wie  die  brit- 
tischen  Unterthanen,  das  Recht,  dahin  zu  handeln.  Bis  zuEnde  des  Jahres  1821  konn- 
ten sie  sich  dazu  jedes  Schiffes  und  jeder  Mannschaft  bedienen;  seit  Ablauf  dieses 
Termins  müssen  der  Schiffer  imd  \  des  Schiffvolkes  des  Königs  der  Niederlande  Unlei-- 

ihanen  sepu 

D.  In  Westindien  unter  den  kleinen  Antillen  r  1)  St.  Eastach;  2)  Sabn ;  5)  die 
.viössere  Hälfte  von  St.  Martin;  4)  Curassao ,  nebst  den  kleineren  Inseln  Aruba ^ 
A\'es  und  Bonaire. 

'        Der  Flächenraum  der   gesammten  Colonien  der  Niederlande    wird  beyläufig   zu 

^230^ 53oo  "eogr.  QM.  angegeben,  an  welcher  Toialsunnue  das  niederländische  Asien 

allein  mit  4700  Q^I-  Theil  nimmt. 

y.     Frankreichs. 

A.  In   Afrika^  imd   zwar:    1)  im   Algierischen   die  Städte  In   Calle  und  Bonne; 

2)  in  Senegambien  die  Insel  Setiegal ^  mit  dem  Fort  St.  Lunis ^  und  die  Insel  Goree ; 

3)  die  Insel  Boiirbon. 

B.  In  ^.y/e?? ^  u.ud  zwar  in  Ostindien:  1)  Ponditscheri ^  gewöhnlich  Pondicheri 
geschrieben,  die  Hauptstadt  der  französisch-oslindisclicn  Besitzungen;  2)  Karikal; 
3)  Tscliandernagor ;  4)  Malte. 

C.  In  Nordamerika  :  die  heyden  kleinen  Inseln  St.  Pierre  und  Mitjuelon  bey  Ter- 
re  ncuvC;,  zum  Kabeliaufani;  in  den  dortigen  Gewässern  nützlich. 


1.    Laiul  der  europ.   Sl.iaten.  '^,   lo.   Colouieii  :   Daiiemaik?  ;  ScTnveduus  j    riusslaud.s.  3i 

D.  In  JFestiiuJien  j,  und  zwar:  i)  iinler  den  grossen  Antillen  einTlicilvon  St.  Do- 
tningo  (Hayli).  Diese  Insel  ist,  kraft  des  oben  (I)ey  Spaniens  Golonicn)  eiwiilinten  Fi  ie- 
denstractates,  den  Franzosen  und  Spaniern  zuriirlvj;efj;cl)en;  die  licsiiznalinic  dersclhcn 
aller  ist  durch  beA\affneten  Widerstand  zahlreicher  JNeger-  und  IMulatlencorps  gehin- 
dert. Bis  Octolier  1820  war  diese  Insel  gelhcill  in  zwey  Staaten;  in  dem  einen  war  ein 
Negerkönig,  Heinrich  I.  (Christoph),  König  i'oii  Hayti ;  in  dem  andcin  war  ein  Ge- 
neral, Bojej'j  Nachfolger  des  im  J.  1818  niil  Tode  abgegangenen  Oberanfiilireis  Pe- 
thion.  Gegenwärtig  ist,  in  Folge  der  im  Oct.  des  oben  besagten  Jahres  alisgebroche- 
nen Revolution,  ganz  Hayti  unter  ijcye/"' vereinigt ,  der  am  26-  Oct.  zum  Präsidenlcn 
A'on  ganz  St.  Domingo j  das  fortan  republikanisch  regiert  wird,  proclamirt  worden 
ist  dj.  2)  Unter  den  kleineu  Antillen:  Guadeloupe ^  Desirade _,  Marie  Galante ,  les 
Saintes  j  Martinique  luid  die  kleinere  Hälfte  von  St.  Martin. 

E.  In  Siidamei'ika:  1)  ein  Stück  von  Guiana  (s.  oben  Portugal);  2)  die  ungesunde 
Insel  Cajenne j  ein  Verbannungsort,  vornehmlich  für  französische  Staatsverbrecher. 

Das  Areal  der  gesamniien  Golonicn  Frankreichs,  mit  Ausnahme  des  Anllieils  an 
St.  Domingo,  beträgt  ungefähr  1018  geogr.  QM. 


VI.     D 


a  n  e  m  a  r 


A.  In  Afrika:  auf  der  Küste  von  Guinea  die  Forts  Christiansburg j,  Friedens- 
burg j  Königsstein  ^  Prinzenstein  ^  nebst  einigen  andern  Besitzungen  ,  zusammen 
etwa  12  QM. 

B.  In  Asien:  ^\c  Stadt  Tranquebar ^  mit  der  Festung  Dansborg ^  einem  Fle- 
cken und -19  Dörfern  auf  der  Küste  Coromandel,  so  wie  auch  auf  der  Küste  MalaJjar 
einige  Factoreyen ;  in  Bengalen  Friedi'iclisnagor ;  dann  drcy  nikobariscJie  Inseln; 
zusanmicn  migefälir  20  QM. 

C.  In  Nordamerika :  die  Westküste  von  Gröidand  jMvo  die  Dänen  20  Colonien 
und  Ilandelslogen,  auf  ungefähr  2 — 3oo  QM.  vertheilt,  besitzen.  Die  wichtigste  Culo- 
nie  ist  Julianshaab  j  die  einzige  Colonie,  wo  Viehzucht  unterhalten  wird. 

D.  In  Westindien:  luiter  den  kleinen  Antillen  die  Jungferinseln:  St.  Thomas _, 
St.  Croijc  luid  St.  Jean  j  zusammen  ungefähr  10  QM. ;  dann  üiie  Krabberdnsel_,  die 
aucli  von  den  Spanieru  und  Engländern  benutzt  wird, 

VII.     S  c  h  iP  e  d  e  Ji  s. 

In  TPestindien:  unter  den  kleinen  Antillen  die  Insel  St.  ßartlieleinj ,  ungelahi- 
5  QM.  gross. 

\  III.     R  u  s  s  l  a  n  d  s. 

Auf  der  mittleren  TVestkiiste  von  Amerika  verschiedene  Niederlassungen  russi- 
scher Ilandelsgcnossen,  insonderheit  der  russisch-amerikanischen  Handelscompag- 
7Üe  j  bisher  ohne  unmittelbaren  Anlheil  der  russischen  Regierung.  Das  Ilauptclablisse- 
nicnl  ist  Kadjak,  Sammelplatz  aller  Pelzwaaren. 

a)  Handbuch  der  Geschichte  des  europäischen  Slaalensyslems    und   seiner    Colonien.  \on    A. 
II.   L.  Heeren  etc.  Göuingen  180g.  gr.  8. 

b)  S.    politisches   Journal.     i8ic).   S.    177  und  246.    Der    Indus    ibl    iet/.l    <lie    Grenze  der  üb:;;-- 
grossen  Besitzungen  der  brrUisch-oslludischen  CüU)pai;iiie. 


-,  L  Laiwi  der   euroji.   Staaten.  §.   n.   Gcbirgf. 

c)  Ausserdem  besass  Grossbritannien  \or  dem  J.  1783  noch  folgende  Colonien  in  Nord- 
amerika: 1)  Nen>-Hampshire  ;  2)  Massachusels  mit  Main;  3)  Rhode-Island ;  4)  Connecticul ; 
5)  NeiV-York ;  6)  New-Jcrsej;  7)  Pcnsylfoiiien  ;  8)  Delaware;  9)  Marjland ;  10)  Firginicn  ; 
11)  Nordcarolina ;  i2)  Südcarolina  und  i3)  Georgien.  Diese  Besitzungen  aber  hajten  ihrem 
Mutterlande  mehr  gekostet  als  eingebracht,  und  dennoch  war,  durch  den  (i755)  ihrer 
Gränzen  wegen  entstandenen  Krieg,  die  englische  Nationalschuld  beträchtlich  gestiegen. 
Grossbritannien  forderte  daher  die  Nordamerikaner  auf,  ihm  die  Kosten  durch  einen  Bey- 
trag  zu  vergüten.  Hierüber  brach  in,  den  Colonien  ein  allgemeines  Missvergniigen  aus ,  und 
man  weigerte  sich  durchaus  in  irgend  eine  Auflage  zu  willigen,  die  nicht  von  der  Nation 
selbst  gebilligt  sey.  Ein  völliger  Aufstand  gegen  das  Mutterland  erfolgte  1773,  und  nach  ei- 
nem zehnjährigen  Kampfe  sah  sich  Grossbritannien  in  dem  Pariser  Frieden  von  1783  ge- 
zwungen, in  die  Unabhängigkeit  der  i3  verbündeten  Staaten  von  Nordamerika  zu  willigen. 
Diese  Revolution  gehört  zu  den  wichtigsten  Begebenheiten,  welche  in  die  Uni\  ersalhistoric 
■ßuropa's  eingreifen.  Sie  entzündete  zuvörderst  einen  blutigen  Krieg  zwischen  Frankreich 
und  England,  in  welchen  auch  Spanien  und  Holland  verwickelt  wurden;  aber  ^orzüglich 
verdienet  sie  als  der  Anfang  der  Revolutionen  betrachtet  zu  werden  ,  die  seitdem  in  mehre- 
ren Staaten  unsers  Erdtheils  vorgegangen  sind.  -  In  den  Bund  der  besagten  dreyzehn  ver- 
einigten nordamerikanischen  Staaten  wurden  in  der  Folge  noch  11  andere  Provinzen  aufge- 
nommen, als:  1^)  J'ernaont  ;  i5)  Kenluckj- j  16)  Tenessee  ;  \'j)Chio;  iS)  Louisiana  ;  ic))  Mis- 
sisippi :  2o)  Illinois;  2i)  Indiana;  22)  Maine;  23)  Alabama;  24)  Missurij  so,  dass  die  i3 
vereinigten  Staaten  von  1783  jetzt  schon  auf  24  angewachsen  sind,  die  sämmtlich  durch 
ihre  repräsentative  Verfassung  an  der  allgemeinen  Regierung  Antheil  nehmen.  Ausserdem  ge- 
hören zu  diesem  Staatenvereine  noch  andere  Gebiete,  die  aber,  noch  ohne  repräseniative 
Verfassung  ,  ganz  von  der  Central-Regierung  abhänge«  ,  als  :  Misckigan,  Columbia  ,  das  west- 
liche Missari )  Arkansas ,  Nordwest- 3'ern'/o/^  und  die  beyden  Florida's.  —  Durch  die  grosse 
Ausdehnung  seines  Gebiets  von  ungefähr  g3,ooo  QM.  ,  durch  seine  rasch  zunehmende  Be- 
völkerung (1783  nur  2,383, 3oo  Seelen  ,  jetzt  schon  über  10  Milk),  durch  sein  rastloses  Em- 
porstreben in  der  Industrie  und  seinen  über  alle  Erdtheile  verbreiteten  Handel  ,  wird  dieser 
Staatenverein  mit  der  Zeit  einen  bedeutenden  Einfluss  auf  die  Schicksale  Europa's  erhallen. 
England  sieht  in  demselben  immer  mehr  einen  mächtigen  und  furchtbaren  Nebenbuhler. 

tA  Geschichte  der  Insel  Hajli  oder  St.  Domingo,  besonders  des  auf  derselben  errichteten  Ne- 
gerreichs. Hamburg ,  1806.  Vergl.  H.  A.  L.  Z.  Nr.  68.'  S.  556  iT. 

O  b  e  r  f  1  ii  c  h  1 1 1.  Ii  e    B  e  s  c  h  a  f  f  i;  n  li  e  i  l. 

§•11- 
Gebirge. 

Die  Oberjläche  misers  EidlLeils  ist  sehr  ungleich,  inelir  oder  weniger  diirc]i  he- 
deulende  Unebenheiten  unterhrochen,  so  dass  die  Gebirge  etwa  den  zehnten  Theil 
des  Landes  einnehmen,  und  demselben  mannigfachen  Nutzen  gcwiihren.  Sie  ziehen  die 
Wasscrdiinste  an  sich,  und  werden  so  die  wichtigsten  Vonathsörtcr  zur  Untcrhahung 
der  strüIuendenGe^^ässer,  eine  nothwendigeBedingimg  der  Fruchtbarkeil  des  Landes, 
und  indem  sie  den  Abhang  bis  zu  den  niedrigsten  Puncten  der  Erdflache  veranlassen  , 
welcher  zur  Bewegung  der  Gcwüsser  nölhig  ist,  verbreiten  diese,  in  enge  Betten  eiu- 
gescldossen,  Fruchtbarkeit  idjer  den  ganzen  Erdstrich,  den  sie  in  ihrem  Laufe  be- 
rühren. Ausserdem  bilden  die  Gebirge  natürhche  Gränzen  imd  Schulzwehren  der 
Länder  gegen  feindhche  Angriffe,  vcrviellähigen  das  Klima  und  inin^cn  ciie  rcil/.eiul- 


1.  Land  der  europ.  Staaten    ^.   ii.   Gibirge.  33 

ste   Mamiigfalüi^keit  in  die  Naüir.  Ein  Sliiiulpnnci  auf  ihren  Iluhen  gcwiiliii  uns  ciuc 
erweiterte  uncl  anyenelime  Anssiclil  älter  die  Fluren  und  Gewässer  der  Erde.  Ihr  Rü- 
cken ist  gewöhnlich  mit  Waldungen  und  heilsamen  Krautern  besetzt,  und  im  Innern, 
oft  nahe  an  der  äussern  Fläche,  lindet  man  vieleiley  Schätze  von  ^liueralien.  Endlich 
sind  die  Gebirge  für  das   feste  Land  gleichsam  das  Gerippe,  welches  den  Körper  zu- 
sammen hält  und  gegen  die  Flulhen  des  Meeres  am  kräftigsten  schützt.  Eben  desshalb 
müssen  sie  gleichsam  ineinander  greifen  und  mit  einander  in  Verbindung  stehen.  Diese 
Verbindung  ist  zwar  nicht  innncr  auf  der  Oberfläche  der  Erde  sichtbar  5  desto  deutli- 
cher aber  zeigt  die  Erfahrung,  dass  mehrere  Gebirgsketten  von  einem  gemeinschaftli- 
chen Hauplgliedc,  Avie  Strahlen  aus  einem  gemeinschaftlichen  Mitielpuncte,  ausgehen, 
wo  die  höchsten   Spitzen  liegen.   Man  findet  dieses   Glied,   wenn  man  den  Lauf  der 
Flüsse  aus  verschiedenen   Wellgcgenden   bis  zu  ihren  nahe  bey  einander  liegenden 
Quellen  verfolget.  In  Europa  sind  es  die  Alpen  aj  ^  die  Helvetien  von  Italien  trennen, 
besonders  die  Gegend  um  den  St.  Gotthavd  ^  zwischen  den  Quellen  des  Rheins ^  der 
j4av  j  des  Rhones ^  des  Tessins  und   des  Inns.  Mit  diesem  Gcbirgsstocke  hängen  die 
Pyrenäen  bj  und  die  KarpatheJi  cj  durch  Bergreihen  zusammen,  und  strecken  meh- 
rere  Zweige  ans ,   die   erst  im  OsLeit  an  den  IMündungcn  der  Donau ,  im  ^Vesteri  am 
Cap  Finisterre,  im  Süden  am  Faro  von  Messina  und  im  Norden    an   der   Strasse   von 
Calais  endigen.  —  Ein  anderer  solcher  Gebiigsstock  scheint  in  der  Gegend  von  Mos- 
kau zwischen  den  Quellen   der  TVolga^  des  Dons  ^  des  Dnepers  ^  und   der  Dana  zn 
liegen,  ist  jedoch  mehr  eine  sein-  hoch  gelegene  Fläche,  als  ein  eigentliches  Gebirge, 
erhebt  sich  aber  weiter  nordwärts  zu  einem  beträchtlichen  Ge])irge ,   welches  unter 
dem  Nahmen  Kölen  oder  Klölen   clj ,  auch   Sewegebirge  j  in  der  Gestalt  eines  Huf- 
eisens die  Gränze  zwischen  Schweden  tmd  Norwegen  macht,  imd  schüesst  sich  dtucli 
andere  Erdriicken    ostwärts    an    das    asiatische  Giänzgebirge  ,  den    Ural j  südwärts  an 
den  Kaukasus,  und  westwärts  an  die  Ärtr/^r/^Ae//.  Alle  übrigen  Gebirge  inisers  Erd- 
theils  können  mit  den  Alpen ^  Pyrenäen  und  KarpaÜien^  so  wie  mit  dem  Gebirge 
Holen j  weder  in  Ansehung  ihrer  Ausdehnung,  noch  in  Hinsicht  auf  ihre  Hölie  ver- 
glichen  werden,    obgleich   das   Gebirge,    welches  Schottland  mid  England   von    N. 
nacli  S.  durchzieht,  ein  beträchtlicher  Bergrücken  ist. 
a)  Das  ausgedehnteste  und  höchste  aller  europäischen  Gebirge.    Es  erstreckt   sich  vom  23.  bis 
35.°  östlicher  Länge ,    und  liegt  zwischen   dem  44-  und   48-°   nördlicher  Breite  ;    ist   in  SW. 
von  dem  Rhone  im  südlichen  Frankreich;    in  ISO.  ^on   der  Donau   in    Ungern;    in    S.  und 
SO.  von  dem  mittelländischen  Meere,  dem  Po,   dem   adriatischen  Meere,   der   Kulpa   und 
Sau;  in  "N.  und  NW.  von  d.^r  Donau  in  Deutschland,  dem  Rheine  an  der  nöniüchcn  Grän- 
ze der  Schsveiz  und  dem  Doubs   im   Jura   begränzt.    Diesem    zufolge   durchläult  dieses   Ge- 
birge in  Frankreich ,  tich'eliea j  Itiilicii,   Deutschland ,   Lroalien    und    Slawonien  11  — 12  Län- 
gen- und  2 — 4  Breitengrade,    und   nimmt   einen   Fläclicnraum   von   5 — 7000  QM.  ein,   die 
von  mehr  als  6 — 7  MiU.  Menschen    bewulmt  werden.    Die   Römer    Avurdcn    nach    und  nacli 
mit  den  verschiedenen  Theilen  der  Alpen  auf  iin'en  Heereszügen  bekannt,  und  gaben  ihnen 
verschiedene  Nahmen  :  a)  die  Mecralpea   (Alpes  maritimae)    erstrecken    sich   von    der   Küste 
des  mittelländischen  Meeres ,  zwischen   Oneglia   und    Toulon ,   über   den   Col    ardcnte    und 
dl  Tende  bis  zum  Monte  Viso  ,  und  scheiden  Piemonl  \on    der  Provence   und    dem    Meere, 
b)  Die  coltischeiL  Alpen  (Alpes  Colliae)  dehnen  sich  vom   Monte  Viso   über   den    Mont  Ge- 


j  J.   l,,i.id  ucr  etivt.p.   Stn^ileii    §.    ii.   Gebirge. 

nevrc  bis  zum  Moni  Cenis  ,  und  trennen  Piemont  von  Dauphine.  c)  Die  grauen  Alpen  (Al- 
pes Grajae)  ziehen  sich  vom  IVfont  Cenis  über  den  Isarn  und  kleinen  Bernhard  bis  an  den 
Col  de  bon  honimc  ,  und  scheiden  Piemont  von  Sacoyen.  d)  Die  pcnninischen.  Alpen  (Alpes 
Penninae  oder  Sunimae)  erstrecken  sich  \  om  Col  de  bon  homme  über  den  Montblanc ,  den 
grossen  Bernhard  -  den  Combin  bis  zum  Mont  Rosa ,  und  trennen  Piemont  von  Sapoyen 
und  Unler-lVallis.  e)  Die  Schweizeralpen  (Alpes  Lepontiae ,  auch  Adulae)  ziehen  sich  vom 
Mont  Rosa  auf  beyden  Seilen  des  Wallis-Thaies  über  das  Gotthardsgebirgc  bis  zum  Mo- 
schclhorn  und  Bernhardino  in  Graubündten ,  und  bilden  die  natürliche  Gränze  zwischen 
der  Loinbardie  und  der  Schweiz,  f)  Die  rhütischen  Alpen  (Alpes  rhaelirac)  verbreiten  sich 
vom  Bernhardino  durch  Graubündten  und  Tyrol  bis  zum  Dreyherren-Sj)ilz ,  auf  der  Gränze 
von  Salzburg  und  Rärnthen ,  und  südlicher  bis  zum  Monte  Pelegrino ,  und  trennen  die 
Lombardie  und  einen  grossen  Theil  der  vtneliunischcn  Terra  firma  von  Deulschland.  g)  Die 
norischen  yllpen  {A\pes  noricae)  erstrecken  sich  vom  Dreyhcrren-Spitz  durch  ganz  Kärnlhen, 
Salzburg,  Österreich  und  Siejermark  bis  in  die  Odenburger  Ebene  Ungerns.  h)  Die  karni- 
srhen  Alpen  (Alpes  Carniae)  reichen  vom  Pelegrino  zwischen  der  Sau  und  Drau  bis  zum  Ter- 
glou  ,  am  Ursprünge  der  Sau.  i)  Die  jalischen  Alpen  (Alpes  Juliae)  gehen  \  om  Terglou  ,  zwi- 
schen dem  rechten  Ufer  der  Sau ,  der  Rulpa  und  dem  adriatischen  Meere  ,  bis  zum  Felsen 
Kiek  bey  Zengh  ,  scheiden  F/'/auZ  und  Islrien  ,  und  überhaupt  s,anz  Oberilalien  \on  Kärnlhen, 
Krain,  Croatien  und  Slawonien,  k)  Die  dinarischen  Alpen  erstrecken  sich  vom  Rlek  bis  nach 
Sophia ,  längs  den  rechten  Ufern  der  Sau  und  der  Donau  ,  und  gehen  über  in  das  türkische 
Gebirge,  den  Hämus  (oder  Balkan,  auch  sardisches  Gebirge  genannt),  welcher  sich  in  den 
Vorgebirgen  Emineh  Burnu  am  schwarzen  Meere,  undRaraßurnu  am  Bosphorus  endiget. — 
Von  den  Meeralpen  läuft ,  zwischen  Tenda  und  Coni ,  jene  lange  Gebirgskette  aus ,  welche 
unter  dem  Nahmen  der  Apenninen,  in  paralleler  Richtung  mit  ihnen  ,  nach  ONO.  vier  Län- 
gengrade durchläuft,  bey  Modena  sich  plötzlich  krümmt,  und  dann  nach  SO.  mitten  durch 
Italien  bis  zum  Faro  von  Messina  zieht.  —  Von  den  grauen  Alpen  steigt  nordwestwärts  ein 
Bergzug  auf,  welcher  unter  dem  Nahmen  des  Juia  im  Westen  der  Schweiz  zieht,  und  die 
Gränze  zwischen  Frankreich  und  der  Schweiz  macht.  Als  eine  Fortsetzung  dieses  Gebirges 
kann  man  ansehen  die  J'ogesen  (den  Wasgau  ,  Vosgcs)  ,  die  sich  zwischen  dem  Elsass  und 
Lothringen  hinziehen,  und  die  Ardennen  im  nördlichen  Frankreich,  Luxemburg  und  Lüt- 
tich. —  Mit  den  Schweizeralpen  stehen  in  nordwestlicher  Richtung  die  Arlberge  mit  dem 
Bregenzerwalde  bis  zum  Bodensee  in  Verbindung,  welche  sich  nördlich  und  nordöstlich  in 
Schwaben  an  die  rauhe  Alp  und  nordivesllich  an  den  Schu^arzwald  anschliessen. 
6)  Die  mächtigste  Gebirgskette  im  westlichen  Europa,  durch  welche  Spanien  und  Portugal  in 
Norden,  theils  unmittelbar,  theils  mittelbar,  in  einer  ununterbrochenen  Länge  begränzt 
werden;  daher  denn  bevde  Reiche  mit  dem  schicklichen  Nahmen  der  Pyrenäen- Halbinsel 
benannt  werden.  Dieses  zweyte  Ilauptgebirge  Europa's  scheidet  Frankreich  von  Spanien  in 
einer  Linie  \  on  etwa  i2o  Stunden  Weges,  in  welcher  Ausdehnung  etwa  5  fahrbare  Wege 
(Pässe,  Ports,  unter  denen  der  Pass  von  ßaj'onne  nach  Sl.  Jean  de  Liiz  über  das  Gräiiz- 
flüsschen  Bidassoa  (Bidassao)  nach  Vitloria  der  bequemste  ist)  ans  Frankreich  nach  Spanien 
führen.  Es  verbreitet  seine  Zweige  ,  worunter  die  Sierra  Neijada  selbst  das  Muttergobirge 
an  Höhe  übertrifft ,  und  die  von  Olapides  angebaute  Sierra  Morena  die  berühmteste  ist ,  in 
Fächerform  über  die  ganze  pyrenäische  Halbinsel.  {Sierra  im  Spanischen  und  Serra  im 
Portugiesischen  hcisst  eine  Gebirgsreihe ,  von  dem  Worte  Sierra ,  eine  Säge ,  weil  sie  so 
gezackt  sind.)  —  In  Frankreich  erhebt  sich  ein  Seitenast  der  Pyrenäen,  unter  dem  Nahmen 
des  Lor.<!;-e-Gebirges  nördlich  ^  on  Montpellier  ,  imd  thollt  sicli  nördlich  fortgehend  bey  den 
Quellen  der  Loire  in  zwey  Zweige:  der  nordwestliche  ist  bekannt  unter  dem  Nahmen  des 
rauhen  und  steinigen  Gebirges  von  Auvergne  ,  welches  zwischen  der  Loire  und  derGaronne 
bis  zur  See  fortsetzt;  der  nordöstliche  streicht  unter  dem  Nahmen  der  Sct>ennen  (Cevennes) 


1.  Land  der  europ.  SUatea.  §.   i2,  Hölieuleiler  der  erhabcnsteu  Puucle.  35 

zwischen  der  Loire  und  dem  Rhone  nordwärts,  erhält,  in  der  Gegend  von  Dijon  den  Nah- 
men Coic  (Cor  (Goldhiigel)  ,  und  zielit  sich  von  hier  theils  östlich  zu  den  Fogesen ,  theils 
nördlich  zu  den  Ardennen  (s.  oben  Note  d)  ,  theils  nordöstlich  zwischen  der  Loire  und  dci' 
Seine  bis  in's  Departement  Finisterrc  bey  Brest. 

e)  Das  dritte  grosse  Gebirge  in  Europa.  Es  umfasst  die  nördliche  Hälfte  Ungerns,  umschliesst 
von  allen  Seilen  Siebenbürgen  wie  mit  einem  ungeheuren  Walle,  durch  welchen  14  l'ässe 
führen,  verbreitet  seine  Aste  auch  durch  einen  grossen  Thell  des  südlichen  Ungerns,  der 
osmanischen  Pro\  inzen  ,  Galiziens,  Schlesiens  und  Mährens,  und  bildet  zugleich  natürli- 
che Gränzen  dieser  Länder  gegen  einander.  —  An  die  Ivarpathen  lehnt  sich  an  der  Gränze 
von  Ungern  und  Mähren  das  hercyiiische  Gebirge  an  ,  eine  grosse  Gebirgskette  ,  deren  nörd- 
liche Fortsetzung  den  Nahmen  der  iS(/f/e(f7ij  dann  des  Vuesengehir^es  und  des  hergebirges 
erhalten  hat,  welche  Böhmen  von  Schlesien  und  der  Lausitz  trennen.  —  Eine  andere  Ge- 
birgskette, die  bey  den  Salzburger  Alpen  anfängt,  zieht  sich  unter  dem  Nahmen  des  Böh- 
merwaUles  zwischen  Baiern  und  Österreich,  dann  z^vischen  Baiern  und  Böhmen,  und 
streckt  einen  östlichen  Zwei^  unter  dem  Nahmen  des  M anhart sberges  zwischen  Böhmen  und 
Osterreich  vor.  An  den  nördlichen  Theil  des  Böhmerwaldes  reiht  sich  ein  Gebirgszweig 
an,  der  sich  östlich  unter  dem  Nahmen  des  Erzgebirges ^  westlich  mit  dem  Nahmen  des 
Fichlelgobirges  fast  in  der  Mitte  von  Deutschland  hinzieht.  Dieses  scheidet  Baiern  von  den 
sächsischen  Staaten ,  jenes  Böhmen  von  Sachsen ,  und  hängt  durch  einen  Zweig  sanfter 
Mittelgebirge,  welche  das  höhm'ische  Milielgebirge  genannt  werden,  mit  dem  hergebirge , 
von  welchem  sich  in  Nordwest  nn^hrere  Zsveige  durch  die  Oberlausitz  ausbreiten ,  zusam- 
men. —  Nordwestlich  steht  das  Fichtelgebirge  mit  dem  Thüringeru-'ulde ,  ^velcher  durch  die 
sächsischen  Herzogthümer  streicht ,  und  nördlich  mit  den  Vorbergen  des  Harzes  in  Ver- 
bindung. Dieses  nördlichste  der  deutschen  Gebirge  sendet  einen  kleineren  und  niedrigeren 
Theil  (den  Unlerhar:)  nach  Osten  (bis  in's  Mansfeldische) ,  einen  grösseren  und  höheren 
aber  (den  Oberha'-:)  westlich  bis  an  und  über  die  Weser,  welcher  Theil  das  Pf^esergebirge 
heisst,  und  bey  Minden  die  sogenannte  westphäUsche  Pforte  bildet.  Von  diesem  Gebirge 
laufen  westlich  das  sauerländlsche  Gebirge  und  der  kf^estenvald ,  welche  mit  dem  Siebenge- 
birge am  Niederrhein  endigen.  —  Südwestlich  vom  Thüringerwalde  erstreckt  sich  das  Rhön- 
gebirge ,  welches  Baiern  von  den  hessischen  Landen  scheidet,  und  der  Taunus,  welcher 
sich  bis  an  deri  Rhein  zieht.  Noch  weiter  gegen  Süden  läuft  eine  Fortsetzung  davon  in  nie- 
drigem Gebirgen  unter  dem  Nahmen  des  Spessarls  zwischen  AschafTenhurg  und  Würzburg, 
dann  des  Odenwaldes  in  Baden,  wo  die  höchste  Spitze,  der  Kö nigs stuhl ,  sich  schon  an 
den  Schwarzwald  (s.  oben  Note  a)  anlehnt.  Jenseils  des  Rheins  ist  der  isolirte  Donnersberg 
und  der  Hundsrü'k ,  welche  sich  an  die  Fogesen  lagern,  deren  Fortsetzung  in  westliclier 
Richtung  unter  dem  Nahmen  der  Ardennen  bekannt  ist,  an  deren  nördlichem  Abhänge  der 
westlichste  Theil  der  deutschen  Bundesstaaten  sich  lehnt. 

rf)  Es  ist  das  vierte  und  letzte  Hauptgebirge  Europa's ,  und  kann  mit  Ri'cht  den  Nahmen  der 
skandinacischen  oder  nordischen  Alpen  führen.  Es  theilt  sich  bey  Röraas  in  Norwegen  in 
zwey  Hauptarme.  Der  östliche  Theil  verfolget  die  schwedische  Gränze  südlich  herab  bis 
etwa  zum  61.  Grade,  und  läuft  dann  südöstlich  nach  Schweden  hinein.  Der  westliche  Theil 
heisst  in  der  Strecke  von  Röraas  bis  Romsdal  und  Guldbramsdal  Dofreßeld;  von  da  bis 
Lindenäs ,  der  südlichen  Landspitze  Norwegens  ,  Langfield, 

§•    12. 
Höhenleiter    der    erJiabensten    Puncte. 

Die  höchsten  bekannten  Gebiryc   der  Erde  sind,  nach  der  bislicrii^en  Meinnng , 
die  Cordilleren  de  los  Jndes  ia  Auierü^a;  wo  der  höchste  Berg  auf  unserm  Erdbo- 

5* 


55  I.  Laud  der  europ.   SUaten.  §.   i2.  Höhcnleiter  der  erhabensten  Puüctc. 

den,  der  Tschimhorasso  (Chiinborasso) ,  nach  v.  Humboldt _,  35/iO  Toisen  rtj  ^  oder 

20,040  Fuss  hoch  über  dem  Meere  ist.  Aber  nach  neueren  Berichten  von  briilischen 

Reisenden  aus  Thibet ,  der  asiatischen  Schweiz,  wird  diese  Höhe  übertroffen  von 
dem  weissen  Berge,  dem  höchsten  Gipfel  der  Bergkette  Himalaja  (Himmelberg, 
Imaus)  m  Mittel-Asien,  der  27,000  Fuss  hoch  über  dem  Meere  seyn  soll. 

Die  merkwürdigsten  Gebiigskuppen  in  Europa  sind:  Fuss  über  dem  Meere. 

Der  Montblanc  oder  Mont  Maudit  bj  in  Savoyen 14,556 

Die  Ortelesspitze  in  Tyrol 14,406 

nach  andern  .     .     .     ' 14,004 

Der  MoiU  Rosa  in  Piemont 1 4,388 

nach  andern 1 3,428 

Das  Finsteravhorn  in  der  Schweiz l3,234 

Der  Furka  oder  Gabelberg  in  der  Schweiz 1 3,1 71 

Die  Jnngfrau  in  der  Schweiz 12,872 

Der  iiönc7t  in  der  Schweiz 12,66o 

Das  iScÄrec/i/jor«  in  der  Schweiz 12,562 

Der  Grossglockner  an  der  dreyfachcn  Gräuzc  von  Tyrol,  Käinihen 

und  Salzburg 11^988 

Das  TFetterhorn  in  der  Schweiz       • 11,743 

Der  I>o(7t  in  der  Schweiz ll,o37 

Das  Hochhorn  in  Salzburg 10,63o 

Der  ^ic'^/i^i  (Monte  Gibello)  auf  Sicilien io,63o 

nach  andern 10,282 

Der  Montperdil ^  PyrenäcnspiLzc  in  Spanien 10,578 

Der  i>/rt/«<^e«rtj  Pyrenäenspilze  in  Spanien lo,5oo 

Der  grosse  St.  Bernhard  in  der  Schweiz  cj lo,38o 

Der  Fignemale ^  Pyrenäenspilze  in  Spanien lo,332 

Der  Simplon  in  der  ScFiwciz lo,327 

nach  KiuLz 6,2oo 

Der  Felan  in  der  Schweiz lo,3oo 

Der  Marbore'j  Pyrenäenspitzc  in  Spanien 10,200 

Der  PJc /o«g-j  Pyrenäenspitze  in  Spanien 10,008 

Der  St.  Gotthard  in  der  Schweiz 10,000 

nach  andern 9'9Ö4 

Der  Terglou  in  Krain 9'744 

nach  andern 10,194 

Der  Grimsel  in  der  Schweiz 9;2o4 

Der  Watzmann  in  Salz!)urg 9,i5o 

Der  Kogel  in  Salzljiug g,l00 

Der  i?of07U^  auf  Corsika 9'000 

Der  Monte  Legnone  in  der  Loniljaidie 8,436 

Der  Dachstein  oder  Hallsiädter-ScJineeberg  in  Östcrr.  ob  der  Enns  8,400 

uacli  andern 9,o36 

Der  r<»n>'o;i^  Pyrenäenspilze  in  Frankreich 8,600 


I    Land  der  europ.  Staaten.  §.   12.  Höhcnlciter  der  erhabensten  Punctc.  37 

Fuss   iil)cr  dorn   Meere. 

Die  Lomnitzerspitze  in  der  Zips  in  Ungern 8,400 

Dev  Gran  Sasso  in  Neapel 8/253 

nach  andern 8,000 

Der  Ä^fwa«  in  der  LipLaucrgcspannscliaft  in  Ungern 8,100 

nach  andern 7^818 

Der  Monte  Vellino  in  Neapel 7,800 

Der  Schneehättan  in  Norwegen       .     .     .     .     • 7,628 

Der  Budislav  in  Siebenbürgen 7,428 

nach  Kunz g,ooo 

nach  noch  andern 6,888 

Der  Sund  in  Siebenbürgen 7)078 

nach  Kunz .  8,600 

Der  Grimming  in  Sleyermark 7,200 

Die  Stangalpe  in  Sleyermark '^A^o 

Der  Moni  ventoux  bey  Avignon  in  Frankreich 6,800 

Der  Schneeherg  in  Ösierreich  miter  der  Enns 6,444 

Der  Mont  d'ov  in  Frankreich 6,288 

Der  Oljmp  in  Thessalien 6,000 

Der  Athos  in  Macedonien 6,000 

Dar  Sjltopp  in  Schweden ^      .  6,000 

Der  Oetscher  in  Österreich  unter  der  Enns 5,g4o 

Der  CrtH^rt/hi  Franki-eich ^     .  5,go4 

nach  andern 5,700 

Der  Mont  Cenis  in  Italien 5,8oo 

Der  TVechsel  in  Sleyermark 5,074 

nach  andern .  5,3io 

Der  TFellebit  in  Croatien 5,4oo 

Die  höchsten  Gipfel  des  Juragebirges :  der  Reculet 5,286 

der  Dole     . 5,2o8 

<ler  3/o7it  Tendre     ....  5,202 

Der  Puj  de  Dome  auf  den  Sevennen 4^5oo 

nach  andern 4.'902 

Die    Schnee-   oder  Riesenkuppe  ,   der  höchste   Gipfel    des  Riesen- 
gebirges dj .  4'884 

Der  grulichev  oder  spiglitzev  Sclineeherg  bev  Glaiz       .     ,     .     ^     .  4j38o 
Der  Ben-Ewischj   die   höchste   Spitze   der  Gvamp'uins  im  schotti- 
schen Hochlande • 4'370 

Der  Ballon  auf  den  \  ogesen 4>3oo 

Der  He kla  auf  Island 453oo 

Der  Ingleborough  in  Cumlierland •  3,goo 

Der  Fesuv  in  Neapel 3,700 

Der  Brocken  auf  dem  Harz 3,486 

Der  Suuwdon  im  Fiirstenlhume  Wales     . 3,4oo 


5g  I.  Land  der  euiop.  Staaten.  §.  x3.  Gletscher,  Lawiuen  und  Bergstürie. 

Von  diesen  Bergen  sind  nur  drey :  der  Aetna  ^  der  Vesuv  und  der  lieht n  ^  Vul- 
cane.  Ausserdem  werfen  noch  neun  Jockeln  auf  Island  und  zwey  Berge  auf  den  li- 
parisclicn  Inseln,  Stromboli  und  Volcano j,  Feuer  aus  e).  Sicilien  hat  auch  einen 
Schlanun  auswerfenden  Berg  {Volcan  de  baue),  Mikulluba.  Einen  ähnlichen  halP<//- 
las  in  der  Kriinm  entdeckt.  Berge,  welche  zündhares  Gas  und  Wasser  zugleich  aus- 
werfen, befinden  sich  zu  Boselj  in  England/^. 

a)  S.  Jen.  A.  L.  Z.  Nr.  89.  1809.  S.  100. 

b)  Das  von  den  Moiitagnes  Maudits  eingeschlossene  Thal  ChamoUTvy  in  der  savoy'schen  Ba- 
ronie  Faiicigny ,  liegt  3i44  Fuss  über  der  Meeresflache.  S.  Anton  Fr.  Bäschings  Vorberei- 
tung etc.  6.  Aufl.  ,  herausgegeben  von  G.   P.   H.   Norrmann.  Keutlingen  ,    1804.   S.  gg. 

r)  Auf  der  Höhe  von  8400  Fuss  legte  der  heilige  Bernhard  du  Meuthon  im  J.  968  ein  Hospi- 
zenkloster an  (die  höchste  menschliche  Wohnung  in  Europa) ,  in  welchem  zwölf  Augusti- 
nermönche die  Reisenden  aufnehmen.  (S.  A.  Fr.  W.  Croines  allgemeine  Übersicht  der 
Staalskräfte  von  den  sämmtlichen  europäischen  Reichen  und  Ländern  11.  s.  vv.  Leipzig , 
1818.  S.  618.)  Diese  Rlostergeistlichen  richten  Huride  (dänische  Doggen)  dazu  ab,  die  un- 
ter dem  Schnee  verunglückten  Wanderer  aufzusuchen.  S.  Jon.  A.  L.  Z.  1810.  Nr.  258.  S.  262. 

A)  Die  Bewohner  des  Riesengebirges  trifft  man  in  ihren  Bauden  (hölzernen  Häusern)  noch 
716  Klafter  hoch  über  der  Meeresfläche  an;  also  kaum  um  die  Hälfte  niedriger,  als  die 
Augustinermönche  auf  dem  grossen  St.  Bernhard  wohnen. 

c)  Hr.  C.  N.  Ordinaire  gibt  in  seinem  Werke:  Histoire  naturelle  des  Volcans  ,  comprenant 
Ics  volcans  soumarins,  ceux  de  boue  et  autres  phenomenes  analogues.  Paris,  1802.  8. 
(Vergl.  Götting.  gel.  Anz.  St.  60.  i8o3.  S.  697 — 600)  die  Zahl  der  in  allen  fünf  Erdlhei- 
len  existirenden  Vulcane  auf  2ö5  an ,  an  welcher  Gesammtsumme  Amerika  den  grössten 
Antheil  hat.  Nach  andern  beträgt  die  Zahl  derselben  400. 

./')  S.  Götting.  gel.  Anz.  i8o3.  St.  60.  S.  Goo. 

§•  i3. 

Gletscher,    Lawinen    und    Bergstürze. 

Zwischen  den  höchsten  Spitzen  der  Berge  liegen  geräumige  Thäler ,  wo  sich  das 
von  der  Sonne  geschmolzene  Wasser  sammelt,  dann  wieder  gefriert  imd  inigeheure 
Eisfelder  bildet.  Aus  diesen  dringt  durch  die  Öffnungen  der  Felsen  das  gesclimolzene 
Wasser  in  tiefere  Gegenden,  gefriert  allmählich  an  den  Abhängen  und  bildet  dann 
nach  und  nach  schaudervolle  Eisberge  unter  den  seltsamsten  Gestalten,  welche  man 
Gletscher  j,  Ferner  oder  Firnen  j,  Knrste  ^  auf  der  Insel  Island  Jockeln  nennet.  Die 
Zahl  aller  Gletscher  in  der  ganzen  Ausdehnung  des  Alpengelürges  steigt ,  Herrn  Ebel 
zufolge,  ungefähr  auf  5oo — 600,  die  mit  allen  Sclmeefeldern  ein  Eismeer  von  100 
QM.  bilden,  welches  den  drey  Strömen  unsers  Erdtheils,  dem  Rheine  dem  Po j,  dem 
'?/«o«ej  und  mehreren  der  Donau  zuströmenden  Alpcnflüssen,  und  tausend  andern 
Flüssen  und  Bächen  das  Daseyn  gibt. 

Nicht  minder  statistisch  merkwürdig  sind  die  Lawinen.  Der  Schnee  setzt  sich, 
von  "^Vinden  zusammengejagt,  oft  an  den  höchsten  Bergspitzen  in  erstaunlichen  Mas- 
sen an ,  stürzt  dann  oft  durch  eine  kleine  Bewegung  der  Luft  abwärts ,  vergrössert 
sich  im  Fallen  und  reisst  Bäume,  Häuser,  Lastwagen  und  Heerden  mit  sich  in  die 
Abgründe  unter  entsetzlichem  Getöse.  Der  Lawinen  wegen  sind  daher  in  den  Alpen- 
ländern die  Landslrassen  über  einzelne  hohe  Berge  im  Winter,   besonders   aber  im 


1.   Land  d(T  europ.   Staaten.  §.   14.   Abiiafchulig.  3^ 

Frühjahre,  sehr  gefahrhch,  und  müssen  mit  aller  Vorsicht,  die  dahin  zweckt,  alles, 
was  die  Luft  auch  nur  in  kleine  Bewegung  actzt,  zu  vermeiden,  bereiset  werden. 

Eine  andere  schreckliche  Landplage  für  die  Alpenhewohner  sind  die  verheeren- 
den Bevi^stüi'ze  aj ,  die  am  meisten  und  schrecklichsten  in  den  nässern  Tagen  des 
Herbstes  und  im  Frühjahre,   wenn  die  Sonne   den  Winterschnee  schnülzt  und  die 
Flüsse  anschwellt,    eintreten.  Ansainmlvmg   und  Andrang  des  Wassers,  welches  den 
Berg  in  seinem  Iimern  zum  Theil  zeistört ,  und  wegen  Mangel   an  Abfluss ,  sprengt, 
ist,  Hrn.  Ileinse  zufolge,  die  Hauptursache  der  Bergfalle.    Zur  Abwendung   einer  so 
drohenden  Gefahr  schlagt  er  vor :  durch  Stollen,  wie  in  den  Bergwerken,  die   Berg- 
wasser zu  gewältigen.  Vielleicht,  sagt  er,  hat  man   in  der  Schweiz  nur  darum  nicht 
an  die  Möglichkeit  gedacht,  weil  der  Bergbau  daselbst  überhaupt   wenig  bekannt  ist. 
d)  Unter  andern  stürzte  am  2.  Sept.   1806  von  dem,  57Cfo  Fuss  hohen  Berge    fi/'g-j  im   Canlon 
Schwyz  ein  Theil  auf  Goldau  herab.  484  Erwachsene  und  128  Rinder  fanden  dabey  ihr  Grab, 
und  270  Stück  Vidi  gingen   verloren.    2  Kirchen,    4   Capelleh ,    io3   Häuser   sammt   allem 
Hausgeräthe  ,    2oo  Ställe ,  mit    Heu   und    Winterfutter   angefüllt ,    sind    versch\vunden  ;   alle 
Strassen  ,  Brücken  ,  Wehren  und  Damme  sind  zerstört.  Der  Vorlust  an  verschütteten  Grund- 
stücken  (7111  Jucharlen  oder  Morgen  Landes   zu  36,ooo  Quadratfuss)  ward  auf  900,82()  fl. 
geschätzt.  S.  Goldau  und  seine  Gegend,  wie  sie  war,  und  was  sie  geworden,  in  Zeichnun- 
gen und  Beschreibungen.  Zur  Unterstützung  der  übrig  gebliebenen  Leidenden  in  den  Druck 
herausgegeben  von  Carl  Zaj;  Med.  Dr.  Zürich,  1807.  8.  Vergl.  Götting.  gel.  Anz.  1810.   i22.  St. 

§.    14. 

A    b    d    a    c    h    u    n    g. 

Das  Land  erhöhet  sich  vom  Meere  an  nach  und  nach,  und  die  vom  Meere  ent- 
ferntesten Gegenden  haben  auch  gewöhnlich  die  höchste  Lage.  Diesem  Gesenke  des 
Landes,  das  man  seine  Abdachung  nennet,  folgen  die  Flüsse.  Folgendes  ist  die  Al)- 
dachmig  der  einzelnen  Länder  Europas : 

A.  Ilelvetien j  mit  Savojen  und  Tjrol j  mit  welchen  es  die  Natur  als  hohes 
Bergland   zusammenstellte ,    die  höchste  Gegend    Europa's    bildend ,    ist    abgedacht : 

a)  nördlich  durch  den  Rhein  zur  Nordsee;  b)  südlich  durch  den  Rhone  zum  mittel- 
ländischen, und  durch  den  Tessin  zum  adriatischcn  Meere;  c)  östlich  durch  den  Iiui 
zur  Donau ,  folglich  zum  schwarzen  Meere. 

■    B.  DeutscIiLand :  a)  nordwestlich  zur  jNordsee;  1))   nördlich  zur  Ostsee;   c)  öst- 
lich zur  Donau  nach  dem  sch^varzen  Meere  zu;  d)  südlich  zum  adriatischcn  Meere. 

C.  Italien:  a)  östlich  zum  adriatischcn  Meere;  b)  westlich  zum  mitteh'änd.  Meere. 

D.  Frankreich:  a)  grössten  Tlieils  zum  atlantischen  Ocean  und  zu  dem  Canalj 

b)  der  kleinere  nordöstliche  Theil  zur  Nordsee  ;  c)  in  SO.  zum  nüttcUänd.  Meere. 

E.  Die  pjrenäische  Halbinsel,  und  zwar  i)  Spanien:  a)  grössten  Thcils  zum  at- 
lantischen Ocean;  b)  nur  das  Ebrogebiet  nebst  den  Ost-  und  Südküstenjirovinzen  zum 
mittelländischen  Meere;  2)  Portugal:  zum  atlantischen  Ocean. 

F.  Das  brittiscJie  Ke'ich:  nach  allen  Seiten  zum  Meere,  oder  das  Land  verflacht 
sich  nach  den  Küsten  östlich  und  westlich ;  nur  im  Fürstenllumie  fVales  ist  das  Ter- 
rain zum  Ituicrn  hin  abgesenkt. 


4o  I-    Land  der  eui-np.   Stualen.  ij    i5-   Ebenen. 

G.  Die  Niederlande :  a)  der  nöidliclie  und  nordw östliche  Tlicil  dieses  Reicts 
Ijcisst  in  der  Erdbeschreiijung  vorzugsweise  die  iMederlande _,  d.  i.  das  niedrigste  aj, 
am  tiefsten  liegende  Land,  nicht  nur  in  Europa,  sondern  auf  dem  ganzen  Continenl. 
Als  ein  hohles  (daher  der  Nähme  Holland)  ,  grundloses  Land,  ein  Gemenge  von  Sand 
inid  Schlamm ,  vom  Meere  und  Rhein  allmählich  ausgeworfen ,  von  der  Natur  zum 
Aufenthalte  der  Amphibien  bestimmt,  ward  es  von  Menschen  zum  menschlichen  Auf- 
enthalte umgeschaffen ,  und  durch  den  hartnäckigsten,  ausdauerndsten  Fleiss  seiner 
Bewohner,  dem  Meere,  dem  es  eigentlich  gehörte,  entrissen.  So  wie  das  Land  berg- 
los -isl,  so  ist  es  beynahe  ohne  alle  iyjdachung.  Die  bemerklichste  Senkung  ist  süd- 
westlich, b)  Die  übrigen  Gegenden  der  NicdfTlande,  besonders  die  südlichsten,  wie 
Luxejnhurg j  Liittlchj,  Namur  luid  Hennegau j  sind  höher,  mit  Bergen  begabt  und 
zur  Nordsee  abgedacht. 

H.  Dänemark :  a)  östlich  zur  Ostsee  j  b)  westlich  zur  Nordsee. 

L  Schweden :  a)  grössleji  Theils  von  Westen  nach  Osten  zum  bothhischcn  Meer- 
busen; b)  nach  Si'iden  zur  Ostsee. 

K.  Norwegen:  a)  grössten  Theils  von  Osten  nach  Westen,  also  umgekehrt  wie 
bey  Schweden;  b)  von  Norden  nach  Süden  zu  dem  Catlegatt. 

L.  Das  europäische  Rnssland  ^  ohne  Polen:  a)  nördlich  zum  Eismeere;  b)  west- 
lich zur  Ostsee;  c)  südlich  zmu  schwarzen  Meere;  d)  südöstlich  zum  caspischen Meere. 

M.  PreusseUj  ohne    die  deutschen  Provinzen:  nach  Norden  zur  Ostsee. 

N.  Polen  wnA  G^^/ts/en  ;  jenes  von  Süden  nach  Norden  zur  Ostsee;  dieses  a)  gröss- 
ten Theils  nach  Norden  zur  Ostsee ;  b)  kleinem  Theils  nach  Südost  zum  schwar- 
zen Meere. 

O.  Ungern  und  Siebenbici'gen :  dieses  durcliaus,  jenes  grössten  Theils  zur  Do- 
nau, folglich  zum  schwarzen  j\[eere;  nur  die  Karpathengegend  bey  Käsmark  zur  Weich- 
sel, folglich  zur  Ostsee. 

P.  Die  europäische  Türkej' :  a)  südlich  zum  ägeischcn  Meere;  b)  westlich  zum 
adriatischen  Meere;  c").  nordösiiich  zur  Donau  nach  dem  schwarzen  Meere  zu. 

ö)  Es  ist,  besonders  in  dem  nördlichen  uinl    westlichen   Theile  ,    so   niedrig,    dass   es    durch 
DüiieiL  (unsläte  Saiidhiigel,  nach    Fabri  \ou   i  —  14  Fiiss',   nach  Gallelli   und  Cannabich    gar 

von  14 — 3o  Toisen  Hijlie) ,    und   durch    Damme   oder   Deiche»    deren   jährliche  Unterhal- 
tungskosten  an  4  —  8   Mill.  Gl.  betragen,   vor   den   Angriffen   der  Meeres\vogen   verwahrt 

werden  miiss. 

§•  i5. 

Ebenen; 

Die  grössten  e/-'?/ie7t  F/äc/ie7J  in  Europa  rtj  sind  in  Ungern,,  GalizieUj  Polen  j 
l'nsslcnd  und  Norddeutschland.  Die  kleinere  östliche  Ebene  in  Ungern  fasst  in  sich 
200,  ilie  grössere  westliche,  deren  Diagonalen  von  der  Essekerbrücke  bis  nach  IIussi^ 
und  von  Ujpalanka  bis  nach  Wailzen  reichen,  1000  QiM.  bj.  Noch  grösser  ist  die  ga~ 
UziscJie  j  polnische  und  russisclie  ^hcne.  Der  grösste  Theil  von  Galizien  Ijcslcht  aus 
einer  Ungeheuern,  nur  durch  kleine  Hügel,  die  man  in  wenigen  Minuten  hinauf  und 
herabsteigt,  unterbrochenen  wellenförmigen  Ebene,  die  durch  Polen  vmd  das  weite 
Piussland  bis  an  Asiens  Gränze   sich  erstreckt   c).  Die  norddeutsche  Ebene  dohuL  sich 


I.  Lm.l  Jcr  curop.   Staaten.   ^.   16.   Gewässer.  /jl 

von  Jiilland  Lis  an  clrn  Harz  und  von  der  EII)C  l)is  an  don  Ausfluss  der  Scheide  Mi&dJ. 
Gegen  die  Kiisien  dor  Ostsee  und  besonders  der  Nordsee  liin ,  wird  das  Land  so  nie- 
drig, dass  es  diircli  kostbare  Dduunc  oder  Deiclie  gegen  die  Fhillien  des  .Meeres  ge- 
schützt werden  muss. 

Die  vorziiglichsten  unter  den  kleinem  Ebenen  in  Europa  sind:  die  fruchtbare 
Hatuui  in  der  Glitte  Mährons  ;  das  in  der  österreichischen  Geschichte  berühmte  March- 
feldj  zwischen  dem  13isamberg ,  derMarch  und  dem  Unken  Ufer  der  Donau;  (he  Neu- 
städterheide oder  das  Stein  feld  und  das  Tulnevfeld  am  reclilen  Ufer  der  Donau  im 
Lande  unter  der  Enns;  die  IVelserheide  im  Lande  ob  der  Enns;  das  Pettaiier-  und 
Leibnitzei'Jeld  in  Steyermark;  die  Ebene  in  Baiern,  welche  mau  von  der  Spitze  der 
Benedictenwand ,  eines  hohen  Marmorfelsens  in  der  Grafschaft  Werdenfels ,  über- 
sieht; die  Li'uieburgerheide  im  Hanöverischen,  welche  eigentlich  ein  Theil  der  nord- 
deutschen Ebene  ist,  so  Avie  die  Ketskemeter-Sandheide ^  welche  sich  24  Mb  weit 
von  Peslh  bis  Szegedin  erstreckt,  ein  Theil  der  grossen  Ebene  in  Ungern  ist;  das  7 — 8 
Stunden  lange  Kieselfeld  Crait  in  der  Provence  ,  und  die  Landes  (Steppen)  mit  ih- 
rem Sandboden  zwischen  Bordeaux  und  Bayoiuic ,  imd  liings  der  Seekiistc  bis  Bearn 
und  Bigore ;  die  spanische  Suste  oder  die  Heide  von  Maiicha;  endlich  die  bcriihm- 
ten  Ebenen  in  Thessalien ,  nähmlich  das  liebliche  Thal  Tempe  und  die  phavsali- 
sche  Ebene.' 

a)  Die  grössteii  ebenoii  Fläclicn  auf  unserer  Eide  sind:  1)  in  Asien  die  liohe  Sandwiiste  Kobi 
od<'r  Schamo  (Chamo)  ,  an  beyden  Seiten  des  Iinaus  ;  2)  in  Afrika  die  WListo  Sarah  ,  i5 — 
3o°  N.  Br.  ;  3)  in  Südamerika  zwischen  den  Riistengebirgen  von  Caraccas  und  dem  Orinoko, 
und  die  noch  grössere  an  beyden  Si?iten  des  Plataslromes  bis  zur  luagellanisclien  Meerenge. 
h)  S.  M.  V.  Schwarlners  Statistik  des  Königreichs  Ungern.  2.  Aufl.  S.  68.  Veigl.  Monatliclie 
Correspondenz  zur  Beförderung  der  Erd-  und  Ilimmelskunde.  März,  i8o3. 

c)  S.  Andre's  Nationalkalender  für  die  gesammte  österr.    Monarchie  auf  i8i2.  S.  84. 

d)  S.  Jeu.  Allg.  L.  Z.  N.  89.  180g.  S.  98.    Vergl.  AUg.  geogr.  Ephem.  26.  Bd.  S.  3g  i  ff. 

§.    16. 
G    e    %v    ä    s    s    c    r. 

Die  Gewässer  sxwd  ebenfalls  statistiscli  wichtig.  Sie  dienen  zu  natürlichen  Gränz- 
scheiden  und  enthalten  eine  Menge  ihnen  eigcnthürnlicher  Prodiicte.  V^orzüglich  be- 
währen sie  aber  ihre  Wichtigkeit  nach  ihren  grossen,  ganz  verschiedenen  Eigenschaf- 
ten, als  hef r achtende y  :!Xs  bewegende  wwd  als  tragende  Kraft,  und  sind  in  diesen 
drey  Rücksichten  das  Reitzrnittel  und  Vehikel  aller  Quellen  der  Production,  nähmlich 
1)  des  natürliclien  FiUter])aues ,  der  die  Basis  der  Viehzucht,  so  wie  diese  die  Bc-din- 
gimg  des  Ackerbaues  ist;  2)  aller  derjenigen  Gewerbe,  bey  denen  ein  grösserer  als 
gewöhnlicher  Kraftaufwand  erforderlich  ist ,  wie  z.  B.  bey  den  verschiedenen  Galtun- 
gen von  Mühlen ,  Hammer-  luid  Po/chwerken  ,  den  wichtigsten  Fabriken  und  Manufac- 
turen;  3)  des  Handels,  dessen  natürliche  A.Ke  das  Wasser  ist,  die  die  grössten  Lasten 
fast  ohne  alle  Miihe  aufnimmt.  Man  tlieilt  die  Gewässer  ein  in  ISatur-  und  Kunstge- 
Wässer.  Zu  jenen  gehören  Meere,,  Laudseen  und  Flüsse;  zu  diesen  Canäle. 

6 


/J2  I.  Land  der  europ.  Staaten.    §.  ij.  Meere  und  Meerengen.  §.  i8.  Landseen. 

§•  17- 
Meere    und    Meerengen. 

Europa  ist  verliilltnissmüssig  am  wasserreichsten.  Ausser  den  äussern,  sclioii  Le- 
kannten  Meeren  (s.  §.  4)  l)espülcn  es  noch  folgende  Meere:  das  adriatische  Meer, 
das  ägeisclte  Meer  oder  der  yfrcliipelagus  _,  das  Meer  von  Marinnra  j  das  schwarze 
imd  das  asoivsche  Meer,  sämniiHch  Theile  des  mittelländischen  Meeres.  Ander  West- 
seite hat  es  ferner  das  biskajisclie  oder  spanische  Meer,  das  aqidtanische  Meer  bej^ 
Frankreich ,  und  das  »•///7jr/i.yc/ie  Meer  oder  den  St.  Georgscanal  zwischen  Wand 
tmd  England,  sämmllich  Theile  des  atlantischen  Oceans.  Im  Norden  von  Deutsch- 
land ist  die  Nordsee  oder  das  deuische^lcer ,  miL  dem  codanischen  Meerbusen  oder 
dem  Cattegatt  zwischen  Norwegen,  Schweden  und  Dänemark;  ostwärts  der  Nordsee 
ist  die  Ostsee  oder  das  l/altiscJie  Meer  mit  dem  ßiinischeii  und  bothnischen  Meer- 
busen, imd  ganz  oben  im  INordostcn  bey  Archangcl  das  weisse  Meer^  ein  Busen  des 
nördlichen  Eismeeres. 

IVIcorcngen,  durch  welche  diese  Meere  in  einer  fortlaufenden  Verbindung  ste- 
hen, sind  folgende: 

1)  Im  Norden:  a)  Aer  Sund  (Öresund)  zwischen  Schweden  und  der  Insel  See- 
land; dann  die  beyden  .Äe/^e  (der  grosse  und  der  kleine)  zwischen  den  dänischen  In- 
seln und  .lutland,  welche  die  Ostsee  mit  dem  Cattegalt  und  der  Nordsee  verbinden. 
Die  gewöhnlichste  Diuchfahrt  aus  der  Nordsee  in  die  Ostsee  ist  der  Sund,  h)  Die 
Meerenge  zwischen  Frankreich  vmd  England,  welche  aus  dem  atlantischen  Occan  in 
die  Nordsee  fiihri.  Da  wo  sie  am  engsten  ist,  heisst  sie  die  Meerenge  von  Calais  (Pas 
de  Calais) ;  der  ganze  übrige  viel  breitere  Theil  heisst  der  Canal  (la  Manche). 

2)  Im  Süden :  a)  die  Strasse  von  Gibraltar ^  welche  den  atlantischen  Ocean  mit 
dem  mittelländischen  Meere  verbindet;  b)  die  sicilianische  Meer-enge  (Faro  di  Mes- 
sina) zwischen  Neapel  imd  Sicilion ;  c)  die  Strasse  der  Dardanellen  oder  der  Hel- 
lespont jVie\c\\ev  aus  dem  Archipelngiis  in  das  Marmormecr  fuhrt;  d)  die  Meerenge 
oder  der  Canal  von  Constantinopel  j  durch  den  man  aus  dem  Marmormeer  in  das 
schwarze  Meer  kommt ;  endlich  e)  die  Strasse  von  Feodosia  (vormals  KafTa),  durch 
die  das  schwarze  Meer  mit  dem  asow'schen  Meere  zusammenhängt. 

So  stellet  das  Meer  ein  grosses,  gemeinschaftliches  Band  zwischen  den  verschie- 
denen Küstenvölkern  her,  welcher  Vorlhcil  noch  dtuch  die  vielen,  tief  in  das  Land 
gehenden  Meerbusen  des  mittelländischen  IMeeres,  der  Nord-  und  Ostsee  gar  sehr 
erhöhet  wird.  Die  Nordsee  hat  vor  allen  europäischen  Meeren  noch  den  Vorzug  ,  dass 
sie  den  Znsammcnfluss  mehrerer  Ströme  auf  einen  sehr  kleinen  Raum  vereiniget, 
welches  fiir  den  Handel  von  grosser  Wichtigkeit  ist. 

§•   18. 
Ijandsee».  • 

Der  Landseen  ^  die  das  auf  dem  Lande  sind,  was  die  Inseln  im  Meere,  sind  in 
Europa  sehr  viele,  vornehmlich  in  Russland  a)  ^  Schweden  b)  und  ISoi-ivegeUj  in 
der  Schweiz  c)  j  m  Italien  j  Deutschland  d)  und  Preussen ;  aber  nur  v^enige  sind 
von  grossem  Umfange.  Zu  diesen  gehören: 


I,   Land   der  curop.   Slaatcu.  ^.   iB.  Lacdscea.  43 

1)  hl  Russlaiut :  a)  der  Ladogasee  j  zwischen  dem  finnischen  Meerbusen  und 
dem  Onegasee,  der  grösste  See  in  Europa,  292  QM.  gioss.  Er  hängt  mittelst  der 
NewUj  in  die  er  seinen  Abfluss  liai,  mit  dem  Imnisclicn  Mcerhusen,  und  durch  die- 
sen mit  der  Ostsee  zusannpen.  Sein  vieler  Triebsand  und  seine  häufigen  Untiefen  oder 
seichte  Stellen  machen  die  Schiölahrt  sehr  mühsam ,  und  der  häufigen  Stürme  wegen 
oft  gefährlich.  1))  Der  O/je^rt.ycCj  im  Gouvernement  Olonez,  gegen  200  Werste  lang 
und  60  —  80  breil.  Er  ist  durch  den  Fluss  Swir  mit  dem  Ladogasee,  und  diuch  die- 
sen mit  dem  ]>all.ischen  Meere  verbunden,  c)  Der  Pei[jussee _,  zwischen  den  Gouver^ 
nenients  St., Petersburg,  Eief-  und  Esthland,  gegen  80  Werste  lang  und  60  breit.  Er 
entlässt  sein  Wasser  durch  die  JS'ar'H'a  (Narowa)  zum  finnischen  Meerbusen,  d)  Der 
ILinensee  bey  Nowgorod,  östlich  vom  Pcipussee,  ungefähr  40  Werste  lang  und  3o 
breit.  Er  nimmt  die  Msta  auf,  und  entlässt  sein  Wasser  durch  den  fVolchow  zum 
Ladogasee.  Diese  ^  erbindung  und  die  dadurch  bewerkstelligte  Comiiiunication  z'vi- 
schen  der  TFolga  und  JSewa  (S.  unten  §.  21.  9)  machen  diesen  See  merkwürdig. 
e)  Tier  Saima  _,  in  der  östlichen  Hälfte  Finnlands.  Dieser  See  ist  grösser  als  der  La- 
dogasee, wenn  man  die  vielen  kleinen  Seen,  mit  denen  er  in  Verbindung  steht,  als 
ein  Ganzes  betrachtet,  fj  Der  See  Puvmvesi  in  Finnland,  Speicher  weniger  ausgezeich- 
net ist  durch  Grösse,  aber,  nach  der  Versicherung  des  rassisch  kaiscrl.  Slaatsralhes 
Fi'iccius  j  die  bewunderungswürdige  Eigenschaft  hat,  Kröpfe  zu  heilen.  Die  Knre- 
liev j  die  alle  mit  Kröpfen  behaftet  sind,  besuciien  häufig  diesen  See,  und  sie  dürfen 
nur  von  diesem  ^Vasscr  trinken ,  um  vollkommen  wieder  hergestellt  zu  werden  e), 

2)  In  Schweden:  a)  der  Wenersee ^  48,  b)  der  Miilarsee_,  i8,  c)  der  TVettcr- 
see _,  17  Q\L  gross;  d)  der  Hielinavsee j  6  Meilen  lang  und  1 — 5  Meilen  breit,  und 
durch  den  Torshällafluss  mit  dem  Mälarsee  verbunden,  in  diesem  See  zählt  man  an 
l3oo  grössere  und  kleinere  Inseln.  Seine  ganze  Umgebung  ist  sehr  schön  und  sehr 
belebt  durch  viele  Landhäuser,  Landgüter  und  Lustschlösser. 

3)  In  Korwegen:  der  grosse  und  kleine  JMiösensee  und  Acr  Faeinundsee ;  der 
erstere  ist  14  ^Meilen  lang,  aber  schmal. 

4)  In  Ungern:  a)  Aev  Plattensee  (Lacus  Balaton,  sonst  auch  das  nngrische  Meer 
genannt),  zwischen  demSchümegher,  Weszprimer  und  Szalader  Comitate,  10  MI.  lang, 
1 — 2  Ml.  breit,  und  mit  allen  Morästen  ein  Areal  von  24  QM.  einnehmend,  b)  Der 
]\eusiedlersee_,  zwischen  Ödenburg  und  Raab ,  ohne  den  sich  anschliessenden  Äi^/ij-c/i;- 
(einen  Strich  sumpfigen  Landes),  4  Meilen  lang  und  2  Meilen  breit. 

5)  Zwischen  DeictscJiland  und  der  Schweiz  :  der  Bodensee  (vormals  auch  das 
schwäbische  Meer  genannt) ,  17  Stunden  lang  und  5  breit.  Bey  dem  Schweizerstädt- 
chen Fiheineck  fällt  der  Rhein  in  diesen  See,  und  bey  Stein  vcrlässt  er  ihn  wieder. 
Die  Schifffahrt  auf  demsclljen  ist  imbedeutend,  da  die  zu  versendenden  Güter  vor  dem 
Rheinfälle  bey  Laufen  wieder  ausgeladen  werden  miissen.  Die  baierische  Stadt  Lin- 
dau ist  auf  drey  Inseln  des  Bodensee's  erbaut ,  'wovon  die  grösste  durch  eine  3oo 
Schritte  lange  hölzerne  Briicke  mit  dem  festen  Lande  zusannnenhängt. 

6)  Zwischen  der  Schweiz,,  Stwojen  und  FrankreicJi :  der  Genfersee^  18 — 20 
Sluiiden  lang  und  4 — 5  breit.  Seine  Ufer  sind  sehr  schön,  und  mit  Dörfern,  Flecken 
imd  Städten  reichlich  besetzt. 


^^  1.   La«d   der  tiucj).   Slaaliii.  §.   iq.   Flüsse. 

7)  ZwisolicMi  der  Scinyeiz  vtiul  Fi  nukreicJi:  der  ISeitcnburg^r-  oder  Neufchatel- 
lersee  j  9  Suiudcn  lang  und  2  breit, 

8)  Zwischen  der  Schweiz  und  der  Lombuvdie:  der  Lago  maggioj-e  j  nicht  nur 
der  i^rössle  See  nach  dem  Gardascc,  sondern  auch  der  schönste  aller  italienischen 
Seen,  mit  den,  durch  reitzendeKunsianlagcn  heriüimten  borfomäischen  Inseln,  /xola 
bella  und  Isola  Madve. 

g)  Im  Innern  der  Schweiz:  a)  der  Ziiricherseej  127g'  idjer  dem  IMeere,  10  Stun- 
den lang  imd  \\  lireit,  mit  reitzenden  Lf'ern;  1>)  der  Viei'wnJdstäillev-  oder  Luzev- 
nersee  j  l3lo' über  dem  Meere,  g  Stunden  lang  und  4 — 5  l)reit ,  \on  2000 — 10,000 
Fuss  hohen  Bergen  umgeben. 

10)  In  Obeiitalien j  und  zwar  in  der  Lomhardie:  a)  der  Gcndasee  (Lage  di 
Garda),  der  grösste  aller  ilalienischcn  Seen,  7  deutsche  Meilen  lang  und  2  breit, 
b)  Der  Comersee  (Lago  di  Como),  7  deutsche  Meilen  lang,  und  eine  halbe  in  der 
grössten  Breite.  Jede  dieser  Seen  ist,  so  wie  der  Lago  maggiove  _,  durch  seinen  Aus- 
lluss  (den  Mincio  j  die  Jdda  und  den  Ticino)  mit  dem  Fo  ^  und  diuch  Caniile  noch 
mit  anderen  Flüssen  verbunden.  Über  alle  Seen  in  Oberitalien  wehen  gewöhnlich 
täglich  zwey  heslimmte  Winde:  der  nördliche  und  südliche;  jener  fangt  um  2  Uhr 
JNachts  an,  und  dauert  bis  Morgens  gegen  10  Uhr.;  der  andere  \se\i\.  von  2  Uhr  Jsacli- 
nüttags  bis  gegen  Mitternacht. 

a)  Von  der  Menge  grosser  und  kleiner  Landsecn  in  Russland  lässt  sieh  auch  nach  der  blossen 
Schätzung  in  wenigen  Gouvernements  urlheilen:   im  Güu\ernenient   Olonez   zählt   man    de- 
ren ic((jt),    im    Güuvern.    Archatigel  ii45)  ini  Gouvern.  Li^iand  über    1000,  und  in  Finn- 
land nehmen  sie  ein  Drittheil  des  Terrains  ein. 
i)  Wo  das  Areal  des  Landes  sich  zu  dem  der  Seen  ,    wie    10  :  1    (Land  =;  7674  QM.  ,   Seen 

=  685  QM.)  verhält.  S.  polit.  Journ.  May,   181Ö.  S.  Sgö. 
c)  Die  Schweiz  ist  so  reich  an  Seen,  dass  man  sie,  nach   Kunzj  das   Seeland  nennen   könnte. 

Rein  Tiial  ist  ohne  See  ;   daher  der  heftige  Lauf  der  Flüsse, 
fl)  Namentlich    in    Krain  ,  Rärnlhen,  Steyermark ,   im  Lande    ob  der  Enns    und  in  Salzburg, 

in  liaiern  ,  in  der  Mark  Brandenburg  ,   in  Pommern  und  im  IMecklenbuigischen. 
e)  S.  allg.  geogr.  Ephemeriden.   1808.  Bd.  27.  S.  8  ff. 

§•    19- 

Flüsse. 

H  a  u  p  t  f  1  U  s  s  e  oder  Ströme  mit  ihr  e  n  \  o  r  z  ü  g  1  i  c  h  e  r  c  n  Nebenflüssen. 

Wegen  der  minder  grossen  Ausdehnung  der  Landmasse  haben  die  enrojx'iischen 
Flüsse  keinen  so  langen  Laufund  keine  so  grosse  Wasscrfüllc,  i\h  die  (imc/i/^/iiii- 
scheii  iij  und  die  asiatisclien  b) ;  dagegen  sind  sie  verlüdtnissmässig  zahlreicher  als 
in  andern  Erdtheilen,  und  imter  alle  Gegenden  vertheiltj  dabey  erstrecken  sich  die 
Haiiptjlüsse  oder  Ströme  mehr  oder  weniger  tief  und  oft  bis  auf  hundert  Meilen  weil 
ins  Land  hinein,  und  verbinden  sowohl  dadurch,  als  durch  ihren  gekrümn.tcn  Lauf 
und  durch  die  vielen,  oft  bedeutenden  ISebenfliisse _,  die  sie  aufnehmen,  die  einzel- 
nen Länder  imsers  Erdtheils  auf  eine  sehr  voriheilhaiie  Weise  mit  einander.  Freylich 
>\ erden  aber  auch  diese  A  orzüge  der  europäischen  Flüsse  durch  manche  Hindernisse, 


I.  Linad  der  euiop.  ätaaleu.  ^.   ig,   riusse.  ^5 

welche  sie  der  Si^liifTfalirl  in  den  Weg  legen,  gcniiaderl.  Jlicihcr  gehöri  vorzüglich 
der  Umstand  ,  dass  nach  Herrn  TT'iebekiitg's  W  ahrnclunung ,  vsegcn  iinlcrlasscner 
Reinigung  mid  Ausbesserung  der  Flüsse,  alle  Flussljellen  im  letzten  Jahrlinnderte  sich 
erhöhet  haben ,  woraus  yerheerende  Überschwemmungen  entstanden  sind ,  und  ehe- 
mals schiffbare  Flüsse  können  jetzt  nicht  mehr  von  den  kleinsten  Böten  befahren 
werden  c). 

A  on  den  26  europäischen  Strömen  ergicsscn  sich  : 

1.  Östlich  : 

A.  In  das  scliwarze  Meer: 

a)  Die  Donau  _,  welche  nicht  nur  der  erste  deutsche  Hauptfluss,  sondern  auch 
der  grösste  Strom  in  Europa  ist.  Ihr  Ursprung  ist  im  Grossherzogthume  Baden  j  wo 
sie  ijn  Schwarzwalde  bey  St.  Georgen  ihre  Hauptquelle  hat;  sie  durchströmt  in  ei- 
ner Strecke  von  400  MI.  das  ganze  südöstliche  l£uro])a  ^  wird  schon  20  Ml.  von  ih- 
rem Ursprünge,  bev  Ulm j,  wo  sie  die  Hier  aufninmit,  schiffbar,  ninnnl,  nach  ihrer 
\ereinigmig  mit  dem  Inn  (bey  Passan)  unverhältnissmassig  an  Breite  zu,  die  bey  ih- 
rem Eintritt  in's  österreichische  Gebiet  sicli  lan  das  Doppelte  vermehrt ,  bildet  unter- 
haUj  JFien  bedeutende  Inseln  und  geht  in  wachsender  Breite  nach  Ungern  zu,  wo  die 
von  Norden  sich  ihr  nähernden  Karparthen  sie  zwingen,  von  O/e/t  an  plötzlich  ihren 
Lauf  zu  ändern,  luid  von  Norden  nach  Süden  sich  zu  ziehen,  in  welcher  Richtung 
sie  h\s  £!ssek  strömt  j  von  hier  an  eilt  sie  anfänglich  in  sfidöstlicher,  dann  in  nord- 
östlicher Richtung  dem  Meere  zu,  wo  sie  in  sehr  viele  Arme  (wie  die  ^Volga)  sich 
crgiesst.  Ihr  nördlichster  Ann  liax  M\i  russlscli ein  Gebiete,  namentlich  in  Bessarabien 
bey  Kilianova  seine  Mündung.  Ihr  reissend  schneller  I^auf,  die  vielen  spitzigen  Fel- 
senstücke mitten  iin  Strome,  und  ihre  steilen  und  hohen  Ufer,  zwischen  welchen 
sie  in  seltsamen  Krümmungen  strömt,  schwächen  die  \orlheile  ihrer  Schiffbarkeit 
gar  sehr,  so  wie  sie  wegen  ihrer  grossen  Überschwemmungen  sehr  gefährlich  ist.  Ihr 
gesammles  Stromgebiet  beträgt  14,423  QM.  Sie  nimmt  an  120  Flüsse  auf.  Die  vorzüg- 
lichsten darunter  sind:  a)  rechts:  die  Hier  j  der  Lech  _,  derinn  mit  der  Salza,  die 
Traun j  die  Enns j  die  Lejtluij  die  Raab  j  die  Sanyitz  (Scharwitz),  die  Drau  mit 
der  Mulwj,  und  die  Sau  mit  der  Laibach j  Kulpu  und  Unna;  b)  links:  die  Allmiüilj 
die  Nabe  j  der  Regen  j  die  Aiarch  mit  der  TJiaya  _,  die  Tf\iag  j  die  Gran  j  die  Theiss 
mit  der  Szatnosch_,  der  Kbrbsch  und  der  Marosch_,  der  Temesch  _,  der  Aluta  j  der 
Sereth  und  der  Prutii. 

b)  Der  Dniester  (Dnesler),  welcher  aus  Galizien  kommt,  und  sich  als  ein  rcissend 
schneller  Strom,  der  besonders  einen  gefährlichen  \Vasserfall  hey  Jainpol  hat,  tui- 
ter  Odessa  bey  Akicrman  in's  Meer  stürzt,  nachdem  er  den  Strj\,  die  Bistriza  und 
den  Giänzfluss  Fodgorcze  aufgenonunen  hat. 

cj  Der  Dnepr  (Borisihenes  der  alten  Geographie) ,  welcher  im  russischen  Gou- 
vernement Smolensk,  nicht  weit  von  den  Quellen  der  Dilna  und  Wolga,  entspringt, 
einen  der  fruchtbarsten  Theile  des  ciuopäischen  Russlands  durchströmt,  und  nach 
einem  Laufe  von  i5oo  Wersten  zwischen  Otschakow  und  Kitiburn  in's  Meer  f;dlt, 
nachdem  er  kurz  vor  seiner  Mündimg  den  Limanbusen  gelüldet  hat.  Unterhallj  Kiew 
bis  in  die  Gegend  von  Alexanilrovskaja  hat  er  in  einer  Strecke   von  60  Wersten  i3 


^g  I.  LiinJ  der  curop.   StaaleU;   j.   ig.  Flüsse. 

Wasserfalle  in  seinem  Belle,  über  welche  die  Schiffe  nur  bey  holiem  Wasser  gehen 
können.  Ein  anderes  ÜJ>el  an  diesem  Strome  sind  die  grossen  Überschwemmungen 
desselben,  welche  hanfig  Sümpfe^  besonders  um  Cherson  bilden.  Ei-  wird  durch  den 
Saschj  die  Dessna  ^  Sula  j  TVorskla  ^  Summa jti  j,  Inguhiz  und  Prypiz  versiäiki. 

B,  In  das  asowsche  Meer  : 

Der  Do?i_,  welcher  bcy  Tnla  aus  dem  kleinen  See  Iwcuiowskoje  ausfliesst,  und 
nach  einem  Laufe  von  looo  Wersten  hcy  Jsow  sich  in's  Meer  verliert.  Sein  jährliches 
Austreten  ist  den  nahegelegenen  Gegenden  oft  gefahrlich.  Zu  seinem  Flussgebiele  ge- 
hören der  IVoronesch  j,  Choper  ^  Donetz  und  die  Mechvediza. 

C.  In  den  caspischeti  See : 

Die  Wolga  j  der  grössle,  fischreichste  luid  befahrenste  aller  russischen  Ströme , 
welcher  im  Gouvernement  Twev  auf  den  alaunischen  Höhen  bey  dem  Dorfc  IVolcho 
Werchowin  aus  einem  Paar  Seen  entspringt,  von  Westen  nach  Osten  meist  sehr  fruchi- 
bxire  Gefilde  durchströmt,  und  nach  einem  Laufe  von  etwa  4000  AVersten  bey  Astra- 
chan \n  den  grössten  Landsec  auf  unserer  Erdkugel,  den  caspischen  See  (von  den 
meisten  Geographen  auch  Meer  genanni),  tritt,  nachdem  er  sich,  gleich  dem  ersten 
Slrome  unsers  Erdtheils,  in  sehr  viele  Anne  getheilt  und  dadurch  eine  Menge  von  In- 
seln gebildet  hat.  Er  wird  selbst  durch  seine  Überschwemmungen  für  das  Land  wohl- 
thätig  ,  indem  er  einen  fruchtbaren  Schlamm  al)setzt.  Unter  den  vielen  Nebenflüs- 
sen sind  die  merkwürdigsten:  a)  links:  ^\c  Kama  (ni\l  BeLoja,  links  und  ITjätka  icclils), 
die  Twerza  wwA  Kostroma;  b)  rechts:  die  Okka  (mit  Moskwa  links). 

II.  Südlich: 

A.  In  das  adriatische  Meer: 

Der  Po j  der  einzige  Strom  in  Italien,  und  zwar  in  dem  oberen,  als  dem  breite- 
sten Theile  dieser  lIalI)iHsel,  da  sie  bey  einer  Länge  von  208  geogr.  Ml.  im  Durch- 
schnitt nur  28  iMk  breil  ist.  Er  entspringt  auf  dem  Berge  Viso  in  Piemont,  und  macht 
einen  beträchlichen  Theil  seines  Laufes  hindurch  die  südliche  Gränze  des  österreichi- 
schen Staates  in  Italien,  ])is  ersieh,  in  zwey Hauptarme  gelheilt,  in  das  Meer  crgiesst. 
Er  tritt  fasst  alle  Jahre  aiLS,  imd  richtet  grosse  Verwüstungen,  an.  Bey  grosser  Dürre 
wild  die  Schifffahrl  aufwärts  bis  Cremuna  unterbrochen.  Die  vorzüglichsten  seiner 
Nebenflüsse  sind:  a)  links:  die  Doria ,  die  Ses'ia ,  der  Ticino  (Gränzfluss  zwischen 
dem  festen  Lande  des  sardinischen  Staates  und  dem  lom1)ardischen  Königreiche),  die 
Oloiina  j,  die  Jdda  (mit  Serio) ,  der  Oglio  (mk  Ale Üa)  und  der  il/i/icio;  b)  rechts: 
der  TaiMro  (mit  Snira) ,  der  Crostolo  j  Paiuiro  luid  Rena, 

B.  In  Aas, mittelländische  Meer: 

a)  Der  Rhone ^  welcher  in  der  Schweiz  westlich  vom  Rhein,  am  Fusse  des  Fur- 
kabergcs,  links  vom  St.  Gollhard,  enlsjuingt,  wegen  des  jähen  Terrains  und  der  in 
der  Nähe  Ijelindlich^n  Seen ,  mit  einer  ungeheuren  Schnelligkeit  durch  das  W^alliser- 
thal  sich  hinabstürzt  ^  den  Genfersee  luldet,  aus  demselben  in  das  französische  Gebiet 
tritt,  und  unicrhalb  Arles  durch  mehrere  Arme  sich  in  das  Meer  ergiesst.  Sein  reis- 
sender  Lauf  macht  ihn  zum  Transporte  weniger  brauchbar.  Zu  seinem  Stromgebiete 
gehören:  a)  links:  die  Isere _,  die  Dröine  \n\d.  die  Dürance ;  b)  rechts:  der  ^w,  die 
Saone  (links  nüi  Doiiüs) ,  der  Ardechc  und  der  Gard  oder  Ga)-don. 


I.  Land  dar  curnp.  Staaten.  §.   ig.  Flüsse.  4- 

b)  Der  Ebro  j  wclolier  In  Spanien  unweit  Reynosa  an  den  Gränzen  von  Asiurien 
und  Allcastilicn  seinen  Ursprimg  hat,  bey  Tadeln  schiffbar  wird,  imd  bey  Tortosa 
sich  in  das  Meer  verhert.  Er  ist,  wegen  der  vielen  felsigen  Stellen,  nicht  sehr  brauch- 
bar. Er  wird  verstärkt  a)  rechts  :  durch  den  Xalon ;  b)  links;  durch  den  Aragon,,  Gal~ 
lejo  und  Segre. 

lU.  Westlich: 

A.  In  den  atlantischen  Ocean : 

a)  Der  Quadalquivir  ^  welcher  in  Spanien  in  der  südlichen  Sierra  (Gebirgsreihe) 
von  Segura  entspringt,  von  Osten  nach  Südwest  läuft,  und  unterhalb  Sei'illa  in  den 
Ocean  fällt.  Zu  seinen  Nebenflüssen  gehören  a)  rechts  :  der  Guadaliinar  in  Jaen ; 
b)  links :  der  Genil  in  Sevilla. 

b)  Der  Guadlana  j  welcher  in  der  spanischen  Provinz  la  Mancha,  in  den  Seen 
von  Ruidera  entspringt,  sodann  unter  der  Erde  verschwindet,  fvinf  Meilen  weiter 
hin  in  dem  See  Ojos  de  Guadiana  wieder  zum  Vorschein  konunt,  in  südwestlicher 
Richtung  nach  Portugal  geht,  dessen  Südostgränze  er  bildet,  und  sich  in  den  Ocean 
ergiesst. 

c)  Der  Tajo j  der  erste  unter  den  Strömen  der  pyrenäischcn  Halbinsel,  welcher 
in  Aragonicn  entspringt,  sanft  dui'ch  die  schönen  Gälten  von  ^ranjiiez  fliesst,  sich 
um  die  Mauern  von  Zb/e^/o  herumwendet,  durch  Talavera ^  Alcantava ,  Abi-aiites 
und  Santarem  geht,  mid  seine  Miindung  im  Ocean  durch  die  Nachbarschaft  von  Lis- 
sabon,  das  auf  seinem  rechten  Ufer  Hegt,  verherrlichet.  Er  wird  verstärkt  durch  die 
Tajunna  j  Guadarrnmn  und  Alberche. 

d)  Der  Dnero ^  welcher  nördlich  vom  Tajo,  bcynahe  parallel  mit  ihm  entspringt, 
von  Osten  nach  Westen  läuft,  und  bey  Oporto  in  den  Ocean  fällt,  nachdem  er  die 
Flüsse  j4daja  j  Tormes  j  Pesquera  und  Esla  aufgenommen  hat. 

e)  Die  Garonne  ,  welche  in  den  Pyrenäen  auf  der  spanischen  Gränze  entspringt, 
\ie^  Milret  j  südwestlich  von  Toulouse  ^  schiffbar  wird,  nach  ihrer  Vereinigung  mit 
der  Dordogne  j  unterhalb  Bordeaux  Gironde  heisst ,  »ind  nach  einem  Laufe  von  go 
Meilen  durch  zwey  Miuidungen  dem  Ocean  zueilt.  Durch  den  Siidcanal  (s.  §.  21.)  ist 
dieser  Strom  ein  vorzügliches  Beförderungsmittel  der  Commiuiication  im  Innern  Frank- 
reichs. Zu  seinem  Flussgebiete  gehören  a)  links:  der  Gers;  b)  rechts:  die  Arriege j 
der    Ttirn  j  der  Lot  luid  die  Dordogne. 

f)  Die  Loire j  der  grösste  Strom  in  Franl^ reich,  wo  er  in  den  Sevenneu  ent- 
springt, anfangs  von  Süden  nach  Norden,  dann  von  Norden  nach  Westen  seinen  Lauf 
nimmt,  und  8  Meilen  unterhalb  JSantes  in  den  Ocean  fällt.  Er  wird  bey  Roanne 
schiffbar,  und  befördert  die  Communication  im  Innern  des  Landes  nocli  mehr,  als 
die  Garonne.  Seine  Nebenflüsse  sind  a)  links:  der  Allier  _,  der  Loiret  ^  der  Cher,  der 
/«rf/'Cjdie  V^ienne  \\\\d  d^\c  Sh^'re  ^  nähmlich  Sevre  nantoiscj  bj  rechts  :  die  i\7ei7'e 
und  die  Majennc- 

g)  D'jc  Seine t  welche  auf  dem  Goldhügel  entspringt,  in  nordwestlicher  Rich- 
tung ihren  Lauf  nimmt,  bey  77'o;'e.y  schiffijar  wird,  vuid  zwischen  Tlavre  de  Grace 
und  ffonjle'ir  in  den  Canal ,  einen  Theil  des  atlantisclien  Oceans  ,  sich  stürzt.  Da  sie 
durch  Paris  fliesst,  so  ist  sie  für  den  innern  Handel  Frankreichs  sehr  wichtig.  Zu  ih- 


/,8  I-   Land  der  eiiro]).  Staaten.  §.    ig    Flusse. 

ren  Nebenfli'isseii  f^cliöicn  a)  links:  die  Tonne  und  die  Eure;  h)  rechts:  die  Aubc ^ 
die  Marne  und  die  Oise. 
B.  In  die  Nordsee: 
a)  Der  B/ieinj  welcher  in  Granl)iindlen  aus  drey  Quellen  entspringt,  die  sich 
bey  ReicJieiKiu  vereinii,'cn.  Er  wird  schon  bey  Cliar  scliifn)ar,  macht  die  Granze  zwi- 
schen Tyrol  und  der  Schweiz,  bildet  den  Bodensee  und  den  prächtigen  Wasserfall  bey 
Laufen,  vcrlässl  hierauf  bey  Basel  die  Schweiz,  und  durchströmt  einen  grossen  Theil 
des  westhchen  Deutschlands  von  Süden  nach  Norden,  nähmlich  das  Grossherzoglhum 
Baden  (zwischen  welchem  und  dem  Königreiche  Frankreich  er  eine  Strecke  hindurch 
die  Granze  macht),  das  Grossherzogthum  Hessen,  die  nassauischen  Lande,  den  baie- 
rischen  Rheinkreis  und  die  prcussischen  Provinzen  Niederrhein  und  Gleve-Berg ,  aus 
welcher  letzlern  er  in  die  Niederlande  tritt.  Hier  iheill  er  sich  in  zwey  Arme,  wovon 
der  südliche  (die  fVaal) ,  nach  Vereinigung  mit  der  Maas,,  Merwe  heisst;  der  nörd- 
liche theilt  sich  bey  Arnheim  wieder,  wovon  der  Arm  zur  rechten  Hand  die  neue 
Kssel  hei.sst,  sich  bey  Doesluu-g  mit  der  alten  Vssel  vereinigt,  und  dann  in  die  Zuy- 
dersee  fliesst;  der  andere  Rheinarm  theilt  sich  von  neuem  bey  Wyk  by  Diierstade, 
wovon  der  eine  Leck  heisst,  und  in  die  Maas  fallt j  von  dem  Arme,  welcher  den  Nah- 
men Rhein  behält,  sondert  sich  bey  Utrecht  ein  Arm  unter  dem  Nahmen  Fecht  ab; 
der  andere  Ariu,  welcher  noch  den  Nahmen  Rhein  führt,  geht  geschwächt  durch 
Leyden,  und  verliert  sich  endlich  bey  Kallw^ck  in  den  Dünen  der  Nordsee.  Denn 
seit  860,  da  der  Ocean  nach  einer  Überschwemmung  die  Rheinmündung  zerstörte, 
tragt  dieser  Strom  seinen  Nahnieti  nicht  mehr  bis  ans  Meer.  Er  bcspiÜt  auf  seinem 
l5o  Meilen  langen  Laufe  71  Städte  ,  und  nimmt  von  den  Alpen  bis  Speyer  5o,  bis  zu 
seiner  Theilung  in  den  Niederlanden  gi  Nebenflüsse  und  Bäche  auf.  Die  vorzüglich- 
sten davon  sind  a)  rechts  :  der  Neckar  (links  mit  Enz  ,  rechts  mit  Kocher  und  Jaxt) , 
der  Main  (rechts  mit  Itz  ^  links  mit  Relzat  ^  Regnilz  imd  Tauher)  ,  die  Lahn  j  Sieg, 
Tfipperj,  Ruhr  und  Lippe;  b)  links:  die  Jar  und  die  Mosel  (rechts  mit  Meurthe 
und  Saar).  Man  gibt  überhaupt  das  Gebiet  fiir  den  Rhein  auf  35g8  Q^L  an.  —  Von 
seinem  Ursprünge  an  bis  Mainz  ftihrt  er  den  Nahmen  des  Oberrlieins  ,  und  von  seiner 
dasigen  Vereinigimg  an  mit  dem  Main  bis  zu  seinem  iiusflusse  wird  er  imler  der  Be- 
nennung des  Niederrheins  begriffen. 

b)  Die  Maas j,  welche  in  Frankreich  bey  dem  Dorfe  Mense _,  im  Departement  der 
OJ)erniarne,  westlich  von  der  Mosel,  entspringt,  bey  St.  Thiebaut  schilfbar  wird,  und 
in  nordwestlicher  Richtung  in  die  Niederlande  fliesst,  wo  sie  nach  ihrer  Vereini- 
gung mit  der  JVaal  den  Nahmen  Merwe  bekommt,  und  bey  Brielj  nachdem  sie  sich 
gethedt  und  wieder  vereinigt  und  den  Nahmen  Maas  angenommen  hat,  in  die  Nord- 
see fallt.  Zu  ihren  bedeutendereti  Nebenflüssen  gehören:  a)  links:  die  Stunbre; 
b)  roclus:  die  Ourthe  und  die  Roer. 

c)  Die  fFeserj  der  kleinste  unter  den  detuschen  Strömen,  ein  Geliicl  nur  von 
874  QM.  uiufassend.  Sie  bekonmil  bey  ihrer  Vereinigung  mit  der  schi(rbaren.fV^/rt  von 
der  hauüvenschen  Stadt  Münden  an  diesen  Nahmen,  nachdem  sie  aus  dem  Herzog- 
tnume  Sachsen-Hildburgbausen  ,  wo  sie  entspringt,  unter  dem  Nahmen  der  JVerra 
bereits    scJutTbar  aacli   Münden  gekonunen.   Auf  ihrem  nordwestlichen   Laufe   durch 


I.  Land  der  europ.  Staalcu.   §.   ig.   Flüsse.  ^q 

das  Königreicli  Hanovcr,  einige  hraunsch-wcig-wolfcnbüttersche,  hessen-casseFsche, 
prcussische  und  oldenburgische  Besitzungen  nimmt  sie  die  Fliissc  Diemel,  Emmer _, 
Aller  (mit  der  Ocker  und  Lerne),  Delme j  TFümme  und  Hunte  auf,  und  fliesst  end- 
lich i5  Ml.  unterhall)  Bremen  in  das  Meer  aus.  Der  viele  Sand,  der  hey  den  ge- 
wöhnlichen Herbst-  und  Frühjahrs-Überschwemmungen  der  Aller  und  der  Leine  in 
die  Weser  geschwemmt,  und  von  diesem  reissenden  Strome  weiter  fortgeführt  wird, 
ist  die  Hau[)tursache  der  immer  stärker  werdenden  Versandung  der  Weser,  welche 
auch  verhindert,  dass  die  grösseren  Schiffe  aus  der  Nordsee  nicht  bis  in  die  Stadt 
Bremen  kommen  können,  sondern  zu  Elsfletli  oder  Bracke  ausladen  müssen. 

d)  Die  Elbe j  die  nordwestlich  von  der  Oder,  auf  dem  lliesengebirge,  an  der 
böhmischen  imd  schlesischen  Gränze,  entsteht,  anfangs  südlich,  dann  westlich  und 
ztdetzt  nordwestlich  fliesst,  schon  in  Böhmen  bey  il/e//u"/ij  südlich  von  Leutmerilz, 
schiffbar  wird,  auf  ihrem  Laufe  nur  deutsche  Länder,  als  Böhmen,  Sachsen,  das 
preussische  Sachsen,  Anhalt,  Magdeburg,  die  Mark  Brandenburg,  Hanover,  Meck- 
lenburg, Lauenburg  und  Holstein  berührt,  und  sich,  18  M(!ilen  unterhalb  Ham- 
burg j  in  die  Nordsee  ergiesst,  nachdem  sie  sich  bey  Bnins))üitel  in  die  JSord-  und 
Süderelbe  gelheilt  hat.  Zu  ihrem  Stromgebiete,  das  2800  QINL  beträgt,  gehören  vor- 
züglich: die  Moldau  j  die  Egei'j  die  Mulde j  die  Saale ^  die  Havels  die  Ilmenau 
und  die  Stör. 

ly.  Nördlich. 

A.  In  die  Ostsee : 

a)  Die  Oder,  welche  im  nordöstlichen  Theile  Mährens  entspringt,  bey  dem 
Zusammenflusse  mit  der  Oppa  das  preussische  Schlesien  betritt,  dann  ihren  Lauf 
durch  die  Mark  Bi'andenburg  nimmt,  in  Ponunern  Stettin  voi'bey  durch  das  grosse 
und  kleine  frische  Haff  geht  und  sich  mittelst  dreyer  Ausflüsse  in  das  Meer  ergiesst, 
Bey  Ratibor  in  Preussisch-Schlesien  wird  sie  für  kleine  Fahrzeuge ,  bey  Breslau  fiir 
grössere  schiffbar,  und  fliesst  ganz  anf  preussisohem  Boden  als  schijffbarer  Strom ^ 
dessen  Gebiet  2072  QM.  beträgt.  Zu  diesem  Gebiete  gehören  vorzüglich  a)  rechts  : 
die  Bartsch j  die  Wartha  nüt  der  ISetze  und  die  Ilina;  b)  links:  die  Oppa,  die 
JSeisse  und  die  Bober  mit  der  Queis. 

b)  Die  Weichsel  (Wisla),  welche  in  dem  österreichischen  Schlesien,  und  zwar 
in  dem  südlichen  Theile  des  Herzoglhums  Teschen,  östlich  von  der  Quelle  der  Oder, 
entspringt ,  und  zuerst  das  österreichische  vom  preusischen  Schlesien ,  dann  letzteres 
von  Gnlizicn  trennt.  Wo  sie  Galizien  berührt,  scheidet  sie  dieses  Land  von  dem  Ge- 
biete der  freycn  Stadt  Krakau  luid  einem  Theile  des  Königreichs  Polen  ,  durchströmt 
dann  von  Süden  nach  Norden  dieses  Königreich,  so  wie  das  Königreich  Preussen,  wo 
sie  sich  in  drcy  Arme  theilt,  von  welchen  die  zwey  östlichen,  die  Nogat  und  die 
ylltweichsel  j  in  das  frische  Half  fliessen,  und  der  westliche  bey  Weichselmünde,  eine 
Meile  unter  Danzig,  sich  in  das  Meer  ergiesst.  Zu  ihrem  358o  QM.  grossen  Gebiete 
gehören  vorzüglich  die  Dunajetz  mit  der  Poprad ^  welche  beyden  Flüsse  die  einzi- 
gen sind,  die  aus  Ungern,  wo  sie  in  der  Zips  entspringen,  gegen  Norden  fliessen j 
dann  die  Wisloka ^  der  San :,  der  Bug  mit  der  Narew _,  die  PUica^  die  A7<7ro  Brduj 
Bsura  und  Brahe. 


3q  I.   I,.incl   der  europ.   Staaten.  §..   2o.   Kiisttnflüsse. 

c)  Die  Dana  j  welche  im  Gouvcrnenicnt  Twer,  nahe  l>ey  den  Quellen  der  Wol- 
ga, entspringt,  durch  einen  Theil  von  Russisch-Polen  strömt,  und  zwischen  Curland 
und  Liefland,  unterhall)  Rig-i ,  in  das  Meer  fallt.  Sie  wird  durch  die  Taropza,  Ewest_, 
Oger  n\\i\  Aa  verstärkt,  vorzüglich  von  Taropetz  an  schiffj)ar ,  und  ist  besonders  fiir 
Riga  von  ungemeiner  Wichtigkeit. 
B.  In  das  Eismeer: 
a)  Der  Onega ;  h)  die  Dwina;  c)  der  Meseti  und  d)  die  Petschora ^  von  denen 
die  Dwina  und  die  Petschora  die  wichtigsten  sind. 

a)  JSahmentlich  der  Maranhon  oder  Amnzonenjluss ,  der  Mi'ssisippi ,  Rio  de  la  Plafa  oder  Sil- 
berlluss,  der  Orinoko  und  Lorenzoßuss  ,  die  600 — 1000  Meilen  und  darüber  lang,  und  bey 
ihrer  Mündung  10 — 00  Meilen  breit  sind.  Der  Maranlion  ,  der  Riese  unter  allen  jetzt  be- 
kannten Strömen  der  Erde,  nimmt  aufseinein  mehr  als  1000  Meilen  langen  Laufe  unter 
seinen  Nebenflüssen  mehr  als  60  auf,  die  an  Grösse  der  Donau  gleich  kommen. 
6)  Nahmentlich  der  Burremputer  j  der  Ganges,  der  Indus ,  der  Hoangho  (gelbe  Fluss)  und  der 

Yanise-Kiang  (grosse  Fluss). 
c)  S.  Götting.  gel.  Anz.  i8i6.  St.   16.  S.   148 —  i5i. 

§•   20. 
Rüstenflüsse. 

Hat  ein  Fluss  von  seiner  Quelle  keinen  weiten  Weg  nach  dem  Meere :  so  ist  er 
ein  Kiislenjlnss.  Da  sich  wenig  Flüsse  mit  einem  Küstenflusse  atif  seinem  kurzen  Lau- 
fe vereinigen  können:  so  kann  ein  solcher  Fluss  es  selten  mit  einem  Strome  an  Grösse 
und  SchilFharkeit  aufnehmen.  Die  beträchtlichsten  unter  den  zahlreichen  Küstenflüs-' 
sen  in  Europa  sind : 

a)  Die  Themse  (Thamcs),  welche  aus  der  Vereinigung  der  Tliames  und  Ise  ent- 
steht, bey  dem  Flecken  Lechlade  in  Glocestershire  für  kleine  Fahrzeuge,  aber  von 
der  Londoner  Brücke  an  für  grosse  Seeschiffe  schilfjjar  wird  ,  und  in  die  Nordsee  fällt; 
1))  der  Tvent j  an  seiner  Mündung  in  die  Nordsee  Humber  genannt;  c)  die  Mersej ^ 
die  ihren  Lauf  nach  dem  irländischen  Meere  richtet;  d)  die  Sevei'n  (Saverne),  welche 
sich  in  den  atlantischen  Oceaii  crgiesst.  An  diesen  vier  Kiistenfliissen  liegen  die  be- 
deutendsten Handelsstädte  Englands:  London ^  Hnll _,  Le\'erpool  und  Bristol. 

c)  Der  Schannon j  der  grösste  Fluss  in  Irland,  welcher  aus  dem  Allansee  ent- 
steht, und  in  den  allantischen  Ocean  fällt.  Er  ist  sehr  schiffbar,  und  bey  seiner  Mün- 
dung 1^  Meilen  breit. 

f)  Die  Scheide j  y\e\chc  in  Frankreich  bey  Chatelet  entspringt,  ihren  Lauf  nach 
den  Niederlanden  richtet,  bey  Antwerpen  vorbevgeht,  sich  dann  in  zweyArme,  die 
JFesterscIielde j  die  auch  Hont  heisst,  und  die  Osterschelde  theilt,  und  zuletzt  bey 
f^'eere  und  f^Liessingen  in  die  Nordsee  fliesst.  Sie  ist,  obgleich  Küstenfluss,  für 
Kriegsschiffe  brauchbar  bis  weit  über  Antwerpen.  Zu  ihrem  Flussgebiete  gehören  die 
LfSj  Dender  und  die  Rüpel  j  welche  aus  der  Vereinigung  der  Vjle  und  der  beyden 
iXethen  (der  grossen  und  kleinen)  entsteht. 

g)  Die  llialelbe  (Dal-Älf),  der  grösste  Fluss  in  Schweden,  der  auf  der  norwe- 
gischen Glänze  entspringt,  und  in  den  bothnischen  Meerbusen  fliesst;   h)  die  Gotha- 


I.  Laud  der  europ,  Staaten.  §.  20.  Kusteoflüsse.  5i 

Elbe  (Golha-Alf) ,  welche  aus  doin  See  Roi^cn  in  lleijodaleii  enlstclil ,  mul  sicli  rlicy 
Güüicnbiirg  in  das  CaUejjfalt  cryiessl ;  i)  der  Motala ,  der  aus  deni  \Vellerseo  kommt, 
und  bcy  Nunköpiiig  in  die  Oslscc  fallt.  Die  schwedischen  Flüsse  sind  fiir  die  SchilF- 
fahrt,  der  vielen  Wasserfälle  wegen,  von  keinem  Lelrächilichen  Vorlheil. 

k)  Der  Glaamen  (spr.  Gloamen) ,  der  ansehnlichste  Fluss  in  Norwegen ,  der  auf 
dem  Dufrefield  entspringt,  und  hey  Friedrichsstadt  in  den  Christianafiord  fallt;  1)  der 
Dvammcii  j  welcher  westlich  vom  Glaamen  fliessl,  und  hey  Bragnäs  in  den  Meerbu- 
sen fällt;  m)  der  Torvidal ^  welcher  wieder  westlich  vom  Dranimcn  fliesst,  und  sich 
Ley  Christianssund  in  das  Meer  ergiessl.  Auch  die  norwegischen  Flüsse  eignen  sich 
wenig  zu  Transporten,  der  vielen  Wasserfälle  wegen. 

n)  Die  Newa^  welche  aus  dem  Ladogasee  kommt,  von  Osten  nach  Westen  in 
mehreren  Armen  durch  St.  Petersburg  strömt,  und  nach  einem  sehr  kurzen  Laufe  in 
den  finnischen  Meerbusen  fällt.  Gleichwohl  ist  sie  sehr  schiffbar,  befördert  durch  die 
heriihmte  Verbindung  mit  der  TVolga  auch  die  Cumnuuiication  im  Innern  des  Lan- 
des ,  und  enthüll  vortreffliches  Trinkwasser ,  wesshalb  St.  Pelersbiwg  keine  Brun- 
nen hat  aj. 

in)  Der  Niemen  _,  welcher  im  Gouvernement  Minsk  entsjiringt,  und  nachdem  er 
die  schiffbare  Wilia  aufgenommen  hat ,  den  Nahmen  i]/e/«e/  erhält.  Er  macht  auf  eine 
Strecke  die  Gränze  des  russischen  Reichs  gegen  das  Königreich  Polen,  tritt  hey 
Schmallcninken  auf  das  preussische  Gebiet,  und  ergiesst  sich  in  das  kurische  Haff. 
Er  ist  zum  Handel  besonders  fiir  Preussen  wichtig,  indem  er  auf  Strusenund  Wilincn 
die  Producte  Litthauens  diesem  Reiche  zufiihrt.  Der  Lauf  dieses  in  der  Geschichte 
der  neuesten  Zeit  so  merkwi'trdig  gewordenen  Flusses  ist  von  Südost  nach  Nordwest. 

Weniger  bedeutend  sind  die  ührigen  europäischen  Küsteiiflüsse.  Die  merkwür- 
digsten von  diesen  sind,  und  zwar; 

a)  In  Spanien  und  Portugal:  der  Miiiho ^  welcher  die  Nordgränze  von  Portugal 
bildet,  und  in  den  atlantischen  Ocean  fällt. 

b)  In  Frankreich:  1)  die  Snnime  und  der  Orrie  j  welche  in  den  Ganal,  2)  die 
F^ilaine  j  die  Sevre  von  J\ioj't_,  die  Charente  und  Adoiu\,  welche  in  den  atlantischen 
Ocean,  5)  der  Ande ^  Heraidt  und  T^ar ^  welche  in  das  mittelländische  Meer  fallen. 

c)  In  Schottland:  1)  der  Tay  und  der  Forthj  m eiche  sich  in  die  Nordsee  er- 
giessen;  2)  der  Cljdej  welcher  in  das  irländische  Meer  üiesst. 

d)  In  Irland:  der  Barrow  j  welcher  hey  Waterford  einen  der  besten  Häfen  Ir- 
lands bildet. 

e)  \i\  Schweden:  die  Flüsse  Tornea  imd  MuoniOj  welche  gegenwärtig  die  Grän- 
ze gegen  Russland  machen ,  und  sich  in  den  bolhnischen  Meerbusen  ergiessen. 

f)  In  Pieussen:  der  Pregel  j  welcher  aus  dem  Zusammenflüsse  der  Angerapp 
und  des  Insters  entsteht,  und  eine  Meile  unter  Königsberg  in  das  frische  HaH"  ßiesst. 

g)  In  Deutschland  j  luid  zwar  aa)  in  Norddeutschlatid:  die  IVarnow  j  die  Pee- 
ne j  die  Recknitz  und  die  Trave j  welche  sänmitlich  in  die  Ostsee,  dann  die  Eider 
und  die  Ems j  welche  in  die  Nordsee  fallen.  Die  Ems  berührt  auch  einen  Tlieil  der 
Niederlande,  bb)  In  Siiddeutschland  ^  und 

h)  lu  Italien j  und  zwar  aa)  in  Oberilahen:  die  Etsch  (AJige),    die  Bretita^   die 


j2  1-   LauJ  ilcr  europ.  Slaalen.   ^.  21.  Kunstfli'isse  oder  Canale. 

Piave  und  der  TagUainento j  welche  alle  aus  den  Tyroler^eliirgeu  kommen,  tmd  sich 
hl  das  adiialische  Meer  ergiesscn;  hb)  inMitlelilalien:  der  Arno  mit  Aev  CliLaiia ^  der 
Ombrone  und  die  Tiber j  welche  sänimllich  auf  den  Apeuninen  entsprin;^en,  und  sich 
mit  dem  hctrurischen Meere  vereinigen;  cc)  in  Unteritalien:  der  GarigUano  und  p^ol- 
turiio  j  welche  sich  in  das  niiltelländische  Meer  ergiessen. 
a)  S.  Götting.  gel.  Aiiz.  1818.  St.   196.  S.   1941. 

§•  21. 
Runslfiiisse    o  ci  e  r    C  anale. 

Sie  sind  theils  zur  Bewässerung  des  Bodens,  y\ic  z.  B.  im  österreichischen  Italien, 
theils  zur  Entwässerung  und  Urbarmachimg  sumpfiger  Ländereycn,  wie  z.  B.  in  Un- 
gern, in  den  Niederlanden  und  in  der  Schweiz  aj ,  theils  und  zwar  vorzüglich  zur 
Erleichterung  und  Abktirzung  der  Commimication  angelegt ,  in  welcher  letzteren  Be- 
ziehung sie  eines  der  wirksamsten  Mittel  sind,  die  Industrie  zu  ])elebcn.  In  keinem 
Zeitalter  ist  dieser  Grundsatz  allgemeiner  anerkannt  und  beherziget  worden,  als  in 
dem  unsrigen,  so  allgemein,  dass  jiian  das  innere  fhrtsclireiten  der  Staaten  in  einer 
der  kriegerischesten  Perioden  der  europäischen  Geschichte  für  eine  der  grosstcn  Ei- 
genlhündichkeiten  unserer  Zeil  um  so  mehr  zu  halten  bcrechligcl  ist,  da  die  Anlage 
schitfbarer  Canäle,  wegen  der  verschiedenen  künstlichen  Vorrichtungen,  welche  zur 
Besieguiig  der  Schwierigkeiten  des  Terrains  nöthig  sind,  keine  leichte  und  wohlfeile  bj 
Unternehmung  ist. 

Die  l)criihnuestcn  Anlagen  der  Art  sind:  i)  in  England:  a)  der  Cannl  von  Leecisj 
welcher  die  licyden  Küstenfliissc  Mersej  und  Trent  in  ^^crbindung,  und  also  die 
beyden  Handelsstädte  Leverpool  und  HuU  in  Communication  setzt.  Er  geht  von  We- 
sten nach  Osten,  über  und  durch  Berge,  bat  go  Schleussen,  lätift  über  33  Bogen, 
und  ist  25  deutsche  Meilen  lang,  42'  breit  imd  5'  lief,  b)  Von  diesem  Hauptcanal geht 
ein  zweyter  Hauptcanal  aus  der  Gegend  von  Lcverpool  in  südlicher  Richtung,  und 
setzt  vermittelst  der  Canäle  von  Cliester  _,  von  der  Trent  und  von  JVoh'erhampton 
die  Siiverne  mit  der  Mersej  in  Verbindung,  c)  Der  dritte  Haujitcanal  geht  in  gleicli'^r 
RichtTuig  mit  dem  ersten  von  der  Scn'erne  zur  Themse,  d)  Der  vierte  Hauptcanal  zielu 
sich  von  Süden  nach  Norden,  vermittelst  der  Canäle  von  Oxfoi'd  und  Conventrj  in 
den  Trent,  Diese  Hauptcanäle  setzen  alle  innern  Gegenden  mit  der  See,  namentlich 
mit  den  vier  grossen  See-  und  Handelsstädten  London  ^  Bristol  ^  Leverpool  und  Hall 
in  Verbindung,  e)  Der  Grandjunction-  (Dschpngsche  ,  grosse  Verbindungs-)  Canal  j 
zur  Verbindung  aller  bislicrigen  Canäle  mit  der  Themse,  insonderheit  mit  London. 
Der  Plan  zum  Bau  dieses  Canals  konnte  nur  dann  ausgeführt  werden,  als  die  vier  er- 
sten vollendet  waren,  f)  Der  Bridgeiyater-  (Bridschewater'sche)  Canal  j  vorzüglich 
merkwürdig  wegen  seiner  bewunderungswürdigen  Bauart.  Er  geht  zum  Thcil  eine 
Meile  unter  der  Erde,  wo  er  stets  mit  Lampen  erleuchtet  wird,  so  wie  ferner  in  ei- 
nem Theile  seines  Laufes  in  einer  Höhe  yon  40'  über  den  Fluss  Irwelj  einen  Neben- 
lluss  der  Mersey ,  wodurcJi  er  Lei'erpool  mit  Mandiester  in  Verb'indung  setzt.  Er 
dient  zum  schnellen  Transporte  der  Steinkolilen  ,  die  er  vorzüglich  der  grossen  Ma- 
uufaciurstadt  Mrt/zcAej-ft'/- liefert,  g)  Das  Birminghamer-Canalsjstem,  j  dessen  Anfang 


1.  Land  der  earop.  Suaten.  §.  21.  Kunstllüssa  oder  Cauile,  55 

der  Aviclitif,'f:  Punct  l>ey  Coponjield  ist.  Hier  auf  diesem  höclislen  Piincte  der  ganzen 
Gegend  werden  durck  zwey  Danjplinaschiuen  von  54  Zoll  weiten  Cylindern  ans  einer 
verlassenen  Kohlengrube  in  jeder  Minute  48  cylindrische  Fuss  Wasser  in  ein  Bassin 
gehoben,  aus  welchem  die  tiefer  liegenden  Ganäle  so  viel  Wasser  erhalten,  als  der 
beständige  Gebrauch  erfordert  cj.  —  Von  lyöS  —  1804  wurden  in  England  i65  Ac- 
ten zu  neuen  Canalanlagen  bewilligt.  Der  dem  Parlamente  vorgelegte  Kostenanschlag 
betrug  i3,oo8,igq  Pf.  St..  und  die  Länge  der  Linie,  die  durch  das  Land  geschnillen 
ist ,  macht  2896  ("Jigh  Meilen  aus  dj. 

2)  In  Schottland:  a)  der  sogenannte  grosse  Canal _,  oder  der  Caiial  von  Glas- 
gow j  welcher  den\Forthj  der  bey Edinburgh  östlich  ins  Meer  geht,  mit  dem  CljdCj 
der  westlich  bey  Glasgow  in  den  Ocean  fallt,  verbindet,  und  dadurch  die  beydcn 
Hauptstädte  Eduilnirgh  und  Glasgow.  Er  ist  55  englische  Ml.  lang,  56  F.  oben,  2 7  F. 
unten  breit  und  8  F.  tief.  Er  hat  3g  Sclüeusscn  ,  43  Schwicbbogen,  deren  zwey  über 
die  Fhisse  Lugyim  und  Kelwin  gehen,  und  23 Brücken,  und  erspart  einen  höchst  ge- 
fährhchen,  an  1000  engl.  311.  langen  Umweg  um  Nordscliottland,  nähndich  die  Pent- 
landsst'rasse  (dsas  Grab  der  Matrosen  genannt),  welche  die  Orkaden  vom  Hochlande 
trennt.  Nur  so  grosse  SchiflTe  trägt  er  nicht,  als:  b)  der  neue  caledonisclie  Canal, 
Dieser  grosse  Canal,  zu  dessen  Bau  das  Parlament  1804  eine  halbe  Million  Pf.  St.  be- 
willigte, geht  nördlich  vom  ersten,  mitten  durch  Schottland,  aus  mehreren  Sc^n,  von 
Südwest  nach  JNordost  ,  und  verbindet  den  Mullsund  mit  dem  Moraybusen  ,  an 
dem  die  Hauptstadt  von  Hochschüttland,  ItiK'erness j  liegt.  Zwey  Forts,  IVUliam  und 
Georg j,  an  denen  zwey  Bassins  fi'ir  Schiffe  angelegt  sind,  decken  ihn  von  beyden  Sei- 
ten. Er  ist  65  engl.  Ml.  lang,  und  so  tief,  dass  er  den  Durchgang  aller  Kauffahrtey- 
schiffe,  und  selbst  der  Fregatten  von  32  Kanonen,  die  20 — 21  Schuh  tief  in's  Wasser 
gehen,  möglich  macht.iDieser  Canal  erspart  ebenfalls  die  oben  angeführte  furchtbare 
Strasse  von  Pentlaiid-Frith-,  setzt  die  Westküste  Schottlands  mit  Irland  in  nähere  \'er- 
bindmig,  und  erleichtert  den.  bisher  durch  die  Graniplans  abgeschnittenen  Bewoh- 
nern H(,(chschottlands'  die  Zufuhr  von  Lebensmitteln. 

3)  In  Frankreicli:  a)  der  Südcaind  (Canal  du  midi),  oder  der  königliche  Canal 
von  Languedoc.  Er  geht  von  der  Garonne  bey  Toulouse  bis  zum  See  von  Thau  bey 
Cctte,  der  nüt  dem  Aleerc  in  Verbindung  steht.  Er  vereiniget  daher  den  atlantischea 
Ocean  mit  dem  mittelländischen  Meere.  Er  ist  mit  Quade,rsteinen  ausgewöll)t,  32 
franz.  Ml.  lang,  an  der  Wasserfläche  60  F.  breit,  hat  aber  nur  6  F.  Wassertiefe  und 
trägt  daher  keine  grössere  Schiffe,  als  zu  100  Tonnen  (2000  Ctr.)  Er  hat  62  Schleu- 
sen ,  g2  Brücken  und  er  selbst  ist  in  mehreren  Stellen  auf  Gewölben  ruhend ,  über 
Flüsse  und  durch  Felsen  geleitet.  Unter  den  101  Bassins,  die  das  Wasser  fiir  ihn  aus 
benachbarten  Flüssen  und  Bächen  aufnelimen,  ist  das  bey  St.  Ferrol  migelieuer.  Es 
liegt 'jr'wischcn  zwey  Felsenbergen,  und  einer  36  Klafter  dicken  Mauer j  ist  1200  Klaf- 
tci-^an^,  5oo  breit  und  20  tief.  Es  fasst  euie  MUlion  Cubikklafter  Wasser,  das  durcli 
dreV  messingene  Halme,  die  mannsdicke  Wasserstrahlen  ge])en,  zum  Canale  'gelassen 
werden  kann.  Dieser  Jierühmte  Canal  ist  eine  Schöpfung  der  Ministerschaft  Colberts 
uiid  der  Ingenievu's  Rilquet  imd  ^ndre'ossy.  Der  Bau  dauerte  von  1666 — 1680  und 
kostote    17-1  Mill.  Livres.  Die  Einnahme   von  seclis  Jahren,   1786  —  l"gi  incl.  betrug 


54  1-  LauJ  der  ciirop.   Slaaleu.   §.   2J.  Kunslflusse  oder  Canälc. 

4,724,54.5  Liv. ,  die  Aiisgal)e  fiir  die  Umorlialtimg  iii  eben  der  Zeit  2,670,572  Liv.', 
der  Überschuss  2,o53;,g73  Liv.,  also  für  jedes  Jalir  342,32-3,  Liv.  ix^incn  Gewinn  ,aj. 
Napoleon  selzle  diesen  Canal  (ausser  andern  wesenllicJien  Verbesserungen  bey  Ca/'-- 
Cdssone)  rechts  mit  der  Älündung  der  ^ ud e  hey  Narbonne,  mid  links  mit  dem. Rhone 
über  Montpellier,  Aiguesmortes  imd  Beaurairc  in  Verbindung,  b)  Der  unterirdische 
Canal  im  Depart.  der  Aisne  bey  Sr.  Quentin.  Er  nimmt  seinen  Anfang  bey  CJiatelet 
nicht  weit  von  der  Scheide _,  und  ist  3  franz.  MI.  unter  der  Erde  fortgefiihri.  Er  vor- 
bindet die  Seine  mit  der  Scheide  j  also  auch  die  Sonune.  Bey  St.  Quentin  an  der 
Somnie  konnnt  er  wieder  in's  Freye.  Er  dient  vorzüglich  zum  Transporte  der  Stein- 
kohlen aus  dem  nördJichcn  P>ankreich  nach  der  Hauptstadt.  —  Ausser  diesen  sind 
noch  folgende  Ganäle  einer  Erwähnung  wer ih: 

Der  Canal  von  Briar  j  der  von  der  Loire  zum  Loing  ^  einem  Nebenflüsse  der 
Seine  geht ;  der  Canal  von  Charolles  oder  des  Mittelpunctes  (du  Centre) ,  welcher 
die  Loire  mit  der  Saone  vereiniget;  der  Camd  von  Tlocldiurgund  oder  yoii  Dijon _, 
welcher  über  Dijon  gehend  die  Saone  mit  der  Tonne  ^  folglicli  die  Saone  mit  der  Seine 
verbindet;  der  Canal  von  Orleans _,  welcher  von  der  Luire  nicht  weit  von  Orleans, 
ebenfalls  ziuu  Loing  gehl,  und  der  Ourcqcanal j  der  die  Bcschiffung  der  Alarne  mög- 
lich macht,  und  Paris  mit  einem  Überflusse  von  ^^  asser  versieht.  Uberdiess  sind  im- 
ter  der  vorigen  Regierung  mehrere  Caniile  ])rojectiit  und  angefangen  worden, 

4)  In  Spanien:  der  grosse  aragonische  oder  der  Kaisercanal  j  weil  Kaisdr  6V«/'/V. 
im  J.  1029  den  Anfang  zur  Anlegung  desselben  gemacht  hat.  Er  fangt  bey  2^udela  an, 
lauft  längs  dem  rechten  Ufer  des  Ebrn  _,  und  soll  bis  Sastago  (auch  amEbro),  eine 
Strecke  von  3l^  Ml.  gefiihrt  werden.  Dieser  Canal,  der  sell>st  denjenigen  in  Erstaunen 
setzt,  der  den  wcltberidunten  Canal  von  Languedoc  gesehen  hat,  ist  64  F.  breit  und 
g  F.  tief;  oft  durch  Felsen  gesprengt  und  über  mehrere  Landstrassen,  Wässerungs- 
canäle  midüber  den  schiffbaren  Xalon  wcggeleitet,  und  zwar  .id>cr  den  leiztern  ver- 
mittelst einer  herrlichen  hohen  Brücke  von  4260  F.  Länge.  Man  hat  den  Plan,  ihn 
von  Tudela  aus  mit  dem  biscajschen  Meere  zii  vereinigen ,  und  dadurch  das  Mittel- 
rtieer  (wie  in  Frankreich)  mit  dem  atlantischen  Ocean  in  Veibindung  zu  setzen.  — 
Ausserdem  hat  Spanien  noch  fünf  andere  Canale ,  als  den  Canal  von  Murcia  j  den 
Castilischen  j  den  Canal  von  ^Ikazar  an  dem  Guadiana  ^  den  Canal  von  Manzan- 
jiares  hcy  Madrid  und  den  Mittencanal  im  mitllcren  Theile  von  Spanien,  die  aber 
sämmtlich,  so  wie  der  kaiserliche  Canal j,  noch  nicht  vollendet  sind. 

5)  In  den  Niederlanden:  der  grosse  nordholländische  Canal,,  ein  Meisterstück 
der  holländischen  Wasserliavikunst ;  er  ist  12  Ml.  lang  und  20  F.  tief,  für  Kriegs-  luid 
osündisclie  Schiffe,  von  dem  Helder  und  dem  grossen  Hafen  Ilct  Niew  Diep  bis  in 
Het  Y  vor  Amsterdam  fahrbar,  in  einem  sumpfigen  Boden,  in  blossem  schwijmncndcn 
Torf-  und  Moorboden  angelegt,  mit  grossen  massiven  Schleusen,  jede  über  3oo,ooofl. 
wciih.  Ausserdem  sind  noch  zu  bemerken:  der  Canal  bey  dem  Dorfe  ÄattH'jck  j.d.er 
Canal  von  Utrecht  über  Amersforl  nach  Dcventer,  und  der  Canal  von  Breda  ^  der 
sich  in  den  Biesbosch  zieht,  und  vermittelst  der  Merwe  \£nd  der  Maas  das  Land  mit 
der  Nordsee  verbindet.  Überhaupt  ist  der  grösste  Theil  der  Niederlande  von  zahlrei- 
chen Canälcn  durchschnitten ,  die  eben  so  viel  Vergnügen  als  Bcqucmhchkcit  gew  äh- 


I.  Land  der  europ.   Siantcn.  §.  ii-  KuiislUiüse  odtjr  Canalf.  55 

ren,  weil  sie  scliiflljar  und  Allocn,  Gärton  und  Lusthäuser  daran  angelct^i  sind.  Sie 
sind  «igenllich  IVasserpoststrasseii  j  auf  denen  man  mit  sogenannten  Treckschujten 
(bedeckten  ScTiiffen,  die  von  Pferden  gezogen  werden,  und  zur  Ijeslimmten  Zeit  von 
einem  Orte  zum  andern  abgehen)  zu  fahren  pflegt.  So  vne  die  hiesigen  Canäle  be- 
deutende Coinnumicationsmittel  sind ,  cJ)cn  so  kann  man  sie  auch  als  wichtige  Ter- 
raiiihindei-iiisse  belrackicn ,  indem  durch  sie  das  Land  inundirt  werden  kann. 

6)  In  Deutschland:  der  zmn  dänischen  Staate  gehörige,  scldeswig-holsteiniscfie 
Canal j  auch  der  Kieler-  oder  Eidercanal  f^emxnrn.  Er  fängt  iiördhch  von  Kiel  an, 
geht  aus  dem  dabey  hegenden  Fiörd  (Busen)  von  Osten  nach  Westen,  bis  nach  Rends- 
^M7'^j  wo  das  Wasser  desselben  in  die  Eider  fällt.  Er  verbindet  folglich  die  Ostsee 
mit  der  Nordsee.  Er  ist  unten  54?  oben  loo  F.  breit  imd  lo  F.  tief,  und  trägt  Schiffe 
von  70  Lasten.  —  Ausserdem  sind  noch  zu  Ijcmcrken:  a)  die  Steckenitzfahrt  j  die 
von  Lauenburg  aus,  vermittelst  der  Trave  (bey  Liibeck)  die  Elbe  mit  der  Ostsee  in 
Ver])indung  setzt,  eine  schon  in  früheren  Zeiten  (im  IMillclalter)  unternommene  künst- 
liche Verbindung.  —  b)  Der  im  Werke  begriffene  Oberems-Cnnalj  wodurch  eine  ei- 
gene Wasserstrasse  fiu*  Schiffe  von  i5 — 18  Lasten,  von  der  JSiederems  in  den  Rhein- 
strom erhalten  wird.  —  c)  Die  zwischen  der  Elbe  und  der  Oder  liegenden  Canäle. 
Sic  gehören  insgesammt  dem  preussischen  Staate  <an.  Diess  sind  :  1)  der  Finowcanal  j 
welcher  die  Havel  mW.  der  Finow  und  dadurch  die  Elbe  mit  der  Oder  vereinigt,  und 
die  Schiffahrt  zwischen  Berlin  und  Stettin  um  die  Hälfte  abkiirzt.  2)  i^cr  Friedrich  fFil- 
helms-  oder  Miihlroser-Canal,  welcher  zwischen  der  Spree  bey  Neiüjriic.'i  und  der  Oder 
bey  Brieskow  gezogen  ist.  3)  Der  Plaidsche  Canal  oder  neue  Friedrichsgraben,  wel- 
cher nordöstlich  von  Magdeburg  aus  der  Elbe  bey  dem  Dorfc  Parey  über  Genthin  in 
die  Havel  ^eht,  imd  die  Schiöfahrt  zwischen  Berlin  und  Magdeburg  um  11  Meilen 
abkürzt.  /^)  Der  neue  Odercanal  j  welcher  theils  zur  Abkürzimg  der  Oderfahrt  von 
Giislebiese  bis  Hohen-Saaten  j,  theils  zur  Urbarmachung  der  dortigen  Sümpfe  ange- 
legt worden  ist.  5)  Der  Klodnitzische  Canal  in  Schlesien,  ursprünglich  zur  leichte- 
ren Forlschaffung  der  Steinkohlen  angelegt.  —  d)  Der  Canal  von  IFienj  zwischen 
JVieti  imd  Neustadt  angelegt.  Er  ist  ein  glückhcher  Anfang  für  den  grossen  Gedan- 
ken, die  Dojiau  mit  dem  adria tischen  Meere  zu  verbinden.  Auf  diesem  Canal  wird 
Österreichs  Hauptstadt  grossen  Theüs  mit  Steinkohlen,  Brennholz  und  Baumaterialien 
versehen.  —  e)  Der  Canal  von  Heilbronn  j  nach  seinem  Stifter,  dem  König  TVilhelmj 
Willielmscanal  genannt,  dessen  Zweck  ist,  die  Herstellung  der  f'reyen  und  ungehin- 
derten iV>cAv77\fcÄf/^)'Y//(7'i  von  Kanstatt  an,  wo  dieselbe  beginnt,  bis  Manheini  und 
in  den  Rhein.  —  Carls  des  Grossen  Vorhaijon ,  durcli  einen  Canal  zwischen  der  /4lt- 
miihl  und  Rednitz  —  zwey  Flüsse  in  Franken ,  wovon  die  Rednitz  unweit  Bamberg 
sich  in  den  Main  ergiesst,  und  die  Altmühl  durch  das  Eichstädtischc  nacii  der  Donau 
geht  —  die  Donau  mit  dem  Rheine  zu  verbinden,  ist  bis  auf  den  heutigen  Tag  un- 
ausgeführt geblieben ,  ungeachtet  sich  schwerlich  etwas  angeben  liesse ,  welches  für 
den  ganzen  deutschen  Handel  von  einer  grössereii  Wirkung,  für  Baierii  aber  insbe- 
sondere, so  wie  für  die  nächsten  Main-  und  Donauländer  von  bölierer  Wichtigkeit 
wäre,  als  eine  solche  schiffbare  Verbindung  zwischen  Deulscblands  Hauplüüssen ,  die 
zugleich  Europa  in  entgegen  gesetzten  Richtungen  durchströmen. 


56  I-  LaiiJ  der  europ.  Staaten,   ^.  31.  Kunstüiisse  oder   Can'äle. 

7)  In  Preussen:  der  Bromber^ercanal _,  welcher  die  schifiLare^ra/jebey  Brom- 
berg mit  der  ebenfalls  schiffbaren  Netze  bey  Nackel  verbindet.  Da  mm  die  Brahe  in 
die  Weichsel  j  die  Netze  aber  in  die  Wartha  mid  diese  in  die  Oder  fallt:  so  ist  da- 
durch und  vermittelst  der  oben  besagten  preussiscli-deutschen  Canäle  die  grosse  Ver- 
bindimg der  Weichsel  mit  der  Oder _,  Havel  j  Spree  imd  Elbe  bewerkstelliget.  Seit 
der  Anlegung  dieses  Canals  hat  man  eine  miunterbrochene  Schifffahrt  von  Magdeburg 
bis  Danzig.  —  Ausserdem  ist  einer  Erwähnung  werth  der  grosse  FriedrichsgrabeUj 
welclier  die  Deine  mit  der  Gilge  verbindet,  um  die  auf  der  Memel  über  Tilsit  kom- 
menden Güter  nach  Königsberg  zu  schaffen ,  olmc  dass  sie  nöthig  haben ,  das  kurische 
Haff  zu  berühren. 

8)  In  Schweden:  der  Trolhättacanal ^  welcher  neben  dem  gewaltigen,  600  F. 
hohen  Wasserfalle  bey  Trolhütta ,  durch  gesprengte  Felsen  geleitet,  in  die  Gotlia- 
Alf  ^ohx ,  ein  denkwürdiger  Sieg  der  Kunst  über  die  Natur.  Er  ist  gooo'lang,  22' breit 
and  g'  tief.  Auf  diesem  Wege  kommt  man  bequem,  jedoch  nur  mit  kleineren  Schif- 
fen, in  das  deutsche  Meer,  zu  einer  Zeil,  wo  der  Sund  gesperrt  seyn  sollte.  Ausser- 
dem: der  ^/■i^'ogrtcnvirtZj  welcher  den  Mülarsee  vciit  dem  f/ielmarsee  veihindet ;  der 
Strömsholmercanal  j  welcher  von  Norden  nach  Süden  in  den  Mälarsee  geht,  und  vor- 
züglich zum  Transporte  der  Eisenwaaren  dient,  die  von  Orebro  nach  Stockholm  ge- 
hen; der  Södertelgecanal _,  welcher  den  Mälarsee  und  den  Handel  Stockholms  mit 
der  Ostsee  verbindet,  und  erst  l8ig  eröffnet  wurde. 

g)  \n  Russland:  der  Canal  von  Wischnei  WoloLschock ^  welcher  die  Wolga 
mit  der  Newa ^  folglich  das  caspische  Meer  mit  der  Ostsee  vereiniget,  vmd  eine  in- 
ländische Schifffahrt  von  3740  Wcrste,  von  Jst}-achan  bis  St.  Petersburg  ^  möglich 
macht.  Diese  merkwürdige  und  für  den  Handel  höchst  wichtige  Wassercommunica- 
tion  geschieht  auf  folgende  Art :  die  Twerza  j,  ein  westliclier  Ncbenlluss  des  Wolga- 
stroms, ist  verbunden  dm-ch  einen  Canal  mit  der  Z.na  ,  diese  wieder  mit  der  Slina 
und  Msta  ;  letzter^  geht  in  den  Ilmensee  _,  aus  welchem  der  Wolchowßass  in 
die  Newa  fällt,  die  St.  Petersburg  zertheilt.  Ausserdem  dienen  zur  Vereinigung  der 
Ostsee  mit  dem  caspischen  Meere:  der  Canal  von  Nowgorod j  welcher  die  Msta  un- 
mittelbar nnt  der  ^/''b/c/iOT<^  verbindet ;  dann  der  ladogaische  j  der  tichwiiäsche  _,  der 
sjässische  j  der  Marien-  imd  der  onegaische  Canal.  Der  Scldüsselburgercanal  ver- 
schafft dem  ladogaischen  eine  neue  und  bequemere  Mündimg ,  und  der  swirrisclie  Ca- 
nal ist,  so  wie  der  bereits  erwähnte  sjässische  Canal,  eine  Fortsetzung  des  ladogai- 
schen Canals.  —  Das  Eismeer  mit  dem  caspischen  Meere  vereinigen:  der  Dwina-' 
oder  Katharinencanal  fcid  der  kubenskische  Canal  j,  welcher  letztere  durch  Verbin- 
dung der  Dwina  mit  der  Newa  das  Eismeer  auch  mit  der  Ostsee  vereiniget.  —  Die 
Ostsee  mit  dem  schMMrzcn  Meere  verbinden:  der  beresiidsche j  der  königliche  und 
der  oginskische  Canal.  —  Endlich  v/ird  das  schwarze  Meer  mit  dem  caspischen  Meere 
durch  die  ore//5c/i<'7i  Canäle,  das  asow'sche  Meer  mit  dem.  baspischen  durch  den  iwano- 
wischen w\d  kamilschönskisclien  Canal.,  das  Eismeer  mit  dem  schwarzen  Meere  durch 
den  Icpelischen  Canal ^  die  Dihia  mit  der  Newa  durch  den  welikolukiscJien  j,  die 
Düna  mit  der  Narowa  durch  den  werroischen  und  der  Niemeu  mit  der  Diiua  durch 
den  kurländischen  Canal  verbunden. 


1.   Land  der  curop.  Steiten.  §.  21.  Sümpfe  und  Woriisle.  6-j 

10)  In  Italien  j  und  zwar  in  demlombaT-disch-i>enetianischenKöm'^rc\cl\c:  a)  der 
Nav'glio  gfaiuie  ,  der  von  dem  Ticiiio  unweit  seines  Ausflusses  aus  dem  Lago  mag- 
glore  nach  MdUiuul  gezogen,  und  8  Meilen  lang  istj  L)  der  Cnnal  della  Miirtcsaiia  j 
der  von  Lecco  j  wo  die  Addd  wegen  Klippen  imd  Wasserfällen  nicht  schiffLar  ist, 
nach  iMailajid  fuhrt,  und  6  Meilen  lang  ist.  Er  hewiikt  eine  nützliche  schillljare  Yer- 
Lindung  z\\isrhcn  dem  See  von  Como  und  der  Hauptstadt  der  Lombuvdie ;  c)  der 
neue  Canal  von  Madaiid  nach  Pavicij  wodurch  die  unmiltelhare  Ycrhiudung  mit  dem 
adriatischen  Meere  vermittelst  der  Hafen  von  Gor'o  _,  Chioggia  und  f'^enedig  geöffnet, 
und  der  Stadt  Älailand  in  Beziehung  auf  den  eigenen  und  den  Durchzugshaudel  ge- 
wisser Massen  der  Yortheil  eines  Seeplatzes  verschafft  wird.  Üherhaupt  zahlet  das 
lonibardisch  -  vcneiianische  Königreich  21  grössere  und  kleinere  Canäle ,  die  es  nach 
allen  Richtungen  durchschneiden,  rmd  einen  Längenraum  von   lö/  Meilen  enthalten. 

11)  In  Ungern:  der  Franzenscanal ,  der  von  Monostor-Szegh  an  der  Donau ^ 
durch  die  Batscher  Gespannschaft  bis  nach  F'öldvär  an  der  Tlieiss  _,  von  der  königl. 
ungrisclien  pvivilegwten  CanaL-  und  Schlfffalivtsgesellschaft  mit  einem  sehr  gros- 
sen Kostenaufwande  erhauet  worden  ist.  Er  ist  14^  Meilen  lang,  hat  fünf  grosse  ge- 
mauerte Kaslcnschleusen,  um  den  Unterschied  der  Donau  und  der  Theiss ,  welcher 
23  Fuss  beträgt,  auszugleichen,  kann  bequem  Schiffe  von  3ooo — 10,000  Ctr.  Ladung 
tragen ,  mid  kiuzt  den  beschwerlichen  und  weiten  Umweg  aus  der  Donau  nach  den 
körn- und  salzrcichen  Ufern  der  Theiss  von  2 — 3  Wochen  auf  2  —  3  Tage  ab.  — 
Zur  Veriicfiuig  dieses  Canals  hat  diek.  privilegirte  nngrische  Canal-  und  ScJnfffahrls- 
gesellsclinft  mi.  1819  unter  der  Leitung  des  Herrn  v.  Wieser ^  k.  k.  Hauptmanns 
und  Ausschuss-Mitgliedes,  eine  Scidaminräumungsmaschine  durch  den  Älechanicus 
Starlian  ausfuhren  lassen.  Diese  Maschine  kostete 40,000 fl- W.  ^V. ,  und  ist  so  zweck- 
mässig ,  dass  sie  täglich  3o  Kubikklaflcr  Schlamm  aushebt. 

d)  Nahnientlich  in  dem  Canton  Glartis ,  wo  die  Linlh  durch  AenMolUsercanal  '\n  den  fi^alen- 
see  abgcleilcl  wurde,  um  den  immer  weiter  um  sich  greifenden  Versumpfungen  derselben 
abzuhelfen.  Eine  der  seltenen  schweizerischen  Nalional-Unternehmungen  !  Die  Linth-Tha- 
1er,  beschrieben  von  J.  M.  Schuler.  Zürich,  1814.  8.  Vergl.  Götting.  gelehrte  Anz.  1817. 
St.  ig4.  S.   ig36. 

i)  S.  Zwey  Abhandlungen  über  Frachtwagen  und  Strassen,  und  über  die  Frage,  ob  und  in 
welchen  Fällen  der  Bau  schiffbarer  Canäle,  Eiscnwegen  oder  gemachten  Strassen  vorzuzie- 
hen sey.  Nach  einer  Untersuchung ,  ob  die  Moldau  mit  der  Donau  durch  einen  Schiff- 
fahrlscanaJ  zu  vereinigen  sey.  Von  Fr.  Ritter  v.  Gerstner.  Prag ,  i8i3.  Yergl.  Münchener 
Allg.  Lit.  Z.  Wintermonalh ,   181g. 

c)  S.  Gölting.  gel.  Anz.   1817.  St.   11.  S.  111. 

d)  S.  Allg.  geogr.  Ephem.  Bd.  23.   S.  404  ff. 

e)  S.  Histoire  du  Canal  di  Midi,  ou  Canal  de  Languedoc,  avec  les  Cartes  generales  et  par- 
ticuliercs  ainsi  que  les  Plans,  Coupes  et  Profils  des  principaux  ouvrages.  Par  le  General 
d' Artillerie  Andreossj-  etc.  Paris,   1804.  Vergl.  Gölting.  gel.  Anz.   i8o5.  St.   j5o. 

§.   22. 
Sümpfe    und    Moräste. 

Endlich  ist  kein  Land  Europa's  ohne  Sümpje  luid  Moräste;  besonders  häufig 
sind  diese  Tcrrainhindernisse  imd  Behälter  von  Rohrhtdniern ,  Fröschen,  unschmack- 

8 


jg  I.  Land  der  europ.  Staaten,  §.  23.   Physisches  Klira». 

liaften  Fisclien  und  Milliarden  von  Insecten  in  Russland _,  Schweden ^  Preusseiij  Hol- 
land j  Novddeiitschland  j  Ungern  ^  Galizien  j  der  Moldau  :,  in  Italien  _,  England 
und  Irland.  Vorzüglich  grosse  imd  geographisch  berühmle  Sümpfe  und  Moräste  aber 
sind:  a)  die  litthauischen  Sümpfe  von  den  Ufern  der  Berezina  bis  zum  Oberdnepr; 
J))  die  pontinischen  Sümjife ,  welche  an  der  Gränze  des  Königreichs  Neapel  von  Net- 
luno  bis  Terracina  sich  erstrecken;  die  Maremna  bey  Siena  luid  die  Lagunen  bey 
^  enedig,  nebst  den^  längs  des  Po^  der  Etsch  imd  des  Mincio  ausgebreiteten  Sümpfen; 
c)  der  Canisaer  _,  der  Etscheder  ^  der  Palitscher-  und  Mohatscliersnmpf  iw  Ungern, 
die  sämmüich  von  den  tmgchciieren  moi-astigen  Strecken,  welche  die  Donau j  die 
Drau  j  die  SarviZj  vorzüglich  aber  die  träge  Theiss  an  ihren  niedrigen  Ufern,  die 
TemeSj  die ßega  rechts  und  links  stehen  lassen,  noch  übertroffen  werden;  d)der^or- 
tang  oder  Bourtang  j  Morast  in  Holland,  der  mit  einem  Theile  der  Ems  parallel  läuft, 
und  südlicli  vom  Dollart  liegt;  e)  die  Sümpfe  zwischen  Leverpool  \u\d  Manchester j 
in  IVestmoreland  nördlich  von  Leverpool,  in  Cambridgeshii'e  und  Lincolnsldre 
nördlich  von  London  und  in  dem  grössten  Theile  Irlands ;  endlich  f)  der  y — 8  Mb 
lange,  sogenannte  Fluss  Baklui  in  der  Moldau,  ein  siuiipfartiger  Teich,  der  sich  l)is 
Jassj  erstreckt.  Diese  imd  viele  andere  imgenannte  Sümpfe  und  Moräste  sind  wohl 
der  beste  Beweis,  dass  der  europäische  Boden  noch  grosser  Verbesserung  fähig  ist, 
wodurch  nicht  nur  das  Klima  und  die  Urbarkeit  der  einzelnen  Länder  gewinnen,  son- 
dern auch  die  Menschenzahl  (die  Furcht  vor  Übervölkerung  ist  im  Ganzen  noch  sehr 
fern)  zunehmen  würde;  unstreitig  die  schönsten  Eroberungen,  welche  Menschenflciss 
der  Erde  abzugewinnen  vermag.  Vieles  ist  in  der  Hinsicht  bereits  geschehen  a) ;  un- 
gleich mehr  aber  bleibt  noch  zu  thun  ülirig. 

a)  So  sind  z.  B.  in  Ungern  mehrere  Canäle  ,  wodarcli  Sümpfe  in  Wiesen  und  Äcker  ^  erwan- 
dell  sind ,  angelegt  worden.  —  In  Preussen  sind  mehrere  Brüche  und  Sümpfe ,  die  ehedem 
ganz  unzugänglich  waren,  durch  Gräben  und  Dämme  urbar  gemacht,  die  man  jetzt  IVer- 
der  nennet  und  welche  nun  äusserst  fruchtbar  sind.  —  In  Baiern  ward  das  sogenannte  Do- 
nauinoos  zwischen  Ingolstadt  und  Neuburg ,  56,ooo  Tagewerke  gross  ,  durch  zweckmässig 
angelegte  Canäle  und  Gräben  entwässert.  Verlier  nährte  es  i3oo  Stück  Vieh  nur  ärmlich , 
seitdem  20,000  reichlich.  S.  Bredows  Chronik  des  ig.  Jahrh.  1.  Bd.  2.  Aufl.  S.  379.  — 
Wie  unempfänglich  für  solche  Verbesserungen  sind  nicht  dagegen  die  Moldauer.  Herrn  PF o[f, 
der  die  Leichtigkeit,  die  häufigen  Moräste  in  der  Moldau  auszutrocknen,  zu  zeigen  oft  Ge- 
legenheit fand,  ward  immer  ein  Lieblingssprichwort  der  Moldauer  zur  Antwort,  nähmlich  : 
Ascha  om  pomenit ,  ascha  oin  Lassa!  (So  haben  >vir  es  gefunden,  so  wollen  vvir's  auch  lassen!) 

§.    23. 
Physisches    Klima. 

Die  Grimdlage  des  pliysiscJien  Kliiiia ,  oder  der  natürlichen  Beschaffenheit  eines 
Landes  in  Beziehung  auf  die  Temperatur  der  Luft  und  "Willerung  ist  das  mathemati- 
sche oder  solarische  Klima,  welches  durch  die  geographische  Breite,  oder  den  Ab- 
stand vom  Äquator  bestinmit  wird.  Denn  der  Grad  der  Breite,  unter  welchem  ein 
Ort  oder  ein  Land  sich  befmdet,  bringt  einen  grossen  Unterschied  in  Ansehung  der 
Hitze.iuid  Kälte  hervor,  indem  nach  Verhältniss  dieses  Alistandcs  die  Sonnenstrahlen 
eine  mehr  .senkrechte  oder  schiefe  Richtung  haben,  auch  die  Dauer  der  Sommer-  und 


I.   Land   der  europ.  Staaten.  §.   s3.   Physisches  Klima.  öq 

Wintertaf(C  verscliicdcn  ist.  Zur  Bcstinimmig  dieses  Ycrhälmisses  liat  man  die  Oliei- 
flidie  des  Erdljalles  in  fiinf  Zonen  (Erdgüilel ,  Eidstriclie)  eini;cllieill :  a)  in  die  Jieisse 
Zone  (zona  torrida),  in  zwey  Hälften,  anf  jeder  Seile  des  Äquators,  l)is  23^  (tropi- 
sche Lande);  I))  c)  in  zwey  gemässigte  Zonen  (zonae  temperatae),  vom  2.5^ — 66^° 
nördlich  und  südlich  vom  Äquator:  die  nördlich  gemässigte  Zone  (zona.  temperala 
horealis)  ,  und  die  sädlicli  gemässigte  (zona  temperata  australis) ;  d)  e)  in  zwey  kalte 
Zonen  ,  vom  QQ\"  bis  an  die  Pole,  die  növdliclie  und  südlich  kalte  Zone  (zonafrigida 
Lorealis  et  australis). 

Europa  reicht  nirt;ends  in  die  lieissc,  und  nur  mit  einem  kleinen  Theile  in  Nor- 
den in  die  nördliche  Zone,  so  dass  der  grösste  Tlieil  desselben  in  der  nördlich  ge- 
mässigten Zone  liegt.  Europa's  Elima  ist  demnach,  überhaupt  betrachtet,  gemässigt, 
weder  verzehrend  heiss,  noch  erstarrend  kalt,  folglich  sowohl  der  Gesvmdheit  und 
Lebensdauer  der  Menschen,  als  auch  dem  Wachsthunie  und  Gedeihen  der  Thiere 
und  Pflanzen  sehr  zuträglich,  aber  nach  Maassgabe  der  Breitengrade  überaus  verschie- 
den, imd  lässt  sich  in  der  Hinsicht  in  drey  oder  vier  Landstriche  abiheilen: 

1)  Tiev  warme  Landstrich ^  welcher  sich  vom  36'  —  45"  erstreckt  und  ganz  Portu- 
gal, Spanien^  Südfranliipioh^  die  italienischen  Staaten,  mit  Ausnahme  der  nördlichen 
Stücke  vom  sardinischen  und  österreichischen  Italien,  die  jonischen  Inseln,  die  ganze 
europäische  Türkey ,  bis  auf  den  grösseren  Theil  dei-  Moldau ,  und  die  südlichsten 
Spitzen  von  Osterreich  imd  dem  europäischen  Russland  nnt  24,710  QM.  umfasst.  Hier  blü- 
hen die  Bäume  im  Januar  oder  Februar,  und  die  edleren  Baumfrüchtc  (die  Olive,  die 
Citrone  ti.  s.  w.)  gedeihen  im  Freyen  ohne  Schulzdach ^  in  einigen  Abschnitten  dieses 
Landstriches  selbst  das  Zuckerrohr  und  die  Baumwollenstaude ,  eigentlich  schon  tro- 
pische Gewächse,  welche  aber  doch  die  Glänzen  der  lieissen  Zone  in  der  nördlichen 
Hemisphäre  merklich  übersteigen.  Der  Sommer  beginnt  im  April  oder  May  und  die 
Hitze  steigt  bis  zum  33"  R. ;  daher  Schnee  von  den  Apenninen  und  Pyrenäen  als  la- 
bendes Kühhmgsmittel  von  allen  Volksclassen  gierig  gesucht  wird.  Der  Herbst  tritt 
spät  ein  und  ist  heiter,  der  Winter  kurz  inid  nass.  Schnee  und  starker  Frost  ist  am 
südhchen  Rande  nicht  gewöhnlich  aj.  Der  Regen  fällt  selten,  und  ohne  künstliche 
Bewässerung  würden  viele  Pflanzen  verdorren. 

2)  Dev  mittlere  oder  gemässigte  Erdstrich  -vom  z^^"  —  55°.  In  diesem  liegen  |  von 
Frankreich,  die  nördlichen  Stücke  vom  sardinischen  imd  österreichischen  Italien,  die 
Schweiz,  Deiuschland,  die  Niederlande,  England,  Irland,  Süddänemark,  Prenssen, 
Galizien,  Polen,  Südrussland,  Ungern,  Siebenbürgen  und  der  grössere  Theil  der 
Moldau,  zusammen  etwa  44,821  QM.  Hier  gedeihen  die  Südfrüchte,  mit  einigen  Aus- 
nahmen, nicht  ohne  Pflege,  doch  kommen  alle  Getreidearten,  obgleich  nicht  in  allen 
Abschnitten  dieses  Landstriches,  fort,  und  in  Frankreich ,  Ungern  und  im  südlichen 
und  westlichen  Deutschland  ist  das  Klima  auch  fiu-  das  Gedeihen  von  trelflichen  Wei- 
nen imd  feineren  Obstarten  milde  genug.  Das  Frühjahr  tritt  im  März  oder  April  ein, 
der  Sommer  nn  Juny  mid  dauert  bis  September;  die  Hitze  steigt  bis  26°  R.  Der  Win- 
ter beginnt  mit  Anfang  des  Novembers  und  die  Kälte  ist  so  gross ,  dass  die  Flüsse 
gefrieren. 

3)  Der  kalte  Landstrich ,  welcher  mit  dem,  55°  anfängt,  bis  zum  äussersten  Nor- 

8* 


go  I.  Land  der  europ.  Staaten.  §.  24-  Plijsisches  Klima.  Fortsetzung. 

deu  hinaufgeht,  und  Schottland,  Norddänemai'k  mit  Island,  Norwegen,  Schweden 
und  Nordrussland ,  überhaupt  ungefähr  82,41g  QM.  einniuunt.  Hier  fangt  das  Früh- 
jahr erst  mit  dein  Älay  oder  Juny  an.  Der  Sommer  ist  kurz  und  dauert  höchstens  bis 
in  den  August.  Meistens  gibt  es  nur  zwey  Jahrszeiten;  es  fohlt  der  allmählich  zuneh- 
mende und  der  allmälüich  abnehmende  Sommer  (der  Früliling  und  der  Herbst) ,  die 
fast  bloss  im  Kalender  sind.  Nach  dem  langen  schnee-  und  frostreichen  Winter  tritt 
gleich  Sommerhitze  ein,  und  alles  Wachsthum  geht  raschen  Schrittes  fort;  in  ein  Paar 
Tagen,  ja  bisweilen  in  Einer  Nacht,  drängen  sich  die  jungen  Baumknospen  zahlreich 
hervor,  und  nach  einigen  Tagen  ist  alles  in  voller  Blüthe ;  auch  erntet  man  meist 
schon  zu  Ende  des  July,  und  muss  im  September  schon  wieder  einheitzen.  Die  Hitze 
des  kurzen,  sehr  warmen  Sommers  wird  durch  die  langen  Tage  verstärkt  bj.  Über 
dem  65'  (in  Norwegen,  Schweden  und  Russland),  mit  dem  eigentlich  der  arctische 
Erdstrich  anfängt,  ist  die  Kälte  so  scharf  und  empfindlich,  dass  das  Quecksilber 
schon  im  September  gefriert  und  gehämmert  werden  kann.  Das  weisse  Meer  und  der- 
Eisocean  bedecken  sich  jährlich  vom  Anfange  des  Octobers  bis  zum  Anfange  des  Juny 
mit  Eise ;  die  denselben  zufallenden  Ströme  weit  früher  und  gehen  später  auf.  Alle 
Vegetation  erstirbt;  ausser  verschiedenen  Arten  von  WalHlineren  wird  kein  Obst  mehr 
reif  cj;  die  Räume  werden  zu  Rüschen,  und  die  Rüsche  zu  Geslripp  ohne  Rlätter. 
Die  Sieinmoose  verlieren  sich -in  den  ewigen  Schnee,  und  Renn-  und  Elenthicre  ma- 
chen fast  den  ganzen  Reichthum  der  dortigen  Einwohner  aus. 

o)  In  den  letzten  Jännertagen  1822  war  jedoch  die  Kälte  zu  Lissabon  so  ungewohnt  strenge, 
dass  man  in  einigen  Quartieren  bey  Tagesanbruch  Leute,  die  kein  Obdach  hatten,  erfroren 
in  den  Strassen  fand,  und  in  Spanien  lief  man  in  den  ersten  Tagen  des  Februars  d.  J.  auf 
dem  Teiche  des  Prado  mit  Schlittschuhen  ,  während  wir  hier  zu  Lande  den  Winter  nur  aus 
dem  Kalender  kannten. 

b)  Zu  Kola  (im  Gouvernement  Archangcl)  unter  68°  2i'  dauert  der  längste  Tag  60  unserer 
Tage,  so  wie  zu  Tromsöe  in  Norwegen  unter  6g°  38'  die  Sonne  zwey  volle  Monate  über  im 
Horizonte  bleibt.  Zu  Riga  und  Rei'ol  kann  man  im  Sommer  11  Uhr  des  Abends  noch  ganz 
bequem  ziemlich  kleine  Schrift  lesen ,  und  in  Altengaard  ist  die  Temperatur  um  Mitter- 
nacht noch  10"  R.  ;  um  3  Uhr  früh  schon  so  warmer  Sonnenschein,  dass  man  Schatten 
sucht.  S.  Allgem.  geogr.  Ephem.  Bd.  33.  S.  426 — 427. 

c)  Doch  wird  bey  Alten  in  Finnmarken  unter  69°  55'  noch  Kornbau  getrieben,  der  nördlichste 
Kornbau  auf  der  Welt;  ein  Verdienst  der  uni's  J.  1708  aus  Finnland  eingewanderten  Quä- 
ner ,  ächter  Finnen.  S.  Monatliche  Gorrespondenz  zur  Beförderung  der  Eid-  und  Himniels- 
kunde.  1810.  Jul.  S.  i43. 

§.   24. 
Fortsetzung. 

Allein  das  physische  Klima  hängt  nicht  bloss  von  der  geographischen  Breite  ab , 
sondern  es  wird  auch  durch  die  physische  Reschaffenheit  des  Landes  modilicirt ,  nah- 
menilich  durch  die  Lage,   die  Abdachimg,    den  Roden,   die  Cuitur  und  di^;  Winde. 

An  allen  Küsten  des  iMeeres  ist  das  Klima  verhältnissmässig  milder  und  gemässig- 
ter, als  im  Innern  der  Länder,  aber  häufig  auch  feuchter  und  veränderlicher.  —  Über 
niedrigen  Gegenden  ist  die  Luft  fast  immer  dicker  und  mit  Wasserdtinsten  mehr  an- 
gefüllt ,  als  in  den  höher  gelegenen  Gegenden ;  dagegen  auf  den  Gebirgen  dünner , 


1.  Laml   Jer  europ.  Staaten,  ij-  24-  I'liysisclies  Klima.  Forlsttzuiig.  62 

reiner  und  scliärfer,  daher  auch  verhiihnissmiissig  kiüter,  besonders  wenn  sie  hoch 
genug  sind,  ewigen  Schnee  zu  tragen  aj.  Vieles  koinnxl  hicrbcy  auf  die  Lage  und  den 
Zug  der  Gebirge  an.  Eine  beträchlhche  Abdachung  kann  die  VVirkiuig  der  Sonnen- 
strahlen und  der  Winde  verstärken  oder  schwächen ,  je  nachdem  sie  das  Land  der 
Sonne  und  den  wärmeren  Winden  bloss  stellt  und  öffnet ,  oder  diesen  hinderlich  ist. 
Einen  grossen  Theil  der  strengen  sLbiriscJien  Kälte  schreibt  man  der  nördlichen  Ab- 
dachung des  Landes  zu,  die  es  den  Nordwinden  bloss  gibt.  Dagegen  hat  die  hohe 
Temperatur  des  ungrischen  Sommers  in  den  Ebenen  ihren  Grund  darin  ,  dass  der 
Nordwind  sie  abzukiihlen  durch  die  Karpalhen  abgehallen  wird.  Mähren  biingt,  un- 
geachtet seiner  nördlichen  Lage,  meluere  geschätzte  Weinsorten  hervor,  da  die  Wein- 
gebirge dieses  Landes  nicht  nur  durch  einen  Kranz  höherer  Gebirge  gegen  Westen , 
Norden  und  Osten  geschützt,  sondern  auch  durch  die  Abdachung  nach  Süden  einer 
kräftigeren  Einwirkung  der  Sonnenstrahlen  ausgesetzt  sind.  —  Die  Beschaffenheit 
des  Bodens  eines  Landes  trägt  ebenfalls  zur  Modification  des  Klima's  bey.  Ein  sandi- 
ger, der  Sonne  ausgesetzter  Boden  erhitzt  die  Luft  ungemein.  Die  sandigen  Districte 
Jäszäg  und  Kunsäg  in  Ungern  sind  so  verzehrend  lieiss ,  dass  hier  der  Baum  selten 
zur  Vollkommenheit  gelangt.  Ein  kaltgründiger  Boden  hingegen  erkältet ,  faulende 
Wasser  und  Moräste  verderben  die  Luft.  Die  grosse  Menge  Salzes,  welche  der  Boden 
von  Sibirien  enthält,  trägt  viel  zur  Vermehrung  der  Kälte  dieses  Landes  bey.  Die 
pontinischen  Sümpfe  in  der  i5  Meilen  breiten  und  3o  Meilen  langen  Campagna  di 
Roma  (dem  alten  Latium)  verpesten  die  Luft  so  sehr,  dass  sie  den,  der  während  einer 
gewissen  Periode  (von  den  Hundstagen  an  bis  zu  den  Herbstregen)  auf  dem  Lande 
vom  Schlafe  überrascht  wird,  nicht  selten  auf  immer  entschlunmiern  lässt.  Daher  man 
diese  Sümpfe,  besonders  zur  Zeit  der  ungesunden  Luft  {nialaria  oder  aria  catti^ci) 
schnell  durchfahren,  und  sich  vor  dem  Schlafe  in  Acht  nehmen  muss.  Selbst  die  Ge- 
birgshirten  der  Apenninen,  von  stärkerer  physischer  Natur,  erscheinen  bleich,  am 
Gesichte  abgezehrt,  zum  Theil  von  Fieber- Anfällen  entkräftet,  wenn  sie  im  Winter 
mit  ihren  Vieldieerden  einige  Monate  m  der  besagten  Campagna  nomadisirt,  oder  den 
Grimdbesitzcrn  einige  Tage  der  Erntezeit  Hülfe  geleistet  haben  bj.  —  Von  ähnlicher 
Wirkung  ist  der  Mangel  an  Cullur.  Wilde  und  unangcliaute  Länder  sind  inmier  kalt 
und  feucht.  Mcnschcnlleiss  hingegen  verwandelt  kalte  Länder  in  gemässigte  (man  ver- 
gleiche luiser  Deutschland  mit  der  Germania  sjUds  liorrida  des  Cäsar  und  Tacitus)  j 
gemässigte  in  warme  (Italien  seit  Aushauiuig  der  Wälder  in  Deutschland);  feuchte  in 
trockene  (durch  Austrocknung  der  Moräste,  Ableitung  der  Flüsse  und  Aushauung  der 
Wälder),  und  durch  eben  diese  Mittel  ungesunde  in  gesunde.  Doch  Ijemerkel  mau 
auch  Beyspicle  von  entgegengesetzten  Wirkungen  der  CuIiur.  So  ist  Norwegens  Kli- 
ma an  gewissen  Stellen  kälter  geworden,  weil  man  die  Wälder,  die  gegen  schädliche 
Winde  schützten,  weghaute.  Diesem  Umstände  schrcilit  man  die  Wirkung  zu,  dass 
die  Kälte  in  Tonset  einen  höJiercn  Grad  als  in  Rbraas  erreicht,  das  doch  bedeutend 
höher  liegt.  Dalmatien  leidet  durch  zu  starke  Vernünderung  der  Wälder  öfters  Man- 
gel an  Regen  und  wird  dürr.  —  Ausserdem  konnnt  sehr  viel  auf  die  Winde  an,  um 
das  Klima  eines  Landes  mehr  oder  weniger  kalt  oder  warm,  trocken  oder  feucht  zu 
machen.  In  den  gemässigten  und  kalten  Erdstrichen  wehen  nur  veränderliche  Winde, 


g,  I.   Land   clci   europ.  Staaten.   §.   24.   Phj'sisclies  Klima.   Fortsetzung. 

-während  in  der  lieissen  Zone  die  Winde  weit  regelmässiger  sind  c).  Doch  kommen  in 
den  «eniässi'nen  und  kaken  Landstrichen  einige  Winde  häufiger  vor  als  andere ,  imd 
diese  nennet  man  herrschende  fFiiide.  Dergleichen  sind  in  den  gemässigten  Zonen 
die  TFestivinde j,  in  den  kalten  die  Ostwinde.  Jene  hringen  allemal  feuchte,  trühe  und 
neblichte  diese  immer  kalte,  trockne  und  heitere  Witterung  mit.  Verderblich  wirkt 
auf  die  Einwohner  Spaniens  der  Siidwind  {Solano) ,  so  wie  der  Südwcslwind  [Libec- 
cio)  in  Italien,  und  der  Südostwind  (Sirocco)  in  Italien,  der  Schweiz  und  in  Süd- 
tyrol  unausstehlich  lästig  sind. 

Von  furchtbaren  Meteoren  kommen  in  Europa  am  häufigsten  die  Gewitter  vor. 
Sie  sind  zuweilen  von  einer  schrecklichen  Plage,  dem  i/ag^e/^  begleitet,  in  wärme- 
ren Ländern  häufiger  und  schwerer  und  gegen  die  Polarzone  hin  äusserst  selten.  — 
Stürmischen  Bewegungen  der  Luft  sind  einige  Gegenden  Europa's  häufiger  als  andere 
ausgesetzt.  Dieses  ist  besonders  an  denjenigen  Gegenden  zu  bemerken,  die  (wie  z.B. 
Österreich  unter  der  Enns ,  die  Gegend  von  Prewald  bis  Zengh  dj  u.  s.  w.)  von  der 
einen  Seite  an  einem  grossen  Gebirge  liegen,  von  der  andern  Seite  aber  an.  eine  weite 
Ebene  sich  anschliesscu.  Wegen  des,  seit  Menschengedenken  unerhörten  und  in  so 
vielen  Gegenden  Europa's  empfundenen  Orkans,  bleiben  der  26-  nnd  27.  Dec.  1810 
für  den  Naturforscher  ewig  denkwürdige  Tage  ej.  —  Viel  seltener  sind  die  Wasser- 
hosen fj  j  die  Meteorsteine  gj  und  die  Feuerkugeln  hj.  —  Von  den  übrigen  JNle- 
teoren  verdient  hier  nur  das  Nordlicht  eine  Erwähnung,  das  sich  je  weiter  nach  Nor- 
den desto  häutiger  und  herrlicher  zeigt.  Es  kommt  jenen  Gegenden  in  ihrer  langen 
Nacht  vortrefflich  zu  Statten. 

Aber  wir  sind  noch  weit  in  der  Kunde  des  Klima's  verschiedener  Länder  zm-ück. 
Und  doch  ist  der  Einfluss  desselben  auf  das  Thier-  und  Pflanzenreich,  auf  die  Natur 
des  Menschen ,  die  Entwickelung  des  gesellschaftlichen  Triebes ,  der  Thätigkeit  und 
Tapferkeit,  der  Geisteskraft,  desNationalcharaklcrs  und  der  politischen  und  religiösen 
Verfassung  ,  so  wie  auf  das  Gelmgen  und  Misslingen  der  üntcrnehmmigen  und  Gewer- 
be der  Menschen  sehr  gross,  imd  zeigt  sich  nicht  nur  überall,  sondern  auch  nichi 
selten  unwiderstehlich  ij.  Die  Unfälle,  welche  die  französische  Armee  im  J.  i8i2  in 
Russland  erfuhr,  mid  wodurch  die  Befreyung  Europa's  von  dem  Militär-Despotismus 
voiliereitct  wurde,  schrieb  das  französische  Bulletin  bloss  dem  Einwirken  eines  ab- 
scheulichen Klima's  zu.  Das  schönste  Kriegsheer  ward  bald  nichts  mehr  als  eine^  eini- 
ge 100  Ml.  lani;e  Strasse  erstarrter  Leichen. 

a)  Die  Höhe,  über  welche  hinaus  die  Gebirge  stets  mit  Schnee  bedeckt  sind,  nennet  man  die 
Schneelinie.  Diese  Schneclinie  fängt  unter  dem  Äquator  in  einer  Höhe  von  145760  Fuss  an, 
und  senket  sich  immer  mehr,  je  näher  sie  den  Polen  kommt.  An  den  Gränzen  der  heissen 
Zone  bedarf  es  noch  einer  Höhe  von  i2 — ^i3,ooo  F.  ,  in  den  Pyrenäen  von  8700  F.  ,  in  den 
Schweizeralpen  von  7400  F.  ,  in  Island  von  2890  F.  ,  bis  sich  enälich  diese  Schneelinie  ge- 
gen die  Pole  hin  zur  Meeresfläche  niederlässt. 
6)  D.  Joa.  Ferd.  Koreff  de  regionibus  Italiae  aere  pernicioso  contaminatis.  Pars  I.  Berol.  1817. 

4.  Vergl.  Jen.  A.  L.  Z.   1818.  Nr.   11. 
i)  Auf  dem  grossen  Wellmeere  zwischen  beyden  Wendekreisen  ,  und  einige  Grade  weiter  auf 
beyden  Seiten  ,   isl  der  Wind  beslärutig  östlich  (Passalwind)  ;   im   südlichen    Theile    des  indi- 
schen Oceans  vom  10    Siidbreite   an  lierrschen    manche  Winde  nur  in  gewissen  JahrszeUen 
(Moussons-  oder  Monssomwinde) . 


I.  Land  der  europ.   Slaaten.   ^.  25-   INitürliclic  Fruchtbarkeit.  tS 

d)  Diesem  Landstriche  ist  der  unter  dem  Nahmen  Bora  bekannte  fürchterliche  Sturmwind 
eigen.  Man  empfindet  ihn  schon  bey  Adelsberg ^  4  Posten  von  Triest.  Menschen,  Thierr 
und  bepackte  Frachtwagen  sind  oft  in  Gefahr,  von  demselben  umgeworfen  zu  werden. 

e)  S.  Naturbegebenheiten  in  ff^edekind's  Geist  der  Zeit.  Jahrg.  1810.  Freyb.  und  Constanz... 
1812.  S.  27  ff. 

J)  Dieses  in  seiner  Art  ausserordentliche  Meteor  wurde  unter  andern  den  ig.  April  180g  iu 
dem  Bezirke  des  königl.  baierischen  Landgerichts  Erding  sichtbar,  und  hat  schreckliche  Spu- 
ren seines  Daseyns  hinterlassen.  S.  Naturbegebenheiten  a.  a.  O.  Jahrg.   1809.  S.    2  ff. 

g)  So  fiel  ein  Steinregen  den  ig.  April  1808  im  Fiacentinischeti ,  den  22.  May  d.  J.  in  der  Ge- 
gend von  Siannem  in  Mähren  und  den  23.  Sept.  d.  J.  zu  Lissa  in  Böhmen.  S.  Naiurbege- 
benheiten  a.  a.  O.  Jahrg.   1808.  S.  11.  ff. 

h)  Diese  Lufterscheinung  bemerkte  man  unter  andern  im  J.  1810  zu  Chalon ,  Sl.  üiez  und  im 
Maass-Departement ,  ungefähr  eine  Viertelstunde  \  on  der  Gemeinde  Brizeau  ;  dann  in  Er- 
langen und  Grailsheim.  S.  Naturbegebenheiten  a.  a.  Ü.  Jahrg.   1810.  S.  22  fl. 

i)  Die  Leetüre  des  meteorologischen  Jahrbuches  von  Dr.  Haberle  zu  Beförderung  gründlicher 
Kenntnisse  ^on  Allem,  was  auf  Witterung  und  sämnitliche  Lufterscheinungen  Eiiifluss  hat, 
nach  iamarA-'i  Annuaife  meteorologiciue  ,  mit  Zuziehung  der  wichtigsten  neuesten  deutschen 
Entdeckungen  und  Beobachtungen  in  diesem  Fache,  ist  allen,  denen  günstige  oder  ungün- 
stige Witterung  wichtig  ist ,  zu  empfehlen. 

§.    25. 
Natürliche    Fruchtbarkeit. 

Wenn  man  Europa  in  Ansehung  seiner  natürlichen  Fruchtbarkeit  mit  den  üLri- 
gen  Erdtheilen  vergleicht ,  so  niuss  es  denseUjeii  weit  nachstehen.  Es  hat  wenige  ihm 
eigenthünihche  Productc  ;  die  meisten  sind  ursprünghch  auslandisch.  Von  diesen  sind 
die  unenlbehrhchereii  schon  vor  dem  Anfange  der  zii\  erlässigen  Geschichte ,  vielleicht 
schon  mit  deia  ersten  Einwohnern  eingewandert  j  die  edleren  sind  theils  zu  den  Zeilen 
der  römischen  Herrschaft^  theils  während  der  Kreuzzüge ,  aus  dem  Orient,  einige 
seit  der  Entdeckimg  der  neuen  V^elt  aus  Amerika  nach  Europa  gehi-acht  und  daselbst 
einheimisch  gemacht  worden.  So  hat  sich  dieser  Erdlheil  mit  allen  Reichthümern  der 
Natur  versorget,  die  der  gemässigte  Himmelsstrich  zu  erzeugen  vermag,  und  Etiropa 
bringt  jetzt  fast  alles  hervor,  was  zur  Nahrung  und  Kleidung,  zur  ^Volmung,  zur  Be- 
quemlichkeit, zum  Lberfluss  und  sogar  zur  Pracht  erfordert  wird.  .Aljer  der  europäi- 
sche Boden  verlangt  mehrenlheils  verständige  Zubereitung  tuid  fleissigc  Bearbeitung 
und  gerade  diess  ist  ein,  für  die  Entwickehmg  der  jMenschheit  in  Europa  sehr  er- 
spriesslicher  Umstand.  Denn  die  Erfahrung  lehrt,  dass  die  massige  Fruchtbarkeit  des 
Bodens  den  Fleiss  der  Bewohner  aufrege  ,  sie  erfinderisch  und  arbeitsam  mache  ;  die 
Üppigkeit  desselben  hingegen  sie  zum  ruhigen,  oder  wenn  man  will,  zum  trägen  Ge- 
nüsse einlade,  weil  ein  von  der  JXatur  begünstigter  Boden  die  wesentlichen  Bedürf- 
nisse gleichsam  von  seilest  hervorbringt,  folglich  die  Menschen  weniger  Beweggründe 
haben,  ihre  Thäiigkeit  zu  äussern.  So  ersetzt  die  Natur  alle  Nachtheile  mit  Vorlheilen. , 
Was  sie  dem  einen  Lande  an  Freigebigkeit  versagt ,  das  ersetzt  sie  durch  den  Fleiss 
der  Menschen,  der  einmal  angestrengt,  keine  Ruhe  mehr  kennt.  Sehr  viel  hängt  aber 
auch  von  der  Yerfassimg  mid  Verwaltung  eines  Staates  ab.  Ein  Land,  dessen  Boden 
imfruchibar  ist,    dessen  producircndc   Classc   dagegen  Grundeigcnthum  Lesilzl ,   und 


g^  ]J.   ürprodiictioD.  ^.   £6.   Ciillur  des  Bo.Iens. 

CS  auf  die  Art,  A-vic  es  ihr  am  vortlicilhaflcstcn  scheint,  benutzen  darf;  dabey  persön- 
lich frey,  in  Ausübung  ihrer  Rechte  «^eschiitzt  und ,  wie  es  l)ey  solchen  Reitzen  zur 
Thäli'kcit  nicht  anders  scyn  kann,  fleissi«;  ist,  erfreut  sich  gewöhnhch  eines  höheren 
Wohlslandes,  als  ein  Land  mit  sehr  fruchtbarem  Boden,  dessen  Einwohner  theil.s 
durch  die  Güte  des  Bodens,  theds  durch  nachthedigen  Einfluss  der  Verfassung  und 
Yerwalinng  zur  Trägheit  bestimmt  und  darin  erhalten  werden.  Nur  einige  Gegenden 
der  Älpcnländcr,  vonichmlich  der  Schweiz,  und  die  nördUchstcn  Tbeile  von  Europa 
sind  von  der  BeschafTcnhcit,  dass  dort  selbst  der  angestrcnglcsle  Fleiss  der  Bewohner 
dem  Boden  nur  einen  sehr  kärglichen  LcbensmUeihalt  abzuringen  vermag,  so  wie  da- 
gegen wieder  die  südlichsten  Länder  im  Ganzen  am  meisten  von  der  Natur  begünsiigel 
sind,  obgleich  selbst  iinter  diesen  keines  ist,  das  durchgehends  frucJilbaren  Boden  hätte. 


IL      U   r  p   r   o   d   it    c   t  i    o   n. 

a)    Naturproducte    aus    dem    Pflanzenreiche. 

§.   26. 
Cultur    des    Bodens. 

Um  den  Grad  der  Cultur  des  Bodens  eines  Landes  zu  bestimmen,  bedarf  der 
Siaatsforschcr  der  Kunde  des  Flächeninhaltes  sowohl:  i)  des  unproducth'eu  <t)  Lan- 
des, des  wüsten  imd  des  benutzten:  zu  AVohnplätzen ,  Comnmnicationswegen,  Lust- 
örtern  und  zu  anderem  Gebrauche ,  als :  2)  des  productiven  b)  nach  der  verschiede- 
nen Verwendung:  zu  Nahrungsgewächsen,  zu  Fiitterkäutern,  zum  Obst-  imd  Wein- 
bau, zu  Waldungen  u.  s.  w.  Die  Cultur  des  Bodens  ist  zweyfach :  die  extensive  und 
die  inteiish'e.  Jene  besteht  in  der  Ökonomie  mit  dem  Lande  :  in  Ansehung  der  Breite 
der  Wege,  der  Einfriedigung,  der  Nutzbarmachung  des  bisher  unbenutzten  durch 
Ansiedelung  und  Anbau  neuer  Wohnungen  und  durch  neuen  Landbau  c).  Diese  be- 
ruht auf  der  Erhöhung  des  wirthschaftlichen  Ertrages  von  dem  productiven  Lande: 
durch  bessere  Verlhcilung  </) ,  bessere  Bearbeitung  vmd  Bedüngung,  durch  Anwen- 
dung besserer  Ackergerälhe  mid  durch  Anbau  einträglicherer  Gewächse.  Bcyde  Gul- 
turarten  hängen  theils  von  der  BescbafTenheit  des  Bodens  und  des  Klima's ,  theils  von 
der  Menge  und  dem  Charakter  der  Einwohner  ab;  aber  auch  eine  sorgfältige  Staats- 
verwaltung eignet  sich  einen  entscheidenden  Antheil  daran  zu. 

Da  Europa,  mit  Ausnahme  der  Lappen  tmd  Samojeden j  welche  noch  immer 
ein  Hirten-  oder  Jägcrleben  führen,  bloss  sesshafie  Nationen  hat:  so  ist  dicss  ein,,  die 
Cultur  des  europäischen  Bodens  sehr  begünstigender  Umstand.  Sie  hat  sich  in  den 
meisten  Ländern  dieses  Erdtheils  in  neuem  Zeiten  gehoben,  luid  steht  in  nichreren  aiif 
einer  blühenden  Stufe.  Vorzüglich  sind  es  die  JS iederl aride ,  Englands  Dentschlandj, 
Franheicli  j,  die  Schweiz  und  der  grössere  Theil  von  Italien  j  wo  die  Bodenculiur  , 
besonders  die  intensive,  mit  solchem  Flcisse  betrieben  wird,  dass  sie  ungefälir  den 


II.  Urprodiiclion.  $.   f;,  Ackerbau.  65 

Grr.d  crreicJit  liat,  der  keine  bedeutende  Vergrösserunj^  der  Nationalkral't  uiolir  zu- 
la.sst.  Daypgcri  sind  die  Natiu'anlagcn  anderer  Länder,  vornehmlich  Russlands _,  Po- 
lens,, .Galliens j  UitgernSj  Spaniens j  Portugals  vuid  der  Türkery  grössien  Theils 
noch  sehr  unvollkommen  benutzt,  und  haben  bey  weitem  den  Grad  der  Ciiltur  noch 
nicht  gewonnen ,  dessen  sie  fiihig  sind. 

d)  In  Russla7id  beträgt  das  zur  Cultur  xöllig  unfähige  Land,  nach  v.  IVichmann ,  67,157  QM. ; 
das  culturfähige,  aber  noch  ganz  unbebaute  Land  soll  im  europäischen  Russiand  allein 
.32,000  QM.  einnehmen.  —  In  Schtt-'edcn  ist  das  grössten  Theils  unurbare  Land,  nach 
Crome,  8778  QM.  gross.  —  In  Österreich  beträgt  der  grössten  Theils  zur  Cultur  unfähige 
"Boden  24o5  QM.  ,  oder^,  und  in  England  und  Frankreich,  nach  Crome ,  mehr  als  |  des 
ganzen  Flächenraumes.  In  Spanien  soll,  nach  Ebendemselben,  mehr  als  j,  vielleicht  die 
Hälfte  des  culturfähigen  Bodens  unangebaut  seyn. 

b)  In  iS'c/itp'edf/i  beträgt  das  landvvirtlischaftlich  benutzte  Acker-,  Wiesen-  und  Gartenland, 
nach  Crome,  nur  A' des  ganzen  Flächenraums,  oder  365  geogr.  QM.  Dagegen  enthält  die 
ganze  landwirthschaftlich  cultivirte  Oberfläche  des  österreichischen  Kaiserlhums  g4i6i5,ogi 
Joch ,  oder  ^?  des  ganzen  Flächenraums ,  oder  g65o  QM. 

c)  Die  beträchtlichsten  Ansiedlungen ,  vorzüglich  durch  Deutsche,  geschahen  in  Russland  und 
Österreich  j  in  jenem  Kaiserstaate,  nahmentlich  im  saralow' sehen  Gouvernement  auf  beydea 
Seiten  der'//''o/g-a ^  auch  längs  der  Medii-'ediza  und  Ilawla,  dann  in  Neurussland ^  oder  den 
Gouvernements  JekaterinoslanJ ,  Taurien  und  C/terson  ;  in  diesem  —  in  Galizien  und  Ungern, 
In  jenem  Rönigreiche  belauft  sich  die  Zahl  der  Pflanzdörfer  auf  186,  die  mit  2o,ooo  Colo- 
nistcn  bevölkert  sind;  in  diesem  sind  die  Wnimorle  von  1785 — i8o5  um  eine  Stadt,  88 
Marktflecken  und  5i6  Dörfer  vermehrt  worden.  - —  Tri  der  Mark  Brandenburg  sind  bereits 
unter  Friedrich  II.  viele  öde  Gründe  angebauet ,  überflüssige  Wälder  umgehauen,  Moräste 
ausgetrocknet ,  und  36g  neue  Dörfer  angelegt  worden.  —  In  Baiern  waren  bis  zum  J.  i8o5 
bereits  1760  öde  Gemeindegründe  inländischen  und  fremden  Colonisten  unentgeltlich  und 
auf  Eigenthum  eingeräumt  worden,  und  eben  war  man  beschäftigt,  noch  642  andere  Di- 
stricte  mit  109,174  Tagewerken  zu  vertheilen.  —  Selbst  Spanien  liess  Deutsche  einladen, 
sich  in  Andalusien  und  auf  Sierra  Morena  niederzulassen. 

</)  Gekrönte  Preisschrift  über  Güter-Arrondirung  ,  mit  der  Geschichte  der  Cultur  und  Land- 
wirlhschaft  in  Deutschland,  und  einer  statistischen  Übersicht  der  Landvvirthschaft  von  je- 
dem Kreise  des  Königreichs  Baiern  ,  dann  zwey  iliuminirten  Flurkarten.  Vom  Staatsrathe 
<ioa  Hazzi  etc.  München,  1818.  gr,  8. 

§•   27. 
Ackerbau. 

Das  characteristische  Kennzeichen  des  Feldljaues  ist  der  P/lug  j  der  das  Feld  in 
sicher  verwandelt.  Die  Hauptgeschäfte  des  Ackerbaues  sind :  i)  zweckmässige  Ztibe— 
reitung  des  Bodens  durch  Auflockern  und  Düngen  j  2)  rechte  Behandlung  der  Saat 
vom  Ausstreuen  des  Samens  an  bis  zur  Ernte.  Der  Hauptgegenstand  desselben  ist  das 
Gc-^re;V/e  in  allen  seinen  Arten,  die  vorzüglichste  Nahrung  des  Europäers,  so  wie  es 
der  Pisangbäum  fiir  alle  Länder  der  heissen  Zone  ist.  Ausser  diesem  hat  aber  der 
Aokerltau  noch  sehr  viele  Gegenstände,  die  eine  solche  Behandlung  verlangen  oder 
er! ragen;  mehrere  Küchengewächse  und  .Haudelskräuter  gehören  noch  vorzüglich  zu 
den  Feldfi  üchien. 


tS6  II.  Urproductiou.  ^.  28.  Ackerbau. 

Am  sorgfaltigsteu  und  kunslmässigsten  wird  der  Ackerbau,  dieser  unversieglich<' 
und  uuberaubliche  Natioualschatz,  in  den  Niederlanden  j  besonders  in  den  südlichen 
Provinzen  a)  dieses  Königreichs  j  dann  in  England  Z»),  Nordfrankreich j  Deutsch- 
land ^  vornehmlich  in  dessen  südlichen  Hälfte  c) ,  in  Ober-  d)  und  Mittelitalieti  e), 
mit  Ausnahme  des  Kirchenstaates ,  und  in  einigen  Gegenden  der  Schweiz  f)  behan- 
delt. Ausserdem  ist  ein  sorgfältigerer  Betrieb  dessell)en  in  Schweden  g)  und  Däne- 
mark sichtbar.  Dagegen  wird  der  Ackerbau  auf  den  fruchtbaren  Fluren  des  Kirchen- 
staates j  Neapels  _,  Siciliens  _,  Spaniens  li)  ,  Portugals  j  Ungerns  i)  ,  GalizienSj  Po~ 
lens  j  Russlands  und  der  Fürkey  kunstlos  betrieben,  im  unbedingten  Vertrauen  auf 
die  Freygebigkeit  der  Natur  die  Wirksamkeit  derselben  durch  keine  raflinirte  Industrie 
unterstützt,  und  der  Ertrag  würde  nie  so  wichtig  werden  können,  käme  die  Natur 
und  der  Boden  dem  Menschen  nicht  so  willig  zu  Hülfe. 

d)  Sehr  rühmenswerth  ist  unstreitig  der  Fleiss ,  den  die  Belgier  auf  das  Jäten  ,  Düngen  und 
überhaupt  Zubereiten  ihrer  Felder ,  so  \vie  auf  das  Einräumen  der  Äcker  —  in  Belgien  das 
Ausschiessen  der  Rigolen  genannt  —  \s'enden  ,  wodurch  der  Saatacker  eine  gewisse  Vollen- 
dung, ein  besonders  nettes  Ansehen  gewinnt.  Grossen  Theils  \vird  das  Ackerland  garten- 
artig, niit  dem  Spaten  oder  dem  Grabscheit  bearbeitet.  Rein  Land  gebraucht  so  mannig- 
faltige Düngungsmittel ,  als  Belgien.  Ausser  dem  gewöhnlichen  Miste ,  der  häufig  mit  Rar- 
tofTelkräulrich  \  ermischt  wird  ,  gebraucht  inan  auch  viel  menschliche  Excremente  ,  die  in 
eigens  dazu  eingerichteten  Rarrenkasten  transportirt  werden  ;  auch  die  Absvürfe  von  Flci- 
scherhalleu  und  Fischwcrkcn  ,  die  mit  11  —  i5mal  so  viel  Krautmasse  und  Stroh  versetzt 
werden;  ferner  die  Abfälle  von  Lcder-  und  Hutmanufacturcn  und  Znckerraffinerien  u.  s.  w. 
Im  Lande  /^ar*  werden  von  den  Raufleuton  Diingennagazine  angelegt,  worin  sie  Dünger 
in  allen  Qualitäten  aus  den  von  den  Städten  erhaltenen  Abgängen  aller  Ort  sammeln,  und 
sodann  daraus  in  verschiedener  Qualität  und  Qtiantität  verkaufen.  Der  Belgier  kauft  endlich 
sehr  viel  Dünger  aus  andern  Gegenden,  und  jährlich  kommen  über  Lille  und  Sas  de  Gand 
mehr  als  3oo  Schiffe  mit  Dünger  k  642  Ctr.  ,  und  eben  so  viel  aus  Holland  mit  Asche.  Frey- 
lich nehmen  die  Cullurkosten  im  Durchschnitt  |  der  Ernte  weg,  weil  der  Boden  nur  durch 
Cultur  zu  hohem  Ertrag  gebracht  wird;  da  hingegen  in  den  von  der  Natur  begünstigten  Län- 
dern, z.  B.  in  Italien,  die  Cullurkosten  nur  j  des  Ertrags  an  sich  nehmen.  S.  Ergänzungsbl. 
z.  A.  L.  Z.  Nr.  107.  1812.  S.  85i— 853. 
b)  Ungeachtet  des  Vorwurfs  einer  fast  ausschliesslichen  Begünstigung  des  Handels  und  der 
Fabrication  hat  der  Ackerbau  in  England  doch  sehr  grosse  Fortschritte  gemacht.  Der  eng- 
lische Landwirth  hat  alle  seine  Grundstücke  beysainmen,  die  er  mit  Gräben  oder  mit  leben- 
digen Zäunen  einschliesst ,  wodurch  sie  die  Vorlheile  eines  Gartens  erhalten.  Die  Hälfte  des 
Guts,  auch  wohl  z^vey  Drittel  desselben  werden  zum  Anbau  der  Futterkräuter,  oder  zur 
Anlegung  künstlicher  Wiesen  bestimmt;  das  Übrige  bleibt  Ackerfeld.  Brache  findet  niemals 
Statt.  Der  Gebrauch  besserer,  von  den  Britten  selbst  erfundener  Ackergeräthschaften  ,  die 
Benutzung  des  Mergels,  des  Seetangs  und  der  Fische  zu  Dünger,  wo  es  an  animalischem 
Dünger  fehlt,  und  das  Wechseln  mit  Getreide,  Rüben  und  Rlee  ,  tragen  nicht  minder  zur 
Erhöhung  des  landwirthschaftlichen  Ertrages  bey.  —  Die  Gründe,  warum  England  dessen 
ungeachtetseitGo  Jahren  ein  Rorn  einführendes  Land  ist,  sind  folgende:  Der  Ackerbau  hat  sich 
zwar  seit  dieser  Zeit  \erliältnissmässig  zur  Volksvermehrung  ver\oIlkommnet ,  aber  die  Con- 
sumtion  ist  nicht  in  diesem  Verhältnisse  geblieben  ,  sondern  aus  ihrer  vorigen  Einfachheit 
mehr  in  die  von  Weitzen  ,  von  Fleische  ,  von  Getränken ,  die  aus  Früchten  bereitet  wer- 
den ,  übergegangen  ;  besonders  aber  hat  die  Haltung  von  Pferden  sich  so  ungeheuer  (nähin- 
lich  bis  zu  i,5oo,ooo)  vermehrt,  dass  sie   einen  weit  grossem  Theil  der  Ländereyen  in  An- 


II.  ürproductiou.  §.  28.   Ackerbau.  "      67 

sprurli  nimmt ,  als  in  Rücksicht  auf  den  Getreidebedarf  eigentlich  dazu  verwendet  werden 
sollte,  wodurch  sich  ein  für  die  Getreide-Consumenten  immer  nachtheiligeres  Verhällniss 
zwischen  Acker-  und  Wieseriland  festsetzt,  ohne  den  Schaden  in  Anschlag  zu  bringen,  den 
die  grosse  Anzahl  meilenlanger  Parks,  oder  der  weitläufigen,  durch  Kunst  \erschönerlen 
Landschaften,  dem  Ackerbau  verursachen.  S.  Zustand  der  Landescultur.  Ursachen  und  Fol- 
gen des  Getreidemangels  in  England ;  in  dem,  von  Friedr.  Genz  herausgegebenen  histori- 
schen Journal.   1800.  S.  476 — 492. 

c)  Unter  andern  bildet  in  Österreich  ob  der  Enns  von  Gnmnden  bis  Kremsnmnster  und  von  hier 
hinab  bis  5/f;'f7- und  St.  Florian]C(lcs  einzelne  wohlgebaute  Bauernhaus  mit  seinen  Wirlhschafts- 
gebäuden  und  Grundstücken  ein  herrliches  Tableau.  Rein  Bauer  hat  mehr,  als  er  gehörig  be- 
stellen kann;  er  ^erliert  keine  Zeit  mit  Düngorfahren  aufstunden-  oder  meilenweit  entlege- 
ne Acker;  seine  Pferde  und  seine  Knechte  kommen  nicht  ermüdet   mit  dem   Pfluge  auf  das 

'  Feld;  sie  haben  ja  kaum  eine  viertel  Stunde  weit.  Durch  diesen  einzigen  Umstand  wird 
schon  eine  Übersicht ,  die  Handhabung  einer  Ordnung  möglich,  die  bey  grösseren  Gütern 
gar  nicht  ausführbar  ist.  Die  Äcker  sind  schön  gepflügt,  in  schmale  Beete  gcthcilt  und  ge- 
,  gen  das  Vieh  geschützt;  die  Raine  mit  Äpfel-  und  Birnbäumen  zum  Cider  bepflanzt;  die 
Wiesen  werden  geebnet ,  gewässert  und  gedüngt.  Daher  üppige  Grasfülle  und  herrliches  Vieh  ; 
daher,,  als  Folge  dieser  Segen  bringenden  Cultur,  allgemeiner  Wohlstand.  S.  Reise  durch 
Oberösterreich  \on  Schuttes.   1.  ThI.  S.  23i  fT. 

d)  Vornehmlich  in  der  Lombardie  und  im  T'iiieiianischeri ,  in  Lucca  ,  Piemonl  und  Genua. 

e)  Nahmentlich  in  Toscana,  von  dessen  Landwirthschaft  Hr.  Simonde  in  seinem  Tableau  de 
C Agricullure  Toscnne  ein  reitzendes  Bild  entwirft,  durch  die  Beschreibung  des  Thaies  von 
Niecole  ß  in  der  Nähe  von  Peseta,  wo  Niederungen,  sanfte  Höhen  tmd  Gebirge  sich  finden, 

.  von  welchen  drey  verschiedenen  Lagen  der  Italiener  jede  auf  eine  ganz  eigene  Art  behan- 
delt. In  den  Niederungen  sind  die  Felder  gemeiniglich  oben  und  unten  mit  Gräben  verse- 
hen. Durch  jene  wird  das  Wasser  darauf,  und  durch  diese  wieder  davon  geleitet.  Zum 
Wässern  hat  man  selten  eigene  Gräben,  sondern  man  bedient  sich  dazu  der  schmalen  We- 
ge zwischen  den  Beeten  und  anderer  Vorrichtungen  ,  wobey  man  keinen  Boden  \  erlicrt. 
Die  Gräben  sind  mit  Pappeln  besetzt ,  zsvischen  denen  Weinstöcke  stehen ,  deren  Ranken 
an  die  Pappeln  befestiget  werden.  Quer  durch  die  Felder  geht  eine  doppelte  Reihe  \on 
Maulbeerbäumen.  Wo  es  der  Boden  und  die  Umstände  vertragen  ,  da  nutzt  man  die  Fel- 
der zu  Gartengewächsen  ,  und  düngt  dazu  hauptsächlich  mit  Menschenkoth  ,  den  man  un- 
ter allem  andern  Dünger  für  den  besten  hält ,  und  worauf  man  den  grössten  Werlh  setzt. 
Das  Ackerland,  das  man  grossen  Theils  ,  gleich  einem  Blumengarten,  mit  der  Schaufel  be- 
arbeitet, bauet  man  in  drey  oder  auch  in  vier  Feldern.  Das  Vieh,  die  Rinder  werden  auf 
dem  Stalle  gefüttert.  —  Die  sanften  Höhen  sind  die  Lagen  für  die  Oliven,  den  Wein  und 
das  Obst.  Der  Fruchlbau  ist  weit  unbedeutender.  —  In  den  Gebirgen  ist  die  Landwirth- 
schaft auf  die  zahmen  Kastanien  und  die  Schäfereyen  gerichtet. 
/ )  Besonders  auf  dem  Fellenberg' sehen  Gute  zu  Hoßij-l  im  Canton  Bern  ,  wo  alle  Ländereyen 
und  Wiesen  die  Wohn-  und  Wirthschaftsgebäude  in  einem  Zirkel  umgeben,  iind  wo  die 
möglichste  Auflockerung  und  Bearbeitung  des  Bodens ,  Fruchtwechsel  und  Drillwirthschaft 
oder  Reihenpflanzung  eingeführt  ist.  Die  Sorgfalt  in  Ansehung  der  Vermehrung  der  Dün- 
gungsmittel treibt  Hr.  Fellenberg  so  weit,,dass  er  nicht  nur  vier  Esel  mit  eben  so  viel  klei- 
nen Wagen  und  Knaben  hält ,  die  den  Mist ,  den  die  Pferde  fallen  lassen  ,  a\i/'lesen  ,  ^  son- 
dern auch  seinen  Arbeitern  bewegliche  AbtrittCi  auf  das  Feld  nachführen  lässt.  S.  H.  A.  L. 
Z.  Nr.  168.  1808.  und  Nr.  25o.  1810.  S.  149  ff.  Folgende  Ackergeräthschaften  und  Maschi- 
nen sind  daselbst  im  Gebrauche:  1)  der  Exstirpator  oder  die  Pferdehacke;  2)  der  Furchen- 
zieher oder  die  kleine  Pferdehacke  :  5)  der  Schwingpflug ;    4)    ein   Pflug  mit   zwey   Ohren  , 

9* 


68  II.  Ürproduction.  ^.  s8.  Hindernisse  des  Acterbaues. 

auch  Häufl-Pflug  ;  5)  eine  Samen-Reinigungsmaschine  ;  6)  vereinfachte  Säemaschinen  für  allcAr- 

ten  von  Getreide  ;  7)  Schneide-  und  Dreschmaschinen  ;  endlich  8)  Blasbälge  gegen  Ungeziefer. 
g)  Vornehmlich  in  Angermanland  und  Helsingland.  S.  Allg.  geogr.  Ephem.  Bd.  27.    S.  297  fF. 

und  S.  3o3. 
K)  Mit  Ausnahme  der  Provinzen  Biscaya  ,  Guipuscoa  ,  Alana  und  Valencia  ,  wo  man  sehr  viel 

Fleiss  auf  die  Cultur  dos  Bodens  verwendet. 
/)  Mit  Ausnahme  der  sehr  betriebsamen  Zips, 

§.   28. 
Hindernisse    des    Ackerbaues. 

Dic'Hindernisse  j  welche  der  grösseren  Aufnahme  des  Ackerhaues  hierund  da  im 
Wege  stehen,  sind  theils  phjsischj  theil  moralisch j  tlieils  politisch j  theils  in  ande- 
ren Umständen  gegründet. 

Zu  den  physischen  Hindernissen  des  Ackerhaues  gehören  das  Khma  ,  die  Gehirge, 
Sümpfe  und  Moräste,  der  wellsandige,  salzige  und  dürre  Boden  mancher  Länder  und 
Gegenden,  wodurch  jede  Art  ökonomischer  Cultur  entweder  gänzlich  unmöglich  ge- 
macht, oder  wenigstens  so  erschwert  wird,  dass  sie  nur  durch  grosse  Anstrengung, 
durch  Ausdauer  kann  hewcrkstelliget  werden.  Es  ist  erstatmi  ch,  mit  welchem  Fleisse 
oft  raiüic,  nackte  Felsen,  wie  z.  B.  in  der  Schweiz  j  in  Tyrolnnd  andern  Alpenlän- 
dern,  oder  unwirthharer  Sumpf- imd  Moorhoden,  wie  in  den  nördlichen  Provinzen 
Aer  Niederlande  j  oder  untragharer  Flugsand,  wie  in  der  Mark  Brandenburg ^  ^cich.- 
wohl  heurhart  und  fruchthringcnd  gemacht  sind.  —  Wie  verderhlich  auf  Ackerbau 
in  Jiiehreren  Gegenden  Italiens  vergiftende  Hauche  tödtlicher  J^uftarten  wirken ,  l)e- 
weiset  unter  andern  die  Campagna  di  Roma  j  wo  durch  bösartige  LufthaucJte  fast 
jährlich  die  Yolkszahl  der  niedrigen  Volksclassen  abnimmt,  und  es  desshalb  an  gesun- 
den ,  brauchbaren  Landarbeitern  fehlt.  Einzelne  vormals  getheilte ,  mit  Fruchtsegen 
bearbeitete  Grundbesitzungen  werden  mit  dem  anhaltenden  Aussterben  der  Landleute 
in.  obgedachter  Campagna  in  immer  grössere  Herrschaften  vereinigt,  und  mit  dieser 
Veränderimg  grössten  Theils  nur  zur  nomadischen  Viehweide  im  Winter  benutzt 
(vergl.  §.  24-)- 

Zu  den  moralischen  Hindernissen  rechnet  man  theils  die  Abneigung,  welche  ei- 
nige europäische  Nationen ,  nahmenilich  die  Spanier  j  l^ortngieseh  und  die  Osnianen 
gegen  den  Ackerbau  haiien ,  theils  die  grössere  Neigung,  andere  indifstriöse  Beschäf- 
tigungen dem  LandJjaue  vorzuziehen,  und  die  Hauptbeschäftigung  ^.um  geringeren  Ne- 
bengewerbe zu  machen,  welche  Sitte  man  nahmentlich  bey  den  Rassen  wahrninuut. 
Viele  russische  Bauern  wandern  in  die  Städte,  wo  sie  sich  durch  verschiedene  Ge- 
werbe mehr  verdienen,  und  eben  darum  auch  ihren  Herren  (die  ihre  Grundsliicke 
nicht  nach  der  Grösse  und  Fruchtbarkeil  des  Bodens ,  sondern  nach  der  Anzahl  der 
Leibeigenen,  und  dem  reinen  Geldgewinnsl,  den  dieselben  jälirlich  liefern,  schätzen) 
mehr  an'Aljgaben  entrichten  können.  '"'  ' '■'     '  c  '        '  | 

Yi'ie  politischen  Wxndermsse  zerfallen  in:  1)  Reste  des  Miltelalters  in  Bezug  auf 
den  Landbau,  welche  wiederum  sich  theilen :  a)  Hiadernisse  in  Bezug  auf  die  Arbeit 
oder  die  Personen,  die  das  Land bel)aucn; /3)  Hindernisse  in  Bezug  auf  das  Gut.  2)Neue 
Hindernisse  des  Ackerbaues ,  welche  erst  nach  dem  Mittelalter  eintraten. 


II.   Urproduction.  ^.   28.   Hiiideruisse  des  Ackerbaue«.  6q 

Die  unter  a)  gehörenden  Hindernisse  bestehen  in  Leibeigenschaft  und  Frohnvci- 
hähnisscn.  —  Zu  den  Hindernissen,  welche  unter y3)  angegeben  sind,  rechnet  man 
besonders  :  die  unverhäUnissmässig  grossen  Güter  ,  wie  es  deren  z.  B.  in  Spa/tlen 
gibt  a);  das  Missverliähniss  zwischen  der  Zahl  der  Äcker  und  Wiesen  ö) ;  die  gleiciie 
Theihmg  der  Güter  und  also  die  immer  grössere  Auflösung  des  Ganzen  in  die  klein- 
sten Bestandtheile,  wie  es  z.  B.  in  Ungern  und  in  einigen  Gegenden  der  Schweiz  cin- 
gefulirt  ist  c) ;  das  Zehentrecht,  das  in  keinem  Lande  so  strenge  imd  ausgedehnt  ist, 
wie  in  England  d);  die  Hut-  und  Triftgerechtigkeit,  besonders  die  dem  Landbaue  so 
nachtheilige  Mesta  in  Spanien  e);  die  Gemeinheit  des  Eigenthums  /^  ;  der  Missbrauch 
des  Jagdrechts  ^);  zu  grosse  Dörfer  und  die  damit,  als  eine  natürliche  Folge,  vei'biui- 
dene  Zerstreutheit  der  Feldbesitzungen,  wie  es  z.  B.  der  Fall  in  Ungern  ist  //)jdie  in 
Italien  übliche  Meierwirthschaftj  vermöge  welcher  der  Bauer  Meier  ist,  der  das 
Meiergiit  gewöhnlich  auf  Erbpacht  besitzt,  wovon  er  die  Pacht  theils  in  natura  — 
nähmlich  die  Hälfte  der  jährlich  gewonnenen  Producte  —  an  den  Gutsherrn  abgil)t, 
theils  aber  auch  für  die  Benutzimg  des  von  dem  Gutsherrn  gestellten  Viehes  die  Hälfte 
des  jälirlichen  Pachtzinses  der  Wiesen  (ä  40  Franken  der  Morgen)  im  Gelde  bezahlt/). 

Die  neuen  j  erst  nach  dem  Mittelalter  entstandenen  Hindernisse  sind  vornehmlich 
folgende  :  Begünstigung  des  städtischen  Gewerbes  auf  Kosten  des  ländlichen;  Vcrboth 
und  Erscliwerung  der  Getreideausfuhre  als  Regel  k) ;  fehlerhafte  Einrichtung  des  Mt- 
gabensystems  (vorzüglich  in  Ansehung  des  Landbaues,  hohe  Grimdsteuer  und  das 
Steigen  derselben  mit  der  Verbesserung  der  Cultur,  wie  z.  B.  in  Frankreic/i). 

Von  den  in  anderen  Umständen  gegründeten  Hindernissen  des  Ackerbaues  ver- 
dienen besonders  folgende  beachtet  zu  werden:  1)  der  in  einigen  Ländern,  wie  z.  B. 
in  Russland  j  Ungern  ^  Spanien  j  Statt  findende  Mangel  an  arbeitenden  Händen; 
2)  der  hier  und  da  herrschende  Mangel  an  gehörigem  Absätze  der  landwirlhschaflii- 
chen  Producte,  theils  weil  es  zu  wenig  Städte,  zu  wenig  Gonsumenten,  wie  z.  B.  in 
Ungern  j  gibt,  theils  weil  es  an  guten  Strasserf,  wie  z.  B.  in  Spanien j  fehlt;  3)  der 
gestiegene  Preis  der  ersten  Lebensbedürfnisse  und  die  bessere  Art  zu  leben,  an  welche 
auch  der  gemeine  Mann,  besonders  m  England _,  Frankreich j,  Deutschland  und  üä^ 
neinark  sich  gewöhnt  hat;  endlich  4)  der  Umstand,  dass  der  grösste  Theil  der  Land- 
wirthe  gerade  zu  der  gemeinsten  Classe  der  Staatsburger  gehört,  bcy  welcher  die  Gei- 
stescultur  in  Rucksicht  auf  ökononüsche  KennlJiisse  in  der  Regel  auf  einer  niediigen 
Stufe  steht ,  und  die  Anhänglichkeit  an  das  AJte  und  Hergel)rachte  eine  fast  unüber- 
windliche Neigung  ist. 

ä)  Wie  können  Latifundia  von  i5  —  2o,ooo  Morgen  Terrain  an  Feldern,  Wiesen  und  Hutunj; 
orijentlich  bewirllischaftet  werden?  —  Aber  die  Zerreissung  der  grösseren  Güter  in  kleine 
Parzellen,  wie  diess  in  Frankreich  in  Folge  der  Re\ülulion  geschah,  hat  auch  ihre  Nach- 
theile. Eine  RIenge  nicht  völlig  befriedigter  kleiner  Eigeiilhiimer  ist  an  die  Stelle  d,jr  ehe- 
maligen wenigen,  aber  befriedigten  grossen  getreten.  Da  diese  Leute  das,  was  sie  von  ih- 
rem Acker  ernten ,  seihst  wieder  verzehren :  so  tragen  sie  zur  weitern  Consumtion ,  und 
folglich  zu  der  Production  und  dem  Handel,  und  daher  zu  dem  gemeinen  Besten  damit 
nichts  bey  ;  ja  sie  haben,  um  leben  zu  können,  nicht  seilen  noch  einen  andern  Erwerb  nö- 
thig.  S.  Götting.  gelehrte  Anzeigen.  i8o3.  Sttick  29.  S.  282  S.  Vergl.  Hall.  AUg.  Lit.  Zeit. 
181  o.    Nr.    HO. 


-Q  Jl.   Uiprodiiclion.  ij.  2g.   Befürderuni^mitUl  des  Ackeibaucs. 

6)  Wenn  dio  Wiesen  sich  in  der  Regel  gegen  die  Felder  wie  i  :  i2  bis  2o,  wohl  gar  zuwei- 
len'wie  1  :  3o  bis  5o  —  anstatt  i  :  4  oder  5  —  verhalten,  oder  wohl  gar  hier  und  da  fehlen 
und  auch  der  Klee-  und  Futterbau  vernachlässiget  wird :  wie  lässt  sich  da  an  hinreichendes 
Futter  T  an  einen  verhältnissmässigen  ,  gut  genährten  Viehstand  denken?  wenig  und  kraft- 
loser Dünger,  magere  Äcker  und  Ernten  sind  dann  eine  natürliche  Folge  davon. 

c)  Mancher  reiche  Gutsbesitzerin  [/«g^eni  besitzt ,  wegen  der  gleichen  Theilung  der  Güter, 
kein  einziges  Dorf  allein,  wohl  aber  Antheiie  an  2o  Ortschaften.  S.  Jen.  Allg.  Lit.  Zeit. 
Nr.  25g.  1811.  S.  287.  —  In  der  Sigrisw'yler  Gemeinde  im  Berner  Oberlande  ist  selten  eine 
Juchart  zu  finden  ,  die  nur  Einen  Eigenthümer  hätte  ;  ja  man  kann  manche  Flecken  ,  die 
nicht  grösser  als  ein  gewöhnliches  Wohnzimmer  sind,  zeigen,  an  welchen  mehrere  Anthei! 
haben.  S.  Gotting.   gel.  Anz.   1808.  St.  178.  S.   1772  ff. 

d)  Wo  die  Grundstücke  im  Ganzen  jährlich  3,5oo,ooo  Pf.  St.  an  Zehnten  bezahlen.  S.  AUg. 
geogr.  Ephem.  Bd.  3o.  S.  289  ff.  Vergl.  Bisingers  Vergleichende  Darstellung  der  Staatsver- 
fassung der  europäischen  Monarchien  und  Republiken.  S.  355^356. 

e)  In  den  Gegenden  ,  durch  welche  die  wandernden  oder  Merinoschafe  zu  ziehen  berechtiget 
sind,  dürfen  die  Felder  nicht  eingehäget  werden;  man  muss  ihnen  eine,  90  spanische  El- 
len breite  Strasse  frey  lassen;  sie  dürfen  frey  auf  allen  Triften  weiden,  und  die  Weiden  in 
Estremadura 3  wo  sie  überwintern ,  müssen  ihnen  um  einen  festgesetzten  geringen  Preis 
überlassen  werden.  S.  Neueste  Runde  von  Portugal  und  Spanien.  Weimar,  1806.  S.  283. 

/)  Auf  der  Insel  Sardinien  z.  B.  herrscht  die  Gewohnheit,  dass  die  meisten  Felder  den  Ge- 
meinden als  Gesammteigenthum  gehören  ,  und  dass  die  Benutzung  derselben  jährlich  unter 
den  Gemeindegliedern  abwechselt,  mithin  die  Äcker  aus  einer  Hand  in  die  andere  über- 
gehen ,  so  dass  sie  von  jedem  Einzelnen  ausgesogen  werden  ,  weil  jeder  seinen  Antheil  nur 
Ein  Jahr  lang  benutzt.  S.  Crome's  Allgemeine  Übersicht  der  Staatskräfte  von  den  sämmtli- 
chen  europ.  Reichen  und  Ländern.  Leipzig  1818.  S.  670  ff. 
i  g)  Im  ehemaligen  Zwejbrückischeti  z.  B.  hatte  der  grosse  (jetzt  vernichtete)  Wildstand  durch 
die  angerichteten  Verheerungen  den  Landmann  fast  zur  Verzweiflung  gebracht.  S.  H.  A. 
L.  Z.  1810.  S.  878. 

/i)  Wo  der  Bauer  an  manchem  Orte  sein  Heu  und  Getreide  mit  unglaublicher  Mühe  und  Ar- 
beit, mit  Ernährung  von  4  —  6  Tagelöimern  ausser  dem  Gesinde,  mit  Zeitverlust  und  über- 
mässiger Abmattung  des  Viehes  ,  von  den  entlegenen  und  zerstreuten  Feldern  und  Puszten 
oder  Prädien  3,4:5  bis  7  Stunden  weit  zusammenführen  muss.  S.  Grellmann' s  Statistische 
Aufklärungen  über  wiclitige  Thoile  und  Gegenstände  der  österr.  Monarchie.  Bd.  2.  S.  277  ff. 

/)  Hr.  Crome  macht  in  Ansehung  der  obgedachten  Meierwirlhschaft  die  richtige  Bemerkung, 
dass  eine  solche  Landwirthschaft  nur  in  einem  Lande  bestehen  kann  ,  wo  die  Fruchtbarkeit 
des  Bodens  so  gross  und  das  Klima  so  herrlich  ist ,  und  wo  die  \  ielen  grossen  Städte  den 
Absatz  der  Producte  so  sehr  begünstigen,  wie  in  Italien. 

h)  Völlig  unbedmgte  und  unter  allen  Umständen  freye  Gefreideausfuhre  ist  jedoch  in  keinem 
Staate,  der  nicht  etwa,  wie  Holland,  Hamburg  u.  s.  w.  ganz  oder  doch  grössten  Theils 
Handelsslaal  ist,  zu  rechtfertigen,  wenn  nicht  die  Producenten  die  Consumenten  in  jedem 
Jahre,  worin  die  gütige  Natur  nicht  mehr  als  den  Bedarf  aus  ihrem  Hörn  des  Überflusses 
ausgeschüttet  hätte,  aushungern  sollten.  S.  Gölting.  gel.  Anz.  1809.  S.  1092  —  locjö ,  wo 
eine  beherzigungswerthe  Ansicht  über  den  freyen  Kornhandel  vorkommt. 

§•   29. 
Beförderungsmittel    des    Ackerbaues. 

Yiele   und  uiannigfakigc  Hindernisse  stehen  demnach  den  grösseren  Fortschrit- 
ten des  Ackcriiaucs  in  den  europäischen  Ländern  im  Wegej  doch  nie  war  man  eifriger 


II.   Urpioduction.  §.  Sp.   Befcrderungsiuillel  des  Ackerbaues.  ^i 

Lcmiilit,  das  Gewerbe  des  Landmannes  zu  heben,  als  in  unserm  Zciialier.  Sowohl 
weise  und  edle  Regierungen,  als  auch  einsichlsvoUe  luid  patriotische  Guishciren  ma- 
chen es  sich  zum  Geschäfte  inid  sludiren  darauf,  die  Überfläche  des  Erdbodens  zu 
verbessern  und  zu  verschönern,  oder  der  Natur  durch  Kunst  zu  Hülfe  zu  kommen 
und  fast  jedes  Land  Europa's  hat  von  dergleichen  belohnenden  Eroberungen,  wodurch 
wüste  Plätze  urbar  gemacht,  neue  Dörfer  gebaut,  Strassen  angelegt,  Canälc  gegraben 
Moräste  abgezapft,  überflüssige  Wälder  ausgchaucn,  oder  neue  Holzungen  gesäet  wor- 
den sind,  seine  bestimmten  Siegeszeichen  aufzuweisen. 

Nächst  der  unmittelbaren  Veränderung  des  europäischen  Bodens  selbst,  sind 
auch  andere  glückliche  Fortschritte  hier  gleichfalls  noch  znit  Achtung  und  Freude  zu 
erwähnen.  Man  hat  nähndich  mit  so  rühmhcher  Einsicht,  als  edlem  Willen  in  den 
meisten  Ländern  die  Leibeigenschaft _,  als  ein,  weder  der  Würde  des  Menschen, 
noch  dem  Interesse  des  Staates ,  angemessenes  Verhältuiss  abgestellt ;  auch  ist  der 
Frohndieiist  in  einigen  Ländern  gänzlich  abgeschaflt,  \n  anderen  in  eine  stellvertre- 
tende angemessene  Abgabe  verwandelt,  in  wieder  anderen  durch  Gesetze  bestimmt  wor- 
den a).  —  Man  trachtet  immer  mehr,  die  Gemeinlieiten  zu  verlheilen,  schränket  die 
Brache  ein,  hat  in  vielen  Ländern  mit  glücklichem  Erfolge  die  Race  dev  Pferde _,  der 
Rinder j  vornehmlich  aber  der  Schafe  veredelt,  durch  vermehrten  Anbau  der  Futter- 
kräuter j  durch  Errichtung  von  Thierarznej schulen  h)  ,  durch  Belohnungspreise 
überhaupt  den  Stand  der  J^iehzucht  verbessert,  und  hat  auch  den  liandinann  diuch 
zweckmässige  Beschränkungen  des  Jagdregals  von  der  drückenden  JJild-  und  Jagd- 
plage befreyel,  die  sonst  so   oft  die   Früchte   seines  Schweisses  verkümmerle  c).  

Man  hat  in  mehreren  Ländern  mit  gutem  Erfolge  exotische  Getreide-  luid  Holzarten 
die  nicht  nur  meist  an  sich  edler  und  schöner  sind,  sondern  auch  einen  viel  höheren 
Ertrag  geben,  angebauet  d) ,  und  höret  nicht  auf,  noch  mehrere  aussereuropäische 
Gewächse  zu  acclimatisiren.  Man  sucht  die  Forlschritte  in  den  Erfindinigen  derAcker- 
gerälhe,  der  Chemie  und  der  Botanik,  und  die  dadurch  bewirkten  Neuerun"en  in  der 
Landwirthschaft  durch  ökonomische  Zeitschriften  e)  zu  verbreiten.  —  Man  hat  in 
den  meisten  Ländern  Ackerbaugesellschaften  f)  oder  Vereine  verständiger  Landwir- 
ihe  errichtet,  deren  Geschäft  es  ist,  über  die  Entfernung  der  Hindernisse  der  Land- 
wirthschaft zu  berathschlagen ,  alle  niUzliche  Entdeckungen  in  derselben  kennen  zu 
lernen  und  dieselben  nach  vorhergegangener  Prüfung  und  mit  Rücksicht  auf  die  örtli- 
chen Abweichungen  im  I^ande  bekannt  zu  machen;  atich  durch  Abfassung  zweckmäs- 
siger Ä'a/e/i^e/' zur  Bildiuig  der  untern  \olksclassen  beyzutragen.  —  Man  hat  ferner 
in  inchreren  Ländern  theorethisch-practische  ökonomische  Institute j  oder  Acker- 
bauschulen g)  gestiftet,  die  tlieils  als  Miitelpuncte  lehrreicher  Versuche  und  Ei-fah- 
rungen  für  eine  fortgesetzte  Verbesserung  der  Landwirthschaft,  theils  als  Lehranstal- 
ten für  angehende  Landwirthe  können  betrachtet  werden.  —  JNIan  hat  iiberdiess  hier 
luid  da  eigene  Lehrkanzeln  der  Landwirthschaft  errichtet ,  und  das  Studium  der 
Ökonomie  für  Hörer  der  Theologie  imd  künftige  Wirlschaftslicamte  als  Zwangsstu- 
diiuu  erklärt  A).  —  Man  hat  endlich  in  einigen  Ländern  landwirthscliaftliche  Feste 
gefeyert  i) ,  imi  andere  Landwirthe  zur  Vergleichung,  Entdeckung  eigener  Mängel, 
Zueignung  des  Guten  und  Nacheiferuns  des  Bessern  zu  bewciren. 


,.g  II.  Uiproduclion.   §.  3o.   Getreideaiten. 

a)  S.  ViTgloichende  Darstellung  der  Staatsverfassung  der  europaischen  Monarchien  u.  s.  w. 
a.  a.  O.  ,  wo  S.  545 — 556  der  Rechtszustand  der  Bauern  in  den  europäischen  Staaten  näher 
beschrieben  ist.  Hier  ist  noch  nachzutragen ,  dass  die  Leibeigenschaft  jetzt  auch  im  Mecklen- 
burgischen aufgehoben  ist. 

b)  S.   Zweyte  Abtheilung:   Unterrichtsanstalten. 

c)  Jetzt  kann  auch  die  uralte  Klage  des  w'nrtembergischen  Volkes  über  das  Jagdwesen  nicht 
mehr  gehöret  werden.  In  Folge  der  königl.  VerordnuTig  vom  18.  Januar  1817  ist  den  Ge- 
meinden das  Recht  eingeräumt,  Communal  -  J'VililschTäzen  aufzustellen.  Das  Schwarzwild 
soll  ausser  den  Thiergärlen  ganz  ausgerottet,  der  Bestand  des  Rothwddes  mit  der  Waldllä- 
che  in  richtiges  Verhältniss  gesetzt  werden.  Wildschäden  werden  von  Seite  der  Staatscasse 
nicht  mehr  vergütet,  wohl  aber  von  den  Forstbeamten,  wenn  sie  das  zur  Abwendung  des 
Wildschadens  Vorgeschriebene  unterlassen.  S.  Osterr.  Beob.  ]Nr.  53.   1817.  S.  168. 

d)  Wie  z.  B.  in  Österreich ,Preusseii ,  Sachsen,  und  andern  Gegenden  Deutschlands.  S.  H.  A. 
'  L.  Z.  Nr.  291.  1812.  S.  654  ff- 

e)  Wie  z.  B.  die  vom  Hrn.  C  C.  y^/n/re  herausgegebenen  ökonomischen  Neuigkeiten,  Thaer's 
Annalen  ,  die  landwirthschaftlichen   Blätter  von  Hofii-yl  u.  s.  vv. 

f)  S.  zweyte  Abtbeilung  :  Anstalten  und  Hiilfsmittel  zur  höheren  Ausbildung  der  Wissenschaften. 
s)  S.  zweyte  Abtheilung  :   Unterrichtsanstalten. 

7i)  Wie  z.  B.  an  den  österreichischen  Universitäten  ,  Lycäen  und  Akademien. 

i)  Wie  z.  B.  in  England ,  Baiern  und  in  der  Schn-'eiz.  Die  Feyerlichkeiten ,  mit  denen  das 
landwirthschaflliche  Fest  des  Herzogs  v.  Bedford  zn  ff^oburn-Asley  i8o5  den  i5.  Juny  began- 
gen wurde,  dauerten  dreyTage,  und  Besichtigungen  der  geschornen  Schafwolle,  der  fetten 
Hammel,  Widder,  neu  erfundenen  Ackergeräthe  ,  wechselten  mit  dem  Verkaufe  des  gemä- 
steten Viehes  ab.  —  Zu  dem  am  3o.  Juny  1810  zu  Hofii'yl  gefeyerten  landwirthschaftlichen 
Feste  waren  über  200  Wagen  aller  Art  gefahren ,  und  fanden  sich  bey  4000  Personen  ein. 
In  Baiern  wird  alljährlich  bey  Njmphenburg  auf  der  Theresieniviese  das  Central-Landwirth- 
schaftsfest  gefeyert  ,  indem  an  die  um  die  Veredlung  der  Viehzucht  sich  verdient  geraach- 
len  Laudwirlhe  Medaillen  und  Fahnen  vertheilt  >verden. 

§.  3o. 

Getreidearten. 

Die  Geti'cideai'ten  j  uclche  in  Europa,  jedoch  nicht  allein  allen  Landern  ge- 
bauel  werden,  sind:  Roggen  (secale  ccreale)  ,  T Veitzen  (iviucnm) ,  Spelt  oder  Dinkel 
(triticum  spella  zea)  fi) ,  Gerste  (hordeum) ,  Hafer  (avena) ,  Bucliweitzen  oder  Hei- 
dekorn (polygonitni  lagopyruin)  h)  ,  Hirse  (jMxmcmn),  i)/cior/»'/',ye  (liolcus  dura)  c).  Reis 
(oryza)  d)  und  Mtds  (zea  mays)  e) ,  tiirkisch  Kukuru_,  ungrisch  Kukiiritza  genannt,  und 
von  den  Deutschen,  Italienern,  und  Franzosen,  die  diese  Pflanze  in  den  lürkischenLän- 
dern  fanden,  unter  dem  Nahmen  von  türkischem  TFeitzen  in  ihr  Vaterland  verpflanzt. 
—  DieLänder,  welche  Üherfluss  an  Getreide  haben,  und  vieles  ausführen  können,  sind: 
Russland  f) ,  Polen  ^  Galizien  g) ,  Ungern  k) ,  Preussen  i)  ,  Dänemark  k),  Belgien  ^ 
Irland  T)j  das  lombardlsch-^'enetianische  Kijingreich  j,  Sicilien  m) ,  mehrere  deut- 
sche Länder«),  nahmcnllich  Böhmen  o) ,  Mähren  ^  Baiern  y),  JVürtemberg  j  Meck- 
lenburg ,  Holstein j  die  preussisch-dcutschen  Provinzen  ÄvcA.yeWj  ISiederrheia  j  Pom- 
mern, u.  s.  w.  Dagegen  hediirfen  Holland,,  England  q),  Portugal ,  Spanien ^  Frank- 
reich ;■),  die  Schweiz ^  Schweden ,,  Norwei^eii ^  Island ,  mehrere  deutsche  s) ,  mid 
italienische  Länder  /) ,  die  europäische  Tiirkey  u.  .s.  w.  mehr  oder  weniger,  entweder 


II.   Urpro<?uclioi).   ^.  5o    Getruideartcu.  ^3 

für  beständig,  oder  von  Zeit  zu  Zeit,  der  Znfnlir  \on  jenen,  oder  von  der  nordafri- 
kutnschen  Küste,  von  Jegjpten  und  Äordamei  ika  j  wenn  jene  europäisclien  Korn- 
kannnein   nielit   zureichen.  Aus  Mangel   an  Nahrung   NAandcrn  jährhch  5 — 6000   Sa- 
vojorden  und  jo — 40,000  Tjroler  (auf  2 — 6  Monalhe)  in's  Ausland,  so  \vie  aus  dem- 
sell>en  Grunde  ^  von  der  Bevölkerung   der  Pyrenäen  jahrlich   zu  gewissen    Zeilen  in 
anderen  Gegenden  des  In- und  Auslandes  seinen  Unterhalt  sucht.  Der  Tormann  und 
der  nördliche  Sch^vede  nähret  sich  von  Gersten-  und  Huferbvotj  und  B.lndenhrot_,  wozu 
nicht  die  Rinde  der  Fichte  (piniis  aLics) ,  wie  gemeiniglich  gesagt  wird,   sondern  die 
Rinde  der  Kiefer  (pinns   sylvestris)   gehraucht  wird,    dienet  denselben   als  Nothbrot. 
Auch  nehmen  die  dürftigen  Gebirgshew  ohneri\'o7tv'eg'e??^j  so  wie  die  Isländer  _,  in  Miss- 
jahren zum  isländischen  Moose  (liehen  island.)  mid  anderen  Moosarlcn  ihre  Zuflucht  uj. 
a)  Er  wird  in  Frankreich  ,  in  der  Scfiii-'eiz  und   in  Süddeiilsc/iland  j  nahmentlicli  in  Schwaben , 
in  der  Pfalz  und  in  Franken  gebauet.    Im  Tf^ürlembergischeji  ist  der  Dinkel  die    allgemeinste 
Fruchtgattung.    Er  verhält  sieh  zum  Roggen  wie  i5o  :  10.    Das   aus   dieser   Gelreideart   be- 
reitete Mehl  ist  zu  Mehlspeisen  ,  dessgleichen    zu  Kuchen   und   anderem    feinen   Backwerke 
ganz  vorzüglich  brauchbar.  Die  feinste  Sorte,  welche  unter   dem   JNahmen  Frankfurter-  oder 
Nürnhergermehl  bekannt  ist,   wird  durch  ganz  Europa  versendet, 
i)  Es  hat  seinen  Hauptsilz   in   Russlandj  Scliweden ,  Galizien ,    in   mclireren    deutschen   Län- 
dern, nahmentlich  im  Liineburgischen  ,  in  der   Mark   Brandenburg  j    in   Hohleiii,    in  Unter- 
stej-crmaik,    Kärnlhen ,   Kraiii   u.   s.  w.  ;    dann   im    nördlichen    Ungern,    im    Burzeidande    in 
Siebenbürgen,   in  der  Türkej ,   in  Jlalien  u.  s.  \v.  Es  gibt  neben  guiem  Mehle  zugleich  eine 
\orzügliche  Grütze,   und  die  Blüthen  davon  sind  die  belieL'.este  IVahrung  der  Bienen. 
«)  Diese  Getreideart  wird  in  Europa  nur  in  einigen  Ländern  gesäet,   nahmenilich  in  Spanien, 
Italien,  auf  den  jonischen  Inseln  und  in  der  Türkej.    Das   daraus   bereitete   3Iehl    ist   unter 
dem  Nahmen. DurafncA/  bekannt. 

d)  Er  wird  in  Europa  ebenfalls  nur  in  einigen  Ländern  gebauet,  nahmentlich  in  Por/f/g'a?,  Spa- 
nien ,  Italien,  in  der  Türkey  und  im  ehemaligen  Banat ,  auf  königlichen  Kammcrgüiern. 
In  Deutschland  hat  man  hier  und  da,  wie  z.  B.  zu  Josslowilz  in  Mühren,  mit  dem  Anbaue 
desselben  Versuche  gemacht,  aber  ohne  glücklichen  Erfolg,  da  er  daselbst  keinen  nassen 
Boden  vertragen  kann  ,  den  er  in  den  südlichen  europäischen  Ländern  und  den  andern 
Haupitheilen  des  Erdbodens  verlangt,  woselbl  aber  die  Gegenden,  wo  er  gebauel  wird  ,  unge- 
sund sind.  Daher  denn  seit  1809  sämmtliche  Reisfelder  in  der  Lombardie  \  on  den  Städten,  festen 
Plätzen  und  Gemeinden  eine  gewisse  Distanz  entfernt  seyn  müssen  ,  a  on  Mailand  z.  B.  we- 
nigstens 8000  Meter.  S.  Allgem.  Zeit.  Nr.  02.   i8og. 

e)  Diese  Getreideart,  deren  Mutterland  Amerika  ist,  wird  jetzt  in  Europa  am  stärksten  in 
Jlalien  t  Croatien,  Slai'onien,  Ungern ,  vornehmlich  diessseits  der  Donau,  und  in  Sieben- 
bürgen gebauet;  nächstdem  in  der  Bukowina,  in  Taurien,  in  der  Türkej,  Spanien  ,  Portugal, 
Frankreich,  in  Aar  Schweiz  und  in  Süddeutschlaiid j  über  Frankfurt  am  Main  hört  jedoch 
die  Mais-Cultur,  nach  Hrn.  Burger,  auf  f^gland  ist  derselben,  ihm  zufolge,  fähig,  ob 
sie  gleich  da  nicht  gewöhnlich  ist.  Diese  Pflanze  ist  sehr  nützlich  ,  nicht  nur  weil  eine  Ähre 
3  —  600  Körner  enthält,  und  ein  einziger  Stengel,  wenn  er  Raum  genug  hat,  dergleichen 
Ähren  3  —  4  treibt,  sondern  auch,  weil  sie  ein  sehr  schönes  und  wohlschmeckendes  Mehl 
gibt ,  und  zugleich  für  alles  Hausvieh ,  sowohl  unter  den  Säugethieren  als  unter  dem  Haus- 
geflügel,  ein  herrliches  Futter  ist.  Der  Italiener  bereitet  aus  dem  Maismehle  die  sogenannte 
Polenia,  der  Walache  die  Mummali ge  xinA  Mammelej.  Erstere  ist  eine  zu  Brey  gekochte 
Speise,  an  die  sich  selbst  der  Deutsche  leicht  gewöhnt;  letztere  ist  ein  Backwerk,  das  aber 
noch  an  demselben  Tage ,  an  welchem  es  gebacken  ist ,  genossen   werden   muss.   Joh.  Bur- 


74  II-   Urproduction.   ^.  3i.  FutUrträuler. 

ger's  vollständige  Abhandlung  über  die  Naturgeschichte,  Cultur  und  Benutzung  des  Mais 
oder  türkischen  Weitzens.  Wien  ,  1809.  8.  Vergl.  Annalen  der  Lit.  und  Kunst  in  dem  öster- 
reicliischen  Raiserthume.  März  und  April ,   1809. 

/)  Russtand  hat  im  Jahre  1817  aus  allen  seinen  Häfen  für  i25  Mill.  Rubel  Korn  nach  dem 
Auslande  ausgeführt.  S.  Polit.  Journ.  Febr.   1818.  S.   i2o. 

g)   Galizien  hat  in  guten  Jahren  über  1  Äliil.  Motzen  Getreide  zur  Ausfuhre  übrig. 

h)  Ungern  kann  selbst  in  Jahren  mittlerer  Fruchtbarkeit  jährlich  2,200,000  ,  nach  andern  über 
3  Mill.   Metzcn  Getreide  aller  Art  ausführen. 

1)   Ostpreussen  allein  erntet  in  guten  Jahren  über  9  Mill.  Scheffel  Getreide. 

k)   Dänemark  führt  jährlich  it  3Iill.  Tonnen  Getreide  nach  Norwegen,  Holland  ani  England  ans,. 

/)  /Wanrf  sendet ,  nach  Crome ,  jährlich  1   Mill.  Tonnen  Getreide  nach  England. 

ni)  Die  jährliche  Getreideausfuhre  aus  SiciUen,  welche  Insel  schon  Cicero  die  Kornkammer 
Italiens  und  die  Amme  des  römischen  Volkes  nannte,  ist  nach  Rehfues  4,5oo,ooo  Ducaten  werth. 

/))   Deutschland  kann  in  guten  Jahren  für  18  Mill.  fl.   Getreide  ausführen. 

c)  Böhmen  hat  in  guten  Jahren  einen  Uberschuss  von  6 — 700,000  iMetzen  Getreide  zur  Aus- 
fuhre übrig. 

jt)  Der  harkreis  allein  kann  nach  einem  i5jährigen  Durchschnitte  (1774 — 1786)  i63 — 164,000 
3Ietzen  Getreide  an  das  Ausland  überlassen.  Im  J.  1816  wurden  in  dem  besagten  Kreise, 
dann  im  Retzal-  und  Regenkreise ,  so  wie  in  den  bejden  Donaukreisen  auf  den  inländischen 
Märkten  für  mehr  als  07,000,000  fl.  Früchte  verkauft,  wovon  München  allein  g-  und  darüber 
kaufte  und  consumirte. 

i^)  England  nebst  [Vales  bedarf  zur  Consumtion  8  Mill.  5oo,ooo  Quarters  Getreide  ;  aber  das 
Land  gewinnt  im  fruchtbaresten  Jahre  nur  6  Mill.  ,  und  es  müssen  noch  2,5oo,ooo  Quar- 
ters eingeführt  werden.  S.  Polit.  Journ.  Jiily  1809.  S.  721  ff.  Nach  der  neuen  Kornb.Il 
(i8i5)  darf  nur  erst  dann  Weitzen  eingeführt  werden,  wenn  der  Preis  llir  das  Quarter  bo 
Schill,  und  darüber  ist. 

r)  Frankreich  hat  zwar,  was  auffallend  ist,  im  J.  1810,  London  mit  334,8o6  Quarters  Wei- 
tzen und  202,922  Ctr.  Mehl  versehen  (s.  Götting.  gel.  Anz.  i8i5.  St.  84.  S.  467);  allein 
damals  besass  es  das  getreidereiche  Belgien  und  das  gesegnete  linke  Rheinufer,  welche  Län- 
der es  in  den  Jahren  1814  und  i8i5'  abtreten  musste  ,  und  es  hängt  jetzt  wieder  in  Anse- 
hung des  Getreides  vom  Auslande  ab. 

i)  Z.  B.  das  Königreich  Sachsen,  das  Erzherzoglhum  Österreich  unter  der  Enns  u.  s.  w.  ;  jenes 
verlor  durch  die  Theilung  im  J.  i8i5  seine  kornreichsten  Provinzen  Thüringen  und  die  Stif- 
ter; dieses  muss  besonders  dess\vegen  fremdes  Getreide  einführen,  >veil  es  die  volkreichste 
Stadt  des  österr.  Raiserlhumes  enthält ,  die  allein  die  Production  einer  ganzen  Pro>inz  nö- 
thig  hat.  Denn  nach  einem  mehrjährigen  Durchschnitte  werden  jährlich  nach  Wien  zur 
Verzehrung  gebracht:  an  weissem  Mehl  448>ooo  Ctr.,  an  sch\varzem  Mehl  3go,ooo  Ctr., 
an  Weitzen  und  Roggen  38o,ooo  Metzen  ,  an  Gerste  170,000  und  an  Hafei  C;3o,ooo  Metzen. 

i\  Z.  B.  Sacoren,   Genua,  Lucca ,  der  Kirchenstaat  u.   s.  w. 

u)  Island  hatlc  im  18.  Jahrhunderte  45  Missjahre:  14  davon  hallen  eine  allgemeine  Hungers- 
iioth  ,  und  grossen  Verlust  an  Menschen  und  Ilauslliieren  zur  Folge.  S.  Polit.  Journ.  1809. 
Sept.  i>.  955. 

§.   3l. 
Futterkräuter. 

Die  Futterki'äuter  Avacliscii  in  Euiopa  llieils  ^^ild,  tlicils  werden  sie  gesäct  und 
im  Grossen  diircli  Kunst  gezogen.  Der  Aid)au  derselben  ist  die  Seele  der  Landvvirth- 
schaft,   der    Grund  ,  auf  -welcJuni    der  liöhere  oder  niedere  Stand   derselben  berulu. 


II.   Üiproduclioii.  ■§  32.    Gai  tcii^ewäolise.  jS 

Durch  iiiii  ist  es  möglich ^  einen  grösseren  Vichsiappel  zu  crhakcn  und  das  l^and 
rruchlbringcnder  zu  machen.  Am  ausgezeichnetesten  ist  (heser  Zw eig  der  landwirlh- 
schafihchen  Industrie  in  den  Niederlanden  luid  in  England  aj ;  näclistdcni  in  der 
Lomhardie  b') ,  in  Frankfcich  c) ,  in  Deutschland ,  vornehmhch  in  dessen  südhcher 
Hälfte,  und  in  der  Schweiz _,  wo  unter  andern  auch  der  Steinklee  (irifbliimi  inelilotus) 
häufig  gehauet  wird^  um  dem  Käse  eine  grüne  J^arbe  imd  einen  hesojidercn  Geruch 
zu  gehen;  aber  auch  in  anderen  eiuopäischen  Ländern,  z.  B.  in  Galizien^  Ungern  d), 
Siebenbiirgen  e) ,  Tiussland  f)  und  Schweden  ist  der  Anhau  der  Futlerkräuter,  be- 
sonders der  verschiedenen  Kleearten  im  Gange.  Wie  wichtig  für  manchen  Ort  der 
Handel  mit  Kleesamen  ist,  dienet  unter  andern  die  Stadt  Creutzenach  in  der  preus- 
sischen  Provinz  Niederrhein  zum,?, Beweise 5  die  jährlich  für  2,600,000  Franken  Klee- 
samen ,  besonders  nach  Holland  imd  dem  südlichen  Frankreich  verkauft  g).  Der  Grii- 
tzerkreis  in  Stcyermark  führt  in  manchem  Jahre  über  2000  Cti-.  Klecsanien  aus  h) , 
so  wie  die  deutschen  Cnlonisten  im  Sandecerkreise  in  Galizien  jährlich  über  1000  Gtr. 
Kleesamen  versenden  i). 

d)  In  England  ist  der  oben  (s.  §.  27.  Note  b)  angeRihrteii  Gründe  ^vegen  die  Fiitlererzeugung 
so  bedeutend,  dass  auch  andere  Länder,  wie  z.  B.  jSoruegen  ,  mit  englischem  //fM  versorgt 
werden.  S.  Monalhl.  Correspondenz  u.  s.  w.  1810.  July  S.  76.  —  i)  Das  ganze  Land  um 
Mailind  wird  durch  Canäle  gewässert  ,•  die  überall  gezogen  sind;  man  mähet  drey-,  auch 
wohl  viermal  im  Jahre  die  Wiesen..  —  c)  In  Frankreich  sollen  5,364i8oo  Arpents  natürli- 
che Wiesen  ,  und  was  auffallend  ist,  6,332, loo  Arp.  künstliche  Wiesen  seyn.  S.  Crome  a.  a. 
O.  S.  ig2.  —  d)  In  der  Zij)s ,  dann  um  Szarvas ,  Eperies  u.  s.  w.  —  e)  Im  Lande  der 
Sachsen.  —  f)  In  den  Ostseeprovinzen  und  dem  Gouvernement  Nos/iau.  —  g)  S.  Hall.  A. 
L.  Z.  1810.  S.  878.  —  /i)  S.  Sartori's  skizzirte  Darstellung  der  physikalischen  Beschaffen- 
heit von  dem  Herzoglhume  Steyermark.  S.  219. — i)  S.  £rcf.'e/«/^'A  Reisebemerkungen  u.  s.  w, 
Bd.  1.  S.  253  ff. 

§•  32. 
Gartengewächse. 

Die  in  Europa  gangbaren  Gartengewächse  j  welche  zum  Unterhalte  der  Men- 
schen, und  zum  Theil  des  Yiehes  ,  besonders  der  melkenden  Kühe, 'gebauel  werden, 
sind:  Kohl-  a) ,  Wurzel-  b) ,  Knoll-  c) ,  Zwiebel-  d)  und  Salatgewüchse  e);  dann 
Spinat j,  Hülsenfrüchte  f)j  Aepfel-  g)  und  Spargelkräuter  h)  ,  Blumen frücl d e ^ 
Beerenkräuter  i)  und  Gewiirzpjlanzen  k) ,  welche  letztere  nicht  sowohl  zur  Speise, 
als  zur  Würzimg  derselben  dienen.  —  Der  Gartenbau  ist,  so  wie  die  Bev\ohnungen 
eines  Landes,  fast  allgemein  der  Massstab  der  hidustrie  und  Cultur  des  Landes  und 
Volkes.  Gärten  im  schonen  Gcschmacke  linden  sich  in  den  europäischen  Ländern  häu- 
fig bey  Privatpersonen  auf  dem  Lande,  selbst  in  solchen  Ländern,  wo,  wie  z.  B.  in 
Russland  j  die  Gartencultur,  so  wie  die  übrigen  edleren  Zweige  der  landwirthschaft- 
lichei\  Industrie ,  noch  wenig  über  das  Mittelmässige  erhoben  ist;  aber  das  Gartenwe- 
sen  von  Se.ite  sein.er  höheren  Nützlichkeit  auf  eine  vollkommnere  Stufe  zu  hrinüen  ,  ist 
noch  kein  allgemeines  Bestreben  der  europäischen  Nationen.  Nur  in  EnglandlJ  ^  Frank- 
reich _,  Italien  _,  DeutscJdand  mj _,  vornehndich  aber  in  duin  JSiedej'lanacn _,  wo  auch 
die  ßlumencultur  den  höclisten  Grad  der  Vollkommenheit  erreicht  hat  tij  _,  ist    jenes 


7Ö  II.    Urproductiou,  51    32.   Gaiteugewächse. 

Bestreben  sichtbar,  wahrend  in  den  übiigen  Ländern  der  Sinn  für  Gartenculttu-  nur 
da  mit  Erfolg  sich  äussert,  wo  grosse  Städte  der  Speculation  der  Unternehmer  ent- 
sprcclicn. 

a)  Unlor  den  verschiedenen  Roldarten  wird  der  Tf^eiss-  oder  Kopfkohl  (brassica  oleracea  ca- 
pitata) am  allerhäufigsteii  gezogen.  Die  festen  Köpfe  werden  häufig  zu  iSawerA-rau*  verbraucht, 
das  in  melireren  Ländern  ,  z.  B.  in  Ungern  ,  Schlesien ,  Österreich  unter  der  Enns  u.  s.  w. 
ein  fast  tägliches  Gericht  und  ein  bewährtes  Büttel  wider  den  Scorbut  —  jene  fdrchterliche 
Krankheit  der  Seefahrer  —  ist.  Man  hat  daher  in  London  grosse  Sauerkraul-Manafacluren, 
angelegt,  und  die  dadurch  vermehrte  Consumtion  des  Weisskohls  macht  diesen  Nahrungs- 
zweig der  Landleute  noch  blühender. 

b)  Unter  den  Pf^arzelgewächsen  wurde  die  Runkelrübe  (beia  altissima) ,  wegen  ihrer  Eigen- 
schaft zur  Zuckerfabricalion ,  in  mehreren  Ländern  Europa's  ,  nahmentlich  in  Österreich  un- 
ter der  Enns,  in  Böhmen,  Sachsen,  Preussisch  -  Schlesien ,  Frankreich,  Russland  \i.  s.  w. 
häufig  gezogen;  der  Anbau  derselben  hat  jedoch  sehr  nachgelassen,  seitdem  der  ausländi- 
sche Zucker  aus  Zuckerrohr  im  Preise  gefallen  ist.  —  Vorzüglich  schmackhafte  Rüben  (Steck- 
rüben') werden  zu  Tehoif  in  der  Mark  Brandenburg  ,  zu  Lelpheim  und  PJater  in  Raiern  ,  zu 
Jettingen  in  Würtemberg  ,  zu  Thurotz  in  Ungern  u.  s.  w.  ,  gezogen.  Nicht  minder  schmack- 
haft und  dabey  sehr  nützlich  zum  Genüsse  für  den  Landmann  sowohl,  als  für  den  Städter, 
frisch  und  eingesäuert ,  sind  unsere  weisse  Rüben. 

c)  Unter  den  Knollgewächsen  verdienen  hier  insonderheit  die  Kartoffeln  (solanum  tubero- 
sum) bemerket  zu  werden.  Dieses  ursprünglich  amerikanische  Gewächs ,  welches  i585  oder 
i5c)o  zuerst  in  Europa  eingeführt  wurde,  und  dessen  Anbau  in  einigen  Ländern,  wie 
z.  B.  in  f-Vürtemberg ,  anfangs  bey  Strafe  befohlen,  oder,  wie  den  Einwohnern  der  Boche 
di  Caltaro ,  als  Religionspflicht  empfohlen  werden  musste,  gewinnt  jetzt,  wegen  seines 
durch  die  Erfahrung  bestätigten  Nutzens  ,  in  den  europäischen  Ländern  immer  mehr  und 
allgemeinern  Eingang.  Der  Umstand  ,  dass  diese  Knollen  auch  gefroren  noch  sehr  gut  be- 
nutzt werden  können  ,  erhöhet  ihren  Werth ,  s.  C.  C.  Andres  Zeitsclirift  etc.  Januar,  180g. 
Seite  114  ff-  Auch  ist  der  Genuss  der  unreifen,  d.  i.  jungen  Kartoffeln,  nicht  scliädlich. 
S.  Von  der  Unschädlichkeit  der  unreifen  Kartoffeln  ,  in  C.  C.  4ndre's  Zeitschrift  etc.  St.  5. 
1809.  S.  348  —  355.  —  Am  meisten  wird  der  Anbau  dieser  Frucht  im  brillischen  Reiche 
betrieben,  vornehmlich  in  Irland,  wo  eine  Hungersnoth  unvermeidlich  ist,  wenn  sie 
missräth.  Es  werden  in  allen  drey  brittischen  Königreichen  jährlich  für  15,923,626  Pfund 
Sterlinge  Kartoffeln  gebaut,  und  von  Menschen  und  Vieh  verzehrt.  Nächst  dem  britti- 
schen Reiche  ist  der  Kartoffelbau  am  stärksten  in  den  Niederlanden ,  der  Schweiz ,  in 
Schweden  ,  Norivegen  und  Deutschland.  Im  erzgebirgischen  und  »oigtländischi  n  Kreise  des 
Königreichs  Sachsen  leben  mehr  als  400,000  Menschen,  wenigstens  den  ganzen  Winter  hin- 
durch ,  bloss  von  Kartoffeln.  In  Freussisch-Schlesie/i  betrug  in  den  Regierung'sbezirken  Op- 
peln  und  Breslau  die  Aussaat  an  Kartoffeln  im  J.  1817  :  447i2oo  Scheffel.  —  In  dem  öster- 
reichischen Staate  ist  der  Kartoffelbau  am  ausgebreltetsten  in  dem  Antheile  an  Schlesien , 
in  Böhmen,  Mähren,  Galizien  und  in  dem  Erzherzoglhume  Österreich  ;  in  Ungern  und  Sie- 
benbürgen wird  er  nicht  nur  von  den  deutschen  Einwohnern  sehr  fleissig  betrieben  ,  sondern 
selbst  ungrische  und  slacische  Dörfer  vergessen  jetzt  schon  ihren  angebornen  Ilass  g  'gen  die- 
ses Gewächs,  und  suchen  es  häufig.  Unter  den  Szeklern  wird  es  durch  den  Betrieb  ihrer 
Ofiiciere  schon  häufiger  angetroffen.  Übrigens  verhaltcji  sich  nach  neueren  B:>obachtungen 
2A  oder  2j  Berl.  Scheffel  Kartoffeln  In  der  Nahrhaftigkeit  erst  i  Scheffel  Roggen  gleich  ;  al- 
so stehen  sie  diesem  in  dieser  Hinsicht  sehr  nach. 

d)  Zwiebeln  (alliiim   cepa)  von    vorzüglicher    Güte    gewinnt    man    in    Italien   und    Spanien  ;  in 
letzterem  Lande  haben  einen  ausnehmend  guten  Geschmack  die  grossen,  süssen  ,  sehr  hau- 


II.  Urproduclioa.  §.  32.  Gartengewächse.  77 

fig  zur  Speise  dienenden  Zwiebeln,  Palaten  genannt;  besonders  werden  die  Palalen  von 
Malaga  geschätzt.  Noch  zarter  und  süsser  ist  die  kleine  weisse  ßorenlinisilie  Zwiebel.  In 
Deutschland  sind  ganz  vorzüglich    die  Griesheimer   Zwiebeln   im    Grossherzogthum;-  Hessen. 

e)  Unter  den  Salalgeifüchsen  wurde  die  Cichorie  (Cichorium  intybus)  ehedem  als  Surrogat  des 
Kaffehs ,  oder  vielmehr  (da  keine  Pflanze,  die  in  Europa  wächst,  auch  die  zu  den  RnoU- 
gewächsen  gehörige  Erdniandel  (cyperus  esculentus)  nicht,  die  man  ebenfalls  in  neueren 
Zeiten  als  Stellvertreter  der  arabischen  Bohne  empfohlen  hat,  uns  diese  Bohn<>  ersetzen  kann) 
nur  als  Zusatz,  häufiger  gebauet  als  jetzt. 

/)  Unter  den  Hülsenfrüchten,  ist  der  Anbau  von  Erbsen  (pisum  sativum)  und  Bohnen  (phasco- 
lus),  besonders  in  den  Umgebungen  grosser  Städte,  ein  sehr  einträglicher  Nahrungszweig 
für  viele  Gärtner  und  Landbauer,  nicht  sowohl  der  reifen  Früchte,  sondern  vielmehr  der 
grünen  Erbsen  und  der  jungen  Bohnenschoten  wegen,  die  daselbst  als  Gemüse  sichern  und 
starken  Absatz  fmden.  Unter  den  Gartenerbsen  zeichnen  sich  aus  :  die  grosse  holliindisrhe 
Zuckererbse  mit  zwey  Finger  breiten  ,  und  einen  halben  Fuss  langen  Schoten  ,  und  die  eng- 
lische Zii'ergzuckererbse.  —  In  den  österreichischen  Staaten  werden  für  die  besten  Erbsen 
die  Toloplasser  in  Mähren  ,  die  J Veit ersf eider  in  Osterreich  unter  der  Enns  und  die  Leut 
schauer  in  Ungern  gehalten.  —  In  Spanien  werden  die  (iaracanzos ,  eine  Art  grosser  gelber 
Kichererbsen  (eine  bey  uns  nicht  geachtete  Frucht)  sehr  geschätzt.  Den  grössten  Überfluss 
an  Erbsen  und  andern  Hülsenfrüchten  aber  hat  Sicilien.  Es  führt  davon,  nach  Rehfues  , 
jährlich  80,000  Salmen  für  800,000  Ducati  aus. 

g)  Die  ApJ'elkräuter  liefern  vielleicht  die  einzigen  cssbaren  Früchte,  welche  man  nur  geniesst, 
so  lange  sie  unreif  sind,  nach  der  Reife  hingegen  nicht  mehr  aclitet.  Die  in  Europa  bekann- 
testen Sorten  sind:  1)  die  Gurken  (cucumis  sativus)  ,  deren  häufiger  Genuss  den  x\nbau  im 
Grossen,  auf  dem  Felde,  wie  z.  B.  in  Thüringen ,  in  der  Lausitz,  bey  Znaj-m  in  Mäh- 
ren u.  s.  w.  ,  sehr  vortheilhaft  macht.  2)  Die  Zucker-  und  TF'asserinelonen  oder  Arbusen 
(cucumis  melo  und  Cucurbita  citrullus),  die  am  häufigsten,  mannigfaltigsten  und  besten, 
nicht  sowohl  in  Gärten  als  auf  freyeni  Felde,  in  Italien,  Spanien,  Ungern,  vornehmlich  in 
Bekes ,  in  der  Türkej-  und  im  Süd-  und  mittleren  Russland  zwischen  Tula  und  Kursk  gezo- 
gen werden.  In  letzterem  Lande  kaufte  Marie  Guthrie  für  Einen  Kopeken  die  schönste  Me- 
lone. S.  Gütting.  gel.  Anz.  i8o4.  St.  2i.  S.  2o5  ff.  Die  oft  2o — 00  Pf  schweren  Arbusen 
sind,  wegen  ihres  ungemein  saftigen,  röthlichen  Fleisches,  ein  wahres  Labsal  für  den  ge- 
meinen Mann  in  der  drückenden  Sommerhitze.  Die  Vermöglicheren  (in  Ungern)  schütten 
in  die  durchschnittene  Hälfte  Wein,  und  fassen  das  so  mit  Nectar  getränkte  Fleisch  mit 
Löffeln,  als  eine  kühlende  und  zugleich  stärkende  Speise  heraus.  Die  mit  aufgeschüttetem 
Wasser  im  Mörser  zerstossenen  Kerne  geben  eine  prächtige  Mandelmilch  ,  die  leeren  grünen 
Schalen  ein  gutes  Futter  für  Gänse ,  Enten  ,  das  Borsten-  ,  ja  selbst  Hornvieh.  3)  Die  Kür- 
bisse (cucurblli)  ,  die  theils  an  besonderen  Plätzen,  theils  zwischen  dem  Rukurutz,  theils 
an  die  Zaunumgebungen  gepflanzt  werden.  Ihr  Fleisch  ist  ein  treffliches  Futter  für  Schwei- 
ne und  milchende  Kühe.  Die  Kerne  lassen  sich  zu  Öhl  und  Mandelmilch  anwenden.  Eine 
Art  derselben,  die  Cucurbita  pepo ,  ist  in  Stücke  zerschnitten  und  im  Backofen  bey  eben  so 
grosser  Hitze,  wie  das  Brot  gebacken  ,  dem  U/iger  und  Slacen  eine  süsse,  beliebte  Speise. 
Die  so  gobackenen  Schnitze  werden  auf  Jahr-  und  Wochcnmärktcn  gewöhnlich  in  dem  ste- 
henden Brolpreise ,  ja  als  Leckerbissen  ,  \vohl  auch  noch  thcurer ,  verkauft. 
h)  Der  iS'/jarge/ (asparagus  oflicinalis)  wächst  in  Europa  hin  und  \vied'.'r,  wie  z.  B.  in  Un- 
gern, Galizien  ,  Russland  u.  s.  w.  wild,  wird  aber  in  diesen  und  andern  Ländern  auch  in 
Gärten  und  auf  Feldern  gepflanzt.  Durch  Grösse  zeichnet  sich  besonders  der  holländische, 
durch  Schmackhafligkeit  der  A/)ü^iSc/i«  iSpar^ei,  vornehmlich  der  von  Aranjuez,  aus;  aber 
auch  in  unduiaf^ien,  hcy  Ziiaym ,  Brunn,  Nürnberg,  Bamberg,   Ulm,  üarnstadt ,  Braun.- 


ij,  II.   Urproductioii.   ^.  Ö2.  Gai tei>ge«ücl;si'. 

schweig ,   TP'olfenhi'iüel  und  in  anderen  Gegenden  Deutschlands,  so  wie  um  Paris  und  St.  Pe- 
tersburg wild  \orzüglich  schöner  und  guter  Spargel  gezogen. 

i)  Die  Erdbeere  (fragaria  vesca)  wird  als  eine  der  frühesten  ,  gesundesten  und  angenehinslen 
Früchte  überall  geschätzt.  Sie  wird  nicht  nur  in  Wäldern  und  auf  Triften  wild  gefunden  , 
sondern  auch  häufig  in  Gärten  gezogen. 

k)  Die  europäischen  Gärten  und  Felder  liefern  eine  grosse  IMenge  Geii-ürze  ,  die  aber,  seitdem 
die  hitzigen  und  schädlichen  os/iV)(/wc/if7i  Ge\vürze  unsern  Gaumen  verderbt  haben,  zum 
Theil  sehr  herabge\viirdigct  worden.  Hiehcr  gehören  vorzüglich  der  auch  wild  wachsende 
Kümmel  (carum  carui)  ,  der  Jnies  (pimpinella  anisum)  ,  der  Fenchel  (anelhum)  ,  der  Corian- 
der  (coriandrum  sativum)  ,  der  Majoran  (origanum  majorana)  ,  der  Saturey  (satureja)  ,  der 
Senf  {sinstpis},  der  spanische  PfeJJcr  (caspicum  annuum)  u.  s.  w.  Dieser  letztere,  in  Ungern 
Taprika  genannt ,  ist  ein  in  diesem  Lande  allgemeines  Surrogat  des  ausländischen  PfefTers, 
Es  wird  ihm ,  vielleicht  nicht  mit  Unrecht,  wegen  seiner  Magen  erwärmenden  und  stär- 
kenden Kraft,  allein  die  Ursache  zugeschrieben,  warum  bey  dem  so  häufigen  Genüsse  der 
zu  fetten  und  meistens  aus  Speck  und  Fleisch  beslohenden  Kost,  wozu  der  ärmere  Theil 
meistens  Wasser  trinkt ,  nicht  mehr  Krankheiten  aus  Un\  crdaulichkeit  unter  der  gemeinen 
Volksciasse-  entstehen. 

l)  In  England,  wo  Aar  Dampf  m  der  Mechanik  so  grosse  Dienste  leistet,  fängt  diese  Kraft 
auch  mit  vielem  Nutzen  an,  bey  der  Gartenkunst  gebraucht  zu  werden.  Er  wird  nähmlich 
zum  Heitzen  der  Treibhäuser  angewendet,  und  eignet  sich  dazu  auf  eine  besonders  vor- 
theilhafte  Art.  Sogenannte  Dampfrohren  {slewlng  pipes)  treten  an  die  Stelle  der  Feuergänge 
oder  Feuorzüge  (ßuis)  und  der  in  Deutschland  gebrauchten  Öfen.  Ausser  der  Heitzung 
selbst,  hat  man  auch  den  Vortheil  der  Dampfbefeuciitung ,  wenn  man  es  will,  die  den  Ge- 
wächsen unter  gewissen  Umständen  sehr  heikam  und  zuträglich  ist.  Man  kann  nähmlich 
an  gewissen  Stellen  der  Rijhren  ,  vermittelst  eines  Hahnes  oder  Drehzapfens  ,  dieselben  öff- 
nen und  Dampf  herauslassen.  S.  Gütting.  gel.  Anz.   iöi8.  St.   119.  S.   1188. 

m)  Vorzüglich  zeichnen  sich  durch  Betriebsamkeit  und  Erzeugung  Jeiner  Küchengewächse  die 
Geg(*nden  von  If^ien ,  Znajm ,  Brunn,  Nürnberg,  Bamberg,  Ulm,  Esslingen,  Slullgarl  , 
Darmstadt ,  Braunschweig ,  ff^offenbüttel  u.  s.  w.  aus,  Gegenden,  welche  ihre  Gartener- 
zeugnisse zum  Theil  auf  >veite  Entfernungen  versenden.  Einen  bedeutenden  Handel  mit  Sä- 
tnereyen  treiben  besonders  die  Gegend<m  von  Bamberg ,  ff^ürzburg  und  Nürnberg,  so  \vie 
die  Bewohner  des  Dorfes  Gonningen  in  Würtemberg ,  welche  den  Samen  in  der  Gegend 
von  Nürnberg  und  Würzburg  erkaufen  ,  auch  aus  Holland  ^•erschreiben ,  und  damit  nach 
Ungern ,  der  Tiirkej- ,  Stockholm  ,  St.  Petersbui-g ,  Moskau,  ja  bis  nach  Sibirien  hausiren. 

7j)  Der  Hauptsitz  der  Blumcncuitur  und  des  Blumenhandels  ist  zu  Huarlem.  Die  dasigen  Lieb- 
haber und  Kenner  von  Blumen  legen  sich  besonders  auf  die  Zucht  der  Tulpen,  Hyac'nthen , 
Narcissen  ,  Fianunkeln  ,  Aurikeln  ,  Nelken  und  anderer  Blumen,  wozu  sie  besonders  der  Um- 
stand veranlasste,  dass  die  Liebhaberey,  mehrere  Blumen,  insonderheit  Hyacinthen  ,  auch 
in  Gläsern  und  Töpfen  des  Winters  im  Zimmer  zu  halten  ,  so  allgemein  in  Gang  gekom- 
men ist.  Zwischert  Alkmaar  und  Leyden  rechnet  man  über  2o  Morgen  Landes ,  die  allein 
den  Hyacinthen  ,  zur  Befriedigung  der  Käufer  gewidmet  sind.  Die  Haarlemer  Hyacinthen- 
zwiebeln  finden  einen  ausgebreiteten  Absatz  ,  bis  nach  den  entferntesten  Gegenden  ,  nach 
der  Türker ,  nach  dem  Vorgebirge  der  guten  Hoffnung  und  nach  Amerika.  Das  meiste  aber 
wird  debitirt  nach  Deutschland,  England  un<l  Russland.  Im  J.  1730  bezahlte  man  fvir  eine 
Hyacinthe  i85o  Gulden.  Die  Tulpen  kamen  früher  empor.  In  den  Jahren  i63G — 37  bezahlte 
man  für  eine  Tulpe  Semper  Augustus  i3,ooo  Gulden,  und  für  drey  dergleichen  zusammen 
3o,ooo  Gulden.  Der  Schwindel  dauerte  ein  Jahr;  aber  noch  jetzt  verkauft  man  eine  rare 
Tulpe    für   25 — i5o   Gl.    S.  Merkantilische   Annalen    für  den    österreichischen    Kaiserstaat. 


II.  Urproduction.  §    33.   Baumfrliclite.  ju 

Wien,  1811.  Jahrg.  3.  S.  5 — 7.  Vergl.  Allg.  geogr.  Ephem.  Bd.  32.  S.  66.  —  In  Frank- 
reich empfängt  das  einzige  Grace  aus  der  Nachbarschaft  für  Blumen  jährlich  5o,ooo  Fr. 
S.  Allg.  geogr.  Ephem.  Bd.  27.  S.  181.  —  In  Schollland  hat  die  Gärtnergesellschaft  zu 
Edinburgh  im  j.  i8o5  unter  andern  für  die  schönsten  Nelken  Preise  ausgesetzt,  und  in 
England j  wo  im  J.  1806  eine  horticullitral  Society  zu  London  errichtet  wurde,  ist  eine 
Wette  von  5oo  Guineen  zwischen  den  Floristen  in  London  und  Ubridge ,  welche  von  bei- 
den Parteyen  den  ersten  Nelkenflor  produciren  würde  ,  von  dazu  vorher  erwählten  Rich- 
tern zum  Vorlheil  jener  entschieden  worden.  —  In  Wien  ist  im  Februar  1822  eine  Blu- 
menhalle eröffnet  worden  ,  die  in  Hinsicht  der  Menge  ,  Mannigfaltigkeit  und  Seltenheit  der 
Blumen,  so  wie  der  Gewächse  überhaupt,  ihres  Gleichen  sucht. 

§.   53. 
B  a  u  m  f  r  U  c  h  t  e. 

Die  gewöhnlichen Baunifrüchte  oder  Obstarten,  als:  die  Birne  (pyrus),  dei-  Apfei 
(pyrus  malus),  die  PJlaume  (prunus)  und  die  Kirsche  (piimus  cerasus)  gehören  dem 
mittleren  und  kalten  LandstricLe  Europas  an;  sie  kommen  bis  zum  58°  fort 3  oI)sclion 
einzelne  Arten,  die  Kirsche  und  die  PflaimiCj  Ley  hesonderer  Pflege  auch  noch  nojtl- 
liclicr  angetroffen  werden.  Alle  diese  Obslarten  kommen  auch  in  den  Ländern  des 
wannen  Landstriches  ,  z.  B.  in  Italien  _,  nicht  nur  trefflich  fori  aj  ^  sondern  sind 
auch  dort  viel  schmackhafter  und  aromatischer  als  in  den  Ländern  des  mittleren  und 
kalten  Landstriches.  Aber  auch  in  mehreren  Ländern  des  juitlleren  Erdstiiches ,  als : 
in  Frankreichs  bj  nördlichen  Gegenden,  in  den  Niederlanden  j,  in  England _,  der 
Schweiz j  in  Deutschland  cj  und  Ungern  dj  gibt  es  herrliches  Obst,  mid  hier  und 
da  zugleich  in  solcher  Menge,  dass  es  thcils  zu  ylepfel- und  Birnwein  odci  Most 
(cidre  und  poire')  ej  benutzt,  iheils  gedörrt  fj ,  nnd  nicht  nur  in  diesem  Zustande, 
sondern  auch  ruh  ausgeführt  wird.  In  Böhmen  und  Mähren  gj  wird  von  Pflaumen 
vorzüglich  viel  Mass  {'PowidelJ  zum  \  erkauf  bereitet,  luid  in  Ungern j  Croatien 
imd  SlavonieUj  so  wie  in  mehreren  deutschen  Ländern,  z.  B.  im  Erzherzogthume 
Oesterreichj  im  Grossherzogthume  Baden  u.  s.yi .  Branntwein  fSlivovitzaJ  gebrannt. 
Der  berühmteste  und  geistreichste  Slivovitza  ist  der  Sjrmier  j,  welcher  in  ganz  Ungern 
verführt  wird,  und  auch  wohl  in  die  österreichisch-deutschen  Erbländer,  wenn  nicht 
gar  in's  übrige  Deutschland.  — ■  Im  Knrarlhergischen  j,  in  der  Schweiz  j,  in  Jf'ürteni- 
herg  und  Baden  bereiteiman  aus  Kirsclien  ein  ,  dem  Branntwein  ähnliches,  sehr  geist- 
reiches, wohlschmeckendes  und  gesimdcs  Getränk  unter  dem  Nahmen  Kirschengeist 
oder  Kirschenwasser j  so  wie  in  Dalmatien  aus  Maraschen j  einer  diesem  Lande  ei- 
gcnthümlichen  Weichselart,  ein  trefflicher  Liqueur  erzeuget  wird.  —  l^^ie  feineren 
Obstarien,  als:  die  JVallnuss  C]U'^a.ns  regia)  lij  ^  die  Kastanie  (fagus  caslanea)  ij  ^  die 
7J/a7j<i?e/ (amygdalus  connnunis)  kj  j  die  P/T/'iYc/ie  (amygdalus  persica)  ,  die  Jprikose 
(prunus  armeniaca)  Ij  ^  die  IMispel  (niesplhis)  und  die  Quitte  (pyrus  cidonia)  mj  ge- 
deihen nur  in  den  Ländern  des  nnltleren  und  warmen  Erdstrichs,  in  diesen  sind  ic- 
duch  die  Früchte  viel  schmackliafler  und  köstlicher,  als  in  jenen.  —  Die  Obstcultur 
hat  in  imsern  Tagen  mehr  Liebhaber  gewonnen,  und  es  ist  angenehm  zu  sehen,  wie 
dieser  wichtige  Zweig  der  Landwirlhschafl  durch  Schriften  befördert  und  durch 
zweckmässige  Einrichtungen  der  Laumschiden  nj  auf  eine  höhere  Slufe  der  Ausbil- 


Öo  II.  ürproduction.  ^.  55    Baumfrüchte. 

dung,  besonders  in  Deutschland  j  Frankreich  und  den  Niederlanden  j  erhoben  ■und. 
In  Ungern  exislirt  seit  mehreren  Jahren  eine  pomologische  Gesellscliaft  oj  j  inid  fin- 
det man  viele  Gutsbesitzer,  die  anf  ihre  Garten  und  die  ^  eriuehrung  auserlesener 
Obstgattungen  sehr  viel  verwenden. 

Die  edleren  Banmfrüchte  oder  Süd  fruchte  ^  als  die  OU\>e  (olea)  ^J  ^  die  Ci- 
trone  (citrus  medica)  ,  die  Pomeranze  (citrus  aiu-aniinni)  qj  j  die  Dattel  (phoenix 
dactjhfera)  rj,  die  Feige  (ficus  carica)  sj  ^  die  Pistacie  (pistacia)  tj  und  das  Johan- 
nisbrot (ceratonia  silirjua)  gedeihen  nur  in  den  Ländern  des  warmen  Erdstriches;  die 
droy  ersteren  Arten  der  Südfrüchte  kommen  jedoch  auch  in  den  angränzenden  Gegen- 
den Deutschlands  und  der  Schweiz  j  und  die  Feige  ausserdem  auch  in  Ungern  fort. 
Der  in  den  Ländern  des  warmen  Erdstriches ,  so  wie  in  einigen  Ländern  des  mitt- 
leren Erdstriches  gedeihende  weisse  Maulbeerbaum  (morus  alba)  ist  nicht  sowolü  sei- 
ner angenehmen  Frucht,  als  vielmehr  seiner  Blätter  wegen,  erheblich^  weil  sie  die 
beste  Nahrung  der  Seidenwürmer  sind. 

a)  Nur  unsere  Zn--elschgen  und  Borsdorferäpfcl  findet  man,  nach  Hrn.  Crome  ,  in  Italien  nicht. 
h)  In  Frankreich  hat  vorzüglich  die  Cultur  der   Pflaumen,    als:   der    Damascener ,   der  Priinel- 
len,  der  Mirabellen,  der  Perdrigons  und  der  Rein -Claudes ,  einen  hohen   Grad  der  Vollkom- 
menheit erreicht. 

c)  Besonders  in  den  südlichen,  südwestlichen  und  mittleren  Gegenden  Deutschlands,  wo 
auch  der  Obstbau  ausgebreiteter  ist,  als  in  den  nördlichen,  vorzüglich  in  f-f^iirlemberg ,  wo 
nicht  nur  fast  alle  Landstrassen  mit  fruchtbaren  Obstbäumen  eingefasst  sind,  sondern  es 
auch  mehrere  Orter  und  Thäler  gibt ,  wo  eigentlich  Obstwälder  stehen  ,  und  öfters  Birn- 
bäume,  wie  die  grössten  Eichen  -  Bäume,  welche  oft  loo — i3o  Simri  (ein  Simri  hält  drey 
•  Achtel  vom  Wiener  Hetzen)  Obst  tragen  ;  nächstdem  in  dem  Main-,  lieizai-  und  Rhein- 
kreise des  Königreichs  Daicrn ,  in  den  grossherzoglich  badenschen  und  hessischen  Landen, 
m  Tj-rol,  Siejermark,  Ka'rnthcn,  Österreich  ob  und  unter  der  Eiins,  in  Mä/tren,  Böhmen  u.  s.  w. 
in  welchem  letzteren  Lande  man  schon  im  J.  1786  über  7,649,000  St.  Obstbäume  gezählt 
liatte;  doch  hat  Norddeutscliland  die  iJorsc/o/erj  die  Slettiner,  auch  Rostociter  Apfel,  als  eigen- 
thümliches  Product. 

d)  Das  schönste  und  meiste  Obst  wird  in  Ungern  bey  Ödenburg ,  Rusl ,  Güns  und  Pressburg 
erzeugt.  In  diesen  Gegenden  reitzt  zur  fleissigeren  Obstcullur  der  starke  und  einträgliche 
Absatz  nach  ff^ien.  Allein  im  Ganzen  befleissiget  sich  der  ungrlsehe  Bauer ,  mit  Ausnahme 
der  deutschen  Colonisten ,  noch  viel  zu  wenig  dieses  Zweiges  der  Landwirthschaft.  Er  über- 
lässl  alles  bloss  der  lieben  Natur,  oder  räumt  vielmehr  nicht  einmal  dieser  freye  Wirksam- 
keit ein;  denn  man  sucht  nur  recht  viele  Bäume  auf  den  gewöhnlich  beschränkten  Raum 
zu  pflanzen,  die  dicht  auf  einander  stehen,  sich  nicht  ausbreiten  können,  und  grössten 
Theds  verkrüppeln  ;  daher  nur  selten  etwas  Obst  tragen.  Am  stärksten  ist  durch  ganz  Un- 
gern der  überall  leicht  gedeihende  Pflaumenbaum  verbreitet.  In  Sjrmien  allein  nehmen  die 
Pflaumimgärten  einen  Raum  von  7000  Jochen  ein.  Auch  hat  Ungern  beträchtliche  Kirschen- 
anlagen,  welche  die  trelTlichslen  Kirschengattungen  liefern.  Besonders  sind  Sterusy ,  Lanl- 
sar  und  Koisin  in  der  Neutraer-Gespannschaft  ihrer  schönen  grossen  Kirschen  wegen  berühmt , 
die  jedoch  von  den  Heltauer  und  Kronstädter  Kirschen  in  Siebenbürgen  an  Grösse  noch 
übertroffen  werden. 

«)  Im  Lande  ob  der  Enns  z.  B.  gibt  es  Bauern,  die  jährlich  3 — 4000  Eimer  Obstmost  ver- 
fertigen. Eben  so  trifft  man  in  dem  obstreichen  Lafantthale  in  Kärnthen  Bauern  an ,  die  in 
mittelmässigen  Jahren  zu  3 — 5oo  Eimer  Obstmost  erzeugen ;  und  man  kann  die  Mostpro- 
Hurtion  dieses  Thaies  jährlich  über  100,000  Eimer  anschlagen. 


II.   Urproduclion.   ^.   33.    bajjutnichle.  81 

J)  Besonders  vertlienct  in  dieser  Hinsicht  Ödenbarg  \n  Ungern  genannt  zu  werden,  wo  man 
die  allerbesten  Sorten  zuerst  aii(  eine  ganz  eigene  Art  dürrt,  und  dann  in  Schachteln  ein- 
macht, und  oben  mit  Figuren  aus  Obst  und  Zucker  auf  das  zierlichste  belegi.  Dieses »soge- 
naiinle  gezierte  üdenburgerobsL  wird  weit  und  breit  \  erschickt. 

g)  Diese  österreichische  Provinz  hat  im  Hradischerkreise  eine  eigenthiindiche  .  kleine,  sriir 
wohlschmeckende  Art  von  Pflaumen  ,  die  sogenannte  BrYinnerzwelschge. 

h)  Der  ff-^a/lnussbaum  wird  am  häufigsten  in  Italien ^  Fi-ßnkreich  und  der  Sc/m-eiz  gezogen; 
nächstdem  in  Ungern  und  Deutschland,  in  welchem  letzteren  Lande  unter  andern  die  sieben 
Meilen  \a.n^e  Bergstrasse  im  Grossherzogthume  Baden  ^or  den  Verwüstungen  des  Kriegs  ganz 
mit  wälschen  Nussbäumen  besetzt  war.  Der  Wallnussbaum  liefert  \  ortreffliches  Holz  zu 
Tischlerarbeiten,  aus  der  grünen  Schale  der  Wallnüsse  lässl  sich  eine  gute  schwarze  Farbe 
ziehen,   und  die  Früchte  geben  das  Nussöhl. 

j)  In  Italien,  Frankreich,  Spanien,  Portugal,  in  der  Schtieiz  ,  in  Deulicldand ,  nahnientlich  in 
Tjrol  und  östlich  \on  der  Bergstrasse  ■,  so  wie  in  Ungern  um  Nasj-banva  ,  vorzüglich  aber 
im  Odenburger  und  S'ümegher  Comitate,  sieht  man  ganze  Wälder  von  Kastanienbäumen. 
In  einigen  dieser  Länder,  nahnientlich  in  Italien ,  Fratikreicli  und  der  Sc/niriz-,  sind  die  Ka- 
stanien ein  wichtiges  Surrogat  des  Brotes,  und  ein  vorzügliches  INahrungsmittcl  der  niede- 
ren \  olksclassen.  Von  den  beyden  in  Italien  üblichen  Sorten  ist  die  grossere  unter  dem 
INahmen  Maroni  die  vorzüglichere. 

k')  In  den  unter  i)  genannten  Ländern  werden  auch  Mandeln  gewonnen.  Sicilien  ,  wo  Öhl 
aus  dieser  Frucht  im  Grossen  bereitet  und  an  den  Speisen  \  erbraucht  wiid  ,  ^  er&chickt  jähr- 
lich 100,000  Cantaras  Mandeln  für  3oo,ooo  Ducati. 

l)     Mit  eingemachten  Aprikosen  treibt  das  südliche  Frankreich  einen  ansehnlichen  Handel. 

m)  Die  Quitte  wird  in  der  Schweiz,  in  Deutschland  und  Ungern  nicht  so  milde,  dass  man  sie 
roh  geniessen  könnte.  üfiuT  die  portugiesische  Quitte,  die  grösste  und  schmackhafteste  Art, 
erhält  in  Südeuropa  diesen  Grad  der  Verfeinerung  ;  wird  aber  auch  ;  dort  nur  mit  Zucker 
eingemacht  genossen. 

7i)  In  Ansehung  der  Mannigfaltigkeit  der  Sorten  behauptet  jetzt  vielleicht  den  ersten  Rang  in 
Europa  die  Baumschule  des  berühmten  Pomologen  Diel  zu  Dicz  an  der  Lahn.  Von  Äpfeln 
hat  er  an  700,  \on  Birnen  3oo  ,  von  Pflaumen  über  100,  von  Kirschen  über  60,  von  Pfn- 
sichen  44»  ^on  Aprikosen  22  Sorten,  und  die  Versendungen  geschehen  vorzüglich  nach 
Hamburg,  St.  Petersburg ,  Moskau  und  anderen  Gegenden  des  Nordens.  S.  NeueLeipz.  L.  Z. 
1810.  St.  92.  S.  1466.  Kächst  dieser  Baumschule  \  erdienen  mit  Achtung  genannt  zu  werden 
die  Pflanzschulen  der  edelsten  Obstsorten  zu  fJ-"ien  ,  besonders  der  A-.  k.  Obslf^arlen  in  der 
Ungergasse  (der  für  die  österr.  Monarchie  dadurch  \vohlthätig  wird ,  indem  Pfropfreiser  von 
allen  Sorten  an  die  Freunde;  der  Obstzucht  unentgeltlich  abgegeben  werden)  und  die  Rosen- 
thal'sche  Baumschule  auf  der  Landstrasse;  ferner  die  Baumschulen  zu  Schönbruun  und  Pa- 
ris, die  Baumschulen  eines  Christ  (Oberpfarrers  zu  Kronberg),  eines  Sicklers  (Pfarrers  zu 
Kleinfahnern  in  Thüringen),  emes  Röslers  (Dechants  zu  Podiebrad  in  Böhmen)  ,  die  fürstlich 
Eszterhazj-schen  Gärten  um  Eisenstadt  u.  s.  w. 

o)   S.  Vaterl.  Blatt,  für  den  österr.   Raiscrstaat.  Nr.  37.  Jan.   1810.  S.  299. 

p)  Aus  den  Oliven  wird  das  Baumöhl  gepresst.  Das  reinste  und  weisseste  kommt  \on  Jia-  aus 
der  ehemaligen  Provence.  Nach  diesem  hat  das  von  Lucca  den  ersten  Rang.  Die  übrigen 
feinsten  italienischen  Öhlsorten  liefern  Genua  (Oncgiia,  Spezzia,  San  Remo)  ,  Piemont  (Niz- 
za, Monaco)  und  Toscana ;  das  beste  Jonische  ist  das  von  Corfu ,  das  beste  türkische  das 
von  ^then  (Atiniah).  Die  gewöhnlichen  Sorten  liefern  Neapel,  Sicilien,  der  Kirchenstaat, 
Sardinien,  das  lombardisch-venelianische  Königreich,  Dalmaticn  ,  Ragusa,  Cattaro ,  Istrien 
u.  s.  w.  ,  in  grosser  Menge,    an    welcher   Mittelmässigkcit   des   Products   nicht   sowohl   die 


8g  n.   UrproducliüU.   §.   54.   SUudeulrücIite. 

Gattung  der  Oliven,  oder  die  physische  Beschaffenheit  des  Landes,  als  der  Mangel  der  ge- 
höri<»en  Sorgfalt  bey  der  Bereitung  Schuld  ist.  Das  schlechteste  Ohl  ist  das  Sfianisclie ;  es 
wird  auswärts  meistens  für  die  Fabriken  gebraucht,  und  zwar  in  solcher  Menge,  dass  Spa- 
nien jährlicii  für  G  Mill.  11.  ausführt.  Nicht  viel  besser  ist  das  Portugiesische ;  die  Güterbe- 
sitzer sind  in  Portugal  (nach  dasigem  Rechte)  gezwungen  ,  sich  der  wenigen  gemeinschaft- 
lichen Öhlpressen  zu  bedienen  ;  so  verderben  die  Oliven  gewöhnlich  und  das  Öiil  wird  ranzig. 

(/)  Der  Hauptsitz  der  Cilvonen-  und  romeranzengärlen  ist  Italien;  vorzüglich  reich  an  diesen 
Früchten  ist  Genua,  Piemonl ,  die  Lombardie ,  Toscana  ,  dar  Kirchenstaat  und  heyde  Siciliea  ; 
nächstdem  Portugal,  Spanien,  wo  man  auf  der  Insel  Mallorca  allein  in  gewöhnlichen  Jah- 
ren 24iOoo,ooo  St.  Citronen  und  Pomeranzen  gewinnt;  endlich  der  Berg  Alhos  in  der  Tur- 
key,  und  Meuton  nebst  Cannes ,  Frejus ,  Hyeres  und  Grace  in  Südfrankreich.  Es  gibt  Eigeu- 
thümer  in  il7ciUo;i,  die  in  guten  Jahren  lo — i5,ooo  Fr.  aus  ihren  Gärten  ziehen,  obgleich 
das  Tausend  jener  Früchte  höchstens  zu  20  Fr.  verkauft  wird.  S.  Gottliig.  gel.  Anz.  1807. 
St.  i2o.  S.  1198.  Die  grösstcn  und  schmackhaftesten  Pomeranzen  liefert  Malta,  vortrefflich 
süsse  Citronen  (limos  dolces)  Algarcien.  —  In  Tyrol  versuchte  ein  Bolzner  Bauer,  Nahniens 
Oswald,  zwischen  1730—40  der  ersle  die  Pflanzung  der  Citronen  im  kalten  Grunde,  und 
nun  trägt  jeder  Baum  in  guten  Jahren  1000 — 1200  St.  Die  Ausfuhre  geht  bis  in  das  tielstc 
.Russland. 

/■)  Die  Dattelpalme  erreicht  in  Südeuropa,  nahmentlich  bey  dem  Dorfe  la  Bordighiera  in  Ita- 
lien wohl  die  Höhe  von  5o  Fuss  ,  und  trägt  auch  wohl  Datteln;  doch  sind  diese  nicht  ge- 
niessbar.  Man  cultivirt  sie  bloss  der  Palmzweige  wegen,  welche  sowohl  von  den  Katholiken 
als  Juden  ,  häufig  zu  ihren  religiösen  Festen  gekauft  werden.  Es  gehen  mehrere  Schiffsla- 
dungen derselben  jährlich  ab.  S.  Gölting.  gel.  Anz.  i8i3.  St.  124.  S.  1207  ff.  Zu  uns  kom- 
men die  Datteln  getrocknet  aus  Afrika. 

s)  In  Siuleuropa ,  wo  der  Feigenbaum  des  Jahres  z\veymal  trägt ,  werden  die  Feigeh  einge- 
macht und  getrocknet ,  und  geben  einen  ansehnlichen  Handelsartikel  ab.  So  führen  z.  B.  die 
Bocheser  allein  jährlich  5oo,ooo  Pfunde  dürre  Feigen  aus.  Man  unterscheidet  im  Handel 
Korbfelgen  \on  Fassfeigen ;  jene  kommen  aus  Portugal,  Spanien,  Frankreich  und  Italien  ;  diese 
aus  Crpern.  Die  besten  Feigen  werden  auf  Malta,  Corfu,  im  J'enetianischen  und  in  Dalma- 
tien  ge\vonnen.  In  Deutschland  und  Ungern  wird  diese  Frucht  bey  aller  Pflege  doch  nicht 
so  schön  und  süss  ,  wie  in  Südeuropa.    Sie  wird  auch  nur  roh  gegessen. 

t)  Pislacien,  a.\.ich  Pislacienkerne  oder  Pimpernüsse  genannt,  exportirt  unter  andern  Sicilien 
jährlich  für  3oo,ooo  Ducati. 

li)  Der  Johannisbroibaum  oder  Sodbrotbaum  ,  dessen  essbare  Schoten  das  Sodbrennen  dämpfen, 
wird  zwischen  Nizza  wwd  Monaco ,  auf  der  dalmatinischen  Insel  Lesina,  in  Neapel,  vor- 
nehmlich aber  in  Sicilien,  Spanien  und  Portugal  sehr  häufig  gezogen.  Sicilien  erhält  \ora 
Auslande  für  Johannisbrot   jährlich  900,000  Ducati. 

§.   34. 
Slaudenfrüchte. 

y^iidcnStaiideii/rüchterij  die  thcils  zui-  Nahrung,  theils  zur  Bereitung  vcrscliiede- 
ner  Gelränke  dienen,  und  für  manche  Länder  einen  nicht  unbedeutenden  Handelsarti- 
kel ahgeben,  gehören :  i)  die  Hciselnüsse  (corylus  avellana).  Diese  Frucht  wird  be- 
sonders in  Neapel  be}^  yJ\>elli/io  j  in  Sicilien  und  Spanien  in  grosser  ^lenge  gezogen 
und  aiisgefiihrt.  So  gehen  z.  B.  aus  Sicilien  jährlich  11,000  Sahnen  Haselniissc  für 
120,000  Ducati  in's  Ausland.  2)  Die  Kuppern  (capparis  spinosa) ,  oder  die  unaufgc- 
blühten  ßliunenknospeu  des  iu  JXeapel  und  Süd/'rankreich  mit  Fleiss  gezogenen  Kap- 


II.  Urproduction.   §.  35.   Weiustock.  83 

pernstrauchs ,  welche  man  abpflückt,  etliche  Stunden  in  Schatten  legt,  damit  sie  welk 
werden ,  und  sie  dann  mit  Essig  imd  Salz  einmacht.  Sie  weiden  zu  manchcrley  Spei- 
sen gebraucht  und  weit  verschickt.  3)  Die  Heidelbeere  (vaccinium  myrtillus).  Diese 
Beere  wuchst  am  häufigsten  auf  der  öden  LUneburgerlieide  in  Norddeutschland.  Der 
Nutzen,  welchen  die  Ilaarburger  Nachbaren  von  dieser  Beere  jjlhrlich  ziehen,  wird, 
Hrn.  JSemnich  zufolge  ,  auf  20,000  Thaler  geschätzt.  In  Hamburg  werden  davon 
grössien  Theils  rothe  Weine  fabricirt.  -4)  Die  J V achholderbeere  (jimipenis  commu- 
nis). jNlit  Wachholdern ,  deren  blaue  Beeren  in  der  Haushaltung  und  Mcdicin  grossen 
Nutzen  gewähren,  sieht  man  in  vielen  Gegenden  Europa's  ganze  Strecken  besetzt. 
Sachsen-TVeimar  treibt  Handel  mit  Wachholderbeeren ,  die  einst  sogar  bis  nach 
Ostindien  vei-schickt  wurden,  undin  ffollaiidwerden ,  nach  Hrn.  Metelerkamp  ^  jähr- 
lich z^5o,ooo  Anker  Wachholderbranntwein  getrunken.  Das  Harz,  welches  '\n  Itcdien 
und  Spanien  aus  dem  Wachholdcrstrauche  (juniperus  oxycedrus)  hervoi'schwitzt,  wird 
unter  dem  Nahmen  Sandarak  weil  verschickt,  mid  dienet  theils  in  der  Arznev,  voi- 
nehmlich  aber  zu  feinem  Firniss.  5)  Die  Himbeere  (rubus  ideus),  besonders  die  dun- 
kelrothe  nordische  Himbeere  (rubus  articiis) ,  welche  in  den  Gebirgen  und  feuchten 
moosigen  Gegenden  von  Schweden  j  Norwegen  j  Lappland  und  Russland  wächst, 
und  die  unsrige  an  erquickendem  Gerüche  und  Gcschmacke  weit  übertrifft.  Die  Bee- 
ren werden  in  jenen  Gegenden  eingemacht  oder  gedörrt,  und  weit  in  südliche  Län- 
der verschickt.  Endlich  6)  die  Früchte  des  Erdbeerbaumes  (arbulus  unedo).  Dieser 
strauchartig  wachsende  Baum  kommt  nur  in  Spanien,,  Taurieii  und  Dalmatien  vor; 
in  letzterem  Lande  wächst  er  ungemein  häufig,  besonders  in  den  unbewohnten  Li- 
seln ,  wo  dieser  Strauch  in  weiten  Flächen  ein  beynahe  undurchdringliches  Gestrippe 
bildet.  Die  Früchte  dieses  Erdbeerbaumes  gleichen  den  schönsten  Gartenerdbeeren  j 
sind  jedoch  zwey  bis  dreymal  grösser;  sie  haben  einen  süssen,  wenig  säuerlichen, 
daher  faden  Geschmack.  Die  migelieure  Menge  dieser  Früchte  blieb  bisher  in  Z?rt/;?7r/- 
tien  unbenutzt.  Erst  im  J.  1816  bat  man  die  ersten  Versuche  gemacht,  Branntwein 
daraus  zu  brennen,  welche  einen  solchen  Erfolg  hatten,  dass  schon  in  diesem  ersten 
Jahre  über  1000  Barillen,  und  im  nächstfolgenden  an  2000  Barillen  Branntwein  von 
16  Graden  daraus  erzeugt  wurden.  Dieser  Branntwefn  war  von  sehr  guter  Qualität ; 
er  wurde  in  Triest  im  Durchschnitte  mn  100  Lire  (ä  12  kr.)  die  Barille  abgesetzt, 
während  seine  Erzeugimgskosten  nur  etwa  auf  3o  Lire  für  die  Barille  zu  stehen 
kamen  aj. 

a)  Über  das  Vorkommen  und  die  Verwendung  des  Erdbcerbaiimes  in  Dalmatien  ;  im  ersten  Ban- 
de der  Jahrbücher  des  k.  k.  polytechnischen  Institutes  in  Wien.  S.  292 — 299. 

§.   35. 
W  e  i  n  s  t  o  c  k    (w//*  viniferä). 

Dieses  edle  Gewächs,  dessen  Frucht  uns  ein  Getränk  giht,  dem  kein  anderes  an 
PLraft  und ^V^irkung  gleich  kommt,  ist  ursprünglich  ein  Product  des  wärmeren  Asiens j 
von  da  es  über  Griechenland,  nach  Italien  und  dem  südlichen  Frankreich^  und  aus 
diesen  Ländern  in  andere  europäisclie  Gegenden  gekommen  ist.  Die  eigentlichen  \Vein- 


rf4  •!•   Urpruduclion.   §.   3j.    Weiustock. 

lauclci-  Sind  JL'iiseits  des  5o.  Grades  dei-  Breite;  es  geliöreii  also  daliin  Port'igul  aj  ^ 
Spanien  bj  ,  Frankreicli  cj  j  Rallen  dj  _,  die  jonische/i  Inseln  ej  ^  die  Schweiz  fjj 
das  siidliclie  und  weslliciic  Deutschland  gj  _,  Ungern  hj  _,  Slav.jnien_,  Croatien  ^ 
Didtnatien  j  die  Boche  dl  Cattaro  ij  ^  Siebenbürgen  j  die  taurische  i^a[\nnse\kj  und 
die  osmanischen  Provinzen  l).  Denn  oljj^fjeich  diessseits  des  5o.  Grades  der  Breite 
Irin  und  wieder  Wein  wächst,  und  insonderheit  einige  in  üeutschLand  diessseits  des- 
selben gelegene  Gegenden  noch  guten  Weinbau  haben:  so  ist  doch  dieser  Wein  mit 
demjenigen,  welcher  in  Europa's  südlicher  Hälfte  wächst,  weder  in  Ansehung  der 
Güte  noch  Menge  zu  vergleichen.  Für  Fratiki'eicJi j  Spanien  _,  Portugal j  Ungern 
und  einige  deutsche  Länder  ist  der  Wein  ein  überaus  wichtiges  Product,  dessen  Aus- 
führe viele  Millionen  Gulden  in's  Land  zieht;  auch  kann  die  Cultur  desselben  mehr 
Menschen  beschäftigen  und  ernäliren  inj  j  ob  sie  gleich  keine  so  sichere  Grundlage 
des  Privat-  und  Staatswohls  ist,  wie  dieser.  Denn  gute  Weinjahre  sind  ungleich  sel- 
tener als  gute  Gelreidejahre ;  der  Weinbauer  (Winzer)  niuss  daher  oft  borgen,  niuss 
selbst  eine  Zeitlang  darben,  bis  wieder  ein  seltenes  Jahr  grössere  Einkünfte  gewährt» 
Dann  muss  man  Schulden  zahlen,  dann  will  man  ftir  die  vielen  künuneilich  durchleb- 
ten Tage  sich  nach  seiner  Art  entschädigen ;  woher  es  denn  kommt ,  dass  der  Wein- 
bauer selten  ein  guter  flauswirth  und,  wenn  er  keinen  Ackerbau  dtd)ey  hat,  gewöhn- 
lich ärmer  als  der  Kornbauer  ist. 

Rosinen _,  oder  getrocknete  Beeren  der  Weintrauben,  werden  in  Portugal ^  Spa- 
nien, Frankreicli  untl  Italien j,  nahmcntlich  im  Kirchenstaate ,  in  Calabrien  und 
auf  den  Inseln  Sicilien  und  Lipari  in  grosser  Menge  gewonnen  und  ausgefuiirt.  S{)a- 
nien  z.  B.  exportirt  davon  jährlich  140,000  Glr.  Der  Kirchenstaat  vmd  Frankreich  er- 
zeugen die  vorzüglich  gute  Sorte  von  Rosinen,  Passarini  oAev  Passarlllen  genannt, 
jener  bey  Pcriil  j,  dieses  hoy  Front Ignan.  —  Corlntlien  _,  von  einer  sehr  kleinen  Trau- 
benart («^'a  passa  minima)  bereitet,  sind  das  vornehmste  Vroducidiv  Cephtdonia  nnd 
Zante  j  so  wie  fiir  MoreUj  verschiedene  Inseln  des  Archipels  und  einige  Gegenden 
Grlecheidands.  Cephalonla  ,  Zante  und  Morea  erzeugen  allein  an  24,000,000  Pf. , 
wovon  4  ini£ Morea  kommt.  Der  Weinslock,  von  dem  sie  gewonnen  werden,  wurde 
ehemals  am  häufigsten  um  Corlnth  gepflanzt;  dahei- diese  kleinen  Rosinen  den  Nahmen 
Corlnthen  ftdiren. 

(()  Unter  ilcii  porlagiesixchen  Weiiioii  sind  die  gesuclitestcii  die  rotlioii  Porloireine  in  der  Pro- 
\i112  Enlre  Duero  e  Minlio  ,  wovon  70 — 80,000  Pipen  (a  600  hi)uieillen)  j:ihrlic!i  gexvoiuien 
werden.  £/jo-/«/ii/  erhalt  40,000  Pipen  davon  jährlich,  10,000  Pipen  bezieht  das  nördliche 
Europa ,  der  Rest  geht  nach  Brasilien.  Ausserdem  worden  60,000  Pipen  weisse  Weine,  \  or- 
ziiglich  in  Esireinadura,  erzeugt,  wovon  etwa _io, 000  in  Europa  abgesetzt  werden.  Man 
sehlägt  den  Werlh  der  gesammten  Wein-Ausfuhre  jährlich  auf  lo-j  Mili.  Crusaden  =:  i2y 
Miü.  tl.  an.  S.   Crome  a.  a.   O.  S.  553. 

b)  Unter  den  spanischen  Weinen  sind  die  vorzüglichsten  :  1)  inGranada:  der  so  bekannte  und 
hiAii^hlc  MaUigim'ein ,  der  aber  in  Deutschland  selten  acht  getrunken  wird;  eine  Gattung 
desselben,  welche  die  Engländer  besonders  lieben,  wird  von  ihnen  Beigwein  (  Mountain  ) 
genannt.  Der  von  Pedro  Ximenes  wird  für  den  besten  weissen  Malagawein  gehalten;  2)  in 
Sei'ilta:  der  herrliche  Xc/-e4K^<;m;  die  süsse  Sorte  heisst  Pasanele ;  die  bittere  aber  magen- 
stärkende rinoSeco  oder  Secl ;  der  Tinlo  de  Rola  ,  ein  köstlicher,  dicker  rother  Wein,  and 


II.    Urpioductiou.   §    35.    W'eiiistock.  y5 

der  Mansum'lla  ;  5)  in  Murcia:  der  treffliche  Wein  von  I  illatobus ;  n)  m  Valencia:  <lcr  lie- 
rulimte  koslliche  Älicanleweni ,  \on  welchem  die  beste  Sorte  Tialo  de  AUcanle  heissl;  o)  in 
Niii>aira:  der  sclir  geschätzte  I'eruUa  oder  so^enäiinlii  spanische  Sect ,  ein  starker  weisser 
Wein;  der  \  on  Tudela  ist  etwas  leichter  und  roth  ;  (i_)  a.ni  Mallorca :  der  vortreffliche  Mal- 
casienfeiii  Lev  dem  Flecken  Follenza  oder  Pollentina.  Das  ganze  Reich  erzeugt  jahrlich  zwi- 
schen 3 — 4  AIiU.  Ohm  ,  und  iiihrt  jährlich  etwa  284,000  Ulim  davon  aus. 

c)  Unter  dtin  französischen  Weinen  sind  die  bemerkens\vertliesten  :  1)  der  Burgunder,  beson 
ders  der  von  Chamborlin ,  Bourgogne ,  Poinard  und  Clos-Foageot.  Die  ersten  Herzoge  von 
Burgund  Hessen  sich  in  ihren  Verordnungen :  unmillelhare  Herren  der  besten  f-f^eine  in  der 
Christenheit ,  wegen  ihres  guten  Landes  von  Burgund  ,  angesehener  und  berühmter  als  je 
des  andere  im  Weiiiwuchse ,  betiteln.  S.  N.  A.  D.  Bibl.  XCV.  S.  2i4;  2)  dar  Champagner, 
wovon  der  beste  bey  Epernaj  wächst;  3)  der  ßourdeauxer ,  von  welchem  die  besten  Sorlen 
die  Weingebirge  von  Medac ,  Grace  und  das  n>eisse  ff^eingebirg  liefern ;  4)  der  Hennilage- 
wein,  l'ontac  und  der  Cole-Rulie  i  5)  der  Musealwein  ,  vornehmlich  der.  von  Lünel ,  Fron- 
tignan  und  Ripesalles.  Die  sämmtlichen  Weingarten  sollen  1,734,573  Hectaren  (G,6o6,3oo 
Calenb.  Morg.)  betragen,  und  davon  sollen  3i,oi2,452  Hectolilers  (i2,g25,8ii  Oxhofte) 
Wein  gewonnen  werden,  wovon  man  i4,549^o32  auf  den  inländischen  Verbrauch,  die 
übrigen  16, 463, 400  Hectoliters  aber  (i2oMill.  Fr.  werth)  zur  Ausfuhre  rechnet.  S.  Gdtting. 
gel.  Anz.  1818.  St.  23.  S.  232.  Nach  Hrn.  Crome  werden  jährlich  im  Durchschnitt  24,274,100 
Oxhofte  Wein  und  Branntwein  gewonnen,  und  davon  ^  ausgeführt,  welches  i8i2  20-^ 
Mill.  fl.  ,  1800  über  40  Mill.  fl.  betrug.  —  In  Paris  werden  jährlich  80,928,000  ßoutoillea 
Wein  und  andere  starke  Getränke  getrunken.  S.  Göttin^,  gel.  Anz.  i8n.  St.  41.  S.  406. 
In  der  Baumschule  Luxemburg  zu  Paris  sollen  sich  1400  (?)  verschiedene  Sorten  Weinstocke 
befinden.  S.  Gotting.  gel.  Anz.   1818.  St.  23.  S.  232. 

rf)  Unter  den  italienischen  Weinen  sind  die  vorzüglichsten:  i)  im  Genaesisc/ien :  der  edle  J'er- 
nazerwein ;  2)  in  Toscana:  der  treffliche  Museal elier  bey  Chianli,  der  berühmte  Monte- Pul- 
ciano  und  der  Trebiawein  bey  Sicna;  3)  im  Kirchenstaate:  die  weissen,  feurigen  Weine  von 
Orvieto,  Perugia  Und  Fiterbo,  so  wie  die  rothen  von  Munlefiascone,  Albano,  Praeneste  u.  s.  w.  ; 
4)  in  Neapel :  der  von  Horaz  besungene  Falernerwein ,  der  angenehme  Fino  grecco  und  der 
Lacryma  Christi ,  oder  der  Lacrjma  (wie  man  ihn  schlechthin  in  Neapel  aennt)  ,  ein  treff- 
licher Tischwein.  Es  gibt  zvveyerley  Sorten  davon  :  asciuHo  und  dolce.  Jener  ist  herbe,  die- 
ser süss.  Der  erste  wird  vorgezogen ,  weil  ei-  bey  weitem  angenehmer  und  reiner  ist ;  5)  auf 
der  Insel  Sicilien :  die  Weine  von  Lipari ,  Sjracus ,  Calanea  und  der  Furowein,  der  bey 
guter  Bereitung,  nach  3 — 4  Jahren,  dem  alten  Portoweine  völlig  gleich,  und  auch  unmäs- 
sig  genossen,  ^veniger  schädlich  ist,  daher  von  den  Engländern  sehr  geschätzt  wird.  Es 
werden  davon  jährlich  an  100,000  Pipen  ausgeführt;  6)  auf  der  Insel  Sardinien :  der  edle 
Naskoivein ,  nebst  dem  voa  CagUari ,  von  Bosa  und  andern  sehr  starken  und  feurigen  Wei- 
nen. Im  Ganzen  ist  der  Weinbau  in  Italien  bey  weitem  nicht  so  beträchtlich,  als  er  es  wohl 
seyn  könnte,  und  die  Weinausfahre  ungemein  viel  geringer,  als  sie  seyn  würde,  wenn  man 
den  Weinslock  sowohl ,  als  das  Erzeugniss  aus  seiner  Frucht  besser  behandelte. 

f)  Berühmt  sind  die  üesertweine  \on  Zaale,  worunter  der  aus  ui^a  passa   bereitete  und  unter 

di'm  Nahmen  Gennuvides  bekannte  der  beliebteste  ist. 
/)  In  der  Schweiz  ist  der  beste  weisse  Wein  der  Rj'Jwein  {ein  de  cnud)  im  Canlon  H^aaäl. 
Dann  folget  der  i>in  de  la  cote  am  Genfersee.  Von  rothen  Weinen  zeichnet  sich  'aus  der 
Neacnburger.  Er  kommt  di^n  Burgunder  gleich ,  und  trägt  dem  Lande  durcli  die  Ausführe 
470,000  —  5oo,ooo  tl.  ein.  ImCanton  Basel  wird  auf  dem  St.  Jacobs-Kirchhofe  der  berühmte 
rothe  Wein  gewonnen,  bekannt  unter  dem  Nahmen  ScUweizerblul ,  zum  Andenken  der  1444 
daselbst  mit  den  Franzosen  gehaltenen  Schlacht.  Der  Ganton  Tessin  versendet  von  seinen 
feurigen  Weinen  ebenfalls  eine  kleine  (^>uantität. 


>  11.   Urproduction.  §.  35.  Weiustock. 

g)  In  Deutschland  sind  die  vorzügliclisten  Weine:  x)  in  Nassau  (im  Rheingaii)  :  der  Johannis- 
b erger ,  Horhhe.imer  ,  liiuieJieimer ,  Markebriinner  und  Asinannshauser ,  welche  man  für  die 
besten  unter  allen  Hheinii-rinen ,  und  überhaupt  für  das  edelste  Gewächs  von  allen  deut- 
schen Weinen  hält;  die  Perle  aller  Rheinweine  aber  ist  der  Johanidsbrrger.  Er  wächst  nur 
auf  einem  Areal  von  etwas  über  63  Morgen,  welche  eine  Domaine  Sr.  Durchlaucht  des, 
Fürsten  v.  Meli  ertlich  sind.,  und  jährlich  25  Sluck  Fass  ,  i3oo  Flaschen  auf  ein  Fass  ee- 
rcchnet,  zu  ij  fl.  ,  3 — 4  •>  auch  bisweilen  einzelne  Flaschen  zu  i2  fl.  liefern.  Im  J.  1781 
soll  ein  Engländer  1000  Louisd'or  für  ein  Fuder  i77gger  Johanuisberger  bezahlt  haben.  So 
weit  die  Schlossberge  reichen  ,  wird  dieser  berühmte  Wein  jährlich  zu  23 — 24,000  fl.  ge- 
schätzt. S.  Neue  Leipz.  Lit.  Z.  1810.  St.  92.  S.  i465.  —  2)  In  dem  Grossherzogthume  Hes- 
sen, nahmentlich  in  den  Rheinlanden:  der  Niersleiner,die  Liebfrauenmilch  ,  der  Laubenkei- 
mer;  m  der  Bergstrasse:  der  beste  bey  Auerbach,  —  3)  In  dem  Grossherzogthume  Baden: 
der  Markgräßer ,  Ajfenthaler ,  Steitdiacher ,  TVeHheimer ,  der  Bergsirasser  von  Laudenbach 
und  Hemsbach.  —  4)  In  dem  Königreiche  Baiern,  nahmentlich  in  den  fr-änkischen  und  über- 
vheinisrhcii  Pro\inzen.  Berühmt  sind  besonders  der  Leisten-  und  Steiniiein  in  Würzburg. 
Die  eigentliche  ileimath  des  erstcren  ,  des  Königs  unter  allen  Frankenweiiien  ,  begreift  aber 
nur  ungefähr  60  3Iorgen,  des  letzteren  nicht  mehr  als  etwa  400  Morgen  Weinberge.  Der  Stein- 
wein ist  feuriger  als  der  Leistenwein  ,  aber  nicht  so  aromatisch  und  angenehm ,  als  dieser. 
Nächst  diesen  wächst  der  beste  Frankenwein  zu  Ti-i^/Jelstein ,  welcher  unter  dem  Nahmen 
Callmulh  berühmt,  ohne  künstliche  Mischung  ganz  süss  ist,  und  den  berühmtesten  ungri- 
schen  Weinen  nahe  kommt.  —  In  dem  Königreiche  f-^f^ilrtemberg,:  d\e  Neckarweine ,  beson- 
ders bey  Elfingen,  Maalbronn ,  Eslingen  und  Ileilbronn.  Den  ganzen  Weinertrag  dieses  Kö- 
nigreichs hat  man  im  J.  i8n  auf  1  MiU.  Eimer  geschätzt.  S.  H.  A.  L.  Z.  i8i3.  Nr.  172. 
S.  541.  —  6)  In  den  kaiserl.  ösleireichisch-deulschen  Frovinzen  ,  und  zwar:  aa)  im  Lande 
unter  der  Enns  :  der  Nussberger ,  Tf^eidlinger ,  Grinzinger ,  Pfiffstet ter ,  Gumpoldskirchner , 
Brunn  er ,  Berchtholdsdorfer ,  Mödlingcr  und  Bisamberger.  Die  Weinproduction  dieses  Lan- 
des wird  in  guten  Jahren  auf  ungefähr  1,800,000  Eimer  angeschlagen.  Der  Wein  ist  sehr 
haltbar,  nähert  sich,  wenn  er  recht  alt  ist,  im  Geschmacke  dem  Rheinweine,  verträgt  gut 
die  Mischung  mit  Wasser,  und  gibt  daher  einen  guten  Tischwein  ab.  In  IVien  werden, 
nach  einem  sechsjährigen  Durchschnitte,  jährlich  53i,478  Eimer  (österr.  ,  ungr.  und  Aus- 
länder-) Wein  getrunken,  bb)  In  Sleyermarlc .-  der  starke  und  angenehme  Lutlenberger ,  aus 
dem  man  einen  kosibaren  Ausbruch  bereitet;  dann  der  Gonowitzer ,  Radkersburger ,  Kirsch- 
bacher, Jerusalemer ,  Marburger  und  Pettauer.  Der  steyrische  Wein  hat  das  mit  dem  öster- 
reichischen gemein ,  dass  er  sich  ein  halbes  Jahrhundert  und  länger  wohl  erhalten  lässt.- 
cc)  In  Krain:  der  Tschernicaler,  TVippacher  nnd  Ratschacher,  dd)  In  Istrien:  der  treCTliche 
Ribolan'cin  in  der  Gegend  von  Pirano,  und  der  Muscati^ein  um  Rortgno.  ee)  In  Tjrol:  die 
Weine  aus  der  Gegend  von  Bolzen,  Meran  und  Trienl.  Der  Tyrolerwein  wird  schon  im 
ersten  Jahre  trinkbar;  dagegen  aber  hält  er  um  so  weniger  das  Aller  aus.  ff)  In  Müh- 
ren: der  Rohat scher ,  Bisenzer  j  Poleschon'itzer ,  Domaniner  ,  Archlebauer,  Polauer ,  Poppi- 
tzer ,  Zuckerhandler  u.  s.  w.  ,  meistens  liebliche  und  feurige  Weine,  die  zum  Theil 
besser  als  die  österreichischen  sind  ;  sie  sind  zwar  ihren  Geburtsörtern  nach  wenig  bekannt, 
gehen  aber  desto  mehr  unter  fremden  Nahmen  in's  Ausland  ,  besonders  nach  Schlesien  und 
Polen.  Mähren  erzeugt  in  Mitteljahren  400,000  Eimer  Wein,  gg)  In  Böhmen:  der  dem  Bur- 
gunder ähnliche  jUt^Zn/Aer,  der  dem  Rheinweine  ähnliche  Czernoseker^  und  der  in  wenigen 
Eimern  bestehende ,  aber  wegen  seiner  Ähnlichkeit  mit  dem  Champagner  berühmte  Pod- 
skalsky.  —  7)  In  den  königl.  preussisch-deut sehen  Provinzen  ,  nahmentlich  in  den  Kreisen 
am  Rheine  ,  an  der  Mosel  und  Ahr.  Unter  den  Rheinweinen  werden  die  vorzüglichsten  von 
Bacharach,  St.  Goar ,  Boppard  und  Erpel,  und  unter  den  Moselweinen  die  besten  auf  dem 
Braunenberge  bey  Zeltingen.,  Erden  und  Trarbach  erzeugt.   Unter  den  Ahrweinen  sind  beson- 


II.  Urproduclion.  §.  35.  Weinslocl.  87 

sonders  dip  Bleicherte  beliebt.  —  Auch  in  Brandenburg,  Premsiscli-Schleslen  und  Sachsen. 
so  wie  im  Königreiche  Sachsen  wird  Wein  gebauel ;  allein  diese  Länder  liefern  nur  an  sehr 
wenigen  Stellen  ein  Gewächs  von  leidlicher  Güte ;  das  meiste  wird  in  Essig  \  erwandelt 
und  in  der  Küche  gebraucht. 

h)  In  Ungern  wächst  der  König  aller  europäischen  Weine ,  ja  aller  Weine  überhaupt,  bekannt 
unter  dem  Nahmen  Tokajer,  dessen  Geburtsort  die  ehemalige,  zum  Schlosse  gleiches  Nah- 
mcns  gehörige  Herrschaft  Tokay  mit  ihren  Umgebungen  ist ,  welche  sich  an  die  letzte  und 
unterste  Reihe  der  karpathischen  Vorgebirge  (HegyaUj-a)  im  ZempUner  Comitat  anlehnen  , 
in  ihrem  Umfange  mehrere  Flecken  und  Dörfer  (Tarczal ,  Tokav ,  Zonibor,  T6llsi->a,  Tdllja, 
Mäd,  Keresztur,  Benje  u.  s.  -w.)  zählen,  und  einen  Flächenraum  von  4 — ä  ungrischen  Qua- 
dratmeilen einnehmen.  In  diesem  kleinen  Bezirke  wächst  die  edelste  Beere  der  Welt ,  dir 
Tokajerlraube ,  die  von  den  Magyaren  mit  der  grössten  Industrie  gezogen  wird,  und  deren 
Lese  das  grösste  Nationalfest  für  dieselben  ist.  Es  gibt  vier  gangbare  Sorten  des  Tokayer- 
weines  ,  nähmlich  :  Essenz,  oder  der  Most  blosser  Trockenbeeren ,  deren  Absonderung  von 
den  gelbgrünen  Beeren  im  J.  i655  eingeführt  wurde ,  und  auf  denen  die  Güte  des  Tokayer- 
weines  ,  so  wie  seine  Verschiedenheit  einzig  und  allein  beruht;  A&nn  Ausbruch  ,  oder  eigent- 
lich Tokayerwein  xmA  ]\Iaschlasch ,  welche  beyde  Gattungen  entstehen,  wenn  ein  verhält- 
nissmässiger  Theil  der  Trockenbeeren  dem  ,  aus  der  Masse  der  gclbgrünen  Trauben  berei- 
teten ordinären  Weine  zugemischt  wird;  endlich  der  ordinäre  H-^ein,  oder  die  gesunde  gelb- 
grüne Tokayertraube  für  sich  allein.  S.  Sarlori's  Naturwunder  des  österreichischen  Kaiser- 
thums.  Tbl.  2.  S.  5 — 22.  Die  Weingärten  der  sämmtlichen  Hegyallya  betragen  80,000  Hauer- 
oder Tagewerke,  und  der  jährliche  Weinertrag  wird  im  Durchschnitt  auf  i5o — 200,000  Ei- 
mer geschätzt.  —  Der  würdigste  Rival  des  Tokayerweines  ist  der  ungemein  feurige,  süsse, 
aromatische,  schwarzrolhe  Menesc/ier ,  besonders  aus  den  Weingärten  \on  Gladoca  ,  Menes  , 
Gyorok  und  Paulis.  Die  übrigen  edlen  Weinsorten  Ungerns  sind :  der  vorzüglich  köstliche 
Ödenburger  und  St.  Georger,  der  gewürzhafte  Erlauer,  der  feurige  Sexarder ,  der  dem  Cham- 
pagner ähnliche  Schiraker ,  der  weit  und  breit  berühmte  S cho miauer ,  der  starke  Rusler,  der 
dem  Burgunder  an  feinem  angenehmen  Geschmacke  gleich  kommende,  aber  an  geistiger 
Stärke  ihn  noch  übertreffende  Sikloscher,  der  stärkende  und  im  Innern  des  Landes  am  mei- 
sten angesprochene  Ofner,  der  Nessmiler ,  der  Hazesdorfer ,  der  Szerednjer ,  Fillaner ,  Bal- 
tasseker ,  fVeisskirchner ,  Lugoscher ,  nebst  den  wie  Branntwein  starken,  feurigen  Weinen 
in  Croalien ,  Sjrmien  und  Siebenbürgen.,  und  vielen  andern  zwey- ,  drey-,  ja  vierhundert- 
fältigen Sorten.  Das  ungrische  Weinproduct  wird  auf  18 — 245400,000  Eimer  angeschlagen. 
Das  meiste  Geld  verschaffen  dem  Lande  die  Tokajer,  Ofner ,  Er  lauer ,  Ödenburger  und  Bu- 
sleriieine.  Die  Ofner  werden  am  häufigsten  nacli  Deutschland,  die  Ödenburger  und  Rüster 
nach  Schlesien  verführt ,  und  die  Tokayer\veine  haben  überall  ihre  zahlreichen  Verehrer, 
vornehmlich  in  Polen. 

i)    Die  dortigen  Liqueurweine  wetteifern  mit  den  besten  spanischen  oder  französischen. 

k)  In  der  Krim/n  erzeugt  das  Sudak-Thal  die  basten  Trauben  und  den  besten  Wein  der  gan- 
zen taurischen  Halbinsel.  Einzelne  Trauben  sind  4 — 5  Pfund  schwer,  und  einzelne  Beeren 
erreichen  die  Grösse  und  Festigkeit  von  kleinen  Pflaumen.  S.  Götting.  gel.  Anz.  1804.  St.  21. 
S.  207.  Auch  die  Gegend  an  dar  Mololschna  ist  sehr  gedeihlich  für  den  Weinbau,  der  5o 
Meilen  ostwärts  am  Don  mit  gutem  Erfolge  getrieben  \vird.  Der  Tschigir ,  ein  Abkömmling 
der  vor  einigen  3o  Jahren  nach'der  Slallhalterschaft  Astrachan  verpflanzten  Tokayerreben  , 
ist  jedoch  kein  würdiger  Nebenbuhler  des  Tokayers.  Übrigens  verdanket  der  Weinbau  im 
AsLraclianischen  seinen  Ursprung  einem  österreichischen  Mönche  (i6i3),  und  seine  Verbes- 
serung einem  ungrischen  Major.  S.  Neue  Leipz.  Lit.  Z.   1809.  St.   io2.  S.  1626. 

/)  In  diT  europäischen  Turkey  wächst  der  beste  Wein  auf  Morea  (der  Malcasierttein)  ,  und  auf 
den  Inseln  Candia,  Na.via ,  Scio  und  Santorin.  Dann  folget  der  Odvbeschler  und  der  Kotita- 


jj8  il.   Urproduclion.  >^.  51'.  Flachs  und   Haul. 

jer  in  der  Moldau ,  welriier  letztere  viel  Ciiampagnerarligcs  hat.  INach  Hrn.  /-^'o//' liefert 
dieses  Land  4,200,000  Eimer  Wein.  Griechische  Kaufleute  spediren  ihn  häufig  nach  Sie- 
benbürgen ,  Polen  und  Rtissland.  In  der  asiatischen  Tiirkey  ist  der  Cj'pernwein  berühmt. 
ot)  Nach  dem  Discours  sur  los  vignes.  Dijon  1756,  kann  eine  französische  Meile  Ackerland 
nur  i3i)0  Menschen  in  Arbeit  setzen  und  ernähren  ,  eine  Meile  Weinberge  hingegen  2604 
erhalten  ;  die  Subsistenz  der  letztern  ist  aber  auch  weit  unsicherer. 

Fabriken-    und    II  a  n  d  e  1  s  g  e  w  ä  c  h  s  e. 

§.  56. 

a)    Flachs    und    Ha  n  f. 

Unter  den  Fabriken-  und  Handelsgewächsen  ^  d.  i.  Pflanzen  und  Samen,  die 
entweder  als  rohes  Hauplmaterial  oder  als  Hiilfsprodncl  in  den  Gewerben,  Fabriken 
undManiifaciuren,  oder  sonst  zu  anderen  Al)sichten  j^el)rauclil  werden,  daher  in  Menj,'« 
in  den  Handel  kotninen,  und  ein  wichtiger  Zweig  der  Laiidescnltur  nnd  Staatswirlh- 
scJiafisind,  behaupten,  ihres  ausgeljreiieten  Nutzens  wegen  ,  den  ersten  Platz  der  Lein 
oder  Flachs  (limun  usitatissiinuni)  und  der  ZTrt/z/"  (cannabis-sativa).  Das  Ilauplland  fin- 
den Flachsbau  ist  Deutschland  aj _,  wo  diese  wichtige  Pflanze  das  Material  zu  einer 
Manufliclur  abgibt,  die  an  Ausbreilimg  und  Grösse  des  Betrags  unter  den  Kunstge- 
werben in  Europa  kaum  ihres  Gleichen  hat.  Nächst  Dentschland  bauen  den  meisten 
Flachs  Russland  hj  _,  die  Niederlande  cj  j  JVord-  und  Ostfrankreich  dj  j  Ost- 
preussen  e)^  t\chsi  Irla?id  _,  Galizieu  fj  ^  Ungern  gj  ^  Siebenbürgen  hJ  „  Spanien 
imd  Ober-  und  Mittelitalien  ij.  Der  alleri'einsle  Flachs  in  Europa  überhaupt  wird  in 
Brabant,  zu  Cortrjk  in  Flandern,  um  Roeremond  in  Geldern  und  in  der  Gegend 
voia  Cambraj  in  dem  französischen  Departement  des  Norden  gewonnen,  wovon  der 
Werth  eines  Pfundes,  zu  Spitzen  verarbeitet,  nicht  selten  bis  zu  6 — 7000  Gulden  er- 
höhet wird;  ausserdem  wird  dieses  Producl  in  vorziiglicher  Güte  in  mehreren  Gegen- 
den Deutschlands  kj ,  und  der  Schweiz  IJ  gebauel. 

Die  besagten  Lander  liaiien  zum  Theil  auch  viel  Hanf;  das  Ilauplland  fiir  diese 
nützliche  Pflanze  aber  ist  Russland  mj.  Die  überaus  betrachtliche  Ausfiihre  dieses,  den 
Seemächten  uuenlbehrlichen  Naturproducts  ist  nach  dem.  Getreide  die  wichtigste 
Quelle  des  russischen  Nationalreichthunis.  Für  den  besten  Hanf  hält  man  den  von  Riga 
und  ISarwa  in  Russland,  und  den  von  Bologna  in  Italien.  Auf  diesen  folget  der  Hanf 
von  yipatliin  in  Ungern,  der  aus  der  Gegend  von  Bischofshelm  in  Baden  u.  s.  w. 

Aus  dem  Lein-  und  Hanfsamen  wird  auch  Oehl  gepresst,  und  sowohl  zu  Male- 
reyen,  als  zum  Brennen  in  Lampen,  geljraucht. 

a)  Die  beträchtlichsten  deutschen  Flachsprovinzen  sind:  fi^eslphalen ,  seinen  meisten  Gegen- 
den nach;  Hessen ,  Nieder-  und  zum  Theil  Obersachsen,  Schlesien,  Böhmen,  Mähren  ^  das 
Land  ob  der  Enns ,  Slej'ermark ,  Krain  ,  Tjrol ,  Franken,  Schwaben  und  verschiedene  Ge- 
biete am  Rhei?i. 

b)  Vornehmlich  in  Livflaiui ,  Curlaitd ,  Litlhaucn  ,  JVolagda  ,  Pskow  ,  Nowgorod ,  Mohilew  und 
an  der  mittleren  W^o/g^a.  In  den  drey  ersteren  Provinzen  gewinnt  man  den  hcsleti  Leinsamen, 
der  daher  in  Menge  nach  Königsberg  und  Memel  gebracht,  und  von  daher  nach  andern  euro- 
päischen Ländern  verschickt  wird.  Man  glaubt,  dass  der  Leinsame  jener  nordischen  Länder 
einen  vorzüglichen  Flachs  gebe,  wenn   er  in  vvärmeren    Gegenden    gesäet   wird.    Man  kann 


II.   Urprotluction.   §.   3;.   TabaX.  89 

aber  in  Deutschland  und  vermuthlicli  aucli  in  andern  Landern  einen  eben  so  guten  Samen 
ziehen,  wenn  man  ihn  nur  zur  völligen  Reife  kommen,  und,  wie  in  Liefland,  6 — 7  Jalire 
alt  werden  lässt ,  ehe  man  ihn  säet.  Auch  gehen  von  dem  besten  Leinsamen  der  nordischen 
Länder  nur  etwa  t  des  Ganzen  auf.  Im  J.  i8o2  exportirte  Unssland  für  2,519,477  Rubel 
Lein-  und  Hanfsamen,  und  der  Werth  des  im  J.  i8o5  ausgeführten  Flachses  stieg  auf  mehr 
als  8,000,000  Rubel. 

c)  Besonders  in  Brabanl  und  Flandern  ,  \v(  Iclier  Länih'r  grösster  Reichlhum  darin  besteht. 

ri)   Vorzüglich  in  den  Departements  des  A'on/f/j,  der  Sommc,  \on  Finislene  und  des  Nieileirheins. 

e)  Besonders  der  Braunsbergische  und  HeilsbergischeKrctSi  und  der  Regierungsbezirk  GumifVie/i. 

/)   Vornehmlieh  im  Jasloer- ,  Rzeszon^er- ,  Przemysler-  und  Tarnowerkreise. 

g)  Vorzüglich  in  der  Z//Ji ;  dann  in  den  Gespanschaflen  5c- 'uro^f/i  j,  J.iplan,  .Iri^i  ,  Thurolz 
und  Eisenbnrg. 

/;)    Besonders  in  dem  Lande  der  Szekler  und  in  d^r  Gegend  von  Kronstadt. 

i)  Vornehmlich  in  Safoj-en  ,  in  der  Lombardie  und  in  Toscana. 

k)  Nahmentlich  in  den  n^estphälisc/ien  Provinzen  Minden,  Pultberg,  Minister,  Paderborn  u.  s.  w.  ; 
dann  in  Schlesien,  Böhmen,  Mähren,  Trrol  ^  insonderheit  in  der  Gegend  von  Fiesing  und 
A.inms  u.   s.   w. 

l)  Nahmentlich  in  den  Cantonen  St.  Gallen  und  Appenzell. 

m)  Russland  führte  im  J.  i8o3  für  mehr  als  i2,44-'hooo  Rubel  Hanf  aus.  England  allein  erhielt 
sonst  2,000,000  Pud,  oder  800,000  Ctr.  Hanf  aus  liussland.  Während  der  Handelssperre 
suchte  das  srhiffreiche,  aber  hanfarme  England  den  Anbau  dieser  Pflanze  in  Irland  zu  heben, 
dessen  Landleute,  ^on  der  Admiralität  begünstiget,  sich  anheischig  machten,  jährlich 
400,000  Ctr.  Hanf  zu  liefern.    S.  Jen.  AUg.  L.  Z.  1811.  Nr.  281.  S.  444  ff. 


§. 


37. 


b)        Tabak. 

Von  ausnehmencler  Wichtigkeit  ist  ferner  der  Tabak  (Nicotiana)  aj  j  nrspriing- 
licli  ein  amerikanisches  Procluct,  dessen  Zauberkraft  den  Sieg  über  die  strengsten 
obrigkeitlichen  Befehle,  so  wie  über  die  ernsthaftesten  Ermahnungen  der  Prediger 
lind  Arzte  davon  getragen  hat  bjj  und  eben  desshalb  eine  der  erhcl)Iichsten  Quellen 
des  Einkommens  fiir  alle  europäischen  Staaten  geworden  ist  cjj  obgleich  Hr.  v.  Zm- 
inerinciJin  sich  nicht  genug  darüber  verwundern  kann  ^  da  nach  seiner  Wahrnehmung 
der  Tabak  desn  Gerüche  und  Gcschmackc  zuwider  ist,  und  selbst  den  Verstand  be- 
ne])elt.  Der  Anbau  dieser  Handels-  und  Finanzpflanze  hat  sich  hauptsächlich  wälirend 
und  durch  Veranlassung  des  amerikanischen  Krieges  in  den  europäischen  Ländern 
vermehrt,  und  eine  grosse  jVusbreitung  gc\vonnen.  Die  Länder,  welche  den  grössten 
Aniheil  an  diesem  neuen  Culturzweige  nehmen,  sind  Uni^ern  d )  j  Slavonieiij  Sie- 
l'e/ibüi-gen  j  Galizie/i  ej  j  Deutschland /J  j  Ricsslitnd  i^J  und  die  Tüi'key  hj.;  nächst 
diesen  Frankreich  i)  j  die  Niederlande  kj  j  Dänemark ^  Schweden,, AiQ  Schweiz 
u.  s.  w.  Gleichwolil  kommt  der  meiste  Tabak,  welcher  in  Europa  verbraucht  wird  , 
aus  Amerika  ;  dar  beste  aus  J^irginien  IJ ;  die  übrigen  besseren  Sorten  aus  Carracas 
und  TVestindien  ,  denen  die  in  ßrnsilien  nachstehen.  Den  besteji  Tabak  in  Europa 
bringt  U/igern  hervor  ■,  er  steht  selbst  dem  Virginischen  nicht  nach.  Besonders  wird 
das  Pro -biet  von  Tu'na  ,  Dehro  ,  Szegedin  j  Fiinfkirchen  j,  Jänosiiäza ,  Letting  j 
Küspullag j  P''e'g j   Filzes- Gjarmath  mid  Hidasch  sehr  geschätzt5   auch  der  Slavoui- 


go  "•   Urprndiictioii.    §.   37,   Tabak. 

seile  von  Posega  ist  ühpi'all  bekannt.  In  Siebenbürgen  j  das  seinen  Tabak  selbst  nach 
der  Walachcy  ausführt,  waclisen  die  besten  Sorten  in  den  Umgebungen  von  UdvaV' 
Jielj- j  FagarascJi  j  Mavosch-l'asavhelj  \x\\^  Batiz.  In  Galizleii  theilt  man  den  Ta- 
bak in  sogenannten  Zdprater  j  den  man  bloss  zu  Rauchtabak  verarbeitet,  luid  wovon 
der  beste  an  der  Bukowinergränze  v.ächsl;  in  den,  -welchen  die  Tabaksplantagen  am 
Dniester  WcScrn ,  und  ans  dem  sov\"ohl  Rauch-  als  Schnupftabak,  und  in  Aqw  Podoliei\ 
aus  welchem  bloss  Schupftabak  bereitet  wird.  —  Für  den  besten  unter  allen  deut- 
schen Tabakssorlen  wird  der  Pfälzische  j  JSürnbergische  j  Hanaiiisclie _,  Offenba- 
chische ^  Mannheimische  und  Uckermärkische  gehalten.  —  In  Russland  wird  der 
beste  Tabak  in  der  Ukraine  und  in  der  Türkcj  in  Albanien  mid  Macedonien  gezogen. 

a)  Dem  französischen  Gesandten  am  portugiesisclien  Hofe  ,  Jean  Nicol  zu  Ehren  so  genannt , 
durch  den  diese  Pflanze  nach  der  Mitte  des  16.  Jahrh.  in  Europa  bekannter  wurde.  Tabak 
{labacani)  heisst  das  Kraut  von  dem  Rohre,  wodurcli  es  gerauclit  wurde,  welcher  Nähme 
nachher  der  Insel,  wo  es  die  Spanier  zuerst  landen,  beygelegl  ward.  Die  Spanier  nannten 
also  die  Insel  nach  dem  Kraute,  und  niclu  umgekehrt,  wie  man  sonst  glaubte.  S.  Funke's 
Naturgeschichte  etc.  Bd.  2.  S.  419- 

b)  Jacob  1.  ,  König  von  England,  nannte  den  Tabak  im  J.  1604  ein  schädliches  Unkraut,  und 
schrieb  wider  dessen  Gebrauch  im  J.  iGic^  seinen  Misocapnos  (Rauchfeind).  Papst  t/r6a/;  V 111. 
that  im  J.  1624  die  Tabaksliebhaber  (jedoch  nur  jene ,  welche  in  der  Kirclie  schnupften)  in 
den  Bann.  Eben  so  untersagte  die  Kaiscrinn  Elinabelh  von  Russland  ,  Tabak  in  der  Kirche 
zu  nehmen  ,  und  erkannte  die  hierzu  gebrauchte  Dose  dem  Kirchendiener  zu.  S.  N.  A.  D. 
Bibl.  Bd.  XCV.  S.  86.  In  SiebenbTirgcn  wurde  x68g  Gülerverlust  (arnissio  bonorum)  auf  die 
Pflanzung  dieses  in  der  Folge  so  einträglichen  Handelskraules  gesetzt,  und  wurden  Geld- 
strafen von  2oo  bis  zu  3  fl.  herab  den  Consumenlen  aufgelegt.  S.  M.  i>.  iS'c/u*'ar<^i«r's  Statistik 
des  Königreichs  Ungern.  2.  Aufl.  S.  329  ff.  —  Doch  fand  der  Tabak  auch  seine  Vertheidi- 
ger.  Unter  andern  gab  um's  Jahr  1G28  llaphael  Thorius  über  den  Tabak  ein  Gedicht ,  unter 
dem  Titel:  „Hymnus  Tubaci"  heraus  (s.  des  Frejh.  c.  Ilormajr  Archiv  für  Geographie,  Hi- 
storie, Staats-  und  Kriegskunst,  i8n.  52 — 33.  S.  148)  j  und  verfassten  die  polnischen  Je- 
suiten wider  den  oben  erwähnten  Misocapnos  den  Anlimisocapnos ^  den  Tabak  als  eine  in 
sich  höchst  unschädliche  Pflanze  wider  den  witzelnden  König  in  Schutz  nehmend.  S.  Po- 
lens Staatsveränderungen  und  letzte  Verfassung,  von  Fr.  J.  Jerkel.  Till.  4-  S.    144. 

c)  Bis  zum  J.  1780,  wo  der  Gebrauch  des  Tabaks  noch  nicht  so  allgemein  verbreitet  war, 
wie  jetzt,  betrug  die  jährliche  öfl^entliche  Einnahme  davon  in  Osterreich ,  Frankreich ,  Portu- 
gal ,  Spanien,  in  beyden  S.'cillen  und  in  Dänemark  die  nahmhafte  Summe  Aon  i8,372,g55 
Rlhlr.  Das  ist  weit  mehr,  als  die  Königreiche  Dänemark ,  Schweden  und  Norwegen  zusam- 
men gewöhnlich  einnehmen.  S.  Büschings  Reise  nach  Rekalm.  S.  4-  In  Baiern  wird  der  Er- 
trag der,  im  J.  1811  nach  dem  Bcyspiele  anderer  Staaten,  eingefiihrten  Tabaksregie  auf  ei- 
nige Millionen  Gulden  angeschlagen.  S.  Osterr.  Beob.  1811.  Nr.  268.  S.   1101. 

d)  Das  k.  k.  Tabakappalto  zu  Peslh  und  seine  drey  Factoreyen  zu  Debreczin ,  Szegedin  und 
Tolna  kauften  im  Jahre  1802  aus  der  ersten  Hand  des  ungrischen  Landmanns  170,538  Cir. 
Tohen  Tabaks,  vorzüglich  für  die  k.  k.  Tabaksregie 'in  den  deutschen  Erhiändern ;  über- 
diess  gingen  in  eben  demselben  Jahre  17,000  Cir.  in's  Ausland,  ohne  das  innere  Consumo 
von  ungefähr  60,000  Cir.  Rauch-  und  über  8000  Cir.  Schnupftabak  in  Anschlag  zu  bringen. 
S.   f.  Schwarlner  a..  a.  O.  S.  352. 

e)  Nahmentlich  in  dem  ehemaligen  Zalesczyker- ,  nunmehrigen  C-orikoirer- ,  dann  Slmiisla- 
wower-  und  Taruopolerkrcise.  Von  den  Ursachen  der  Abnahme  des  Tabaksbaues  in  Galizien, 
das  nach  dem  Uitheile  aller  Sachverständigen   3oo,ooo  Ctr.    Tabak   erzeugen   könnte,   wenn 


11.  UrproJuclion.   §.  3o.  Farbe-  und  Gäibekräuter.  gl 

dieser  Industriezweig  die  gehörige  Aufmunterung  fände,  s.  Valerl.  Blätter  für  den  österrei- 
chischen Kaiserstaat.  1811.  i5.  S.  18.  ff. 

/)  Besonders  in  den  preussisch-deulsclien  Provinzen  Brandenburg ,  Pommern,  Schlesien  und 
Magdchurg;  im  Kclzat-  und  Rheinkreise  des  Königreichs  Baiern;  in  den  churhessischcn  und 
grossherzoglich  baden'schen  und  hessischen  Landen. 

g)  INahmcntlich  in  den  kleinrussischen  Gouvernements,  der  Ukraine,  an  der  Wolga  und  Sa- 
mara.  Der  Werth  des  im  J.   i8o2  ausgeführten  Tabaks  betrug  über  220,000  Rubel. 

h)  In  Macedonien  allein  werden  jährlich  100,000  Ballen  Tabak,  4  Mill.  Piaster  werth,  er- 
zeugt. Davon  werden  60,000  Ballen  ausgeführt,  und  40,000  Ballen  in  der  europäischen  Tür- 
key verzehrt. 

1)  Im  J.  1810  ist  der  Einkauf  des  Tabaks  in  Blättern,  so  wie  dessen  Fabrication  und  der  Ver- 
kauf des  fabricirtcn  Tabaks  in  allen  französischen  Departements  für  Rechnung  des  Staates 
ausschliesslich  der  Regie  des  droits  re'unis  (Mautli-Amtsregie)  übertragen  worden.  Es  sind 
nur  gewisse  Gemeinden  zu  dem  Tabaksbau  autorisirt ;  sie  müssen  Erlaubnissscheine  lösen. 
Aller  verkäufliche  Tabak  wird  von  der  Tabaksregic  zu  45  Franken  der  metrische  Centner 
(2  gewöhnliche  Centner)  bezahlt.    S.  Österr.  Bcob.   1816.  Nr.  i2D.  S.  668. 

Ä)  Nahmentlich  in  Ulrechl  und  Geldern.  Es  werden  in  diesen  Provinzen  jährlich  80,000  Ctr. 
Tabak  erzeugt. 

l)  In  J'irginien.  werden  jährlich  800,000  Ctr.  Tabak  gewonnen  ,  wovon  der  grösste  Theil  nach 
England  geht.  In  England  selbst  wird  dieses  llandelskraut  nicht  gebauet;  die  Cultur  dessel- 
ben ist  verbothen  worden,  weil  man  es  in  Tlrginien  und  Marjland  begünstigen  wollte.  Un- 
geachtet diese  Länder  nicht  mehr  zu  England  gehüreu  :  so  ist  dieses  Gesetz  doch  noch  nicht 
widerrufen  worden, 

§.  38. 

c)    Färbe-    und    Gä  r  b  ck  rä  u  t  e  r. 

Die  vorziigliclistcn  sind:  1)  Krapp  oder  Färhei'i'ijthe  (riibia  liuctoruni) ,  aus  de- 
ren zcttosseiicn  luid  gemaldeiien  Wurzeln  man  eine  äclite  rotlie  Farbe  auf  Wolle 
Leinen-  und  Baumwollengarn  bereitet.  Sie  wird  in  einigen  Gegenden  von  Europa 
wild  gefunden,  und,  wegen  ihres  grossen  Nutzens  in  der  Färbcrey,  in  Deutsch- 
Icind  aj  j  Frankreich  j,  in  den  Niederlanden  hj  _,  in  Dänemark  j  England  und  der 
Türkej  Läufig  gebauet.  In  letzterem  Lande  wird  eine  vorziiglich  gute  Sorte,  welche 
uian  Azala  oder  Hazala  nennet,  gcpdanzt.  Durch  sie  erhält  das  türkische  Garn  die 
schöne  unvcrgängliclie  rothe  Farbe.  Man  hält  den  türkischen  Krapp  idjerhaupt  ftir 
den  besten,  obgleich  einige  dem  seelündisclien j  andere  hingegen,  wie  z.  B.  Chap- 
talj  dem  in  der  Gegend  von  yJ\>ignon  gezogenen  cj  ,  den  A'orzng  geben.  —  2)  TFaid 
(isalis  tinctoria) ,  dessen  getrocknete  Blätter  als  blauer  Färljeslolf  auf  Stanipfinühlen 
gemahlen  und  zu  Ballen  oder  Kugeln  geformt  werden.  Dieses  Färbekraut  war,  vor  der 
Einführung  des  \\ irklichen,  oder  Jnil- Indigo  djj,  fiir  Languedoc  in  Frankreich, 
^/icon«  in  Italien  und  Tlniringen  in  Deutschland,  eine  überaus  wichtige  Pflanze , 
der  man  einen  ausgezeichneten  Geldgewinn  verdankte.  Allein  durch  den  Jnil-Indigo 
ward  der  Absatz  und  daher  auch  der  Anbau  des  TFaid-Indigo  gar  sehr  beschränkt, 
weil  neben  dem  Verhältnisse  des  Preises  ihm  zugleich  die  Meinung  schadet,  dass  die- 
ser ^Vaid-Indigo  an  Schönheit  und  Dauerhaftigkeit  dem  wirklichen  Indigo  doch  nach- 
zusetzen scy.  Essoll  jedoch  der  neuen  Chemie  gehingen  seyn,  die  rechte  Verfahrungs- 


f)2  ]I.    üiproducli.n.   ^     58.    Fnibe-   und   GärbekiäutiT. 

an  bcv  Auszlcliung  des  Fnibcslofl'es  aus  dein  Waide  entdecket,  und  es  darin  so  weit 
ge])raclit  zu  liabcn,  dass  mau  einen  Indigo  faliricirt,  der  so  schön  ist,  als  der  aus  Gua- 
timala  in  Amerika  fjj  den  man,  so  wie  den  von  der  Insel /at'rt  in  Ostindien,  für 
den  besten  hält,  worauf  der  von  St.  Domingo  folget,  dem  der  nns  Brasilien  imd  Süd- 
carolina  nachsieht.  Jetzt  ist  der  Waidl>au  mu-  noch  zu  ^/bi  in  Frankreich  g-J,  in 
England  j  in  einigen  österrcicldsch-  luul  prciissiscli-deutschen  Provinzen  hj ,  bey 
Käsmark j  Pered  u.  s.  w.  in  Ungern,  und  um  IForonesch  und  Moskau  in  Russland 
von  einigem  Belange.  In  Ijeydeu  Ictzteieii  Landern  wird  dieses  Handelskraut,  so  wie 
die  Färberröthe ,  auch  wild  angctroflen.  —  3)  Safi'an  (crocus  sativus),  an  dessen 
Blume  die  dreyCaserigen  Narben  des  Staubweges  von  rothgelber  Farbe  inid  starkem 
Gerüche  braiichiiar  sind.  Er  wird  wegen  seines  häuligen  Gebrauchs  in  der  Färberey , 
der  Küche,  Bäckerey  u.  s.  av.  in  mehreren  curo|jaischcn  Ländern,  nalunentlich  in 
Portugal  j  SjHtnien  _,  Frankreicli  _,  Italien  ^  Deutschland _,  England],  Irland  ^  Un- 
gern und  der  Tüvkej  gezogen.  Für  den  besten  hält  man  den,  der  nn Lande  unter  der 
Enns  um  iho/Aj  Meissau „  Krems j  Kirchberg  und  Ravelsbach  gewonnen  wird  ij. 
Er  hat  nach  dem  Ausspruche  der  Kenner,  seinem  Farljesloffe  und  seiner  medicini- 
schon  Kraft  nach,  den  Vorzug  vor  dem  Orientalischen  und  dem  Französlsclien  von 
Gatlnals.  England  hat  ihn  von  vorzüglicher  Güte  in  Essex  und.  Cambridge  ^  Ita- 
lien vornehndich  in  Neapel  imd  Slclllen.  In  England j  Frankreich  j  Italien  und  im 
Lande  unter  der  Enns  häh  man  besondere  Safranmärkte,  imd  in  Ungern  durchzie- 
hen viele  slavische  Bauern,  mit  Safran  und  anderen  Gewürzen  bepackt  {Safranicr ^ 
Safrahbauern) ,  bald  zu  Fuss,  bald  zu  Pferde,  besonders  die  oberungrischen  Städte 
luul  Marktflecken.  —  4)  Sajlor  (carthamus  tinctorius),  dessen  Blumen  zum  Gelb- 
vornehmlich  aber  zum  Rothlärben  dienen,  wird  in  verschiedenen  Gegenden  Frank- 
reichs j,  Deutschlands ,  Ungeiiis  luid  anderer  Länder  gel)auet.  Derijcstc  ist  der  lYw- 
klschCj  welihen  luan  aus  Jegypten  iihcv  Lh'orno  v\\\d. Marseille  in  Ballen  erhält,  wor- 
auf der  Elsassische  und  der  I7nirl??gische  £o]'^et.  —  5)  Kreuzdorn  (rhamnus  catharti- 
cus)  wächst  in  mehreren  Gegenden  Europa's  wild.  Die  Beeren  dieses  Strauches,  aus 
denen  man  das  Saftgrün  zum  Färben  des  Leders  und  Papiers  bereitet,  sind  in  Ungern 
und  Frankreich  (in  letztcrem  Lande  unter  dem  Nahmen  graines  d'Avlgiion)  ein  Ge- 
<rensland  des  Handels.  —  6)  Gärbcrbaum  (rlius  coriaria),  zur  Bearbeitung  des  Cor- 
duans,  Maro(}uins  und  Saffian.s  ])iauchbar,  wiid  in  Südeuropa  nicht  nur  wild  angetrof- 
fen, sondern  in  Portugal  luid  Spanien  auch  cultivirt.  —  7)  Färbersumach  (rhus  co- 
linus),  im  Erzherzugthumc  Ö&icvvcxch.  Perriickenbaum j  im  Banal  und  in  Slavonien 
Rujastrauch  genannt,  fmdet  sich  beynahe  im  ganzen  mittägigen  Eurojia,  die  süd- 
licheren Thcile  Italiens  ausgenojnmen;  feiner  in  Ungern _,  Slavonien ^  Siebenbür- 
gen ^  bey  WleUj,  vorzüglich  in  der  Gegend  um  Baden,  Merkenslein  u.  s.w.  wild. 
Das  Holz  dieses  Strauches  dienet  in  Spanien  _,  Frankreich  j,  Malland  und  überall  fast, 
wo  es  vorkonunt,  als  ein  vorzügliches  gelbes  Pigment  zur  Färberey;  seine  Blätter  imil 
Jüngern  Zweige  aber  gepulvert  als  Materiale  zur  Schwarzfärbercy,  Krapprothfärberey 
und  zur  Gärberey.  Aus  Ungern  werden  jährlich  mehrere  lausend  Centner  dieses  Hol- 
zes, miter  dem  Nahmen  ungrlsches  Gelbholz,,  oder  Fisetliolz ,  nach  ÖslerreicL , 
Böhmen  ,  Mähren  und  selbst  iai's  Ausland  a  erhandelt  kj. 


11.   Urproduclicin.   §.   39.    ZucturrLlir.  q5 

a)  Nahmc'iitlich  im  Lande  unter  der  Eii/is  j  in  Böhmen  j  Mähren  ^  Prcusslsch-Schlesien,  Bran- 
denburg,  Sachsen  ,  in  derPro\inz  Niederrhein  und  in  den  Grossherzogthiimern  Baden  und 
Hessen, 

b)  Besonders  in  der  Pro>inz  Seeland,  wo  es  Bauern  gibt,  die  alle  Jahre  5o  bis  100  Morgen 
Landes  mit  Krapp  bepflanzen  ,  und  ^vo  überhaupt  der  Krappbau  so  wichtig  ist ,  dass  jähr- 
lich im  Durchschnitt  gegen  5oo,ooo  Ctr.  ausgcliilirt  werrlen.  S.  Oslerr.  Beob.  Nr.  217. 
1811.  S.  8g3. 

c)  3-  Götting.  gel.  Änz.   1808.  St.  7.  S.  67. 

d)  So  heisst  eigentlich  die,  nur  fremden  Erdtheilen  eigene  Pflanze,  \roraus  der  wirkliche  In- 
digo bereitet  wird. 

e)  Die  Gegenden  \on  Erfurt  ,  Gotha,  Langensalza ,  Täiuislädl  und  T4^eissensee  ,  wie  auch  ge- 
gen Ji^rimar  zu,  waren  d(^r  Sitz  des  thüringischen  Waids.  Erfurt  aber  war  darunter  der 
Hauptplatz;  ein  einziges  Handlungshaus  daselbst  zog  allein  im  J.  1621  für  verkauften  Waid 
eine  Bilanz  \on  i36,ooo  Meissnischen  Guhien.  S.  Grellmann  s  Historisch-slatistisches  Hand- 
buch \on  Deutschland.  Göttingen  ,   1801.  S.  89. 

/)  Ein  Zweifel  bleibt  jedoch  noch  zu  lösen  übrig,  ob  der  exotische  Indigo  nicht  immer  noch 
in  Absicht  der  Menge  seiner  färbenden  Theile  vor  dem  neuerfundenen  Waid-Indigo  ,  un- 
geachtet der  Verbesserungen ,  die  er  vor  dem  alten  erhallen  hat,  den  Vorzug  behaupten 
werde?  Ein  Pfund  Indigo,  versicherten  die  alten  Färber,  färbe  mehr,  als  drey  Ctr.  Waid. 
Auf  diesem  Umstände  beruhet  es  \orzüg!ich  ,  dass  der  fremde  Indigo  alle  europäischen  blauen 
Farben  so  ganz  ^  erdrängt  hat,  nicht  auf  dem  giüsseren  Glänze  und  der  längeren  Dauer  der 
Farbe. 

g)  Der  Ertrag  ^on  der  Cultur  des  Waids  gibt  für  Albi  einen  Uberschuss  von  i5o,ooo  Franken. 
S.  Götting.  gel.  Anz.  i8i3.  St.   ii3.  S.  1126  AT. 

/()  INahmentlich  in  Österreich  nnler  der  Enns ,  in  Böhmen ,  Brandenburg ,  im  Regierungsbezirke 
Erfurt  und  in  der  Provinz  Niederrhein. 

i)  Über  den  Safianbau  in  Niederöstcrreicli  und  Anleltuiii;  zu  demselben.  Von  ülr.  P  —  K.  ;  in 
den  vaterl.  Blatt,  für  den  österr.  Kaiserstaat.   1808.  Nr.  32. 

A:)  Über  den  Ruja-Strauch  (nach  Linn.  rhus  cotinus)  im  Banat :  in  den  vaterl.  Blatt,  etc.  1811. 
20.   S.   i34 — 137. 

S-  3g. 

d)  Z  u  c  k  e  r  r  o  h  r. 
Das  Zuckerrohr  (sacharum  olliciiiaruin)  ,  iir.sprünglicli  ein  asiatisches  Vrodnct , 
cnlhäll  vuitcr  allen  bisher  Ijekanulcn  Gewächsen  den  meisten  Zucker^  dessen  \  er- 
l)i-aiie]i  in  Europa  imgeheuer  stieg,  seitdem  dieses  Producl  in  den  Apotheken ,  Kii- 
chen  lind  vielen  anderen  Anstallen  so  nolhwendig,  auch  Kaffeh,  Thee  und  Ghocolaie 
fast  allircmeine  Bedürfnisse  "eworden  sind.  Es  ward  im  12.  Jahrhunderte  von  Jsien 
her  zuerst  ins  südhche  Europa,  nach  Neapel ^  Sicilien  und  Spanien  verpflanzt;  von 
da  nach  Madera  und  den  canarischen  Inseln,  und  von  hier  endlich  nach  Amerika 
und  Wesliniiien  ^  von  wo  aus  nun  Europa  den  Zucker  in  so  ausserordentlicher  iNIenge 
erhalt;  doch  kommt  dieses  Product  auch  aus  Ostindien ^^o  es  ebenfalls  sehr  stark 
gewonnen  wird.  In  den  besagten  Ländern  des  südlichen  Europa  kommt  das  Zucker- 
rohr sehr  gut  fort;  man  hat  aber  die  rflan/AUig  desselben  grössten  Theils  aufge])en 
müssen  j  weil  dieses  Product  bisher  durch  die  Sclavenhände  in  den  übrigen  Erdihoi- 
ien  wohlfeiler  geliefert  werden  konnte.  Während  der  Handelssperre  suchte  man  in 
ISeapel  den  Anbau  des  Zuckerrohrs  durch  Pränücn  wieder  zu  heben,  und  in  andern 


q^  II.   Urproduction.  §.  4o.  Baumwolle. 

Landern  den  Mangel  des  Rolirzuckers  durch  Gewinnung  der  Surrogate  aus  Runkcl- 
rüLcn,  Wcintraidjcn,  dem  Safte  der  AhornLäume,  aus  Maisstengebi  u.  s.  w.  einiger 
Massen  zu  ersetzen.  Durch  den  Zug  der  Franzosen  nach  Moskau  hahen  jedoch  nicht 
nnr  diese,  sondern  alle  Surrogate  üheihaupt  so  ziemlich  ihr  Ende  erreicht.  Noch  ge- 
gen Ende  des  17.  Jahrhunderts  war  der  Zucker  in  Europa,  insonderheit  m  Deutsch- 
land _,  so  theuer,  das  sich  die  meisten  Menschen  mit  Syrup,  oder  nach  alter  Weise 
mit  Honig  hehalfen  bj.  —  Aus  der  Mutlcrlaugc  des  Zuckers,  Melasse  genannt,  erhält 
man  durch  Dcstillaüon  den  unter  dem  Nahmen  des  Rum  hekanntcn  Branntwein,  wo- 
mit der  Jrrak  nicht  verwechselt  werden  nuiss,  den  man  in  Ostindien  durcli  Destilla- 
tion aus  Pieis,  Palmenwein,  Zucker  und  ^Vasser  erhält. 

fl)  Versuche  haben  bewiesen  ,  dass  das  Zuckerrohr  auch  auf  der  Insel  Sardinien  gedeihe.  S. 
Kurze  Notiz  von  der  Insel  Sardinien  elc.  ;   in  den  Allg.    geogr.    Ephem.    Bd.    27.    S.  249  ff- 

b)  S.  Bechinaiin's  Anleitung  zur  Technologie.  4-  Ausg.  S.  496-  ff- 

§•   40. 
e)     Bau  in   wolle. 

Die  Staude  aj ,  auf  welcher  Baumwolle  (gossypium)  wächst,  wird  in  einzelnen 
Gegenden  Spaniens _,  Siciliens _,  Neapels  und  Sardiniens  gezogen,  und  in  neuern 
Zeiten  hat  man  mit  dem  Anbau  dieser  wichtigen  Pflanze  auch  Ley  Fimfkirchen  und 
Pantschowa  bJ j,  so  wie  in  dem  französischen  Departement  der  Ostpyrenäen  glück- 
liche Versuche  gemacht.  Häufiger  ^ird  dieses  Product  ^uf  Malta  und  Gozzo  cj  _,  auf 
Corfu  dj  luid  auf  einigen  Inseln  des  /Archipels  j  am  stärksten  aber  in  dem  schönen 
Thale  Seres  in  Macedonien  gewonnen.  Man  erzeugt  dasclhst  jährlich  120,000  Bullen 
a  80  Piaster  im  Diuchschnilt  an  Werth ;  davon  werden  62,5oo  Ballen  fiir  ^  Mill. Piaster 
ausgeführt.  Die  allerfeinste  Baumwolle  ist  die  Ostindische  und  Chinesische ;  vorzüg- 
hch  wird  die  rüthliche  aus  Gusnrate ^  Bengalen^  Siani  und, China  geschätzt  ej;  sie 
wird  grössten  Tlieils  im  Lande  verarbeitet  und  wenig  ausgefiihrt.  Die  Chinesen  verfer- 
tigen daraus  ihre  Nanquins _,  welche  die  bekannle  Farhe  von  Natur  haben.  Auf  die  ost- 
indische folget  in  Ansehung  der  Feinheit  die  /Inievikcnische  f )  tuid  JFeslindische  _, 
welcher  die  Macedonische  oder  Levanlische  nachstellt.  Die  Fruclil  der  Baumwollcnstau- 
de  kostet  Euro]ia  jährlich  viel  Geld,  da  man  vor  migefähr  60  Jahren,  wo  mehr  Luxus  in 
die  mittleren  Stände  eintrat,  es  wagte,  besonders  von  Seite  des  schönen  Geschlechts, 
die  Schafwolle,  welche  die  Natur  dem  Bewolmer  des  nördlich-gemässigtcn  Erdstrichs 
zu  seiner  Bekleidung  anwies,  mit  der  Baumwolle  zu  vertauschen;  aber  sie  hat  auch 
miscrer  Lidustrie  neue  Belebung  gegeben  imd  verschafft  hmidcrtlausenden  Familien 
Beschäftigung  und  Uni  erhalt. 

ß)  Es  gibt  auch  Baumwollenbaume,  vorzüglirh  in   Ost-  und  Weslindlcn  und  in  Ani.'rlka. 

A)  S.  Baumwollencrzeugung  in  den  k.  k.  Mililärgränzen  ;  in  den  \aleilandischeii  Blällcrn  u.  s.  w. 
1810.  Nr.   ig.   S.   igoff. 

«)  In  llalieii  zieht  die  Insel  Malta  die  feinste  und  weisseste  Baunnvolle ,  meistens  von  der 
baumartigen  Pflanze  ,  jährlich  über  5o,ooo  Scudi  an  Werth. 

d)  Corfu  liefert  jahrlich  10,000  Pf.  vorlrcfTlidicr  Baumwolle  ,  die  thcils  zu  Fabrication  verwen- 
det, tlieils  roll  ausgelührt  wird. 


II.  Urproductlon.  §.   41-   öhlgcwäclis».  §.  ^i.  ArzeneykrUuter.  g5 

e)  Hr.  ('.  Zimmermann  hat  die  schöne ,  natürlich  gefärbte  chinesische  Baumwolle  auch  im  Rö- 
nigreiclie  Neapel  gefunden,  und  erinnert,  dass  in  Calabricn  und  Sicilien  wohl  Versuche  im 
Grossen  damit  gemacht  werden  könnten. 

/)  Die  beste  kommt  Ans  Brasilien ;  auf  diese  folget  die  von  Cayenne,  Berbice  und  Surinam, 
dann  die  von  San  Domingo  und  andern  westindischen  Inseln. 

§•  41' 

i")     Ö   li  1   g  e  w  ä  c  h  s  e. 

Die  vorzüglichsten  sind:  i)  Mohn  (papavcr  somniferum).  Er  wird  in  mehreren 
Ländern  Enropa's,  insonderlieit  in  Frankreich^  den  Niederlanden ^  in  Deutschland ^ 
Ungern  _,  Siebenbi'wgen  j  im  russischen  Gouvernement  Charkow  j  in  der  Tilrkey 
u.  s.  w.  sehr  stark  gebauet.  Das  aus  dem  Mohnsamen  gepresste  Ühl  wird  in  Frankreich 
nicht  sehen  mit  Provencerölil  vermischt.  Auch  wird  dieser  Same,  mit  Butter  und  Ho- 
nig vermengt,  von  einigen  Nationen ,  l)esonders  von  den  Slawen,,  in  den  Mehlspeisen 
häufig  genossen.  Im  Orient  wird  der  Mohubau  nicht  sowohl  zur  Gewinnung  des  Sa- 
mens, als  vielmehr  desjenigen  Saftes  lietrieben,  welcher  aus  den  Köpfen,  Stengeln 
und  anderen  Theilcn  erhalten  wird  ,  und  unter  dem  Nahmen  Opium  im  Handel  be- 
kannt ist.  —  2)  Rübsamen  oder  Rübsaat  j,  Raps  (brassica  napus) ,  dessen  Anbau  be- 
sonders in  den  Niederlanden ,  in  Deutschland  und  Dänemark  wichtig  ist.  Der  be- 
ste ist  der  Brabnntische  und  Flandrische.  Er  wächst  hier  bis  4  Fuss  hoch,  und  Avird 
meistens  verpflanzt.'  Das  aus  diesem  Gewäciise  bereitete  Ühl  ist  zinn  Speisen  gesunder, 
und  zum  Bt-ennen  vortheilhufler  als  Hanf-  und  Leinöhl.  —  3)  Sesam  oder  Kuntschuk 
(sesamum  Orientale).  Er  wird  seit  1801  in  Russlands  südlichen  Provinzen  in  allen 
den  Gouvernements  gebauel,  wo  der  Seidenbau  etablirt  ist.  Sein  Same  ist  so  öhlreicli, 
dass  aus  einem  Pud  desselben  bis  20  Pfand  wohlschmeckendes  und  haltbares  Ühl  ge- 
wonnen werden.  Ein  kaiserlicher  Befehl  verordnete  bloss  dcnGelirauch  des  Sesamöhls 
bcy  Hofe  und  auf  allen  kaiserlichen  Tafeln  cj.  —  4)  Sonnenblume  (helianlhus  an- 
nuus).  Diese  Pflanze  wird  vorzüglich  in  Frankreich  und  Deutschland  j  nahmentlich 
in  der  Pfalz^o/m^cn.  Das  daraus  gewonnene  Chi  wird  ,  so  wie  das  Mohnöld,  in  jenem 
Lande  nicht  selten  mit  Provencerölil  vermischt. 

a)  Ilr.  ('.  Pf-'alberg  und  Hr.  Vaimi  haben  im  österreichischen  Kaiserstaate  gelungene  Versuche 
gemacht ,  aus  inländischen  MohnpOanzen  Opium  zu  gewinnen ;  jener  zu  Luridenburg  in 
Mäiiren  ,  dieser  zu  Schmölnilz  in  Ungern. 

6)  Nahmentlich  in  If^'üriemberg,  JSassau  ,  Braiinsclni>eig ,  in  den  hanöcer  sehen  Landen,  in  der 
preussischcn  Provinz  Sachsen  und  dein  Regierungsbezirke  Köln;  dann  in  Osterveich  unter  der 
Enns  j  in  B.'hmen ,  Mähren  u.  s.  w. 

f)  S.  Storch's  Russland  unter  Alexander  I.  III.  Lieferung  (Nov.  Dec.  i8o3).  Vergl.  c.  IVich- 
manns  Darstellung  der  russischen  Monarchie.  S.  84. 

§•   42. 
g)     Arzeneykräuter. 

An  ^rzeneykräutern  sind  die  europäischen  Gelnrge  ,  insonderheit  die  Alpen  ,  das 
lUesengebirge  und  die  Karparthen  sehr  reich.  Mit  der  Anpflanzung  der  Rhabarber 


q6  II.  ürproduction.  §.  45.  Veiicliiedeue  andere  Fabriken-  uiiJ  Haudelskräuter. 

(ilieum  midulalum ,  wie  aucli  rheum  palmatum)  hat  man  in  verschiedenen  Ländern 
Europa's,  naluiicntlieh  in  Etigland  j  Deutschland  aj  j  Dänemark  hj  _,  Schweden  cj 
und  Giilicien  dj  ghickliche  Versuche  gemachl.  Doch  macht  man  der  in  Eiu-opa  ge- 
zogenen Wurzel  gcwöhnhch  den  Vorwurf,  dass  sie  zum  Ai'zeneygehrauche  minder  kraf- 
tig, als  die  Russische  aus  Sil)irien  sey,  welche  letzlere  wieder  der  Rhabarber,  die  im 
chinesischen  Gouvernement  Chensi  wachst,  nachgesetzt  wird  ej.  —  Süsshoh  (gly- 
zirrhiza  glabra  et  echinata),  von  dessen  Wurzel  ein  heilsamer  Gebrauch  in  den  OflTici- 
nen,  unter  andern  zur  Verfertigung  des  sogenannten  Lakritzen-  oder  Liquii'itzen- 
saftes  gemacht  wird*,  ist  in  warmen  Gegenden  von  Europa,  besonders  in  Neapel fj_, 
Sicilien  gj  und  Spanien  einheimisch;  es  kommt  alier  auch  im  südlichen  Russland ^ 
\\\  England _,  Deiitscldand  lij  und  Slavoiiien  ganz  gut  fort;  insonderheit  dringt  es 
sich  in  den  AVäldern  des  letztem  Landes  mit  üppiger  Fülle  auf-,  auch  ist  das  in  Sjr- 
niien  gewonnene  Süssholz  von  vorzüglicher  Güte;  es  ist  besser,  als  selbst  das  be- 
rühmte Bambergische  j  das  in  Gärten  gebauet  wird.  —  Eschen  (fraxinus  ornus  et 
rotundifolia) ,  deren  Saft  die  eigentliche  wahre  Manna  j  eines  der  besten  Purgirmiltel 
gibt,  werden  nirgends  mit  so  grosser  Sorgfalt  gezogen,  als  in  Calahrien  ,  Apulien 
und  Sicilien.  Das  Einsammeln  müssen  die  Landlcute  für  einen  sehr  geringen  Preis 
verrichten,  und  sie  werden  hart  bestraft,  wenn  sie  daliey  einen  Baum  beschädigen  , 
oder  etwas  von  der  Manna  entwenden.  —  Speik  (Valeriana  cellica)  findet  mau  auf  den 
Alpen ,  besonders  auf  den  hohen  Alpen  Stejermarks  vmd  Kürnthens.  Er  wird  mit 
der  Wurzel  ausgegraben,  in  der  Luft  getrocknet,  in  Fässer  gepackt,  nach  Triest  ge- 
schickt, und  von  da  weiter  in  die  T'ilrkej  j,  bis  nach  Alexandria  in  Ägypten  gebracht, 
von  wo  er  bis  nach  Suez  und  noch  weiter  verschickt  wird.  ]\lan  gebraiiclrt  ihn  in  die- 
sen Ländern  in  den  Bädern,  als  ein  vorzüglich  stärkendes  Mittel,  und  als  Rauchwerk 
gegen  INläuse  und  Rallen.  —  Die  Kamille  (anthemis  nobilis),  welche  in  den  europäi- 
schen Ländern  grössten  Theils  wild  wächst,  aber  hier  und  da,  wie  z.  B.  im  Kirchen- 
Staate  ^  in  Preussisch-Schlesien  und  Sachsen  auch  durch  Kunst  gezogen  wird. 

a)  Zu  Kefcrnthal  in  der  Pfalz,  zu  Hanau,  bey  IVien.  und  um  Soanenberg  in  Böhmen. 

b)  Bey  Koppeiihagen. 

c)  Bey  Slockholm. 

d)  Auf  der  t//i/coi(.er  Herrschal't.  Die  Rhabaiber-Planlarji^  zj  jIA/A/ü//«  ist  eingegangen.  S.  Vaterl. 
Bläit.  etc.  1810.  Nr.  6.  S.  b-j. 

e)  S.  Neue  Leipz.  L.  Z.  180g.  St.  io2.  S.  1622,  wo  gesagt  wird:  Da  die  schlauen  Chinesen 
uns  nie  den  Samen  der  ächten  Rhabarber  zukommen  iiessen :  so  kennen  wir  die  wahre  Rha- 
barberpflanze nicht. 

/)  Neapel  führte  im  J.    1771  für  110,000  Ducati  Lakritzen  aus. 

^)  In  Sicilien  bereitet  man  jährlich  4000  Cantara  \on  diesem  Safte,  wovon  3ooo   Cantara  in's 

Ausland  gehen. 
h)  Nahmentlich  um  Bamberg  und  bey  Poppilz   in  Mahren.    S.    Patriot.    TageLI.    i8o3.  S.   i328. 
1804.  S.  18. 

§.  43- 

h)    Verschiedene   andere    Fabriken-    und    Handelskräuter. 

Unter   der  übrigen  Menge  von   Falniken-  und  Handelskräutcrn  sind  noch   voii 
nicht  geringer  Erhcbliclikeit :    i)   der  tlopfcn  (luunuhis  lupulus),    dessen   weibliche 


II.  Urproductioii.  ^.   44.  ■Wal<lljäume  oder  Höh..  gy 

Fruclitzapfen  wegen  ihrer  gewiirzliafien  Bilierkcll  das  Bier  angenehmer,  dauerhaficr 
und  gesunder  machen.  Er  wird  fast  in  allen  Ländern  des  kalten  und  mittleren  Land- 
striches unsers  Erdtheils  gehauet,  hier  und  da  auch  wild  angetroffen;  nirgends  aber 
zieht  man  ihn  in  grösserer  Menge  imd  von  vorzüglicherer  Güte,  als  in  England  und 
Deutschland,  in  welchem  letzteren  Lande  der  geschätzteste  in  Böhmen  aj_.  Baiern  bj 
\in(\.  Braunscluveig  ia\\i.  —  2)  Die  Kardendistel  (dipsacus  fuUonum),  deren  Köpfe 
wegen  ihrer  gckciimmlen  Maken  zum  Aufkratzen  der  wollenen  und  l)aumwollcncn 
Zeuge  dienen,  wird  besonders  in  England ,  Frankreich j  den  Niederlanden  und 
Deutschland  gebauet.  —  3) -Die  Kali-  und  Sodäpßanze  (sal  sola  kali  et  soda),  wor- 
aus die  zur  Verfertigung  des  Spiegelglases ,  der  berühmten  venctianischen  Seife  und 
zu  anderem  Gebrauche  nöthige  Soda  oder  Soude  (Aschensalz)  bereitet  wird,  wächst 
am  mittelländischen  Meere  wild  ,  wird  aber  auch  an  mehreren  Orten  ,  besonders  in 
Spanien  j  häufig  durch  Kunst  gezogen.  Die  beste  spanische  Soda  heisst  bey  denKauf- 
leuten  Barille.  Die  von  Alicante  j  wo  jährlich  fiir  eine  halbe  Million  Thaler  verfer- 
tiget wird,  geht  allen  übrigen  vor.  Sie  geht  zu  vielen  lausend  Ccnmein  in's  Ausland. 
Auch  in  Sicilien  werden  jäbrllr.h  an  gojpuü  Cauiara  (=  225,000  Cenlner)  Soda  gewon- 
nen und  ausgeführt.  —  4)  Das  Sparto-  oder  I'edergras  (stipa  tenacissima),  eine  Art 
Binse ,  wächst  besontiers  in  Spanien  und  Portugal  auf  sandigen  Hügeln.  Die  faden- 
förmigen Blätter  dieses  Grases  werden  von  den  Spaniern  nicht  nur,  wie  die  Binsen,  zu 
Matten,  Körben  u.  s.w.  verarbeitet,  solidem  man  spinnt  sie  auch  wie  Hanf,  luid  bereitet 
einige  vierzig  Arten  von  Arl)eiten  daraus,  grolje  und  feine,  dem  Nesselluch  ähnliche 
Zeuge,  und  Seile  und  Taue,  die  fast  nicht  zu  verwüsten  sind.  —  5)  Das  den  Färbern 
wichtige  Steinmoos  (Orseille,  orgilla)  ist  fast  auf  allen  Bergrücken  Spaniens  und  Por~ 
tugals  verbreitet.  —  6)  Kanariengras  (jihalaris  canariensis) ,  dessen  vornehmste  Be- 
nutzung darin  besteht,  dass  es  die  beste  Nahrung  für  die  beliebten  Kanarienvögel  gibt, 
wird  in  Deutschland  j  England  _,  vornehmlich  aber  im  südlichen  Europa  häufig  ge- 
bauet, und  ein  nicht  unbeträchtlicher  Handel  damit  getrieben.  —  y)  Mit  der  Cultur 
der  Seidenpflanze  (asclepias  syriaca)  endlich,  deren  seidenartige  Wolle  mit  Baum- 
wolle vermischt,  ein  sehr  brauchbares  Garn  zu  Strümpfen,  Handschulien  ü.  s.  av. 
gibt,  hat  man  unter  andern  bey  Liegnitz  in  Schlesien  gelungene  Versuche  gemacht. 
Ln  J.  1802  waren  daselbst,  nach  Hi-n.  Stein  j  18  Morgen  mit  dieser  Pflanze  besetzt. 

a)  A'^ornehinlich  im  Saalzer-  und  Biinzlauerkreise ,  dann  um  Ansehe  im  Lcutnierilzerkreise  und 
in  den  Egerthälern  des  Ellnij02;nerkreisps. 

b)  Besonders  der  IIopTcn  von  Spalt  und  Langenzenn. 

§•  44- 

W  a  1  d  b  ä  u  m  c    oder    H  o  1 1. 

Die  W(ddbäume  sind  entweder  Laubholz „  welche  ordentliche  Blätter  haben, 
die  sie  im  Herbste  verlieren,  oder  Nadelholz  (Tangelholz) ,  welche  nadeiförmige  Blät- 
ter tragen,  die  sie  etwa  nach  drey  Jahren  wechseln,  den  Lerchenbaum  ausgenommen, 
welcher,  wie  die  Laubholzcr,  alle  Bläiler  im  Herbste  verliert.  Auch  ist  den  Nadelhöl- 
zern allein  der  harzige  Saft  eigen,  wclclicn  man  auf  mannigfaltige  Art  zu  benutzen 
weiss.  Zu  deu  Laubhölzern  gehören  hauptsächlich  in  Europa:  die  Eiche  (qucrcii.s) , 


58  11.  Urproducüon^  §.  44.  Waldbäume  oder  IIoli. 

die  Buche  (fagus) ,  die  Bii'ke  (bctuJa),  die  Ei^le  (alnus) ,  die  Ulme  oder  Ru^tCT  (ul- 
rm\s) ,  A\c  Esclie  (iVaxinus) ,  die  Zwf/e  (lilia) ,  Aev  Aliorii  (acer),  die  Pappel  (popu- 
lus)  und  die  ff'eide  (salix) ;  zu  den  Nadelliölzei-n  :  die  Tanne  (pinus  picea),  die I'^c/tCe 
oder  Rothtanne  (pinus  abies),  die  Kiefer  oder  Föhre  (pinus  sylveslris),  der  Lei^- 
chenbauin  (pinus  larix),  der  Eibenbauin  (laxus  baccata,  vmgriscli  Tissa  faa,  polnisch 
Cis)  und  die  Cjpresse  (cupressus).  Nordasien  und  Nordamerika  haben  eigene  mid 
veiwandte ,  aus  welchen  die  evu'opäischen  Waldungen  bereichert  werden  können, 
luid  zimi  Theil  schon  bereichert  worden  sind;  die  wärmeren  Gegenden  wieder  an- 
dere und  sehr  kostbare  Holzarten ,  die  in  den  europäischen  Färbereyen  und  andern 
Gewerbsanslallcn  gc])raucht  werden  aj. 

Die  Wälder  liefern:  i)  Holz  j  imdzwar:  o)  Bi'ennholz  zur  Feuerung  und  ztun 
Kochen  ;y6)  JS'utzJiolz  _,  für  Wagner,  Böttcher  und  Drechsler;  y)  llschterholz  zum 
feinern  Hausgerälhe;  by  Bauholz  zum  Häuser-,  Schiff-  und  Wasserbau;  2)  Kohlen 
durch  die  \erkohlung  in  Meilern;  3)  Pottasche  diuxh's  Verbrennen;  4)  Harz  von 
den  Nadelhölzern ,  aus  denen  es  von  selbst  oder  durch  Einschnitte  dringt,  woraus 
bej"  verschiedener  Behandlung  Pech  j  Kienruss j  Theer  j  Terpenthin  und  Colopho- 
niuni  bereitet  \\ird.  jMaicrialien  zum  Färben  und  Gärben  liefern  einige  Waldbäume  bj 
und  wilde  Gesträuche.  Auch  die  Nadeln  und  Blätter  selljst,  so  wie  die  Eckern  (Bu- 
chein und  Eicheln  cj  zu  Schweinemast,  die  ersteren  auch  zu  ühl)  und  die  Tannen- 
zapfen werden  benutzt.  Der  ebenfalls  zu  den  Forstproducten  gehörige  Fe« e/\yc/nr«/?i/;i 
(Ijoletus  igniarius)  ist  eine  Schmarotzerpflanze  auf  alten ,  hinfälligen  Bäumen. 

Da  das  Holz  nicht  nur  zu  den  unentliehrlichen  Erhaltungsmitteln  misercr  pliysl- 
schen  ILxislenz  gehört,  sondern  auch  fast  fiir  alle  Gewerbe  ein  dringendes  Bediirliiiss 
ist:  so  ist  es  für  ein  Land  überaus  wichtig,  wenn  es  mit  diesem  so  gemeinnützigen 
Producle  hinlänglich  versehen  ist.  Noch  sind  zwar  die  ^\ a\d\\n^cn  in  Europa  ^  ]ic- 
sondcrs  in  dessen  nördlichen,  östlichen  und  mittleren  Ländern  dj  sehr  beträchllicli, 
uiid  liefern  für  manchen  Staat  den  Fond  zu  einer  jährlichen  Holzausführe  ^  on  aufi'al- 
lender  Wichtigkeit  ej.  Aber  e]}en  die  Grösse  dieser  Ausfidirc,  ingleichen  die  hier  und 
da  zu  weit  getriebene  l.Ir])armachung  der  Waldungen ,  Avoran  mit  der  Zeit  die  mei- 
sten Gewerbe  alistcrljeii  Averden^^,  und  der  durcJi  die  verschwendeiische  Feuciung, 
wo  nach  den  Angaben  des  Hin.  Grafen  v.  Ruinford  noch  immer  |-  der  Hiize  ungenutzt 
verliiegcn  gj ,  so  wie  durch  Bevölkerung,  Luxus  imd  Fabriken,  durch  Berg-,  Wein-, 
Sciiiif-  und  Wasserbau  gestiegene  ^^erbrauch  haben  die  europidscheny^  ■Ad\\i\ü,en  bis- 
her immer  mehr  verdünnet.  Auch  fehlet  es  so  mancliem  Lande,  selbst  bis  auf  den 
heutigen  Tag,  an  einer  allgemeinen  Forslcrdnung  hj ,  die  der  willkührlichen  Abhol- 
zung  manches ,  nur  auf  zeitigen  Gewinn  bedachten  Eigenthümers  zum  allgemeinen 
Besten  Schranken  setzte;  oder  sie  wird  in  denjenigen  Ländern,  wo  sie  wirklich  ein- 
geführt ist,  nicht  immer  imd  allenlhallien  mit  der  gehörigen  Strenge  gehandhabet.  in 
den  meisten  Ländern  dauern  daher  die  Miss])räuche  und  ""ierwüstimgen  ij  fort,  wo- 
diu'ch  manche  Theile  der  selbst  holzreichen  I^änder  ilucs  eheinaliHgen  Ubciflusses 
fisi  ganz  beraubet  wurden,  imd  mit  einem  schrecldiclien  Älangel  bedrohet  werden  ; 
andere  Länder  diesen  schon  jetzt  empfinden  kj.  Hierzu  kommt  noch  die  nicht  scliene 
Unziigänglichkeit  zu  ülieraus  dichten   Holzungen  in  gebirgigen  Gegenden  ,    die    um 


II.   ürproduclion.   §.   4/,.   Waldl.aumc   oder   HoU.  gg 

ehen  dieser  Unzugänglichkeit  und  des  liier  und  da  bestehenden  Mangels  einer  leich- 
ten Conimunicalion  willen  gar  niclii  benutzt  werden  können,  so,  dass  die  Bäume  vor 
Alter  umfallen  und  vermodern.  Auf  den  Hochwaldungen  vieler  cinzehieu  Gebirge  der 
Schweiz  ruhet  sogar  ein  ewiger  Bann,  weil  sie  wegen  der  zu  befürchtenden  Lawinen 
und  Bergfälle  nicht  weggehauen  werden  dürfen.  Erwäget  man  nun  alle  diese  Um- 
stände ,  Hindernisse  und  Gebrechen  :  so  lässt  es  sich  wohl  erklären ,  warum  der  Holz- 
mangel  oder  die  Thcurimg  dieses  Artikels  in  sehr  vielen  Ländern  zu  einem  so  driickcn- 
den  Verhältnisse  habe  steigen  können,  und  zwar  um  so  mehr  steigen  musste,  da  un- 
ter allen  Naturproducten  es  keines  gibt,  welches  so  gemeinnützig  imd  allgcbrauclu  als 
das  Holz  wäre,  und  das  zugleich  so  langsam  wie  dieses,  uns  in  die  Hände  wüchse. 

Erfretilich  ist  daher  dem  beobachtenden  Menschenfreunde  die  Sorgfalt  mehrerer 
Regierungen  und  Vaterlandsfreundc  fiir  die  Cultur  imd  Erhaltung  der  Wälder,  durch 
Erlassung  zweckmässiger  Waldordnungen,  Errichtung  thätiger  Waldämter  (Inspccto- 
rate)  vuid  durch  Beförderung  des  Studiums  der  Forstkunde  mittelst  eigener  Forstin- 
stituie  und  fursiwissenschaftlicher  \orlesnngen  an  Universitäten  und  Akademien  Ij ; 
für  Anpflanzung  iiordamerikiinischer _,  geschwinder  wachsenden  Holzarten  inj;  für 
Feststellung  des  Flugsandes  durch  ^Valdplantagen5  für  Auffindung  uiul  allgemeineren 
Gebrauch  neuer  Ersatzmittel  des  Holzes;  fiir  Ausrottung  der  Borkenkäfer,  dieser  ^Väl- 
der  verwüstenden  Inseclen;  für  das  Anlegen  lebender  Zäime  j  fiir  die  Setzung  der 
Bäume  an  den  Strassen  und  Ufern  der  Flüsse  u.  s.  w. 

fl)  Als:  (las  Brasilien-  oder  Fernambukholz  in  Brasilien,  Jamaika  uni}  Carolina,  zur  Bereitunff 
rother  Farbe  und  Tinte  dienlich;  das  Campecheholz ,  am  häufigsten  bey  Campeche  auf  diT 
Halbinsel  Yucalan  in  Neuspanien,  mit  einem  blutrothen  Kern,  nicht  nur  zu  einem  achten 
Purpur,  sondern  auch  zur  Verfertigung  der  feinsten  schwarzen  und  vic'?tWauen  Farbe  brauch- 
bar, dieser  letzten  Eigenschaft  wegen  auch  Blauholz  genannt;  das  rothe  Sandelholz,  auf 
Ceylon  und  in  einigen  Gegenden  d<'s  festen  Landes  von  Ostindien  befindlich  ;  das  Mahaqony- 
holz,  besonders  nu{  Jamaika  in  Westindien  und  im  südlichen  Amerika  einheimisch,  wegen 
■der  vortrefflichen  Politur,  die  es  bey  seiner  braunrothen  Farbe,  Feinheit  und  Härte  an- 
nimmt, vornehmlich  zu  Möbeln  und  mancherley  Kunstarbeiten  brauchbar;  das  Ebenholz, 
vorzüglich  schön  in  Afrika,  mit  einem  pechschwarzen  Kern;  die  Tischler  brauchen  es  mei- 
stens zum  Fourniercn,  d.  i.  allerlcy  Hausgerälh  \on  schlechterem  Holze  damit  zu  belegen 
und  auszuschmücken;  endlich  das  für  den  Schiffbau  wichtige  Theak-  oder  Tikholz,  welches 
die  Brillen  von  der  Küste  Malabar  hohlen. 
l>)  Die  Eiche  z.  li.  liefert  die  Galläpfel-,  d.  i.  Auswüchse,  die  an  den  Zweigen  und  Blalternder 
Eiche  durch  den  Stich  der  Gallfliege  oder  Gallivespe  (cynips  quere,  petioli  oder  cynlps  quere, 
folii)  entstehen.  Sic  sind  zur  Färberey  und  zur  Bereitung  der  schwarzen  Tinte  unentbehrlich. 
Die  besten  erhält  man  aus  Ungern  und  der  Lei>nnle.  Die  Puischgallüpfel  sind  von  geringerer 
Güte.  Man  erhält  sie  aus  Frankreich  und  Deutschland.  —  Die  von  der  Knoppergalifliegc 
(cynips  quere,  caücis)  an  den  Eicheln  verursachten  Auswüchse  heissen  eigentlich  Kaoppera 
•  und  sind  ein  xorziigliches  GUrhematerial.  Die  Lecanllschen  haben  den  Vorzug  \ot  andern  ; 
doch  schätzt  man  auch  d'te  Unqrischen.,  von  denen  in  gewöhnlichen  Jahren  über  200,000  Me- 
tzen  ausgeführt  werden.  —  Die  Rinde  der  nur  im  südlichen  Europa  gedeihenden  Korkeiche 
(quercus  suber)  gibt  das  Kork-  oder  Pantnflelholz  ,  womit  Spanien  allein  mehr  als  einen  Erd- 
theil  versorgen  kann.  Bordeaux  in  Frankreich  treibt  ebenfalls  damit  einen  beträclitlichen  Han- 
del. Es  dienet  zu  Stöpseln ,  Fischnetzen  ,  Rosenkränzen  u.  s.  w.  Dessgleichen  bereitet  man 
aus  dem  verbrannten  Kork  eine  sehr  feine,  schwarze  Farbe,  Spanischsc.'in^arz  gimannt. 


30  II.    Urproilucliini.   §.    ^4.    Waldbaiime   oücr   IIulz. 

c)  In  Sardinien  backt  man  aus  den  Eicheln  ilcr  grünen  Eiche  (tjuercus  ilex) ,  von  den  Sarden 
Elighe  genannt ,  Brot ,  und  in  Italien  und  Spanien  werden  die  Früchte  der  süssen  Eiche 
(quercus  csculus)  ,  wie  Kastanien  gegessen. 

dy  Das  südliche  und  mittlere  Russlatid  hat  zwar  im  Ganzen  wenig  grosse  Wälder ;  den  gröss- 
ten  Waldvorrath  haben  in  diesen  Strichen  das  Königreich  Polen  (wo  die  Plock'schen  Forste 
und  die  grosse  Ostrolenkische  Wildniss)  ,  und  die  Gegenden  an  der  Ocka  ,  je  mehr  sie  sich 
der  Wolga  nähern.  Hier  ist  der  grosse  Pf^olchonskischeyVald  ■,  (\i;r sich  \on  Pf^jäsma  im  Gou- 
vernement S/nolensk  fast  ununterbrochen  bis  gegen  Moskau  35o  Werste  fortzieht.  Hingegen 
der  nördliche  Landstrich  enthält  fast  •undurchdringliche  Wälder.  An  der  obern  Pe/ic/io/'a 
und  liama  gegen  das  Uralgehirge  und  gegen  die  Dwina  ist  fast  alles  Wald.  Nordsibirien  ist 
unermesslich  reich  an  Wäldern.  Doch  sind  gerade  diese  Gegenden  die  volksleeresten ,  und 
so  hat  der  grosse  Holzvorrath  für  Russland  selbst  wenig  Nutzen.  Der  Flächeninhalt  der 
Kronwaldungcn  allein  betrug  im  J.  1806  über  108  Mill.  Dessjülinen.  S.  IVichniann  a.  a.  O. 
S.  46 — 5o.  —  Von  den  24  Statthalterschaften  des  Königreichs  Schweden  enthalten  allein  die 
i5  holzreichsten  2400  scliw  edische  =  4g2o  gcogr.  QM.  ,  oder  45  Alill.  Tonnen  Landes 
Waldungen  (91417  Tonnen  Landes  auf  1  geogr.  i)M.  gerechnet);  aber  die  Natur  zerstört  die 
Schätze ,  welche  sie  in  diesen  Wildnissen  jährlich  hervorbringt ,  grössten  Theils  wieder 
fruchtlos.  S.  Crome  a.  a.  O.  S.  i2o  ff.  —  Norwegens  Westseite  ist  vvenig  bewaldet,  fast  ganz 
entblösst;  im  Innern  des  Landes  aber  finden  sich  noch  weit  ausgedehnte  dichte  Waldstre- 
cken. —  In  der  österreichischen  Monarchie  nehmen  die  Waldungen  mehr  als  ein  Drittel  der 
ganzen  nutzbaren  Oberiläche,  oder  über  53, 176, 000  Joche  ein.  —  In  Ungern,  Slaconien 
und  Croalien  allein  betragen  die  Waldungen  11,101,208  Joch,  wozu  noch  die  banatische , 
slaconische  und  croatische  Militärgränze  kommt.  In  Siebenbürgen  wird  der  Flächeninhalt  der 
Waldungen  auf  4,482,000  Joch  berechnet;  in  GaA'riVn  auf  5,785,208  ;  in  iJö7i«ie«  auf  2,3io,o26 
Joch;  im  Erzherzoglhume  Österreich  auf  1,580,999  Joch;  in  6"'/ e^'f^rmar/i:  auf  1,507,2 14  Joch  ; 
in  Mähren  auf  8g5j422  Joch  u.  s.  w.  —  In  der  preussischen  Monarchie  verhält  sich  der 
Raum  der  gesammten  Waldfläche  zum  Ganzen,  nach  Voigtel,  wie  1:6;  nach  PJ'ell  nimmt 
er  18  Mill.  Morgen  ä  180  Quadratruthen  ein;  bloss  von  den  abfallenden  Kienäpfeln,  die  in 
den  preussischen  Waldungen  verfaulen,  könnten,  nach  Ebendemselben,  110,000  Menschen 
ihr  wirkliches  Brennliolzbcdürfniss  befriedigen.  S.  Götting.  gel.  Anz.  1817.  St.  i43.  S.  1419  ff. 
Die  Johannisburgerheide  (benannt  \  on  dem  Städtchen  Johannisburg  im  südöstlichen  Theile 
von  Oslpreussen)  ,  ist  ein  über  i2  Meilen  langer  Wald,  und  gränzt  nahe  an  die  Wildniss 
von  P«/i;;s/c  und  Ostrolenka.  —  Von  Deutschlands  Oberfläche  ist,  nach  Hock,  noch  jetzt 
beynahe  der  dritte  Theil ,  und  zwar  der  östliche  Theil  in  der  Regel  mit  Nadelholz,  der 
westliche  aber  mit  Laubholz  bedeckt.  Der  mehreren  Gebirge  vvegen  ist  das  südliche  und 
mittlere  Deutschland  holzreicher  als  das  nördliche. 

e)  Russland  z.  B.  schiffte  im  J.  1793  aus  allen  seinen  Häfen  (mit  Ausschluss  deren  am  caspi- 
schen  Meere)  Masten,  Balken,  Breier  und  allerley  Holz  an  Werth  von  i,744i2o8  Rubel 
aus.  S.  Storch's  Statistische  Übersicht  des  russischen  Reichs.  Riga,  1795.  S.  124.  Ini  Jahre 
i8o3  betrug  die  Bauholzausfuhre,  nach  Kajfka ,  2,000,000  Rubel.  —  Die  Holzausfuhre 
Schwedens  beträgt  im  Durchschnitte  jährlich 57,000  Balken,  23, 000  Sparren,  176,000  Breier 
und  Latten,  bey  der  Abladung  werlh  900,000  Banko-Thaler.  S.  Crome  a.  a.  O.  S.  i2i.  — 
Norwegen  führte  im  J.  1799  für  i,25o,ooo  Rthlr.  ,  1802  sogar  für  5, 000, 000  Rthlr.  Balken 
undBrcter,  auch  Masten,  nach  Dänemark,  den  Herzogthüniern  Schlcsnig  und  Holstein,  - 
vornehmlich  aber  nach  England  aus.  S.  Niemanns  Forststatistik  der  dänischen  Staaten. 
Mit  drey  sfatistischen  Tabellen.  Altona,  1809.  Durch  den  Bretcrhandel  haben  mehrere  nor- 
wegische Häuser  bedeutende  Reichthümer  erworben.  Unter  andern  hintcrliess  der  Kammer- 
herr Berndt  Anker,  durch  diesen  Handel  in  kurzer  Zeit  bereichert ,  trotz  seines  grossen  Auf- 
wandes ,  nach  seinem  Tode  noch   ein    Vermögen   von   mehr   als   anderthalb   Millionen   däu. 


11.   UrproJuctiou.  ^.   44,  Wüldbäurac  oder   Hulx.  joi 

-Tlialer.  S.  Monathl.  Correspondenz  zur  Beförderung   der   Erd-    und   llimnielskunde.    ibio. 
Jul.  S.  75.  —  Auf  der  £/6e  wurde   im    Sommer    1792    für  5, 400,000   Rlldr.    Scluffsbauholz 
nach  Hamhurg  hinabgeflösst.  S.  Schlozer's  ßrieivv.    Heft  5g.  S.  327.  Und  auf  dem  Rheine  er- 
hielten die  Hollander  im  J.   1780,  ohne   das,  was  von  der  Mosel  dazu  kam,  über  6^  Mill. 
Gulden  an  Schiffs-  und  Hausbauholz.  S.  Slaatsanzeigen.  Helt  1.  S.   19. 
/)  An  der  >vesllichen  Seite  Norwegens  sind  desshalb    die    Salzsiedereyen ,    Eisen-    und   andere 
Hüttenwerke  unmöglich  geworden,    so  wie  auf  der  Insel  Elba   die  \erarbeitung  des  Eisens. 
S.  Götting.  gel.  Anz.   1810.  St.   101.  S.   ioo4  u.   1808.  St.   189.  S.  1884.  Eben  so  steht  in  der 
Gömörer  Gespannschalt  in  Ungern  mancher  Eisenhammer  aus  Mangel  an  Holz  und  Kuhlen 
zum  Theil  stille.  S.  f.  ScIuvaHnev  a.  a.   O.  S.  32 1. 
g)  S.  Grellnaniis  Historisch-statistisches  Handbuch  von  Deutschland.    Gottingen,  1801.    S.  gi. 
h)  Wie  z.  B.  dem  Königreiche  Norwegen.  S.   H.  A.  L.  Z.   i8n.  Nr.  2o5.  S.  6go.  —  Als  mau 
auf  dem  uiigrisc/ien  Reichstage  vomJ.  1802  darauf  antrug ,  eine  zweckmassige  Waldordnung 
einzuführen,  um  dadurch  dem  drohenden  Holzmangel  vorzubeugen,  behauptelen  viele:  ,,es 
wäre  diess  eine  Einschränkung  des  adelichen    Vorrechts;    libere   Uli   et  Jrui ,    und    Niemand 
könne  den  ungrisclien  Edelmann  hindern  ,  wenn  er  auch  auf  einmal  den  ganzen  Wald  aus- 
hauen Hesse."  S.  Magazin  für  Geschichte ,  Statistik  und   Staatsrecht   der   österr.  Monarchie. 
Bd.   1.  S.  99.  Erst  durch  den  Art.    2i.    1807    wurde   dem   möglichen   Eigensinne,    und    der 
Verschwendung  mancher   Wald-Gomposscssoren ,  und   der   Vorwüstung   der  Wälder  über- 
haupt, \  orgebeugt. 
i)  In  Norwegen  sind  die  Eiclien  ,  wegen  des  willkürlichen  Hauens  ,  fast  aufgerieben;  jetzt  sieht 
man  sie  nur  in  den  Grafschaften  Lauerwig  und  Jarlsberg ,    und    im    Stifte    Christiansand.    S. 
Götting.  gel.  Anz.   1810.    St.    101.   S.   ioo5.  —  Von   dem  verschwenderischen   Verfaliren  mit 
den  Waldungen  in  Schweden  s.  ßüsching's  Erdbeschreibung.  Till.   1.    S.    5o8  ff.  —  Über  die 
Forstsünden  in  Russland  s.  Slorch's  Slatislischcs  Gemälilde  des  russischen  Reichs.  Bd.    2.  S. 
248  ff.  Vergl.  AUgem.  geogr.   Ephem.  Bd.  28.  S.  5oi.    —  In  den  Herzogthümern  Schleswig 
und  Holstein  müssen  die  jetzigen  Einwohner  die  Forstscandale  ihrer   Vorfahren   büssen.    S. 
Götting.  gel.  Anz.   i8io.  St.   101.  S.   1006.  ff.    —    In    Islands  südlichem  Tlieile  beschleunigt 
regelloses  Kohlenbrennen  /den  Untergang  der  Wälder.    S.    Niemann's  Forstslalistik    a.    a.    O. 
Tafel  III.  —  Über  das  Wüsten  in  deulsc/ien  Waldungen  finden   sich  in  dem  Journal  für  das 
Forst-  und  Jagdwesen  (Leipz.  1790.  8.)  an  verschiedenen  Stellen,  vornehmlich  im  zweyten 
Bande,  sehr   belierzigenswerthe   Nachrichten.    —    Die    Geschichte  der  Forstwissenschaft  in 
Frankreich  liefert  Hr.   Perthais  in  der  Einleitung   seines   Werkes:    Tratte  de  l'anienagenient 
et  de  la  reslauralion  de   bois  et  forcts  de  la  France.    Während  der  Revolution  hat   sie    ganz 
aufgehört.  —  Von  dem  schlechten  Zustande  der  Wälder  in  Ungern  s.  Vaterland.  Blatter  etc. 
1810.  Nr.   12.  S.   i2o.   —  In  der   Bukowina  wurden,  Hrn.    Rohrer  zu  Folge,  binnen  5  Jah- 
ren, \on  1795 — 1800,   1,310,714  Wienerklaiter  in  Pottasche  verwandelt ,  so,  dass    die  Re- 
gierung dieser  Holz\erschvvendung  Einhalt   zu  thun    genöthiget   war.    —    Die    Staatsaufsicht 
auf  die  Waldungen  und  Forste  ist  unverkennbar  nützlich ;  es   ist   daher   in   der   Tnal  auflal- 
lend ,   wie  es  Hrn.  Hazzi  in  seinem  Werke:   „Die  ächten  Ansichten  der  If^aldun^en  und  For- 
ste" ciniallcn  konnte,  das  Zweckwidrige   und   Ungerechte   des  Forstreyals   oder   der  Forst- 
polizey  zu  beweisen.   S.   Götting.   gel.  Anz.   i8o5.    St.   i56  und  157. 
k)  England  und  ein  Theil  von  Dänemark  haben  jetzt  wenig  Holz.    Die  Westseite  dca  ilerzog- 
thums  Schleswig  ist  ganz  bauinleer,  und  die  Mitte  desselben   ist  meistens  entblösst.    Die  In- 
sel Aniak  hat  weder  Holz  noch  Torf    Die  am  Meere   liegenden   Gegenden    der  Niederlande 
sind  ganz  ohne  Holz,  und  was  dort  zu  Schiffe  eingeführt  wird,  verkauft  man  grossen  Theils 
nach  dem  Gewichte.  —  Eben  so  emplindeii  manche  vormals  hewahlele  Gegenden  Deutsch- 
lands jetzt  Holzmangel.  Die  Marschländer  an  der  Nordsee  und  Elbe  sind    ganz   ohne    Holz. 
—  Frankreich  erzeugt  bey  einem,  mit  8,000,000  Morgen  (arpen.-.)  Waldungen  bewaclisenen 


J02  ir.   Urfroduction    §.   45.   Viehzucht. 

Frachenraiimo  im  Durcbsclinitte  jährlich  5,333,320  Klafter  Holz  ,    und   vorbraucht   im    Gan- 
zen ungefähr  io,35o,ooo  (Patis  allein  3oo,ooo)  Klafter,  woraus,  verglichen  mit   der  Erzeu- 
gung, ein  Deficit  von  5, 016, 680   Kl.    sich   ergibt.    S.   Ergänzungsbl.    zur  H.  A.  L.  Z.   1810, 
Nr.  66.  S.  527  ff.  —  In  dem  russischen  Gouvernement  Jekalerinoslaii>  gibt  es  unermessliche 
holzleere  Ebenen,  und  im  obern  Lilt  hauen  ist  die  Holznoth  so  gross,  dass  der  Bauer,  wenn 
er  bey  dem  Hufschmiede  et\vas   gemacht  haben   will ,    die   Kohlen   dazu   mitbringen   muss. 
S.  Götting.  gel.  Aiiz.  i8i2.  St.  Sg.    S.  386.  —  In   diesen   und   andern  Ländern,    wo  Holz- 
mangel ist,    brennt  man   ent\veder    Torf  oder  Steinkohlen  j    oder  Stroh   und   Stoppeln;  auf 
Amak  braucht  man  die  Kohlstr'änke  zur  Feuerung;    in  England  und  Frankreich  ausser  Stein- 
kohlen und  Torf  den  slachlichlen  Ginster  (ulex  eiiropaeus),  und   in   Holland  die  Sumpjheide 
(erica  tetralix) ,  wo  auf  das  Anzünden  derselben  —   welches    Privatleute  zur  Reinigung  des 
Bodens,  um  bessere  Producte   darauf  zu   erziehen,    wohl   thun   möchten  —  die  Strafe  des 
Staubbesens  steht.  S.  Funke's  Naturgeschichte  etc.  Bd.    2.    S.    i52.    —    In   der  Schtfeiz ,  und 
zwar  im  Urselcr  Thale  und  auf  dem  St.  Gotthardsberge  brennet  man   die  Alpenrose  (rosa  al- 
pina) ,  das   rhododendron  glabrum   et   cello^um  und    andere    Pflanzen;    im    Lande    unter    der 
Eons,  und  zwar  im  Marchfelde ,  dann    in   Schlesiens   Fürstenthume   Breslau  Stroh  und  Di- 
steln,  im  letzteren  Lande  auch  Kartoffelstauden.    Auf  Hiddensee   bey  Rügen  braucht   man, 
so  wie  in  Bessarabien ,  zur  Feuerung  getrockneten  Kuhmist;  in   der  Schweiz,    und   zwar  im 
Graubündtnerisclicn    Thale   Afers ,    gedörrten    Schafdünger ;    in    der   schwedischen   Provinz 
Schonen  hin  und  wieder  ausser  Stroh  auch  Rasen   und  getrockneten   Kuhdänger ;    in    Ungern 
ausser  Stroh  und  Rlndvichmist  auch  Rohr,  Hanf-  und  KukurutT,si enget  und  körnerlecrc  Kol- 
ben. —  Auf  Island  brennet  man  auch   Fischgrälen ,  und  in  Apulien  am  Ufer  des  Meeres  zwi- 
schen Manfredonia  und   Barletta  ,   braten  die  Fischer  ihre  Fische  bey  dürrem  Bi'iffhlkothe.  — 
Vom  Treibholze  (FöhTcn- .,  Tannen-  und  Lerchenstämmen),  welches  die   nordischen  Meere 
an  die  Gestade  von  Noit^aja-Senilja  (Nova  Zembla) ,  Spitzbergen  ,    Grönland  u.  s.  w.  werfen, 
und  diese  unglücklichen  Gegenden,  wo  kein  einziger  Baum  wächst,    mit    Holz  zum   Bren- 
nen und  Bauen  versehen,   empfangen  auch  Irland  j  Schottland  ,   die   Hebriden ,    die  Orkney's 
und  schettländi^chen  Inseln,  so  wie  Nonuegen,  Island  und  die  Färöer  ihren  reichlichen  Antheil. 
l)  S.    Z\veyte  Abtheilung  :   Unterrichtsanslalten. 

m)  Merkwürdig  und  einzig  sind  die  Plantationen  erotischer  Holzarten  zu  Eisgrub ,  Feldsberg 
und  Rabenshurg  in  der  österreichischen  Monarchie,  vornehmlich  das  Werk  der  Befehle  des 
im  J.  i8o5  mit  Tode  abgegangenen  Fürsten  Aloys  von  Liechtenstein.  Drevzehn  Millionen 
nordamerikanischer  Waldhölzer  ,  die  die  unsrigen  an  schnellem  Wüchse  weit  übertreffen  , 
haben  jene  Pflanzungen  aus  Samen  gezogen  und  glücklich  naluralisirt.  Auch  zu  Dotis ,  Ga- 
tendorf.  Brück  an  der  Leytha  ,  Urmeny ,  Koosze  und  in  anderen  Gegenden  des  österreichi- 
schen Kaiserstaates  sind  reiche  Pflanzungen  ausländischer  Bäume ,  die  sich  aus  jenen  gros- 
sen Gärten  immer  mehr  verbreiten. 

b)    N  a  t  u  r  p  r  o  d  u  c  t  c    aus  dem  T  h  i  e  r  r  e  i  c  h  e. 

V     i      c     h      z      u     c      h     ;. 

Im  cng.ston  Sinne  vcr.stcht  mau  unter  fie/i  niiv  das  OcJisengeschlecht ;  im  weilen 
Sinne  übcrliaiipt  alle  Arten  von  luttzbarcu  zahmen  Tliiercn.  Die  f^iehziicht  ist  also 
nach  der  Landesart  sehr  vcrscltiedcn,  und  ])cgrcift  in  Europa  eben  sowohl  Retinthie- 
re ,  Kamehle  luul  Hunde j  als  Pferde  ^  Esel  nnd  Maiilthiere  j,  Ochsen  und  BilßeL  , 
Schafe^  Ziegen  j  Schweine  und  Kiininchen  ,  auch  zahmes  Fedeivieh  aller  Ait.  Sic 
ist  eines  der  aiisyebreitclstcn  Naiirungsj^ewerhe  der  .Menschon  und  noch  unenlbchrli- 


II.  Urproduction.  $.  45    Viehzucht.  103 

eher  als  der  Ackerbau.  SeUjst  in  Europa^  sowohl  im  nördlichsten  Thcile  desselben, 
als  in  andern  sehr  gebirgigen  Ländern,  leben  die  Menschen  ohne  Ackerbau,  bloss  von 
der  Viehzucht,  Jagd  und  Fischereyj  der  Ackerbau  kann  dagegen  nicht  ohne  Vieh- 
zucht bestehen.  Wenn  beyde  in  einem  Staate  mit  gehöriger  Kenntniss  und  möglich- 
stem Fleisse  getrieben  werden,  und  in  gehörigem  Verhältnisse  zu  einander  stehen:  so 
gewähren  sie  den  Einwohnern  ein  sicheres  Auskommen  ,  und  sind  die  eigentliche 
Grundlage  der  Bevölkerung  und  Macht  eines  Staates,  so  wie  die  Quelle  vieler  Manu- 
facturen  und  mancher  einträglicher  Handelszweige.  Die  Staaten,  die  ihren  \Yohlsland 
auf  Viebzucht  luid  Acker])au  griuiden,  haben  immer  mehr  innere  Kraft,  als  die,  wel- 
che denselben  vom  Handel  ,mid  Fabriküeiss  abhängig  machen.  Jene  haben  die  Quelle 
ihres  Wohlstandes  innerhalb  ihrer  Landesgränzen,  diese  nicht  selten  ausser  densel- 
ben, und  ebendcsshalb  ist  die  Existenz  ihrer,  vom  Kunstfleisse  und  Handel  lebenden 
Einwohner  desto  prccärer  und  unsicherer,  je  leichter  hier  das  Interesse  der  Nach- 
barn cüllidiri. 

Ackerbau  und  ^iehzitcht  müssen  aber  im  gehörigen  N  eihiütnissc  zu  einander  ste- 
hen, wenn  sie  einem  T^ande  recKt  nüizlich  -vvoi-de  sollen.  Ohne  die  letztere  wird  jene 
nur  künnnerlich  betrieben  j  zweckmässig  vereinigt,  werden  beyde  erst  recht  gewinn- 
reich fiir  ein  Land.  Doch  gibt  es  mehrere  Gebirgsstrecken  in  Europa,  nahmentlich  in 
der  Schweiz  j  in  Savnjen  j  Tjrol  ^  in  den  Pyrenäen  ^  in  Lappland  u.  s.  w. ,  die  kei- 
nen Ackerbau  gestatten,  deren  grasreiches  Berg-  mid  Thalgelände  nur  zur  Viehzuchl 
benutzt  werden  kann,  deren  Einwohner  daher  sich  auch  aus  schlics  send  von  den  Pro- 
ducten  der  letzteren  nähren  aj.  Dagegen  wird  in  Ungern^  in  der  Moldau j  TVala- 
chej  und  in  andern ,  zum  Ackerbau  geeigneten  Ländern  die  Viehzucht  zum  Nachtheil 
des  Ackerbaues  gelrieben;  uniibersehbare  Heerden  weiden  dort  auf  ungeheuren  Pusz- 
ten  und  verzehren  die  iippige  Grasfulle ,  welche  die  wohlthälige  Natur  ohne  Zuthun 
des  Menschen  wachsen  lässt.  Diese  Benutzungsart  des  Bodens  gewährt  zwar  dem  Ei- 
genthümer  grosse  und  zugleich  sehr  l)erjueme  Einkünfte,  aber  sie  ist  unstreiti"  nicht 
die  beste,  indem  dieselbe  Puszte  el)cn  so  gut  zum  Ackerbau  geeignet  wäre,  und  der 
Eigenthüjner  des  Weideplatzes,  anstatt  aus  dem  Anbau  desselben  und  der  Viehzucht 
zugleich  Vorlheile  zu  ziehen,  bloss  das  liebe  ^  ich  das  ganze  Product  des  Bodens  ver- 
zehren lässt.  Eben  dassellje  ündet  Stall  in  Spanien  _,  HochscJiottland  und  Irland _, 
wo  die  Schafheerden  durch  grosse  Gebiete  hin  und  her  getrieben  werden,  und  den 
Ackerbauern  so  viel  Land  durch  Schaftriflen  entzogen  wird^  dass  in  den  beyden  letztem 
Ländern  starke  Auswanderimgen  nach  Nordamerika  veranlasst  wurden,  und  selbst  am 
Kaukasus  sich  eine  Golonie  von  Schottländern  nicderliess  bj. 

Obschon  also  die  Viehzucht  die  slärkeste  Stütze  des  Ackerbaues  ist,  so  ist  doch 
die,  auf  Kosten  des  lelzlerenbclriebene  Viehzucht  ein  unverkennbarer  Beweis  gerin"-er 
Landescultur,  so  wie  im  Gegenlheile  jenes  Land,  wo  die  'N'iehzucht  mii  dem  Acker- 
baue gleichen  Schritt  hält,  oder  wohl  gar  durch  diesen  verhältnissmässig  eingeschrän- 
ket  wird,  in  der  Cultur  des  Bodens  fortgeschritten  ist.  Ein  solches  Land  macht  nicht 
die  Vermehrung  seiner  Haerden  zum  Hniptzwecke  seiner  landwirlhschafilichen  In- 
dustrie, sondern  setzt  die  grösste  Kunst  dersell)en  in  die  f^eredelung  ^e&Y'ielics , 
wodurch  es  in  den  Stand  gesetzt  wird,  den  grösstmöghchsicn Niuen  davon  zu  ziehen. 


lO/i  II    Urprotlnction.  §.  46.   Pferdcgeschlecht, 

Die  Verbesseiimg  des  Vielistaudes  Iiängt  aber  ab :  von  sorgfältiger  Auswahl  des  Zucht- 
viehes, von  reichlichem  und  gutem  Futter  durch  künstlichen  Fulterbau,  d.  i.  durch 
Anpflanzung  allerley  nahrhafter  Gewächse,  welche  die  Natur  nicht  von  selbst  her- 
vorbringt, und  von  einer  der  Natur  des  Viehes  gemässcn  Behandlungsart,  deren 
rwcy  wesentliche  Stücke :  Ordnung  und  Reinlichkeit  sind.  Durch  flcissige  und  ge- 
schickte Anwendung  dieser  Grundsätze  zeichnen  sich  die  Holländer _,  die  Schweizer , 
die  Deutschen  j  vornehuüichaber  die  Engländer  aus,  die  auf  Verbesserung  ihres  Vieh- 
standes mit  anderen  Racen  ungeheure  Kosten  verwenden,  ihre  eigenen  Racen  bey 
ihren  Vorzügen  zu  erhalten  wissen,  und  insonderheit  in  der  Art  das  Mastvieh  zu  be- 
handeln, alle  Europäer  überirefFen. 

a)  Nach  Ebel's  Angabc  befinden  sich  allein  unter  den  6 — 7  Mill.  Seelen  starken  Alpenvölkern 
wenigstens  1^  Mill.  ,  welche  bloss  Hirtenvölker  sind,  und  sich  ausschliessend  mit  der  Al- 
penwirthschaCt  und  Viehzucht  beschäftigen. 

b)  S.   Bredoit-'s  Chronik  des  19.  Jahrb.  Bd.    1.  S.  43o.   2.  Aufl.  und  Jahrg.    1804.  S.  43i. 

i)      Säugethiere. 

§.46. 
P  f  e  r  d  e  g  c  s  c  h  1  e  c  h  t. 

Zu  dem  Pferdegeschlechte  gehören  die  eigentlichen  Pferde  j  die  Esel  j  Maul- 
thiere  und  Maulesel.  Das  Pferd  (equus  caballus)  emplicbk  sich  luiter  den  Säugethic- 
ren  nicht  nur  durch  schönen  Körperbau,  sondern  auch  durch  Stärke,  Schnelligkeit 
und  kriegerischen  Muth,  und  ist,  dieser  Eigenschaften  wegen,  für  einen  Staat  in  öko- 
nomischer, commercieller  und  militärischer  Hinsicht  von  grosser  Wichtigkeit.  Es  ist 
heut  zu  Tage  meist  in  allen  Ländern  Europas  weit  zahlreicher  voi'handen,  als  noch 
vor  hundert  oder  zweyhundert  Jahren,  da  das  Verhältniss  der  Sitten,  der  Gewerbe, 
und  grosse  stehende  Armeen,  den  Gebrauch  desselljen  noch  nicht  wie  in  luiscren Zei- 
ten so  sehr  vervielfältigt  aj ,  auch  die  eigene  Zucht  dieser  Thierc,  zugleich  nüt  dem 
vermehrten  Gebrauche,  wo  nicht  in  allen,  doch  in  den  meisten  Ländern  unsers  Erd- 
theils  einen  angemessenen  Schritt  gehalten  hatte.  Von  sehr  vielen  europäischen  Re- 
giei'ungen,  ja  selbst  von  mehreren  Privatpersonen,  werden  übcrdicss,  mittelst  der 
Gestüte j  die  sorgfälligsten  Veranstaltungen  unterhalten,  um  durch  ausgesuchte  Be- 
schäler sic,^  einer  guten  Nachzucht  zu  versichern. 

Die  berühmtesten  Pferde  in  der  Welt  sind  die  arabischen  j  deren  Geschlcchts- 
rcister  mit  grösster  Sorgfalt  bewahret  werden.  Durch  diese,  so  wie  durch  afriktini- 
scliCj  oder  Pferde  aus  der  sogenannten  Berherej _,  die  den  nächsten  Rang  nach  jenen 
haben,  sind  die  europäischen  Stutereycn  verbessert  worden.  Die  besten  europäischen 
Pferde  flillen  in  Spanien  bj  ^  England  cj  j  in  einigen  Gegenden  Fr^anh'eichs  dj  imd 
Italiens  ej  j  in  Dänemark  fj  j  Deutschland  gj  j  Friesland  hj  j,  Ostpreussen  ijj  der 
Ukraine  oder  Kleinrussland  ^  Polen  j,  Galizieiij  der  Bukowina  j  Ungern  (dem  er- 
sten Vatcrlande  aller  europäischen  Husaren),  Siebenhihgeuj  der  Moldau j  Wala- 
chey  j  Tliracien  und  anderen  osmanischen  Provinzen  kj.  Die  meisten  dieser  Länder 
haben  zugleich  eine  so  beträchtliche  Pferdezucht,   dass  sie  auch  andern  Ländern  viele 


II.  Urprodiiction,  §.   4(>.   PferJegeschlecIit.  106 

Lraiicliljare  Pferde  üLerlasscn ,  so  wie  aucli  die  Sc/nveiz  jalirlicli  fiir  5oo,ooo  fl.    mei- 
stens schwere  Pferde  ausfuhrt. 

Der  Esel  (asinus) ,  dessen  hchebte^te  Nahrung  die  Distehi  sind,  gedeiht  in  den 
si'idlichen  Landern  Europas  ungleich  besser,  als  in  den  nördlichen  ,  wird  daher  in 
jenen  weil  häufiger,  als  ein  durch  Lasttragen  sehr  nützliches  Havislhier  gehalten.  Die 
spanischen  und  mailändischen  Esel  werden  für  die  schönsten  gehalten,  denen  die 
piemontesischen  und  neapolitanischen  folgen.  —  Aus  der  Yerniischung  des  Escl- 
hengstes  mit  der  Pferdestule  entsteht  das  Mnulthier  (luulus) ,  so  wie  aus  der  Begat- 
tung des  Pferdehengstes  mit  der  Eselinn  der  Maulesel  (hinnus).  Beyde  sind  also  Ba- 
starde, werden  aber  in  Italien  ^  Portugal  ^  Spanien  j,  so  wie  in  dem  nordwestlichen 
imd  südlichen  FrankreicJi  so  allgemein  gezogen,  dass  die  Pferdezucht  darüber  ver- 
fallen ist,  und  zum  Ziehen,  Tragen,  Reiten,  Fahren,  und  überhaupt  so  allgemein  zu 
allen  Arbeiten  gebraucht ,  wie  bey  uns  das  Pferd.  Sie  tragen  Bürden  von  4 — 5  Ctr. , 
gehen  in  bergigten  xuid  klippigen  Gegenden  sicherer,  und  kommen  weit  besser  fort, 
als  das  Pferd  IJ ,  können  auch  20 — jo  Jahre  dienen,  und  sind  den  Schwachheiten  der 
Pferde  nicht  unterworfen.  Es  ist  daher  auflidlend,  dass  man  sich  in  andern  Ländern 
Europa's  mit  der  Zucht  dieser  nützlichen  Thiere  so  wenig  beschäftigt.  Nur  in  der 
Schweiz j  vornehmlich  in  dem  Canton  Tessin  j  werden  sie  noch  häuüg  gezogen.  In 
dem  südlichen  Tjrol _,  in  Fiianl  und  anderen  Gegenden  Europa's  ist  die  Zucht  die- 
ser Thiere  von  geringem  Belange.  Die  schönsten  und  stärksten  Maulthiere  mid  INIaul- 
cscl  sind  die  französischen ^  vorzüglich  aus  dem  Departement  der  hejden  Sevres. 
Sie  werden  in  Spanien  imd  Italien  sehr  gesucht.  Frankreich  gewinnt  durch  seine 
jährliche  Ausfuhre  von  16,400  Maulthieren  und  Mauleseln  nach  jenen  Ländern  12  — 
1 3  Milk  Franken,  an  welcher  Summe Poitou  allein,  wo  für  das  Stück  im  Durchschnit- 
te 1000  Fr.  bezahlet  werden,  mit  7,760,000  Fr.  Anthcil  nimmt. 

0)  Buy  den  Gefahren  des  spanischen  Krieges  i588  konnte  England  kaum  3ooo  Pferde  fiir  die 
Reiterey  hergeben;  und  jetzt  wird  behauptet,  dass  allein  in  London  die  Zahl  der  Reit-  und 
fT^agenpJerde  auf  80,000  sich  belaufe.  So  zählte  man  auch  in  der  ersten  Regierungszeit  Lud- 
wige XIV.  um's  Jahr  i658  in  Paris  mehr  nicht,  als  ungefähr  3oo  Rutschen;  und  beym  Ab- 
gange Ludn>lgs  Xy .  1774,  stieg  ihre  Anzahl  auf  mehr  als  14,000.  Sich  eines  Pferdes  zum 
Reiten  zu  bedienen,  ist  iiberdiess  heut  zu  Tage  allen  Ständen  gemein;  in  älteren  Zeiten  aber 
*  gab  es  ganze  Volksclassen  ,  die  man  nie  auf  einem  Pferde  sah.  Wenigstens  merkt  es  c.  Kö- 
nigshofen  in  seiner  slrassburgisclieii  Clironik  ausdrücklich  als  etwas  auffallend  Neues  an  ,  dass 
die  Handivericsleute  um's  Jahr  i34o  angefangen  hätten  ,  zu  reiten  ,  wenn  e  n  erreist  wären. 
—  Schwede7i  hat  im  Ganzen  bey  410,970,  Prcussen  1,332,276,  das  brät isc/ie 'Reich  1,800,000 
(wovon  aui^  England  allein  i,5oo,ooo  kommen),  Österreich  1,800,000  und  Deutschland 
2,000,000  Pferde  und  Füllen,  wovon  auf  die  österreichisch-  und  preussisch-deutschen  Pro\  inzen 
i,3io,098komnien.  Die  Zahl  der  Pferde  in  Frankreich  gab  derMmister  Monlalii^eL  in  den  Jah- 
ren 1811  und  i3i2  auf  3,5oo,ooo  (?)  an. 

b)  Vorzüglich  in  Andalusien ,  Esiremadura  und  Asturien.  Die  Ausführe  eines  Hengstes  wird 
mit  dem  Tode  bestraft ,  und  selbst  diese  Strafe  hemmt  den  Schleichhandel  nicht.  Doch  sind 
die  Stutereyen,  seitdem  die  Maulthierzucht  so  allgemein  geworden,  lief  gesunken. 

c)  Die  e/ig7(>c/ie/i  Pferde  ,  vorzüglich  die  schlanken,  lebhaften  Reitpferde,  sind  ein  beträchtli- 
cher Gegenstand  der  Ausfuhre.  Sic  sind  zur  Parforcejagd  und  zum  Laufen  ganz  vortrefflich. 
Es  gibt  in  England  Pferde,  die  beym  Wettrennen  in   einer   Secunde   46,    64  —  82-  Pariser 

14 


io6  !!•  Uipioductioii.  §.  47-  Riiidvicli. 

Fuss,  und  in  einer  Minute  beynahe  eine  englische  Meile  zurücklegen.  Ausgezeichnete  Wettren- 
ner werden  für  i2oo  Guineen  und  darüber  verkauft.  Auch  an  starken  Zugpferden  fehlt  es  nicht. 
f/)  Nahmeutlich  in  dem  Departement  der  Oiiie ,  wo  mau  die  schönste  Rage  \on  normandischen 

Pferden  findet. 
e)  Nahmentlich  in  dem  Königreiche  Neapel,  in  der  Marcmna  di  Siena ,  in  Piemont  und  auf 
Sardinien ;  besonders  werden  die  neapolilanischen  aus  Apulicn  und  Calabrien  geschätzt;  sie 
geben  slolze  Kufsc/ipjerde  ab,  und  werden  zum  Tlieil  auch  ausgeführt.  Auf  der  berühmten 
Sandwüste  Pisa's  wegen  der  stellweise  erscheinenden  Vegetation,  Manhie  genannt,  weiden 
wilde  Pferde. 
f)  Es  zieht  Pferde  von  zwey  verschiedenen  Arten:  kleine,  aber  rasche,  lebhafte  und  dauer_ 
hafte  Pferde,  die  sogenannten  Klepper,  auf  den  Inseln,  hauptsächlich  auf  Seeland;  dann 
grosse ,  starke ,  fleischige  Pferde ,  sehr  tauglich  zum  Ziehen  und  für  die  schwere  Reiterey 
in  J'ülland ,  wovon  jährlich  6 — 7000  St.  für  mi'hr  als  eine  halbe  Million  Species  ausgefülut 
werden.  In  der  neuern  Zeit  hat  auch  der  Genuss  des  Pferdefleisches  ^iele  Lii'bhaber'in  Ko- 
penhagen gefunden. 
ii)  Einen  grossen  und  schweren,  aber  doch  gut  gebauten  Schlag  von  Pferden  liefern  die  nörd- 
lichen Provinzen,  nahmeutlich  Hulstein ,  Mecklenburg,  Oldenburg ,  Lüneburg  und  Oslßies- 
land ,  in  welcher  letzteren  Provinz  man  die  schönsten  Kulschpferde  findet.  Doch  noch  grös- 
sere und  stärkere  Pferde,  die  grössten  und  stärksten  vielleicht  in  ganz  Europa,  gewöhnlich 
ig  Fäuste  hoch,  kommen,  nach  Hrn.  Sebald ,  in  Süddentscliland ,  nahmeutlich  im  Pinzgnu 
in  Salzburg  vor.  Ehedem  sollen  diese  Pferde  noch  grösser  gewesen  seyn  ,  so  dass  ein  Pferd 
von  7  Fuss  4  Zoll ,  oder  22  Fäuste  ,  so  gar  selten  nicht  war.  Ausserdem  sieht  man  grosse 
und  starke  Zugpferde  in  Obersleyermark ,  im  Lande  ob  der  Enns ,  in  Bri/tmcii,  in  dem  gebir- 
gigen Oberlande  i3aier/is,  besonders  um  jUuivirtu  ,•  ferner  in  dem  ehemaligen  Fürstenlhume 
Anspach  und  in  anderen  Gegenden  Deutschtands.  Sogenannte  Saumrosse  (Bergsteiger,  Pack- 
pferde) werden  vorzüglich  in  Krain  auf  dem  Karst  gezogen.  Die  Fuhrleute,  welche  sich 
dieser  Pferde  bedienen,  nennet  man  Saumer.  Wenn  übrigens  viele  polnische,  moldauische 
und  ungrische  Pferde  nach  Deutschland  eingeführt  werden  :  so  werden  doch  weit  mehrere 
aus  />e«/4c/i/a«c/ nach  Ungern  ,  Frankreich,  Italien  und  Holland  exportirt. 
h)  Es  liefert  die  sogenannten  Harllrüber ,  wo\on  zu  KutsctipJ'erden  ]ahrllch  einige  2o,ooo  Stück 

ausgeführt  werden, 
i)  Es  zieht  gute  Dragoner-  und  Husarenpferde. 

k)  Die  wilden  Gestüte  dieser  Länder  gehören  zu  den  ältesten  und  natürlichsten  aller  Pferde- 
zuchten. Die  Pferde  weiden  hier  ohne  gepflegt  zu  werden,  und  sind  ganz  ihrer  WIlikiihr 
und  ihrem  Instincte  überlassen.  Diese  Lebensart  aber  macht  sie  zu  guten  Rennern,  und 
gibt  ihnen,  bey  geringem  und  schlechten  Futter,  eine  Ausdauer,  die  sie  vor  allen  übrigen 
Pferderacen  voraus  haben.  In  dieser  Hinsicht  sind  sie  auch  besonders  zu  dem  Felddicnste 
der  leichten  Reiterey  sehr  passend.  Die  schönsten  Pferde  vom  Reilschlage  fallen  in  diesen 
Ländern  in  Siebenbürgen  ;  ein  stolzer  Gang,  Kraft  und  Feuer,  sind  die  Vorzüge  der  dasigen 
Pferde.  Die  siebenbürgischen  Pferde  der  grossen  Art  sind  auch  gute  Kutschpferde, 
l)  Die  nordischen  Pferde  ausgenommen  ,  die  selbst  im  vollen  Trabe  auf  steilen  und  gefährli- 
chen Wegen  gleiche  Sicherheit  gewähren ,  Vvie  in  andern  Ländern  die  Maulthiere  und 
Maulesel.  S.  Allg.  geogr.  Ephem.  Bd.  38.  S.  548. 
m)  S.  Polit.  Journ.  i8o5.  Aug.  S.  763. 

§.  47- 

.Rindvieh. 
Das  Rindvieh  (Los  t.turus)  ist    das  niilzlichsle  uiid   unentbelirliclistc   /Atiii  Acker- 
bau durch  seine  Arbeit  uud   seinen  Dünger  j    es  gibt  auch   Milch  a) ,   Butter  ö)   und 


II.   Uiproduction.   ij,.   47.    Rindvicli.  lg. 

Käse  c)  ;  man  gcnicsst  sein  Fleisch  d)  und  benutzt  sein  Ilorn  e)  ,  seine  Ilniit /")  ,  so  wie 
seine  Därme  g)  und  das  Häutclien  seines  Älastdarms  /i),  sein  Talg  i)  und  seine  Kno- 
chen. Den  schönsten  Schlag  von  Ilindvieh  findet  man  in  der  Schweiz  _,  England  und 
Holland  j  in  Italien  k)  j  Ungern  j  der  Ukraine  und  Podolien  _,  in  Dänemark  imd 
Deutschland  l).  Die  fettesten  Ochsen  zieht  man  in  England  m)  j  das  reinlichste  Vieh 
in  Holland  n).  Ungern  o)  ^  Galizien  _,  Polen  p)  j  die  Ukraine  und  Podolien  q)  lö- 
sen jährlich  bedeutende  Geldsummen  aus  ihren  Ochsen;  die  Schweiz  >'),  Dänemark s), 
die  Moldau  j  die  U^alacher  und  verschiedene  Länder  Deulsclilands  ^)  lreil)en  auch 
viele  aus.  Zur  Yergleichiuifi;  des  Standes  der  Ochsen  ,  Kiihe  und  des  Jungviehes  in 
den  verschiedenen  Ländern  und  Staaten  Europa's  mögen  folgende  Angaben  dienen : 

Deutschland  zählt  ungefähr      .     .     .     .     , i2jOOO,ooo  Siiick. 

Grossbritannien  imd  Irland 10,000,000     — 

Die  'österreichische  Monarchie 7,5oo,ooo     — «) 

Frankreich  im  J.  1806 6,084,060     — 

nach  des  -Älinisicrs  MonlaVn'et  Angabc  in  den   Jahren 

1811  und  1812 l2,üOO,ooo(?) — 

Deutschland  _,  ohne  die  österreichisch-  und  preussisch-deut- 

scheu  Provinzen ' 5,622, g8l      — 

Die  preussische  Monarchie  nach  Hojfinänn 4,275,700     — 

nach  Cannabich  über 7,ooo,ooo(?) — 

Schweden  j  nach  Molbeck l, 490,759     — 

Dänemark _,  nach  Olajsen 1,484,000     — 

nach  Ehrmann  nur 800,000     — 

Holland j  nach  Crome 1,000,000     — 

Der  Werlli  des  Vielistandes  in  der  ganzen  Schweiz  wird  auf  160  Mill.  Schweizer 
Franken  geschätzt. 

Zu  den  merkwürdigsten  Varietäten  des  Rindviehes  gehört  z.  B.  die  halbwilde 
weisse  Rac.e  mit  braunen  oder  schwarzen  Ohren  hin  und  wieder  in  Grnssbritannien ; 
die  mit  den  ausnehmend  grossen  Hörnern  in  Sidlien;  die  gänzlich  ungehörnten  in 
einigen  Provinzen  von  England  und  Spanien.  In  der  Maremna  di  Siena  findet  man 
auch  eine  Heerde  von  ganz  wilden  Kiihen  ,  1800  an  der  Zahl,  die  in  der  grössten  Wild- 
niss  leben.  Sie  lassen  sich  so  wenig  melken  als  füttern,  sondern  werden  im  siebenten 
bis  achten  Jahre  als  RothwU'dprel  geschossen.  Von  den  Kälbern  fängt  man  jedoch 
viele,  und  erzieht  sie  zu  zahmen  Kidien  im  y^/720-Thale.  —  Das  aus  Europa  nach 
]Sord-'\x\n\  Südamerika  verpllanzte  Rindvieh  hat  sich  dort  so  ausserordentlich  ver- 
mehrt, vorzüglich  in  Brasilien ^  Buenos- Ayres  j  Peru  und  Potosi ^  dass  jährlich  eine 
Menge  Häute  von  daher  nach  Europa  gebracJil  werden.  Das  beste  Hurnvieh  ist  da- 
selbst so  wohlfeil,  dass  es  nicht  mehr  als  den  Werth  der  Haut  kostet. 

Der  Auerochs  (urus),  von  dem  das  Rindvieh  stammt,  gehört  in  Europa  jetzt  zu 
den  Seltenheiten ;  nur  in  den  litthauischen  Wildnissen  soll  man  noch  dann  und  wann 
einige  antreffen.  —  Häufiger  ist  der  Biiffel  (liuflelus)  zu  finden,  und  zwar  in  Italien,, 
besonders  'xwApulipUj  Toscana  und  der  Campagna  di  Roma;  dann  in  der  Tiirkey 
luid  in  den  russischen  Gouvernements  Jckaterinoslaw _,  Cherson  und  Taurien ;  auch 

.4* 


io8  II-   Urproductioii.   §.    47.   Rindvieh. 

in  Ungern  j,  Siebetibiirgen  nnd  einigen  andern  Gegenden.  Er  istwild ,  lässt  sich  aber 
leiclit  zähmen ,  hak  sich  in  niorasligen  Gegenden  auf,  und  wird  als  ein  slarkes  Thier 
in  der  Ihuishahung  imgemcin  niitzhch,  soll  eben  so  viel  als  zwey  starke  Pferde  ziehen 
können ,  und  wird  daher  sowohl  vor  dem  Pfluge  als  grossen  Lastwagen  gebraucht.  Die 
sehr  harte  luid  feste  Haut  wird  vorzüglich  zu  Schläuchen,  stajkem  Lederwerk  für  die 
Reiterey  u.  s.  w.  gebraucht. 

Als  nützliches  Lastthier  verdient  liier  noch  genannt  zu  werden,  das  Kamelil  (ca- 
melus) ,  das  nicht  nur  in  Bessarabien  und  Tanrien  _,  sondern  auch  in  der  steppen- 
artigen Gegend,  welche  an  die  Maremna  di  Siena^rÄw/X,  angetroffen  wird.  Die  Zahl 
der  in  der  besagten  Gegend  gehaltenen  Kamehlc  besieht  aus  mehr  als  200  Stück.  Man 
bedient  sich  dersell)cn  als  Lastthicre  zu  den  Grundarbeiten  der  dortigen  Tonaincn, 
und,  jedoch  nicht  häufig,  zum  Transporte  der  Waaren  über  die  Gel)irge;  auch  dienet 
diese  Kamehlfaniilie  den  in  Europa  herumziehenden  Kainehlfuhrern  und  Charlalanen 
zum  allgemeinen  ^lagazin,  woraus  sie  ihre  Kamehle  für  6 — 7  Louisd'or  das  Stück  zu 
kaufen  pflegen,  imi  sie  in  Deutschland  und  Nordeuropa  für  Geld  zu  zeigen. 

o)  Eine  gute  Srhwei-eikuh  gibt  täglich  im  Sommer  10 —  i5  Mass  Milch;  eine  grosse  holstei- 
nische Ruh  in  dem  Marstlilande  i2,  i5  bis  18  Mass  (Rannen),  und  von  den  grossen  ro- 
then  Ruhen  bey  Eyäerslädl  soll  eine  in  derselben  Jahrszeit  deren  2o,  ja  sogar  25  täglich 
geben  ;  hingegen  eine  Ruh  in  den  nördlichen  und  einigen  andern  Ländern  gibt  höchstens 
ein  Paar  Mass.  —  Um  London  und  die  umliegende  Gegend  mit  Milch  zu  versehen,  %verden 
7200  Rühe  in  Middlesc.v  und  i3oo  in  Kenl  un  A  Surrrj-  gehalten.  Sie  sind  ^  on  der  Hohle  ine^s- 
Rage.  Jede  Ruh  gibt  täglirh  im  Durchschnitte  9  Quart  (etwa  11  hanöverische  Quartiers), 
folglich  alle  zusammen  jährlich  28,007  5oo  Quart  Milch.   S.   Götting.  gel.  Anz.  1801.  S.  32 5  ff. 

—  Um  ff^ien  mit  Milch  zu  versorgen,  werden  in  und  um  T-f^ien  i255  Rühe  gehalten,  die, 
das  Stück  täglich  zu  4  Mass  gerechnet,  jährlich  i,832,3oo  IMass  IMilcli  geben.  S.  vaterländ. 
Blält.  für  den  österr.  Raiserstaat.  Nr.  3i.  1808.  S.  202.  Brunn  gibt  die  tägliche  Milthcon- 
sumtion  in  fielen  auf  3öo  Eimer  an.  Diess  macht  jährlich  109,500  Emer  oder  4,38o,ooo  M. 

—  In  der  Schweiz  wird  Milchzucker  (saccharum  lactis)  von  frischer  Milch  mit  Eyern  abge- 
kocht, geschieden  und  krystallisirt ,  sodann  als  ein  Bliltelsalz  zu  Arzene^cn  häufig  ausgeführt. 

b)  Nicht  allein  der  innere  ,  sondern  auch  der  äussere  Handel  mit  Buller  ist  von  grosser  Er- 
heblichkeit. Inner  den  Linien  Helens  z.  B.  wurden  \om  1.  Nov.  i8o2  bis  letzten  Oct.  i8o3 
aus  Böhmen,  Mähren,  Schlesien,  Ungern  u.  s.  w.  eingeführt:  232,575  Pi.  süsse  und  335,5oo 
Pf  gesalzene  Butter,  nebst  6845600  Pf  Rindschmalz.  —  Paris  verzehrte  im  Jahre  1819 
6,333,000  Pfund  Butter.  —  Die  einzige  holländische.  Pro\  inz  Friesland  löste  im  J.  i8o2  , 
nach  Met  elerkamp ,  für  Butter  2,800,000  fl.  Wie  gross  ist  die  Menge  der  Butler,  welche  aus 
andern  niederländischen  Pro\inzen  ,  aus  Holstein,  Oslfrie'sland ,  Oldenburg  und  andern  deut- 
schen Ländern  ,  aus  Irland  und  einigen  andern  europäischen  Ländern  ausgeführt  wird  !  In 
Italien  und  Spanien  fühlt  man  das  Bediirfniss  der  Butter  nicht  sosehr,  wie  in  andern  Ländern, 
wegen  des  häufigen  Gebrauchs  des  Baumöhls  statt  der  Butter. 

c)  Von  den  berühmtesten  Rasen  wird  bey  den  Fabrlcaten  aus  Stoffen  des  Thierreirlis  die 
Rede  seyn. 

d)  Es  wird  nicht  nur  frisch  gegessen,  sondern  auch  eingesalzen  und  geräuchert,  und  mit  den 
letztern  beyden  Arten  von  verschiedenen  Ländern  und  Seestädten  ein  starker  auswärtiger 
Handel  getrieben.  Unter  andern  führt  die  Stadt  Cork  in  Irland,  nebst  28  Mill.  Pf  Butter, 
jährlich  eingesalzenes  und  geräuchertes  Rindfleisch  von  100,000  Ochsen  aus.  S.  Ergänzungs- 
biatt  zur  Allg.  L.  Z.  1818.  Nr.  56.  S.  61.  —  Geräucherte  Ochsenzungen  gingen  im  J.  1790 
aus  St.  Petersburg,  Archangel  und  Riga  53,802  Stück.    —    Die  Bocheser   salzen    das  Fleisch 


II.  Urprodiiclion.  §.  47-  Rindvieh.  log 

<les  von  ihren  Nachbarn  (den  Montenegrinern  und  Herzegovinern)  erkauften  Viehes  ein  ,  ' 
räuchern  es,  und  verführen  es  unter  dem  Nahmen  Caslradina  weit  und  breit.  —  Das  saf- 
tigste und  schmackhafteste  Fleisch  liefert  das  englische  und  ungrisahe  Schlachtvieh.  Das 
Fleisch  des  ungrischen  Ochsen  würde  noch  köstlicher  seyn  ,  wenn  er  auf  dem  Triebe  nach 
Wien,  Mähren  u.  s.  vv.  bosser  gefüttert  würde.  S.  den  Wanderer  vom  22.  Dec.  1820.  — 
Die  Grösse  der  Fieischconsumtron  in  den  Hauptstädten  London,  Paris  und  If-^ic/i  erhellet 
aus  nachstehenden  Angaben  : 

LonJo«  verzehrte  im  J.  1798,  nach  Middlelon,  110,000  Stück  Hornvieh  und  770,000 
St.  Schafvieh;  im  J.  1816:  117,406  Ochsen,  884,324  Schafe  und  Lämmer,  i6,5oo  fette 
Kälber  (ohne  die  Säuglinge) ,  i5,2oo  fette  Schweine.  Man  schlachtet  das  Vieh  jetzl  mehr 
als  nocli  einmal  so  schwer  aus,  als  vor  100  Jahren. 

Paris  consumirte  im  J.   1819:  IVien  verzehrte  im  J.   1810: 

Ochsen 71,000  Stück.    Ochsen üo,23G  Stück. 

Rühe 8,5oo     —        Kühe 3,625     — 

Kälber 85, 000     —         Grosse  Kälber 3o4     — 

Hammeln 339,900     —         Duttenkälber 61,828     — 

Schweine 7,400     —         Schale 80,280     — 

Lämmer 95,291      — 

Grosse  Schweine 29,128     — 

Frischlinge 22,007     — 

Spanferkel 5,69.6     — 

Fleisch 2,3i4    Ctr. 

e)  An  Kopf  und  Füssen.  Man  verfertiget  daraus  Kämme,  Büchsen,  Taschen-Tintenfässer, 
und  andere  kleine  Sachen. 

/)  Man  bereitet  daraus  mancherley  Leder  ,  als  Juften  ,  Pergament  u.  s.  w. 

g)  3Iit  eingesalzenen  Rinderdärmen  (Schindärmen)  werden  seit  einigen  Jahren  in  Wien  nicht 
ganz  unbedeutende  Geschäfte  gemacht.  Sie  werden  nach  Italien  verschickt,  wo  solche  dann 
zur  Fabrication  der  so  beliebten  Salamiwürste ,  zumal  in  f  erona  und  I  enedig ,  benutzt  wer- 
den. S.  Hesperus.   i8i5.  Nr.  45.  S.  Söy. 

/j)  In  England  bereitet  man  aus  dem  ,  von  dem  Mastdarme  der  Ochsen  abgezogenen  Häut- 
chen eine  Art  Pergament  oder  Folien  ,  wozwischen  Gold  und  Silber  zu  dünnen  Blätlchen 
geschlagen  wird. 

i)  Den  meisten  Talg  ,  insonderheit  zu  Lichtern  ,  führt  Russland  aus.  Ln  J.  i8o3  betrug  der 
Werlh  des  exporlirtcn  Talges  über  10,400,000  Rubel. 

k)  Vornehmlich  um  J'iccnza  im  Venetianischen  ;  der  dasige  Ochs  ist  noch  hochstämmiger  und 
leibiger  als  der  iingrische. 

l)  Besonders  in  Holstein,  Oslfriesland ,  Mecklerdnirg  und  Oldenburg ,  so  wie  überhaupt  in  al- 
len Marschländern  an  der  Nordsee;  dann  in  y^iirternberg  ,  Baiern,  'Vjrol ,  Slej-erniark ,  Salz- 
burg und  Osterreich  ob  und  unter  der  Enns.  \ornehmIich  werden  die  Springstiere  undKühe 
aus  Tjrol ,  dem  Ziller-  und  Brixentltale ,  und  aus  dem  Mürzthale  in  Steyermark  weit  und 
breit  verschrieben  ,  um  sie  zur  Zucht  zu  benutzen.  Das  forarlberger  Hornvieh  wird  selbst 
von  den  Schweizern  gesucht,  weil  seine  Vermischung  mit  dem  Schweizervieh  den  dauer- 
haftesten und  nützlichsten  Schlag  hervorbringt. 

m)  Ein  im  J.  1692  in  Lincolnslure  geschlachteter  Ochs  wog  3577  Pf  S.  Jf'agner's  Naturwun- 
der und  Ländermerkwürdigkeiten.  Berlin  1806.  Tbl.  5.  S.  225.  In  Northumberland  hat  man 
einen  Ochsen  bis  zum  Gewicht  von  2632  Pf  gebracht.  S.  Allgem.  geogr.  Ephem.  Bd.  24. 
S.  290.  In  Yorkshire  ist  2000  Pf  das  gewöhnliche  Gewicht  eines  grossen  und  fetten  Och- 
sen. In  London  fahren  Tausende  und  laufen  Tausende  ,  ist  ein  grosser  Oihs  zu  sehen  ,  und 
Mahler  und  Kupferstecher  arbeiten  für  die  Verewigung  des  angestaunten  Thieres. 


HO  II-   L'rproductiou.  §.  48.  Schafe. 

n)  NadiahmungswUrdig  sind  die  dortigen  hellen   und    reinlichen  Rühställe.    Die  Wartung  des 
Viehes  und  die  dabey  übliche  Reinlichkeil  ,    besonders    in    NordhoUand ,  ist    ohne  Gleichen. 
So  bedeckt  man  z.  B.  die  weidenden   Rühe   in   kalten    Frühlings-   und    Herbsttagen   mit  ei- 
ner Decke, 
o)  Im  J.   1802  wurden  aus  Ungern   im   Ganzen    i58,6oo   St.    Ochsen,    Kühe   und   Kälber   für 

5,736,887  fl.  nach  Steyermark,  Osterreich,  Mähren  und  Böhmen  ausgetrieben. 
p)  Was  di'U  Viehliandel  in  Polen  betrifft:   so  wird  in  einem,   in    den    schlesischen    Provinzial- 
blättern  (Aug.  1807)  enthaltenen  Aufsatze  behauptet,  die   Polen  seyen   dabey   nur  die  Zwi- 
schenhändler, das  Vieh  selbst  komme  aus   der    Ukraine,    aus  der  Moldau   und   Tf'^alacker , 
und  bis  vom  Don  her.  S.  Allg.  geogr.  Ephem.  Bd.  24.  S.  36i  ff. 
q)  Russland  nahm  nach   einem  vierjährigen   Durchschnitte   (i8o2 — i8o5)  für  an    das   Ausland 

verkauftes  Rind\ieh  1,231,701  Rubel  ein. 
r)  Aus  der  Schii-'eiz  gehen  jährlich  grosse  Heerden  nach  Frankreich  ,  Italien  und  Deutschland , 

und  von  dem  Schweizer  wird  svicder  deutsches  Hornvieh  gesucht. 
s)  Von  den  j'ül ländischen  Ochsen  ,   die  aber  erst  in  Schleswig    und  Holstein    auf  den    dortigen 
Marschweiden  gemästet  werden,    gehen    jährlich   über   40iOOO  St.  nach  Hamburg,  Lübeck, 
Lüneburg  und  andern  benachbarten  Gegenden  ,  auch  mehrere  nach  Holland. 
l)  Aus  If^'ärlcmberg  allein  gehen,  nach  Abzug  aller   Einführe,  jährlich  für  3  Mill.  fl.   Ochsen, 

Kühe ,  Stiere  und  Kälber  über  die  Gränze. 
m)  Das  Rindvieh  reicht  in  Österreich  nicht  zu ;  es  müssen  noch  Ochsen  aus  fremden  Ländern , 
nahmentlicli  aus  Baiern,  der  Schweiz,  besonders  aber   aus   der   Moldau,    Polen,  Podolien 
und  der  Ukraine  eingetrieben  werden. 

§.   48. 
Schafe. 

Das  Schaf  [capra  ovis),  das  dümmste  und  gedtikligste,  so  wie  das  furclilsamste 
und  hülfloseste  unter  allen  vierfiissigcn  Tliieren,  ist  doch  emes  dei-  nützlichsten,  und 
unseren  Haushallun^^en  durch  alle  Theile  seines  Körpers ,  Milch  und  die  daraus  ver- 
fertigten Käse  ,  Fleisch  rtj  ,  i'alg  und  Gedärme  Z»J,  Fell  cj ,  Knochen  und  Dünger  ^J, 
vorzüglich  alter  durch  seine  fFülle  ej  unenthehilich.  Die  feinste  \VGlle  in  der  Well, 
trafen  die  Schafe  von  Thibet  in  Asien.  Von  den  asiatischen  und  afrikanischen  Scha- 
fen  stammen  die  europäischen  ab.  Unter  diesen  liefern  die  feinste  Wolle  die  spani- 
schen fj,  insonderheit  die  Heerden  von  Segovia_,  Leon  und  Soria.  Nach  der  spani- 
schen ist  die  englische  ^S olle  die  beste,  besonders  die  aus  den  Grafschaften  Glonce- 
ster  j  Lincoln  und  Leicester  ,  zwar  länger  als  jene ,  aber  nicht  so  seidenartig ;  daher 
die  Einfidire  der  spanischen  für  die  feinen  englischen  Tücher  und  Wollenwaaren  sehr 
beträchtlich  ist.  iNäc.hsl  der  spanischen  und  englischen  W^ollc  gehört  die  Wolle  aus 
mehreren  deutschen  Ländern,  nahmentlich  Böhmen  j,  Mähren  gj  j,  Schlesien ^  Bran- 
denburg j  Sachsen  lijj  Sachsen-Weimar j  Sachsen-Gotha_,Jnhalt-VessaUj,  Hulsteinj 
TViirtemberg  und  andern  deutschen  Ländern  zu  der  besten  in  Europa.  Aber  auch  die 
portugiesischen  Schafe,  deren  Wolle  nicht  selten  fiir  spanische  verkauft  wird  ,  so  wie 
die  niederländischen  j  paduaiüschen  und  abruzzischen  ^  inglcichen  die  griechiscJten 
und  macedunischen  geben  eine  feine  Wolle,  und  so  wie  in  England ,  Deutschland ^ 
Frankreich  mul  II allen  ^  trifft  man  auch  in  Ungern,,  Dänemark  ^  Schweden  und 
Russland  Staats-  und  Privalschäfcreyen  mit  acht  spanischen,  ganz  und  halbvercdclten 


II.  Urprodiiction.  §    48.  Sciiafo.  m 

Schafen  an  ij.  Überhaupt  haben  seil  beynahe  einem  Jahrhundert  und  spätoi-  fast  alle 
europäische  Regierungen,  so  wieviele  Gutsbesitzer,  durch  Einführung  j'/^a/u.yc/ie/' 
Widder  ihre  Schäfereyen  zu  veredeln  gesucht  kj;  im  J.  1810  sind  zu  gleichem  Behufo 
gegen  i5,ooo  ächte  Merinos  sogaJ'nach  PhUadelpIna  verpflanzt  worden  IJ.  Durch  die 
vom  Hrn.  Lasteyrie  angestellten  gründlichen  ünlcrsuchiuigen  und  Beobachtungen  ist 
es  fast  zur  mathematischen  Gewissheit  gebracht,  dass  an  allen  Orten,  wohin  man 
spanische  j,  feinwollige  Schafe  gebracht,  sie  gehörig  bohandell ,  und  ilire  Race  rein 
vmd  unvermischt  erhalten  hat,  diese  Race  in  ihrer  ursprünglichen  Schönheil  unver- 
ändert gelilieben  ist,  imd  dass  da,  wo  man  bey  dem  Veredlungsgeschäfte  richtig  zu 
Werke  gegangen  ist,  und  richtige  Grundsätze  befolgt,  d.  i.  wo  man  bis  zur  Erzeugung 
der  vierten  veredehen  Generation  keine  andere  ,  als  acht  spanische  oder  vollkommen 
veredelte  Böcke  ge])raucht  hat,  die  vierte  Generation  vollkommen  veredelt  ist,  und 
sich  bey  anhaltender  Sorgfalt  ihre  Nachkommen  unverändert  erhallen  haben,  und  den 
acht  spanischen  Merinos  in  Ansehiuig  der  Schönheit  und  N  ollkommenhcit  der  W^oilc 
gar  nicht  nachstehen. 

In  Ansehung  der  Stärke  der  Schafzucht  zeichnen  sich  aus  das  brittische  und  russi- 
sche Reich,  in  welchem  letzteren  selbst  gemeine  Tataren  bis  1000,  reichere  bis  00,000 
Schafe  besitzen.  Nächst  diesem  weiden  die  meisten  Schafe  in  Frankreich  j  Deutsch- 
land und  der  Tilrkey j  in  Spanien  j  Oesterreich _,  Preussen  u.  s.  w.  tnj.  Nur  ist  die 
Scliafzucht  in  einigen  Ländern ,  seil  den  letzten  zwey  Jahrzehnten  fi) ,  in  andern  schon 
früher  u) ,  zum  Nachtlieil  der  Rindviehzuclil,  des  xVckerbaues  und  der  Bevölkerung 
vermehret  worden,  während  sie  in  andern  Ländern  vernachlässigt  wird/;).  —  Ebnn 
so  findet  in  Hinsicht  auf  den  \Vollenertrag  q)  und  das  Lammen  /■)  eine  grosse  Ver- 
schiedenheit in  den  einzelnen  Ländern  Stall, 

Zu  den  merkwürdigsten  Varietäten  des  Schafviehes  gcliört  das  isIäntiiscJie  Sciiaf 
mit  4,  6  bis  8  Uörnein,  dass  ostfriesische  Marschschaf  ohne  Hörner;  das  sogenaunte 
Zackclvieh '\i\  Ungern  und  auf  einigen  Inseln  des  Archipclagus,  mit  hingen  gewunde- 
nen Hörnein,  und  einer  groben,  haaiigen  Wolle,  die  lang  und  zottig  herunter  hängt: 
das  Schaf  nnl  dem  6  Zoll  langen  und  4  Zoll  breiten  Fettschweife  im  Sorokergebiete 
in  der  Moldau,  so  wie  das  Schaf  mit  dem  breiten  Fettschwanze,  alsHausthicr  der  Hor- 
den am  schwarzen  vmd  caspischen  Meere;  die  grosse  /io/.j^efni,ycAe  Mai-schraee  mit 
•  kurzen  Schwänzen,  und  die  kleine,  durch  schlechte  Nahrung  verkümmerte  Race,  die 
unter  dem  Nahmen  der  Schnuken  oder  Heidesclinuken ,  haupisäcldich  im  Lilnebur- 
gischen  und  in  den  magern  Sandgegenden  der  Mark  Brandenburg  ijefmdlich  ist. 

Der  Mufflon  (ammon),  der  Stammvater  des  Schafes,  lebt  jetzt  nur  auf  den  Ge- 
birgen der  gemässigten  Zone  der  alten  imd  neuen  Well.  In  Europa  wird  dieses  Thier 
auf  Corsika  j  Sardinien  und  in  Griechenland  angetroffen.  Jung  gefangen  lässt  es  sich 
leicht  zähmen,  und  gewöhnt  sich  sehr  an  die  Menschen. 

a)  Eingesalzenes  Schaffleisch  wird  von   den   Inseln   Färöer ,    Island,    Orlaiej's   und  Irland   in 
grosser  Menge  ausgeführt. 

b)  Man  bereitet  daraus  Saiten. 

c)  Es  wird  entweder  als  ein  Pelz  gebraucht ,  oder  zu  Leder  und  Pergament  bereitet. 

d)  Er  wird  in  Norwegen  auch  als  ein  Heilungsniiltel   gebraucht.    S.    Ponloppidans  Versuch  ei- 
ner natürlichen  Historie  von  Norwegen.  Thl.  2.  S.  24. 


112  11.   ürproducliou.  §.   48.  Schafe. 

(?)  Sie  gibl  nicht  nur  das  Materiale  zu  äusserst  wichtigen  Manufacturzweigon  ab ,  sondern  ist 
auch  für  manches  Land  ein  sehr  bedeutender  Ausfuhrartikel. 

f)  Die  Feinheit  der  spa/if'st'/if/i  Wolle  hallt;! ,  Lasleyrie's  Beobarlitungen  zu  Folge,  lediglich 
und  allein  von  der  Rage,  und  nicht  vom  Rlima  un*  der  Fiilterung  ab.  Die  Qualität  der 
(spanischen)  Wolle  ist  eine  unveränderliche  Eigenschaft  der  Schafrage  ,  ohne  Mitwirkung 
des  Rlima's,  des  Bodens,  der  Nahrung  und  der  Wanderung;  die  Quantität  derselben  aber, 
sowohl  in  der  Dichtigkeit  als  der  T>änge,  hängt  von  dem  guten  oder  schlechten,  reichlichen 
oder  sparsamen  Futter  ab. 

g)  Zur  Verbesserung  der  Schafzucht  bildete  sich  in  der  mährisch-schlesischen  Geselhcha/l  für 
Ackerbau,  Natur- und  Landeskunde  ein  eigener  Verein,  unter  dem  Nahmen  des  Sc/taf- 
züch  ihr-  J^ereiiis. 

h)  In  dem  Königreiche  Sachsen  ist  die  Veredlung  der  Schafe  so  allgemein  verbreitet ,  dass  die 
grobe  Wolle  gänzlich  verschwunden  ist ;  daher  findet  sich  dieser  Staat  in  der  Lage ,  den 
preussischen ,  weslphälischen  und  andern  deulsrhen  Fabricanten  ihre  ordinären  Tuch-  und 
Wollenwaaren  zu  eigenem  Gebrauche  abzukaufen.  S.  H.  Allgem.  Jjit.  Zi'if.  i8i3.  Nr.  18g. 
S.    674  ff. 

i)  Zu  den  vornehmsten  Schäfereyen  der  Art  gehören:  1)  in  England:  die  königl.  Merinoschä- 
ferey  zu  Kew  ;  2)  in  Frankreich  :  die  königl.  Schäferey  zu  Rambouillet  ,  mit  einer  Schule  für 
gemeine  Schäfer;  5)  in  Österreich:  a)  die  Schäferey  auf  der  k.  k.  Familienherrschaft //oZ;7scA 
in  Ungern,  wo  jährlich  2 — 3ooo  ,  theils  höchst  veredelte  Widder  und  IMutterschafe  ,  theils 
acht  spanische  Widder  an  die  Meistbielhcnden  überlassen  werden.  Im  Jahre  1810  wur- 
den viele  Widder  um  den  Preis  von  2  —  7000  fl.  B.  Z.  verkauft;  ein  dreyjähriger  acht  spa- 
nischer Widder  aber  um  die  ungeheure  Summe  von  i6,2oo  fl.  B.  Z.  erstan.len.  S.  Vaterl. 
Blatt,  für  den  österr.  Kaiserstaat.  1810.  Nr.  41  u.  42.  ;  b)  die  Schäferey  auf  der  k.  k.  Fa- 
milienherrschaft Man nersdorf  im  Lande  unter  der  Enns ,  welche  selbst  jener  zu  HoHtsch 
den  Vorzug  streitig  macht ,  obgleich  die  Franzosen  im  J,  1809  i4oo  Merinos  aus  derselben 
entführten.  Diese  schöne  Ileerde  ward  nach  Rambouillet  gebricht.  S.  Allg.  Zeit.  1809.  Nr.  25o. 
Unter  den  österreichischen  Privatschäfereyen  hat  keine  zur  Veredlung  des  inländischen  ,  be- 
sonders des  ungrischen  Scliafviehes ,  so  viel  beygelragen ,  als  die  Sch.tferey  des  Freyherrn 
von  Geisslera  zu  Hoschtitz  in  Mähren.  S.  Inlelligenzbl.  der  neuen  Annalen  der  Literatur  etc. 
1808.  S.  42.  Vergl.  Andres  Zeitschr.  1810.  St.  8.  S.  25o.  Im  westlichen  und  südlichen  Un- 
tern hat  die  Veredlung  der  Schafe  so  zugenommen  ,  dass  mancher  Grosse  des  Reichs  bis 
i5oo  Ctr.  feine  Wolle  gewinnt ;  4)  in  Saclisen  :  die  königl.  Stammschäfereyen  auf  den  Ram- 
mergülern  Ren  nersdorf  und  Slolpen,  Hohenstein  und  Lahme,  am  rechten  Elbeufer  im  meiss- 
nisclien  Itreise.  —  In  England  existirt  auch  eine  Merino-Sociely ,  die  im  J.  i8i2  170  Pf.  St. 
Preise  für  Vervollkommnung  der  spanisch-englischen  Schafrage  ausgegeben  hatte.  Die  Schaf- 
schurfeste sind  in  Grnssljritannien  allgemeine  Mode  geworden. 

k)  Geschichte  der  Einführung  der  feinwolligen  spanischen  Schafe  in  die  verschiedenen  euro- 
päischen Länder  u.  s.  \v.  Von  C.  P.  Laslejrie.  Aus  dem  Franz.  übersetzt  und  mit  Anmer- 
kungen begleitet  von  Friedrich,  Herzog  zu  Schlesn-'ig-Holslein-Beck-.  Leipzig,  1804.  8.  Vergl. 
N.  A.  D.  Bibl.  des  XCIII.   Bandes  St.  1.  S.  193—213. 

1)  Jetzt  ist  die  Ausfuhre  der  Merinos  aufs  strengsta  verbothen,  da  während  der  letzten  zwan- 
zig Jahre  zu  viele  ausgeführt  wurden.  Der  Nähme  Merinos  ^vi^d  daher  geleitet,  weil  unter 
Alphons  XI.  die  spanische  Schafzucht  durch  eine  aus  England  (also  über's  Meer,  daher  me- 
rinas)  gekommene  Zucht  \erbesscrt  wurde.  S.  Leipz.  L.  Z.  1814.  224.  S.  1791.  Vergl.  Er- 
gänzungsbl.   z.  A.   L.  Z.  Nr.  43-   1818.   S.  339. 

m)  Die  Anzahl  der  Schafe  nach  den  verschiedenen  Ländern  und   Staaten  ist ,  und  zwar  in  ; 

Russlaul 60,000,000  Stück. 

Grossbritannien  unJ  Irland 42,000,000     — 


II.   Urjjroductiuu.  5.  40.   Schafe.  Il3 

Das  Lrittische  Reich  hält  demnach  in  Verhältniss  seines  Aroais  mehr 
Schafe  alsRussland  und  irgend  ein  anderer  europäischer  Staat ;  gleich- 
wohl führte  OS  von    i8i8 — 1821  über   106,177  Ctr.  Schafwolle  ein. 

Frankreich    .    .    .    .• 25, 000, 000  Stück. 

Deulsc/dand 20,000,000     — 

Spanien 1 4,000, 000      — 

Worunter  5  Mill.  wandernde  oder  IMerinoschafo  (oi'ejas  tnerinns)  , 
9  Mill.  nicht  wandernde  oder  Slallscliafe  (eslantes). 

Öslerreich i3,3oo,ooo     — 

Davon  auf  die  ungrischen  Erhilinder  8  Millionen. 
Deulschland,  ohne  die  österreichisch- und  preussisch-deutschen  Provinzen    12,437,620     — 

Preussen  ,  nach  Hoffhxann 0,06.5,720     — 

nach  Cannabich  gar  über i5, 000,000     —  (?) 

jSeapel 2,5oo,ooo     — 

Sclw-eden i,254,3oo     — 

Dänemark 1, 200, 000     — 

Holland     ....'. 600,000     — 

Die  Moldau  zählet  über 3, 000, 000     — 

Die  J-f-'ulachey 4i00o,ooo     — 

steuerbarer  Schafe  ;  die  den  Geistlichen  und  den  Armeniern  geboren,  etwa      200,000     — 
sind  Steuerfrey.  Der  arme  Bauer  muss  seine  Schafe  den  Türken   zu  einem    Preise,    den    der 
Fürst,   um  sich  denselben  gefällig  zu  machen,  sehr   niedrig    ansetzt,  verkaufen.    Ungeachtet 
des  grossen  Schafstandes  in  der  Moldau  und  ff^alachej- ,  überwintert    der  grösste    Theil   des 
siebenbürgischen  Schafviches  auf  den  ungeheuren  ,    grasreichen   Ebenen    dieser    Lander.    Ein 
eigener  grossherrlicher  Ferman  von  1786  in  BetrefT  der  österreichischen  Schafhirten   in    der 
Moldau  setzt  die  Freyheiten  ,  Begünstigungen  und  Abgaben  derselben  fest.    S.  des  Freyherrn 
('.   Ilormajr  Archiv  a.  a.  O.  28 — 2g.   1811.  S.   i22. 
n)  Wie  z.  B.  in    Ungern,    Irland   und   Hechschollland.    In   dem    erstem  Lande   verdrängt  das 
Schaf  den  Ochsen  (einige  einzelne  Güterbesitzer  haben   200,000    St.  Schafe,  worunter  10 — 
3o,ooo  St.  veredelte) ;  in  den  beyden  letztern    zwingt  das  neue  Weidesystem  den  Landbauer 
zum  Auswandern.  S.  Götting.  gel.  Anz.   1807.  St.   i5.  S.   J47.  Vergl.  §.  45. 
o)  Wie  r.  B.  in  Spanien,  ^vo  ,  nach  Bourgoin^ ,  die  Vermehrung  der  Schafe  und  das  Wandern 
eines  grossen  Theils  derselben  ,  nur  den  Verfall  des  Ackerbaues  und  die   Eiit\ölkerung    des 
Landes  befördern. 
p)   Wie  z.  B.  in  der  Schweiz,  in  Baiern,  a\.i[  SiciUen. 

9)  Ein  englisches  Schaf  von  der  grossen  Art  gibt  jährlich  5  —  8,  ja  bis  9  Pfund  Wolle;  unter 
den  thüringischen  und  grossen  hols'.einischen  Schafen  ein  Widder  gewöhnlich  6  —  7  Pfund, 
ein  Mutterschaf  4  —  5  Pf.;  hingegen  ein  Widder  unter  den  Heidesrhnucken  nicht  leicht  über 
2  ,  und  ein  Mutterschaf  über  i-)-  Pfund  Wolle. 
r)  Die  Mutterschafe  der  s,Tossiin flandrischen  Ra^e  werfen  jährlich  2—3  Lämmer;  die  Mutter- 
schafe auf  dem  Marschlande  um  Hamburg  jährlich  2,3,  auch  4  Lämmer;  von  der  Schäfe- 
rey  des  Hrn.  Ellniann  (eines  berühmten  Landwirths  in  England),  die  am  16.  July  1801  aus 
621  Mutlerschafen  bestand,  halten  600  St.  bis  zum  i3.  Juny  i8o2  816  Lämmer,  worunter 
also  2i6  Paar  Zwillinge  waren.  S.  Götting.  gel.  Anz.  1806.  St.  175.  S.  1737;  dagegen  wer- 
den die  Mutterschafe  ami  Sardinien  aus  Mangel  an  Pflege  nur  alle  zwey  Jahre  einmal  trächtig. 

i5 


Il4  II.   ürproduction.   i.  4g-  Ziegeu. 

§•  49- 

Ziegen. 

Die  gemeine  oder  Hausziege  (capra  hircus)  ist  kein  so  gemcinniiiziges  Thier,  wie 
das  Schaf,  wird  aber  doch,  vornehmhch  in  hergigen  Gegenden,  mit  Vorlheil  gezogen  a), 
luid  entweder  den  Kuh-  und  Schaflicerden  zugescüt,  oder  in  eigenen  Hecrdeu  gehaUen. 
Am  stärksten  ist  die  Ziegenzucht  in  Spanien  j  Italien  ^  der  Schweiz ^  Siebenbürgen. 
und  der  Türkej  j  in  ISorwegen  _,  Schweden  und  Russland.  —  Die  angorische  j  ge- 
meinighch  Kärnetziege _,  in  der  Gegend  von  ^//^o/'rt  in  Kleinasien  einheimisch,  em- 
piielik  sich  vorziighch  durcli  ihr  weisses,  seidenartiges,  weiches  Haar,  welches  ein 
feines  und  starkes  Gespinnsl  gibt.  ^Vegcn  dieser  irclFlichen  Eigenschaft  hat  man  diese 
Ziegenart  in  einigen  Gegenden  von  Englands  Frankreich^  Deutscliland  wwdi  Schwe- 
den mit  gutem  Erfolge  eingeführt.  —  Im  J.  1818  hat  die  französische  Regierung  auch 
eine  Colonic  von  Kascheniirziegen  mit  dem  zarten  Flaume  aus  Asien  kommen,  und 
in  Perpignan  mid  Saint- Qnen  hey  Paris  veriheilen  lassen,  um  den  Stoff  zu  den  kost- 
baren Shawls  im  Lande  selbst  zu  gewinnen  b).  —  Der  Steinbock  (capra  ibex)  wird 
nur  mehr  in  SavojeUj  Piemont  und  der  Schweiz  j  auf  fast  unzugänglichen  Gebirgen, 
aber  immer  seltener,  angetroffen,  da,  nach  Versicherung  der  Alpenjäger,  mehrere 
Gegenden  der  hohen  Alpen,  die  ehemals  schöne  Weiden  waren ,  jetzt  unter  Schnee 
und  Eis  erstarret  liegen,  und  man  jälirlich  mehrere.  Von  Schneelawinen  und  her- 
abstürzenden Felscnstücken  erschlagene  Steinböcke  finde.  Um  der  gänzlichen  Ausrot- 
tung dieser  seltenen  Thiere  vorzubeugen,  ist  im  J.  1821  die  Steinbocksjagd  in  dem 
ganzen  Umfange  der  königl.  sardinischen  Staaten  verbothen  worden.  —  Häufiger  sind 
die  auf  den  Jlpeii  ^  Pj  i'enäen  und  KarpaÜien,  zwischen  fast  unzugänglichen  Klip- 
pen, wohnenden  Gemsen  (antilope  rupicapra) ,  nicht  nur  wegen  des  Fleisches,  son- 
dern auch  der  schönen  Häute,  die  ein  vortreffliches  Leder  geben,  sehr  geschätzt;  doch 
vermindern  sich  auch  diese  Thiere ,  vornehmlich  in  der  Schweiz  j  für  deren  Bewoh- 
ner die  gelährvolle  Geniscnjagd  ein  Erwerbszweig  ist  c) ,  gar  sehr.  Statt  dass  sie  sonst 
in  Heerden  von  20 — 60  Stück  lebten,  sieht  man  sie  jetzt  nur  in  kleinen  Gesellschaften 
von  5— 10  Siück. 

a)  Da  ilire  Milch  und  iln-  Fleisch,  Haar  und  Fell  vielen  Nutzen  gewähren,  das  letztere  in- 
sonderheit zu  Corduan  ,  Saffian  und  Pergament  verarbeitet  wird.  In  Spanien,  wo  Ziegen- 
heerden  zu  Tausenden  gehalten  werden  ,  gebraucht  man  ihre  Milch  statt  der  Ruhmilch  , 
und  in  der  Sciuveiz ,  so  wie  in  Italien  j  Norwegen  ,  Schweden  und  liiissland ,  wird  aus  Zie- 
genmilch, zum  Theil  mit  anderer  vermischt  ,  Kiisc  bereitet.  Aus  Norwegen  und  Rmsland 
werden  jährlich  eine  grosse  Menge  Ziegen-  und  Bocksfelle  ausgeführt ;  aus  Bergen  allein  70 
bis  80,000  rohe  ,  und  einige  Tausend  bereitete. 

b)  S.  Österr.  Beob.  1821.  Nov.  237.  S.  1091  ff. 

c)  Der  berühmte,  aber  verunglückte  Gemsenjäger,  Darid  Zwikki ,  hat  bis  in  sein  57.  Lebens- 
jahr i3oo  Gemsen  erlegt,  und  sich  durch  die  Jagd  ein  Vermögen  ^■on  mehr  als  6000  fl. 
erworben.  S.  Allg.  geogr.  Ephem.  Bd.  22.  S.  364.  Über  die  Gemsenjagd  in  der  Schweiz,  von 
Ffr.  Sleinniüller ,  im  2.  Bande  der  Schrift:  Alpina. 


II.  Urproduction.   §.   5o.   Schweine.  »l5 

§.  5o. 

Schweine. 

J)afi  Ildussc/nvein  (siis  scrofa),  fast  über  die  ganze  Erde  verbreitet,  gibt  unter  al- 
len Yieharleii  das  grösste  Product  an  Nahrungsmittebi  für  den  Mensclicn  a).  In  Euro- 
pa ist  die  Schweinezucht  am  erhel)hchsten  ^in  Servien ,  Bosnien,  Ungern  und  Slavo- 
nien  b) ,  England  und  Irland _,  Frankreich  imd  Spanien  jVorzu'^Vich.  in  den  Gegen- 
den der  Pyrenäen,  in  Riisslandj  Dänemark  \\\\A  Deutschland ,  besonders  in  ^öA- 
men j,  Mähren j  Stejermark j  Baiern ^  Westphalen ,  Pommern,  Holstein,  Ostfries- 
land, Oldenburg  und  Mecklenburg ,  überhaupt  in  denjenigen  Landern ,  wo  entweder 
giUe  Eiehen-  und  Buchenniast,  oder  starke  Btanutweinbrenncrcyen  und  Brauereyen 
sie  begünstigen.  Meister  in  der  Schweinemästung,  so  wie  in  der  Ochsenmästung,  sind 
die  Engländer.  Man  wird  weniger  darüber  erstaunen,  dass  ein  englischer  fetter  Ochs 
über  3.5oo  Pf-  (s-  §•  47.  Note  m),  als  dass  ein  englisches  Mastschwein  im  Leben  1260, 
geschlachtet  und  aufgehauen,  1086  Pf.  wog  c).  Die  nächsten  Rivalen  der  Engländer 
in  der  Kunst,  Schweine  fetl  zu  maclien ,  sind  die  Ungern  und  Deutschen ,  besonders 
die  fFestplialen  und  Mecklenburger ,  deren  Schweine  nicht  sehen  ein  Gewicht  von 
4 — 5oo  Pfund  haben.  —  Von  vorzüglich  schmackliafiem  Fleische  sind  A\e  spanischen 
Schweine,  die  nicht  nur  zur  Eichelmast  in  die  Wälder  getrieben,  sondern  auch  mit 
Kastanien  gemästet  werden.  —  Mit  Pbckelßeisch  und  Schinken  treiben  einen  erheb- 
Hchen  Handel  Irland ,  Frankreich  j  nahmentlich  Bayonne ,  dann  Dänemark  und 
Deutschland ,  wo  TVestphalen ,  Pommern,  Hamburg ,  Braunschweig  und  Göttin- 
gen die  Haiiptprovinzen  und  Orte  des  Räucherns  sind,  wo  man,  ausser  demEigenthüm- 
lichen  \\ev  Mctliode,  zugleich  besondere  Anlagen  der  altern  Häuser  ausdrücklich  darauf 
eingerichtet  findet.  Besonders  berühmt  sind  A\c  westpJiälisclien  Scliinken  ,  die  braun- 
schweigischen  Wiirste  und  die  göttingi sehen  Wettwiirste ,  welche  letztere  Frie- 
drich n.  leidenschaftlich  lieljte.  —  Der  grössie  Speckmarkt ,  vielleicht  in  ganz  Euro- 
pa ,  wird  zu  Debreczin  in  Ungern ,  gleich  nach  dem  neuen  Jahre  gehallen.  —  Mit 
Schweineborsten  wird  der  grösste  Theil  Europa's  aus  Rusdand  versehen.  Im  J.  i8ü5 
betrug  die  Ausführe  dieses  Artikels  an  Werth  737,424  Rubel.  Durch  sehr  feine,  wei- 
che ,  krause  luid  seidenartige  Borsten  zeichnen  sich  die  spaiüsehen  Schweine  aus. 
—  Dass  die  chinesischen  Schweine  vorzüglich  nützlich  seyen,  beweiset  die  Allgemein- 
heit, in  der  sie  in  England  gehalten  werden,  und  nun  schon  manche  dü/iische , 
deutsche  und  scJiweizerische  Eifahrvmg. 

aj  Das  Weibchen  wirft  nicht  selten  zweymal  im  Jahre,  und  wohl  bis  2o  Junge  auf  einmal. 
Eine  Sau  \on  der  bekannten  kleinen  chinesischen  Ra^e  hat  einem  englischen  Landwirthc  von 
der  ersten  Woche  im  März  bis  zur  ersten  Woche  im  Dec.  i8o2  52  Pf.  St.  3  Seh.  5  Pen. 
eingebracht,  und  was  noch  auffallender  ist,  die  zvvey  in  dieser  kurzen  Zeit  \on  der  Sau  ge- 
fallenen Zuchten  halten  ein  Gewicht  von  118  Stein  5  Pf.  ,  oder  1657  Pf,  den  Stein  zu 
14  Pf.  gerechnet.  S.  Götting.  gel.  Anz.  1806.  St.  175.  S.  1739. 
.'')  Aus  Ser-ciens  und  Bosniens  grossen  Eichelwäldern  werden  in  manchem  Jahre  wohl  auch 
200,000  Schweine  (Mongulilza  mit  krausen  Haaren)  über  den  Saufluss  auf  den  fruchtbaren 
ivukurutzacker  iS/acortie«.s  herübergeschwemmt.  Diese  kraushaarigen  Schweine  veranlassen . 
in  Gesellschaft  der  glatthaarigen  ungrischcn ,  jenen   statistisch  wichtigen  Siuihanilel ,    der   aus 


Il6  II.  UrproäucÜoii.  §.  5i.   Rennt hicre.   ^.   52.  Hunde. 

Posega  über  Canisa  ,  durch  den  5öA-07yer  Wald  ,  und  aus  57-rmi>n  über  Essek  ,  an' dem  rech- 
ten Ufer  der  Donau,  über  Raab  und  Ödenburg ,  den  eigentlichen  Stapelplatz  des  nieder- 
ungrisclien  Schweinverkehrs ,  nach  ff-^ien  und  Österreich,  und  durch  die  österreichischen 
Sauhändler  auch  noch  weiter  getrieben  wird  ,  ohne  jene  Heerden  in  Anschlag  zu  bringen 
die  aus  Ungern  nach  Auspitz  in  Mähren  sich  wälzen.  Im  J.  i8o2  wurden  2^8,415  St.,  ge- 
schätzt auf  1,723,224  fl. )  in's  Ausland  getrieben.  S.  <>.  Srhiuarlner  a.  a.  O.  S.  227  ff. 
c)  Üb<'r  die  Aus\vahl  und  Veredlung  der  vorzüglichsten  Hausthiere  ,  aus  dem  Englischen  in's 
Deutsche  übersetzt  von  Franz  Daun.  Berlin  ,    1804.  Vergl.  N.  A.  D.  Bibl.  Bd.  CH.  S.  82. 

§.  5i. 

Rennt    lii    ere. 

Das  Renntliier  oder  Renar  (cervtis  larandu.s)  ist  das  einzige  Haiistliicr  der  Be- 
wohner des  äusserslen  Nordens,  nahnienllich  der  Lappen  in  Norwegen  nj ,  Schwe- 
den und  Rnssland,  so  wie  der  Sumojede?i_,  OstjUkeiij  Tungusen  und  anderer  russi- 
schen Völkerschaften.  Es  Ijedarf  unter  allen  zahmen  Thieren  der  wenigsten  Wartung, 
luid  gewährt  den  mannigfaltigsten  Nutzen.  Es  versorget  sich  seihst,  indem  es  im  Win- 
ter sein  Moos  luiter  dem  Schnee  hervorscharrl,  und  zugleich  seinen  Herrn,  dessen 
Acker  und  Wiese,  Pferd  inid  Kidi  es  ist.  Das  Fleisch,  Fett  und  Blut,  nehst  der  fei- 
len und  wohlschmeckenden  Milch,  woraus  ein  guter  Käse  liercitol  wird,  dienet  den 
besagten  \ölkerst;hal'ten  zur  Nahrung,  alle  übrigen  Theilc  des  Körpers  zur  Kleidung, 
zum  Haus-  vmd  Arbeitsgcrälhe.  Im  ^Vinter  wird  es  in  den  Schlitten  gespannt ,  und 
läuft  vogelschnell.  Soli  eine  Lappenfamilie  in  einem  gewissen  ^Vohlstande  leben,  so 
sind  dazu  wenigstens  3oo  llennthiere  erforderlich.  Mancher  Nomade  besitzt  Heerden 
von  1000 — 5ooo,  auch  bis  lo  und  mehrere  tausend. 

fl)  Vor  wenigen  Jahren  sind  von  ISorwegen  aus  Rennlliiere  nach  Island  versetzt  worden  ,  wo 
sie  sich  in  einigen  Gegenden  so  sehr  vermehrt  haben,  dass  man  Heerden  von  mehreren  Hun- 
derten antrifft.  Sie  werden  zu  den  jagdbaren  Thieren  gerechnet,  und  sind  nicht,  wie  bey 
den  Lapplandern  ,  Hausthiere. 

§•    02. 
Hunde. 

Der  Hund  (canis  faniiliaris) ,  dieser  treue  Gefährte  des  Menschen,  ist  längst  mit 
ihm  über  alle  fünf  Erdlheile  verbreitet ,  und  cmpliehlt  sich  besonders  durch  die  aus- 
nehmende Schärfe  seiner  Sinne  a) ,  verbmiden  mit  seiner  grossen  vielartigen  Gelehrig- 
keit, aber  auch  durch  mancherley  andere  Brauchbarkeit.  Er  dienet  nicht  nur  zur  Jagd, 
zur  Bewachung  der  Häuser  und  der  Viehheerden  und  zur  Bezwingung  anderer  Thicre, 
sondern  auch  zum  Ziehen  imd  Tragen  b) ,  zur  Aufsuchung  der  unter  dem  Schnee 
verunglückten  Wanderer  c) ,  zur  Reilung  der  in's  ^Vasser  Gefallenen  d) ,  zin-  Aufsjni- 
rung  der  Schafdiebe  e)  ,  und  in  Grönland  und  Australien  ist  er  sogar  Schlachtvieh. 
Aber  die  Hunde,  zumal  die  entbelwliclien  ^  schaden  auch  auf  sehr  viele  Weise ,  so- 
wohl der  Moralitäl,  als  der  Gesundheit  und  denrLeben  der  Menschen,  und  entziehen 
den  Dürftigen  das  Brot,  ein  besonders  indem  Falle  zu  beherzigender  Umstand,  wenn 
Hungersnoth  einer  Provinz  droht.  Wirklich  ist  die  Anzahl  der  Hunde  hier  und  da, 
besonders  in  Hauptstädten,  viel  zu  grossy).   Zu  den  in  Europa  bekanntesten  Racen 


II.  üiproductiou.  §.  53.  Jagdtliicre  etc.  iij 

geliörcn:  der  Mops,,  der  ßiälenOeisser  (Engl,  the  buU-dog) ,  der  Metzgerhiindj  der 
grosse  und  der  kleine  dünische  Hund  (der  letztere  auch  wegen  seines  gelleckleu  Fells 
Harlekin  genannt),  der  ungrische  Schäferhund ^  der  Haushund,,  der  Jagdhund  g), 
der  Pudel  j  das  f Findspiel ^  das  ßologneserhiindchen  ^  der  Dachshund  j  der  Spitz 
oder  Poinmer. 

a)  Die  Fähigkeilen  des  Hundes,  Metalle  und  andere  Gegenstände  zu  entdecken,  \o\)  Korhlin  ; 
im  3.  Hefte  des  3.  Bandes  des  Bulletins  von  Hermbslädl. 

b)  Wie  in  den  Niederlanden  ,  in  Frankreich  und  Bussland. 

c)  Wie  auf  dem  grossen  St.  Bernhardsberge  in  derSchweiz  (s.  §.  i2.Nole  c).  Dieser  Gebrauch, 
den  die  Schweizer  \on  dem  Hunde  machen,  ist  unstreitig  edler,  als  derjenige  es  war,  den 
einst  die  Spanier  \  on  demselben  gegen  die  Wilden  in  Amerika  machten.  S.  Funke's  Naturge- 
schichte und  Technologie.   4.  Aufl.  S.  74.   Vergl.  Polit.  Journ.    1811.  Febr.  S.  n2  fl'. 

d)  Wie  z.  B.  in  Paris. 

e)  Wie  in  Nord-Hamptonshire  in  England,  wo  eine  eigene  Gesellschaft  existirl  ,  die  Schweiss 
hunde  abriciiten  lässt ,  um  Schafdiebe  aufzuspüren.  S.  Gölling.  gel.  Anz.  1806.  St.  75.8.741. 

/)  In  friert  zählet  man  an  3o,ooo  Hunde.  S.  Götting.  gel.  Anz.  1811.  St.  127.  S.  1260.  Als 
herrenlos  wurden  daselbst  im  J.  1810  3o8o  erschlagen.  S.  Vaterl.  Blatt,  a.  a.  O.  i8ii.  11. 
S.  67.  —  In  Lissabon  sollen  gar  80,000  lierrenlose  Hunde  herumlaufen.  S.  I'enlurinis  Ge- 
schichte unserer  Zeit.  Jahrg.  180g.  Bd.  1.  S.  81.  —  Grosse  Liebhaberey  der  Franzosen  für 
Hunde,  die  Frauenzimmer,  wen'n  sie'ausgehen ,  an  einem  seidenen  Bande  führen,  Mäu 
ner  aber  zur  grossen  Beschwerde  der  Mitfahrenden,   l)ey  sich  auf  dem  Wagen  haben. 

g)  In  England  gibt  man  für  gute  Jagdliunde  i5o — 2oo  Pf.  St.  und  darüber.  Die  Stalle  für  die 
Jagdhunde  des  Herzogs  von  Bichinond  kosteten  iCj,ooo  PI.  Sterl.  S.  Götting.  gel.  \nz.  1807 
St.  i3g.  S.  137g. 

S-  53. 

J  a  g  d  l  h  i  e  r  e  ,   und  T  h  i  e  r  e  ,   deren  Bälge   \  o  r  /.  ü  g  1  i  c  h   genutzt    weiden. 

Unter  den  Thieren,  deren  Bälge  vorziiglicli  genutzt  werden,  geljcn  der  iurcht- 
same  f/ase  (Icpus  tiinidiis)  a)  und  das  frucliihare  Kaninchen  (lepus  cunicidiis)  Z»)  das 
Materialc  zu  niancherley  Zeugen,  hauptsächlich  aber  zu  Hiiten  ah:  auch  sind  sie  we- 
isen ihres  Fleisches  nützlich.  —  Das  angorische  Kaninchen  oder  der  Seidenhase  j 
der  sich  besonders  durch  seine  seidenartigen  Haare  auszeichnet,  whd  in  England 
schon  häufig  gezogen ;  auch  in  Deutschland  c)  und  Ungern  d)  hat  man  mit  der  Zucht 
desselben  angefangen.  —  Das  in  ganz  Europa  befindlicue  Eicldiöruchen  (sciuiiis  vul- 
garis) liefen  ein  gutes  Pelzwerk.  Die  nordischen  weiden  iiu  Winter  grau,  und  gel>en 
das  sehr  liekannte  Grnuwerk  (petit-gris).  In  Russlatid  sind  sie  ungemein  häufig.  Die 
schwarzen  und  silberfarbigen  werden  am  meisten  geschätzt.  —  Noch  köstlichere  Pelz- 
thiere  sind  der  Baum-  und  Hnusmarder  (inuslela  uiartes  et  foina)  e)  und  der  Iltis 
(muslelaputorins),  das  grosse  JViesel  oder  das  Hermelin  (mustela  erniinea)  y") ,  der  Zo- 
Äe/(mustelazibellina)  g),  der  Fischotter  (]iilra\n\t^aris  h)  und  der  BiOe/'  (castor  iibei) /), 
die  aber  ihrer  Schädlichkeit  wegen  furtdaucrnd  überall  vcrl'olget  werden 5  daher  denn 
Europa  im  Ganzen  jMangcl  daran  hat,  und  oligleich  Paissland  deren  noch  eine  Menge. 
besitzt,  so  wird  doch  viel  und  kostbares  Pelzwerk  aus  Amerika  und  Asien  eingeführt. 
—  Weniger  geschätzt  sind  die  Felle  des  sehr  fruchtbaren  und  schädlicben  Hamsters 
oder  Kontferkels  (nius  cricetus)  k) ,  des  durch  seine  Kunstfertigkeit  und  Geselligkeit 


ii8  II.   Urproduction.  §.  53.  Jagdthiere  etc. 

bekannicn  Miirinelthiers  (mus  marmota)  l),  und  des  den  Wiesen  und  Gärten  schädli- 
clicn  Maulwurfs  (lalpa  europaea)  m). 

^'ou  den  grossen  reissigen  Tlnereiij  deren  Bälge  und  Felle  zum  Tlieil  treflliclies 
Pelzwerk  geben,  sind  in  Europa  vorhanden:  der  heisshungrige  PFolf  (cAn'is  lupus)  ii), 
der  schlaue  Fuchs  (canis  vulpes)  o) ,  der  blutgierige ,  ligerarlige  Luchs  (felis  lynx)  p), 
die  tigerarlige  Katze  (catus...)  ^),der  brummende  Äir  (ursus  arctos) /■) ,  der  A7e/- 
fruss  (ursus  gulo)  s")  und  der  in  Höhlen  lebende  Dachs  (ursus  taxus)  t),  die  aber  im- 
mer mehr  und  mehr  vertilget  werden.  In  Grossbritannien  und  Irland  ist  der  WoU' 
oänzlich  ausgerottet  u) ,  und  in  Sardinien  gibt  es  weder  Wölfe,  noch  andere  reis- 
sende Tliiere  w)-. 

Von  essbarem  vicrfüssigem  Wilde ,  das  zum  Theil  noch  auf  eine  andere  Art  nütz- 
lich ist,  kommen  in  Europa,  ausserdem  schon  erwähnten  Hasen  vor:  der  Hirscli  (cer- 
\  US  elaphus)  .rj  ,  der  Damhirsch  (cervus  dama)  j^),  das  jReA  (cervus  capreolus)  ,  das 
Elentliier  (cervus  alce.s)  z)  und  das  TVildscIiwein  (aper),  die  aber  nirgends  so  geliägl 
werden,  dass  sie  den  Feld-  und  Gai-tenfrüchien  beträchiliclien  Schaden  zufügen  könn- 
ten. Überhaupt  wird  in  Europa  das  Gebieth  und  die  Anzahl  der  wilden  Thicre ,  wegen 
der  zuneluncndcn  Cullur  des  Bodens,  immer  mehr  verminder  l,  folglich  auch  die  Jagd 
verhältnissmässig  immer  mehr  eingeschränkt.  Indessen  beschäftigt  diese  Lebensart  hier 
und  da  noch  immer  viele  Menschen ,  und  mehrere  Staaten  verdanken  ihr  einen  nicht 
unbedeutenden  Theil  ihres  jährlichen  Einkommens,  insonderheit  das  ausgedehnte, 
mitgro.sscn  Waldungen  und  Einöden,  zumal  in  seinem  asiatischen  Antheile,  verse- 
hene Russland _,  wo  es  noch  ganze  Völkerschaften  gibt,  die  aus  der  Jagd  ein  Haupt- 
geschäft machen,  imd  ihre  Abgäben  mit  lauter  Pelzwerk  entrichten,  ohne  die  Scharen 
von  Verl)rechern  in  Anschlag  zu  bringen,  die  der  Jagd  gezwungen  sich  widmen.  Man 
schätzt  den  ganzen  Wcrlh  aller  in  einem  Jahr  aufgebrachten  Thierfclle  auf  5  Mill.  Ru- 
bel. Was  die  Jagd  der  Pclzthiere  beiiifft:  so  vermeidet  man  gern  das  Feuergewehr, 
und  bedient  sich  lieber  der  gelegicn  Fallen,  worunter  die  meisten  ungemein  sinn- 
reich sind. 

d)  In  den  nördlichen  und  Alpengegcnden  befindet  sich  eine  besondere  Spielart,  der  eigent- 
lich sogenannte  Berghase  (lepus  variabilis)  ,  mit  breiten  und  tief  gespaltenen  Hinterpfoten  , 
die  ihm  bey  seinen  Wanderungen  in  den  beschneyten  Alpert  sehr  zu  Statten  kommen.  In 
manchen  Gegenden,  wie  z.  B.  in  Grönland ,  ist  er  Jahr  aus  Jahr  ein,  in  andern  aber,  wie 
in  der  Schweiz,  nur  im  Winter  weiss,  in  welche  Farbe  er  vom  October  an  übergeht.  Die 
Sommerfarbe  ist  aschgrau  ,  nach  dem  Kopf  und  Rücken  zu  olivenbrauii.  Die  Haare  kann  der 
llutniacher  nicht  so  gut,  als  ^  oni  gemeinen  Hasen  brauchen;  von  diesem  wird  besonders 
der  Balg  des  böhmischen  und  t/uuingischen  Hasen,  wegen  der  Feinheit  seiner  Haare,  geschätzt. 

b)  Die  Raninclienzuchl  in's  Grosse  getrieben,  soll  in  England  über  3oo  Procent  abwerfen. 
S.  Götting.  gel.  Anz.  i8o2.  St.  44-  S.  434-  Von  den  dortigen  Ilutmachern  werden  Kanin- 
chenhaare jährlich  an  Worlh  vOn  25o,ooo  Pf  St.  verarbeitet. 

c)  INahmcnllich  In  Franken ,  Schwaben  und  Th'üringtii. 

ri)  Unter  andern  zählte  man  zu  Tolna  im  J.  i8oo  einige  Hundert  dieser  Träger  seidenartiger 
Haare. 

e)  Der  l5alg  d^s  Baummarders  ist  schätzbarer  als  der  vom  Haus-  oder  Steinmarder.  Sein  schö- 
nes Fell  kommt  dem  Zobel  am  nächsten. 

J")  Die  weisse  Farbe  der  norwegischen  Hernxelihe  isi  daiierhafiev ,  als  der  russischen. 


II.  ürproiluction.  §.  53.  Jagdlliiete   elc.  Ilg 

g)  Ehe  die  Seeotler  in  Europa,  besonders  aber  bey  den  Chinesen  bekannt  wurde,  hatte  der 
Zobel  unter  allen  Thieren  ,  die  ihrer  Felle  wegen  gesucht  werden  ,  den  höchsten  und  all- 
gemeinsten Werth ,  jetzt  nicht  so  häufig  mehr,  ungeachtet  er  sich  zugleich  auch  sehr  ver- 
mindert hat.  Die  schönsten  kommen  aus  Jakutzk ,  Udinsli  und  Nerlscliinsh ,  die  grösstcn  aus 
Kamtschatka.  Den  höchsten  Werth  gibt  diesem  Pelzwerke  seine  Scln^ärze  und  das  lange 
dicke  Haar.  Die  grössten  Liebhaber  desselben  sind  die  Chinesen,  Perser  und  Türken. 

h)  Es  gibt  Fluss- ,  Sumpf-  und  See-  oder  Meerottern;  der  letztern  Felle  sind  kostbarer,  als 
die  der  erstem;  sie  sind  weich,  schwarzglänzend  und  silbergrau,  kommen  aus  Kamiacliat- 
ka ,  den  Inseln  des  östlichen  Oceans  ,  besonders  den  Aleutea  ,  und  von  der  JNordwestkiisle 
von  Amerika,  und  sind  für  die  Chinesen  das  kostbarste  aller  Pelz^verke.  Die  besten  der 
kaffehbraunen  Flussotterf'elle  kommen  aus  Nordamerika ,  und  werden  wegen  ihres  grossen 
Glanzes  Spiegelotlern  genannt. 

i)  Der  Biber  ist  nicht  nur  durch  sein  Fell  und  seine  Haare,  sondern  auch  durch  das  Canloreum 
oder  Bibergeil,  ein  ätherisches  OhI ,  welches  in  vier  Säckchen,  die  hinter  den  Geschlechts- 
theilen  ,  nach  dem  Alter  zu  liegen,  abgesondert  wird,  ungemein  schälzbar;  auch  ist  er  ein 
beriihmrer  Baumeister.  Am  häufigsten  sind  die  Biber  in  Nordamerika  ,  besonders  im  Innern 
von  Canada  und  in  Sibirien,  da  sie  nur  in  grossen  Wildnissen  und  wenig  bewohnten  Län- 
dern ein  geselliges  Leben  fuhren  ;  in  Europa  sind  sie  selten  und  gewöiinlich  nur  einzeln 
nur  in  Preussen  und  Galizien  ,  so  wie  in  den  hier  und  da  befindlichen  Biberteichen  leben  sie 
in  grösserer  Anzahl.  Aus  Nordamerika  kommt  jährlich  eine  grosse  Menge  von  Biberfellen 
nach  England.  Im  Jahre  1763  wurden  von  der  Iludsonsbay-Compagnie  in  London  in  einer 
einzigen  Versteigerung  541670  Biberfelle  verkauft.  Auch  nach  Russland  ist  die  Einführe  ca- 
nadischer  BihcvMlc  von  Bedeutung.  In  den  Jahren  1790,  1794  und  1796  erhielt  es  deren 
55,726  St.  ,  ob  es  gleich  selbst  jährlich  einige  hundert  Biberfelle  und  einige  Pud  Bibergi>il 
(i7g3  iir  Pud  für  i4:8io  Rubel)  ausführt.  Die  Haare  des  Bibers  werden  zu  Hüten  ,^  Zeu- 
gen ,  Handschuhen  und  Strümpfen  gebraucht. 

Ar)  Hin  und  wieder  in  Deutschland ,  Ungern,  Polen  und  Russland.  Er  lebt  vorzüglich  \on  Erb- 
sen ,  Gerste,  Hafer,  Weitzen  ,  Roggen,  Leinknoten  u.  s.  w.  ,  wovon  er  grossen  V^orralh 
in  den  Backentaschen  zu  seiner  unterirdischen,  wohl  7  Fuss  tiefen  Rammer  schleppt.  Auch 
die  grüne  Saat  zehret  er  ab.  Man  berechne  daraus  den  Schaden ,  wenn  in  einem  kleinen 
Bezirke  um  Gotha  herum  zuweilen  in  Einem  Herbste  3o,ooo  Hamster  von  eigens  dazu  be- 
stellten Hamstergräbern  sind  ausgegraben  und  getödtet  worden.  In  Ungern,  wo  sich  dieser 
Rorndieb  ebenfalls  so  sehr  vermehrt ,  dass  man  oft  auf  einem  einzigen  Quadratschuh  neun 
Hamsterlöcher  zählet,  werden  sie  theils  durch  eigens  dazu  abgerichtete  Hunde,  thells  durch 
das  Austränken  vertilget. 

/)  Es  findet  sich  in  den  Hochgebirgen  der  Schweiz  ^  Saooyens ,  Steyermarks  ,  Kävnlheni  ,  Salz- 
burgs, auf  den  Rarpathen  in  Ungern  u.  s.  w.  Mit  dem  Unterrichte  dieser  possierlichen  Thie- 
re  geben  sich  besonders  die  armen  Sacoj'arden  ab,  und  ziehen  dann,  \vie  die  Bärenführer  , 
mit  denselben  umher. 

m)  Fast  in  allen  Ländern  Europa's.  Ein  aninial  subterraneum  ,  wozu  ihm  besonders  die  Schau- 
felpfoten zu  Statten  kommen. 

n)  Selten  in  der  Schiueiz ,  in  Italien  und  Deutschland;  häufiger  in  Siebenbürgen  und  Ungern  (in 
deren  Wäldern  und  Rohrgebüschen  Hunderte  von  denselben  jährlich  erlegt  werden)  ,  so 
wie  in  Frankreich  ,  wo  die  Anstalt  der  königl.  f^ol/sjagd  (louveterie)  besteht ,  die  zum  Zwe- 
cke hat,  durch  eigene  kön.  Wolfsjäger,  den  Landmann  gegen  diese  Verwüster  der  Heer- 
den  zu  schützen;  am  zahlreichsten  in  Galizien,  Polen,  Russland,  ScliH'eden  und  Nonvegen. 
In  den  Jahren  i8i2  ,  i8i3  u.  1814  wurden  allein  in  Galizien  4953  Wölfe,  nel)sl  40  Bären, 
bloss  von  Unterthauen  erlegt ,  die  dafür  Prämien  erhielten.  Sie  geben  einen,  guten,  dauer- 
haften ,  warmen  Pelz  ,  die  sogenannte  IVihhchur. 


!o  Tl.  UriModuciiou.   §.  54-  Hühiierarlige  ,  zaliine  und  wilde  Vögel. 

o)  Ausser  den  lotlicn  oder  gemeinen  Füchsen,  gibt  es  auch  weisse,  graublaue  und  schwarze; 
die  letztern  mit  glänzendem  Haare  und  silberfarbiger  Schwanzspitze ,  in  Sibirien ,  auf  den 
Meuleti  und  au(  Labrador ,  sind  die  seltensten  und  theuersten  ;  ihr  Fell  ist  noch  kostbarer, 
als  das  Zobel-  und  Seeotterfell ;  wenn  ihre  Haare  gleichsam  silberweissc  Spitzen  haben , 
werden  sie  Silberfüchse  genannt;  auch  diejenigen,  welche  auf  dem  Rücken  mit  einem  Kreu- 
ze gezeichnet  sind,  die  sogenannten  Äreuz/ä(,'A.se,  haben  einen  grossen  Werlli,  und  kom- 
men nur  aus  den  nördlichsten  Ländern.  In  Russland  gilt  ein  schöner  schwarzer  Fuchsbalg 
5o —  loo,  auch  wohl  2,3,  400  Rubel  und  darüber.  Die  völlig  schwarzen  müssen  alle  der 
Krone  geliefert  werden.  Ein  schönes  Fell  eines  labradorischen  Silberfuchses  ist  wohl  eher 
In  London  mit  5oo  Thlr.  und  darüber  bezahlt  worden.  —  Nach  England  werden  Füchse 
aus  Frankreich  ,  der  Jagd  wegen   geholt ,  und  auf  der  Südseite  ausgesetzt. 

j,")  In  den  dichten  und  grossen  Waldungen  der  nördlichen  Länder,  so  wie  in  den  hohen  Al- 
penwäldern und  Felsenklüften  der  Schu-eizer  Hochgebirge,  und  in  den  Alpenwäldern  von 
der  sogenannten  I4^and  längs  der  Alpengränze  zwischen  Österreich  und  Slejermark  bis  Aus- 
see hinauf;   doch  auch  nicht  seilen  im  Neapolitanischen. 

q)  Im  Königreiche  lYar^arra ;  sie  sind  i5  Zoll  hoch  und  5o  lang  und  die  grösste  Plage  der 
Schafheerdcn. 

;)  Der  gemeine  Bär  findet  sich  vorzüglich  in  Russland,  Polen,  Galizien,  Ost-  und  IVeslpreus- 
ien  _,  Schweden  und  Norwegen  ;  allein  er  verträgt  auch  das  inlldere  Klima  Europa's,  wo  man 
ihn  hin  und  wieder,  z.  B.  in  Ungern,  Siebenbürgen,  der  Moldau,  so  wie  in  den  Pyrenäen, 
in  den  Hochgebirgen  der  Schweiz,  Savoyens ,  Steyerniarks ,  Salzburgs  u.  s.  w.  findet.  Der 
Eisbär  (ursus  maritimus)  lebt  in  den  Gegenden  des  Polarzirkels  ,  an  den  Rüsten  des  Eis- 
meeres, auf  JVon^a  Semlja  und  den  übrigen  Inseln  des  Eismeeres  bis  zum  Jenisei.  Die  Bä- 
renhaut wird  zu  Decken  ,  Matratzen  ,  Muffen  ,  Mützen  u.  s.  w.  gebraucht.  Die  Polen  richten 
die  Bären  zum  Tanze  und  zu  anderen  Kunstfertigkeiten  ab  ,  und  verdienen  sich  Geld  damit. 

s)  Vorzüglich  im  asiatischen  Russland  ,  in  Lappland  ,  Schireden  und  Norwegen.  Sein  schwar- 
zes ,  mit  braunen  und  gelblichen  Flammen  untermischtes  Fell  hat  weiches  Haar  und  glänzt 
■wie  Damast.  Es  \vlrd  zu  Muffen  ,  Mützen  und  Bebrämungen  gebraucht. 

t)  Sein  Balg  ist  so  dicht,  dass  kein  Regen  durchdringt,  und  dienet  daher  sehr  gut  zum  Be- 
schlagen der  Reisekoffer ,  zu  Ranzen  ,  Jagertaschen  n.  s.  w. 

u)  In  England  hat  sich  schon  seit  2oo  Jahren  kein  Wolf  mehr  sehen  lassen,  von  dessen  Ge- 
schlecht der  letzte  in  Irland  im  J.  1710  erschossen  worden  ist. 

iv)  S.  Allg.  geogr.  Ephem.  Bd.  27.  S.  24g  ff. 

x)  Der  Hirsch  und  das  Reh  sind  in  den  meisten  europäischen  Ländern,  jedoch  in  einigen  häu- 
figer als  in  andern  ,   in  einigen  selten  und  in  andern  gar  nicht  vorhanden. 
r)  Der  Dam-  oder  Tannhirsch  ist  nicht  so  ausgebreitet  wie  der  Hirsch.  £«g/a«(i  hägt  die  meisten. 
z)  In  Schweden ,  Norwegen,  Russland,  Polen  und  Preiissen  ,  aber  selten. 

2)       Vögel, 
a)      Ij     a     n     d     v     ö     g     e    1. 

aa)    Hühnerartige,    zahme    und    wilde. 

Die  Fogel  sind  nicht  nur  für  die  Haushaltung  der  Natur  im  Grossen  ungemein  wich- 
tige Geschöpfe,  sondern  nutzen  aucli  dem  Menschen  mit  ihrem  Fleisch  und  Fett,  mit 
ihren  Eyern,  Federn  und  Federspulen,  ohgleich  von  ihnen  verhällnissmässig  weniger 
Producle  in  den  grossen  Handel  kommen,  als  von  den  Säugclhicreu.  Vorzüglich  wich- 


II.  UrproJuctiou.  §.  54.   Hühucrartige  ,  zalimc  und  wilde   Vogel.  i2l 

lig  lind  nützlich  in  ökonomischer  Riicksiclit  sind  unlor  den  Land\'bg''ln  _,  di(3  hilhnev- 
artigen  (gallinae)^  die  das  meiste  Hausgeflügel  geben,  mit  dem  die  .Meierhölc  d;r 
Reichen,  und  Haus  und  Hof  der  Bauern  l)e\'ölkcrt  sind.  Unter  denselljcn  zeichnen  sich 
vornehmlich  aus:  i)  der  Ifaiis/ialin  (phasianus  gallus)  und  das  HiiJiti  (gallina),  wel- 
ches lelztei'e  bey  der  Menge  der  Eyer^  die  es  legt,  imd  seinem  oftmaligen  Brüten  eines 
der  allernutzbarsten  Thiere  der  ganzen  Classe  ist.  Beyde  sind  fast  idier  die  ganze  Erde 
verbreitet;  doch  sind  sie  erst  durch  Europäer,  nahmcntlich  kS)t7rt«ie/"j  nach  Amei-ika 
verpflanzt  worden.  Verschnittene  Hühner  nennet  man  Poularden  ;  verschnittene  Hiili- 
nc  hingegen  werden  Kapaunen  genannt.  Wegen  ihrer  seltenen  Güte  und  Grösse 
sind  hier  einer  nahmentlichen  Auszeichnung  werlh  ilic  mit  ^laisinehl  gcnüistelen,  7 — g 
Pfund  schweren  i-^e/emc/ic/z  Kapaunen  aus  dem  Sulmthale  ^  die  zu  Tausenden  nach 
TVien  _,  Böhmen  j  in  die  Rlieingegenden  und  nach /^<^///e/z  verschickt  werden.  Streit- 
bare oder  Kainpfhäline  werden  in  England  von  eigenen  Wärtern  gezogen.  —  2)  Der 
Truthahn  oder  Kalekuter^wülscfie  Ha}in_,  Indianer j  yomVciUev  Midi  aelisAuch  Con- 
sistori ahogel  •^enannl  (mclcagris  gallopavo),  aus  Neuspanien  nach  Europa  vepflanzt, 
wird  jetzt  in  mehreren  Ländern^  dieses  Erdlhcils,  vornehmlich  in  Spanie?i_,  Fi'ankreichj 
Italien j  Ungern j  Slai'o?den _,  Cr'oatien _,  in  den  k.  k.  Militärgränzldndern  a) ,  in 
Dalmatien  und  Deutschland,  als  Meiergcflügel  in  grosser  Menge  gehallen.  In  Steyer- 
mark  erreicht  er  bisweilen  ein  Gewicht  von  18 — 20  Pf-  —  5)  Di«  fruchtbare  Haus- 
taube (cohunba  oenas) ,  die  in  einem  Jahre  g — 10  Mal  brütet,  so  dass  man  von  einem 
einzigen  Paare  binnen  4  Jahren  14,762  Tauben  ziehen  kann.  In  keinem  Lande  werden 
sie  in  so  unverhältnissmässiger  Menge  gehalten,  als  in  England _,  wo  allein  in  der  klei- 
nen Sladt  Tuxford  an  einem  einzigen  Markttage  700  Dutzend  verkauft  worden  Ä).  — 
4)  Der  Fasan  (phasianus  colchicus),  so  benannt  von  dem  Flusse  Phasis  in  Mingrelieu 
(in  Asien,  welches  sein  eigentliches  Vaterland  ist),  von  da  ihn  die  Argonauten  nach 
Europa  gebracht  hal)en  sollen.  Sie  w  erden  in  eigentlich  dazu  angelegten  Gärten  oder 
Gehägen ,  Fasanerien  genannt,  gezogen.  Man  findet  aber  in  vci'schiedenen  Ländern 
Europa's,  z.B.  in  Böhmen  _,\\o  sie  ül)erliaupt  zaliireich  und  sehr  schmackhaft  sind , 
auch  wilde  Fasanen.  —  Zu  den  übrigen  Aviklen  nutzbaren,  in  Europa  vorhandenen 
Vögeln  dieser  Oidnung  gehören :  5)  der  yJuerhahn  (tetrao  urogallus),  in  der  Schweiz,, 
in  Ungern  j  vornehndich  aber  im  nördlichen  Europa  ;  6)  das  Birkhuhn  (tetrao  tetris)  , 
vorzüglich  in  England ,,  Schottland  j,  Schweden  ^  Norwegen  ^  Russland  und  der 
Scliweiz;  7)  das  HaselhuJin  (tetrao  bonasia),  am  zahlreichsten  in  Norwegen  j  Schwe- 
den j  Lappland  \xnd  Russland;  ausserdem  in  der  Scliweiz  und  in  anderen  Gegenden 
Europa's;  8)  das  Schneehuhn  (tetrao  lagopus),  hauptsächlich  in  den  nördlichen  und 
Alpengegendcn  unsers  Erdthcils ;  in  Stockholm  verkauft  man  sie  zu  Tausenden  auf 
dem  Markte  imd  versendet  sie  in  Fässern;  g)  das  Reb-  oder  Feldhuhn  (tetrao  perdix), 
in -gemässigten  Ländern,  z.  B.  in  Deutschland  und  Frankreich  _,  sehr  häufig;  10)  die 
JFachtel  (tetrao  coturni.v),  ein  Zugvogel,  der  sich  hin  und  wiedei-,  z.B.  inder  Bay  von 
Coron  in  Morea  ,  und  auf  der  Insel  Caprian  der  neapolitanischen  Küste  in  ungeheurer 
Monge  sehen  lässt.  Das  Haunloinkommen  des  Bischofs  dieser  Insel  besteht  in  Wach- 
telfang; endlich  11)  der  Trappe  (olis  tarda)  dem  flachen  Lande  angehörig.  In  Slavo- 
iiien  und   Ungern j  besonders  in  Jazygiens  und   Camaniens  YXienew ,  findet  er  sich, 

i6 


IJJ  II.   Urpraduction.   §.  55.  Sangvögcl.  ^.  56.   Raubvügel. 

vornehmlich  zur  Erntezeit,  in  vollen  Heerden  ein.  Anhalt- Käthen  ^  auf  dessen  Fel- 
dern mau  die  Trappen  cbenfoUs  in  grosser  Anzahl  llndet,  treibt  einen  nicht  unbe- 
trächtlichen Handel  damit.  Ihr  Fleisch  wird  als  Delicatesse  gegessen,  wenn  es  nicht  zu 
alt  ist.  Die  alten  bekommen  ein  Gewicht  von  40  Pf.  Ihi"  Fleisch  schmeckt  dann ,  wenn 
Cb  vorher  etwa  8  Tage  im  Weinlager  gebcit  zt  worden  ist ,  wie  Rehfleisch. 

<z)  Jn  den  k.  k.  Mililärgränzländern  ist  der  Trulhahn    überall   der   eigentliche   Gränzvogel.    Er 
wird  in  diesen  Provinzen  zu  Hunderttausenden  gezählt ,  und  weidet    in    ansehnlichen  Heer- 
den unter  besondern  Hütern.  Auch  in  Shifouien   ist   es   nichts  Seltenes ,    in   einem   einzigen 
Bauernhause  oft  100 — 2oo  Stück  Indianer  anzutreffen. 
b)  S.  Güituig.  gel.  Anz.  1806.  St.  -jb.  S.  741  ff. 

§.  55. 
bb)     Sangvögel. 

Unter  den  sogenannten  Sangi'ögeln  (passeres) ,  die  sich  durch  ein  zartes  und 
scluuackhaftes  Fleisch  auszeichnen,  sind  die  vorzüglichsten:  1^  die  Lerche  (alauda). 
l)er  Fang  derselben  macht  im  Kirchenstaate  und  in  Deutschland  j,  nahmentlich  im 
Anhalt-Köthensc/ten  j  um  Halle  j  Leipzig  j  Merseburg  und.  Gerbrun  (liey  Wiirzburg) 
einen  einträglichen  Zweig  der  Jagd  aus;  2)  der  Krammets^ogel  (lurdus  pilaris)  im 
nördlichen  Europa  ,  streicht  aber  in's  südliche.  Die  römischen  Kranimelsvögel ,  so  wie 
die  Slavoniens  und  von  Kaivaria  in  Galizien  sind  Leckerbissen;  3)  der  OitolaUj 
Kornjink  j  diii  Fettammer  (cmberiza  horlnlana)  in  den  wärmeren  Gcj^end'ui  von  Euro- 
pa, besonders  häufig  in  Gärten  und  Weinbergen;  4)  die  Beccajige  (niolacilla  iicedula) 
ebenfalls  im  wärmeren  Europa. 

Der  Canarienvogel  (fringiüa  canaria)  ist  zu  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  aus  den 
canarischen  Inseln  nach  Europa  gebracht  worden.  Die  Zucht  dieser  beliel)ten  Thier- 
chcn  wird  in  mehreren  Gegenden  Deutschtands  als  ein  Gewerbe  getrieben.  Vorzüg- 
lich gibt  man  sich  in  Tji'olj  im  ZillertJiale  j,  in  Schwaben  und  Franken  damit  .ib  , 
vmd  versendet  jährlich  eine  grosse  Menge  durch  eigene  Träger  nach  England  ^  Russ- 
land mid  in  die  Türkey.  Für  Nilrnberg  allein  rechnete  man  noch  in  den  neuesten 
Zeiten  eine  jährliche  Erzeviguug  und  Versendung  von  8000  Stück. 

Einen  noch  grösseren  Beytrag  zum  Genuss  der  edleren  Freuden  des  Menschen 
gibt,  wegen  ihres  unübertroffenen  Gesanges,  ^\& Nachtigall  (motacilla  luscinia);  daher 
der  obrigkeitliche  Schutz,  den  man  ihrem  Leben  luid  ihrer  Freyheit  in  vielen  Län- 
dern Europa's  angcdeihen  lässl.  In  Holland  z.  B.  wird  der  llaid)  einer  Nachtigall  oder 
die  Zerstörung  ihrer  Brut  mit  100  fl-  bestraft,  und  in  Bremen  ist  auf  die  Haltung  ei- 
ner Nachtigall  eiuLouisd'or  gesetzt  worden,  mn  dem  häufigen  Wegfangen  dieser  Sang- 
vögel entgegen  zu  arbeiten,  und  dieselben  wohlwollend  zu  begünstigen. 

S-  56. 
cc)     Raubvögel. 

Von  den  Bauln'ögeln  (accipiircs)  sind  hier  einer  nahmentlichen  Erwähnung 
werlh:  1)  der  Länimergejer  j  Bartgeyer  j,  Goldgeyer  (vultur  barbatus),  in   den  AI- 


II.  Urnroduction.  §.  67.  ScIiwimmTögel.  123 

penländern ,  insonderheit  in  der  Schweiz,,  in  Tyro/ ,  Stejermark ^  im  Jjandc  ob  der 
Enns  und  anderen  Alpengegenden,  der  grösste  ein-opäisclie  Vogel ,  dessen  ausgchrei- 
tete  Flügel  bey  lo  Fnss  breit  sind.  Er  stiehlt  Ziegen,  Lämmer,  Kälber  und  wohl 
auch  Kinder ;  2)  der  Fischadler  (falco  albicilla)  in  Nordeuropa ;  3)  der  Seeadler 
(Beinbrecher  j  falco  ossifragus)  in  Deutschland  an  Seeküsten,  thcils  auf  dem  flachen 
Lande;  4)  der  gemeine,  sogenannte  Steinadler  {^ä\co  aquila)  in  den  gemässigten  Ge- 
genden von  Europa ;  5)  der  Edelfalke  (falco  gcntilis)  im  nördlichen  Europa ,  vor- 
nehndich  auf  Island j  wo  es  auch  weisse  Falken  gibt,  die  ganz  besonders  geschätzt 
werden.  Von  Kopenhagen  aus  geht  jährlich  ein  Schiff  dahin  ,  um  Falken  zu  hohlen. 
Der  Edelfalke  wird  aber  auch  in  den  gemässigten  vmd  südlichen  Europa  angetroffen. 
Aus  der  Moldau  müssen  jährlich  24  Siück  Falken  an  die  osmanische  Pforte  geliefert 
werden. 

Der  Strnuss  (struthio  camelus),  der  grÖsste  unter  allen  bisher  bekannten  Vögeln, 
8  Fnss  hoch  und  darüber ,  ist  zwar  ein  ausländischer  Voge^,,  und  ausser  Afrika  nur 
in  Arabien  zvL  Hause;  allein  mit  seinen  Schwanz- und  Flügelfedern,  die  man  von  dort- 
her über  England j  Holland  ,  Frankreicli  und  Italien  erhält,  wird  in  Europa  weit 
und  breit  ein  nicht  geringer  Handel  getrieben.  Der  Hauplplatz  für  diesen  Handel  ist 
Livorno.  Die  besten  dieser  Federn  sind  eine  halbe  Elle  lang,  und  zieren  die  Turbans 
der  Türken ,  die  Frauenzimmerhüte  u.  s.  w. 

b)      W     asservögel. 

aa)    Schwimmvögel. 

Unter  den  Schwimmvögeln  (anseres)  sind  statistisch  wichtig:  1)  der  Eidervogel 
oder  die  Eiderga?is  (anas  molissima),  an  den  Küsten ,  Inseln  und  Klippen  der  nörd- 
lichen europäischen  Gewässer,  insonderheit  Schottlands ^  der  arkadischen  und  Fä- 
roerinseln  j  Islands _,  Noi^v e g ens  wnd  Russlands  j  am  häufigsten  um  Kola  j  längs  dem 
Gestade  des  Meeres,  auf  A'ofrt  Semlja  und  Spitzberge/i.  Sein  Fleisch  und  seine  Eyer 
sind  sehr  schmackhaft;  noch  wichtiger  aber  ist  sein  Fell,  womit  man  Kleider  füttert, 
und  die  weichen  leichten  Flaumfedern ,  die  unter  dem  Nahmen  der  Eiderdunen  be- 
kannt, und  in  ganz  Europa  eine  belieble  Waare  sind.  Mit  Lebensgefahr  lassen  sich 
die  Sammler  an  Stricken  herab  ,  um  die  an  steilen  Felsen  sitzenden,  mit  Eiderdunen 
ausgefütterten  Nester  zu  plündern;  2)  die  Hausgans  oder  zahme  Qans  (Ans.s  anser), 
vorzüglich  zahlreich  in  Ungern  aj  „  Polen  j  Russland  bj  ^  Preussen  und  Deutsch- 
land^ nahmenllich  in  Oesterreich  unter  der  Enns  c)„  Mähren  j,  Pommern  d)  und 
Meckleidnirg  ej  ;  dagegen  sehr  geringe  Gänsezucht  im  südlichen  Europa,  insonder- 
heit in  Spanien  fj  j  wo  man  keine  Gänsefedern  zu  den  Betten  braucht;  3)  der  Schwan 
(anas  cygnus),  dessen  Federn  kostbarer  als  die  Gänsefedern  sind.  Aus  Polen  j  Lit- 
thauen und  Preussen  konnnen  viele  Ctr.  auf  die  Messen;  auch  bereitet  man  die  Haut 
mit  den  Flaumenfedern  wie  Pelzwerk  zu,  und  benutzt  sie  unter  andern  zu  den  Puder- 
quasten ;  4)  die  Ente  (anas  boschas) ,  fast  in  jedem  Bauern-  und  Meierhofe  befindlich. 
Wilde  Enten  in  unzähliger  Menge,  unter  andern  in  den  Gewässern  und  Sümpfen  JJii- 

16  *^ 


124  II-   ürproJucUun.   §.   53.   Snmpf\ogel. 

gerns  und  Slawoniens.  In  lelzlereni  Lande  werden  fast  alle  Jahre  eine  Million  mittelst 
Netzen  gefangen.  Man  pflegt  ganze  Fässer  voll  einzusalzen ,  und  alsdann  zu  einem  län- 
geren Gebrauche  zu  räuchern;  5)  die  Seemöve  (larus  marinus),  von  der  Grösse  einer 
mittelmässigen  Gans ,  deren  Eyer  in  Holland  auf  einer  Sandinsel  (Eycrland)  zwi- 
schen dem  Texei  und  Vilet  in  grosser  Menge  gesammelt  werden ,  welche  Einsanun- 
lung  jährlich  fiir  20,ooo  H.  verpachtet  wird.  Eben  so  sind  die  kleinen  flachen  Inseln 
(Vär)  in  Finnmarken  in  der  Nähe  yon  Risöe  gegen  iVort/ca/J  durcli  die  Eyer  der  unge- 
heuren Menge  von  Seevögeln,  die  dort  brüten,  einträglich,  so,  dass  eine  yde^ge-f^är 
(Eycr-Yär)  mit  zu  den  Vorzügen  einer  Besitzung  gerechnet  wird. 

a)  Der  grösste  Theil  der  Gänsefedern  ,  mit  welchen  die  Prager  Juden  einen  so  beträchtlichen 
Handel  treiben  ,  kommt  aus  Ungern.  Die  Ausführe  an  Bettfedern  betrug  im  J.  i8o2  358, Ö8i 
Pfund  ,  und  an  Flaumfedern  445  Pfund. 

6)  Russland  führte  im  J.  i8o3  Eiderdunen  und  Gänsefedern  für  137,681  Rubel  aus. 

c)  Besonders  zu  Eipeldau  (Leopoldau).  Wenn  die  daselbst  äusserst  zahlreichen  Gänse  gerupft 
werden:  so  verlinstern  die  herumfliegenden  Flaumen  schneeähnlich  die  Luft. 

d)  Es  ist  nicht  nur  durch  seinen  Rciclithuni  an  Gänsen,  sondern  auch  durch  Mästung  dieser 
Vögel  berühmt.  Eine  pommer'sche  Gans  wiegt  nicht  selten  18 — 2o  Pfund,  .ohne  Blut  und 
Federn.  Die  Brust  da\on  wird  gemeiniglich  geräuchert,  und  unter  dem  Nahmen  Speckgänse 
versendet. 

e)  Die  meisten  und  besten  Posen  oder  Federspulen  kommen  aus  Mecklenburg,  Pommern  ,  Preus- 
sen  und  Polen. 

f)  Nach  Dillon  sollen  die  Sp.inler  einen  religiösen  Abscheu  vor  d.'n  Gänsen  haben  ,  weil  die 
ihnen  so  verhassten  Juden  so  viele  Gänse  ässen  ,  wodurch  sie  eine  so  schmutzige  Haut  und 
einen  widrigen  Geruch  erhielten.  S.  Neueste  Länder-  und  Völkerkunde;  von  Ehrmann. 
Weimar,   1Ö06.   Bd.   1.  S.  240. 

§.  58. 

bb)      Sumpfvögel. 

Von  den  Sumpf\'ügeln  (grallae)  sind  benierkenswerth:  1)  die  Schnepfe  (scolo- 
pax) ,  davon  an  5o  Gattungen  in  Europa  gezählet  werden.  Das  Eingeweide  mit  dein 
Kolh  hält  man  bekanntlich  für  einen  Leckerbissen ;  2)  das  IFasserJmlin  (fuhca) ,  des- 
sen Fleisch  gegessen  wird,  nachdem  man  ihm  vor  der  Zubereitung  die  Haut  abgezogen 
hat.  Es  hält  sich  auf  Teichen  auf;  3)  der  Kiebitz  (tringa  vanellus)  ,  ausserordentlich  häu- 
fi,"  in  Holland  j  wo  dessen  Eyer  als  eine  Leckerspeise  für  die  wohlhabende  Classe  die- 
nen, und  davon  die  zuerst  gefundenen  mit  1  bis  5  Ducaten  das  Stück  Ijezahlct  werden. 

Übrigens  ist  die  Consumiiou  an  verschiedenem  Geflügel  verhäknissmässig  am 
stärksten  in  "rossen  Städten;  daher  denn  auch  die  Federviehzucht  in  den  Umgebungen 
der  Hauptstädte  emsig  betrieben  wird.  Nach  London  z.  B.  w  erden  Gänse  zu  2 — 3ooo, 
ja  bis  QOOO  auf  einmal  in  Heerden  getrieben.  Nach  frien  kommen  aus  Ungarn  jähr- 
lich über  i5o  drey  bis  vierspännige,  jnit  Hausgeflügel  jeder  Art  beladene  Wagen,  und 
aus  Steyermark  6 — 10,000  Kapaunen,  ohne  die  vielen  Gänse,  Enten  und  Hidiner  in 
Anschlag  zubringen,  die  das  Dod  Leopoldau  und  andere  benachbarte  Dörfer  dalün 
liefern.  Im  J.  i8o3  veizehrtcn  die  vier  Stadtviertel  JFiens  allein,  ohne  die  33  Vor- 
städte: 371,523  jnnge  und  33,622  alte  Hühner,  7g,5g8  Kapaunen,  49,018  Poularden, 
95,463   Gänse,  37,g6o  Enten  u.  s.  w. ;  dann  20,906,780  Eyer.  In   Paris  werden  jähr- 


II.  Urproduction.   ^.  5g.  Amphibien.  ^.  6o.   Fischerey.  itä 

lieh  559,000  wülscLe  Hahne,  200,000  Poularden  und  Kapaunen  ,  2,3oo,ooo  junge  IIüli- 
ner,  g3o,ooo  Tauigen,  i34,ooo  Reldmhner  und  74,000,000  Eyer  verzelirt.  —  Ber- 
lin erhielt  unler  Friedrich  11.  aus  Sachsen  jährlicli  fiu-  12,000  Thlr.  Eyer.  —  Nacli 
Stockholm  ginj^en  aus  Norland j  wo  die  Vogeljagd  so  wichtig  ist,  im  J.  1762:  36,072 
Auerhähne,  88,525  Birkliühncr  ,  1 7g,g43  Haselhühner,  g8g8  Schneehühner  und  27,20g 
Krammeisvögel. 

§•  5g. 

3)        Amphibien. 

Die  Benutzung  <\.cv  j4mphibieti  fiir's  Menschengeschlecht  ist  ziendich  geringe  ahcr 
für  manche  Gegenden  dennoch  nicht  unheträchllich.  Besonders  wicluig  ist  das  Ge- 
schlecht der  Schildkröten  (lesludo) ,  deren  die  meisten  mit  einer  knochigen  sehr  fe- 
sten Schale  bedeckt  sind,  deren  Oberllicil  mit  dem  Rückgratli  und  den  Hin^jen  des 
Thieres  verwachsen,  und  mit  den  breiten  hornälinlichen  Schuppen  (Padden)  belct 
ist,  die  das  eigentliche  ScJiddpad  geben,  das  in  den  Handel  kommt,  und  zu  feinen 
Kunstsaclicn  verarbeitet  wird.  Ausserdem  nützen  die  Schildkröten  durch  ihre  Eyer 
und  ihr  Fleisch,  welches  besonders  für  Seefahrende  eine  gesunde  und  erquickende 
Speise  ist.  Von  den  bekannten  Gattungen  des  ganzen  Geschlechts  sind  hier  folgende 
bcmcrkenswerth :  1)  die  gemeine  Flussschildkröte  (testudo  orbicidaris),  die  im  mil- 
dern Europa  angeiroffen  wird,  in  einigen  Landern,  wie  z,  B.  in  Ungern  \u\A  Slavo- 
nienj  wird  sie  in  ausgemauerten  oder  mit  Holz  ausgefütterten  Gruben  gehägtj  2)  die 
Schuppen-  oder  Karetschildkröte  (test.  imbricata) ,  die  in  beyden  Indien  zu  Hause 
ist,  und  das  beste  Schildpad  gibtj  3)  die  Riesen-  oder  grüne  Schildkröte  (Mydas, 
test.  mydas),  im  ^Vcltmeere  zwischen  den  beyden  Wendezirkeln,  bisweilen  wird  sie 
aber  auch  an  die  europäischen  Küsteji  verschlagen.  Sie  ist  die  grösste  unter  allen  er- 
reicht eine  Länge  von  8 — g  Fuss,  und  halt  zuweilen  über  8  Ctr.  an  Gewicht. 

Von  dem  Gcschicchte  der  Scldiingen  (serpenles)  werden  die  in  Itidien  j  vor- 
nehmlich im  Kirchenstaate  in  grosser  Älenge  vorkonunenden  Flpern  (vipera  berus) 
häufig  zu  den  Viperneuren  gehascht  und  zu  Theriak  gebraucht. 

4)     Fische. 
§.   60. 
F     i     s     c     h     e     r     e     y. 
Man   theilt  sie   m  Land-  und  Seefischerey.  Jene   wird  in  süssem  Wasser,  theüs 
wild j  in   Seen  und  Flüssen,  theüs  zahm ^  in  künstlich  angelegten  Teichen  getrieben; 
diese  im  Meere.  Die   Seefischerey  zerfällt  wieder  in  die  grosse  und  kleine  oder  Kü- 
stenfischer ey.  Die  grosse  Fischerey,    welche  nur  in  gewissen  Gegenden   des  Äleeres 
weit  vom  Hause  in  ganzen  Flotten  getrieben  wird,  ist  auch  nur  auf  bestimmte  Gattun- 
gen von  Fischen  gerichtet,  nähndich  auf  Häringe^  Kaheljnne  und  f Fallfische.  Unter 
dem  WaMschfang  wird  zugleich  der  Seehundsfang  oder  Robbenschlag  mit  begriffen. 
Besondere  Arten  der  Fischerey  beziehen  sich  auf  die  Austern j  die  Musclieln  ,  worim- 
ter  insonderheit  die  Perleninuscheln  von   grosser  Erheblichkeit  sind  ,   und  endlich 
die  Korallen. 


SSS  II.  Urproduction.  §.  6i.  Knorpelfische. 

Die  Landfischerey  ist  für  manchen  europäischen  Staat  von  grosser  Wichtigkeit; 
iingleLch  erlicbhcher  und  einträglicher  aber  ist  die  Seefischerey ,  insonderheit  die 
grosse  Fischerey,  da  sie  niclit  nur  eine  grössere  Quantität  von  Nahrungsmitlehi  in  den 
Handel  bringt ,  und  an  sich  schon  eine  grössere  Menschenzahl  beschäftigt ,  sondern 
auch  Nahrungsquelle  für  Millionen  ist,  die  nie  ein  Netz  berührten  aj ,  und  dadurch 
den  Nationalwohlstand  in  einem  weit  höhern  Grade  befördert,  als  die  Landiischerey ; 
ohne  des  für  Seemächte  so  bedeutenden  Vortheils  zu  erwähnen ,  dass  die  grosse  Fi- 
scherey zur  Pflanzschule  guter  Matrosen  für  die  SchiflTahrt  wird ,  da  sich  dadurch  eine 
grosse  Menge  von  Menschen  an  die  Gefahren  und  Beschwerden  des  Seelcbens  ge- 
wölmt,  hinlänglich  gewandt  und  abgehärtet  dazu  wird. 

Übrigens  ist  es  sehr  schwer,  den  ganzen  Ertrag  der  Fischerey  einer  Nation  zu 
bestimmen.  Schon  der  Werth  der  Landfischerey  ist  selten  bekannt,  und  doch  muss 
sie  mehreren  Ländern  bj  misers  Erdtheils  sehr  viel  eintragen;  noch  seltener  aber  sind 
zuverlässige  und  vollständige  Nachrichten  über  den  Ertrag  der  Seefischerey.  Es  fehlt 
nicht  nur  an  solchen  Angaben  von  der  Zahl  der  Hände  ,  die  sie  beschäftigt,  und  von  der 
Zeit  während  welcher  diese  Hände  beschäftigt  sind,  sondern  auch  an  Daten  von  der 
Grösse  der  Summen,  welche  der  Bau  und  die  Ausrüstung  der  Schiffe,  welche  Netze 
Salz  Tonnen  und  der  Lohn  der  Maunscliaft  erfordern,  ohne  andere  Angaben  der 
Art  an  denen  es  ebenfalls  mangelt,  zu  erwähnen.  —  Die  grössten  Vortheile  aus  der 
Seefischerey  ziehen  jetzt  England  und  die  vereinigten  nordiimerikanischen  Stuaten; 
einst  war  sie  eine  der  ergiebigsten  Quellen  der  Wohlfahrt  der  Holländer  cj. 

a)  Wie  z.  B.  der  Seiler  utid  der  Salzsieder,  der   SchlfTer   und   der   Landmann,    der  Schmied 

und  der  Zimmermann,    der  Fisclibeinspalter   und   der  Tliranfarenner ,    der  Raufmann   und 

der  Fassbinder, 
i)  Besonders  den  an  Seen  so  reiclien  Alpenländern;  dann  Ungern,  Deutschland  und  Russland, 

als  vvelcfie  Länder  die  fiscfireichsten  Flüsse  besitzen  ,    und   liusslanä  überdiess   die   meisten 

Landseen  zählt ,  so  wie  in  Deutschland,  nahmentlich    in    Böhmen,    Mähren,    Sachsen,    der 

Mark  Brandenburg ,  der  Niederlausitz  und  Schlesien,    dann   in   Galizien  die   meisten   feiche 

vorhanden  sind. 
c)  Der  Häringsfang,  so  auch    der  Stockfisch-  und  Wallfischfang,  welche  im  17.  .Tahrh.    mehr 

als  400,000  Personen  beschäftigten,  erforderten  in  manchem  neuern  Jahre  kaum  1000  Menschen. 

§•   61. 
a)     Knorpelfische. 

Unter  den  Knorpelfischen  (pisces  cartilaginei) ,  oder  Fischen,  die  keine  wahren 
Gräten  haben,  veranlasst  eine  sehr  wichtige,  ausgebreitete  und  in  mehreren  Rück- 
sichten nützliche  Fischerey  das  Gesclilecht  der  Störe  (acipenscr),  vornehmlich  in 
Riisslandj  Ungern  und  Preussen.  Dahin  gehören:  1)  der  gemeine  Stör  (acipenser 
sturio),  welcher  im  schwarzen  vmd  caspischen  Meere,  in  der  Ost-  und  Nordsee,  zu- 
mal in  beyden  ersteren,  überaus  häufig  ist,  und  sich  im  Sommer  aus  diesen  in  die  gros- 
sen Flüsse  und  Seebusen  zieht.  Er  wird  gegen  aooo  Pfund  schwer.  2)  Der  Sterlet 
(acipenser  ruthenus),  am  häufigsten  im  caspischen  Meere  mid  dessen  Flüssen,  beson- 
ders in  der  Wolga.  Sein  Fleisch  ist  schmackhafter,  als  das  vom  Stör,  so  wie  auch 
sein  Rogen  feiner  ist;  er  wird  aber  sehen  über  3o  Pf-  schwer;  3)  Der  Sternstör  j  rus- 


II.   Urprüduütion.  §.  6j.  Mit  Giätcn  yerschene  Fische,  igj 

sisch  Sewruge  (acipenser  stellatus),  ebenfalls  im  caspisclicn  Meere  imd  dessen  Flüs- 
sen. Er  hat  unlcr  allen  Slörgatlungen  den  besten  Rogen  j  4)  der  Hausen  j  russisch  Be- 
luga  (acipenscr  hiiso)  im  caspischen,  schwarzen  und  asowschen  Meere,  woraus  er 
zur  Laichzeit  in  die  Wolga,  Donau  u.  s.  w.  steigt,  in  welchem  letzleren  Strome  er  bis 
Pressburg  ]ierauf\onimt  aj.  Er  ist  der  grösste  unter  allen  Störgatlimgen,  und  erreicht 
oft  ein  Gewiclit  von  1700  Pf.  Von  allen  diesen  Störgattungen  wird  das  Fleisch  sowohl 
frisch,  als  auch  eingesalzen  mid  marinirt  gegessen;  in  Russand  erhält  man  sie  sehr 
lang  durch  den  Frost,  imd  versendet  sie  so  über  mehrere  himdert  und  zum  Theil 
tausend  \V  erste.  Aus  dem  liogen  bereitet  man  den  KtH'iar  _,  Acr  ungeachtet  des  tlira- 
nigten  GescJimackes  von  einigen  Nationen  als  eine  l)esondere  Delicalesse  genossen 
wird.  Die  Russen  kennen  bey  der  Zubereitung  gewisse  Vortheile,  die  ihrem  Kaviar 
den  Vorzug  vor  andern  verschaffen.  Den  besten  giJjt  der  Sewruge.  Aus  der  Schwinun- 
blase  \vird  der,  unter  dem  Nahmen  der  Hausenblase  bekannte  Fischleim  bereitet. 
Einer  wahrsclieiiilichen  Schäiziuig  zufolge  wird  der  Betrag  des  Geldumsatzes  der  Fi- 
scherey  in  dem  caspischen  Meere  und  dessen  Flüssen ,  als  der  stärksten  vmd  vortheil- 
hafleslen  unter  allen  russisflien  Fischereyen ,  auf  8,8g8,5go  RtJiel  angeschlagen,  iu 
welcher  Suuuue  4,2l6,3oo  Rubel  als  Auslage  mid  4,682,290  Rubel  als  Einnahme  er- 
scheinen. Ausgeführt  wird  von  diesen  Fischen  sehest  wenig,  da  sie  der  strengen  und 
lange  dauernden  Fasten  grössten  Theils  im  Lande  selbst  verzehrt  werden ;  Kaviar  geht 
dagegen  sein-  viel  bj ,  und  Hausenblase  in  noch  grösserer  Menge  aus  cj ,  als  im  Laude 
verbraucht  wird. 

Von  dem  Geschieclite  der  ISeunaugen  (Steinsauger,  petromyzon),  die  ebenfalls 
zu  den  Knorpelfischen  gehören,  werden  vorzüglich  geschätzt:  die  köstliche  Lamprete 
(petromyzon  marinus),  die  hauptsächlich  in  der  Nordsee  lebt,  und  die  Pricke  (iVew/i- 
az/g-Cj  petromyzon  fluviatilis),  die  in  mehreren  europäischen  Flüssen  häufig  angetrof- 
fen, hierund  da  stark  gefangen,  und  marinirt  in  grosser  Menge  versendet  wird.  Beson- 
ders sind  die  Bremer-  und  Lüneburgerpricken  beliebt. 

d)  Den  stärksten  Hausenfang  in  Ungern  haben  Tolna ,  Foldfur ^  Komorn  und  Hedlcar. 

b)  Im  J.   1793:  37,g5o  Pud  fiir  188,397  Rubel. 

c)  In  eben  demselben  Jalire:  Ü22i  Pud,  45i,ä3o  Rubel  vvcrth.    S.    Slorch's  Statistische  Über- 
sicht des  russischen  Reichs.  S.   124. 

§•   62. 
b)  Mit  Gräten  versehene  Fische. 

Unter  den  mit  Gräten  versehenen,  oder  eigentlich  sogenannten  Fischen  (pisces 
splnosi)  veranlassen  die  erliel)liclistcn  luid ausgedehntesten  Fischeieyen  das  Gescldecht 
der  Häriuge  (clupea)  und  das  Geschlecht  der  Kabeljaue  (gadus)  j  nächst  diesen  das 
Geschlecht  der  Makrelen  (scomljcr)  und  das  der  Lachse  (salmo). 

Zum  Häringsgeschlechte  gehören  als  die  vorzüglichsten  der  gemeine  Häring 
(clupea  harengus),  die  Sprotte  (clup.  sprotta)  und  die  Sardelle  (chip.  encrasicolus), 
—  Die  Sprotten  oder  Breitlinge ,  in  der  Gestalt  den  Häringcn  ähnlich,  werden  an 
den  Küsten  des  nnttelliüidiscuen  Meeres,  der  Nord-  vmd  Ostsee  in  grosser  Menge  ge- 
fangen, und   theils   eingesalzen,  liieÜs   geräuchert  versendet.  Die  iSa/'i/e//e/j  (Anjovis) 


128  II.  Uipioduction.  ij.  62.  Mit  Gräten  verselifne  Fisclie. 

finden  sioli  in  ansserordcntliclier  Menge  in  der  Nordsee  und  im  ntlnnlisclien  Meere, 
Avo  sie  an  allen  Kü.slcn,  vorziiglicli  ati  den  norwegisc/ien  und  fi-anzösLSchen  j,  liaiiiig 
gefangen  werden.  Im  FniLijahre  konunen  sie  millionenweise  durch  die  Strasse  von 
Giljialiar  in's  nÜLielländiscJie  und  adriaüsclie  ^leer,  und  veranlassen  auch  hier  an 
nichrcren  Kiisten  eine  erlie])liche  Fischerey.  An  den  südlichen  Küsten  Dulinatie/is 
allein,  besonders  um  Lisscij  werden  oft  atif  einer  einzigen  Fischerbarke,  liauplsächlicli 
in  einer  dunkeln  Nacht,  60 — l5o,ooo  Stück  Sardellen  gefangen.  —  Noch  wichtiger  aber 
ist  der  Häringsfnng  j  sowohl  an  den  Küsten  von  Schottlund ^  EngUmd _,  Irland , 
Frankreich  j  Holland  j  Dänemark  j,  Schweden  und  Norwegen  ^  als  auch  vorzüglich 
auf  freyein  Meere  in  der  Nordsee  ,  wo  er  jährlich  in  der  Gegend  der  schettländischen 
Inseln  und  Scliottlands  mit  grösseren  Schiffen  in  kleinen  Flotten,  jetzt  am  stärksten 
von  den  Engländern,  ehemals  von  den  Holländern  aj ,  ausserdem  von  Frankreich  aus, 
ferner  durch  die  Scliilfe  einer  hanöverischen  Häringscompagnie  von  Emden  aus,  und 
eine.'  dänischen  von  Jltona^  und  seit  1806  auch  von  Bremen  aus  getrieben  wird.  Die 
besten  Häringe  sind  die  holländischen  _,  weil  keine  Nation  die  Kunst,  die  Häringe 
einzusalzen,  so  gut  versteht,  als  die  Hollander;  dann  folgen  die  jiitis dien  oder  däni- 
schen ^  hanöverischen  (ostfricsländischen),  e/iglischen_,  schwedisc/ien  und  norwegi- 
schen j  welche  letztere  gewöhnlich  Berger  imd  Drontheimer  genannt  werden.  An 
den  norwegischen  und  schwedischen  Küsten  wird  aus  dem  Ausschüsse  und  A])falle 
der  Härhige  der  Häringstliran  ^^esollen ,  wovon  Gotlienburg  iinJ.  i8o3,  nebst  107,290 
Tonnen  Harlnge ,  1143  Tonnen  ausfüluie. 

Zti  dem  Gesclilechte  der  Kabeljaue  gehören:  der  s^emexnc  Kabeljau  (gadnsmor- 
rhua),  der  Dorsch  (gad.  callarias),  der  Leng  (Lengling,  gad. -molua)  und  dev  Schell- 
fisch (gad.  aeglefjuus),  die  wegen  der  unsäglichen  Menge,  der  mannigfaltigen  Zube- 
reitung bj  und  langen  Conservation  von  der  äussersten  Wichtigkeit  sind.  Sie  finden 
sich  vorzüglich  in  nördlichen  Gewässern,  v,o  sie  um  Kola  am  Eis-  und  weissen  Mee- 
re, tun  A'orwegen  cj  _,  Island  dj  und  an  den  Nordküsten  von  Grossbritannien  ej  j 
besonders  aber  an  den  Küsten  des  brittischen  Nordamerikaj  uu\  Neu foundlajid oder 
Terre  neuve  j  Labradoi- _,  Neuscliottland  und  Cap-Breton  j  die  wichtigste  Fischerey 
veranlassen  yj;  die  Britten  müssen  jedoch  den  reichen  Kabeljaufang  in  den  nordame- 
rikanischen Gewässern  mit  den  vereinigten  Nordamerikanern  gj  imd  den  Franzoseia/zJ 
theilen. 

Zu  dem  Gesclilechte  der  Makrelen  gehören  die  gemeine  Makrele  (scomljcr)  und 
der  Thunnfisch  oder  die  spanische  Makrele  (scomber  thynnus).  Jene  gehlals-Zugfisch 
aus  der  Nordsee  in  die  Ostsee,  dann  durch  den  Canal  um  Spanien  herum  in's  nüttel- 
ländische  Meer,  und  veranlasst  besonders  an  den  grossbritannischen  j  norwegischen^ 
dänischen  j  deutsclien  und  französischen  Küsten  eine  beträchtliche  Fischerey.  Sie 
hat  ein  sehr  schmackhaftes  Fleisch.  Besonders  sind  die  scliottischen  Makrelen  dess- 
halb  beliebt.  —  Der  Thuniißscli  findet  sich  nicht  nur  im  allantischen  und  mittellän- 
dischen ISIeere,  sondern  auch  in  der  Nordsee  luul  in  den  ost-  und  westindischen  Ge- 
wässern; doch  macht  er  nur  im  atlantischen,  mittelländischen  und  adriatischcn  Meere 
eine  wichtige  Fischerey  aus,  da  er  in  den  meisten  angränzenden  europäischen  Län- 
dern  eingesalzcn  und  mariniit,   wegen  seines  derben  und  nahrhaften  Fleisches,   ein 


II.   Urprodiiction.   §.   62.   Jlit  Griitcn  versehene  Fisclie.  12g 

sehr  allgenioinos  und  beliebtes  Nahrnngsrriiltel  ist.  Am  sliirkstcn  wird  dieser  Fis<-hrang 
an  den  port/igies/'sc/ien  j  franzosisclien  ,  neapolitdiiischen  j,  sicilidnischen  ^  savdini- 
schen  und  dalmatinisclien  Küsten  getrieben.  Spanien j,  an  dessen  Küste  der  Tliunn- 
lisch  sich  in  grosser  Menge  zeigt,  treibt  den  Fang  desselben  sehr  massig,,  weil  die  Fi- 
scherey  gegen  t^ie  Barbci7'eskennic\it  gesichert  ist.  Die  an  denKüstenznni  Thunnfisch- 
fang  befmdhcben  ^inlagen  mit  den  dazu  gehörigen  Einrichtungen  werden  Tonnarn 
genannt. 

Die  vorzüghchslen  Gnltiingcn  des  Geschlechts  der  Lachse  sind:  i)  der  gemeine 
Lachs  (Salm,  salmo  salar) ,  dessen  Fang  in  Norwegen _,  Schweden  und  Rnssland , 
so  wie  in  England _,  Schottland  und  Irland ^  auch  einigen  deutschen  ij  und  antlern 
Fbissen  sehr  wichtig  ist.  Älit  cingesalzencn  Lachsen  treiben  hanptsächlicli  Norwegen 
und  Schweden j  mit  marinirten  und  geräucherten  Hamburg j  Bremen ,  Pommernww\ 
Sachsen  einen  vortheilhaften  Handel.  Bloss  Schweden  liefert  jahrlicli  an  20 — ^25, 000 
Tonnen  eingesalzcnen  Lachs. —  2)  Das  Blaufellchen  kj  (salmo  \Varlmanni) ,  am  liiiu- 
figstcn  im  Bodensec,  für  dessen  Nachbarn  dieser  Fiscli  das  ist,  Mns  der  lläring  fiir  die 
nordischen  Völker.  ^  om  May  l)is  zum  Herbste  werden  viele  ^liliionen  gefangen.  jNFa- 
rinirt  versendet  man  sie  nach  ^Vien ,  Leipzig,  Paris  11.  s.  w.  —  3)  Der  StdhUng  (Sal- 
velin,  Schwarzreuterl,  salni.  salvelinus),  die  fesche  (Asche,  salm.  thymnllus) ,  die  Ma- 
rä/ze  (sahn,  maraena) ,  der  Rheinanken  (salm.  ilanca),  die  gemeine  Forelle  (Teich- 
forellcj  Bachforelle,  salm.  fario),  die  ydlpforelle  (Bergforelle,  Rothfisch,  sahn,  alpi- 
nus),  d\c  Lachsforelle  (sabn.  irulla)  u.  s.  w. ,  die  sämmtlich  für  die  schmackhaftcslen 
Fische  gehaken  werden,  und  l)esonders  in  den  Alpcnländern  zu  Hause  sind. 

Der  II  eis  (Schaidlisch,  silunis  glaris) ,  zu  dessen  Geschlecht  einige  zwanzig  Gat- 
tungen gehören,  ist,  nebst  dem  Hausen,  der  grössle  Süsswasscrfisch,  der  wohl  drey 
Ctr.  an  Gewicht  hält.  Er  wird  vorzüglich  in  der  Donau j  Elbe  imd  Weichsel  gefan- 
gen, und  sein  Fleisch  wie  Lachs  zugerichtet.  —  Von  dem  Geschleclite  der  Aide  sind 
die  vorzüglichsten  die  Muräne  (mnraena  hclcna)  und  der  gemeine  Aal  (mur.  anguil- 
la).  Jene  hält  sich  haupisächhch  in  der  Gegend  von  Sardinien  auf.  Sie  wurde  ihres 
schtnackhaften  Fleisches  wegen  schon  in  alten  Zeiten  hochgescliätzt.  —  Anstalten 
zum  Aalfange  oder  sogenannte  Aidfänge  findet  man  im  Rlieiiij  in  der  Oder ^  Spree 
und  in  Jiltland  _,  wo  die  Stadt  Aalborg  von  dem  Handel  nnt  geräucherten  und  mari- 
nirten Aalpn  ihren  Nahmen  soll  bekommen  haben.  Sehr  grosse  Aale  enihäh  der  fisch- 
reiclic  See  Albufera  bey  Valencia  in  Spanien. 

Von  den  zahmeji  Eischen  endlich ,  d.  i.  von  denen,  die  des  Nutzens  wegen  in 
Teichen  gehalten  werden,  sind,  ausser  der  gemeinen  Forelle,  von  der  schon  die  Rede 
war,  die  vorzrigüchstcn :  der  Hecht  (esox  lucius)  und  der  Karpfen  (cvprinus  carpio). 
—  Mit  den  Scl\ii()])cn  der  TVei s sjisch e  {\]Wey ,ey^r\nn'&  alburnus),  die  zum  Geschlecli- 
te der  Karpfen  geliöicn,  treiben  die  Einwohner  von  Heidelberg  starken  Handel  nach 
den  schweizerlichen  und  französischen  Glasperlcnschleifereycn. 

<()  JSach  de  tViil  gewannen  dio   Holländer  durch   den   Häringsfang  jährlich  8  Mill.  ,  nach  Ja- 

nicon  gar  dj  Mill.   (1.  Allein  hcreits  vor  179^   und    noch   früher    befand  sich  dieses    wichtige? 

Gewerbe  durch  die  Concurrenz  anderer  Völker  im  Verfall.    Im  J.   1620  liefen   2ooo  Burscii 

(Haringsschiffe)  aus;   im  J.    1779  nur  eiuzehu;  wenige;   jetzt,  durch  ausgesetzte  Prämien  von 

2 — 5oo  fl.  ermuntert,  mehrere. 


>3o  •  II.   ürprocliiclion.     §.    63.    Wallfisclie. 

b)  Die  an  der  Luft  grtrocknoton  Fische  dieses  Geschlechts  werden  überhaupt  Stackfische  oder 
Kloppfische  ü,iinAnnl\  insonderheit  ist  der  auf  diese  Art  zubereitete  Kabeljau  unter  dem  be- 
sagten Nalimen  bekannt ;  Laberdan  oder  Sahfisch  heisst  der  bloss  eingesalzene  Kabeljau  ; 
Klippfisch  aber  der  eingesalzene  und  hernach  auf  Klippen  an  der  Sonne  getrocknete. 

c)  L'crge«  allein  führt  jährlich  an  100,000  Ctr.  Lenge  aus.  Zu  fang,  dem  Mitfelpuncte  und 
Hauptorte  aller  norwegischen  Fischereyen  ,  versammeln  sich  im  Winter  jahrlich  4ooo  Boo- 
te ,  jedes  mit  4 — 5  Mann  besetzt,  die  nahe  an  16  Mill.  Dorsche  und  Kabeljaue  fangen, 
■wovon  die  jährliche  Ausfuhre  sowohl  nach  der  Ostsee,  als  nach  Dculsc/ilaiul ,  Frankreich, 
Spanien^  Portugal  u.  s.   w.    über  1,200,000  Thaler  beträgt. 

d)  Der  beträchtliche  Kabeijaufang  an  den  Küsten  von  Island  wird  theils  von  Isländern  und 
Norwegern,,  theils  von  Holländern  getrieben. 

e)  Bey  den  schellländisehca  Inseln  treiben  die  Engländer  einen  starken  Kabeljaufang. 

/)  Der  englische  Kabeijaufang  \n  Nordamerika  beschäftigt  jährlich  über  5oo  Schiffe,  eine  grosse 
Menge  von  Booten,  über  21,000  Menschen  beym  Fangen,  Einsalzen  und  Einpacken  der 
Fische,  nebst  einer  grossen  Anzahl  von  Matrosen,  und  gibt  oft  über  900,000  Ctr.  Fische, 
deren  Absatz  nach  ff^esltndien ,  Porlugal ,  Spanien,  Italien  und  andern  Ländern  sehr  be- 
trächtlich ist. 

g)  Die  Ausfuhre  von  getrockneten  und  eingesalzenen  Fischen  aus  den  vereinigten  Staaten  von 
Nordamerika  (wovon  der  Stockfisch  immer  das  Meiste  ausmacht)  nach  Europa  und  ITesl- 
indlen,  betrug  im  J.   i8o2  weit  über  400,000  Ctr. 

/()  In  Folge  des  Pariser  Friedenstractates  von  1814,  ist  das  Recht  der  Fischerey  auf  der  gros- 
sen Bank  von  Terre  neiwe ,  an  den  Rüsten  der  Insel  dieses  Nahnicns  und  der  umliegenden 
Inseln,  so  wie  im  Meerbusen  von  St.  Laurent  ,  für  die  Franzosen  auf  eben  den  Fuss ,  auf 
welchen  es  im  J.   1792  bestand,  wiederhergestellt. 

j)  Vorzüglich  im  FJiein  ,  in  der£/6e,  lf''eser  und  nnMayn.  Am  boriil;mtcsten  sind  die  Ti/ifin- 
lachse,  die  bey  ff^esel ,  St.  Goar ,  Engers  und  an  andern  Orten  in  M>'nge  gefangen  werden, 

A:)  So  heisst  der  Fisch  im  siebenten  Jahre;  im  ersten  Jahre  wird  er  Heuerling}  im  dritten 
Gangfiscli  u.  s.  w.  genannt. 

§•  63. 

VV    a    I    1    f   i    s    c    h    e. 

Von  den  TFal/ßscIigattiiiigen  (cctacea),  als  denjenigen  warmldüligen  Thieren , 
die  mit  den  kaltljliiligen  Fi.sclien  nur  die  äussere  Gcslait  und  den  Nalinien  gemein  lia- 
ben,  veranlassen  den  einlriiglichslen  Fang:  i)  der  geineine  odcv  grönländische  IVall- 
Jisch  (lialacna  nijslicelus),  das  grösstc  aller liekannien  Tliiere,  60 — 120  Fnss  und  dar- 
üher  lang,  40 — 5o  Fuss  dick  und  iihcr  100,000  Pfund  schwer.  Er  ist  llieils  um  den 
Nordpol  j  zumal  um  Grönland _,  Spitzbergen  und  iA'Oiva  Semlja  herum,  aber  auch  in 
siidlichen  Gegenden,  im  atlantischen  Ocean,  an  den  südafrikanischen  und  südameri- 
kanischen östlichen  und  westlichen  Küsten  untl  im  stillen  Meere  zu  Hause,  wo  die 
Europäer  aj  luid  Nordamerikaner  ihn  ül)erall  aid'suchcn  bj.  Den  Nordländern  gibt 
dieses  Seeungeheuer  Nahrung  und  Kleidimg;  die  Europäer  hingegen  fangen  den  Wall- 
fisch des  Specks  (zum  Thransieden),  besonders  aber  der  Barden  wegen,  deren  er  700 
in  der  ol)ern  Kinnlade  hat,  die  Aa^s Fischbein  geben,  tmd  von  denen  die  mittelsten  als 
die  längsten  wohl  10 — 20  Fuss  lang  sind.  —  2)  Der  Pottfisch  oder  Kaschelot  (pliy- 
seter  macrocephalus) ,  bis  60  Fuss  lang  und  3o  Fuss  dick,  im  nördlichen  Ocean,  vor- 
züglich aber  im  südlichen  Weltmeere,  ztunal  an  den  Küsten  von  Brasilien  j  Neusiid- 


II.  UrproJuclion.   §.  64.   Rc.bben.  l3l 

Wales  und  i\easpanteji.  Er  wird  liauptsiichiicli  des  iliciircn  cj  fValli-tiths  (sporma- 
celi)  wegen  aufi^csuclil,  das  in  Gostall  eines  niilcliwcissen  Ollis  llicils  iin  Körper  des 
Thiers,  tlieils  ahcr  und  zwar  in  grosser  Menge  in  gewissen  Behältern  am  Kopfe  des- 
selben gcl'iinden  ,  und  tlieils  in  der  Medicin,  tlieils  zum  Brennen  und  zu  Lichtern  ge- 
braucht wird.  In  den  Gedärmen  dieses  merkwiu'digen  Tliieres  findet  sich  zuweilen 
die  köstliche  wohlriechende  graue  Ambi'a. 

d)  Nahmentlich  die  Engländer,  die  jelzt  den  Wallfischfang  stärker,  als  irgend  ein  Volk  trei- 
ben; dann  die  Holländer ,  einst  die  stärksten  Wallfischlänger ;  ferner  die  Russen,  Dänen, 
Hamburger ,  Bremer  und  Portugiesen.  Noch  im  J.  i-ySo  sendeten  die  Ilüllander  2oo  ,  und  im 
J.  1766  186  Grönlandsfahrer,  d.  i.  ,  Schiffe  nach  Grönland  und  derDavisslrasse  zum  Wal  1- 
fischfang;  allein  in  den  letzleren  10  Jahren  vor  I7q5  betrug  die  mittlere  Zahl  derselben, 
nach  Mclelerkamp,  nicht  über  60,  die  während  dieses  Zeitraums  2295  Wallfische  und  55,722 
Tonnen  Speck,  jährlich  demnach  22g-j  Fische  und  5572  Tonnen  Speck  brachten. 
h)  Das  Werkzeug,  dessen  man  sich  bedient,  um  Wallfische  zu  fangen  und  zu  tödten  ,  ist  die 
Harpune ,  eine  Art  von  Pfeil  oder  Spiess.  Sie  ist  zweyerley  :  die  Wurf-  oder  Handhnrpune , 
und  die  Harpunbüchse  oder  Gescliiäzharpune.  Jene  ist  ein  Pfeil ,  der  zwey  starke  Widerha- 
ken hat ,  und  an  einem  hölzernen  Stiele  befestigt  ist.  Sie  ist  die  gewöhnliche ,  womit  man 
das  Thier  nur  in  geringer  Entfernung  treffen  kann  ,  wovon  die  weiteste  40 — 45  Fuss  be- 
trägt. Die  Geschiitzharpune  ist  flintenartig  gebaut,  und  wird  mittelst  der  angebrachten  Flinte 
abgeschossen.  Diese  Büchse  trifft  sogar  100  Fuss  weit,  und  die  mittelst  derselben  abgeschos- 
sene Harpune  dringt  8,  10,  i2  und  mehrere  Fuss  tief  in  den  Riesenkörper  des  Wallfisches 
ein,  so  dass  er  in  einigen  Minuten  getödtet  ist.  Auf  das  Treffen  in  grösserer  Entfernung 
kommt  darum  etwas  an,  weil  die  Wallfische,  durch  die  Verfolgungen  der  Menschen  schüch- 
tern gemacht,  ihnen  nicht  mehr  so  nahe  kommen,  wie  ehemals.  Eben  desshalb  gebrauchen 
die  Engländer  seit  einiger  Zeit ,  statt  der  Harpunbüchse,  die  Congreve'sche  Branarackele , 
welche  die  Wallfische  in  noch  grösserer  Entfernung  trifft  und  tödlet. 
c)  Ein  Raschelot  gibt  i25  englische  Barils  (jedes  zu  32-|-  Gallons)  Wallrath  ,  und  ein  Fass  ^  on 
8  Barils  wird  in  London  für  gS — 100  Pf  St.  verkauft.  S.  Allg.  geogr.  Ephem.  Bd.  38.  S.  oaS- 

§.  64- 
Robben. 

Unter  den  Robben  (phoca),  die  ihrer  zusammengewachsenen  Ilinterfiissc  wegen, 
als  eine  Millelgatlung  zwischen  den  vierlVissigen  Thicrcn  und  den  Fischen  angesehen 
werden  können,  alier  doch  warmblütige ,  lebendige  Junge  gebärende  Tliiere,  folglich 
Säugethiere  sind ,  wird  von  den  Europäern  vorzüglich  aufgesucht  das  sogenannte  See- 
kalb j  oder  der  gemeine  Robbe  j  gemeine  Seehund  (phoca  vitiüina) ,  der  in  grosser 
Menge  nicht  nur  in  Meeren  ,  nahmentlich  im  nördlichen  und  südlichen  Eismeere  mid 
dessen  benachbarten  Gegendcm,  in  dem  schwarzen  Meere,  in  der  Nord-  und  Ostsee 
u.  s.  w. ,  sondern  auch  in  Landseen,  wie  im  Ladoga  _,  Onega  und  Baiked _,  vorkommt, 
und  dm-ch  Schiessen  erlegt,  oder  mit  schweren,  mit  Eisen  beschlagenen  Keulen  er- 
schlagen wird.  Man  beiiulzt  die  Haut  zu  R^ieinwcrk,  zum  Überziige  von  Kasten,  Kof- 
fern, auch  zu  Tornistern  u.  dgl. ,  den  Speck  zum  Tiansieden.  Vorzüglich  empfiehlt 
sich  der  grönländische  Seehund  imi  Grönland ,  Spitzhergen  _,  Nowa  Semlja  u.  s.  w. , 
wegen  der  dicken  Haut  und  des  gulon  reichlichen  Specks.  Einigen  Insulanern,  wie 
z.  B.  den  Alculen,  ist  der  Seehiuid  das,  was  den  Lappliindern  das  Reimlhier, 


i3»  11.   Urpruilucliün.   §.   65.   Nüuliclie  luscctcu. 

5)       I     a     s     e     c     t     e     n. 

§.  65. 

a)    Nützliche. 

Aus  der  weillaulijj'cn  Classe  der  Iiisecteii  sind,  ihrer  uumitteUjarea  Nutzliarkeit 
Avegen ,  folgende  sialislisch  wichlig : 

Die  Honigbiene  (Imme,  apis  mellifica) ,  eben  so  beridmil  durch  ihre  liewuiide- 
rungswürdigen  Kunsltriebe ,  als  nützlich  durch  ihre  Arbeilen.  Sowohl  die  zahme, 
-welche  in  Korben  und  Stöcken  gehäget  wird,  als  auch  die  wilde  oder  Waldbiene, 
vvelclie  in  hohlen  Biiunien,  Sleinhaulen  oder  Höhlen  unter  der  Erde  nistet,  gibt  mit 
dem  Honig  und  dem  daraus  bereiteten  Metli  j  vornehmlich  aber  mit  f Fachs  ein  wich- 
tiges llandelsprodnct,  wovon  das  letztere  \n  Dentscliland  aj  ^  Ungern  bj  ,  Sieben- 
burgen _,  der  Moldau  cj  j  in  GalizLen  ^  Preussen  ,  J'olen  und  Russltuid  dj  in  Menge 
gewonnen,  und  theils  roh,  theils  gebleicht  und  in  Lichtern  nach  dem  südlichen  und 
westlichen  Europa  versendet  wird.  Dagegen  zeichnen  sich  die  südüchen  und  westli- 
citen  Länder  Europa's,  wegen  des  Reiciillnims  an  wohlriechenden  Kraulern,  deren 
Saft  die  Bienen  saugen,  durch  vortrcfTiichen  liunig  aus.  Derbeste,  beständig  flüssige, 
rosenrothe  Honig  kommt  aus  Midta. 

Der  Seidenwiuin  (phalaena  bonibj-x  niori)  liefert  durcli  sein  Gospinnst  eines  der 
vornehmsten  Materialien  zu  den  Manufacturen ,  und  für  njanciies  Land  eiuju  erheJjli- 
chcn  Handelsartikel  ej  ;  als  Puppe  dienet  er  den  Chinesen  zur  Speise.  Seine  beste 
INahrung  sind  die  Blätter  des  weissen  Maidbecrbaumes  (s.  §.  33.).  Die  Ciillur  dieses 
hochwichtigen  Inscctes,  das  in  Indien  und  China  ursprünglich  einheimiscli  ist,  ward 
in  dei'  Mitte  des  6.  Jahrhunderts  durcli  Mönche  nach  Gi'ieclienldiid  verpflanzt,  von 
da  um  ii5o  durch  den  König  Roger  I.  in  Sicilien  eingeführt,  und  von  hier  aus  all- 
juälilich  hl  Italien  und  andere  Länder  verljreitet.  Sicilie/i_,  Neapel,  Genua j  Mailand j 
Venedig  und  andere  Länder  vmd  Ürter  in  Italien  fahren  viele  Seide  aus,  insonderheit 
aber  Pietnont j  dessen  Organsin-Scide  /^  einen  schönen  Glanz  hat,  imd  für  die  Ijeste 
in  Italien  gehalten  wird.  Nach  der  piemontesischcn  folget  in  Ansehiuig  der  Güte  die; 
lonibai'dische  _,  toscanische  und  sicilianische.  Sicilien  hat  in  manchen  Gegenden  eine 
doppelte,  JSeapel  gar  eine  dreyfache  Seidenernte;  doch  liefert  die  erste  Zucht  die 
beste  Seide;  desshalb  ist  in  Toscana  nur  eine  Seidenernte  zu  machen  erlau1)i,  da  die 
Maul])cerbäume  durch  das  Berauben  der  Blätter  zum  zweyten  mid  dritten  INIalc  in  ei- 
neni  Jahre  zu  sehr  geschwächt  werden ,  auch  die  damit  gefutterten  Seidenwürmer 
nur  eine  schlechte  Seide  geben.  —  Spanien  und  die  Tiirkej  haben  ebenfalls  einen 
Überfluss  an  Seide,  und  versenden  davon  jährlich  eine  ]>eträchtliche  Menge.  —  Frank- 
reich hat  in  seinen  südlichen  Deparlements  einen  starken  Seidenbau;  er  ist  yl)er  nicht 
hinreichend  zu  seinen  zahlreichen  iManufactnren  gj.  —  Geringer  ist  die  Seidencullur 
in  Dentscldand ;  doch  weit  stärker  als  in  Portugal.  Das  siidliche  TyroL  dlein  hj 
erzeugt  mehr  als  fiüifmal  so  viel  Seide  als  Portugal  (s.  unten  Note  k) ;  auch  Ist  die 
Tjrolerseide  so  vortreffUch,  dass  sie  der  piemontesischen  unti  lombardisclien  im 
Ganzen  nicht  nachsteht.  Noch  geringer  ist  der  Ertrag  der  Seidenwürmerzncht  in  Un- 
gern vuid  dessen  Conliiiicn  ij ,  aber  doch  grösser  als  in  Südrussland.  —  \Vas  indcss 


II.  Urproduclion.  j.  65.  Nutiliclic  luseclen.  135 

überhaupt  in  Eurojia  au  Seide  gewonnen  wird  (im  Ganzen  ungefälu-  i3 — 14  Mill. 
Pfimd)  kj ,  ist  für  die  vielen  Manufacluren  und  den  allgemein  licrrschendea  Luxus , 
bcy  so  mancherley  Bestandtheilcn  des  männlichen  sowohl,  als  des  weihlichen  Anzuges, 
Seide  zu  gehrauchen  IJ ,  hey  Mcilem  nicht  hinlänglich,  und  die  Einführe  dieses  Arti- 
kels aus  Asien  von  grosser  Wichtigkeit. 

A^on  dem  Geschlechte  der  Schildläuse  sind  hier  hemerkcnswerth :  1)  der  Ker- 
//ie.y  (coccus  ilicis),  ein  Insect,  welches  in  Südeuropa,  vornehmlich  \a.  Laiiguedoc 
mid  der  Provence  ^  in  Spanien  und  Portugal  an  der  Stech-  oder  Kermeseiche  ge- 
fiuiden  wird.  Die  heerenlormigen,  gallapfelarligen  Evcruester  dieser  Thiere  werden 
gesammelt,  mit  Essig  besprengt,  und  das  Carmoisinrotli  daraus  bereitet.  —  2)  Die 
deutsche  of^er  polnische  focAe/i/Z/e  (Johaunisblut,  cuccus  polonicus) ,  die  ehculalls 
kermesartige  Eyernestei\  an  den  Wiuzehi  verschiedener  Pflanzen  bildet.  Sie  iindel 
sich  in  verschiedenen  Gebenden  Deutschla/ids  j  am  häufigsten  aber  in  Gulizicn _,  Po- 
len und  am  Don.  Ehemals  wurde  sie  in  Deutschland  häufig  gesammelt,  noch  juehr 
aber  in  Galizien  j  Polen  imd  liussland,  wo  es  zuniTlieil  noch  heul  zu  Tagegeschiehl. 
Die  Einfuhrimg  der  amerikanischen  Cochenille  (Scharlachwurm ,  coccus  cacti),  die 
ursprunglich  in  Mexico  zu  Hause  ist,  verdrängte  iudess  diese  schlechtere  Sorte,  in- 
dem jene  nicht  nur  schöner ,  sondern  auch  stärker  iärijt. 

A^on  dem  Gesciilechte  der  Krebse  (canccr),  den  einzigen  Insccten,  die  uns  Eu- 
ropäern zviT  Speise  dienen,  sind  fiir  uns  besonders  die  langgeschwänzten  oder  eigent- 
lich sogenannten  Krebse  (macromi)  merkwürdig.  Zu  dieser  Familie  gehören  unter 
andern:  der  Flusskrebs  oder  Edelkrebs  (cancer  astacus),  dessen  Aufenthalt  nicht  nur 
m  Flüssen  und  Bächen,  sondern  auch  in  Landseen  und  Teichen  ist,  und  der  Seekrebs 
oder  Hummer  (cancer  gammarus) ,  der  zuweilen  zu  einer  Länge  von  anderlhall)  Ellen 
anwächst,  und  ein  Gewicht  von  10 — 12  Pfund  erreicht.  Sie  werden  häufig  in  der 
Nordsee  gefangen,  und  in  eigenen  Schiften,  welche  Hummer  schiffe  genannt  \^  erden, 
und  deren  eines  oft  \\ohl  12,000  Stück  führt,  i\a.c\i  Hamburg _,  Amsterdam  u.  s.  w. 
gebraclil. 

Endlich  ist  noch  der  spanischen  Fliegen  (uicloe  vesicatorius ,  cantliaris  olUcinalis) 
zu  gedenken,  die  nicht  nur  in  Spanien  j  sondern  auch  in  Sicilien  _,  Deutschland  _, 
Ungern  und  andern  europäischen  Ländern  gesammelt,  ausgeführt  und  zum  J31ascn- 
ziehen,  auch  zmn  Färben  gewisser  Tücher,  gebraucht  werden. 

a)  Nach  Spanien  gehen  jährlich  inelir  als  1  Mill.  Pfund  gebleichtes  Wachs  aus  \  ürschie<Ien('n 
Gegenden   Deatscldands  über  Hamburg  aus. 

b)  Ungern  überlässt  dem  Auslande  jährlich  für  3oo,ooo  fl.  Wachs  und  Iloiiij;. 

c)  Aus  der  Moldau,  wird  Wachs  durch  Griechen  nach  /'enedig  versendet.  Der  Bieiuii.celieut 
trägt  der  fürstlichen  Kammer  jahrlich  wenigstens  60,000  Piaster  ein. 

d)  Kusslaiid  verkauft  an  das  Ausland  jährlich  für  176,282  Rubel  Honig,  und  Wachs  iür  240.419 
Rubel. 

e)  Pienionl  z.  B.  \ersendi't  jährlich  6000  Ballen,  oder  i,52o, 000  Pf.  Seide  (jeder  Ballen  zu  22o 
piemontes.  Pf),  die  nach  der  Sc/iu^eiz ,  nach  dem  Norden,  vorzüglich  aber  nach  England 
gehen.  —  Neapel  exportirt  jährlich  für  376  960  Ducati  rohe,  und  für  39,750  Durati  \  erar- 
beitete Seide.  —  Aus  Spanien  gehen  jährlich  1,000,000  Pf.  ,  und  aus  der  Türker  iür5oo,ooo 
Piaster  Seide  in's  Ausland. 


i54  U-  Uiproduction.  §.  66.  Scliädliche  Insccien, 

^)   Eine   Art    gesponnener,    gewundener  und   gezwirnter   Seide,    die    man    besonders   beym 

Weben  zur  Kette  gebraucht. 
g)  Der  älteste  Maulbeerbaum    Frankreichs,  dessen   Abkömmlinge    dem   Staate   jetzt    über    loo 
Mill.  Fr.  für  die  rohe  Seide,  und  über  400  Mill.  Fr.    für   die   verarbeitete  jährlich  verschaf- 
fen ,  und  der  zu  Endo  der  Rreuzzüge  unweit  Montelimart  gepflanzt  wurde  ,  wird  aus  Dank- 
barkeit sorgfältig  noch  erhalten.  S.  Allgera,  geogr.  Ephem.   i8o5.  Sept.  S.   101  ff. 
li)  Ausserdem  ist  der  Seidenbau  im  österreichischen  Friaul ,  besonders  um  Gürz  und  Gradiska, 
von  einigem  Belange.    Das  übrige  Deutschland  ist   dem   zärtlichen   Maulbeerbaume   zu   kalt , 
und  man  hat  daher  die  in  mehreren  Ländern  gemachten  Versuche ,  solchen  auch    dem  käl- 
teren Boden  zu  acclimatisiren  (svelche  allein  dem  preussUchen  Staate  über  1  Mill.  Thaler  ge- 
kostet liüben) ,  wieder  aufgegeben.  Einzelne  Versuche  des  Seidenbaues   im   Kleinen  ,    finden 
noch  hier  und  da ,  wie  z.  B.  zu  Sl.   Feil  bey  Wien ,  Statt, 
i)  Interessante   Beantwortung   der   Frage:    Warum    macht   die   Scidencultur   in    Ungern   keine 

Fortschritte?  in  den  ökonomischen  Neuigkeiten.    1816.  Nr.  42. 
k)  An  dieser  Gesammtsumme  nehmen  Antheil ; 

Spanien  mit    3,ooo,ooo  Pfund. 

Frankreich  mit 2,5oo,ooo     — 

Das  lombardisch-venclianische  Königreich  mit 2,000,000     — 

Avovon  der  bey  weitem   grössere  Theil  auf  die  Lombardie  kommt. 

Viemont 1 ,65o,ooo     — 

Sicilien 1 ,000,000      — 

Neapel 800,000     — 

Modena  und  Parma 700,000     — 

Südlyrol    32o,ooo     — 

Toscana ' 200,000     — 

Nizza 200,000     — 

Portugal ,  nach  Cronie 61 ,700     — 

Ungern  mit  den  Miiitardistricten  in  Slawonien,  Croalien  und  im  ßarea^e  mit  20,000     — 

Südrusdand  (als:  Kaukasien  ,  Astrachan,  Taurien  ,  Jekaterinoslaw  ,  Cher- 

son  ,  die  slobodische  Ukraine  ,  Saratow  ,  Kiew  und  Podolien)  mit  ....  g,32o     — 

Den  Rest  liefern  die  übrigen  ilalieaischen  Länder,  die  Türkey,  Dalmaliea  ,  Catlaro  ,  Ragu- 
sa ,  Isirien  und  das  österreichische  Friaul. 
l)  Wie  selten  und  kostbar  ihr  Gebrauch  noch  in  der  zweyten  Hälfte  des  sechzehnten  Jahrhun- 
derts ,  wenigstens  in  Deutschland,  war,  lässt  sich  aus  einer  auffallenden  Ermahnung  bey 
Gelegenheit  der  seidenen  Strümpfe  abnehmen  ,  mit  welchen  ein  brandenburgischer  Geheimer 
Rath  ,  Berthold  fon  Mandelsloh ,  einst  (löGg)  an  einem  Wochentage  bey  Hofe  erschien. 
,,Berlholde!  —  rief  da  Markgraf  Jo/ja;i«  zu  Cüstrin  seinem  Geheimen  Rathe  entgegen,  der 
Gesandter  an  verschiedenen  fürstlichen  Höfen  gewesen  war ,  und  seidene  Strümpfe  mit  aus 
Italien  gebracht  hatte  —  ich  habe  auch  seidene  Strümpfe ,  aber  ich  trage  sie  nur  an  Sonn-  und 
Festtagen.  S.    Grellmann' s  Historisch-statistisches  Handbuch  von  Deutschland  a.  a.  O.  S.  128  0". 

§.  66. 

b)      S   c  h   ä  d   1   i   c  h   c. 

So  gross  die  iinmitlclbare  Braiiclibarkeil  der  Iiisecten,  imd  so  mannigfaltig  der 
Anllicil  ist,  den  diese  kleinen  Thiere  an  der  Hatishalliing  der  Natur  haben:  so  nahin- 
liaft  ist  auch  anderer  Seits  der  Sehade,  den  viele  Gattungen  derselben  anrichten.  Hier- 
her gehören  vorzuj^lich:   i)  die  iT/c^j/.-ayer  (scarabaetis  melolonlha) ,   die  für  manches 


II.  Urproduction.  §.  Gj.  Würmer.  x35 

Land  fast  jpdcn  Frühling  eine  grosse  Plage  sind,  -weil  sie  in  erslaiinliclicr  Menge  er- 
scheinen, und  die  BliiUer  vnid  Ehilhen,  besonders  an  Ohslbäiinicn  abfressen.  Im  J. 
1811  wurden  in  der  neapohianischen  Provinz  Cupitiuiata  allein  nicht  weniger  als 
3oO:,ooo  Tomoli  (Melzen)  Maykäfer  eingesammelt  und  vernichtet  a).  —  2)  Der  Bor- 
kcnkiijer  (Fichtenkäfer,  Holzwurm,  dei'mestes  lypograplius) ,  ein  fiir  die  Fichten,  in 
deren  Splint  sie  oft  in  ungeheurer  Menge  hausen,  furchtbares  Insect.  Unter  andern 
richtete  dieses,  Wälder  verwüstende  Insect  neiierlich  auf  dem  Harze  und  in  anderen 
Gegenden  Deutschlands  unsäglichen  Schaden  an.  3)  Die  Kornmotte  oder  der  soge- 
nannte weisse  Koiviwunn  (phalaena  linea  granella),  und  der  schwarze  Koi'iiwunn 
(curculio  frumenlarius) ,  welche  sich  unsern  Kornböden  so  furchtbar  machen.  Sie  sau- 
gen das  Mehl  aus  dem  Korn  und  lassen  die  Hülse  liegen.  —  4)  Die  ZuglieuscJirecke 
(Heerheuschrecke,  gryllus  migratorius),  ein  berüchtigtes  Insect,  das  urprüiiglich  in 
der  asiatischen  Talarcy  zu  Hause  ist,  aber  oft  in  zahllosen  Heeren  auch  Europa  heim- 
sucht, und  allgemeinen  Missswachs  und  Hungcrsnoth  verursacht.  Eine  Invasion  die- 
ser Unholden  eifuhr  unter  andern  Ungeni  _,  nahmentlich  das  tcmesclier  Banat  und 
Syrmien  in  den  Jahren  1780,  1781,  1782  und  zum  letzten  Male  1799  ^-^  ■>  Siebenbür- 
gen im  J.  1780,  in  der  Gegend  von  Bonzldda ,  Valasz-Ut  \niA  Kendi-Lüna  _,  \'jo 
sie  den  ganzen  Seplendier  und  October  hindurch  blieben,  ob  sie  gleich  täglich  von 
1000 — l5oo  Personen  verfolget  winden  cj.  Auch  in  der  Muldan\n\A.  in  Spanien  rich- 
ten sie  zuweilen  schreckliche  Verwüstimgcn  an.  Einzeln  finden  sie  sich  auch  in  Deutscli~ 

landj  das  doch  seit  1760  unt  grossen  Invasionen  derselben  verschont  geblieben  ist. 

5)  Die  RIoskilen  (culex  pipiens,  Span,  mosquitos) ,  eine  Varietät  der  gemeinen  Mü- 
cken. Sie  ziehen  unter  andern  in  Spanien  in  ganzen  Schwärmen ,  und  plagen  durch 
ihr  Sunmien  und  empfindliches  Stechen,  besonders  im  Sonuner  bey  Nacht,  den  Schla- 
fenden unbeschreiblich.  —  6)  Die  iiew^yZ^V^e  (columbatsclier  Mücke  ,  cniex  replans), 
in  Lappland j  vorzüglich  aber  in  Serbien  und  im  Banat_,  wo  sie  zweyMal  im  Jahre,,  im 
Frühjahre  und  Sommer,  in  unermesslicben ,  dicken  Rauchwolken  ähnlichen  Scharen 
erscheint,  und  den  Pferden,  Ochsen  und  andern  Mehgatlungcn  zu  allen  Öfrnun"cn 
des  Körpers  cinkriecht,  dass  das  verfolgte  Thier  unter  jämmerlichem  Brüllen,  Blöcken 
und  Grunzen,  Wiehern  und  Heiden,  oft  in  wenigen  Minuten  sterben  mnss.  Auch  dem 

Menschen  wird  sie  dann  wenigstens  äusserst  lästig,  wenn  auch  nicht  gefährlich  dj. 

Endlich  7)  die  Tarantel  (aranea  taranlula),  eine  Gattung  Spinne  in  ^pulien  nn(}L  Spa- 
nien. Sie  hält  sich  auf  dem  Felde  in  kleinen  Erdhöhlen  auf,  und  wird  den  Schnittern 
zm-  Erntezeit  durch  ihren  Biss  lästig,  auch  zuweileii  gefährlich. 

ä)  S.  Österr.  Beob.   1811.  Nr.  245.  S.   1008. 

6)  S.  R.  R.  prlv.  W.  Z.  179g.  Nr.  70. 

c)  S.  Sarlori's  Naturw-undor  d«s  österrcichischon  Raisortliums.  Tbl.  1.  S.  3o — 40. 

d)  Schönbiiiier's  Geschichte  der  Columbatscherinückeii  im  Baiiat.  Wien,   1795.  4.    Vergl.  Sar- 
iori  a.  a.   O.  Tbl.  2.   S.    148 — 155. 

§•    67. 
6)     Würmer. 

Aus  der  zaldreichen  Classe  der  TFüriner  gehören ,  ihrer  unmittelbaren  Nutzbar- 
keit wegen,  ia  das  Gebicht  der  Statistik  :*i)  die  Austern  (ostrea   edulis),  welche  an 


j36  II.  ürproduction.  §.  67.  Würmer.  PflanientLiere. 

den  Küsten  des  nordwestlichen  und  südlichen  Europa  sehr  hänfig  sind  ^  auch  auf  an- 
geleglcn  Aastevhänken  gchägel  werden.  Man  nimmt  nähmlich  junge  Austern  von  den 
Stellen  weg,  die  ihnen  der  Zufall  angewiesen  hat,  und  hringt  sie  an  einen  Ort,  wo 
sie  hesser  gedeihen  vmd  schmackhafter  werden.  England  und  Frankreich  liefern  die 
meisten  und  besten ;  vorzüglich  werden  die  kleinen  englischen  Austern  von  Colclie- 
jfe/' geschätzt.  Die  Schalen  gehen  heym  Brennen  den  sogenannten  Musdielkalk  _,  der 
an  den  liollätuHschen  aj  und  anderen  Küsten  der  Nordsee  häufig  bereitet  wird.  — 
2)  Die  Perleninnsc/icl  (Klathnuschel ,  mya  margaritifera)  und  die  Perleninuttermu- 
svhel  (mytilus  luargariiifer)  Z/J  ,  welche  heyde  Muschelgaltungen  Perlen  erfuhren.  Jene 
—  in  Deutschla/id  j  Slavonien  und  andern  europäischen  Ländern  Ijefmdlich —  lie- 
fert die  europäischen  Perlen  3  diese  —  die  asiatischen^  amerikanischen  uod  austra- 
lischen. Die  allerschönslen  und  kostbarsten  werden  bekanntlicli  auf  Cejlon  und  im 
jiersischen  Meerbusen  gefischt.  Die  westindischen  _,  californi sehen  und  otaheiti- 
schen  sind  schon  weniger  schön ;  vollends  die  aus  deutschen  und  andern  europäi- 
schen Flüssen,  einige  seltene  Stücke  der  fVattawa  beyStrakonitz  in  Böhmen  und  der 
Elster  im  Voigtlande  vielleicht  ausgenonuncn.  —  5)  Die  Steckmuschel  (Seidcnmu- 
schel,  Schinkc,  pinna) ,  die  besonders  im  mittelländischen  Meere  gefunden  wird.  Sic 
sind  wegen  ihres  Barts  oder  ihrer  Fäden  bekannt,  womit  sie  sich  gegen  die  Gewalt 
der  Wellen  an  den  Felsen  befestigen  köinicn ,  und  die  eine  röthlich-bravme  Seide  ge- 
ben, welche  in  Messina  _,  Palerinu  _,  Tarent  und  andern  Orten  zu  Strümjifen,  Hand- 
schuhen U.S.  w.  verarbeitet  wird.  —  4)  Die  TVeinbergsschnecke  (Gaitcnschnecke, 
helix  pomatia)  ,  welche  unter  den  essbaren  Schnecken  am  meisten  geschätzt  wird. 
Li  manchen  Ländern ,  zumal  in  der  Schweiz  und  'u\  Würtemberg j,  \\A\\\\VA\\}i\^\\\w 
der  Gegend  von  Ulm  _,  danu  in  f^urarlberg  ,  in  und  um  J Findischgarsten  in  Sieyer- 
mark  u.  s.  w.  legt  man  zu'  dem  Ende  besondere  Sclmeckengärten  oder  Schneckenberge 
an,  worin  sie  zu  Tausenden  geuiästet  werden,  und  treibt  damit  gegen  die  Faslzeit 
einen  erheblichen  Handel. 

Unter  den  PJlanzenthieren  verdienet  hier  einen  Platz  die  Familie  der  Corallen 
(corallia) ,  mid  luiter  diesen  ist  die  vornelimstcund  nützlichste  Gattung  die  rotJie  Stau- 
dencurulle  (isis  nobilis) ,  welche  in  Ansehung  der  Figur  einem  entblätterten  Bäum- 
chen mit  seinen  Ästen  gleicht,  und  vorzüglich  an  den  Küsten  des  mittelländischen 
Meeres  gefischt  wird.  Sic  wird  in  manchen  Gegenden,  zmnal  in  Marseille  _,  Livorno 
und  Genua  zu  allcrley  Kunstsachen  verarbeitet,  die  nach  Ostindien  verführt,  und 
besonders  in  Japan  und  China  j  fast  den  Edelsteinen  gleich  geachtet  werden.  —  Der 
im  Handel  vorkonnnende  gelbliche  ßadescluvanim  (spongia  ollicinalis)  endlic-h  w  ird 
cijcufidls  von  einigen  Naturforschern  zu  den  PUanzenthieren  gerechnet,  wie^vohl  die 
llüerische  Natur  des  Geschlechts  der  Saugeschwämme  noch  immer  zweifelhaft  ist. 
Diese  Schwäimne  wachsen  an  Felsen  im  Meere,  und  werden  grössten  Theils  aus  dem 
iniitciländischen  iMeere  erhalten. 

<;)   An  der  Küste  von  Egmondopzee  bis  \orhcy  Schei'eni  11  gen  wertleii  jälirllcli  zu  dicseiii  IJoluife 
für  mehr  als  100,000  II.  Coiicliylieu    (Schelpen)  gesammelt;   dabey    lebi.u    lut'lir    als  i3ü  Fa- 
milien von  der  Fracht.    S.  Göltliii;.  «;ei.  Anz.   1807.  St.  84-  S.  835. 
i)   Sie  finden  sich  am  häufigsten  im  BTeere.  Da  sie  in  der  Tiefe  des  Meeres  liegen  ,  so  können 
sie  nur  niitlclbl  Taucher  heraiifgeLracht  werdi'n  ;  ein  sehr  b'jschw  criiches  und  zum  Tliell  gc- 


II.   Urprodiiclion.  f.  68.  Bcigbau.  i3j 

falirvollcs  Gcscluift.  Jeder  TaiicluT  bringt  in  ciiicni ,  um  den  Hals  gebundenen  gestrickten 
Sacke  auf  einmal  hundert  Muscheln  herauf,  und  steigt  in  einem  Tage  wohl  fünfzig  Mal  her- 
ab, wenn  nicht  ein  Unfall  das  Geschäft  stört.  Sind  die  Taucher  thdtig  gewesen,  so  kann 
die  Ladiuig  einer  Schaluppe  3o,ooo  Bluscheln  betragen.  S.  Beschreibung  der  Pcrlenfischerey 
im  Meerbusen  von  Manar  an  der  Rüste  von  Ceylon,  auch  an  der  Küste  von  Persien,  Süd- 
amerika u.  s.  vv.  ,  von  //. /.  Ic  Beck  ß  in  Archenholz  Minerva.  i8o2.  Bd.  3.  S.  291 — 307. 
Vergl.  üiV/jg-'i  Pcrlenfischerey ;  im  6.  Stücke  des  5.  Bandes  des  2.  Jahrg.  (1811)  der  Zeit- 
schrift :  Hesperus. 
c)  Sie  sitzen  meistens  im  Thiere  selbst,  zu\veilen  doch  auch  inwendig  an  der  Schale  lest.  Koch 
ist  ihre  wahre  Eutstehungsart  nicht  aufgeklärt. 

c)  Naturproducte  aus  dem  Mineralreiche. 

§.  68. 

Bergbau. 

Der  Bergbau  bci^rcift  im  weiten  Sinne  alle  niiizbare  Mineralien,  die  auf  jedem 
möglichen,  folglich  aiiclikimsllosem  ^Vcge  gewonnen  werden,  wie  z.  B.  derLclini,  der 
Thon  u.  s..  w. ;  im  engen  oder  eigentlichen  Sinne  aber  nur  jene  Mineralien,  die  grosse 
und  kostbare  Anstalten  erfordern ,  wenn  man  sie  ans  ihrer  Geburtsstätte  hervorziehen 
Avill.  Unter  den  letzteren  sind  die  Metalle  die  vornehmsten.  Der  Bergbau  ist  fiir  meh- 
rere Länder  Europa's  eines  der  wichtigsten  Nationalgewerbe.  Er  befördert  zunächst 
die  Cultur  des  Bodens,  indem  durch  ihn  öde  Waldgebirge  in  bevölkerte  und  indu- 
striösc  Landstriche  umgeschafTen  werden,  die  tun  so  sori^faltiger  bearbeitet  werden, 
je  höher  der  Werth  der  Nahrungsmittel  ist,  den  das  Bediirfniss  der  Bergarbeiter  her- 
vorbringt, welches  voi-nehmlich  der  Fall  in  der  Nähe  reicher  Bergwerke  ist.  Ausser- 
dem liefert  der  Bergbavr  höchst  unentbehrliche  Erzeugnisse,  deren  Geldwcrth,  so  wie 
sie  zuerst  als  Waarc  in  den  Handel  kommen,  ohne  Riicksicht  auf  die  zum  Theil  höchst 
beträchtliche  Werthserhöhung  derselben  durch  weitere  Verarbeitung  und  Verfeinerung, 
die  Masse  des  Nationalvermögens  vennehrt.  Sind  die  Bergwerksproducte  Gold  und 
Silber,  so  wird  durch  ihre  Gewinnung  auch  die  gesammte  Masse  der  vorhandenen 
Tauschmittcl  vermehrt.  Der  Bergbau  erhalt  oder  unterstützt  ferner  fast  alle  übrigen 
.  Fabriken  und  Gewerbszweige,  indem  er  ihnen  theils  die  nöthigen  3Iaterialien  und 
unentbehrlichen  Werkzeuge  darreicht ,  theils  die  erforderlichen  Arbeiten  um  den 
möglichst  geringen  Lohn  verschafft,  weil  Berg-  und  Hüttenleute  mit  ihren  Angehöri- 
gen sie  als  Nebenbeschäftigung  treiben ,  nicht  einmal  zu  gedenken ,  dass  in  manchen 
Gegenden  der  Betrieb  der  Bergwerke  allein  einigen  Nutzen  aus  dem  vorhandenen 
Holze  oder  sonstigen  Brennmaterial  ziehen  lässt.  Überdiess  ernährt  der  Bcr'^iuiu  viele 
tausend  Arbeiter  aj  mit  ihren  zahlreichen  Familien,  und  trägt  dabcy  zum  Unterhalle 
so  vieler  andern  bey,  welche  mit  ihm  in  näherer  oder  entfernterer  Verbindung  ste- 
hen. Endlich  gewährt  der  Bergbau  verschiedenen  europäischen  Staaten  eine  jährliche 
Einnahme  von  mehreren  Millionen  Gulden  Oj,  die  noch  bedeutender  seyn  würde, 
wäre  hier  und  da  der  Holzmangel  nicht  so  gross,  die  Kohlen,  das  Schiesspulver  und 
die  Lichter  nicht  so  theuer,  und  der  Einlösungspreis  mit  dem  Markt- und  Ausmim- 
zungsprcise  nicht  im  Missverhällnisse. 


i38  II.  Urproduclioii.  §.  69.  Edle  Metalle. 

Die  an  mineralischen  Produclen,  voinclimlich  an  Metallen,  reichsten  und  den 
stärksten  Bergbau  treiijenden  Länder  in  Europa  cj  sind  :  Deutschland  j  Ungern  und 
Siebenbürgen  j  dann  Grossbritannien  j  Frankreich,  j  Schweden  j  Norwegen  und 
Russland  j  letzteres  besonders  in  seinem  asiatischen  Anihcile.  Spaniens  und  Portu- 
gals Gehirne  sind  nicht  minder  reich  an  iMctallon;  aber  der  Bergbau,  besonders  auf 
edle  Metalle,  wird  daselbst  vernachlässigt,  da  die  amerikanischen  Colonien  sie  bisher 
in  jMenge  lieferten.  In  Italien  und  der  Schweiz  werden  die  Mineralien,  aus  Mangel 
all  Unternehmungsgeist,  nicht  so  häufig  zu  Tage  gefördert,  als  man  erwarten  dürfte, 
und  in  der  2Yu-kej  werden  die  Schätze  des  Mineralreichs ,  von  dem  man  auch  die 
allerwenigsten  Nachrichten  hat,  aus  Unkunde  und  Trägheit  wenig  benutzt.  Dagegen 
sind  Dänemark  und  Holland  so  arm  an  Mineralien,  dass  jenes  nur  Bausteine ,  Marmor 
und  dergleichen  als  inländische  Producte  des  Mineralreichs,  dieses  aber  kaum  Steine 
zum  Bauen  aufzuweisen  hat. 

Die  geschicktesten  mid  fleissigslen  Bergarlieiter  sind  die  Deutschen  j  vornehmlich 
die  SachseUj  die  man  überall  sucht,  besonders  wenn  neue  Bergwerke  in  Gang  gebracht 
W'erden  sollen.  Auch  dienen  die  Deutschen  in  der  Geognosie  und  Mineralogie  allen 
übrigen  Nationen  zu  Lehrern. 

fl)  So  arbeiten  z.  B.  in  den  russischen  Berg-  und  Hüttenwerken,  nach  c.  TVichmann ,  120,424 
Beamte  und  Meislerleute,  und  228,735  zugeschriebene  Bauern ,  nach  den  Götting.  gel.  Anz. 
(i8o2.  St.  ß2.  S.  814)  im  Ganzen  über  400,000  Menschen ,  worunter  mehr  als  3oo,ooo 
Bauern.  —  Im  brillisckeii  Reiche  beschältiget  bloss  der  Sleinkohlenbau ,  nach  Fillejcsse  ^ 
über  100,000,  in  Frankreich  —  nach  eben  demselben  —  70,000  Menschen.  —  In  Ungern, 
steigt  die  Zahl  der  sämmtlichen  Bergleute  ,  nach  f.  Schwarlner ,  auf  3o,ooo ,  nach  Rohrer, 
auf  70,000,  grössten  Theils  Deutsche,  auch  Slaven  und  Walach en  ,  aber  keine  Ungern,  die 
die  Grubenluft  scheuen,  und  wenig  Lust  zum  Bergbau  zeigen.  S.  des  Frejh.  c.  Hormajr 
Archiv  a.  a.  O.  1811.  Nr.  94  u.  95.  S.  4o3. 
b)  So  beträgt  z.  B.  die  jährliche  reine  Einnahme  der  russischen  Krone  bloss  ■\on  der  Metail- 
production  ,  nach  Brunn  (S.  N.  A.  D.  Bibl.  Bd.  io3.  S.  160),  3,o25,995  ,  nach  Herrmann, 
6,463,535  Rubel  (S.  Götting.  gel.  Anz.  1812.  S.  i25),  nach  t«.  ^''«c/una/z«  gar 77  Miil.  Rubel. 
f)  Der  jahrlich  zu  Tage  geförderte  Mineralreichlhum  der  europäischen  Länder,  mit  Inbegriff 
der  Ausbeule  der  i/jarti.sc/te/i  und /)or(!ig-i"es(.sc/i8«  Colonien  in  Amerika,  beträgt,  nach  J'ille- 
Josse ,  952,i5o,ooo  Frauken,  wü^on  auf  Europa  üoi,25o,ooo  Fr.  kommen. 

a)     Metalle. 

§•   69. 
aa)     Edle. 

Zu  den  edlen  oder  feuerbeständigen  Metallen  gehören:  i)  das  Gold  (aurum). 
Man  findet  es  theils  gediegen,  theils  vererztj  im  erstem  Zustande  auch,  oljwohl  nur 
in  sehr  Ideiiien  Körnern,  im  Flusssande,  da  es  dann  Waschgold  genannt  ^^'ird,  weil 
es  von  den  fremden  Theilen  durch  blosses  Waschen  oder  Seifen  gereiniget  wird.  Die 
vornelmisien  goldführenden  Flüsse  in  Europa  sind:  die  Aranfosch „  die  Koros  j  die 
Marosch,,  die  Sainosch  _,  die  Temes :,  die  Bistriza  d^oro  ,  die  Drau  ^  die  Muhr  _,  der 
Fiheiuj  die  JEdcr_,  die  JFatlawa  n.s.vi.aj.  Bey  weitem  reicher  an  Goldsand  aber 
ist  Amerika^  voinchmhch  Peru  und  Brasilien,  so  wie  Afrika^  wo  vorzüglich  der 


]I.   Urproduclion.  §.  Gg.  Edle  Metalle.  l3g 

ö.stliche  Tlieil  von  Guinea  goldreich  ist,  und  dcs.sliall)  ancli  die  Goldkiisfe  genannt 
^N\vAbJ.  Übeilianpt  hat  Europa  j  m.  Vcrgleicliniig  mil  andern  EiiUlicilen,  insonder- 
heit mit  Ameriku j,  wenig  Gold,  o])sehon  man  es  in  unserni  Erdllieile  liaiiligcr,  als  es 
wirklich  gefunden  wird,  zu  Tage  fördern  könnte,  wollte  man  auf  dessen  Aufsucjiung 
luid  Scheidung  mehr  Fleiss  und  Kosten  wenden.  Nach  Ilrn.  v.  Humboldt  lieferten  die 
sdmmllichcn  spanisch-  imd  portugiesisch- ameri/canischcji  Bergwerke  (in  Neuspa- 
nien ^  PerUj  Chili  j  Buenos-Ajres :,  Neugranada  und  Brasilien)  zu  Anfange  des  ig. 
Jahrhunderts  jährlich  8o,000  Mark  Gold,  an  welchem  herrlichen  Ganzen  Brasilien 
allein,  das  goldreichste  Land  in  der  Welt,  mit  32,ooo  TNIark  Antheil  nahm  cj.  Dage- 
gegen  beträgt  die  gesamnue  Goldausbeute  in  Siebenbürgen  dj  (dem  europäischen 
Brasilien)  nur  3ooo  Mark,  und  in  Unger-n  ej ,  deni  nächst  Siebenbürgen  goldreich- 
sten Lande  in  Europa ,  1464  Mark.  Noch  geringer  ist  der  Goldcrlragin  DeutschlandfJ 
und  Schweden  gj;  in  Portugal ^  Spanien _,  Neapel  wnA  Sicilien  ^ihi  es  Gold,  aber 
es  wird  nicht  darauf  gebauet,  und  in  Frankreicli  j  Irland  und  Sardinien  findet  man 
nur  unbedctitende  Goldspuren.  Russland  gewinnt  zwar,  nach  l\ri\.  Herrmann j,  im. 
Durchschnitte  jährlich  41  Pud  (a  40  Phmd)  Gold,  a])er  nicht  in  seinem  europäischen, 
sondern  in  seinem  asiatischen  jlnthcile  hj.  Hr.  T^ill fasse  schlägt  die  Totalmasse  des 
in  Europa  jährlich  gewonnenen  Goldes  auf  53oo  mid  in  Nordasien  auf  2200  Mark  au. 
Nach  Hrn.  Hassel  aber  beträgt  das  jährliche  Erzeugungs-Quantum  an  Gold  in  Europa 
imd  Sibirien  im  Ganzen  81  ig  Markj  davon  rechnet  er  au[ Oest erreich  4780,  au(  Russ- 
land  mit  Sibirien  33oo,  auf  Pr^eussen  12,  auf  Schweden  10,  auf  Hanouet'  g  tuitl  auf 
Baden  8  iMark,, —  2)  Das  Silber  (argentum)  findet  sich  ebenfalls  theils  gediegen, 
theils  vereizt;  im  ersten  Znstande  zuweilen  in  Centner  schweren  Blöcken  ij.  An  die- 
sem edlen  Metalle  ist  Europa  zwar  reicher  als  an  Gold,  doch  bey  weitem  jiicht  so 
reich,  wie  Amerika j  insonderheit  Neuspunien  oder  Mejcico _,  wo  jetzt  (seit  den  vier 
letzten  Decennien)  Guanaocuato ^  Z,acatecas  und  Catorce  die  allerreichsteu  Silber- 
Lergwerke  in  der  Weh  sind.  Ein  einziger  Gang  von  Guan a. ruatn  hcSevt  n\ehv  ,  als 
^  alles  amerikanischen  Silbers  ,  dessen  zu  Anfange  des  ig.  Jahrhunderts  jährlich 
3,840,000  Mark  zu  Tage  gefördert  wurden,  wozu  Mexico  allein  jährlich  im  Duich- 
schnitt  2^  Mill.  lieferte  kj.  Nächst  den  "besagten  mexicaniscJien  Silbergruben  isl  am 
ergiebigsten  das  reiche  Bergwerk  von  Potosi  IJ.  In  Eu?'opa  sind  die  reichsten  Sill>er- 
mlncn  die  deutschen  mj  imd  utigrischen  JiJ ,  jene  mit  i.'iOjOOO,  diese  mit  8g — g2,58o 
Mk,  Ertr,".';;  nächst  diesen  die  siebe?ibürgischen _,  mit  5700  Mk.  Ausl)cule.  Die  .libii- 
gen  bekannten  europäischen,  aber  nicht  beträchtlichen  Silberhergwerke  sind  in  Frank- 
reich oj  j  Schweden  pj  j  Norwegen  qj  _,  Savoyen  rj  und  Sardinien  sj.  In  Portu- 
gal j  Spanien  j  Treupel  mid  Sicilien  gibt  es  Silber  (in  Spanien  auch  Piatina  haltige.s) ; 
es  wird  aber  nicht  aufgesucht  und  ans  Licht  gezogen.  Russlands  .Silberproduction  tj 
ist  bedeutend;  nach  Herrmann  i25o,  nach  v.  l f 'ichinann  i3ooV^id  stark;  es.  gilt 
aher  hier  dieselbe  Bemerkung,  die  oben  in  Ansehung  der  russischen  Goldei-zengung 
gemacht  wurde,  f^'illefosse  schätzt  die  Tolalmasse  des  jährlich  in  Europa  erzeugten 
Silbers  auf  2i5,ooo  ,  und  in  Russisch-Asien  auf  88,700  Mk.  Nach  Hassel  aber  be- 
trägt das  jälirlichc  Erzeugungsquantum  an  Silber  in  Europa  und  Sibirien  355,982 
Mk.  Davon  koimnen : 

iS* 


140  II.   UqM-oductioa.  §.  69.  Edle  Mclalie. 

auf  Russland  m'ii  Sihh'ien    .  ioo,o3o  Mk.  auf  Sardinien 2,35o  Mk. 

—  OesterreicJi       ....  96,687  —  —  Anhalt-Bernburg       .     .  1,212  — 
< —  Sachsen 02,488  —  —  BraunscJiweig       .     .     .  1,000  — 

—  Ilanover 5o,238  —  —  Baden 5go  — 

—  Prenssen 22,322  —  —  Nassau 110  — 

—  Frankreich       ....  4,3oo  —  —  CJnirJiessen       ....  2.5  — 

—  SchwedenmxtlSor^vegen  2,73o  — 

3)  Piatina  (VVeissgold,  ])Iatinum),  ein  nicikwürdiges,  in  Europa  erst  seit  1748  be- 
kannt f^ewordenes  Metall.  Es  wird  jetzt  nicht  bloss  boy  Quito  und  Santa  Fe  va.  Peru, 
und  vornehndich  in  den  Gruben  von  Clioco  und  Barbados  in  j^eiigranada,  sondern 
auch  in  Brasilien  imd  St.  Domingo  gefunden.  Seine  Farbe  ist  dunkel  zinnweiss ,  und 
hält  das  Mittel  zwischen  der  Farlje  des  polirlcn  Eisens  und  des  Silbers.  Wird  es  von 
seinem  Eisengehalte  gereiniget ,  so  ist  es  der  schwerste  Körper  in  der  Natur.  Es  kommt 
in  Gestalt  kleiner,  mehren theils  flacher  Körner  nach  Europa  mid  ist  selten.  Spanien 
hat  zwar  Piatina  hakiges  Silber;  es  wird  aber  nicht  benulzt. 

ü)  Die  Goldwäscheroyen  in  Siebenbürgen  ,  im  Banal,  in  der  Moldau  und  J-Valacl^ey  beschäfti- 
gen einige  tausend  Walachen  und  Zigeuner  beyderley  Geschlechts.  Am  ansehnlichsten  loh- 
nen die  siebenb'urgischen  Flüsse.  Acht,  bisweilen  auch  zehn  CenUier  beträgt  der  Schatz  des 
Goldes,  das  aus  ihrem  Sande  jährlich  gesichtet,  und -nach  Szalathna  zur  Einlösung  ge- 
bracht wird.  S.  Sarlori's  Länder-  und  Völkermerkwürdigkeiten  des  österreichischen  Kaiser- 
thumes.  Tbl.  i.  S.  20g — 2i3.  —  Uie  Gold\väscliereyen  in  Croalien  liefern  jährlicli  i55o^— 
1860  Ducaten  nach  Ff^arasdin,  Prelok  und  Canisa  zur  Einlösung.  S.  iSar/oWs  Naturwun- 
der 3.  a.  O.  Tbl.  2.  S.  232  fl".  —  Aus  der  Bistriza  d'oro  in  der  Eukowin  wurden  im  Jahre 
i8o3  7  Pisets  Gold  gewaschen  und  eingelöset.  —  Aus  dem  Sande  des  Rheins  wird  von  Chur 
bis  Dorlrechl  hinab  ,  schon  seit  Jahrhunderten  Gold  gewaschen.  Vornehmlich  wird  dieser 
Industriezweig  in  dem  Grossherzogthume  Baden  betrieben.  Von  1790  —  i8o2  wurden  da- 
selbst 2o36  Kronen  und  46  Gran  Goldes  gewonnen,  welche  in  Geldwcrth  gi65  fl.  4i  kr- 
ausmachten, und  nach  Abrechnung  von  ti.55g(l.  Unkosten  einen  reinen  Gewinn  von  2606  fl. 
41  kr.  gaben.  S.  Correspondent  v.  u.  f.  Deutschland.  i8i2.  JNr.  54- 
i)  Den  daselbst  gesammelten  Goldstaub  tauschen  die  Europäer  gegen  allerley  Waaren  von 
den  Landesbewohnern  ein  ,  und  führen  ihn  nach  Europa.  Bekanntlich  erhielten  die  engli- 
schen Guiiieen  \  on  diesem  guineeischen  Golde  ihre  Benennung. 

c)  S.  H.  A.  L.  Z.   1812.  Nr.  61.  S.  484. 

d)  Vierzig,  nach  andern  mehr  als  hundert.  Gruben  stehen  in  den  Goldgebirgen  zwischen  der 
Avanjnsch  und  Marosch  im  Bau  auf  Gold  ,  und  sind  zugleich  silberhaltig.  Die  grössle  Aus- 
beute geben  die  Goldminen  zu.  Szekerembe  bey  Nagj'-Ag  (wo  das  Erz  aus  zwey  Theifen  Gold 
und  einem  Theil  Silber  bestchl) ,  zu  J  öröschpalak  ,  Szalathna  ,  Fazebay  und  Köresbanja. 

e)  Auf  Golderze  wird  zu  Böcza  ,  Majurka ,  Tajou-n  und  Budfalca  gebauet,  und  die  goKheich- 
sten  Silbererze  enthalten  die  Bergw^ke  zu  Krenmitz ,   Schemnitz ,    Nagr-Banja  und  Kapnik. 

f)  Salzbu7-g  erzeugt  noch  das  meiste  Gold  ,  am  hohen  Goldberge  in  der  Rauris  ,  am  Hierzba- 
che  in  der  Fusch  und  zu  Böckstein  bey  Gastein;  doch  lange  nicht  mehr  so  \iel  (jährlich, 
nach  einem  zehnjährigen  Durchschnitte,  i65  Mark)  als  ehedem.  S.  Schalles  Heise  auf  den 
Glöckner.  Thl.  3.  S.  96.  Die  übrigen  deutschen  Bergwerke  sind  in  Ansehung  der  Golder- 
zeugung unbeträchtlich.  Auf  dem  Harz,  nahmcntlich  uni^  dem  RamineLbergc ,  scheidet  man 
aus  den  daselbst  gewonnenen  Silbererzen  jährlich  nicht  über  i2  Mark,  und  das  Gold,  wel- 
ches aus  den  Beichenberg' sehen  Arsenikerzen  gewonnen  wird ,  beträgt  noch  nicht  5oo  Rthlr. 
S.  FoigteVs  Versuch  einer  Statistik  des  preussisclien  Suates.  S.  86.    —  In  Böhmen   wird   zu 


n.  Urproduction.   §.  69.   Edle  Metalle.  141 

Berg-Reichensiein  uiiil  Libaiui  etwas  Gold  gewonnen ;  auch  bauet  man  zu  Sc/iwarzthal  und 
bey  Eule  seit  einigen  Jahren  von  neuem  auf  Gold.  Letzteres  Bergwerk  war  einst  so  reich  , 
dass  es  ein  Jahr  gab,  da  aus  der  einzigen  Fundgrube  Tobalka  100,000  Mark  Goldes  zu  Ta- 
ge gefördert  wurden.  Ziska  Hess  aber  1421  die  reichsten  Gruben  des  von  ihm  eroberten  L'u/e 
verschütten;  seitdem  blieb  der  Bergbau  hier  unbedeutend  ,  und  wurde  zeitweise  auch  wohl 
ganz  aufgelassen. 
g)  Nur  bey  Adeljors  im  smäliindischen  Kirchspiele  /Ihheda.  Aus  1  Ctr.  rein  gewaschenem 
Schlick  ^  Loth  Gold  ,  aus  53  Ctrn.  io2  Ducalen. 

h)  Nahmentlich  in  den  Goldniinen  zu  Kalhari/ienöurg  und  in  den  Silberbergwerken  zu  Kolj- 
(i^an  ,  Nerlschinsk  und  Beresow. 

i)  Vorzüglich  in  den  Bergwerken  zu /fo«g^s6crg  in  Norwegen  ,  Schneebe'rg  in  Sachsen  und  5c^/an- 
geiibcrg  in  Sibirien.  Im  17.  Jahrh.  kamen  zu  Korigsberg  zuweilen  Silberklumpen  von  70  — 
5oo  Pf.  vor.  Das  grösste  gefundene  Stück  gediegenen  Silbers,  welches  noch  jetzt  in  der 
königl.  Kunstkammer  zu  Kopenhagen  aufbewahret  wird  ,  wiegt  56o  Pf,  und  hat  ÖoooRthlr. 
an  innerm  Werth.  S.  Allg.  geogr.  Ephem.  Bd.  3U.  S.  342  ff. 

/r)  S.  H.  A.  L.  Z.  1811.  Nr.  60.  S.  477- 

l)  Nach  der  neuen  Ijandes-Eintheilung  gehört  dieses  Bergwerk  nicht  mehr  zu  Peru,  ,»ond<iii 
zu  dem  Vicekünigreich  Buenos-Ajres.  —  Nach  Hrn.  f.  Humboldl's  Berechnung  beträgt  die 
ganze  Masse  des  in  Amerika,  seit  dessen  Entdeckung  1492  bis  zum  J.  i8o3  gewonneneu 
Goldes  und  Silbers  6706  Millionen  Piaster.  Da\on  sind  aus  den  spanischen  Besitzungen  ge- 
kommen 485i  Mill.  ,  aus  den  portugiesischen  855  Mill.  ,  und  darunter  \varen  an  Gold  i348 
Mill. ,  an  Silber  4358  Mill.  Von  jener  Totalsumme  (5706  Mill.),  mit  Dazurechnung  des 
Goldes  und  Silbers,  was  die  Europäer  in  den  ersten  Zeiten  nach  der  Entdeckung,  vor  an- 
gefangenem  Bergbau,  den  amerikanischen  Eingebornen  gewaltsam  abgenommen  haben,  wa- 
ren 5445  Mill.  Piaster,  während  des  bemerkten  Zeitraumes,  wirklich  nach  Europa  gekom- 
men. Seitdem  ist  der  Werth  der  edlen  Metalle  in  Europa  gesunken  ,  dagegen  der  Preis  des 
Getreides  um  das  Dreyfache  gestiegen,  und  das  ganze  Finanzwesen  anders  gestaltet  worden. 
Allein  mehr  als  die  Hälfte  des  aus  Amerika  nach  Europa  gebrachten  Goldes  und  Silbers 
fliesst  auf  drey  Wegen  wieder  aus  diesem  Erdtheilo  ab:  1)  nach  der  Levante,  Ägypten  und 
der  Nordküste  von  Afrika;  2)  auf  dem  grossen  Seewege,  um  das  Vorgeb'rge  der  guten  Hofl- 
nung,   nach  Ostindien  und  China;  3)  auf  dem  Landwege  durch  Russland  nacli  Asien. 

Hl)  Wozu  die  sächsischen  Bergwerke  allein  an  52 — 53, 000 ,  der  Harz  an  5o,ooo  Mark,  und 
nächst  diesem  die  österreichisch-  und  preussisch-denisclwn  Provinzen  den  stärksten  Antheil 
liefern. 

n)  Wozu  Schemnilz  und  Krcmnilz  in  dem  niederungrischen  Bergdistrictc  66,38o,  und  dieNa^y- 
banj-er  j  Schniölnitzer  und  JJdnater  BergiUMeve  in  dem  oberungrischen  Bergdistrictc  zwischen 
23,000  bis  26,000  Mark  be)tragen. 

o)  Nalmientlich  in  den  Departements  der  Nordküsle ,  Orne  und  Jsere. 

]t)  Zu  S-ilbe.rg  bey  Säla  in  Westmannland,  nur  mit  einem  jährlichen  Erlrage  von  2ooo  M.  S. 
Allg.  geogr.  Ephem.  Bd.  24.  S.  2i3. 

(/)  In  der  Gegend  von  Gumerud.  Das  Silberbergvverk  zu  Jarlsberg  ist  eingegangen  (s.  Allgem 
geogr.  Ephem.  Bd.  38.  S.  349)5  und  zu  Kougsberg  ist  im  J.  1806  der  Bergbau  bis  auf  drey 
schwach  betriebene  Gruben  gänzlicli  eingestellt  worden.  Über  dem  Eingange  der  Schmelz- 
hütte steht  die  ominöse  Inschrift:  Eigennutz  und  Undank  ist  der  Bcrgti^trk'  Untergang.  S. 
Allg.  geogr.  Ephem.  Bd.  38.  S.  344  ff- 

;■)  Es  liefert,  jährlich  ungefähr  40  Myriagranimen  Silber,  im  Werthe  von  100,704  Fr.  S.  Allg. 
geogr.  Ephem.  Bd.  26.  S.  428. 

4)  Zu  Villaiglesias. 

t)  Zu  Kolj-n-'aiLj  Schlangenberg ,  Nerlschinsk  und  Beresow. 


l4«  II.  Urproduclion.  §.   70.  Unedle  Melalle  ;  Kupfer. 

bb)       Unedle. 

§•    70- 
1)    R  u  p  f  e  r. 

Mit  unedlen  und  iinenibehrliclicn  Metallen  ist  Europa  reiclilicli  versehen.  Das 
meiste  Kupfer  (cuprum)  liefert  Grossbvltannlen  aj  ;  nächst  diesem  besitzen  die 
reichsten  Kugfergruhen  Ungern  bj  ^  Deutschland  c)  und  Sclnveden  dj.  Russland j 
fiir  welches  Reich  dieses  Erz,  als  Münze  und  Metall,  besonders  wichtig  ist,  erzeugt 
zwar  tun  die  Hälfte  mehr  Kupfer  ej  ,  als  Ungern  ;  zu  dieser  Production  aber  trägt  das 
asiatische  Russland  bey  weitem  mehrbey,  als  das  europäische.  Ausserdem  wird  Ku- 
pfer in  Portugal  fj  j  Spanien  gj  _,  Fraiih-eich  lij  j  den  südlichen  Provinzen  der 
Niederlande  ij  j  in  Italien  kj  ^  Siebenbürgen  Ijj  der  Bukowina  inj  ^  Polen  nj  und 
Norwegen  oj  gewonnen.  Die  Toialmasse  des  jährlich  in  Europa  und  Sibirien  erzeug- 
ten Kupfers  schlägt  Hr.  Hassel  auf  408,847  Gtr.  an.  Zu  diesejn  Erzeugungsquantum 
liefern  den  stärksten  Anlheil  folgende  Staaten,  und  zwar: 

GrossbrHtannien     ....   190,000  Gtr,    Schweden 33,355  Gtr. 

nach  Fillefusse  gar.    .     .  200,000  —      Hessen-Darmstadt     .     .     .       5,700  — 

Russland  mit  Sibirien      .     .     8i,o53  —      Hanover        2,144  — 

Oesterreich        54,757   —      Frankreich 2,000  — 

Preussen        34,235  —  nach  Galletti  gegen      .     .       6,000  — 

nach  P^oigtel  nnr  etwa  11  — 12,000  — 
Für  das  allerbeste  Kupfer  hält  man  das  japanische ;  auf  dieses  folget  das  i/Ä;V't^c//e. 
In  Europa  ist  von  vorzüglicher  Güte  das  englische  j  schwedische  und  ungriscJie  _, 
besonders  das  zu  JVeumoldawa  gewonnene  j  es  soll  weicherund  besser,  als  irgend  ein 
andres  europäisches  seyn  pj.  —  Ce/ne7^</l7//?/(?^  <7j  wird  hin  und  wieder  in  Deutsch- 
land ,  Schweden  und  Norwegen,  vornehmlich  aber  in  Ungern  rj  gewonnen.  —  Na- 
türliche Farben  von  verwitterten  Kupfererzen  sind  Aas  Berggrün  und  Bergblau  j  wel- 
che Farben  fast  in  allen  Kupferbergwerken  vorkommen. 

a)  Nalimcntlich  Anglesea  ,   Cuniberland ,    vornehmlich  aber  CornwaUls ,  wo  man  über  100  Ku- 
pfergruben   zählt,    und    wo   auch    gediegenes   Kupfer   von    vorzüglicher   Schönheit  angetrof- 
fen wird. 
Z))  Es  liefert  jährlich    4O5160    Ctr.    Kupfer,    wozu    der  uiederangrische   Bergdistrict   4200,    das 
schmölnilzer  Bergveiner  25, 000  ,    das  iiagj'-Lan^er  3ooo  ,  das  banaler  7000  und  das  croalische 
060  Ctr.  liefern. 
c)  Vornehmlich  in  der  Grafschaft  Manns  fehl,  in  Tj-rol,  Stejermark,  Haiioi^er,  Hessen-Darmsladt 
und  ff^aUleck ,  welches  letztere  Fdrstentiiuni ,  nach  Hock  ,  jährlich   über   8000  Ctr.  Kupfer 
gewinnt, 
ri)  Besonders   bey  Fahirt    in  Dalekarlien  ;  doch    ist  diese  Kupfergrube  nicht  mehr  so  ergiebig, 
wie  in  vorigen  Zeiten.  Unter  CarllX.  lieferte  sie  jährlich  i2 — i5,ooo  Schiffspfund,  und  i65o 
über  20,000;  jetzt  ist  der  Ertrag  selten  5ooo  Seh.  Pf.  oder  14,000  Ctr.  S.  Allg.  geogr.  Ephem. 
Bd.  35.  S.  202. 
«)  Im  Durchschnitt  jährlich  202,637  Pud  oder  81, 062^  Ctr.  S.  Götting.  gel.  Anz.   i8i2.  S.  124. 
Es  \vird  am  meisten  im  uralischcii ,  allaischen  und  olonezischen   Gebirge  zu  Tage  gefördert. 
Die  Krone  hat  den  Zehnten  von  allem  Garkupfer  der  Pri\  algewerke ,   sodann  noch  den  Vor- 
iheil ,  dass  letztere  die  Hälfte  der  Kupferausbeute  an  die  Krone  abliefern  müssen ,  und  zwar 


II.  ürproduction.  §.  71,  Unedle  Metalle:  Eisen.  i43 

das  Pud  Garkupfer  für  7  Rubel,  ob  es  gleich  auf  dem  Markte  2o — 25  Rubel  gilt.  S.  i>.fVich- 

mann  a.  a.   O.  S.   i2o. 
/)  Zu  Anduros. 
g)  Vorzüglich  zu  Niebla  und  hey  Plalina  unweit  Molina,  auch  in  Andalusien ,   Aragonien ,  Na- 

i>arra  und  bcy  Canigo  in  Gatalonien.  Das  Rupfererz  ,  das   aufgelöst   das   Spanischgrün  gibt , 

wird  bey  Cordova  gegraben.  Im  Durchschnitt  gewinnt  Spanien  jährlich  3oo  Ctr.  Kupfer. 
h)  Nahmentlich  in  den  Departements  der  Ober-  und  Niederpjrenäen,  der  Oberalpcn,  des  Rhone 

und  Ai'tv'ron.  Die  wichtigsten  Kupferwerke  sind  die  von  Sainl-Belle  und  Chessj-  muvdlhyon. 
i)  Nahmentlich  in  Narnur  und  Lattich. 

h)   Nahmentlich  in  Sacoyen  ,  zu  Agorda  im  Veuctianischen  ,  in  IScapel  u.  s.  w. 
l)  Zu  Dei^a  und  Szendomokos.  Das  Kupferbergwerk  zu  Deva  liefert  allein  jährlich  über  32oo  Ctr. 

Kupfer, 
m)   Zu  Jakoben^, 
n)  Zu  Miedziana  Göra. 
o)  Bey  Lükkens  oder  Meldal ,  Selboc  j  \ornehnilich  aber  bey   Köraas,    dessen   Bergwerke    seit 

Jahrhunderten  jährlich  2ooo  und  einige   hundert  Schiffspf.  Kupfer  liefern.    S.    Monatl.    Cor- 

respondenz  u.  s.  w.  a.  a.   O.   1810.  July.  S.  83. 
/))  S.  Hesperus.  i8i5.  Nr.  25.  S.  ig5. 
7)  Es  entsteht  durch  Ceinent-  oder  Kupferwasser ,  welches  mittelst  der  Vitriolsäure  aufgelöstes 

Kupfer  mit  sich  führt,  und  in  den  Bergwerken  von  den  Wänden  der  Gruben  herabtröpfelt, 

oder  aus  der  Erde  hervorquillt.    In  dasselbe  legt  man  Eisen,  dessen  Theile  es  auflöst,  und 

dafür  Kupfcrtheile  ansetzt.    . 
r")  Nahmentlich  zu  Herrengrund  und  Schmölnitz ,  wo    das    Cement-   oder   Kupferwasser    durch 

Maschinen  aus  den  Berghöhlen  heraufgepumpt,  und   in   Rinnen  mehrere  looo  Klafter  weit 

geleitet  wird.  Man  schlägt  die  Quantität  des  hier  jährlich  erzeugten   Cementküpfers  auf  i2 

- — i5oo  Ctr.  an. 

§•  71- 

2)       Eisen. 

Das  gemeinste,  al)cr  aiicli  nützlicliste  aller  INIetallc,  Aas,  Eisen  (ferruni),  kuninit  fast 
allentlialben  in  Europa,  und  in  mehreren  Landern  dieses  Erdtlieils  in  so  reichem  .Maas.se 
vor,  dass  sie  nicht  nur  ihren  hinlänglichen  Bedarf  an  diesem  Metalle  haben,  sondern 
auch  viel  davon  noch  ausfuhren  können.  Das  meiste  Eisen  ^  aber  nicht  von  besonderer 
Güte,  liefert  jetzt  Grossbritannien  a) ;  nächstdem  haben  den  grössten  Reichthmn  an 
diesem  Metalle  Frankreich  h)j  Deutschland  c)j  Russland  d)_,  Schweden  e)  imd  Nor- 
wegen/);  sonst  aber  gibt  es  auch  in  Ungern  g) _,  Siehenbürgeti  h)  j  Galizien  /)  und 
der  Bukowina  k)  _,  so  wie  in  Italien  l)  j  Spanien  ni)  luid  den  südlichen  Provinzen  der 
Niederlande  n)  sehr  ergiebige  Eisenbergwerke.  Das  Totalquantmn  des  jährlich  in  Eu- 
ropa zu  Tage  geförderten  Eisens  gibt  Hr.  Hassel  zu  15,627,098  Ctr.  an.  Zu  dieser 
Ausbeute  liefern  den  stärksten  iintheil  folgende  Staaten : 
Grossbritannien       .     .     .  3,654,ooo  Ctr.    Preussen 465,723  Ctr. 

nach  Villefosse  gar    .  5,üoo,ooo  —      Baiern 56o^ooo  — 

Fi-ankreicli 2,gig,86g  —      Spanien 180,000  — 

Russland 2,35.5,583  —  nach  andern  iiljer  .     .      3oO;000  — 

Scluveden  mit  Norwegen  i,65o,ooo  —      Sitrdinien        i5o,ooo  — 

Oesterreich i,ä8o,ooo  —      Sachsen 80,000  — 


l44  II.  Urproduction.  §.   ■ji.  Unedle  Metalle:   Eisen. 

Braunschweig     ....        62-,25o  —      Hanover     .:....        4i,356  — 
TVüvteinberg        ....        60,000   —  nach  Hock    ....      121,828  — 

nach  Hock  nur       .     .        3o,ooo  —      Die  jSlederlande      .     .     .        27,042  — 

Churliesseri 58,ioo  —      Nassau       ......         i5,ooo  — 

nach  fföck   ....        96,000  — 
Die  Eisenpro dnction  würde  indessen  in  mehreren  der  besagten  Länder  noch  grösser 
seyn,  könnte  man  überall  die   Hüttenwerke  mit  dem  nöthigcn  Brennmateriale  verse- 
hen ,  mid  müssten  nicht  aus  Mangel  an  Holz  und  Kohlen  hier  imd  da  die  Schmelzhüt- 
len  oft  durch  lange  Zeit  feyern. 

Das  beste  Eisen  liefern  Schweden  _,  Stejermark  und  Kärnthen ;  ausserdem  wird 
es  von  vorzüglicher  Güte  im  Siegenscheu  j  in  der  Grafschaft  Mark  oj ,  auf  der  Insel 
Elba  und  in  Namur  und  Lüttich  gewonnen.  —  Eigeniliclie  Stahlgruben  gibt  es 
wenige  pj ;  der  meiste  Stahl  wird  aus  Eisen  durch  Kunst  bereitet.  Der  feine  englische 
Stahl  wird  aus  schwedischem  oder  steyermärkischem,  schon  von  den  Röjnern  geschiitz- 
Icu  Eisen  (noricus  chalybs)  ccmentirt. 

Das  so  seltene,  erst  in  den  neuern  Zeiten  entdeckte  Eisenchromerz  oder  Farben- 
metall besitzen  Frankreich  und  Oesterreich _,  nahmentHch  ÄYe^ermrt/Vi:  in  der  Gul- 
sen  bey  Kraubath,  wo  es  bergmännisch  gewonnen  wird.  Entdecker  der,  für  Künste 
und  Industrie  unschätzbaren  CA7'o;7i;7i/7je«  in  diesemLande,  ist  des  Erzherzogs  Johann 
kaiserliche  Hoheit^  der  die  verborgenen  Schätze  der  Natur  so  glücklich  zu  enthüllen 
strebet.  Dieses  rohe  Materiale  sowohl  als  die  daraus  bereiteten  Farben  sind  für  Oester- 
reich ein  llandclsartikel  selbst  in's  Ausland  geworden.  Vor  der  Auffindung  dieses  Far- 
benmelalls  im  Inlande  wurde  es  mit  grossen  Kosten  aus  Frankreich  bezogen. 

Ausserdem  verdient  hier  der,  flist  in  allen  reichhakigen  Eiscngiubcn  vorkommen- 
de, magnetische  Eisenstein  qj  eine  besondere  Erwähnung.  Dieses  Erz,  Ijekannf  un- 
ter dem  einfachen  Nahmen  Magnet  ^  unterscheidet  sich  von  andern  Erzen  durch  die 
höchst  merkwürdige  Eigenschaft,  Eisen  und  eisenhaltige  Körper  an  sich  zu  ziehen, 
und  sich,  wenn  es  frey  schwebet,  mit  gewissen  Puncten  allzeit  nach  einerley  Welt- 
Gegend  zu  kehren.  Diese  letztere  magnetische  Eigenschaft  gab  zu  der  so  wichtigen 
Erfindung  des  Compasses  Anlass,  der,  als  treuer  Wegweiser  der  auf  dem  weilen 
Wellmeere  runherirrenden  Seefahrer,  auf  die  Beförderung  der  Schifffahrt,  des  Han- 
dels und  der  Erd-  luid  Völkerkimde  einen  migemein  grossen  Eiafluss  hat. 

a)  Es  gewinnt  bereits  so  viel  Eisen,  dass  es  das  nordische  Eisen  fast  ganz  enlbeJiren  kann. 
Die  Erfindung  des  Gebraucfis  der  Steinkohlen  zur  Verfertigung  des  Eisens,  die  hohen  Prei- 
se des  russischen  und  schwedisciien  Eisens ,  in  Verbindung  der  mannigfaltigen ,  immer  all- 
gemeiner werdenden  ,  in  keinem  andern  europäischen  Lande  so  weit  getriebenen  Verwen- 
dung dieses  Metalls  zu  Gegenständen,  wozu  man  sonst  andere  Materialien  benutzte  (s.  §.  ii2.), 
haben  die  Eisenproduclion  in  England  ausserordentlich  befördert.  Die  vorzüglichsten  Eisen- 
bergwerke in  ganz  England  sind  in  der  Nähe  \on  Ulcerston  in  Lancashire. 
b)  Vornehmlich  in  den  Departements  .-ir/iVge,  Mosel,  Meurlke,  Ardennen  ,  Jura  und  Obev- 
mariie,  in  welchem  letzteren  allein  jährlich  24o,i3o  Ctr.  Stabeisen  gewonnen  werden,  wo- 
zu 320,000  Ctr.  Roheisen  erforderlich  sind.  S.  Ergänzungsbl.  z.  Allg.  L.  Z.  i8n.  Nr.  43. 
S.  341  fr.  Bey  ?:Ionnaj^  einem  kleinen  Dorfe  im  Departement  Jura,  findet  man  gediegenes 


II.   Urproductiou.  §.   yx.  ÜQcdle  Melalle  :  Eisen.  ijjS 

Eisen   in    ungeheuren  Massen.    Der   sogenannte  Montagne  de  fer  ist  ein  walirer  Eisenfels.  S. 
Goiiiiig.  gel.  Aiiz.  i8oi.  S.  ioi3  ff. 

c)  Es  erzeugt  im  Ganzen  jährlich  ungefähr ,  wie  vorhandene  Schätzungen  besagen,  2,5oo,ooo 
Ctr.  ,  wozu,  nebst  ilena  Harz,  folgende  Lränder  den  stärksten  Antheil  liefern  :  Baiern  36o,ooo, 
Slej-ermark  3i5,ooo,  der  Harz  220,000,  Schlesien  219,070,  Böhmen  193,400,  Kärnlhen 
180,000  und  Krain  100,000  Cir. 

d)  Die  sänuntlichen  Krön-  und  Pri^  atbergwerke  des  russischen  Reichs  liefern ,  nach  Herr- 
nxann,  im  Durchschnitte  jährlich  9,722,776  Pud  oder 3,889, iio^l^Ctr.  Roheisen,  und  5,338,957 
Pud  oder  2,335,582i  Ctr.  Stabeisen.  S.  Gölting.  gel.  Anz.  i8i2.  St.  i3.  S.  124.  Das  russi- 
sche Eisen  kommt  nur  zum  Theil  aus  dem  europäischen  Russland,  grijssten  Theils  aber  aus 
Sibirien  ,   und  folglich  aus  Asien. 

e)  Das  seine  bedeulendsten  Eisengrub;:n  bey  Daneniora  in  Upland  hat,  die  jährlich  4O5OOO 
Scliiffspfund  oder  112,000  Ctr.  liefern,  und  deren  Erze  von  i5 — 70  Procent  halten.  D.e 
jährliche  Ausbeute  aller  schwedischen  Eisenminen  aber  schlägt  man  zu  1,293,489  Ctr.  an 
(s.  Gölting.  gel.  Anz.  i8i2.  St.  i3.  S.  124),  vvo\on  über  zwey  Driuheile  ausgeführt  wer- 
den. In  den  neuesten  Zeiten  erlitten  jedoch  die  schwedischen  Eisenhandlhierungen  ,  die  ih- 
re blühendste  Periode  in  den  J.  1780—  1800  hatten,  durch  die  bedeutende  Erweiterung  der 
Stabeisenfabrication  in  England,  und  durch  andere  Umstände  einen  empfindlichen  Sloss. 
S.  Gölting.  gel.  Anz.   1811.  St.   180.  S.   1795. 

/)  Es  erzeugt  jährlich  60,000  Schiffspfund  oder  168,000  Ctr.  Eisen  ,  wozu  das  Eisenwerk  bey 
Laurt'ig,  das  reichste  in  Norwegen,  allein  6  —  7000  Schiffspfund  nebst  2ooo  Schiffsplund 
Gusswaaren  liefert.  S.  AUg.  geogr.  Ephem.  Bd.  38.  S.  35o. 

g)  Vornehmlich  in  der  Gömörer  Gespanschaft,  wo  die  Eisenerze  so  häufig  sind,  das.s  das 
ganze  Königreich  damit  versehen  >verden  könnte;  ferner  in  der  Zipser ,  Liplauer,  Suhler, 
Abauji'arer ,  Borschvder  und  Biharer  Gespanschaft  und  im  Banal. 

h)  Wo  die  wichtigsten  Eisenbergwerke  zu  Hunjad ,  bey  Toroczk,)  Sz.  Gjövgy ,  zu  J'alza  und 
Danjalt^a  sind. 

i)  Wo  das  meiste  Eisen  im  Sirjerkreise  erzeugt  wird ;  dann  wird  auf  Eisen  gebaut  im  Zloi:zo~ 
wer-  und  Zolkiewerkreise  ,  dessgleichen  im  Samborer-  und  Sundecerkreine. 

A)  Wo  das  Eisenwerk  zu  Jakobeny  bekannt  ist. 

V)  Nahmentlich  in  Saooyen ,  Piemonl  und  auf  der  Insel  Sardinien;  dann  in  dem  lombardisch- 
venetianischen  Königreiclie  (nahmentlich  in  den  Delegationen  Brnsda  und  Bergamo),  in 
Neapel  (besonders  zu  Stilo)  und  auf  der  Insel  Elba,  wo  die  Eisengruben  in  der  Nähe  des 
Dorfes  Rio  schon  im  Alterthuine  berühmt  waren.  Ein  Berg ,  5oo  Fuss  hoch  und  eine  italie- 
nische Meile  lang,  findet  sich  hier,  der  fast  ganz  aus  Eisen  besteht.  Hundert  Pfund  Eisen- 
stein enthalten  75  Pfund  reines  Eisen.  Eine  dieser  Insel  besonders  eigenthumliche  Erschei- 
nung ist  das  krjstallisirle  Eisen  in  verschiedenen  Formen. 

Hl)  Dessen  Eisengruben  zu  Mondragou  und  Sommorosiro  in  Biscaya,  die  ersten  im  Reiche, 
allein  jährlich  über  3oo,ooo  Clr.  produciren ,  und  mit  den  übrigen  spanischen  Eisenminen 
in  Asturien ,  Nafurra  und  Arngoaien  so  \  iel  Eisen  gewinnen,  dass  davon  eine  belrächlliche 
Menge  noch  dem  Auslande  zugeführt  wird. 

/i)  Nahmentlich  in  Luxemburg ,  Xainur ,  Lütlich  und  Hennegau. 

o)  Wo  so  starkes  und  zähes  Eisen  gewonnen  wird ,  dass  ein  vierkantiger  Stab  desselben  ,  von 
der  Dicke  -'-  Zolles,  1702  Pfunde  trägt,  ohne  zu  brechen;  daher  es  besonders  zu  Draht 
verarbeitet  wird.  S.  Handbuch  einer  Statistik  der  deutschen  Bundesstaaten  von  D.  J.  D.  A. 
Hock  elc    Leipzig,   1821.  S.   11g. 

/;)  Nahmentlich  in  der  Schweiz,  in  Piemont ,  im  ehemaligen  Elsass  und  in  Biscara. 

(;)"Die  meisten  Magnelberge  finden  sich  in  Sibirien,,  wo  der  Magnetberg  Kalschkanar  am  Iss 
jelzt  die  kräftigsten  Magnete  liefert. 

19 


i4^  U.  Urproducliou.  5.  72.  Unedle  Motaile  :  Bley.  . 

§•  72- 

3)      B     1     e     y. 

Das  ^/e;- (plumbiim),  näcLst  dem  Eisen  das  nützlichste  Metall,  dessen  wenige 
Handwerker  entbehren  können,  ist  in  Europa  ebenfalls  hiiulig  anzutreffen.  Die  ergie- 
higslen  Bleygruhen  finden  sich  in  Grossbritannien  j  besonders  in  DurhamjJSorthum- 
berland  uwACumberland;  nächstdem  in  Deutschland  ^  vornehmlich  auf  dem  Äa/'s  a), 
in  Kävntlien  b)j  Böhmen  c)  _,  Sachsen  d)j  Pi^eussisch-Schlesien  e)  luid  der  Provinz 
Niederrhein  f) ;  seist  aber  kommen  :mc\\'n\  Spanien  g)  _,  ungern  h)  und  Frank- 
reicht)  erhebliche  Bleyminen  vor.  Siebenbürgen  k)  ^  die  Bukowina  l)  und  andere 
europäische  Länder  stehen  den  besagten  in  Ansehung  der  Bleyproduction  weit  nach. 
Knclx  Russland  cvzevi'^  wenig  Bleyj  im  Durchschnitt  jährlich  nur  18,181  Ctr.  m) , 
und  selbst  dieses  verhältnissmässig  ^ringe  Resultat  ist  die  Ausbeute  des  zu  JVertschinsk 
in  Sibirien  befindlichen  Bergwerkes ;  daher  jährlich  für  mehr  als  269,000  Rubel  Bley 
cingelührt  wird.  Das  ganze  Quantiun  des  jährlich  in  den  europäischen  Staaten  erzeug- 
ten Bleyes  berechnet  Hr.  Hassel  zu  554, 7g5  Ctr.  Dazu  tragen  bey: 

Grossbritannien     ....  25o,ooo  Ctr.    Frankreich l4,3oo  Ctr, 

Manöver 99/^45  —  w^xcXx  Villejossevi.Galletti     Go,ooo  — 

Oesterreich 76,306  —      Sardinien 4,100  — 

Preussen       32,353  —      Nassau 3,5oo  — 

Spanien 3o,ooo  —  nach  Hock 12,000  — 

nach  Crome 32,ooo  —      Braunschweig 3,142  — 

Sachsen    .     . 20,000  —      Baden 700  — 

nach  Villefosse  ....     10,000  —  nach  Hock 2,000  — 

Russland       ......     .     .     20,000  —      Baiern 600  — 

Schweden 049  — 

Das  reinste  Bley  aber  wird  bey  Fillach  in  Kärnthen   gewonnen  j  es   wird  seiner  Rei- 
nigkeit  wegen  scDjst  dem  englischen  vorgezogen. 

a)  Im  J.  1810  licferle  der  elirwürdige  i/ar;  58,536  Ctr.  Bley,  mit  Ausschluss  ^on  04,072  Ctr. 
Rauü^läite.    S.  Götting.  gel.  Anz,  i8i2.  St.  i3.  S.  i23. 

b)  Wo  das  Bleybergvverk  zu  U/ej-öerg  bey  Villach  ,  das  reichste  in  IvärnthRii,  allem  jährlich 
28 — 29,000  Ctr.  Bley  liefert.  Die  Bleygruhen  zu  Raibl  geben  jährlich  8 — 10,000  Ctr.  ,  und 
die  übrigen  kleineren  Bleybergwerke  \  on  TVindischblejberg ,  am  Obir ,  an  der  AJiss  und  bey 
Meiselding  zusammen  ungefähr  4ooo  Ctr.  Bley.  Das  Totale  der  Bleyerzeugung  in  Kärnthen 
beträgt  demnach  40 — 45,ooo  Ctr.  ,  wovon  5 — 6000  Ctr.  auf  Glätte  \  erarbeitet  werden. 

c)  Es  erzeugt  jährlich  zwischen  6 — 8000  Ctr.  Bley. 
ti)  Im  Erzgebirge. 

«)  Wo  um  Tarnoivilz  und  Beulhen  so  beträclitliche  und  silberhaltige  Lager  von  Bleyerz  vor- 
kommen, dass  sie  eine  Gegend  von  4  Quadratmeilen  einnehmen,  und  einen  Vorrath  von 
etwa  55,253,552  Ctr.  Bleyerz  vermuthcn  lassen.  S.  Hück  a.  a.  O.  S.  116.  Es  werden  daselbst 
jährlich  über  7000  Ctr.  Bley  gewonnen. 
J")  Wo  man  auf  dem  Blej-berge  jährlich  gegen  8000  Ctr.  Bley  und  2o,ooo  Ctr.  Bleyglasur  ge- 
winnt. 

g)  Wo  in  mehreren  Landschaften,  besonders  in  Calalonien,  die  Bleyminen  zu  Tage  ausstehen; 
d.  i.  sie  Kcigen  sich  sogar  auf  de»  Oberfläche  der  Erde,  und  bilden  gleichsam  blaue  Tapeten. 


II.  Urproduclion.  §.  75-  Unedle  Metalle  :  Zinn.  §.  -j^.  Quecksilber.  147 

/j)  Die  Bleyerzeugung ,  besonders  aus  dem  niederungrhchen  und  nagfbanyer  Bergdistrlcte  be- 
trägt jährlich  2o — 24,000  Ctr.  ;  an  Blcyglätte ,  als  Kaufmannsgut,  liefert  der  banaler  Berg- 
dislrict  2 — 3ooo  Clr. 

i)  Vornehmlich  in  den  Departements  Ille-Villaine ,  Loire,  Isere  und  Oberrhcia;  dann  in  den 
Depart.   ff^asgau,  Ardeche ,  Nordk'üsten  und  Pp-renäen. 

k)  Es  erzeugt  jährlich  1000— noo  Ctr.  Bley. 

l)  Wo  zu  Kirlibaba  ein  silberhaltiges  Bleybergwerk  sich  findet,  das  im  J.  i8i5  4^1  Ctr.  Bley, 
471  Ctr.  Glätte  und  692  Mark  Silber  geliefert  hat. 

m)  S.  Götting.  gel.  Anz.  i8i2.  St.  i3.  S.  i25. 

§•    73« 
4)       Zinn. 

Dagegen  ist  das  Zinn  (stannum)  selten,  nnd  nur  wenigen  Liindern  der  Erde  von 
der  Natur  geschenkt.  Es  wird  am  häufigsten  in  Ostindien  _,  Mexico  und  England  a) 
gewonnen;  nächsldem  in  Deutschland  und  Spanien ;  dort  in  Böhmen  und  Sachsenb), 
hier  in  Galicia  und  Catalonien.  In  Portugal  hat  man  die  Zinnbergwerke  verladen. 
In  den  ü])rigen  Ländern  Europa's,  sellist  das  an  Schätzen  von  Mineralien  so  reiche 
Ungern  nicht  ausgenommen,  ist  dieses  Metall  Lislicr  nicht  angctrollcn  worden.  Nur 
in  Frankreich  j  wo  bis  jetzt  kein  Zinnbergwerk  bclindlich  war,  soll  man,  nach  öfFeat- 
lichen  Nachrichten,  im  J.  i3i3  imweit  Limoges  eine  Zinnader  entdeckt  haben.  Es 
gibt  übrigens  sechs  Zinnsorten,  die  in  Handel  kommen:  i)  das  Zinn  aus  Malaccn  in 
Ostindien,  das  reinste  unter  allen,  besonders  die  tmter  dem  Nahmen  Kaiin  bekannte 
Galtung;  2)  das  Zinn  aus  Banca  ebendaher;  .5)  das  Zinn  aus  Mexico;  4)  das  Zinn 
aus  England ;  5)  das  Zinn  aus  Böhmen;  endlich  6)  das  Zijin  aus  Sachsen. 

a)  Es  war  wegen  seines  Reichthums  an  Zinn  schon  den  Phöniciern  bekannt,  und  leitet  seinen 
Nahmen  Brilannien  von  Brit ,  Insel,  und  Tain ,  Zinn,  ab.  Besonders  ist  der  Zinnbergbau  in 
Cor/ii+'a^/ix  "wichtig,  obgleich  in  neuerer  Zeit  nicht  mehr  so  beträchtlich  als  ehedem.  Rlan 
fordert  jährlich ,  nach  Fillefosse ,  i4,5oo  Blocks  (ein  Gewicht  zu  36o  Pf.)  gemeines  Zinn» 
und  35oo  Blocks  feines  Zinn,  zusammen,  nach  Ctrn.  berechnet,  64,800  Ctr. 

b)  Die  Gruben  des  böhmisnhen  Erzgebirges  pflegen  jährlich  gegen  55oq ,  die  des  süchsischen 
Erzgebirges  gegen  25oo  Ctr.  zu  liefern. 

§.    74. 
5)    Quecksilber. 

Das  Quecksilber  aj  (hydrargyrum,  mercurius,  argentum  vivum)  ,  nach  dem  Pia- 
tina und  dem  Golde  der  schwerste  Körper  unter  den  Metallen,  ist  noch  seltener  als 
das  Zinn.  Es  koniini  nur  in  wenigen  Ländern  vor.  In  Europa  findet  es  sich  am  liäufig- 
sten  in  Deutschland  bj ;  näclistdem  in  Spat  den  cj;  sonst  kommt  es  noch  in  Portu- 
gal dj  „  Ungern  ej  und  Siebenbürgen  fj  vor.  Ausser  Europa  ist  es  anzutreffen  in 
China,  Japan  und  Jmerika ;  im  letzteren  Erdlheile  jedoch  nur  in  Mexico  und  Peruj 
und  zu  dem  Bediirlnisse  des  L.indes  nicht  hinreichend  gj  ;  daher  Spanien  I)ishcr  zum 
Behiifo  seiner  amerikanischen  Gold- und  Silberiuinen  noch  europäisches  Quecksilber , 
na Limentlich  von  Almada  und  Idria  einhihren  musste.  Bekanntlich  werden  die  Gold- 
und  Silbererze  <larch  Vereinigung  mit  Qiiecksilber  (ainalgaiua,  Anrpiicken)  von  dan 

19* 


i48  II.  Urproduction.   §.   75.  UaeJle   Jletalle  :   Kobalt,  Arsenik.,   Zink,  Spiessglas. 

frenidarllgen  Tlicilcn  i^escliieJen ,  und  zwar  auf  eine  wohlfeilere,  der  Gesundheil  der 
Arheiter  minder  naohllieiliye  Art,  als  durcla  SchmelzAing  mit  Bley. 

ß)  Es  findot  sich  entweder  gediegen  (Jungft  rnijuerksilber) ,  oder  ^  crerzt ,  und  im  letzten  Falle 
oft  mit  Schwefel,   da  es   dann  Bergzinnober ,  Zinnobererz  heisst. 

h)  Nahmentlich  \xn  Kheinkveise  des  Königreichs  Baiern,  und  zwar  bey  Rockenhausen  ,  Lauter- 
ecken, ff^olfstein  und  Kirchheini;  daim  hey  Kappet  in  Kärnthen  , 'wo  seit  1810  ein  reiches 
Zinnoberbergwerk  eröffnet  ist,  dessen  Erz  10 — 12  Pfund  (>ue(ksilber  im  Cemner  hält;  aber 
mehr  als  irgendwo  ,  bey  Idiia  in  Rrain  ,  obgleich  jetzt  weniger  als  in  vergangenen  Zeilen. 
Es  werden  jährlich  gegen  5, 000  Ctr.  erzeugt ,  da  sonst,  besonders  aus  Veranlassung  der 
Bornischen  Amalgan\alions  -  Erfindung  oder  Verbesserung,  ausser  i8oo  Ctr.  Zinnober,  i2 — 
16,000  Ctr.  Quecksilber  erbeutet  wurden.  S.  J.  J.  Ferhers.  Nachricht  vom  Anquicken  der 
gold-  und  silberhaltigen  Erze  u.  s.  w.  Berlin,  1787.  8.  Ein  im  J.  i8o3  zu  Idria  ausgebro- 
rhener  unterirdischer  Brand  setzte  den  Ertrag  der  Quecksilbererzeugung  (doch  nur  auf  kurze 
Zeit)  auf  36oo  Ctr.  herab.  S.  Allg.  geogr.  Ephem.    i8o5.  May.  S.  140. 

c)  Nahmentlich  zu   Ähnada  und  bey  Valencia. 

d)  Nahmentlich  bey  Coinca ,  wo  es  einige  Zeit  ohne  Kosten-Erfolg  gewonnen  ward;  jetzt  ist 
das  Bergwerk  verlassen. 

«;)  Bey  Nieder-Szlana  ,  Älsö-Sajo  und  Rosenau  in  der  Gömörer  Gespanschaft. 

/)  Bey  Szalathaa, 

g)  Mexico  allein  verbraucht,  nach  Hrn.  i>.  Humboldt ,  jährlich  iG,ooo  Ctr.  Quecksilber,  und 
alle  Bergwerke  in  den  spanischen  Colonien  in  Amerika  zusammengenommen  25, 000  Ctr.  Es 
ist  also  für  den  spanischen  Berghau  äusserst  wichtig.  Wenn  durch  Krieg  oder  andere  Um- 
stünde die  Zufuhr  aus  Europa  für  ein  oder  mehrere  Jahre  gehemmt,  oder  der  Preis  des 
Quecksilbers  gar  zu  hoch  gesteigert  wird  :  so  ist  sogleich  der  Ertrag  der  Bergwerke  in  Stockung. 

§•  l'o- 

Fortsetzung. 

Von  den  nützlichsten  der  libjigen  luiedlcn  Melalle  wird  6)  der  Kobalt  (cohaXlnm) 
am  hünfigsten  in  Deutschland,  vornehmlich  in  Sucitsen  und  Bolivien  gewonnen,  dort 
jährlich  liegen  8200,  hier  8000  Ctr.  aj  ;  nüchstdem  in  Ungern^  besonders  bey  Top- 
schau in  der  Göniöreri^cspanschaft;  sonst  aber  auch  in  Schweden^  England _,  Fntnk- 
reich  xmd  Spanien  _,  in  welchem  letzteren  Lande  er,  so  wie  in  Sachsen ,  von  vorziig- 
licher  Güte  ist.  Man  benutzt  ihn  hauptsächlich  zur  Bereitung  der  Sinalte  j  oder  blauen 
Glasfarbe,  die  znr  Porcellanglasur,  zur  Glas-  und  Eniailnialerey ,  zum  Seifen  der  fei- 
nen Wäsche,  wo  sie  insbesondere  blaue  Stärke  heisst,  u.  s.  w.  dienet. 

•j^Tier  yirsenik  (arsenicum)  ist  meistens  mil^'chwefel  mineralisirl,  und  erhält  dann 
entweder  eine  gelbe  oder  eine  rölhliche  Farbe  5  im  erstem  Falle  gibt  er  dasOperment  oder 
Auripigment,  im  letzteriMi  das  Ransc/igelb  oder  Realgai:  Das  reine  Metall  hat  eine  bläu- 
lich weisseFarbe.  Man])flegl  in  den  Bergwerken  nicht  sowohl  absichtlich  auf  Arsenik  zu 
bauen ,  als  vielmehr  dessen  Gewinnitng  gelegentlich  bey  dem  Rösten  der  Kobalt-  luid 
Zinnerze  zu  betreiben,  wo  er  als  ein  dicker  Dampf  davon  geht,  den  man  nur  auffangen 
darf,  wenn  man  Arsenik  haben  will.  Sachsen  und  Preussisch-ScJdesien  liefern  ihn 
in  grosser  Menge;  sonst  wird  er  auch  in  Böhmen  ^  Salx-bnrg  j  Baier/i  und  einigen  an- 
dern deutschen  Ländern;  dann  in  Ungern  j  Siebenbürgen  _,  GrossbrUannien,  Frank- 
j-eich  und  Spanien  gewonnen.  Er  wird  bey  chemischen   Arbeiten,   in  verschiedenen 


II.   Urptoduction.   ^.   y6.   Bergöhl ,  Schwefel  und  Bergpech.  l4g 

Fal)riken ,  in  den  Fäiljercyen  u.  s.  w.  gebrauclilj  auch  als  Arzencynüllcl  zur  Vertrei- 
bung des  Wcclisclfic])ers,  wider  Krebsschaden  u.  s.  w.  empfohlen,  ob  er  gleich  das 
stärkste  mineralische  Gift,  die  verdächtigste,  gcfahrvoUcste  Substanz  ist,  die  Europa's 
Ärzte  in  medicinisclien  Gebrauch  ziehen  können. 

8)  Der  Zitik  (zincuni)  wird  nicht  bloss  vererzt,  als  Blende  j  sondern  aucli  in  Ge- 
stalt des  Gaimej's  gewonnen  ,  welche  beyde  Zinkerze  zur  Bereitung  des  Messings  gc- 
])rauclit  werden.  Sie  werden  erzeugt  in  Ungern,  Siebenbürgen j  Crossbriliinnien 
wnil  Fiankreich j  aber  mehr  als  irgendwo  \n  Deutscltland  b)  und  in  den  südlichen 
Provinzen  des  Königreichs  der  JSiederlande  c).  Im  Handel  kommt  der  Zink  auch  un- 
ter dem  Nahmen  Spiaater  und  Tiitenago  oder  Tutanego  vor;  besonders  hat  der  ost- 
indische diesen  Nahmen. 

Endlich  g)  Spiessglus  (antimonium) ,  welcher  hauptsächlich  zur  Erzeugung  weis- 
ser Compositionswaaren  dient,  gewinnt  man  in  Grossbritannien  j  Siebenbürgen  ^ 
Böhmen^  der  preussisclien  Provinz  Saclisen  und  anderen  deutschen  Ländern,  be- 
sonders häufig  aber  in  Ungern  j  nächsldciu  in  Frankreich ;  dort  jähriich  gegen  35uü 
— 4000  Ctr. ,  hier  120,000  Kilogramme  (a  2  Pf.  5  Quentchen  4g  Gran).  Übeniaupt  aber 
gibt  es  in  dem  ganzen  Inbegriffe  der  etlichen  zwanzig  bisher  m  der  Natur  gezählten 
Metalle  (worunter  jedoch  manches  bloss  eine  mineralogische  Seltenheit  ist)  keines, 
das  nicht  im  Schoosse  der  europäischen  Erde  mit  gefunden  würde ,  selbst  Platina 
nicht  ausgenommen,  das  in  Spaniens  Gebirgen  vorhanden  ist,  ohne-dass  man  es  bis- 
her daselbst  aufgesucht  hatte.  —  Russland  besitzt  wohl  die  in  diesem  Paragraphc 
unter  6)  bis  q)  aufgezählten  Metalle,  auch  Quecksilber;  aber  bloss  in  den  nertscldns- 
kischen  imd  altaischen  Minen;  auch  hat  man  sie,  wo  sie  sich  bisher  fanden,  entweder 
noch  gar  nicht  oder  doch  so  sparsam  benutzt,  dass  die  meisten  dieser  Productc  jähr- 
lich noch  auswärts  zugekauft  worden  sind. 

a)  Ausserdem  in  Slejennark ,  Salzburg ,  Baiern,  Baden,  Churhessen ,  Preussisch-Schlesien  und 
andern  deutschen  Ländern;  im  Ganzen  dürfte  Deulscliland  18 — 19,000  Ctr.  Kobalt  erzeugen. 
6)  Vornehmlich  bey  Aachen  in  der  Provinz  Niederrhein  und  bey  Brilon  in  der  Pro\inz  West- 
phalen  ,  dann  am  Königsberg  und  zu  Blejherg  in  Rärntlien  ;  zu  Rochlilz ,  bey  Kommothau  , 
Raliborschilz  und  J-Vildschilz  in  Böhmen;  ausserdem  aber  auch  am  Harz-,  bey  Tarnoit-itz  in 
Preussisch-Schlesien ,  in  Slejermarlc  ,  Tyrol ,  Salzburg,  Baiern  und  andern  deutschen  Ländern. 
Überhaupt  schlägt  man  die  jährliche  Galmeyproduction  der  deutschen  Bundesstaaten  auf 
82,800  Ctr.  an,  >vovon  Schweden  aliein  mehrere  Schiffsladungen  über  Sleuin  erhält, 
c)  Wo  jährlich  gegen  i5,ooo  Ctr.  Galmey  ge>vonnen  werden. 

b)    Erdharze    oder    brennbare    31  i  n  e  r  a  1  i  e  n.. 

S-  76- 

1)  Bergöhl,  Schwefel  und  Bergpech. 

Das  Berg-  oder  Steinohl  (petroleum)  quillt  gewöhnlich  zugleich  mit  Wasser  aus 
den  Klüften  der  Berge  und  zwischen  Steinritzen  hervor.  Es  findet  sich  in  Spanien  _, 
FrankreicJij  Deutschland j  Ungern ^  Siebenbürgen ^  GalizieUj  Russland  und  Schwe- 
den. Das  reinste   mid  kostbarste  ist  die  kaukasische  AaphtUj  die  auf  dem  Kaukasus 


i5o  II.  ürproduclion.  §.  77.  Torf,  Stein-,  Canael-  und  Braunkohlen. 

in  zwey  Grotten  gesammelt  und  mit  Silber  aufgewogen  wird.  Die  in  Frankreich  j  Ita- 
lien und  Deutschland  vorkommende  Naphta  ist  von  geringerer  Sorte. 

Der  Schwefel  (sulphur)  findet  sich  ilicils  gediegen,  tlieils  vcrerzt.  Der  gediegene 
(Jungfernschwefel)  wird  häufig  in  der  Nachbarschaft  der  Vulcane  und  in  wannen  Bä- 
dern ei'zeugt;  indessen  wird  er  doch  nicht  in  der  Menge  angetroffen,  dass  er  zn  den 
nöthigen  Bedürfnissen  hinreichte;  vielmehr  wird  der  meiste  verkäufliche  Schwefel 
aus  der  Menge  schwefelhaltiger  Erze  mid  Kiese  geschieden.  In  der  dänischen  Mo- 
narchie ist  dieses  Erdharz  das  Hautproduct  des  Mineralreichs;  vornehmlich  gibt  es  auf 
Jsliind  ganze  Schwefelbergc,  d.  i.  grosse,  machtige  Lager  von  Tlion ,  der  von  Schwe- 
fel durchdrungen  und  mit  einer  gelben  Schwefelkruste  überzogen  ist.  Ausserdem  sind 
an  diesem  brennbaren  Mineral  besonders  reich:  Neapel j  wo  die  Solfatara  an  Scliwe- 
lel  unerschöpflich  ist;  Sicilien ,  wo  es  sogar  Salzseen  gibt;  Ungern  und  Croatien  j 
wo  bloss  das  Schwefelbergwerk  zu  Radoboi  in  der  Warasdinergespanschaft  so  viel 
Scliwefel  erzeugt,  dass  fast  ganz  Osterreich  damit  versehen  werden  könnte;  Galizien^ 
wo  besonders  bey  Skia  der  Schwefel  in  solcher  Menge  vorhanden  ist,  dass  man  jähr- 
lich an  10,000  Clr.  erzeugen  könnte;  Deutschland j  vornehmlich  Stejerniarkj  Salz- 
burgs Böhmen  j,  Mähren  j,  Schlesien  j  Sachsen  j,  Hanover  und  andere  deutsche  Län- 
der; endUch  Russland  und  Spanien ^  besonders  Arngonien  ^  Sevilla  luid  Murcia. 

Bergpech  (bitunien)  wird  in  F?'ankreich  _,  Deutschland  _,  Galizien  _,  Ungern  j, 
Dalinatienj  auf  der  Lisel  Zante\x\\A  in  anderen  Gegenden  Europa's  gewonnen,  und 
zu  mancherley  Zwecken  imd  Gewerben,  im  Grossen  aber  vorzüglich  zum  Kalfatern 
der  Schiffe  benutzt. 

§•  77- 
2)  Torf,    Stein-,    C  a  n  n  e  1-    un  d  B  r  a  un  k  o  h  1  e  n. 

Der  Zbr'/' (turfa)  ist  nicht  nur  als  Feucrimgsmitlel  in  holzarmen  Ländern  ein  wich- 
tiges und  schätzbares  Naturproduct,  sondern  auch  als  Baumaterial ,  als  welches  er  hier 
und  da  sowohl  bey  dem  Land-  als  Wasserbaue  benutzt  wird  aj.  Er  findet  sich  in  den 
meisten  Ländern  Europa's  ,  und  mehrere  derselben  sind  reichlich  damit  versehen  ;  den 
grössten  Reichthum  an  Torflagern  aber  haben  die  nördlichen  Provinzen  der  Nieder- 
lande, vornehnilicli  Groningen ,  Friesland  und  Holland  bj;  nächstdem  Deutsch- 
land _,  insonderheit  in  seiner  nördlichen  Hälfte  cj;  dann  Ost-  und  W estpreussen  j 
Dänemark j  Grossbritannien  und  Irland  ^  Russland ^  Galizien  und  Ungern  ^  vor- 
züglich das  fette  Banat.  Aber  nur  in  wenigen  Ländern  wird  dieses  Erzharz  durch  An- 
legung regelmässiger  Torfgräberey  gewonnen;  in  den  meisten  stehen  der  Torfculltir 
noch  Vorurlheile  entgegen ,  und  man  benutzt  dieses  Holzsurrogal  noch  nicht  in  dem 
Grade,  als  man  könnte  und  sollte. 

Noch  wichtiger  sind  ^\c  Steinkohlen  (lithanirax,  carbo  fossilis).  Sie  sind  von  ver- 
schiedener Güte,  überhaupt  aber  sind  sie  einem  Lande,  welches  keinen  Liberlkiss, 
oder  gar  Mangel  an  Holze  hat,  eine  grosse  Wohlthat.  Sie  werden  in  den  meisten  Län- 
dern Europa's  angetroffen,  aber  noch  nicht  allenthalben  bergmännisch  gewonnen,  ob 
sie  gleich,  wie  der  Torf,  verdienten,  allgemeiner  und  sorgfälliger  aufgesucht  und  be- 
uutzt  zu  werden,  und  zwar  um  so  mehr,  tla  hierdiu'ch  in  manchen  Ländern  die  Mög- 


II.  Ürproduction.  §.  77.  Torf,  Stein-,  Caancl-  uuJ  Braunkolilea,  l5l 

lichkcit  könnte  begiiindet  werden,  Gewerbsanstaltcn  ohne  Holzvcrhiaufli  anzulegen, 
an  denen  es  in  denselben  noch  sehr  gebricht  d).  Unter  allen  euro|>äischen  Landern 
hat  keines  einen  grösseren  Überfluss  an  diesem  Brennstoffe,  als  Gvossbrltaiinlen  j  in- 
sonderheit England  ^  das  die  Steinkohlen  mit  Recht  als  die  Hauptquellc  seines  Na- 
lionalreiidithumes  betrachten  kann  ej.  Ausserdem  werden  sie  besonders  häufig  in 
Frankreich  fj  und  Deutschlund  gj  gewonnen;  sonst  aber  gibt  es  auch  in  Ungern  IiJ 
und  in  den  sudlichen  Provinzen  der  Niederlande  ij  reiche  Steinkohlenbergwerke. 

Die  Cannelkolde  oder  der  Gagat  (gagates)  findet  sich  oll  in  der  Nachbarschaft 
dei' Steinkohlen,  besonders  der  englischen.  Kr  lasst  sich  polircn  vuid  zu  allerley  Kunst- 
sachen verarbeiten.  Auch  dienet  er  zu  Firnissen,  und  das  bey  der  Destillation  desselben 
gich  entbindende,  inflammable  Gas  zur  Erleuchtung,  mid  zwar  bey  weitem  besser  kj, 
als  das  inflannnable  Gas  ,  welches  durch  die  Destillation  der  Steinkohlen  gewon- 
nen wird. 

Jirauiikohlen  werden  in  Deutschland,  nahmenilich  in  Böhmen j  Brandenburg ^ 
PreussischSac/isen  j  Churhessen  und  andern  deutschen  Landern  gewonnen  und  theils 
zur  Vprbesserung  der  Felder  IJ,  theils  ziu-  Feuerung  mj  Itenutzt. 

a)  Als:  in  Holland,  Groningen ,  Jälland ,  Sc/iollland ,  in  dem  Herzogthume  Bremen  u.  s.  w. 
S.  Betrachtungen  und  Aufsclilüsse  über  den  Torf  als  Dauniaterial  ,  und  geschichllicher  Nach- 
>vcis  über  dessen  bisherige  Anwendung  bey  dem  Land- und  Wasserbau.  \ onJ .  Chr.  Eiselcn  c\c. 
Berlin,   1816.  8.  Vergl.  Gölting.  gel.  Anz.  1816.  St.  igi.  S.  1898. 

b)  Man  gewinnt  daselbst  jährlich  Ö  Mill.  Tonnen  Schlamm-Torf  ,  und  4  Mill.  Tonnen  tro- 
ckenen oder  grauen  Torf ;  gleichwohl  ist  diese  Torferzeugung  ,  deren  Werth  man  auf 
5,1)00, 000  fl.  anschlägt,  für  das  ßedürfniss  des  Landes  nicht  hinreichend,  und  man  muss 
noch  Steinkohlen  und  Brennholz  in  grosser  Menge  vom  Ausländer  h(>lilen. 

c)  Nahmentlich  in  Holstein,  Lauenburg,  Oldenburg,  MeckUnburg ,  Hanoi'cr,  und  in  den  preus- 
sischen  Provinzen  l-P  estphalea  ,  Pommern,  Saclisen  und  Brandenburg ,  wo  zu  Linum  die  wich- 
tigste Torfgräbcrey  in  der  ganzen  preussischen  Monarrhie  ist;  aber  auch  Sclilesien ,  Öster- 
reich unter  der  Enns  j  Sl^jermarlc ,  Kärnl/ien  ,  Satzburg  und  andere  Gegenden  Deutschlands 
haben  viel  Torf. 

d)  Wie  z.  B.  in  Dalniaiien  }i.a\köü'n  ,  Ziegel-  und  Töpferiifen  u,  s.  w.  ,  so,  dass  alle  derglei- 
chen Waaren ,  wie  Ziegel ,  Töpfe  u.  s.  w.  aus  Italien  gebracht  werden  müssen.  S.  Vatcrl. 
Blatt,  für  den  österr.  Kaiscrstaat.   1818.   JNr.  27.  S.  107. 

e)  Die  reichsten  Sleinkohlengruben  sind  in  INorthumberland  bey  Neiicastle  und  in  Gumberland 
bey  Pf^hitehai'en.  Die  Gralschaiten  Durhani,  Yorlc ,  Lancasler ,  SluJJord  ,  Slirop ,  Derbj- , 
Rollingham  ,  Leicester,  Somnierset  und  G loucester  h&hen  ebenfalls  beträchtliche  Steinkohlen- 
bergwerke ,  und  noch  immer  entdeckt  man  mehr  von  diesem  unterirdischen  Schatze.  Im 
Ganzen  beträgt  das  Resultat  der  Steinkohlen-Produclion  in  England,  Schottland  und  Irland, 
nach  T'illejosse  ,  i5o,ooo,ooo  Cir.  London  allein  \erbrauchte  imJ.  1814  1,207,744  Chaklrons 
oder  43,478,892  Scheffel  (1  Chaldron  zu  36  Scheffel)  Steinkohlen.  Daraus  lässt  sich  auf  die 
ungeheure  Goiisumtion  dieses  Brennstoffes  im  ganzen  Reiche  schlicssen.  Der  häusliche  Be- 
darf davon  ist  schon  gross  genug;  aber  er  steht  in  keinem  Verhältnisse  mit  den  Rohlenlasli  11, 
welche  jährlich  von  den  Fabriken,  Wasserkünsten  und  allenden  vielen  Anstalten  verschhui- 
gcn  werden,  in  denen  Dampfmaschinen  errichtet  sind.  Dazu  kommen  nun  noch  zwey  neue 
Schlünde:  die  Gaserleuditung  und  die  durch  Wasserdampf  fortgetriebenen  ReiseschiJJe ,  wel- 
che allem  Ansehen  nach  den  jährlichen  Rohlcnbedarf  bald  ^  erdoppeln  dürften.  Schon  im 
J.   1772  waren  über  4goo  Schiffe  allein  mit  dem  Verführen  der  Kohlen  in  England   beschäf- 


J2  II.  UriiroJuction.  §.   n-j.  Torf,  Sieiu-,  Caunel-  uud  Braunkolileu. 

tigt ,  3585  trieben  den  Rüstenliandel ,  und  363  brachten  Kohlen  nach  dem  Auslände.  Durch 
Erleichterung  des  Transportes  auf  den  zahlreichen  Canälen  und  Flüssen,  von  einer  der  in- 
neren Gegendon  des  Landes  nach  der  andern,  ist  der  Gebrauch  der  Steinkohlen  in  Gross- 
brilannien  allgemein  ,  und  nur  der  vollständigen  Benutzung  derselben  verdanken  die  Britten 
die  Möglichkeit  des  Betriebes  ihrer  Bergwerke  und  Fabriken ,  und  mit  denselben  die  Aus- 
dehnung ihres  Handels  und  ihren  Reichthum. 

y ;  Es  erzeugte  im  J.  1810  in  den,  an  Steinkohlen  reichsten  Departements,  deren  in  den  Er- 
ganzungsblättern  z.  H.  A.  L.  Z.  1810.  Nr.  65.  S.  5i6  ff.  18  aufgezählt  sind,  81,700,000  Ctr. 
Gegenwärtig  ist  diese  Produclion  natürlich  geringer,  da  in  der  Folge  die  mit  Steinkohlen 
reichlich  \ ersehenen  Departements  du  Mont  Tonerre,  de  Jemappe  und  de  TOurthe  an 
Deutschland  und  die  Niederlande  sind  abgetreten  worden.  Gleichwohl  besilzt  Frankreich 
noch  jetzt  260  Steinkohlenminen ,  die  über  i2,ooo  Werkleute  beschäftigen;  doch  wurden 
im  J.   1817  noch  für  9  Mill.  Fr.  Steinkohlen  eingeführt. 

^')  Der  ganze  jährliche  Ertrag  der  deutschen  Steinkohlengruben  wird  auf  20,000,000  Ctr.  ange- 
schlagen,  an  welcher  Gesammtausbeute  Sleyerinark  ,  Oslerreicli  ob  und  unter  der  Eniis  ,  Bnh- 
tnen ,  Mähren,  Schlesien,  I-f^esiphalen  ,  Niederrhein  ,  Clci'c-Berg ,  Preussisch-Sachsen  und  das 
Königreich  Sachsen  den  stärksten  Antheil  nehmen.  —  In  der  österreichischen  Monarchie  be- 
nutzt man  die  Steinkohlen  am  meisten  in  Böhmen.  Man  sucht  in  diesem  industriösen  Lande 
mit  Fleiss  und  Aufwand  Steinkohlendölze  auf,  und  wo  diese  bereits  entdeckt  worden  sind  , 
werden  überall  Steingut-  und  Porcollanlabriken,  Vitriol-  und  selbst  Glashütten  errichtet, 
deren  einziger  Feuerungssloff  die  Steinkohlen  und  ganz  allein  darauf  berechnet  ist.  Ein  Bey- 
spiel  liefert  der  Ellntogner-  und  Pilsnerkreis.  —  Die  Steinkohlen  ^on  liossiiz  in  Mähren  wur- 
den von  dem  k.  k.  polytechnischen  Institute  in  Wien  in  der  Wiener  Zeitung,  als  die  zur 
Gasbeleuchtung  (welche  neue  Beleuchtungsart  in  der  österreichischen  Monarchie  zuerst  in 
fJ^ien  ,  dann  in  Brunn  zu  Stande  kam)  vorzüglichsten  anempfohlen.  Im  Frühjahre  1818  ward 
auch  der  zu  Salfore ,  auf  der  Küste  Istriens  ,  neu  erbaute  Leuchtthurm  mit  einem  Stein- 
kohlen-Gasbeleuchtungs-Apparate versehen ,  dessen  helles  Licht  den  Schiffern  in  dunkeln 
Nächten  zum  Wegweiser  dienet.  S.  PrechtVs  Anleitung  zur  zweckmässlgsten  Einrichtung  der 
Apparate  zur  Beleuchtung  mit  Steinkohlengas.  Mit  zwey  Kupfert.  Wien,  1817.  —  Über- 
sicht der  Steinkohlenbildungen  in  der  österr.  Monarchie  und  der  gegenwärtigen  Benutzung 
derselben ;  von  Fr.  Riepl  etc.  ;  im  2.  Bande  der  Jahrbücher  des  k.  k.  polytechnischen  Insti- 
tutes in  Wien.  S.   1 — 106. 

//)  Wo  das  reichste  Steinkolilenwerk  (im  J.  1806  mit  einem  Ertrage  \  on  ungefähr  .5oo, 000  Ctr.) 
zu  TVandorf  bey  Ödenburg  vorkonmit. 

i'}  Nahmenilich  in  den  Pro\inzen  Lütiich ,  Hennegau  und  Namur,  nach  Crome ,  mit  einem 
jährlichen  Ertrage  von  einigen  5o,ooo  Ctrn.  Nach  Galletli  aber  liefert  LüUich  allein  täglich 
1  Mill.  Pf.  Steinkohlen. 

A)  S.  Götting.  gel.  Anz.  1812.  S.  68. 

t)  So  werden  z.  B.  im  Saatzerkreise  in  Böhmen  jährlich  an  g5,2oo  Ctr.  Braunkohlen  im  Freyen 
zu  Asche  gebraiHit,  und  so  an  die  Landleute  zur  Verbesserung  der  Felder  verkauft. 

iti)  So  ijt  in  Preussisch-Sachsen  zu  und  um  Merseburg  die  Braunkohle  bey  allen  Heitzungen 
bis  auf  die  Backöfen  die  bey  weitem  gemeinste  Feuerung  geworden  ,  selbst  auf  dem  Ileerde 
zum  Kochen  der  Speisen ,  den  Brauereyen  und  Branntweinbrennereyen.  Auch  in  Halle  an 
der  Saale  heitzcn  die  Bäcker  ihre  Backofen  mit  Braunkohle ,  wodurch  an  Kosten  jährlich 
über  9000  Rlhlr.  gegen  die  Holzfeuerung  erspart  \vird.  S.  Jen.  A.  L.  Z.  i8ii.  Nr.  i85.  Bey 
J^re^-enKa/f/ü  in  Brandenburg  wird  ein  Braunkohlenbergwerk  bearijcilet,  und  die  daselbst 
gewonnenen  Braunkohlen  als  l^renjiniateriai  zur  Alaunbereilung  benutzt. 


II.  ürproduction.  §.  78    Bernstoiu  u.   Graphit.  §.  79.  Edelsteine  u.  Halbedelsteine.  l53 

§.    78. 
3)    Bernstein    und  Graphit. 

Bernstein  oder  Jgtste'in  (succiniim,  s.  ])luiincn  clcctriim),  ein  f;;ell)lichtcs  Erd- 
harz, das  politiirfäliig  ist  und  diirclt  Reiben  clectrisch  wird,  findet  sich  an  »der  gan- 
zen Ostseeküstc  aj ,  von  Holstein  bis  Iiigerinaniilandj,  am  häufigsten  und  schönsten 
aber  an  dcv pretissisclien}s.u.sXe ,  besonders  in  Ostpreussen  und  zwar,  vor  allen  andern 
Gegenden,  von  PiiUiti  bis  Dirsclikein j  auch  zuweilen  in  Gruben  auf  dem  festen 
Lande,  wie  z.  B.  in  Deutschland.  Er  wird  zu  Kunstsachen,  Firnissen,  zum  Austäfeln 
vmd  Räuchern  bj  benutzt.  Das  stärkste  GeWerbe  damit  ist  zu  Königsberg  ^  Stolpe^ 
Danzig  j  Nürnberg  und  TFieUj  wo  sich  die  meisten  Benistcindreher  und  Bernslein- 
händlcr  befinden. 

Graphit  oder  Rei^sblej  (plunil>ago) ,  welches  das  Material  zu  unsern  Bleystiften 
abgibt,  findet  sich  am  feinsten  und  reinsten  in  England  cj  (daher  der  Vorzug  der 
englischen  Bleystifte)^  ausserdem,  jedoch  von  gröberer  Art,  in  Deutschland  dj  _,  Ita- 
lien ej  und  andern  Ländern  Europa's.  Es  macht  auch  den  Häupthestandtheil  der  be- 
rühmten, sogenannten  Passauer  Schmelzticgel  aus. 

a)  Wo  er  schon  seit  2 — 3ooo  Jahren  mit  Netzen  gefischt  wird.  Bekanntlich  hohhen  ihn  die 
Phniiicier  und  Sidonier  aus  Europa  ,   und  verführten  ihn  in  alle  Gegenden  der  Erde. 

b)  Besonders  in  der  T'nrkey  ,  in  Persien,  Japan  und  China,  wohin  er  aus  Europa  gebracht  wird. 

c)  Zu  Kesivig  in  der  Grafschaft  Cumberland.  Auf  die  Ausfuhre  des  unverarbeiteten  Reissbleyes 
ist  die  Todesstrafe  gesetzt.  Neuerlich  wurden  zwoy  Graphllmincn  auch  in  Schollland,  (bcy 
Arr  und  lni>erness)  entdeckt. 

d)  Nahmenliich  um  Oberzell  oder  Hafnerzell  im  Passauischen  ,  bey  Schärding  im  Innviertel , 
bev  Hanna  und  Schönbürhel  in  der  Gegend  von  3Iölk  ;  dann  in  Mähren  und  auf  der  fürst- 
lich Schwarzenberg'schen  Herrschaft  Krumnu  in  Böhmen  ,  wo  er  von  vorzüglicher  Güte  ist ; 
er  gibt  dem  Hafnerzeller  Graphit  wenig  nach,  und  wird  vornehmlich  in  der  Harthmul/i- 
schen  Bleystiftfabrik  zu  Wien  benutzt. 

e)  S.  Ergänzungsbl.  z.  H.  A.  L.  Z.   1811.  Nr.  44.  S.  347. 

c)    S  t  c  i  n  e. 
aa)     Kieselsteine. 

§•  79- 
1)    Edelsteine    und    Halbedelsteine. 

Die  europäischen  Edelsteine  (gemmac)  müssen  zwar  grössten  Theils  den  orien- 
talischen und  brasilianisdien  nachstehen,  sind  aber  doch  aucli  schätzbar.  Man  findet 
mit  Ausnahme  des  Dianiaiites  aJ  (genmia  adamas),  der  mir  ein  Product  des  Orients 
und  Brasiliens  bJ  ist,  alle  Arten  derselben,  nähmlich: 
den  Rubin  (silex  gemma  rubinus),  Avelcher  hochroih  ist; 

—  Topas  (sil,  gem.  topasius)  ,   welcher  citronengelh  ,  auch  weissgelb  oder  hräunhch 

(Raiichtopass)  ist; 

—  Saphir  (sil.  gem.  saphyrus)  ,  welcher  hmnnclblau  ist; 


«54  II.   Urproduction.   §.  7g.  Edelsteine  und  Halbedelsteine. 

den  Edelopal  (sll.   gem.  opalus) ,  welcher  milcliblau  ist,  aber  nach  Verschiedenheit 
der  Laf,'e  yegen  das  Licht  in's  Gelbe,  Grüne,  Rothe  und  Blaue  spielt j 

—  ClujsoUth  {9,'i\.  gem.  chtysolithus) ,  welcher  zeisiggrün  oder  goldgrün  ist; 

—  i>inaragd  (sil.  gem.  smaragdus) ,  welcher  von  grasgrüner  dunkler  Farbe  ist; 

—  Aquamarin  oder  Beryll  (sil.  gem.    bcryllus)  von  meergrüner  Farbe,  welche  in's 

Wasserblaue  spielt ; 

—  Granat  (sil.  gem.  granatus) ,  welcher  dunkclroth  ist; 

—  ijj  acinth  (sil.  gem.  hyacinthus) ,  welcher  rothgelb  ist; 

—  Ametitjst  (sil.  quarzum  amcthystns),  welcher  violet  ist. 

Lntor  den  Haibedehtt4ne.il  (lapides  pretiosi)  sind  die  vorzüglichsten: 
der  Aclial  [sW.  achates),  von  verschiedöner  Farbe  undDiichsichtigkeit,  nach  Verhält- 
niss  der  Steinarten,  woraus  er  znsamniongosctzt  ist ; 

—  gemeine  Opal  (sil,  opalus),  von  verschiedenen  Farben,  die  er  nach  Verschieden- 

heit der  Lage  gegen  das  Licht  verändert; 
— -   Chalcedon  (sil.  cbalcedonius),  von  weissgrauer  Farbe; 

. —   Carneol   (Saidcr,    sil.    carneolus),  welcher  halb    durchsichtig,  weiss,   gelb  vmd 
ganz  roih  ist; 

—  Onyx  (sil.  onyx),  welcher  hornartig,  von  weissgrauer  Farbe  ist; 

—  Jaspis  (sil.  Jaspis),  von  verschiedener  Farbe; 

—  Piaser  (sil.  prasius) ,  v. elcher  von  lauchgriaier  Farbe  ist; 

—  Chi'jsnpras  {Go/dpraser ;  s\l.  chrysoprasins),  dessen  Glanz  in'sGoldnc  spielt; 

—  Berg/if} st{dl  (sil.  quarzum  crystallus),  weblier  glasartig  imd  durchsicblig  ist. 
Ungern  j  Siebenbürgen  imd  Deutschland  j  insonderheit  Bidimen  und  Sacliseii  _,  sind 
diejenigen  l^ander  in  Eiu-opa,  welche  die  meisten  und  schönsten  Edel-  luid  Halbedel- 
steine aufzuweisen  haben.  Ausserdem  ist  Schottland j  so  wie  Ihiss/and j  vornehmlich 
in  seinem,  asiatischen  Anlheilc,  reichlich  damit  versehen,  liij^nglandj  Irltind _,  Por- 
tugal j  Spanien  j  Frankreich  j  Italien  und  der  Schweiz  ^  so  \»ic  in  Schweden  ^  Aüi-- 
wegen  und  Island  trifl't  man  ebenfalls  einige  Arten  an.  Bendimte  Edelopale  liefert 
Ungern  cj ,  die  schönsten  Aniethyste  Ungern  und  Sicbcnbiirgen ,  die  härtesten  und 
glänzendsten  Granaten  Böhmen  dj ,  ausgezeichnet  harte  Topase  das  sächsische  Voigt- 
land ej ,  besonders  geschätzte  Chrysoprase  Schlesien/^,  gemeine  Opale  voii-vorzüg- 
liclier  Grösse  und  Schönheit  Mähren  ,  berühmte  Carneole  Schottland  ,  besonders 
schöne  Achate  Island,  sehr  schöne  grüne  und  rothe  Jaspise  das  lombardisch-veneiia- 
nische  Königreich,  kostbare  Berylle  Sibirien ,  endhch  voi-treffiiche  Bergkrystalle  Sie- 
benbürgen, Irland,  Island  und  die  Schweiz,  in  welclicm  letzteren  Lande  sie  zugleich 
von  vorzüglicher  Grösse  sind  gj. 

a)  Obgli'icli  die  ncuern  Chemiker  den  Diamant  für  ganz  reinen  KoliIenslofT  halten,  und  daher 
zu  den  brennbaren  Mineralien  rechnen:  haben  wir  ihn  doch,  als  den  härtesten,  durchsich- 
tigsten und  daher  kostbarsten  unter  allen  Edelsteinen,  hier  seinen  gewolmliclKn  ersten  Platz 
in  der  Reihe  der  Edelsteine  einnehmen  lassen. 

b)  Die  schönsten  sind  die  oslindisrhen ,  vorzüglich  die  aus  Vizapour,  Golconrla  ,  Bengalen,  Bun- 
delknnd  und  Bonieo  ;  nächst  diesen  die  birisilidntsc/ten.  Diejenigen,  ^velche  in  Siebenbürgen, 
Irland  und  andern  europäischen  Ländern  mit  dem  INabmen  Diamant  prangen  ,  sind  eigent- 
lich bescheidene  Bergkrjslalle.  Der  grösste  bisher  bekannte  Diamant  ist  aus   Brasilien,  dem 


II.   Urprodaction.  §.   yc).  Edelsteiue   uud  Halbedelsteine.  l55 

Könige  von  Portugal  und  Brasilien  gehörig;  er  soll  1680  Karat,  oilor  23^  Loth  Cöllnisch 
(72  Karat  =  1  Lutli)  \viegen  und  1.556  Mül.  Thaler  vverth  seyn.  S.  Allg.  googr.  Jipheiu. 
Bd.  24-  x8i3.  S.  io2  ff.  Im  Durchsrhnilt  beträgt  das,  ^vas  der  Hof  von  Lissabon  jährlich 
an  Diamanten  geuinnt,  60,000  Karat  zu  25  Livrcs,  also  zusammen  i,5oo,ooo  Liv.  S.  Poüt. 
Journ.  1811.  Nüv.  S.  g8i.  Der  grössere  Theil  wird  aus  dem  Sande  der  Flüsse  geseift.  Die 
Gewinnung  der  Diamanten  ist  vom  Hofe  verpachtet.  Einige  tausend  Negersclaven ,  die 
ganz  nackt  gehen  müssen  ,  damit  sie  keinen  Diamant  auf  die  Seite  schaffen  und  verbergen 
können ,  sind  damit  beschäftigt.  Aber  ungeachtet  dieser  Vorsicht  und  Wachsamkeit  zahlrei- 
cher Aufselier,  wissen  die  Sclaven  dennoch  Mittel  zu  finden,  Diamanten  zu  verstecken, 
und  verkaufen  sie  nachher  um  sehr  geringe  Preise  an  Schleichhändler  gegen  Rum  und  Ta- 
bak. Findet  einer  derselben  einen  Diamant  von  8 — 10  Karat  Gewicht,  so  erhält  er  eine 
prächtige  Bekleidung  oder  sonst  eine  Vergeltung.  Wiegt  aber  der  Diamant  17  Karat  oder 
darüber,  so  wird  der  Finder  mit  Pomp  nach  Hause  geführt  und  mit 'der  Freyheit  belohnt. 
Derjenige  Theil  von  Brasilien,  der  als  fruchtbares  Diamantenland  so  sehr  bekannt  ist,  liegt 
im  Innern  dieses  Ungeheuern  Landes  ,  und  erstreckt  sich  vom  22-7  bis  zum  16.  Grad  südli- 
cher Breite.  Sein  Umkreis  beträgt  bey  33o  deutsche  Meilen.  Ausser  Diamanten  findet  man 
daselbst  auch  Amelhyslc ,  Saphire,  Topase  und  andere  Edelsteine,  die  einen  jährlichen  Er- 
trag von  i5o,ooo  Thaler  geben.  Aber  gerade  in  den  Gegenden  Brasiliens,  in  denen  die  Na- 
tur so  reiche  Schätze  darbietet ,  befinden  sich  die  ärmsten  Bewohner.  Keiner  darl  sich  den 
Diamantengegenden  bey  Todesstrafe  nähern.  Über  die  Diamantengruben  in  Brasilien:  in  den 
Allg.  geogr.  Ephem.  Bd.  09.  S.  28g — 296.  —  Die  Kunst,  Diamanten  zu  brillantircn  ,  <1.  h. 
Facetten  auf  ihnen  zu  schleifen  ,  hat  man  vornehmlich  in  Ämslerdam  und  London  bis  zu 
einer  Vollkommeaheit  getrieben ,  von  der  man  sich  eine  Vorstellung  machen  kann,  wenn 
man  weiss,  dass  man  Schleifmühlen  hat,  auf  denen  Diamanten  von  so  geringer  Grösse , 
dass  2000  auf  ein  Karat  gehen,  i5  Facetten  erhalten  können.  Bey  der  Bestimmung  des  Wer- 
thes  der  Diamanten  kommt  seine  Klarheit  (sein  Wasser)  und  Grösse  in  Betracht,  und  da 
das  noch  so  geringe  Zunehmen  der  letzteren,  den  Stein  sehr  bedeutend  im  W^erthe  erhöht, 
so  hat  man  eine  Proportion  gefunden  ,  um  diesen  zu  beslinimen  ,  indem  man  seinGewicht 
mit  sich  selbst  quadrirt ,  und  diess  Quadrat  mit  dem  Werthe  von  einem  Karat  (72  Karat 
Diamantgewicht  gehen  auf  ein  Loth)  multiplicirt.  Wenn  also  ein  Diamant  von  einerii  K.11  at 
8  Louisd"ors  kostet :  so  gilt  ein  Diamant  von  2  Karat  schon  32  Louisd'ors.  Die  merkwürdigste 
Eigenschaft  der  Diamanten  ist  ihre  Härte.  Man  kann  mit  Compositionen  von  Glas  die  meisten 
Edelsteine  nachbilden,  und  diesen  Kuns.tproducten  selbst  einen  Glanz  geben,  welchen  nur 
ein  geübtes  Ange  von  den  ächten  unterscheidet,  aber  die  Härte  lässt   sich  nicht   nachbilden. 

c)  Wo  die  reichsten  Opalgruben  bey  dem,  zur  k.  KammeralherrschaftPeA/m  gehörigen  Dorfe 
Czerwenicza  sind. 

d)  Tier  Pj-rop  ist  ein  ,  Böhmen  allein  eigenthümlicher  Granat.  S.  Andre's  Zeitschrift  etc.  i8og. 
St.  2.  S.  228. 

e)  Die  Menge  derselben  hat  aber  ihren  Werth  sehr  verringert,  iO ,  dass  sie  auch  bey  den  nie- 
drigsten Personen  fast  gar  keinen  Absatz  finden.  Man  verkauft  sie  nach  dem  Gewichte ,  das 
Pfund  von  4  Groschen  bis  zu  i3  Thaler.  S.  Neue  A.  D.  Bibl.  Bd.  100.  S.  i45. 

/)  Nahmentlich  zu  Glüscndorf.  Der  daselbst  gewonnene  Chrysopras  wird  von  Juwelirern  vor 
allen  Chrysoprasen  sehr  geschätzt.  S.  N.  A.  D.  Bibl.  Bd.   102.  S.   180 — 183. 

g)  Man  trifft  unter  den  schweizerischen  Krystalien  centnerschvvere  Stücke  an  ,  die  so  klar  und 
durchsichtig  sind ,  dass  man  eine  dahinter  gehaltene  gewöhnliche  Druckschrift  lesen  kann. 
Unter  andern  enthielt  der  Grimselherg  ein  Krystallgewölbe,  worin  1000  Ctr.  des  schönsten  Kry- 
stalls,  nach  P/cot  mehr  als  5o, 000  Livres  an  Werth,  gefunden  wurden.  In  neuern  Zeiten  sind  je- 
doch die  Kryslalle  in  der  Schweiz  weit  seltener,  als  im  vorigen  Jahrhunderle,  gefunden  worden. 


iS6  II.      ürproiUictiou.  §.  80.   Unedle  Steine.  §.  81.  Kallsteiae. 

§.    80. 
2)     U   n    e    d    1    e. 

Die  vorzügliclislen  sind:  1)  der  Kiesel  (silex),  den  man  fast  allenlhalben,  znm 
Thcil  in  mossei'  iMcnije,  auf  dem  Felde  und  an  und  in  den  Flüssen  iindel.  Er  dienet 
milor  andern  zum  Glasmaclien,  zu  Cliaussccn  und  zum  Belegen  der  Landstrassen.  Die 
feinen  durcLsichtigen  werden  von  Sieinsclmeidern  gcschlifTen,  und  zu  allerley  Galan- 
leriewaaren  benutzt.  —  2)  Der  Feuerstein  (silex  pyromachus) ,  der  schon  vor  Allers 
als  ein  nützliches  Werkzeug  in  der  Haushaltung  bekannt  \\a.r;  aber  noch  allgemeiner 
ward  sein  Gebrauch  nach  Erfindung  der  Schiessgewehre  und  Einfühlung  des  Tabak- 
rauchcus.  Er  findet  sich  am  häufigsten  in  Frankreich  aj  „  Grossbritannien  bj  ^  in 
dem  Loiiibardisch-venetianischen  Königreiche  cj  und  in  Galizien  ^J  j  in  webhem 
letzteren  Lande  er  zugleich,  so  wie  in  Frankreich  von  vorzüglicher  Güte  ist;  sonst  aber 
■\\iid  er  auch  in  Furtiigal  ej  j  Spanien  fj  j  Deutschland  g)j  Liitticli  und  ungern  Ji) 
angetroffen. 

d)  Besonders  in  dem  Departement  Loire  und  Chere ,  wo  zu  Meusncs  ein  wichtiger  Flinten- 
steinhandel  getrieben  wird;  dami  in  den  Departements  Jrulre  und  Seine-Marne.  Im  Ganzen 
Uefert  Frankreicfi  jährlich  zwischen  2o — 3o  Mill.  St.  Flintonsteine. 

b)  Es  hat  in  den  Jahren  1808 — i8i3  nach  dem  festen  Lande,  und  zwar  für  Russland,  Preus- 
sen  ,  Schweden  ,  Spanien,  Portugal  und  das  nördliche  Deutschland  12,4775740  Stück  Feuer- 
steine geliefert.  S.    Osterr.  Beob.   1816.  Nr.    i83. 

c)  Nahmentlich  am  Monle-Baldo ,  wo  sehr  viele  Feuersteine  gewonnen,  und  damit  ganz  Ita- 
lien und  die  Levante  versorget  werden. 

d)  Besonders  bey  Podgorze  und  Mariampol.  Die  daselbst  gewonnenen  Feuersteine  übertreffen 
selbst  die  französischen,  da  sie  härter  sind,  viel  mehr  Feuer  geben,  und  mehr  aushalten. 
Man  versieht  die  ganze  österreichische  Armee  damit. 

e)  Bey  Azinkeyra. 

/■)  Bey  Epila  m  Aragonien.  Man  gebraucht  hier  die  Feuersteine  häufig  zum  Bauen. 

e)   Bey   Acio  in  Tvrol  und  bey  Burglengenfeld  in  Baiern. 

h)  In  dem   karpathischen  Gebirgszuge  von  Eperies  bis  Tokay. 

§.    81. 
bb)     Kalksteine. 

Neben  dem  gemeinen,  fast  nirgends  gänzlich  vermissten  Kalksteine  (calx  vidga- 
ris)  a) ,  der  gebrannt  im  Wasser  sich  auflöst,  und  in  diesem  Zustande  mit  Sand  ver- 
mischt den  Mörtel  oder  A'ic  Mauerspeise  gibt,  sind  die  meisten  Länder  Europa's  auch 
mit  Marmor  (marnior,  s.  calcarens  marmor) ,  und  mehrere  derselben,  vornelindich 
Spciwen  h)  j  Italien  c)  _,  Deutschland  d)  und  Ungern  j  sehr  reichlich  damit  verse- 
hen; dabey  sind  die  m  Europa  varkommenden  Marmorarten  sehr  mannigfaltig  e).  Man 
findet  einfarbigen  ■weissen  und  schwarzen,  den  man  am  meisten  schätzt;  daim  einfar- 
bigen grünen,  blauen,  rollicn,  gelben  und  grauen;  auch  opalisirenden  Muschehuar- 
iri'jr  und  bimte  Marmorarten;  letztere  am  häufigsten  y").  Man  benutzt  den  jMarmor 
zn  allerley  Bildhauerarbeiten  und  Kinistsachcn  ,  zu  Gebäuden  und  Spielkügelchen 
fSckosscr),   welche   auf  eigenen  Mühlen  (Marmormuhlen)   in  Salzburg ^    Tjrol j,    im 


II.  ürproduction.  §.  ßi.  Kalksteine.  i5"r 

Badeii  sehen  j  Scicliseii-Coburg-SaalfeLd'schen  und  Sachsen-Meinungen  scJien  vcr- 
fertigel,  und  Fuderweise  nach  den  Seestädten  verführt  werden,  wo  man  sie  als  Bal- 
last nach  Indien  mitnimmt  und  dascU'St  iheuer  verkauft.  Doch  ist  der  Handel  damit 
heuliges  Tages  nicht  mehr  so  hctiäihtlich  ,  wie  in  früheren  Zeiten.  —  Die  zum 
Schreiben,  Zeichnen  und  zu  anderm  Behufe  dienliche  Kreide  (creta)  hat  ihren  Nah- 
men von  der  Insel  Creta  (jetzt  Candia) ,  wo  sie  in  grosser  Menge  und  von  vorztigli- 
cherGiitc  gewonnen  wird.  Sie  konmU  aber  auch  in  vielen  andern  liändern  vor,  beson- 
ders in  der  Nachliarschaft  des  Meeres,  wo  sie  ganze  Vorgebirge  bildet,  z.  B.  an  den 
englischen  Küsten,  daher  der  J^ahme  ^Ihion  (von  albus,  weiss),  welchen  England 
vor  Alters  führte.  Eben  so  ist  fast  der  ganze  nördliche  Theil  von  Frankreich  mit 
KreidLegebirgen  bedeckt.  Auch  in  Dänemark  gibt  es  lange  Ketten  von  Kreidegebirgen, 
so  wie  in  Russland  an  einigen  Orten  sich  Hiigel  erheben,  die  ganz  aus  Kreide  beste- 
hen. Die  beste  schwarze  Kreide  kommt  aus  Italien.  —  Kalkerde  mit  Schwefel  oder 
Vitriolsiiiire  verbunden  gibt  den  Cj7'.$'(gYpsiim),  der  in  Europa,  besonders  m  Deutsch- 
land g)  häufig  gefunden  ,  und  zu  Slucaturarbeiten ,  zu  Abgüssen  von  Statuen  und  zur 
Verbesserung  eines  festen  thoniglen  Bodens  benutzt  wird.  —  AVeini  der  Gyps  hart 
>md  fest  ist,  und  eine  Politur  annimnu,  nennet  man  ihn  Jlabaster  (gypsum  alabastriun), 
dessen  Farben  eben  so  mannigfaltig  sind  ,  wie  die  des  Marmors.  Der  weisse  wird  am 
meisten  geschätzt.  Der  oricnialische  ist  der  schönste  und  kostbarste  ;  sonst  werden  auch 
in  Europa,  nahmenilich  in  Spanien  j  Frankreich :,  Italien  j  Deutschland  und  andern 
Ländern  gute  Arten  gebrochen.  Der  russische  Alabaster  hat  jedoch  selten  die  gehöri- 
ge Härte  für  die  Bildhauer. 

a)  RalksteinbriicliL",  so  wie  Steinbrüche  überhaupt,  sind  jedoch  ihren  EigentliUmern  nur  dann 
nutzbar,  wenn  sie  Geltung  haben,  oder  eine  Rente  geben;  diess  ist  \orzüglich  der  Fall  in 
der  Nachbarschaft  grosser  Städte.  So  sind  z.  B.  die,  in  den  Bergen  hinter  Mauer,  Kalkiparg 
und  Radatin  in  Osterreich  unter  der  Enns  befindlichen  ,  mächtigen  Kalksteinbrüche  für  die 
vielen  da  herum  wohnenden  Kalkbauern,  die  das  baulustige  H^ien  und  die  umliegende  Ge- 
gend mit  Kalk  versehen,  sehr  einträglich. 

b)  Wo  man  in  den  verschiedenen  Gebirgsgegenden  sogar  Dörfer  antrifft ,  die  ganz  aus  Mar- 
mor gebauel  sind. 

c)  Wo  es  in  dem  einzigen  Kreise  \  on  Bcllunn  in  der  Lombardie  neun  Marniorbrüche  gibt. 

rf)  Bt-^sonders  sind  Steyetmark ,  Kärnllien,  das  Erzherzogthuni  Österreich ,  Sahburg,  Tjrol 
und  Baierii  das  eigentliche  Vaterland  des  Marmors  in  Deutschland.  Man  findet  hier  nicht 
nur  alle  Nuancen  von  Farben,  sondern  auch  sehr  seltene  Sorten. 

e)  So  gibt  es  z.  B.  in  Baierii,  im  östlichen  Theile  des  Obermainkreises,  an  3oo  ,  und  a.ni  Si- 
cilien  gar  4oo  Marmorarten. 

/)  Den  schönsten  ^veissen  Marmor  liefern  die  weitberühmten  IMarmorbrüche  bey  Cavrara  in 
Italien  ;  der  jährliche  Absatz  an  rohem  und  verarbeiteten  Marmor  wird  noch  jetzt  auf 
3oo,ooo  fl.  angeschlagen,  obgleich  das  goldene  Zeitaller  des  Handels  mit  demselben  für  Car- 
rara  verloren  ist,  theils  weil  der  Reiclithum  seit  den  Re\olutionskriegcn  in  Italien  sich  ver- 
mindert und  der  Baugeist  der  Italiener  desshalb  abgenommen  hat,  theils  weil  man  fast  in 
allen  Ländern  Europa's  Marniorbrüche  angelegt  hat.  S.  Allg.  geogr.  Ephem.  Bd.  3o.  S.  i5i. 
Die  IiiseLVfo-/'uroiin  Dalmatien,  dann  Kärnthen  und  Steiermark  besitzen  ebenfalls  so  schö- 
nen weissen  Marmor,  dass  er  oft  den  italienischen  Bianca  di  Carrara  noch  übertrifft.  In  den 
neuesten  Zeiten  ist  auch  in  der  Schweiz  auf  dem  Splü^en  und  in  Tyrol  unweit  Hieran  Mar- 


lyS  H-  Urproductiou.  §.  82.  Talksteiue.  §.  83.  Tufstein  u.  auLre  vulkanisclie  Prodiicte. 

mor  entdeckt  worden,  der  nicht  nur  eben  so  weiss,  wie  der  carrarische,  sondern  auch 
noch  härter  ist;  ingleichen  bricht  bey  Florenz,  auf  der  Insel  Faros  im  Archipel  und  auf  Ä- 
cilien  ein  vorzüglich  berühmter  Marmor,  so  wie  der  schwarze  Marmor  bey  Lilienfeld  un- 
weit Wien,  in  Lüllich  und  Hennegau,  und  der  opalisirende  Muschelmarmor  zu  Blejberg  in 
Rärnthen,  zu  den  merkwürdigeren  Marmorarten  in  Europa  gehören, 
g)  Bloss  bey  Heilbronn  in  Würtemberg  mahlen  4  Gypsmühlcn  jährlich  100,000  Ctr. 

§.   82. 

cc)     T  a  1  k  s  t  e  i  n  e. 

Die  vorzüglichsten  sind:  i)  der  7'a/A- (lalciim  propriivm),  der  zum  Weglningen 
der  Flecken  aus  den  Kleidern,  zur  \  erf ertigung  der  Schminke  u.  s.  w.  dienet.  Der 
meiste  und  beste  kommt  aus  Fenedig  und  Russland.  —  2)  Der  Serpentin  (Schlan- 
genstein, lal.  serpenlinus) ,  der  in  Europa,  nahmen t.lich  h\  Schottland ,  Italien j'iix 
der  Schweiz  j,  in  Deutschland ^  Ungern  und  Russland  häufig  gcfimden,  aber  im  Gan- 
zen noch  wenig  benutzt  wird.  In  Italien  wird  er  zu  Werken  der  schönen  Baukunst, 
in  Deutschlafid  aber,  wo  er  am  reinsten  bey  Zöblitz  im  sachsischen  Erzgebirge  vor- 
kommt, zu  Reibschalcn,  Mörsern  und  andern  dergleichen  Gcfassen  und  kleinen  Waa- 
ren  verarbeitet.  —  3)  Der  Meerscliaum  (tal.  lithomarga),  ehi  weisses  oder  weissgelb- 
hches,  fettes  und  zähes  Mineral,  welches  sich  schneiden  lässt,  und  im  Fetter  und  an 
der  Luft  erhärtet.  Er  wird  nicht  nur  bey  Kiltschikor  in  Katolien _,  sondern  auch  in 
Europa ,  nahmen tlich  in  Livadien^  nahe  bey  Thiwa  (dem  alten  Theben)  auf  dem 
Wege  nach  Negropont,  und  am  Mar  di  il/«rmo/'rt  gegraben ;  auch  findet  er  sich  in 
Mähren  und  in  der  Krimm.  Er  wird  in  der  Tiirkey  zu  Pfeifeiiköpfcn  verarbeitet,  die 
entweder  nach  Triest  j  oder  nach  Siebenbürgen  und  Ungern  ^  imd  von  hier  weiter 
nach  Deutschland j  vornehmlich  nach  Wien j  versendet  werden,  wo  sie  in  verschie- 
denen Fabriken  anders  geschnitten  und  mehr  nach  der  Mode  gebildet  wexden.  Nicht 
weit  von  Constantinopel  wird  eine  Art  Thon  gewonnen ,  welchen  die  Türken  Ä7//- 
KiJJi j  d.i. Schaumthon  nennen j  undworatis  ebenfalls  Pfeifenköpfc  verfertiget  werden. 

§.  83. 
dd)    Tufstein    und  andere  vulcanische  Producte. 

Unter  den  vulcanischen  Producten  ist  besonders  die  Pazzuolanerde  statistisch 
wichtig.  Sic  wird  in  Italien j,  bey  LugoscJi  im  Banat  und  in  Deutschland:,  vornehm- 
lich in  der  Vroy'im.  Niederrliein  ,  gewonnen  und  benutzt.  Mit  Wasser  vermischt  er- 
härtet sie  allmählich  zu  einem  dicht  ])orösen  Steine,  welcher  Tujfa  oder  Tuff  heisst. 
Der  durch  Mahlen  davon  erhaltene  Trass  oder  Cement  j  thut,  seiner  bindenden  Ei- 
genschaft Avcgen ,  bey  dem  ^Vasserliau  so  vortreffliche  Dienste,  luid  wird  daher  aus 
der  Gegend  von  Andernach  imd  Tillenborn  in  der  Provinz  Niederrhein  sehr  häufig 
auf  dem  Rheine  nach  Hollands  wo  bekannthch  kein  wasserdichtes  Mauervs'erk  ge- 
macht wird ,  wozu  nicht  dieser  Cement  genonnnen  würde,  verfiihrl.  Der  banatische 
Trass  wurde  in  den  Jahren  1818  und  l8ig  von  der  Direction  derk.  ungrischen  pnvi- 
legirten  Canal-  imd  Schifffahrtsgescllschaft  ziu-  Wiederheistellung  der  verlällenen  fünf 
i^rossen  Schleusen  des  Franzenscanals  mit  ürossetn  Yortheile  verwendet.  —  iSlit  derhar- 


II.  Urproducticu.  §.  84.  Sandsleine.  §.  85.  Granit.  §.  66.  Thon-  und  Erdarteu.  lag 

teil  Lm>a  wcrdcii  in  Italien  Gassen  f^epflaslert;  die  leichtere  Lava  oder  der  oben  auf 
fliessende  Schaum  wird,  wenn  er  geronnen  ist,  zu  Gewölben  und  Dächern  gebraucht, 
die  sich  dann  eben  so  sehr  dvuch  ihre  Starke,  wie  durch  ihre  Leichtigkeit ,  auszeich- 
nen j  man  schleift  die  Lava  wie  den  schönsten  Marmor  zu  Tischen;  man  macht  Dosen 
und  Schachteln  daraus  und  benutzt  sie  noch  auf  verschiedene  andere  Arten,  licy  JSie- 
dermennig  und  Majeii  in  der  Provinz  Niederrhein  wird  eine  löcherige  (poröse)  Lava 
gebrochen,  die  vortreffliche  INIiihl-  und  Bausteine  liefert.  Ein  grosserund  guter  Midil- 
stein  wird  auf  der  Stelle  mit  5o  Thaler  bezahlt.  Man  versendet  sie  zu  Land  und  zu^Vas- 
Ser  weit  und  breit.  —  Die  vidcanische  Asche,  befruchtet  den  Boden;  die  schönsten 
Früchte  wachsen  rund  um  den  l^esuv  und  am  Fusse  desselben. 


ee)     Sandsteine. 

Nach  ihrer  verschiedenen  Besiinnnung  und  Bearbeitung,  fuhren  sie  den  Nahmen 
Mühlsteine  j  Bausteine  ^  Sclileif steine  _,  Fdtrirsteine  u.  s.  w.  Die  drey  ersteren,  zum 
ge;ncinen  Gelirauche  so  nöthigen  Steinarten  liefert  fast  jedes  europäische  Land,  und 
manches  erzeugt  sie  von  vorzüglicher  Güte.  Der  Flitrirstein  (1.  lilirum,  lapis  mexica- 
nus),  ein  gröberer  Sandstein,  durch  den  man  Wasser  und  andere  Flüssigkeiten  sei- 
hen (fihrircji)  und  sie  auf  diese  Art  von  ihren  Ünreinigkeiten  befreyen  kann,  ist  zu- 
erst auf  den  nicjcicanischen  Küsten  in  der  See  gefunden  worden.  In  Europa  ist  die- 
ser Steiij  selten,  und  nur  erst  in  Deutschland  ,  nahmentlich  bey  Erfurt  in  Preussisch- 
Saclisen y  entdeckt  worden.  In  Holland j  wo  die  reinen  Wasserrpiellen  mangeln,  der- 
gestalt, dass  man  sogar  in  /inistei-dnin  das  Kegenw asser  auffangen  und  in  Cisternen 
aufbehalten  muss,  bedient  man  sich  dieser  Flitrirsteine  häulig,  um  vernüttelsi  dersel- 
ben, das  aufgelängene  Wasser  von  den  iusectcn  luid  anderen  ünreinigkeiten  zu  bcl'rcyen. 

§.  85. 

ff)       Granit. 

Di^se  Steinart,  'die  älteste  luiter  allen  Sicinarlen,  ist  ein  Bestandtheil  der  höch- 
sten Gebirge  Europa's ;  sie  streicht  aber  auch  häufig  luiter  den  Ebenen  hin,  und  lic- 
hauptet  unter  allen  Steinarten  das  unterste  Slratmn.  Oft  lindet  man,  wie  z.  B.  m  Russ- 
land j  lose  Granitstücke  in  ungeheiuen  Klumpen  aj ,  weit  von  Bergen.  Von  dieser 
schönen  und  festen  Gebirgsart  macht  man  besonders  in  den  grossen  Städten,  nirgends 
aber  häufigeren  Gebrauch  als  in  St.  Petersburg.  Er  kleidet  die  Ufer  der  ]\ewa  und 
der  Canäle,  ist  ein  gang])ares  Baumaterial,  wird  in  ungcheiu-er  Menge  zum  Ileerstras- 
senbau  angewendet,  und  zu  alierlcy  öffentlichen  Denkmälern  benutzt. 

a)  Das  Fussgesiclle  des  D.nkmals  Peters  des  Grossen  besteht  aus  einer  Granitmasse,  deren 
Lange  zur  Sielle  (In  dem  Dorfc  fuclila,  6  Werste  von  St.  Petersburg)  44  i  fl'*"  Breite  22, 
und  die  Hohe  27  Fuss  betrug,  und  deren  Gewicht  auf  mehr  als  4  Mill.  Pfund  berechnet  ward. 

§.  86. 

d)    Thon-    und    E  r  d  a  r  f  e  n. 
Aus  den    Tlionarten  (argilia)    werden   tlieils  vi'elerlev  Arten  von  gemeinen   und 
schonen  Gefässen  bereitet,  ihcils  werden  sie  zu  anderem  nützlichen  Gebrauche  ange- 


■ö"  II.  Urproduction.  §.  86.  Thou-  und  Erdarten. 

wondcl.  Der  Lehm  (argilla  Jimus)  wird  gebraucht  zum  Bauen  und  zu  Backsteinen  oder 
Ziegeln  5  der  l^y/erihoii  oder  Leiten  (arg.  lessularis  s.  vulgaris)  zu  TöpJenvaarenaJ  ; 
der  Pfeif entlion  (arg,  apyra  s.  fistularis)  nicht   nur  zu  Tahakspfeiien,  sondern  auch 
zu  Schmelzliegeln,  Fayence  und  Steingut ;,  und  der  Porcellaiithon  (arg.  porcellana)  ,  als 
die  reinste  und  feinste  Thonarl,   zu  Porcellan.  Alle  diese  vier  Thonarten  werden  in 
Europa  gewonnen  j  die  beyden.ersteren  jedoch  in  weit  grösserer  Menge,  als  die  zwey 
letzleren.  Der   beste  Pfeifenthon  wird  in  Colin  und  Lüttich   gegraben,   woher   die 
Hoüänder  ihn  konnnen  lassen.  Die  feinste  Porcellanerde  ist   die  sächsische  von  Jiie 
im   Erzgebirge,  auf  deren  Ausfidire  die   Todesstrafe  gesetzt  ist;  sonst  al)er  wird  gute 
Porcellanerde  auch  in  der   Gegend  von  Passau  bj ,  bcy  i)'(7/i,'- im  Baden'schen ,  bey 
Brenditz  in   Mähren  c) ,  an   mehreren  Puncten  in  Böhmen  dj  und  in  anderen  deut- 
schen Gegenden ,  so  wie  zu  Prinzdorf  in   der    Grosshontergespanschaft  in  Ungern, 
zu  Limoges  in  Frankreich  und   in  andern  Ländern  gewonnen.  —  Die    Walkererde 
(Seifenerde,   arg.   fullonimi)  wird  zum   Walk.-n  der  Tücher  gebraucht,  um  die  Wolle 
von  ihrer  Fettigkeit  zu  befreycn.  Die  Englische  hält  man  für  die  beste.  Man  gräbt  sie 
in  den  Grafschaften  Surrej _,  Kent ^  Sussex  ^  Bedford  und   Stafford ,  auch  auf  der 
schollländischen   Insel  Skj.  Die   VortrefTlichkeit  der  englischen  Tücher  beruhet  mit 
auf  derselben,  daher  auch  ihre  Ausfuhre  bey  Todesstrafe  verbothen  ist.  In  Oester- 
reich  unter  der  Enns  j,  Stejermark  „  Böhmen  ^  Sachsen  und  andern  deutschen  Län- 
dern hat  man,  so  wie  in  Ungern^,  Russland  und  andern  Ländern  ebenfalls  gute  ^Vai- 
kererde.   —  Der  Bolus  (arg.  bolus) ,  von  den  Siegeln  oder  Zeichen ,  die  man  im  Han- 
del zuweilen  aufdruckt,    auch  Siegelerde   (terra  sigillata)  genannt,    wird   theils  als 
Farbe  tmter  dcmlSuhnicn  Englischroth  oder  Berlinerroth  gebraucht,  theils  zur  feinen 
Töpferarbeit  und  in    der   Türkey   zu   Tabakspfeifen,   die  dort  beliebter  als  die  Meer- 
schaumpfeifenköpfe sind,  benutzt.  Er  findet  sich  in  verschiedenen  deutschen  und  an- 
deren J^ändern;  am  beridimtesten  aber  ist  diejenige  Siegelerde  ,   welche   von   allen 
Zeilen  her   im  Jrchipel  j  auf  der  Insel  Stalimene  j   dem  alten  Lemnos j  unter  gottes- 
dienstlichen  Gebräuchen  ausgegr.;ben  wird.  —  Der  Schiefer  (arg.  schistus)  wird  als 
TafelscJiiefer  am  häufigsten  zu  Tis'chblättern  und  Rechentafeln,  als  Dachschiefer  zum 
Decken  der  Dächer,  insbesondere  der  Thürnie  und  Kirchen  gebraucht.  Er  findet  sich 
\\\  Sachsen  und  anderen  deutschen  Ländern,  in  Ungern  j,  Ltalien ,  England  j  Irlandj 
Russland  und  Schweden ^  vornehmlich  aber  in  der  Schweiz,,  wo  im  Plattcnberg  bey 
Matt  im  Canton  Glarus  ein   unerschöpflicher  Schieferbruch   ist  j  woraus  eine  Menge 
Tischblätter  und  Schreibtafeln  geschnitten  werden,  die  wieder  vielen  Tischlern,  we- 
gen A'erfertigung  der  Rahmen  und  Kisten  zur  Versendung,  Arbeit  geben.  Ein  Schie- 
fergriffelbruch findet  sich  an  der  Rötha  in  dem  Herzogthume  Sachsen-Meinungen ^ 
der  einzige  bekannte   Bruch  dieser  Art,  aus  welchem  alle  Griffel  zum  Schreiben  auf 
die  Schiefertafeln  gebrochen,  und  in  alle  Gegenden  verschickt  werden  ej. 

Aon  wichtigen  Erdarten  für  Fabriken  und  zu  anderm  Behufc ,  hat  Europa  nieh- 
rerley  Farbenerden.  Besonders  verdient  das  Berggrün  genannt  zu  werden ,  welches 
bey  JSeusohl  in  Ungern,  bey  Schwatz  in  Tyrol  und  bey  p^erona  im  lonibardisch-ve- 
netianischen  Königreiche  gewonnen  wird.  Das  letztere  ist  unter  dem  Nahmei>  Verone- 
sergriin   allgemein  bekannt.  —  Die  unter  dem    Nahmen  cölUdsche  Erde  bekannte 


II.  Urproduclion.  i^,   ^7.   Koclisn!?..  161 

Erde,  von  einer  danklon  Olivenfarbe,  wird  in  der  (iegcnd  von  Frechen  ,  zvvcy  Stun- 
den von  Colin  j  gcj^niben,  und  in  grosser  Menge  nach  Holland  versendet,  wo  sie  als 
eine  Zuthat  zum   Rape'  kommen  soll,  so  wie  die  sehrye?t«e  rothe  j  zu  Almagro  oder 
Almazarron  bey  Carthagena  in  Spanien  gegrabene,  Erde  zur  Mischung  unter  den 
spanischen  Schnupftabak  (Spaniol),  und  zum  Poliren  der  Spiegelglaser  gebraucht  wird. 
a)  Bey  Aiidujar  in  der  spanischen  Landschaft  Jaen. ,  wird  eine,  unter  dorn  Nahmen  Barro  be- 
kannte, weisse  Tlionart  gegraben,  aus    welcher  man  ,  mit   Salz  vermischt,  die  sehr  dünnen 
Töpfe  Bucaros  verfertigt,   welche  die  besondere  Eigenschaft  haben,   dass  sie  das  Wasser  ab- 
kühlen und  sehr  frisch  erhalten,   wenn  man  sie  in  denheissesten  Sommertagen  in  den  Schat- 
ten oder  in  die  Zugluft  stellt  oder  hangt. 
b}  Mit  der  Passauer  Porcellanerde   werden,   nebst    den    Porcellanfabriken    in    TVlen   und  Nym- 
phe nb  ur  g ,  auch  jene  von   Höchst,   Ludwigsburg  und   Bruck'jerg   im   Anspachlschen   versehen. 
Es  seilen  von  dieser  Erde  jährlich  800  bis  1000  Truhen  (Ladung  auf  zwey  Pferde,  beyläu- 
lig  14  Ctr.)  gegraben  werden.  Der  Wiener  Porcellanfabrik  kommt  das  Fass  von  3  Ctr.  ,  mit 
Mauth  und  Fracht  bis  Wien,  auf  6  fl.  C.  M.  zu  stehen.    Seit  1800  wendet  diese  Fabrik  die, 
durch  die  Fayancefabrik  in  Holiisck ,  unter  dem  Nahmen  der   Rötzererde  bekarmt  gewordene 
Porcellanerde  von  Brenditz  in  Mähren,  als  Zusatz  zu  ihrer  Masse,  mit  so  gutem  Erfolge  an, 
dass  sie  im  Falle  der  Nolh  die  Passauererde  ganz  entbehren  könnte.  S.  Jahrbücher  des  k.  k. 
polytechnischen  Instituts  in  Wien.  Bd.   1.  S.  292. 

c)  Die  Brenditzer  Porcellanerde  zeichnet  sich  durch  ihre  vorzügliche  Reinheit  und  weisse 
Farbe  aus. 

d)  Der  gelehrte  Geognost  Mohs  hat  während  seiner,  auf  Veranlassung  der  österreichischen  Re- 
gierung im  J.  1810  ^orgenom^lenen  Bereisung  von  Böhmen  ,  das  Vorkommen  von  Porcel- 
lanerde an  2i  Puncten  des  Ellnbogner-  und  Saatzerkreises  beobachtet,  von  denen  die  Porcel- 
lanerde von  Zedlilz  im  Ellnbognerkreise,  und  die  \on  Kaadea  im  Saatzerkreise  wegen  ihrer 
Güte  besonders  genannt  zu  werden  verdienen.  Überdiess  kommt  Porcellanerde  im  £a«sZaaer-j 
Kaurziiner-  und  Klaltauerkreise  vor, 

e)S.  H.  A.  L.  Z.  i8i3.  173.  S.  545. 

e)     Salze. 

§•   87. 
1)     Roch     salz. 

Das  rmter  allen  Salzen  unentbehrlichste,  und  daher  durch  die  Weisheit  und  Güte 
des  Schöpfers  auch  am  weitesten  in  der  Natur  verbreitete,  ist  das  Koch-  oder  Ku- 
chensalz (sal  commune  s.  cibarium). 

Es  findet  sich  entweder  im  Meer-  und  Landscewasscr  aufgelöst  (Meer-,  Boy- 
oder Baysalz  und  Landseesalz),  oder  fest  in  grossen  iNLissen  unter  der  Erde  und  in 
grossen  Bergen  oder  Salzstöcken  (Berg-  oder  Steinsalz),  oder  auch  aufgelöst  in  Quellen 
(Quell- ,  Brunnen-  oder  Soolensalz).  Das  erste  gewinnt  man  an  den  Ufern  des  Meeres, 
durch  flache  im  Boden  gemachte  Behälter,  worein  man  das  Meerwasser  leitet,  und 
wo  dieses  durch  Luft  und  Sonne  verdunstet ,  das  Salz  aber  zurückbleibt.  Auf  diese 
Art  wird  es  gewonnen  in  Grossbritannienj  Portugal  a)  ,  Spanien  b)j  Frankreich  c), 
Italien  d)  j  auf  den  jonisclten  Inseln  e)  ,  in  Istrien  f)  und  Dalmatien  g).  Li  Hol- 
land h) ,  Frankj-eich  i) ,  Schweden  k)  luid  JSorwegen  /)  wird  auch  Salz  aus  dem 
Seewasser  durch  Sieden  erzeugt.  Das   auf  die  erste   Art   gewonnene   Meersalz  ist  gc- 

2l 


i62  I!.    UiiiroiUictioii.  §.   88.  Kochsali,   Fortsetzung, 

wölinlk-li  f^raii  fsel  grisj  und  sehr  scharf;  daher  es  am  l)estcii  zum  Einpöckehi,  vor- 
nehmlich der  Seefische  dienet.  In  den  holländischen  Soesalzraffinerien  zu  riaaiienij 
Lejdeiij  Alkmaav  und  Haavlingen  wird  französisches  und  spauisclies  iMeersalz  von 
den,  ihm  anklehenden  erdigen  Theilen  gereiniget,  wodurch  das  Salz  in  der  Eigen- 
schaft, das  Fleisch  zu  erhalten,  das  gewöhnliche  Salz  üheririiri.  —  In  den  Salzseen, 
wovon  es  besonders  im  südlichen  Russland  mehrere  giht  iii) ,  setzt  sich  das,  wiewohl 
niclit  ganz  reine  Salz,  auf  der  Oberfläche  derselben  von  selbst  an,  so,  dass  es  nur 
weggenommen  werden  darf. 

a)  Vornelimlich  bey  Seliwal  oder  St.  Ubcs  in  der  Provinz  Eslremadura. 

6)  Hauptsäclilicli  zu  Torra  de  las  Salinas  diia  Mala  in  der  Landschaft  Valencia ,  und  bey 
Puerto  Real  nahe  bey  Cadix  in  der  Landschaft  Sevilla. 

c)  Theils  an  der  mittägigen  Küste,  hauptsächlich  bey  Fecais ,  tbeils  und  zwar  am  meisten  an 
der  nördlichen  Küste:  sei  gvis  bey  Brouage ,  Mdran  ,  hie  de  Re ,  in  der  J3ay  von  Bourneiij  , 
Guerande  und  Croisil ;  sei  blatte  hin  und  wieder  auf  der  Küste  von  der  Normandie. 

d)  Als  im  l'enelianiscliea  zu  Sl.  Maura  und  Chioggia ,  im  Genuesischen ,  in  Toscana  ,  bey  Ca- 
stigUone  und  auf  der  Insel  Elba  ,  im  Kirchenstaate  bey  Rimini  und  Cerria ,  und  an  den  Kü- 
sten von  Apulien  ,  Sicilien  und  Sardinien.  An  Siciliens  Küsten  tritt  das  Meer  an  einigen  Stel- 
len aus  und  bildet  salzveiche  Seen,  in  welchen  sich  das  Salz  in  solcher  Menge  zu  Boden 
setzt,  dass  die  Ladung  Salz  eines  Maulesels  dort  nur  5  kr.  kostet. 

e)  Wo  die  Insel  Sl.  Maura  jährlich  j2o,ooo  Ctr.  Seesalz  ausführt. 

/)  Hauptsächlich  bcj  Pirano  ,  wo  jährlich  an  5o,ooo  Metzen  Seesalz  erzeugt  werden. 

g)  Als  zu  Arbe ,  vornehmlich  aber  zu  Pago  j  wo  die  Salinen  jährlich  6q,ooo  Metzen  geben.  Zu 
J  egUa  ,  Sebeniko ,  Nona ,  Ribnik  und  an  andern  Orten  findet  man  nur  noch  Spuren  ehema- 
liger Salinen  ,  welche  die  Venelianer  eingehen  Hessen.  Es  sind  indess  ,  öffenllichen  Nach- 
richten zu  Folge,  bereits  die  nöthigen  Anstalten  getroUen  worden,  um  diese  unterdrückten 
Salzwerke  wieder  zu  erheben. 

K)  Als  zu  Edam ,  Enkhuysen  und  Dockum. 

i)  Nahmentlich  auf  der  Küste  der  Normandie. 

k)  Nach  Meusel:  in  Smäland  und  Boltus-Lehn  ;  nach  Fabri :  auf  der  Insel  NorgoU ;  nach  der 
H.  A.  L.  Z.  z8i3.  76.  S.  6oti  aber  gibt  es  in  Schweden  gar  kein  Salzwerk ,  da  jenes  auf  der 
Halbinsel   f  alloe  oder  ff^allöe  in  Norwegen  das  einzige  in  Skandinavien  seyn  soll. 

l)  Nahmentlich  bey  Tonsberg  auf  der  eben  besagten  Halbinsel  If'allöe ,  wo  aus  Seewasser,  mit 
Zusatz  von  englischem  Steinsalze  (jährlich  25, 000  Tonnen)  Salz  gesotten  wird. 

m)  Der  reichhaltigste  Salzsee  ist  der  Jelton-See  in  der  Statthalterschaft  i^rt/rtfo«^;  nächst  diesem 
der  Krirnmische  in  Taurien.  Jener  lieferte  von  1782 — 1787  im  Durchschnitte  jährlich  über 
5:^^  Mill.  Pud,  und  sein  höchstes  Product  seitdem  (1806)  war  ii,45ü,ig6,  das  niedrigste 
(1789)  3,334  649  Pud.  Jetzt  \vird  die  Salzerzeugung  durch  vermehrte  Anzahl  der  Arbeiter 
(gegen  i2,ooo)  auf  10  Mill.  Pud  gebracht.  Der  Är/mm/ic/i«  Salzsee  gab  im  J.  iöo3  4)i79ii2o, 
im  J.  1804   3,890:172  Pud.  S.  u.  IViclunann  a.  a.  O.  S.  109  ff. 


Fortsetzung. 

An  Quell-  oder  Soolensalz j  welches  aus  der  Soole  der  Salzrjucilen  gesotten 
wird,  und  in  der  Regel  das  reinste  und  beste  zum  Gebrauch  in  der  Küche  ist,  h.it 
den  grössten  Pieichtltuni  Z^e^^^'c/z/rtw^/j  vornchndich  das  uördliclie  DeiLtschUind  ci) _, 
das  lauter  Quellsalz  hat;    ausserdem  kommen  zum  Theil   reichhaltige   Salzquellen  in 


II.  Urproüuctiout  ^.  Go.  Koctisali.  Furlsetiuiig.  i63 

England  h)j  Portugal  c)_,  Spanien  d)^  Frankreicli  e)  _,  Italien  /")  j  \in\.cr  Schweiz  g)^ 
in  Ungern  Ji)  j  Siebenbürgen  i)  ^  Gulizien  Ä)  j  der  Bukowina  i)  j  m  Russland  m)  und 
in  der  Tiirkej  vor. 

a)  Nalimentlich  dio  preussisch-deutsclien  Provinzen  Sachsen  ,  M'^estphnleri  und  Pommern ;  dann 
Hanot'er ,  Churli essen ,  Brautiscluveig  ,  Sachsen-Tf^eimar ,  Saclisen-Golha  j,  Sacltsen-Meiriun- 
gen ,  Sac/isen-IIildburgliausen  u.  s.  \v.  Die  reichhalligslen  Soolen  nicht  nur  in  Deutschland, 
sondern  unter  allen  bekannten  Soolen  des  Erdbodens  ,  sind  die  Lüneburgische  und  Halli- 
sche;  jene,  im  hanö\  er'schen  Fürstenthume  Lü^eöurg-,  ist  28,  diese,  in  Preussisch-5nt7i- 
sen ,  ao^Iöthig.  Ein  Theil  des,  in  der  letzteren  Provinz  gewonnenen  Salzes  besteht  aus 
Sonnensalz,  welches  bekanntlich  ohne  Feuer,  bloss  durch  die  Sonnenhitze  bereitet  wird. 
—  In  S'üddeutschland  kommen  die  bemerkenswerthen  Salzquellen  bey  Reichenliall  in  Baiera 
vor,  woraus  die  Soole  nicht  nur  an  diesem  Orte  versotten,  sondern  (seit  1616)  auch  nach 
dem  holzreichen  Traunslein  (3-i-  Ml.  Wegs),  und  (seit  1809)  auch  nach  Rosenheim  (7  Ml. 
Wegs)  geleitet  und  daselbst  versotten  wird.  Die  Salzquellen  bey  Schwäbiscli-Hall  und  Sulz 
in  Würlemberg  sind  schwach  ;  reichhaltiger  ist  die  bey  Kocliendorf  neuentdeckle  Salzquelle. 
Im  gegenwärtigen  Jahre  ist  es  auch  dem  Grossherzogthiime  Baden  gelungen  ,  zu  Dier/ieim 
bey  Villingen  eine  ergiebige  Salzquelle  aufzufinden,  und  daher  einem  dringenden  Bedürf- 
nisse durch  ein  Erzeugniss  des  vaterländischen  Bodens,  das  bis  jetzt  dem  besagten  Lande 
nur  das  Ausland  gab,  zu  geniigen.  Die  zwey  Salinen  mit  8  Brunnen  hey  Creutzenach,  in  der 
preussischen  Provinz  Nieder- Rtiein,  gehören,  unter  preussischer  Landeshoheit,  dem  Gross- 
herzoge zu  Hessen. 
b~)  INahmcntlich  in  der  Ebene  von  ChesJtire ,  \vo  jährlich  über  i5G,ooo  Tonnen  Salz  gewonnen 
werden,  über  16,000  Tonnen  für  den  inländischen  Verbrauch,  und  wenigstens  140,000 
Tonnen  zum  ausländischen  Debite.  S.  Götling.  gel.  Anz.  i8i5.  St.  8.  S.  68. 
c)  Bey  Bio  Major  in  der  Provinz  Estremadura. 

ri)  Hauptsächlich  bey  dem  Castillo  de  las  Boqnelas  und  bey  la  JSIala  in  Granada ;  dann  zu 
Agnana  in  der  baskischen  Pro^inz  Alava. 

e)  Vornehmlich  zu  Chdleau-Salias  und  Dieuze  im  Departement  Mnirihe ;  dann  zu  Salins  und 
Lons-le-Saulnier  im  Depart.  Jura,  und  zu  Salies  im  Depart.  der  Nieder-Pyreitnen. 

f)  Als  bey  Mouiiers  in  Savoyen ,  zu  Salsa  in  Parma,  bey  f  olterra  in  Toscana,  auf  der  Insel 
Sardinien   und  in  anderen  Gegenden  Italiens. 

g)  Zu  Bex  im  Canton  If^aadl  ,  mit  jährlichem  Salzertrage  \on  i5,ooo  Ctr.  ,  und  bey  B'ülz  im 
Canton   Aargau  ^  mit  jährlicher   Salzproduction    von   5ooo    Ctr. 

h)  IVahmentlich  zu  Sovär  im  Scharoscher  Com\\t^le  .,  mit  jährlichem  Salzertrage  von  80,000  — 
i2o,ooo  Ctr.  Dieses  Quellsalz  danket  seinen  Ursprung  dem  Steinsalze.  Denn  Sowär  hat  nicht 
sowohl  eine  Salzquelle  (im  Sinne  der  Salinen  Norddeutschlands),  sondern  eine  ersäufte 
Steinsalzgrube,  aus  der  Kunst  und  Noth  eine  Salzsiederey  machten. 

i)  Wo  sich  i2o  Salzquellen  finden,  die  durch  eigens  hierzu  bestimmte  Wächter  bewachet  wer- 
den, damit  kein  unerlaubter  Gebrauch  davon  gemacht  werde;  denn  nur  die  Gemeinden, 
auf  deren  Grund  und  Boden  sich  die  Brunnen  befinden,  haben  die  Freyheit,  sich  dersel- 
ben zu  bedienen  ,  und  auch  diese  können  bloss  ihr  Vieh  dabey  tränken  ,  und  sich  jede  Wo- 
che einmal  so  viel  Salzwasser  schöpfen ,  als  sie  zu  ihrer  Nolhdurft  brauchen  ;  auskochen 
aber  und  in  den  Handel  bringen,  dürfen  sie  es  bey  schwerer  Strafe  nicht;  denn  das  Salz  ist 
hier  eben  so,  wie  in  andern  Ländern,  ein  Regale.  Übrigens  bestehen  in  Siebenbürgen  keine 
Salzsiedereyen  ,  und  sind  auch  bey  dem  unerschöpflichen  Vorrathe  an  Steinsalz  ganz  unnöthlg. 

k)  Wo  im  Slanislatfower- ,  Slryer-  ,  Samborer-  und  Sanokerkreise  25,  nach  andern  gar36Salz- 
cocturen  oder  Salinen,  an  den  daselbst  befindlichen    Salzquellen,   deren    Soole    lediglich  ein 

21* 


l54  ii-    ürproduclion.   ^.    89.    K-Ocljsalx.    Foitseliung. 

in  süssem   Wasspr  aufgoliistes   Steinsalz  ist,  angelegt  sind.    Die  jährliche  Erzeugung  in  dem 

letzten  Decennio  des  \  erfiossenen  Jahrhunderts  betrug  600,000  Salzfässer  zu  140 — 145  W.Pfund. 
Z)   Wo  zvvey  Salzsudwerke  ,    zu  Pkisrha   und    Kaczyka   im    Suczawer   Bezirke,   im  Gange  sind. 

Das  Salzvverk  zu  Kaczrlia   liefert  sowolil  Stein-  als    Sudsalz;   an    jenem    jährlich    5ooo   Ctr.  , 

an  diesem  über  8400  Ctr. 
m)  Wo  die  zahlreichsten  Salzquellen  an  der  Kama ,  dem   Lowat ,  am  Donez  und  an  der  Pf^ol- 

ga  ,  die  ergiebigsten  aber  in  der  Gegend   von   Solikamslc   inj    Gouvernement   Perm  oder  Per- 

mien   in    Sibirien   angetroffen    werden.    Diese    liefern    allein  jährlich  5,o4i,6G5  Pud    Salz.    S. 

AUg.  geogr.  Ephem.  iöo5.  Aug.  S.  463. 

§•   89. 
Forlsetzung. 

An  Steinsalz  sind  die  Yorriilhe  unerscliöpflich  in  Galizien  a)  j  Ungern  b)  j  Sie- 
benbürgen c)  j  der  IValachey  d)  und  Moldau  e);  ansehnlich  in  Süddeutschland  _, 
nahinenthch  in  Oesterreich  ob  der  Ennx  f)  _,  Stejermark  g)  ,  Tjrol  li)  ,  Salzburg  i) 
lind  ßerchtesgaden  k) ;  ferner  in  Spanien  l)  j  Frankreich  m)  _,  Cnlab/'ieu_,  Sicilienj 
Jüigland  Ji)  und  Russland  o).  Das  Steinsalz  wird  ausgehauen,  wenn  es  unrein  ist, 
nach  dem  Vorgange  der  Natur,  in  süssem  Wasser  erst  aufgelöst,  und  dann,  gleich 
einer  andern  Soole,  vcrsotlen.  In  einigen  Landern,  wie  z.  B.  in  Galizien  _,  Ungern  ^ 
Siebenbürgen  u.  s.  w. ,  wird  der  feste  Salzstein,  weil  er  rein,  mit  keinen  fremdarti- 
gen Thcilen  (Thon  und  Gyps)  gemengt  ist,  so  verkauft,   wie   er  gewonnen  wird. 

In  Dänemark  und  Schottland  wird  Salz  gemacht  aucli  aus  Salzpflanzen ;  in  eini- 
gen Theilen  \on  Jiitland  auch  von  dem,  vom  Meere  zunickgclassenen  Moder,  wohey 
die  Erde  ausgelaugi ,  und  die  hiermit  erlangte  Soole  gesotten  wird. 

Die  Totalmasse  des  in  den  europäischen  Staaten  aus  dem  Schoosse  der  Erde, 
den  Salzcpiellen  und  dem  Meer-  und  L;mdscewasser  gewonnenen  Kochsalzes  schlägt 
Hr.  7/</A,ve/ auf  55,422,523  Clr.  an,  woriuiicr  jecioch  die  Salzproduction  in  Parma  j 
Tascana  j  dem  Kirchenstaate  j  in  beyden  Sicilienj  auf  den  jonischen  Inseln,  der 
Schu'eizj  in  Holland  ^  einigen  deutschen  Staaten  _,  der  Moldau  und  Walachey  mchx. 
)nit  Ijegrilfen  ist.  Zu  jener  Gesammtmasse  liefern  den  Stärkesten  Antheil  folgende  Staaten : 

Russland 7,868,057  Clr.    Sardinien 860,000  Ctr. 

nach  Crome  mehr  als     .  8,000,000  —      Baiern 662,000  — 

Oesterreich 6,543,91g  —      Schweden  mit   Nonvegen     5oo,ooo  — 

Frankreich     .....  5,ooo,ooo  —      llanover 275,647   — 

Spanien 4,000,000  —  nach  Hock 329,o55  — 

Grossbritannien       .     .     ,  5,25o,ooo  —       JJ'iirtemberg 85,ooo  — 

Portugal 2,700,000  —  nach  Hock ll5,ooo  — 

Prcussen 1,684,94^   —      Braunschweig      ....       53,ii3  — 

Dieses  so  grossen  Reichthums  an  Salz  imgeaclitet ,  ist  der  Preis  desselben  mit  den 
Erzeugungskosten  in  manchem  europäischen  Lande  in  keineni  giuistigon  Verhältnis- 
se/^) ,  welches  um  so  mehr  zu  beherzigen  ist,  da  das  Salz  nicht  nur  zur  Wtirzc  der 
S])eisen  und  z.iu'  ^Vrwahrimg  des  Fleisches  imd  der  Fische  vor  der  Fäuhiiss  ilienl , 
sondern  auch  dem  Vieh  sehr  heilsam  ist,  und  die  geringere  ^  crwendiuig  des  theuren 


II.  ürproduclion.  §.  89.  Koclisal?..  Foi  t.seliuBg.  i65 

Salzes  auf  das  Futter  des  Viehes  die  Sterblichkeit  desselben  befördert  q).  Zu  den  Län- 
dern und  Staaten ,  die  mit  Salz  nicht  hinlänglich  versehen  sind  ,  oder  denen  es  gänz- 
lich nianycli ,  gehören:  die  Schweiz  ^  Irland^  ScholtLand  j  die  JMedeiiande  _,  Dä- 
nemark ^  Schweden^  Norwegen  ^  Polen  ^  Baiern  ?•)  ^  Sachsen  s)  ^  If'ürlemberg  und 
einige  andere  ^ea^.yc/ie  Länder.  Es  gibt  aber  au<h  Staaten,  die  im  Ganzen  mit  Salz 
reichlich  versehen  sind,  und  dennoch,  wegen  der  Beschwerhchkeit  des  Tiansports 
aus  den  sulzreichen  Provinzen  in  die  salzarmen  Gegenden,  zum  Tlicil  mit  fremdem 
Salze  versorget  werden.  Li  diesem  Falle  befmden  sich  Russland  t)  j  Oesterreich  ii) 
luul  1^-eussen  w). 

d)  Wo  die  Steinsalzbergwerke  zu  Jfleliczka  und  Boclinia  beriihml  sind.  Das  erste  ist  eines 
der  grössten  Salzwerke  in  Europa.  Es  beschäftigt  täglich  über  looo  Menschen,  und  liefert 
jährlich  800,000  bis  1  Mill.  (nach  andern  gar  i,5oo,ooo  Ctr.  Steinsalz),  wo\  on  3oo,ooo  Ctr. 
im  Lande  selbst  abgesetzt,  45o,ooo  Ctr.  nach  Schlesien,  Mähren  und  Böhmen  Iransportirt , 
und  viele  tausend  Ctr.  nach  Ungern ,, Kraliaa  und  Warschau  verführt  werden.  Die  unge- 
heure Salzniasse  besteht  aus  drey  über  einander  befindlichen  Stockwerken  von  Steinsalz , 
von  welchen  das  tiefste  und  reinste,  in  einer  Tiefe  von  70  Toisen  ,  eine  Länge  von  j4oo 
Toisen  ^'on  O.  gegen  W.  ,  und  eine  Breite  von  800  Toisen  besitzt ,  und  bis  auf  eine  Tiefe 
von  116  Toisen  niedersteigt.  Man  findet  hier,  wie  in  Dochnia,  drey  verschiedene  Arten  Salz, 
die  vorzüglich  in  den  Handel  kommen,  nähmlich  das  grüne  Salz,  das  Szybiker-  oder  Tiefsalz, 
welches  reiner  und  dichter  ist,  und  das  krystallisirte.  In  den  Gruben  trifft  man  auch  16 
kleine  Seen  mit  Salzwasser,  deren  10 — 12  unzugänglich,  vier  aber  kann  man  mit  einem 
Floss  befahren.  S.  Journal  für  die  Chemie,  Physik  und  Mineralogie.  1808.  Bd.  5.  S.  248 
— 264.  Das  Salz  ^  on  fVieliczIta  war  schon  \  on  unendlichen  Zeiten  her  bekannt ,  und  halte 
in  den  ältesten  Pri^^legien  den  Nahmen  :  magnuin  sal.  —  Das  Steinsalzbergwerk  in  Bochnia 
hat  ebenfalls  einen  seltenen  Überfluss  an  Steinsalz.  Es  liefert  jährlich  i5o  —  3oo,ooo  Ctr., 
und  könnte  leicht  noch  einmal  so  viel  liefern.  Die  Zahl  der  Arbeiter  steigt  beyläulig  auf  400 
Köpfe.  Die  innere  Einrichtung  dieser  beyden  Salzwerke  ist  eben  so  bewunderungswürdig, 
als  sie  Jedermann  in  Erstaunen  setzt.  Man  hat  in  dem  dasigen  Salzstein  wohl  Catacomben 
ausgehauen,  in  die  man  den  Frankfurter  Dom  bequem  einpacken  könnte.  S.  Notizen  über  das 
Bergwerk  in  Bochnia;  in  dem  Journal  für  die  Chemie  etc.  1806.  Bd.  2.  Hell  1.  S.  164 — 171. 

b)  Wo  in  den  Salzgrubcn  zu  Rhonas-eic ,  Szhitina,  Sugalok  und  Kereghegj-  in  der  Marmaro- 
scher  Gespanschalt  jährlich,  nach  t>.  Schi'arlner,  600,000  Ctr.,  nach  den  Annalen  der  Li- 
teratur und  Kunst  u.  s.  w.  i8o5.  April.  S.  234  aber  i,o2i>?io  Ctr.  Steinsalz,  das  Bruch- 
oder Minutiensalz  mit  begriffen  ,  ge\vonnen  werden.  Da  diese  Salzwerke  an  den  äussersten 
nordöstlichen  Gränzen  des  Königreichs  Ungern  liegen  ,  so  hat  das  zu  weit  da\on  entfernte 
Croalien  seit  i548  das  Recht  ,   Meersalz  einzuführen. 

c)  Der  siebenbiirgisrhe  Salzstock  erstreckt  sich,  nach  f.  Fichlel ,  auf  i2o  Meilen  in  die  Länge, 
stehet  mit  den  Salzgruben  in  Galizien  ,  Ungern,  der  Moldau  und  IFalnchey  in  Verbiniliiiig, 
und  ist  so  unerschöpflich  reich,  dass  Siebenbürgen  keinen  Salzmangel  leiden  würde,  miissie 
es  auch  ganz  Europa  viele  tausend  Jahre  lang  allein  mit  Salz  .versehen.  Es  hat  sechs  Salz- 
werke (bey  Thorda ,  Kolosch ,  Dreschakna  ,  Salzburg,  Paraid  und  Marosch-Ujrai)  ,  tleren 
man  noch  mehrere  neue  anfangen  könnte;  es  wird  aber  nicht  für  nölliig  befunden  ,  weil 
das  Salzbedürfniss  \on  Siebenbürgen  und  Ungern  durch  das  Erzeugniss  der  jetzt  bestehen- 
den Gruben  hinlänglich  gedeckt  ist.  Der  jährliche  Ertrag  belauft  sich  ungefähr  auf  1  Mill. 
2 — 400,000  Ctr.  ,  wo\on  mehr  als  die  Hälfte  an  Ungern  überlassen  wird.  S.  Sarlori's  Na- 
turwunder a.  a.  O.  Tbl.  2.  S.  23 — 3i. 

d)  Bey  Oknamare ;  die  dasigen  Salzwerke  bringen  dem  Hospodar  jährlich  5oo,ooo  fl.  ein. 


6S  II.   Uiprocluction.  §.   89.   Kochsalz.   FortseUung. 

e)  Boy  Okna  ;  die  dasigen  Salinen  verschaffen  dem  Hospodar  ein  jährliches  Einkommen  von 
3oo,ooo  Piaster. 

f)  In  dem  merkwürdigen  k.  k.  Sahkammerguie.  Es  bat  zwey  reiche  Salzberge  bcy  Isc/il  und 
Ilallslaül ,  und  drey  Sud-  oder  Pfannenbäuser  mit  fünf  Pfannen,  deren  eine  zu  Hallsladl , 
zwey  zu  Ebensee  und  zwey  zu  hehl  sind.  Die  jährliche  Salzerzeugung  belauft  sich  jetzt  auf 
800,000  Ctr.  ,  ehemals  auf  65o,ooo  Ctr.  Der  Holzbedarf  betrug  im  J.  i8o2  zum  Salzsude 
41,997  Wienerklaficr ,  zur  Fasselerzcugung  7680  Kl.  ,  zur  Kufenerzeugung  1740  Kl.,  zu- 
sammen 5i, 417  Kl.  In  Gmanden ,  wo  das  Salzoberamt  ist,  geschieht  die  sogenannte  Ein- 
barkirung  des  Salzes ,  um  dasselbe  auf  dem  Traunflusse  nach  Enghagen  zu  bringen.  Von 
hier  wird  ein  Theil  auf  der  Donau  nach  fJ^'ien  ,  ein  Theil  mittelst  der  Naufahrt  nach  biriz  , 
und  ein  Theil  nach  Mauihhausen  eingeschifft,  von  welchem  Orte  der  weitere  Transport 
durch  Budweis  nach  Böhmen  geschiehl. 

g)  Wo  das  Ausseer  Salzbergwerk  merkwürdig  ist.  Der  dortige  Salzstein  wird  durch  Wasser- 
einlassung zu  einer  Sulze  aufgelöset  ,  diese  dann  in  eigene  Sulzstuben  durch  Streunen  (Röh- 
ren) unter  der  Erde  geleitet  und  zu  den  Sudpfimnen  geführt,  deren  eine  ^u  Aussee  und  eine 
unweit  da\on  in  der  Kautsch  erbauet  ist.  Der  jährliche  Salzcrtrag  beläuft  sich  auf  160  bis 
200,000  Clr. 

/))  Wo  der  3  Stunden  nördlich  von  Hall  liegende  Salzberg  merkwürdig  ist.  Die  Salzsoole  wird 
in  Röhren  nach  Hall  geleitet,  und  daselbst  in  g  Pfannen  versüllen.  Es  vverden  jährlich  zwi- 
schen 2G0  — 280,000  Ctr.  Salz  erzeugt.  Auch  gewinnt  man  in  Hall  jährlich  an  5o  Ctr.  reine 
Magnesia. 

i)  Wo  die  Salzwerke  zu  Hallein,  oder  eigentlich  der  Salberg  am  D'nrrenherge  bemcrkenswerth 
ist,  mit  einer  jährlichen  Salzproduction  von  mehr  als  3oo,ooo  Ctr. 

A)  Wo  zwey  Salinen  sind,  1  zu  Schellenberg ,  1  zu  Frauenneih  ,  wohin  die  Salzsoole  von  Gol- 
lenbach  ,  wo  die  Einfahrt  in  den  Salzberg  ist,  geleitet  wnd.  Seit  1817  ist  eine  neue  merk- 
würdige Soolenleifung  von  Berchtesgaden  über  Jllsang ,  Ramsau  u.  s.  w.  über  einen  hohen 
Gebirgszug  mit  einer  Röhrenfahrt  von  101,796  Fuss  Länge  gefuhrt,  um  den  reichen  Berch- 
tesgadner  Salzbergbau  und  seine  gesättigte  Salzsoole  mit  den  Salinen  zu  Reichenhall,  Traun- 
slein  imd  RosenJieim  zu  vereinigen.  Es  werden  jährlich  über  1.^12,400  Ctr.   Salz  geliefert. 

l)  Vornehmlich  bey  Cnrdoiia  in  Calalonien  j  wo  man  einen  Salzfelsen  von  beynahe  5oo  Fuss 
Hübe  ,  und  eine  Meile  im  Umfange  sieht.  Ausserdem  besitzt  Spanien  Steinsalzgruben  zu  Al- 
mcngrai'illa  in  la  Mancha,  zu  Posa  in  Castilien  und  zu  Valdierra  in  Navarra. 

m)  Wo  zu  f'ic  im  Departement  Meurthe  neuerlich  ein  reicher  Salzstock  entdeckt  worden  ist. 

7()  Wo  in  der  Pfalzgrafschaft  Chesler ,  nahmenllich  in  der  JNäho  des  (feai're  und  der  zu  sei- 
nem Gebiete  gehörenden  Flüsse  auf  Steinsalz  gebauet  wird.  S.  Götting.  gel.  Anz.  i8i5. 
St.  8.  S.  68. 

c>)  Wo  die  ergiebigsten  Steinsalzgrubcn  am  Jlck ,  im  Gou\ernement  Orenburg  in  Russisch- 
Asien,  sich  befinden,  mit  einem  jährlichen  Salzertrage  von  5oo,ooo  Pud. 

p)  So  ist  z.  B.    der  ursprüngliche    Werth   des  in   GrossbrlLsinnien   jährlich    consumiiten    Salzes 

100,000  Pf  St.    Von  dieser  Quantität,  die   ursprünglich    100,000   Pf.    St.    kostet,    zieht   die 

Regierung  an    Accise   darauf  i,5oo,ooo    Pf.    St.,    also   fünfzehnmal    mehr,    als  es  kostet.  S. 

Staats-  und  gelehrte  Zeitung  des  Ilamburgischen  unparteyischenCorrespondenten.  1821.  Nr.  175. 

q)   S.  Götting.   gel.  Anz.   1814.  St.  90.   S.  89:1. 

r)  Nach  dem  Tractate  vom  14.  April  1816  erhält  Baiern  von  Öslerreich  alle  Jahre  eine  Quan- 
tität von  264,000  Ctr.  Halleiner  Salz  für  den  currenlen  Preis. 

s)  S'AmmÜiche  y'ier  sächsische  SaWnen  (DüiTenberg,  Kosen,  Tcuditz  und  Ariern)  gehören,  seit  i8i5^ 
Freusscn ,  das  durch  den  Frieden  zu  Tilsit  (1807)  alle  die  seinen  Ncrlor,  und  nun  seinen 
Yeilust  xiilt  Wache-.-  ersetzt  sieht;   indessen  erhält  Sachsen   \on   Preussen   unter   billigen    Be- 


II.  Urproductiou.  §.  go.   Salpeter,  Sod»,  Glaubersalz   und  andere  Saharten.  167 

dingungen  (ä  5o  Rthlr.  die  Last)  jährlich  wenigstens  i5o,ooo  Ctr.  Salz,  welche  Quantität 
bis  25o,ooo  Ctr.  erhöhet  werden  kann.  Dem  preuss.  Unterthan  kostot  die  Last  i5o  Rlhlr. 
(S.  V.  Jacühs  Staatsfinanzwissenschaft.   2.  ßd.   1822.) 

/)  Es  führt,  nach  einem  vierjährigen  Durchschnitte  (1802 — i8o5)  ,  jährlich  fiir  i,553,i77  Ru- 
bel Salz  ein  ;   die  Salzausfuhre  beträgt  dagegen  nur  etwa  So, 000  Rubel  jährlich. 

u)  So  wurde  bishernach  Croatien  Seesalz  aus  Neapel  eingeführt,  welches  jetzt  durch  das  isiri- 
sehe  und  dalmatinische  Meersalz  ersetzt  werden  dürfte. 

»f)  So  werden  die  Pro\  inzen  an  der  Ostsee  zum  Theil  mit  fremdem  Salze  versehen  ,  welches 
durch  die  Schifffahrt  wohlfeiler  herbeygeschafft  werden  kann. 

§•   90. 
2)    Salpeter,    Soda,    Glaubersalz    und    andere    Salzartcn. 

Der  natürliche  Salpeter  (nitriim)  findet  sich  ahsonderhch  häufig  in  Ungern ,  nah- 
mentUch  auf  den  Puszten  um  den  Neusiedlersee j  um  Stuhlweissenburg  _,  besonders 
al)er  in  Osten  des  Landes  aj  ;  auch  ui  manchen  Gegenden  Spaniens  und  Italiens 
ist  der  Boden  reich  daran;  in  Deutschland  und  andern  euroj)äisc]ien  Ländern  aijcr 
konnnt  er  nur  selten  und  äusserst  sparsam  vor.  Der  meiste  europäische  Salpeter  wird 
aus  den  mit  Salpetersäure  angef'iillten  Erden,  zu  deren  Gewiiiniuig  in  mehreren  Län- 
dern das  Grabungssj'Stem  bj  eingefiihrt  ist,  künstlich  bereitet.  —  Das  mineralische 
Laugensalz  j  oder  die  sogenannte  Soda  (nalriun)  konnnt  ausser  Europa  am  häufigsten 
in  jiegypten  vor ;  in  Europa  wird  dieses  Product  in  unerschöpflicher  Menge  in  Un- 
gern gefunden.  In  einigen  Gespanschaften  sind  Strecken  von  halben  luid  ganzen  Tag- 
reisen damit  wie  besäet,  in  andern  sind  der  damit  geschwängerten  Seen  (üngrisch 
i^e'/ze/VÖj  weisse  Seen  genannt)  so  viele  vorhanden,  dass  nur  allein  die  Biltarerge- 
spanscliaft  schon  oft  in  einem  Jahre  über  10,000  Ctr.  der  feinsten  Soda  in  den  Han- 
del geln-acht  hat.  Älit  Hülfe  dieses  Laugensalzes  (Lngrisch  ÄerAw),  welches  als  Sur- 
rogat der  theuern  Holzasche,  beym  Leinwandbleichen  und  andern  Pabrikarbeiten  em- 
pfohlen wird,  bereitet  man  vorzüglich  m  flebreczin  au  7000  Ctr.  Seife  imd  darüber, 
die  unter  dem  Nahmen  der  Debreczinerseife  im  Li-  und  Auslande  berühmt  ist.  — 
Das  Glauberische  If'undersalz  (sal  mirabile  Glaviberi)  ward  Anfangs  nur  durch  die 
Kunst  bereitet ;  allein  in  der  Folge  fand  man ,  dass  auch  die  JNalur  derglci  chen  Salz 
erzeuge.  Li  Ungern  entdeckte  Dr.  Planes  Oesterreicher  in  einem  nahe  bcy  Ofen  ge- 
legenen Sumpfe,  ein  von  der  Natur  erzeugtes  reines  Glauberisches  Wundersalz.  Li  der 
Folge  fand  man  dergleichen  Sümpfe  auch  im  Stuhlweissenburger-  j  Oedenburger- 
und  Wieselhargercomitate.  Li  Deutschland  zeichnet  sich  die  Friedrichshaller  Salz- 
quelle im  Hildburghausischen  durch  den  starken  Gehalt  dieses  Salzes  aus;  trocken 
trifft  man  es  unter  andern  in  den  Salzburgischen  Salinen  an;  auch  verschiedene  Mi- 
neralwasser, wie  z.  B.  die  Carlsbader _,  Sedlitzer  und  andere  Böhmische  ^lineralwas- 
ser  liefern  es.  Es  ist  eines  der  besten  gelinde  abführenden,  auflösenden  luid  zugleich 
kühlenden  Mittel.  Auch  wird  es  seit  einigen  Jahren,  statt  der  immer  theurer  werden- 
den Pottasche  ,  in  verschiedenen  österreichischen  Glasfabriken  mit  selir  gutem  Erfolge 
angewendet.  —  Dct^  Alaun  (alumen),  dessen  Gebrauch  hauptsächlich  in  der  Färbe- 
kunst sehr  ausgebreitet  ist,  wird  am  häufigsten  aus  Alaunschiefer,  scliwefelhalligem 
verhärtcleu  Tliouc  und  vervullerlca  Laven  gewonnen.  Gediegen  kommt  er  nur  spar- 


l68  II.   Ui|irücluclion.  ^.  gi.  Mineralwasser. 

sam  vor.  Der  römische  Alaun ^  der  ia  dem,  eine  italienische  Meile  weit  j^Cii;en  Nord- 
west von  Tolfa  gelegenen  Alaunweikc  bereitet  wird,  imd  der  im  Handel  bisher  fiir 
den  besten  gegolten  hat  cj  ,  wiid  ans  einejn  schwefelhaltigen  verhärteten  Thone,  wel- 
cher sich-  besonders  in  dem  Gebiete  von  Clvita  Vecchia  findet,  gewonnen.  —  Die 
metallischen  Salze  oder  Vitriole  (vitriolum) ,  deren  Gebrauch  ebenfalls  besonders  in 
der  Färberey  sehr  ausgebreitet  ist,  findet  man  auch  zuweilen  von  der  Natur  gebildet; 
aber  grösstcn  Theils  werden  sie  aus  gewissen  Mineralien  durch  die  Kunst  bereitet.  — 
Gediegenes  Bittersalz  von  vorzüglicher  Güte,  so  wie  zugleich  in  grosser  Menge, 
liefeit  Epsom  in  England;  durch  die  Kunst  wird  es  aus  den  Wassern  von  Sedlitz  und 
Saidschütz  in  Böhmen  bereitet,  obgleich  in  diesem  Lande  auch  gediegenes  Bittersalz 
zu  Billenz  bey  Kommotau  und  hey  Witschitz  im  Saatzerkreise  sich  findet. 

a)  Es  können  ans  dem  daselbst  gewonnenen  Salpeter  nicht  nur  die  ganze  Scliiesspulvererzeu- 
gung  im  Reiche  und  alle  sonstige  Salpeterconsumtion  reichlich  gedeckt,  sondern  noch  jähr- 
lich über  3ooo  Ctr.  dem  Auslande  überlassen  werden. 
6)  Es  werden  nähmlich  zu  dem  Ende  die  Fussböden  der  Wohnzimmer,  Stallungen,  Keller 
und  Scheuern  der  Unterthanen,  gegen  einen  geringen  Ersatz  der  neuen  Füllungskosten,  nach 
gewissen  Jahren  ausgehöhlt. 
c)  über  die  Verschicdenlielt  des  römischen  Alauns  von  andern  Alaunsorten  ,  und  die  Ursachen 
dieser  Verschiedenheit ;  aus  mehreren  neuern  Verhandlungen  gezogen ,  von  Gehlen  ;  im 
zweyten  Bande  des  Journals  für  die  Chemie  imd  Physik.  Vergl.  Erg'änzungsbl.  z.  A.  L.  Z. 
1809.  Nr.  106.  S.  846  fr. 

§•   91- 
Mineralwasser. 

Endlich  ist  auch  Europa  noch  versehen  mit  einer  vmgezählten  Menge  minerali- 
scher  Bäder  und  Gesundbrunnen.  Fast  jedes  europäische  Land  hat  deren  aufzvnvei- 
sen,  und  viele  sind  noch  in  den  Eingeweiden  der  Erde  verborgen.  In  Ansehung  der 
Menge  und  Gtite  derselben  behauptet  Deutschland  den  ersten  Rang.  Bloss  der  in 
Ruf  stehenden  werden  an  i3o  gezählt.  Die  merkwürdigsten  darunter  sind:  Carlsbad,, 
Töplitz  j  Eger  (seit  lygj  Franzensbrunnen  genannt),  Marienbad  j,  Giesshiibl  ^  Lieb- 
werduj  Silin j,  Sedlitz  luid  Saidschütz  in  Böhmen;  Sternberg ^  Luchatschowitz  und 
Aapagedl  in  Mähren ;  Carlsbrunn  unweit  Freudenthal  in  ÜsteiTeichisch-Schlesien ; 
Baden  in  Österreich  unter  der  Enns;  Rohitsch  in  Steyermark;  Gastein  in  Salzburg; 
Rabbi  in  Tyrol;  Pjrmont  in  dem  Fürstenthume  Waldeck;  Aachen  in  der  preussi- 
schen  Provinz  Niederrhein ;  Baden  im  Grossherzogthume  dieses  Nahmens ;  TViesba- 
den  j  Nieder-Selters  j  Langen- Schwalb  ach  ^  Ems  j  Fachingen  imd  Geilnau  im  Nas- 
sauischen; Brückenau  j  Ab  ach  ^  Sichersreuth  (Alexandersbad)^  Adelholz  j  Kondrau^ 
IViesau  und  Hardeck  in  Baiern,  die  sämmtlich  theils  durch  den  jährlichen  Zusam- 
menfluss  reicher  Fremden ,  die  dort  Gesimdheit  oder  Vergnügen  suchen ,  theils  durch 
Versendung  der  Wasser  selbst,  ihrem  Lande  sehr  einträglich  werden  a).  Die  geschätz- 
testen mid  besuchtesten  Bäder  und  Gesundbrunnen  in  den  übrigen  emopäischen  Län- 
dern sind ,  luid  zwar :  in  der  niederländischen  Provinz  Lüttich :  Spaa ;  in  England  : 
Bathj  Thunbrigde-TFells  imd  die  an  der  südlichen  Küste,  wo  die  Wasser  des  wär- 
meren atlantischen  Meeres  anspülen,   angelegten  Seebäder;  in  Portugal:  Caldas  und 


II     Urprotliiclioii.   §.  gi.  MititTüIwiissi-'r.  l(^q 

Lcii'ia  in  Eslrcmadura;  in  Spanien:  Cnldns  de  Monlmy ,  5  Morien  von  Barcelona, 
und  JUmnia  nnd  Tvillo  am  Tajo,  17  Meilen  von.  Madrid ;  In  Frankreich:  Lagtieres 
de  ßigorre  und  St.  Sau\>euv  im  Depail.  der  Oberpyrenäen;  Bagncres  de  Luc/ion  im 
Depnrl.  der  OJjcrgaronne;  Bowbonne  les  Bcdns  im  ]Jeparl.  der  Oherniarnc ;  Luaucil 
im  Depart.  der  Obersaone;  Ploivbiers  im  Dcpart.  Wasgaii  und  Mont  do'r  les  ßains 
im  Depart.  Pny  de  Dome,  deren  AV'asscr  unter  alleji  Mineralquellen  in  Europa  die 
meiste  lise  laifl  enthalten  sollen  ;  in  Italien  :  Abano  j  BatagUa  und  Ilecoaro  im  Lom- 
I)ardisch-Vcnetianischcn  ;  Aioc  in  Savoyen  ;  Aqui'm  Monlferrat;  Pisa  in  Toscana  ;  die 
Schwitz-  und  Dampfljäder  (siidatori)  hey  Btija  j,  St.  Germano  j  Solfatava  ,  Puzzucio 
Tl.  s.  w.  in  Neapel,  nebst  den  vielen  heissen  Quellen  in  Sicilien  luid  Sardinien;  in  der 
Schweiz:  Baden  und  Schinznach  im  Canton  Aargau :  Pfeßevsbcid  im  Canlon St.  Gallen  ; 
Quis  im  Canton  Appenzell;  Lenek  im  Canton  Wallis,  mit  Schwefelbad  und  warmen 
Bädern,  obgleich  5ooo  Fuss  id)Cr  dem  Meere  sehr  kalt  gelegen;  in  Ungern:  Bis- 
tjaiij  Tventschin  _,  Leibitz  _,  Littschka  ^  Glashütten,  Grosswardein,  Ofen,  Me- 
hadia  {\\Qrkv\c.&häiAex),  Bartfeld j  Füred,  Neidublau,  Szalatnja ,  WicJinje, 
Rank  und  Scldagendojf;  in  Siebenbürgen:  Borszeg ,  Rudna  und  Kowossna;  in  Ga- 
lizien :  Krjniga  und  Sklo;  in  Schweden:  bcy  Medewi  in  Oslgolhland  und /.oAy/  in 
Ncrike ;  in  Norwegen :  bey  Egcr  imd  Sundniör,  Russland  hat  verhältnissmässig  zu 
seiner  Grösse  keine  sehr  grosse  Menge  mineralischer  Bäder  und  Gesundbrunnen,  vnid 
nur  wenige  der  bekannt  gewordenen  Quellen  w erden  stark  bcsncht.  Am  berühmiesien 
ist  gegenwärtig  der  Brunnen  bey  Zarizin,  zu  Sarepta,'\u  der  saralowischcn  Staallhal- 
terschaft.  Der  Russe  beschränkt  sich  grössten  Theils  auf  seine  Schwilzbädcr.  In  Dä- 
nemark an  sich  ist  gar  überall  Mangel  an  mineralischen  Wassern;  dagegen  ist  kein 
Land  so  reich  an  siedenden  Quellen,  als  die  dazu  gehörige  Insel  Island,  wo  es  in 
einem  Bezirke  von  einer  halben  deutschen  Meile  über  100  kochende  heisse  Quellen 
gibt,  die  ihurmhoch  mit  donnerarligem  Schalle  Fluthen  emporheben. 

Übrigens  fmdet  man  nicht  in  allen  der  besagten  Bäder  und  Gesundbrunnen  die 
Einrichtungen  für  die  Gäste  ganz  bequem;  in  mclireren  müssen  sich  diese  elend  be- 
hclfcn.  Es  fehlet  oft  an  Wohnungen  für  sie,  an  Träiteurs,  an  guten  Badegefdssen,  an 
prompter  Bedienung  u.  dgl. ,  und  doch  sind  Bequemlichkeit  der  Wohnung,  haupt- 
sächlich aber  gute  Tafel,  prompte  Bedienung,  neue  Anlagen,  schöne  Umgebungen, 
Ungezwungcidieit  des  Tones,  JMannigfalligkeit  der  Unterhaltungen,  viel  Geräusch  u.  s.w. 
—  die  Magnete,  welche  mehr  anziehen,  als  Kraft  des  Wassers  und  Geschicklichkeit 
des  Brunnenarztes. 

a)  So  versendet  z.  B.  Fachingen  jälirlicli  2oo,ooo ,  Pjrmonl  000,000,  Langen- Srhutalbarh 
55o-,ooo,  Bohitsch  400,000  Krüge  Sauerbrunnen.  Keines  der  zahlreichen  europäischen  Mi- 
neralwasser aber  wird  stärker  \erfiilirt,  als  der  Sälzer- ,  oder  nach  seinem  eigentlichen  Nah- 
men Sffli  erser  SäurihTunnen  :  Niedersellers  versendet  jährlich- nie^r  als  1,600000  Krüge,  wo- 
von eine  grosse  IMenge  als  Ballast  nach  Ost-  und  Weslindien  zu  gehen  pHegt  (S.  WIen(!r 
A.  L.  Z.  i8i3.  ]Nr.  66.  ) ,  obgleich  die  grossen  Versendungen  dieses  berühmten  Sauer- 
brunnens in  neuern  Zeiten  durch  die  gehemmte  SchifTrahrl  ^iel  \erloren  hah  n.  Im  J.ilii' 
1781  wurden  an  ganzen  und  halben  Krügen  zusammen  2,2o8,ooo  St.  gellillt ,  und  i7<j;- 
stieg  die  Zahl  der  gefüllten  Krüge  gar  auf  2,811,095  Sl.  S.  ürctlr.-iarui  a.  a.  O.  S.   120  Ü. 


17»  Jlf    Iiidur.lrielle   Produclion.  $.   92.   Voa  Handwerken,  Man  ;fac(jreii   clc. 

III.    Industrielle    Production. 

S-  92. 

Ton    Handwerken,   Manufacturen    und    Fabrllcen    überhaupt. 

Keiu  Naturpro duct kann,  nur  wenige  ausgenommen,  in  seiner  rohen  Gestall  ver- 
braucht und  eben  so  wenig  mit  mögUchstem  Geldvovtheil  bcnaclibarten  Staaten  über-' 
lassen  werden,  sondern  es  erwartet  diebearbeitende  Hand  des  Menschen.  Dieser  Um- 
stand macht  fiir  jeden  Staat,  der  seinen  Boden  auf  das  vortheilhafiestc  benutzen  will, 
Handwerke _,  Manufacturen  und  Fabriken  nölhig.  Die  Bearbeitung  der  Naturpro- 
ductc  zu  beslinunten  Zwecken  ist  eine  Kunst _,  d.  h.  ein  Geschäft,  welches  nach  ge- 
wissen Vorschriften  oder  Regeln  mit  einer  durch  Übuns  crlanj'len  Fertigkeit  venich- 
let  wird.  Beruht  diese  Kunst  vorzüglich  auf  geschickten  Handarbeiten,  so  heisst  sie 
cm  Handwerk  j  wobey  die  Arbeiten,  welche  zur  Verarbeitung  eines  Naturproducts 
oder  Stoffes  zu  einem  bestimmten  Zwecke  erforderlich  sind,  gewöhnlich  von  cinei- 
Person  geschehen.  Vereinigen  sich  mehrere  solcher  Arbeiter  unter  einer  gemeinschaft- 
lichen Leitimg  auf  die  Art,  dass  jeder  nur  eine  oder  einige  der  zu  einem  bestimmten 
Zwecke  erforderlichen  Arbeiten  übernimmt,  so  entsteht  eine  Manufactur  oder  Fa- 
brik j  wo  jede  Arbeit  vollkommener  und  in  kurzer  Zeit  vollendet  wird.  Manufacturen 
und  Fabriken  imterscheidet  man  wieder  dadurch,  dass  in  jenen  die  ArJieiten  haupt- 
sächlich durch  Hände  oder  Maschinen  geschehen,  in  diesen  aber  vorzüglich  Feuer 
und  Hammer  gebraucht  werden  a}.  Doch  enthält  der  Wortverstand  von  Manufactur" 
einen  allgemeinem  Begriff,  wovon  Fabrik  eine  untere  Gattung  ist.  In  gemeinen  Reden 
werden  indessen  diese  ^Vörter  als  gleichbedeutend  gebraucht. 

Zur  Erspai'img  der  Zeil  und  Kosten  und  zur  Vervollkommnung  der  Arbeit,  wel- 
che durch  ^täAerc ,  als  menschliche  Kräfte  bewirket  Averden  muss ,  gebraucht  man 
einfachere  luid  zusammengesetztere  Maschinen,  und  zugleich  Vorrichtungen,  wodurch 
die  Kräfte  mit  Ersjiarung  der  Kosten  vermehret  oder  verstärket  werden,  nähmlich 
durch  Wasser,  Wasserdämpfe  und  Luft,  AUö  diese  nennet  man  todte  Kräfte^  im 
Gegensatze  der  lebenden  j  nähmlich  derjenigen ,  die  von  Menschen  und  Thieren  ange- 
wendet werden. 

Übrigens  sind  die  nützlichsten  Manufacturen  und  Fabiiken  im  Allgemeinen  die- 
jenigen, wclchemit  andern  Erwerbszweigen  in  einer  vortheilliaften  Verbindung  stehen, 
die  sichersten  aber,  welche  allgemein  brauchltare,  keiner  ^'eränderung  unterworfene 
und  unentbehrliche  Bedürfnisse  liefern.  Schädlich  werden  Manufacturen  und  Fabri- 
ken, wenn  sie:  i)  andere  nützliche  Erwerbszweige,  oder  den  Verdienst  einzelner  ge- 
werbtreibender  Ciassen  von  Staatsbürgern  beschränken  oder  ganz  verdrängen,  und  2) 
allen  übrigen  Volksclasseu  drückende  Lasten  aiiflcgon. 

Das  erste  geschieht,  wenn  durch  das  Verboth  der  Ausfidire  inländischer  Natur- 
prodmne  die  Erzeugung  derselben  ganz  oder  zum  Theil  gestört  oder  vernichtet  wirdj 
weim  durch  neu  zu  errichtende  Faljrikcn  andere  schon  vorhandene  nützlichere  oder 
früher  bestehende  verdränget  werden;  wenn  diu-ch  eine  besondere  Begiinstigung  der 


III.  IncIustriflU'  Pruducliuu.   §.   yS.  Ziisland  des  eaiu|).   Kuutldcisscs  im  Allgt-ineinoii.  171 

Fabriken  der  Ackerbau  leidet,  und  diesem  die  nöiliii^cn  Arljciter  entzogea  werden; 
und  wenn  ilu-e  Erlialliin^  nur  dadurch  kann  bewirket  werden,  dass  andere  Erwerbs- 
zweige niederj>edriickt  oder  bebistet  werden;  das  zweyle  unter  andern  dadurch,  wcnu 
sie  eine  slärkeie,  als  den  Kräften  des  Staates  angemessene,  Gonsimition  gewisser  un- 
entbehrlicher Naturproductc  veranlassen  ;  wenn  sie  so  grosse  Vorschüsse  und  Prämien 
bedürfen,  dass  dieselben  die  Kräfte  des  Staates  übersteigen,  und  andern  Classen  von 
Staatsbürgern  und  Zweigen  der  Industrie  die  nölhigc  Unterstützung  entziehen;  wenn 
sie  ül>erhau]it  nur  auf  Kosten  der  Nation  fortdauernd  erhallen  werden  können;  wenn 
die  Siaatseinkünfte  dadurch  beträchtlich  vermindeit  werden,  luid  doch  keine  sichere 
Aussicht  vorhanden  ist,  dass  dieser  Verlust  bald  ersetzt  werden  könnte ;  tuid  wenn  sie 
so  zahlreich  werden,  dass  sie  einer  grössern  Anzahl  IMenschen  bedürfen,  als  sie  na«  h 
dem  Verhältnisse  der  Volksmenge  im  Staate  beschäftigen  sollten,  und  sich  dabey  nicht 
auf  Gegenstände  der  Nothwendigkcit,  oder  solche,  die  stets  unentbehrlich  bleiben, 
beschränken,  sondern  ihre  Erh;ütung  von  der  Mode,  dem  Zufalle  und  von  täuschen- 
den Ilütfnungcn  eines  anhaltend  günstigen  Handels  in  das  Ausland  abhängen  lassen. 
a)  S.  Beckmann  s  Anloitung  zur  Technologie.  Dritte  Ausgp.be.  Einleitung.  §.  2  und  §.  8.  Vergl. 

Büsdii'ng's  Vorbereitung  zur  uuropäischcn  Länder-  und  Slaalcnkunde.  6.  Aufl.  herausgegeben 

von  Norrinann.  S.   197  iL 

§■  93- 

Zustand    des    europäischen    Kunst  fleisses    im    Allgemeinen. 

Dqr  Kunsfßeiss  in  Handwerken ,  Älanitfactvrren  und  Fabriken  ist  in  Europa  nach 
Verschiedeidieit  des  Klima's ,  der  Naturproductc,  der  Einwohuci-,  der  ^  crfassiuigen 
und  Regiermigen  sehr  verschieden.  Im  Ganzen  weit  ausgebreiteter  und  lebhafter  aJs 
vor  100  oder  i5o  Jahren.  Es  werden  in  den  europäischen  ^Verkstätten  und  Gewerbs- 
anstalten im  Grossen  alle  Mateiialien,  die  einer  Veredlung  zum  Nutzeu,  zur  Bequem- 
lichkeit und  zum  Luxus  fähig  sind,  verarbeitet,  und  zwar  nicht  allein  die  europäi- 
schen, sondern  auch  ausländische  in  Menge.  Dabey  ist  der  Europäer  miablässig  be- 
müht, seine  Kunstproducte  durch  neue  Erfindungen,  durch  Verbesservmgen  in  Zeich- 
nung, mechanischer  Behandlung,  innerer  Brauchbarkeit  und  äusserer  Form  der  höch- 
sten Volkommenhoit  immer  näher  zu  bringen,  so  wie  er  rastlos  in  Entdeckung  neuer 
Stoffe  und  neuer  oder  anderer  Gegenstände  des  Bedürfnisses  oder  Wohllebens  ist, 
während  die  fabricirenden  Völker  anderer  Erdlheile  sich  mit  der  Ausübuni;  der  her- 
gebrachten  r  niechanischen  Kunstgriffe  und  der  Fabrication  allmodischer  Erzeug.nisse 
begnügen,  Europa's  jüngere  Kinder  in  Nordamerika  ausgenoimnen,  die  auch,  jenen 
Sinn  des  Kunsifleissos  mit  in  ihr  neues  Vaterland  hinüber  getragen  hatten.  Besonders 
sind  es  Cji-ossbi'itctnnicnajj  Frankreich  b)  j  Aic  Niederlande  cj  _,  Deutschland  djj 
die  ScJnveiz  ej  imd  einige  Theile  von  Italien  fj _,  wo  die  Handwerke,  Manuläcturen 
und  Faluikcn  am  Tticislcn  blühen  —  aber  wie  verschieden  ist  ihr  Ffor  auch  da!  —  der 
durch  den  Druck  der  Zeitumstände  noch  tiefer  herabgcb rächt  ward.  Dagegen  sind  Spa- 
nien gj  und  Portugal  hj  j  Dalwaiien  ij  _,  die  Inseln  Sardinien  kj  und  Sicilicn  IJ  j. 
Gulizien  und  Polen  ^  dann  die  jiördliclieu  mj  und  östlichen  nj  Länder  imsers  Erd- 
ihxjils,  mit  Ausnahme  des  osmanischcn  Reichs   oj  ,   in  Ansehung  des  Kunssücissci 

22* 


ly2  HI.  Industrielle  Pioduction.   §.  g3.  Zuslaod  des  tiirop     KiKistfli-issps  im  Allgcuiemtn. 

noch  weit  zurücL  In  mehreren  Gegenden  dieser  Länder  fehlt  es  nicht  sehen  sogar 
an  den  nothwendigsten  imd  einfachsten  Handwerken,  und  verfertigen  Bauern  und  Bür- 
ger heydcrley  Geschlechts  viele  Bedürfnisse  ziu-  Wohnung  ,  Kleidung  und  Haus- 
Avirthschafl,  ohne  zunftmässigen  Unterricht,  wenn  auch  gleich  mit  vielen  Slolfver- 
schwendungen. 

Ührigens  würde  der  europäische  Kunstfleiss  nie  den  Umfang  und  die  Lehhaftig- 
keit  gewonnen  haben,  hätten  nicht  die  Europäer  in  andern  Erdtheilen  Colonien  ge- 
stiftet, und  das  System  eingeführt,  durch  dieselben  dem  Mntterlande  theils  recht  viele 
rohe  Stoffe  zur  Verarbeitung,  oder  zum  Handel  mit  andern  TSationen,  theils  einen  si- 
chern jMarkt  für  den  Absatz  ihrer  kiuisllichen,  auf  eigenen  Schiffen  verführten  Pro- 
ducta zu  verschaffen. 

a)  Es  hat  in  technischer  Gewerbsainkeit  vor  andern  Ländern  ein  bedeutendes  Übergewicht, 
welches  das  Resultat  von  mehreren  Ursachen  ist.  Die  vornehmsten  derselben  sind:  i)  der 
durch  die  Staatsverfassung  kräftig  genährte  Nationalsinn  ,  in  Verbindung  der  seltenen  Ach- 
tung und  Ehre  ,  die  der  Handwerksstand  in  England  geniesst ;  2)  die  vielen  klugen  Einrich- 
tungen und  Staatsmaximen,  wodurch  die  Thäligkeit  der  Nation  belebt  wird;  3)  der  grosse 
Wirkungskreis,  ■\ermoge  dessen  die  brittische  Nation  ungehindert  über  alle  fiinf  Erdtheile 
ihren  Handel  treibt ,  und  durch  ihr  Maschinenwesen  und  ihre  Theilung  der  Arbeit  auch  alle 
fiinf  Erdtheile  mit  Waaren  versorgen  kann,  manches  Land,  wie  z.  B.  Deulschland ,  auch 
wohl  mit  ihren  Waaren  so  überschwemmt,  dass  der  inländische  Fabricant  dagegen  gar 
nicht  aufkommen  kann  ;  4)  die  vielen  und  grossen  Prämien ,  die  jährlich  nicht  nur  das  Par- 
lament, sondern  auch  patriotische  Societäten  ,  und  sogar  reiche  Pri\atleute  für  neue  Erfin- 
dungen und  Verbesserungen  im  Fache  der  technischen  Künste  und  der  damit  verwandten 
Gewerbe  bezahlen  ;  endlich  5)  die  Güte  der  in  ihren  Werkstätten  yerarbcjteten  Materialien, 
und  die  Wohlfeilheit  der  rohen  Stoffe,  die  sie,  ohne  Zwischenhandlung,  aus  der  ersten 
Hand  erhalten,  in  Verbindung  des  Reichthums  und  des  Crcdits  grosser  Fabricantcn ,  die  ih- 
nen den  Ankauf  der  besten  IMalerialien  im  Grossen  um  einen  billigen  Preis  noch  erleich- 
tern. Kunsitalent  ist  jedoch  den  Britten  weder  vorzugsweise  noch  weniger  ausschliesscnd 
eigen.  Diess  Leweisen  nicht  nur  die  vielen  geschicklen  Deutschen  in  England,  die  in  diesem 
Lande  so  grosses  Ansehen  genlessen ,  sondern  auch  die  vielen  und  wichtigen  Erfindungen  , 
welche  von  Deutschen  ,  \  ornehmlich  in  den  früheren  Jahrhunderten  ,  gemacht  wurden. 
Z))  Es  behauptet  in  Ansehung  des  Kunstfleisses  einen  der  ersten  Plätze.  Mit  einem  vorzügli- 
chen Talente  in  Sachen  des  Luxus  und  der  Mode  begabt^  wissen  die  Franzosen  den  Luxus- 
und  Modowaaren  ,  z.  B.  Bijouterie,  Putz-  und  Zierwaaren  ,  eine  hübsche  Form  und  ganz 
eigene  Feinheit  und  Eleganz  zu  geben ;  der  innere  Gehalt  liegt  iluien  viel  weniger  am  Her- 
2en.  Die  blühendste,  obgleich  auf  Kosten  des  Ackerbaues  lierbeygerührte  Periode  der  fran- 
zösischen Manufacturen  und  Fabriken  war  in  der  letzten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  ,  wo 
fast  ganz  Europa  ihnen  zinsbar  war.  Durch  die  Vertreibung  der  betriebsamen  llugenoiien 
aber,  und  die  Näclieü'erung  anderer  Nationen,  besonders  der  Engländer,  kamen  sie  In's 
Sinken,  und  die  Revolution  versetzte  \\\mn  beynahe  den  Todesstoss.  Die  gegen\värtige  Re- 
gierung ist  jedoch  eifrig  bemüht,  alle  durch  die  Staatsuinwälzung  veranlassten  Störungen  zu 
vernichten,  und  durch  zweckmässige  Millel  die  Manufacturen  und  Fabriken  wieder  In  Auf- 
nahme zu  bringen. 
c)  Belgien  ist,  so  wie  durcli  seine  Cultur  und  seinen  Handel,  also  auch  durch  den  Kunst- 
fleiss seiner  Einwohner ,  immer  eines  der  interessantesten  Länder  gewesen.  Lange  zuvor, 
ehe  England  und  Frankreich  die  Kunst  verstanden,  srliönc  wollene  Zeuge,  feine  Leinwand 
und  Spitzen  zu  verfertigen,  zeichneten  sich  die    Städte   in    Flandern  j    Brabant   und   andern 


ni.  Iiuiustrielle  I'roducüou.  §    g^.  Zustand  des  europ.  Kuiistflcisscs  im  Afguim-incii.  173 

Provinzen  Belgiens  durch  eine  seltene  Betriebsamkeit  und  einen  grossen  IIanJ','1  aus.  Dit! 
Thätigkeit  der  Holländer  erhielt  durch  die  Noth  eine  ^■orthei!hafte  Richtung.  Da  die;  Laiidcs- 
producte  zu  den  Bedürfnissen  derselben  nicht  hinreichten,  so  machten  sie  die  rohen  Producte 
anderer  Nationen  zum  Gegenstande  ihres  Runstfleisses,  und  fanden  in  der  Veredlung  der- 
selben eine  bedeutende  Quelle  ihres  Wohlstandes.  Dazu  kam,  nach  der  Gründung  der  Re- 
publik, auch  noch  der  hohe  Grad  der  freyen  Religionsübung,  die  eine  Menge  der  geschick- 
testen Künstler  und  Handwerker  aus  andern  Ländern  dahin  gezogen  halte.  Durch  die  Zeil- 
umstände nalimeii  aber  die  Manufacturen  und  Fabriken  im  Ganzen  beträchtlich  ab;  doch 
befinden  sich  nicht  alle  Gewerbsanstalten  in  gleicher  liage ;  denn  so  wie  viele  mehr  oder 
weniger  in  Verfall  geriethen  ,  blühten  andere  \vieder  auf. 

d)  Wo  nicht  leicht  eine  Gegend  in  den  Handwerken,  Manufacturen  und  Fabriken  ganz  zu- 
rück ist,  im  Gegcntheil  viele  sich  hierin  sehr  auszeichnen.  Dahin  gehören  z.  B.  die  öster- 
reichisch- und  preussisch-deutschen  Staaten  ,  das  Königreich  Sachsen  ,  Sachsen-Weimar  und 
Gotha,  ein  Theil  des  Königreichs  Hano\er  und  der  herzogl.  Braunschweigischen  Lande, 
Hessen-Gassel  und  Darmstadt,  Baiern,  besonders  Ncu-Baiern,  Baden  u.  a.  ni.  Porcellan  , 
Glaswaaren  und  Schmelztiegel  werden  in  Deutschland  besser,  als  in  irgend  einem  europäi- 
schen Lande  ■n  erfertigt.  Schöne  Waarcn  und  Kunsfarbeiten  für  alle  Formen  des  Lebens  lie- 
fern einige  deutsche  Städte,  z.  B.  fixiert,  Berlin,  Augsburg,  Nürnberg,  Fürth,  München,  Leip- 
zig u.  a.  m.  ,  eben  so  gut,  als  London  und  Paris,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  deut- 
sche Kunstwaaren  gewöhnlich  wohlfeiler,  dabey  nicht  seilen  gehaltvoller  sind,  als  manche  aus- 
ländische Producte.  In  neuern  Zeiten  sind  jedoch  die  Deutschen  durch  die  Concurrenz  der  Eng- 
länder, durch  die  Lossagung  der  spanisch-amerikanischen  Provinzen  \on  dem  Mutlerlande, 
durch  die  m  Russland  und  Amerika  entstandenen  und  sich  immer  noch  vermehrenden  Fa- 
briken und  Manufacturen,  so  wie  durch  andere  Umstände,  in  ihrem  Runslfleisse  sehr  zu- 
rückgekommen. Zur  Zeit  der  Hansa  ^var  Deutschland  für  manche  Bedürfnisse,  vornehmlich 
des  europäischen  Nordens,  fast  die  einzige  Werkstatt.  , 

f)  Durch  die  Betriebsamkeit  der  Schueizer  nahmen  im  \  origen  Jahrhunderte  die  Manufacturen 
in  einigen  Cantonen  so  ungemem  zu,  dass,  Herrn  Crome  zu  Folge,  die  Volksmenge  sich  in 
manchen  Gegenden  \  erdoppelt,  und  am  Zürichersee  sogar  vervierfacht  hatte;  diess  hat  aber 
im  Laufe  dieses  Jahrhunderts  durch  die  Handelseinschränkungen  der  benachbarten  Staaten 
so  sehr  abgenommen,  dass  viele  Fabriken  in  der  Schweiz  thcils  sich  einschränken,  tlieils 
ganz  eingehen ,  und  desswegen  viele  tausend  Schweizer  auswandern  mussten.  Gleichwohl 
findet  man  noch  jetzt  in  einzelnen  Thälern  mehr  Werkstätte  der  Künstler,  als  in  manchem 
enropäischen  Rc'iche. 

/)  Nahmenilich  das  /ü-,iiiarrfi'.S(:/!-c'eHe<i"a/j/»-c/!e  Königreich ,  Genua,  Lucca  und  Tcscana.  Doch 
sind  die  Fabriken  in  diesen  Gegenden  nicht  mehr  so  im  Flor,  als  sie  es  im  14.  und  i5 
Jahrhundert,  zur  Zeit  ihres  blühenden  Handels  nach  der  Levante,  \varen  ,  wo  sie  mit  ih- 
ren Seidenwaaren  meist  ausschliesslich  fast  ganz  Europa  versahen,  und  auch  ihre  Ti-icher , 
besonders  die  lombardischen  und  ßurentiiiischen ,  bis  zum  Ausgange  des  16.  Jahrhunderts, 
neben  den  belgischen  und  deutschen ,  die  beliebtesten  in  diesem  Erdtheile  waren. 

.s)  Spaniens  Kunstfleiss  ist  bey  weitem  nicht  das,  was  er  soyn  könnte;  die  inländischen  Fabri- 
ken und  Manufacturen,  zwar  von  allerley  Art,  sind  lange  nicht  hinreichend,  das  Bedürf- 
niss  des  Reichs  zu  befriedigen;  auch  sind,  da  überliaiipt  Anstrengung  in  diesem  Lande, 
mit  einigen  Ausnahmen ,  keine  Nationaltugend  ist ,  die  meisten  Arbeiter  und  Aufseher  Aus- 
länder, welche,  nachdem  sie  sich  etwas  ersparet  haben,  das  Land  wieder  verlassen.  In- 
dessen hatt-en  Spaniens  ManufacUiren  und  Fabriken  sich  unläugbar  im  Laufe  des  18.  Jahr- 
hunderts, zumal  in  der  andern  Hälfte  desselben,  wieder  gehoben.  Alle  aber  haben  durch 
,ien  neuesten  Krieg  unendiich  viel  gelitten  ,  und  leiden  noch  durch  die  im  J.  it52o  ausge- 
•  brociieiie  und  noch  immer  wüthende  Revolution.    Zu   Cari's  I.  Zeaea  vcrsorgtün   Spaniens 


jji  HI.  luJiisliicUe   Productioii.   ^.  gö.  Znsland   des   curnp.   Kuuslflcissts  iin  All^jnifincii. 

Blanufacliircn  und  Fabriken  einen  Thcil  Enropa's  mit  ihren  Erzeugnissen;  aber  durch  Ver- 
treibung der  betriebsiimcn  Mauren  unter  Phiti/'p  III.  gingen  sie  fast  ganz  ein. 
i)  Wo  es  in  Ansehung  des  Kunstfleisses  beynahe  noch  trauriger  aussieht,  als  in  Spanien.  Die 
meisten  Producte,  selbst  die  aus  den  Nebenländern  ,  gehen  roh  in  die  Hände  der  Auslan- 
der, und  was  im  Lande  selbst  verfertiget  wird,  ist  gewöhnlich  schlecht  und  ohne  Ge- 
schmack, und  das  Vorzügliche  ,  dessen  so  wenig  geliefert  wird,  ist  meistens  \on  Auslän- 
dern ,  Deutschen  und  Franzosen ,  die  in  portugiesischen  Fabriken  angestellt  sind.  In  die- 
ser schimpflichen  Uuthätigkeit  werden  die  Portugies<'n  von  den  Britten  immer  noch  mehr 
bestärkt,  die  ihnen,  seit  dem  bekannten  Mclkuen-Tiaclat  (genannt  \  on  dem  englischen  Ge- 
sandten am  portugiesischen  Hofe),  welchen  England  unter  ^n/ia'i  Regierung  mit  Portugal 
abschloss  ,  alle  Fabricate  zufuhren.  Vergebens  strebte  Marquis  i>.  Pombal,  das  Land  der  brit- 
tischen  Zinsbarkeit  zu  entrcissen ;  das  jedoch  gegenwärtig  die  Cortcs  in's  Werk  zu  setzen 
suchen,  indem  sie  seit  Kurzem  die  Einführe  englischer  Manufacturwaaren  einzuschränken 
anfangen. 
i)  S.  Statistische  Bemerkungen  über  Dalmatien ;  in  den  erneuerten  vaterländ.  Blättern  u.  s.  w. 
26.27.28.  1818.  Diese  Bemerkungen  betreft'en  nicht  das  dalmatinische  Gouvernement  in  sei- 
nem gegenwärtigen,  sehr  erweiterten  Umfange,  sondern  das  sogenannte  All-Dalmalien , 
d.  i.  die  drey  Kreise  von  Zara ,  Spulatro  und  Macarsca  ,  nebst  den  dazu  gehörigen  Inseln, 
und  mit  Einschluss  der ,  nun  freylich  zu  Illyrien  geschlagenen  Inseln  Feglia ,  Cherso  und 
Osero.  Vergl.  den  Aufsatz  :  Über  den  Zustand  der  Industrie  und  des  Handels  im  Königreiche 
Dalmatien  ;  aus  amtlichen  Quellen  bearbeitet  \on  fl/. //urteZ;  im  zweyten  Bande  der  Jalir- 
biicher  des  k.  k.  polytechnischen  Institutes.  S.  106 — i3o. 
k)   S.  Polit.  Journ.   1818,  März.  S    284. 

Z)  S.   Crome  a.  a.  O.  S.   724.  Vergl.  Mensel  a.  a.  U.  S.  713. 

ui)  JN^ahmentlich  üänemark ,  Sc/iifedcn  und  Nont'egfu  ,  welche  Länder  sich  durch   Manufactu- 
ren  nie  zu  einem  besondern  Glänze  erheben  werden  ,   da  die  meisten  ihrer   Fabricate  \vegen 
des  hohen  Preises  die  Concurrenz  mit   ausländischen   Kuriolproducten    nicht   aushalten  kön- 
nen. In  den  langen  Winternächten  dieser   Länder  muss  vieles   beym   Lichte  gearbeitet  wer- 
den;  die  Rauhigkeit  des  Klinia's  fordert   eine  kräftigere  Kaluung  der  Arbeiter;  diese  erhöbt 
den  Arbeitslohn,  und  dieser  die  Preise  der  Waaren.  Zudem  müssen  die  meisten  rohen  Ma- 
terialien vom  A'.islande   eingeführt  werden.   Endlich    sind  diese   Länder  nicht  ^oIkreich  ge- 
nug, um  so  viele  Hände  für  Fabriken  entbehren  zu  können,  wie  z.  B.  in  England  und  den 
Isiederlandi-n  geschehen  kann. 
u)  Nahnieullich  Russland  und  Ungern.   Was  Russhml  betriflTl  ,    so    ist    die    Zaiil    d<;r  in  dJesrm 
Ungeheuern  Reiche  etablirlen   Manufacturen  und  Fabriken  verhältnlssmässig  viel  zu.  geringe, 
ob  sie  gleich  von  1779 — i8i5  von  5oi — 3253  gestiegen  sind,    folglich   in   einem  Zeiträume 
von  36  Jahren  sich  mehr  als  versechsfachet  haben.   Zählte  doch   das  o4ömal    kleinere  Öster- 
reich unter  der  Eniis,  mit  Einschluss  der  Stadt  (Fien ,  im  J.     1811  3226   Fabriken    und  Ma- 
;         nufacluren   (S.  Hesperus.  i8i3.    Nr.    67.    S.    532).    Dann   steht   dasjenige,    was  in  Russland 
wirklich  fabricirt  wird  ,  einige  Ai  tikel   ausgenommen  ,    den   Kunstproducten  des  Auslandes 
meist  nach.  Dazu  kommt  noch  dei  hohe  Preis  der  russischen   Kunstproducte ,    da   der  Sitz, 
vieler  Manufacturen  und  Fabriken  z\x  St.  Petersburg ,  zu   Moskau  und    in   andern   der  volk- 
reichsten Städte  ist,  wo,  bey  einer  beträchtlichen  Theuerung  aller  Lebensbedürfnisse,  ein  ver- 
liältnissmässig  hoher  Arbeilslohn  aui  h  hohe  Preise  der  Fabricate   unumgängliih  noth^vendig 
macht;  wesshalb   die  russischen  Fabrikwaaren  die  Concurrenz   mit   d.  n   ausländischen  nicht 
aushälfen  können.   Diejenigen  Gegenstände  dea  Kunstfleisses ,  worin  üii»  Russen  sich  beson- 
ders au.'jzclchnen,  sind  unstreiiig   die  Lederbereitung,    die    Seif  lisied'.  reyen  und  Lichterzie- 
hereycn,  und  die  Verfertigung  der  Segeltücher,  des  Tauwerks  iind  der  Bastmatten.  Um  den 
iuuiru  Kunslfleiss.  nocli  mehr  zu  wecken   und  zu  beleben ,    hat   d.e   russische    Staatsverwal- 


in    luJ-iUiiollo   P,j  laolioii.   §.  gl.   Mjaufjctiiren ,  \v,'Iclic    Flaclis   und   ILmf   vcraibjitoi.  j-5 

tung,  nach  dem  Bcyspielc  anderer  Rpgicrungoii ,  das  Prohibitivs) stein  eingeführt,  dem  zu 
Folge  die  Einführe  von  boynahe  2oo  Artikeln,  grössten  Theüs  Fabricateii ,  verboten,  an- 
dere aber  gegen  Entrichtung  bedeutender  Zollabgaben  zur  Einführe  erlaubt  sind.  —  Eben 
so  ist  auch  in  Ungern  nicht  nur  der  IManufacturen-  und  Fabriken-Etat  unbedeutend,  son- 
dern auch  die  Güte  der  Fabricale ,  mit  Ausnahme  einiger  Artikel,  z.  B.  des  Leders,  der 
Debreczinerseife ,  des  Tabaks  u.  s.  w.  ,  niittelmässig.  Die  vorzüglichsten  Ursachen,  warum 
der  Kunstdeiss  in  diesem,  von  der  Natur  so  begünstigten  Lande  nicht  gedeihen  kann,  sind  : 
i)  die  entschiedene  Vorliebe  der  Nation  für  Ackerbau  und  Viehzucht,  und  die  daraus  ent- 
springende Abneigung  gegen  jede  Art  städtischen  Kunstfleisses ;  2)  die  schwache  Bevölke- 
rung,  in  Verbindung  der  geringen  Anzahl  der  Städte  und  der  Grösse  des  Arbeitslohnes; 
besonders  aber  3)  die  dem  Kunstfleisse  und  der  Handlung ,  wodurch  er  belebet  wird  ,  nicht 
günstige  Verfassung  (s.  Siebenbürgische  Quartalschrift.  6.  Jahrg.  S.  555)  ,  und  das  desshalb 
herbeygefdhrle  Verhältniss,  vermöge  dessen  Ungern  seine  rohen  Naturproducte  fast  nur 
an  die  österreichisch-deutschen  Erbstaaten  zu  \erkaufen,  dagegen  aber  nur  von  diesen  Ma- 
iiufactur-  und  Fabrikwaaren  zu  kaufen  angewiesen  wird  (s.  i>.  Schwarlnev  a.  a.  O.  S.  358), 
ohne  dos  geringen  Grades  der  bürgerlichen  Ehre  und  Achtung  zu  erwähnen  ,  dessen  der 
dritte  Stand  {ticrs  e'lal)  daselbst  geniesst  (s.  Götting.  gel.  Anz.  i8i5.  St.  86.  S.  854  ff)- 
o)  Wo  zwar  die  Manufacturen  und  Fabriken  zu  den  Bedürfnissen  der  Einwohner  bev  weitem 
nicht  hinreichen:  aber  in  Ansehung  der  Güte  mehrerer  Kunstproducte  kann  es  keine  Nation 
in  Europa  den  Osmanen  gleich  thun  ,  viel  weniger  sie  übertrefTen.  Ihr  Garn  ,  das  theils  aus 
Baumwolle,  theils  aus  den  Haaren  angorischer  Ziegen  an  verschiedenen  Orten  verfertiget 
wird,  ihre  Shawls  und  Teppiche  fanden  \cn  jeher  ßeyfall  und  grossen  Absatz.  In  der  Fär- 
bcrey  haben  sie  es  zu  einem  hohen  Grade  der  Vollkommenheit  gebracht.  Leder  von  vor- 
züglicher Güte  kommt  gleichfalls  aus  ihren  Manufacturen,.  und  ihre  Schusterarboit  ist  fester, 
kernhafter  und  feiner,  als  in  andern  europäischen  Ländern.  Die  A  erfahrungsart  bey  Verfer- 
tigung der  vortrefflichen  damascirten  Klingen  ist  ein  den  Türken  eigenes  Geheinmiss.  Über- 
haupt ziehen  die  Osmanen  die  städtischen  Gewerbe  der  Landwirthschaft  und  den  übrigen 
Zweigen  der  Urproductlun  ^■or  ;  doch  ist  der  Fabrik-  und  IManufacturfleiss  in  der  asiatischen 
Türkey  bedeutender,  als  in  der  europäischen. 

a)  Ü  b  c  r  s  i  c  li  t   der  n  a  h  m  li  a  f  t  e  s  t  e  n    Zweige   des    c  u  r  o  p  ä  i  s  c  h  e  ti   Kunstfleisses, 
und    z  w  a  r  .  d  e  r  j  c  u  i  g  e  a    Manufacturen,    welche    iM  a  t  e  r  i  a  1  i  e  n    veredeln    aus 

dem    Pflanzenreiche. 

§•  94- 

Manufacturen,    welche    Flachs    und    Hanf  \  erarbeiten. 

Unter  den  europäischen  Manutacluron,  welche  Materialieti  ans  dem  Pflanzc'nrci- 
che  veredeln,  sind  diejenigen  die  wichligslen  und  grössten,  welche  Flachs  und  Hanf 
Terarheiten.  Sie  veredchi  inländische  TJrstoffe ,  beschäftigen  durch  Spinnen,  Weben, 
Zwirnen,  Bleichen,  Färben  und  Drucken  eine  ungemein  grosse  Menschenzahl,  und 
liefern  die  mannigfaltigsten  Kunstproducte,  deren  Absatz  um  so  sicherer  und  stärker 
ist,  da  sie  Gegenstände  der  allgemeinsten  Bedürfnisse  sind. 

Die  Garnspimierey  ist  theils  als  eine  Vorarbeit  fiir  Leinwand-  und  andere  Ma- 
nufltcturen,  theils  als  ein  Nebengewerbe  fiir  Landleute  und  Städter  überaus  wichtig. 
Sie  wird  am  stärksten  in  Deutscliland  betrieben,  nicht  nur  für  die  eigenen  Manufac- 
luKui,  sondern  auch  für  die  Leinwand- imd  Zeugmanufacturen  aller  Art  in  ticr  Scliwelz^ 


j,g  III     Ii:(ltislri,lle   Prodiicliou     ^.   g4.   Mniuij'.-.ctnrcr)  ,  \\cli  Iir   Find  s   uiic!  H.iif  rrmilii  itrii. 

in  HoUaiid j  Frankrciili  nml  Englmul ^  -wohin  jahrJirh  eine  Menge  Garn  aus  Sclile- 
sicn,  Dühnicn,  Mähren,  Westphalen,  Hanover,  01den])urg,  und  andern  deutschen 
Gegenden  versendet  wird,  oligleich  gegenwärtig  hey  weitem  weniger,  als  vor  dem 
J.  l8l5j  weil  zu  jener  Zeit  die  Brilten  angefangen  halten,  Stoffe  (der  Leinwand  ähn- 
lich) aus  Baumwolle  7m  verfertigen,  und  jene  dadurch  enthehriich  zu  machen  n). 
Wenn  vorzügliche  Güte  des  Flachses  und  Geschicklichkeil  der  Spinner  oder  Spinne- 
rinnen zusanmien  treffen :  so  nmss  man  üher  das  feine  Gespinnste  erstaunen,  welclies 
Menschenhände  liervorhringen  können.  Ecyspiele  davon  liefern  unter  andern  TFest- 
plialen  b)  ^  das  lUesengehirge  c)  ^  die  ScJnveiz  d)  und  Schweden  e). 

Zivirn  liefern  hauplsäclilich  die  Niederlande ^  wo  zu  Haarlem  zugleich  der  fein- 
ste Zwirn  in  Europa  (his  zu  3oo  H-  das  Pfund)  verfertiget  wird;  dann  Schottland  f)  j 
Frankreich,  das  lomhardisch- venelianische  Königreich  g) ,  Schleswig  inid  mehrere 
deutsche  I^änder,  vornehmlich  Schlesienj  Böhmen  h)  _,  Ans  Land  ob  derE?inSj  Sach- 
sen und  TFestphalen  j  obgleich  in  den  neuesten  Zeiten  hey  diesem  Artikel  in  einigen 
der  besagten  Länder  Missln-äuche,  Unordnungen  vuid  Betriegereyen  entstanden,  in- 
dem Län"Q  Fädenzahl  und  Güte  beträchtlich  abgenommen  haben,  zum  grösstcuNach- 
iheilc  des  Publicums  und  des  redlichen  Fabricanten.  Der  Zwirn  wird  entweder  auf 
der  Spindel,  oder  dem  Spinnrade,  oder  auf  der  Zwirnmülde  bereitet,  und  auf  man- 
cherlcy  Art,  als  zum  Nälien  und  Slricken,  zur  Bandwel)erey,  vornelnnlieh  aber  zu 
Spitzen  gebraucht,  die  theils  geklöppelt,  theils  genähet,  tlieils  gewebet  werden. 

Die  feinsten  vmd  kostbarsten  geklöppelten  Spitzen  j  die  Europa  kennt,  liefern  die 
JSiederlaude _,  vornehndich  die  Städte  Brüssel  (von  84 — 5oo  fl.  die  Elle),  Antwer- 
pen j  Mechelii  j  Turulioul  j,  Brügge  ,  Cortrjk ^  Meniti  und  Gent;  die  feinsten  nächst 
diesen  Talenciennes j  Dieppc j,  IJa\'i-e  de  Graccj  Honjleur  und  Jlengon  in  Frank- 
reich Tondern  i)  in  Schleswig,  die  Dörfer  Zoc/e  und  Cliaux  de  fand  und  das  Thal 
Valtravers  '\n\Y\\YsVc\\\.h\\me  INeufchalel  Ä) ,  das  sächsische  Erzgeliirg  gegen  Jnmi- 
^er"- und  Schneeberg  hin,  das  böhmische  Erzgeltirge,  \\A\\\\c\\\\\.y:\\  i^ct  Ellnbogner- 
und  der  Saatzerkreis  i)  _,  nebst  IVien  im  Lande  rniier  der  Enns,  wo  in  einer  privi- 
Ic'irten  Manufaclur  Brüsslerspitzen  und  von  mehreren  Faliricanten  Seiden- mid  Zw  irn- 
\Virihsehari>spitzen  verfertiget  werden;  die  besten  gewebten  Spitzen  aber  Haarlem 
in  Holland,  und  die  schönsten  genäliten  Spitzen  Italien,  Frankreich,  Brabant  und 
En"land.  Hall)  genähte  und  halb  gekl.ippclte  Spitzen  werden  zu  Brüssel  verfertiget. 
Wie  ungemein  die  Kunst  den  Werlh  eines  Naliuprodiicts  erhöhen  kann,  sieht  man 
unter  andern  an  dem  Ertrage  dieser  Arjteit.  Aus  einer  kleinen  Portion  Flachs,  von  dem 
Werlhe  eines  Groschen,  spinnt  der  Schlesier  fiir  2  Kthlr.  Garn,  der  Holländer ideicht 
und  veredelt  es  zu  feinem  Zwirn,  den  der  Brabanlcr  und  Sachse  mit  24  Rtülr,  kauft  j 
und  diese  endlich  machen  daraus  für  200  Pithlr.  Spitzen. 

Leinene  Bänder  ^a\n\c\Tei\  \n\  Grossen  hauplsäcldich  Ilanrlem  in  Holland,  Schle- 
sien, Böhmen  und  Österreich  unter  der  Enns ,  in  welcliem  letzteren  Lande  die  Lei- 
ncnb'änderfabrication  besonders  zwischen  Grosssieghards  und  U'iddln.fen  an  der 
Thaya  betrieben  wird,  welche  Gegend  unter  dem  Nahmen  des  Bünderkrümer- 
Ländchens  bekannt  ist,  wo  sich  über  1000  Personen  von  der  ^  erferligung  leinener 
Bänder  ernähren. 


III.  Iiidusiriellc  Protliiclion.  §.  g5.  Manufacfiiren  ,  welche  Fl.ichs   ii.   Ilaiif  vcrarb,   Fortsetiimy^.  i-j-j 

fl)  So  hat  z,  B.   Pieimsiscfi-Sj/ilts'ten  an  Leinengarn  noch 

im  J.    i8i4  nach  EnglanJ  veisoiidct .  .  .  .  4^^5926  Ctr. 

—  —  i8i5    4J5196  — 

—  — -   1816    aber  nur  noch 6,6gi  — 

Eben   so    sclialzie    man   tl.'n   Garnhandel  von    HlUlesheiin   bis   auf  die    neuesten    Zeiten    aul 
800,000  fi.  ;  jetzt  aber  ist  er  sehr  herabgekommen.  S.  Hock  a.  a.  O.  S.   146  u.  i5o. 

6)  Um  BieteJ'ekl,  Cüllerslo/te  und  Rillberg  spinnen  Bauern,    die   in    Holzschuhen   gehen,    mit 

den  groben  Händen  ,  die  den  Pflug  regieren ,  so  feines  Garn ,  dass  aus  einem  Pfund  Flachs 

(       ein  Faden  wird,  der  25  Meilen,  jede  von  20,000  Fuss,  lang  ist,  und  dass  16  Stücke  Garn, 

oder  19,200  Fäden,  jeder  von  6  Fuss,  wenn  sie  etwas   zusammengedrückt   werden,  durch 

einen  Fingerring  können  gezogen  werden.  S.  Grellinann  a.  a.   O.  S.   107. 

c)  Wo  ,  Hrn.  Hoser  zu  Folge ,  volljährige  Männer  den  Flachs  so  sehr  verfeinern  ,  dass  ein 
Sliick  Garn  (zu  4  Strähnen,  oder  i2  Zaspeln,  oder  240  Gebinden,  jedes  zu  20  Fäden,  de- 
ren jeder  3^  böhmische  Ellen  lang  ist),  oder  ein  16,800  böhm.  Ellen  langer  Faden  nur  6  Quin- 
tel  wiegt.  In  der  Umgegend  xon  SlarkenbacJi  wird  jetzt  ein  Leinengarn  gesponnen  und  verar- 
beitet, das  feiner  als  das  feinste  Menschenhaar  ist,  und  dahey  eine  unglaubliche  Festigkeit  besitzt. 

cl)  Im  Canton  Appenzell ^  nahmentlich  in  dem  Thcile  Ausser-Rhoden ,  spinnt  man  aus  einem 
Pfunde  Flachs  einen  400,000  Fuss  langen  Faden.  S.  Crome  a.  a.  O.  S.  643. 

e)  Die  Spinnerinnen   im  Kirchspiele  J\älra  spinnen  aus  einem  Lothe  Flachs  4000  Ellen  Garn. 

S.  AUg.  gcogr.  Ephem.  Bd.  27.  S.  297. 
/)   Wo  zu  Paislej  allein   i3o  Zwirnmühlen  für  1,980,000  fl.   Zwirn  jährlich  liefern. 

g)  Wo  die  Fabrication  des  leinenen  Zwirns  besonders  in  der  Provinz  Brescia  von  solchem  Be- 
lange ist,   dass  davon  jährlich  für  eine  Million  Lire  ausgeführt  wird. 

Ii)  Wo  die  Verfertigung  des  Zwirns  vornehmlich  im  Leulmerilzerkreise  an  2480  Personen  be- 
schäftiget, welche  jährlich  bey  5,5o,ooo  St.  Zwirn  liefern. 

i)  In  und  um  Tondern ,  dessgleichen  in  der  nördlichen  Hälfte  des  Herzoglhums  Schleswig, 
und  in  einzelnen  benachbarten  Inseln,  sind  gegen  i2,ooo  Mädchen  beschäftigt,  mit  Verfer- 
tigung von  Spitzen,  die  Hamburger  Elle  von  4  Kreuzern  bis  2  holländischen  Ducaten  ;  jähr- 
lich (J.   1804)  für  1  Mdl.  fast  i|  Mdl.  fl. 

k)  Wo  das  Spitzenklöppeln  gegen  5072  Personen  (Kinder,  Mädchen,  Weiber,  Greise;  im 
Winter  selbst  Männer)  beschäftiget,  wodurch   i,5oo,oOo    Livr.  jährlich    in's  Land  kommen. 

/)  In  beyden  Kreisen  beschäftiget  das  Spitzenklöppeln  über  17,000  Personen.  Es  werden  hier 
Spitzen  die  Elle  ^on  5  Kreuzern  bis  4  fl.  verfertiget,  im  Ganzen  für  640,000  fl.  jährlich. 

§•   95. 
Fortsetzung. 

Von  dem  Flachsgarnc ,  welches  niclit  gezwiint  wird,  viehelm^n  Leinwand.  Es 
gibt  grobe  j  mittelmässige ,  feine  und  sehr  feine  Leinwandsorten  (Battisi).  Man  macht 
auch  bunte  und  gestreifte  Leinwand,  gebildete  oder  gckiepertc,  dahin  insonderheit 
der  leinene  Damast  oder  die  Damastleinwand,  der  ZwiUig  und  der  Drcll  gehört,  ge- 
färbte xmd  gedruckte,  gewichsete  (Wachstuch,  WicJisleinwand)  und  geleimte  (Schei- 
ter oder  Steifleinwand,  wovon  die  ganz  grobe  Starrleinwand,  die  feinere  Glanzleiu- 
wand  heisst).  Das  Hauptland  fiir  die  Leuiwandmanufactur  ist  noch  immer  Deutsch- 
land ^  obgleich  der  Flor  derselben  durch  den  Druck  der  Zeiten,  besonders  aber  durch 
die  Handelspolitik  der  Engländer,  und  die  immer  grössere  Verbreitung  und  Wohlfeil- 
heil der  batunwollcnen  Zeuge  und   der   Halbleinwand  (s.  unten)  ungemein  verhindert 

23 


178  III.  Industrielle  Production.  §.  g5.  Mannfacturen,    •welche  Flaclis  u.  Hanf  verarb.  Fortsetzung. 

■wird;  näclisldem  wird  die  meiste  Leinwand  in  den  Niederlanden _,  in  Irland ^  Süd- 
schottland _,  im  nördlichen  Frankreich  _,  in  der  Schweiz  _,  in  Russland  ^  Polen  j  Ga- 
lizien  und  ungern  verfertiget;  die  feinsten  Gattungen  aber  werden  gewebt  in  den 
Niederlanden  j  in  Nordfrankreich  j  in  der  Schweiz  imd  in  Deutschland ,  vornehm- 
lich in  Ostfriesland _,  Westphalen^,  Schlesien ^  Böhmen,,  Mähreji_,  in  der  I^ausiiz , 
FrajikeUj,  Schwaben  ,  in  verschiedenen  Rhein-  und  andern  deiitschen  Gegenden.  — 
Verschieden  von  der  ächten  Leinwand  ist  die  Halbleinwand ,  die  seit  einigen  Jahren 
einen  eigenen  Handelsartikel  ausmacht,  indem  nur  die  Kette  Leingarn,  der  Eintrag  hin- 
gegen Baumwollengarn  ist.  Diese  Quasileinwand  wird  stark  im  britlischen  Reiche,  be- 
sonders in  Irland  verfertiget,  und  in  alle  Länder  verfuhrt.  Sie  ist  es  eigentlich,  die 
die  deutsche  Leinwand  immer  mehr  und  mehr  von  ausländischen  Märkten  verdrängt  c?). 
Die  Einfuhrung  der  jMaschinenspinnerey ,  durch  welche  nach  und  nach  die  Preise  der 
Flachsgarne  in  demselben  Verhältnisse,  wie  bey  den  Baumwollengarnen,  herabge- 
bracht werden  können,  ist  daher  von  grosser  Wichiigkcit,  weil  nur  durch  diese  Ma- 
schinerie dieser  alte,  unserm  Vaterlande  natürliche  Lidustriczweig  wieder  gehoben, 
und  zu  einer  grössern  Ausdehnung  als  jemals  gebracht  werden  kann.  Es  ist  daher  merk- 
würdig, dass  gerade  Deutschland ^  nahmentlich  Oesterreich  unter  der  Enns  ^  im 
Besitze  dessen  ist,  was  den  Engländern  nicht  gelingen  wollte,  im  Besitze  einer  sehr 
vollkommenen  Flachsspinnmaschitie-Fabiik  zu  Hirtenberg  (einige  Stunden  von  Wien). 
Diese  Fabrik  arbeitet  gegenwärtig  init  20  Feinspinomaschinen.  Das  Garn  zeichnet  sich 
durch  Gleichförmigkeit  und  Festigkeit  aus,  so,  dass  die  Leinwandfabricanten  es  vor- 
zugsweise zur  Anwendung  für  die  Kette  kaufen  b'). 

Die  Ijerühmtesten  Bleichanstalten  sind  in  den  Niederlanden  ,  vornehmlich  zu 
Haarlem  und  Cortryk;  die  besten  und  grössleu  nächst  diesen  aber  zw  Perth  in  Schott- 
land, in  Irland j  Nord f rankreich,  i\x  Bielefeld  in  Westphalen  ,  in  ScJdesien  und  Böh- 
men j  in  welchem  letzteren  Lande  die  Lcinwandmanufacturen  ungefähr  355  Bleichen 
beschäftigen,  worunter  die  Bleiche  zu  Landskron  gewiss  eine  der  grösten  Unteineh- 
mungen  dieser  Art  in  der  Welt  ist.  Es  können  darin  zu  gleicher  Zeit  6000 — -jboo 
Schock ,  rmd  in  einem  Jahre  füglich  20,000  Schock  Leinwand  abgebleicht  werden. 

Die  abgetragene  Leinwand,  oder  die  Lumpen  weiden  verbrannt  als  Zunder ,  ge- 
zupft als  Charpie  und  sonst  auch  noch  zu  andern  Zwecken,  voi-nchmlich  aber  zur  Ver- 
fertigung des  Papiers j  in  eigenen  dazu  eingerichteten  Mühlen,  benutzt.  Es  wird  von 
vorzüglicher  Güte  und  Schönheit  in  Holland ,  England j,  Frankreich ,  Italien  imd 
der  Schweiz  erzeugt.  Frankreich  und  besonders  Holland,  das  fridier  als  Frankreich 
Vehnpapier  lieferte,  hatten  lange  den  stärksten  Papierhandel  in  Europa,  und  ver- 
sorgten <len  grösslen  Theil  desselben.  Selbst  England  erhielt  bis  in  die  neueren  Zeiten 
das  bessere  Papier  aus  der  Fremde,  hat  aber  sehr  schnelle  Fortschritte  in  der  Ver- 
fertigung desselben  gemacht  und  jetzt  eine  sehr  starke  Ausfuhre.  Auch  wird  in  Eng- 
land die  Methode,  mittelst  der  oxydirtcn  Salzsäiu-c,  nicht  bloss  Linnen,  sondern  auch 
Lumpen  und  Papierteig  zu  bleichen,  und  alten  Kuferstichen  und  gedruckten  Büchern 
die  vorige  Weisse  wieder  zu  geben,  von  verscliiedenen  Künstlein  mit  giilem  Erfolge 
in  Ausübung  gebracht.  Das  erste  Leinenpapier  ward  in  Deutschh/nd  gemacht ;  schott 
im  J.  i3go  waren   daselbst  Papiermühlen  im    Gange ,  Vt'ilirend  in-Russland  die  erste 


III.   faJuslricIle  Production.   ^.  g5.  Manufacturen,  «eiche   Flacbo   ii.   Hanf  verarb.  I'oitsetiunj;  i^g 

Papiermühle  im  J.  1712  i^ebauet  wurde.  Im  J.  i8l5  waren  deren  dasell)st  67  vorhan- 
den, während  Dculscldand  deren  gegenwärlij^  an  5 — 600  zählt,  die  jährhch  etwa  ge- 
gen 140,000 — iSojOOO  Ballen  Papier  liefern,  wozu  die  in  dem  Kreise  Unier-Wicner- 
vald  im  Lande  miler  dcrEunshefindliclien  11  Papiermidilon  allein  jährlich  20,5oo  Bal- 
len oder  2o5,ooo  Riesse  heylragcn.  TJhcrlianpl  erzeugt  Deutschland  dieses  Fahricat  in 
hinreichender  Menge,  obgleich  dorPapicrverhrauch,  den  thcils  die  ühcrlri«hcne  Schrift- 
sleUercy,  ihcils  die  grosse  Menge  besonderer  Regierungen  und  Kanzleyen  daselbst  er- 
fordert, imgeheuer  ist.  Aber 'in  Umsicht  der  Feinheit  und  Güte  steht  es  im  Ganzen  dem 
holländischen,  englischen,  französischen,  italienischen  und  schweizerischen  nach. 
Indessen  machen  seit  einigen  Jahren  mehrere  P'aljriken  im  Lande  unter  der  Enns ,  in 
Böhmen,  Mähren  und  andern  deutschen  Ländern  in  der  Papierl"al>rication  nicht  un- 
bedeutende Fortschrille.  Unter  andern  erzeugen  die  Papierfabrikeji  zu  Frunzentlial 
nächis  Ebergctssingj,  zu  Untei-ivaltersdorif  und  Guntramsdovf  un  Lande  unter  der 
Enns  (letztere  mit  chemischer  ßleiclie)  Post-  und  Velinpapier,  das  dem  ausländisclien 
wenig  nachgibt.  Nur  so  schönes  und  grosses  Zeichen-  und  Kupferdruck|»pier  liefern 
die  deutschen  Papicrmülilen  nicht,  wie  das  Ausland.  Indessen  ahmt  die  oben  erwähn- 
te Fratizenthaler  Papierfabrik  das  französische  Cylinderpapier  mit  Gliick  nach. 

Unlcr  den  aus  schlechten  Lumpen,  alter  Maculatur  und  dergleichen  verfertigten 
Pappen  sind  besonders  die  Pressspäne  merkuiirdig,  die  bekanntlich  in  WolJcnmanu- 
faciuren  oder  von  Tuchbereitern  beym  Pressen  der  Tiicher  und  Zeuge  gebraucht 
werden.  Die  Erfinder  derselben  sind  die  Engländer,  die  ihren  Tüchern  mid  Zeugen 
damit  den  vortrefflichen  Glanz  geben,  der  sie  so  sehr  zu  ihrem  Vorthcile  auszeichnet. 
Die  englischen  Pressspäne  sind  sehr  dünn,  sehr  fest  und  so  hart  wie  Hörn,  sie  haben  eine 
so  glatte  Oberfläche,  dass  sie  wie  lackirt  aussehen.  Man  verfertiget  sie  bloss  auf  zwcy 
Papiermiihlen  in  Yorkshii-e  imd  StaJfordsJiii  e.  Indessen  hat  man  es  seit  einigen  Jah- 
ren in  der  Fabrication  dieses  Artikels  auch  in  andern  Ländern  Europa's ,  nahmcnüich 
in  Frankreich  _,  den  Niederlanden  ,  im  Venetiainsclien  (zu  Pordcnone)  ,  in  Oester- 
reich  unter  der  Enns  (zu  Rannersdorf) ,  Mähren  (zuLiitau),  Böhmen  (zu  Hohenelbe, 
Kronau,  Altstadt,  Trautenau  u.  s.  w.),  der  Provinz  JSiederrliein  (zu  Malmedy)  und 
in  Ostpreussen  (zu  Trutenau  bey  Königsberg)  zu  einem,  hohen  Grade  der  Vollkom- 
menheit gebracht. 

Der  //ii7if  wird  eben  so,  wie  der  Flachs,  nur  nicht  zu  so  feinen  Geweben,  ver- 
arbeitet (obwohl  auch  ein  sehr  feines  Gespinnst  daraus  gemacht  werden  kann)  j  ausser- 
dem aber  zu  Bindfaden,  Stricken,  Seilen,  Strängen,  Gurten,  Lunten,  Netzen,  Schiffs- 
tauen ,  Pack-  luid  Segeltuch ,  auch  das  Werg  zum  Dichten  der  Fugen  an  den  Schiffen 
und  dergleichen  in  Menge  benutzt;  daJier  insonderheit  in  Seestädten  die  Seilerejen 
ein  wichtiges  Gewerbe  sind.  Den  stärksten  Handel  mit  Tauwerk  und  Segelluch  treibt 
Russland.  Im.  Jahre  i8l2  führte  es  von  diesen  .litikcln  für  2,658,020  Piubel  aus.  ^'or- 
ziiglich  weisses  und  solides  Segelluch  liefert  Holland j  und  selbst  das  Ungeblcichle 
von  NordhoUaad  ist  vortreff^lich. 

d)  In  welchem  Flore  die  Leinwandmanufacturen  in  Deutschland  noch  vor  dem  Jahre  i8i5 
und  früher  waren,  beweiset  die  ungemein  grosse  Ausfulire  ihrer  Leinwaarenerzeugni.'.sc 
nach  fast  allen  europäischen  Ländern,  und  entweder  unmittelbar,  oder  durcli  ^iele  der  lelz- 

20* 


i8o  III-  luduslrielle  Pioduction.  §.  g5.   BaumwolleumanufacUiieii. 

terii ,  nach  fVeslindien  und  Amerika,  wodurch  der  deutschen  Industrie  mehr  als  3o  Mill. 
Tlialer  zugeflossen  sind,  an  welchem  ausgezeichneten  Geldgewinne  Böhmen,  Schlesien  und 
die  Lausitz  den  grössten  Antheil  nahmen.  Eben  dessiialb  war  dieser  Zweig  des  deutschen 
Ivunslfleisses  ,  wie  die  Zeitschrift  Hesperus  (1818,  Nr.  33.  S.  258)  bemerket,  schon  seit  5o 
Jahren  den  Britten  ein  Dorn  im  Auge  ,  und  ein  wichtiger  Gegenstand  ihrer  anhallenden 
Eifersucht;  sie  suchten  denselben  auf  eine  künstliche  Weise  zu  untergraben,  den  Zug  der 
deutschen  I.<einenwaaren  in  jenen  Welttheil  und  in  Spanien,  Portugal  und  Italien  zu  ver- 
sperren, und  das  Bediirfniss  der  Leinenwaaren  der  Bewolmer  jenes  Weltlheils  und  euro- 
päischer Länder  durch  Erfindung  einer  Art  baumwollener  Leinwand  (chamhrigl  genannt) 
entbehrlich  zu  machen  ;  daher  sie  auch  in  den  letzten  Friedenstractaten  mit  den  südlichen 
Continentalmächten  sich  sehr  klug  und  ^orsichtig  zu  bedingen  suchten,  dass  Deutschland 
keinen  mittelbaren  Handel  weder  mit  Leinen-  noch  Glaswaaren  nach  Malta  unternehmen 
dürfe.  —  Aus  Belfast  in  Irland  wurden  ^•om  1.  Jan.  i8o2  bis  dahin  i8o3  16,070,200  Yards 
(engl.  Ellen)  für  mehr  als  1,807,000  Pf  St.  exportirt.  —  Russland  führte  im  J.  180/1-  Wr 
1,278,193  Rubel  Leinwand  und  Serviettenzeug  aus.  —  Aus  Polen  wurden  im  Jahre  i8o2 
40,260  Stück  ordinäre  und  Packleinwand  (wo\on  |  in  Galizien  gemacht  waren)  über  Danzig 
zur  See  nach  England  ,  Holland  ,  Portugal  und  Spanien  versendet ;  die  meiste  feine  Lein- 
wand aber  holen  Polen  und  Galizien  aus  Schlesien  und  Böhmen.  —  Die  in  der  Zips ,  Un- 
gerns  Hauptlein>vandmanufactur  ,  erzeugte  Leinwand  nimmt  über  Debreczin  und  Pesfh  ih- 
ren Zug  nach  dem  Banat ,  der  Bukowina,  nach  Siebenbürgen,  in  die  Moldau,  Walachey 
und  Türkey  überhaupt,  und  wirft  jährlich  einen  Gcwiim  von  5oo,ooo  fl.  ab.  Dagegen  be- 
zahlte Ungern  im  J.  i8o2  für  fremde,  meistens  feine  Leinenwaaren,  die  bedeutende  Sum- 
me von  2,692,265  (1. 
b)  S.  Beyträge  zur  Geschichte  der  Fortschritte  der  Gewerbs-Induslrie  und  des  Handels  in  der 
österreichischen  Monarchie  in  den  drey  letzten  (1816 — 1819)  Jahren;  im  ersten  Bande  der 
Jahrbücher  des  polytechnischen  Institutes  in  Wien.  S.  355 — 401. 

§.   96. 
Baumwollen  m  a  n  u  f  a  c  t  u  r  e  n. 

Überaus  erheblich  und  ausgebreitet  sind  ferner  auch  die  Baiunwollenmaniifac- 
titrerij  ob  sie  gleich  nicht  so  nützlich  sind,  als  die  LeinWandinanufacttircn ,  weil  sie 
ausländischen  Stoff  verarbeiten,  wofür  ungeheure  Summen  nach  Amerika,  Asien  imd 
in's  südöstliche  Europa  gehen.  Es  wird  dieser  Zweig  des  Kimstfleisses  fast  in  allen  Län- 
dern Europa's,  am  stärksten  aber  in  Grossbritannien  aj  j  imd  nächstdem  in  Deutsch- 
land b)  j,  Frankreicli  c)  j,  der  Schweiz  d)  und  im  osinanischen  Reiche  e)  betrieben. 
In  Ansehung  der  Neuiieit,  Mannigfaltigkeit  und  Annehmlichkeit  der  Muster,  so  wie 
in  Hinsicht  auf  die  Leldiaftigkcit  der  Farben,  nuissten  jedoch  die  in  den  neuesten  Zei- 
ten (1814 — 1817)  in  grossen  Massen  auf  die  deutschen  Messen  gebrachten  englischen 
BaumwoUenwaaren,  dien  deutschen jyovne\ai\\ic\i  den  bölimischen  f)  und  säc/isischenj 
dann  den  franzijsischen  und  schweizerischen  überall  nachstehen.  Denn  bekanntlich 
machten  die  Baumwollenmanufacturen  der  Deutsclien  j  Franzosen  und  Schweizer  j 
während  des  Napoleoiiischen  Continentalsjstems  ^  das  die  englischen  Waaren  vom 
festen  Lande  ausscliloss,  in  ihrer  Kunst  sehr  bedeutende  Fortschritte,  während  die 
Bi^itten  j  keine  Concurrenz  mehr  fürchtend,  und  auf  ihren  Lorbecrn  als  Manufacluri- 
Äten  ausruhend  ,  mehr  die  Schnelle  als  die   Güte  und  den   Geschmack  der  Verferti- 


in.   Iticiustrielle  Prodticlion.  <J.  g6.   Bauniwollemiiauiifacluieii.  l8i 

gung  gesucht  haben ^  und  als  sie  wieder  anfingen,  Deutschland  mit  ihren  W^aaren  zu 
überschwemmen,  verschleuderten  sie  dieselben,  so,  dass  sie  aul' der  Messe  zu  Ffiuik- 
furt  an  der  Odei-  im  J.  1814  ganze  Kisten  mit  Gatlunen,  die  Elle  für  5  Groschen  Cuu- 
rant,  verkauft  hatten. 

Übrigens  sind  von  den  verschiedenen  Baumwollengeweben  die  bekanntesten:  Cat~ 
tu/ij  ZitZj  Nesseltuch  oder  Moiisselin  j  Perkai  j  Nanqiduj  Manchester  j  Simnoise ^ 
Barchent  j  Kannefas  u.  s.  w.  Den  besten  Manchester  liefert  die  Stadt  gleiches  Nah- 
mens  in  England,  vortreflfliche  Caltune  und  Zitze  Böhmen  und  Sachsen,  und  die 
schönsten  gestickten  INIousseline  die  Schweiz,  für  deren  Mousselin-lManufacturen  die 
SchwarzwalderM'iidclien  sticken,  und  die  P^orarlberger  Mädchen,  die  sich  eben- 
falls durch  schöne  Stickerey  auszeichnen ,  spinnen ;  allein  durch  die  französische  Re- 
volution und  durch  die  neueren  Einfuhr-Verbothc  in  Frankreich  sind,  mit  den  Schwei- 
zer-Moussclin-Fabriken ,  diese  Stickereyen  und  Spinnereyen  sehr  in  Abnahme  gera- 
then.  —  Der  Kunst  der  Türken,  die  achte  rothe  Farbe  oder  Türkisch  - Pioth  auf 
Baumwollengarn  zu  färben,  ist  man  in  England j  Frankreich  und  Deutschland  sehr 
nahe  gekommen;  aber  noch  hat  man  sie  nicht  erreicht.  Daher  treiben  die  Türken  mit 
diesem  Garne,  vorzugsweise  das  türkische  Garn  genannt,  einen  beträchtlichen  Han- 
del. Es  wird  zm.  Amhelakia  j  einem  beriÜimten  Dorfe  bey  Larissa  in  Thessalien,  in 
einer  Menge  von  25oo  Ballen  jährlich  gefärbt,  so  wie  auch  an  vielen  andern  Orten , 
so,    dass  im  Ganzen  10,000  Ballen  davon  ausgeführt  werden. 

a)  Wo  die  BaumwolJenmanufacturen  durch  die  Spinnmascliinen  ungemein  vervielfältiget  und 
verbessert  wurden.  Dahin  gehören  tlieils  die  zahlreichen  Handmaschinen  ,  theils  und  zwar 
vornehmlich  die  grossen  Spinnmühlen,  welche  durch  Richard  Arkwright  ^  einen  armen  Bar- 
bier, der  1773  ein  Patent  darauf  erhielt ,  in  Gang  gebracht  wurden,  und  eine  Hauptepoche 
für  die  zahlreichen  englischen  Baumwollenmanufacturen  machen,  besonders  seit  der  Zeit, 
als  man  die  Dampfmaschine  damit  vereiniget  hatte.  Das  auf  Maschinen  gesponnene  Garn 
fällt  \iel  gleichförmiger ,  schöner  und  wohlfeiler  als  das  mit  Menschenhänden  gesponnene ; 
und  so  auch  das  aus  dem  Garn  gebildete  Gewebe  ,  z.  B.  Cattun  ,  Mousselin  u.  s.  w.  Im 
J.  1799  ward  bey  einer  Wette  in  Manchester  aus  einem  Pfunde  Baumwolle  ein  Faden  von 
16g  englischen  Meilen  gesponnen.  Eine  einzige  Maschine  spinnt  60,  100  und  mehrere  Fä- 
den auf  einmal.  Schon  im  J.  1788  hatte  sich  das  Baumwollengewerbe  in  Grossbritannien  so 
ausgebreitet,  dass  man  i43  Wasser-  und  600  andere  Spinnmühlen  oder  Maschinen,  nebst 
20,000  Handmaschinen  zählte,  bey  denen  im  Ganzen  160,000  Männer,  qo,ooo  Weiber  und 
100,000  Rinder  nur  zur  Aufsicht  und  zur  Nebenhülfe  angestellt  waren.  Seitdem  hat  dieses 
Gewerbe  noch  sehr  zugenommen.  Im  J.  1787  wurden  22,600,000  Pf  Baumwolle  verarbei- 
tet; im  J.  1799  ^^^  wurden  46  Mill.  ,  und  i8o2  gar  über  65  Mill.  Pf.  Baumwolle  einge- 
führt, mit  deren  Verarbeitung  800,000  Menschen  beschäftiget  waren  (s.  Allg.  geogr.  Ephem. 
Bd.  24.  S.  290).  Aber  einige  Millionen  Menschen  würden  dazu  erfordert,  wenn  alles  Garn, 
welches  in  Grossbritannien  die  JMaschinen  spinnen ,  mit  den  Händen  gesponnen  werden 
sollte.  Bey  gut  eingerichteten  Spinnmaschinen  kann  ein  Kind  40 — 5o  Fäden  besorgen.  Allein 
eben  desshalb ,  weil  die  Spinnmaschinen  eine  Menge  von  Menschen  entbehrlich  machen, 
hatle  sich  in  den  Manufactur-Gegenden  Englands  im  J.  i8i2  eine  Bande  missvergnügter 
Fabrikarbeiter  (die  sogenannten  Lnddilen)  erhoben,  die,  weil  es  an  Beschäftigung  fehlte, 
überall ,  wo  sie  hingelangen  konnten  ,  die  zur  Fabrication  bestimmten  Maschinen  zerstörten, 
wodurch  der  Fleiss  von  Generationen  oft  in  einer  Nacht  zn  Grunde  ging.  Der  3Iittelpunct 
und  Hauptort  der  iii  England  blühenden  Baumwollenmanufacturen  ist  die  Stadt  Maiiciieslerj 


l8a  III.  liiihislrielie  ProiIuctioD.   ^.  gfj.  Baumwolleuniamifuctnrin. 

deren  Volksmenge  im  J.  i65o  nur  27,000  Seelen  betrug,  aber,  bey  den  grossen  Fortschrit- 
ten des  Kiinsifleisses  ,  im  J.  1781  auf  5o, 000,  1811  auf  f)8-.570,  i8i5  gar  auf  110,000  Indi- 
viduen sieb  belief,  worunter  mehr  als  2oo  Raufleute  waren  ,  welche  Manufacturen  unter- 
hielten, besonders  in  Manchester ,  Plüschen^  CallciUs ,  J^fousseliiieii ,  dessgleichen  in  Ver- 
fertigung baumwollener  iSähscide ,  und  in  andern  Baumwollenwaaron  ,  dessgleirhen  in  Cat- 
tunitiuckerej'en  ,  mll  ansehnlichen  ü/ficÄe«  und  trefTlirhen  Färbercren  und  Appretur- Anstallen. 
An  Baumwolle  verarbeitete  man  in  hiesigen  Werkstätten  im  J.  i8i5  an  i,5no,ooo  Pf.  ,  mit 
Beyhiilfe  von  zahlreichen,  durch  Steinkohlenfcuer  im  Gange  erhaltenen  Dampfmaschinen, 
auch  mit  Benutzung  der  neuen  Gaserleuchtungen  und  zugleich  Erwärmung  grosser  Werk- 
stätten mit  Steinkohlen.  —  Die  englischen  BaumwoUen-Spinnmasehiiien  blieben  nicht  ohne 
Kachabmung.  Nach  dem  Muster  derselben  v\urden  auch  in  andern  europäischen  Staaten, 
wie  z.  B.  in  Österreich ,  Preussen  ,  Sac/tsen  ,  Frankreich ,  grosse  Baumwollen-Spinnmaschinen 
angelegt,  wodurch  die  in  denselben  befindlichen  Manufacturen  mit  den  ihnen  nöthigen  Gar- 
nen ,  besonders  von  den  niedern  Nummern  vollständig  versehen  werden  ,  so  ,  dass  der  Ein- 
gang der  englischen  Garne,  wofür  ehedem  aus  Österreich  allein  jährlich  i2  Mill.  fl.  nach 
Eiii^land  gingen  (s.  Arclienholz  Miner\a.  1806.  Bd.  3.  S.  538),  wo  nicht  ganz  entbehrlich 
gemacht,  doch  wenigstens  sehr  veniiindert  wird;  ja,  Frankreich  soll  in  Ansehung  der  Men- 
ge und  Feinheit  der  Baumwollenspinnerey  schon  so  weil  gekommen  seyn  ,  dass  es,  statt 
Baumwollengarn  einzuführen,  vielmehr  das  Ausland  damit  versieht.  S.  Allg.  geogr.  Epliem. 
1810.  Juny.  S.  25i.  Wie  weit  man  es  in  der  Feinheit  der  Baumwollenspinnerey  in  Deutsch- 
land gebracht  hat,  beweiset  unter  andern  die  Garngespinnst-Manufactur  zu  Sch{vaadorf  \n 
Österreich  unter  der  Enns,  wo  auf  den  Mules  oder  Feinspinnmaschinen  bey  Nr.  Go  (eine 
höhere  Nummer  wird  selten  verlangt)  ein  Pfund  westindischer  Baumwolle  bis  zu  einem  Fa- 
den von  8q,22o  Ellen  ,  oder  über  g  deutsche  Meilen  ausgedehnt  >vird.  Bey  Nr.  2oo  würde 
das  Pfund  Baumwolle  bis  zu  einem  Faden  von  3o  deutschen  ]Meilen  Länge  ausgedehnt  wer- 
den. Die  maccdonische  Baumwolle  kann  in  der  Regel  nur  bis  Nr.  25  gut  gesponnen  werden. 
/))  Wo  der  Hauptsilz  der  Baumwollenmanufacturen  im  Erzherzogthume  Österreich,  insonder- 
heit im  Lande  unter  der  Enns ,  dann  in  Böhmen  ,  Mähren  ,  Sachsen  ,  Brandenburg,  Cleve- 
Borg ,  in  einzelnen  baierischcn  und  würtembergischen  Städten  und  in  der  freyen  Stadt  Ham- 
burg ist. 

c)  Wo  jährlich  32  Mill.  Pfund  Baumwolle  eingeführt  werden,  die  von  700,000  Arbeitern  [auf 
den  Werlh  von  i5o  Mill.  fl.  \crarbeilet  wird. 

d)  Wo  jedoch  die  Baumwollenmanufacturen,  aus  Mangel  an  Absatz  im  Auslande,  nicht  mehr 
so  blühend  sind,  wie  in  der  letzten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts.  Am  bedeutendsten 
Avaren  sie  im  Canton  St.  Gallen  ,  wo  in  und  ausserhalb  Landes  über  80,000  Menschen  sich 
mit  Spinnen  ,  Weben  und  Sticken  von  Baumwolle  und  Mousselinen  beschäftigten ,  indem 
die  Fabricanten  in  der  Stadt  St.  Gallen  ihre  Factoren  in  Schwaben  sowohl  als  in  derSchweiz 
selbst  hatten  ,  welche  die  fertigen  Mousseline  an  Stickerinnen  vertlieillen.  Man  schlug  die 
Menge  der  jährlich  fabricirten  Zeuge  auf  200,000  Stücke  an. 

e)  Wo  bloss  in  der  Stadt  Saloniki  jährfich  2000  Ballen ,  und  in  ganz  Griechenland  über 
20,000  Ballen  Baumwolle  verarbeitet  werden.  In  der  Levante  bestehen  selbst  die  Segel  ans 
Baumwolle. 

/)  An  baumwollenen  Meubelstoffen  und  gefärbten  Tüchern  von  Zitz  waren  Erzeugnisse  von 
ähnlicher  Vollendung  nicht  gesehen  worden,  als  die  Fr.  Leitenberger'sdie  Fabrik  zu  Co.idm- 
nosi  im  Bunzlauerkreise  sie  in  der  Leipziger  Herbstmesse  1816  aufstellte.  Die  linglinJer 
selbst  kauften,  wie  der  Correspondent  v.  und  f  Deulscbland,  Nr.  170.  1817  borichtel,  viele 
Si-ücke  davon,  um  nur  die  Musler  nachzuahmen.. 


Hl.  Industrielle  Pioduclion.  §.  97.  Manufacturen  ,  -welche  Getreidesameix  Tsrarbeiteii.  igj 

§•  97- 

Manufacturen,  welche  Getrel  desam  en  verarbeiten, 

Durch  die  nicclianische  Bchandlimg  der  Samenkörner  der  Getrcidearlcn  in  eige- 
nen dazu  eingerichteten  Mühlen  erhidt  man  Graupen  _,  Grütze  j  Gries  und  Mtlilj 
welche  Kunsiproducte  für  Russland  und  einige  deutsche  Länder  wicJitigc  Handels- 
artikel sind.  —  Das  meiste  TVeitzenbrot  wird  in  England  _,  Frankreich  und  Italien 
gehacken.  Auch  der  Unger  hält  viel  auf  ein  weisses,  schönes  Brot,  und  die  ungri- 
schen  Hausmütter  sind  luistreitig  Meisterinnen  im  Brothacken.  Man  hedient  sicli  aher^ 
um  den  Brolteig  in  Gährung  zuhringen,  dahey  nicht  des  gewöhnlichen  Sauerteigs, 
wie  hey  den  Deutschen  üblich  ist ,  sondern  eines  eigenen  dazu  bereiteten  süssen  Fer- 
ments oder  Gährimgsmittels  aus  Kleyen.  Das  weisseste,  schönste,  grösste  (zehn-  bis 
zwölfpfündige  Laib),  höchste  und  wohlschmeckendste  Brot  wird  in  Debreczin ^  im 
Ä/i«rer  Gomitaie  und  in  Komorn  gebacken,  nicht  von  zünftigen  Bäckern,  sondern 
von  Hauswirthinnen ,  die  sich  damit,  als  mit  einem  einträglichen  Nebengewerbe  zum 
öffentlichen  Verkaufe  auf  dem  INLirktplatze  beschäftigen.  Man  zieht  ein  solches  Brot 
mit  Recht  allen  Senuneln  vor,  vmd  braucht  es  an  deren  Statt  in  allen  Speisen,  und 
das  ist  die  Ursache,  warum  auch  in  den  volkieichsten  Ortschaften  der  Weissbäcker 
mit  seinem  säuern  Gebäcke  nicht  aufltommen  kann.  Dagegen  ist  in  Westplialen  der 
sogenannte /'M?77/;er///c/ieZ  beliebt,  ein  grobes  Brot,  wozu  das  Mehl  nicht  gemahlen, 
sondern  nur  geschroten  wird,  und  im  TValliserlande  in  der  Schweiz  findet  man  Thä- 
1er  mit  Einwohnern  ohne  Brotbäckereykunde.  Li  Engadin  backt  mau  jährlich  nur 
zweymal  Brot,  jedes  Mahl  zum  Bedarf  eines  halben  Jahres.  —  Die  Verfertigung  der 
Nudeln  und  Macuroni  ist  ein  Gegenstand  des  Gewerbes  in  Italien  und  Deutschland ; 
in  jenem  Lande  vornehmlich  in  Neapel  j  Rom  und  Bologna  _,  in  diesem  zu  Triest  _, 
Nürnberg  und  Erfurt.  Neapel  allein  fiihrt  jährlich  für  176,000  Ducati  JNudcIn  aus. 
—  Die  meisten  Biscuits-  und  Pastetenfabriken  sind  in  Frankreich,  vornehmlich  zu 
Paris j  wo  man  1000  Pastetenbäcker  gegen  einen  Verfertiger  mathematischer  Listru- 
mente zählt,  obgleich  diese  Hauptstadt  mit  kleinen  Biscuits  und  Stör-  und  Aalpaslelen 
auch  von  Albeville  aus  stark  verschen  wird.  Berühmt  sind  auch  die  zu  p'erviers  fa- 
hi-icirten  Pasteten.  —  Zu  den  kiinsllichcn  Bereitungen  aus  Mehl  gehören  auch  die 
Oblaten  j  die  unter  andern  für  England  ein  Handelsartikel  sind.  Dänemark  erhielt  von 
1797 — l8o3  für  gi6  Rthlr.  Oblaten  aus  England. 

Der  Getreidesanien  enthält  einen  klebrichten,  stärkeartigen  und  schleimichlzucker- 
arrigen  Theil.  Durch  Absonderung  der  übrigen  Theile  von  dem  stärkearligen  erhält 
man  die  Stärke  oder  den  Jmidom_,  das  Kraftmehl ^  am  besten  aus  dem  Weitzen. 
Vorzüglich  gut  ist  die //Y?«zöür/5c.7/e  Stärke  ;  man  zieht  sie  der  böhmischen  j  sächsi- 
schen und  preussischen  vor,  weil  man  in  diesen  Ländern  die  wahre  Kunst  des  Trock- 
nens der  Stärke  nicht  zu  verstehen  scheint.  Li  Ungern  wird  dieses  in  der  Hauswirtli- 
schaft  so  nolhwendige  Kunstproduct  von  den  Hauswirthinnen  selbst  erzeugt,  wobey 
sie  ohne  chemische  oder  technologische  Kenntnisse  zu  liaben,  auf  eine  sehr  einfache 
Art  verfahren,  und  sich  damit  gewöhnlich  auf  ein  ganzes  Jahr  versorgen.  —  Die  auf 
kleinen  Handmühlen  oder  mit  Walzen   zerriebene  und  mit  Weingeist  eingefeuchtete 


l84  IH.  InJustrielle   Proiluctioa.  §.  57.  Manuf.iclcireD  ,  wclclic  Getrcidesamen  verArliciteu. 

Stärke  gil>t  den  bekannten  Hnarpuder  j,  ein  in  unseren  Ta^en  nicht  mehr  so  gangbarer 
Artikel ,  wie  vor  der  Craiizösischen  llevohilion.  Zuerst  bedienten  sich  des  Haarpuders 
nur  Hofnarren  und  Schauspieler. 

Der  schleimig-zuckerartiye  Theil  des  Gelreidesamciis  gibt,  mittelst  der  süssen 
Gährung,  das  Biev ^  am  meisteia  aus  der  Gerste  und  dem  Weilzenj  durch  die  saiue 
Gahrung  aber,  wobcy  auch  kein  Hopfen  hinzugesetzt  wird,  Essig.  Die  nicislca  uiul 
besten  Bierbraiierejeii  findet  man  in  Grnssbj'Uniuiien  _,  wo  zugleich  die  erlieldich- 
slen  Gewerbsanstahcn  dieser  Art  sind  d);  niichstdeiu  in  den  Niederlanden  (zu  Lb\ven_, 
Antwerpen j  Meclieltij  JSiinwegen  und  ff'eesp)  und  in  Deutschland,  vornchinlich  in 
Baiern  b)  _,  Böliinen  c)j  der  Mark  Brandenburg j  \\\  Pommern  j  in  der  Provinz  Sac/i- 
sen  und  im  Ilalberstüiltischen  j  in  Braunschweig ,  llanover  j  in  den  anltaltisclien  j 
schwaizbiirgischen  j  reussischen  und  lippe'schen  Liindern,  so  wie  in  den  freyen 
Siiidien  Uli III bin  g  und  Liibeck.  In  Mäliren  _,  Schlesien  d)  _,  und  selbst  im  Erzherzog- 
tliume  OesterreicJi  e)  haben  die  Ijierl)rauereyen  bedeutende  Forlschritte  gemacht, 
mid  erzeugt  man,  wenn  anders  dieEigenthiimer  oder  Pächter  der  Brauhäuser  das  nü- 
thige  Ma'.eriale  nicht  sparen,  und  sicli  bey  der  Arbeit  nicht  übereilen,  auch  gutes 
Bier;  doch  fehlt  es  bey  den  mannigfaltigen  Gattungen  Bier,  noch  an  jenen  stärkeren 
Sorten ,  welche  in  Norddeutschland  und  England  gebraut  werden.  Auch  in  Russland 
ist  die  Bierbrauerey  ein  wichtiges  städtisches  Gewerbe ;  im  Gouvernement  Moskau  al- 
lein bestehen  118  Bierbrauereyen.  Das  englische  Bier  wird,  so  wie  das  baierische 
und  Ze/'^i'<<?A'j  weit  und  breit  verführt;  A\c  braanscliweigische  Mninme  geht  selbst 
bis  nach  Ostindien.  In  England  sind  zwey  Manufacturen  im  Grossen  angelegt,  wo  aus 
Stärkzucker  j  d.  i.  aus  dem  mittelst  Schwefelsäure  in  Zucker  verwandelten  Stärkmehle, 
Bier  ])ereilet  wird,  welclics  hell,  geistig,  kraftvoll  und  von  angenehmen  Geschmack 
ist.  Übrigens  sind  die  Bierbrauereyen  in  Europa,  insonderheit  in  den  Niederlanden 
und  in  Deutschland _,  nicht  mehr  so  beträchtlich,  als  sie  vor  der  Einfiidirung  des  Kaf- 
feli  und  Thce ,  und  dem  stärkern  Gebrauche  des  Weins  und  Branntweins  waren.  — 
^  on  Essig  j  dessen  Nutzen  und  Gebrauch  in  der  Havishallung,  in  der  Arzneykunst  und 
in  verschiedenen  Gewerben  sehr  ausgebreitet  ist,  gibt  es  hauptsächlich  dreyerley Sor- 
ten: Bier-  oder  Fruchtessig _,  aus  Geti-cidekörnern,  TVeinessigj  aus  sauer  gewordenen 
Weinen  und  Weinhefen,  und  Cider-  oder  Obstessig.  In  unsern  Tagen  hat  man  in 
einigen  Ländern,  nahmentlich  in  Mähren ,  Österreich  unter  der  Enns  und  in  Frank- 
reich, gelungene  Versuche  gemacht,  auch  aus  Holz  Essigsäure  zu  erzeugen. 

Mittelst  der  Destillation  durch  Hülfe  der  Wärme  in  verschlossenen  Gefässen  zieht 
man  den  brennbaren  Geist,  den  sogenannten  Branntwein.  Die  Materialien,  woraus 
man  Branntwein  erhallen  kann,  sind  Wein,  Weintrcsiern  und  Weinbefen,  Gelreidc- 
körncr,  Obst,- Kartoffeln  u.  s.  w. ,  kurz  alle  diejenigen  Püanzensäfle,  welche  in  eine 
geistige  Gährnng  geralhen.  Man  machte  eher  Branntwein  von  Wein  als  von  Roggen 
vmd  \Veitzen.  Selbst  der  Nähme:  gebrannter  TVeiUj  wie  er  anfangs  hicss,  zeigt  die- 
sen Ursprung  an.  Jetzt  nennt  man  den  ans  Wein  bereiteten  Branntwein  gewöhnlich 
Franzbranntwein  (coignac),  und  verfertiget  ilm  nirgends  häufiger  imd  besser  als  im 
sü  Uichcn  Frankreich;  sonst  wird  dieses  Kunstproduct  auch  in  Ungern  und  andern 
Weinländern  in   grosser  Blende  erzeugt.  Zu  den  ])ckanniestcn  BrannUveinsorien  von 


in.  Industriello  Productioa.  §    97.   Manufactitrcn  ,  wciclie   Getrcidcsimen  verarhcilc«.  itiO 

Obst  gehören  der  Pßanmhibranntwein  (Slh'Oi'itze)  und  das  Kirschenwasser  (s.  oben 
Baumfrüchte).  Kiirtoff\'ln   werden  unter  andern  in  Öslerreirliiscli-Schlesicn,  in  den 
Rheingegondcn  und  in  Schweden  zum  Brannlwcinbrcnncn  benutzt,  und  in  Dalmaticu 
Avird  auch  aus  den  Früchten  des  Erdbeerbaumes  Branntwein  gebrannt.  Am  gewöhii- 
hchsten  aber  wird  in  Eiu'opa  der  Branntwein  aus  Getreide  gewonnen.  Diese  Branni- 
wcinsorte  ward  zuerst  bey  den  Arabern  bekannt  5  Anfangs  als  Arzeney  gebraucht^  im 
l5.  Jahrhundert  in   Italien  bekannter,  und  von  da  aus  bald  allgemein  verbreitet,  da 
besonders  der  gemeine  Mann  sich  so  an  den  Gebrauch  dieses  Getränkes  gewöhnt  hat, 
dass  es  ihm  zum  Bedi'irfnisse  geworden  ist.  Wie  stark  die  Consunilion  dieses  Getränkes 
in  Europa,  insonderheit  in  dessen  Nord-,  Ost-  inid  Mitlelländern,  imd  wie  einträglich 
zugleich  das  Brennen  und  Ausschenken  desselben  für  Privatpersonen,  hier  und  da  ftir 
den  Staat  selbst  ist,  erhellet  aus  nachstehenden  Daten  :  Russland  zählte,  nach  v.  TVich- 
manii  j  im  J.  i8i3  17  grosse  Kronbrennereyen  tmd  23;3i5  Privatbrennereyen  j  in  je- 
nen wurden  1,116,01g,  in  diesen  i-,5g4j2g4  Wedros  Branntwein  gebrannt,  mit  einem 
Kdrnbedarf  von  33,678j563  Pud,  auf  5  Wedros    Branntwein  g  Pud  Korn  gerechnet. 
In  den  grossrussischen  imd  sibirischen  Provinzen  hat  sich  die  Krone  den  ausschiessli- 
chen  Verkauf  des  Branntweins  vorbehalten.  Das  Branntweinschenken  (Kabaken)  ist  da- 
her in  diesen  Provinzen  verpachtet.  Sie  liefert  den,  in  ihren  Magazinen  bewahrten 
Branntwein   in  bestimmten   Terminen  und  Quantitäten  an  die  Gelränkepächlcr  (Ol- 
kuptschiken) ,  die  den  Verkauf  dann   im   Kleinen  besorgen.  Es  gibt  Pachter,  die  5o, 
60  und  mehrere  Tausende  von  Rubeln  für  die  Erlaubniss  dieses  Ausschenkens  an  die 
Krone  bezahlen  JJ.  In  dem  ersten  Decennium  dieses  Jahrhunderts  ward  die  jäbrliche 
Pachtsumme  von  22^  Mill.  auf  3o  Mill.  R.  erhöhet  gj.  —  Ein  polniscJics  Dorf,  für 
das  man  in  Deutschland  nicht  1000  fl.  geben  würde,  trägt  2 — 3ooo  fl.  bloss  an  Brannt- 
weintaxe  ein,  und  die  grossen  Herren  beziehen  3o— ^5o,ooo  A-  und  mehr  von  dieser 
Branntweinlaxe   hj.    Coz   czjni  ^4renda7  Wie  viel  trägt   die  Propination  (der  Aus- 
schank)?  ist   gewöhnlich   die  erste  Frage  bey  dem  Verkaufe  eines  Guts  in  Galizien  _, 
und  der  Voitheil,  den  der  Grundherr  aus  der  Propination  auf  Kosten  der  Gesundheit 
seiner  armen  Unterthanen   gewinnt,   spricht  der    TVodga  zu  sehr  das  Wort,  als  dass 
die  traurigen  Folgen  der  Stupidität  imd  Indolenz,  deren  Anbhck  den  Menschenfreund 
nicht  selten  mit  W  ehmuth  und   Entsetzen  erfüllt,  gehörig  beherziget  würden.  —  In 
der  preussischen  Monarchie  belief  sich   die  Fabrication  des  Branntweins  im  J.  1816  r 
Hrn.  J^oigtel  zufolge,  auf  mehr  als  70  Mill.  Berliner  Quart,  wovon  auf  Berlin  allein 
über  5  Älill.  kommen.  —  In  Schwede?!  sieht  man   in   den  grössten  Häusern,  vvie  in 
den  niedrigsten  Bauernhütten,  Branntweinfläschchen  auf  einem  Tischchen  neben  der 
Mittagstafel  aufgepflanzt  stehen.  Der  unmässige,  die  Nation,  wie  es  in  der  Darstellung 
der  Lage  des  schwedischen  Reichs  von  1812  heisst,  demoralisirende  Genuss  des  Brannt- 
weins ij,  ist  um  so  beherzigungswerther,  da  Schweden  seinen  Branntwein  grössten 
Theils   aus    fremdem  Getreide  bereitet.   Ln   Ganzen  verbrauchen    die  schwedischen 
ßranntweinbrennereven    jährlich   700,000   Tonnen  Getreide.   —  In  Kopenhagen   hat 
sich  die  Zalil  der  Branntweinschenken   seit  wenig  Jahren  von  5oo  bis  2000  vermehrt, 
so  ,  dass  jetzt  der  fünfzigste  Mann  daselbst  ein  Branntweinschenkerist  kj.  Branntwein- 
brennereyen  sind  daselbst  5oo  und  in  der  ganzen  dänisclieu  Monarchie  3ooo.  —  Die 

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»86  Iir.  luJustrielle  l'rodactiön.  $.   97.   Minufücluren ,   vielclie   GelrriJeiamen  vamrbeiten. 

ISledevlande  zählen  nher  400  Branntweinbrenucieyen,  wovon  die  meisten  und  be- 
trächtlichsten zu  Deljt  j  Schiednm_,  Rotterdam _,  Amsterdam  \n\<ji  fFeesp  cxisüica , 
wo  der  Branntwein  über  Wachholderbecren  abgezogen,  mit  dem  Nahmen  Genever 
belegt,  und  in  ungeheurer  Menge  ver])raucht  imd  ausgeführt  wird.  —  In  der  Gegend 
von  Edinburgh  in  Scliotlland  ist  die  Fabrication  des,  unter  dem  Nahmen  JVhiskj  be- 
kannten Kornbranntweins  so  gross,  dass  eine  Brennerey  80,000,  eine  andere  60,000 
eine  dritte  40,000  Pf-  St.  jährlich  an  Blasenzins  bezahlt.  Dieser  liohe  Zins  hat  die  Bren- 
ner nach  imd  nach  auf  die  Mittel  geleitet,  die  Blase  in  einem  Tage  recht  viele  Mal  zu 
benutzen.  Das  Füllen ,  Brennen  und  Ausleeren  einer  Blase  dauert  nie  länger  als  t 
Minuten,  die  Arbeit  kann  aber  schon,  wenn  man  es  recht  ernstlich  darauf  anlegt,  in 
3  Minuten  vollbraclit  werden  Ij. 

Wenn  man  den  Branntwein  über  allerley  gewürzhaftc  Gewächse,  z.  B.  Kümmel, 
Anis,  Zimmt,  Pomeranzen  und  dergleichen  abzieht,  und  nachher  mit  Zuckerwasser 
vermischt,  so  heisst  er  Liqueur  oder  RosoglL  Dieses  Kunstproduct  wird  am  häufig- 
sten und  besten  in  Frankreich,  vornehmlich  zu  Cognac _,  Motitpellier ^  Beziercs  und 
P^erdun  erzeug't  (es  führt  jährlich  für  2l,5l4)000  Fr.  Licjiieurs  aus);  nächstdcm  zu 
Zairij  Spalatro  j  CattarOj  Faune,,  Carlstadt  ^  Venedig,  Triest ^  Wien  ^  Prag ,  7t»- 
scheHj  Lemberg _,  Jaroslaw  ^  Ujiack  j  PUis-Csaka  j  Breslau  ^  Danzig  ^  St.  Peters- 
burgs Moskau  u.  s.  w. 

a)  Die  ig  ersten  Porter-  und    Ale-Braaer    ia   London    brauten  vom  5.  July    i8i5  bis   zum  5. 
July  1816:      i,4i5,7o6  Barrels  Porter 
99.404       —       Ale 

zusammen  i,5i5,iio  Barrels  Bier. 
Ein  Barrel  Porter  hält  56  Gallons  oder  72  Pottlos,  ein  Barrel  Ale  ist  =  32  Gallons  oder 
64  Pottles,  folglich  brauten  die  besagten  Brauer  in  einem  Jahre  108,292,688  Pottles.  S. 
Osterr.  Boob.  1816.  Nr.  2i6.  Bey  BarkLey  werden  allein  jährlich  25o,ooo  Barrels  Bier  ge- 
braut. In  dieser  Brauerey  wird  alles  durch  eine  Dampfmaschine,  welche  die  Gewalt  von 
3o  Pferden  hat,  in  Bewegung  gesetzt.  Denn  obgleich  an  200  Menschen  und  eine  grosse 
Menge  Pferde  darin  arbeiten,  werden  sie  doch  alle  fast  ausschliesseiid  zu  dem  äussern  Dien- 
ste gelwaucht;  innerhalb  dieser  ungeheuren  Manufactur  sieht  man  Niemand  ;  alles  wird  durch 
eine  unsichtbare  Kraft  be\virkt.  Für  die  Forlbringung  des  Biers  in  die  Stadt  sind  täglich 
100  Pferde  beschäftigt.  Dieses  Bräuhaus  bezahlt  an  Abgaben  jährlich  die  ungeheure  Summe 
von  400,000  Pf.  St.  Die  jährliche  Gonsumtion  des  Biers  in  Grossbritannien  und  Irland  wird 
auf4'Mill.  Pf  St.  geschätzt.  Das  gewöhnliche  Getränk  auch  gemeiner  Leute  in  England 
ist  Porter,  eine  Art  Bier,  die  man  ehemals  SlarkbUr  (strong  beer)  nannte;  Me  wird  un- 
gleich weniger  getrunken.  Der  eigentliche  Unterschied  z\vischen  diesen  beyden  Flüssigkei- 
ten kommt  von  dem  Malze,  von  welchem  sie  bereitet  werden.  Das  Alemalz  wird  bcy  nie- 
driger Hitze  gedarrt,  und  ist  daher  von  blasser  Farbe;  das  Bier-  oder  Porlermalz  hingegen 
wird  bev  einer  höhern  Temperatur  gedarrt ,  und  erhält  dalier  eine  braune  Farbe.  Diese  an- 
fangende Verkohlung  entwickelt  einen  eigcnthümlichen  ,  angenehmen,  bittern  Geschmack, 
welcher  dem  Bier  mitgotheilt  wird,  so  wie  auch  die  dunkle  Farbe.  Dieser  bittere  Geschmack 
macht  das  Bier  für  den  Gaumen  angenehmer,  und  der  Gesundheit  zuträglicher,  als  Ale, 
welches  von  lichter  Farbe,  geistig  und  süsslich,  oder  wenigstens  nicht  bitter  ist.  S.Darstellung 
des  gegenwärtigen  Zustandes  der  Bierbrauerey  in  England.  Ans  dem  Engl,  ^•on  Carl  Siahl- 
Lerger  etc. ,  im  zweyten  Bande  der  Jahrbücher  des  polytcchn.  Instit.  in  Wien.  S.  h56 — oig. 


III.  Industrielle  Produclion.  ij.  98.   Tabaksfabrikca.  187 

i)  Wo  im  J.  i8og  4745  Brauercycn  waren  ,  die  mit  einem  Gersten-  und  Wcitzcnbedarf  von 
njelir  als  83q,i70  Scheffeln,  über  6,7i3,3oo  Eimer  Bier  erzeugten,  welche  Fabriration, 
den  Eimer  nur  zu  3  fl.  angeschlagen,  über  20,139,900  fl.  werth  war.  S.  Milbillers  Handbuch 
der  Statistik  der  europäischen  Staaten.  2.  Abtheilung.  S.  i4i-  Das  an  Gehalt  stärkste  und 
beste  Bier  wird  auf  einigen  herrschaftlichen  und  ehemaligen  Rlostergütern  gebraut. 

t)  Warum  sind  die  Biere  gegenwärtig  nicht  mehr  so  kräftig,  als  sie  sonst,  besonders  in  Böh- 
men, in  dem  Ruf  waren?  in  dem  Hesperus.   1817.  Nr.  i3.  S.   io3  ff. 

iV)  Vergleichung  der  gewöhnlichen  Manipulation  des  Bierbrauens  auf  der  Pfanne  mit  der  (in 
Tesehe/i)  eingiiführten  Dampfn:aschine  in  Bezug  auf  Ersparung  an  Brennstoff,  Zeit  und 
Men.ichenhände ,  dann  die  Beschaffenheit  des  Biers,  gegründet  auf  die  seit  einem  Jahre 
(i8i5 — 1816)  bey  67  Gebräuen  gemachte   Erfahrung;   in  dem  Hesperus.   1817.  Nr.  8.   S.  63. 

e)  Die  in  und  um  f'f'^ieu  befindlichen  3o  Bierbrauereyen  ,  welche  die  Hauptstadt  des  österrei- 
chischen Kaiserthums  jährlich  mit  mehr  als  600,000  Eimern  Bier  versorgen,  gewähren  dem 
Staate,  seit  1.  May  1820,  ein  jährliches  reines  Einkommen  von  i  Mill.  fl.  C.  M.  ,  welche  sie 
als  Pachtschilling  zum  Tranksleuergefälle  entrichten.  Im  J.  1808  bezahlten  sie  680,000  il. 
in  B.  Z.  S.  Vaterl.  Blatt,  für  den  österr.  Raiserstaat.   1808.  Nr.  3i.  S.  202. 

/)  S.  Allg.  geogr.  Ephem.   Bd.  29.  S.  282  ff. 

g)  S.   Bredün^'s  Chronik  a.  a.  O.   1806.   S,  4i6- 

h)  S.  Intelligenzblatt  der  Annalen  der  Literatur  etc.  Wien  ,  1807.  S.   joÄ. 

i)    S.  Österr.  Beob.   i8i2.  Nr.  4i. 

k)  S.  H.  A.  L.  Z.  i8ii.  Nr.  222.  S.  38i. 

l)   S.  H.  A.  L.  Z.  iOii.  Nr.  3o6,  S.  642. 

Tabaksfabriken. 

Die  Tabaksfabriken  vcrfertif,'cn  aus  den  Blättern,  zum  Tlieil  aiirli  aus  den 
Blaltstenficin  und  Ribhcn  der  Blätter  der  Tabakspflanze,  die  niannigfalligcn  Arien 
des  Raucli-  und  ScJumpJtabaks j  mit  Hülfe  mancherley  Beilzen  (Saucen),  um  durcli 
diese  den  bittern  und  scJiarfcn  Bestandtlieil  in  dem  Safte  der  Pflanze  zu  mildern,  den 
geistigen  zu  erhöben,  und  auf  diese  Art  ein  auch  von  feinem  Kennern  begehrtes  Pro- 
ducl  zu  liefern.  Die  grösste  Tabaksfaltrik  in  der  Welt  dürfte  wohl  die  Fabrik  von  Ci- 
l^njTOS  seyn,  die  Spanien  in  seinen  amerikanischen  Besitzungen  zu  Queretaro  ange- 
legt hat.  Sie  beschäftigte  bisher  3ooo  ArJieiter,  darunter  igoo  weibliche.  Die  grösstc 
Anlage  der  Art  in  Europa  ist  die  königliche  Tahaksfabrik  zu  Sevilla  in  Sjianicn,  die 
gleich  einer  Fcstinig  mit  INIaucrn  und  Gräben  versehen  ist,  und  zwcy  Zugbrücken  hat, 
wovon  nur  eine  zum  gewöhnlichen  Eingange  dienet.  Hier  arbeiten  1400 — 1700  Men- 
schen, und  treiben  an  200  Pferde  tuid  Maulesel  40  Mühlen.  Das  jährliche  Prodiun 
.steigt  auf  2l^Iilh  Pf-  llauchtabak  in  Ci^arros  und  2  Mill.  Pf.  Schimpftabak  (ßspagnol). 
—  In  England  ist  vorzüglich  wichtig  die  Tahaksfabrik  zu  Leverpool.  Das  Schnei- 
den ,  Platten  u.  s.  w.  wird  hier  durch  Maschinen  bewirkt.  Es  werden  damit  täglich 
von  6  Uhr  Morgens  bis  8  Uhr  Abends  1000  Pf  Rauchtabak  geschnitten,  zwischen 
.6 — 600  Pf  Stengel  geglättet  inid  3 — 400  Pf  Schnupftabak  fein  wie  Mehl  gemahlen. 
In  Schnttland  wird  die  Tabnksfaluication  am  meisten  z'u  Ajr j  Dundcr  und  Baiiff, 
und  in  Irland  zu  Dublin  betrieben.  —  In  den  Niederlanden  j  deren  Tabaksfabriken 
in  der  Beieitung  des  Tabaks  grosse  Vorzüge  vor  denen  anderer  Länder  haben,  lebeiA; 


i88  Jll.   Iinluslncile  Prodnctiou.   §.   gS.  Tabaksfabriken. 

von  der  Fabrlcation   des  Raiiclitabaks  allein  24,000  Menschen.  Besonders  erheblich 
sind  die  Tabaksfabriken  zu  Amsterdam _,  Rotterdam  _,  Dortrecht j  Nimwegeiij  Mast- 
richt  und  Lattich.  —  In  Frankreich  j  das  ebenfalls  feine  Sorten  liefert,  ist  die  Yn- 
bricalion  des  Tabaks  seit  1811  auf  12  grosse  Städte^  wo  man  sich  mit  dieser  Industrie 
bisher  vorzüglich  beschäftigte,   beschränkt.  Im  Ganzen  zählet  Frankreich  an  3oo  Ta- 
baksfabriken, die  im  Durchschnitt  jährhch  12  Mill.  Kilogramme,  oder  über  24,375,000 
Pf.  Tabak  fabriciren,  wozu  3  Mill.  Kilogramme  Tabaksblätter   eingeführt  weiden,  aj. 
Die  beträchtlichsten  Anlagen  sind  zu  Paris _,  St.  Omer  und  Sirassburg.  —  In  Italien 
wird  die  Tabaksfabrication  am  stärksten  zu  Mailand  betrieben;  nächstdem  zu   Turin_, 
Genua  und  Parma;  weniger  zu  Cagliarij  Sassari  und  an  andern  Orten.  Die  Tabaks- 
fabrik in  Mailand  erzeugte  im  J.  1812  üljer  i,oi3,ooo  Pf.,  wozu  aus  Ungern  400,000 
Pf.  Szegediner  mid  200,000  Pf.  Fünfkirchner  Tabaksblättcr  eingeführt  wurden.  —  In 
Deutsclüatid j  wo    es  der  Tabaksfabriken  an  260  gibt,  und  oft  einzehie  Städte  deren 
über  20,  mehr  als  ganz  Russland  (s.  luiten)  zählen  Z»^,  behauptet  an  Grösse  des  Be- 
trags den   ersten  Platz  die   kaiserliche  Tabaksfabrik  zu  Haimburg  in  Österreich  unter 
der  Enns,  welche  über  5oo  Menschen  beschäftigt,  und  die  Hauptstadt  sowolil,  als  die 
Provinzen  Osterreich  ob-  und  unter  der  Enns  mit  ihrem  Bedarf  versieht;  auch  ist  man 
daselbst,  so  wie   in  den  übrigen  Acrarial-Taliaksfabriken  der  österreichischen  Monar- 
chie, seit  mehreren  Jahren   ernstlich  mit  der  Verbesserung  der  Tabaksfabrication  be- 
beschäftigt cj.  Die  beträchtlichsten  unter  den  übrigen  Tabaksfabriken  in  Dcutscliland, 
die  zugleich  gute   Sorten  liefern,  befinden  sich  zu  Oßcnbaclt  dj ^  Frankfurt  a. 'bil. , 
Nürnberg _,  Augsburgs  Hamburg ^   Bremen  j  Berlin  j  Breslau ^  Leipzig _,  Hanau  j 
und  Manheim.  Gleichwohl   kauft  Deutschland   aus  Holland  und   Frankreich  Rauch- 
und  Sclmu[)ftabak,  der  doch  zum  Theil  von  deutschen  Blättern  fabricirt  wird,  welche 
den  Rhein  herab    dahin  geschickt  werden.  —  In  Ungern  wird  in  mehreren  Privatfa- 
briken zu  Pressburg  j  Oedcnhurg ,  Steinamanger ^  PestJi ,  Kaschau  ,  Miskolzj  Sze- 
gedin  und  an  andern   Orten  viel  Rauch- imd  Schnupftabak,  gelber  und  sc/twarzer ^ 
und  wie  Kenner  versichern,  von  vorzüglicher  Güte  bereitet.  —  Die  Tab?ksfabrik  zu 
Fiume  erzeugte  vor  dem  Wiener  Frieden  jährlich  i5 — 20,000  Ctr.  Rauch-  und  Scluiupf- 
tnbak,   besonders  Rnpe'j   aus   Szegediner-  und  Fünfkirchnerblältern.  —  In  Galizien 
zeichnet  sich  vornehmlich  die  grosse  kaiserliche  Tabaksfabrik  zu  fViniki  bey  Lemberg 
aus,  welche  bey  85o  Personen  beschäftigt,  und  jährlich  gegen  70,000  Ctr.  theil»  gali- 
zische ,  ihcils   russische  Tabaksblätter  verarbeitet ;  auch  den  Tabak  so  trefllicli  zu  be- 
reiten weiss,  dass  Kenner  dem  G alizier  SMch.  vor  den  ungrischcn  bessern  Tabakssor- 
tenden Vorzug  geben.  \'on  geringerem  Belange  sind  die  zwey  Aerarial-Tabaksfabriken 
zu  Zboi'ow  und  Czorikow.  —  In  Dänemark  wird  Tabak  zur  eigenen  Consumiion  fa- 
hriclvt  zu  Kyjenhagen  j  Husumund  an  andern  Orten  mehr,  im  Ganzen  jähtl.  2,800,000 
Pf.  —  Schweden  besitzt  87    Tabaksfabriken;  sie  sind   aber  so  unbedeutend,  dass  sie 
zusammen  nicht  mciir   als  6go  Personen  beschäftigen,  und  also  im  Dcrciiscbnitte  auf 
eine  Fabrik  kaum  8  Arbeiter  konmien  ej.  —  Noch  unl>edeutendcr  v.arru  sie  bisher  in 
Russland ,  wo  im  J.  1804,  nach  v.   l FicJim.ann  j  in  7  Tabaksf.ibriken  nur  ig  Personen 
gearbeitet   hatten.    —    Übrigens   ist   die  TabAsfabrication  in  Europa  theils  ein  freyes 
(ievveibc,    wie  z.  B.  Ungern  j  Siebenbürgen  und  in  den  meisten  deutschen  Bundes- 


III.   luJustritUe  ProdactioQ.  §.  gg.   Zuckersiedcrcreo.  ilja 

Staaten,  mit  Einscbluss  des  Köiiigroiclis  Preussen ^  tlicils  ein  Monopol  der  Regierung, 
wie  z.  B.  in  Oesterrelchs  deutscheu,  galizischcn  und  italienischen  ErLIimdern,  in 
Frankreich  _,  Spanien  j  Baiern ^  fVürtemberg  u.  s.  \\. 

a)  S.  Österr.  Beob.  1811.  Kr.  61.  S.  25i ,  und  1819.  Nr.  111.  S.  546. 

b)  So  iiat  z.  B.  Colin,  nach  Galletti ,  25,  Emden,  nach  Hock ,  26  Tabaksfabriken. 

e)  Zur  Fabrication  des  geschnittenen  Tabaks  besteht  zu  Uaimbwg  eine  Schneidemaschine  im 
Grossen,  weiche  zugleich  auf  8  Schneideladen  wirkt,  d.'ren  jede  80 — 90  PI.  hält.  Auch 
ist  hier  eine  eigene  JMagazinsverwahung ,  welche  die  Versendung  der  Blätter  an  die  übrigen 
inländischen  Fabriken  besorgt.  Die  Tabaksblälter ,  welche  hier  verarbeitet  Nverden,  kommen 
meistens  aus  Ungern  ,  in  geringerer  Menge  vom  Aaslande ,  als  russische ,  türkische  und  vir- 
ginische  Blätter. 

d)  Jüe  Bernar-d'sche  Fabrik  zu  Offenbach  ,  die  den  ächten  Marocco  bereitet,  liefert  mit  i2o 
Arbeitern  täglich  60 — 80  Clr.  Schnupftabak,  und  jährlich  3ooo  Ctr.  Carotten;  die  Rauch- 
tabaksfabrik ,  die  grössten  Theils  amerikanische  Blätter  verarbeitet,  lieferte  in  den  Jahren 
1796—1800  jährlich  6—800,000  Pf.  Tabak.  S.  H.  A.  L.  Z.  1809.  Nr.  227.  S.  846. 

e)  S.  Polit.  Jüurn.   1818.  März.  S.  284. 

§•  99- 
Zuckersied  ereyen. 

Die  Zuckersidcrejen  oder  Zacker r affiner ien  gewinnen  das  wesentliche  süsse 
Salz  oder  den  Zucker  aus  dem  ausgcpresstcn  Safte  des  Zuckerrohrs ,  durch  öfteres 
Einkoclicn  oder  Sieden,  Reinigen,  Abschäumen  vuid  Läutern,  wobcy  man  Kalkwas- 
ser,  Ochsenblut  mid  Eyerweiss  zu  Hülfe  nimmt.  Die  meisten  und  besten  dieser  Siede- 
rcyen  findet  man  in  Deutschland  j  vornehndich  zu  Hamburg  aj  j  in  Holland  bj  und 
England  cj  ^  obgleich  dieser  Industriozweig,  insonderheit  m.ts  Holland  und  Ham- 
burg betrifft,  durch  R.ivahtät  anderer  Nationen,  durch  die  ehemaligou  unglücklichen 
jjolitischen  Verhältnisse  und  die  Handelssperre  einen  mächtigen  Stoss  erlitten  hat. 
Nächst  den  besagten  Ländern  bestehen  die  meisten  Zuckersiedereyen  in  Spanien , 
Frankreich  dj  ^  Dänemark  ej  j  Schweden  fj  ^  Preussen gj  und  Russland hj  ■  sonst 
aber  kommen  dergleichen  Industrieanlagen  auch  vor  zu  F^enedigj  Ancona  und  an 
anderen  Orten  in  Italien,  zu  Fiunie  in  Illyrien  und  zu  Oedenburg  in  Ungern,  welche 
letztere  durch  das   Continenlalsystcm  eingegangen,  jetzt  aber  wieder  im  Betriebe  ist. 

Während  der  Handelssperre  sahen  sich  mehrere  europäische  Regierungen  veran- 
lasst ,  zur  AufEndung  europäischer  Ersatzmittel  (Surrogate)  des  durch  den  widrigen 
Emfluss  der  politischen  Verhältiiissse  auf  den  Sechandel,  immer  theurer  imd  seltener 
gewordenen  indischen  Rohrzuckers,  durch  Aufmtmterimgen,  Belohnmigen  und  Unter-- 
Stützungen  anzueifern.  Man  fabricirte  Zucker  in  Brandenburg,  Scldesien,  Böhmen, 
OsJerrcich  imter  der  Enns  und  andern  deutschen  Ländern,  dann  in  Frankreich  ,  Russ- 
land, Warschau  u.  s.  w.  aus  Runkelrüben ;  in  Spanien,  Frankreich,  Ungern  und  Öster- 
reich luiter  der  Enns  aus  TVeintrauben ;  in  der  österreichischen  Monarchie  auch  ans 
Maisstengeln  und  Aliortisaft  ij ,  und  hier  und  da  vertrat  auch  der  aus  Birnen  und 
Zwei  seligen  bereitete  Svrup  für  tausend  zufriedene  Gaumen  die  Stelle  des  indischen 
Rohrzuckers.  Bey  dein  mm  wieder  eingetretenen  freycu  Handel  aber  scheint,  nach 
Hennbstädt  s  Behauptung,  bloss  der  Runkelrübenzucke/'  mit  dem  Rohi'zuckcr  ijeslc- 


igo  III-  Industrielle  l'roiliirlioD.  §.   loo    Ölilfabn'caliou. 

hcn  zu  köiiiicn,  so  lan^e  von  diesem  das  Pfund  nicht  unter  drej  Groschen  fäJlt  j, 
und  jener  einheimische  Zucker  bloss  auf  dem  Lande  fabricirt  wird.  Die  grössien 
Fortschritte  macht  die  Bcreltmig  des  Runkelrüljenzuckers  in  Frankreich.  Gegenwär^ 
ti<'  sind  daselljst  zwanzii:  Runkelrüben-Zui^kerfahriken  im  Betriebe  k). 

a)  Wo  im  Jahre  1740-  700,  1806:  433  Zuckersiedercyen  ^varen ;  jetzt  bestehen  daselbst, 
nach  Galletti ,  52i  ,  nach  Hock,  3oo  ,  nach  Fabii  aber,  nachdem  viele  Zuckersieder  Ham- 
burg veriiessen  und  nach  Pieussen,  Rasslaiid  u.  s.  vv.  wanderton,  oder  andere  Nahrungs- 
zweige ergriffen,  kaum  4° — 5o.  Ausserdem  gibt  es  in  Deutschland  Zuckersicdereyen :  zu 
fielen  j  T'f^icnerisch-Neusladt  und  Triesl  ;  zu  Dresden;  zu  Berlin,  Colin,  Breslau  und  Hirsch- 
Berg;  zu  Cassel ;  zu  Oldenburg ;  zu  Uanocer ,  Haarburg  und  Buxtehude ;  zu  Rostock;  zu 
Altana;  zu  Lübeck  und  Bremen.  Über  den  gegenwärtigen  Zustand  der  Zuckerfabrication  in 
Deutschland,  vorzüglich  in  Beziehung  derRunkel-  oder  Zuckerrübe;  von  J.  H.  F.  Lohmann. 
Magdeburg  1818.  Vergl.  J.  A.  L.  Z.  1819.  JSV.  ii2.  S  414  ff. 
i)  Wo  zu  Dorlrecht  i2 ,  zu  Rolterdam  ebenfalls  12  und  zu  Amsterdam  70  (vormals  i2o)  Zu- 
ckersiedereyen  sind.  Ausserdem  gibt  es  deren  zu  Zw  oll ,  Utrecht,  und  in  den  südliclicu 
Provin>,en  zu  Antwerpen,  Gent,  Brügge  und  Ostende. 
e)  Wo  bloss  in  London  60 — 70  Zuckersicdereyen  sind  ;  sonst  gibt  es  deren  auch  zu  Lecerpool, 
ff^arrington  und  Newcasil ;  dann  zu  Lcith ,  Glasgot^- ,  Grennk  und  Burnlisland  in  Schotlland, 
und  zu  Dublin  in  Irland.  Im  J.  i8o5  wurden  e.xportirt:  323'.453  Gtr.  roher  und  56o,45i  Ctr, 
raffinirter  Zucker.  S.  H.  A.  L.  Z.  1811.  Nr,  3o5.  S.  534.  Wälirend  dfr  Handelssperre  ver- 
kaufte Grossbrilannien  weniger  Zucker,  es  kaufte  aber  dagegen  auch  weniger  Getreide,  da 
i  jener  zu  Rum  destillirt  und  sogar  zum  Mästen  der  Ochsen  benutzt  ward.  S.  Allg.  Z.  i8o9_ 
Nr.  254-  Die  Consumtion  der  Flotte  au  Rum,  statt  der  französischen  und  Kornbranntweine  , 
stieg  seit  der  Blokade  von  25o,ooo  auf  i,56o,ooo  Gallons. 
d')  Nahmentlicli  zu  Rouan  ,  Harne  de  Gracc ,  Orleans ^  !Sanics  ,  Angers,  Rochelle,  Bowdenux, 
Marseille  u.  a.  a.   O. 

e)  Als  zu  Helsingoer ,  Aalborg,  vornehndich  aber  zu  Kopenhagen  ,  wo  es  ;8  grosse  Zucker- 
siedereyen  mit  68  Pfannen  gibt,  die  52o  Personen  beschäftigen. 

f)  Nahmentlicli  zu  Stockholm,  Noirköping,  Gotkenbnrg ,  Malmöeund  Rünnebj- ;  d.inn  zu  Dronl- 
heim  in  Norwegen.  Im  Ganzen  zählt  Schweden  allein  33  Zuckersicdereyen  mit  25o  Arbei- 
tern. Bloss  in  den  Stockholmer  Zuckerraffinerien  wird  jährlich  für  mehr  als  033, 000  Rthlr. 
Zucker,  und  in  Gothenburg  für  mehr  als  5o8,ooo  Rthlr.  erzeugt. 

g)  Besonders  zu  Königsberg ,  Danzig  und  Elbing.  In  der  ganzen  preussischen  Monarchie  gab 
es  im  J.   1816  33  Zuckersiedercyen. 

K)  Wo  es  jetzt  an  48  Zuckersiedereyen  (1804  nur  7)  gibt ,  und  wo  man  damit  so  weit  gekom- 
men ist,  dass  die  Einführe  des  raffmirten  Zuckers  verbothen  ist.  S.  Allg.  Z.  i8i5.  Nr.  278. 
S.   ri2o.  Vergl.  Österr.  priv.  W.  Z.   i8j4-  240.  S.  963. 

i)  Im  J.  1811  betrug  die  Erzeugung  des  Ahoruzuckcrs  i2oo  Ctr.  ,  und  Runkelrüben-Zucker- 
fabriken gab  es  in  Böhmen  allein  8. 

k)  S.  Beyl.  z.  A.  Z.  1820.  S.  36a 

§.    lOO. 
O  li  1  f  a  b  r  i  c  a  t  i  o  n. 

Es  gibt  überhaupt  zwcyerJey  Oehl:  ätherisches  oder ßüchtiges  und  Jettes.  Jenes 
gewinnt  man  durch  Destillation  aus  stark  riechenden  Pflanzen  und  Samen,  z.  B.  Rosen, 
Nelken,  Zimint,  Rosmarin,  Thymian,  Jasmin,  Lavendel,  Pomeranzen-  und  Citronen- 
schalen,,  Anis  u.   s.  w.;   da^  feile  ühl  hingegen  gewinnt  maii  durch  Auspressea^  aus 


ni.  Indaslrielle  Produclion.  §.  lOi.  Arbcitrn  in  Holt.  inj 

dem  Lein-,  Hanf-,  Rüb-,  Älohn- und  andern  Pflanzcnsamen.  Man  bedient  sich  dazu 
gewöhnlich  der  Oehlmülüen ,  die  mit  Hämmern  oder  Stampfen  versehen  sind,  imd  de- 
ren es  insonderheit  in  den  Niederlanden  j  Spanien _,  Frankreich  j  Italien  j  DeutscJi- 
land  j  Ungern _,  Galizien  und  Russland  eine  grosse  Menge  gibt.  —  Die  flüchtigen 
Öhle,  mit  deren  Bereiimig  sich  vorzügUch  die  Franzosen  j  Italiener  und  Osmanen 
beschäftigen,  ])raucht  man  besonders  zum  Parfiimiren^  Mit  Weingeist  vermischt,  ge- 
ben sie  die  wohlriechenden  TVasser  j  die  alisonderlich  häufig,  gut  und  mannigfakig 
in  den  Parfümofficinen  zu  Paris  j  Grace  j  Avignon  und  Montpelier  aj  in  Frankreich, 
imd  zu  Nizza  j  Florenz  und  Born  in  Itahen  bereitet  werden ,  und  durch  ihre  häufige 
und  weite  Versendung  einen  sehr  cinträghchen  Artikel  für  die  besagten  Städte  aus- 
maclien.  Ausserdem  werden  auch  in  Wien  mannigfahige  und  gute  Parfiimeriewaaren 
erzeugt;  nur  die  d.Tzu  nöthigen  Bestaadlbeile,  besonders  die  verschiedenen  Aromata 
müssen  meist  vom  Auslande  bezogen  werden.  In  Colin  beschäftigen  sich  mit  Präpari- 
rung  des  unter  dem  Nahmen  feau  de  Cologne  bekannten  Iliechwassei-s,  über  40  Fa- 
bricantcn,  die  jährlich  mehrere  Millionen  Flaschen  davon  fabriciren  und  versenden, 
ü)  Wo  eine  Oflicin  im  J.  1806  an  116  verschiedenen  Artikeln  von  wohlriechenden  Wassern, 
Essenzen ,  Salben ,  Pomaden  u.  s.  w.  lieferte. 

g.    101. 
Arbeiten     in     Holz. 
Aus   den  verschiedenen  Holzarten  werden  SchifTc  imd  andere   Fahrzeuge,  Ge- 
räthschaftcn  unzähliger  Art,  musikalische  Instrumente,  Spielzeuge  und  andere  Waa- 
rcn  gemacht.  —  Die  grösste  der  Künste,  welche  den  menschlichen  Geist   und   des 
Menschen  Hand  je  beschäftigte,  und  die  getrennten  Theile  der  Erde    wieder  zu  ei- 
nem Ganzen  vereinigte  —  die  Schiß haukunst  —  hat  die  grössten  Forlschritte  in  Frank- 
reich aJ  und  Dänemark  bj  _,  näclistdem  in   Grossbritannien  und  Holland  cj  ge- 
macht j  am  stärksten  aber  wird  der  Schiffbau  nicht  nur  in  den  gedachten  Ländern , 
sondern  auch  in  Schweden  _,  Russland  j  Deutschland  j  F eue di g  wnA  Dnlmatien  be- 
trieben. —  Für   Wagner-  und  Tischlerarbeiten  zugleich,  oder  wenigstens  für  einen 
dieser  Zweige  des  Kunstflcisses,  findet  die  Industrie  vornehndich  Stall  7a\  London  dj  j 
Paris  ej  j  Wien  fj  ,  Berlin  j  Neuwied ,  Offenbach  gj  j  Mailand^  Brüssels  St.  Pe- 
tersburg und  Stockholm.  —  >'ortn^n'iiclie   Fortepiano  s  verfertigen  die  Clavicrmacher 
in  TFierij  deren  Arbeiten  an  Solidität,  Schönheit  der  P\)rm  und  Wohlfeilheit  die  be- 
sten Pariser,,  Londoner  imd  Kopenhagner  ülierlrcflen,  und  nach  einem  grossen  Theil 
Europa's  verführt  werden ;   besonders   sind  sie  auf  den  Leipzigermessen  ein  sehr  ge- 
suchler Artikel ;  daher  auch  in  dieser  Handelsstadt  mehrere  Verschlcissmagazine  von 
allen   Galtungen  Wiener-Fortepiano's  angelegt  sind.  Nicht  minder  beliebt  und  gesucht 
sind  die  in    Wien  in  sehr  grosser  Anzahl  verfertigten   Guitaren.  Im  J.  1812  wurden 
mcbrcre  hundert   Dutzend   nach  Deutschland,  besonders  Frankfurt  am  Main   ver- 
sendet. Musikalische  Instrumente  anderer  Art  liefert  ebenfalls  Wien  in  Menge  und  zu 
billigen  Preisen,  so  wie  Prag j   Graslitz  und  Tachau  in  Böhmen,  Mittenwalde  in 
Baiern,   Klingenthal  und  Neukirchen  in  Sachsen,  Creniona  in  Italien  u.  s.  w.  —  Die 
meisten  Schnitz-  und  Di'cchslerarbeiten  j  die  weil  und  breit  verkauft  werden,  erzeugt 


jg,  Iir,   ladustrielle  ProcJiicIion.  §    loi    Arhaldi   in  Höh. 

Berchtesgade.n  hj ;  näcLsldom  TVien  ^  Eiunlnirg ,  Niiriiherg,  Geislingen  ^  das  Crod- 
nerthal  in  Tyrol ,  die  FicJitaii  bey  Gnmndi?n  in  Östeneich  ob  der  Enns  und  andcro 
Gcgeudeu  Deutschlands ,  so  wie  Neufchatel  und  das  Haslithal  in  der  Schweiz ,  und 
Tunbridge-  Wells  in  England.  —  In  der  Verfertigung  hölzerner  UJiren  haben  es  am 
weilcstcn  gebracht  die  Uhrmaoher  im  Schwarzwalde  zwischen  Triherg,  Neustatt  und 
Wuldkirch.  Im  J.  i683  ward  auf  diesem  rauhen  Gebirgslande  die  erste  hölzerne  Uhr 
verfertiget,  woraus  in  der  Folge  ein  höchst  wichtiger  Erwerbs-  imd  Handelszweig  ent- 
standen ist.  Es  befinden  sich  daselbst  688  eigentliche  Ulirmacher,  yS  Vorarbeiter, 
als  Gestell-,  Ziffer-  und  Instrumentmacher,  127  Nebenarbeiler,  als  Schildmacher 
11.  dgl. ,  und  endlich  582  Händler.  Jährlich  werden  mehr  als  107,300  Stück  Holzuhrcn 
(im  Werlh  von  mehr  als  321,000  fl.)  gemacht,  Avelche  in  und  ausser  Europa  Absatz 
finden.  Die  einfachen  kosten  nur  5o  Kr.,  etwa  12  Gr.  —  TonnenwwA  Ftisser  im\.lii\&x 
Maschinen  werden  gemacht  in  Grossbrilannien  und  neuerlich  auch  in  Frankreich.  Zu 
Port-Dundas  in  Schottland  besteht  eine  solche  Fabrik,  in  der  12 — 15  Arbeiter  täglich 
mehr  als  600  Tonnen  und  Fässer  von  verschiedenen  Dimensionen  verfertigen,  die  je- 
doch nicht  sehr  genau  sind,  und  also  vorzüglich  nur  da  gebraucht  werden  können, 
wo  diese  Genauigkeit  eben  nicht  nothwendig  ist,  als  z.  B.  zur  Versendung  des  Zuckers, 
des  Kaffehs,  der  Gewürze  und  anderer  Materiahvaaren ,  bey  denen  kein  Visiren  der 
Fässer  Statt  findet ,  sondern  wo  man  bloss  auf  das  Gewicht  Rücksicht  ninunt.  Diese 
Tonnen  und  Fässer  werden  zum  Theil  nach  Nordamerika  verschickt,  wo  sie  aber  erst 
zusammengesetzt  und  mit  Reifen  versehen  werden.  —  Die  meisten  Holzscltuhe  wer- 
den in  Frankreich  {Sabots  hier  genannt)  ij ,  in  Jütland  k) ,  Westphalen  und  Böhmen, 
die  meisten  Flaschen  ("TschutterJ  von  Ahornholz  zu  Kronstadt  in  Siebenbürgen,  und 
die  meisten  hölzernen  Häuser  in  Russland  und  im  Vorarlbergischen  gemacht.  In 
jenem  Lande  findet  man  solche  Häuser  auf  den  Märkten  ganz  fertig  zum  Verkauf; 
in  diesem  werden  die  hölzernen  Häuser,  Alphülten  u.dgl.  im  Winter  auf  Schlitten 
nach  Bregenz  geschafft.  Von  da  gehen  aie  im  FriÜiling  zu  Schillo  über  Stein,  Schaff- 
hausen u.  s.  w.  nach  der  Schweiz. 

a)  Die  BriUen  freuen  sich  der  Eroberung  eines  französischen  Sthifl'es,  insonderheit  aus  dem 
Grunde,  weil  sie  fast  gewiss  sind,  ein  besseres  Schiff  zu  bekommen,  als  sie  selbst  es  zu 
bauen  im  Stande  sind.  S.  Norrmann  a.  a.   O.  S.  55i  ff. 

b)  S.  Österr.  Beobachter.  i8i5.  Nr.  6g,  wo  die  Nachricht  vorkommt:  die  Schiffbauart  werde 
in  England  noch  nicht  mit  so  viel  wissenschaftlichen  Kenntnissen  und  praktischen  Erfah- 
rungen ausgeübt,  als  in  Frankreich  und  t)äneinark. 

c)  Holland,  wo  zu  Zaandani  oder  Zaardam  Peter  der  Grosse  die  SchiflFbaukunst  lernte,  hat 
davon  ein  Beyspicl  gegeben  ,  dass  der  Bau  der  Schiffe  zum  Verkauf ,  zum  Gegenstände  ei- 
nes Gewerbes  für  ein  Land  werden  kann,  dessen  eigener  Boden  nicht  Ein  Materiale  für 
den  Schiffbau  in  einigem  Vorrathe  liefert. 

d)  EnifHsche  Wagen  rollen  in  Ostindien ,  auf  St.  Domingo  und  auf  den  Strassen  der  mexica- 
nischen  Städte  in  einer  Höhe  von  2700  Meters  über  dem  Meere,  obgleich  Neuspanien  selbst 
schöne  Wagenfabriken  besitzt.  Vor  dem  Kriege  trug  dieser  Zweig  der  Industrie  jährlich 
über  1  Mill.  Pf  St.  ein. 

e)  Im  J.  i8i2  sind  die  Holzmöbelarbeiten  für  Frankreich  ein  Gegenstand  von  ig  Mill.  Fn 
gewesen;  jene  von  Kutschen  und  Wagen  allein  11  Mill.  Fr.  S.  Allgem.  geograph.  Ephem. 
jBiS.  S.  233. 


III.  luduslrielle  Producliou.  ^     lOI.   PoUascliesicdtrf_T(.'D ;   Bcreiluag   Jir  Soda  etc.  igS 

/■)  Es  führt  jährlich  für  5 — 600,000  fl.  Kutschen  uiicl  Wagen  ,  und  für  180 — 200,000  fl.  Tisch- 
Icrwaaren  aus.  Ganze  SchiffL'  \oll  Mobelarbciten  worden  nach  Un^^ern  transporlirt ,  soge- 
nannte Secretar-Schreibtisclie  werden  selbst  nach  Polen  versendet,  und  ChalouUen  finden 
einen  ganz  vorzügllclien  Absatz  in  der  Tüihey.  Im  J.  1811  waren  in  H^ien  niit  Einschluss 
der  Vorstädte  270  Tischlermeister,  mit  719  Gesclk'n  und  4o5  Lehrjungen,  dann  460  be- 
fugte Tischler. 
g)  Die  dasige  WagenHibrik  unterhält  45  Schmiede  und  Schlosser,  14  Kastenschreiner,  14  Gc- 
stellmacll^r^  14  Lackirer  und  Anstreicher,  i2  Sattler,  4  Riemer,  6  Gürtler  und  Plattirer. 
^  S.  H".  A.  L.  Z.  i8i3.  173.  S.  546  ff. 

h)  jVIan  erstaunt  über  den  ausserordentlich  geringen  Preis  ,  für  den  die  Berchlesgadncr  Ilolz- 
waaren  au  d'ui  Erzeugungsorte  \  erkauft  werden.  Dem  von  Hrn.  Schuhes  in  seiner  Reise 
auf  den  Glöckner  Bd.  4  S.  76  gelieferten,  8  Seiten  starken  Berchtesgadner  Holzwaarcn- 
Prciscourant  zu  Folge,  erhält  man  in  diesem  betriebsamen  Ländchen  z.  B. 

10  Dutzend  Tanzdocken  für 1   fl. 

20        —  Nadelbüchsen  Kr,  j  für    1    — 

2o       —  Grillenhäiischen  für 1   — 

20        —  gemalle  Tischchen  für 'i   . — 

20        —  Wiegen  mit  Kindlein  für   ....iv.-;-»!   — 

2o   Guckguck  für 1   — 

60   Posthörnchen  für 1    — 

i)  Der  Sabols  bedient  man  sich  in  Fra/ikrtich  a\if  dem  flachen  Lande  sowohl,  als  anderwärts, 
häufiger  als  je.  Hr.  Hei;ner  ist  der  Meinung,  eine  so  schwere  Bekleidung  mache  den  Fuss 
gelcnksamer  und  leichter ,  den  Schritt  selbst  gleichförmiger  und  sicherer;  wie  denn  einer 
der  ersten  Pariser  Operntänzor  ihn  versicherte,  dass  er  den  ganzen  Tag  in  solchen  Holz- 
schuhen herumgehe,  wenn  er  Abends  eine  wichtige  Rolle  im  Ballet  zu  tanzen  habe,  und 
seinen  Fuss  alsdann  noch  cinmahl  so  leicht  fühle. 
l)  Wo  sich,  nach  Hrn.  Niemann,  von  Verfertigung  von  Hülzschuhen  (/fo/jr/ie«  hier  genannt) 
4400  Personen  nähren,  und   damit  jährlich  wenigstens  i2o,ooo  Tlilr.  verdienen. 

§.    102. 
Pottasche siedereyen;  Bereitung  der  Soda  und  des  sogenannten  Kel'p. 

Die  goineine  Pottasche  gewinnt  man  durch  Auslangen  der  Holzasche,  Einkochen 
der  Lauge  oder  des  salzigen  Wassers,  und  Ausglühen  des  aus  der  Lauge  gewonnenen 
rohen  Products,  aiu  meisten  in  Deutschland j  Ungern  j  Galizien  und  der  Buko%vina, 
Ost- uwA  Westpreussen  j,  Polen  j  Russland  ^  Schweden  und  Norwegen  ;  daher  viele 
Oslsceslädte  einen  sehr  heträchthclien  Handel  mit  Pottasche  nach  England  j  Holland 
Franki-eicJi  treihen.  Man  braucht  dieses  vcgctahilischc  Laugensalz  vorzüglich  zur  Be- 
Ircihung  der  Glashi'itten ,  der  Blaufarhcnwerke,  der  Seifensiedcrcyen,  Bleichen,  Fär- 
hereyen  u.  s.  w.  —  Die  ^SoJ«  oder  das  mineralische  Laugensalz  ist  ursprünglich  in  aus- 
geirocknelen  Morasten  und  verschiedenen  Seen  befindlich  (s.  oben§.  gi.) ;  allein  es  wird 
auch  ans  verschiedenen  Salzkräutern,  die  am  mittelländischen  Meere,  theils  wild  wach- 
sen, thcils  absichtlich  gesäet  werden,  bereitet.  DiePflanzen  werden  ausgezogen,  getrock- 
net, auf eiaen  Rost  gelegt  und  verbrannt,  wobey  die  Asche,  wie  geschmolzenes  Glas,  in 
die  darunter  i)cfindlichcn  Gruben  fliesst  luid  erhärtet.  Mit  Gewinnung  dieser  Soda  be- 
schäfligt^iah  sich  in  Spanien  und  Sicilien.  Die  spanische  ist  besser  als  die  siciliani- 
sche,  und  die  beste  spanische  Soda  ist  unter  dem  Nahmen  BariUe  bekannt.  ALicante 

25 


igi  Ilt     liilii-tiiiUi;   Piodiicliüu     §.    lOJ.    VerscliicJeut;   anJeie  Manufaclurcn  ,  clc. 

und  Carthagena fiiiuca  davon  jährlich  i5o,ooo  Clr.,  Sicilien go,ooo  Canlara (=  225,ooo 
Ctr.)  aus.  —  Die  Bereitung  des  sogenannlen  Kelp  ^  eines  trefflichen  Surrogats  der 
Pottasche ,  welche  in  England  zu  dem  ^  erLraucli  in  seinen  Älanufacturcn  nicht  hin- 
reichend fabricirt  werden  kann,  ist  eine  für  das  schottische  Hochland  j  so  wie  auch 
für  die  Insel  Mull  und  die  übrigen  Hebriden  und  Orkaden  j  wichtige  Fabrication.  Sie 
geschieht  an  allen  Seeküsten,  wo  dviS  Seemoos  (fucus  Lin.) ,  woraus  der  Kein  durch 
das  Verbrennen  im  Ofen  gewonnen  wird,  wäclisl.  Diese  Fabrication  beschäftigt  viele 
Menschen  aus  den  ärmsten  Classen ,  und  verschafft  da ,  wo  3oo  Tonnen  Kelp  verferti- 
get werden,  200  Menschen  ihren  Unterhalt, 

§.   io3. 

Verschiedene  andere  Manufacturen,  die    ihren    Stoff   aus    dem    Pflanzen- 
reiche nehmen. 

Unter  den  übrigen  Manufacturen,   die  Stoffe  aus  dem  Pflanzenreiche  verarbeiten, 
sind  noch  einer  Erwähnung  werth  :  1)  die  TVaidindigofahvikemw  TuulousexwYvAvik- 
reich,  zu  Turin  und  Florenz  in  Italien,  zu  Plan  in  Böhmen,  zu  JSeudietendorf  zwi- 
schen  Gotha  und  Erfurt,  und  zu  Käsmark  in  Ungern ;  2)  die  Krappfabriken  j  vor- 
nehmlich in  der  Türkey  imd  in  Holland,  wo  bloss  Rotterdam  Insonderheit  nach  Russ- 
land, Deutschland  und   der   Schweiz  jährlich  7  — 10,000  Fass  (a  1000  Pf.)  Krapp  für 
2-5  Mill.  fl.  versendet;  3)  die  Bereitung  des  Cudhear ^  eines  Farbmaterials  aus  F'Iecht- 
arten  zu  Leverpool  m  England  und  zu  Glasgow  in  Schottland,   an   welchem  letztern 
Orte  die  Fabrication  dieses  Farbmatcrials  so  bedeutend  ist,  dass   der  Verb  rauch  des 
dazu  nölhigcn  Urins  täglich  auf  mehr  als  2000  Gallons  steigt,  und  jährlich  über  800 
Pf.  St.  kostet.  Da  man  das  Moos  von  den  inländischen  Felsen  schon  verbraucht  hat:  so 
lässt  man  nvui  schwedisches  Moos  in  grossen  Schiffsladungen  nach  Glasgow  kommen  a). 
—  4)  Die  Stroldiutmanufacturen j  die   ein  Material  in  Tonnen  Goldes  verwandeln^ 
das  sonst  auf  dem  Düngerhaufen  verfault.  Dieser  Industriezweig  wird  am  stärksten  in 
Italien  b)  _,  in  der  Schweiz  c)j   in  Frankreich  und  Deutschland  d)  j  vornehndich  in 
Oesterreich  unter  der  Enns  e)  _,  in  Böhmen  J)  tuid  Sachsen  g)  betrieben.  —  5)  Die 
Bereitung  der  C/tokolate j  eines  sehr  nahrhaften  und  stärkenden  Getränkes,  das   die 
Spanier  zuerst  bey  den  Mexicanern  kennen  lernten.  Es   wird  nicht  nur  in   Spanien  ^ 
sondern  auch  in  Italien^  Deutscldand  und  andern  Ländern  verfertigt.  Berühmte  Cho- 
kolalciiibriken  hat  Mailand  und  IVien;  in  letzterer  Stadt  zählt   man  bey  40  Choko- 
latemachcr,   deren  Erzeugniss,  so  wie  die  Mayländcr  Ghokolate,  weit  und  breit  ver- 
fidirl  wird.  —  6)   Endlich   die   Cichorien-Kaffehfabriken  ^  vorzüglich  zu  Hanover ^ 
Braunschweig j  Magdeburg  j,  Berlin  j  Potsdam,  Prag j  TVien j,  und  in  andern  deut- 
schen Gegenden.  Der  Cichorienkaffeh  hat  imter  allen  Kaffehsurrogaten  den  allermei- 
sten ßeyfall  gefunden ,  und  solchen  seinen  Arzeneykräften   und  der  Empfeldung  einer 
Dame  zu  danken,  dalicr  er  auch  Damenkaffeh  genannt  wird.  Indessen  fehlt    es  auch 
dem  Cichorienkaffeh  .in  dem  aromatischen  Ohle,  das  den  Bohnen  des  indischen  Kaf- 
fehs  vor  der  Brühe  von  etlichen  40  bis  5o  Kaffehsurrogaten,  mit  deren  Ber(^ung  man 
sich  während  der  Seespcrre  beschäftigte^  einen  so  wesentlichen  Vorzug  gibt.  Der  äch- 


III.  Indusliiclle  Productlun.   §.   104.   WulleniiMiiut'.icturiu.  q5j 

te  KafTeh  ist  ein  freylicli  enlbehrlichcs,  luid  dem  europäischen  Continent  viele  IMillio- 
nen  Gulden  kostendes,  aber  von  ganzen,  grossen  Nationen,  Menschenalter  hindurch, 
ohne  deutlich  sich  ergehenden  Nachtheil,  genossenes  Ermiintcrungs-  und  Stärkungs- 
mittel, ob  ihn  gleich  so  mancher  Arzt  gerade  für  Gift  erklärt.  Das  KafTehtrinken  ist 
jetzt  selbst  in  England  häufiger,  und  hat  auch  seit  der  Rückkehr  der  Armeen  in  al- 
len Pro\inzen  lliisslcinds  sc\iv  zugenommen.  Es  darf  also  um  so  weniger  befremden, 
wenn  der  Kaffch  wenig  in  seinem  Preise  weicht,  da  in  den  letzten  Jahren  so  viele 
Kaffehpflanzungen  zerstört  worden  oder  eingegangen  sind.  Gleichwohl  ist  die  Fabri- 
calion  des  Cichorienkafl'ehs  und  anderer  Kaffehsiu'rogate ,  seitdem  das  Meer  für  die 
J2in führe  des  ädiien  Kaffehs  wieder  offen  ist,  nicht  mehr  so  bedcuLend ,  als  sie  es 
während  der  Handelssperre  war. 

a)  S.  H.  A.  L.  Z.  1811.  Nr.  3o6.  S.  642  ff. 

6)  Vornehmlich  zu  Florenz,  Bassano ,  Mailand  11.  a.  a.  O.  Aus  Toscana  allein  werden  jährlich 
für   1  800,000  Fr.  Strolihüte  ausgefdlnt. 

c)  Wo  die  Strohflecliterey  im  Canton  Frrjburg  so  einträglich  ist,  dass  sie  \\e\c  tausend  Fran- 
ken in's  Land  zieht. 

d)  Unter  den  von  1794 — 1804  in  England  eingeführten  65,i33r  Dutzend  Strohhüten  waren 
32,g86^  Dutzend  aus  flew/ic/i/flnrf  gekommen.  Dieser  Industriozweig  fehlt  also  dem  übrigens 
indastriereichen  England.  S.  Götting.  gel.  Anz.   i8i5.   St.  38.  S.  371. 

«)  Wo  in  und  um  IVien  dieser  Industrieartikel  22  Fabriken  beschäftigt.  Das  Stroh  (zu  Ver- 
fertigung der  Hüte  nach  Florentinerart)  zu  diesen  Geflechten  ,  welches  die  Italiener  aus  ei- 
ner besondern  Gattung  Weitzen  (^Marzzolo)  erhalten  ,  war  man  bis  jetzt  aus  Italien  zu  be- 
ziehen genölhigt.  Vielfältige  Versuche  haben  endlich  gezeigt,  dass  man  auch  aus  dem  go- 
^vöhnlichen  einheimischen  Roggenstroh  feine  Geflechte  erzeugen ,  und  Strohhüte  hieraus 
verfertigen  kann ,  welche  den  ächten  Florentinerhüten  nicht  weit  nachstehen.  Am  meisten 
werden  aber  hier  noch  immer  die  aus  Schireizergeflechlen  zusammengenähten  Hüte  ^  erfer- 
tigt, weil  diese  im  Preise  viel  wohlfeiler  geliefert  werden  können.  Seit  einigen  Jahren  ver- 
fertiget man  in  It^ien  auch  sehr  geschmack\olle  Bouquete  von  Stroh. 

J)  \ornehmlich  zu  Prag,  Leulmeritz  und  Lobendau  unweit  Rumhurg. 

g)  Hauptsächlich  in  den  Dörfern  um  Dresden  und  am  Fusse  des  Erzgebirges.  Erwachsene  und 
Kinder  fabriciren  da,  sobald  die  Feldarbeiten  gethan  sind,  aus  Stroh  nicht  bloss  die  ge- 
wöhnliche Strohwaare,  sondern  aucli  Vasen  ,  Kästchen,  Tafelaufsätze,  Blumen  und  Blu- 
menkörbe ,  die  nichts  zu  wünschen  übrig  lassen.  Man  sieht  Blumen  von  ihnen  mit  einem 
Glänze  und  einer  Richtigkeit  der  Farben,  welche  den  besten  künstlichen  italienischen  Blu- 
men (von  Seide)  den  Rang  abgewinnen. 

b)  IManufacturen  zur  Verarbeitung  der  rohen  Stoffe  aus  demThierreiche. 

§•    104. 
W  ollenmanufacturen. 

Unter  den  Manufacturen,  welche  Materialien  aus  dem  Thierreiche  veredeln,  sind 
die  wichtigsten  die  yirbeiten  m  TVolle.  Der  Gebrauch  dieses  x'lriikels  ist  zwar  heuti- 
ges Tages  in  Europa  nicht  mehr  so  ausgedehnt,  als  er  es  im  sechzehnten,  und  noch 
mehr  im  fünfzehnten  Jahrhunderte  war,  wo  selbst  die  Hemden  der  meisten  Menschen 
aus  Wolle  bestanden.  Denn  Leinwand  war  fiir  den  gemeinen  Gebrauch  noch  so  kost- 
bar und  selten  in  manchen  Landern,  dass  z.  B.  die  (jcmahlinn  Carls  VIL  von  Fraiik- 

25* 


jg6  III.  luJiistric'le  Prodiiclinn.   §.   104.   Wull' nnnmufarturcn. 

reich  damals  die  einzige  Person  in  Frankreich  gewesen  seyn  seil,  die  zwcy  Hemden 
von  Leinwand  gehabt  habe  aj.  Der  Gebrauch  der  Wolle  ward  beschränkt  durch  die 
Verbreitung  der  Seide  (s,  oben  §.  65),  vornehmlich  al)er  durch  die  starke  Einführung 
der  Baumwolle  j  und  ihre  Verarbeitung  zu  fast  unzahligen  Artikeln.  Indessen  sind  die 
WoUennianuflicturen  in  Europa  auch  noch  gegenwärtig  von  ausgezeichneter  Wichtig- 
keit. Die  meisten  und  besten  sind  unstreitig  in  England  hj  ^  Frankreich  cj  ,  den 
Niederlanden  und  Deutschland.  Zwar  werden  einzelne  Arten  derselben,  zum  Theil 
mit  trefflichem  Erfolge,  in  verschiedenen  andern  Ländern  betrieben;  allein  sie  sind 
bey  weitem  nicht  hinlänglich  zur  Versorgung  ilires  eigenen  Landes,  oder  stehen  jenen 
auch  in  manchen  Arbeiten  nach. 

Die  feinsten  Tilcher  und  Casimire  werden,  theilsmanufacturmässig,  theilshand- 
werksmässig ,  verfertigt:  in  England,  vornehmlich  in  den  Provinzen  Sommersetj  TVdt^ 
Gloucester  und  Dorset;  in  Frankreich ,  besonders  zu  Paris  (draps  des  Gobelins  und 
Julienne),  Sedan  j  Louviers j  Abbeville _,  Chateauroux  .,  Elbeuf  und  Cahors ;  in  den 
Niederlanden ,  und  zwar  in  den  südlichen  Provinzen :  zu  Löwen  ^  Lattich  _,  F^ervierSt 
Hodimont  wnA  Limburg ;  in  den  nörAYiclxen:  zw  LejdeUj  Tilburg  und  Utrecht-  in 
Deutschland,  vornehmlich  in  Oesterreiclis  deutschen  Provinzen,  nahmenllich  in  AL'ih- 
ren  djj  Böhmen  ejj  Schlesien  f)  und  Kärnthen  gj ;  dann  in  Preussens  deutschen  Pro- 
vinzen, nahmenllich  in  der  l?io\hiz Niederrhein hjj  in  Scidesienijj  BrandciihurgkJ 
und  Sachsen  Ij ;  ferner  im  Königreiche  Sachsen  mj  und  in  verschiedenen  Districtcn 
von  Schwaben  mid  Franken.  Die  schöne  schwarze  Farbe,  die  sonst  dem  französi- 
schen Tuche  von  Sedan  vor  allein  übrigen  den  Vorzug  gab,  hat  man  nun  avich  in 
Cloucestershire  in  England,  zu  Lejden  und  Liittich  in  den  Niederlanden  und  in 
einigen  deutschen  Fabriken  ,  z.  B.  zu  Brunn  in  Mähren,  Victring  in  Kärnthen  u. s.  w. 
bereiten  gelernt  tmd  zu  solcher Vollkonmienheit  gebracht,  dass  die  schwarzen  Tücher 
dieser  Länder  von  den  französischen  nicht  zu  unterscheiden  sind.  Das  Scharlach  der 
französischen  Gobelinstücher  hat  man  indess  noch  nicht  völlig  nachmachen  können, 
obgleich  Lejden  und  Gloucester  ebenfalls  geschätztes,  scharlachrolhes  Tuch  liefern, 
und  zwar  der  letztere  0;t  in  solcher  Menge,  dass  jährlich  für  mehr  als  i  Mill.  Pf.  St. 
davon  ausgefülirt  wird.  Vorzüglich  schöne  weisse  Tücher  werden  zu  Namiest  in  Mäh- 
ren und  in  Glouceslersliire  verfertigt. 

fl)  S.  GreUmanns  Historisch-stalistischcs  Handliuch  a.  a.  O.  S.   i3q  ff. 

b)  Der  Werlh    der    sämmtlichon    briuischon   Wollenfabrication   botragt   16 — 18  Mill.  Pf.  St., 

und  die  Zalil  der  Arbeiter  in  Wolle  steigt  auf  440)000   bis  5oo-,ooo  Personen.   Indessen  sind 

die  Engländer  in  der  Wollenfabrication  zu  abhängig  vom  ersten  Product,  das  sie   in  bester 

Qualität  und  grosser  Quantitataus  der  Fremde,  und  nahinentlich  auch  aus  Österreich,  beziehen. 

e)  Es  verarbeitet  an  roher  Schafwolle  jährlicii  für  36  JMill.  il.  und  erzeugt  daraus   für  beynahe 

go  Mill.  11.  Waare;  an  Veredlung  fremder  Wolle  gewiimt  es  q  Mill.  fl. 
d)  Mähren,  ßühinea  und  Schlesien  sind  der  Hauptsitz  der  österreichischen  Wollenmanufacfu- 
ren.  Erstere  Pro^  inz  aber  liefert  die  meiste  feine  Waare  in  5o  Tuch-  und  Casimirfabriken  , 
wovon  auf  Brunn  allein  i6  kommen.  Feintücher  aus  Mähren  treten  in  unmittelbare  Con- 
currenz  mit  den  niederländischen  und  sächsischen,  welche  das  englische  Feintuch  schon 
grössten  Theils  von  der  Leipziger  JMesse  verdrängt  haben.  Auch  gehen  feine  mährische  Tü- 
cher unter  dem  Nahmen  und  mit  der  Stickerey  ürap  de  Louciers  nach  Italien.  Doch  liefert 
Mähren  noch  weit  mehr  gröbere  Waare  durch   die   zahlreiclien   Tuchmacher  seiner  Land- 


III.   ludii-frielle  Production.   §.   io5-  Wullenmannfaclnrcn.   Forlscizun«.  in« 

slädle,  im  Ganzen  1 10,000  St.  zu  47  Mill.  fl.  ,  walirend  die  Production  an  foincn  Tiiclirrn 
auf  20,000  St.  zu  3 — 4  Mill.  fl.  ,  und  an  Casimiren  auf  2o, 000  St.  zu  i,2oo,ooo  fl.  ge- 
schätzt wird. 

f)  Es  liefert  durch  seine  zahlreichen  Tuchmachermeister  und  in  25  förmlichen  Tuchfabriken 
mehr  mittelfeine  Waare.  Am  stärksten  wird  die  Tuchmacherey  zu  Reichenberg  betrieben. 
Es  sind  daselbst  zwey  Fabriken  und  900  Tuchmarhermeister,  deren  jeder  zugleich  Färber 
ist,  mit  600  Gesellen  und  200  Lelirjungcn.  Man  kann  annehmen,  dass  in  den  10  Jahren 
vor  1810  im  Durchschnitte  jährlich  40— 5o,ooo  Stück  Tücher  verfertiget  wurden,  deren  Ab- 
sätze,  ausser  den  österreichischen  Provinzen,  noch  die  Tüikej ,  Jlalie/ij  Dculschland ,  die 
Schweiz  ,  Dänemark ,  Polen  und  Russland  geöffnet  \varen.  Aber  seit  1810  verloren  die  hie- 
sigen Tuchmanufacturen  durch  die  Einfuhrverbothe  mehrerer  der  genannten  Länder,  bis 
endlich  beym  eingelrelcnen  Frieden  einige  dieser  Absatzörter  wieder  geöffnet  wurden.  — 
Die  zu  AU-Habendorf ,  nahe  bey  der  Stadt  Reichenberg ,  befindliche  Berger  sehe  Tuchfabrik 
liefert  so  gute  und  schöne  Waaren ,  dass  sie  in  jeder  Hinsicht  die  Concurrcnz  mit  den  nie- 
derländischen Tüchern  aushalten. 

/)  Es  hat  drey  Feintuch-  und  Casimirfabrikeft ,  nahmenllirh  zu  Troppau ,  Teschen  und  Biclilz; 
ausserdem  noch  sehr  viele  Tuchmacher.  Im  J.  löog  halle  BieliLz  deren  goo ,  Schwarzwas- 
ser 5oo ,  Teschen  200,  Troppau  i4o  u.  s.  w. 

g)  Es  besitzt  zwey,  durch  ihre  vorzügliche  Einrichtung  und  Führung  ausgezeichnete  Fein- 
luchfabriken, nahmentlich  zu  Viclring  und  Klagenfurl ,  deren  Fabricate  an  die  besten  eng- 
lischen und  französischen  Tücher  sich  reihen,  und  grossen  Absatz  in  das  Aualand  haben. 

Ä)  Wo  zu  Aachen  t  Burt scheid  ^  Slollberg,  l\Ionljoie ,  Iingenbruch ,  Eupen  ,  Malmedj ,  Düren 
und  Heinsberg  die  feinsten  Tücher  und  Casimire  in  der  preussischen  Monarchie  \erfertiget 
werden.  Zwey  dieser  Fabrikorte,  nahmentlich  Mo/iljoie  und  Eupen,  haben  jeder  5o  Tuch- 
fabriken, davon  zu  Monljoie  8 — 10,  zu  Eupen  20  grosse.  An  dem  letzteren  Orte  wurden  im 
J.  1810  fabricirt:  7000  Stück  feine  Tücher,  48,000  St.  sogenannte  Serailtücher,  i2,5oo  St. 
Casimire  und   1800  St.  Halbtücher. 

1)  Besonders  zu  Breslau ,  Goldberg,  Grünberg ,  Göriilz  und  Laub  an ,  welche  beyde  letztere  Fa- 
brikstädte eigentlich  in  dem  preussischen  Theile  der  Überlausitz  liegen,  der  jetzt  ein  Be- 
standtheil  der  Provinz  Schlesien  ist. 

A)  Vornehmlich  zu  Berlin,  Brandenburg ,  Luckeni^-alde ,  ZülUchau ,  Crossen,  Schwlehus  und 
Coltbiii. 

l)  Zu  Magdeburg ,  Burg,  Barby ,  Langensalze ,  Naumburg  und  Zeitz. 

iri)  Vornehmlich  zu  Krimmilschau ,  Penig,  Rochlitz  ,  Bautzen  ,  Zittau  u.  5,  w. 

§.  io5- 

Fortsetzung. 

Wollene  Tapeten  oder  Teppiclie  mit  Figuren  von  natürlicher  Grösse  nnd  F;iiJ)e, 
Gruppen  aller  Art,  Landschaften  u.di;!.,  die  höchste  Stufe  der  Weberkunsl,  liefen i^a/Vj: 
nocli  innner  von  unvergleichbarer  Schönheit  unter  dem  Nahmen  der  Tapeten  der  Go~ 
belins  aj ;  nächst  diesen  werden  die  schönsten  Tapeten  zu  Beanvaix  in  Frankreich, 
zu  Antwerpen  j  Oudenarde  und  Doür?iik  in  den  Niederlanden,  zu  IFilton  und  Kid- 
derminster  in  England  und  in  der  kaiserlichen  Wollenzeugfahrik  zu  Linz  in  Öster- 
reich oh  der  Enns  verfertiget.  Ausserdem  verdienen  hier  eine  nahmentliche  Auszeich- 
nung die  tiirkiscJien  Teppiche,  und  die  von  Peter  dem  Grossen  171g  in  St.  Peters- 
burg j  nach  dem  Musler  der  Gobelins  von  französischen  Meislern,  angelegte  Tapclea- 


iq8  III.  lüdustriflle  Produclion.  §.   jo5.  Wolleumanufacturcn.  Foilsctzung. 

nianufactur^  welche  jetzt  nur  geborne  Russen  zu  Arbeitern  hat,  aus  deren  Händen  in 
der  vollkommensten  aller  Webereyen  treiriiche  Stücke  hervorgehen.  Gemeine  Wollen- 
tcppichc  werden  in  Tjrol  in  Menge  verfertigt,  und  fast  in  allen  Hauptstädten  unsers 
Erdiheils  von  hausirenden  Tyrolern  angebothen;  sonst  aber  wird  dieser  Wollenarli- 
kcl  auch  zw  Auerbach  und  Nördlingen  in  Baiern,  in  Russland  luid  in  andern  Län- 
dern gewebt. 

In  der  Fabrication  der  Sliawls  ^  deren  Gebrauch  in  Europa  erst  seit  der  franzö- 
sisch-ägyptischen Expedition,  also  ungefähr  seit  dem  Ende  des  letzten  Jahrhunderts, 
allgemeiner  geworden,  sind  unerreichbar  die  Hindus  \n  Kaschemir  und  die  Osmanen. 
Von  den  türkischen  kostet  manches  Stück  über  400  Piaster;  jene  hingegen,  die  aus 
Kaschemir  konmien  ,  und  aus  Haaren  einer  thihetanischen  oder  kaschemir  selten 
Ziegenart,  nach  andern  aus  tJiihetanischer  Schafwolle,  bereitet  werden,  sind  für  10 
— 12,000  Piaster  kaum  zu  liaben.  Sie  übertreffen  an  Zartheit  des  Gewebes  undAnmuth 
der  Farben  alle  iibrigcn,  selbst  die  türkischen,  obgleich  auch  diese  zwey  bis  drey 
Mal  so  gross,  als  die  bey  uns  gewöhnlichen,  und  so  fein  sind,  dass  mau  sie  zwi- 
schen zwey  hohle  Hände  bringen  kann.  Indessen  macht  man  sie  seit  mehreren  Jahren 
zu  JSorwich  in  England,  zu  Rheims  in  Frankreich  und  zu  Wien  in  Österreich,  und 
zwar  an  dem  letzteren  Orte  so  täuschend  nach,  dass  die  daselbst  aus  feiner  inländi- 
scher Wolle  ver'i.  .igten  Shawls  auf  der  Leipziger  Michaclismesse  1818,  wegen  ihrer 
grössern  Ähnlichkeit  mit  den  tiii-kischen  _,  den  J^ranzösischeti  und  eng/ische?i  \orgc- 
zogen  wurden. 

Die  meisten  wollenen  Zeuge  von  grosser  Mannigfiiliigkeit  werden  in  England  ge- 
webt, besonders  in  der  Gegend  von  Haüifax  in  Yorkshire,  zu  Norwich  in  Norfolk- 
shire,  in  einigen  Gegenden  von  Lancashire  und  zix  Kendal  in  Westmoreland,  des- 
gleichen in  Frankreich  ,  nahmeuilich  in  den  eh eniahliiren Provinzen  i^/rtf«r/e/vz_,  Cliam- 
pagne  j,  Dauphine  _,  Languedoc  und  AormandiCj  in  den  Niederlanden,  besonders 
zu  Brüssel  und  Doornik _,  in  Deutschland,  vornehmlich  in  den  Königreichen  Sac/isen_, 
Baiern  j,  JVürtemberg  und  Hanover  _,  im  Mecklenburgischen _,  in  den  prcussischen 
Provinzen  Sachsen  j  Schlesien  und  Brandenburg _,  und  in  den  österreichischen  Pro- 
vinzen Böhmen  j  Mähren  _,  Schlesien  j  Krain  und  Oesterreich  ob  der  Enns  j  in  wel- 
cher letzteren  Provinz  die  k.  k.  ^Vollenzeugflilirik  zu  Linz  die  grössie  Anlage  der  Art 
in  Deutschland  ist.  Sie  verarbeitet  jährlich  id)er  5ooo  Ctr.  ^\^olle,  und  beschäftigt  im 
Ganzen  mehr  als  22,000  Menschen,  davon  bloss  in  Linz  und  der  Umgegend  über  7000. 
Auch  hat  diese  Fabrik  nicht  nur  hohe  Vorzüge  in  der  Farbe  und  Appretur,  sondern 
auch  der  feine  Geschmack,  die  sorgsame  Sortirimg  der  \Volle  haben  ihre  Erzeugnisse 
sogar  auf  der  Leipziger  Messe  berühmt  gemacht. 

Die  Strumpfwirkerey j  und  zwar  häufig  zugleich  mit  Anwendung  auch  auf  an- 
dere Kleidungsartikel,  als  Mützen _,  1  Festen,  Handschuhe  und  Beinkleiderzeuge j 
ist  ein  wichtiges  Gewerbe  in  England,  besonders  zu  Leicester  _,  Aottiiigham ,  Hinklcjj 
Norwich  nnd  Kendal  ^  dessgleichenzu^Z>e/Y/een  in  Schottland  und  zn  fltri  in  Frank- 
reich ,  so  wie  in  mehreren  deutschen  Ländern ,  obgleich  gegen  ehemals  sehr  vermin* 
den,  doch  noch  ziemlich  bedeutend  in  den  Königreichen  Sachsen  j  Bniern  imd  W ür- 
temberg j,  in  den  österreichischen  Provinzen  Böhmen,  Mähren^  Oesterreich  ob  der 


III.  ludusliiclle  l'roduction.  §    106.   Wolleaiiianufacturcn    Foitseiiiiny.  in,. 

Enns  und  KraiHj  in  den  preussisclien  Provinzen  Cleve-Befg _,  Sclilesieii  und  Sachsen^ 
endlich  in  dem  Grosshcrzogiluiine  IFeimaVj  wo  die  Stadt  Jpokla  bisher  die  grössle 
Strunipfmaiiufaclur  in  Dctifschland ,  ja  wohl  in  ganz  Europa  hatte,  aus  weleher  noch 
im  Anlange  dieses  Jaliihunderts  jahrlich,  mit  Inbegriff  dessen,  was  von  benachbarten 
Dorfschaiten,  als  Product  des  \Vinters  bey  ruhender  Feldarbeit,  dazu  geliefert  ward, 
gegen  53,000  Dutzend  Paar  Strümpfe  versendet  wurden.  Allein  im  J.  i8l2  halle  die- 
ser Industriezweig  so  abgenommen,  dass  von  273  Meislern  mit  71  Gesellen  nur  noch 
25,000  Dutzend  wollene,  halbwollene  und  l)aumwollene  Strümpfe  geliefert  wurden. 
—  Vor  dem  letzten  Viertel  des  iß.  Jahrhunderts  trug  der  grössere  Theil  von  IMen- 
schcn  in  Europa  niu-  Strümpfe,  die  aus  geschnittenem  Xew^e  zusainiiieiigenäliet  ^  und 
bloss  vornehmere  Volksclassen  mochten  solche  haben,  die  gestrickt  waren,  bis  TVil- 
liamLeCj  Magister  in  Cambrigde ^  l58g  die  bewunderungswürdige,  aus  mehr  als 
driuhalb  tausend  Theilen  zusammengesetzte,  Maschine  und  Kunsl  erfand,  Strümpfe 
zu  wirken. 

a)  Eines  PallastPS  zu  Paris,  den  Colbert  unter  Ludtvig  XIV.  im  J.   1667  den  Künsten  crhaute, 

und   nach   den    Gebrüdern   Giles   und  Jean   Gobelin  benannte.    S.  Beckmanns  Anleitung  zur 

Technologie.  3.  Aufl.  S.  77. 

§.    106. 
Fortsetzung. 

iS/^a/i/e«^  Wollenmanufacturen  sind,  wegen  der  vorlreflflichen  Inlandischen  WoUe 
von  vorzüglicher  Güte  5  alleinlange  nicht  so  ausgebreitet,  als  sie  in  Hinsicht  der  Men^e 
imd  Güte  des  Materials  scyn  sollten.  Die  Manufacturen  zu  Segovia  und  Guadala.xara 
sind  in  ganz  Spanien  die  einzigen,  welche  sehr  feine  Tücher  und  Casimire  liefern. 
Die  königliche  Wollenfabrik  zu  Guadalaxara  webt  kostbare,  carmoisinroth  gefärbte 
Tücher,  imter  andern  auch  von  f^igognewolle j  die  Elle  zu  34  fl.  Auch  unterhält 
man  zu  Mafif/vVieine  Tapetenmanuftictur,  deren  Waaren  denjenigen  der  Gobellinsma- 
nufactur  zu  Paris  an  die  Seite  gesetzt  zu  werden  verdienen.  Die  übrigen  WoUenma- 
nufacturen  zu  P'al/ddoädj  Ponte^'edra  j  Alcantara_,  Cordova  und  Sevilla _,  so  wie 
in  Catalonien  j  Jragonien  u.  s.  w.  verfertigen  nur  gewöhnliche  Tücher  und  Zeu"c, 
aber  im  Ganzen  bey  weitem  nicht  in  hinreichender  Menge  fiir  den  innern  Eedarl^  In 
derselben  Lage  befinden  sich  auch  Portugal  j  Italien  j  die  Schweiz  j  Dänemark _, 
Schweden  j  Norwegen  ^  Russland  aj  ^  Polen  ^  Galizienj  Ungern  j  Siebenbürgen 
und  die  osmaniscJien  Provinzen,  deren  Wollenmanufactureu  das  inländische  Bcdiui- 
niss  lange  nicht  befriedigen,  obgleich  die  Landlcuie  in  den  meisten  dieser  Lander 
grossen  Theils  ihre  unentbehrlichen  Tücher  und  Zeuge  selbst  verfertigen  ■  in  llussJanU 
faliriciren  die  Bäuerinnen  im  Dorfe  Issa  sogar  geschmackvolle  Teppiclie ^  in  Kantens- 
koje i^wj'.yr/ecAe«  auf  persische  Art,  und  um  Tjume  die  wollenen  und  seidenen,  all- 
gemein beliebten  Leibbinden  (kushoks). 

Um  die  Wollenmanufacturen  auf  einen  höheren  Grad  der  ^  ollkommenhcit  zu 
bringen,  hat  man  in  England  JFollenspinn-  und  J  Hebemaschinen  j  welche  das 
Spinnen  und  Weben  bloss  durch  leblose  Kräfte  (Wasser  oder  Dämpfe)  verrichten, 
luchscherinaschine/ij  welche  ohne   menschliche  Bejhülfe  das  Tuch  scheren,  und 


200  III.  IiiJiistiii-lle  Producliun.   §.    107.  Ilutfabricalion. 

noch  so  raanclie  andere  Maschine  errichtcl,  und  zwar  in  solcher  Menge,  dass  man  das 
Caniial,  welches  auf  das  Maschinwesen  fiir  Wolle  allein  verwendet  isl,  über  5  Mill. 
Pf.  Sl.  rechnet.  Nach  dem  Vorgani;;e  Englands  hat  man  solche  Maschinen  auch  in  an- 
dern europäischen  Staaten,  nahmenllich  inOesterrelchj  Preussen  j  Fi-a/ikreic/iu.  s.w. 
niit  gutem  Erfolge  eingeführt. 

a)  Wo  die  WoUcnmanufacturon  sich,  nach  Hrn.  r'.  H^ichmann  ,  ia  drey  Zweige  theilen:  in  die 
Ivronverpflichtcten  und  freycn  Etablissements.  Die  crsteren  zu  Jekalerinoslaw  und  Irkutzk 
erzeugen  sehr  feines  Tuch  ;  die  andern  ,  24  an  der  Zahl,  lieferten  im  J.  1804  zusammen: 
g3i,3i7  Arschin  Tuch  und  Rirsey;  sie  haben  die  Verbindlichkeit,  jährlich  >on  jedem  an- 
sässigen Arbeiter  80  ,  und  von  jedem  ohne  Land  4"  Arschin  Tuch  und  40  Arschin  Kirsey 
zu  liefern;  die  letztern  oder  freyen  sind  unbeschränkt,  und  nur  durch  häufige  Tuchliefc- 
rungscontracte  mit  der  Regierung  in  Berührung.  Seit  1810  iKsst  sich  die  russische  Regierung 
sehr  angelegen  seyn ,  diesen  Industriezweig  empor  zu  bringen.  Diejenigen  Fabrikinhaber, 
welche  über  100,000  Arschin  Tuch  liefern,  erhalten  Verdienstmedaillen,  und  die,  Avelchc 
besondere  Forlschrilte  in  dieser  Fabrication  zeigen,  erhalten  den  Charakter  von  Manufactur- 
Rälhen  mit  allen  Prärogativen  der  Commerz-Rätlie.  Endlich  ist  das  Ministerium  beauftragt, 
für  die  Einführung  besserer  Maschinen  und  die  Vervollkommnung  derselben  zu  sorgen.  S. 
Merkanlilisclie  Annalen.  Jahrg.  1811.  S.  8.  Gleichwohl  ward  noch  im  J.  1817  eine  Ordre 
an  die  Tuchnianufacluren  in  lorkshirK  erlassen,  Tuch  für  die  gesammtc  russische  Armee  zu 
liefern.  S.  Polil.  Journ.   1817.  Sept.  S.  658. 

§.  loG. 

II  u   t  f  a"b   r  i   c  a  t   i   f>   11. 

mite  werden  sowohl  aus  Schaf-  und  Vigognewolle,  als  auch  aus  Hasen-,  Kamn- 
»■lien-,  Ziegen-,  Kamehl-,  Biber-  und  Fischotterhaaren  gelllzt.  Dieser  Artikel  wird  fast 
in  allen  eniopäischen  Ländern  fabricirtj  im  Grossen,  als  Stappelwaare  aber  nur  in 
England j  Eraidaeichj  in  den  JSiederlanden  uiul  in  Deiitsahland.  Die  englischen 
Filzhiite  zeichnen  sich  vor  andern  hauptsächlich  durch  Feinheit,  genaue  Bearbeitung 
vtnd  Dauerhaftigkeit  aus.  Es  werden  jährlich  im  Ganzen  gegen  4  Älill.  Stück  verfertiget, 
wovon  ein  beträchtlicher  Theil  ausgelVihrt  wird.  —  In  FrankreicJi  war  die  Ilatma- 
clierey  iiu  i6.  Jahrhunderle  ein  selir  bedeutendes  Gewerbe;  auch  verbreitete  sich  die- 
ser Iiidnstriezweig  von  da  aus  diach  die  aiisge<vanderten  Hugenotten  in  andere  euro- 
päische Länder.  Allein  eben  diese  Auswanderung,  so  wie  die  Nacheiferimg  der  Eng- 
länder und  anderer  Nationen  und  die  Revolution  wirkten  sichtbar  auf  den  Verfall  des- 
selben aj.  Indessen  hob  er  sich  seit  dem  Anfange  dieses  Jahrhunderts,  besonders 
in  Paris  j  Lyon ,  Orleans  und  Marseille  j  wieder  so  sehr,  dass  er  im  J.  1812  ig,ooo 
Arbeiter  beschäftigte,  und  für  23  Mill.  Fr.  Fabricate  schaffte.  LjonaWem  verfertiget 
jährlich  1,400,000  Stück  Hiite.  In  den  Niederlanden  befindet  sich  der  HanjUsiiz  der 
lluiftbricaiion  zu  Eind]w\-'en  ^  Brüssel  luid  Mechehij  wo  Hüte  bis  zur  feinsten  Sorte 
und  in  grosser  Menge  gemacht  und  ausgeführt  werden.  —  Noch  ausgebreiteter  ist  die 
Hutmacherey  in  Dentscfdand ;  dabey  liefern  mehrere  deutsche  Siädte  Hiite  von  sol- 
cher Gute,  als  nur  innner  aus  den  besten  Werkstätten  der  besagten  Länder  kommen 
mögen.  Vorzüglich  blühet  dieser  Industriezweig  in  IVien  bj  und  Prag;  in  Zittau 
■und  Bautzen i  Lcv'.in  und    fFi>iperfurtJi;   Casselj  Hanau,  und  Fulda;  Erlangen j 


III.   Iniliislriellc  Produclion.  ^.   108.  Seidunmanufactuicn.  201 

TVilrzhurg  ,  Ehingen  w.  s.  w.  Die  IViener  Hiile  finden  ilirer  Güte  und  Scliönlieit  we- 
gen grossen  Absatz,  iiicLt  nur  nacli  Ungern  und  Siebenbürgen j%o\\Aq\:\\  auch  nach 
Italien  j,  Polen  und  Russhind;  die  zu  Jf'ipperfurth  in  ungemein  grosser  Menge  ver- 
fertigten Malroscnlmte  AVcrden  seihst  nacli  England ^  Frankreich  und  Holland  ver- 
sendet. —  Die  rotliea  Cardinalshüte  wurden  bisher  in  England  gemacht,  weil  man 
in  Franki-eich  dem  Biherhaar  keine  so  glänzende  Farbe  gehen  konnte,  als  man  ver- 
langte. —  Rothe  Filzniützen  zu  den  Turbanen  der  Türken  werden  in  Frankreich 
häufig,  insonderheit  zu  Orleans j  Marseille  und  a.  a.  O.  verfertiget,  und  in  Menge 
nicht  nur  nach  den  levantischen  Häfen,  sondern  auch  nach  der  Nordkiiste  von  Afrika 
versendet.  —  Fabriken  zur  Verfertigung  urientalischer  Kappen  gibt  es  in  Österreich, 
nahmenthch  zu  IVien  j,  Linz  j  Brunn  vmd  Venedig.  Die  zu^Vien  verfertigten  Rappen 
kommen  in  Hinsicht  des  Stoffes  sowohl,  als  der  schönen  rothon  Scliarlachfarl)e  den 
tunesischen  sehr  nahe,  luid  gehen  sännntlich,  wie  die  aus  der  Linzer,  Briinner  >uid 
venetianischen  Fabrik,  nach  der  Tiirkcy. 

a)  Vergluichung  des  Zustandes  der  Hutmanufacturen,  der  G'arbereyen  und  SchwefelfaLrikoii 
in  Frankreich  im  J.  1789  und  im  J.  i8o3;  in  dem  Bulleiin  de  la  Societe  d'Encouragemetit 
de  l'iiidustrie  etc.  Erster  Jahrg.  Nr.  IV.  u.  V. 
i)  Wo  im  J.  i8i3  4  Hutfabricanten  ,  42  befugte  Ilutmacher  und  80  Hutinachermeister  waren, 
die  mit  ihren  5o4  Gesellen  in  126  Werkstätten  3o2,4oo  Stück  Hüte  (ganz  Russland  lieferte 
im  J.  1804,  nach  Hrn.  c.  IVichmann ,  in  74  Hutfabriken  mit  678  Arbeitern  nur  176,008 
Stück  Hüie)  verfertigten,  wozu  g46)2oo  St.  Hasenbälge  aus  Böhmen  j  Mähren  und  an<lern 
inländischen  Provinzen,  sehr\iele  auch  aus  der  Moldau  und  Walachey ,  verbraucht  wur- 
den ,  wo\on  100  St.  145 — i5o  fl.  WW.  kosteten,  ein  sehr  hoher  Preis,  da  n^ch.  Beckmann s 
Angabe  im  J.  1787  hundert  Hasenbälge  in  Böhmen  nur  20 — 24  fl-  gekostet  hatten.  Seit  ei- 
nigen Jahren  befintlet  sich  in  Wien  eine  Fabrik  zur  Verfertigung  wasserdichter  Männer-Filz- 
hiiie.  Diese  Hüte ,  welche  sich  durch  Feinheit  und  Leichtigkeit  auszeichnen  ,  sind  dem 
Wasser  undurchdringlich,  behalten,  irfdem  sie  nicht  durch  Leim  gesteift  sind,  lange  Zeit 
ihre  Form ,  und  das  Abputzen  mit  einem  nassen  Schwämme ,  wodurch  sie  einen  neuen, 
Glanz  erhalten  ,  vertritt  bcy  ihnen  die  Stelle  des  Abbürstens. 

§.  108. 
S  e  i  d  e  n  m  a  n  u  f  a  c  t  u  r  e  n. 
Die  Seidenmanufacturen  wurden  von  Asien  her  zuerst  nach  Griechenland  ,  von 
da  um  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  durch  den  V>.ön\i^  Roger  üAch.  Sicilien  verpflanzt, 
und  bald  weiter  in  Italien  verbreitet.  Sie  waren  in  Messina  ^  Palermo  ^  Catania  ^ 
JSeapelj  CatanzarOj  Florenz  j  Lucca  ^  Bologna  j  Genua  ^  f^enedigj  Mailand ^  Tu- 
rin und  a.  a.  O.  lange  ungemein  blühend,  und  versorgten  das  iU^rige  Europa  mit  ihren 
Erzeugnissen ,  bis  die  französischen  über  alle  andern  das  Übergewicht  erhielten.  Seit- 
dem sind  die  italienischen  Seidenfabricate  grössten  Thefls  von  geringerem  Belange, 
ausgenommen  die  schönen  Sammete  von  Genua  (die  noch  immer  die  besten  in  Eu- 
ropa sind),  Mailand:,  Vicenza^  Bologna,  Florenz j,  JS'eapel  und  Catanzaro ;  die 
berühmten  seidenen  Strümpfe  von  Tiuin ,  denen  die  von  Brescia  nicht  viel  nach- 
geben; die  schönen  seidenen  Halstücher  von  ^lailand  und  Vigevano;  die  aus  Gold, 
Silber  und  vielfarbiger  Seide  verfertigten,  sehr  gcsacluen  Stojfc  von  Venedig;  die 
bunten  seidenen  TFaaren  von  Lucca  ;  die  seidenen  Bä/idci'  von  Padua  und  Brescia; 

26 


202  in.  ludustrielle  Produclioa.  §.  xo8.  Seidenmanufacluieö. 

der  seidene  Nähzwirn  von  Verona  und  Monleleone  und  die  J einen  Seidenwaaren 
von  Messina.  —  Spaniens  SeidcnnianuracUiren,  zur  Zeit  der  Maaren  so  blühend, 
kamen  vom  16.  Jahrliunderte  an  sehr  in  Vcrfal] ,  und  hoben  sich  ei'st  wieder  seit  der 
Mitte  des  18.  Jahrhunderts.  Sic  sind  jetzt  der  wichtigste  Zweij,'  des  spanischen  Kunst- 
flcisses,  zahh-eich  in  mehreren  Städten,  z.  B.  in  Barcelona  ^  Rens ^  Matal  o  „  Talii- 
vera  de  In  Reina_,  Madrid  j  Toledo  j  Guadalaocara  ^  Sevilla  j  Antecjuera  j  vorzüg- 
licli  aber  in  Videncia ^  wo  allein  gegen  4000  W^erkstidde  im  Gange  sind,  welche 
20,000  Menschen  beschäftigen.  Im  Ganzen  gibt  es  in  Spanien  i8>000  Seidenweber- 
stühle, welche  dauerhafte,  wenn  gleich  nicht  immer  geschmackvolle  Arbeiten  liefern. 
—  Eben  so  betreibt  man  in  Portugal  vonManufacturcn  die  Seidenfabriken  am  besten, 
wozu  wohl  am  meisten  der  Umstand  beytragen  mag,  dass  alle  Einführe  von  Seiden- 
waaren in  der  portugiesischen  ^Monarchie  verbothen  ist.  Es  sind  zu  Lissabon  j,  Porto  j, 
Braganza  luid  Beja  über  27,000  Älenschen  mit  der  Verarbeitung  der  Seide  beschäf- 
tigt. —  In  Frankreich  entstanden  die  Seidenmanuiacturen  unter  Heinrich  IV.,  und 
kamen  unter  Ludwig  XIV.  vorzüglich  durch  Colbert  sehr  in  Flor,  litten  aber  durch 
die  Vertreibung  der  Hugenotten  ungemein,  bis  sie  sich  seit  dem  Utrechter  Frieden 
wieder  so  hoben,  dass  sie  allen  andern  die  Palme  entrissen,  und  durch  ihre  Moden 
ganz  Europa  von  sich  abhängig  machten.  Ihr  Hauptsitz  ist  in  Ljon  j,  Paris _,  Tours  j 
Orleans  und  Nimes ;  sonst  blühen  sie  auch  noch  in  Montpellier  _,  Marseille  _,  Toulon  ^ 
yjmboise _,  Toulouse j  Nancj  und  a.  a.  O.  Die  Anzahl  aller  Werkstühle  für  Zeuge, 
Bänder,  Strümpfe,  Taffet,  Atlas,  Sammet  mid  Stotle  aller  Art,  belief  sich  im  J.  1780 
auf  68,000  niit  5oo,ooo  Aibeitern.  Während  der  Revolution  gerieth  auch  dieser  Indu- 
striezweig so  sehr  in  \erfall,  dass  unter  andern  in  Lyon  von  16,000  Werkstühlen  kaum 
4000  erhalten  weiden  koniiten;  diese  haben  sich  aber  doch  im  J.  1812  schon  wieder 
auf  ii,5oo,  1818  auf  i3,000,  1820  auf  mehr  als  18,000  und  1821  gar  auf  26,000  ver- 
mehrt, die  für  80  Mill.  Fr.  rohe  Seide  aus  dem  Auslantle  zu  einciu  V\  erthe  von  i3o 
INliU.  Fr.  verarbeiten.  Lberhaupt  nahm  die  Seidenfabricaton  bereits  unter  der  vorigen 
llegierimg  so  beträchtlich  zu,  dass  im  J.  1812  für  70  Mill.  Fr.  Seidenwaaren  aller  Art 
ausgeführt  wurden.  —  In  Grossbritannien  j,  in  den  Niederlanden  _,  in  Deutschland 
und  der  iS'c/nve/z  sind  die  Seidenmanufacturen,  gegen  das  Ende  des  17.  Jahrhunderts, 
durch  die  Aufnahme  französischer  Fremdlinge  (^Hejugie's)  ,  theils  neu  entstanden,  theils 
mehr  verbreitet  und  vervollkommnet  wuiden.  In  Grossbritannien  gewannen  sie  in 
der  Folge  manche  Verbesserungen,  vornehmlich  durch  Errichtung  mehrerer  Seiden- 
miuden  nach  italienischer  Art,  wovon  die  grösste  zu  Derby  ist.  In  dieser  Seidcimüdde 
setzt  ein  Wasserrad  viele  tausend  Haspel  in  Bewegung,  so  dass  mit  jedem  Umdrehen 
des  Rades  an  g4,ooo  Ellen  Seide  aligehaspelt  und  gezwirnt  werden  können,  welches 
in  24  Stunden  3l3  Mill.  Ellen  gibt.  Der  Hauptsitz  der  Seidenfabriken  selbst  ist  in 
England:  zu  Spittlcßelds  bey  London,  zu  Canterburj j  Coventrj  und  Nottingham ; 
in  Schottland:  zu  JEdinburgh  ^  Glasgow  und  Paislj.  Im  J.  1806  stieg  die  Anzahl  der 
Seidenarl)eiter  in  Grossbritannien  auf  65, 000  Personen,  und  der  Werlh  der  von  ih- 
nen gelieferten  Fabricate  betrug  2,700,000  Pf.  St.  Die  Juiitischen  Seidenwaaren  sind 
schwer  und  trelTüch  gearbeitet,  aber  doch  nicht  so  vollkomuien  und  mannigfaltig,  als 
die  französischen,  dabey   sehr  thcuer,  weil   Grossbiiltaiinien  die  Seide   ganz  jlUs  der 


III.   Iiiduslrielle   Proil  icHon.   §.   103.  Seii'lenmanufactiiren.  jo3 

Fremde  beziphon  muss,  nnct  der  Arboiislohn  hoch  ist.  Viele  cnghschc  und  die  meisten 
schottischen,  einst  Muhenden  M.uuifaciuren  vertauschten  in  den  ncucrn  Zeiten  die 
Seide  mit  der  Baumwolle.  —  In  den  Niederlanden  ist  der  Hanptsitz  der  Scidenma- 
nufacturen  zu  HiKirlem ,  ü!j  sie  gleich  sehr  hcrabgekommen  sind.  Sie  liefern  unter 
andern  schöne  Striunnfc,  geschätzte  schwarze  Bänder  und  vortreßliches  seidenes  Bcu- 
teltuch,  gleich  dem  besten  englischen.  Ausserdem  gibt  es  Seidenfabriken  in  Utrecht 
und  Brügg.  —  In  Deutschland  wird  die  Fabrication  der  seidenen  Waaren  ani  stärk- 
sten in  den  österreichisc':cn  ajj  preussischen  hj  und  sächsischen  cj  Staaten  betrie- 
ben; sonst  beschäftiget  man  sich  mit  der  Verarbeitung  der  Seide  auch  noch  zu  Augs- 
burg j,  Tuttlingen  _.  Hanaus  Olfcnbach^  Lübeck  ,  Hamburg  und  a.  a.  O.  TFien^  Ber- 
lin ,  Eberfeld  und  Leipzig  liefern  seidene  Zeuge  und  andere  Seidenwaaren  von  so 
schönem  Desseins ,  dass  sie  den  fianzösischcn  an  die  Seite  gesetzt  zu  werden  verdie- 
nen. Manche  der  deutschen  Seidenmanufiicturcn  haben  theils  durch  die  Messen,  theils 
ausser  demselben  einen  ziemlich  starken  Absatz  nach  dem  nördlichen  und  östlichen 
Europa  dj  ;  allein  dieser  scheint  der  Einführe  der  französischen  Seidenwaaren  noch 
immer  nicht  das  Gleichgewicht  zu  halten.  —  In  der  Schweiz  blühet  dieser  Industrie- 
zweig in  den  Cantonen  Bern  ^  Schaßhausen  _,  Appenzell  ^  Thurgau  _,  Luzern  j  Genf_, 
vorzüglich  aber  in  den  dinloncn  Basel  \m(\  Zürich.  Ihre  Seidenwaaren,  hauptsäch- 
lich im  glatten  und  gekreppten  Seidenflor,  in  Seiden-,  Floret-  vmd  Ilalbscidenbän- 
dcrn  bestehend  ,  haben  einen  starken  auswärtigen  Absatz.  Die  Stadt  Basel  allein 
führte  im  Jahre  i8l2  fnr  3  Millionen  Gulden  seidene  Bänder  aus.  Fast  alle  Land- 
leute in  dem  Canton  Basel  haben  ihren  Bandweberstuhl  ,  und  arbeiten  in  Zwi- 
schenzeiten für  die  Kaufleute  der  Stadt,  Avie  der  Landmann  anderer  Länder  in  Ne- 
benstunden Leinwand  oder  anderes  Gewebe  liefert.  Dem  Bauer  wird  die  Seide  von 
dem  Baseler  Kanfuianne  und  Fabricanten  zugewogen,  und  diesem  müssen  die  Bän- 
der nach  dem  Gewichte  wieder  abgeliefert  werden,  deren  Feinheit  so  hoch  steigt, 
dass  i3o  Ellen  oft  nur  i  Loth  an  Gewicht  enthalten.  In  neueren  Zeiten  hat  je- 
doch der  Absatz,  vmd  folglich  auch  die  Fabrication  dieser  Waare  abgenommen.  — 
Im  osnianischen  Reiche  sind  die  wichtigsten  Seidenmanufacturen  zu  Constantino- 
pelj  Salonichi  _.  Adrianopel  _,  Bursa  j  Aleppo  und  a.  a,  O.  ej.  Ihre  Krepps  und  Ga- 
zes,  ihr  Atlas,  ihr  Sammet  Und  ihre  reichen  seidenen  Stoffe  fanden  von  jeher  Bey- 
fall  und  grossen  Absatz.  Auch  haben  sie  es  im  Färben  der  Seide  sehr  weit  gebracht. 
—  Russland  hatte,  Hrn.  v.  Wichmana  zufolge,  bereits  im  J.  1804  328  Manufacluren 
in  Seide,  wovon  die  meisten  (248  ;in  der  Zahl)  im  Gouvernement  iMoskau  eriichtet 
waren.  Sie  vei-arl)eiteten  auf/i-joi  Stühlen  chinesische,  persische,  bucharische  und 
italienische  Seide.  Die  Anzahl  dci  Arbeiter  belief  sich  auf  8g53  Personen^  imd  das 
von  ihnen  gelieferte  Product  an  Sammet,  Chalons,  seidenen  Zeugen,  Bändern  und 
Spitzen  betrug  2,321,462  Arschin.  Weim  auch  Russland  fremder  Seidenwaaren  nicht 
ganz  entbehrt:  so  ist  es  doch  schon  in  der  Lage,  solche  im  geringern  Masse  dem  Aus- 
lände abzimehmen.  —  Was  endlich  die  Seidenmanufacturen  in  DalinatieUj  Ungern  _, 
Galizien _,  Dänemark  und  Schwellen  betrifft:  so  ist  der  flauptslfz  derselben  zu  Rfi- 
gusUj  Pesth ^  Lemberg j  Kopenhagen  und  Slockhohn.  In  Schweden  bei'.ahlteii  im 
J.  181J  664,000  Frauenzimmer  eine  Abgabe,  weil  sie  seidene  Zeuge  trugen  /^. 

26" 


204  ^'I-   Industrielle  ProJuctioD.  §.   log.  Ledergarbereyen. 

Aus  den  Coconslüiuteii  macht  mau  künstliche  Blumen  zum  Damcnpulz,  welche 
in  Italien  j,  nahmenihch  zu  Genua _,  Florenz  ^  Rom  und  in  anderen  Städten  in  Menj^e 
imd  von  voi'ziighchcr  Schönheit  verfertiget  werden. 

a)  Wo  der  Hauptsitz  der  Verfertigung  der  Seidenzeuge,  Taffete,  Sammete  ,  Hals-  und  Sack- 
tücher, Flore,  Bänder,  Tapeten  u.  s.  w.-,  im  Lande  unier  der  Enns  ist,  nahnientiich  zu 
IVien  ,  Penzing,  Mödling  ,  Gumpoldskirchen  ,  Traiskirchen  und  Tf''icnevisch  -  JS'eusladl.  Im  J. 
1811  beschäftigten  die  Seidenmanufacturen  in  ganz  Osterreich  unter  der  Enns  7435  Weber- 
stiihle  und  9866  Arbeiter.  Nach  dieser  Provinz  wird  die  Seidenueborey  in  den  österreichisch- 
deutschen  Staaten  am  stärksten  im  südlichen  Üjto^  betrieben  ,  nahmentlich  zu  yila^  Trient , 
besonders  aber  zu  und  um  Roceredo ,  wo  man  die  grössten  und  meisten  Seiden-Filatorien 
und  Seidenzeugfabriken  findet.  Ausserdem  gibt  es  Seidenmanufacturcn  zu  Gürz,  Laibach  j 
Klagenfurl  j  Grätz,  Brunn,  Prng  u.   s.  w. 

h)  Im  J.  1816  waren  in  der  ganzen  preussischen  Monarchie,  nach  Hrn.  Voigtel ,  über  6800 
Seidenweberstühle  im  Gange.  Davon  kamen  auf  den  Düsseldorfer  Regierungsbezirk  allein 
4goo  und  aui  Berlin  800.  Die  erheblichsten  Soidenfabriken  sind  zu  Barmen,  Elberfeld ,  Cre- 
feld ,  Colin  und  Mühlheini  am  Rheine  in  Gleve-Berg  ,  zu  Berlin  und  Polsdain  in  Brandi.'n- 
burg,  und  zu  Iserlohn  und  Schwelm  in  Westphalen. 

c)  Wo  die  vorzüglichsten  Seidenmanufacturcn  zu  Leipzig  und  Chemnitz  sind.  In  der  erstem 
Stadt  allein  waren  im  J.  1809  für  seidene  Strümpfe  i2o  Stühle,  für  Sammet  und  seidene 
Zeuge  igo  Stühle  in  Bewegung. 

ri)  Die  Elberfelder  gedruckten  seidenen  Foulardsiücher  sind  auch  ausser  Europa  berühmt,  und 
werden  selbst  den  ostindischen  vorgezogen.  S.  B.  z.  A.  Z.   1822.  S.  107. 

e)  Srio ,  das  Paradies  der  Griechen,  wo  ebenfalls  noch  vor  Kurzem  die  Scidcnmanufacluren 
blühten  ,  ist  im  Laufe  dieses  Jahres  von  den  Türken  gänzlich  verwüstet  worden. 

f)  S.  Polit.  Journ.   1818.  März.  S.  284. 

§•  log- 

L  e  d  c  r  g  ä  r  b  e  r  e  y  e  n. 

Die  Kunst,  die  rohen  Thicrhäule  und  Felle  zu  enthaaren  und  dergestalt  zube- 
reiten, dass  sie  zu  verschiedenen  Ahsichten  weiter  dauerhaft  verarheilet  werden  kön- 
nen, hcissst  die  Ledergärbet^ej.  Dieses  Geweihe  ist  ein  Hauptzweig  der  Industrie  in 
Grossbritannien  aj  ,  Spanien  _,  Frankreich  _,  den  Niederlanden  j  6.ev  Scliwciz  ^ '\\\ 
Deutscliland  j  Ungern ^  Siebenbürgen  ^  GallzleUj  Russland  und  der  Türkej. 

■  In  Bereitung  der  SaJJiam  ans  Ziegcnfellen  sind  unübertrefflich  die  Osnianen. 
Ihre  vorzü^'lichsten  Fabriken  in  dieser  Ledcrarl  sind  zu  Constaniinopel ,  Salonlchl  j 
Larissa  und  Janina  in  der  europäischen,  und  zu  \ikosia  aui'Cypern,  zu  Dlarbekir 
und  Orfa  in  der  asiatischen  Türkey  bj.  h.m'h.  iix  Marokko  wird  diese  Lederart  sehr 
gut  verfertiget  ,  inid  wahrscheinlich  daher  Maroquin  genannt.  —  Eben  so  liefern 
Constantinnpelj  jSikosia^  Tokat j  Diarbekir _,  Sinjrna _,  Aleppo „  Marokko,  Tunis 
und  Tripolis  den  besten  Corduan  oder  Cordovan  aus  Bockshäuten,  eine  dem  Saf- 
fian ähnliche  Lederart,  welcher  letztere,  auch  häuilg  unter  jenem  Nahmen  im  Handel, 
vorzüglich  im  Levantischen  vorkonmu.  Indessen  wird  der  Saffian  und  Corduan  auch 
in  Spanien,  Frankreich,  England j  Deutschlundj  Ungern,  Siebenbürgen  ,  Galizlen, 
der  Bukowina  und  in  Russland  sehr  gut  gemacht.  Gleichv^old  wird  zu  den  ungri- 
hchcn  Zlschmen  (leichten  Stiefehi) ,  bey  dem  Bauer  ausgenommen,  fast  durchgängig  der 


III.   ludustricUc   l'iocluction.  §.   lOg.  LccKrgarbereyen.  2o5 

levantische  Corduan  yebrauclit,  —  Schagrin  j  Chagrin  (cliagraiii) ,  ein  sehr  steifes , 
festes  Leder,  mit  kleinen  Erhelurngen,  wie  Körner,  auf  der  Narhenseile,  wird  am 
besten  in  der  Tiivkcj  und  in  Persien  j  weniger  gut  in  Russland  j  meistens  ans  dem 
Rücken  der  Pferdehäute,  verfertiget.  Es  wird  zu  Scheiden,  Futteralen,  Uhrgehäusen 
u.  s.  w.  gehrauclit.  In  Frankreicli  bereitet  man  Schagrin  axis  Zicgenfellen ,  denen  man 
anit  heissen  KupfcrpJatlen ,  die  überall  kleine  Erhebiuigou  haben,  unler  einer  Presse 
die  körnigle  Oberlläche  gibt;  man  nennet  es  desshalb  das  nnäclite  Scliagrin.  —  Die 
berühmten  russischen  Jujten  fJucJitenJ  werden  meistens  von  Rindviehhäuten  ge- 
tnacht  und  sind  eine  dem  russischen  Reiche  eigenlhiindiche  Lederart  cj\  denn  ausser 
Russland  hat  die  Juftengärberey  beynahe  nirgends  festen  Fuss  gefasst.  Die  schönsten 
Juften  liefern  Jctroslaw  _,  AvsamaSj  Kostruma  _,  TFjiUka  _,  Kasan  ,  Astrachan  ,  Mos- 
kau j  TFologda  j  jSisIiegorod  j  Pskow  mid  IFladhnir.  Das  Iiauptingrcdicnz  dabcy  ist 
das  Biikcntheer  (Doggut),  wodurch  die  Geschmeidigkeit  und  der  eigenthümlichc  Ge- 
ruch des  Juftenlcders  bewirket  wird.  Ausserdem  lieiert  Russland  die  meisten  übrigen 
Ledergattungen  in  grosser  Menge  und  von  vorzüglicher  Güte,  überiiaupt  ist  die  Ge- 
schicklichkeit und  Lust  zu  Ailjciten  dieser  Art  daselbst  so  sehr  ausgebreitet,  dass 
sogar  die  Bauern  in  mehreren  Dörfern  sich  mit  Bereitimg  des  Saflians  und  anderer 
Lederarten  beschäftigen  dj.  —  Das  festeste  und  dauerhafteste  Pfund-  oder  SoJd- 
leder  wird  in  England  gemacht;  nächst  dem  englischen  behauptet  da.^  Lattiche r-  oder 
sogenannte  Lujker  Sohllcdcr  von  Lüttich  ^  Stablo  „  Mastricht  ej  mid  Malinedj  ei- 
nen vorzüglichen  Rang;  dann  folget  das  von  Bautzen  j,  Kaizenellenhogen  „  IVien , 
GrütZj  Brümij  Pressburg^  Fünfkirchen^  UdinCj  Busk  (in  Galizien),  Moskau  u.  s.  w. 
—  Das  geschmeidigste  und  weichste  Kalb le der  j,  als  Oberleder  zu  Schuhen  und  Stie- 
feln, -wird  ebenfalls  in  England  bereitet.  Vorzüglich  berühmt  ist  das  SoutJiwai-ker 
und  Bristoler  Kalbledei-.  ]\Lan  weiss  daselbst  das  Leder  zu  den  Schäften  fshaftsj  der 
Stiefeln  dllrch*^Valken  so  elastisch  zu  machen,  dass  es  sich  wie  ein  Strumpf  nach  dem 
Fussc  zieht.  Doch  ist  diese  Kunst  der  Engländer  jetzt  auch  in  Deutschland,  nahment- 
lich  zu  TFien^  Berlin  und  a.  a.  O.  mit  Glück  nachgemacht  worden.  —  VortrefFiiches 
Gemsenleder  liefert  die  Schweiz  ^  nahmentlich  das  Haslithal  im  Canton  Bern.  —  Das 
geschätzteste  Leder  zu //««i/i-c/iwAe«  wird  in  Schweden  fj  ^  Dänemark  gj  ^  Eng- 
land hj  _,  Spanien,  Frankreich _,  Ltalien  mid  Deutschland _,  nahmentlich  in  Tjrolijj 
zu  TFien  und  Erlangen  verfertiget.  Li  Ltalien ,  Frankreich  und  Spanien  bereitet 
man  auch  parfümirtes  Leder  zu  Handschuhen.  —  Der  Verbrauch  des  Pergaments 
ist  in  Europa  nicht  mehr  sehr  stark,  daher  auch  die  Pergämentniacher  nicht  zahlreich 
zu  seyn  jjflcgen ;  zu  den  vortheilhafieslen  Arbeiten  derselben  gehört  noch  die  Zube- 
reitung der  Trommelfelle  aus  Kalbfellen,  und  der  Paukenfelle  aus  Ziegenfcllcn,  be- 
sonders in  Frankreich ,  England  _,  den  Niederlanden  und  Deutschland. 

Die  besten  und  schönsten  Schuhe  kommen  von  Paj'is  j  London  j  JFieii  und  TFar- 
.3'c/jfl?t;  vorzüglich  gepriesene  Sättel  von  Londonn.  IFien;  schöne  mid  geschmackvolle 
Brieftaschen  von  London,  fFien  und  Constantinopel ;  letztere  Stadt  liefert  auch  sehr 
künstlich  vollendete  Gürtel ,  Gewehrgehänge  und  Schabraken  von  Saflian  mit  den 
gefälligsten  Stickereyen  von  Goldfäden.  Lederne  Dosen  endlich  von  bewunderungs- 
würdiger Festigkeit,  Feinheit  und  Durchsichtigkeit  werden  in  England  veifcrtiget. 


So6  ""      'ITl.  lujustriellc  Produclinn.  §.   iio.   Verschiodone  andere  Fabricale   etc. 

ä)  Dor  Werth  (li;s  im  briltischcn  Reiche  verfertigton  Leders  ward  im  J.  1806  zu  io,5oo,ooO 
Pf.  St.  ,   lind  die  Zahl  der  dadurcli  beschäftigten  Arbeiter  zu  24I181Ö  Personen  berechnet. 

b)  Die  Osmanen  erhalten  von  den  D  Mitsclien  allein  für  Sadian  jährlich  60,000  Piaster. 

c)  Der  Nahms  Jajl ,  oder  in  der  vielfachen  Z.ihl  ,  Jiijli ^  bedeutet  ein  Paar,  weil  bey  (h'r  Zu- 
richtung allemal  zwey  Häute  zusammen  genäht  werden. 

d)  Puixsland  zählte  im  J.  1814  i348  Lederfabriken,  und  erhielt  schon  im  J.  1793  für  Juflen 
und  andere  Lederg*ltung-en  2,249,701  ,  für  Stiefeln,  PantofTeln  und  Pelzschuhe  10,626  Ru- 
bel vom  Auslande. 

e)  Das  niederländische  Lff/cr  behauptet  seine  Ehre  vor  dem  deutschen  hauptsächlich  durch  die 
Vorzüge  der  Borke,  deren  Lieferung  für  die  Gärbereyen  ein  Gegenstand  eines  besondern 
forstmässigen  Betriebes  in  den  Niederlanden  ist.  S.  B.  z.  A.  Z.   1816.  Nr.   n8. 

/)  Nahmentlich  zu  Landskrona ,  Malinö  und  Lund. 

g)  Die  vorzügliche  Weichheit  und  der  angenehme  Geruch,  wodurch  die  dänischen ,  soge- 
nannten Tianders  sehen  Handschuhe  im  In-  und  Auslande  so  sehr  beliebt  sind  ,  erhalfen  die- 
se Handschuhe  von  der  zur  Zurichtung  des  Leders  gebräuchlichen  Lohe,  woz.u  allein  die 
Rinde  der  wilden  Weide  (salix  caprea)  angewendet  wird. 

A)  Besonders  zu  fVorr.htster ,  wo  sich  an  10,000  Personen  mit  Verfertigung  lederner  Hand- 
schuhe beschäftigen. 

i)  Die  Trrolcr  Handschuhe  empfehlen  sich  durch  ihre  vorzügliche  Weichheit  und  schone  Gla- 
sur. Die  Tejeregger  Bauern  kaufen  sie  auf,  und  vertragen  sie  weit  und  breit. 

§.    110. 
Verschiedene  andere  Fabrica  te  aus  Stoffen  des  Thierreichs. 

Das  Gewerbe  der  Seifensieder  wird  am  stärksten  in  Russland  j  vorzüglich  von 
den  Talaren  in  Kasan  und  Astrachan,  getrieben.  Es  wird  jähilich  eine  t^rossc  Menge 
Seife  ans  diesem  Keichu  nach  mehreren  europäischen  Ländern  ausgeflilirt.  Aus  St. 
Petersburg  gingen  \iC)()  Idoss  nach  England  über  25,ooo  Fässer.  Die  feinsten  und 
wohh-iechendsten  Seifenarten  aber  werden  in  Italien^  Spanien ^  Frankreich  ^  Eng- 
land _,  Amsterdam  j,  Triest  und  TVien  verfertiget.  Vorzüghcli  Ijcrühnil  ist  die  P'cne- 
tianische  j  Alicuntische ,  Pariser  imd  Marseiller  Seife.  Sehr  schöne  und  gute  Seife 
wird  auch  zu  Debreczin  in  Ungern,  jährhch  über  7000  Ctr.,  mit  Hülfe  des  minerali^ 
sehen  Laugensalzcs,  bereitet.  —  Das  Gewerbe  der  Talglichterzieherey  wird  im  Gros- 
sen und  für  den  allgemeinen  Handel  besonders  in /?«.s5'Zr;«^/ und  OeA^erretc/ij  vornehm- 
lich  zu  Triest  j  Cattaro  imdPe/Wi-^o  getrielicn.  Russland  führte  imJ.  i8o5für  396,413 
Rubel  Talglichter  aus.  Cattaro  und  Perasto  versenden  jährlicli  52o,ooo  Pf.  Talglich- 
ter, und  die  Priester  Unschlittkerzen  gehen  besonders  nach  Italien  in  grosser  Menge. 
—  Die  TFachshleichen ,  nebst  der  damit  verbimdenen  Verfertigung  der  IVachslicIi- 
tcr  sind  heutiges  Tages  in  Europa  nicht  mehr  von  dem  Umflinge ,  den  sie  vor  der 
Reforniation  hallen.  Diese  liat  den  Verbrauch  der  Wachslichler,  so  wie  die  Bicnen- 
zvicht,  welche  ehemals  die  Klöster  und  Geisllichkeil  Jjetreiben  halfen,  sehr  vermin- 
dert. Der  in  neuern  Zeiten  gestiegene  Luxus  ersetzt  diesen  A])gang  bey  weitem  nicht. 
Indessen  sind  die  Wachsbleichen  in  Russland ^  Gcdizien ^  ungern^  vurnehmlich  aber 
in  Holland,  Fenedig  ,  Triest  ^  Wien  ,  Hamburg,  Celle,  Cassel ,  Fulda,  Offen- 
bncli  luid  andern  deutschen  Gegenden,  so  wie  die  Versendung  an  ^Vachs  luid  Wachs- 
liclilern,  besonders  aus  Deutschland  imd  Holland  ,  nach  Süd-  und  Westeuropa  noch 


ni.  luduslriuUe  Ptoduclioa.  §.   ilü-  Verschieilcne  andere  Fabiicule  etc.  SO7 

immer  sehr  wichtig . —  Die  Bereitung  des  MethSj  aus  Honig  und  Wasser,  ist  besonders  iu 
Polen _,  llusslondj  Littliaueii  j  Preiissen ^  üiigeni  ^  Scftweclen  _,  Norwegen  und  Dä- 
nemai'k  sehr  gebrauchlich.  —  Die  besten  Pfeffer-  oder  Lebkuchen  ^  aus  einem  Tei- 
ge von  Honig,  Mehl  und  Gewürz,  liefern  IViorn  j  Dtinzigj  Ni'wnberg  ,  Erlangen ^ 
Rheims  j  Metz  und  Verdun.  —  Die  hellesten,  reinsten  und  zäheslen  Darmsaiten  j, 
aus  Schaf-,  Ziegen-  und  Katzengedännen ,  zu  Bcziehimg  der  Violinen,  Harfen  und 
anderer  musikalischer  Instrumente,  werden  in  Italien  j  besonders  zu  Rom  j  Florenz 
und  Neapel  verfertigt.  Ljon  tuid  Paris  liefern  sie  gleichfalls  vorzüglich  gut.  In 
Deutschland  werden  die  besten  zu  München,  Nürnberg  _,  Augsburg  und  Neukir- 
chen im  Voigllande  gemacht.  —  Die  Bereilimg  der  GoldschlägerJ'ormen  _,  aus  einem 
Häutchen  des  Mastdarms  der  Ochsen,  war  sonst  ein  Geheimniss  der  Englander;  jetzt 
werden  sie  auch  in  ff^ien j  Nürnberg j  Hamburgs  Breslau  u.  a.  a.  O.  gemacht.  Es 
\\ ird  in  demselben  das  Gold  und  Silber  zu  dünnen  Blättern  geschlagen.  Eine  Form 
besteht  gewöhnlich  aus  600  Blättern.  —  Viele  und  treffliche  Federspulen  werden  in 
Holland  und  Deutschland ^  nahmentlich  zu  Hamburg  j  Düsseldorf  mid  Neuss  ap- 
jirotirt;  letztere  Stadt  bereitet  allein  wöchentlich  180,000,  jährlich  also  g,36o,ooo 
Schreibfedern,  die  roh  aus  Polen  vmd  andern  Gegenden  kommen.  Auch  in  Tillen  ist 
mau  in  der  Zurichtimg  der  Schreibfedern  seit  kurzer  Zeil  weiter  gerückt,  und  man 
kann  sich  allerdings  mit  den  bessern  inländischen  Qualitäten  zufiieden  stellen.  — 
Vorzüglich  gepriesene  Mahlerpinsel  liefern  Münclien  _,  Lyon  imd  Amsterdam.  — 
Sehr  geschätzter  brauner  oder  Sepia-Tusch  _,  aus  dem  Safte  des  Kutlel-  oder  Tinlen- 
iisches  aj  ,  wird  in  Italien,,  FranJa-eich  und  England^  treffliches  Indianischgelb ^ 
aus  dem  Urin  der  Kühe  bj ,  in  Italien  und  England  bereitet.  —  TItran  ^  ein  flüssi- 
ges Fett,  wird  entweder  aus  Walliischen  imd  Robben,  wie  z.  B.  in  Holland \n\d  Eng- 
land ^  oder  aus  Häringcn,  wie  z.  B.  in  Schweden  und  Norwegen  ^  gesotten.  —  Mit 
Verfertigung  des  Korullenschmuckes  bescliäfliget  man  sich  besonders  in  Genua  ,  Li- 
vornoj  Neapel  nnd  Marseiile.  Diese  Städte  versenden  die  meisten  nach  dem  Orient 
zur  Zierde  der  Königskronen  imd  der  Turbane  der  Türken ,  haben  aber  auch  in  Eu- 
ropa einen  beträchtlichen  Absatz.  —  Die  bcriihmtesten  Käse  endlich  sind  der  soge- 
nannte Edamer  und  der  TcxeVsche  aus  HoUand  ,  der  sogenannte  Limbarger  von 
Herve  in  Belgien,  die  englischen  Käse  von  Cfiester  und  Cliedder ^  die  Marschkäse 
aus  Holstein  und  Schleswig,  der  sogenannte  PanneSankäse  von  Lodi  und  der  Stra-^ 
chi/io  hu  Mailand ischen  ;  ferner  die  Schweizerkäse  ^  wovon  die  vornehmsten  Gattim- 
gen  siiid  :  der  Enimenthaler-  imd  Saanenthalerkäse  im  Canton  Bern,  der  Grüjers- 
und  der  Futscherein-  oder  Kaschereinkäse  ini  Freyburgischen ;  der  Urserenkäse  in 
Uli,  und  der  grüjie  Schweizerkäse  oder  Schabzieger  ^  der  vorzüglich  in  den  Canto- 
nen  Glarus  and  Appenzell ^  auch  auf  dem  Juragehirge  gemacht,  und  mit  Salz,  so 
v.ie  mit  pulvcrisirlem  Steinklee  stark  vermischt  wird;  endlich  die  fetten  Gi-ojerkäse „ 
die  auf  den  Alpen  Forarlbergs  erzeugt,  und  nicht  selten  für  Schweizerkäse  aus 
Griijers  gehalten  werden,  nfbst  dem  herrlichen  Kräuterkäse ^  der  im  Riesengebir- 
ge aus  fetter,  unabgerahmter  Kuhmilch  und  verschiedenen  aromatischen  Bergkräu- 
tern bereitet,  und  niclit  nur  in  dem  benachbarten  tiefern  Lande  von  Böhmen  und 
Picussisch-Schlesicn  sehr  gesucht,  sondern  selbst  nach  Polen   und  Russland   ausge- 


2o8  III.  ludusUielle   Productiou.  §.   iii.   Eisen-,   Stahl-  und  andeie  Metaüfnbrikcn. 

führt  wird.  Eine  besonders  ergiebige  Quelle  des  Gewinnstes  aber  ist  die  Kaseaus- 
fulire  fiir  die  Holländer  und  die  Schweizer.  Jene  lösen  für  ausgefubrle  Käse  (i33 
Mdl.  Pfunde)  jährlich  an  2  Mill.  Pf.  St.,  diese  gegen  2  Mill.  Franken.  Bloss  von  dem 
Griijerskäse  gehen  jährlich  einige  3o,ooo  Pfunde  aus,  und  der  Canton  Bern  bedarf 
jährlich  100,000  Ctr.  Salz  zu  der  Bereitmag  der  Käse  in  seinem  Gebiete.  Die  Schwei- 
zerkäsc  sind  nicht  nur  sehr  geschätzt  wegen  ihres  gewürzhaften  Geschmacks,  sondern 
auch  sehr  gesucht  wegen  ihrer  lialtljarkeil  gegen  Fäiüniss.  Man  behauptet,  dass  der 
gut  gemachte  feile  Schweizerkäse  sich  an  die  100  Jahre  lang  aufbewahren  lasse. 

a)  Der  Ruttel-  oder  Tintenfisch  spritzt  bekanntlich,  um  sich  bey  einem  feindlichen  Angriffe 
unsichtbar  zu  machen  ,  einen  Saft  aus,  der  seinen  Umkreis  verdunkelt.  Die  Italiener  wissen 
den  Fisch  zu  fangen,  bevor  er  sich  seines  Saftes  entledigt.  Alsdann  gewinnen  sie  den  Saft, 
dörren  ihn  upd  verhandeln  ihn  als  Kaufmannswaare.  Der  Sepia-Tusch  ist  das  beste  Braun  , 
was  man  kennt,  und  die  Itali.2ner  machen  die  besten  braunen  Handzeiclinungen  damit.  S. 
H.  A.  L.  Z.  1811.  Nr.  3o6.  S.  537. 
i)  Das  Indianisch-Gelb  wird  in  Italien  aus  dem  Urin  der  Rühe  gezogen,  in  der  Jahreszeit, 
wenn  sie  von  einer  gewissen  Pflanze,  Piaiirry  von  den  Eingebornen  genannt,  fressen  kön- 
nen. Man  kocht  nähmlich  den  Urin,  bis  das  Flüssige  verflogen  ist,  und  die  Farbe  sich  in 
einen  Teig  verdickt.  Alsdann  wird  sie  getrocknet,  und  in  runden  Ballen  ausgeführt.  Acker- 
mann ,  ein  Kunsthändler  in  London,  weiss  das  Urinsalz  herauszubringen,  und  producirt 
dann  die  prächtigste  Goldfarbe.  S.  II.  A.  L.  Z.   1811.  Nr.  3o6.  S.  537. 

c)    Fabriken,  welche  Materialien  aus   dem   Mineralreiche  \  c  r  a  r  b  e  i  t  e  n. 

§.    111. 
Eisen-,    Stahl-    und    andere    Me  t  a  1 1  f  ab  r  i  k  e  n. 

Eisen- j  Stalil-  mid  andere  ISIetallfabriken  ^  wie  schon  der  grosse  Reichthum 
an  Bergwerken  und  Äletallen  in  Europa  überhaupt  erwarten  lässt,  machen  gleichfalls 
einen  höchst  wichligen  Zweig  der  europäischen  Kunstgewerbe  aus ,  dessen  jälii  lieber 
Betrag  in  manchem  Lande  nach  Millionen  Gulden  zu  berechnen  ist.  Unter  die  Haupl- 
sitze  dieses  Industriezweiges  gehören  Grosshritannien ,  Deutschland  j  Frankreich 
und  SchwedenmW.  Norwegen ;  im  Range  folgen  Belgien  j  Spanien j  Italien  und  liuss- 
land;  aber  auch  Holland  j  die  Schweiz  und  die  Tärkey  zeichnen  sich  in  einzelnen 
Artikeln  dieses  Industriezweiges  ans. 

Die  stärkste  Eisenfabrication  findet  Statt  iu  Grossbritannien  ;  nächstdcm  in 
Frankreich j  Deutscldand ^  Russlandj  Schweden  und  Norwegen ;  sonst  aber  gibt 
es  auch  in  Ungern  ^  Siebenbürgen  _,  Galizien  mid  der  Bukowina _,  so  wie  in  Spanien j 
Italien  und  Belgien  mehr  oder  weniger  Eisenhammerwerke  (vergl.  §.  71.).  Der  soge- 
nannte Oseiniind  j  d.  h.  ein  durch  besondere  Bearbeitung  zähe  und  stahlartig  gemach- 
tes Eisen ,  ist  eine  Erfindung  der  Schweden.  Jetzt  wird  diese  Eisengattung  auch  in 
Deutschland  j  nahmenllich  in  der  Grafschaft  Mark  j  besonders  zu  Liidenscheid  j  Al- 
tena und  Kirspe  fabricirt. 

Die  grösste  Eisengieserej  in  Europa  kommt  zu  Cnrron  in  Schottland  vor.  Diese 
Fabrik  beschäftigt  an  i5oo  Menschen,  und  verzehrt  im  Durchschnitt  wöcJicntlich  ge- 
gen 800  Tonnen  Slemkohlen  und  400  Tonnen  Eisenstein  und  Erz.  Man  gicsst  daselbs 


lli.    Iiidustrifllc  ProJuclioii     §.    lil.   Eisen- ,  Stahl-   iiiiJ   aütlere   Metallfabrikeu.  Ioq 

Eisenwaaren  von  jeder  Art,  von  den  kleinsten,  Artikeln  bis  auf  Kanonen,  deren  in 
manchem  ncnein  Jahre  an  5ooo  geliefert  wnrden.  Vornehmlich  wird  in  dieser  Werk- 
stätte eine  Art  Kationen  j^Tgosscn,  die  nach  dem  Eisenwerke  den  Nahmen  Cdvronn- 
deit  l'idnen,  mul  jetzt  auf  Kriegsschiffen  allgemein  im  Gehranche  sind.  Schön  geformle 
Eisenwaaren  aber,  und  selbst  bewnndernngswilrdig  zarte  Sachen  von  Eisen  z.  ß.  Bü- 
sten ^  Urnen  _,  Medaillons  j  KreutzcheUj  Ulu'ketten.  n.  s.  w. ,  giesst  man  in  Preus- 
slsch  -Schlesien  (zu  deiwitz  und  Malnpane).  Ausserdem  werden  Eisengusswaaren 
vorzüglich  verfertigt:  in  Brandenburg  (besonders  zu  Br-rlin) ,  in  Böhmen  (l)csonders 
zu  Hnrzowitz)  und  Steyerinark  (zu  MitJ-ia  Zell),  in  Schweden  (zu  Car/idal  und  Co- 
thenburg) ,  in  Hassland ,  Namitr  j  Frankreich  nnA  jEngland  _,  wo  awcli  Dawpfma- 
sc/iinen  für  Mulden,  Pumpen  u.  s.  w.  von  6  ')is  zu  5o  Pferdestärken,  nahmenllich  zu 
Soho  bey  Biruiingbnm,  zum  \^erkauf  gemaclit  werden.    ■ 

Die  besten  J^iscnbleche  werden  in  England  verfertigt.  Sie  sind  ein  Hauptausfuhr- 
artikel, für  ;vhoses  Lan/J,  worin  andere  Staaten ,  wegen  VortreiTliehkeit  der  englischen 
Walzwerke,  nicht,, CQnQ\irriren können..  Doch  liefern  auch  die  Niederländen  (^Lattich), 
Schweden :,, 1* rankreich  und  manche  dentsche  Plätze  ,  besonders  in  Kärnthen ,  Sach^ 
sen  untl  der  Grafschaft  Mark  j,  sehr  geschätztes  Eisenblech. 

Der  feinste /^rrt/if  j  sowohl  aus  Eisen  als  Stahl,  wird  fabricirt  iw  England  j  Erank- 
reich  und  Deutschland  j  nahmenllich  in  der  Provinz  ff^estphalen  (zu  Altena ^  Lii- 
densch.eid  und  Iserlohn) ,  in  Baiern  (zn  J>iirnherg  und.  Schwabach) ,  und  in  Oester- 
reicli  unter  der  Enns  (zu  IVaidhofen  an  der  Ips) ,  wo  aus  demselben  die  bekannten 
Fischangeln  yow  einer  solclien  Feinheit  verfertiget  werdeji,  dass  63l0  Stück  nur  \ 
Loth  wiegen,  das  Loth  alier  fiir  26  'd.  verkauft,  und  so  der  Ctr.  Eisen  bis  zu  83,ooo 
imd  einige  hundert  Gulden  verarbeitet  werden  soll.  —  In  Schweden  erfand  man  die 
Kunst,  das  Eisen  zu  Laiin  zu  ziehen,  imd  in  allerley  Stoffe,  wie  Gold-  und  Silbcrlahn, 
einzuwirken.  —  Auch  werden  aus  Eisen- mid  Stahldraht  JVäh- j  Steck-_,  Spick- ^  Strick- 
und  Netznadeln  in  erstaunücher  Menge  und  ^Vohlfeilheit  gemacht,  so  dass  der  Han- 
del mit  denselben,  und  den  von  Messiugdrathe  gemachten  Nadeln,  in  manchem  Fa- 
brikorte allein  nach  mehreren  hunderttauscriid  GiUden  zu  berechnen  ist.  Am  meisten 
ist  ihr  geringer  Preis  zu  bewundern,  da  doch  eine  jede  Stecknadel  25nial,  eine  jede 
Nälinadel  72mal  durch  die  Hände  verschiedener  Arbeiter  gehen  muss,  ehe  sie  in  jene 
des  Handelsmannes  gelanget.  Am  häufigsten  und  besten  werden  die  Nadeln  in  Eng- 
land _,  FrtmkreicJi  ^  Holland  und  Vcutsc/dand  Q>csondevs  zu.  Aachen  j,  BurtscJieid 
und  Altena  j  Schwabach  und  JMirnbeigj  Carlsbad  und  Ärtt/e/Zi///'^  nächst  ^Viene- 
risch-Neusladi)  geaia^ht.  Die  berühmte  Stecknadelfabrik  des  lim.  Migeon  zu  Aachen 
verfertiget  allein  täglich  3  MlU.  Stecknadeln,  deren  Köpfe  nicht  auf  die  gewöhnliche 
Art  an  den  Schäften  befestiget,  sondern  an  dieselben  angegossen  sind.  Dieses  ge- 
schieht mit  eigenen  Formen,  in  deren  jeder  sechszig  Köpfe  zugleich  verfertiget  wer- 
den. Diese  Operation,  welche  von  acht-  bis  zwöKjährigen  Mädchen  verrichtet  wird, 
geht  so  schiaell,  dass  180  Nadelnin  einer  Minute  mit  Köpfen  versehen  sind  aj. 

L'brigens  hat  die  ^'eiwcndung  des  Eisens  zu  Gegenständen,  wozu  man  sonst  an- 
derere Materialien  l)enntzl,  in  keinem  Lande  eine  solche  Ausdehnung  erreicht,  wie 
in  England.  Alan  verfertiget  nicht  nur  eiserne  Fahrgleise  und  Dächer  und  ganze  Häu- 

27 


210  III.  ludustriulle  PruJuction.  §.   il2.  Eisen-,  Stahl-  u.   andere   lUetallfalir.   Forlsctzimg. 

ser  von  Eisen ,  sondern  ancli  eiserne  Mühlen,  Brücken,  ScliifTe  inid  Masten.  In  Lon- 
don hat  man  auch  \ ersuche  gemacht,  die  Strassen  mit  Gusseisen  zu  pflastern.  Eiserne 
Brücken  gibt  es  jetzt  auch  in  Faris.ln  Deutschland  werden  eiserne  Brücken  in  Preus- 
§isch-Schlesien  (zu  Gleiwitz  und  Malapane)  gegossen  bj. 

a)  Über  die  Fabricalion  der  Stecknadeln   mit   angegossenen   Köpfen    zu    Aachen.  Von   C.  Kar- 
marsch etc.  ;  im  2.  Bde.  der  Jahrbücher  des  k.  k.  pol)t.  Insl.  S.  35i  fl. 

b)  S.  VoigteL  a.  a.  O.  S.  108. 

§.    112. 
Fortsetzung^. 

Neben  dem  gewöhnhchen  Stahle  j  sey  es  Gerbstahl  oder  Brennstahl,  der  nie  in 
allen  seinen  Theilen  vollkommen  gleichartig  ist ,  wird  in  Europa  auch  Gussstahl  be- 
reitet,  d.  h.  Stahl,  welcher  bey  hinreichend  hoher  Temperatur  mit  Ausschluss  der 
Lull  umgeschmolzen,  und  dann  in  eine  Form  ausgegossen  worden  ist,  wodurch  o.v  eine 
viel  leinere  Beschaffenheit  erhält  aj.  Diese  Stahlart,  die  vollkommenste  unter  allen 
Stahlarten,  ist  eine  Erfindung  der  Engländer,  Der  entschiedene  Vorzug,  den  die 
en"iischen  Messe)schmieclarl)eiten  und  alle  Stahlvvaaren  überhaupt,,  bey  welchen  Fein- 
heit und  Politur  erfordert  wird ,  seil  einer  Reihe  von  Jahren  in  und  ausser  Europa  be- 
haitplet  hallen ,  rühit  vorzüglich  von  dem  Materiale ,  dem  englisclien  Gusstahle  her. 
Diese  Ertindung  der  Engländer  reitzte  mehrere  Deutsche  j  Franzosen  ^  JSiederlän- 
c?er  und  6cAH'ei;:e/' zu  Versuchen  über  die  Stahlveretllung,  um  ähnliclien  Gussstahl 
hervorzubringen.  Vorzüglich  bestehen  in  Deutschland ^  nahmentlich  in  Clei'e-ßerg 
(zu  IVald) ,  Baiern  (zu  Schieissheim  bey  München)  und  Kärnthen  (an  der  obern 
Fellach  bey  Villach)  Stahlwerke,  wo  Gussstahl  erzeugt  wird,  der  vom  gewöhnlichen 
Englischen  nicht  zu  miterscheiden  ist.  In  dem  Gusssiaiilvverke  an  der  obern  Fellach 
nächst  Villach  wird  gegeuwäriig  jede  Menge  von  Gusssiahl  und  nach  verschiedenen 
Abstufungen  von  Härte  und  Schweissliarkeit  verfertiget;  und  zu  den  im  Handel  ge- 
bräuchlichen Stangen  ausgereckt,  zu  Stahlblech  ausgewalzt  und  zu  Stahldrahl  ausge- 
zogen. Dieses  Gusssiahlwerk  erzeugt  vier  Sorten;  sehr  harten,  harten,  weichen  und 
sehr  weichen  Stahl.  Diese  gesanunten  Stahlgattungen  sind  von  guter  Qualität,  mid 
geben  dem  englischen  Gussstahle  nichts  nach ,  ja  sie  übertreffen  ihn  in  gewisser  Hin- 
sicht. Die  weicheren  Arten  des  daselbst  verfertigten  Gussstahls  nähmlich,  als  Nr.  HL 
und  Nr.  IV.,  sind  vollkonunen  schweissbnr.  Durch  difse  Schweissbarl)eit  erlangt  der 
-Gussstahl  noch  ein  bedeutend  erweitertes  Feld  seiner  Anwendung.  Der  englische 
■Gusssuihl  lässt  sich  nicht,  ohne  zu  viel  Verlust  inid  Schwierigkeiten,  mit  Eisen  zti- 
sammcnschweissen.  Ausserdem  wird  auch  in  IFien  schweissliarer  und  unschweissba- 
rer  Gusssiahl  verfertigt. 

Diebesten  Feilen  werden  in  England^  besonders  zu  Prescottj  Sheffield  und 
Birmingham  j  gemachl.  Sie  haben  vor  allen  lilirigen  grosse  Vorzüge,  sowohl  iri  An- 
sehung ihres  Hielies,  als  auch  ihrer  sonstigen  Gestalt  und  ihrer  Härte.  Mit  den  eng- 
lischen Feilen  lässl  sich  selbst  federharter  Stahl  gut  feilen,  wie  dicss  bey  \  erfertigung 
und  Schärfung  der  Sägen  erforderlich  ist.  Indessen  werden  auch  in  den  Niederlan- 
den (zu  LütlicJi) ,  mid  in  einigen  i^cü^cnAen  Frankreichs  tmd  Deutsch/auds  (z.  B.  zu 


III.  Inlustrielle  Productiou,  §.   Ii2.  Eisen-,   SUliI-  ii.  andere  Metallfabr.   Foitsctzung.  211 

'Steyer  und  JVdidhofai  an  der  Ips  im  Erzlicrzogiliume  Österreich),  feine  Feilen  von 
sehr  "iiter  QuaUüit  verfertigt.  Um  mehrere  geschickte  Feilen-Fahricanten  zu  erhahcn, 
'  hat  che  österreichische  V>.(i\giQr\\\\'^  im  J.  1817  dem  Fein-Fcilenfahrieanten,  Wilhelm 
Bock  j  zu  Waidliofen  an  der  Tps  eine  Unterstützung  von  5ooo  fl.  WW.  unter  der  Be- 
dingung hewilhgl,  dass  er  seclis  ihm  zuzuweisende  eingeliorne  Lehrlinge  in  der 
Kunst  der  feinen  Feilen-Fahrication  vollständig  und  so  wie  er  sie  hesitzt^  zu  unterrich- 
ten hahe. 

In  Acr  Messer-  imd  .S'c/ier^T/i-Fahricaiion,  so  wie  in  der  Fahriration  anderer  stäh- 
lerner Waaren,  sind  die  Engländer  el)enfälls  sehr  weit  gekommen,  hesonders  zu  Shef- 
Jield  (der  grössten  Messerfahrik  in  Europa),  Soho  und  Birmingham  _,  wo  einzelne  Stü- 
cke, an  ^Vertli  von  2^  Pcnce  bis  8  Guineen,  in  5oo  verschiedenen  Sorten,  geliefert 
werden.  Ein  Messer,  das  in  dem  GriOe  3o  verschiedene  Instrumente  hat,  ist  nichts 
Seltenes.  Auch  weiss  keine  Nation  ihren  Stahl  waaren,  besonders  ihren  Messern  und 
chirurgischen  Instrumenten ,  ihren  Grabsticheln  und  Stämpeln ^  einen  so  vorzi'igli- 
chen  Härtegrad  zu  geben ,  als  die  Engländer.  Indessen  werden  auch  in  andern  Län- 
dern Europa's  sehr  gute  JMesser,  Scheren  und  andere  stählerne  Waaren  verfertiget, 
nahmentlich  in  Spanien  (zu  St.  Ildefonso  j  Barcelona  »ind  Plasencia)  ,  Frankreich 
(zu  Munlins  j  St.  Flour  j  Tiders  j,  Langres,  Nogent  le  Roy  und  St.  Elienne) ,  Italien 
(zu  Brescia)  ,  der  Schweiz  (zu  Jarau) ,  in  Deutschland  (zu  Solingen  _,  nach  Sheffield 
die  grösste  Messerfabrik  in  Europa,  dann  zu  Tuttlingen,  zu  und  um  Stejer ^  zu 
JVien j,  zu  Baden  hey  Wien  und  zu  Carlsbad),  den  Niederlanden  (zu  Nnmur _,  Her- 
zogenbusch und  Zwo II) ,  in  Schweden  (zu  TFelwäg)  und  Russland  (zu  TidoL).  In  An- 
sehung Adv  J einem  Stahlwaaren  mnss  zwar  die  Kunst  der  eben  erwähnten  Länder 
im  Allgemeinen  der  englischen  Nctthcit  noch  meistens  den  Vorzug  lassen;  indessen 
darf  sich  wenigstens  die  Arbeit  aus  einzelnen  Französischen  ,  Narnurer  ,  Liitticher  j 
fViener  j  Böhmischen  fJSixdorJer _,  Prager  luid  Carhbader )  ,  Sächsischen  ,  Bran- 
denhurgischen  imd  andern  deutschen  Werkstätten  mit  jeder  Englischen  messen. 

Die  nKnsten  Sichel  ^  Sensen  imd  Strohmesser  werden  in  England  (besonders  zu 
und  um  Slieffield)  und  Deutschland  (vornehmlich  in  Stejermark  anA  Cleve-Berg) 
fabricirt.  In  und  um  Sheffield  befinden  sich  an  26  Fabricanten  für  Sensen  und  Siroh- 
messer,  nebst  2.5  Fabricanten  für  Sicheln.  Steiermark  hat  3j  Sensenfabriken,  welche 
jährlich  bev  einer  Million  Sensen,  3on,ooo  Sicheln  und  24,000  Strohmesser  erzeugen,  wo- 
von ein  bcträchilicher  Tlicil  in  das  Ausland  geht.  Das  zu  der preussischen  Provinz  Cleve- 
Berg  gehörige  Dorf  oder  Städtchen  Remscheid  verfertigt  jährlich  an  400,000  Sensen, 
und  versendet  davon  jährlich  an  zwanzigerley  Sorten  nach  Frankreich.  Dagegen  liefer- 
te ganz  Russland  im  J.  1804,  Hrn.  k'.  Wich  mann  zu  Folge,  nur  11,820  Sensen. 

Die  Nägel fabrication  wird  unter  andein  vorzüglich  in  Norwegen j  Krain  und 
Lüttich  betrieben.  In  Noi-ivegen  werden  jährlich  l^\  Mill.  Stücke  von  der  grossen  xVrt 
lind  viele  Lasten  kleinere,  in  A'/'rt//i  jährlich  über  12,000  Clr.  geliefert,  und  in  Lüt- 
tich Ijeschälugcl  diese  Fabrication  an  12 — 14,000  Arbeiter,  welche  die  verschieden- 
sten Sorten  (das  Tausend  Nägel  von  |  bis  5o  —  68  Pf.  Gewicht)  verfertigen. 

a)  Über  die  Verfertigung  des  Giissstahls  ;  von  7.  Prechll ;  im  1.  Bde.  der  Jahrbücher  des  k.  k. 
polytechnischen  Institutes.  S.   17g  S. 


tu  !II.  Industrielle  Produclion    f   ii3.  Eisen-,   Slalrl-   u.  andere  M(t«llfaiir.   Fnrtsctznng. 

§.  11.3. 

Fortsetzung. 

Die  \orzügl\chslen  Gewehry^abrikeii  s\nd ,  und  zwar  in  England:  zn  Birmingham, 
Londo?i  j  Sheffield  imd  Bi'idgeiiorth ;  in  Spanien:  zw.  Ejbas ,  Plasencia _,  0\>iedo 
inid  Barcelona;  in  Frankreich:  zu  Versailles  j  Tüll  ^  Maubeuge  ^  Charleville , 
St.  Etienne j  Strassburg  und  Metz ;  in  Italien:  zu  Turin ^  Brescia  und  Gurdone; 
in  der  Schweiz:  zu  Aarau;  in  Deutschland,  luid  zwar  in  den  österreicliisdi-deut- 
^cAe«  Provinzen  :  zu  TV ien  ^  Lilien feld ,  TVilhelmsburg  _,  Stejer  ^  Ferlach  bey  Kla- 
genfnrt  und  Carlsbad;  in  den  preussiscli-deutschen  Provinzen:  zu  Burg,  Suhl j 
Spandau  und  Potsdam;  in  Baiern  :  zu  Amberg  und  Fortschan;  in  Würtemberg :  zu 
OberndorJ ;  in  Sachsen:  zu  Olbernhau;  in  Hanover :  zu  Herzberg ;  in  Chmhessen : 
zu  Sclimalkalden ;  in  Sachsen-Gotha :  zu  Blasien-Zella  u.  s.  w.  j  in  Ungern  :  zu  Hra- 
deck;  in  den  Niederlanden:  zu  Lilttich  und  Utrecht;  in  Dänemark:  zu  Helsing'6r\. 
Hellebeck j  Friedrichswerk  imd  Aalborg;  in  Schweden:  zu  Söderham  j  Stockholm, 
Oerebro  j  Norköping ,  J'önköping ,  Rönneby  und  Helsingborg ;  in  Rus.sland:  zu  Tu^ 
la ,  Sestrabek  hey  St.  Petersburg  und  Twer ;  in  der  Tiirkcy:  zu  Constantinopel , 
Sarajevo ,  Foiniza  u.  s.  w.  Berühmt  sind  besonders  die  Birminghamer  ,  Versailler , 
Lütticher j  Brescianer ,  Carlsbader  und  tiirkischen  Gewehre.  Sehr  kostbare  Ge- 
wehre liefert  Liittich ;  einzelne  Stücke  fiir  3oo — 5oo  Louisd'or.  Durch  eine  treffliche 
Einrichtung  der  Pistolen-  und  Flintenschlösser,  unter  andern  solcher,  deren  Pfanne 
stets  wassersicher  ist,  haben  sich  die  Englander  verdient  gemacht.  Noch  ausgezeich- 
neter sind  indessen  ihre  Sichei'heitsschliJsser ,  die  das  leider  sonst  so  häufige  Uughickj 
welches  durch  die  unwillkiirliche  Sjiannung  des  Hahns  erfolgt,  ganz  und  gar  verhin- 
dern. Im  J.  i8l3  versah  England  den  europäiscjien  Coniineni  mit  6,242,000  Flinten. 

Die  berühmtesten  Degen~  und  Säbelklingen  sind  die  türkischen  von  üamask , 
imd  die  persischen  von  Kasbin  ,  Nischabur  luid  Chorosan.' Sie  sind  sehr  hart  und 
dennoch  nicht  spröde;  denn  man  kann  damit  ohne  Schaden  Eisen  zerhauen.  Sie  sind 
meisten  Tlieils  flammig  gearbeitet  und  mit  goldenen  Figuren  ausgelegt.  Es  werden 
dort  Säbel  gemacht,  welche  mit  ihrer  Montirung  tausend  Thaler  und  dariiber  kosten. 
In  Europa  haben  die  Solinger  Degen-  und  Säbelklingen,  besonders  in  Rücksicht  ihrer 
Dauer  und  Härtung ,  den  Vorzug  vor  allen  andern  Fabricaten  der  Art.  Das  Vergolden 
der  Klingen  ist  dort  ziun  höchsten  Gi-ad  der  Vollkommenheit  gestiegen;  die  Fabrican- 
ten  bedienen  sich  einer  Lackirung,  womit  sich  in  grössler  Geschwindigkeit  alle  nur 
erdenkliche  Figuren  und  Züge  auf  den  Klingen  anbringen  lassen.  Es  werden  dort  Sä- 
bel gemacht,  welche  mit  ihrer  Montirung  100 — i5o  fl.  und  darüber  kosten.  An  cniem 
völlig  montirten  Säbel  arbeiten  durchgehends  g  Personen  von  verschiedenem  Fache. 
Nach  dieser  Fabrik  folgen  die  zu  Suhl,  Namur ,  Klingenthal  (in- Frankreich),  zu  Fo~ 
ledo  ,  Lumazza  und  St,  Bartolomeo  bey  Brescia  und  zu  Tala,  deren  Klingen  den  So- 
lingischen  niclit  viel  nachgeben.  —  Nicht  minder  berühmt  sind  die  Solingischen  Hap- 
piere.  Es  werden,  England  ausgenommen,  nicht  leicht  in  irgend  einem  Theile  Europa's 
ein  Paar  Fechter  gefunden,  auf  deren  Rappieren  nicht  dci' Nähme  Solingen  elw^e- 
graben  stünde. 


Iir.   luduslrielle   Production.   §.   114.   Elsen-,  Stall!-  u.   andere   Metallfabr.   Fortsetz-iing.  jij 

K(inone?igiesserejeii  sind,  und  zwar  in  England;  zu  TVollwich  und  jSew-Willey- 
Furnagehcy  ßrosley;  in  Schottland: -zu  Carroii;  in  Portugal:  zu ;  in  Spa- 
nien: zu.  Se^'iLla  und  Barcelona  ;  in  Frankreich:  zu.  Paris ^  Doudj „  Sedarij  Liege _, 
St.  Dizier  an  der  IMarne,  Toulotij  Perpignan ^  Rochefort ^  Brest  luid  Metz;  in  Ita- 
lien: zu  Turin j  f'enedign.s.  w. ;  in  der  Schweiz:  zu  Aarau;  in  Deutschland:  zu 
JVien j,  Maria  Zell j  Berlin ,  Breslau,  Dresden ,  Frejberg ,  Bamberg ,  LudwigS" 
bürg j  Mannheim ,  Cassel  u.  s.  w. ;  in  den  Niederlanden:  zu  Lattich j  im  Haag j  zu 
Amsterdam  j  ffoorn  und  Enkhuysen;  in  Dänemark:  zu  Friedrichs  werk  ;  in  Schwe- 
den: zu  Stockholm _.  Finspang  vuid  Carlsdal;  in  Norwegen:  zu  Mons ,  nordwestlich 
von  Friedrichsstadt  j  in  Fvussland:  zu  St.  Petersburg  _,  Reval  _,  Petrosawodsk  ,  Lipezk 
und  Cherson;  m  der  Türkey:  in  der  Vorstadt  von  Gonstantinopel,  Fophana  genannt. 
Die  meisten  Kanonen  zur  Ausfuhre  werden  in  Grossbritannien  gegossen.  Es  hat  in 
den  Jahren  1808 — l8i3  für  Russland  j  Preussen _,  Schweden  j  Spanien  j  Portugal 
und  das  nördliche  Deiitsculand  834  Kanonen  geliefert. 

Eine  Harnisch  fabrik ,  vielleicht  die  einzige  in  Eiu-opa ,  besteht  zu  Arboga  in 
Schweden. 

§•   114- 

Fortsetzung. 

Kupferhämmer  hes,ii7.en  England _,  Deutschland ,  Schweden  ,  Russland  und 
Ungern  vorzüglich  viele;  die  vier  ersteren  Länder  haben  auch  sehr  viele  Messingfa- 
briken ;  die  stärkste  Älessingfaljrication  aber  ist  in  England  j  besonders  zu  Birming~ 
A«/«j  wo  inani^her  Fabricant  lebt,  welcher  seinen  Leuten  an  Arbeitslohn  allein  wö- 
chentlich 1000  Pfund  Sterling  bezahlt,  und  zu  Bristol ^  wo  sich  ein  ungemein  gros- 
ses Messingwerk  beiindct ,  dessen  Messingdraht  und  geschlagenes  Messing  allein  einen 
sehr  ausgebreiteten  Handelszweig  ausmacht;  nächstdem  in  Deutschland ,  vornehmlich 
zu  Stolberg  in  der  Gegend  von  Aachen,  zu  ISiirnberg j  zu  Acheiirain  in  Tyrol ,  zu 
Nadelburg  bcy  ^Vieneriscb-Neustadt  imd  zu  Rodewisch  im  voigtläiidischen  Kreise  in 
Sachsen.  Stolberg  allein  zählt  24  Messmgfabriken  mit  800  Arbeitern ,  welche  an 
20,000  Ctr.  Älessingwaaren  aller  Art  erzeugen,  und  darunter  an  40,000  Bund  Mes- 
singdraht, welcher  zu  dem  feinsten  in  Europa  gehört. 

Kupferne  Münzplatten  jhis  auf  das  Gepräge,  werden  unter  andern  in  den  Ku- 
pferhännuern  l)ey  Olpe  in  dem  preussischen  Regierungsbezirke  Arensberg  verfertigt, 
und  sind  schon  in  manchem  Jahre  20  —  3o,ooo  Pfunde  derselben  an  ausländische 
Münzstätten  verkauft  worden.  Auch  in  Österreich  unter  der  Enns  und  Ungern  gibt 
es  einige  Kupferhämmer,  welche  sich  mit  der  Verfertigung  der  Münzschienen  zu  der 
österreichischen  Scheidemünze  beschäftigen,  besonders  in  dem  letzteren  Lande,  wo 
im  J.  1802  zu  Schmölnitz  »nonatlich  4 — 5oo,ooo  fl.  Kupfermünze  geprägt  worden  ist, 
wozu  monatlich  bey  3ooo  Ctr.  Kupfer  verwendet  wurden. 

l^ic  silberplat/irte/i  IFaa/e/i  \\u\i\ei\  iu  England  zuerst  verfertigt  und  in  Eng- 
land auch  zu  dem  höchsten  Grade  d.-r  Vollkommenheit  geljracht.  Noch  immer  ist 
SheJJicld  für  diese  vortreiriiche  Waare  der  Haiiptort  in  ganz  Europa,  wo  sie  m  1000 
verschiedenen  Artikeln  geliefert  wird.  Vom  Jahre  1790 — 1798  ,  also  in  g  Jahren,  wur- 


4l.i  TU.  luJustiieLle   ProJuctioa.   .§.   114.  Eisen-,  Stahl-  u.   andere  Metalffabr.  Fortsetzung.' 

den  iil)cr]ianpi  aus  ^/«g'Zrt/i^/ bloss  an  INIessing  und  plattirtcn  Waaren  1,211,467  Ctr. 
für  mehr  als  6  Mill.  Pf.  St.  ausgeführt.  An  einigen  Orten  Frankreichs  luid  Deutsch- 
lands ,  ])esonders  zu  TVleii ,  hat  man  jedoch  die  Kunst  des  Plattircns  auf  eine  so  aus- 
gezeichnete Weise  sich  zu  eigen  gemacht,  dass  die  deutschen  und /ra?izösis(he/i 
platt  irten  Waaren  dreist  mit  den  besten  englischen  wetteifern  können. 

Eben  so  war  England  das  erste  Land  in  Europa,  wo  die  Verfertigung  der  Zrt- 
cldvten  m\A  jnpanii'ten  Blechwaaren  in  grösster  Vollendung  getrieben  wurde.  Indes- 
sen hat  man  an  einigen  Orten  Deutschlands ,  z.  B.  zu  IVlen  ^  Carlsbad ,  Dresden  j 
BrcLiinschweig j  TJ'olfenbüttel ^  Coblenz  u.  s.  w.  ,  auch  diesen  Industriezweig  mit 
sehr  viel  Glück  nachgeahmt.  Lackirt  werden  diejenigen  Blechwaaren  genannt,  bey 
welchen  bloss  transparente  oder  zuglcicli  gef;irl)te  Firnisse  auf  das  Metall  gelegt  sind, 
um  den  Schein  einer  andern  Farbe  auf  demselben  hervorzubringen,  oder  auch  nur, 
um  es  vor  Rost  zu  bewaliren;  japanirt  aber  heissen  diejenigen,  deren  Matcriale ,  sey 
es  Blech  oder  Pa])ier,  mit  dunklen  Farben  und  Firnissen  gegründet  wird,  und  die 
zuweilen  auch  noch  mit  Mahlereyen  geziert  werden. 

Sehr  geschmackvolle  vuid  trefflich  vergoldete  Bronzewaaren j,  als:  Uhrkästchen, 
Leuchter,  Figuren  u.  s.  w. ,  liefern  JVien  luid  Paris.  Die  Wiener  Bronzewaaren  gehen 
meistens  nach  Polen  und  der  Türkey.  Li  Russlaud  befindet  sich  eine  grosse  Bronze- 
fabrik zu  St.  Petersburg  j  die  ebenfalls  treffliche  Arbeiten  liefert. 

Die  besten  Drahtsaiten  j  zu  Beziehung  der  Claviere  ,  Forte  Piano's  und  anderer 
Instrumente,  werden  in  Deutschlandj  nahmcntlich  zu  Nürnberg _,  verfertigt.  In  Eng- 
land und  Frankreich  \\2iX.  vann  dieses  Fabricat,  ungeachtet  aller  angestellten  Versu- 
che, bis  jetzt  noch  nicht  zur  erforderlichen  Härte  und  Elasticität  ziehen  können. 

Leonische  Draht-  und  Borden fabriketi  j  in  welchen  vergoldete  oder  versilberte 
Kupferstangen  zum  feinsten  Draht  und  Lahn  gezogen,  und  daraus  Tressen j  Frnnzeii, 
Borden  j  Futtern  n.  dgl.  gemacht  werden,  gibt  es  vorzüglich  viele  in  Frankreich ^ 
besonders  zu  Lyon  (woher  das  sogenannte  Leoner  Gold  wahrscheinlich  seinen  Nah- 
men hat),  und  in  Deutschland j  vornehmlich  zu  und  tun  fVien j  zu  Prag ^  Nürn- 
berg,  Sclnvabach  j  Rotli  ^  Leipzig  ^  Frejberg  an  der  Mulde  j,  Berlin  j  Magdeburg , 
Breslau  j  Colin  und  Hamburg j,  welche  ihre  Fabricalc  ihcils  nach  der  Türkey,  theils 
nach  Spanien,  Portugal,  Italien,  Schweden  u.  s.  w.  versenden. 

Die  Verfertigung  mathematischer  j  physikalischer  untl  optischer  Instrumente 
hat  ihren  llauptsilz  in  England,  besonders  zu  London.  Die  dasigen  Instrumenlenma- 
chcr  erzeugen  Waaren  ,  die  in  ganz  Europa  geschätzt  werden.  Indessen  werden  auch 
in  Deutschland  (l)esonders  zu  München  aj  luid  fFien),  in  Frankreich  (besonders  zu 
Paris)  und  in  der  Schweiz  (besonders  zu  Genf  und  Neufchatel)  mathematische  und 
physikalische  Instrumente  verfertiget,  die  den  besten  englischen  an  die  Seite  gesetzt 
zu  werden  verdienen,  und  zu  München  werden  zugleich  (in  dem  Frauenhofer  und 
Utzschneider  sehen  optischen  Institute ,  das  früher  zu  Benedictbeuern  bestand)  so 
vortreffliche  optische  Instrumente  aller  Art  verfertiget,  dass  sie  die  englischen  weit 
hinter  sich  lassen.  Doch  sind  auch  die  zu  Paris  j  Turin  j  TVien  ^  Prag  j  Raitz  (in 
^lählcn)  u.  s.  w. ,  verfertigten  optischen  Instrumente  von  grosser  Vollkommenheit. 

Ziuiiivaaren  werden  vorzüglich  in  England  (zu  Miuichester)  und  in  Böhme/t 


111.   InJustiielle   Productiou.    §.  ii5.   Eisen-,  StaM-   u.  aiiikr«  Metullfabr.    Furlsfl7niig.  2iü 

(zti  Carlsbad  undi  Schlackenwald)  verfertigt.  Sie  sind  scliön,  äusserst  gesclimackvoU 
und  in  ihrer  Neuheit  dem  Silherzeuge  ganz  ähnhch.  Man  erzeugt  hier  alle  Gattungen 
von  Tafci-  und  Kaireh-Seiviccn,  Tassen,  Leuchter,  Waschbecken  u.  s.  w. 

Sehr  schöne  Lettern  für  die  Euchdruckcreyeu  werden  in  Englajidj  Frankreich,, 
Italien j,  Spanien  y  der  Schweiz  und  Deutschland  gegossen.  In  England  ward  tlie 
Form  der  Buchstaben  ungemein  verbessert  durch  John  ßaskerville  ^  in  Frankreich 
■durch  Fr.  Amb.  Didot  und  Charpelet  ^  in  Italien  durch  Bodonij  in  Spanien  durch 
Ibarva  j  in  der  Schweiz  durch  Haase  und  in  Deutschland  durch  Breitkopf ^  Unger ^ 
Barth j  Göschen  j  Degen  und  Strauss.  In  Holland  haben  die  Schrifigicssereyen  seit 
ßo  Jahren  grosse  Ruckschritte  gemacht.  Die  vorziiglichsten  derselben  befinden  sich  zu 
Haarlcm.  Die  Erlindung  der  Stereotjpen  (stehende ,  unbewegliche  Typen)  schreibt 
man  gewöhnlich  dem  lurmin  Didot  zu,  oluic  der  viel  friihcren  Versuche  des  ,/.  van 
der  Mej  in  Holland  bj  zu  erwälinen. 

a)  Wo  das  berühmte  tneckaiiische  JnslitiU  von  Rcichenbach  zur  Vorfertigung  geometrischer  und 
astronomischer  Instrumente  nunmehr  unter  der  Firma:  Reichenbach  und  Eitel  besteht.  Rit- 
ter von  Reichenbach  iiherliess  im  J.  1820  dem  k.  k.  polytechnischen  Institute  in  ff^ien  eine 
für  dasselbe  eigens  ^on  ihm  \  erfertigte  grosse  Thcilscheibe ,  so  wie  alle  seine  zur  Verferti- 
gung geometrischer  und  astronomischer  Instrumente  erforderlichen  Vorbereitungsmascliinen 
und  Phine ,  so,  dass  nunmehr  die  Reichenbucli  scheu  Kreise  in  Wien  in  derselben  Vollkom- 
meidieit  verfertiget  werden ,  als  in  München. 

b)  S.  Gölting.  gel.  Anz.  i8o3.  St.  63.  S.  629.  In  dem  österreichischen  Kaiserstaate,  nahment- 
iich  zu  Qjen  in  Ungern  ,  befindet  sicli  ein  Etablissement  von  Slereoljpen  und  SLcreolyp- 
Ausgahen ,  die  sich  in  Hinsicht  der  Reinheit  und  Schärfe  der  Lettern,  dann  der  Schwärze 
des  Druckes  ungemein  auszeichnen.  Die  Art  zu  Stereotypiren,  die  daselbst  angewendet  wird, 
ist  in  Gussmanier ,  deren  Erfinder  Jo/i/i  Walls  ist,  der  zu  Ende  des  J.  181g  aus  New- York 
in  Nordamerika  nach  Wien  kam,  und  hier  ein  Patent  für  seine  Erfindungen  von  Stereotyp- 
Platten  in  Gussraanier,  der  hierzu  gehörigen  Stereotyp-Plalten-Druckercy  (Cylinder-Prcs- 
scn)  und  zur  Fabricalion  einer  verbesserten  Druckfarbe  nachsuchte,  welches  er  auch  für 
sämmtliche  k.  k.  Staaten  erhielt.  Die  Didot'sche  Art  zu  Stereotypiren,  ist  in  Pressmanier 
und  in  Frakreich  noch  üblich.  S.  Die  Stereotypie  im  österreichischen  Kaiserstaate  etc.  Von 
A.  RiUig  V.  Flainmenslern.  Wien,   1822. 

§.  ii5. 

F   o   r  t  s   (•   t  z   u   n   g. 

Unter  die  Haupisitze  der  Gold- j  Silber-  und  Galanterieai'beiten  gehören  vor- 
nehmlich London j  Paris j  Ljon^  IVien^  ylugshurgj,  Fenedig  und  Antwerpen;  näclist 
diesen  Städten  befinden  sich  die  nioisten  und  geschicktesten  Arbeiter  in  Gold  und  Sil- 
ber zu  Prag j  Dresden j  Berlin j,  Pforzheim ^  Brüssel ^  Amsterdam,,  Madrid ^  F'al- 
ladolid  j  Genfj  St.  Pctersbaig  j  Moskau  und  Constantinopel.  Li  keiner  der  besa^- 
Xen  europäischen  Städte  aber  diirl'te  so  viel  Gold  tuid  Silber  verarbeitet  werden,  als 
zu  jMejcico  j  der  Hauptstadt  von  dem  bisherigen  spanischen  Nordamerika.  Li  5  Jahren 
(1798 — 1802)  wurden  daselbst  1926  Mark  Gold  und  i34,ooo  Mark  Silber  verarbeitet. 
Uljerhaupt  ist  der  Luxus  in  Mexico  so  übertrieben,  dass  das  Silber  selbst  zum  Be- 
schlagen der  Pferde  und  Kiuschenräder  verwendet  wird  aj.  In  i^anz  P'ra/ikreich  wcr- 
<len  jälirlich  für  g  Mül.  £1.  BijoulcricNNaaren  geliefert. 


2l6  lir.   Iiiilustuellc   I'roHuclioD.   §.    ij5.  Eisch- ,   btal.l-   u.   andere  Bi'elallfabi.   Fortstl/uag. 

Die  moislcn  Uhren  zur  Ausfulirc  werden  vei fertigt:  in  England j  ])eson(lcrs  zu 
London  j  Le^ej'/wol  und  Covcntry  ;'\n  Fninkreicli  j,  besonders  zu  Paris_,  Cex  wwd 
Besnngon j  avo  sieh  aucli  eine  Uln-maoheischulc  Air  200  /.öylinge  belindet;  in  der 
^Schweiz  zn  Genf  nnA  im  Neuenhufgisc/ie/i  _,  nahnienlüch  zu  Neitfcliatelj  Locle  j 
Chan  jede  Fonds  und  im  Tliale  P^(d  l'nivers;  in  Denlscldand  ,  besonders  zu  Wien 
und  Berlin.  Aus  England  i.  13.  i,'('lien  j.duJieli  i3 — 14,000,  aus  Cenf3o — 40,000  Uli- 
Yen  in's  Ausland.  Im  Jalirc  1787  wurden  aus  Genf  \[-)o,ooo  Uhren  verschiekl.  Nichts 
gleicht  aber  an  Umfang  der  Uhrmacherkiinst  im  NeiienhurgiscJien.  Es  fuhrt  j  dulich 
an  i3o,ooo  Uhren,  1000  Stocknhrcn  ,  80^000  Kellen  fiir  dasGclrielie  und  fiir  5.öo,ooo 
Livres  Uhrenfournilurcn  vmd  Weikzeuge  aus.  In  Hinsicht  der  äussern  gefalligen  Form^ 
Farben,  Email  u.  dgl.,  haben  die  /rnnzöiisc/ien  und  schweizerischen  Uhren,  in  An- 
sehung der  inneren  Gi'ite  die  englischen  und  deutschen  j  besonders  die  Wieneriih- 
ren  j  den  Vorzug.  Diese  werden  selbst  von  Franzosen  und  Engländern  gesuchl.  In  der 
Verfertigung  künstlicher  Uhren,  Pendeln  u.  s.  w.  mit  nmsikalischem  Spiele,  Bewegung 
der  Figuren  und  äusserst  bewiuiderungswiirdigen  Aufomalen  haben  es  verschiedene 
ungemein  weit,  keiner  aljer  weiter  als  die  grossen  mechanischen  Kiinstler  Jean  und 
Jacques  Droz  (Valerund  Sohn) im  JSenenbnrgisclien  a,c]n'dic\\\,  welche  sich  in  neucin 
Zeilen  durch  ihre  Aulomale  den  grössten  Ruf  erwarben. 

Die  meisten  Miinzstätten  endlich  ])efinden  sich  in  Frankreich  bj  ,  Deutsch- 
land cj  und  Rnssland  dj  ^  die  grösste  und  reichste  Münze  aber  in  der  Welt  besteht 
zu  Mexico j  mit  so  zahlreichen  Maschinen,  dass  man,  ohne  ausserordentliche  An- 
strengung, binnen  Einem  Jahre  3o  Mill.  Piaster  prägen  kann.  Noch  im  J.  1806  wur- 
den daselbst  für  mehr  als  24  IMill.  Piaster  gcmünztj  seit  dem  iß.  Jahrhunderle  aber 
üljcr  65oo  iNIilk  Gulden  an  Gold  und  Silber.  Auf  die  höchste  Stufe  der  Vollkommen- 
heit wurde  jedoch  die  Münzkunst  durch  Boulton  hi  England  gebracht,  in  der  von 
ihm  im  J.  1788  zu  So/10  j  in  der  Nähe  von  Birmingham  _,  errichteten  Miinzmühle  ^ 
die  mittelst  einer  Dampfmaschine  8  Pressen  treibt,  wovon  jede  in  einer  Minute  65 
Pencestücke  oder  97  Farthingsstücke  prägen  kann,  so  dass  alle  8zusanmien  jede  Stun- 
de entweder  3l,200  Pence,  oder  46,560  Farlhings  zu  liefern  im  Stande  sind.  Zur  Auf- 
sicht dabey  sind  niu- Knaben  von  12 — 14  Jahren  nöthig.  Da  die  Boulton  Sehen  Mün- 
zen ,  die  ganz  vollkommen  rund  sind,  inid  allenthalben  einen  gleichen  Durclimesser 
haben,  sich  von  allen  übrigen  gleich  beym  ersten  Anblicke  unterscheiden,  imd  die 
Boulton' sehe  Münzmühle  äusserst  kostbar  ist:  so  sichert  die  Anwendung  derselben 
am  besten  gegen  das  Falschmünzen  ej,  so  bisher  in  England  sehr  üblich  war,  imd  > 
zum  Theil  noch  ist'  fj.  Birmingham  halle  mehrere  Privalmünzstälten ,  wo  Münzen 
fremder  Staaten  mit  geringerem  Gehalte  ausgeprägt  und  iiber  Meer  gesandt  wurden  j 
aber  jetzt  ist  dieser  Erwerbszweig  zum  \  erbrechen  erklärt,  sobald  der  beeinirächligie 
Staat  klagt.  Nach  dem  Gesetze  darf  nur  im  Tower  j  als  der  einzigen  Münzstätte  des 
ganzen  brittischcn  Reiches  ,  gemünzt  werden. 

a)  S.  Polit.  Joiirn.  1811.  May.  S.  418.  Vcrgl.   H.  A.  L.  Z.   i8i2.  Nr.  C2.  S.  491. 

b)  Zu    Baronne ,  Bordeaux,  Lille,    LiihOfies ,   In  Hoc/ielle ,    Ljon ,    Marseille,    Nantes,  Paris, 
l'er/'igiuin  ,   lioueii  ,  Slrrtssbtirg  und   Tauloiise. 

c)  Zu  JVie.n  ,  Prag,  Dresden,  München,  SluUgavl ,  Berlin,  Breslau,  Saaifeld ,  AUona  ,  Neu- 
iladl-ScImerin ,  Rostock  u.  s.  w. 


III.  ludiistrlelJe  Proclticlion.  §.   ii6.   Faibcfabrilcn.  217 

d)  Zu  St.  Petersburg ,  Moskau,  Kalharinenburg ,  Susun  ,  Theodosia ,  am  Flusse  lael  in  der  Nä- 
he von  Ratharincnburg  und  am  Bache  Dabka  an  der  Kama.  In  den  sechs  letzteren  Münz- 
höfen werden  bloss  kupferne  PilLinzen  geprägt.  S.  jMeusel's  Lehrbuch  der  Statistik  a.  a.  O. 
S.  371.  —  Die  übrigen  in  Europa  befindlichen  Münzstätten  sind,  und  z^var  in  Portugal: 
zu  Lissabon;  in  Spanien:  zu  Madrid ,  Secilla  und  Segoi'ia ;  in  Italien:  zu  Turin  ,  Mailand, 
Venedig  u.  s.  w.  :  in  Ungern:  zu  Kreinnitz ,  Nagybanya  und  Scliniölnitz ,  in  welcher  letz- 
teren die  kupfernen  Münzen  geprägt  werden  ;  in  Siebenbürgen  :  zu  Carlsburg  :  in  der  Schweiz  : 
zu  Genf  \i.  s.  w.  ;  in  den  Niederlanden:  zu  Brüssel,  Dortrecht  und  Hardertij-k;  in  Däne- 
mark: zu  Kopenhagen ;  in  Schweden:  zu  Stockholm ;  in  Norwegen:  zu  Kongsbcrg ;  im  os- 
manischen  Reiche:   zu  Conslantinnpel ,  Adrianopel  und  Kahira. 

e)  S.  Poppe's  Geist  der  cnglisclien  Manufacturen.   S.    i3 — 14. 

/)   S.  Archiv  für  Geographie  u.  s.   w.   von  PVeyh.  f.  Hormayr.   1811.   76 — 77.  S.  332. 

§•    116. 
Farbefabriken. 

Der  beste  Grünspan  wird  in  Frankreich j,  besonders  zu  Montpellier  j  vorfeiiigi, 
wegen  der  vorzüglich  guten  Eigenschaften  der  französischen  TraiJjentrestern ;  sonst 
wird  aber  auch  zu  Fenedig j  Wien  j  Triest  u.  s.  w.  guter  Griinspan  erzeugt;  beson- 
ders wird  der  krvstaihsirle  Grünspan  von  Fenedig  sehr  geschützt.  —  Schmälte  oder 
Blaufarbe  wird  am  meisten  in  Deutschland  bereitet,  nahmentlich  in  Sachsen j  Böh- 
men _,  Oesterreich  unter  der  Enns _,  Chiirhessen  _,  Baden  ^  im  Halberstädtischeii  und 
einigen  andern  deutschen  Liindern.  Für  die  beste  luid  feinste  wird  die  sächsische  ge- 
halten; nach  dieser  wird  vorzüglich  gepriesen  die  höhmische ,  die  von  Schlögelmiihl 
im  Lande  unter  der  Einis,  und  die  von  Fossiim  im  südlichen  Norwegen,  wo  das  ein- 
zige Blavi^flirbenwerk  in  ganz  Skandinavien  ist.  Die  Holländer  j  welche  dieses  Blau  in 
grosser  Menge  aus  Deutschland  beziehen ,  verfeinern  es  tmd  vervielfältigen  die  Sor- 
ten, verbrauchen  selbst  sehr  viel  davon  aitf  ihren  Leinwandbleichen,  führen  aber  auch 
noch  viel  wieder  aus,  besonders  nach  China  luad  Japan.  —  So  wie  die  Schmalleraf- 
finericn  der  Hollander  den  ersten  Rang  in  Europa  haben,  eben  so  sind  ihre  Zinnober- 
fabriken die  vorzüglichsten  in  unscrm  Erdlheile.  Auch  in  Idria  wird  guter  Zinnol^er 
verfertigt.  —  Schöne  und  dauerhafte  grüne  Emailjarbe  aus  Eisenchromerz  wird  in 
Frankreich  und  Oesterreich  j  weit  mehr  als  der  inländische  Bedarf  erfordert,  berei- 
tet; sie  ist  für  diese  beyden  Staaten  ein  nicht  unbeträchtlicher  Handelsartikel.  —  Das 
ho.'AlQ  Bley weiss  YxQ^Qxxi.  Fenedig  va\(\.  Klagenfurt ,  Aunn  Nottingham  (ui  England), 
Dortrecht  und  Jmsterdam,  In  den  englischen  Blcyweissfabriken  sind  Bleyweissinüh- 
len  eingefühi't,  welche  du''chaus  das  so  gefäliilirhc  Verstäuben  dos  Bleywcisscs  ver- 
hindern. —  Mennig  verfertigt  man  im  Grossen  in  England j,  Holland  und  Deutsch- 
land _,  nahmentlich  zu  Klagenfurt  in  Kärnthcn,  zu  Topschau  in  Sachsen  und  zu 
Piollhofen  in  der  Pfalz.  —  Endlich  mit  der  Bereitung  des  künstlichen  Berggrüns 
beschäftigen  sich  mehrere  Fabriken  in  luid  tun  TFien.  Auch  liefern  sie  eine  vorzügli- 
che Waare,  welche  in  ganz  Europa,  besonders  im  Norden,  in  der  Schweiz  imd  in 
Italien  starken  Absatz  findet.  Inglcichen  hat  das  in  den  chemischen  Fabriken  von  Wien 
imd  dessen  Uingebiuig  verferligic  Berlinerülau  j  Mineralgelb  u.  s.  w.  viele  Vorzüge. 

28 


2i3  111.   luJustrielle  Productiou.   §.   117.   Glas-   und  SpiegelfabricatioD. 

§.    117. 
Glas-  und  Spiegel  fabrication. 

Glas j  einst  in  Europa  so  selten,  dass  noch  iim's  Jaln-  1458  Aeneas  Sylvias  es 
zvir  grössten  Pracht  rechnete ,  die  er  in  TVien  fand ,  dass  die  meisten  Häuser  Glas- 
fenster hatten  aj ,  wird  jetzt  in  unsenn  Erdtheile  in  solcher  Menge  verfertigt,  dass  es 
zu  den  gemeinsten  Waaren  gehört,  ohgleich  die  Fenster  der  Iliittcn  der  Walachen 
und  anderer  uncultivirten  Nationen  noch  heutiges  Tages  anstatt  des  Glases ,  meistens 
nur  mit  Blasenhäuten  oder  mit  in  0hl  getränktem  Papier  üherzogcn  sind.  Das  meiste 
Glas  zur  Ausführe  wird  in  England^  Scliweden_,  Novwei^en  und  im  f^enetianiscIieHj 
vornehmlich  aher  in  Deutschland  fabricirt,  dessen  Glas,  insonderheit  das  böhmi- 
sche _,  zugleich  an  Güte,  Weisse  und  Reinheit  alles  Glas  in  der  Welt  ühertrilTl,  und 
desshalb  in  und  ausser  Europa  vorzi'iglich  geschätzt  wird.  In  den  Jahren  i8o3  und 
1804,  wo  der  böhmische  Glashandel  in  seinem  höchsten  Flor,  und  weder  durch 
Kriege  noch  Verhoihe  gehennnt  war,  gewann  Böhmen  durch  diesen  Industriezweig 
eine  Summe  von  11,880,000  H. ,  nähmlich  i,g8o,ooo  fl.  durch  Fabrication  des  rohen 
Glases,  und  g,noo,ooo  durch  Raflinirung,  Handels-  und  Frachtgewinn  bj.  Bey  den 
widrigen  Einflüssen  unserer  Zeiten  hat  dieser  Verkehr  zwar  sehr  gelitten,  aber  die 
höhmischen  Glasfal)riken  (jetzt  66  an  der  Zahl  mit  3540  Arbeitern)  werden  bestehen 
und  sich  immerfort  erhalten,  theils  durch  eine  eigene  Art  besonders  dazu  passenden 
Kiessleines,  theils  durch  den  Rufeines  besondern  Gebeiumisses  und  der  Geschick- 
lichkeit der  Arbeiter  ,  theils  durch  die  mächtigen  Sleiiikohh-nniedcrlagen  und  die  im- 
mer allgemeiner  werdende  Benutzung  dieses  Brennmaterials ,  seitdem  auch  in  Böli- 
men  der  Ilolzmangel  zum  Theil  eingerissen  ist  cj.  In  den  neuesten  Zeiten  machte 
Hr.  Fv.  V.  Baader  in  der  österreichischen  Monarchie,  als  dem  vorzüglichsten,  Glas 
producirenden  Slaale ,  nahmentlich  zu  JSeuhaus  im  Lande-unlcr  dei' Enns,  Versu- 
che, Glas  mit  Glauljersalz,  statt  der  immer  theurer  werdenden  Poltasche  zu  erzeugen, 
und  es  gelang  ihm  durch  ein  chemisches  Verfiihren,  in  welchem  zwey  Dritllheile  der 
Pottasche  durch  Glaubersalz  ersetzt  sind,  mit  Abkürzung  der  Schmelzzeit,  also  mit 
Ersparung  an  Brennmaterial,  ein  schönes j  dauerhaftes j,  leiclitjlussiges j  sehr  har- 
tes j  besonders  glänzendes _,  aber  leicht  aquamaringefdrbtes  Glas  zu  erzeugen,  für 
welche  Erlindung  Se.  Majestät  der  Kaiser  demselben,  nach  Überreichmig  einer  eige- 
nen, seine  Verfahrungsmethode  beschreibenden  Abhandhmg  eine  Belohnung  von  12,000 
Gulden  WW.  bewilligte  dj.  —  Das  Flintglas  j  eine  durch  vorzügliche  Reinheil  und 
Helligkeit  vor  allen  üljrigen  sich  auszeichnende  Glasarl,  wescnllich  nothwendig  zu 
den  achromatischen  Fernröhren ,  ward  sonst  am  besten  in  jEV/^/(^/«^  gemacht;  jetzt 
•w'ivdi  es 'n\  Deutschland  j  nä\\n\cn\\\c\i  zw  München  (vergl.  §.  ii5-)>  ^'^^^  ^'^  grossen 
Dimensionen  und  so  vortrefllich  verferligt ,  als  es  in  England  und  Frankreich  noch 
nicht  hervorgebracht  worden.  Indessen  liefert  auch  Frankreich  Objective  von  gros- 
sen Durchmessern  und  von  vorzüglicher  BesclialTenheit. 

Hieher  gehören  auch  die  Spiegel fahriken.  Die  vorzüglichsien  in  Europa  sind; 
bey  St.  Ildefonso  in  Spanien,  zu  Paris  und  St.  Gobin  in  Frankreich,  zu  Leverpool j 
Bristol  luid  London  in  England;  zu  Osei'ki  bey  Sl.  Pelersbiug   in  Russland,  zu  ISeu- 


III.   lacJustrielle   Production    §.    118.    TlionwsarenfaI)ricati  m.  2in 

/«««i- im  Lande  unter  der  Eiins,  zu  Burgstein  in  Böhmen  und  zu  ISeustadt  an  dci- 
Dossc  in  Brandenburg.  Man  kann  an  diesen  Orten  Spiegelgläser  giessen ,  die  -o ,  loo 
und  noch  mehrere  Zolle  hoch  sind.  Der  grösstc  in  der  Spiegclfabrik  hey  St,  Ilde- 
fonso  gegossene  Spiegel  mass  162  '  Höhe,  g3'  Breite  und  1"  Dicke  ej.  Die  Pariser 
Spiegelfahrik  rühmt  sich  zwar  17'  oder  204"  lange  Spiegel  liefern  zu  können;  sie  hat  aber 
bisher  nur  Spiegel  von  108"  Höhe,  60"  Breite  und  i"  Dicke  geliefert  y^h  Die  Kronglas- 
fabrik und  Spicgclhütie  zu  Oserki  bey  St.  Petersburg  hat  Spiegel  von  i58 — 168"  Län- 
ge und  87 — 8g"  Breite  gegossen.  In  der  k.  k.  Spiegelfabrik  zu  JXeuluius  werden  in 
einem  Vierteljahre  ])cy  45o,ooo  Qiiadratzolle  verfertiget,  und  darunter  Spiegel  von 
120"  Höhe  und  60'  Breite.  Eben  so  liefert  die  Spiegelfabrik  zu  Neustadt  an  derDosse 
Spiegel  von  10 — 120"  Höhe  und  von  8 — 60"  Breite.  In  der  Spiegclfabrik  zu  Bürgs teilt 
■werden  alle  Gattungen  Spiegel  vom  feiasten  Glase  von  18,*  bis  70, "'  Länge  verfer- 
tiget. Die  Spiegelfabrik  zu  Murano  bey  Venedig  liefert  sein-  reine  Spiegelgläser,  aber 
grosse  Spiegel  macht  man  daselbst  nicht  mehr. 

o)  S.  Berkmanns  Anleitung  zur  Technologie.  3.  Ausgabe.  S.  324. 

b)  Der  Glashandel  in  und  um  Hejde  ;  im  Hesperus.  i8i5.  5i.  64.  Die  böhmischen  Glashänd- 
ler  errichteten  in  den  vornehmslen  Städten  und  Häfen  Spaniens,  Portugals,  Frankreichs, 
Italiens,  Russlands  und  der  Türkcy  Depots,  von  denen  die  Glas\  crsendungen  weiter  nach 
Amerika,   Ost-  und  fVestindien  und  der  /^.ei.'rt/ife .betrieben  wurden. 

c)  S.  Verbrauch  der  Steinkohlen  in  Bölimen  ;  im  2.  Bde.  der  Jahrb.  des  k.  k.  polytechnischen 
Institutes.  S.  49  ff- 

li)  Über  das  Glasuesen  und    seine   Vervollkommnung  in  den   neuesten   Zeiten,  vorzüglich  in 

der  österreichisclien  Monarchie.  Von  Benjamin  Scholz  etc.  ;  im  2.  Bde.    der  Jahrb.    des  k.  k. 

polytechnischen  Institutes.  S.  i3o. 
e)   S.  Funke's  Naturgeschichte  und  Technologie.   Bd.  3.  Aufl.  4.   S.  548. 
/)  Sarlori's  Länder-  und  VölkernierkwUrdigkeiten  des   österreichischen  Kaiserthumes.    Thi.   1. 

6.    jo2.    Vergl.    Vaterländische  Blätter  für   den   österreichischen  Kaiserstaat.   1810.  Nr.  02, 

und  Funlie  a.   a.   O. 

§.    118. 
T  h  o  II  w  a  a  r  c  n  f  a  b  r  i  c  a  t  i  o  n. 

Porcellan  j,  das  grösste  Meisterstück  der  Töpferkunst,  erfunden  in  Deutschland, 
nahmenllich  in  Sachsen  j  von  Freyherrn  v.  Bottger^  zu  Anfange  des  achtzehnten  Jahr- 
hunderts, da  noch  keine  europäische  Nation  anderes,  als  cAmei'/.ycÄe.y Porcellan  kann- 
te ,  wird  jetzt  nicht  nur  in  Sachsen  tmd  andern  deutschen  Ländern,  sondern  auch 
in  Italien  j  Frankreich  ,  Spanien  ,  England j,  Dänemark  ^  Schweden  und  Russland 
fiibricirt,  so  geheim  man  auch  in  Sachsen  diese  Kunst  hielt  (ein  Oflicicr  war  Böttgers 
beständiger  Gesellschafter,  der  nie  von  seiner  Seile  gehen  durfte)  aj.  Die  meisten 
Industrieanstalten  der  Art  befinden  sich.  \n  Frankreich  j  wo  es  deren  nach  Chaptal 
60,  und  davon  21,  nach  andern  gar  27  in  Paris  geben  soll;  nächsldem  in  Deutsch- 
land ^  wo  in  etlichen  zwanzig  Fabriken  Porcellan  verfertiget  wird.  Durch  die  Schön- 
heit der  Masse  imd  die  Feinheit  der  Bearbeitung  zeichnet  sicli  noch  immer  vor  allem 
europäischen  das  chinesisclie  Porcellan  aus.  Die  Formen  der  Gefässc  und  die  Mahle- 
rey  können  aber  unmöglich  dem  europäischen  Gesclimacke  entsprechen.  In  Europa 
hat  die  älteste,  im  J.  1710  errichtete  Fabrik,  die  Meissner  j  in  Hinsicht  der  >  ullkom- 

28* 


T,,,  III.  Induätrielle  Production.  §■   118.   Thonwaarenfabricatiou. 

menlicit  der  Masse  vor  allen  übrigen  noch  immer  den  Vorzug.  Das  Prodiict  der  TVie- 
nerPorcellanfabrik,  der  zwcylcn  in  Europa  nach  dem  Jahre  ihrer  Errichiung  (i  718)  ^J, 
zeichnet  sich,  so  wie  das  Berliner  Porccllan,  durch  seine  Dauerhaftigkeit  imd  durch 
die  Fähigkeil,  Temperalurahwechsehmgcn  zu  ertragen,  vor  allem  übrigen  aus;  daher 
sieht  man  auch  von  keinem  andern  so  viel  Tafelgeschirr  als  von  dem  fFiener  und  Ber- 
liner Porcellan.  Das  JranzösiscJie  Porcellan  empfiehlt  sich  dem  Auge  durch  eine  be- 
sonders weisse  Farbe  und  durch  eine  angenehme  Durchscheiiibarkcil;  allein  es  ist 
dem  Springen  durch  Temperaturwechsel  sehr  ausgesetzt,  und  daher  mehr  zu  Vasen, 
Prunkgefässen  und  andern  Verzierungen,  als  zu  Gefässen,  die  für  den  täglichen  Ge- 
brauch bestimmt  sind,  geeignet.  Auch  kann  das  französische  Porcellan,  nach  Herrn 
Beckniium  j  in  einer  Berliner  Kciffehlasse  zu  grünem  Glase  geschmolzen  werden.  In 
Hinsicht  der  geschmackvollen  Form,  so  wie  in  Rücksicht  der  schönen  Mahlerey,  wird 
die  Porcellanfabrik  in  il/m.ye«  von  den,  in  der  Hinsicht  mit  einander  welleifernden 
Fa]»riken  in  TVien  j,  Berlin.,  Severs  mid  Paris  weit  üb  er  troffen;  in  Ansehung  der  Ver- 
goldung aber  hat  die  TViener  vor  allen  übrigen  deii  Vorzug.  In  England ^  wo  das 
schönste  Steingut  gemacht  wird,  verfertiget  man  nur  sehr  mittelmässiges  Porccllan. 
Eben  so  liefern  Italien,,  Spanien  j,  Dänemark j  Schweden  und  Russland  keine  dem 
deutschen  nnd französischen  Porcellan  gleichkommende  Waarc. 

Noch  grösser  ist  die  IMengc  der  Majolica-  oder  Fayence-  und  Steingutfabriken 
in  Europa.  Diecrsteren,  besonders  zahlreich  in  Italien  _,  Frankreichj  Spanien^  En.g- 
land  j,  in  den  JSiederlanden  j  in  Deutschland  j,  Ungern  und  Russlaiid _,  liefern  aus 
weisser  feiner  Erde  verfertigte,  und  auf  der  Glasur  kmistmässig  bemahlte  Gefdsse. 
"S^orzüglich  gute  Töpferwaare  dieser  Art  wird  erzeugt  zu  Faenza  und  Mailand  in  Ita- 
lien, obgleich  jetzt  weniger,  als  in  der  ersten  Hälfte  des  sechszehnten  Jahrhunderts; 
ferner  zu  Delft  und  Lüttich  in  den  Niederlanden,  zu  Etrurien  in  England,  zu  Alco- 
ra  in  Spanien,  zu  P^al  sur  Meudon  unweit  Paris,  zu  Hotitsch  in  Ungern,  zu  Prag ^ 
TeinitZj,  Proskau^  Offenbach  und  an  andern  deutschen  Orten.  —  Das  Steingut 
wird  aus  kleingeslossenen  und  mit  Pfeifcnthon  vermischten  Feuersteinen  vcrferli- 
"Ct.  Das  beste  in  der  YV^eli  ist  das  englischej  bekannt  unter  dem  Nahmen  TFedgwoodj 
der  es  erfunden,  und  durch  Studium  seines  Handwerks  (er  war  ein  armer  Töpfer  aus 
der  CiTnhc\\:ih  Sta ff ord) ,  der  Chemie  und  antiker  Modelle,  hauptsächlich  etruski- 
scher  Vasen  luid  anderer  etruskischcr  Gefässe  cj ,  es  in  seiner  Fabricalion  zu  einem 
bewtniderungswiirdigen  Grade  der  Vollkommenheit  gebracht  hatte.  Es  zeichnet  sich 
vor  allen  nachgemachten  durch  eine  ausserordentliche  Härte  luid  Festigkeit,  durch 
Feinheit,  durch  eine  gescbmackvolle  Form  und  durch  Schönheit  überhaupt  aus.  Die 
ganze  Gegend  von  den  südöstlichen  Glänzen  der  Pfalzgrafschaft  Chester  bis  Lands- 
End  nennet  man  wegen  ihrer  vielen  Steingulfabrikcn  die  Potlerie.  Ihr  Hauptsitz  ist 
zu  Newcastlcj  Etruria  ^  Burslem  ^  Derbj  und  Wörchester.  Indessen  hat  man  an 
einigen  Orten  des  Coniinents  das  englische  Steingut  mit  sehr  viel  Glück  nachgeahmt, 
liesonders  zu  Severs  in  'Frankreich,  zu  Delft  in  den  Niederlanden,  zu  Ilolitsch  in  Un- 
gern und  zu  TVien  j  Prag  j  Teinitz  _,  Frain  ^  Colin  j  Berlin  ^  PJieinsberg  _,  Bi'eslait 
und  an  einigen  andern  Orten  Deutschlands j  wo  auch  nächst  England  die  meisten 
Steineutfahriken  vorkojnmen. 


III.   Industrielle  Producliou.  §.    Ii8.   Tliouwaarcnfabrication.  '        221 

InAjiseliung  der  \  eifertigung  feinex-  Töpferwaare_,  nahm  entlich  yeme/'  brauner 
Gefässe  _,  zeichnet  sich  besonders  die  erhebhchc  Töpferey  zu  Bunzlau  in  Preus- 
sisch-Sclilesien  aus,  deren  Arbeiten  von  Reisenden,  die  deutsche  und  ausscrdeutsche 
Länder  besucht  Laben,  als  die  ersten  ihrer  Art  gepriesen  werden.  In  Dänemark  wer- 
den zu  Ripe  sehr  viele  schwarze  Gelasse  verfertiget,  die  unter  dem  Nahmen  Jiiter- 
töpfe  bekannt  sind  und  ausgeführt  werden.  —  Die  Fabrication  des  steinernen  Ge- 
schirrs ist  unter  andern  ein  beträchtlicher  Zweig  der  deutschen  Töpferey,  besonders 
zu  Bilin  in  Böhmen ,  in  dem  preussischen  Regierungsbezirke  von  Coblenz  imd  im  Her- 
zogthume  JSnssau  in  dem  Disiricte,  welcher  das  Kannenbäckerland  heisst.  Auch  in 
Ungern,  nahmentlich  zu  Tiir  im  Hevescher  Comitat  werden  sehr  viele  und  dauerhafte 
^Vasscrkrüge  (Korsok)  verfertiget,  womit  die  ganze  Gegend  lun  Debreczin,  auf  17 
Meilen  im  Umfange,  verschen  wird.  —  In  Spanien  und  Frankreicli  wird  eine  beson- 
dere Art  von  irdenen  Gefässen  gemacht,  welche,  die  Eigenschaft  haben,  dass  sie  das 
Wasser  erfrischen  mid  kühl  erhalten,  wenn  man  sie  in  den  heissen  Sominerlagen  in 
den  Schatten  oder  in  die  Zugluft  stellt  oder  hängt.  In  Spanien  nennet  man  diese  Ge- 
fässe Bucaros  j  in  Frankreich  Hydroce'rames  dj. 

Schinehtiegel _,  die  zu  den  feuerfesten  Töpferwaaren  gehören,  für  Scheidekünst- 
1er  und  Apotheker,  werden  in  keinem  europäischen  Lande  von  so  haltbarem  AV'erthe 
verfertiget,  als  in  Deutschland j  nahznentlich  zu  Hajnerzeli  bey  Passau,  bisweilen 
von  der  Grösse,  dass  sie  2000  Mark  Silber  fassen.  Sie  werden  in  grossen  Ladmigen 
nicht  nur  durch  ^anz  Europa  ej  ,  sondern  auch  nach  Chinaj  MejcicOj  Peru  und  Chili 
versendet.  Ausserdem  wird  diese  Töpfcrwaare  auch  zu  Grossalmerode  in  Churhcs- 
sen  luid  zu  Ratuia  mid  Schönbiihel  im  Erzherzoglhume  Österreich,  jedoch  nicht  von 
der  Grösse,  wie  zu  Hafnerzeil  bey  Passau,  geliefert. 

Irdene  Tabakspfeifen  von  vorzüglicher  Güte  werden  zu  Gouda  in  Holland  ge- 
macJit  aus  einem  Tliüne,,den  man  aus  Colin  und  aus  dem  Lattich' sehen j,  nachdem 
ci  vorher  abgetrocknet  ist,  in  Tonnen  von  460  P-  kommen  lässt ;  doch  ist  diese  Fa- 
biicalion  gegenwärtig  nicht  mehr  so  beträchtlich,  wie  vor  5o — 60  Jahren,  wo  sie  täg- 
lich an  10,000,  nach  andern  gar  16,000  Menschen,  beschäftiget  hatte.  Die  hiesigen 
Pfeifen  empfehlen  sich  besonders  durch  Stäike  und  Glätte.  Ausserdeju  werden  auch 
zu  Zboroivskj  in  Preussisch-Schlesien ,  z\x  Dresden  _,  Grimma  und  Leissnig  in  Sach- 
sen, zu  Grossalme/'ode  in  Churhessen ,  zu  Hanover  ^  Hameln  und  in  andern  deut- 
schen Gegenden  ungemein  viele  und  zum  Theil  sehr  gute  irdene  Tabakspfeifen  fabri- 
cirt.  Die  Grimmaer  und  Leissniger  Pfeifenfaljriken  lieferten  allein  im  Jahre  1708 
20^328,000  Stück ;  zu  Grossalmerode  werden  jährlich  1  Million  Pfeifen  verfertiget. 
JNicht  nünder  verdient  hier  genannt  zu  w^erden  die  grosse  Pfeifenbäckerey  zu  Debre- 
czin in  Ungern,  wo  aus  einem  rothen  Tlione  jährlich  an  11  Millionen Pfeil'cnköpfe  oder 
Debrecziner  Pipak  gebrannt  werden. 

Zu  den  gemeinsten,  aber  keineswegs  unwichtigsten  Thonfabriken  gehören  end- 
lich noch  die  Ziegelbrennerejen  _,  wo  der  Thon  in  die  zum  Bauen  gebräuchliche 
Form,  unter  dem  Nahmen  Ziegel,,  Backstein  oder  Brandstein ^  gebacken  wird.  Die 
besten  sind  die  holländischen ,  die  ausserhalb  Europa  bis  nach  Amerika  verführt  wer- 
den. Besonders  zeichnen  sich  die  unter  dem  Nahmen  Klinker  bekannten,  zum  AVas- 


„21  III.  ludustrielle   Production.   §.   iig.   Fabricatiou  der  Salze. 

seibau  so  vortrefflichen  Backsteine  aus,  die  zu  HaarUngen  in  Friesland  gemacht  wer- 
den. ^Icrk-wiirdig  ist  auch  die  ausserordenthche  Geschwindigkeit,  mit  der  man  iu 
Holland  den  zuvor  in  Haufen  geschlagenen  imd  getrocknelcn  Schlamm  in  hölzerne  For- 
men formt.  Man  schlägt  das  tägliche  Quantum  eines  in  dem,  wegen  seiner  Zicgelcyen 
Lerühmlen  Dorfe  Gouwvackhcy  Gouda  arbeitenden  Menschen  auf  io,000  mid  meh- 
rere Stinke  an. 

a)  S.  Historische  Nachrichten  iiher  die  königliche  Porcellan-Manufactur  zu  Meissen  ,  Tind  de- 
ren Stifter  J.  Fr.  Freyherrn  o.  Böttger.  Gesammelt  von  M.  C.  B.  Kenzehnann  etc.  Meissen  , 
1810.  8.  Vergl.  H.  A.  L.  Z.  1810.  Nr.  270.  S.  254  ff-  Vergl.  Geschichte  der  ersten  Einfüh- 
rung und  Nachahmung  des  chinesischen  Porcellans  in  Europa;  im  i.  Bde.  der  Jahrbücher 
des  k.  k.  polytechnischen  Institutes.  S.  2 18  ff. 

b)  Zur  Säcularfeyer  der  k.  k.  Porcellan-Manufactur  in  Wien.  Wien,  1818.  Vergl.  Geschichte 
der  Wiener  Porcellan-Manufactur;  im  1.  Bde.  der   Jahrb.  des  k.  k.  polyt.    Instit.  S.  232  ff. 

c)  Dessvvegen  nannte  er  seine  Fabrik  in  der  Grafschaft  Stafford  Etruria.  Nach  und  nach  brei- 
tete sich  seine  Fabrik  so  sehr  aus  ,  dass  die  dazu  gehörigen  Gebäude  einer  kleinen  Stadt 
ähnlich  sahen.  Er  selbst  gelangle  zu  grossen  Reichthümern.  Jährlich  lieferte  er  im  Durch- 
schnitt wenigstens  für  eine  Million  Pfund  Sterliiige  irdene  Waaren.  S.  Poppe's  Geist  der  eng- 
lischen Manufacturen.   S.   18 — 2o. 

ri)  S.  H.  A.  L.  Z.   1812.  Nr.  261.  S.  Oiß. 

e)  Das  Hauptmünzanit  in  IVien  schmilzt  seine  Metallbeschirkuiigen  oder  sogenannte  Münz- 
güsse von  g — 10  Ctr.  Gewicht  in  Tiegeln  von  gegossenem  Eisen  in  einem  hierzu  besonders 
eingerichteten  Schmelzofen;  die  kleineren  Beträge  werden  jedoch  ebenfalls  in  dn^Vi  sogenann- 
ten Passauer  Tiegeln  geschmolzen. 

S-  119- 

F  a  b  r  i  r  a  t  i  o  n    der    Salze. 

Vom  Koclisalzt  s.  oben  §§.  Ö" — 8q-  In  den  Salzsiedcrejcn  werden   die  miend- 
lich  kleinen,   in  dem   Salzwasser  oliv  der  Soole  aufgelösten  Salziheilchen  g/vu/irtj 
d.  h.  einander  näher  gebracht  oder  concenlrirt ,  und  sie  von  einem  Theile  ihres  über- 
flüssigen Wassers  beh-eyet.    Dieses  geschieht:  hauptsächlich   auf  eine   dreyfache   Art: 
1)  dass  man  den  Gehalt  oder  Grad  der  Soole   durch  Beymischung  mehrerer  Salzthei- 
Ic  verstärkt,  wie  z.  B.  auf  dem  norwegischen  Salzwerke  zu  TFallöe ;  2)   dass  man  die 
in  der   Soole  bcfindiichen   Salzlheilchcn  mittelst  der  Kälte  (^Eisgradlritng)   nöthigt, 
näher  zusammen  zu  treten,  wie  z.B.  in  den  russischen  Salzseen  3  5)  dass  man  die  wäs- 
serigen Theile  der  Soole  verflüchtigt,  die  Salztheilchen  aber  zurückhält.  Dieses  letz- 
tere Verfahren  ist  die  allgemeinste  luid  wichtigste  Gradirungsart ,  luid  man  betreibt 
sie  hauptsächlich  auf  dreyfache  Weise :  a)  dass  man   die   Soole  in   grossen  Behältern 
ganz  ruhig,  niu- der  Sonnenwärme  ausgesetzt,   stehen  lässt   (Sommergrad innig);  ist 
niu-  für's  südliche  Europa  geeignet;  b)  dass  man  die  Soole   einige  IMale  diuch  Reiser 
oder  Dornen  von  der  Höhe  der  dazu  bestimmten  Leckwerke  oder  Gradirhäuser  her- 
ab in  Pfannen  tröpfeln  lässt  {Tropf elgradiriing)  oder  die  sogenannten  Leckwerke); 
die  beste  und  gemeinste  imter  allen :   c)  dass  man  endlich  die   Soole   in  Pfannen  der 
Hitze  des  Feuers  aussetzt;  die  kostspieligste  und  unanwendbarsie  unter  allen,   wenn 
die  Süole  nicht  wenigstens  neuugradig,  luid  das  Fcuermaleriale  noch  obendrein  wohl- 


ill.   ludustrielle  ProJucliuu.  ^.   iig.   Fjbrioatiou  der  Solze.  jj3 

feil  ist.  —  Der  Salpeter  wird  in  Europa ,  Ungern  _,  Spunien  und  Italien  ausgenom- 
men (s.  oben  §.  go)  nur  selten  und  sparsam  gediegen  oder  natürlich  gefimden,  son- 
dern der  allermeiste  wird  durch  besondere  Vorrichtimgen  aus  einem  Gemenge  von 
Erden  und  faulbaren  Theilen  gewonnen,  wodurch  das  Salpetersauer  erzeugt  wird, 
welches  mau  in  den  Salpetersiederejen  durch  Auslaugen  erhält,  mit  feuerbeständi- 
gem Laugensalz  sättigt,  und  so  durch  Einsieden  den  Salpeter  bereitet.  Die  meisten 
Anstalicn  tlcr  Art  befinden  sich  in  Frankreich  _,  Oesterreichj  Spanien  j  Grossbritan- 
jueuj  in  den  Niederlanden  j  der  Schweiz  j  in  Italien  _,  Schweden  und  Russland.  In 
Prenssen  aj  und  einigen  andern  europäischen  Staaten  wird  dieses  Mitlelsalz  nicht 
genug  zum  Bedarf  gesotten.  Überhaupt  ist  die  Salpotererzeugung  in  Europa,  wegen 
des  Ungeheuern  Verbrauchs  zur  Beieitimg  des  Schiesspulvers  ,  des  Scheidewassers 
u.  s.  w. ,  bey  weitem  nicht  hinreichend.  Daher  denn  der  ostindische  natürliche  Sal- 
peter als  Ballast  von  den  Engländern  in  grosser  xVlenge  eingeführt  wird.  —  Mit  Holz- 
kohlen mid  Schwefel  vermischt  gibt  der  Salpeter  das  Scliiesspidver  ^  auch  vorzugs- 
\\ eise  Pulver  genannt,  welches  in  den  bekannten  Pulvermiilden  bereitet  wird  bj , 
und  ein  wesentliches  Element  der  Kraft  des  Staates  ist.  Die  Sichcrsielhuig  des  nö- 
thigon  Bedarfs  an  diesem  Kunslpioducte  ist  für  Kriegsfidle  ungemein  wichtig.  —  Der 
Alaun  wild  aus  alaunhaltigen  Mineialicn  gewonnen,  indem  man  diese  in  den  ^/a/^zwer- 
A'f/i  auslaugt  und  die  Piohlauge  abdunstei  und  siedet.  Der  beste,  unter  dem  Nahmen 
des  i-'6mischen  bekannte  Alaua  kommt  von  Civita  f^ecchia  aus  Italien,  wo  auch  im  J. 
1408  die  ersten  Alaunsicdercyen  in  Euiopa  entstanden.  Nach  dem  römischen  Alaun 
folget  in  Ansehung  der  Güte  der  spanische  luid  ungrische  j  besonders  der  zu  Mun- 
katscJi  erzeugte,  der  dem  römischen  nicht  viel  nachgibt.  England j  Deutschland ^ 
Schweden  vnid  Aorwegen  liefern  dieses  Fabricat  ebenfalls  gut  und  häufig.  —  Der  77- 
triol  ist  ein  Salz,  welches  aus  Schwefelsäure  besteht,  verbunden  mit  einem  Me- 
talle. Mit  Kupfer  gibt  die  Schwefelsäure  den  blauen  oder  cj prischen ^  mit  Zink  den 
weissen  j  mit  Kobalt  den  blassrosenrotherij  und  mit  Eisen  den  grünen  P^itriolj  womit 
alle  schwarzen  Faiben  hervorgebracht  werden.  Alle  diese  Arten  werden  in  eigenen 
v\.nstalten,  Vitriolsiederejen  ^  aus  verschiedenen  Mineralien  gewoimen.  —  Der  Sal- 
nüak  ward  ehemals  IjIoss  aus  Aegjpten  j  wo  er  durch  Sublimation  aus  Russ  vom  Ka- 
mehlniist  gewonnen  wird,  nach  Deutschland  imd  andern  europäischen  Ländern  ge- 
])racht.  Jetzt  sind  aber  auch  in  Europa,  nahmcntlich  \n  Deutschland^  Italien  j  Frank- 
reich j  Grossbritannien  ^  Schweden  und  Paissland  Salmiakfabriken.  Er  wird  von  vie- 
len Künstlern,  Färbern,  Tabaksfabricanten,  Metallarbeitern,  auch  in  den  A])Olheken, 
in  Menge  gebraucht.  —  Endlich  der  Borax'  kommt  roh,  oder  vnircin  imler  dem  Nah- 
men Tmkal  nws,  Ostindien,  wird  am  meisten  in  London _,  Amsterdam  mid  P'encdig 
raifuiirt,  und  häufig  zum  Zusamuicnschmclzen  und  Löthcn  der  Metalle,  zu  Eniail- 
aii)eiien  u.  s.  w.  gebraucht. 

o)  S.  rolgteVs  Versucli  emer  Statistik  des  preussischen  Staates.  S.   117. 

6)  Traite  de  l'art  de  fabriquer  la  poudre  ä  canon  ,  precede  d'uii  espose  historique  sur  i'etablis- 
senient  du  service  des  poudres  et  salpetres  en  France,  acconipagne  d'un  recueil  de  quarante 
plancfies  aux  trait.  Par  MM.  Bottee  et  Fiijruidl  etc.  Paris,  1811.  4-  Vergl.  Göttiiig.  gel.Anz. 
St.  44  u.  45.  i8x3. 


2J4  III-  Industrielle  Production.  §,  120.  Beförderungsmittel  des  Kunstlleisses  ete. 

§.    120. 
Beförderungsmittel  des  Kunstfleisses  in  den  europäischen  Staaten. 

Die  vorzüglichsten  Mittel,  welche  zur  Belebung  und  VervoUkoitimiiung  des  Kunst- 
fleisses in  deia  europäischen  Staaten  iheils  wirklich  angewendet  werden ,  iheils  hie 
und  da  in  Anwendung  zu  bringen  wären,  sind: 

1)  Das  Yerbolh  der  Einführe  fremder  Manufaclur-  und  Fabrikwaaren ,  wie  es  ur- 
sprünglich in  England  geschah,  iind  nach  dessen  Vorgange  auch  in  Frankreich ^ 
Oesterreich  _,  Russland  und  andern  Staaten  eingeführt  wurde.  Denn  wenn  das  in  sei- 
nem Innern  so  liberale  England  mit  einer  Strenge  gegen  den  Handel  des  Auslandes 
vorgeht,  welche  nirgend  ein  Gegenstück  findet:  so  fordert  es  vVohl  das  Interesse,  ja 
die  Pflicht  der  übr)^;cn  Staaten  in  einem  hohen  Grade ,  die  inländischen  Fabriken  zu 
schützen ,  und  zu  verhindern ,  dass  mit  ihnen  nicht  ein  grosser  Theil  der  National- 
capitalien  zu  Grunde  gehe.  In  demselben  Verhältnisse,  als  das  Prohibitivsystem  an- 
derwärts an  Ausdehnung  gewinnt  und  vervollkonunnet  wird,  bringt  der  Staat,  der 
das  entgegengesetzte  System  befolgt,  ausschliesslicher  und  beträchtlicher  Opfer. 

2)  Da  nun  die  Grundsätze  dei-  neuem  Theorie  mittelst  der  Herstellung  einer  all- 
gemehien  Handelsfreyheit  sich  in  der  wirklichen  Welt,  wie  sie  ist,  nur  als  fromme 
Wünsche  darstellen:  so  ist  der  Enlschluss ,  aus  Voruribell,  Leichtsinn,  Modesucht, 
Anglo-Manie,  nicht  fremde  Staatsbürger  zu  ernähren  ,  und  die  eigenen  darben  zu  las- 
sen, tun  so  patriotischer  und  dringender.  Daher  verdient  das  Beyspicl  der  Berliner 
SUidti>erord/ietenj  die  im  J.  1817  einen  patriotischen  \erein  zur  Aufnahme  der  in- 
ländischen Fabriken  schlössen,  auf  dem  festen  Lande,  vornehmlich  in  Deutschland j 
überall  Nachahnnmg.  Sie  verpflichteten  sich  kraft  dieser  Urkunde  ,  gegenseitig  ein  Je- 
der in  seinem  Kreise-dahin  zu  sehen ,  dass  weder  von  ihm ,  noch  von  seinen  Angehö- 
rigen oder  Bekannten  und  Freunden,  irgend  ein  ausländisches  Fabricat,  möge  es 
zur  Bekleidimg  oder  zum  Ameublenient  dienen,  gebraucht,  sondern  das  anzuschaffen- 
de Bedürfnis»  ledigliclt  von  inländischen  Fabricanten  genommen  werde.  Herrlich  wä- 
re es  ,  w  cnn  hier  die  Grossen  seihst  mit  gutem  Beyspiele  vorangingen ! 

3)  Häufigere,  ausgedehntere  und  gei'ibtere  Anvv'endung  vortrefflicher  Maschinen, 
womit  man  Zeit  und  Arbeit  erspart,  in  Ländern,  wo  es  an  Menschenarmen  fehlt.  Nir- 
gends sind  so  viele  künstliche  iMaschincu  für  Manufacturen  erfunden  und  in  Anwen- 
dung gebracht  worden,  als  in  Grossbritaniden j  Avohin  ganz  vorzüglich  die  Dampf- 
maschinen gehören.  Man  hat  berechnet ,  dass  sie  den  Britten  täglich  75,ooo  Pf-  Ster- 
linge  ersparen.  Bloss  durch  so  viele  treffliche  Maschinen  sind  die  Engländer  im  Stan- 
de ,  ihre  Waaren,  mit  Ausnahme  der  Seidenwaaren ,  zu  so  ausserordentlich  wohlfeilen 
Preisen  zu  liefern.  Indessen  fängt  man  an  in  Grossbritannieji  einzusehen,  dass  die 
Anzahl  der  Kunstgelriebe  zu  sehr  angewachsen ,  und  man  in  der  Entbehrung  der 
Menschenhände  zu  weit  gegangen  ist,  welches  selbst  auf  mehrere  Gegenden  des  Gon- 
tinents  einen  sehr  nachtheiligen  Einfluss  hat.  Die  Schweiz ^  Schlesiens  Gebirge,  das 
Erzgebirge,,  Aev  HarZj,  beweisen  durch  die  Himgergestalten  ihrer  Hütten,  dass  die  Ma- 
schinen der  Engländer  nicht  allein  in  ihren  eigenen  Fabrikstädlen  Elend  verbreiten  aj. 
In  Ländern,  in  denen  die  Bevölkerung  so  bedeutend  ist,  dass,  sobald  die  Fabriken 


III.   Industrielle  ProJuction.   §.    I20-    Bifofd,  riiD^siiiilUl    ilcS  Run- liUisSts  ile.  i2j 

darniedcrliegcn ,  taitscud  Iländc  feycrn  müssen,  und  die  tmisieu  grossen  Besiiziingcn 
nur  einen  gcjingcn  üiufani'  haben  ,  sind  Maschinen  der  lluiu  der  niensclihchcn  Gc- 
sellschafl.  Sie  hereiehern  den  Einzchien  und  stürzen  Tansende  ins  Elend. 

4)  [I/ipartejische  Schtiu-  luid  Slämpelgerüchte  j  oder  stre?igc  Gexverbspolizej  j 
wehdie  dicFahricate  mit  Kenntniss  und  Gewissenhaftigkeit  |)riiftc.  Dadurch  würden  viele 
Pftischereyen  und  Betriegereyen ,  die  leider!  nur  gar  zu  oft  in  den  grösseren  europäi- 
schen Fabrikslädlcn  begangen  werden,  verhütet.  Insonderheit  würde  einer  Art,  dicFa- 
liriken  zu  ruiniren  ,  vorgeheugt,  welche  die  Juden  in  Ausübung  bringen ,  wenn  sie  eine 
Geldverlegenheit  oder  Mangel  an  Absatz  der  Fabrikwaarcn  wahrnehmen,  und  den  Fa- 
bricantcn  dahin  bewegen,  den  Gehalt  seiner  Waare  zu  verringern.  Etwas  geringer  au 
Güte,  ein  wenig  kürzer  und  schmäler  und  hiermit  auch  wohheiler,  wird,  wie  sie  ver- 
sichern, den  Absatz  vermehren  j  denn  sie  beiheuein  es  aus  Erfahrung  zu  wissen,  dass 
die  meisten  Käufer  nicht  sowohl  daraufsehen,  ob  die  Waare  geringhaltiger,  kürzer 
imd  schmäler,  sondern  ob  sie  wohlfeiler  scy,  als  jede  andere  ihr  ähnliche.  Nach- 
ahmungswürdig daher  sind  die  in  mehreren  deutschen  Ländern  angeordneten  Legge- 
imd  Schauanstalten  j  an  die  die  Flachs-  und  WoUenw  aaren ,  zur  Sicherung  des  Cre- 
diis,  zur  Vermessung  gebracht  werden  müssen.  In  Genf  besteht  ein  eigenes  Gewähr- 
leistungs-Bilveaa  j,  wodurch  der  gute  Ruf  der  dortigen  Uhren-  und  Juwclenfabriken- 
erhalten  wird,  so  wie  der  Stänipcl,  womit  jeder  schwedische  Eisenfabricant  jede  von 
ihm  verfertigte  Waare  bezeichnen  muss  ,  und  die  obrigkeitliche  Beschau  eines  jeden 
Stücks  vor  seiner  Ausfulire  die  schwedischen  Eisenwaaren  in  ihrem  Credit  erhalten. 

5)  Das  in  mehreren  Staaten,  z.  B.  in  Grossbritannien  j  Oesterreich  j  Frankreich ^ 
lieslehende  Sj  Stern  der  Erfuidiingsprivilegien  j  dem  zufolge  demjenigen  ,  welcher 
eine,  durch  die  vorläufige  Untersuchung  als  neu  und  nützlich  erkannte  Erfindung 
oder  Verbesscrimg  in  irgend  einem  Zweige  der  technischen  Künste  macht,  ein  Pa- 
tent oder  Privilegium  ertheilt  wird,  wodurcli  ihm  auf  eine  bestimmte  Anzahl  von  Jah- 
ren der  ausschliessliche  Genuss  seiner  Erfindimg  oder  Verbesserung  gegen  dem  zuge- 
sichert w  ird ,  dass  die  Nation  nach  dieser  Zeit  vollständig  in  den  Besitz  dieser  Erfin- 
dung gesetzt  werde.  Dieses  System  ist  ein  mächtiger  Sporn  des  Erfindimgsgeistes  und 
dadurch  ein  wirksames  Beförderungsmittel  des  Aufschwungs  der  Nationalindusiric. 
\  iele  Erfindungen,  die  ausserdem  theils  gar  nicht  gemacht  worden,  theils  nicht  in 
das  praclische  Leben  übergegangen  wären  ,  sind  durch  das  System  der  Erfindungs- 
privilegien hervorgerufen  oder  erhalten  worden.  In  Grossbritannien  winden  seit  dem 
J.  1676  —  181 5  38 10  Erfindungspatentc  erlhedt,  und  davon  3266  einzig  unter 
Georgs  III.  Regierung;  unter  seinen  sechs  Vorgängern  aber  nur  544  ^J-  ^^  Frank- 
reich wurden  im  J.  1818  l52  und  im  J.  i8ig  i36  Patente  auf  neue  Erfindungen  oder 
Verbesserungen  ertheilt.  In  der  (österreichischen  Älonarchie,  nahmentlich  im  lom- 
bardisch-venetianiscJienls.öm<^vG\c\\e ,  werden  ausserdem  für  die  im  Laufe  jedes  Jah- 
res gemachten  neuen  und  nützlichen  Erfindungen  im  Gebiete  des  Gewcrbsfleisses  Ki-- 
munterungspreise  (goldene  imd  silberne)  vertheilt. 

6)  Privatvereine j  von  reichen  patriotischen  Männern  gestiftet,  um  Erfinder  und 
Verbessercr  neuer  nützlicher,  wirklich  anwendbar  gefundener  Maschinen  und  anderer 
Einrichtungen,  zu  belohnen,  und  die  Uixvermögenden  nöthigenfalls  durch  Vorschüsse 

29 


220  in.  ludustiiclle  Production.  §.   120.  Bel'orderung^miltcl  des  Kunstfleisscs  elc. 

ZU  unterstützen.  Die  Unterstützung  des  Erfinders  muss  jedoch,  wenn  die  Aussichten 
gut  sind ,  und  wenn  man  von  dem  Fleisse  imd  der  Rechtschaffenheit  des  Erfinders 
überzeugt  ist,  mit  Nachdruck  geschehen,  ohne  sogleich  von  den  ersten  misslun"enen 
oder  nicht  ganz  nacli  Wunsch  gehmgenen  Versuchen  abgeschreckt  zu  werden.  Denn 
auch  das  unzweifelhafteste  und  aufs  Beste  angefangene  Unternehmen  kann  durch  ir- 
gend einen  unglücklichen  Zufall  missrathcn.  Solche  patriotische  Privatvereine  gibt  es 
in  England  cj ,  Frankreich  dj  und  Dänemark. 

7)  Zweckmässige  Unterrichtsanstalten  für  die  Künste  des  Gewerbsfleisses ,  als : 
Industrieschulen _,  Realschulen  und  technologische  Institute _,  wovon  in  der  zwevten 
Abthcihmg  die  Rede  se^n  wird. 

8)  Oejffentliche  Austeilungen  der  im  Lande  verfertigten  Fabrik-  und  Manufac- 
lurwaaren,  als  Proben  des  inländischen  Kunslfleisses,  zu  gewissen  Zeiten  des  Jahres, 
in  der  Hauptstadt  oder  in  einem  anderen  Haujitorte  des  Landes.  So  geschieht  es  in 
Wien  j  Paris  j  Kopenhagen  und  an  einigen  andern  eurojiäischen  Orten.  Natürlich 
muss  diess  ein  kräftiger  Sporn  zur  Vervollkommnimg  aller  Arbeiten  seyn,  weil  jeder 
Mann  von  Ehre  der  Waare,  die  er  öffentlich  ausstellen  will,  gewiss  die  möglichste 
Vollendung  geben  wird. 

g)  Sorgfalt  der  Gewerbspolizey,  dass  der  Fabricant,  besonders  der  arme,  wegen 
Anschaffung  der  Materialien  nie  geängstiget  sey,  auch  nie  wegen  des  Absatzes  der  Fa- 
bricaie  in  ^'^erlcgenheii  komnie.  In  Dänemark  schiessl  das  Institut  des  Manufactur- 
waarenhandels  den  Fabricanten  die  nöihigen  Summen  vor,  liefert  ihnen  die  rohen 
Materialien  für  billige  Preise  und  erleichtert  den  Absatz  an  die  Kaufleute.  In  England 
werden  die  dürftigen  Arbeiter  von  den  Handlungscompagnien  mit  baren  Vorschüssen 
oder  nüt  rohen  Materialien  unterstützt  j  tmd  zu  Leeds  ist  stets  offener  Markt,  wo  in 
der  kürzesten  Zeit  sicherer  Aljsalz  der  Waaren  und  eine  Auswahl  neuer  Materialien 
zu  finden  ist.  Auch  die  oben  erwähnten  öffentlichen  Ausstellungen  der  Fabricate  tra- 
gen viel  zu  dem  j\Lsatzc  bey. 

10)  Endlich  Verbesserung  des  Zunftwesens  in  denjenigen  Staaten,  wo  es  noch 
besteht,  besonders  durch  Abschaffung  der  vielfältigen  Handwerksmissbräuche. 

a)  S.  Ergänzungsbl.  z.  J.  A.  L.  Z.  1818.  Nr.  56.  S.  60.  Vergl.  Englands  Industrie  und  die 
meclianischon  Erfindungen  sind  das  Verderben  des  festen  Landes.  Dargestellt  zur  Beherzi- 
gung für  die  Mäcliligoa  und  Reichen  wegen  der  Aerdiensllosen  Armen.  St.  Gallen,  1817.  8. 
Veigl.  Ergänzungsbl.  z.  A.  L.  Z.   1819.  Nr.   1.  S.  6  ff. 

b)  S.  Darstellung  der  englischen  Gesetzgebung  über  die  Erfindungspri>ilegien  (patenls  of  in- 
fentio:i);  von  J.  J.  Prechil  elc.  ■,  in  dem  1.  Bde.  der  Jahrbücher  des  k.  k.  polytechnischen 
Institutes.  S.  73  ff. 

c)  Wo  unter  andern  zu  London  die  Sociciy  inslilufesd  for  ihe  encouragement  of  aris  ,  manw 
fdclures   and  commerce  schon  seit  der  Mitte    des  vorigen  Jahrhunderts  besteht,  und  im  J. 

i8o6  an  Mitgliedern  zählte:  »270,  die  2  Guiiieen  ,  23,  die  3,  und  11,  die  5  jährlich  bei- 
trugen ,  was  die  bedeutende  Summe  ^  on  2564  Guineen  ausmacht.  Der  Zweck ,  zu  dem  die* 
se  Beyträgc  bestimmt  sind,  ist  die  Beförderung  der  Künste  ,  der  Manufacturcn  und  des  Han- 
dels ;  jedoch  nimmt  die  Gesellschaft  diese  Rubriken  nicht  nach  einer  ängstliclien  Definition, 
sondern  sie  befördert  alles ,  was  innerhalb  des  Umfangs  der  menschlichen  Thätigkeit  schön 
und  nützlich  ist;  auch  auf  Ackerbau ,  Forstwesen  u.  s.  w.  sind  daher  eine  Menge  Preise 
ausgesetzt.  Um  von  dem  Erfolge  ihrer  Bemühungen  auch  die  in  den   Grafschaften  befindli- 


IV.  Conimcrc.  Product.  od  Handel.  §   I2i.  Witlitigk.  d,  Handels.  §.  I22.  Unifang  d.  furop.  Hjindels.  »27 

chcn  Mitglieder  zu  unierrichten ,  gibt  sie  Transaciions  heraus  ,  in  welchen  von  ihren  Arbei- 
ten Rechenschaft  gegeben  wird. 
d)  Wo  zu  Paris  die  Sociele  d'encoutagement  de  i'induslrie  seit  i8o2  besteht,  und  1804  bereits 
1000  iMltglicder  zählte.  Der  Zweck  dieser  Gesellschaft  geht  dahin,  auf  alle  Wege  zur  Ver- 
vollkoinmniing  der  Künste  und  Gewerbe  wirksam  zu  soyn  ;  die  Handgriffe  und  Verfahrungs- 
arlen  zu  vereinfachen^,  Kenntnisse  und  Gebrauch  der  besten  ]Maschinen  zu  \  erbreiten  ,  und 
lilerdurch  den  Wachstlium  des  jNationalrcichthums  zu  befördern.  In  dieser  Absicht  gibt  sie 
Preisaufgaben,  prüft  neue  Erfindungen,  und  belohnt  solche  nach  Massgabe  ihrer  Gemein- 
nützigkeit, lässt  Älodelle  von  den  besten  Maschinen  anfertigen,  und  stellt  solche,  so  wie 
die  vorzüglichsten  Kunsiproducte  zur  Nachahmung  auf  Nicht  minder  befördert  sie  den  Un- 
terricht durch  Vorlesungen  und  durch  eine  zum  Gebrauche  sämmtliclier  Mitglieder  ofFen 
stehende  Büclursammlung.  Um  von  dem  Erfolge  ihrer  Bemühungen  auch  die  in  den  Pro- 
vinzen befindlichen  Mitglieder  zu  unterrichten,  l'asst  sie  Bulletins  drucken,  in  welchen  von 
ihren  Arbeiten  genaue  Rechenschaft  gegeben  wird. 


IV.   Commercielle   Production  oder  Handel. 

§.  121. 

Wichtigkeit  des  Handels. 

Nicht  jedes  Land  bringt  jedes  Eizeugniss  hervor,  und  nicht  jedes  Volk  ist  durch 
Bedürfniss ,  Sitte  oder  Beschäftigung  gleich  aufgelegt  zur  Verarbeitung  der  Naturijro- 
ducle.  Hieraus  entsteht  ein  gegenseitiger  Mangel  oder  Überfluss,  davon  die  Ausglei- 
chung das  Geschäft  des  Handels  ausniacht.  Dieses  Gewerbe  ist  nicht  nur  die  letzte 
Quelle  des  Nationahvohlslandes,  als  Belebungsmiltel  der  Ur-  und  industriellen  Pro- 
duction, welche  die  Genusssmiltcl  oder  Güter  gibt,  sondern  auch  das  einzige  Mittel, 
alle  Theile  der  Erde  mit  einander  in  Verkehr  und  Verbindung  zu  bringen,  und  da- 
her selbst  fiir  die  Landes-  und  Geislescultur  von  äusserster  Wichtigkeit. 

§•   122. 
Umfang    des    europäischen    Handels. 

Wenn  die  Europäer  es  scl^on  in  ihren  Manufacturen  und  Fabriken ,  in  der  Man- 
nigfaltigkeit, Vollkommenheit  imd  Schönheit  ihrer  Kunstproducte,  allen  übrigen  Völ- 
kern zuvorthun:  so  erhält  diese  ihre  Überlegenheit  durch  ihren  ausgebreiteten  Handel 
eine  noch  weit  höhere  Bedeutung.  Sic  handeln  thcils  unter  sich,  ilieils  nach  allen  an- 
dern Erdtheilen  aj.  Mit  Hülfe  des  Compasses  bj _,  einer  Erfindung  der  Italiener, 
können  sie  sich  in  das  weite  offene  Meer,  ohne  sich  zu  verirren,  wagen  und  den  Ort 
ihrer  Bestimmung  sicher  finden  cj.  Seit  der  eben  bemerkten  Vervollkommnung  der 
Schifffahrt  können  sie  Reisen  über  die  ganze  Erde  anstellen,  und  unternehmen  sie 
wirklich  bis  in  die  entferntesten  Gegenden  der  Erde,  bis  dahin,  wo  die  Natur  sclljst 
den  Weg  versperrt,  theils  aus  Neugierde,  mehrenthcils  aber  aus  Handelsabsichlcn. 
Keine  einzige  Nation  in  einem  andern  Erdtheile  hat  noch  je  eine  Reise  um  die  Welt 
gemacht.  Die  Europäer  sind  es  also,  die  durch  ihre  grosse  Seefahrt  und  ihren  Welt- 

29- 


2j8  IV.  Comtnercidlo  Produclion   oder  Handel.   §     122.  ümfsng   des   enrop.  Ilaudrls. 

liandel  iiichl  nur  sich  mit  den  Schätzen  fremder  Gegenden  hcreichern^  und  diesen 
ihren  Üherfluss  zuführen ,  sondern  auch  diese  Gegenden  seihst  durch  Zwischenhan- 
del aus  der  einen  in  die  andere  einander  näher  hringcn  und  mit  einander  hekannt  ma- 
chen. Sie  haben  sich  nicht  einmal  mit  dem  blossen  Handel  begnügt,  sondern,  um 
diese  Schätze  ganz  zu  besitzen  und  jene  reichen  Länder  nach  Gefallen  zu  benutzen , 
das  Besitznehmungssj Stern  erfunden,  und  einen  Theil  der  übrigen  Erde,  der  die 
Grösse  ihres  Vaterlandes  weit  übersteigt,  sich  nüt  Gewalt  unterwürfig  gemacht ;  und 
diess  haben  nicht  nur  Staaten,  sondern  sogar  blosse  Gesellschaften  von  Kaufleu- 
ten gethan. 

Den  ausgcbreitetesten  Handel  in  und  ausser  Europa  treibt  gegenwärtig  Grossbri- 
tannien;  der  grösste  Theil  des  gesammten  Wellhandels  ist  in  Aen  brittischen  Wan- 
den; vor  den  Britten  waren  die  Holländer  ^  vor  diesen  die  Spanier  vmd  Portugiesen _, 
und  vor  diesen  die  T^enetiatier  im  Besitze  des  Welihandt?ls.  Die  S]>anicr  entdeckten 
1^92  durch  Cliristoph  Columbus  die  neue  Welt  dj ,  und  die  Portugiesen  1407  durch 
J^asco  de  Gama  einen  neuen  Weg  nach  Ostindien.  Dadurch  änderte  sich  der  ganze 
Gang,  wie  die  ganze  Einrichtung  des  europäischen  Welthandels,  weil  er  aus  Land- 
handel, was  er  bis  dahin,  seinem  wesentlichen  Charakter  nach,  stets  hatte  bleiben 
miissen,  in  Seehandel  umgeschaffen  ward.  Eben  daher  aber  bestimmte  die  geogra- 
phische Lage  der  Länder  ihre  Wichtigkeit  oder  Unwichtigkeil  für  den  Handel  nach 
einem  ganz  andern  Maassstalie ,  da  es  in  der  Natur  dieser  Veränderung  lag,  dass  in 
Europa  jetzt  die  westlichen  Länder,  statt  deren  am  mittelländischen  Meere,  die  Sitze 
lies  ^Vellhandels  wurden  ej. 

Seit  der  Entdeckung  von  Amerika ,  wo  der  grosse  europäische  Seehandel  aufzu- 
blühen anfing,  war  keine  einzige  Epoche,  in  welcher  derselbe  so  eingeschränkt  gewe- 
sen wäre,  als  er  es  seit  1806  bis  i8l3  durch  das  sogenannte  Continentalsjstenifjj 
welches  Napoleon  Avm.  britlischen  Handelsmonopol  entgegensetzte,  geworden  ist. 
Nur  noch  ein  unbedeutender  Küstenhandel  mittelst  Licenzen  gj  war  übrig;  desto  leb- 
hafter war  aber  der  Landhandel.  Die  Leipziger  Schlacht  waif  das  ganze  Continental- 
systcni  umj  aber  auch  der  Dreyzack  der  mono])olisirendcn  Engländer  wurde  seitdem 
nur  noch  mehr  befestigt,  imd  mannigfaltige  Verhältnisse,  welche  auf  jenem  Systeme 
beruhten  und  seine  W  irkungen  waren  ,  umssten  imtergehen.  Die  ersten  Fabriken 
mussten  still  stehen.  Der  Fabricant  verlor  die  Früchte  seiner  Anstrengung,  der  Kauf- 
mann sein  Capital  und  viele  hundert  Familien  büsstcn  ihr  tägliches  Brot  ein. 

fl)  Mit  Ausnahme  der NordamprikaniM-  und  derBerberen  schifft  keine  einzige  aussereuro[)aisthfc 
Nation  nach  Europa. 

/))  Das  wesentliche  Stück  dieses  Instrumentes  ist  die  auf  einem  Stifte  schwebende  M;ii,'iieliia- 
del.  Diese  besitzt  die  Eigenschaft  des  Magnets,  womit  sie  bestrichen  ist,  sich  allezeit  nach 
einerley  VVellgegend  zu   wenden. 

c)  Die  Alten,  die  keinen  andern  Wegweiser  hatten,  als  die  Sonne  und  die  Gestirne,  welche 
der  Wechsel  der  Witterung  so  oft  ihrem  Auge  entzog,  durften  sich  nicht  weit  von  den  Kü- 
sten entfernen. 

d)  Die  jetzt  nur  durch  einen  MissgrifT  des  Neides  den  Nahmen  eines  Andern  trägt,  nähmlich 
den  des  tmerico  Vespucci.  —  Chrii.'opli  Colonibo,  über  seinen  Geburlsort  und  seine  Fatnilie; 
111  den  Allgem.  geogr.  Ephem.  Bd.  5i.  S.  ii2  iT.  Vergl.  Noch  etwas  über  Columbus ;  in  der- 


IV     Cnmrnerci.^lle   Pi  i.luclion    oder  fl,ind<:l.    §.   123.   HentJel   der   Knrnpaer  viac.ii   der  Osl.-,f-t  ,   etr.  2^0 

seihen  Zritsrhrift.  Bd.  02.  S.   101  —  io5.  Der  Nähme  Colon  in  der  bekannlen  Giabsclirift  die- 
ses grossen  Maanes : 

A  Castilia  y  a  Leon 
Nucfo  Mundo  Dio  Colon 

(d.  h.  den  Königreichen  Castilien  und  Leon  scheiikle  Colon  die  neue  Welt) ist  Llos^ 

eine  poetische  Liccriz,  \on  dem  Reime  erzwungen. 
)  S.  Cromc's  Abhandlung  ühcr  die  Schicksale  des  Welthandels  und   der  auswärtigen  Colonien 
der  europäischen  Staaten,  von  1492 — 1810;  in  dem  4  i  5-  und  7.  Hefte  des  i>.  Fahnenberg'- 
schen  Magazins  fiir  Handlung  etc.   1811.  Heidelberg. 

/")  Das  Continentalsystem.  Leipzig,  l8i2.  Es  hatte  zwey  Tendenzen.  Die  erste  ging  dahin, 
den  Coloiiialhandel  durch  hohe  Besteuerung  aller  Colonialproducte  zu  hemmen  ;  die  zvveyte 
hatte  zum  Gegenstande,  den  briltischen  Alleinhandel  zu  bekämpfen  und  die  englischen  Fa- 
bricate  zu  vernichten.  Der  König  von  Preussen  war ,  ausser  den  Fürsten  des  (ehemaligen) 
Rheinbundes,  der  erste  Souverain  ,  der  den  T &r\S.  \on  Trianon  annahm,  und  Untersuchun- 
gen gegen  die  Einführung  englischer  Fabricate  \  erordnete.  S.  Polit.  Journ.   1811.  Jan.  S.  2o. 

•)  Versuch  einer  Darstellung  der  Llcenzcn-Geschichte.  Eine  Bittschrift  an  die  zum  Wohl 
Europa's  verbündeten  Monarchen,  um  Abstellung  der  Scekaperey.  Von  Georgias  (ohne  An- 
gabe eines  Verlegers  und  Druckortes)  i8i4-  Vergl.  Leipz.  L.  Z.  i8i5.  65.  Nachdem  man 
sich  durch  willkührliche  und  widernatürliche  Gebote  und  Verbote  allen  direclon  und  indi- 
rectcn  Verkehr  abgeschnitten,  und  sich  gleichsam  aqua  et  igne  im  wörtlichen  Sinne  inter- 
dicirt  hatte:  fühlte  man  bald,  dass  ein  so  arges,  gewaltsames  Zerreissen  des  natürlichen 
Bandes,  das  Nationen  an  Nationen,  und  selbst  den  Feind  an  den  Feind  kettet,  für  jeden 
Theil  gleich  verderblich  sey,  dass  man  durch  strenge  Aufrechthaltung  der  Interdiction,  nicht 
bloss  nur  den  Feind  zu  Grunde  richte,  sondern  auch  sich  selbst  dem  Unterg.inge  aussetze; 
daher  gcrieth  man  auf  den  neuen  Abweg  der  Licenzon. 

A.    Auswärtiger    Handel    der    Europäer, 
a)    Seehandel    derselben. 

§•    125. 

1)    Handel    der    Europäer   nach    der    Ostsee,    dem    m  i  t !  e  1  i  ä  n  d  i  s  cli  e  u   ]M  e  c  r  e 
u  il  e  ]     der  L  e  \'  a  n  t  e    und  dem  schwarzen  31  e  e  r  e. 

Unter  den  ciiro|i;iischpn  Scehandelswegen  ist  der  wichligsle  aiit'der  Ostsee j  wo  jähr- 
lich, zur  Friedenszeit,  hiiüuiclischnilt  10,000  S«"lii Ob  durch  doiiiSw/zr/ hin  tmd  licr  se- 
geln, von  denen  die  dänische  Regierung  den  i1>'m/u/:;o/Z  crhehl,  ohne  die  700 Schiffe,  die 
jahrlich  durch  den  kleinen  Bell  gehen,  und  die  g37  Schiffe^  die  im  J.  lygo  durch  den 
scjilcswig-holsteinischen  Canal  l'nhren,  in  Anschlag  zu  hringen  aj.  An  diesem  Handel 
nehmen  fast  alle  europäischen  s(.'cfahrendcn  Nationen  Anlhcil ,  hesonders  di(;  Eiv^län- 
der  j  Russen  j  Schweden  und  Dänen ^  dann  die  Holländer  ^  Preussen  und  d'iefi-eyen 
Hansestädte.  Auch  die  Franzosen  halben  in  der  neuern  Zeit  einige  Häfen  an  der  Ost- 
see zu  besuchen  angefangen,  so  wie  jetzt  mnnchinal  auch  die  portugiesischen  und 
spanischen  Schiffe  nach  der  Ostsee  segeln. 

Nächst  dem.  Handel  nach  der  Ostsee  ist  der  Verkehr  der  Eitropäer  am  lebhafte'- 
Sien  nach  dem  mltlelländischen  B'Ieere.  In  diesem  geht  ilite  Schiffahrt  nicht  allein 
nach  den  spanischen,   fiunzösisclu-n  imd  italienischen  Häfen ,  sondern  auch  nach  der 


23o         IV.   Commeicicllf  Producliou  oder   HüikIcJ.   ^     ii3.  Haiidfl  der  Euoiiiäer  iiacli  der  Levante,  etc. 

iiördÜclicu  Küste  yon  y/frika _,  nac]i  dem  Jrchipelagus  und  der  Tui-kej  jxmlcr  dem 
Nahmen  des  Handels  nach  der  Levante.  Dieses  Wort  zeigt  üherhanpt  gegen  Osten 
oder  Älorgen  gelegene  Länder  an,  und  die  Europäer  kommen  darin  iiberein,  dass 
.sie  Länder,  die  am  mittelländischen  Meere  liegen,  darunter  verstehen,  deren  Umfang 
sie  aher  auf  verschiedene  Art  Lcstinmacn.  Die  Italiener  verstehen  unter  der  Levante 
alles  Land,  welches  ihnen  gegen  Morgen  am  adriatischen  Meere,  Archipelagus  und 
mittelländischen  Meere,  von  Dalmatien  an,  his  zum  Euj)hrat  in  Asien,  und  bis  zitm 
Nil  in  Afrika  oder  Ägypten  liegt,  die  in  diesem  Striche  gelegenen  Inseln  mit  einge- 
schlossen. Die  Franzosen  rechnen  noch  ausserdem  Italien ,  imd  die  ganze  nördliche 
Küste  von  Afrika  dazu;  und  die  Holländer  und  Engländer  \i^e^cn  alle  europäische, 
asiatische  und  afrikanische  Länder,  welche  das  mittellänische  Meer  umgeben,  die  Le- 
vante zu  nennen.  Ini  engsten  Sinne  verstellt  man  unter  der  Levante  das  am  Archipela- 
gus und  östlichen  Theile  des  mittelländischen  Meeres  gelegene  Land,  ConstantinopeL 
auf  der  einen  und  Alexandria  in  Ägypten  auf  der  anderen  Seile  mit  eingeschlossen, 
ausser  welchen  Städten  noch  Smjrna  ^  Aleppo  und  Saloniki  fThessalonichJ  voi- 
nehmlich  unter  den  Handelsstädten  in  der  Levante  berühmt  sind. 

Der  levantische  Handel  ist  für  die  meisten  em-opäischen  Länder  sehr  wichtig, 
theils  wegen  des  Absatzes  ihrer  Manufactur-  und  anderer  Waaren  in  der  Tiirkey, 
tlieils  wegen  des  Ankaufs  vieler,  zum  Theil  sehr  kostbarer  orientalischer  Naturerzeug- 
nisse. An  diesem  Handel  nehmen  den  vorzüglichsten  Antheil  Oesterreich ,  Frank- 
reichj  Italien  j  England  und  die  jonischen  Inseln;  nächstdem  Schweden  und  Däne- 
mark. Selbst  zu  Lande  oder  auf  der^ixc  und  auf  der  Donau  ist  dieser  Handel  erheblich 
für  Oesterreich  und  Russland ^  so  wie  mlilcllliarer  Weise  durch  Österreich  für 
Deutschlar.d  und  die  Schweiz  ^  obgleicli  die  Einführe  aus  der  Türkey  nach  Öster- 
reich, und  durch  Österreich  nach  Deutschland  und  der  Schweiz  (vorzüglich  wegen 
der  vielen  Baumwolle  imd  Seide,  und  wegen  der  grossen  Menge  von  Tafelöhl,  Katfeh 
und  einigen  anderen  levantischen  Spezcreywaaren  und  Südfrüchten)  die  Ausfuhre  da- 
hin bey  weitem  übersteigt  bj.  Diese  Handelseinlnisse  wird  durch  die  in  Österreich 
geprägten  und  in  der  Türkey  beliebten  Kaiserlhaler  ausgeglichen,  wodurch  grosse 
Wechsclgeschäfte  in  Wien  veranlasst  werden,  die  sich  fast  über  ganz  Europa  ver- 
breiten, indem  die  deutschen  Zahlungen  oft  durch  Abrechnung  mit  Engländern,  Hol- 
ländern, Franzosen  und  Italienern,  die  Forderungen  in  Deutschland  und  Zuhlimgen 
nach  der  Türkey  haben,  getilget  werden. 

Nicht  minder  erheblich  ist  der  russische  Handel  nach  der  Türkey,  und  zwar  zu 
Lande  und  zu  Wasser  auf  dem  schwarzen  Meere.  In  altern  Zeiten  war  dieses  Meer 
allen  seefahrenden  Nationen  verschlossen.  Erst  im  vorigen  Jahrhundert  ward  den 
österreichischen  und  russischen  Kaufleulen  durch  Friedensschlüsse  luid  Handels- 
tractate  die  frcyc  Fahrt  in's  schwarze  Meer,  imd  zwar  auf  ihren  eigenen  Schilfen  be- 
willigl  cj ,  und  dadurch  ein  neuer  Zweig  des  levanlischcn  Handels  begründet.  In  dem 
am  20.  Jnn.  i8o2  zwischen  Frankreich  und  der  Pforte  geschlossenen  Frieden  ward 
auch  den  Franzosen  freye  Schifffalu  t  auf  dem  besagten  Meere  zugestanden.  Bald  dar- 
auf räumte  die  Pforte  auch  den  Engländern  diese  Befugniss  ein,  und  gegen  Ende 
des  J.    1802   criheilte.  Russland   den   Holländern^  Spaniern  und  Neapolitanern  die 


IV.   Cüiamcre.   Product.   od.   Handel.  §.   123.   Handel  der  EuropSer  iincli  dem   srliwaricn  Meere,   etc.      j3» 

Erlaubniss,  die  russischen  Hafen  am  schwarzen  Meere  zu  hesuchca  d).  —  Im  J.  i8o5 
segckcn  900  Schiffe  nach  dem  schwarzen  Meere,  davon  5oo  nach  Odessa  ^  200  nach 
T'agativok  und  die  übrigen  nach  Feodosia _,  Eupatoria  und  Sewastopol;  8i5  gingen 
in  el)eu  -dem  Jahre  l)cLadcn  nach  verschiedenen  Plätzen  zurück  ej.  Die  vornehmsten 
Ausfuhrartikel  sind:  Getreide,  Mehl,  Pelzwerk,  Kaviar  u.  a.  ni. ;  die  nahmhaftestcil 
Einfuhrartikel:  Wein,  Südfrüchte,  Syrup  ,  Butter,  Weihrauch  u.  a.  m.  Im  J.  1816 
gingen  von  Odessa  über  2000  Kornschiffe  nach  dem  schwarzen  und  minolländischca 
Meere  ah.  —  Da  kraft  des  ersten  Artikels  der  Präliminarien  des  russisch-türkisclicn 
Friedens  von  Buhuresclit  vom  i6-  (28-)  May  1812  festgesetzt  ^Morden  ist,  dass  der 
Pruthfluss  von  da,  %vo  er  in  die  Moldau  eintritt,  bis  zu  seiner  Einnuindung  in  die 
Donau ,  von  da  aber  das  linke  Ufer  des  letzlgedachten  Stromes  bis  Kilia  und  dessen 
Einmündung  in  das  schwarze  Meer  die  Gränze  zwischen  beydcn  Mächten  bilden  soll : 
so  liat  die  Pforte  dem  ausschliesscnden  Besitze  der  Donau  und  ihrer  Mündung  ent- 
sagt, und  dadurch  aufgehört,  alleinige  Beherrschcrinn  der  Schifffahrt  aus  dersoll)eii 
in  das  schwarze  Meer  zu  seyn. 

Übrigens  ist  der  levantische  Handel  m^\\v  passiv  als  activ,  d.  h.  er  wird  mehr  von 
fremden  Nationen  als  von  den  Türken  selbst  getrieben.  Gleichwohl  ha])on  die  Osma- 
nen  durch  den  Absatz  der  vielen  kostbaren  Naturerzeugnisse  die  Handelsbilanz  für 
sich.  Auch  fordert  die  osmanischc  Regierung ,  um  die  ausw  artigen  Nationen  sich  zu 
Freunden  zu  erhallen ,  von  fremden  Kaufleutcn  nur  3  pr.  C.  Zoll,  während  sie  sich 
von  ihren  eigenen  Unterthanen  8 — lO  pi'-  C.  an  Zöllen  und  Handelsabgaben  entridi- 
len  lässt. 

Aber  sehr  gefährlich  für  die  Handlung  der  Europäer  im  Mittelmeere  sind  die 
nordafrikanischen  Staaten  der  Berijcrey,  Ijcy  denen  Seeräulierey  ein  Haupigewerbe 
ausmacht.  Am  'gefährlichsten  und  frechsten  sind  die  algierischen  Corsareu  j  die  iu) 
J.  1817  selbst  im  Canal  und  in  den  nördlichezi  Gewässern  schwärmten,  Handel  und 
Schifffahrt  in  Schrecken  setzten,  imd  die  Küsten  mit  der  Verptlanzung  der  am  Bord 
ihrer  Raubschiffe  herrschenden  Pest  bedrohten.  England,  dessen  natürliche  Pflicht 
es  wäre,  wie  der  Morning  Chronicle  sich  ausdrückty^,  die  See  von  Seeräubern  lein 
zu  erhalten,  da  es  den  Ocean  von  Gott  zu  Lehen  empfangen  hat!  lässt  die  Sccräu- 
lierey  der  Berberen  bestehen,  weil  sie  ihm,  während  es  scllist  von  ihr  unberührt 
bleibt,  zu  Niedcrhaltung  anderer  Seemächte,  besonders  der  italienischen,  zweckdien- 
lich scheint.  Indessen  hat  Grossbritannien  seinen  Einfluss  auf  die  Berberen  neuerlich 
in  so  fern  geltend  gemacht,  dass  der  Dej  von  Algier  am  3o.  Aug.  1816  die  Erkläruu" 
von  sich  gegeben,  dass  im  Falle  eines  künftigen  Krieges  mit  irgend  einer  europäi- 
schen Macht  die  Gefangenen  auf  keine  Weise  mehr  zu  Sclaven  gemacht ,  sondern  als 
:  Kriegsgefangene  behandelt  werden  sollen,  bis  sie  ausgewechselt  werden  können,  wel- 
^  eher  Erklärung  im  October  desselben  Jahres  säimntliche  Staaten  der  Berberey  bevgc- 
treien  sind  gj. 

a)  Tableau  de  la  mer  baltique ,  considerce  sous  les  rapports  pliysiques  et  commerciaux  avec 
une  carte  ,  et  de  notices  detaillees  sur  le  mouvement  general  du  commerce  ,  sur  los  porls  les 
plus  importants,  sur  les  monnayes,  poids  et  mesurcs  ;  par  J.  P.  Calleau-Callei'illc.  T.  II.  8. 
Paris  ,   1812.  Vergl.  Götting.  gel.  Anz.  1818.  St.  34. 


»32  IV.   Corumerci.Üu  Production  oder  HuiuIl],  §.   i2/|     Fl^uidel  u.  AVesl-  u.   Osl-Afiika. 

b)  Am  Endo  tk's  vorigen  JahrhunJerls  schälzte  man  die  Ausfuhre  der  Runstproductc  ,  Loson- 
ders  aus  den  deulschen  Erbsiaaten  des  Hauses  Osterreich  in  die  Türkey  im  Durchsrhnillo 
jährlich  auf  6  Mill.  Gulden:  die  Ausfuhre  aus  den  türkischen  Ländern  in  jene  berechnete 
man  auf  g  Mill.  Ü.  S.  F.  Nicolai  von  der  Handlung ,  den  Manufacturen  und  Fabriken  ,  und 
überhaupt  von  der  Nahrung  und  Industrie  in  Wien;  in  dessen  Reisebeschreibüng.  Bd.  4- 
S.  097.   Vergl.  Patriot.   Wochenblatt  für  Ungern.  Januar  1804.  S.   108— ii5. 

c)  S.  Koch's  Gem'ählde  der  Revolutionen  in  Europa.  Bd.  III.  S.  27  ,  gS  und  i52.  Bis  zu  Jo- 
ieph'sll.  Regierung  durften  die  öslerreichischen  Schiffe  nur  his  H^idciin  und  Rusdschuck  (ahren. 
Hier  mussten  die  Waaren  auf  türkische  Schiffe  geladen  werden  ,  die  dann  sofort  in's  schwarze 
Meer  gingen.  Allein  dieses  Monopol  >vard  in  Folge  des  6.  und  7.  Artikels  des,  unter  dem  Nah- 
men iSc/ifrf  im  J.  1784  zwischen  dem  k.  k.  Hofe  und  der  osmanischen  Pforte  zum  Vorlheile  der 
österreichischen  Handlung  geschlossenen  Handlungs-Ein\  erständnisscs  ,  dem  der  Passarowi- 
t-er  Friede  vom  J.  1718  zum  Grunde  liegt,  aufgehoben,  und  steht  nun  den  Österreichern 
frcy  ,  ilire  Waaren  auf  eigenen  oder  fremden  Schiffen,  die  nur  nicht  das  Maass  der  russi- 
schen Rauffahrtevschiffe  überschreiten  dürfen,  in's  schwarze  Meer,  und  von  da  zurück  zu 
frachten.  Merkwürdig  für  unsere  Zeit  ist  insbesondere  der  XIX.  Artikel  des  Passarouiizer 
Vertrages ,  wornach  die  persischen  Raufleule ,  n-elche  durch  die  osmanisclien  Gränzeii  in 
das  k.  k.  Gebiet  zu  reisen  verlangen  ,  oder  aus  dem  k.  k.  Reiche  auf  der  Donau  in  die  os- 
manischen Granzen  zu  schiffen  gedenken  ,  nach  einmal  bezahlter  Auflage  (Refftie)  von  fünf 
\on  Hundert,  zu  keiner  ^veitern  Bezahlung  angehalten  werden  sollen.  S.  Jahrbücher  des 
k.  k.   polytechn.  Instit.  Bd.  1.  S.  574  ff-  Vergl.  B.  f.  Horinayrs  Archi\  a.  a.  O.  28  u.  29.  1811. 

(/)  S.  B'i'isc/iiiig's  Vorbereitung  etc.  herausgegeben  von  Norrmann.    Hamburg  ,  i8o3.    S.    107  ff. 

e)  S.  Essai  historique  sur  la  commerce  de  la  na\igation  de  la  mer  noire  ,  ou  voyages  et  entre- 
prises  pour  etablir  des  rapporls  commerciaux  et  maritimes  entre  les  ports  de  la  mer  noire 
et  ceux  de  la  mediterranee.  Paris  an  XIII.  i8o5.  8.  Vergl.  Götting.  gel.  Anz.  i8o5.  St.  164. 
S.   i633  ff. 

/)   S.   Öslerr.  Beob.   i8i6.  G.   October. 

g)  S.  Östi-rr.  Beob.  1816.  Nr.  129  u.  2go.  Aber  welche  Bürgschaft  haben  die  Seeräuber  ge- 
leistet, dass  man  sicher  sey ,  die  kriegsgefangenen  Europäer  nicht  als  Sclaven  behandelt  zu 
sehen?  —  Über  die  Seeräuberey  im  Mitteimeere  und  ihre  Vertilgung.  Ein  Völkerwunsch  an 
den  erlauchten  Congress  zu  Wien.  Mit  den  nöthigen  historischen  und  statistischen  Erläute- 
rungen. Von  Fricdi;  Uctrmanu.  Lübeck,   i8i5.  Vergl.  Österr.  Beob.   1816.  Nr.   148. 

§•    124. 
2)    Ilanili'l    der    Europäer    mit    und    nach    den   Rüsten    von    West-    und    Osl- 

Afrika. 

Ausser  der  nördliclicu  Kiisle  von  Afrika,  die  der  Icvaiuisclic  Handel  nmfasst,  1)C- 
luchen  die  Europäer  auch  die  Küsten  von  West-  und  Osiajvika.  Der  vorneliuiste 
Artikel  der  Ausführe,  besonders  von  der  AVestkiiste,  bestand  bisher  in  Negersclaven. 
Dieses  schmähliche,  die  Menschheit  entehrende  Gewerbe  ist  zwar  in  Afrika ,  lieson- 
dcrs  im  Innern  des  Landes,  wo  die  kleinen  und  grossen  Machthaber  alle  Arten  von 
Gewaltthätigkeiten  imd  Betrug  gegen  ihre  eigenen  Unlerthanen  ausüben,  tun  sie  zu 
Sclaven  niaclicn  und  verkaufen  zu  können,  uralt;  es  gewann  aber  eine  grössere  Aus- 
dehnung ,  seitdem  die  Europäer  an  den  afrikanischen  Küsten  so  viele  tausend  Ncge 
einkauften,  um  das  Bedürfniss  an  arbeilenden  Handelt  in  ihren  amerikanischen  imd 
westindischen  Colonicn  7ai  befriedigen.  Die  Portiuriescn  brachten  zuerst  um  die  Mittei 


JV.  Cüiamerciclle  Production  oder  Handel.  §.   iS/j.  Haudel  uach  West-  u.  Ost-Aliika.  ^53 

tlcs  i5.J'ili''liiindeils  Neger  nach  Europa.  Bald  luachicn  sie  auch  Vcrsuclie  mit  dem  Ge- 
hrauche dei'sclhon  zum  Anhau  auf  der  Lisel  St.  21ioinas  und  auf  andern  Inseln.  Innner 
süirkcr  und  cinträghcher  ward  dieser  Ilandil,  als  auch  die  Spanier  anfingen,  Neger 
ziun  Anhau  ihrer  weit  ausgedehnten  amerikanischen  Besitzungen  zu  hrauchcn,  deren 
Urhewühner  sie  grösstcn  Theil  ausgerottet  halten.  Den  Spaniern  folgten  die  ührigen 
Europäer  hey  den  Anlagen  ihrer  amerikanischen  und  westindischen  Colonien.  Bis  auf 
200  Medcn  weit  landeinwärts  hrachten  die  Sldlihs  oder  Sclavenhändler  die  Neger 
aus  dem  Innern  von  Afrika,  an  dessen  West-  und  Ostküste  zum  Verkaufe  an  die  Por- 
tugiesen j  Engländer  j,  Holländer  ^  Franzosen  tmd  Dänen.  Die  Spanier  triehen  zwar 
diesen  Handel  nie  seihst  5  aher  ihre  Regierung  schloss  einen  Pachtcoulract  zur  Ehi- 
fiihrung  einer  hcsliinmten  i\jiza]il  von  Sclaven  mit  Fremden,  welclie  der  Gewinn  da- 
zu reilzle.  Im  hilligsten  Anschlage  wurden  jährlich  hloss  von  der  Westküste  nach 
Westindien  üher  104,000  Sclaven  ausgeführt  (von  denen  aher  eigentlich  nur  ungefähr 
•j'ö  am  Orte  ihrer  Bestimmung  lehend  ankamen ,  da  sie  in  dem  untersten  Schiffsräume 
wiefläringe  zusammengepacktnothwendig  verschmachten  nmssten),  ohne  noch  die  un- 
geheure Menge  von  Sclaven  zu  hegreifen,  welche  in  den  südamerikanischen  und  afri- 
kanischen Colonien  und  durch  ganz  Asien  verkauft  wurden. 

Die  Stimme  der  Menschlichkeit,  geweckt  durch  die  fortschreitende  Cultur  der 
Europäer,  erhöh  sich  endlich  gegen  die  Gräuel  dieses  Handels.  Der  <//i/i/^c7ie/i  Regie- 
rung gehührt  der  Ruhm ,  das  erste  ßeyspiel  von  Aljschaffung  des  Negerhandcls  gege- 
ben zu  liahcn.  Sie  verordnete  am  16.  May  1792,  dass  er  mit  Ende  des  J.  1802  in  den 
dänischen  Besitzungen  aufliören  sollte,  und  bestätigte  1804  dieses  Verbolh.  Aher  auch 
in  Grossbritanniea  ruhte  man  nicht,  und  seit  dem  12-  May  1788  fand  die  Saclie  der 
Neger  an  dem  edlen  Jfilberforce  einen  so  hartnäckigen  Verthcidiger  im  Parlamente, 
dass  er  nach  achtzehnjährigem,  fast  jährlich  erneuerten  Kampfe,  lange  von  Fox  und 
selbst  von  Pitt j  \ind  zuletzt  noch  mehr  durch  den  Einfluss  der  Umstände  unterslüizt, 
endlich  den  lo-  Juny  1806  durchdrang.  Um  den  aufgehobenen  Sclavenhandel  gegen 
die  Schleiclihändler  noch  wirksamer  zu  handhaben,  ward  durch  ein  Gesetz  vom  14. 
May  1811  jeder  von  brittischen  Unterthancn  getriebene  Sclavenhandel  für  HocJwer- 
rath  gegen  den  Staat  erklärt.  Die  Strafe  besieht  in  Landesverweisung  für  höchstens 
14  Jahre,  oder  in  3  bis  5jähriger  öffentlicher  Arbeit.  Die  brittische  Regierung  ging 
noch  weiter:  sie  bemühte  sich  auch  andere  Regierungen,  wo  nicht  zur  gänzlichen  Ab- 
schalfung ,  doch  wenigstens  zur  Beschränkiuig  des  Sclaveiihandels  ihrer  Ünterthanen 
zu  bewegen.  So  erhielt  sie  unter  andern  durch  den  Bundesvertrag,  den  sie  am  ig.  Febr. 
1810  mit  Portugal  schloss,  von  dem  damaligen  Prinz-Regenten ,  nunmehrigen  Könige 
von  Portugal,  die  Zusage,  dass  keinem  Portugiesen  erlaubt  seyn  sollte,  den  Negerhan- 
del in  irgend  einem  Theile  von  Afrika ,  welcher  nicht  zu  den  Staaten  dos  II  uises 
ßragatiza  gehört,  luid  in  welchem  dieser  Handel  durch  die  Mächte  Europas,  die 
sonst  diesen  Handel  trieben,  aufgegeben,  worden  ist  ^  zu  treiben  bj.  Ja!  Grossbrilan- 
nicn  machte  sich  mit  Frankreich  durch  einen  besonderen  Artikel  des  Pariser  Friedens- 
Tractates  vom  So-  May  1814  sogar  anheischig,  auf  dem  Congresse  zu  Wien  alles  auf- 
zubielhcn,  alle  christlichen  Mächte  zu  allf,'emeiner  Abschaffung  des  Sclavenhandels  zu 
vermögen  cj.   Don  zufolge   erklärten  die  bevoUniächligten  iMinister  der  auf  dem  be- 

3o 


234  J^"^-   Coiameroielle  Pr.  üLiiiion  oiltr  HainIiJ.   §.   ;25.   Haudcl  uauli  Ostindien,   Cfi  na  ,   e(d. 

sagten  Congressc  vcrsaiiimelleii  Mächte  am  8-  Feljr.  i8l5>  dass  sie  die  allgcnioine  Ab- 
scliaffung  des  Sciavenhandels,  einer  Geisscl,  welche  so  lange  Zeit  Afrika  Ijctiiibte, 
Europa  erniedrigte  und  die  Menschheit  kränkte,  als  eine  ihrer  Aufmerksamkcil  be- 
sonders würdige,  dem  Geiste  des  Zeitalters  und  den  edelmüthigen  Grundsätzen 
ihrer  erlauchten  Souveraine  gemässe  JNIaassregel  betrachtend  ,  von  dem  aufrichtigen 
Verlangen  beseelt  sind,  zur  schleimigsten  Ausführung  dieser  Maassrcgel  durch  alle  ih- 
nen zu  Gebolhe  stehenden  Mittel  beyzutragen. 

c)  S.  Mi&cellen  für  die  neueste  Weltkuude.   löii.  Nr.  27  u.  28.  S,   107  ff.  und  111. 

b)  S.  des  Freyherni  c.  Horinayr  Archi\   a.  a.  O.    1811.   i4  u.   i5.  S.  68. 

c)  Lettre  ä  son  Excellencc  Monseigneur  le  Prince  de  Tallefrand  Perigord ,  niinistre  et  secre- 
taire  d'etat  de  S.  M.  F.  G.  au  departemcnt  des  affaires  etrangeres ,  et  son  plenipotentiaire  au 
congres  de  Vieniie  au  Siijel  de  la  traile  des  Negres ,  par  M.  Pf''ilberforce  Ecuyer,  membre 
du  Parlament  britannique.  Traduite  de  l'anglais.  Oct.  i8i4-  8.  Vergl.  Götting.  gel.  Anz. 
i8i5.  St.  160.  S.  1587. 

§•    125. 

5)    Handel    der    Europa  er    mit    und  nach   Ostindien,  China,  Japan   und 

P  e  r  s  i  e  n. 

Erheblich  ist  ferner  der  europäische  Seehandel  nach  JUndostan  ,  oder  nach  dem 
sogenannten  Ostindien  aj.  In  altern  Zeilen  brachten  die  Araber  und  Saracenen  die 
indischen  Waaren  durch  das  rothe  Meer  nach  Aegjpten  bj  j  von  da  sie  nach  den 
grossen  Handelsstädten  am  tuitlclländischen  Meere,  Cairo  u\\^  Alexandria _,  versen- 
det wurden.  Hier  bohlten  sie  die  Venetinner  j  Genueser  und  andere  italienische 
Völker  ab,  und  verhandelten  sie  in  Italien  und  durch  das  übrige  Europa  mit  grossem 
Gewinne.  Erst  seit  den  grossen  Entdeckungen  der  Europäer  (s.  §.  i22-)  wurde  der 
leichtere  Weg  durch  den  Ocean  um  das  Vorgebirge  der  guten  Hoffnung  eingcfilhrt. 
Der  kunstreiche  Fleiss  der  Einwohner,  so  wie  der  uuermessliche  Productenreichlhuni 
Ostindiens ,  hat  dieses  Land  von  jeher  zum  vornehmsten  Sitze  der  Welthandlung  ge- 
macht. Daher  sind  alle  seefahrenden  Nationen  auf  den  ostindischen  Handel  eifersiicjuig. 
Von  den  Europäern  sind  gegenwärtig  besonders  die  Engländer  —  vorzüglicli  ihre 
ostindische  Handelsgesellschaft  —  im  Besitze  dieses  Handels  ;  nach  ihnen  folgen  die 
Niederländer  j  auf  diese  die  Fratizosen  ^  imd  alsdann  die  Vortugiesen  j  Spanier  und 
Dänen;  selbst  die  Schweden  schiffen  dahui,  ob  sie  gleich  daselbst  keine  Colonieu 
haben,  so  wie  diic  vereinigten  Nordamerikaner  j  die  kraft  des  Handelstractates  vom 
3.  Jul.  1810  befugt  sind,  nach  den  vornehmsten Niederlassimgcn  der  brittischen  Besi- 
tzungen in  Ostindien,  nähmlich  nacli  Calcutta  j  Madras j  Bombay  und  Prinz- Wal- 
lesinsel zu  schiffen,  und  mit  denselben  Handel  zu  treiben  dj. 

Der  Secliandel  der  Europäer  mit  und  nach  China  j  das  im  weiten  Verstände  auch  un- 
ter Ostindien  mit  begriffen  wird,  ist  auf  den  Hafen  von  Cr/,'?^o/t  beschränkt.  Bekanntlich 
macht  die  briltisch-ostiadische  Compagnie  die  meisten  Geschäfte.  Der  Einkauf  wird  nach 
denbis  1796  gemaehlen  Ladungen  im  Durchschnitt, zu  3o — 40 MiU.  Fr. berechnet,  die 
in  Europa  65 — 72  Mill.  einbrachten  ej.  Unter  den  Waaren,  die  ausgeführt  werden  , 
.teht  der  Thee  oben  an.  Es  n«hmen  aber  an  dem  chinesischen  Handel  auch  die  ]\ic- 


TV.   Com  merciclle  ProJucliou  od  1 1    HiiultJ.  'J.   j:0,   i!aidil   riHli   OsliLcIim,   Clin»,   utt.  .255 

t/erländer  j  J^Wtnzosen j  Portugiesen ^  D(",iien_,  Schweden  und  soii  1821  .niiHi  die 
O  esterreich  er  fj  Antheil.  Besomlcis  leidet  der  Handel  der  luighiiuler  nach  Cliiiin  srit, 
einigen  Decennien  darch  die  wachsende  Concnrrenz  der  vereinigten  JXordamcrika- 
ner.  y Ol-  1800  haue  der  nordamerikanische  Handel  nach  China  fast  gar  nicht  hegon- 
nen,  nnd  nnn  machen  die  jährlichen  Schiffsladungen  12,000  Tonnen  ans.  D<  r  ['ntcr- 
schied  ist  im  Ganzen  26  Proceni  zum  Vorlheil  von  Nordamerilia  mid  für  einige  Thee- 
sorten  70  Proceni;  der  Zoll  anf  diesen  Artikel  ist  g6  Procent  in  Grosshritannien  und 
in  Nordamerika  nur  |  Dollar;  der  amerikanische  Kaufmann  kann  dalier  das  Pfund  fast 
seclismahl  wohlfeiler  verkaufen  als  der  englische,  aus  welchem  Grunde  auch  eine 
grosse  Quantität  Theo  jährlich  in  England  aus  Nordamerika  ankommt,  wo,  wie  man 
herechnct ,  jährlich  für  5  Mill.  Pf.  St.  von  diesem  Artikel  eingeführt  wird.  Bey  allen 
Plackercycn  und  Betriegereycn,  welche  die  Chinesen  sich  gegen  die  Fremden  erlau- 
hcn,  müssen  diese  auch  noch  fast  alle  Waaren  mit  Silher  bezahlen  gj. 

Der  Handel  nach  Japan  j  das  hn  weilen  Sinne  ebenfalls  unter  Ostindien  mit  be- 
griffen wird,  ist  unter  allen  europäischen  Mächten  den  Äo//ä«r/e/vz  allein  verstattet, 
die  ausser  den  Chinesen  die  einzigen  Fremden  sind,  die  seit  der  Vertreibung  der 
Portugiesen  aus  Japan,  mit  den  Japanesen  in  Handelsverkehr  stehen.  Die  mannigfalti- 
gen Versuche  der  Engländer  und  Russen  zur  Eröffnung  eines  Handels  nüt  Japan 
waren  ohne  Erfclg.  Die  Geschenke  imd  selbst  der  Brief  dcj  Kaisers  Alexander  nn 
den  Kaiser  von  Japan,  welche  der  russische  Gesandte  im  J.  1804  mitgebracht  hatte , 
winden  zurückgeschickt.  Die  Russen  durften  durchaus  nichts  kaufen ;  dagegen  wurde 
ihnen  Alles,  was  sie  verlangten,  und  zwar  immer  von  der  besten  Qualität,  überdiess 
auf  zwey  Älonathe  Provision,  unentgeltlich  auf  Kosten  des  Kaisers  gegeben.  Der  hol- 
ländische Handel  nach  Japan  ist  auf  den  einzigen  Hafen  vou  ]\'angasackihcsc\\r'An\.\.. 
Es  ist  in  Japan  verbothen ,  die  Ladung  der  holländischen  Schiffe  mit  barem  Gelde 
7,u  bezahlen;  folglich' müssen  die  Vcrkänfci'  Landesproducte  in  Tausch  annehmen  lij. 
An  dem  Handel  mit  und  nach  Persien  nehmen  die  Russen  imd  die  Türken  An- 
theil; besonders  sind  die  Russen  in  diesem  Handel  begünstiget.  In  dem  Friedens-  und 
Freundschaftslractate  vom  i5.  Sept.  1814  ^^^^  Pei-siens  Beherrscher  nicht  nur  in  die 
Ernennung  russischer  Consuln  in  den  wichtigsten  Städten  seines  Reichs  und  den 
Handel  mit  und  durch  Persien  nach  Indien,  gegen  einen  sehr  geringen  Transitzoll  ge- 
willigt, sondern  dem  russischen  Reiche  auch  die  aussscUiessliche  Schifflahrt  auf  dem 
caspischen  Meere  zugestanden  tj,  wodurch  ^i'^/v;c//a7i  an  der  Mündung  der  Wolga 
sehr  gewonnen  hat. 

a)  In  äheren  Zeiten  liiess  Ostindien  sclileclitweg  Indien.  Als  aber  Columbus  eine  westliche 
Durchfahrt  nach  Indien  versuchen  wollte  ,  indessen  aber  auf  ein  neues  Land,  Amerika,  oder 
eigentlich  die  mexicanischen  Inseln,  stiess  ,  und  diese,  in  der  Meinung,  er  sey  bereits  in 
Indien  angekommen,  auch  Indien  nannte;  so  hat  dieser  geographische  Irrtlium  Veranlas- 
sung gegeben,  das  asiatische  oder  eigentliche  Indien  Ostindien,  und  die  mexicanischen  In- 
seln von  dem  westlichen  Vf ege ,  auf  welchem  Columbus  gekommen  war,  H^cslindien  zu 
nennen.  Von  eben  diesem  geographisciien  Irrtliume  kommt  auch  der  Nähme  Antillen.  Die 
Geographen  im  i5.  und  im  Anfange  des  16.  Jahrhunderts  setzten  auf  ihren  I^andkarlen 
China,  Japan  und  die  Moliikken  weit  mehr  gigen  Amerika,  und   betrachteten  die    niexica- 

3o* 


|56  IV.    C^nituerciflle  ProJuclii'ii  oJer  Hancul.   ^.    I25.  fl.indci  ii;cli   0>liijJk'ii,   C'i  iaa  ,   rtr. 

nischen  Inseln  als  einc^Ait  \on  Vorinseln,  iniJ  nannten  s.ii.'.aiite  illas  ([la-nlas  Ir,diae\  wor- 
aus der  verstümmelte  Nähme  Anlillen  entstanden  ist.  Der  Umfang  und  d'.<^  Bci'r.inzim"  von 
Ostindien  wird  übrigens  verschiedentlich  grnommen.  S.  Von  dem  Handel  der  europaiscli'^ii 
'Völker  nach  Ostindien  und  China,  und  der  Schädlichkeit  desselben  (ür  Europa  überhaupt; 
in  E.  Toze's  kleineren  Schriften  historischen  und  statistischen  Inhalts,  herausgegebi^n  von 
C.  Fr.  Faigl.  Leipzig,  1791.  S:  i24  ff.  Vergl.  D.  J.  C.  Fabrl's  Handbuch  der  neuesten  Geo- 
graphie. Halle,  1819.  Tbl.  2.  S.  148. 
6)  Es  ist  merkwürdig ,  dass  gerade  in  dem  Augenblicke ,  wo  die  Engländer  ncut;  Versuche 
zur  Entdeckung  einer  nord»vestlichen  Durchfahrt  und  eines  neuen  Seeweges  nach  Indien 
und  China  machen  ,  der  unternehmende  Pascha  von  Ägypten  den  alten  Handelsweg  über 
das  rothe  Meer  nach  Indien  wieder  hergestellt  hat.  Die  Waaren  worden  zuerst  nach  Suez 
gebracht,  und  von  dort  über  die  Landenge  nach  Alexandria  geführt.  S.  Polit.  Journ.  Febr. 
1818.  S.   110  ff. 

c)  S.  Historische  Skizze  des  brittisch-ostindischen  Reichs  und  Handels  in  den  Hauptperioden 
seiner  Vergrösserung ;  in  dem  Polit.  Journ.  März,  1810.  S.  217  ff.  April.  S.  347  ^-  May. 
S.  427  ff.  —  Das  alte  und  neue  Ostindien  ,  eine  vergleichende  Beschreibung  von  ErnesU. 
Gotha,   1812.  Vergl.  H.  A.  L.  Z.  i8i2.  Nr.  45.  S.  356. 

d)  S.  Beyl.  z.  A.   Z.   1816.  Nr.   19. 

e)  In  dem  Werke  „Reise  nach  Peking,  Manila  und  Isle  de  France,  in  den  Jahren  1781  — 
1801  ,  \on  Hrn.  de  Guig/i«s.  Aus  dem  Französischen  von  K.  L.  M.  Müller.  3.  Thl.  Leipzig, 
i8io.  Vergl.  H.  A.  L.  Z.  Nr.  167  und  168.  1811."  ist  S.  2i5  enthalten  ein  Verzeichniss 
der  europäischen  Compagnien,  die  nach  China  hatideln  ,  der  Importen  und  Exporten  u.  s.  w. 
Vergl.  den  zweyten  Theil  der  ,, Reise  um  die  Welt  in  der.  Jahren  ioo3,  i8o4,  i8o5  und 
j  806  auf  Befehl  Sr.  kaiserl.  Majestät  Alexander  I.  auf  dcii  Schiffen  Nadesclida  und  Nevva 
unter  dem  Commando  d''s  Capitäns  von  der  kais.  Marine,  .4.  J.  c.  Krase/i'.frrn,  St.  Peters- 
burg, 1811.  Virgl.  H.  A.  L.  Z.  iBii.  Nr.  127,  128  u.  129",  wo  die  Nachrichten  von 
China  von  S.  29.5 — 382  reichen ,  und  unter  andern  eine  Übersicht  des  Handels  der  europäi- 
schen Nationen  mit  China  enthalten  ist. 

J")  Am  27.  August  1821  langte  die  k.  k.  Corvette  Carolina  mit  einer  Quecksilberladung  glück- 
lich zu  Caräon  an.  S.  Osterr.  kaiserl.  priv.  W.  Z.  1822.  93. 

g)  Die  irillischen  Gesandtschaften,  welche  in  den  Jahren  1792  und  1816  nach  China  in  der 
Absicht  abgegangen  waren  ,  um  für  den  englischen  Handel  grössere  Begünstigungen  ,  als  an- 
dere europäische  Nationen  erhalten  konnten  ,  auszuwirken  ,  hatten  dieses  Land  ^viede^  ver- 
lassen müssen  ,  ohne  ihren  Zweck  erreicht  zu  haben.  Die  Ver-veigerung  des  ,,Ko-tou  ,"  d.  h. 
der  Ceremonie  des  Niederwerfens  bey  der  feyerlichcn  Audienz,  soll  die  einzige  Ursache  ge- 
wesen seyn  ,  um  welcher  die  briltischen  Gesandtschaften  ihren  Ziveck  verfehlten,  so  wie  die 
im  J.  i8o5  in  ähnlicher  Angelegenheit  abgeordnete,  fast  aus  5oo  Personen  bestandene  russi- 
sche Gesandtschaft  aus  d<'mselben  Grunde  ihrem  Zwecke  nicht  entsprochen  haben  soll,  und 
unverrichteter  Sache  wieder  abziehen  musste.  Aber  auch  die  1794  in  gleiche  Absicht  ab- 
geordnete holländische  Gesandtschaft  war  nicht  glücklicher,  ungrachtet  sie  sich  nicht  wei- 
gerte ,  jene  Ceremonie  bey  der  Begrüssung  des  Kaisers  zu  beobachten.  In  Peking  erschien 
sie  täglich  vor  Tagesanbruch  in  dem  Pallaste,  um  dem  Kaiser  ihre  Ehrfurcht  nach  Land.-s- 
sltte  dadurch  zu  bezeugen,  dass  sie  auf  den  Kaien,  mit  dem  Kopfe  die  Erde  neunmal  beiühvte! 
S.  Jen.  A.  L.  Z.   181 1.  Nr.  32.  S.  202. 

h)  ÜTjer  den  Handel  der  Europäer  nach  Japan  ;  in  den  Miscellen  aus  der  neuesten  aur.ländi- 
schen  Literatur.  1817.  Erstes  Heft.  Jena,  1817.  S.  i63 — 172.  —  Vergl.  II.  A.  L,  Z.  1811. 
Nr.    19.  ,  und   1819.  Nr.   19. 

i)  S.  Polit.  Journ.   1818.  März.  S.  199. 


iV.  C.rvriorf.   PriJuct.   od.  llAsdcl.  ^V   i:6.   lliixle!  natli  Aaijula  «.  Ainlr»li'«-  ^.    ir;.  Ij'orlsct/.i'.iij;.     S31 

S-  126. 

4)    Handel    der    Europäer    mit    und    narli    Amerika    und  Au«  trauen. 

Üherdiess  haben  die  Europäer  einen  sehr  vortheilhaften  Aniheil  an  den  Handcls- 
spcculalionen  iKieh  yiinerika.  So  lange  in  diesem  Erdiheilc  bloss  das  Colnnidlsj  sieni 
Slatl  iand  ,  handelte  jedes  europaische  Mullerland  nur  nach  seinen  Golonien^  tuid 
schloss  die  andern  europäischen  Völker  davon  aus ;  aber  seitdem  die  meisten  engli- 
schen Colonien  in  Nordamerika  einen  Slaatcnbimd  errichtet ,  und  ihre  Häfen  allen 
friedlichen  Nationen  geöffnet  ha])cn,  so  treiben  mehrere  europäi.sciie  Völker  Handel 
mit  ihnen.  Eben  so  ist  seit  1814  der  Handel  nach  Brasilien  ganz  frcy.  Dagegen  ist  dei' 
Handel  nach  Grönland  nur  den  Dänen  allein  erlaubt,  so  wie  der  Konig  der  Nieder- 
lande den  Handel  nach  Surinam  bloss  seinen  Unteithanen  vorbehalten  hat.  Eben  so 
waren  bisher  von  dem  spanischen  Amerika  alle  auswärtigen  Nationen  ausgeschlossen. 
Gleichwohl  waren  zwey  Dritttheile  der  Waaren ,  die  nach  dem  spanischen  Amerika 
gingen,  ausländische,  welche  der  spanische  Kaufmann  ans  der  Fremde  kommen  liess, 
um  die  Colonien  damit  zu  versorgen.  Er  bczalilte  sie  dann  nach  einiger  Zeit  nut  den 
von  dorther  erhaltenen  edlen  Metallen  und  Retourladungen  aj.  Allein  gegenwärtig 
ist  dieser  Handel  durch  den  Tnsurrectionskrieg  fast  ganz  gehemmt.  Denn  die  Etißliin- 
der j  Portugiesen  und  die  vereinigten  Nordamerikaner  haljen  sich  neue  Mäikie 
im  spanischen  Amerika  geöffnet,  wo  jetzt  die  Güter  dieser  Nationen  in  weit  grösserem 
Maasse  und  frey  eingefdlirt  werden,  während  sie  zuvor  nur  sparsam  und  contrcbands- 
wcise  eingeführt  wurden. 

Endlich  wird  auch  Australien  von  den  Europäern,  aber  bisher  nur  von  AcnEiig~ 
Hindern  j  Russen  und  Spaniern  bj ,  dann  von  den  ycrcmv^^iaw  Nordamerikanern  des 
Handels  wegen  besucht. 

a)  Jährlich  srgelte  eine  Kauffahrtc)  Holte  von  16  grossen  Schiffen  (;\  1000  Tonnen)  von  Cadix 
nach  Amerika,  untl  kam  in  i^  Jahren  von  Vera-Cruz ,  dem  Mittelpuncle  des  neuspanischen 
Handels  mit  Europa  und  den  Antillen,  mit  reichen  Rctour-Ladungen  zurück.  Einzelne  Re~ 
gislerschiff'e  gingen  noch  besonders  dahin  ab.  Es  hat  einzelne  Jahre  gegeben,  wo  für  i3o 
Mill.  fl.  europäische  Waaren  in  den  spanischen  Colonien  eingeführt  wurden,  und  wo  diese 
für  i5o  Mill.  fl.  wieder  nach  Europa  hinschickten,  worunter  80  Mill.  fl.  an  Wertli  in  edlen'- 
Metallen  waren.  S.  Crome  a.  a.  O.  S.  281. 
6)  S.  Polit.  Journ.   1818.  April.  S.  3iO. 

§•    127. 
Fortsetzung. 

Am  vortheilhafieslcn  ist  den  Europäern  der  amerikanische ^  afrikanische  und 
Sndseehandel _,  weil  sie  dabey  vornehmlich  ihre  Kunsiproducte ,  sellist  solche,  die 
von  geringer  Qualität  sind,  und  desshalb  in  Europa  keinen  Al>satz  finden,  an  Manu 
bringen,  und  dafür  Naturproducic  eintauschen  können.  Hingegen  in  Ostindien ^  Ja- 
pan und  China  müssen  sie  fast  Alles,  was  sie  kaufen,  mit  barem  Gelde,  imd  in  letz- 
terem Lande  vornehmlich  mit  Silber  bczalden  aJ.  Auch  nach  Persien  und  der  Türkejr 
geht  viel  bares  Geld  durch  den  Handel.  Die  vielen  Millionen  Gold  und  Silber,  wcl- 


2JiB  IV.  Coiumcrc.   Proiluct.   od.   H^iudel.   ^.    128.   Loiulli.indil     ^.    1J9.    Eiiifiiiailiktl   iiac!.'   Europa. 

che  bisher  Amerika  nach  Europa  schickte,  ^vurden  also  durch  den  Handel  nach  Asien 
grösslen  Tlieils  wieder  versclilungen,   objjleicli  die  Europäer,  besonders  die  Englän- 
der, seit  einigen  Jahren  sich  bestreben,  ausser  Silber,  auch  andere  Tauschmiltcl  in 
diesem  complicirlen  Handel,  der  so  viele  Kräfte  in  Thätigkeit  setzt,  anzuwenden. 
a)  S.     Tuze's   kleinere   Schriften   a.    a.    O.    S.    124 — ^i5ü.    S.     iSg  lieisst  es :  Ncqiie  eratexterno 
commercio  locus,  ni  Sinain.  infinita  quaedam  leneret   argenli  cupidllas.  Id  praeferunt  auro  , 
et  cum  indidem  effossum  ,  tum  e  remolis  regionibus  Lllatum  asidissim^e  accumulaiU. 

§.    128. 
b)     L  a  n  d  h  a  n  d  e  f. 

Z,u  Ltuide  treiben  nur  die  Russen  und  Osmaneii  j  vornehndich  die  asiatischen  j 
Handel  ausser  Europa.  Russlands  Landhandel  erstreckt  sich  nicht  nur  nach  den  be- 
nachbarten europäischen  Staaten ,  nahmentlich  Schweden  j  Preussen ,  Oeslerreich 
und  der  Tiirkey j  sondern  auch  nach  Asien,  nahmentlich  nach  Persien j  dem  Kau- 
kasus j,  der  Bucharej  und  Tatarej  und  nach  China.  Der  Haupthandelsplatz  fiir  die- 
sen uiiermesslichen  Landhandel  ist  Moskau _,  so  wie  St.  Petersburg  es  für  den  rus- 
sischen Seehandel  ist.  Der  russische  Landhandel  nach  Asien  wird  durch  Kara\>anen 
getrieben,  so  wie  die  asiatischen  Osmancn  mit  den  benachbarten  Nationen,  den  Ara- 
bern y\\\i\^Persern j,  wegen  der  Unsicherheit  der  Landsirassen,  durch  Karavanen  ban- 
deln. Man  Ijrauclii  dabey  zum  Transporte  der  Waaren  Kamehle.  —  Die  Richtung  des 
für  Russland  nicht  unbedeutenden  TransiLohandels  ist  ebenfalls  Asien.  Im  J.  i8o5 
wurden  an  europäischen  Waaren  nach  Asien  für  6,010,840  Rubel,  luid  wieder  asiati- 
sche Waaren  nach  Europa  für  75,608  Ruh.  durchgefiibrt ;  die  Rückfracht  europäischer 
Waaren  nach  Asien  betrug  in  jenem  Jahre  333-.570  Ruh. 

^-    129. 
Ei  n  fu  li  rart  I  kel    aus    andern    E  r  d  t  !i  e  i  1  e  n    nach    Europa. 

Aus  Asien  hohlen  die  Europäer  eine  Älengc  Gewürze  und  Apothekcrwaaren^ 
Färbestofle,  besonders  Indigo  j  dann  Thee  ,  KafTeh,  Zucker,  allerley  Leder,  Pelzwerk, 
Baumwolle,  Baumwollengarn,  türkisches  Garn,  Mousselin,  Nauquius,  weisse  baum- 
wollene Tücher,  viclerley  Arten  von  Kattun,  rohe  Seide,  seidene  Zeuge  und  Schnupf- 
tücher,, kostbare  Shawls,  Tapeten,  Stoße  uud  Zeuge,  die  theils  ganz  aus  Seide, 
theils  aus  Mischungen  von  Seide,  Baumwolle  mid  Bast  oder  Baiunrinde  bestehen; 
ferner  Reis,  Arak,  Galläpfel,  Elfenbein,  Kamehlhaar,  Kämelgarn  ,  spanische  Röhre; 
endlich  Gold,  Kupfer,  Zinn,  Edelsteine,  Perlen,  Salpeter,  Porcellan,  lackirte ^Vaaren 
und  andere  Artikel, 

Aus  Afrika  bezieht  Europa  Menschen  (obgleich  jetzt  nur  durch  Schleichhandel, 
folglich  bey  weitem  nicht  mehr  so  viel,  als  im  achtzehnten  Jahrhundert),  Alfen  und 
Papageyen,  Flachs,  Hanf,  Getreide,  Reis  und  Hidsenfrüchle,  vortreffliche  Weine 
von  Madera  und  Constaniia,  Bauniöhl ,  Mandeln,  Datteln,  Feigen  und  Rosnicn ,  Wol- 
le, Baumwolle,  Gold  in  Stangen  und  Goidslaiib,  Kupfer,   EIfcnlieiu,  Straussrcderu , 


IV.  Il.inJe!.   §.   iüo.  Ausfuhrarlikel  Europa's.   ^.   i3i.  Aiisgicicjiiiiip  de. 


2 ''9 


Gummi ,  Salmiak,  Seiicshlditer,  Saüor,  Honig,  \Vachs,  Draclicnbliil,  IliiiUC,  allcrioy 
Leder,  Zucker  und  andere  Waaren. 

Aus  yJiiier-ika  einjifangcn  die  Europäer  Bau-,  Tischler-  und  Färljcliolz,  Schifls- 
mastcn,  Fische,  Häute,  Pelzwerk,  Eiderdunen,  Baumwolle,  KalFch,  Zucker,  Kiim  , 
Syrup,  Kakao,  Vanille,  Indigo,  Cochenille,  Vigoguewolle ,  Wachs,  Reis,  in  ucMu-rn 
Zeilen  auch  Getreide  und  Mehl,  Tahak,  Ingwer,  Piment  oder  Brasilienpfeffer,  Fie- 
berrinde, Sassaparille,  peruvianischen  Balsam,  Gold,  Silber,  Pialina,  Kupfer,  Ei- 
sen, Perlen,  Diamanten  und  andere  Edelsteine, 

Aus  Australien  erhält  Europa  Kokosnüsse,  Pisangs,  Zucker,  \ustem  ,  Schildkrö- 
ten, Producie  vom  \\  nllfischfang ,  Perlen  luid  andere  Artikel. 


S-   l3o. 

A  u  s  f  u  h  r  a  r  1 1  k  c  1    aus    Europa    nach    den   andern    li  r  il  t  li  i'  i  1  c  n. 

Dagegegen  empfangen  die  andern  Erdtheile  sehr  viele  Artikel  aus  Eiuopa,  vor- 
nehmlich Kunstproducie ,  worunter  selbst  fertige  Kleidungsstücke,  als  Schuhe,  Slriim- 
pfe,  rothe  und  weisse  wollene  Mützen,  sogar  abgetragene  Kleider  gehören ,  wovon 
unter  andern  ganze  Schiffsladungen  von  London  nach  Spanisch- Südamerika  gehen", 
ferner  Leinwand,  Spitzen,  Tressen,  Zwirn,  Papier,  Spielzeug,  Taschenuhren,  liöl- 
zerne  Wanduhren ,  Brillen,  Ferngläser,  Glaswaaren ,  Spiegel,  Schmelzliegel,  Töpfcr- 
waaren,  Porcellnn,  Schmälte,  Bronzearbeiten,  Tischler- und  Wagncrarbeiien,  Schiess- 
pulver, Flinten,  Pistolen  mid  Flintensteine;  ferner  Tuch,  wollene,  Jjaumvs'ollene  und 
seidene  Zeuge,  Branntwein,  feine  Litjucurs,  Bier,  Eisen-,  Siahl-  und  andere  Metall- 
waaren,  Korallen,  Glasperlen  und  geschliffene  Juwelen :  endlich  edle  Metalle,  vor- 
nehmlich Silber  (Asien),  nebst  Eisen,  Kupfer,  Bley,  Zinn,  Quecksilber,  ^lincralv.as- 
scr,  westphälischcu  Schinken,  S])eik  und  anderen  ^Vaareu. 

S-  i3i. 

A  u  i  g  1  ei  c  h  u  n  g    der    Schuld    Europa's    für    die    Consumtion    a  u  s  s  p  ro  u  r  o  pU  1- 

scher   W  a  a  r  e  n . 

Unter  den  oben  (§.  12g)  angegebenen  Waaren,  welche  Europa  zur  jährlichen 
Consumtion  aus  den  anderen  Erdlheilen  bezieht,  sind  unstreitig  folgende  7  Artikel  in 
Ansehung  ihrer  Mensje  und  ihres  Werthes  die  erheblichsten: 


1)  Zucker         —  6,6i4;658  Ctr.  ä     5o  fl.  CM. 

nach  andern  j^  Mill.  Clr.  aj. 

2)  Kaßch        =  i,3i4,55o  Ctr.  i    66  fl.  CM. 

3)  Thee  = 

4)  Kakiio  = 

5)  F/c/fer         = 

6)  Baumwolle  = 

7)  Indigo  = 


460,000  — 

a 

225 

23o,ooo  — 

a 

45 

226,660  — 

a 

5o 

g5o,ooo  — 

a 

45 

97,000  — 

a 

5oo 

330,732,900  fl.  CM. 

86,760,300  n.  CM. 

101,200,000 

io,35o,ooo 

11,333,000 

42,750,000  — — 

48,500,000 


die  zusammen  einen  Werih  von  mehr  als  63 1,000,000  fl.  CM. 


•  4o  IV.   CoiiirBerc.   Product.   od.  HaiiJil.  §.   i52.  H..ndcl  der  Europäer  unter  sitli. 

haben,  und  mit  den  andei'ii  Gewürzen,  ausser  Pfeffer,  Specereyen,  den  andein  Farbe- 
stufTen,  ausser Indifi,o,  mit  den  sämnillichen  Apolliekerwaaren,  den  Häuten,  mit  Taljak, 
Beis,  Diamanten,  Perlen  und  so  vielen  andern  Artikeln  gewiss  700  Mill.  fl.  bcirni;cn  ^_^. 
Diese  Schuld  Europas  für  die  jährliche  Consumtion  an  die  andern  Erdtheile  ward 
bisher  in  Hinsicht  au^  jiinerika ^  Jfiika  und  ./mtralien  mit  Waarentausch  (s.  §.  12-') 
ausgeglichen,  Avährend  nach  ^sieii  vori/chmlich  Gold  und  Silber  gingen,  welche  bey- 
de  edle  Metalle,  besonders  Silber^  nebst  einer  Ungeheuern  Älenge  anderer  Waaren, 
zur  Ausgleichung  hauptsächlich  das  spanische  Amerika  lieferte.  Da  nun  durch  den 
Abfall  der  spanischen  Colonien  in  Amerika  von  dem  Mutterlande ,  durch  die  letztjäh- 
rigen Unruhen  und  Kriege  im  europäischen  und  amerikanischen  Spanien  die  Gold- 
und  Silberzufuhren  sich  verringerten  cj ,  und  zugleich  der  Absatz  europäischer  Waa- 
ren nach  Amerika  sich  sehr  verminderte :  so  lässt  sich  die  Geld-  und  Handelssluckung 
(^•klären,  die  wir  jetzt  in  Europa  wahrnehmen  und  empfinden,  und  die  mn  so  auffallender 
hervorti-elen  mnsste,  je  allgemeiner  jener  Abfall  wurde.  Sollte  die  gänzliche  Einauci- 
y)ation  des  spanischen  Amerika  erfolgen:  so  wird  dieses  Ercigniss  eben  so  gewiss  eine 
t'olgcnrciche  Umwälzimg  in  den  industriellen  ,  commerciellen  und  politischen  Verhält- 
nissen Europa's  herboyführen,  als  eine  solche  im  16.  Jahrhundert  durch  das  Ein- 
strömen der  amerikanischen  Schätze  nach  Europa  ]>ewirket  worden  ist. 

a)  S.  t>.  Ziinmennann's  Schrift:  Über  Westindien  ,  dessen  Colonialvvaaren  und  deren  Surro- 
gate. Yergl.  H.  A.  L.  Z.  i8i2.  Kr.  71.  S.  564  ff-  —  Übersicht  der  ausländischen  Culorrial 
waaren  und  ihrei-  inländischen  Surrogate  aus  dem  Pflanzenreiche.  Von  Dr.  Fr.  J.  Bertuch  elc 
Weimar,   i8i2.  8.   Yergl.  H.  A.   L.  Z.    1812.  Nr.   igS,    194. 

b)  S.  Andres  Statistische  Übersicht  und  Merkwürdigkeiten    der  europäisclien  und  aussereuro- 
päischen  Staaten.   Prag,   1821.  S.    11  — 15. 

c^   Bemerkungen  über  die  Abnahme  des  Geldes  inEuropa;  in  derBeyl.  z.  A.  Z.  lo.  Febr.  1821. 

§.    l3'2. 
B.    n  a  n  d  e  1    d  e  r    E  uro  p  ä  e  r    un  t  er    s  1  eh. 

Die  grosse  JMannigfaltigkcil  des  Klima's  in  den  europäisclien  Ländern,  die  ^  er- 
.-^i  biedenheil  des  Bodens,  der  Naturjjroducte  und  der  Fruchtbarkeit  überhaupt;  dann 
der  gross«' ,  in  Ansehung  des  Kimstfleisses  herrschende  AI)stand  imd  [die  daher  ent- 
springenden gegenseitigen  Bedürfnisse  machen  den  Handel  zwischen  den  europäi- 
sclien Staaten  eben  so  nothwendig,  als  er  wirkhch  lebhaft  ist.  Diese  Nothwendigkeit 
und  Lebhaftigkeit  des  Verkehrs  wird  um  so  einleuchtender,  je  mehr  man  auf  den 
Überfluss  oder  Mangel  Rücksicht  nimmt,  der  einige  europäische  Länder  zu  Verkäu- 
fern ,  die  anderen  zu  Käufern  veranlasst  und  bestimmt.  Und  gehet  man  die  vorher- 
gehenden  Abschnitte  von  der  Ur-  und  industriellen  Production  mit  einem  Rückblicke 
noch  einmal  durch :  so  wird  man  finden,  dass  Grossbritanme?i_,  Frankreich^  Deutsch- 
land ,  die  Äiederlande  j  die  Schweiz  und  Italien  das  üljrigc  Europa  vornelimlich 
mit  Kunsterzeugnissen  versorgen,  während  llusslandj,  Polen  ^  Dänemark  ^  Schwe- 
den und  A'orwegen  j,  so  wie  Ungern _,  Galizien  ^  Portugal ^  Spanien  und  die  Z"«/-- 
kej  den  übrigen  europäischen  Ländern  hauptsächlich  Naturproduclc  überlassen.  Die 
iiaii]Hniederlagen  fiir  Culonialwaareji  aber  shid  London  luid   Amsterdam,,    nächst 


IV    Commerc.  Product.  od.  Handel.   §.   i35  Haiidelsbilauz.  241 

diesen  Lissaf>07i  und  Hamburg  j,  nach  welclicr  letzteren  Handelsstadt  allein  schon 
oft  in  einem  einzigen  Jahre  58,.5oo  Fass  Kaffch,  980,000  Ctr.  Zucker  u.  s.  w.  einge- 
führt worden  sind,  obgleich  Deutscliland  keine  Colonien  in  anderen  Erdtheilenl  be- 
sitzt. Dagegen  ist  Deutschland  durch  seine  Lage,  in  der  Mitte  zwischen  den  fabrici- 
rendcn  Landern  und  jenen,  welche  die  Productc  dieser  kunstfleissigen  Länder  (s.  oben) 
bedürfen ,  der  Markt  von  Europa.  Mittelst  seiner  Messen  (zu  Leipzig  luid  Frankfurt 
a.  M.)  concentrirt  sich  der  Austausch  des  Osten,  Westen,  Süden  und  IVorden  von 
Europa  auf  einen  Punct. 

§.   l35. 

*  Handelsbilanz. 

Die  Vortheile  der  einzelnen  Staaten  aus  dem  Handel  werden  gewöhnhch  l)erech- 
net  nach  der  Bilanz  des  Handels ^  worunter  man  die  Einführe  undAusfiihre  in  einem 
Jahre  versteht.  "Wird  aus  einem  Staate  mehr  aus-  als  eingefiihrt,  so  sagt  man,  der 
Staat  treibe  einen  Jctwhandelj  im  Gegentheile  einen  Passivhandel ;  letzteren  nen- 
net man  auch  jenen  Handel,  den  ein  Volk  treibt,  das  grössten  Thcils  durch  Fremde 
seine  Producte  versendet  und  seine  Bedürfnisse  erhält.  Den  Überschuss  der  Ausfuhre 
über  die  Einfahre,  oder  der  Einführe  über  die  Ausfuhre,  welcher  mit  barem  Gelde 
ausgeglichen  wird,  sieht  man  gewöhnlich  als  Gewinn  oder  Verlust  an,  obgleich  diess 
nicht  in  allen  Fällen  richtig  ist.  Denn  erstens  sind  die  Zollregister  über  die  ein-  und 
ausgeführten  Waaren  gewöhnlich  so  mangelhaft  und  unvollständig,  dass  sich  aus  den- 
selben mit  keiner  Sicherheit  etwas  schliesscn  lässt.  Dann  beweisen  Handelsbilanzen 
an  sich  nichts  gegen  den  Naiionalwohlstand  derjenigen  Nationen,  welche  mit  mehr 
Importen  als  Exporten  erscheinen,  weil  der  Staat,  der  Handel  treibt,  im  Grunde  nie 
verliert,  wohl  aber  gewinnt.  Überdiess  kann  es  oft  vortheilhafter  scyn,  mit  barem 
Gelde,  als  mit  Wa.iren  zu  bczalilen ,  wenn  die  Nation  nur  immer  das  Äquivalent  erhält 
und  zwar  in  solchen  Waaren ,  die  für  dieselbe  nützlich  sind,  und  dagegen  W'aaren  ab- 
setzt, die  inländische  Natur-  oder  Kunstproducte  sind.  Man  kann  daher  eigentlich 
nur  sagen:  der  N'ortheil  vom  Handel  ist  iür  eine  JNation  grösser  oder  kleiner,  je  nach- 
dem die  Ausführe  oder  Einführe  gegen  frühere  Jahre  zu-  oder  al)ninmu;  der  Yortheil 
einer  Nation  aus  dem  Handel  ist  grösser  oder  kleiner  als  der  einer  andern,  Aveil  sie 
jährlich  mehr  aus-  als  einfahrt;  man  kann  aber  nicht  behaupten,  die  andere  Nation 
verliere;  sie  gewinnt  ebenfalls,  nur  ist  ihr  ^  ortheil  nicht  so  gross.  Eben  so  kann  der 
Vorlheil  grösser  seyn,  wenn  sie  solche  Producte  einführt,  die  Anlass  zu  Verdienst 
durch  Arbeit  geben.  Man  hat  denmach  bey  der  Handpisbilanz  nicht  sowohl  zu  fragen: 
ob  der  Handel  Geld  in's  Land  bringe?  sondern  vielmehr,  ob  er  gegen  die  früheren 
Jahre  zu-  oder  abnehme,  und  die  Nationallteschäftigung  vermehre  oder  vermindere? 
dann  wird  man  beurtheilen  können ,  ob  ein  Volk  im  Handel  gewinne  oder  verhere  aj. 
Man  ihcilt  in  der  Hinsicht  die  europäischen  Staaten  1)  in  solche,  die  jährlich  immer 
gewinnen,  die  immer  eine  grössere  Aus-  als  Einfahre  haben;  2)  in  solche,  die  jähr- 
lich immer  verlieren,  wo  es  umgekehrt  i'^t;  5)  endlich  in  solche,  deren  Handel  im 
Gleichgewichte  steht,  die  eben  so  viel  ausüihrea,  als  einführen,  ohne  am   Ende  ba- 


24i  IV.  Couinierc.  Product.  od.  Handel.  §.   i33.  Handelsbilanz. 

res   Geld  zu  gewinnen  oder  zu   verlieren.  Dass  diese  Einllieilung  keine  richtige  Basis 
liabe,  erliellcl  aus  dem  Vorhergehenden. 

Um  die  vornelmistcn  Staaten  Europa's  in  Ansehung  ihrer  Handelsbilanz  kennen 
zu  lernen,  mögen  folgende  Angaben  von  dem  Werihe  ihrer  Aus- und  Einführe  zur 
Vergleichtuig  dienen. 

Was  die  Handelsbilanz  Gi'osshritanniens  betrifft :  so  betrug  die  Ausfuhre  dessel- 
ben im  J.  1790  l8,5l3,öOO  Pf.  St.  (worunter  für  mehr  als  i3  Mill.  Manufacturwaaren , 
ehedem  nur  10  Mill.),  und  die  Einführe  17,828,000  Pf.  St. ,  folglich  belief  sich  der 
Überschuss  der  Ausfidire  auf  685,ooo  Pf.  St.  hi  der  Folge  erschien  eine  beständige 
Zunaluxie,  besonders  der  Ausfuhre.  So  ward  im  J.  1800  die  Ausfidire  auf  41,100,000 
Pf.  St.,  die  Einführe  auf  3o  Mill.  angegeben;  1806  stieg  die  Ausfuhre  auf  ^3  Mill., 
1807  auf  47  Mill.,  1817  auf  5l  Mill.,  und  1818  machte  die  Ausfuhre  englischer  Ma- 
nufacturwaaren  nach  dem  europäischen  Continent  allein  35,3'25,ooo  Pf.  St  ,  oder 
353,25o,ooo  Gonv.  Gulden  aus. 

In  Frankreich  soll  vor  der  Revolution  in  den  Jahren  1784 — 1787  der  Werth  der 
Einfidire  jährlich  301,727,000  Liv.,  die  Ausfuhre  aber  554,423,000  Liv. ,  und  1788  letzte- 
re gar  412  Mill.  Liv.  betragen  haben.  Darunter  befanden  sich  124  Miii.  an  französischen 
Producten,  i3i  MiU.  an  französischen  Fabrikwaaren ,  und  167  Mill.  an  Colonialwaaren. 
Bis  zum  Anfang  dieses  Jahrhunderts  nahm  die  Aus-  und  Einführe  ab;  beydes  stieg 
aber  wieder;  1812  belief  sich  die  Einführe  auf  129,900,000,  die  Ausführe  auf 
142,200,000  fl.  Indessen  wird  der  auswärtige  Handel  dieses  Reichs,  vornehmlich  der 
See-  und  Colonialhandel ,  kaum  mehr  so  blühend  werden ,  als  er  um  die  Mitte  des 
vori^'en  Jahrhunderts  war,  da  durch  die  Scludd  der  Revolution  die  Marine  und  mit 
ihr  der  See-  luid  Colonialhandel  sehr  gesunken  ist. 

In  Russland  betrug  in  4  Jahren  (1802 — 1800)  die  Ausfuhre  261,700,000  Rubel, 
die  Einführe  217,000,000  Ruh.,  folglich  war  das  Plus  der  Ausfuhre  über  die  Einfidire 
in  4  Jahren  =  44,700,000  Rub.  Seitdem  ist  beydes  fast  ununterbrochen  so  bedeutend 
«restiegen ,  dass  im  J.  l8ig  die  Ausfuhre  über  210  Mill.  und  die  Einführe  über  167 
]\lill.  betrug,  foli,dich  der  Handelsgewinn  dieses  einzigen  Jahres  jenem  vierjährigen 
Überschusjc  fast  gleich  kam,  und  die  Zolleinnahme  von  der  Ein-  luid  Ausfuhre  sich 
auf  39,793,340  Rub.  belief.  Dagegen  fand  eine  so  grosse  Differenz  in  der  russischen 
Handclslnlanz  noch  nie  Statt,  wie  im  J.  1820,  wo  aus  dem  St.  Petersburgerliafen 
allein  für  io5,o85,920  R«b.  Waaren  ausgeführt,  und  für  180,388,897  Rnb.  in  densel- 
ben eingeführt  wurden ,  der  Werth  der  Einführe  also  den  der  Ausfulire  um  mehr  als 
75  MiU.  Rub.  überstieg  bj. 

Die  Einführe  in  die  österreicJuscheii  Staaten  betrug  im  J.  179.6  25,8i6,334  ^- ■> 
während  die  Ausfuhre  sich  auf  3o,826,59gll.  belief;  zehn  Jahre  später  betrug  die  Ein- 
führe 47,6l3,025  fl-,  die  Ausfuhre  27,712,947  iL  Im  Jahre  1807  war  die  Eirifidu-e  = 
44,669,050  11. ,  die  Ausfuhre  =  26,927,837  fl-,  folglich  wurde  in  dem  besagten  Jahre 
um  17,741,000  fl.  mehr  eingeführt  als  ausgeführt.  Nach  einem  dreyjährigen  Durch- 
schnitte von  1809 — 1811  beUef  sich  die  Einführe  auf  43,266,234  ß. ,  die  Ausfuhre  auf 
31,268,372  11.,  folglich  war  das  Plus  der  Einführe  über  die  Ausfuhre  =  11,997,862  A- 
Gegenwärtig  hat  der  österreichische  Handel  eine  ganz  andere  Gestalt.  Denn  im  J.  1807 


IV.  CiinTPci  ulle  Proilurtion   oder  Hancl.I.   §.   i34.  Landstrassen  uml  Posten.  Jjä 

waren  Mailand,  VeneJiij,  Dalinatifla  und  Tyrol  keine  Bcstandilicilc  der  östcrreiclii- 
sclieiJ  Monnrcliie  ,  iiiivl  der  Wicnor  Friede  vom  J.  i8oq  liatte  dcr.scll>cn  aucli  das  ge- 
genwärlij^e  Königreich  lllyrien,  Salzburg,  einen  Tlieil  vom  Lande  ob  der  Euns  und 
einen  Theil  von  Galizien  entrissen.  Da  nun  alle  diese  Länder  mit  dem  Mutterstaate 
wieder  vereiniget  wurden:  so  kann  Österreich  viele  ActiXel^  weldie  es  vormals  ein- 
ftihren  mussle,  jetzt  seiht  ausfuhren,  besonders  Seide,  wovon  die  Lombardie  allein 
jährlich  für  3o — .52  Mill.  Fr.  (-=12 — 13  Mill.  (]onv.  Gulden)  in's  Ausland  sendet;  dann 
Olivenöhl  und  andere  Siidproducte,  Seelische  u.a.m.  Überdiess  können  Böhmen, 
MäJiren,  dasErzhcrzogllium  Österreich,  Stcverinark  u.  s.  w.  einen  grossen  Theil  ihrer 
Manufactur-  mid  Fabrikerzeugnisse  wieder  nach  Triest  und  Italien  absetzen,  wodurch 
die  Industrie  jeuer  Länder  ein  neues  Leben  gewonnen  hat. 

Nach  einer  in  der  preussischen  .Staatszeitung  enthaltenen  Nachricht  über  den  Ver- 
kehr der  preussischen  Monarchie  mit  dem  Auslande  im  Laufe  des  Jahres  1819  be- 
trug die  Ausfuhre  an  Hauplarlikelu  (^V^olle,  Flachs,  Leinengarn  und  fertigen  Fabrica- 
ten ,  mit  Ausnahme  der  zwev  wichiigslen  preussischen  Ausfuhrartikel,  des  Getreides 
und  des  Holzes)  17,480,285  Thlr. ,  die  Einführe  an  llauptartikeln  (Wein,  rohem  und 
raffinirten  Zucker,  Kaöch,  Tabak,  Thee  und  Gewürzen)  17,063,802  Thlr.,  folglich 
belief  sich  der  Überschuss  von  Seite  der  Ausfuhre  auf  426,583  Thlr.  Der  Zollbetrag 
für  die   Durchfuhrartikel,    deren  Werth  auf  22,748,353  Thlr.  geschätzt  ward,  betrug 

782,147  Tlih-. 

a)  S.   Ökonomisch-politische  Betrachtungen  über  die  Handelsbilanz;   von   Joh.  Zizius    u.   s.   w. 
Wien  und  Triest,   1811.  8.  Vcrsl.   H.  A.  L.   Z.   i8i2.  Nr.   257. 

b)  S.   Österr.  BeobaclUcr.   18^1.  Kr.  67. 

B  e  f  ö  r  d  e  r  u  n  g  s  ni  i  l  t  e  1     des    Handel  s, 

A.    In    Ansehung    d  e  r   C  o  m  ni  u  n  i  r  a  t  i  (h1- 

§.    134. 

a)     Z   n     L   a   n   d   e. 

Landstrassen  und  Posten. 

Zur  Erleichterung  der  Reisenden  und  des  Transports  zu  Lande  dienea  die  Land- 
strassen und  Fasten.  Jene  sind  jetzt  in  allen  europäischen  Staaten  angelegt,  und  man 
hört  nicht  auf,  an  der  Anlage  neuer  Heerstrassen,  so  wie  an  der  Verbesserung  der  al- 
ten zu  arbeiten.  Allein  in  Rücksicht  der  Allgemeinheit  und  Güte  derselben  findet  eine 
grosse  Verschiedenheit  Statt.  So  steht  z.  B.  das  nördliche  Deutschland  in  der  Hinsicht 
dem  südlichen  weit  nach.  Dänemark  hat,  nach  Hni.  Knnz  aj  _,  eine  einzige  Haupt- 
landstrasse, das  weit  grössere  Spanien  nur  drev,  das  noch  grössere  europäische  Russ- 
tand nur  vier  Hatiptlandstrassen,  und  Portugid  nach  seinem  nördlichen  Theile  kei- 
ne einzige  gute  Strasse.  Dagegen  besitzt  das  brittische  Reich  neun,  Franh-eich  sieben 
und  Oesterreich  sechs  Hauptlandslrassen.  In  Ansehung  der  Güte  behaupten  unter  al- 
len europäischen  Chausseen  den  ersten  Rang  die  brittischenj,  französischen  und  nie- 
derländischen j,  nach  denen  in  der  Hinsicht  die  süddeutschen  folgen.   Zu  den  glän- 

3i* 


liJ4  IV'.   Corumercielle   Production  oder  Handel.  §.   l34.   Landstiassen  üud  Posten. 

zcndslcn  Anslaltcn  der  Art  aber  gehören  die  Kunslstrasscn  über  den  grossen  St.  Bern- 
hard bj  j  den  Siinplon  cj  j  von  Chlavenna  über  den  Splügen  i\ac\\  Graubündten  dj 
und  die  Louiscnsstrasse  (i'ia  Ludovicea)  von  Carlstadt  nach  Fiiime  ej.  — ■  Vor* 
llicile ,  die  wir  im  Winter  vermissen,  genicsst  man  görade  während  des  Winters  im 
hohen  Norden.  Die  Kähc,  und  noch  mehr  der  damit  verbundene  Schnee  erleichtert 
ausnehmend  den  Transport  a\x(  Schlitten  ^  und  eben  desswegen  werden  die  meisten 
Jahrmärkte^  die  wir  im  Sommer  haben,  in  den  nördlichen  Ländern  Europa's  im  Win- 
ter gehallen.  —  Von  den  gewöhnliclien  Landstrassen  unterscheiden  sich  die  Eisen- 
bahnen oder  Tl^ngengeleise  von  G«^^ewc7i  (FronRailways  oder  Roads),  eine  der  vielen 
neuen  glücklichen  Erlindungen  Englands.  Es  stehen  solche  vier  Zoll  über  dem  Erd- 
boden,  und  sind  auf  der  Oberfläche  concav.  Auf  ihnen  befmdet  sich  ein  flaches  Ge- 
rüste mit  Rädern,  deren  convexe  Peripherie  genau  in  die  hohlen  Eisenbahnen  passt; 
auf  dieses  Gerüste  wird  der  Wagen  gestellt  und  dann  mit  dem  Gerüste  fortbewegt. 
Diese  Fahrgeleise  kosten  nur  das  Drilltheil  eines  Canals,  stören  die  Mühlen  nicht,  und 
cui  Pferd  kann  bey  einem  solchen  Wege  die  Dienste  von  lo  Pferden  auf  gewöhnlichen 
Wegen  verrichten  fj.  Sie  sind  seit  1801  in  allen  bedeutenden  Fabriks-  und  Handels- 
städten, so  wie  in  den  Steinkohlenbergwerken  zu  iVetvca^i/e  angelegt ,  und  man  hat 
angeüuigen,  selbst  in  diesem  reichen  Lande,  die  Eisenbahnen  den  Canälen  vorzuzie- 
hen gj.  Auch  hat  man  in  England  j  so  wie  in  Frankreich  j  Oestericlchj  Baiern 
und  andern  Ländern ,  zur  Schoniuig  und  wohlfeileren  Unterhaltung  guter  Landstras- 
sen, Räder  mit  breiten  Felgen  eingeführt  hj,  die  leichter  über  den  Weg  hinrollen 
und  denselben  weniger  zerschneiden,  als  die  mit  schmalen  Felgen  versehenen,  folglich 
scharfen  Räder. 

Ausser  dem  Bedürfnisse  guter  Landstrassen  sind  zugleich  g-^ife  Posten  _,  d.i.  ste- 
hende Ansiallen,  auf  eine  berfueme.  sichere,  geschwinde  imd  möglichst  wohlfeile 
Art  reisende  Personen,  Geld  und  kleinere  Frachtstücke  zu  Iransportiren,  auch  interes- 
sircnde  Nachrichten  milzutheilen  imd  zu  ei'halten,  ein  sehr  wesentliclies  Erfordei'- 
niss,  wie  für  den  ganzen  übrigen  Menschheitsverkehr,  so  vorzüglich  auch  für  den 
Handel.  Diese ,  in  neuern  Zeiten  entstandene  Eileichlerimg  der  Communication  in 
Eiuopa ,  hat,  nebst  der  Erfindung  der  Druckerey  und  der  EinAihruug  ]iolilischer 
Zeitungen,  eine  ganz  neue  Welt  veranlasst,  und  erst  rechte  N'crljindung  unter  die 
Menschheit  in  Europa  gebracht.  Im  Ganzen  belauft  sich  die  Zahl  aller  europäischen 
Postrouten _,  nach  Hrn.  Siegmejer  ij  _,  auf  5071,  durch  die  man  diesen  Erdtheil  von 
einem  Ende  bis  zum  andern  durschneiden  kann.  Billig  tragen  dicjcnigon,  v.  eiche  sol- 
<;he  Anstalt  benutzen,  die  Kosten  derselben.  Aber  je  geringer  diese  Kosten  sind,  je 
schnellerund  sicherer  die  Communication  l)0\\irket  wird,  um  so  trefflicher  ist  diese 
Anstalt.  Finanzgewinn,  am  wenigsten  directer ,  kann  auf  Seiten  des  Staates  nie  wahrer 
wuhlverstandencr  Haujitzweck  der  Postanstalt  seyn.  Als  HeJjel  dei'  Nalionalproduclion 
aller  Gattung,  mithin  des  Nationalreichthums,  nuiss  vielmehr  die  Post  gebraucht  wer- 
den. Werden  die  Menschen  durch  erleichterte  Communication  ihätigcr,  erluidsamer, 
wohlhabender:  so  werden  sie  auch  einträglicher  für  die  Staatscassen.  Nur  nicht  gera- 
de unmittelbar,  nicht  geiade  in  der  Postcasse  muss  der  erhöhte  Ertrag  gesucht  wer- 
den. Übrigens  vergrössert   die  Erhöhung  des  Postgeldes  die  Einnahme  wirklich  uiclit.^ 


IV.  Commcrcielle  Producliun  oder  Handel.  §.  iS.J.  Laiidstrassen  und  Posten.  245 

Denn  die  meisten  Menschengeben  bey  wohlfeilerem  Porto  an  jedem  Tage  lieber  1  Thir. 
fiir  i2>  als  bey  tlieurem  Porto  6  Groschen  für  einen  einzigen  Brief  aus  kj. 

a)  S.  Desselben  Versuch  eines  Handbuches  der  reinen  Geographie  als  Grundlage  zur  höheren " 
Militär-Geographie  u.  s.  w.  (Stuttgart  und  Tübingen,  iöi2.),  >vo  die  in  der  Schweiz,  in 
Italien,  Spanien  und  Portugal,  in  Frankreich,  Grossbritannien  und  Irland,  in  Dänemark, 
Norwegen,  Schweden,  dem  europäischen  Russland,  in  Preussen,  Warschau  und  Galizien, 
endlich  in  Ungern  und  Siebenbürgen,  der  europäischen  Türkey,  in  Illyrien  und  Deutscli- 
laiifl  \orkonimenden  Hauptlandstrassen  angegeben  sind. 

b)  Diese  denkwürdige  Kunsstrasse  hat  unterirdische  Felsenwcge ,  die  in  Granitmassen  durch- 
geführt sind. 

c)  Dieses  Meisterstück  der  Strassenbaukunst  führt  mittelst  \ieler  Brücken  über  fürchterlich«» 
Abgründe,  und  der  Weg  geht  so  sanft,  dass  die  Erhöhung  für  den  Reisenden  auf  die  Toi- 
se  in  der  Regel  nur  2  Zoll  beträgt. 

d)  Diese ,  vermöge  Übereinkunft  zwischen  der  öslei-reichischen  Regierung  und  dem  Canton 
Graubandien,  durch  erstere  neu  angelangte  Strasse  nimmt  die  Bewunderung  der  Reisenden 
in  Anspruch.  Wo  vordem  ein  mühsamer  enger  Weg ,  kaum  für  Saumrosse  und  Fussgänger 
zugänglich,  durch  ein  wildes  und  unwirthbares  Thal  führte,  und  die  halsbrechenden  Ab- 
hänge nur  mit  Bangigkeit  betreten,  ja  zu  Zellen  Wochen  und  Monate  lang  gar  nicht  be- 
reiset werden  konnten,  da  prangt  nun  eine  der  schönsten  und  solidesten  Strassen,  die  ir- 
gend eine  Berggegend  nur  immer  aufweisen  kann. 

e)  Diese  merkwürdige  auf  Kosten  der  königl.  privilegirten  urigrischen  Canal-  und  SchiJJJahrts- 
gesellschaft  angelegte  Strasse  erhebt  sich  auf  einer  Länge  von  17  Meilen  von  der  Küste  dos 
Meeres  über  unwegsame  Alpen  zu  einer  Höhe  von  beynahc  0000  W.  F.  ,  überall  mit  so  sanf- 
tem Steigen,  dass  die  Neigung  der  Bahn,  selbst  an  den  steilsten  Orten,  in  der  Länge  einer 
Wiener  Klafter  höchstens  3 — 4  Zoll  beträgt  ,  mithin  das  Fortbringen  von  40  Ctrn.  mit  \  ier 
guten  Pferden,  ohne  irgendwo  des  Vorspanns  oder  der  Radsperre  zu  bedürfen,  möglich  macht. 

y)  Die  neuerlich  in  Bniern  vorgeschlagenen  Eisenbahnen  sollen  die  englischen  an  der  mecha- 
nischen Vollkommenheit  2^mal ,  bey  einem  um  die  Hälfte  geringeren  Kostenaufwande ,  über- 
treffen. Ein  Pferd  kann  auf  denselben  mehr  leisten,  als  22  Pferde  von  derselben  Stärke  auf 
'"'     der  besten  Chaussee.  ■ 

e)  Zwey  Abhandlungen  über  Frachlwagen  und  Strassen  und  über  die  Frage  :  ob  und  in  wel- 
chen Fällen  der  ßa.u  schiffbarer  Canäle  Eisenwegen  oder  gemachten  Strassen  vorzuziehen 
sey?  Von  Fr.  Ritter  v.  ^Gevstncr.  Prag,  i8i3.  Vergl.  Blünchener  A.  L.  Z.  Winternionat , 
1819.  S.  26  ff. 

7i)  Über  den  Nutzen  der  brcitfelgigon  Räder  an  Fracht-  und  anderem  schweren  Fuhrwerke, 
milbesonderer  Rücksicht  auf  die  Einführung  derselben  im  Königreiche  jBaiVr/i  und  in  Deutsch- 
land überhaupt.  Von  A.  Scidichlegioll  u.  s.  w.  München,  1819.8.  Vergl.  IMünchenerA.  L.  Z. 
VVeinmonat,  1819.  Die  breiten  Räder  sind  für  das  Fuhrwerk  nur  auf  solchen  Strassen  \or- 
iheilliaft ,  welche  sich  schon  in  vortrefflichem  Zustande  befinden,  und  ganz  trocken  und  eben 
sind;  auf  jedem  gcwöhidichen  ,  rauhen,  mit  Sand,  neuem  Schotter,  Schlamm  oder  Schnee 
bedeckten  Wege  hingegen  verursachen  sie  einen  grösseren  Widerstand  als  die  schmalen 
Wagenräder. 

i)  S.  Desselben  allgemeines  Postreisebuch  und  vollständiger  Meilenzeiger  von  Europa  etc.  Auch 
unter  dem  vollständigen  französischen  Titel:  Ilineraire  di;  TEurope  ou  indicafcnr  de  toules 
les  routes  de  posie,  des  larifs  des  offices  de  poste  rcspetifs  et  des  aulres  frais,  qui  ont  rap- 
port  sur  les  dificrcntes  manieres  ä  vovager  en  cette  parfie  du  monde.  Halle  undBerün,  1819 
gr.  8.  .Vergl.  H.  A.  L.  Z.  1819  Num.  107.    S.  7.  ff. 

k)  Lber  Postanslaltei)  nach  ihrem   Finanzprincip  ,  und  über  diC   Herrschraaxinien   der  Poslrc- 


S46  IV.  CommcreieUe  Production  oder  Handel.  §.  i35.  Seefahtt. 

^icn.  Eine  staat^konomistische  Parallele,  diircli  Haiiptzüge  aus  der  Postpraxi«  narhcewiesen. 
Halle,  1817.  Vergl.  Jen.  A;  L.  Z.  1818.  Num.  2o*).  —  üab  Postweseii  in  Deutsciilarid ,  wie., 
es    war,  ist  und   seyn  köiinle.  Von  dem  Staats-  und  Kabinetlsrathe  Klübur.  Erlangen,  18x1. 
8.  Vergl.  Gölting.  g.  Anz.   1811.  St.  2oo.  S.  iggS  IT. 

•      §.  i35. 

b)      Zu      Wasser. 

aa)    Seefahrt. 

Ungleich  wichtiger  ist  die  Communication  zu  Wasser  mittelst  der  Sclüfffalirl  _, 
da  sie  nicht  nitr  die  entferntesten  Völker  verbindet,  sondern  auch  die  Zuführe  und 
den  Tausch  der  Waaren  erleichtert,  als  das  geschwindeste  tind  wohlfeilste  Transport- 
mittel zur  Verminderung  des  Preises  derselben  beyträgt,  und  daher  der  mächtigste  - 
Hebel  des  Handels  ist.  Die  Schifffahrt  zerfallt  1)  in  die  Seefahrt  j  2)  die  Fiussfahrt 
und  3)  die  künstliche  Schifffahrt  oder  Canalfahrt. 

1)  Die  Seejcthrt  wird  natürlich  mit  grösseren  Schiffen  betrieben,  als  die  Fluss- 
fahrt. Die  Grösse  derselben  wird  nach  Tonnen  oder  Lasten j  jede  von  2  Tonnen,  be- 
stimmt, wobey  man  eine  Tonne,  eigentlich  ein  Gewicht  von  20  Centnern,  für  einen 
Raum  von  42  Quadratschuh  annimmt.  Doch  rechnet  man  in  den  nordischen  Meeren 
nach  Tonnenlasten  von  60  Ctr.^  und  für  Schiffe,  die  im  Kornhandel  dienen ,  nach  Rog- 
genlasten von  48  Ctr.  Das  Kauffahrteyscliiff  gehört  entweder  dem  Kaufinanne,  der 
es  in  seinen  Geschäften  braucht,  folglich  zugleich  Eigner  und  Befrachter  ist j  oder 
einem  oder  mehreren  Rliedern j  ruiter  denen  es  in  Parten  vertheilt  ist,  die  es  aus- 
rüsten, ihm  einen  Schiffer  vorsetzen  ,  es  von  einem  oder  melireren  Kaufleulen  ])eladen 
und  verschicken  lassen,  und  den  aus  der  Vermiethung  oder  Fiacht  entspringenden 
Gewinn  unter  sich  iheilen.  So  wird  dann  das  Schiff  für  seinen  oder  seine  Eigner  ein 
Erwerbsmittel,  und  für  die  Befrachter  ein  Hülfsmittel  ihrer  Handlung.  Geht  das  Schiff 
nur  aus  einem  Hafen  desselben  Landes  in  den  andern :  so  treibt  es  Küsten  fahrt. 
Nimmt  es  in  ausländischen  Häfen  Ladung  nach  ausländischen  Häfen:  so  treibt  es  F/'öcA^- 
fahrt  oder  Cabotage. 

Die  Brillen  erlauben  die  Frachinihrt  keiner  fremden  Nation.  Ihre  von  Olivier 
Cromwel  i65l  errichtete,  und  von  Carlll.  1660  bestätigte  Schijffahrts-Acte ,  die 
als  die  Grundlage  der  Grösse  ihrer  Seemacht  und  ihres  Wellhandels  zu  betrachten  ist, 
untersagt  bey  Strafe  der  Conliscation  allen  fremden  Schilfen  die  Einfahrt  in  irgend  ei- 
nen Hafen  Grossbritanniens ,  die  mit  andern  Producten  oder  Kaufmannswaaren  be- 
laden sind,  als  diejenigen,  die  Erzeugnisse  des  Landes  sind,  dein  das  Schiff  angehört, 
und  erlaubt  selbst  in  diesem  Falle  keinem  fremden  Schiffe  britlische  Kunst-  oder 
Naturproducte  als  Retourgülcr  zurückzunehmen.  Auch  der  Brille  selbst  darf  sich  kei- 
nes im  Auslande  gehauten  und  von  ihm  gekauften  Schiffes  bedienen.  Sein  Schiff  muss 
in  England  gebauet,  der  Schiffer,  der  Steuermann  und  |-  der  Besatzung  müssen, Bril- 
len seyn.  \Venn  Grossbritannien  durch  diese  kühne  Institution  zunächst  nur  den  Hollän- 
dern schaden,  und  vorzüglich  nur  bezwecken  wollte,  zu  seinem  natürlichen  Antheile 
an   der  Kauffahrlcy  zu  gelangen:  so  hat  sie  doch  im  Verein  mil  den  uncrmesslichen 


IV.  Commercielic  Production  oder  Handel.  ^.  i55.  Seefahrt.  24y 

Fortschrillen  seiner  Handlung  die  Wirkung  hcrvorgehracht,  dass  in  unseren  Tagen 
die  bvittlsche  Flagge  sich  fast  der  ganzen  Fvaditfahrt  bcmiichiigel  hat.  Wenigstens 
ist  es  gewiss,  dass  bcy  der  heuligen  Lage  der  Dinge  der  grösstc  Tiieil  des  europäi- 
schen Handels  durch  sie  betrieben  wird. 

Im  J.  i6gg  wurde  die  Last  aller  Seeschiffe  Europa's  auf"  2  Mill.  Tonnen  berech- 
net 5  davon  besass  Holland  goo,ooo,  England  5oo,ooo,  Frankreich  110,000  und  die 
ijbrigen  Nationen  den  Rest.  Allein  gegenwärtig  ist  die  brittische  Schifffahrt  so  gross, 
dass  ihr  die  Schifffahrt  aller  übrigen  europäischen  seefahrenden  Nationen  nicht  gleich 
kommt.  Nach  Hrn.  Co/ijrw/io/i/z  beschäftigt  jetzt  der  briuische  Seehandcl  28,061  Schiffe, 
von  3,160,293  Tonnen  Gehalt,  mit  i84,302  Mann  besetzt.  Im  J.  1804  liefen  in  gross- 
britannische Häfen  ein.  21^725  Schiffe,  von  2,271,921  Tonnen  Gehalt,  bemannt  mit 
154,299  Individuen  :  imtcr  obigen  waren  nur  48o3  fremde  Schiffe  ,  von  687,077  Ton- 
nen Gehalt  mil  35,926  Mann. 

Frankreich  halte  im  J.  1791  —  4000  grosse  Handelsschiffe,  von  500,690  Tonnen 
Gehall,  mil  47,000  M.  besetzt j  mit  Einschluss  der  kleinei-en  von  i5 — 5o  Tonnen, 
5 — 6000  Schiffe.  Im  J.  1801  liefen  3484  franz.  Schiffe  in  Frankreichs  Häfen  ein,  und 
2g"'3  liefen  aus,  6006  fremde  Schiffe  nicht  mitgerechnet. 

In  sämmtliche  russische  Häfen  liefen  im  J.  i8o5  ein  5332  Schiffe  und  5o58  liefen 

wieder  aus  j  darunter /7WjrwcÄe  eingelaufene     53g 

ausgelaufene     578 
( 

darunter  englische  eingelaufene    iSog 
ausgelaufene   nqo 


folglich  T;berschus,s  der  englischen  Schiffe 

mehr  eingelaufen     770 
mehr  ausgelaufen     6l2 
Im  J.  1819  stieg  die  Zahl  der  angekommenen  Schiffe  auf  480g,  die  der  abgegangenen 
auf  4786. 

Durch  den  Sund  passirlen  im  J.  1817  — l3,lo3  Schiffe  (von  der  Nordsee  6708, 
von  der  Ostsee  634.5)  ;  im  J.  1818  nur  i2,588,  also  5i5  weniger.  Seit  1796  ist  die  An- 
zahl der  Schiffe  nicht  so  gross  gewesen,  als  1817' 

!,•  Holländische  Schiffe  gingen  im  J.  l7go  —  20og  durch  den  Sund;  im  J.  i^gö  nur 
Eines  j  1797  und  g8  gar  keines;  i8l5  wieder  i6og-  Aus  den  sämmtlichcn  niederländi- 
schen Hafen  liefen  aus  im  J.  1816  —  3ooo  ,  iui  J-  1818  —  38oo  Schiffe. 

Dänemark  mit  Norwegen  zählte  im  J.  1800  —  237g  Handelsschiffe,  von  i54,iir 
Last  Gehalt,  mil  17,72g  Seeleuicn  beselzt.  Seit  der  Zeit  war  die  Fracht] ahrt  in  das 
miitclländische  Meer  etwas  gesunken,  und  die  Zahl  der  Schiffe  halle  sich  vermindert; 
jetzt  ist  beydes  wieder  im  Steigen. 

Schweden  besass  im  J.  1814 — 1100  Handelsschiffe,  von  70,000  Last  Gehall, 
mit  g770  M.  besetzt.  Der  Gewinn  an  der  Frachtfahrt  im  miitelländischen  Meere  trägt 
jährlich  über  3oo,ooo  ß-thlr.  für  die  Schweden  ein,  da  ihre  Flagge  von  den  13arl)arcs- 
ken  respectirt  wird. 

Die  Zahl  der  preussischen  Schiffe,  welche  im  J.  1814  durch  den  Sund  fuhren. 


248  IV.  Commerc.  Produef.  od,  Handel.  §.  i36.  Flussfahrt  und  Canalfalirt. 

belief  sich  auf  i354;    davon  hatte  Königsberg  4g  ^  Danzig  g5j   Stettin  121,  ganz 
Pommetii  3ll  Schiffe  in  der  See,  ohne  dife  Schiffe  der  kleinen  Häfen  zii  rechnen. 

In  Hamburg  j  das  einen  ausgebreiteten  Handel  mit  mehr  als  20O  eigenen  Schiffen 
treibt,  sind  angekommen  im  J.  1818 — 1760,  im  J.  l8ig — i5g3  Schiffe;  darunter 
waren  englische  im  ersteren  Jahre  602  ,  im  letzteren  Jahre  66o.  Abgegangen  sind  wie- 
der im  J.  1818 — i54g,  im  J.  181g — 1200  Schiffe. 

Oesterreich  hatte  im  J.  1818  —  528  patentirte  Kauffahrteyschiffe,  von  120,443  Ton- 
nen Gehalt,  mit  683o  Seeleuten  und  236q  Kanonen  l)esetzt;  mit  Einschluss  der  Kü- 
stenschiffe und  Fischerfahrzeuge  4 — 5ooo  Schiffe.  Acht  und  vierzig  neue  Kauffahrtey- 
schiffe  sind  neuerlich  j^atentirt.  Im  J.  1820  liefen  in  den  Freyhafen  zu  Triest  an  Schif- 
fen,  die  lange  Seereisen  machten,  53g  ein.  Bcyläulig  die  Hälfte  dieser  Schiffe,  nähm- 
lich  205 ,  führten  die  östcrrcicbisclie  Flagge ;  unter  den  fremden  Flaggen  war  die 
englische  die  zahlreichste.  Zur  Küstenfahrt  bestimmt,  langten  in  demselben  Jahre 
2877  Schiffe  au,  luid  zu  demsell>en  Zwecke  segelten  wieder  256i  Schiffe  al). 

Zur  stärkeren  Aufnahme  des  Sechandeis,  hat  man  einige  Seehäfen  zu  Frcjhäfen 
erklärt,  wovon  den  ankommenden  Schiffen  und  Waaren  entweder  nichts,  oder  nur 
sehr  wenig  bezahlt,  und  allen  Nationen  ,  olme  Unterschied  des  Ranges  nnd  der  Reli- 
gion ,  zu  allen  Zeiten  im  Frieden  und  Kriege  der  Handel  verstaltet  wird.  Solche  Frey- 
häfen sind  bey  Marseille  ^  Bajonne  j  Genua  ^  Nizza  _,  Livorno  ^  Civita  vecchia  j  An- 
conuj  Messina  j  Triest  ^  Fiume_,  Ostende j,  Emden j  Marstrand,  Odessa  und  die  neu 
errichteten  spanischen  Freyhäfen  bey  Cadix _,  Alicante ,  Santander  und  Corunna  j, 
um  den  bey  dem  Abbruch  der  HülfscjueUen  aus  Amerika  immer  mehr  sinkenden 
Handel  zu  heben. 

§.   i36. 
bb)  Flussfahrt  und  cc)  Canalfalirt. 

2)  Die  Natur  hat  [allen  Ländern  Europa's  i^/i^5i'.y^7V/.y.ye';i  verliehen;  aber  sie  hat 
eine  dieser  Strassen  weit  brauchbarer  geschaffen,  wie  die  andere.  Die  Schwere  des 
Wassers  ist,  wie  die  Breite,  die  Tiefe  und  die  Geschwindigkeit  des  Laufes  der  Flüsse, 
«ehr  verschieden.  Der  kleinere,  aber  trübe  Main  trägt  vcrhältnissmässig  mehr  als  der 
Rhein j  dessen  Wasser  hell  und  leicht  ist;  jedes  /l/aj«,yc/u^  sinket  bey  seinem  Ein- 
tritte in  den  Rliein  tiefer  in  den  Strom.  Die  Scheide _,  obgleich  ein  Küslenfltiss,  ist 
für  Kriegsschiffe  brauchbar  bis  weit  über  Antwerpen,  ja  selbst  auf  dem  Medwaj  j,  ei- 
nem Nebenflusse  der  Themse ,  sieht  man  mit  Erstaunen  Fregatten  und  Linienschiffe. 
Dagegen  ist  der  TajOj  ob  er  gleich  unter  den  Strömender  pyrenäischen  HalLinsel 
die  grösste  Laufijahn  hat,  nach  Hrn.  Kunz j  nicht  schiffbar,  und  die  übrigen  Haupt- 
flüssc  dieser  Halbinsel  sind  zur  Schifffahrt  nicht  berpiem.  Vor  einem  heraufgehenden 
oder  Bergschiffe  auf  dem  Rlieine  ziehen  10 — 12  Pferde  5ooo  Ctr. ;  dagtigen  Jiedarf  die 
sehr  beschwerliche  Fahrt  den  Strom  hinan  oder  im  Gogentriebe  auf  der  Donau  bey 
gewöhnlicher  Höhe  des  Wassers  auf  100  Ctr.  ungefähr  ein  Pferd,  folglich  ziehen  die 
Pferde  vor  einem  Bergschiffe  auf  dem  Rheine  f  mehr,  als  die  Pferde  im  Gegentriebe 
auf  der  reissenden  Donau,  Die  Theiss  gestattet  wegen  ihrer  Breite  und  ihrer,  dem 
Winde  in  grossen  Strecken  zugänglichen  niedrigen  Ufer  den  Gebrauch  der  Segel;  da- 


IV.  Commerc.  Producl.  oder  Handel.  §.   i56.  Flussfahrt  und  Canalfahrt.  24g 

gegen  kann  kein  Donauschiff  sich  der  Segel  bedienen ,  da  der  Wind  bcy  den  hohen 
Ufern  und  den  hikifigen  Krünmmngen  dieses  Stromes  nicht  kann  aufgefangen  werden, 
und  könnte  er  auch  aufgefangen  werden,  so  erlauben  die  Inseln  und  Felsen  nicht, 
dass  man  ihn  benutze.  —  Eben  so  werden  die  Vortheile  der  SchifTljarkeit  in  bedeu- 
tendem Maasse  geschwächt,  theüs  durch  Untiefen  und  Sandbänke,  wie  z.  B.  bey  der 
Weser  und  dem  Don,,  theils  durch  IVasserßiUe ^  wie  z.  B.  bey  dem  Dneper ^  der  in 
einer  Strecke  von  60  Wersten  i3  Wasserfälle  hat,  iiber  welche  die  ScliifTe  nur  bey 
hohem  Wasser  gehen  können.  —  Nicht  minder  hat  die  JXatur  durch  die  Richtung  der 
Flüsse  viele  günstige  Aussichten  bald  eröffnet,  bald  vereitelt.  Keiner  von  allen  Haupt- 
flüssen Spaniens  geht  den  Norden  hinauf^  der  Ebro  ergiesst  sich  in  das  mittelländi- 
sche Meer,  und  von  den  übrigen  nur  der  Quadalqidvir  auf  spanischem  Boden  in 
den  allantischen  Ocean.  Dagegen  versendet  Deutschland  seine  Producte  auf  der  Do- 
nau nach  dem  schwarzen  Meere,  ^\\{  Act  Elbe  ^  dem  7tAe/«e  vmd  der  Weser  U7yc}a.  der 
Nordsee,  und  auf  der  Oder  nach  der  Ostsee,  so  wie  K\x  Frankreich  und  Russland 
nach  allen  Seiten  hin  der  Absatz  der  Producte  durch  Flüsse  erleichtert  wird.  —  Auch 
d«r  Umstand  ist  für  den  Handel  eines  Staates  wichtig,  ob  er  im  Besitze  der  Miindim- 
gen  seiner  Hauptflü.sse  sey  oder  nicht.  Russland  beherrschet,  mit  Ausnahme  der 
Weichsel j  alle  seine  Ströme  bis  zu  ihrem  Ausflüsse,  und  ist  jetzt  (s.  §.  123.)  auch  Be- 
herrscher des  linken  Donauufers  an  der  Mündung  dieses  Stromes;  Frankreich  be- 
herrschet von  seinen  6  Strömen  4,  Spanien  von  seinen  6  Hauplflüssen  2,  und  Preus- 
seji  yon  seinen  5  Strömen  2,  wovon  einer  (die  Oder)  ganz  auf  preussischem  Gebiete 
als  schiffljarer  Strom  seinen  Lauf  hat.  Dagegen  beherrschet  Oesterreich  die  Mündung 
nur  von  Einem  seiner  6  Hauptflüsse,  wovon  einer  (die  Oder)  nicht  einmal  schiffbar  auf 
österreichischem  Boden  ist,  ob  er  gleich  auf  demselben  entspringt. 

Mit  den  natürlichen  Schwierigkeiten  der  Flussfahrt  vereinigen  sich  auch  noch 
politische,  welche  zur  Folge  haben,  dass  die  Flüsse  so  manchem  Lande  bey  weitent 
nicht  in  dem  Grade  zu  Gute  kommen,  als  sie  billig  sollten,  indem  man  den  natürli- 
chen Lauf  derselben  zum  Besten  des  gemeinen  Verkehrs  nicht  uuverkümmert  lässt, 
sondern  mit  so  hohen  Zöllen  beschwert,  dass  sie  mit  den  etwaigen  Auslagen  zum  Be- 
sten der  Schifffahrt  in  keinem  Verhältnisse  stehen.  Kein  Land  litt  in  dieser  Hinsicht 
bisher  in  dem  Maasse,  als  Deutschland,  dessen  WasserzöUe  auf  der  Elbe j  der  We- 
ser ^  vornehmlich  aber  auf  dem  Rheine  j  sowohl  der  Zahl,  als  dem  Betrage  der  He- 
bungen nach,  so  übertrieben  waren,  dass  sie  schon  im  Mittelaller  von  England  aus 
als  eine  „mira  insania  Germarior    «"  vorgestclll  wurden  aj. 

Es  ist  daher  offenbar  ein  vorzii  Jicher  Beweis  der  hohen  Würdigung  des  europäi- 
schen^ und  besonders  auch  des  deutschen  National-Intcresscs ,  dass  man,  zur  bessern 
Bewirkung  des  Verkehrs  der  Völker,  auf  dem  hohen  Congresse  zu  Wien  übereingc- 
konnnen  ist,  nicht  aUein  die  Schifffahrt  auf  den  Flüssen,  welche  die  Gebiete  von  meh- 
reren Staaten  durchströmen,  frey  zu  erklären,  sondern  dass  die  hohen  Länderbesi- 
tzer sich  auch ,  in  Hinsicht  des  Uferbaiies  und  der  Unterhaltimgskoslen  der  Schiff- 
fidir'  ,  dahin  vereiniget  haben,  dass  sowohl  ein  gleicher,  gesclzhcher  Tariff  bestehe, 
als  auch  die  Ei-hebung  der  Gebühren,  nach  möglichster  Verminderung  der  Erlie- 
bimgs-Büreaus ,   auf  eine  völlig  übereinstimmende  Weise   so   geschehen  solle,  dass 

32 


200  IV.  Ccmmerc.  Protluct.  oder  Handel.  §    i36.  Flussfilirt  und  CanalfaLrt. 

ohne  gemeinsame  Übereinstimmung  der  uferLetlieiligten  Landesfürsion  niolii  davon 
abgewichen  werden  könne.  Um  diesen  wohlihäligcn  Bestimmungen  der  H.uiplschhiss- 
acie  des  Wlener-Congresscs  in  Deutschland  Genüge  zu  leisten,  sind;,  zur  Regulirung 
der  SchiflTahrt  auf  der  ii/Z'(?  j  der  T feser  und  des  Rheins^  besondere  Scläfffalu-ts- 
Commissioiien  niedergesetzt  worden.  Die  Eibe-Schifffahrts-Commission  in  Dresden 
hat  bei-eits  im  Laufe  des  Jahres  1821  ihre  Arhpit  mit  dem  besten  Erfolge  vollendet. 
Den  28-  Jiiny  d-  J-  vvard  daselbst  die ,  in  vielfältiger  Beziehung  höchst  wichtige  Elbe- 
Schifff (ihr Is- Acte  von  den  Bevollmächtigten  der  Ufer-Staaten:  Oesterreich _,  Preus- 
seiij  Sachsen  j  Hanov'cr_,  Dänemark  für  Holstein  und  Lauenhiirg  j  Meckleiiburg- 
Schwerin^  Anhalt-Bernburg ^  Anhalt-K'othen  ^  Anhalt-Dessau  und  die/y-e/e  Bun- 
desstadt Hamburg  ^  abgeschlossen  und  unterzeichnet,  und  den  12.  Decembcr  d.  J. 
ralificirt.  Am  1.  März  1822  trat  diese  denkwürdige  Schifffahrts-Acte  durch  ein  nach- 
trägliches Übereinkommen  wirklich  in's  Leben.  In  der  Prager  Zeitung  Nr.  2  vom 
4.  Januar  d.  J. ,  ist  eine  skizzirte  Darstelhmg  der  Vortheile  dieser  Acte,  und  der  da- 
durch bewirkten  SchilTfahrts-Freyheit  auf  dem,  für  den  Handel  eines  grossen  Theils 
von  Deutschland  so  wichtigen  Elbestrome  enthalten,  wodurch  zunächst  den  Natur- 
und  Kunsterzeugnissen  der  östeneichischen  Monarchie,  und  Böhmens  insbesondere, 
auf  einer  in  seinem  Schoossc  entspringenden,  für  den  vaterländischen  Handel  vorzüg- 
lich bequemen,  in  Verbindung  mit  der  Moldau  das  Land  von  der  österreichischen  bis 
zur  sächsischen  Gränze  durchströmenden  Wasserstrassc  ein  bisher  von  allen  Seiten 
gehemmter  Ausweg,  sofort  für  das  Grundeigenthum  und  den  Gewerbfleiss,  eine  neue, 
sehr  fruchtbare  Quelle  zur  Erhöhung  seines  Wohlstandes  geöffnet  worden  ist.  Alle 
Blicke  sind  nun  auf  den  Rhein  und  die  Weser  gerichtet. 

Wegen  frejer  SchilTfahrt  in  den,  zum  ehemaligen  Königreiche  Polen ^  so  wie  es 
im  J.  1772  bestand,  gehörigen  Provinzen  >vard  im  J.  1818,  in  Folge  der  Stipulationen 
des  Tractats  vom  3-  May  (21.  April)  i8i5,  ein  Handelsvertrag  zwischen  der  österrei- 
chischen imd  russisclten  Regierung  unterzeichnet  ruid  ratilicirt,  so  wie  schon  früher, 
den  22»  JMarz  181 7,  eine  ähnliche  Übereinkunft  zwischen  Oesterreich  und  Preussen  _, 
hinsichtlich  der  polnischen  Provinzen  dieser  Mächte^  unterzeichnet  und  ratificirt 
wurde  bj. 

Auch  in  Italien  sind  Unterhandlungen  über  die  freye  SchiSTahrt  auf  dem  Po 
mit  den  Uferstaaten ^  welche  dabey  interessirt  sind,  im  Werke. 

Übrigens  ist  es  natürlich,  dass,  da  alle  Flüsse  sich  in's  Meer  ergiessen,  und  ihre 
Mündungen  dadurch  gewöhnlich  weit  und  tief  genug  für  Seeschiffe  werden ,  an  den 
grösseren  Flüssen  die  Flussfahrt  mit  der  Seefahrt  wechselt.  Eben  so  natürlich  sind  die 
auf  dieser  Stelle  befuidhchen  Seestädte  von  Allers  her  entstanden.  Je  länger  der  Lauf 
des  schiffbaren  Flusses  ist,  desto  grösser  ist  die  Gegend,  aus  welcher  die  Seestadt 
inländische  ^V^aaren  zu  sich  holen ,  und  in  welche  sie  die  seewärts  her  zu  ihr  gelan- 
genden Güior  verthcilen  kann.  Noch  vortheilhaficr  ist  es  für  diese,  wenn  die  in  den 
Fluss,  woran  sie  liegt,  eintretende  Meeresflulh  demselben  eine,  freylich  zweyraal  im 
Tage  abwechselnde  Tiefe  gibt,  mit  welcher  noch  meilenweit  herauf  in's  Land  auch 
grosse  Seeschille  bis  zur  Handelsstadt  gelangen  können.  Dieses  Glückes  geniessen  ia 
Europa  nur   4  Städte:  London  ,  Bordeaux j  Antwerpen  und  Hamburg  in  einiger 


IV.   Coiiinierc.  Pioducl.  oder  Handel.  §.   137.  Haudclsplül/e  ,   Jalirnjarkle   und  Messen  25i 

VoIlTioinmenheit.  Andere,  die  es  genossen,  z.  B.  Bremen  j  Sevilhi  ^  Nantes  ^  Roueii„ 
liabon  es  daduicli  zum  Tlieil  verloren ,  weil  das  Bett  des  Flusses  durch  den  von  oLeu 
her  heralidiessrnden  Sand  sich  so  sehr  erhöht  hat,  dass  die  SchiH'e  mehrere  Meilen 
untcrhall)  der  Handelsstadt  in  Vorhäfen  bleiben  miissen. 

Wenn  Fli'isse  seicht  sind,  so  können  sie  durch  Auhiiumung  des  Bettes  und  durch 
Schleusen,  d.i.  durch  zwischen  Holz  oder  Gemäuer  angebrachte  hölzerne  Thiiren, 
welche  das  Wasser  stauen ^  d.  i.  aufhallen,  schiffbar  gemacht  werden.  Diess  ist  nun 
zwar  schon  eine 

3)  künstliche  Schijff^fahvt ;  aber  diese  zeigt  sich  in  weit  grösserer  Vollkom- 
menheit,  wenn  man  das  Wasser  zii  Canälen  benutzt,  die  man  vermiLtclst  der  Fang- 
schleusen mit  doppelten  Thüren  in  jeder  Richtung  leiten  und  befahren  kann,  und 
wodurch  ein  schiffbarer  Fluss  mit  dem  andern,  oder  mit  dem  Meere,  oder  ein  Theil 
des  Meeres  mit  einem  andern,  verbunden  wird.  Von  den  berühmtesten  Anlagen  der 
Art  war  oben  (s.  §.  2i.)  die  Rede.  Durch  grosse  und  in  einander  greifende  Canal- 
Systeme  aljer  zeichnen  sich  aus:  Grossbritannien j  die  Niederlande j  Frankreich ^ 
OesterreicJäsch-ItalieUj  Mussland  und  Preussen. 

Die  Dainp f boote  j  d.  i.  Fahrzeuge,  die  vermittelst  der  sich  auf  denselben  befind- 
lichen Dampfmaschinen  auf  den  Flüssen  und  Canälen  gehen ,  vermehren  sich  in  Eng- 
land, von  Tag   zu   Tage.  Auch  in    einigen  Gegenden  Frankreichs,  Deutschlands  und 
Russlands  kam  die  Dampf sclaß^ahrt  in  den  neuesten„Zciten  zur  Ausführung, 
a)  S.   GreUinann's  historisch-stalistisches  Handbuch  von  Deutschland  a.  a.   O.  S.    i5q — 166 
i")  S.  Jahrbücher  des  k.  k.  polytechnischen  Institutes  zu  Wien  B.  a.  S.  570 — 573. 

B.  In  Rücksicht  des  W  a  a  r  e  n  u  m  s  a  t  z  e  s, 

g.    137. 
.1)    Handelsplätze,    Jahrmärkte    und    Messen. 

In  verschiedenen  Wohnplätzen  der  europäischen  Länder  beschäftiget  sich  ein 
Haupttheil  der  Einwohner  (Handelsstand)  mit  Verkauf  und  Austauschen  von  mannig- 
falligen,  aus  der  Nähe  oder  Ferne  aufgesanimclten  Naturproducten  luid  anderen  Waa- 
rcn ;  dergleichen  Orte  nennet  man  Handelsstädte. 

In  manchen  Handelsslädlcn  konnnt  zu  bestinnnlen  Zeiten,  nnter  j;owissen  Privi- 
legien, eine  giössere  Anzahl  von  inländischen  nnd  ausländischen  Ivaufleulen  und 
Käufern,  als  auf  den  gewöhnlichen  Wochen-  und  Jahrmärkten  zusammen.  Ein  sol- 
cher Hauptmarkt  wird  eine  Messe  genannt. 

Die  vorziiglichste  Handelsstadt  in  und  ausser  Europa  ist  London  an  der  Themse 
In  England.  Dieser  Stapelplatz  des  Welthandels  bestreitet  \  des  g.nnzcn  briltischen 
Handels,  und  sieht  auf  ij — 14,000  Schilfen,  und  auf  etwa  40,000  Wagen  jährlich  ein 
bewegliches  Eigcnthum  von  120  Mill.  Pf.  St.  zu-  und  abfuhren.  Im  J.  l5go  halten  in 
Londun  die  vier  reichsten  Kaulleutc  nur  ein  Vermögen  von  400  Pf-  St.  Das  neue 
Zollhaus  daselbst  ist  480  Fuss  lang,  100  Fuss  tief;  das  grössle  Zimmer  darin  hat  ei- 
ne Länge  von  igo,  und  eine  Breite  von  76  Fuss.  Es  ist  fiir  6.5o  Z-üIll)eanUe  luid  loöo 
ZoUbcdicule  eingerichlcl.  Ausser  London  sind  die  vornehmsten  Handelsstädte  inEng- 

32* 


252  IV.  Commerc.  Product.   oder  Handel.  §.   iSy.  Haudcl.splatze  ,  Jalirinärkte  und  Messen. 

land:  Leve.rpool  (Liverpool) ^  Hüll  iind  Bristol;  nächst  diesen  PovtsmoutJi j  Ply~ 
moutlij  Faiinontli^  Varmouthj  Birmingham ,  Sheßleld.,  Manchester^  Leeds  j,  New- 
castlcj  Withehaven  wwA.  Bedford ;  in  Schottland:  Edinburgh j  Glasgow,,  Leithy 
Grenak  ^  Perth  ^  Dunder  „  New-Aberdeen  und  Im'erness  (llauptniaikiplaiz  für  die 
Ijcrgschotlcn) ;  in  Iil.uid :  Dublin  (der  Miilcipnnct  des  gesaniniten  irlandischen  Han- 
dels), Londonderrjj  TFatei-ford  _,  Belfast  ^  Linerick  und  Cork  (das  Schlachthaus 
der  engliscJien  Marine). 

In  Poitugal  sind  die  wichtigsten  Handelsstädte:  Lissabon  j,  Oporto ,  Selubal 
oder  St.  Ubes  ni\A  Furo.  In  den  bcydcn  ersten  sind  grosse  englische  Facloreyen.  Eng- 
land gewann  bisher  in  inancheni  Jalirc  5,  6  bis  -j  Mili.  11.  und  darüber  bey  dem  Handel 
mit  Portugal,  ohne  Brasilien  mit  in  Anscldag  zu  bringen. 

In  Spanien  sind  die  erhcblichslcn  Handelsstädte :  CadiXj  Malaga^  CartJiageiiaj 
Alicajite  j  Barcelona  j  l'^aJencia  und  Corunna  ;  ferner  Bilbao j  St.  Sebastian,,  Se- 
villa ^  Madrid  j  Segovia  und  Burgos.  Cadix  war  bisher  der  grosse  Stapelplatz  des 
amerikanischen  Goldes  und  Silbers,  so  wie  der  europäischen  Fabricatej  aber  kaum 
der  zehnte  Thoil  der  Schiffe,  die  jährlich  hier  einliefen,  waren  spanische;  denn  Eng- 
länder, Franzosen,  Niederländer  und  Deutsche  lieferten  ihre  für  Amerika  bestimmten 
Waarcn  an  spanische  Häuser  in  Cadix,  die  dann  die  weitere  Versendung  besorgten. 
Auch  haben  fremde ,  vorzüglich  englische  und  deutsche  Handelshäuser  hier  ihre  Eta- 
blissements ,  und  wohnen  hier. 

In  Frankreich,  und  zwar  in  dessen  nördlicher  Hälfte,  sind  die  bedeutendsten 
Handelsstädte:  Lille  (Handclsstrasse  nach  den  Niederlanden),  Dünkirchen j,  Hapre 
de  GracCj  Caen^  Paris ^  Reuen  j  Strassburg  (Handelsstrasse  nach  Deutschland  und 
dem  östlichen  Europa),  Colniar ^  Dijon  j  Auxerre ^  Orleans j  Brest  wc^A.  Nantes ^ 
welche  letztere  den  grössten  Antheil  an  dem  fraiizösisch-amerikanischen  Handel  hat; 
in  Südfrankreich:  Lyon  (der  Mittelpunct  der  Communication  zwischen  Spanien,  Ita- 
lien, der  Schweiz  und  Deutschland),  Bordeaux  (der  erste  Weinhandhmgsplatz  in 
Eurojia),  Marseille  (der  erste  französische  Handelsplatz  nach  der  Levante,  und  der 
nordairikanischen  Küste) ,  Nismes  oder  Ninies  (der  liauptort  für  den  französischen 
Handel  mit  oiUcinellen  medicinischen  Püanzen  und  Pflanzen-Präparaten  für  Apothe- 
ker); ferner  Roch  eil  e  j,  Macoji  ^  Sali/is  j  Montbrison  j  Clermont  j  Limoges  j  Angou- 
le'ine ,  AgeUj  .'erpignan  (Handclsstrasse  nach  Spanien),  Bajonne  (tlandelsslrasse 
nach  Spanien),  Toulouse ,,  Cette ,  Grenohle  ,  Flenne ,  Toulon  ,  Grasse ^  Narbonne^ 
A\'ignon  und  Beaucaire  ^  in  welcher  letzteren  Handelsstadt  die  wichtigsten  und  am 
meisten  besuchten  Messen  in  ganz  Frankreich  gehallen  werden.  Die  Waaren  jeder 
Galtung  werden  hier  aus  allen  Gegenden  Frankreichs,  aus  Deutschland,  der  Schweiz, 
Spanien  und  Italien  herbeygeführt. 

In  Italien,  und  zwar  in  Ober-Ilalicn:  Turin  ,  Carmagnolaj  ISizza _,  Alessandi'ia^ 
Genua  und  Oiieglia ;  ferner  Mailand  ^  Pavia  ^  Lodi  j  Cremona  j  Brescia  ^  Bergamo 
(Ilauptstapelstadt  für  Seide  und  Wolle),  Venedig  (vor  Entdeckung  der  Umfahrt  um 
die  südliche  Spitze  Afrika's,  der  Hauptmarktplatz  von  Europa),  feroruij  Vlcenza , 
Bassano  j  Reggio  mid  Lucca;  in  Mittel-Italien:  Florenz  (der  Mittelpunct  des  Land- 
liandels  von  Toscana),  Livorno  (ein  Hauptvereinigirngspunct  der  Levante  mit  den  ita- 


rV.  Commerc.  Prodnct.  oder  Handel.  §.  137.  Handelsplätze ,  Jahrmärkte   und  Messen.  ^53 

lienischen  und  andern,  besojiders  westeuropäischen  Ländern,  und  ein  Haupt])latz  fiir 
Straussfedernhandcl  aus  Algier,  Tunis  imd  Alexandria)  j  Cevner  ^/icona_,  Sinigaglla 
und  Bologna;  in  Unler-Italien:  Neapels,  Salerno j  Fasitano ,  Foggia  (Hauplplatz 
des  neapolitanischen  liandels),  Manjreäonia  ^  Baii_,  Bavlettd  ^  Gallipoli  und  Cosen- 
zu;  auf  den  anliegenden  lasehi:  Palermo  (Miltelpunct  der  sicihanischcn  llandhings- 
und  Gewerbsthäligkeil),  Alicata  (Niederlage  aller  Bedürfnisse  fiir  Malta),  Messina 
luid  Cataida ;  auf  Sardinien:  Cagliari  (Hauplplatz  des  sardinischen  Handels  mit  dem 
Auslande) ;  auf  Malta  :  Valetta  (Stapelplatz  lur  die  verschiedenen  Erzeugnisse  und 
Waaren  der  ])cnachhartcii  Länder,  auch  Niederlage  von  englischen  Golonial-  und 
Manufacturwaaren).  Erheljliche  Messen  werden  gehalten:  zu  Alessandria ^  Brescla  ., 
Bergamo  j  Sinigaglla  j  Salerno  und  Foggia. 

In  der  Schweiz ;  Basel  (die  vornehmste  Schweizer-Handelsstadt  und  Hauptnie- 
derlage der  Einfuhr-  und  Ausfuhrartikel),  ScliaffliauseUj  St.  Gallen  (Haii^ythandels- 
plalz  der  östlichen  Schweiz)  ,  Rorschach  (der  stärkste  Kornmarkt  der  ganzen  Schweiz, 
durch  die  Zufuhr  aus  Deutschland  über  den  Bodensee),  Herisau  (wo,  so  wie  in 
St.  GaUen,  die  grössten  Handelshäuser  der  östlichen  Schweiz,  und  die  grössten  Äla- 
gazine  von  Leinwand,  Mousselin  mid  Baumwollenwaaren  sind),  Ziirichj  Laceni  (wich- 
tiger Speditionsplatz  von  Zürich  und  Basel),  Soloihurn  (Hauptniederlage  von  Waa- 
ren, welche  aus  einem  Theile  Frankreichs  durch  die  Schweiz  geführt  werden),  Chur 
(Mittelpunct  des Transitohandels  zwischen  Deutschland  und  Italien),  Martinach  (J^ie- 
derlage  der  vom  Genfersee  über  den  St.  Bernhard  und  rückwärts  gehenden  Waaren), 
Genf  und  JSeufchatel. 

In  Deutschland:  Leipzig _,  Frankfurt  am  Main^  Braunschweig j  Frankfurt  au 
der  Oder  j  Naumburg  und  BotzeUj  in  wclclien  Städten  die  wichtigsten  Älesscn  ge- 
halten werden,  die  nicht  bloss  von  Deutschen,  sondern  auch  von  Ausländern,  und 
manche  darunter,  besonders  die  zu  Leipzig j  von  Fremden  fast  aus  allen  Ländern  Eu- 
ropa's,  und  selbst  von  Asiaten  besucht  werden.  Besonders  aber  ist  Leipzig j,  nehm 
Frankfurt  a.  d.  Oder  und  Naumburg _,  der  Marktplatz  für,  aus  Norden  und  Osten 
sich  einfindende  Käufer,  vornehmlich  Russen,  Polen  und  Griechen,  so  wie  Botzen 
hauptsächlich  für  Italiener,  und  Frankfurt  am  Main  für  Niederländer  und  Franzosen. 
—  Ausserdem  sind  noch  von  vorzüglicher  Erheblichkeit,  wegen  ihres  Speditioiis- , 
Wechsel-  imd  eigenen  Waarenhandels  :  Augsburg  _,  Nürnberg  j  Wien  und  Prag  _,  so 
wie  Berlin  j  Breslau  und  Dresden.  —  Die  erste  aller  See-  und  Handelsstädte  in 
Deutschland  aber,  so  wie,  nächst  London  und  Amsterdam j  auch  die  grösste  in  Eu- 
ropa überhaupt,  ist  Hamburg ^  welche  Staut  ein  Ilauptmarklplatz  für  gcsammte  Welt- 
Ilandelsgegcnständc  ist,  und  zugleich  mit  zwey  andern  erheblichen  See-  und  Handels- 
plätzen, Lübeck  inid  Bremen j  den  Bund  der  ehemals  berühnUen  Hansa  fortsetzt, 
auch  in  Gemeinschaft  dieser  Städte  mit  verschiedenen  Freyheiten  noch  jetzt  in  Eng- 
land begünstiget  ist.  —  Andere  ebenfalls  wichtige  See-  und  Handelsorte  Deutsch- 
lands sind  vornehmlich  noch  Triest  am  adriatischen  Meere;  Emden  am  Ausflusse  der 
Ems  in  den  Dollart  und  die  Nordsee;  Altana  bcy  Hamburg  an  der  Elbe,  wnA. Slettiji^ 
Stralsund  j  Piostock  imd  JFismar _,  sänmitlich  an  der  Ostsee. 

In  der  Monarchie  der  Niederlande  und  zwar  in  den  nördlichen  Provuizcn  dersel- 


254  ^V-   Coraitierc.  Product,  oder  Handel.  §.   löy    IlaadelspläUe  ,  Jahimärkte  und  Messen. 

Len:  Jmsterdam  (noch  im  Anfange  und  um  die  Miite  des  achizehnieu  Jahrhunderts 
die  erste,  jetzt  nach  London  die  wichtigste  Handelsstadt  in  Europa),  Roftefdnm 
(Ilauptniarkt  für  Flachs  ,  Krapp  und  rothe  Franzvveine)  ,  Middelburg  j  Dortrecht 
(Haiiptslapcl  der  grossen  Rheinflösse),  Lejdeti  (Hauplsilz  für  den  inlandischen  ^Voll- 
handel);  Haarlem  (vormals  Hauptsitz  eines  famosen  ßhunenhandels,  und  noch  jetzt 
Bhuuenahsatz  in  die  entferntesten  Gegenden) ,  Alkmaar  (die  grösste  Käseniederlage 
in  ganz  Holland) ,  JVimwegejij,  Arnheim  ^  Zwoli_,  Grörängen  u.  a.  m. ;  in  den  südli- 
chen Provinzen:  Antwerpen  (vor  200  Jahren  die  Königinn  aller  Handelsstädte  in  Eu- 
ropa), Gentj  Brüssel  j  Brügge^  Lattich  w.  a.  m.  Fast  jede  niederländische  Sladl  ist 
ein  Handelsplatz. 

In  Danemark:  Kopenhagen  (der  Mittelpunct  des  ganzen  dänischen  Handels),  Hel- 
singöer  (an  der  schmälsten  Stelle  des  Sundes,  der  ZoUplatz  ftir  die  zahlreichen ,  diu'ch 
den  Sund  gehenden  Schiffe,  die  hier  anhalten  und  den  Zoll  hezahlen  müssen ,  der 
jährlich  über  5oo,ooo  Thlr.  beträgt);  ferner  Odensee^  Njkiöping_,  Aalborg j,  TFi- 
borg  (jährliche  Messe,  Sclinapstag  genannt),  Aarhuus ^  Ringkiöping j  Flensburg 
imd  l^üiiningen. 

In  Schweden  ist  das  Geschäft  der  Handlung  auf  eine  eigene  Art  unter  die  Städte 
vertheilt.  Zu  dem  Handel  mit  dem  Auslande  haben  28  Seestädte  allein  das  Recht  und 
führen  den  Namen  {der  Stapelstädte.  Diese  betreiben  den  Handel  mit  dem  Auslande 
vermittelst  eigener  Schiffe.  Die  übrigen  Städte,  auch  selbst  solche ,  die  an  der  See  lie- 
gen, hcissen  Landstädte.  Diese  sind  nur  zum  inländischen  Handel  berechtiget;  sie 
können  inländische  i^roducte,  selbst  in  eigenen  Schiffen,  den  Stapelstädten  zuführen 
imd  ausländische  von  da  abhohlen,  um  sie  in  den  Provüizen  zu  verhandeln.  Yen  den 
Stapclslädlen  sind  Stock/iolm  imd  Gotlieiiburg  die  ersten  des  Reichs,  ruid  den  übri- 
gen (Gefle  ,  ISorrkoping _,  Mai'strand _,  Calmar  _,  Udewalla  _,  Halmstadt  _,  Malmöe,, 
Laudskrona j,  Helsinborg ^  Christiansstadt  u.  s.  w.)  im  Geschäfte  des  Handels  so 
stark  überlegen ,  dass  die  erstere  ~  ,  die  andere  y\  des  ganzen  Handels  in  Händen 
liat.  —  In  Norwegen:  Bergen  (der  Hauptstapelplatz  für  norwegische  Producte  und 
Bedürfnisse  aus  der  Fremde),  Drontlwim  (die  zweyte  norwegische  Handelsstadt}, 
Christiania  j  Drammen  j  Friedrichshald  und  Christiansnnd. 

InRiissland  :  St.  Petersburg  (die  wichtigste  Sechandelssladt  des  russischen  Reichs), 
Biga  (nach  St.  Peters])nrg  die  vornehmste  Seehandelsiadt  in  Russland),  Bei'alj  Liehaii 
und  ISarwa ,  sänmulich  an  der  Ostsee;  Arcliangel  am  weissen  Meere  (von  allen  Städ- 
ten des  Erdbodens  unter  dieser  Breite  die  wichtigste  Handelsstadt);  Odessa  (seit  1817 
zugleich  ein  Freyhafen,  für  den  Handel  von  Bessarabien  und  den  russisch-polnischen 
Provinzen  imgemcin  bequem),  CAe/'i'o«  (Stapelplatz  für  den  Dneprhandel)  j  Eupatoria 
(nissiscli  Koslu\\),  Sewastopol j  Feodosia  (die  wichtigste  Handelsstadt  der  Krimin, 
vormals  ein  Markt  der  Sclavcn  und  jungen  Tscherkasscrinnen),  Taganrok _,  sämnulich 
am  schwarzen  und  asowschen  iVJeere;  Astrachan  am  kaspischen  Meere  (wichtig  als 
Ilandclssladl  mit  Persien  und  Indien,  und  durch  den  Weg  auf  der  Wolga  auch  fiir  ei- 
nen grossen  Theil  des  europäischen  Russlands);  Ochotsk  am  ochotskischen  Meere 
(Stapelplatz  des  Handels  mit  Kamtschatka).  —  Unter  den  russischen  Landstädten  be- 
hauptet Moskau  als  Handelsplatz  den  ersten  Rang;  die  übrigen  vorzüglicheren  Land- 


IV.  Commerc.  Prpcluct.  oder  Handel.  §.    lö;.  Handclspliilze  ,  Jalnniärkle  «nd  Messen.  255 

liandelspläze  sind:  Twer  j,  jSischiiel-Nowgorod ^  Makarjew _,  Tul(i„  Kaliiga  j,  Jaros- 
laWj  Orelj  Kui'sk_,  Smolensk ^  Kasans  Saratow ^  Mo/ti/ew j,  TidnviUj,  Jfl^tlinei' 
TVolotschok j  Slobodsk _,  Irkutzk ^  J(tkutzk_,  Irbit ,  CatJuirinenburg ^  Ustjuli-JFelikij 
Ovenbuvg  und  Kisljar  oder  Kislar.  Fast  jede  russische  Sladl  hal  ihre  .Tahr-  und  ^Vo- 
cheninärktc,  welche  letztere  seihst  in  den  russischen  Dörfern,  vornchndich  zu  Z?a'- 
kowa  an  der  Wolga  und  zu  Pawlowa  a:a.  der  Okka,  so  bedeutend  sind,  dass  sie  viele 
Jahrmärkte  üherlreffen.  Die  grösseren  Städte  besitzen  nach  dem  Muster  der  orientali- 
schen Bazars  eigene  Kaiißioje  _,  worin  alle  Arten  von  Esswaaren,  Materialien  und 
Kunstproduclcn  ausgelegt  wei-dcn.  Die  merkwürdigsten  darunter  sind  die  zu  Moskau 
(vor  dem  Brande  mit  4682  Buden),  zu  St.  Petersburg  mit  540  Gewölben,  zu  M^ikar- 
jew  mit  goo,  zu  Irhii  mit  5oo,  und  zu  Astrachan  mit  io5  Buden.  Die  vvichiigsten 
Messen  werden  gehalten  zu  Ii'bit  und  zu  Nischnei-JSowgorod j  nach  welcher  letzte- 
ren Handelsstadt  im  J.  1817  auf  kaiserliche  Verfügung  die  berühmte  Messe  von  Ma- 
karjew verlegt  wurde.  Beyde  Messen  werden  von  Kaufleuten  nicht  nur  aus  den  ent- 
ferntesten Gegenden  Piusslands,  sondern  auch  aus  den  benachbarten  Ländern  be- 
sucht. Auf  der  Messe  zu  Irbit  im  Gouvernement  Perm,  ward  im  J.  1806  ein  Capital 
von  6,287,000  Ruljel  umgesetzt,  mid  der  Wcrth  der  im  J.  i8i5  auf  die  Messe  zu  Ma- 
karjew gebrachten  Waarcn  ward  zu  3oo  Mill.  Rubeln  angeschlagen;  gleichwohl  ward 
die  Messe  in  JSischnei-Nowgorod  schon  1817  i«it  loooBuden,  mehr  als  zuvor  in  Ma- 
karjew, eröffnet.  —  In  Polen:  JFarschau  (seit  1816  eine  freye  Handelsstadt,  mit  ei- 
ner grossen  jährlichen  Messe),  Lublin  (mit  drey  wichtigen  jährlichen  Messen) ,  Te- 
respol  und  Kielce. 

In  Preussen .  Dafizig  (die  erste  Seehandelsstadt  des  preussischen  Staates),  El- 
blng j  Marienburg  und  Tliorn;  ferner  Königsberg j  Pillaa  und  Meinet  (mit  einer 
jährlichen  Messe);  in  der  Provinz  Posen:  Bromberg j  Posen j  Lissa  und  Ravioz. 

In  Galizien  und  der  Bukowina:  Brodj  (frcye  Handelsstadt,  und  Mittelpunct  des 
sehr  bedeutenden  Speditions-  und  Transitohandels  zwischen  Österreich  und  Russ- 
land); Lemberg  (nach  Brody  Haupthandelsplatz  iii  Galizien,  mit  wichtigen  jährlichen 
Messen,  Contracte  genannt);  Podgorze  (seit  i8l5  freye  Handelsstadt),  Jaroslaw j 
Krosno  (Niederlage  von  ungrischen  \Veinen) ;  Czernowitz  und  Suczawa  (Millelpimct 
des  Spedilionshandels  zwischien  der  Moldau  und  Siebenbürgen). 

Die  frcye  Stadt  Krakau  ist  ein  Stapelplatz  von  ungrischen,  polnischen,  gidizi- 
schen  und  schlesischen  Waaren ,  und  treibt  einen  erheblichen  Handel. 

In  Ungern:  Pesth  (Hauptplatz  des  ungrischen  Handels,  besonders  durch  die  vier 
ansehnlichen  jährlichen  Märkte) ,  Pressburg  j  Oedenburg  (Hauptstapelplatz  des  nie- 
derungrisciicn  Schwernhandels  nach  Osterreich),  Comorn  j  Raab  j  Maria-TJiercsien~ 
Stadt  und  JSeusatz  ;  ferner  Debreczin  (jährlich  wichtiger  Schwein-  und  Spcckmaikt), 
Kaschau  j  Eperies j,  Szegedin  j  GrosswardMn  und  Temeschwar;  in  Slavonicn  :  Es- 
Sek;  in  Croatien  und  dem  ungrischen  Seeküstenlande:  Jgram  und  Fiume  (wiclitiger 
Stapelplatz  für  den  Aljsalz  des  ungrischen  Productenreichthums)  ;  in  Dalmatien 
und  den  dazu  gehörigen  Districten :  Zara  j  Spalato  ^  Ragusa  und  Cattaro;  in  der 
österreichischen  Militärgi-änze  :  Carlstadt  und  Semlin  (Ilauptniedcrlage  von  östcr- 
1  eichischen  und  türkischen  'SV  aarcn)  j  in  Siebenbürgen ;  Kronstadt  (llanpihundcli- 


256  IV.  Commercielle  Produclion  oder  Handel.  §.  i58.  Maass  und  Gewicht. 

platz  von  ganz  Siebenbürgen,  und  Stapelort  der  zu  Lande  überRudschuck  ankommen- 
den levaniischen  Waaren) ;  Hermannstaclt  (nächst  Kronstadt  die  crhcbliclistc  Han- 
delsstadt in  Siebenbürgen). 

In  der  europäisrhen  Türkey:  Co«.yfrtWfmo/:»e/ (Hauplhandelsplatz  für  den  Land- 
und  Seehandel  der  europäischen  Türkey,  wo  sämmtUche  Waaren  ausgelegt  werden 
in  den  Bazars  (Handelsgcwölben  der  Kaufleute  und  Fabricanten) ,  die  einen  Unge- 
heuern Markt  bilden  j  unter  diesen  auch  ein  Weibermcakt  j  mit  Sclavinnen  aus  Geor- 
gien, Tscherkassien ,  Ägypten  und  Habesch);  ferner  Jdrianopelj,  Felibe  oder  P/ii- 
lippopol  j  Gallipoli  und  Rndschuck  an  der  Donau  (Ins  hierher  gehen  Reisende  zu 
Wasser  imd  setzen  dann  die  Reise  nach  Constantinopel  zu  Lande  f  rl) ;  dann  WarJia 
(Hauptstapelplalz  des  Handels  der  Bulgarey  mit  Constantinopel),  Belgrad  QA\\.lei^\\x\.c\. 
des  Handels  zwischen  der  Türkey,  Ungern  und  Deutschland),  Salonichi  (nächst  Con- 
stantinopel die  vorzüglichste  Niederlage  fast  von  allen  Handelswaaren  der  europäischen 
Türkey  ,  auch  von  deutschen  und  andern  eurojiäischen  Handelsartikeln  ,  imterhält 
Geld- und  Wcchselhandel  nach  Wien  und  Smyrna)  ,  Sseres  (Hauptbaumwollenmarkf), 
Janina  (erhebliche  Hiuidelsstadt,  deren  Einwohner  einen  ausgebreiteten  Handel  mit 
Deutschland  und  Italien  treiben);  endlich  Buhurescht ^  Jassj  imd  Galatz  (vor  dem 
Aufstande  der  Griechen  die  erheblichsten  Handelsstädte  in  der  Walachey  und  Mol- 
dau). —  In  der  asiatischen  Türkey :  Ismir  oder  Svijrna  (die  reichste  und  wichtigste 
Handelsstadt  der  Levante,  Sammelplatz  von  Kaufleulen  fast  aus  allen  Weltgegenden), 
Haleb  oder  Aleppo  (Hauptniederlage  von  persischen ,  indischen  imd  türkischen  Waa- 
ren;  von  Bagdad  und  Basra  kommen  oft  Karavanen  hier  an,  vmd  gehen  von  da  nach 
Constantinopel)  ;  Bursa  flebhafter  Kaiavanenhandel  zwischen  Syrien  und  Constantino- 
pel) ;  Akre  (St.  Jean  d'Acre)  Haupimarktplatz  der  syrischen  Baumwolle),  Diarbekir 
(ein  starker  Waarenzug  aus  Ostindien  und  Persien  geht  hier  durch),  Bagdad 
beträchtlicher  Waarenzug  aus  dem  persischen  Meerbusen  nach  Constantinopel) , 
endlich  Basra  oder  Bassora  (Hauptstapelplatz  aller  Waaren,  die  aus  Indien  nach 
Constantinopel  u.  s.  w.,  und  umgekehrt  gehen).  —  In  Ägypten:  Kairo  oder  Kahira 
(Miltclpuucl  alles  Handels  zwischen  der  europäischen  Türkey,  Nordafrika,  dem  mit- 
telländischen Meere,  Arabien,  Indien  und  Abyssinien);  awsserdiGnx  Alejcandria  (Skan- 
dcrikc),  Raschid  oder  Rosette  luid  Damiat  oder  Damiette. 

§.  i38. 

b)  M  a  a  s  s   u  n  d  G  e  w  1  c  h  f . 

Das  Mittel,  den  Betrag  der  Dinge  nach  ihrer  Grösse  oder  Me^ige  zu  bestimmen^ 
i^lMaass  und  Gewicht.  Um  in  dieser  Hinsicht  jeder Bevortheilung  im  Handel  und  Wan- 
del gesetzlich  vorzubeugen,  haben  die  Regierungen  der  europäischen  Staaten,  mit 
Zuziehung  der  Mathematiker,  dafür  gesorget,  diese  für  das  gegenseitige  Verkehr  so 
wesentlichen  Bestimmungsmittel  festzusetzen,  die,  wenn  sie  nicht  vorher  durch  öfTcnt- 
liches  Ansehen  der  Staatsgewalt  snnctionirt  wären,  alle  Augenblicke  Nachlhcil  und 
Schaden  für  den  Einen  oder  Andern  erzeugen  würden.  Daher  unterliegen  allenthalben 
Maass  imd  Gewicht  der  öfTeutlichen   Cimeniirungj  und  das   grössere  Zutrauen  beym 


IV.  Commcrciellc  ProJüclion-  oder  Handel,  ^.   löli.  Maass  uud  Gewiclit.  257 

Ein- nnd  Austausch  gcj^cnseillgcr  BodüiTiiisse,  ^A'c](■lles  dadurcli  eiziclel  wird,  nuis?^ 
den  Vcrkelir  der  Staalsbüjger  ungoniein  cileicliiern.  Besonders  niuss  dicss  dann  der 
Fallscyn,  wenn  auch  fiir  die  Gleichf'örniigjicit  uud  die  geschickte  Ablhcihmg  des  Maas- 
«es  und  Gewichtes  gesorget  wird. 

In  dieser  Hinsicht  empfehlen  sich  die  neuen  französischen  Maasse  und  Gewichte 
durch  Einfachlieit  derEintheihing  nach  dem  Decimalsjstem.  Alle  französische  Maasse 
und  Gewiclite,  so  wie  alle  französische  Münzen  (s.  §.  i3g.),  sind  nach  Zehnen  gc- 
tlieih  undzusannnengcsetzt;  auch  ist  ftir  alle  ^hiasse  zur  desto  grösseren  Beständigkeit 
derselben  ein  gewisses  Grundmaass  festgesetzt.  Dieses  Griindmaass,  als  die  Grundlage 
des  Systems,  ist  (\.a.s  Metre  j  welches  als  die  Eijihcildcs  Langenmaasses  angesehen  wird. 
Dieses  Mclre  ist  der  zehnniillionste  Tlieil  von  dem  Quadranten  eines  Erdmeridians, 
oder  der  ioo,oooste  Theil  eines  Erdgrades,  deren  nach  der  neuen  Eintheiliuig  100 
auf  einen  Quadranten  gehen,  anstatt  der  sonst  üblichen  go.  Im  rheinländischen  Älaas- 
se  beträgt  das  Metre  3  Euss ,  2  Zoll,  3  Linien.  Die  iibrigen  Längenmaassc  sind  iheils 
grösser,  ihcils  kleiner  als  das  Metre;  jene  nehmen  10-,  100-,  looofach  zu,  diese  neh- 
men ebenso  ab.  Jenen  setzt  man  griechische  Z-ahlwörter  vor,  diesen  lateinische,  als: 
Älillimetrc    =  — '—  j\lclre.  Decametre      =:  10  Metre. 

Centimeirc  =  t--       —  Ih^clometrc    =        100     — 

Decimetre    =75         —  Kilomelrc       =     1000     — 

Metre  =1  —  Myriameire    =   10000     — 

Das  TMyriametre  wird  häniig  als  'Wegmaass  gebraucht.  Es  verbält  sich  ziu-  geographi- 
schen Meile  wie  27  :  20 ;  20  Myrianietre  machen  27  gcographisclie  Meilen.  —  Jre  ^ 
die  Einheit  beyniFIächenmaasse  ,  enthält  100  Qnadralmetre,  oder  ist  gleich  einem  Qua- 
drat, dessen  Seile  10  Metre  beträgt;  folglich  ist  ein  Are  gleich  7,o545  rheinländi- 
iwihen  Quadratrulhen.  —  Bey  Körpermaassen,  ziu- Ausmessung  trockener  und  flüssiger 
Dinge,  ist  die  Einheil  Aas Lilre _,  d.  i.  ein  Würfel,  dessen  Seite  y^^  Metre  (Stere  ist  ein 
Würfel  vom  Metre),  Das  Lilre  ist  gleich  5oj462  Pariser  Kubikzollen ,  um  etwas  grös- 
ser als  ein  braunschweigisches  Quartier.  —  Bey  den  Gewichten  heisst  die  Einheit 
Gramme  j  d.  i.  das  Gewicht  von  einem  'Würfel  Wasser,  dessen  Seite  y§^  Metre.  Die- 
ses Gewicht  beträgt  18,841  franz.  Grains,  oder  2o,83  holländische  As,  oder  28o,5 
köllnisclie  Richlpfennige.  Die  übrigen  grösseren  oder  kleineren  Abtheilungen  des  Flä- 
chen- uud  Körpermaasses,  sowie  des  Gewichtes,  werden  auf  gleiche  Weise,  wie 
beym  Längcnmaasse,  durch  Vorsclzung  griecliischer  oder  lateinischer  Zahlwörter  be- 
stinmit. 

Da  aber  die  ausschliessliche  Anwendung  des  Decimalfusses  dem  Calcnl  zwar  sehr 
günstig,  nicht  so  aber  dem  täglichen  Verkehr  des  Volkes,  weil  diese  Einrichtung  et- 
was schwer  zu  verstehen  ist:  so  ward  im  J.  i8l2  den  Kaiifleutcn  in  Frankreich  ge- 
staltet, neben  den  Decimal-Einlheilungen  der  Maasse  und  Gewichie,  die  sonst  ge- 
wöhnlichen Maasse  und  Gewichte  zugleich  zu  gebrauchen.  Da  aber  durch  diese  Dul- 
dung im  Detailhandel  Missbräuchc  und  Betriegereyen  vcraiJassl  wurden :  so  wurden 
im  J.  1816 bey  dem  Detailhandel  dieDecimal-Einlheilungcn  der  Maasse  und  Gewichte 
aufgehoben,  und  die  ausscidiessliche  Anwcndiuig  der  sonst  iildicbcn  Maasse  und  Ge- 
wichte dabey  veroidnct.  Der  Decimulfuss  wird  also  gegenwärtig  einzig  und  ausschlics- 

33 


2'jö  IV.   C ^lumercicilc  l'iuuuctiou   jder  Handel.  §.   i5y     tield. 

send  J)cy  allen  öffenllichon  Arbeiten,  dem  Handel  im  Groisen  ,  uixj  i«  ■■»iloji  Handcls- 
und  andern  Verliägeu  foiigebrauclit. 

C .  In  Ansehung  des  G  c  I  d  u  m  s  a  l  z  e> 

a)       G     e     1     d. 

Die  Seele  des  Handels  ist  das  Geld ^  d.  i.  was  allgemein  gilt,  wofiir  in  der  Regel 
beym  Verkehr  Alles  gegeben  imd  cihallen  wird.  Dieses  grosse  ^Verkzeug  des  Handels 
hat  bey  demsolljen  zweyerley,  fiir  die  Tauschenden  nothwcndige  Functionen  zu  ver- 
richten :  einmal  die  eines  Werllunessers  für  die  zu  vertauschenden  Güter  oder  Waa- 
vcn  vtnd  dann  die  eines  Ausgleichungs-Yehikels ,  oder  einer  allgemeinen  Anweisung 
auf  alle  in  den  Verkehr  kommende  Waaren  aj.  Der  Werthmesser  imd  das  Ausglei- 
chun"S-^  ehikel  können  Ein  vuid  dasselbe  seyn  j  aber  es  ist  nicht  schlechterdings  nÖ- 
ihi'f  dass  sie  es  seyen.  Sie  können  Ein  und  dasselbe  seyn ,  d.  h.  man  kaim  sicli  die- 
ses bcslinnnien  Genussmiitels  ,  welches  zum  Ausgleichungs-Vehikel  angenommen  ist, 
bedienen,  um  damit  auch  den  Tauschwerth  der  in  den  Verkehr  kommenden  Güter 
zu  messen.  Aber  dieses  ist  nicht  unerlässlich  nöthig.  Der  Werthmesser  kann  auch  nur 
ideal  seyn.  Man  kann  den  Tauschwerth  auch  nur  diuch  eine  willkührlichc  ideale  Be- 
nennun«  messen,  und  dieses  ist  wirldich  öfters  der  Fall.  So  hat  man  in  vielen  euro- 
päischen Staaten  einen  eingebildeten  Werthmesser  (Rec/iiiu/igsmünze) ,  der  reel  nicht 
existirt,  also  auch  kein  Ausgleichungs- Vehikel  seyn  kann.  Es  existirt  z.  B.  in  England 
kein  Pfund  Sterling,  in  Sachsen  kein  Reichsthaler,  in  Siiddeulschland  kein  rheini- 
scher Gulden,  in  Spanien  kein  Reales  de  Vellon  u.  s.  w. ,  und  doch  wird  in  England 
der  Werlh  aller  im  Verkehr  begriffenen  Güter  nach  Pf  St.,  in  Sachsen  nach  Reichs- 
thalern,  in  Süddeutschland  nach  Gulden,  in  Spanien  nach  Reales  de  Vellon  u.  s.  w. , 
»emessen.  Eine  andere  Bewandtniss  hat  es  mit  dem  Ausgleichnugs-Vehikcl.  Dieses 
muss  nolh'.vendig  selbst  ein  Gut  von  wirklichem  Werlhe  seyn,  da  der  Handel,  seiner 
Natur  nach,  nichts  anders  seyn  kann,  als  der  L'beigang  des  Bcjilzes  eines  Genussmit- 
tels von  emcm  Besitzer  zum  andern  bj. 

Hier  bieten  sich  nun  die  Metalle,  und  zwar  die  vorzugsweise  sogenannten  edlen 
Metalle  (Gold  und  Silber)  wie  von  selbst  dar,  da  sie  in  sich  selbst  einen  gewissen 
Werth  als  nutzbar  für  gewisse  Zwecke  haben.  Eben  desshalb  wurden  sie  zum  Aus- 
<deichun"S-Veliikel  von  allen  gebildeten  Völkern  angenommen,  wodurch  alle  Schwie- 
rigkeiten wegfielen,  die  bey  allen  andern  Tausrhmilleln,  wodurch  man  sich  den 
Tausch  der  Bedürfnisse  erleichtern  wollte,  Slatt  fanden,  und  der  Tauschhandel  fast 
••änzlich  verdrängt  wurde.  Findet  er  zuweilen  noch  dem  Scheine  nach  Slatt,  so  wnd 
doch  der  Überschlag  in  Gelde  gemacht.  Die  Wilden  allein,  denen  der  Gebrauch  des 
Geldes  unijekannl  ist,  kennen  keinen  andern  Handel. 

Wenn  jene  INIetalle  in  Stücken  von  besliminier  Feinheit  und  Schwere ,  unel  mit 
besLimnilen  Zeichen  und  Aufschrift  (Gepräge)  veraibcitet  werden,  welches,  des  all- 
gemeinen Zuliauens  wegen,  die  Regierungen  der  europäischen  Staaten  unter  ihrer 
Autorität  und  Gewfdulcistung  bewerkstelligen  lassen;  so  beissen  sie  Müu-en^  Zu  den 


IV.  CunimercicUe  Pioducüoii  oJci-  HuutJel.  5>.   139.  GilJ.  259 

Münzcii  vom  ^ev'm^stenWerthc,  Scheidemü?tze?i _,  deren  Voihanclrnsoyn  das  Ver- 
mögen eigentlich  erst  recht  be'vvcglicli  machte  und  den  LcLcnsgenuss  erweitert,  wird 
in  den  meisten  europäischen  Staaten  auch  Kupfer  genommen  cj.  Die  obrigkeithche 
Bestinunung  der  Feinheit  und  Schwere  (Korn  und  Schrot)  der  Münzen  heisst  dei 
Müiizfuss.  Er  ist  in  den  europäischen  Staaten  nicht  oinerley,  so  wie  die  in  dcuselbeit 
gangbaren  Münzsoi'tcn  d),  und  das  VerhäUniss  zwischen  Gold  und  Silber  ej ,  leider! 
sehr  verschieden  sind.  Audi  die  Abtheilung  des  Geldes  nach  Sorten  und  kleinerer; 
Stücken  ist  nicht  allenthalben  die  zweckniässigsie  zu  einer  leichten  llcduction  der  ei- 
nen Sorte  auf  die  andere,  oder  zu  einer  leichten  Ausgleiclumg  gegenseitiger  Verbind- 
lichkeiten. Einen  besondern  Vorzug  besitzt  in  dieser  Hinsicht  das  neuere  französische 
Miinzsystem.  In  Frankreich  ist  nähmlich  am  28.  März  iuo3  das  Decimalsystem  ein- 
geführt worden,  dem  zu  Folge  die  neueren  Miinzstücke  sich  von  einander  jederzeit 
um  das  Zehnfache  luiterscheiden.  Die  Münzeinheit  ist  der  Franc  j  welcher  eine  Sil- 
bermünze (gleich  23|  kr.  CM.)  ist,  und  sich  in  100  Centimes  oder 'in  10  Dncimes 
theilt.  Der  Franc  theilt  sicli  dann  noch  in  halbe  und  viertel  Francs.  Die  grösseren 
Silbermünzen  sind  2  Franken-  und  5  Franken-Stücke  (Thaler) ;  endlich  gibt  es  auch 
■  Goldstücke  zu  40,  20  und  10  Francs  (do])pelte,  einfache  und  halbe  Louisd'or) ;  durch- 
aus im  Gehalt  von  y'g-  fem  und  y^  Beysatz. 

ÜJjrigens  ist  in  Europa  zu  allen  Zeiten  eine  unerniesslichelMengc  Geld  ausgeprägt 
worden;  doch  dürfte  alles  circulirende  baare  Geld  in  diesem  Erdthcile  schwerlich  die 
Summe  von  Öooo  Mill.  Gulden  (nach  Hrn.  Hassel  kaum  die  Summe  von  2000  iMill.  fl.) 
erreichen,  wovon  die  grössere  Menge  sich  in  Holland  fj^  Deutschland  und  Frank- 
reich befindet.  Dagegen  besitzt  Grossbritannien  unter  allen  europäischen  Staaten, 
Russland  ausgenommen  gj ,  verhältnissmässig  die  wenigste  IMeiallmünze  (nach  eini- 
gen nur  33  IMillionen  hj ,  nach  andern  gar  nur  24  iMiH.  Pf.  St.  in  Gold  imd  Silber) ; 
aber  nirgends  ist  der  Umlauf  lebhafter,  als  in  diesem  Slapelj)buze  des  Welthandels, 
so  lebhaft,  dass  bey  dem  grossen  Credite  und  dem  ausgebreiteten  Banksvstenie ,  mit 
Hülfe  der  Banknoten  und  Wechsel,  durch  gegenseitiges  Ab-  mid  Zurechnen,  Anwei- 
sen und  Ausgleichen  der  schiddigen  Summen,  jährlich  für  mehr  als  5o,ooo  Mill.  Gul- 
den Geldgeschäfte  gemacht  werden  ij. 

Von  der  klingende?!  (metallenen,  geprägten)  Münze  muss  man  das  Papiergeld 
unterscheiden,  welches  ebenfalls  in  sehr  vielen  europäischen  Staaten  zunr  Tausch- 
nüttel  dienet.  So  ist  in  Österreich  unter  dem  Nahmen  der  Einlösungs-  und  Anticipa- 
tionsscheine  j  seit  dem  1.  July  1816  auch  unter  dem  Nahmen  der  Banhwten  ^  in  lluss- 
Innd  unter  dem  Nahmen  der  FieicJisassiguationen  j,  in  Schweden  unter  dem  Nahmen 
der  Banko-  und  Feichsschrddenzcttelj  in  Dänemark  unter  dem  Nahmen  der  Reichs- 
bankzettel ^  in  Preussen  unter  dem  Nahmen  der  J)'eso7'Sche'7ie  j  in  Sachsen  unter  dem 
Naiimeu  der  Cas'senbillets  ^  in  den  Niederlanden  unter  dem  Nahmen  der  Sjndicats- 
ßons  kj  j  in  Grossbritannien  unter  dem  Nahmen  der  Banknoten  und  in  Spanien  unter 
dem  Nahmen  der  F^cttes  reales  —  Geld  repräsentirendes  Papier  im  Umlaufe.  Durch 
dieses  Surrogat  des  Metallgeldes  wird  der  Verkehr,  liesondcrs  bey  ausgebreitetem 
Handel ,  ungemein  erleichtert,  der  mittelst  edler  Metalle,  wo  nicht  unmöglich  ge- 
maclii.    doch    in   Ansf^hung  der  Versendung  in  gemünztem  (ioJd  luid  Sil!>er  äusserst 

■    55* 


.'6o  IV.  ConimoroiLllo  rfoduclloa  oder  Handel-  §.   iSg    Geld. 

oiscliwert,  bedeulend  koslspiolig  gemacht,  und  mit  grosser  Gefahr  unvcimcidhch  ver- 
knüpft seyu  würde.  Jedes  Papier  aLer,  weh'hcs  Metallgeld  repräscnliren  soll,  kann 
diess  nur  dann  mit  Erfolg  bewirken,  wenn  die  Ge\Yissheit  der  Reahsation  existirt. 
Diese  Gewissheit  nennt  man  Credit  ^  der  sich  nur  dann  erzeugt,  wenn  das  Papier 
eine  Gütermasse  im  Rücken  hat,  aus  der  jener  Credit  hervori^eht,  und  auf  die  er  ha- 
siri  ist.  Der  Werth  des  Papiergeldes  wird  demnach?  mittelbar  aus  dem  Daseyn  eines 
Gutes  von  unmittelbarem  Werthe  abgeleitet ,  w  lilircnd  das  Melallgekl  die  Garantie  für 
seinen  Werth  mit  und  in  sich  herumträgt,  und  in  alle  Hände  liberhefert,  worin  es 
ronlirt. 

a)  Auch  kann  das  Geld  als  Lohn  fronidcr  Dienste  und  Arbeit  gebraucht  werden. 

b)  S.  JNational-Okonomie.  Von  Jul.  Gr.  i>.  Soden.  B.  II.  S.  275.  Vergi.  Theorie  des  Geldes 
und  der  Münzen  von  Dr.  Carl  Murhard.  Altenburg  und  Leipzig.  8.  Vergl.  Jen.  A.  L.  Z. 
1818.  JVr.  65. 

c)  Nur  im  osmanisuhen  Reiche  wird  kein  Kupfer  vermünzt. 

f/)  S.  Tafeln  zur  genauem  Kenntniss  aller  wirklich  geprägten  Gold-  und  Silbermünzen  älterer 
und  neuerer  Zeit;  mit  Angabe  1)  ihres  Gewichtes  nach  der  cöllnischen  Mark  roh  und  fein.; 
2)  ihres  wirklichen  Gehaltes;  3)  ihres  Werthos,  in  Pistolen  zu  5  Thlr.  ,  in  Conventions- 
oder 20  Guldenfuss  und  in  preussischem  Courant.  Für  Kaufleute  und  Münzliebhaber.  Von 
J.  H.  Gerhardt.  Berlin,  1818.  Vergl.  Gotiing.  gel.  Anz.  1818.  St.  164.  S.  i634.  —  J.C.NeU 
lienUrechers  Taschenbuch  der  neuesten  Münz-,  Maass-  und  Gewichtsverfassung  aller  Län» 
der  und  Orter,  ihrer  Wechselarten,  Usi ,  Respecttage,  öfTentlichcn  Banken,  Messen  und 
anderer  zur  Handlung  gehörigen  Anstalten  und  Gegenstande.  Von  S.  Ganz  u.  s,  w.  Pragj 
i8i5.  In  diesem  Werke  ist  der  innere  Werth  der  in  den  europäischen.  Ländern  vorkommen- 
den Goldmünzen  in  k,  k.  Ducalen  .\  4f  A-  1  und  der  Werth  der  Silbermünzen  in  Conven- 
tionsfuss  angegeben. 

<;)  Seitdem  Brasilien  so  \  lel  Gold  gibt,  ist  dieses  unter  den  europäischen  Ländern  am  wohlfeilsten 
in  Portugal,,  in  dessen  Münze  es  nur  i37mal  so  theuer,  als  Silber  angesetzt  ist.  Da  Spanien 
hingegen  bisher  so  ungemein  viel  Silber  aus  seinen  amerikanischen  Bergwerken  erhielt :  so 
ist  das  Gold  in  diesem  Lande  am  theuersten ,  und  i5^mal  höher  geschätzt  als  das  Silber. 
In  den  mittleren  Staaten  von  Europa  ist  das  Verhältniss  des  Goldes  zum  Silber  wie  1  :  14-^ 
bis  liij.  In  Asien  hingegen,  besonders  in  Ostindien  und  China,  hat  das  Silber  einen  höhe- 
ren Werth  als  in  Europa,  und  das  Verhältniss  des  Goldes  zum  Silber  ist  wie  1 ;  10.  Ausser- 
dem pflegt  das  Gold  zur  Rrlegszelt  und  bey  schlechtem  Wechselcourse  gegen  Silber  im 
Werthe  zu  steigen  ,  well  unter  allen  Waaren  von  Werth  das  Gold  am  leichtesten  zu  ver- 
senden und  zu  transportiren  ist. 

/)  Holland  ist  noch  immer  ein  Centralpunct  von  Capltallen  ,  die  auf  dem  übrigen  Contlnent 
in  dieser  Masse  nirgends  anzutrefTen  sind.  Auch  wird  in  Holland  sehr  viel  für  fremde  Rech- 
nung gemünzt,  besonders  holländische  Ducaten  (die  bekannteste  und  gangbarste  Münze  auf 
der  Erde)  und  holländische  LÖNvenlhaler ,  die  in  den  Ländern  an  der  Ostsee  und  In  Polen 
unentbehrliche  Münzen ,  besonders  für  den  Getreidehandel  sind.  Das  Materiaie  besorgen 
cutweder  die  nordischen  Kaufleute ,  die  jene  Münzen  prägen  lassen,  oder  die  Holländer 
liefern  es  auf  Rechnung  selbst.  S.  H.  A.  L.  Z.  i8i3.  Nr.  144. 

q)  Zufolge  der  neuesten  arithmetischen  Übersicht  dos  russischen  Geldwesens,  von  dem  be- 
rühmten Statistiker  und  Etatsrath  Storch,  besitzt  llussland  gegenwärtig  20  Mill.  Rubel  in 
Gold  und  Silber  und  25M1II.  Rubel  m  Kupfer,  die  aber  an  wirklichem  Werthe  nur  6-^  Mill. 
ausmachen.  S.  Osterr.  Beob.-  1817.  Nr.  107.  S.  535.  Vergl.  Pollt.  Journ.  1817.  St.  6.  S.  499- 

li)  S.  H.  A.  L.  Z.  1812.  Nr.  201.  S.  i55.  Gleichwohl  sind  von  Carl's  II.  Regierung  an  bis 
1811  iio,^55;56o  Pf.  Sl*  an  Gold-  und  Silbermünzen   in  Grossbritaunlen  geprägt  ■»vordcn  , 


rv.  CommercicUe  Prodiiclion  oder  Handel.  §.  i40.  Banken.  iSi 

wozu  im  J.  1818  neu  geprägte  Sovereignes  und  halbe  Sovereignes  für  mehr  als  2,rG2;425 
Pf.  St.,  und  neu  geprägte  Silbermiinzcn  (Kronen,  halbe  Kronen,  S<liillinge  und  halbe 
Schillinge)  für  676,180  Pf.  St.  kamen.  S.  Österr.  Beob.  1819  ]Nr.  7G.  S.  370.  Das  Ver- 
schwinden des  baren  Geldes  aus  Grossbritannien  hat  seinen  Grund  in  dein  Einschm  'Izen 
der  Goldstücke  und  anderer  JNIünzcn  ,  in  der  jährlichen  haaren  Ausgabe  der  ausser  dem  Rei- 
che befmdlichen  Engländer,  die  man  über  2  Mill.  Pf.  St.  berechnet,  und  in  den  grossen, 
in  England  contrahirten  fremden  Anleihen,  ohne  jene  Summen  in  Anschlag  zu  bringen ,. 
die  durch  Handel  und  Kriege  abfliessen. 

i)  S.   Crome  a.  a.  O.  S.  349 — 35i. 

.k)  S.  A.  Z.  1820.  Nr.  a 

§-   l-lo. 
b)     B    a    u    k    e    n. 

Sic  sind  Anstalten,  wodurch  die  Ann)cwalirung  grosser  Münzvorrätlin  gosichort 
und  bare  Auszalilungcn  erleicliterl  werden.  Ihr  Daseyn  setzt  bhdiendeii  Kunsifhnss 
luid  ansgebreilclcn  Handel  voraus.  Die  ursprüngliche  Veranlassung  ihrer  Eiiichtung 
war  die  Unsicherheil  der  Aufbewahrung  des  Geldes  in  Privatcassen,  das  zu  üntcrnch- 
imungen  nicht  konnte  verwendet  werden.  Bey  sicheren  Vorkehrungen  zu  Aufbewah- 
rung von  Geldvorrälhen  durch  Anstalten  gegen  Feuersgefahr  und  Diebstähle ,  die  ent- 
weder von  Privatunternehmern,  oder  vom  Staate  selbst  getroffen  werden,  sind  jene 
Anstalten  überflüssig,  welche  einzelne  Geldbesitzer  zur  Bewachung  ihrer  Gassen  nö- 
thig  haben.  Der  Capitalist  wird  gern  seinen  Geldvorrath  an  einem  Orte  in  Verwahrung 
geben,  der  ihm  hinlängliche  Sicherheit  gewährt.  So  entstanden  die  eigentliclicn  De- 
positen- oder  ^tifbew-cihrinigs-Banken. 

Mit  dem  Zwecke  der  AufbewaJirung  wiu'den  bald  andere  Vorthcile  veibundcn. 
Sobald  einzelne  Capitalisten  ihre  Münzvorräthe  an  einem  sicheren  Orte  aufbewahren 
können,  wird  es  möglich  und  leicht  ihunlich ,  dass  Jeder,  der  eine  bestinnnte  Sunnne 
Geldes  in  der  Bank  liegen  hat,  sich  das  bare  Auszalden  seiner  Ausgaben  crspp.ren 
kann,  wenn  er  die  Summe,  die  er  an  einen  andern  bezahlen  will,  in  dem  Bankbuche 
von  seinem  in  der  Bank  liegenden  Capital  abschreiben  lässt.  Aber  auch  dcuijenigon, 
an  welchen  die  abgeschriebene  Summe  übertragen  werden  soll,  kann  die  haare  Em- 
pfangnahme und  eigene  Aufbewahrung  erspart  werden,  wenn  sie  ihm  in  dem  Bank- 
buche gut  gescJiiieben  wird.  Solche  Banken,  bey  weldien  die  Auszahlungen  durch 
blosses  Ab-  und  Zuschreiben  in  dem  Bankbuche  geschehen,  heissen  Girobanken.  Es 
ist  aber  zvir  Verhütung  jedes  Irrthums  und  Betrugs  uncrlässlichc  Bedingting,  dass  der 
Übertrager  seines  Eigenthums  den  mit  seiner  Unterschrift  versehenen  Bankzettel,  wo- 
durch er  seine  Einwilligung  zur  Übertragung  seines  Eigenthums  beurkundet,  persön- 
lich zur  Bank  bringe,  oder  einen  Bevollmächtigten  damit  hinschicke,  den  er  der 
Bankdireclion  selbst  vorgestellt  haben  muss.  Hat  er  noch  keinen  Bevollmächtigten  die- 
ser Art  vorgestellt,  mid  wird  er  krank:  so  schickt  die  Bank  einen  ihrer  beeideten 
Beamten  in  das  Haus,  der  dem  Kranken  ausser  der  schriftlichen  aiich  die  mündliche 
Einwilligung  abnimmt.  Dadurch  wird  der  Gebrauch  einer  Girobank  auf  einen  gewis- 
sen Zirkel  (Gir'-)  von  Handelsleuten  beschränkt,  welches  auch  der  Grund  ihrer  Be- 
neiuiiujg  seyn  mag.  Die  ei>sle  Bank  dieser  Art  wurde  zu  Fenedig  im  J.  i582  errich- 


1(52  IV.  Commercielle  Producliou  oder  KanJet.  §.  i4o.  Banken. 

let  aj.  In  der  Folge  entstanden  ähnliche  Banken  zu  Amsterdam ^  Rotlerdmn  j  Hum- 
burg ,  Altona  j  JSürnberg  und  Bremen. 

Endlich  wird  das  Geschäft  einer  Bank  noch  mehr  erweitert,   wenn   sie  denjeni- 
gen, welche  Geld  hineinlegen,   Zettel  f Noten j  SclieineJ  auf  die  eingelegte  Summe 
gibt,  die  jedem  Inhaber  zahlbar  bleiben.  Dadurch  erhalten  diese  Bankzettel  einen  Um- 
lauf, wie  baares  Geld ,  und  auch  gleichen  Werth ,  so  lange  man  gewiss  seyn  kann , 
sie  in  der  Bank  bey  der  Zurückgabe  haar  in  klingender  Münze  ausbezahlt  zu  bekom- 
men. Diejenigen  Personen,  welche  durch  Einlagen  zu  runden  und  duichaus  gleichen 
Sununen  die  Bank  fiuidiren,  heissen  Actionäre _,  luid  die  Uikunden,   welche  sie  zur 
Bescheinigung    der    gemachten   Einlage    erhallen ,    heissen  Bankactlen   oder  Actien 
schlechtweg.  Diese  Bankactien  muss  man  von   den  Bankzetleln  oder  Banknoten  wohl 
unterscheiden,  so  wie  die  Besitzer  der  Actien,   welche  die  wahren  Eigenthi'inier  der 
Bank  sind ,  und  aus  den  Vortheilen  der  Bank  Interessen  für  ihre  Actien  erhallen,  von 
den  Besitzern  der  Bankzettel,   welche   zwar  Ansprüche  an  die  Bank  auf  die  Summe, 
die  sie  cntlialicn,   geben,   alier  keine  Interesse  tragen.  Durch  die  freyc  und  leichte 
Circulation  der  Zettel   erstreckt  sich  der   Einfluss  einer  solchen  Bank  über  das  ganze 
Land,  oft  selbst  über  die  Gränzen  desselben  hinaus.  Banken  mit  dieser  Einrichlung 
nennet  man  Noten-  oder  Zettelbanken  ,  wohl  auch  Circnlations-  oder  Assignations- 
banken.  Die  erste  Bank  dieser  Art  wurde  zu  Genua  schon  im  J.  1407  errichtet.  Spä- 
ter wurden  ähnliche   Einrichtungen  in  Schweden  bj  j,    Grossbritannien  cj  ^  Preus- 
sen  dj  j  Spanien  ej  j   Rnsslaiid  fj  _,  Frankreich  gj  _,  Dänemark  hj  und  Oester- 
leich  ij  getroffen.  Manche  Zettclbanken  bcziclen  noch  andere  Zwecke,  z.  B.  sie  es- 
,contiren  mit  ihrer  disponiblen  Baarschaft  sichere  Wechsel  oder  andere  kaufmännische 
Effecte,   oder  benutzen   ihre  entbehrlichen  Münzvorräthe  als  Ca]iilal  zu  verzinslichen 
Dariehn  gegen   volle  Sicherheit  u.  s.  w.  —  Banken ,  welche  zum  Hauptzwecke  haben , 
den  Hypothekarcredil  zu  erleichtern,  nennet  man  Leih.banken  (Lombarden,  montes 
pietalis)  kj. 

ö)  Durch  die  In^■as!on  der  französischen  Armee  1797  ging  die  vcnel'ianisch.e^2cc^  zu  Grunde. 
/))  Die  1668  erirhtete  Tieichsbank  zu  Stockholm,  die  zugleich  eine  Wechsel-  und  Leihhaiik 
is!.  Sie  gibt  Banknoten  aus,  nimmt  Gelder  zu  niedrigen  Zinsen  auf,  und  leihet  sie  zu  höhern, 
auf  sicheres  Pfand,  Gold  und  Silber,  auch  adelichc;  Güter  und  andere  liegende  Gründe  aus. 
Im  J.  1817  ist  auch  in  Norwegen  eine  Nalionalbaiik  errichtet  worden. 
«)  Die  englische  Nalionalbaiik  zu  London,  die  grösste  unter  allen  Zeltelbanken  in  Europa. 
Sie  wurde  i6g4  imter  Sanrtiön  der  Regierung  von  einer  Gesellschaft  Raufleute  errichtet , 
um  mit  ihrem  Fonds,  welcher  ursprünglich  nur  1,200,000  Pf.  St.  betrug,  aber  nach  und 
nach  erhöhet  worden  war,  in  Gold  und  Silber  Handel  zu  treiben,  Wechsel  zu  esconlircu, 
und  bis  zum  Belauf  jener  Summe  ihre  Noten  circuliren  zu  lassen;  solche  aber  zu  jeder  Zelt 
auf  Verlangen  gegen  baares  Geld  zu  vertauschen.  Diese  letztere  Function  war  jedoch  die 
Bank  nicht  immer  im  Stande  zu  erfüllen  ;  insonderheit  wurde  sie  in  dem  letzten  Jahrzehend 
des  18.  Jahrhunderts  so  bedrangt,  Äletallzahlungen  zu  leisten,  dass  sie  ihrem  Verfalle  nahe 
>var,  dem  nur  durch  jene  merk\vürdigc  Parlamentsacte ,  die  1797  unter  dem  Nahmen  der 
Bank-lieslriclions-Bill  bekannt  gemacht  wurde  ,  vorgebeugt  werden  konnte  ,  %vodurch  die 
Bank  bis  zum  Abschluss  eines  aligemeinen  Friedens  ermächtiget  wurde,  ihre  Zahlungen  in 
haarem  Gelde  zu  sistiren,  und  Noten  bis  zu  einem  Pfund  in  Umlauf  zu  setzen.  Die  ausser- 
ordentlichen Folgen  di's  franzosischen  Revolutionskrieges,  die  Anhäufung  der  Nationalscliuld 


IV.  Coiumercielle  Proclucliou  oder  Handel.  §.  140.  Banken.  »63 

durch  die  der  Rcgii'ruiig  von  der  Bank  gomacliten  Anleihen,  der  Einfluss,  den  ihre  Noten 
auf  das  IIandelsint«'resse  des  Landes  liallen  ,  veranlassten  auch  nach  hergestelltem  Frieden, 
die  Bank-Restrictions-Bill  \on  Jahr  zu  Jahr  zu  prolongiren,  I)is  sie  endlich  im  Jahre  1819 
aufgehoben  wurde.  Gegenwärtig  ist  der  Zustand  der  Bank  sehr  günstig,  und  wird  das  Capi- 
tal derselben  auf  20  Mill.  Pf.  St.  ,  nach  andern  gar  auf  nahe  an  5o  JVIill.  Pf  St.  geschallt: 
aber  auch  die  Masse  der  von  ihr  in  Umlauf  gesetzten  Banknoten  ist  in  den  letzten  2o  Jahren 
von  i2  Mill.  auf  28  Mill.  Pf.  St.  augewachsen,  und  war  mehrere  Male  5o  Mill.  Pf.  (S. 
Andre's  statistische  Übersicht  und  Merkwürdigkeiten  a.  a.  O.  S.  2o — 22.)  Ausser  dieser 
grossen  Bank  zu  London  belinden  sich  im  Ijrittischen  Reiche  noch  4  privilegirte  Banken  , 
wovon  3  in  Schottland  und  1  in  Irland  ist ;  ferner  7*2  Privatbanken  zu  Londen  ,  659  Land 
banken  in  den  Provinzialsliidten  \on  England,  72  Banken  in  Schotlland  und  65  In  Irland, 
überhaupt  871  Bankanslalten. 

d)  Die  fiöntglic/ie  Bank  zu  Berlin  seit  1765,  welcher  die  Pro\  inzialbankcn  zu  Breslau ,  Königs- 
bergs Elbing ,  Danzig ,  Slellin  ,  Frankfurt  an  der  Oder  j  Alagdeburg ,  Münster  und  Ciilln  un- 
tergeordnet sind.  Diese  Bank  ist  in  das  Haupt-Dcpositen-Disconto-romp/o/r  und  Lombard 
eingetheilt.  Sie  ist  ein  Staatsinslitut ,  und  hat  durch  die  königliche  Verordnung  vom  3.  Now 
1817  eine  neue  Einrichtung  erhalten. 

e)  Die  St.  Carlsbank  zu  Madrid,  1782  errichtet,  1790  in  Verfall  gerathen  ,  aber  seit  1795  wie- 
der empor  gekommen,   durch  die  neueren  Schicksale  des  Staates  abermals  gelähmt. 

/)  Die  Reichsassignalionsbank  zu  St.  Petersburg  seit  1786;  früher  (1770)  bloss  Assignations- 
und  Zeltelbank ;  unter  ihrer  Direction  steht  die  Fabrik  des  halbseidenen  weissen,  rolhen 
und  blauen  Papiers  zu  Zarskoe-Selo  —  mit  dem  bey  derselben  seit  dem  18.  Dec.  1797  er- 
richteten Disconto-  und  Assecuranz-Comptoir ;  dann  die  Reiclishypothekenhank  zur  Unterstü- 
tzung des  Adels  seit  1797.  Kaiser  Alexander  vereinigte  dieselbe  i8o2  mit  der  Leihbank  für 
den  Adel  und  die  Slädte.  Ausserdem  die  Leihbank  zu  Slobodsk  seit  1809.  S.  c.  TVichmann 
a.  a.   O.   S.    ißg. 

g)  Die  Banque  de  France  zu  Paris,  i8o3  errichtet,  aber  schon  1806  genöthigt,  die  Zahlung 
ihrer  Zettel  über  3  Monathe  lang  auszusetzen.  S.  H.  A.  L.  Z.  i8i2.  Nr.  23o.  S.  i5o.  In  der 
Folge  wurde  ihr  Zustand  so  günstig,  dass  sie  im  J.  1814  77  Mill.  Fr.  in  Gold  und  Silber 
in  der  Gasse,  und  nur  für  24  Mill.  Fr.  Banknoten  im  Umlauf  hatle.  Im  J.  1818  escontirtc 
sie  726,888,778  Fr.  mit  einem  Erlrage  von  5,363,386  Fr. 

h)  Die  Nationalbank  zu  Kopenhagen,  die  im  J.  1818  an  die  Stelle  der  im  J.  i8i3  errichteten 
Reichsbank  trat,  welche  letztere  wieder  dazu  bestimmt  war,  die  andern  Ansialten  dieser 
Art ,  welche  bis  dahin  für  verschiedene  Provinzen  existirt  haben ,  zu  ersetzen.  Die  Natio- 
nalbank, welche  unter  Verwaltung  ihrer  eigenen  Interessenschaft  steht ,  und  eine  Oclroy 
auf  go  Jalire  hat,  übernahm  die  sämmtlichen  Acti\a  und  Passiva  der  bisherigen  R.'^ichs- 
l)ank  ,  die  ermächtiget  war ,  Zettel  bis  zu  einem  Belauf  von  46  Mill.  Reichsbanklhaler  in 
Umlauf  zu  setzen.  S.  lutelligenzbl.  der  Leip.  L.  Z.  i8i3.  235.  S.  1874.  Vergl.  Polit.  Jour. 
i8i8.  Aijg,  S.  706  ff. 

')  Dil',  prii'degirlc  öslrncic/iische  Xalioiialbank  zu  Wien  seit  1816.  Die  Actieiieinlagen  ,  die  ur- 
sprünglich auf  5o,ooo  bestimmt  waren  (jede  in  2000  fl.  Einlösungsscheinen  und  in  200  fl. 
Silber)  ,  stiegen  im  Laufe  des  Jahres  1819  bis  auf  5o,62i.  Die  Functionen  der  Bank 
sind:  1)  Das  Zcttelwesen ;  2)  das  Escontogeschäft ;  3)  das  Depositen-  und  Leihgeschäft; 
endlich  4)  die  Einlösung  der- Einlösungs-  und  Anticipationsscheine ,  und  ,  in  Verbindung 
damit,  die  Verwaltung  des  Tilgungsfonds,  zur  allmähligen  Zurückführung  des  Geldumlau- 
fes auf  die  Grundlage  der  Con\  entions-Münze.  Zufolge  einer,  im  J.  1820  gelieferten  offi- 
ciellen  Berechnung  wurden  bey  den  sämmtlichen  Verwechslungscassen  der  Bank  (zu  ff^ien, 
frag,  Brunn,  Ofen,  Leinberg ,  Linz,  Grälz,  Triest  und  Mailand)  im  Laufe  des  J.  i8iy, 
empfangen  ,  und  zwar  ; 


264  IV.  Commerciell«  Productiun  oder  Handel.  §.  i.'ii-  Wechsel  und  Börsen. 

Münze  gpgon  Noten    17  SiS.ßgS    fl. 

und  Noten  gegen  Münze   7,3o8,7i5  — 

somit  vermehrten  sich  um  10,010,180  fl. 
die  Münzvorräthe  der  Anstalt  durch  das  einzige  Zettelwesen.  Durch  ihre  sämmtlichen  Func- 
tionen aber  hatte  die  Bank,  im  Laufe  desselben  Jahres,  die  so  äusserst  bedeutende  Summe 
\on  220,855274  fl  57  kr.  verkehrt;  folglich  zur  Beförderung  des  Geldumlaufes,  so  wie 
zur  Belebung  des  Handels  und  der  Industrie  sehr  beygelragen.  S.  Vortrag  des  Gouverne'ürs 
der  privileglrten  österreichischen  Nalionalbank  ,  Hrn.  Joseph  Grafen  u.  Dirlrichslein^Sr.  k.  k. 
apostolischen  Majestät  wirklichen  geheimen  Rathes  und  Kämmerers ,  Ritter  des  goldenen 
Vliesses  u.  s.  w.  an  den  löblichen  Bank-Ausschuss ,  in  seiner  Versammlung  vom  17.  Jänner 
1820.  Wien.  Aus  der  k.  k.  Hof-  und  Staats-Aerarial-Druckerey.  1820. 
Ä)  S.  ßäsc/i's  sämmthche  Schriften  über  Banken  und  Münzwesen  Hamburg,  1801.  —  E.  Tli. 
Hohler's  historisch-politische  Erläuterung  über  Bankanstalten  überhaupt  und  über  die  östcr.- 
rcichische  Nalionalbank  insbesondere.  Wien  ,  1816. 

S-  141- 

c)    Wechsel    und    Börsen. 

Die  Wechsel  sind  eine  der  wichtigsten  Erfindungen  nicht  nur  fiir  die  Handhmgj 
sondern  ancli  fiir  die  allgemeine  Bcrjuemlichkeit,  vermöge  deren  man  entweder  einem 
entfernten  Gläubiger  seine  Schuld  hczalden,  oder  von  einem  entfernten  Schuldner 
sich  Zahlung  verschaffen  kann,  ohne  die  Kosten  und  Gefahr  der  haaren  Übersendung, 
indem  Gläubiger  und  Schiddner  an  dem  einen  Orte  ihre  Forderungen  und  Schulden^ 
die  sie  an  einem  andern  Orte  haben,  gegen  einander  austauschen.  Ein  IVlenev  z.  B. 
hat  in  ^ditgsburg  1000  fl.  zn  bezahlen,  und  zahlt  diese  einem  seiner  Älitbürger  aus, 
der  in  Jugsbiivg  1000  fl-  zu  fordern  hat,  gegen  eine  Anweisung  an  dieses  Milbiirgers 
Schiddner  iji  Aiigsbuig  j  nach  welcher  dieser  seine  schuldigen  1000  fl-  nicht  nach 
'  JVien  übersenden ,  sondern  in  Augsburg  dem  Gläidjigcr  des  Erstem  auszahlen  soll. 
Auf  diesen  Tausch  oder  Wechsel  der  Scludden  gründet  sich  ohne  Zweifel  der  Nähme. 
Ein  Wechsel  ist  demnach  eine  Anweisiuig  auf  eine  gewisse  Summe  Geldes,  welche 
einer  dem  andern  an  einem  Orte  giljt,  damit  ein  diitlcr  einem  vierten  an  einem  andern 
Orte  sie  auszahle. 

Die  Wechsel  gehen  einen  erstaunlichen  Vortheil  in  der  Befördermig  des  Geldum- 
laufes dadurch,  dass  sie  iiidossirt _,  d.  i.  mit  Erhaltung  ihres  vollen  strengen  Hechtes 
an  iuiljeslinnnl)ar  viele  übergehen,  und  der  Tausch  der  Schuld,  aus  welchem  der 
AVechscI  ursprünglich  entsteht,  in  einer  grossen  Weite  lunher  in  derjenigen  Zeit  wie- 
derhohlt  werden  kann,  welche  zwischen  dem  Tage  der  Ausstellung  und  dem  Verfall- 
tage verstreicht.  Diess  nennet  man  einen  \Vechsel  giriren  lassen. 

\Vegen  der  vielen  verwickelten  Fälle,  die  bevm  Wechselhandel  vorkönnnen,  hat 
fast  jeder  handelnde  Staat  sein  U'echsclrecltL  _,  das  darum  so  strenge  ist,  dass  auf  die 
erste  Einkhiginig  eines  Wechsels  die  Auspfuidung  erkannt  wird,  weil  das  fiu-  den 
Wechsel  enipfangene  Geld  die  Bezahlung  einer  Schuld,  und  kein  Darlchn  ist.  Ul)ri- 
gens  konnte  der  Gelirauch  der  Wechsel  erst  daini  lebhaft  und  zuverläs.sig  werden , 
als  die  zu  einiger  N'oilkonuuenhcit  gelani^lc  Einrichlung  der  PüstansiaU  den  llundols- 


IV.  Commerc.  Product.  od.  Handel."-^.   141.  lu  hütksitlit  dis   tli.iiigen  lutiuandcrwiikeus  etc.  260 

mann  und  Käufer  eines  Wechsels  gewiss  niacLle^  dass  derselbe  in  einer  gewissen  Zeil 
an  den,  der  ihn  bezahlen  solle,  gelangen  werde  aj. 

In  grösseren  Handelsstädten  hat  man  gewöhnlich  Börsen _,  d.  i.  gewisse  Häuser. 
wo  die  Kaufleule  (meisten  Tlieils  gegen  Mittag  und  Abend)  zusamnienkoimiien,  um 
über  alles,  was  ihr  Geschäft  betrifft,  Unlerhandhmgen  zu  pflegen,  und  Verkehr  mit 
Wechseln,  Geld  uad  Waaren  zutreiben.  In  mehreren  Handelsplätzen,  z.  B.  Ln?i- 
douj  ylnisterdiuiij  Rutterdam  _,  Antwerpen :,  sind  es  die  prächtigsten,  Pallästen  ähn- 
lichen Gebäude. 

a)  Ubür  dio  Gescliiclite  der  Wechsel,  den  Erkenntnissgrund  des  Wecliselrechts ,    über  die  uu- 

äcliten    oder    sogenannten    trockenen  Wechsel  s.   Bihc/i's  nud  Ebeling's  Ilaiidliingsbibl.  B.   I. 

—  Biisc/r«  Darstellung  der  Handlung.  B.  I    Cap.  6.  und   die   Zusätze  dazu;  ferner  run  Mar- 

/e««  über  den  Ursprung  dis  Wechsolrechtes.   Göltingen,    1797. 

§•    142. 

D.  T  n  Rücksicht  des  t  h  ä  t  i  g  e  n  und  nützlichen  I  n  e  i  n  a  n  d  e  i'  \v  i  r  k  e  n  s  der  ver- 
schiedenen Gewerbsclassen. 

Wenn  der  Verkehr  im  Innern  eines  Landes  immer  mehr  Ijelebt  werden  suU :  so 
nnrss  der  schädliche  Egoisnms,  der  die  verschiedenen  Gewei'bsclassen  von  einander 
trennt,  beseitiget,  und  bey  denselben  ein  wahrer  Geiueingeist,  ein  thäiiges  und  nütz- 
Hches  Ineinanderwirken  erwecket  werden.  Dieser  Zweck  kann  durch  die  Vereinigung 
der  rechtlichsten  und  aufgeklärtesten  Landwirthe,  Fabricanten,  Gewerbslcutc,  Kauf- 
leute und  staatsw  irthschafllich  gebildeter  Männer  in  Handelskammern  am  fiiglichsten 
erreicht  werden.  Durch  diese  Vereine  können  nach  und  nach  alte  Vorurtheilc  und 
Missbräuche  des  Zunftgeistes,  ohne  plötzliche  gewaltsame  Zerstörungen  verjährter  Ge- 
wohnheiten lieseitigt,  alle  interessanten  Notizen  über  den  Stand  des  Handels,  der  Fabri- 
ken und  INIanufaciuren  gcsanunelt,  sachverständige  Ansichten  iil>cr  die  Hindernisse, 
welche  ihre  Enlwickelung  und  ihre  Fortschritte  hemmen,  über  die  Mittel,  ihren  Flor 
zu  befördern ,  über  die  nützlichsten  Einrichtimgen  ün  Handelsfaclie  erlangt ,  imd  den 
verschiedenen  Gewerbsclassen  die  Wege  gebahnt  werden ,  ihre  Wünsche  und  Bedürf- 
nisse, welche  ihre  Beschäftigungen  betreffen,  zur  Kenntniss  der  Staatsverwaltung  zu 
bringen.  Eine  ähnliche,  Ireflliehe  Einrichtung  besteht  in  Frankreich,  den  Niederlan- 
den, in  Neapel  und  im  lombardisch-venctianisclien  Königreiche  aJ. 
a)  S.  Jahrbücher  des  k.   k.  polytechnischen  Institutes  in  Wien.  B.  \.  S.  368. 

§•    143. 
IL.    In    Ansehung    des    auswärtigen    Handels. 

Alle  die  bisher  erwähnten  Einrichtungen  und  Anstalten,  welche  zur  Belorderimg 
d'.s  Innern  Handels  getroffen  sind ,  unterstützen  zwar  in  gew  isscr  Hinsicht  auch  den 
aics'.värtigen  Handel.  Indessen  gibt  es  gewisse  Hiilfsmittel ,  welche  von  den  europäi- 
schen Regierungen  eigens  zur  ßefoixlerimg  des  auswärtigen  Handels  angewendet  wer- 
den. Hierher  gehören : 

1)  Die  Ilaiidelstractate  j  wodurch  Nationen ;,  die  nicht  im  feindlichen  Zustande 
sich  beiladen,  oder  den  feindlichen  Zustand  enden,  ihre  Freiuidschaft  zu  Ijesicgehi 

54 


265  IV.  Comuierc.  Product.  od.  Haudel.  §.  i43.  In  AusehuDg  des  auswärtigen  Handels. 

beginnen.  Seit  dem  i'trecfiter  Frieden  (iji5)hahon  die  mcislca  europäischen  Staats- 
verträge j  die  Erleiciiterung  des  ^Verkehrs  unter  den  Völkern  dieses  Erdlheils  zum 
Zwecke. 

2)  Die  Cojisidate  und  Agentien  auf  fremden  Handelsplätzen,  d.  i.  die  Anslcl- 
liiüg  solcher  Personen,  welche  die  Handelsleute  und  Schiffer  ihrer  Nation  an  dem  Or- 
te ihrer  Anstellung  beschützen,  über  dieselben  die  Gerichtsbarkeit  ausüben,'  auf  die 
Beobachtung  der  Handelsverträge  wachen,  und  überhaupt  das  Interesse  des  Handels 
•ihres  Staates  wahrnehmen,  und  darüber  berichten.  Russland  z.  B.  hat  an  34,  Preus- 
sen  an  83,  Fraukr-eich  au  f)5,  und  Österreich  an  1 55  Handelsplätzen  Consuln  und 
Agenten. 

3)  Die  Unterstützung  gewisser  Gesellschaften  ^  welche  zum  Bchufe  des  aus- 
wärtigen Handels  geschlossen  werden.  Diese  sind  vornehmlich  von  zweyerley  Art: 

a)  Ilandlungs-Compagnien j  d.  i.  Gesellschaften,  welche  sich  in  mehreren  euro- 
päischen Staaten  imter  obrigkeitlicher  Avxtorität  und  Begünstigung  durch  eine  öffent- 
liche Acic,  Oc^rq^  genannt,  in  der  Absicht  vereinigten,  Handlungsgeschäfte  von  ei- 
ner bcstimnUen  Art  und  Grösse,  mit  dem  von  den  Mitgliedern  zusammengebrachten 
Capital  zu  betreiben.  Die  Veranlassung  dazu  war  die  Ausdehmmg  der  Seefalu'ten  der 
Europäer  in  entfernte  Gegenden,  die  sie  nur  mit  grossen  Schiffen  und  mit  sehr  kosty 
baren  Ladungen  unternahmen.  Die  Unternehnumgen  überstiegen  daher  die  Kräfte 
einzelner  Kaufleute,  und  machten  die  Vereinigung  mehrerer  Fonds  nothwendig.  Be- 
sonders finden  solche  Compagnien  bey  dem  osti/idischen  mid  chiiiesisclien  Handel 
Statt.  Sie  besitzen  in  den  entfernten  Ländern  theils  blosse  Handelslogen  und  Facto- 
reyen j  Gebäude,  die  ihnen  zum  Sitze  der  Comploirs  und  zur  Niederlage  ihrer  ^V^aa- 
ren  dienen;  theils  aber  die  Herrschaft  über  Land  und  Leute,  die  sie  sich  durch  Kauf 
oder  Krieg,  oder  Gründung  von  Colonien  verschafft  haben.  Die  älteste,  mächtigste 
und  reichste  Handelsgesellschaft  in  ganz  Europa  ist  die  im  J.  1600  gestiftete  englisch- 
ostindische  Comjjagnie _,  welche  ihre  Operationen  mit  72,000  Pf.  St.,  in  Acticn  von 
5o  Pf.  St.  anfing,  luid  gegenwärtig  au  Territorialbesitz  nicht  weniger  als  28 — 3o,ooo 
geogr.  QM.  hat.  Die  Bevölkerung,  über  welche  sie  herrscht,  ist  40  —  41  MIll.  (nach 
andern  60,  nach  noch  andern  gar  66 — joMill.)  ,  von  welchen  sie  ein  jährliches  Staals- 
eiukommen  von  17  Mill.  Pf.  St.  bezieht.  Ihre  Militärmacht  besteht  aus  i5o,ooo  Mann, 
wovon  118  Bataillons  Infanterie  und  16  Regimenter  Cavallerie  eingeborne  Truppen 
^Seapois) ,  und  nur  3  Regimenter  Artillerie  Europäer  sind.  Ausserdem  hat  die  Com- 
pagnie  in  Indien  ein  brillantes  Civil-Etablissemeut,  Gouverneurs,  Richter,  Gesandte 
an  den  indischen  Höfen,  Finanz-  und  andere  Beamte  aj.  Dieses  ungeheure  und  bey- 
spiellose  Ilandelsgebäude  steht  unter  der  unmittelbaren  Leitung  von  24 ,  in  London 
ansässigen  Kaufleutcn,  welche  durch  ein  Besitzthum  von  2000  Pf-  St.  in  Actien  der 
Compagnie  wahlfähig  werden,  und  ihr  Amt  4  Jahre  verwalten.  Jedes  Jahr  werden  6 
erwählt.  Das  Directorium  selbst  steht  (seit  1784)  unter  einer,  von  der  Krone  ernann- 
ten Regierungs-Commissioti  (Board  of  ControidJ  in  allen  politischen  und  militäri- 
schen Sachen.  Alle  Depeschen  müssen  vorher  \on  dieser  gebilligt,  und  können  von 
ihr  abgeändert  ^^ erden;  in  Kriegs-  und  Friedenssachen  handelt  sie  bloss  fiir  sich.  Die 
Besetzung  dei  hohen  Stellen  geschieht  nicht   ohne  Besläiigung   des  Königs,   die  de« 


IV.  Commerc.  ProJnct.  od.  HiinJcl.  §..  i43.  in  Ansthung  des  auswUiiigeii  Il.mdels.  267 

Oberbefehlshabers  hängt  jjanz  vou  ihm  ab.  Auch  das  Recht  der  Entsolzung  von  jenen 
Stellen  gebührt  dem  Koxiige.  In  Indien  selbst  sind  die  übrigen  Präsidentschaften  der 
Regierung  von  Calcutta  untcrgeordnetj  aber  auch  diese  darf  keinen  Angriffskrieg  oh- 
ne Eilaubniss  vom  Hr.use  anfangen.  So  ward  das  grosse  Gebiet  der  Gompagnie  aid 
dem  Conlincnt  von  Indien  in  lUioksichl  seiner  Beheri.schung  unter  die  Regierung  und 
das  Parlament  des  ^lulleilaudes  gesetzt;  der  Handel  blieb  aber  der  Comjiagnie  iibei- 
lassen.  Im  J.  1814  ^varci  ihr  Freybrief  durch  eine  Parlamenlsacte  wieder  auf  20  Jahre 
bestätigt;  doch  blieb  ihr  nur  der  Allcinliandel  nach  imd  von  China j  während  der 
Privathandel  (privat  trade)  und  die  ficyc  Schifffahrt  nach  allen.  Häfen  in  ihren  ostin- 
discheu  Besitzungen  verstattet  ward  b  ).  Ausserdem  bestehen  in  Grossbritannien  noch 
folgende  Handelsgesellschaften:  die  .//rikanisclie ^  Sierra-Leojj.a- j  Süclsee- j,  Hiid- 
sonsbaj-j  Levantische_,  Ostsee-^  Russische  und  Hambarger  Gesellschaft.  —  Die  übri- 
gen in  Europa  bestehenden  Ilandel.sgesellschaftcn  sind,  und  zwar  in  Spanien:  die 
Philippinische  oAct  Mdnilische  und  die  Havana-Gesellschaft;  in  den  Niederlanden: 
die  (i8l5)  gestiftete  Handelsgesellschaft  für  den  chinesischen  Theehandel;  die  ehe- 
mals reiche  und  mächtige  ostindische  Gompagnie  ist  aufgehoben,  und  der  Handel 
nach  Ostindien  (mit  Ausnahme  der  Molucken  und  von  Japan)  frcy  gegeben;  in  Däne- 
mark: die  königl.  Asiatische  Gesellschaft ;  in  Schweden:  die  Ostindische  Handels- 
gesellschaft; in  Russland :  die  Russisch- Amerikanische  Handelscompagnie.  Sie  be- 
sitzt grosse  Gomptoirs  zu  Irkutsk ,  Jakutsk,  Ochotsk  und  Moskau,  dann  Gommissionen 
in  Kasan,  Tonrsk  und  Kamtschatka.  Von  1798  bis  i8l8,  also  in  20  Jahren,  führte  sie 
für  mehr  als  16  Müh  Rubel  Pelzwerk  aus,  und  entrichtete  allein  an  dem  cliinesischen 
Gränzorte  Kiächta  an  2^  INIill.  Rubel  für  Zollgebühr;  endlich  in  Deutschland:  die 
RheiniscJi-lf^estindische  Compagnic  zu  Jiilherkld ,  die  im  J.  1821  die  erste  Ladung 
Güter  nach  Port-aü-Pnnce  auf  St.  Domingo  verschiffte ,  und  die  Ausfuhre  der  deut- 
schen Faliricate  auch  nach  Neuspanien  (Mexico)  in  Gang  zu  l)ringen  sucht.  Die  Eng- 
länder blickcu  nicht  irut  Vergnügen  auf  diese  Mitbewerbung  der  Manufaciuristen  in 
Deutschland. 

h)Assecuranzgeselhchaftenj  d.  i.  solche  Gesellschaften,  welche  die  Versiehe - 
rmig  (Assecuririxng)  der  Handelsleute  gegen  Gefahren  eines  zufälligen  VfiUistes,  be- 
sonders auf  ihren  Seereisen ,  unter  der  Bedingung  auf  sich  nehmen ,  dass  ihnen  ein 
gewisses  Procent  von  dem  Wcrthe  der  versicherten  Waaren  jederzeit  zu  Guten  kom- 
me. Di^rglcichen  Gesellschaften  Ijestehen  jetzt  in  allen  europäischen  Staaten,  welche 
einen  etwas  bedeutenden  Sechandel  treiben.  Ganz  besonders  zeichnet  sich  in  der  Hin- 
sicht Hamburg  aus.  Dieser  kleine  Freystaat  zählte  im  J.  i^go  —  20  Assecuranzgesell- 
sihaften,  jede  mit  einem  Capital  von  /^SojOOO — lj5oo,ooo  Mark  Banko ;  ausser  einer 
grossen  Anzahl  Privat-Assccuradeiirs  cj. 

Die  Assecuranzen  haben  einen  giössen  Einflnss  auf  die  Handelsgeschäfte.  Man- 
clies  derselben  kann  gar  niciit  fortgeführt  werden  ,  wenn  die  Assecuranzprämie  zu  hoch 
steigt.  Mancher  Seeplatz  muss  seilte  Schifffahrt  in  das  mittelländische  Meer  aufgeben, 
v>cnn  er  keinen  Frieden  mit  den  afrikanischen  Raubstaaten  hat,  weil  kein  Assecura- 
deur  auf  dessen  Schiff  zeichnen  will.  Eben  dieser  Umstand  schlägt  in  Seekriegen  die 
Kauffahrt  dei"  kriegenden  Nationen  darnicdeij  wenn  sie  nicht  eine  hinlängliche  See.- 

5-1  "* 


268  IV-  C^mmcrcielJe  ProJucliou  oilor  Haiulcl.  §.  144.  Hiuileruissc  des  Handels. 

macht  hrbeii.  um  clurcli  Coiivoyirung  ihrer  Sclüffe  dem  Versicherer  Miith  zu  macii-cu, 
noch  feil  er  auf  dieselljen  zu  zeichnen.  Auch  die  Schifffahrt  der  neutralen  Völker  lei- 
det sehr  dadurch,  so  lange  nicht  die  Regel  des  Seerechts:  /^i'ej'  Schiff ^  frey  Gut _, 
allgemein  anerkannt  wird,  d.  i.  dass  feindliches  Gut  in  einem  neutralen  Schiffe  nicht 
gerau])Pi  werden  diirfe;  wohl  a])er  neutrales  Gut  in  einem  feindlichen  Schiffe,  worin 
es  sich  befindet,  verfallen  sey.  Man  nennet  diese  Regel  des  Scerechtes  das  Recht  der 
neutralen  Flagge.  Grosshritannien  ist  es  insonderheit ,  das  diesem  Rechte  hartnäckig 
widerstrebt,  und  scheint  ])ev  jedem  seiner  Seekriege  es  zur  Absicht  zusetzen,  den 
übrigen  im  Frieden  verlileibendcn  ^  ölkern  ihren  Seehandel  zu  verleiden  dj.  Die  Kai- 
serinn  Katharina  11.  bewirkte  wälirend  des  brittisch-amerikanischen  Krieges  im  J. 
1780  eine  den  Anmassungen  Grossbritanniens  entgegengesetzte  bewaffnete  'Neutrali- 
tät. Aber  der  Friede  erfolgte  zu  schnell,  als  dass  dieselbe  zu  einer  dauerhaften  Kraft 
hätte  gelangen  können. 

a)  Im  J.  i8i4  bolicf  sich  die  Zahl  ihrür  säninitlichcn  Officiantcn  auf  2oi,477i  nähinlich  im 
Ci\"iHache  i5,564;  im  Rriogsfache  iGo,ooo  ,  woruiUiM-  2o,ooo  ILurop'aer;  C)i5  in  der  Marine 
und  25,000  Matrosen.  Dieses  Heer  von  Officianten ,  wovon  die  höheren  mit  orientalischer 
Pracht  leben,  die  ausserordentlichen  Unlerschleife  und  Betriegereyen  in  der  Administration^ 
und  die.  vielen  in  Indien  geführten  Kriege  erklären  den  Zustand  eines  fortwährenden  Defi- 
cils  ,  in  dem  sieh  die  Compagnie  befind;'!.  Dieses  Deficit  wird  von  Jahr  zu  Jahr  durch  neue 
Anleihen  gedeckt,  und  der  Handel  selbst  grössten  Theils  mit  geliehenem  Gelde  geführt.  S. 
Polit.  Jour.   1819  Jul.  S.  583. 

b)  Die  ostindische  Coinpagnitj;  in  der  historischen  Übersicht  der  neueren  Politik  und  Staats- 
verwaltung. B.  1.  S.  225 — 235.  R.  2.  S.  67 — 88.  —  Darstellung  des  cnglisch-osiinilischen 
und  Privathandels,  in  Bezug  auf  die  Mittel,  die  dänische  Niederlassung  in  Ostindien  Tran- 
kebar  in  Aufnahme  zu  bringen,  und  auf  eine  den  Hansestädten  und  den  Araerikanerii 
dahin  zu  eröfTiiendo  Handelsfreyheit  u.  s.  w.  ;  von  dem  Ivanmierralhe  und  Land^clireiber 
Gloyer  in  Meldorf.  Alloiia  ,   1819. 

c)  S.  Polit.  Jour.    1819.   April.   S.  3i2. 

il)  Handbuch  über  das  p.ractische  Seerecht  dot  Engländer  und  Franzosen,  in  Hinsicht  auf  da.s 
von  ihnen  in  Rriegszeiten  angehaltene  neutrale  Eigenthuni ,  mit  Rücksicht  auf  die  englischen 
Assccuranz-Grundsälze  über  diesen  Gegenstand.  Von  Friedr.  Joh.  .Jacobsen  u:  s.  w.  Ham- 
burg. 1.  B.  i8o3.  2.  ß.  1804.  gr.  8.  Vergl.  Neue  AUg.  D.  Bibl.  XCIV.  B.  S.  24—37.  -^ 
Busch  über  das  Bestreben  der  Volker  neuerer  Zeit,  sich  im  Seehandel  einander  wehe  zatluin. 
Hamburg,  1798.  8. 

§•    144- 
Hindernisse   des   Handel». 

Die  vorziiglichstcn  Hindernisse  j,  die  den  Fortschritten  des  Handels  der  europäi- 
schen Völker  entgegen  stehen,  sind:  1)  die  Beschwerlichkeit  des  Transportes  in  meh- 
reren Ländern,  nahmentlich  in  Spanien,  Portugal,  Sicilieu ,  Sardinien,  Norddentsch- 
land  und  Ungern.  2)  Gewisse  Provinzialverhältnisse,  die  in  manchem  Staate  zwischen 
dessen  verschiedenen  Bestandtheilcn  keinen  freyen  Veikehr  erlauben.  In  diesem  Falle 
I)clindet  sic.li  unter  andern  die  österreichische  Monarchie,  deren  weise  und  gerechte 
Regierung  l>ishcr  nicht  woiil  einen  freyen  innern  Verkehr  zwischen  den  ungrischen 
und  den  übrigen  Erbländern  ihres  Reichs  gestatten  konnte,  wenn  nicht  die  grosse 
Uniileichheit  der  Steuern  und  Abgaben    in  den  besagten  Provinzen   zugleich  andere 


IV.  Commerclclle  Produclion  oder  Handel.  5.   i4.i.  Hindernisse  des  Ha»iduJs>  26c) 

Modificatiöiien  cilüelt.  3)  Das  herrschende  Accisc-  und  Zollsystem,  welches  nicht 
den  Handelsm.'inn  trifft ,  sondci'u  den  Cüiisumentcn  ,  welcher  dadurch  auf  eine  rndi- 
recte ,  drückende  Art  hestcuert,  und  zur  C:pnlrehande  gcreilzt  wird  ,  ohne  dnss  der 
Staat  durch  sein  angenommenes  System  das  hinreichende  Einkommen  gewinnt  aj. 
4)  Die  Einführung  der  mancherley  ^lonopolien ,  sie  mögen  nun  von  der  Regierung 
selbst,  oder  von  Privatpersonen  ausgeübt  werden.  5)  Das  Geldwesen  der  einzelnen 
Staaten.  Fast  ein  jeder  Staat  hat  seine  eigenthümlichc  llechnungsmiinze ,  dahey  einen 
eigenen  Münzfuss  und  eigene  Miinzsorlen  l?J.  Oft  werden  sogar  Münzslückc,  welche 
denselben  Nahnien  führen  ,  in  verschiedenen  Ländern,  mit  einem  verschiedenen  Ge- 
halte an  feinem  Silber  oder  Gold,  und  also  zu  einem  verschiedenen  Piealwerlh  aus- 
geprägt. Besonders  ist  diese  Verschiedenheil  der  INFünzen  und  der  Grundsätze,  wo- 
nach dieselben  verfertiget  werden,  in  den  verschiedenen  (/e«^5'c/ie/i  Bundesstaaten  auf- 
fallend. Es  wird  nähndich  überhaupt  in  Deutschland  in  Golde  nach  einem  vierfa- 
chen cj,nnd  in  Sili)er  nach  einem  sechsfachen  Fusse  dj  gemünzt,  und  wenn  man 
diejenigen  Münzuissc  nnt  in  Anschlag  bringt,  welche  verschiedeneu  Handelspliitzen 
v^u  besonderen  Beslimmimgen  im  Handel  ausschliesslich  eigen  sind:  so  lässt  sich  die 
Zahl  der  verschiedenen  deutschen  Münzfüssc  in  Silber  auf  10  —  12  berechnen.  Diese 
iiedeutende  Verschiedenheit  im  Geldwesen  ist  nun  eine  Beschwerde  für  den  Handel, 
indem  sie  Rechnungs-Verdriesslichkeiten  und  manche  Verluste  nach  sich  zieht,  wel- 
che zusammen  sehr  empfindlich  seyn  können.  Endüch  6)  die  nicht  minder  grosse 
Verschiedenheit  der  ?ilaasse  mid  Gewichte,  wodurch  der  gegenseitige  Verkehr  eben- 
falls sehr  erschwert  wird  ej.  Besonders  ist  diese  Verschiedenheit  in  der  Sc/nveiz  be- 
fremdend. Es  gibt  nähmlich  in  den  gesaramten  schweizerischen  Cunlonen  1 1  verschie- 
dene Fus-:maasse,  20  Arten  von  Flachenmaass,  60  abweichende  Ellen,  87  besondere 
G.-'lreidcmaasse,  81  Trinkmaasse,  und  5o  verschiedene  Gewichte  JJ. 

Übrigens  Ist  die  jetzt  allgemein  herrschende  Klage  über  Stockung  des  Handels  in 
Europa  eme  natürliche  Wirkung  des  Überganges  vom  zwanzigjährigen  Kriege  ztun 
Frieden,  der  verminderte  ]Nachfrage  nach  verschiedenen  Artikeln  hervorgebracht  hat. 
Diese  Stockung  ist  um  so  emplindlicher,  da  der  Verbrauch  mehrerer  Fabrik-  und 
Manufacturerzeugnisse  im  Kriege  und  durch  den  Krieg  wirklich  ungeheuer  war,  und 
das  Regellose,  das  in  den  meisten  europäischen  Jjändern  die  Consumtion  in  mehreren 
Aitikeln  angenommen  halte,  die  Gowerbsinhaber  auf  Unternehmungen  hinleitete,  die 
mit  dem  regelmässigen  Gange  der  Dinge,  den  der  zurückgekehrte  Friede  alluiählig 
herbeyzufiihren  strebt,  durchaus  unverträglich  sind.  Dazu  kommt  noch  der  wichtige 
Umstand,  dass  die  ^"öiker  durch  die  langjährigen  Kriege  und  die  mancherley  Anstren- 
gungen, die  ihnen  diese  nölhig  machten,  in  dueni  Wohlstände  bedeutend  ziuiickge- 
kommen  sind ,  dass  sie  also  sich  in  ihren  Verzehrangen  überall  einschränken  müssen, 
imd  wirklich  einschränken,  und  dass  es  erst  dann  wieder  hesser  werden  kann,  wenn 
die  Völker  sich  etwas  erholt  haben,  und  alles  wieder  mehr  in  sein  nothwcndigcs  na- 
türliches Gleichgewicht  g'ekouunen  ist. 

a)  S.  Jahrbücher  des  k.  k.  pol)  teclinischcn  Institutes  in  Wien.  B.  1.  S.  364. 

b)  S.  GerharcCs  Taschenwürterljurh  der  Reclinungsmünzen  siinmitlicher  Reiche  ,  Länder  nnd 
Orte  nach  alphabetischer  Ordnung.  Leipzig,  1817.  8.  —  Busch  über  einen  in  Europa  ein- 
zuführenden allgemeinen  Münzfuss ;  in  der  HandlunsgbiLl.  B.  2.  St.  4.  S.  5o5— 5i3. 


j,^  lY.  Commercielle  ProJuction  oder  Handel.  ^.  l^i    Hindernisse  des  Handels. 

c)  Nach  dpm  Duca/e;t- j  Secen'nen-  oder  Sout^eraiad'or-  ,  Pistolen-  oder  Louisd'or-  und  Goldgril- 
denjuis.  S.  Grellmanns  historisch-statistisches  Handbuch  von  Deutschland  u.  s.  w.  S.  25i — 253. 

<i)  Nach  dem  Lübischen ,  Dänisch-Holsteinischen,  Leipziger,  Concentioiis-  oder  Zo  Gulden- , 
dem  Brandenburgischen  oder  Graumannischen  und  dem  24  Guldenfuss.  S.  Grellmann  a.  a.  O. 
S.  253  —  258. 

f)  S.  iYeMfnirecAcr'i  Taschenbuch  der  Münz-,  Maass-  und  Gewichtskunde  für  Kaufleute,  ii-. 
Auflage,  umgearbeitet  von  J.  S.  G.  Otto.  8.  Berlin,  i8i5.  —  Verliandeling  over  volmaakie 
Maaten  en  Gewigten ,  door  J.  H.  i>an  Swinden.  II.  Deelen.  Amsterdam  ,  1802.  gr.  8.  Vergl. 
Götling.  gel.  Anz.  i8o3.  64.  und  62.  St.  —  Schüblers  Vorschlag  zueinerley  Maass  und  Ge- 
wicht durch  ganz  Europa,  in  dem  Journal  v.  und  1'.  Deutschland.  1792.  St.   1.  S,  55.  ff. 

jy  S.  Österr.  Beob.  18x6.  Nr.  228.  S.  i2o8. 


Z  w  e  y  t  e      A  b  t  li  e  i  1  u  n  g. 

Die  Bewohner,    die  Gcistescultur,    die  Vertlicidigungskiäftc    und  die  Finanzen  der 

eiuopäisclien  Staaten. 


I.    Bewohner  der  europäischen  Staaten, 

"Volksmenge. 

IJic  Volksznhl j  d.  i.  die  Summe  der  Gcsammtcinwohner  eines  Staates,  ist  das  zwey- 
^e  llanptclciuont  der  Slaatskräfte  eines  Staates.  Denn  so  wie  der  Flachenraiun,  oder 
das  Land  gleichsam  die  Unterlage  eines  Staates  ist^  olme  welche  derselbe  gar  nicht 
vorhanden  seyn  würde  (s.  i.  Ahth.  §.  l^.)■.  eben  so  kann  man  sich  ein  Staatsgebiet  ver- 
nünftiger Weise  nnlicwohnt  nicht  denken.  Das  Land  bedarf  der  INIenschen  und  ibrer 
arbeitenden  Hände,  um  dasjenige  hervorzubringen,  was  die  Einv,ohner  gebrauchen. 
Ohne  Menschen  ist  das  Staatsgebiet  öde  und  leer,  und  ohne  Anwendung  von  Men- 
schenkräftcn  auf  die  Naturkräfte  ist  kein  Gcnuss  für  uns  denkbar. 

Vergleicht  man  Europa  in  Ansehung  der  Menge  seiner  Bewohner  mit  den  iibri- 
gen  Erdlheilen :  so  wird  es  nur  von  ^isien  an  Volkszahl  übertroffen ;  den  übrigen  Erd- 
iheilen  hingegen  ist  es  an  Menschenmenge  weit  überlegen.  Ganz  genau  kann  man  in- 
dessen die  Anzahl  der  in  Europa  lebenden  Menschen  nicht  angeben,  da  Volkszählun- 
gen theils  nicht  in  allen  Staaten  eingeführt  sind,  tlieils  sich  hier  und  da,  wie  z.  B.  in 
Rnsiiaiid  ^  nicht  auf  alle  Volksclassen  erstrecken ;  im  osmanisclieu  Reiche  fehlt  es 
sogar  noch  an  Geburts-  und  Sterbelisten.  Die  Angaben  über  die  Anzahl  der  Bewoh- 
ner Europa  s  sind  daher  sehr  verschieden.  Vor  einigen  Decennien  schätzte  man  sie 
auf  i5o —  160  Millionen;  jetzt  berechnet  man  sie  zu  i83,  200  —  214  Älill.  und  dar- 
über. Wie  lässt  sich  nun  die  Anzahl  aller  Menschen  hestimmen,  welche  auf  der  gan- 
zen Erde  verbreitet  loben,  da  man  sie  nicht  einmal  von  dem  kleinsten,  bekanntesten 
und  culliviricsten  Erdlheile  mit  Genauigkeit  weiss?  Gleichwohl  ist  es  geschehen;  ei- 
nige geben  diese  Zahl  zu  jooMill. ,  andere  zvi  gooMill.,  noch  andere  wieder  anders  an. 

■    §.    2. 

Classification  der  europäischen    Staaten,    nacli    der^    Gcsichtspunctc  ih- 
rer Volkszahl. 

Die  Gcsammtzahl  der  Bewohner  Europas  von  i88,3gi,774  Seelen,  welche  wir 
hier  als  ein,  auf  die  besten  und  neuesten  Autoritäten  gestütztes  Datum  annehmen,  ist 
unter  die  einzelnen  Staaten  sehr  ungleich  vertheilt.  Diese  Ungleichheit  erstreckt  sich 
von  37,922,000,  welche  die  grösste  Seolenzahl  von  allen  europäischen  Staaten  ist,  hin- 
ab bis  5546.  Es  können  demnach  die  europäischen  Staaten  auch  nach  dem  Gesichts- 
puncte  ihrer  Volkszahl  classilkirt  werden. 


2-2  I.  Be-woliner  dsr  europ.  Staaten.  §.  3.   Staaten  der  ersteu  Rangordnung. 

Den  ersten  Platz  in  dieser  Bezieliiuig  nehmen  diejenigen  Staaten  ein,  welche  we- 
nigstens lo  Mill.  Einwohner  zählen;  den  zweyten  diejenigen,  deren  Volkszahl  zwar 
nicht  10,  jedoch  wenigstens  3  MiU.  heträgl^  den  dritten  diejenigen,  deren  Volksmen- 
ge wenigstens  i  Mill.  ausmacht;  den  vierten  jene,  die  weniger  als  i  Milk,  aher  doch 
Avenigstcns  100,000  Seelen  umfassen;  den  fiinften  endUchjene,  deren  Volkszahl  nicht 
einmal  loo-ooo  Seelen  enthält. 

§.  3. 

Staaten    der    ersten    Rangordnung. 
Dieser  Classification  zu  Folge  behaupten  folgende  Staaten  die  erste  Rangordnung  : 

Einwohner. 

A.  Russland:  s)  in  Enroi>a.  mit 37,922,000 

wovon  auf  Polen  insbesondere  3,354,000  kommen. 

b)  In  Asien  mit 9,076,000 

c)  Li  Amerika  mit 800 

zusaiimien  47,298,800  aj 
ß.  Frankreich:  a)  in  Europa,   in  Folge  der  königl.  Ordonnanz  vom 

16.  Januar  1822 3o,465,291  bj 

"wovon  auf  das  Departement  du  ISord  j  als  das  am 
•  stärksten  bevölkerte,  905,764,  auf  Corsica _,  das  die 

geringste  Bevölkerung  liat,  180,348  fallen. 

b)  In  Afrika 92,000 

c)  In  Ostindien 5o,ooo 

d)  In  Nordamerika 2,ooo 

e)  In  Weslindien 123,169 

f )  In  Südamerika 35,5oo 

zusammen  30,765,960 

C.  Der  deutsche  Bund  nnx. 3o,i  63,488 

An  diesem  mächtigen  Ganzen,  das  in  Verbindung  der  Stärke  sei- 
ner moi-alischcn  Kraft,  was  immer  fiiremcr  grossen,  alles  über- 
winden wollenden  Nation,  das  erhabene  Bild  der  grossen  un- 
überwindlichen, entgegen  zu  stellen  vermag,  wenn  es  Tun  ei- 
nem gemeinschaftlichen  Interesse  geleitet  wird,  nehmen,  in 
Folge  der  im  J.  1819  beschlossenen  Bundesmatrikel,  insbe- 
sondere Theil : 

Einwohner.  Einwohner. 

x)  Österreich      .     .     .  mit  9,482,224  cj  7)  Holstein  u.  Lauenburg  mit     36o,ooo 

2)  Preussen    ....  —   7,929,439  dj  8)  Luxemburg      ....  —       255,628 

3)  Baiern —  3,56o,ooo  9)  B^len —   1,000,000 

4)  Sachsen     ....  —   1,200,000  10)  Chiuhessen      ....  —      567,868 

5)  Hanover     ....  —  i,3o.5,35i  n)  Grossherzogih.  Hessen    —      6ig,5oo 

6)  Würlembcrg       .     .. —   i,2y5,462  12)  Sachs en-Vv  eim:.r      .     .  —      201,000 


I.  Bcwolincr  der  europ.  Staateu.  v>-  5.  uSualen  der  ersten  Rangordnung. 
Eiuwdlincr. 


Einwoliner. 


mit  185,682    27)  HulienzoUern-Hechingrn    mit     i4,5oo 


—  54,400  28) llohcnzüllcrn-Sigmaiingca 

—  29,706  2g)  Liccluenstein     . 

—  80,012  3o)  Waldcck  .... 

—  20g, 600  3i)  Ilcuss ,  ältere  Linie 

—  358,000  32 — 34)  Iv-cuss,  jüngere  I 

—  Jl,j6g  35)  Lippe-Detmold 

—  217,76g  36)  Scliaumburg-Lippe 

—  302,76g  37)  Ilcssen-Hombnrg    . 

—  52,947  38)  Frankfurt  am  Main 

—  37,454  39)  Lübeck      .... 

—  32,454  40)  Bremen  .... 
45,117  41)  ILimburg  .... 
53,937 


35,56o 

5,546 

51,877 

22,255 

52,2o5 

69,062 
24,000 
20,000 
47,85o 
40,65o 
48,5oo 
129,80» 


Einwohner. 


iS"!  Sachsen-Gotha  .... 

14)  Sachsen-Meinungen     .     . 

15)  Saclisen-Hildbiirghansen 

16)  Sachsen-Coburg-Saalfeld 

17)  Braunscliweig     . 

18)  Mecklenburg-Schwerin 
!())   Mccklcnburg-Strclilz  . 

20)  Holstein-Oldenburg 

21)  Nassau 

22)  Anhalt-Dessau    .     .     . 

23)  Anhalt-Bernburg     .     . 

24)  Anhalt-Kölhen  . 

25)  Schwarzburg-Sondershausen 

26)  Schwarzburg-Piudolstadt     — 

D.  Oesterreich  mit 29,184,612 

Von  diesem  Volksbestande  der  österr.  Monarchie  umflisst ; 

a)  das  Land  unter  der  Enns 1,076,746 

b)  das  Land  ob  dcrEnns  mit  dem  österr.  Anlhei- 

le  an  Salzburg     . 773,5i8 

c)  Steyemiark gig,gi3 

d)  Illyrien 1,018,071 

e)  Tyrol  mit  Vils  und  Vorarlberg       .     .     .  •  .     .  717,542 

f)  Böhmen 3,275,866 

g)  Mähren  mit  Schlesien      . l,74g,486 

h)  Galizien  mit  der  Bukowina        3,76o,3ig 

i)    Ungern  mit  Croatien  und  Slavonien  ungefähr  8,800,000  e ) 

k)  Siebenbürgen  gegen 1,664,800 

1)    Lombardey-Venedig 4,182,082 

m)  Dalmaticn  mit  Ragusa  und  Cattaro    ....        3o5,67i 
n)  Die  Militärgränze g4o,5g8 

E.  Das  brlttische  Reich:  a)  in  Europa  mit 18,078,694  fj 

Von  dieser  Volksmasse  enthält: 

1)  England  mit  Wales  und  den  dazu  gehörigen 

Inseln lo,173,93o 

2)  Schottland 1,804,864 


3)  Irland        ....... 

4)  Malta  mit  Gozzo  und  Comino 

5)  Gil)ialtar 

8)  Helgoland , 


6,000,000  gj 

g3,ooo 

5,000 

2,200 


Fürtrag   18,078,69:! 
55 


274  I.  Sevrohner  der  europ.  Staaten,  f  5.  ßtaalen  der  ersten  RaDgürdnuLt:. 

Einwohner. 

Übertrag  18^078,694 
h)  In  Afrika 208,800 

c)  In  Ostindien,  und  zwar: 

aa)  in  den  Besitzungen  der  Krone    .     .     .  809,000 
hin)  in   den  Besitzungen  der  ostindisclien 

Coni])agnie  über 40,000,000  hj 

d)  In  Nordamerika        546,000 

e)  In  Wesündien 757,100 

f)  In  Südamerika 205,000 

■§)  In  Australien 26,000 

zusammen  60,679,094 

F.  Preiissen  mit 10,588,107  ij 

Davon  werden  gerechnet: 

1)  auf  den  östlichen  Theil  des  Staates  ....     7,554,71g 

2)  auf  den  westhchen 2,g8i,852 

3)  auf  Neufchatel 5l,586 

G.  SjHinien:  a)  in  Europa niit     lo,5oo,ooo  A^ 

h)   in  Afrika —  191,000 

c)  in  Asien _  i,733,ooo 

d)  in  Nordamerika —  8,760,000 

c)  in  Wesiiudien .     .     .     .  —  l,l3l,ooo 

f)  in  Südamerika ."     .     .  —  5,73q,ooo 

zusammen  28,044,000 

a)  Andere  schlagen  die  gesammte  russische  Volkszahl  jetzt  auf  48 — 5o  Mill.  Menschen  an, 
S.  Polit.  Journ.  1817.  Sept.  S.  796.  ff.  —  Nach  GalleUi  enthält  das-  ouropäische  Russland  al- 
lein 45,611,700,  nach  andern  gar  45  Mill.  Seel&n.  S.  H.  A.  L.  Z.  1819.  Nr.  58.  S.  469. 
Diese  Angaben  scheinen  jedoch  viel  zu  gross  zu  sevn,  da  nach  Hrn.  Crome'«  A'^erhältniss- 
Rarte  von  Europa  die  Volkszahl  des  europäischen  Russlaiids  im  J.  1818  54,5oo,ooo  Men- 
schen betrug,  ob  es  gleich  gewiss  ist,  dass  es  kein  Reich  in  Europa  gibt,  in  welchem  die 
Vermehrung  der  Einwohner  so  grosso  Fortschritte  macht,  wie  in  dem  russischen.  Erstens 
sind  die  meisten  russischen  Pro\inzen  noch  sehr  volksleer;  dabey  gleichwohl  grossen Thcils, 
und  nahmentlich  in  dem  mittleren  und  südlichen  Landstriche  sehr  fruchtbar.  Beym  Zusam- 
mentreffen solcher  Umstände  nimmt  die  Volksmenge  ungleich  schneller  zu ,  als  diess  in 
\olkreichcn  Ländern  möglich  ist.  Dann  hat  die  russische  Nation,  ■wie  alle  sla^ischen  Völ- 
ker ,  eine  sehr  starke  Fortpflanzungskraft ,  die  in  Verbindung  mit  der  geringen  Sterblichkeit, 
einen  jährlichen  Zuwachs  von  4  —  5oo,ooo  Seelen  zur  Folge  hat.  In  fünf  Jahren,  von  1801 
bis  1806,  halte  sich  das  russische  Menschencapital  durch  den  Überschuss  der  Geburten  in 
sich  selbst  um  2,665,877  vermehrt,  und  bey  einer  gleichen  Progression  dürfte  sich  dasselbe 
in  weniger  als  70  Jahren  verdoppelt  haben. 

b)  In  seiner  glänzendsten  Periode ,  \  om  Ende  des  J.  1810 — i8i2  ,  zählte  Frankreich  j  ohne 
seine  Colonien  ,  42  —  40  Mill.  Menschen:  im  J.  1789  etwa  20  Mill.  Ungeachtet  des  er- 
staunlichen 3Ienschenverlusles  während  der  Revolution  und  bey  den  äusserst  menschenfres- 


I.  Bcwülinor  der  europ.  J>l;uiteu.  ^.  3.  Slü-^teo  tler  ersten  Raugorüiiung.  275 

senilen  Kriegen,  uiiil  Irolz  der Veriingeruiigon  di's  Staates  durch  die  Pariser Friiulonssclilussc 
1814  und  i8i5,  geben  doch  die  Franzosen  dessen  Volkszahl  jetzt  zu  3o  Mill.  imd  darüber  an. 

c)  Es  gehört  deninach  fast  -j  der  gesammtcn  Volksmenge  der  österreicliischcn  Monarchie  zum 
deutschen  Bunde. 

d)  Es  gehöi;cn  demnach  mehr  als  -^  der  gesammten  Volkszahl  der  prcussischcn  Monarchie 
zum  deutschen  Bunde. 

e)  Nach  c.  Csaploi'ics  Angabe  8,749>8i2. 

/)  Öffentliche  Biälter  erw.ilmen  einer  im  J.  1821  vorgenommenen  Zählung,  nach  welcher  die 
Volksmenge  Q(ossbritanniens  14  Mill.  ,  die  von  Irland  6,5oo,ooo  Seelen  beträgt,  von  wel- 
che» letzteren  Summe  beynahe  fiinfthalb  Mill.  auf  die  Katholiken  kommen ,  während  die 
Protestanten  nicht  zwey  Mill.  betragen.  Die  Bevölkerung  im  brittischcn  Reiche  hat  sich  in 
den  letzten  zwanzig  Jähren  mehr" als  in  hundert  Jaliren  zuvor  vermehrt. 

g)  Diese  Angabe  weicht  \on  den  bisherigen  Berechnungen  ab ,  nach  welchen  Irlands  Volks.- 
zahl  nur  454oo,ooo — '4,600,000  Seelen  betragen  soll;  allein  nach  einer  im  J.  1814  von  dep 
Regierung  in  Irland  a,ngfordneten. Volkszählung  ergibt  sich,  dass  diese  Insel  weit  mehr,  als 
man  bisher  glaubte ,  Ein\vohnor  hat.  Manche  Örter  winimelri  so  sehr  von  Leuten,  dass 
Ein  Einwohner  auf  einen  Acre  gerechnet  werjden  kann.  Diese  starke  Volksvermehrung 
schreibt  Hr.  Curwen  der  Vorliebe  des  irischen  Volks  zu  den  Kartoffeln  zu,  und  ist  des  Da- 
Rirlialtens  ,  dass  häufige  und  wohlfeile  Lebensmittel  keine  so  grosse  Wohlthat  sind,  als  \ie- 
Ic  sich  cifibildcn  ,  weil  sie  allen  Sporn  zur  Anstrengung  wegnehmen ;  er  meint,  Handel  und 
Manufacturen  dürften  vielleicht  den  grossen  Anwachs  der  Volksmenge  in  Irland  hemmen  , 
weil  sie  künstliche  Bedürfnisse  herbeyfiihren  würden.  S.  Erganzungsbl.  z.  J.  A.  L.  Z.  1818. 
Nr.  56,  S.  60.    ■ 

K)  Auch  hiijr  herrschet  die  grössle  Verschiedenheit.  Colquhoun  schätzt  alle  dem  briltischen 
Zepter  entweder  unmittelbar  'oder  mittelbar  unterworfene  Ein^vohner  in  Ostindien  auf 
40  Mill.  ;  Lord  Casllereagh  gab  sie  vor  einigen  Jähren  in  einer  Rede  im  Parlament  zu  60 
IMill.  an.  S.  GcJtting.  gel.  Anz.  1816.  S.  igo8.  f. Zjmnie?-ma?m  schlug  sie  noch  früher,  lange 
\0T  den  neuen  Erwerbungen  d«r  ostindischen  Compagnie,  nach  le  Goiix  de  Flaix,  gar  zu 
66  —  70  Mill.  an.  S.  H.  A..  I>..  Z.  i8ji.  Nfr,  2o2.  $.  66g.  Wer  kann  aber  mit  einiger  Zuver- 
lässigkeit behaupten,  diese  oder  Jene  Angabe  sey  in  der  Wahrheit  gegründet!' 

(')  Nach  Gallelti  10,976,2.52. 

k)  Wie  erstaunlich  wenig,  ruft  r.  Schlözer  in  seiner  Theorie  der  Statistik  S.  86  aus,  für  das 
paradiesische  Land!  Ini  römischen  Zeitalter  zählte  Spanien  2o  Mill.  Einwohner;  zu  Ende 
des  14.  Jahrh;  16  Mill.  ;  zu  Ende  des  i5.  Jahrh.  14—  i5  Mill.  ;  beym  Tode  Carl's  II.  1700 
nur  8  Mill.,  \velche  Zahl  durch  den  spanischen  Succcssionskrieg  auf6Mill.  herabgeschmol- 
zen war.  S.  Neue  Leipz.  L.  Z.  1810.  St.  28.  Vergl.  Crome  a.  a.  O.  S.  764.  Das  Ilaupihin- 
derniss  des  stärkeren  Anwachses  der  Volksmenge  war  das  (nun  abgeschaffte)  h.  0.(llciuni  , 
indem  es  eine  unzählige  Menge  von  Familien  nöthigte,  das  Reich  zu  verlassen,  die  Ver- 
treibung der  Juden  und  Mauren  beförderte,  in  drey  Jahrhunderten  mehr  als  5o,ooo  Men- 
schen theils  in  Person,  theils  im  Bildniss  verbrennen  Hess,  über  2go,ooo  zur  Einsperrung 
verurtheilte  ,  und  die  Fortschritte  der  Wissenschaften  und  Künste,  der  Industrie  und  des 
Handels  zurückhielt.  Hierzu  der  auf  ungefähr  1  Mill.  Menschen  steigende  Verlust,  den  Spa- 
nien im  J.  1804  durch  Hungersnoth  ,  Erdbeben  und  das  gelbe  Fieber  (das  auch  neuerlich 
(1821)  schreckliche  Verheerungm  anrichtete)  erlitt;  der  von  i8o8 — i8i3  wülhende  Krieg, 
die  gegenwärtige  Re\olulion  —  werden  nun  wohl  noch  (wenn  auch  i'.  Bourgoi/ig  den  Volks- 
bestand dieses  Reichs  für  das  Jahr  1788  auf  11  Mill.  ,  und  IXehfues  denselben  für  das  Jahr 
1808  auf  12  Mill.  schätzte)  io,5oo,ooo  Seelen,  wie  wir  oben  Spaniens  Volksmenge  angege- 
ben ,  vorhanden  seyn  ? 


276  i-   Bewohner  der  europ.  Stdaleii,  J.  4.  StaaUu  der  zweyteu  haogordnuiig, 

§•    4. 
Staaten    der    zwcyten    Rangordnung. 

£iuwo!aier. 

A.  Das   osmanische  Reich:  a)  in  Europa  mit   etwa     ....;.       8-000,000  nj 

h)  in  Asien .     ii,ogo,ooo  b) 

c)  iu  Afrika 3,5oo,ooo  cj 

zusammen  22,690,000 

B.  Bcyde  SiciUen  mit •...,....       6, ■'66,000 

Von  diesem  VolksLcslande  rechnet  man  auf  Neapel  4,081,000 

auf  SiciUen  i,785;ooo 
C  Die  Niederlande :  a)  in  Europa  mit     .     .     .     .     .     .     ,.    ,     .     ,     ,  5,266,000 

Davon  leben  iu  Holland      .........     2,01 7,  iq5 

in  Belgien 3,249,841 

wovon  auf  Luxemburg  insbesondere  205,628  kommen. 

b)  In  Afrika  mit 10,000 

c)  In  Asien 2,957,336 

d)  In  Südamerika 3lo,ooo 

c)  In  ^Vestindien 400,000 

zusammen  8,583,336 

D.  Sardinien  mit 3,974,476 

An  dieser  YolkszaLl  nehmen  insbesondere  Theil  die  Contiuen- 

lalslaaten  mit 3,454,476 

die  Insel  Sardinien  mit 52o,ooo 

E.  Portugal:  a)  in  Europa  mit 3,683,000 

Davon  kommen  auf  Portugal  an  sich 3,535,385 

.(iif  Algarvien        127,6l5 

b)  In  Afrika  mit       ......' 467,400 

c)  In  Asien  mit , 108,800 

d)  In  Südanrerika  mit 3,ooo,ooo  dj 

zusammen  7,249,200 

F.  Baiern  mit 3,56o,ooü 

G.  Der  schwedische  Staat:  a)  in  Europa  mit 3,44o,ooo 

Davon  rechnet  man 

auf  Schweden  an  sich 2,5oo,ooo 

auf  Norwegen 940,000 

b)  in  Weslindien 8,000 

zusammen  3,448,000 
a)  Nach  andern  9,7,6  Mill.  Hr.  Lindiier  nimnU,  als  t'is  Maximum  der  Volkszahl  der  euro- 
päischen Türkey,  gar  nur  5,3go,900  Menschen  an.  Dagegen  wird  nach    dem  Verfassser  der 
Schrift:   ,,Considerations   sur   la    guerre  entre    ies    Grecs  el  les  Turcs  jiar  un  Grec;  ä  Paris 
1821  ,"  die  Bevölkerung  des  osmanischen  Reichs   in  Europa  auf  i2  MiU.  geschätzt.  Gewiss 


i.   Bewohner  der  europ.  Staaleu.  ^.  5.  6.   Staaten  der  dritten  —  fünftcu  Raligordiiung.  S'ji 

ist,  dass  das  osmanisrhe  Reich  in  allen  seinen  Getjenden  in  Ansehung  seiner  Grösse,  sei- 
nes milden  Klima  und  seines  fruchtbaren  Bodens  arm  an  Menschen  ist,  und  dass  es  damit 
immer  schlimmer  wird,  woran  hauptsächlich  Schuld  sind:  Unsicherheit  des  Lebens  und  des 
Vermögens,  Vielweiberey ,  Castralion  ,  Pest  und  gänzlicher  Mangel  an  Sanifals-  und  IMedi- 
cinalanstalten;  hierzu  der  im  J.  1821  ausgebrochcne  Aufstand  der  Griechen  ,  duich  den 
bereits  mehrere  osmanische  Pro\inzen  verheere!,  und  ent\  ölkert  wurden 

6)  Nach  andern  24  Mill.  ,  g'jwlss  zu  viel. 

c)  Nach  andern  2 — 5  Mill. 

<0  Nach  Galletli  4  MdL 

.§.  5. 
Staaten  der  dritten  Rangordnung. 

fiinwi'lincr. 

A.  Der  Kirchenstaat  mit 2,425,800 

J3.  Der  dänische  Staat:  a)  in  Europa  mit 1,746,950 

Davon  leben  1)  in  Dänemark  an  sich       ....  i,o53,45o 

2)  in  Schleswig 279,000 

3)  in  Holstein  und  Lauenbiirg       .     .  36o.ooo 

4)  auf  Island 49^000 

5)  auf  den  Fiiroer-Insehi     ....  5,5oo 

h)  hl  Afrika •    .     .     •  3,ooo 

c)  In  Asien 5o,ooo 

d)  In  Nordamerika 6,000 

e)  In  Westindien 43, 000 

„5.  zusaumicn   1,848,900 

C  Die  Schweiz  mit 1,745,750 

Davon  komni-ii  auf  Bern  als  den  grössten  Canton  .     297,600 
auf  Genf  als  den  kleinsten      .     .     .       44,000 

I).   Toscana  mit 1, 264^000 

Ausserdem  geboren  in  diese  Riduik  noch  vier  deutsche  Bundesstaaten: 
E.  Hanover;  F.  Wiirtemberg ;  G.  Sachsen  und  ü.  Baden j,  von  denen,  in  Anse- 
liung  der  Volksmenge  (s.  §.  3-  C.)   Hanover  und  Wiirtemberg  vor   Toscana  ihren 
IMntz  einnehmen,  Sachsen  und  Baden  aber  nach  Toscana  zu  stehen  konmica. 

§•6. 

Staaten  der  ^■  i  e  r  I  e  n  und  fünften  Rangordnung. 

Die  Staaten  der  vierten  Ptangordimng  sind :  Einwohner. 

\.  Parma  mit 583,ooo 

B.  Modena  mit      .     .     .     ^ 370,000 

Davon  kommen  auf  Massa  und  Carrara 57,5oo 

C.  Die  jonischen  Inseln  mit 187,000 

D.  Lucca •     i57,5oo 

Ausserdem  gehör«  ri  in  diese  Classe  noch  g  deutsche  Bundesstaaten  : 
E.    Churhessen;    F.  Grossherzogthum  Hessen;    G.   Mecklenburg  -  Schiverin ; 
ti.  Nassau;  I.  Holstein-  Oldenburg;   K.  Braunsclweig ;  L.  Sachsen  -  /Weimar; 


2-8  1.  Bewohner  der  europ.  Staate^.  §.  7.  BevolkeroDg. 

M.  Sachsen-  Gotha  und  N.  Hamburgs  von  denen,  in  Ansehung  der  Volkszahl  (s. 
§.  3-  C.)  Chnilicsscn  und  Grossherzoijtluun  Hessen  vor  Parma  und  Modcna^  Mecklcu- 
Lurg-ScLwerin  ,  Nassau  j  Holstein- Oldenburg,  Braunschweig  und  Sachsen  -  Weimar 
nach  Parma  und  Modcna  zu  stehen  kommen,  Sachsen-Gotha  aber  nach  den  jonischen 
Inseln,  und  Hamburg  nach  Lucca  seine  Stelle  einnimmt. 

Zu  den  Staaten  der  fünften  Rangordnung  rechnet  man:  Einwolmrr, 

A.  Kraknu  mit 64,000 

B.  Siin  ISluruiQ  mit 7,000 

Ausserdem  gehören  in  diese  Classe  noch  2.5  deutsche  ßimdesstaaten  (s.  §.  3.  C.) , 
von  denen  3  {Sachsen-Coburg-Saalfeldj  Mecklenburg-Strelitz  und  Lippe-Detmold) 
in  Ansehung  ihrer  Volkszahl  vor  Krakau,  ig  {Sachsen-Meinungen _,  Sc/uvarzburg- 
Eudolstadt j,  Anhalt-Dessau  _,  Waldeck  ^  Bremen  ^  Frankfurt  a.  M.  ^  Schwarzburg- 
Sondershausen  _,  Lübeck  _,  Anhalt-Bernburg  j  Hohenzollern-Sigmaringen  ^  Anhidt- 
Kotlien  j  Stchsen-  Hihlhuighausen  j  ScliauTnburg-  Lippe  j,  Reuss-  Greiz  „  Hessen- 
llonliurg ,  Reuss-Schleiz  ^  Hohenzollern-Hechingen  j  Lobenstein-Lobenstein  und 
Lubenslein-EbersdorfJ  nach  demselben  Gesichtspuncte,  nach  Krakau,  jedoch  vor> 
Sau  ^lariuo  zu  stehen  kommen,  einer  aber  (nahnicnllich  das  Fürsteulhuui  Liechten- 
stein)   nach  San  Marino  seinen  Platz  einnimmt  aj. 

a)  Aber  der  Fürst  von  LiechtenstFin  besitzt  an  Tnittelbarnn  Fürstcntbiimern  und  Hi^rrscbafton 
in  der  österreichischen  Monarchie  ein  Gebiet,  welches  manchen  bedeutenden  Staat  aufwie- 
gen dürfte.  Es  enthiilt  104  QM.  ,  und  zahh  24  Städte,  2  Vorstädte,  35  Marktflecken,  766 
Dörfer,  29  Herrschaften,  46  Schlösser,  11  Klöster  und  164  fürstliche  Meiereyen  mit 
3245O00  Einwohnern. 

Bevölkerung. 

In  Rücksicht  der  Bevölkerung j  oder  des  Veihältnisses  der  Volksmenge  zu  dem 
Flächeninhalte,  weiihen  zwar  die  einzelnen  Staaten  luisers  Erdlhoils  ausserordentlich 
von  einander  al) ,  so,  dass  manche  von  den  kleineren  Staaten  iiljer  6000  auf  einer  Qua- 
dratmeile zählen  aJ  ,  Avährend  andere  grössere  es  kaum  auf  2000  bringen,  und  in  einigen 
Staaten,  wozu  gerade  die  beyden  grössten  Reiche  unsers  Erdtheils  (Russland  und  Schwe- 
den mit  i^orv/e  gen)  gehören,  die  Bevölkerung  gar  bis  lief  unter  1000  fällt.  Die  Bevölke- 
rung in  den  einzelnen  europäischen  Staaten  stehet  demnach  zu  dem  Flächeninhalte 
derselben  im  lungekehrtcn  Verhältnisse,  d.h.  je  grösser  die  Bevölkerung,  desto  klei- 
ner ist  der  von  ihr  besetzte  Raum.  Daher  zähh  ein  kleineres  Gebiet  bcy  dichterer  Be- 
völkerung eben  so  viel,  oder  wohl  noch  mehr  Bewohner,  als  ein  Gebiet  von  grösse- 
rer Ausdehnung.  Die  Grösse  des  Staatsgebiets  an  sich  ist  folglich  keineswegs  die  allei- 
nige Ursache  von  dem  Grade  der  BevöLkerimg  eines  Staates.  Im  Gegentheile  deutet 
inmier  der  grössere  oder  geringere  Bevölkerungsstand  eines  Staates  auf  gewisse  Vor- 
züge oder  Mängel  des  Klima's,  des  Bodens  und  der  Cultur  desselben,  so  wie  der  Ver- 
fassung und  Verwallmii^  hin  5  fast  immer  ist  die  Zu-  oder  Abnahme  desselben  das  si- 
chere Merkmahl  des  zu-  oder  abneluncnden  VVohlstandes  im  Staate. 

Einen  Staat  indessen  in  den  andern  gerccluuH,  und  den  Absland  der  volksleere- 
ren Thcile  durch  die  Fidie  der  andern  ausgeglichcu :  so  kommen  glciclrwohl  im  Gau- 


I  Bewolmei  der  europ.  Slnaten.  §.  7.  Bevölkerung.  2;5 

zcn  auf  eine  Qiiadratmeile  übei-  i2i5  ^Jensohen ,  niilliin  crscliciiH  Europa  auf  «'iiicr 
Bevölkoriinj^sstiifc,  wo  es  von  keinem  andern  Eidlheile  übcrliolTon  \\iid.  Oliylciih 
aber  Europa  vcrhälinissmässig  der  l)evölkerlste  unter  allen  Erdllieilcn  ist:  so  kann 
man  doch  nicht  sagen,  dass  es  absolut  zu  viel  Menschen  zähle;  man  kann,  mit  Aus- 
nahme einiger  gebirgigen  Landslrecken  ,  z.  B.  des  ThüiingerwaUles  bjj  des  Sc/ns'ai'z- 
waldes  j  der  Schweiz  cj  u.  s.  w. ,  von  keinem  einzigen  euro])'aischen  Lande  behaup- 
ten, dass  CS  bereits  auf  die  grösstmögliche  Stufe  der  Bevölkerung  gebracht  worden 
sey.  Doch  lehrt  auch  die  Erfahrung,  dass  eine  iuuner  steigende  Bevölkerung  d^n 
.Staat  nicht  geradezu  beglücke.  Es  kommt  nicht  darauf  an,  dass  viele,  wenn  gl.'ich 
elende,  menschliche  Wesen  vorhanden  sind,  sondern  Menschen,  denen  im  Durch- 
schnitt leidlich  wohl  ist,  welche  die  notliwendigslen  Bedürfnisse  nicht  zu  kümmerlich 
befriedigen  können.  Nur  eine  durch  die  Masse  der  Nahrungs-  und  Fcuerungsmiltcl 
bedingte  Bevölkerung  ist  wünschenswerth ,  wenn  nicht  sonst  Milliünen  Hungers  ster- 
ben, und  Arnuuh  und  Elend  sich  einfinden  sollen.  Es  gibt  eine  Grunze  für  die  Her- 
vorbringungs-  Fähigkeit  eines  Landstrichs  ,  und  folglich  auch  der  auf  dcmscllien 
gewonnenen  Erzeugnisse;  es  gibt  demnach  auch  nothwendig  eine  Gränze  der  Bevöl- 
kerung dj ,  obgleich  wir  eben  nicht  im  Stande  sind^  dieselbe  genau,  wenigstens  nicht 
allgemein ,  in  Zahlen  auzugeberu 


Einw.  auf  1  QM. 
a)  Genf  z.  B.  hat 8800 

Lucca 6870  —  — 

An  diese  schliesseii  sich  zu- 
nächst an  : 

Die  Niederlande mit  45^4  —  — ■ 

Die  ionischen  Inseln   ...    —  4o65  —  — 
Dann  folgen : 

Modcna —  3go4  —  — 

Parma —  36i3  —  — 

Jf^ürleniberg 

Sachsen 


—  3576  —  — 

—  3529  

—  35oo  —  — 

—  5597  

—  3576  —  — 


San  Marino 

Der  Kirchenstaat  .  . 
Sachsen-Golha  .... 
Kraiuiu —  3368 

—  3326 

—  53 10 

—  5ll2 


Beyde  Sicilien 

Das  britlisc/ie  Reich  .  .  . 

Sardinien    

Der  deutsche  Bund  im  en 

geren  Sinne 

Sachsen-fVeimar 

Frankreich    

Nassau    

Toscana    —  2967 

Grossherzogthum  Hessen.    —  2896  — 
Charhcsseii —  2835  — 


—  0040  —  — 
—  3ooo  —  — 

_  2968  

29G8 


Eiaw.  auf  1  QM. 
Der  deutsche  Band  im  M-'eileren 

Sinne mit  2664 - 

Baiern —  253o ""i 

Österreich ^  .  .  .    —  2420  —  — 

Preussen    —  2 1 0:1  —  — 

Die  Schweiz —  2004  —  — ■ 

Wenigrr  als  2ooo  Seelen 
auf  1  QM.  zahlen  folg'::nde 
Staaten : 

Hanover    

Portugal    

Holstein-Oldenburg    .... 
Mecklenburg-Schwerin  .  . 

Dänemark  an  sich 

Spanien 

Eine  goringereBevöIkerung 
als  von  1000  Seelen  auf  1 
QM.  haben  folgende  Staaten : 

Die  europäische  Ti'uker —     867  —  — ■ 

Das  europüisclie  Puissland  ...    —     Öog  —  — 
Das  asiatische  "Russland   ....    —       34  —  — • 
Das  russische  Reich  in  Euro- 
pa und  Asien —     i36  —  — 

Der  dänische  Staat    —     702  —  — 

Der  schwedische  Staat —     2i2  —  — 

Schweden  an  sich    —     2^3  —  — 

Norwegen —     i34  —  — 


—  1908  —  — 

—  19  .4 

—  1814  

—  1598  

—  i542  

—  1243  —  — 


23o  I-   Bewohucr  der  europ.  Staaten.   §.  ß.  Mittel  zur  Erforschung  der  V-jIksmenge. 

Di?sc  Verschiedenheiten  werden  noch  auffallender,  wenn  man  Bestandtheilc  der  einzel- 
nen Staaten  oder  Gegenden,  welche  nicht  gerade  vollkommene  Staatsgebiete  bilden,  mit 
einander  vergleicht.  So  wohnen  z.  B.  auf  der  Insel  Malta  mit  Gozzo  und  Comino  ii,625, 
in  dem  französischen  Departement  du  Nord  8086  ■,  im  Düsseldorf e7-  Regierungsbezirke  dei 
preussischen  Provinz  Clcve-Berg  8109,  in  dem  sogenannten  Kiü.läiidchen  zwischen  Mäh- 
ren und  Schlesien  7918,  im  lombardisch-venellauischen  Königreiche  5o58 ,  in  Irland  4601  , 
in  Engtand  3736,  und  dem  russischen  Gouvernemenf  Moskwa  2800  auf  einer  Quadralmeile, 
während  in  Schottland  i243,  auf  Corsica  ioi3,  in  Oeslerreichisnh-Dalmatieii  ioo5,  im  Kös- 
liner  Ri-gierungsbezirke  der  preussischen  Provinz  Pommern  946,  auf  Island  34,  im  russi- 
schen Gouvernemenl  Archangel  18,  in  Finnmarken  in  Norwegen,  dem  nördlichsten  Ijande 
Europa's,  6,  und  im  schwedischen  Anlheile  von  Lappland  gar  nur  3  Menschen  auf  einem 
gleich  grossen  Räume  leben, 
ü)  Um  der  steigenden  Bevölkerung  im  Herzogthume  Sachsen-Goiha  Einhalt  zu  ihun,  verbie- 
tet eine  neuere  Verordnung  die  Er\veilerung  der  alten,  und  den  Anbau  neuer  Wohnungen 
in  den  Orten  des  Thüringern-'alries   S.   Götting.   gel.  Anz.    1808.  St.   11.   S.   107. 

c)  In  der  Schweiz  werden  manche  Districte  so  leicht  übervölkert,  wenn  nicht  ihre  Fabrirate 
auswärts  gesucht  werden  ,  oder  Missjahre  die  geringen  Ernltm  noch  kärglicher  machen.  S. 
Crome  a.  a.  O.  S.  27. 

d)  T.  R.  Mallhus  Essai  on  the  principle  of  population ,  or  a  riew  of  its  past  and  present  ef- 
fccts  on  human  happini'ss  u.  s.  w.  Bd.  2.  Ausg.  3.  London,  1806.  von  J.  H.  Hegewisch  in'.« 
Deutsche  übersetzt,  unter  dem  Titel:  Versuch  über  die  Bedingung  und  die  Folgen  der 
Volksvermchrung.  2  Thie.  Allona,  1807.  8.  Vergl.  Mallhus  mod  Crome,  ellcr  om  Dan- 
marks altfor  Store  Befo'kning.  Aarsagen  til  den  over  haandlagendo  Armod  ,  samt  om  de 
bedst  anvcndelige  Midier  herinK)d.  [Mallhus  gegen  Crome,  oder  über  Dänemarks  Über\öl- 
kerung  (?) ,  die  Ursache  der  überhand  nehmenden  Armulh,  nebst  den  anwendbarsten  Mit- 
teln dagegen.)  Von  F.  C.  Trrde.  Kopenhagen  ,  1816.  8.  S.  Ergänzungsbl.  zur  Allg.  L.  Z. 
Nr.  267.  iBi8.  Der  Verfasser  dieses  Werkes  wendet  die  van  MalUnts  vorgetragenen  Grund- 
sätze auf  Dänemark  an,  und  vertheidigt  ihn,  wie  in  der  obgedachten  Uit.  Zeit,  versichert 
wird,  mit  überwiegenden  Gründen  gegen  Crome's  Äusserung'^n :  ,,Uber  die  Grösse  und  Be- 
völkerung der  sämmtlichen    europäischen  Staaten." 

*)  Bey  einem  Flächeninhalte  von  1407  QM.  und  einer  Volksmenge  von  3,56o,ooo  Einwoh- 
nern, wie.  wir  diese  Elemente  der  baierischen  Staalskräfte  angenommen  haben.  Bey  einem 
Areal  von  i5oo  QM.  aber,  wie  andere  Baierns  Flächeninhalt  angeben,  würde  dieses  Reichs 
Bevölkerung,  bey  einer  Volksmenge  von  3,56o,ooo  Einwohnern  ,  im  Durchschniile  freylich 
nur  2070  Köpfe  auf  der  QM.  betragen. 

§.  ß- 

Mittel    zur    Erforschung    der    Volksmenge. 

Der  Mittel j  die  VolLsmejii^e  eines  Landes  oder  einer  Sladl  zu  erforschen,  giLl 
PS  mehrere  von  sehr  verscliiedencm  ^Verlhe. 

A.  Alan  zähh  entweder  die  Wohnungen  oder  die  Fatnilien,  und  rechnet  auf  jede 
im  Durchsclinilt  eine  gewisse  Anzahl  Personen,  je  nachdem  der  Augens<;hein  zeigt, 
dass  sie  stark  oder  schwach  heselzt  sind,  etwa  4,  5  his  6;  oder  man  schätzt  die 
Volksmenge  nach  Recruleuaushehungen  zu  1 ,  2  Recruten  von  einer  gew  issen  Anzahl 
Tuännlicher  Individuen ,  oder  nach  der  Anzahl  der  stevierpflichligen  Köpfe ,  oder  nach 
der  Consumlion  der  genicinsleu  Lehensmitlei,  des  Brotes    und   des   Salzes.  Aber  \\ie 


I.  Bewohner  der  «urop.  Staaten.  §.  8.  Mittel  zur  Eiforsclmng  der  Volksmenge.  281 

unzuverlässig  sind  diese  und  andere  ähnliche  Mittel,  die  Volkszahl  grosser  Städte  und 
ganzer  Länder  zu  erfahren  ! 

Ein  hrauchhareres  Mittel  zu  diesem  Endzwecke  sind: 

B.  Genau  abgefasste  und  von  mehreren  Jahren  gesammelte  Ä7rc7<e7i//j'fe«  ^  oder 
jährliche  Register  über  die  Gehörnen,  Gestorbenen  und  Getrauten.  Die  grosse  Wich- 
tigkeit rmd  Niilzlichkeit  derselben  zeigt  sich  insonderheit  darin,  dass  sie  nicht  allein 
überhaupt  das  Urlheil  i'iljer  die  Zu-  oder  Abnahme  der  Volksmenge  begründen,  son- 
dern, wenn  sie  speciell  das  Geschlecht,  das  Aller,  die  verschiedenen  Classen  der  Ein- 
wohner, die  Jahreszeiten,  die  Krankheiten,  Unglücksfälle  und  andere  Umstände  an- 
geben, auch  sehr  heilsame  Aufschlüsse  über  die  Bedingungen  des  Lebens  und  die 
Ursachen  des  Todes  gewähren.  Sie  sind  es ,  denen  die  politische  yirithinetik  ihr  D.a- 
seyn  verdankt.  Zu  dieser,  für  die  Staatsverwaltung  so  nüizlichen  Kennlniss  le^leJoIui 
Gvaunt  j  ein  Tuchmacher  in  England,  1662  den  ersten  dauernden  Grund.  Er  war  es, 
der  in  seinen  Bemerkungen  über  Mortalitälslislen  aj  seinen  Zeitgenossen  das  Geheim- 
niss  entdeckte ,  wie  die  Ordnung  der  Geburl  und  der  Sterblichkeit  unter  den  Men- 
schen, und  folglich  auch  ihre  Zahl  in  einem  gegebenen  Lande  oder  einer  Stadt  be- 
rechnet werden  können ,  ob  es  gleich  mehr  als  wahrscheinlich  ist ,  dass  schon  die  Rö- 
mer die  Theorie  der  Probahilität  des  Lebens  gekannt  haben  bj.  Durch  Pettj  j  Hal- 
lejj  Short  j  Kerseboom  _,  Strujk  j  i'an  Swieden  _,  Young  _,  Depnrcieux  ^  Silssmilch 
und  Tf^argentin  gewann  die  politische  Arithmetik  sowohl  an  Reichlhum  als  an  System. 
Die  beydcn  letzteren  leisteten  insonderheit  viel,  nälindich  SiissinilcJi  in  seinem  ^Ver- 
ke:  jjGöttliclie  Ordnung  in  den  Verändei-uugen,  des  menschlichen  Geschlechtes  j, 
aus  der  Geburt _,  dein  Tode  und  der  Fortpflanzung  desselben  erwiesen'  cj _,  vmd 
Wargentin  in  den  Abhandhmgen  der  königl.  schwedischen  Akademie  der  Wissen- 
schaften. Indessen  hat  die  Anwendimg  der  politischen  Rechenkunst  auf  die  Staatsver- 
waltung mehr  zur  Ausbildung  der  Slaatenkunde  und  zur  Beföi  dcrung  ihres  Interesse 
bcygctragcn ,  als  durch  den  Vorrath  immer  noch  zu  wenig  zuverlässiger  Zahlen  fiir 
die  nächsle  Absicht  dieser  Berechnungen  gewonnen  ward. 

Die  durch  wiederholte  Bcobachlungcn  bestätigten  Verhältnisse  der  jährlich  Ster- 
benden und  Gebürncn  zu  den  Leidenden,  der  beyden  Geschlechter  gegen  einander, 
des  Grades  der  Sterblichkeit  nach  Verschiedenheit  des  Lebcnsakers  und  der  beyden 
Geschlechter  u.  s.  w.  sind  nun  folgende : 

1)  In  den  grössten  Städten  stirbt  jährlich  von  26  Menschen  einer,  in  grösseren  von 
28  einer,  in  kleinen  von  32  einer,  auf  dem  Lande  aber  nur  von  40  oder  42,  oder  gar 
nur  von  48  einer,  —  In  einem  ganzen  Lande  (Städte,  Flecken  und  Dörfer  zusammen 
genommen)  stirbt  von  32  oder  33,  in  einigen  Ländern  aber  nur  von  36  oder  37,  und 
ra.  einigen,  wohin  vorzüglich  die  nordischen  Länder  gehören,  nur  von  40  Menschen 
einer.  \Venn  man  dcnmach  von  einem  Orte  oder  Lande  die  Anzahl  der  jährliih  Ster- 
benden durch  ^'crgleichung  mehrerer  Jahre  mit  einander  dj  weiss :  so  nmltiplicirt 
man  sie  nach  dem  Unterschiede,  den  man  unter  den  örtcrn  und  Ländern  wahrninnnl, 
mit  einer  von  den  obigen  Zahlen ,  um  die  Sunuue  der  gcsammten  Einwohner  unge- 
fähr zu  berechnen. 

2)  In   der  Regel    werden  immer   mehr  JMe/ische/i   geboren    als  sterlien,    sonst 

3Ü 


Zjj2  I-  iäewoliilcr  der  curop.   Staaten.  §.  8.  Mittel  zur  Erforschung  der  Volksmenge. 

müsste  die  Volksmenge  all'^iilhalljcn  abnehmen,  und  die  ganze  Ordnung  bald  gar  aus- 
sterben. Allein  sie  nimmt  überall  zu,  wo  es  nielii  zufällige  und  vorübergehende  Ursa- 
chen, z.  B.  Krieg,  Epidemie,  verhindern,  jedoch  nicht  überall  und  inmier  im  glei- 
chen Verhältnisse.  Je  geringer  die  Volkszahl  mit  Rücksicht  auf  die  Fruchtbarkeit  des 
Landes  ist,  desto  schnellei-  vermehren  sich  die  Meiischen;  aber  dieses  Verhällniss  der 
Zunahme  nimml  ab,  je  grösser  die  Zahl  der  Bewohner  wird,  und  es  gUjt  daher  einen 
Punct,  wo  die  Vermehrung  Null  ist,  welchen  wir  denn  für  die  nati'u-liche  Glänze 
der  Bevölkerung  ansehen.  In  einigen  Ländern  hat  man  das  Verhältniss  der  Geborneu 
zu  den  Lebenden  wie  i  zu  22  oder  23,  in  andern  wie  1  zu  32  gefunden;  im  Mittel 
möchte  es  also  wie  1  zu  27  oder  28  stehen.  \'on  dieser  Regel  machen  jedoch  grosse 
Städte  eine  Ausnahme,  besonders  wo  Hoflialtungen  sind,  und  in  vornehmen  Häusern 
viele  unverheirathete  Bediente  unlei hallen  werden,  auch  viele  andere  ledige  Leute 
sind.  In  solchen  Städten  wird  nach  einer  Mittelzahl  auf  35  Lebende  1  geboren.  — 
Aus  diesem  allgemeinen  jähilichen  Ulierschusse  der  Gehörnen  über  die  Sterbenden 
lässt  sich  die  sehr  auffallende  Erfahrung  erklären,  dass  die  Menschenzahl  in  Europa, 
ungeachtet  fünf  und  zwanzig  jähriger  Unrnhen  ,  Verfolgungen  und  Kriege  ej ,  und 
ungeachtet  einer  bedeutenden  Auswanderung  fj  nach  fremden  Erdtheilen,  dennoch 
in  diesem  Zeiträume  zugenommen  hat,  und  diese  Zunahme  ist  um  so  grösser,  da  der 
Anfang  der  Anstalten  zu  Einimpfung  der  Schutz-  oder  Kuhpocken  (vaccine)  gj  eben 
in  diese  Zeit  fällt.  Diese  Vermehrimg  fordert  indessen  mächtig  auf,  an  Mittel  zur  Er- 
nährung dieser  grösseren  Menschcnzahl  zu  denken.  Der  geistreiche  englische  Schrift- 
steller J/a/iAi^.y  hat  hierüber  ernste  und  beherzigungswerihe  ^Vürte  gesagt ,  imd  ge- 
zeigt, dass  die  Zunahme  der  Bevölkerung  kein  Glück  sey,  wenn  man  nicht  im  Stande 
ist,  sie  zu  ernähren. 

5)  Das  Verhällniss  der  Knaben  zu  den  Mädchen  bey  der  Geburt  ist  nicht  allent- 
halben gleich.  In  Europa,  und  in  den  meisten  Ländern  der  gemässigten  und  kalten 
Zonen  werden  im  Ganzen  immer  mehr  Knaben  als  Mädchen  geboren,  nälimlich  un- 
gefähr io5o  oder  21  Knaben  gegen  1000  oder  20  Mädchen,  so  dass  4 — 5  Piocent  auf 
männlicher  Seite  ist.  In  andern  Ländern  hingegen,  insbesondere  der  heissen  Zone, 
werden  mehr  Mädchen  als  Knaben  geboren. 

4)  Die  Slcrl)lichkeit  ist  nach  Verschiedenheit  des  Lehensalters  verschieden.  Das 
natiirliche  Ziel  des  menschlichen  Lebens  ist  ungeföhr  sechsmal  so  lang ,  als  die  Zeit 
von  der  Geburt  bis  zum  Anfang  der  Mannbarkeil,  der  im  Durchschnitt  auf  das  lö-  Jahr 
fällt,  folglich  80 — 90  Jahre.  Es  gibt  zwar  unter  allen  Völkern  einzelne  Menschen, 
welche  dieses  Ziel  weit  überschreiton ;  allein  bey  weitem  die  mehreslcn  erreichen  es 
lange  nicht,  und  werden  durch  Krankheilen  und  Zufälle  aller  Art,  verschuldet  hj  und 
unverschuldet,  viel  früher  hingerafft.  Am  meisten  trilfi  dieses  Loos  'die  Kinder  vom 
zartesten  Aller,  von  denen  beynahe  der  vierte  Theil  gleich  im  ersten  Jahre  stirbt,  über 
zwey  Fünftel  nicht  das  sechste ,  und  fast  nur  die  Hälfte  das  zwanzigste  Jahr  erreicht. 
Es  leben  näbmlich  von  einer  Million  Menschen,  die  geboren  wird: 

am  Ende  des        islen  Jahres  nur  noch 707,525 

—  —       —     loten        —     —       — 55i,i22 

—  —       —     20sten       —     —       — 5o2,2itt 


I,  Bewoliner  der  eiirop.  St.iatcn.   i^S.  8.  Mittel  zur  Erfoiscluing  der  Vüjksmeugc.  -  203 

am  Ende  des     Sosten  Jahres  nur  noch 438,1 83 

—  —  —     4osten  —  —  — 36(),4o4 

—  —  —  öosien  —  —  —  .     ,     .     ,     .  297,070 

—  —  —     6osicn  —  —  — 213,56- 

—  —  —      70sien  —  —  — 117,656 

—  —  —     8osten  —  —  —  ......     34,7o5 

—  —  —     gostcn  —  —  — 3,83o 

—  —  —  loosien  —  —  —  207 

—  —  —  lo5tcn  —  —  — 16 

—  —  —  liolcn  —  —  — o  ij 

Diese  Theorie  ist  von  grosser  Wichtigkeit,  indem  sie  die  Grundlage  für  die  Re- 
gchi  der  Leihrenten,  Tontinen,   Witwcucassen  und  VersorgungsanstaUen  aligiht. 

5)  Auch  in  Ansehimg  der  bejden  Geschlechter  ist  die  Mortahtät  verschieden. 
Sie  sterben  nicht  nach  eiiierley  Maassgabe  j  die  Sterblichkeit  des  männlichen  Ge- 
schlechts ist  gi'össerj  als  die  des  weiblichen,  wenn  man  eine  Periode  kj ,  die  gefähr- 
lich ist,  bey  dem  letzteren  ausnimmt.  Gegen  27  Knaben  sterben  nur  25  Mädchen. 
Der  Übcrschuss  der  gcbornen  Knaben  ist  also  bald  verschwunden.  Wird  nach  einigen 
Jahren  nach  der  Mehrzahl  der  Knaben  gefragt,  so  liegt  sie  im  Grabe.  Um  die  Zeit 
der  angehenden  Mannbarkeit,  oder  um  das  i5.  Lebensjahr  ist  das  Gleichgewicht  zwi- 
schen beyden  Geschlechtern  beynahe  hergestellt,  und  im  18.  oder  20.  Jahre  ist  das 
Verhältniss  schon  umgekehrt.  Da  im  ersten  Lebensjahre  mehr  Knaben  als  Mädchen 
sterben,  da  gewöhnlich  mehr  Frauen  als  Männer  ein  hohes  Alter  erreichen,  da  end- 
lich dem  männlichen  Geschlcchte  ein  beiräcbilicher  Theil  durch  Kriege  und  andere 
lebensgefährliche  Beschäftigungen,  auch  durch  Auswanderungen  in  fremde  Erdlhei- 
le ,  entzogen  wird :  so  findet  man  fast  in  allen  europäischen  Ländern  ein  merkliches 
Übergewicht  des  weiblichen  Geschlechts  über  das  n)ännliche.  Doch  ist  dieser  Übcr- 
schuss nicht  hinlänglich,  um  die  in  diesen  Ländern  eingefiihrte  Monogamie  aufzuheben. 

6)  Endlich  ist  auch  die  Zahl  der  jährlich  Getrauten  zu  den  Lebenden  sehr 
verschieden.  Li  Russland  z.  B.  heiratliet  jährlich  ein  Paar  unter  g2  Personen  5  in 
Preussen  eins  unter  94,  in  Schweden  eins  unter  120,  in  England  eins  unter  122  bis 
123,  in  Norwegen  eins  von  i3o,  ini  Canton  TVaadt  eins  von  140  Personen 5  in  gros- 
sen Städten  verhält  sich  die  Zahl  der  jährlich  Co]ndirten  zu  den  Lebenden  wie  1  :  160. 
—  Viele  Jungfrauen  müssen  schon  desshalb  unvcrehlicht  bleiben,  da  die  Zahl  dersel- 
ben zwischen  18  und  24  Jahren  bedeutend  grösser  ist,  als  die  Zalil  der  jungen  Män- 
ner zwischen  24  und  3o  Jahren  (s.  oben  5).  Mit  der  Bevölkerung  wächst  aber  auch 
die  Schwierigkeit,  einen  neuen  Haushalt  anzufangen,  und  das  Hcirathen  der  Männer 
wird  dadurch  insbesondere  versjjälet;  auch  werden  viele  Männer  dadurch  genöthigt, 
Witwen  zvi  hcirathen ,  mit  welchen  sie  eine  bereits  eingerichtete  Wirthschaft  erhal- 
ten. Aus  beyden  Gründen  ninmit  die  Zahl  der  Frauenzimmer  zu,  welche  unverehlicht 
bleiben  müssen.  —  Auf  jede  Ehe  rechnet  man  im  Durchschnitte  vier  Kinder,  Am 
fruchtbarsten  scheinen  die  Ehen  in  Irland  zu  seyn.  Die  Lländer  rechnen  aiif  eine 
Ehe  10 — 12  Kinder3  '^^'^i'  ^s  nicht  so  hoch  bringt,  ist  eine  Ausnahme  und  erregt  Be- 
fremden IJ. 

3G* 


284.  I-  Bewohner  der  curop.  Staaten,  ij.  8.  Mittel  zur  Erforschung  der  Volksmenge. 

Da  aber  diese  Vciliäl misse  weder  im  Allgemeinen,  noch  a;ich ,  und  zwar  viel  we- 
niger, in  einzelnen  Gegenden  oder  Städten,  nnveränderlicli  sind,  indem  manclierley 
Umstände  ein  örtliches  Mehr  oder  Weniger  mj  liierbey  veranlassen  können:  so  lässt 
sich  auch  durch  Kirchenlisten  die  Volksmenge  nicht  wohl  mit  Zuverlässigkeit  erfor- 
schen,  obgleich  die  wahrscheinlichen  Folgerungen,  wozu  sie  Anlass  geben,  von  sehr 
bedeutendem  Werihc  sind.  Das  einzige  Mittel ,  das  ganz  hin  bis  zur  Wahrheit  fiihrt,  ist 
C.  n'irküche  Zählung  (in  Russland  Ptevision  ^  in  Österreich  und  andern  Staaten 
Conscription  genannt),  wenn  sie  sich  iiJjer  alle  Seelen  erstreckt,  regelmässig  wieder- 
holt, nnd  auf  eine  vöüig  befriedigende  Art  angestellt  wird. 

ö)  Natural  and  political  annotations  upon  the  bills  ofmortaüty.  London,   i6ü2. 
b)  De  probabilitate  vitae  ejiisque   usu   forensi ,  commentatio,  qua  theoriam  expectationis  vitae 
antiquitati  vindical  F.  Aug.  Schmelzer.  Göttingae,   1787.  8. 

e)  Dritte  verbesserte  Auflage,  Berlin  1762.  2  Th.  (Dritter  Theil ,  der  Anmerkungon  und  Zu- 
sätze enthält,  von  C.  J.  Baumann,  Berlin  1776.)  Dieser  folgte  die  vierte ,  ebend.  1775.  er- 
schienene Auflage,  und  dieser  die  fünfte,  ebend.  1788  herausgegebene  Auflage.  —  Einen 
Auszug  aus  dem  Si'issmilchischen  Werke,  in  veränderter  Ordnung,  lieferte  L.  A.  G.  Schra- 
(/e/-.  Gliickstadt ,  1777. 

ü)  Man  muss  die  Anzahl  Aon  6  und  mehreren  Jahren  sammeln,  dieselbe  addiren ,  und  die 
Summe  mit  der  Anzahl  der  Jahre  dividiren  ,  so  erhält  man  eine  Mittelzahl ,  welche  man 
als  die  Summe  der  jährlich  Sterbenden  annehmen  kann. 

«)  Im  letzten  Kriege  war  der  Verlust  an  Blenschen  nicht  nur  in  Schlachten  ,  sondern  auch 
durch  Krankheiten  gross.  In  und  um  Dresden  ruhen  70,000  Franzosen;  in  Leipzig  slarh^ 
zufolge  der  Lazarelhlistcn  im  J.  i8i3  —  80,000  französische  Soldaten  an  Wunden,  Typhus 
und  anderen  Krankheiten.  Die  ganze  Strasse ,  welche  die  retirirende  französische  Armee 
eingeschlagen  hatte,  wurde  verpestet;  überall  längs  ihres  Weges  bis  über  den  Rhein  brachen 
Faulfieber  aus.  S.  Ergänzungsbl.  Z.  J.  A.  L.  Z.  1818.  Nr.  61.  S.  98.  ff. 

f)  Man  gibt  die  Zahl  derjenigen,  die  sich  während  des  obgedachten  Zeitraumes,  aus  Schott' 
land  ,  Irland,  Frankreich  ,  der  Schweiz,  Dänemark  ,  SiJnveden  ,  Holland,  vornehmlich  aber 
aus  Deutschland  in  Nordamerika ,  dem  vermeintlichen  Lande  des  Glücks  ß'ir  Jedermann , 
eingefunden  haben,  auf  5  Mill.  an,  ungeachtet  der  verwerflicfien  und  einen  Freystaat  ent- 
ehrenden Gesetze,  welche  die  dürftigen  Emwanderer  zur  Bezahlung  ihrer  Fracht  mehrere 
Jahre  lang  in  Sclaven  \erwandeln.  —  Zur  Bevölkerung  Brasiliens  hat  der  König  beyder 
Sicilien  im  J.  1819  dem  Könige  von  Portugal  und  Brasilien  2000  Galeerensclaven  ab- 
getreten. 

g-)  Die  wohllhätige  Entdeckung,  und  Einführung  der  Kuhpocken,  die,  wenn  auch  nicht  abso- 
lute, doch  die  möglichst  grösste  Sicherheit  gegen  eine  der  furchtbarsten  Seuchen  gewähren, 
erscheint  als  eine  Begebenheit,  die  nicht  nur  den  Gang  der  Bevölkerung  für  alle  Zukunft 
in  eine  neue  Richtung  (iiähmlich  in  die  der  schnellen  Zunahme  der  lolksmenge)  versetzt, 
sondern  auch  auf  alle  diejenigen  öffentlichen  Institute,  \velche  sich  nach  den  Gesetzen  der 
Mortalität  zu  modificiren  haben,  einen  unverkennbaren  Einfluss  hat.  Renten-,  Witwen-, 
Tontinencassen  ,  und  was  sonst  noch  für  finanzielle  Einrichtungen  bestehen  mögen,  die 
\oni  Leben  und  Sterben  der  Theilnehmer  abhängen,  \venn  sie  nicht  selbst  der  Gefahr,  im 
Laufe  der  Zeit  zu  Grunde  gerichtet  zu  werden,  entgegengehen  wollen,  bedürfen  die  ge- 
naueste Kenntniss  der  wirklich  bestehenden  Mortalität.  S.  Analyse  el  Tableaux  de  l'influence 
de  la  petite  veröle  sur  la  mortalite  et  de  cette  qu'un  preservatif  tcl  que  la  \accine  peut  avoir 
sur  la  population  et  la  longexile.  Par  E.  E.  Dui'illard.  Paris,  1806.  4-  Vergl.  Gölling  gel. 
Anz.  i8o6.  Sl.  145.  —  P'ür  die  Entdeckung  der  Schulzpocke  erhielt  Dr.  Jenaer  ^  om  brilli- 
schen   Parlament  im  J.  i8o2  —   10,000,     und   1807  —  2o,ooo   Pf  ,  zusammen  also  3o,ooo 


I    Bcwoimcr  der  europ.  Staaten.  §.  g.  In  Rücksicht  auf  Ahstammiuig  u.  Sprache.  285 

Pf.  St.  als  Belohnung.  S.  H.  A.  L.  Z.  Nr.  3i.  1819.  —  Ob  die  Srhntzpocke  Kuh-  oder 
Fferdppocke  benannt  weiden  solle ,  s.  österr.    kaiserl.  priv.  W.  Z.  1812.  S.   180. 

h)  In  dein  preussischen  Staate  z.  B.  starben  im  J.  1817  —  306,728  INIcnschen  ,  und  z\var  an 
Krankheiten  überliaupt  248,406,  \vo\on-|,  mit  wenigen  Ausnahmen,  nielit  aus  organischen 
Fehlern,  sondern  aus  Blangel ,  Unvorsichtigkeit  und  zerstörenden  Leidenscliaftin  entstan- 
den ,  oder  doch  durch  diese  tödtlich  wurden,  und  hier  ist  es  daher  vornehmlich,  wie  Hr. 
Hojfniann ,  Director  des  statistischen  Bureaus  in  Berlin  bemerkt,  \vo  Verfassung  und  Sitten, 
Polizey  und  Menschlichkeit  für  die  Erhaltung  des  Volkes  zu  wirken  haben. 

i)  S.  Jen.  A.  L.  Z.  1811.  Nr.  297.  S.'59i. 

A)  Nahmlich  zwischen  dem  25sten  und  45sten  Lebensjahre,  wo  die  Geburten  imd  deren  Fol- 
gen die  Sterblichkeit  der  Frauen  sehr  ^  ermehren.  In  dem  preussischen  Staate  z.  B.  starbea 
im  J.   1817  —  4045  Mütter  bey  der  Geburt  und  im  Kindbette. 

0  S.  Ergänzungsbl.  z.  Jen.  A.  L.  Z.   1818.  Nr.  56. 

m)  So  stirbt  z.  B.  in  einigen  Provinzen  von  Holland  im  Durchschnitt  jährlich  schon  von  22 
Menschen  einer,  während  in  vielen  Provinzen  des  mittleren  und  nördlichen  llusslunds  nur 
von  5o  einer,  ja  in  einigen  Statthalterschaften  sogar  nur  von  68  bis  7.*^  und  79  Li'bcnden 
einer  mit  Tode  abgeht.  S.  Crorne  a.  a.  O.  S.  5i.  —  Ein  Beyspiel  von  einem  ]Miss\  erhält- 
nisse  zwischen  Männern  und  Frauen  liefert  unter  andern  iSt.  Peler.ihurg ,  wo  2  Frauen  auf 
einen  Mann  kommen.  S.  Götting.  gel.  Anz.  1818.  St.  igS.  S.  ig45.  Ein  noch  auffallenderes 
Miss\erhältniss  aber  zwischen  beyden  Geschlechtern  zeigt  sich  in  Rom  ,  wo  gar  5  Weibs- 
personen auf  einen  männlichen  Kopf  kommen  sollen.  S.  Creme  über  die  Grösse  und  Bevöl- 
kerung der  sämmtlichen  europäischen  Staaten.  S.  371.  —  Dagegen  bestand  die  Volksmenge 
-der  öslerreichischcn  Mililürgränze  im  J.  i8i4  aus  326,374  Männern  und  324  536  Weibern, 
eine  bedeutende  Überzahl  des  niännlirhen  Geschlechts  in  einem  Soidatcnlande  während  einer 
Jiriegecischen  Zeit!  S.  Ern.  vaterl.  Blätter  für  den   österr.  Kaiserstaat.   x8i4.  Jul.  55.  S.  3^,6. 

N  a  ti  ona  I  versch  i  e  d  e  n  h  e  i  t  der  Europäer. 

§•9- 
a)    In    Rücksicht    auf  Abstammung    und    Sprache. 

Europas  Bewohner  stammen  von  Nationen  ganz  verschiedener  Heflxunjt  ab 5 
diess  beweisen  ilire  so  sehr  von  einander  unterschiedenen  Spraclicn.   Die   Vorfahren 
derselben  wanderten  nach  vind  nach  von  Asien  ein,  und  zwar  zunäclisl  dem  mittleren 
oder /io/ie«  ^i"ze?i.,  diesem  Ursitze  unsers   Geschlechts  und    der  Slamniarien  unserer 
Hauslhiere,  so  wie  dem  ürlande  der  Cullur,   aus  dem  alles  Gute  und  Grosse  hervor- 
gegangen. Diese  Einwanderung  geschah  sehr  tief  in  dem  Ditnkcl  der  Vorzeit,  wahr- 
scheinlich auf  einem  zweyfachen  Wege,  theils  yon  Kleinasien  herüber  den  Hellcspont 
und  die  griechischen  Inseln,  theils  aus  den  Gegenden  am  Kaukasus  nördlich   am  ca- 
spischen   und  schwarzen  Meere,  über  die  Wolga  und  den  Don.  Die    Fiage,   wann? 
lasst  sich  nicht  beantworten,  kaum  lässt  sich  die  Zeit  von  den  späteren  Einwanderun- 
gen bestimmt  angeben.  Die  Nationen  Europa's   sind  indessen  keineswegs  so  vertheilt, 
dass  jede  derselben  einen  eigenen  Slaalsverein  oder  ein  Volk  bildete.  Im  Gegen ihcile 
ist  es  der  Fall,  dass  ein  Staat,  wie  z.  B,  der  österreichische j  eben  sowohl   mehrere 
Nationen  ganz ,  oder  doch  theilweise  in  sich  vereinigen  kann ,  als   eine  Nation  ,    w  ie 
z.  B.  die  deutsche  j  mehrere  Staaten  oder  Völker  umfusst,  Hauptnationett  sind  jetzt 
l3  in  Europa  aj ,  nüUudich  feilende; 


jßS  I.. Bewohner  der  europ.  Staalcn.  §.  g.  In  Kücksiciit  auf  Aljslammung  u.  Sprache, 

I)  Die  gei-manisclie  j,  begreifend  alle  an  Herkunft,  Spraclie  und  Sitten  genau  ver- 
%Yandte  Völkerschaften,  welche  in  den  frühesten  Zeilen  von  der  Donau  in  Siiden,  bis 
in  den  änsserstcn  Norden,  und  von  dem  Rheine  in  Westen  bis  an  und  über  die 
^Vcichsel  wohnten.  Ihre  S]irache  ist  nicht  nur  die  reinste,  sondern  auch  die  bildsam- 
ste inid  reichste  untei-  den  europaischen  Sprachen.  Ihre  verschiedenen   Zweige   sind : 

A.  Die  deutsche  j  oder  nach  härteren  Mundarten,  die  teutsche  Nation  _,  welche 
sich  nicht  nur  über  alle  jene  Länder  erstreckt,  die  in  den  deutschen  Bund  vereiniget 
sind,  sondern  auch  über  die  Schweiz  und  die  Niederlande  (mit  Ausnalime  einiger 
kleiner  Parzellen,  welclve  in  der  ersteren  von  Franzosen,  Italienern  und  Churvsäl- 
schen,  in  den  letztern  von  Franzosen  bewohnt  sind),  dann  selbst  über  einen  Theil 
Frankreiclis  (s.  initen  «) ,  Italiens  (s.  unten  «),  Ungerns  hj  j,  Siehenbiu-gens  cj  ^ 
Galiziens  dj _,  Polens  ej  und  Russlands  J^J  j  übiigens  aber  durch  ganz  Europa  zer- 
streut sind.  Im  Ganzen  mag  dieser  Erdtheil  etwa  36 — 40  Mill.  Deutsche  zählen,  deren 
Sprache  in  zwey  Haupldialecte  zerfällt: 

a)  Den  hölieren  oder  das  Oberdeutsch  mit  den  bcyden  Ilanjitclassen,  der  svc- 
i'isch-aleinannischen  \n\Nes\.cn ,  und  der  longobardischen  in  Osten.  Zu  jener  ge- 
hört: die  Schweiz  j  Elsass  ^  Schwaben  und  der  Ober-  und  Mittelrhein;  zu  dieser: 
Baiern  _,  Oesterreich  ob  und  vmter  der  Enns,  und  die  übrigen  Länder  des  ehemaligen 
österreichischen  Kreises,  nebst  den  i3  Gemeinden  im  Veronesischcn,  und  den  7  Ge- 
meinden im  Vicentinischen  {tredeci  und  sette  communi^  an  der  südlichen  Gränze 
Tyrols.  —  An  diese  ächten  Oberdeutschen  schliessen  sich,  x\.^i\\  Adelung ^  noch  die 
vielen  Deutschen  mit  ihren  Mundarten  an,  welche  in  Böhmen,  Mähren ^  Schlesien j 
Ungern j  Siebenbürgen ^  Galizie?i_,  Polen,,  Esthlaud ^  Ließand  und  Curland  woh- 
nen, und  von  dem  12.  Jahrhmidert  an  zu  verschiedenen  Zeiten  in  diese  Länder  ein- 
gewandert sind. 

b)  Das  Niederdeutsch  oder  die  niederdeutsche  Hauptmunduj't ^  deren  Töchter 
sind:  1)  üic.  friesisdie  \n  Ost-  und  ^Vcstfriesland ,  Oldenbiug,  Delmenhorst,  Nieder- 
münsler,  Iloya,  Diepholz  mid  Schleswig;  jedoch  nicht  mehr  in  der  Ausdehnung,  wie 
ohedem ,  da  sie  von  der  niederländischen  und  niedersächsischen  grössten  Tlieils  ver- 
drängt worden  ist;  2)  die  niederländische  mit  ihren  zwey  Mundarten  :  der  Jiolländi- 
scheii  in  den  nördlichen  Provinzen  der  Niederlande ,  und  der  Jlämischen  oder  bra- 
bantischen  in  den  südlichen  Provinzen  Brabant  imd  Flandern;  holländische  Coloni- 
slen  sind  die  Jimiker,  auf  der  kleinen,  dicht  bey  Kopenhagen  gelegenen  Insel  ^»ir/A; 
3)  die  niedersäclisische  oder  plattdeutsche  in  den  Ländern  des  ehemaligen  westphä- 
lisohen,  nieder-  imd  obersächsischen  Kreises,  dann  in  Ost-  und  Westpreusseu.  — 
Aus  der  Vermischung  des  Oberdeutschen  in»  Siiden  mit  dem  Niederdeutschen  in  Nor- 
den entstand 

Das  Mitteldeutsch  in  Deutschlands  mittleren  Provinzen.  Unter  den  mannigfalii- 
gen  miiieldcutschon  ^Mundarten  zeichnet  sich  durch  grössere  Ausbildimg  der  Meissni- 
sche Dialcct  aus,  der  seinen  Sitz  hauptsächlich  zN^ischeu  der  Saale  wwd  Elbe ^  zu 
Leipzig  und  in  den  ])enachj)arten  Städten  hat.  Er  ist  die  Grundlage 

Des  Uochdcnt  seilen  j,  y>ie\iAies  in  Deutschland  die  allgeiuiineijiuher-  und  Schrift- 
sprache, so  wie  diejenige  ist,    welche  von  gebildelercn  Voiksclassen  und  Ständen  ge- 


I.  Bewolmci-  der  eiitop.   Staaten.  §.  g.  In  Rücksiclit  auf  Abstamnmng  u.   Sprache.  2S7 

redet  wird.  Indessen    wiid  die   dciUsclic  Spraclic   in    Cur-  und   Liefland   reiner  und 
^Yohlklini^ende^,  als  im  Allgenicinen  in  Deulsehland  scli)st  gesprochen. 

B.  Die  SkandiiKwier _,  umfassend:  a)  die  Dünen  im  eigenlliehen  Dänemaik  und 
auf  den  riissisclien  Inseln  Worms  und  Rügen ;  b)  die  Noiwegcr  oder  Normännei'  in 
Norwegen,  auf  Island  und  den  Färöer-Inseln ;  c)  die  Schweden  in  Schweden,  Finn- 
land vmd  auf  den  russischen  Inseln  der  Ostsee  j  in  geringer  Anzahl  auch  in  Eslhland. 
(In  St.  Petersburg  allein  gegen  2000-) 

C.  Die  Engländer  j  verbreitet  über  den  grössten  Theil  von  England,  d^s  siidli- 
^chc  und  östliche  Schottland,    die  orkadischcn  Inseln  und  einen  Theil  von  Iilaiid.  llire 

Sprache,  eine  sehr  ausgeartete  germanische  Tochter,    ist  die   ausgebreitetstc  Sprache 
der  comniercirenden  ^\'elt. 

II)  Die  römisch-lateinische  Kdtion  j  oder  vielmehr  di"e  Nachkommen  deijenigen 
deutschen  Völker,  welche  sich  nach  der  Völkerwanderung  in  den  Provinzen  des  West- 
römischen Reichs  niedergelassen,  und  mit  den  Ureinwohnern  und  Römern  amalga- 
gamirt,  aber  die  römisch-lateinische  oder  romanische  SpracJie  gj  angenommen  ha- 
ben, die  gegenwärtig  in  verschiedenen  Mundarten  von  mehr  als  6ü,5oO;000  Europäern 
geredet  wird.  Dahin  gehören  : 

A.  Die  Italiener j  welche  nicht  nur  alle  italienischen  Staaten,  sondern  auch  Cor- 
sica  und  den  Canton  Tessin  (die  italienische  Schweiz) ,  nebst  einem  grossen  Theile 
des  südlichen  Tyrols  und  des  Gouvernements  von  Triesft  bewolmen.  Ausserdem  fin- 
det man  sie  in  Graubündten ,  auf  de^  jonischen  Inseln,  in  Dalmatien,  Ungern,  Wien 
und  andern  grösseren  Städten  der  österreichischen  Monarchie,  so  wie  in  St.  Pclers- 
burs,  Moskau  und  den  vornehmsten  Seestädten  des  schwarzen  Meeres.  Die  italicni- 
sehe  Sprache  hat  mehrere  Dialecle.  Die  entstelltesten  imd  rauhcsten  sind  der  Berga- 
maskische..  Genuesische _,  Paduanische „  Bolognesische  und  FriauFsche  (Furlano) 
Dialect.  Die  südlichen  Mundarten,  zu  welchen  die  Neapolitanische  der  Scliliissel  i.vt, 
^ind  weicher,  offener,  voller  und  die  meisten  Wörter  endigen  auf  Vocale.  Die  Schrift- 
iind  höhere  Umgangssprache  in  ganz  Italien  aber  ist  die  Florentinische  oder  Tosca- 
nische  ,  an  die  sich  zunächst  die  Aussprache  unter  den  gebildeten  Glassen  in  Rom  und 
^e/ier/f^  anschlicsst,  so  wie  die  Corsische^lwwd-AxX.  derselben  näher  ist,  als  die  Dia- 
lecte  der  übrigen  italienischen  Inseln ,  von  denen  sich  insonderheit  der  Sardinische 
auszeichnet. 

B.  Die  Franzosen  j  welche  nicht  nur  ganz  Frankreich ,  ausser  jenem  Theile,  wel- 
cher von  Deutschen  _,  Brejzads  und  Basken  besetzt  ist,  sondern  auch  Savov  en ,  Niz- 
za und  Monaco,  die  brittisch -normannischen  Inseln,  einen  Theil  der  Schweiz,  der 
Niederlande  und  der  prcussischen  Provinz  Niederrhein  bewohnen,  nebst  den  fran- 
zösischen Rejugie's j  die  kurz  vor,  bey  und  nach  der  Anfliebung  des  Edicls  von  Nan- 
tes i685  in  verschiedene  Gegenden  Europa's  geflüchtet,  und  den  französischen  Co- 
lonisten  j  welche  unter  Maria  Tlieresia  aus  Lothringen  in  Österreich  eingewand'rt 
sind,  und  sich  theils  im  Banat  und  im  Batscher  Gomiiat ,  theils  in  Mähren  (zu  The- 
resienfeld  und  Czeitsch  auf  der  Herrschaft  Göding)  angesiedeil  haben,  ohne  des  nicht 
unbedeutenden  Aggregats  der  französischen  Emigre's ,  Erzieherund  Erzieherinnen, 
Sprach-  und  Fechtmeister,  Kajunierdiencr  imd  Kammer] ungfern  in  einigen  europäi- 


äßg  I,  Bewohner  der  europ.  Staaten.  §.  c-  In  Rücksicht  auf  Abstammung  u.  Sprache. 

sehen  Staaten  zu  erwähnen.  Die  französische  Sprache  hat  ebenfalls  mehrere  Dialecte,  wie 
den  Provengalischeiij  Limosiii  sehen  und  G asconischen j  den  OrleanischeHj  den  gemei- 
nen Parisischen  und  PLcardiscIien^  das  Putois  Lnrvain  um  Lüneville  in  Lolliringen,  das 
Boiii-guignon  in  Bourgogne ,  und  das  Lilttlchisch- Wallonische  in  den  ehemals  soge- 
nannten französischen  Niederlanden^  der  widrigste  unter  allen  französischen  Dialec- 
teUj  ein  Gemisch  des  Französischen,  Niederländischen  vmd  Deutschen.  Die  allgemei- 
ne Schrift-  und  ßüchersprache  ist  der  Isle  de  France' sehe  Dialect.  —  In  ihrer  hohen 
Ausbildung,  wozu  Franz  I.  durch  Errichtung  einer  Professur  für  die  französische 
Sprache,  vorzüglich  aber  Richelieu  durch  Stiftung  der  Akademie  der  Vierziger  {Aca- 
äe'inie  Frangaise  oder  yJcademie  de  Quarants) ,  dieses  Oberhufgerichtes  der  franzö- 
sischen Sprache  und  Literatur,  den  Grund  legte  ,  hatte  sich  die  in  Nordfrankreich 
herrschende  Sprache  {langae  d^oui)  in  dem  goldenen  Zeitalter  Ludwigs  JilY.  über 
ganz  Europa  verbreitet,  nachdem  sie  längst  in  ganz  Frankreich  als  die  Sprache  aller 
Gebildeten  geherrscht  hatte ,  und  eine  Universalität  errungen ,  wie  keine  andere  le- 
bende Sprache  in  Europa.  Sie  ist  nicht  nur  die  allgemeine  diplomatische  Sprache, 
sondern  auch  vorzugsweise  die  Gesellschaftssprache  des  Adels  und  der  sogenannten 
grossen  Welt  hj.  Aber  eben  durch  diesen  zu  allgemeinen  Gebrauch  der  französischen 
S[irache  haben  alle  übrigen  europäischen  Völker  zu  ihrem  Nachllieilc  sich  in  eine  Art 
Abhängigkeit  von  den  Franzosen  gesetzt,  und  ihre  Selbstachtung  gar  sehr  geschwächt, 
ohne  zu  erwägen,  dass  Herrschaft  der  Sprache  gewisser  Maassen  Herrschaft  des  Vol- 
kes gründet, 

C.  Die  v9/^ö/uVrj  mit  3  Hauptmundarten  :  der  catalonischen  j,  galicischen  ^  und 
der  eigentlich  spanischen  oder  castitischen  j  welche  letztere  seit  Carl  V.  zur  herr- 
schenden Schrift-  und  Ge#Ilschaftssprache  der  höheren  Stände  in  ganz  Spanien  ge- 
worden ist.  Wenige  Sprachen  haben  ein  so  schönes  Verhällniss  der  Vocalc  zu  den 
Consonanten,  und  einen  so  weichen  und  doch  so  bedeutungsvollen  und  ernsten  Aus- 
druck. Am  reinsten  wird  diese  Mundart  in  und  um  Toledo  gesprochen. 

D.  Die  Portugiesen  j  deren  Sprache  eine  Mischung  von  Castilisch  und  Franzö- 
sisch j  aber  doch  so  verschieden  von  dem  ersteren  ist,  dass  man  Bücher  aus  dem  ei- 
nen in  das  andere  übeisetzt.  Das  Galicische  nähert  sich  dem  Portugiesischen  selir , 
und  ist  ihm  ursprünglich  gleich. 

E.  T)\c  Romaner  j  Rhätier  oder  Churwälschen,  welche  die  Mehrzahl  der  Eirb- 
■wohner  Graubündlens  ausmachen,  mit  2  Hauptdialecten :  1)  dem  Rumonschen  in  den 
Gegenden  der  Quellen  des  Piheins,  d.  i.  im  obern  oder  grauen  Bunde  j  2)  dem  Ladi- 
nisclien  in  den  Gegenden  der  Quellen  des  Inns,  d.  i.  im  Engadin.  Geschieden  durch 
Alpen  und  Eis  von  der  übrigen  Welt,  erlitt  diese  antiquissim  lungaig  da  l aulta 
i(/iv?ei/c?j  die  uralte  Sprache  von  hohen  Rhätien,  wie  sie  sich  nennt,  wenig  Änderungen. 

F.  Die  Walachen  j,  mit  2  Hauptmundarten:  1)  der  Dacisch-  oder  Uiigriscli'- 
JFalachischen  diessseits  der  Donau,  in  der  Moldau,  Walachey,  in  Siebenbürgen, 
der  Bukowina,  im  Banat  und  in  Oberungern;  2)  der  Tliracisch-JValachischen  jen- 
seits der  Donau,  in  Thracicn,  Macedonien  luid  Thessalien.  Diese  heissen  bey  den 
Ungern  und  Serbon  auch  Zinzcwen;  ein  Spitznahme  von  ihrer  gjärisircnden  Ausspra- 
che des  iscli  wie  iz,  z.  B.  zinz  (fünf)  statt  tschintsch.  Den  i'.uUtuca  IVcdach  leiten 


1.  Bewohnfr  der  europ.  Staaten.  §.  9.  In  Rücksiclit  auf  Abstammung  u.  Sprache.  28g 

einige  von  der  slavischon  Sprache  her,  in  woUlur  dcrsclhe  Menschen  bedeutet,   die 
eine  mit  der  römischen  oder   itaUenischen  verwandte  Sprache  reden ,   und   sich    als 
Hirten  auf  den  Gebirgen  aufhaken  ;  vielleicht  auch  von  dem  alldeutschen  Worte  Jf'alclij 
A.  i.  Wälscher,  ein  Mensch,  der  die  wälsche  (romanische)  Spiachc  spricht.  Sie  sellist 
nennen  sich  Rumuni  oder  Ruma/iij  und  halten  sich  für  Abkönnnhnge  der  alten  Römer. 
a)  S.  Mithridates ,   oder  allgemeine  Sprachenkunde ,  mit   dem   Vater   Unser,  als  Sprarhprobe, 
in  beynahe  5oo  Sprachen  und  Mundarten,  von  J.  C.  Adelung.  1.  Thl.  1806.  Berlin.  2.Thl. , 
grösslcn  Tlieils  aus  Adelung's  Papieren    fortgesetzt  und  bearbeitet  von   Dr.  Joh,  Sei',  rater  ^ 
Prof.  und  Bibliothekar  der  Universität  zu  Halle.   180g.    Vcrgl.  Hall.  A.  L.  Z.  Nr.  2i2.  2i3. 
214.  1809.  3.  und  4.  Thl.  Berlin,    1816   und    1817.  Vergl.  Ergänzungsblätt.   z.  H.  A.  L.  Z. 
Nr.  71.   1816,  und  Nr.  1.   1818. 
6)  Nahmentlich  die  Zipser  ,  TJ^ieselburger  ,  Örfeniurg'er  und  Ei'ieniurgei' Gespannschaft,  so  wie  die 
mehrsten   königl.  Freystädte  ,  besonders  die  Bergstädte  und  das  Banal.  Im  Ganzen  bewohnen 
die  Deutschen  in  Ungern,  ausser  den  königlichen  Freystädlen,  921  Marktflecken  und  Dörfer, 
c)  Nahmenllich  das  Land  der  Sachsen.  Übrigens  müssen   sowohl  in  Siebenbürgen  ,  als  in  Un- 
gern die  älteren  deutschen  Colonislon  von  den   neuern  unterschieden  werden.    Die  Ankunft 
der  erstem  fand  schon  im  i2.  ,  die  der  letztern  im  18.  Jahrhunderte  Statt.  Die  ersteren  wer- 
den,  nach  Rohrer,  in    der  Zips  und  Siebenbürgen   Sachsen  1   die   letzteren  aber   in  Ungern 
Schwaben  j  und  in  Siebenbürgen  Landler  genannt, 
ti)  Die  Zahl  der  deutschen  Pflanzdörfer   in    Galizien    beläuft  sich,   nach   Bredetzhy ,  auf  186, 
die  mit  2o,ooo  Colonisten  bevölkert  sind.  Der  Pole  nennt  die  deutschen  Ansiedler  Saabski, 
so  wie  der  Unger   den  neuern  deutschen   Coloniiten   den   Nahmen  Schwaben  beylegt ,  ob- 
gleich die  Anzahl  der  Rheinländer ,   welche   nach  Galizien    und   Ungern    eingewandert  sind, 
gewiss  eben  so  gross  war ,  als  jene  der  Schwaben. 
«)  Wo  die  Deutschen  nur  in  den  grösseren  Städten  als  Gewerbtreibende  wohnen. 
f)  Vorzüglich  zahlreich  sind  die  Deutschen  in  Kur-,  Lief-  und  Eslhland ,  wo  sie  fast  den  gan- 
zen Adel  und  den  grössten  Theil  des  Bürgerstandes  ausmachen  ;  auch  gibt  es  viele  Deutsche 
in  St.  Petersburg ,  Moskau,  Astrachan ,  Saralow  und  andern  Gegenden  Russlands. 
g)   So  wie  die  Römer  ihre  Herrschaft   ausbreiteten  ,    drangen    sie    den    überwundenen  Völkern 
überall  ihre  Sprache  auf  Es  war  aber  eigentlich    nur    die    Romana   ruslica ,   die   verdoibene 
Volkssprache   (\  erschieden   von   der   Classica   oder    Urbana,    der   Sprache  der  Gebildeten) , 
welche  sich  unter  den  Eroberten  verbreitete,  und   in    ihrem   Munde   noch  mehr  verdorben 
wurde;  denn  es  waren  grössten  Theils  ungebildete  Soldaten,   welche   die   Sprache   der  Sie- 
ger den  Besiegten  aufdrangen.  Diese   Sprache   floss  in  der  Folge   mit   der  nicht   völlig  ver- 
drängten Sprache  der  allen   Einwohner  zusammen  ,  und  bildete  eine   dritte.   Bey  der   nach- 
mahligen  Niederlassung  deutscher  J'vlkerstämme  in  den  Provinzen  des  weströmischen  Reichs, 
wozu  in  Spanien   und  Portugal    noch    Araber  kamen  ,  ward    sie  noch  mehr  vermischt   und 
umgewandelt.  Daraus  entstanden  nun   die   obengedachten  neueren,   eigentlich  romanischen 
Sprachen.  —  Die  lateinische  Sprache  ist  unter  die  ausgestorbenen  zu  rechnen,  hat  sich  aber 
unter  den  Gelehrten  erhallen  ,  so  ^vie  sie  die   Sprache  des  römisch-katholischen  Gottesdien- 
stes und  der  päpstlichen  Kanzelley,  auch  die  Umgangssprache  unter  den  Gebildeten  in  Un- 
;         gern,  und  die  S(irache   der  Gesetze,  der   politischen  Stellen  und  der  Gerichtshöfe  eben  da- 
selbst und  in  Siebenbürgen  ist;  im  letzteren  Lande  correspondirt  jedoch  das  königl.  Guber- 
nium  nur  mit  fremden  Stellen  und  den   sächsischen    Behörden    lateinisch  ;    endlich   war    die 
lateinische  Sprache  einst  die  allgemeine  Staatssprache  der  europäischen  Höfe,   welche  darin 
die  Fiiedcnsschlüsse  und  andere  Staatsverlräge  abfassen  Messen;  allein   die  Französische  hat 
sie  schon  seit  langer  Zeit  aus  dem  Besitze  dieses  Vorzuges  verdrängt, 
/()  S.  Gölting.  gel.  Anz.  i8i3.  St.  ii5.  S.  ii45. 

57       ■ 


Jyo  I.  Bewoliuer  der  «uiop.   Staalcu.  >}.   lo.  In  Rücksicht  auf  Abst.nmnmug  a,  Spr.   Fortsetning. 

§.    lO. 
F  o  r  ,t  s  e  t  z  u  n  g. 

III)  Die  slmnsche  Nation.  Die  Slavcn  kamen  vom  schwarzen  Meere  her,  imd. 
besetzten  Europa  von  Dahnalien  an  bis  an  das  Eismeer,  und  von  der  ElLe  bis  an  die 
Wolga.  Nach  .-:/flfe/««g- isl  der  Nähme  Slaven  eine  bloss  allgemeine  Benennung,  und 
bedeutet  Menschen,  Leute,  Volk;  Z?0(5'/'0iVi'Äj-  hingegen  leitet  diesen  Nahmen  von 
SlowOj  Wort,  Rede,  Sprache,  ab,  und  erklärt  ihn  durch  ein  Volk  von  Einer  Sprache. 

Dieser,  über  5o  Mill.  Seelen  starke  Volksslamm  zerfällt,  der  Spi'achc  nach,  in 
zwey  Hauptäste : 

A.  Den  südöstlichen  j  B.  den  nordwestlichen.   Zu  jenem  gehören: 

1)  Die  Russen  _,  die  östlichsten  unter  den  heutigen  Slaven,  und  die  Russiiiakoi. 
Diese  wohnen  im  östlichen  Galizicn,  in  der  Bukowina  und  im  nordöstlichen  Ungern; 
jene  theilen  sich:  a)  in  die  eigetitUchen  Russen ^  oder  Gross/ussen _,  das  Hauptvolk 
des  russischen  Reichs;  b)  die  Kusaken  oder  Kleinrussen j  gesondert  in  zwey  Ilaupl- 
zweige :  a)  die  Ukrainischen  mil  zwey  Golonien:  aa)  den  Charkowschen  oder  Slobo- 
dischen  (Bugischen)  Kosaken;  bb)  den  Tschernoinorischen  {Czernomoj'skje _,  d.  i. 
schwarzmeerigen),  einem  Überreste  der  Sttpofogef-Kosake/i  j  p)  A\c  Donischen  Ko- 
saken am  Don,  von  Woronesch  bis  an  das  asow'sche  Meer,  die  unter  einem  ^^^^rz- 
nian  noch  einer  Art  republikanischer  Verfassung  geniessen.  Von  ihnen  gingen  meh- 
rere Zweige  aus,  nähmlich :  die  Uralischen _,  Sibirischen j  Orenburgischen^  Gribens- 
kischen  und  TFolgaischen  Kosaken ,  die  ihre  regelmassigen  Verfiissungcn  grössten 
Thcils  dem  gegenwärtigen  Kaiser  zu  danken  haben. 

2)  Die  Sluveno-Serben  j  oder  die  sogenannten  Illjrier  j  zum  Theil,  jedoch  mehr 
im  verächtlichen  Sinne,  awcXx  Raiz'en  genannt.  Dahingehören:  a)  die  Serbier  in  Serf- 
Vilajeti  oder  Servicn,  mit  ihren  Colonicii  in  Slavonien,  Croatien,  Dalmatien  und  Süd- 
ungern ;  b)  die  j5oj«/«Ae/i  in  Boschnah-Ili  oder  Bosnien ;  c)  die  Bulgaren  in  Bulga- 
rien, ursprünglich  Tataren,  aber  durch  Annahme  der  Sprache  imd  Sitten  der  Serbicr 
zu  ächten  Slaven  umgewandelt;  d)  die  Uskoken  (Überläufer)  in  Krain  und  Dalmatien; 
e)  die  sogenannten  Morlaken j  Meer-Walachen  in  Dalmatien,  der  Türkey  und  auf 
den  jonischen  Inseln;  f)  che  Montenegriner j,  Bewohner  des  Schwarzgebirges  {JSIontc- 
iiegi'o)  im  Nordwesten  Albaniens,  seit  1798  von  der  osmanischen  Pforte  unabhängig, 
luid  unier  russischen  Schutz  aj  gestellt ;  g)  fUe  östlichen  Dalmatiner  tmd  die  R.a- 
gusaner. 

3)  Dio  Slovenen.  Dahin  rechnet  man :  a)  die  TVendenj  oder  wie  sie  sich  lieber 
nennen,  die  fVinden  m  Krain,  Friaul ,  Kärnthcn,  Untersleyermark  und  Provinzial- 
Croaticn,  zwischen  den  Flüssen  Isonzo,  Drau  und  Sau;  b)  die  Croaten:  1)  im  eigent- 
lichen Croatien;  2)  in  Krain  am  Kulzflusse;  3)  in  Ungern  an  der  Drau,  im  Szalader 
und  Schümegher  Comitat,  luid  am  Neusiedler  See  im  Wicselbiu-ger  und  Üdcnburger 
Comilalc;  /,)  im  westlichen  Dalmatien  und  in  Istrien  ,  wo  sie  aber  meistens  italicnisirt 
sind;  5)  ini  Lande  unter  der  Enns,  auf  dem  Marchfelde  und  bey  Ilegelsbrunn  auf  dem 
rechten  Donau-Ufer;  6)  in  Mähren  auf  den  Herrschaften  Dürnholz  und  Luudcnburg, 
hier  eigentlich  Podluzaken  genannt. 


I.  Bewohner  der  euiop.  Staaten.  §.  lo- lu  Ri'icksicht  auf  Abslammung  u.  Spr.  Fortsetzung.  291 

Zu  dem  norclwesllichen  Aste  gehören:  1)  die  Czeclien  j,  Tschechen  oder  Böh- 
men j  die  wesiliclisten  unter  allen  Slavcn,  in  Eöhnien,  wo  sie  mehr  als  i  der  ganzen 
Volksmenge  ausmachen;  dann  in  Mahren,  wo  sie  hauptsächlich  den  Iglauerkreis ,  die 
grössere  Hälfte  des  Znaymer- ,  und  einen  Theil  des  Bri'innerkreises  bewohnen^  ob- 
gleich der  Nähme  <7;.ec7<  den  Mahren  eigentlich  nicht  zukommt,  und  die  ■Mähren  sellist 
ihre  Sprache,  die  sich  nur  als  Dialect  von  der  Böhmischen  unterscheidet,  Alorawsky 
Guzykj  jnährische  Sjirache,  und  nicht  gern  Czcsky  Gazyk ^  böhmische  Sprache, 
nennen.  —  Stanunesverwandte  der  Czeclien  sind:  a)  die  Hannaken  in  Mähren,  wo 
sie  den  kleinsten,  aber  fruchtbarsten  Raum  in  der  Mitte  des  Landes,  um  die  Städte 
Ollmi'itz,  Wischau  und  Kremsier^  die  sogenannte  Äi'^/i««  bewohnen ;  b)  die  Slowa- 
ken oder  Slawakenj  die  ehrenvollen  Reste  des  einst  so  mächtigen  mihrischeri  Reichs. 
Zu  diesen  gehören:  aa)  die  zahlreichen  Slowaken  im  nordwestlichen  Ungern,  wo  sie 
sich  iiber  21  Comitate  ausbreiten,  und  in  12  derselben  die  alleinige  oder  doch  vor- 
herrsqhende  Nation  sind;  bb)  die  Slowaken  in  Mähren,  wo  sie  sich  unterscheiden  in 
die  eigentlichen  Slowaken  an  der  March,  und  in  die  sogenannten  TValachen  in  den 
Gebirgen  des  Hradischer  und  Prerauer  Kreises.  Die  Heimath  der  ersteren  lieisst  die 
Slowakej j  die  der  letzteren  die  sogenannte  Walachej. 

2)  Die  Polen:  a)  in  den;  russischen  Gouvernements  Mohilew ,  Minsk,  Witebsk, 
Wilna,  Grodno ,  Podolien,  Volhynien  und  in  Bialistock;  dann  in  dem  mit  R.ussland 
vereinigten  Königreiche  Polen;  b)  in  der  Republik  Krakau;  c)  in  Galizien  und  Üster- 
reichi-sch-Schlcsien ;  d)  in  Ost-  und  Westpreussen^  Posen  und  Preussisch-Schlesien, 
nebst  den  Kassuben  in  Pommern'. 

3)  Die  Serben  in  den  beyden  Lausitzen. 

4)  Die  nördlichen  JVenden  in  den  liuiel)urgischen  Amtern  Danneberg,  Lüclio 
und  Wustro ,  deren  Sprache  jedoch ,  da  die  Beamten  unaufhörlich  an  der  Ausrottung 
derselben  arbeiteten,  nunmehr  gänzlich  aligcstorben  ist.  Die  Einwohner  reden  jetzt 
ein  eben  so  verdorbenes  Deutsch,  als  ehedem  verdorbenes  Wendisch. 

Die  Hauptdialecte  der  slavischcn  Sprache  sind  also  :  Russisch^,  Sloo.eno-Serbischj 
Slowenisch  j  Böhmisch _,  Polnisch  und  Lausitzisch.  Jede  derselben  hat  wieder  mehre- 
re Unterdialecte.  Eine  allgemeine  Schrift- und  Buchersprache,  so  wie  es  für  die  Deut- 
schen das  Hochdeutsche,  für  die  Italiener  das  Florentinische,  für  die  Franzosen  das 
Isle  de  France'sche,  fiir  die  Spanier  das  Castilische  ist,  haben  die  Slaven  bis  jetzt 
noch  nicht,  obgleich  schon  im  neunten  Jahrhundert  die  Sprache  der  Bibelübersetzung 
Kjrill's  und  Method's  auf  dem  AVege  war,  gemeinschaftliche  Schrift-  und  Bücher- 
sprache aller  slavischen  ^'ülkszweigc  zu  werden  —  wäre  nicht  das  Schisma  zwischen 
Rom  und  Constantinopel  ausgebrochen  bj. 

IV)  J)'ic ßnnis che  Nation  j,  deren  Stamm  sich  in  i3  Völkerschaften  theilt,  nähm- 
lich  die  eigentlichen  Finnen  j  die  Lappen j  Ungern  j  Esthen  _,  Lievenj  2'schereniis- 
sen_,  Tschuwaschen  j  Mordwinen^  TFotjäken_,  Permier  oder  Permjäken,  Surjünenj 
IFognlen  und  Ostjaken.  Davon  leben:  1)  die  Ungern  cj  oder  Magj-ai-en  _,  wie  sie 
sich  selbst  nennen,  in  Ungern  und  Siebenbürgen,  wo  sie  grössten  Theils  die  fettesten 
und  nahrhafieslcn  Landesstrecken  bewohnen.  Man  schätzt  ihre  Stärke  auf  ungefähr 
4  Mill.  Seelen.  Zu  ihnen  gehören:  a)  die  Cumanerj  welche  in  Ungern  theils  in  Klein- 


2g2  I-  Bewohner  dir  eurnn.  Staaten.  §.   lo.  In  Rücksicht  auf  Abätaiuraung  u.  Spr.  Fortsetzung. 

Gumanien  zwischen  der  Donau  und  Tlieiss ,  iheils  in  Gioss-Ciiraanien  an  der  Körösch 
wohnen;  b)  die  Jazjger_,  gleichfalls  in  Ungern  zwischen  der  Donau  und  Thciss ;  c)  die 
Szekler  (Gränzhüler)  in  Siebenbürgf^n,  wo  sie  in  den  Gränzgübirgen  gegen  die  Mol- 
dau wohnen.  Die  ungrische  Sprache  ist  in  Ungern  und  Siebenbürgen,  nebst  der  latei- 
nischen, die  Sprache  der  Landlagsverhandlungen ,  in  den  siebenbürgischen  Comitaten 
und  Szeklerstühlen  auch  die  Dicasterial-  und  Gerichtssprache.  Die  Refornürten  in  Un- 
gern tragen  in  ihren  Gymnasien  und  CoUegien  auch  alle  Wissenschaften  ausschliess- 
lich in  dieser  Sprache  vor.  Sie  erhalt  jetzt  durch  eigene  Sprachforscher  ilirer  Nation 
eine  grössere  Ausbildung,  und  von  diesen  sind  auch  die  sicheren  Beweise  ihrer  Ver- 
wandtschaft oder  wesentlichen  Verschiedenheit  von  der  finnischen  Sprache  zp  er- 
warten. Denn  einige  bestreiten  noch  immer  die  Verwandtschaft  dieser  beyden  Spra- 
chen. 2)  Die  Lappen  oder  Lapplätider  im  äussersten  Norden  von  Russland,  Schwe- 
den und  Norwegen.  Sie  selbst  nennen  sich  Sabme-Ladzh  ^  und  ihr  Land  Saine~Ed- 
nam;  es  gibt  jetzt  kaum  10,000,  nach  andern  doch  noch  16,400  Lappen.  Schon  lygg 
zählte  das  schwedische  Lappland  nicht  mehr  als  5ll3  Lappen.  Norwegen  (in  Finn- 
marken) zählt  etwa  3ooo,  mid  Russland  höchstens  looo-  3)  Die  übrigen  Zweige  der 
finnischen  Nation  gehören  bloss  zu  den  Bewohnern  des  russischen  Reichs.  Davon  le- 
ben drey  ganz  in  dem  europäischen  Russland,  und  zwar:  a)  die  eigentlichen  Finnen j 
oder  Suoma-Lainen  (SumpfTj e wohner) ,  wie  sie  sich  selbst  nennen,  in  Finnland.  Der 
Russe  heisst  sie  Tchuchonzü  ^  schmutzige  Leute.  Eine  Colonie  der  Finnen  sind  die 
Quänerm  Finnmarken,  die  durch  Carl  des  XIL  Kriege  und  der  Russen  Verwüslinigen 
aus  ihrem  Vatcrlande  vertrieben,  sich  in  diese  Polargegenden  flüchteten  (vergl.  Abth.I. 
§.  24.  Note  c).  b)  Die  Esthen  in  Esthland,  und  einem  Theile  Lieflands.  Ihr  Nähme 
ist  germanischen  Ursprungs,  und  bedeutet  so  viel  als  Ostländer,  c)  Die  Lieven ^  jetzt 
nur  noch  in  geringen  Überresten  in  Gurland  am  Angerschen  Strande,  und  in  Liefland 
am  Flusse  Salis  vorhanden.  Ihre  Sprache  stirbt  allmählich  aus,  da  ihnen  in  lettischer 
Sprache  geprediget  wird.  Die  Surjänen  _,  Mordwinen  und  Tschuwaschen  wohnen 
theils  im  enropäischcn  ,  theils  im  asiatischen,  die  ff^ogulen _,  Permier _,  TVot jähen ^ 
Tschereinissen  und  Osfjäken  aber  ganz  im  asiatischen  llussland. 

a)  Voyage  liistorique  et  politique  au  Montenegro  etc.  Par  M.  le  Colonel  L.  C.  J'ialla  de  Som- 
mieres.  Paris,   1820.  Tom.  II.  p.   17G. 

b)  Blick  auf  die  slavischen  Mundarten  elc.  ;  in  der  W.  A.  L.  Z.  i8i3.  Nr.  34  und  3.5. 

c)  Ungern  oder  Ungarn,  oder  gar  Hungarn  ?  in  den  vaterländischen  Blättern  fiir  den  österr. 
Raiserstaat.  i8i5.  n.  S.  60.  Vergl.  Leipz.  Llt.  Zeit.  In'.elligenzbl.  i8i4-  245.  S.  1964  ff. 
Die  Schreibart  Unger ,  Ungern  und  Ungrisc.h  ist  etymologisch  richtiger;  denn  in  dem  slavi- 
schen Stammworle  (die  Nationalungern  selbst  nennen  sich  Magj-aren  von  jeher)  kommt 
kein  a  vor,  das  im  Lateinischen  Hungarus  und  Hungaria  per  euphoniam  cingeschallet  wur- 
de; Unger ,  Ungern  und  Ungrisch  hat  die  Analogie  von  Baier,  Baiern  und  Bairisch  für  sich, 
und  der  lange  und  allgemeinere  Usus  muss  der  etymologischen  Ableitung,  als  einem  höhe- 
ren Sprachgesetze,  und  der  Vereinigung  bewährter  Schriftsteller  (z.  B.  eines  <>  Srldözer , 
Eichhorn,  Grelliuanii ,  Mensel,  <'.  Schwartner ,  <•.  Engel  u.  s.  w.)  weichen  ,  zumal  da  schon 
in  den  allen  deutschen  Chroniken  die  Schreibart  Unger  und  Ungerland  vorkommt,  und  in 
einigen  Provinzen  von  den  Deutschen  im  gemeinen  Leben  fortwährend  Unger,  Ungern  und 
Ungrisch  gesagt  wird,  z.  B.  in  der  Zipser  Gespannschalt  in  Ungern. 


I.  Bewoliner  der  europ.  Staaten.  $.   ii.  In  Rücksiclit  auf  Abstammung  u.  Spr.  Fortsetzung.  i()3 

§•    11- 

Fortsetzung. 

V)  Die  lettische  Nation.  Zu  derselben  gehören :  a)  die  eigentlichen  Letten  in 
den  russischen  Gouvernements  Liefland  imd  Gurland,  und  in  Oslpreussenj  h)  die 
preiissischen  Litthauer ^  deren  Sprache,  das  Preussisch-Litthauische j  von  der  In- 
ster bis  nach  Memel,  geredet  wird;  c)  die  polnischen  Litthauer  oder  Schamaiten , 
deren  Sprache  nur  noch  in  einem  TheileLitthaucns,  nähmlich  in  Schamaiten,  geredet 
wird;  in  dem  übrigen  hat  sie  der  polnischen  Sprache  weichen  müssen;  d)  die  alten 
Preusseii  j  deren  Sprache,  das  Alt-Pveussische j,  vor  der  Ankunft  des  deutschen  Oi'- 
dens  in  allen  den  Ländern  ,  welche  nachmals  unter  dem  Nahmen  Ost-  und  Westpreus- 
sen  bekannt  geworden  sind,  geredet,  nach  und  nach  aber  von  der  deutschen  Spra- 
che ganz  verdrängt  ward.  Der  \cli\.(i  Pveusse ^  der  Preussisch  sprechen  konnte,  starb 
zu  Ende  des  siebzehnten  Jahrhunderts. 

VI)  Die  Neilgriechen  _,  vor  ihrem  Aufstande  nach  einigen  2,022,000 ,  nach  an- 
dern über  4,000,000  Köpfe  stark,  wohnen  theils  im  eigentlichen  Griechenland,  in 
Morea  ,  auf  den  Inseln  des  Archipelsund  in  andern  Provinzen  des  osmanischen  Reichs, 
theils  auf  den  jonischen  Inseln  als  herrschendes  Volk ,  theils  in  den  russischen  Gou- 
vernements Tschernigew,  J ekaterinoslaw ,  Chcrson  und  Taurien  als  Colonisten,  theils 
in  Italien,  Ungern,  Siebenbürgen  und  andern  österreichischen  Provinzen  als  Kaufleute. 
Ihre  Sprache,  das  Neugriechische j  ist  eine  Abart  der  so  einflussreichen  griechischci/ 
oder  hellenisch-griechischen  Sprache  aj ,  die  aber  jetzt  gewisser  Massen  unter  die 
ausgestorbenen  zu  rechnen  ist,  und  nur  von  den  Gelehrten  erhalten  wird.  Am  rein- 
sten und  wohlklingendsten  wird  das  Neugriechische  zu  Athinia  (sonst  Athen)  imd  in 
den  Gegenden  des  Berges  Athos  gesprochen.  Dagegen  sprechen  die  Mainoten  ein 
ganz  vorzüglich  vcrdorl)cnes  Griechisch. 

TU)  Die  ttitarische  Nation  ^  welche  sich  von  dem  altaischen  Gebirge  an  bis  an 
das  caspische  Meer,  und  in  Norden  dieses  und  des  schwarzen  Meere.s  von  der  Donau 
an  bis  tief  in  Sibirien  erstreckt.  Sie  zerfallt  in  zwey  Hauplzweige :  a)  in  die  südlichen 
Tataren  oder  Tiirken ;  b)  die  nördlichen  Tataren,  welche  man  gemeiniglich  nur  Ta- 
taren schleclubin  zu  nennen  pflegt.  Zu  jenen  gehören  unter  andern  die  Osmanen  j 
welche  als  Spiiisslinge  der  Turkestaner  ihren  Nahmen  von  einem  ilirer  glücklichen 
Hecrfiilirer ,  Osman  oder  Othinnn ^  erhielten,  und  den  2g.  May  i453  unter  Moham- 
med 11.  durcli  Eroberung  von  Constantinopel  dem  griechischen  Kaiserthuine  ein  En- 
de machten.  Sie  sind  die  Ilauptnation  des  von  ihnen  gegründeten  osmanischen  Reichs, 
und  unter  allen  türkischen  Stämmen  den  Europäern  leider  am  besten  bekannt.  Ihre 
Sprache  ist  mit  arabischen  mid  persischen  Wörtern  vermischt,  und  heisst  daher  Mu- 
i'ella  oder  Mideinma  j  Buntsi-hecke ,  ein  scheckiges  Pferd.  —  Die  nördlichen  Tata- 
ren sind,  nach  den  Russen  und  Finnen,  die  zahlreichsten  Einwohner  des  russischen 
Reichs.  Die  meisten  Zweige  derselben  leben  im  asiatischen  Russland  ;  im  europäi- 
schen wohnen  nur  zum  Tlieil  die  kasanischen  Tataren  und  die  J"scherkassc:i ,  gnnz 
aljer  die  taurischen  Tataren  imd  die  Nogajer _,  jene  in  Bessarabicn  und  Taurien, 
diese  in  Cherson  und  Taurien. 


2g4  1-  Bewohner  der  europ.  Staaten.  §.  ii.  lu  Pnicksiclit  auf  Abilanimung  u.  Spr.  Foitsttzung, 

VIII)  Die  Albanier  j  welche  nicht  nur  Albanien  bewohnen,  sondern  durch  alle 
benaclibarle  Länder^  die  jonischen  Inseln,  Dahnatien,  Servien ,  Bidgaiicn,  Romanien, 
bis  an  die  Thore  von  Constanlinopel  zerstreut  sind.  Die  Tiirken  nennen  sie  Avnaut ^ 
sie  selbst  nennen  sich  Skipatar  oder  Skipitai:  Zu  denselben  gehören  auch  die  Cle- 
inentiner  in  den  zwey  syrmischen  Dörfern  Herkofze  und  Nikinze,  in  der  Gegend  von 
Milrovilz  hj.  Clementiner  heissen  sie  von  einem  Anführer^  Clemens j  der  sie  aus  ih- 
rem, von  den  Tiiiken  unterdrückten  ^'^aterlande  in  die  Gebirge  zwischen  Servien  und 
Albanien  führte,  von  wo  sie  lyjy  nach  Slavonien  kamen.  Ausserdem  gibt  es  viele  Al- 
banier  um  Gclso  und  Reggio  in  Calabrien,  und  um  Messina  in  Sicilien,  wohin  sie  1461 
flohen,  als  die  Tiirken  die  Küsten  von  Albanien  eroberten. 

IX)  Die  Basken  j  in  denen  sich  die  Spuren  der  Cantabrier  j  der  ältesten  Bewoh- 
ner Spaniens^  erhielten,  auf  beyden  Seiten  der  Pyrenäen  in  Spanien  und  Frankreich, 
dort  in  Biscaya ,  Guipuscoa,  Alava  und  Ober-Navarra,  hier  in  Ünter-Navarra ,  Labour 
imd  Soul,  im  Ganzen  622,000  Köpfe  stark.  Die  Spanier  nennen  dieses  Volk  Bascon- 
gados  und  die  Spradie  Eascongacln  oder  Bascueiica.  Bey  den  Franzosen  heissen  sie 
Bnsques  j  und  ihre  Sprache  la  Basqiie.  Sie  selbst  nennen  sich  Escualdiumc  und  ih- 
re Sprache  Euscara. 

X)  Die  Iren  oder  Caledoniev j  im  grössten  Tlieile  von  Irland,  in  Ilochschoit- 
land  und  auf  den  Hebriden,  Ersisch  oder  Gaelsch  sprechend. 

XI)  Die  Kjmfnren  (Abkömmlinge  der  alten  römischen  Brilten),  theils  in  Wales, 
Cornwall,  auf  der  Insel  Man  und  in  den  sclioltischen  Gebirgen  von  Gallo way,  theils 
in  Nieder-Brelagne  (Departement  Finistcrre),  wo  sie  sich  von  dem  Lande  ihrer  Her- 
kunft Bi'eyzads  „  Brittcn,  nennen. 

XII)  Die  Malteser  j  Nachkommender  Araber,  auf  Malta,  Jiiil  einem  verdorbe- 
nen arabischen  Dialccte.  Araber  und  Malteser  verstehen  sich  einander.  Bey  Buona- 
parte's  Unternehnmng  auf  Ägypten  dienten  mehrere  Malteser  auf  seiner  Flotte  als 
Dolhnct  scher. 

XIII)  Die  Samojeden  j,  ein  Polarvolk,  an  den  Küsten  des  Eismeeres,  wo  sie  sich 
an  die  Lappen  anschlicssen ,  und  sich  von  dem  weissen  Meere  in  Europa  bis  an  die 
Lena  in  Sibirien  erstrecken. 

Ausser  diesen  drcyzehn  Nationen  loben  in  Europa  zerstreut  und  ohne  eigentliche 
Nalionalsprache:  1)  die  y^/'nte/Vi'eA"  in  Russland,  Österreich  irnd  der  Türkey;  2)  die 
Juden j  am  zahlreichsten  in  den  österreichischen,  russischen,  osmanischen  und  preus- 
sischen  Provinzen;  nächst  diesen  vorzüglich  in  den  deutschen  Bundesstaaten,  in  Frank- 
reich und  in  den  Niederlanden;  weniger  zahlreich  im  biittischen  Reiche,  in  den  ita- 
lienischen Staaten,  auf  den  jonischen  Inseln  u.  s.  w. ;  ihre  gemeinübliche  Sprache  ist 
ein  abenteuerliches  Gemisch ,  zusammengesetzt  theils  aus  ihrer  Muttersprache,  theils 
aus  den  Sprachen  der  Länder,  in  welchen  sie  sich  aufhalten;  3)  die  Zigeuner j  die 
bald  nach  dem  Anfange  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  in  Europa  zum  \'orschein  ka- 
men. Sie  sind  jetzt  am  zahlreichsten  in  der  Türkey  und  in  den  österreichischen  Pro- 
vinzen;  nächst  diesen  vorzüglich  in  Spanien,  Frankreich  und  Russland.  Als  Abkömm- 
liniie  einer  verworfenen  Art  Menschen  in  Indien,  der  hindostanischcn  Tschundala ^ 
und  im  hohen  Grade  utieinpfanglich  für  Givilisalion,  sind  sie  noch  immer  die  verach- 


L  Bewohner  der   euroji.  Staaten.  $.   12.  lu  Ri'uksiclit  auf  iliie  koi|ictl.  Eifjcnsi  haften  etc.  jqö 

tetste  Meuschenclasse  in  Europa,  wenn  nicht  etwa  die,  in  den  Thälern  von  Lüchon, 
von  ConuHcnges,  der  Provinz  Bigorrc  und  der  l^cydcn  Navarra  lebenden  CagotSj  de- 
ren verpesteter  Athem  Abscheu  ,  so  wie  ihr  Äusseres  Ekel  und  Verachlun'^  errcirt . 
noch  verworfener  als  die  Lump en~ Zigeuner  sind.  Man  lialt  sie  für  Abkömmlinge  von 
Aussatzigen  aus  den  Zeiten  der  Kreutzzügc.  Sie  sind  durchgängig  so  verachtet,  dass 
kein  Landesbewohuer  Umgang  mit  ihnen  hat,  ja,  dass  ehedem  die  Geistlichen  ihnen 
die  Sacra  und  ein  ehrliches  Begiabniss  versagten.  Wie  ihre  Vorfahren,  diirfcn  sie  nur 
Zimmerleute  seyn ,  und  müssen  als  solche  die  erste  Plülfe  bey  einer  ausbrechenden 
Feuersbrunst  leisten. 

Unter  dem  allgemeinen  Nahmen  Franken  versteht  man  die  vielen  Deutschen, 
Franzosen,  Britten,  Italiener  und  andere  Europäer,  die  sich  des  Handels  wegen  im 
Gsmanischen  Rei-che  aufhalten. 

a)  Von  dieser  Sprache  entwirft  Adelung  in  seinem  Mitliridates  folgende»  Bild  ilirer  Wichtig- 
keit:  ,, Die  schönsten  Blumen  der  Cultur  des  menschlichen  Geistes,  welche  dieser  jemals 
getragen,  sind  in   dieser  Sprache  erwachsen.  Alle    Wissenschaft,  aller  Geschmack    geht  von 

;  ihrer  Pflege  aus;  sie  hat  sie  dem  MenschengeschJechte  gegeben,  und  hat  sie  ihm  erhalten, 
bis  dur<;li  die  Nacht  der  Unwissenheit,  welche  das  erschlaffte  oder  rohe  Ahenilland  bedeck- 
te, Funken  des  Lichts,  durch  Schriften  der  Griechen  am  Euphrat  angefacht,  ihren  Schim- 
mer über  Spanien  nach  dem  übrigen  Europa  zurückwarfen,  und  bis  von  Constantinopel , 
wo  sich  unter  allen  Stürmen  bis  zu  seiner  Eroberung  durch  die  Türken,  die  Herrschalt  der 
griechischen  Sprache  erhalten  hatte,  ihre  vertriebenen  Kenner  die  Liebe  zu  den  griechischen 
Classikern  nach  Italien  brachten,  von  wo  dann  die  Wiederherstellung  der  Wissenschaften 
beginnt,  deren  herrliche  Früchte  uns  noch  beglücken.  Ein  Zweig  dieser  Sprache  {d\cPelas- 
giar.lic)  hatte  einen  Haupteinfluss  auf  das  er^te  Entstehen  der  Lateinischen,  welche  wiederum 
die  Mutter  so  vieler  neueren  Sprachen  geworden,  ist ,  und  auch  seine  weitere  Ausbildung 
verdankt  das  Latein  dem  Griechischen." 

b)  Die  Clementiner  in  Syrmien  ;  in  Sarloris  Länder-  und  Völkermerkwürdigkeiten  u.  s.  \\. 
Tbl.  4.  S.  75—85. 

c)  S.  Allgem.  geogr.  Ephem.  Bd.  35.  S.  Sgo  ff. 

§.    12. 

b)    In  Rücksicht    auf   ihre    körperlichen  Eigenschaften,  Lebensdauer   und 

IN  a  t  i  o  11  a  1  -  K  r  a  n  k  h  e  i  t  e  n. 

Der  Europäer  gehört,  mit  dem  Weslasiaten  bis  zum  Obi  und  caspischen  Meere, 
zur  Classc  der  ursprünglich  If^eissen  ^  oder  zur  kaukasischen  Menschenart  aj ,  wäh- 
rend der  Ost.isiat  gelbbriiim  oder  olivenbraun,  der  Amerikaner  kiipjerroth  j  der  Süd- 
iiidianer  schwärzllchbrann  und  der  Afrikaner  scJiwar-z  ist.  Indessen  findet  selbst  un- 
ter den  Europäern  nach  der  Wirkung  des  Klima  eine  Verschiedenheit  in  Ansehung 
der  Farbe  Statt.  Gegen  die  blendende  Weisse  eines  Dänen  und  Norwegers  hat  der 
Lappe  und  Samojede  eine  gelbe,  der  Spanier,  Portugiese,  der  Italiener,  und  selbst 
der  Croate  eine  braime  Farbe.  Die  Farbe  des  Menschen  ist  indessen  in  statistischer 
Beziehung  von  keiner  Wichtigkeit,  obgleich  die  Spanier,  welche  zuerst  nach  Amcii- 
ka  kamen,  sich  berechtigt  hielten,  die  Amerikaner,  wegen  ihrei-  kupferrothen  Fuibe, 
für.  keine  wahren  Menschen  anzusehen. 


Sq6  I.  Bewoliniir  Jer  europ.   Staaten.  §.    ii.  In  Rücksiclit  auf  ihre  körperl    Eigenstliaften   elc. 

Das  schönste  Profil  —  nach  dem  classischen  Urbilde  des  Schönen  —  trifft  man 
unter  den  Nongiiechcn,  Italienern  und  Tscherkassierinnen  an,  und  sogenannte  En- 
gelsphjsiognomlen  findet  man  nirgends  häufiger  als  in  Dänemark  und  England.  Da- 
gegen unterscheiden  sich  die  Lappen  und  Samojeden  von  den  übrigen  Bewohnern 
unsers  Erdlheils  durch  recht  aufiällcnde  Ziige,  d\uch  breite  und  flache  Gesichter  mit 
stumpfen  Nasen,  strotzenden  Wangen,  kleinen  und  matten  Augen,  steifen  und  strup- 
pigen Ilaaren,  und  selbst  in  Portugal  sind  regelmässige  Gesichter  selten,  aber  desto 
häufiger  dicke,  fette,  untersetzte  und  vierschrötige  Körper,  mit  aufwärts  gebogenen 
Nasen  und  aufgeworfenen  Lippen  bj.  Doch  auch  die  Gesichtsbildmig  ist  in  statisti- 
scher Hinsicht  kein  wichtiger  Gegenstand. 

Wichtiger  ist  die  Leibesgrösse j  oder  der  TVuchs  des  Menschen,  wegen  des, 
grössten  Theils  davon  a])b äugenden  natürlichen  Maasses  seiner  körperlichen  Kräfte, 
(ra  Durchschnitt  erreicht  der  Europäer  eine  Höhe  von  5 — 6  Fuss  ,  und  steht  in  der 
Hinsicht  nur  dem  Patagonier  in  Südamerika  nach,  obgleich  nach  Zeugnissen  neue- 
rer Reisenden  die  Patagonier  keine  Riesen-Nation,  sondern  nur  wenig  grösser  als  ge- 
wöhnlich andere  starke,  wohlgewachsene  Personen  sind.  Allein  auch  in  xAnsehung  der 
Grösse  gibt  es  Verschiedenheiten  unter  den  Europäern.  Vom  grössten  Schlage  sind 
die  Germanen,  besonders  die  Deutschen ^  Schweizer  und  Schweden j  vornehmlich 
die  Dalekarle  (Thalkerle),  Schwedens  Giganten;  ferner  die  Slaven,  besonders  die 
Slovaken  j  Croaten  und  Dalmatiner ;  dann  die  Ungern j  Lombarden^  jilbanier ^ 
Osmaneti  und  Tscherkassen.  Klein  und  unansehnlich  sind  dagegen  die  Lappen  und 
Samojeden  j  die,  gleich  den  Ostiaken,  Esquimaux  und  Grönländern ,  nur  4  Fuss  mes- 
sen. Über  den  65.  Grad  nördl.  Breite,  wo  der  Boden  kaum  eine  Spanne  aufthaut, 
schrumT)ft  der  Mensch  zusammen  und  wird  klein. 

In  Ansehung  der  körperlichen  Kraft  und  Stärke  zeichnen  sich  die  Bewohner 
des  gemässigten  imd  kalten  Landstriches  von  Europa  vortheilhaft  vor  jenen  des  südli- 
chen imd  arktischen  aus.  Doch  findet  man  Beyspiele  von  ausserordentlicher  Stärke  auch 
bey  südUchen  Nationen,  z.  B.  den  Arbcitsleuten  der  italienischen  und  spanischen 
Seehäfen. 

Nebst  der  Stärke  ist  auch  die  Abliärtung  statistisch  wichtig.  Durch  diese  Eigen- 
schaft unterscheidet  sich  vorzüglich  der  Russe.  Das  strenge  Klima,  das  viele  Baden, 
nach  welchem  die  Russen  aus  der  grössten  Hitze  sich  in  die  grösste  Kälte  wälzen, 
härtet  Leib  und  Seele  der  Nation  so  ab,  dass  der  Russe  zu  einer  völligen  Fühllosig- 
keil  iacllnirt,  und  nur  sehen  krank  ist.  Dieser  Eigenschaft  verdankten  die  Russen  im 
J.  1812  vorztiglich  ihren  Sieg  über  die  Franzosen,  die  den  unerwarteten  Grimm  der 
Elemente  nicht  zu  ertragen  vermochten.  Dagegen  übertreffen  die  Franzosen  andere 
Nationen  an  Gewandtheit  und  Leichtigkeit j  Eigenschaften,  denen  sie  ihre  Fertigkeit 
in  köiuerlichen  Übungen  und  den  Flor  ihrer  Manufacturen,  so  wie  zum  Theil  jene 
ausserordcnüichen  Resultate  verdanken,  welche  ihre  Armeen  bis  l8og  herbeygeführt 
hallen."' 

Was  die  Lebensdauer  der  Europäer  betrifft :  so  ist  sie  allerdings  sehr  bedeu- 
tend ,  welches  für  eine  Folge  der  öffentlichen  Gesundheilspflege ,  vorzüglich  aber  des 
von  der  Natur  begünstigten  Gesundheitszustandes  der  Bewolmer  dieses  Erdtheils  an- 


I.  Bewohner  Jcr  europ.  Staaten.  §.   12.  In  Rücksiclit  auf  ihre  koi[ierl.  Eigenschaften  etc.  jöfc? 

gesehen  werden  muss.  Im  Durchschnitt  erreiclit  von  10,000  Europäern  Einer  das'iU- 
tcr  von  100  Jahren,  mul  das  Lebensalter  manches  Einzehien,  besonders  aus  dem  kal- 
ten und  ^enuis.sijncn  Landstriche,  steigt  noch  bedeutend  höher.  So  haben  z.  B.  in 
Russlaiul.  im  J.  iöo8  unter  891,652  Gestorbenen  3538  Menschen  das  gostc  Jahr  riber- 
lebt;  von  g5 — 100  Jahren  sind  gestorben  i3o6;  von  100 — io5  Jahren:  ig5;  von  io5 
— 110:  82  u.  s.  w.  Einer  hat  sogar  das  löoste  Jahr  erreicht  ij.  In  Sc/wit/and  gebar 
einem  106  Jahre  alt  gewordenen  Manne  seine  zweytc  unbescholtene  Frau  noch  nach 
seinem  gosten  Jahre  zwey  Kinder  dj. 

An  NationeUkrankheiten  endlich  ,  und  zwar :  am  Weichselzopf  oder  TVlclitel- 
zopf  (kolton,  plica  polonica) ,  leidet  sehr  der  Pole  ej ,  am  Scorbiit  der  Finne  und 
Walache/^,  an  der  Krätze  der  Asturier,  Bretagner  und  Pole,  an  der  Badesjge 
(Schuppenseuche,  nordischem  Aussatze)  der  Norweger  imd  Schwede  gj ,  an  der 
Bvandblatter  (in  Ungern  Pokolvar  genannt)  der  Bewohner  des  südlichen  ebenen  Un- 
gerns  lij ,  imd  der  Cretinisinus  mit  seinen  Schattirungen  wird  in  Gebirgsländern  häu- 
figer, als  in  ebenen  Gegenden  angetroffen  iJ.  Vorzüglich  herrschend  ist  er  in  der 
Schweiz,  in  Savoyen,  in  Piemont,  Kärnthen ,  Steyermark  und  Salzburg.  Gewisse 
Landschaften  in  Savoyen,  Wallis  und  Graubündten  sind  dadurch  auf  ii'aurige  Weise 
berühmt  geworden. 

ö)  Hr.  BZumereiacA  rechnet  in  seiner  Abhandlung    de  generis   humani   varietate  naliva  ,  welche 
er  1781  herausgab,   zu  der  Classe  der  ursprünglich  Weissen  alle  Europäer,  selbst  die  Lapp- 
länder mit  eingeschlossen.   Hie   als    Finnen,    eine    mit  den    Weissen   gemeinschaftliche   Ab- 
kunft haben, 
fc)  S.  Götting.  gel.  Anz.  März  180g.  S.  459  ff. 

c)  S.  Allg.  geogr.   Ephem.  Jänner  1811.  S.   107  ff. 

d)  S.  Allg.  geogr.  Ephem.  Bd.  24.  S.  Sog. 

e)  S.  Observations  sur  la  Plique  ;  par  A/.  Bojer ;  in  dem  Nouveau  Bulletin  des  sciences,par  la 
societe  philoniatique.  Mars  1808.  Nro.  6.  S.  110 — ii2.  Vergl.  das  Intelligenzbl.  des  Jour- 
nals Rir  die  Chemie,  Physik  und  Mineralogie  etc.  ;  im  5.  Bd.  desselben  Journals.  S.  i2i 
— 123.  —  (Abhandlung)  vom  wahren  endemischen  Weichselzopf  der  Menschen,  nähmlich 
der  Polen  und  der  polnischen  Juden;  in  J.  H.  G.  Schlegei's  Materialien  fiir  die  Slaatsarze- 
neywissenschaft  und  praktische  Heilkunde.  5.  und  6.  Sammlung.  Vergl.  H.  A.  L.  Z.  Nr.  70. 
März  1808.  S.  558.  —  Neueste  Ansicht  des  Weichselzopfes  in  seiner  Grundursache.  Ein 
Beytrag  zur  Geschichte ,  Natur ,  Eigenschaft  und  Ileilart  desselben  in  der  Gegend  \  on  Kra- 
kau.  Von  Th.  E.  Chronvy ,  Edlen  f.  Ruhnifeld  etc.  Freyberg,  i8i3.  Nach  ScklegeVs  Beob- 
achtungen leidet  in  Polen  im  Durchschnitt  der  siebente  Einwohner  männlichen  Geschlechts, 
oder  überhaupt  etwa  der  vierzehnte  Mensch  am  Weichselzopfe,  und  nach  C/tromy ,  Edlen 
c.  Ruhnifeld  ,  sterben  an  den  Folgen  dieser  Sarmatischen  Krankheit  im  Durchschnitte  unier 
25,000  Menschen  jährlich  3o  —  5o. 

/)  Nachrichten  \om  Scharbock ,  welcher  im  J.  i8o3  in  mehreren  Gespannschaften  von  Ungern 
beobachtet  wurde,  nebst  Beyträgen  zur  Geschichte  des  brandigen  Ausschlags,  \velcher  in 
Ungern  Pokolvar  genannt  wird.  Von  Fr.  i>.  Schraud  etc.  Pesfh  ,   1804.  8. 

g)  Morbus,  quem  Radesjge  (Schuppenseuche)  vocant,  quinam  sit,  quanamque  ratione  ex 
Scandinavia  toHendus  ?  Commeutatio  auct.  Fried.  Holst.  Christiaiiiae.  8.  Vergl.  H.  A.  L.  Z. 
91.  1819. 

Ä)  S.  Fr.  V.  Schraud's  Nachrichten  vom  Scharbock  a.  a.  O.  —  Der  Tsömör,  aus  welchem  aus- 
ländische Ärzte  eine  eigene  ungrische  Krankheil  machten,  und  das  uiigrische  Übel,  das  Zip- 

38 


2y8  I.   Bcwoliuer  der  euiop.  Staaten.  ^.   i3.  Kach  ihrem  Naiionalcliarakter. 

serferkel  nannten,  ist.  nichts  anders  als  ein  fieberhaftes  Übelbefinden  ,  wobey  alle  Glieder 
abgeschlagen  scheinen,  und  das  meistens  aus  Überladung  des  Magens  herkommt,  beson- 
ders von  fetten  Fleischspeisen ,  wenn  sie  mit  einer  grossen  Gierigkeit  in  Menge  genossen , 
und  viel  Wasser  darauf  getrunken  wird.  Durch  anhaltendes  Fasten  und  hinlängliche  Bewe- 
gung vergeht  es  meistens  von  selbst. 
i)  Über  die  Ursachen  des  Cretinismus  im  Canton  Aargau  und  in  der  Schweiz  überhaupt;  in 
den  Miscellen  fiir  die  neueste  Weltkunde.  Nr.  loi  und  io2.  i8i4-  —  Traite  du  Goitre  et 
du  Cretinisme  precede  d'un  Discours  sur  l'influence  de  l'air  humide  sur  l'entendement  hu- 
main  ;  par  F.  E.  Fodere  etc.  Paris  An  VIII.  8.  Vergl.  Götting.  gel.  Anz.  i8oi.  S.  224 — 23o. 
Der  Verfasser  behauptet,  dass  der  Kropf  jenen  harten  Zustand  des  Hirns  bewirke,  in  wel- 
chem der  Cretinismus  bestehe.  —  Der  Cretinisnnis ,  philosophisch  und  medicinisch  unter- 
sucht. Von  D.  A.  C.  Iphofen.  Dresden,  1817.  gr.  8.  Nach  des  Verfassers  Beobachtungen 
kommt  nicht  überall,  wo  Kröpfe  endemisch  herrschen,  auch  der  Cretinismus  vor,  und  auf 
der  andern  Seite  ist  der  Kropf  ein  zwar  den  Cretinismus  sehr  häufig  begleitendes,  aber  kein 
constanles  Symptom  desselben.  —  Der  Nähme  Cretinismus  stammt  von  cretina,  d.  h.  elen- 
des Geschöpf;  so  werden  die  unglücklichen  Opfer  dieser  Rranklieit  in  Graubündtcn  ge- 
nannt. In  Savoyen  werden  die  Crelins ,  diese  verunstalteten,  zum  Theil  bis  zum  tiefsten 
Grade  des  Thierischen  und  Seelenlosen  ausgearteten  Menschen,  Christiane  (s.  Crome  a.  a. 
O.  S.  626),  in  Salzburg  Fexen  j  in  Steyermark  Drotleln ,  Dostehi,  Tapeln  oder  Talken,  und 
in  Kärntheii  Garri  ,  Dogger,  Dosten,  auch  armes  Hüscherle  genannt.  Übrigens  gibt  es  sehr 
verschiedene  Grade  der  Cretins. 

§•  i3. 

c)    Nach    ihrem    Nationalcharakter. 

Jede  Naüon  wird  dui'cli  ihre  besondere  Lage  und  Ctdttir  zu  einer  gewissen  Denk- 
und  Handkmgsart  bestimmt,  wodurch  sie  sich  von  andern  Nationen  unterscheidet, 
die  ihr  also  eigenthümUch  ist,  und  ihren  ISationalcltaraktei'  ausmacht.  Dieser  Ge- 
genstand ist  einer  der  wichtigsten  in  der  Statistik,  wesenthch  nothwendig  zur  Würdi- 
gung der  Einwohner  eines  Staates,  besonders  fiir  den  Staatsmann,  den  nvir  eine  rich- 
tige Kenntniss  der  Beschaffenheit  der  Staatsangehörigen  belehren  kann,  ob  und  wie 
er  als  Lenker  des  Ganzen  auf  sie  einwirken,  was  und  wie  viel  er  von  ihnen  zum  Be- 
sten des  Staates  erwarten  kann.  Auch  hat  der  Charakter  eines  Volkes  grossen  Einfluss 
auf  seine  politische  Geschichte  und  Verfassung,  so  wie  diese,  nebst  Klima  und  Erzie- 
hung, wieder  rückwärts  auf  den  Charakter  wirken.  Aus  den  dahin  gehörigen  That- 
saclien  können  aber  in  der  Statistik  nur  solche  ausgehoben  werden,  welche  auf  einen 
Staat  zu  seinem  Vortheile  oder  Nachtheile  wirken,  und  die  Grundzüge  zu  dem  Ge- 
mählde  des  Nationalcharakters  ausmachen. 

Ln  Gegensatze  der  Asiaten,  Afrikaner,  Amerikaner  und  Südindier  sind  die  Eu- 
ropäer, im  Ganzen  genommen,  am  meisten  cultivirt  und  aufgeklärt.  Wie  sehr  verschie- 
den sie  aber  hierin  imter  einander  sind,  wird  folgende  Charakteristik  lehren. 

1)  Das  Temperament  der  Deutschen  hält,  wie  die  Temperatur  ihres  Klima's, 
das  Mittel  zwischen  sanguinischer  Flüchtigkeit  und  phlegmatischer  Langsamkeit.  Die- 
se Mittelbewegung  ihrer  Lebensgeister  stimmt  sie  zur  Bescheidenheit  im  Umgange 
und  zti  einem  milden  Ernst  in  ihrer  ganzen  Art  zu  seyn;  zu  einer  Geduld  und  Be- 
harrlichkeit in  ihren  Arbeiten,  die  man  bey  andern  Nationen  viel  seltener  findet,  so 


I.  Bewoliner  der  europ.   Staaten.  §.   i3.  Nach   ihrem  ^'al^onalcllarakl^.■r.  Sqq 

■wie  ZU  einer  gewissen  naiüilichen  Gutmütliigkeit  nj ,  die,  ausser  einem  leicht  crrcg- 
Laren  Mitgefühle  fiir  Leid  und  Freude  unserer  Nebengeschöpfe ,  sich  insbesondere 
auch  dadurch  äussert,  dass  die  Deutschen,  selbst  von  Leidenschaft  ergriffen ,  nicht 
sobald  zur  äussersten  Heftigkeit  aufbrausen,  auch  sich  unter  allen  civilisirien  Völkern 
am  leichtesten  und  dauerhaftesten  der  Regierung,  unter  der  sie  sind,  fugen,  und  am 
meisten  von  Neucrungssuclit  und  Widersetzhchkeit  gegen  die  eingeführte  Ordnun« 
entfernt  sind,  ob  sie  gleich  ein  tiefes  und  lebendiges  Gefühl  für  Recht  und  Unrecht 
haben.  Ein  alter  Ruhm  der  Deutsclien  ist  Gastfreyhcit ,  Treue  und  gerader  Sinn,  ver- 
bimden  mit  dem  reitzbarsten  Gefühle  für  Ehre.  Wegen  ihrer  vielen  Kriege  —  denn 
Deutschland  ist  wegen  seiner  Lage  der  Hauplkriegsschauplatz  Euro]>a's  —  sind  sie 
sehr  geschickte  und  tapfere  Soldaten.  Die  Talente  ihres  Geistes,  die  Tiefe  ihrer  For- 
schungen, und  die  bey  mehreren  an  das  Wunderbare  gränzende  Abstractionsgabe  be- 
urkundet die  Literatiu'  luid  die  Geschichte  der  Erfmdungen.  Sie  lernen  leicht  Tmd 
gut  jede  fremde  Sprache,  imd  kennen  unter  allen  Europäern  das  Ausland  am  besten. 
Sie  sind  daher  empfänglich  für  alles  hemde  Gute  und  gerechter  in  ihrem  Urtheile  dar- 
über,'als  jede  andere  Nation;  werden  aber  auch  darüber  nicht  selten  unachtsam  und 
tmgerecht  gegen  das  Einheimische;  schätzen  an  dem  Auslande  zu  viel,  an  sich  zu  we- 
nig und  ahmen  das  Fremde  zu  gern  nach,  weil  ihnen  der  Stolz  fehlt,  ohne  Nachah- 
mung deutsch  zu  seyn  bj.  Aber  indem  die  Deutschen  nicht  bloss  Gegenstände  des 
Auslandes  sich  zueignen,  sondern  auch  mit  der  grössten  Gutmüthigkcit  andern  Völ- 
kern, was  sie  bedürfen,  gern  wieder  geben:  werden  solche  allen  Nationen  des  Erd- 
balls um  so  brauclibarer  und  nützlicher,  auf  auswärtigen  Regenten-Thronen  eben  so- 
wohl, als  im  Kriege,  auf  Lehrkathedern ,  in  technischen  Werkstätten,  im  Bergbau 
und  in  Nvitzbarmachung  öder  Ländereyen.  Um  so  mehr  ist  der  sittlichere  ,  gebildetere 
Deutsche  Jllweltbür^er j  ohne  seine  Pflicht  gegen  den  Staat  oder  das  Volk,  dem  er 
angehört,  zu  vergessen  c).  Leetüre,  Musik,  Tanz  und  Schauspiel  sind  die  in  Deutscli- 
l-and  besonders  gesuchten  Vergnügungsarten.  Die  böse  Neigung  ziun  übermässigen 
Trünke,  die  man  vormals  den  Deutschen  vorwarf,  hat  sich  fast  ganz  verloren  ,  und  es 
ist  eine  Schande,  unter  ihnen  betrunken  zu  seyn.  Dagegen  tadelt  man  an  ihnen  noch 
immer  die  Rang-  und  Titelsucht.  Übrigens  sind  Deutsche  von  Deutschen  selbst  nach 
Ländern  vuid  Gegenden  in  vielen  Stücken  höchst  verschieden.  Der  Norddeutsche  un- 
terscheidet sich  im  Ganzen  von  dem  SüddeutscJien  durch  geringere  Lebhaftinkeit  des 
Gefühls,  schwächere  Phantasie,  grösseres  Phlegma,  weniger  Witz  und  Genialität- 
dagegen  aber  auch  auf  der  andern  Seite  diu-ch  grösseren  Ernst,  durch  Genügsamkeil, 
Verständigkeit  imd  grösseren  Eifer  für  die  Wissenschaften. 

2)  Die  Hauptzüge  des  Charakters  der  Schweizer  sind  Fleiss,  Treue  und  Redlich- 
keit, Offenheit,  Massigkeit,  Gastfreyhcit  und  ausgezeichnete  Tapferkeil,  feste  An- 
hänglichkeit an  ihre  alten  Gewohnheiten,  Sitten,  Verfassung,  und  daher  rührende 
Unbeugsamkeit,  Freyheitsliebe,  Liebe  zum  Vaterlande  bis  zum  tödtlichen  Heimweh, 
Rehgiosität,  und  in  Sprache,  Lebensart,  Kleidung,  in  dem  geselligen  Betragen,  be- 
sonders in  dem  öffentlichen  Urtiieile  eine  Einfalt  und  Strenge ,  die  man  anderswo  sel- 
ten antrifft,  obgleich  in  den  Fabrikstädlen  und  den  an  Frankreich  granzenden  Gegen- 
den schon  Luxus  und  erschlaffende  Verfeinerung  eingerissen,  und  der  bekannte  Kilt- 

5ö* 


3oo  I-  BeTfolinnr  der  eiirop.  Staaten.  §.  i3.  Nach  ihrem  Natlonalcharaktcr. 

gang  eben  nicht  idUlisch  unschuldig  ist.  Auch  wirkt  das  sogenannte  Reisslaufen  der 
Schweizer,  oder  die  BereilwUiigkeit  dersell)en  in  fremde  Kriegsdienste  zu  treten,  und 
mehr  noch  die  Rückkehr  aus  denselben  in's  Vaterland,  nicht  immer  wohlthälig  auf 
ihren  Charakter;  daher  es  in  der  Schweiz  verhältnissniässig  mehr  Duelle  gibt,  als  an- 
derswo. Von  der  so  oft  gerügten  Prellerey  der  schweizerischen  Gastwirthe  iheilt  Ilr. 
Heinse  mehrere  Beyspiele  mit  dj.  Stark  an  Geist  sind  die  Schweizer  zu  allen  Kün- 
sten und  Wissenschaften,  die  Scharfsinn  imd  Nachdenken  erfordern,  aufgelegt,  und 
einzelne  Schweizer  haben  sich  in  allen  Fachern  der  Gelehrsamkeit  ausgezeichnet. 

3)  Die  HolländfV  sxndi  kaltblütig  bis  zum  Phlegmn ,  äusserst  bedachtsam,  und 
nichts  kann  sie  aus  ihrer  Fassung  bringen,  als  die  Gefahr  ihrer  Freyheit,  die  sie  über 
alles  lieben.  Dabey  sind  sie  mehr  zurückschreckend  als  anziehend.  Aber  ihr  Herz  ist 
der  edelsten  Freiuidschaft  fähig,  und  jener  Gewinnsucht  und  Geldgierde  ungeachtet, 
die  in  ihnen  schon  bis  zur  Natur  gewurzelt,  Liebe  zur  Ordnung,  Massigkeit,  Arbeit- 
samkeit und  Sparsamkeit  erzeugt,  sind  sie  treu  ihrem  Worte  und  dienstfertig  und 
wohlihätig  ohne  Prahlerey.  Reinlichkeit  ist  ihre  erste  Nationaltugend ,  die  sie  aufs 
höchste  treiben  ej ,  wozu  sie  aber  durch  die  Luft  ihres  Landes  genölliiget  wer- 
den, um  nicht  in  Moder  zu  ersticken.  Nicht  allein  ihre  Häuser  luid  Möbeln  werden 
äusserst  rein  gehalten,  sondern  auch  die  Strassen  iii  den  Städten  und  Dörfern,  die 
Ställe,  die  Wirlhschaftsgerälhe  imd  das  Vieh  selbst.  Ihr  iniellectueller  Charakter  ist 
philosophisch-praktisch;  die  rein  speculativen  Untersuchungen,  die  sie  in  ihrer  Spra- 
che Haavklovereyen  (Haarklaubereyen)  nennen  ,  liegen  ilinen  zu  weit  jenseits  des  Ge- 
biets des  unmittelbaren  Nutzens ,  in  welches  sie  ihr  politischer  und  nalionell-er  Cha- 
rakter gleich  stark  hinzieht.  Der  Boden  ihres  Landes  verlangt  niedrige  Gebäude,  und 
der  Mangel  an  Platz  verwelu't  ihnen  grosse  Anlagen;  diess  hat  den  holländischen  Ge~ 
schmack  erzeugt,  der  kleinlich  und  bunt,  al)cr  sauber  und  vollendet  ist.  Ein  Naiio- 
nalvergnügen  ist  die  Bliunenliebliabei  ej  ,  die  in  Holland  weiter  geht  als  sonst  irgend- 
wo, und  sogar  einen  nicht  unhclrächllichen  Handel  veranlasst.  —  Die  Belgier  sind 
ebenfalls  gewerbsam,  dabey  sehr  tapfer;  a!)cr  störrig ,  unruhig,  immer  nnt  der  beste- 
henden Regierung  im  Streite  liegend ,  imd  nach  Neuerungen  trachtend  jj ,  in  Reli- 
gionssachen unduldsam  und  in  den  südlichen  Gegenden  verfranzösirt.  Daraus  lässt  sich 
erklären ,  warum  die  Bewohner  der  nördlichen  imd  sudlichen  Niederlande  sich  nicht 
leicht  und  willig  in  die  Verschmelzung  zu  Einem  selbslständigen  Staate  finden,  wozu 
Lage;  Nachbarschaft  und  gemeinschaftliches  Interesse  sie  doch  so  lc!)haft  auffordern. 
4)  Die  Dänen  sind  bedächtig,  in  ihren  Unternehmungen  beharrlich,  in  Gefah- 
ren herzhaft  und  entschlossen,  d;ibey  höflich,  gefällig  und  gesellscJiafilich,  gastfrey 
und  niildlhälig,  patriotisch  gestimmt,  und  sehr  ergeben  gegen  ihren  König.  Ein  ge- 
wisses Phlegma,  das  mit  ßemerkungskraft ,  Fassungskraft,  ruhiger  urid  gründlicher 
Beurtheihmg  verbunden  ist ,  scheint  ihren  Hauptcharakter  auszumachen.  Dagegen  ta- 
delt man  an  ihnen  Liebe  zur  Gemächlichkeit,  zur  Pracht  und  zu  ausländischen  Sitten 
und  Modön ,  so  wie  Rang-  und  Titelsucht  und  Gleicbgiiltigkeit  gegen  das  Leben.  Die 
Zahl  der  Sell)stmorde  ist,  nächst  England,  in  keinem  Laude  Europa's  so  gross,  wie 
in  Dänemark ,  vornehmlich  in  der  Hauptstadt  gj   dieses  Reichs.  Die  Dänen  bediwfen 


1.  Bewoliaer  der  ciirop.  Staaten.  §.  i3.  Nach  itiiem  NationaIcl^a)faktel^  3oi 

ilir  Klima  don  Appetit  zum  Essen,  und  der  Gebrauch  des  Kornbranntweins  ist  in  Dä- 
nemark, so  wie  in  Schweden,  Norwegen  nnd  allen  nordischen  Landern,  in  allen  ilaiis- 
haltnni,'en  allgemein,  nnd  selbst  Frauenzinnner,  besonders  der  etwas bejahrlere  Thed, 
schämen  sich  nicht  eines  massigen  Genusses  desselben. 

5)  Die  Schweden  sind  munterer  als  ihre  Nachbarn,  die  Dänen,  doch  ernsthaft 
und  zurückhallend,  dabey  treu,  redlich,  arbeitsam  und  sparsam.  Hcn  Ilniim  sUcilba- 
rer  und  tapferer  Kriegsleute  haben  sie  von  jeher  behaupiel.  Ob  sie  gleich  gerne  rei- 
sen und  Ausländer  nachahmen,  so  heben  sie  doch  ihr  Vaterland  und  ihre  Freiheit.  In 
einem  besonders  hohen  Grade  herrscht  freyer  Sinn  und  Gemeingeisl  im  Tludlunde 
(Dalecarlien).  Ihren  intellectuellen  Charakter  haben  die  Schweden  durch  Werke  wis- 
senschaftlichen Scharfsinnes  genugsam  beurkundet,  um  ihnen  unter  diren  germani- 
schen Brüdern  nicht  den  unterstezx  Rang  anzuweisen.  Aber  sie  haben  auch  ihie  Feh- 
ler; sie  sind  dem  Tiunke  ergeben,  und  lieben  äussern  Glanz,  selbst  auf  ihren  Sär- 
gen hj.  Den  verfeinerten  Theil  des  schwedischen  Volkes,  den  man  in  Stockhobn  Con- 
centrin iindet,  charakterisirt  ein  Wesen,  welches  Eiskälte,  Misslrauen ,  Scidaidieit 
und  Tücke  hinter  sehr  zuvorkommender  Höflichkeit  undFreiuidlichkeit  verbirgt.  Chi- 
kanen,  Cabalen  und  Intriguen  gehören  bey  ihm,  wie  die  schwedische  Geschichte 
lehrt,  zur  Tagesordnung,  und  nicht  leicht  hat  ein  Reich  seine  Regenten  und  Verfas- 
sung öfter  verändert  als  Schweden  ij.  Auch  ist  keine  Stadt  in  Europa  so  reich 
an  geheimen  Gesellschaften  und  Orden,  wie  Stockholm.  —  Die  Norweger  oAcr  IS or- 
niäiirter  sind  munter  und  rasch,  offenherzig,  bieder,  muthig  und  streitbar,  einfach 
in  Sitten,  zufrieden  mit  wenigen  Naturgeschenken  und  gastfrey;  sie  hallen  sehr  auf 
ihr  Vaterland  und  ihre  Freyheit,  sind  aber  stolz  bis  zur  Verachtung  anderer  Natio- 
nen. Als  charakteristisch  verdient  ihr  Hang  ziun  Salyrisiren  und  Komischen  bemerkt 
zu  werden.  Sie  sind  vorzügliche  Schützen,  und  von  der  Natur  zu  mechanischen  Kün- 
sten geschickt,  wie  fast  alle  Bergbewohaer.  Auch  sind  sie  treflfliche  Seefahrer.  An  der 
norwegischen  Scheerenküsle,  Dänemark  gegenüber ,  wohnen  \ielleiclit  die  besten 
Lothsen  auf.der  Welt;  aber  ihr  Leben  ist  so  gefahrvoll,  dass  ihre  Frauen  bisweilen 
sechs-  bis  achlmahl  sich  verheiralhen  kj. 

6)  Die  Engländer  unterscheiden  sich  von  aftdern Nationen  durch  Freysinn,  Ach- 
tung für's  Gesetz  (die  freilich  nicht  selten  mit  dem  Kleben  am  Buchstaben  des  Gese- 
tzes veibunden  isl),  Geringschätzung  jeder  Art  von  Gewalt,  als  solcher,  besonders  der 
niiliiärischen ,  durch  Gemeingeist  und  Anhänglichkeit  an  die  alte  Form;  aber  auch 
durch  Partevgeist,  Stolz  und  Verachtung  alles  Ausländischen,  grobes  und  trotziges 
Betragen,  Airoganz,  Neigung  ziun  Sonderbaren  und  Hang  zu  Übertreibungen  in  poli- 
tischen, religiösen  und  niorahschen  Dingen.  Versland esliefe  und  Genialität  bilden  ih- 
ren intellectuellen  Charakter.  Menschlichkeit  und  edles  Billigkeitsgefuhl  bezeichnen 
ihren  moralisclien  Charakter  im  Zustande  der  Ruhe;  unlenkbare,  alles  übertreibende 
Ilefiigkeit  im  Znslande  gewaltsamer  Empfindung.  Sie  sind  nicht  gesellig,  nicht  mit 
Gclälligkeu  ziivorkonnnenJ  ;  aber  eine  zutrauliche  Bitte  macht  sie  äusserst  dienstfer- 
tig; sie  verlangen  7>uiiaiien  und  suchen  es  zu  verdienen.  Nur  wo  sie  Nuth  und  Ge- 
fahr sehen ,  l)edenken  sie  sich  keinen  Augenblick  zu  helfen.  Trotz  ihrer  Ungesellig- 
keit,  besuchen  sie,  um  des  Staats-,  noch  mehr  aber  um  des  Handelsintercssc  willen, 


3o2  I.  Bcvvoliner  der  europ.   Staaten.   §.   i3.   Nacli  ilircm  Kationalcliaralvter. 

uniufhörlicli  Clal)s-    lui.l  KaiFcliliaiiser,    und  können    ihre   geschäftigen  Zusamm'^n- 
künfie  nicht  ohne  Tafell'reude  besclihcssen.  Sie  geniessen    gerne  recht  fette  animali- 
sche Speisen  und  starke  Getränke,  und  essen  niad  trinken  mehr  als  irgend  eine  Nation 
in  Europa.  Allein  dieser  Genuss,  verbunden  mit   der  eigenen  LuflljeschalTenheit  des 
Landes,  und  mit  vielen  andern,  auf  Geist  und   Gerflüth  naclitheUig  wirkenden  Ursa- 
chen ,  erzeugt  diejenige  englische  Krankheit ,  welche  die  Brillen   selbst  the  eiiglish 
Maladj  nennen,  nähndich  den  in  England  einheimischen  Wahnsinn,  sich  das  Leljen 
zu  rauben  IJ.  Das  Wohlleben  ist  hoy  ihnen  in  allen  Ständen  gemein,  und  eine  Folge 
ihrer  Reichthiimer  mj  ,  fiir  deren  Erwerbung  sich  ihre  Thäligkeit  um  so  lieber  hin- 
gibt, ihre  ausgezeichnete   Erfindungsgabe  um  so  lebendiger  zeigt,  und  ihr  Specida- 
tionsgeist  um  so  luaternehmender  ist,  je  mehr  Geld  und  Güterbesitz  ihnen   zugleich 
einen  grossen  Einfluss  in  die  politische  Verfassimg  geben;  daher  die  in  England  gang- 
bare Phrase:  „der  Mann  ist  so  und  so  viel  Pfund  werth"  (he  is  worthj  looo  P-) ,  an- 
statt: er  ist  so  und  so  viel  Pf.  reich.  Ihre  Redlichkeit,  mit  ilirer  Wahrheitsliebe  ver- 
bunden, macht  sie  leichtgläubig,  und  ihr  politischer  Charakter  neugierig;  daher  ihre 
vmgcheure  Zeitungs-  und  Journal-Lesewulh,  die  alle  Stände  mit  dem  Gange   der  po- 
litischen Wellhändel  inid  mit  den  tausenderley  Gerüchten  darüber  stets  bekannt  macht. 
Ihren  Miith  und  ihre  Tajiferkeit  haben  sie  in  unsern  Tagen  so  herrlich  erprobt ,   dass 
dadurch  Englands  Militärruhm  weit  über  alles,   was  man  davon  bisher   erkannte,    er- 
hoben ward.  Fast  alle  ihre   National-Vergnügungen  haben  Bewegung  und   Stärkvmg 
des  Körpers  zur  Absicht.   Hierzu  gehören:  das  Boseln  j  wobey  auf  einem   kurzen   rei- 
nen Rasen  schwere  Kugeln  nach  einem  Ziele  geworfen  werden;   die   Ballspiele j  von 
welchen  sie  mehrere  Arten  haben,  und  grosse  Freunde  sind;    das  Springen,  Ringen, 
um  die  Welle  laufen  u.  s.  w.  Das   Wetten  ist  unter  ihnen  sehr  gewöhnlich,  und  auch 
dazu  geben  ihnen  ihre  Belustigungen   Gelegenheit.  Das  Pferderennen ^  um   desswU- 
len  sie  die  schnellsten  Rennpferde  auf  der  Erde  ziehen;  das  Halmengefecht j  wozu 
man  den  stärksten  und  zornigsten  Hähnen  noch  Sporne  an  die  Beine  befestigt;  die 
Ochsenhetzen ,  die  nicht  minder  grausam  als   die  spanischen  Slicrgefechte  sind,  und 
ihre  Boxer  von  Profession,  die  sich  mit  Fäusten  oft  bis  auf  den  Tod  schlagen,  sani- 
eren ihre  Neigimg  zum  Wetten  noch  nicht,  und  sie  wetten  über  die  unsinnigsten  Ein- 
fälle. Bessere  Züge  in  ihrem   Charakter   sind  ihre  Religiosität,  ihre  Achtung  fiir   das 
Talent,  und  ihre  Geneigtheit,  die  Bcnüihungen  geschickter  Männer  zu  unterstützen 
und  zu  belohnen,  so  wie  ihre  Neigung  zimi  Mitleid,  zum  Wohlthun  und  zur   Men- 
schenliebe, die  sie  selbst  gegen  Ausländer  nj   und  INlissethäler  zeigen.  Gegen  diese 
guie  Seite  sucht  jedoch  sehr  ab,  ihre  lief  gewurzelte  Intoleranz  gegen  die  Katholiken 
in  Irland.  Auch  findet  in  England  noch  immer,  obgleich  nur  selten  und  meistens  un- 
ter der  niedrigsten  Volksclasse ,    die   l)arbarische   Sitte   Statt,   dass   Ehemänner   ihre 
Frauen  mit  einem  Stricke  um  den  Hals  auf  den   öffentlichen   Markt   fiihren,  und   an- 
dern feill)iclhen. 

y)  Die  Schotten  zeichneten  sich  ehedem  durch  die  abstechendsten  Sitten  von  den 
Ennländern,  ja  von  allen  Nationen  Europa's  aus.  Seit  der  Vereinigung  ihres  Reichs  aber  mit 
En-land  haben  nur  die  nördlichen  Bewohner  des  J^andes,  d\c  f/ochländer oder Berg- 
schottejij  ihre  alten  eiuflichen Sitten  beybehallen;  der  ganze  übrige  Theil  der  Nation  oder 


I.  Bewoliuor   der  curop.  Sl-iatcn.  §.   i5.  IN'acli   ilircm  NalicuaIc!:ariiUcr.  3o3 

6\e  Niederländer  haben  sich  mehr  der  engUscheii  An  und  Lebensweise  genähert.  Doch 
haben  die  Engländer  den  Vorzug  in  demjenigen,  was  dem  Leibe  behaghch  ist,  die 
Niederländer  dagegen  in  dem,  was  den  Geist  biklot,  besonders  zeichnen  sie  sich 
aus  durch  wissenschafthche  Bildung  in  den  Slaalsämiern ,  so  wie  in  dem  Heere  durch 
Sparsamkeit  und  Nüchternheit,  und  ü])erall  durch  ihr  Zusammenhalten.  Dabey  sind 
sie  höflicher,  gefälliger  imd  gastfreyer,  kliiger  und  gewandter  als  die  Engländer.  — 
Die  HocJdänder  oder  ßergscliotlen  sind  ein  biederes  und  rauibiges  Berg-  und  Hir- 
tenvolk, in  geistiger  Bildung  zwar  zurüAsichend,  doch  nicht  roh,  liebend  die  Dicht- 
kunst, vorzüglich  in  Ossianischen  Heldenliedein  ,  den  Tanz  und  die  Musik  im  Gesang 
und  der  nationeilen  Sackpfeife,  die  an  die  Stelle  der  Ofsianischen  Harfe  trat;  dabey 
nationalstolz,  religiös,  freundlich  und  gastfrey.  Ihre  alle  vaterländische  Kleidung  ist 
auffallend  oj.  Ihre  Fehler  sind  Aberglaube  und  Hang  zum  Trünke  pj. 

8)  Die  Irländer  sind  verständig,  liölUch  und  dienstfertig,  äusserst  gastfrey,  fröh- 
lich, gesellig  und  mitibcilsam.  Dabey  sind  sie  sehr  verschwiegen,  neugierig  und  ver- 
stehen zu  scherzen,  ohne  anzüglich  zu  werden  oder  zu  spotten.  Al)er  sie  trinken 
stark,  lieben  sehr  das  Spiel,  luid  sind  so  nachlässig  und  sorglos,  dass  sie  den  Werth 
der  edlen  Zeit  nicht  zu  kennen  scheinen,  und  das  Nöthige  immer  später  als  in  an- 
dern Ländern  verrichten.  Auch  beschuldigt  man  sie  einer  zu  Tumulten  aufgelegten 
Gemüthsart.  Diese  und  andere  Fehler,  die  man  ihnen  vorwirft,  sind  jedoch  mehr 
Folge  des  schmählichen  Druckes,  unter  dem  sie  seufzen,  als  organisch,  und  eine 
glücklichere  Lage  könnte  den  herrlichen  Anlagen  dieser  Nation  eine  dem  Staate  vor- 
theilhafiere  Richtung  geben.  Es  drückt  die  Irländer  das  Gefühl,  dass  andere  dort  ern- 
ten ,  wo  sie  gesäet  haben.  Unsäglich  ist  die  Armuth  der  irländischen  Bauern  (cot- 
lievs).  Sie  wohnen  in  eleaden  Hütten,  haben  fast  gar  kein  Geräth,  Hadern  anstatt  der 
Kleider,  und  ihre  Kinder  sind  entweder  nackt  oder  zerlumpt:  ihre  Nahrung  bloss 
Kartoffeln,  ohne  alle  Zuthat,  nicht  eimual  Salz,  höchstens  haben  sie  Buttermilch , 
welche  ihnen  alles  andere  ersetzt  q ).  Im  Ganzen  ist  der  Charakter  der  Nation  ach- 
tungswürdig. Sie  hat  geistreiche  und  scharfsinnige  Schriftsteller  hervorgebracht ,  mid 
von  ihrer  ausgezeichneten  Tapferkeit  zeugen  der  See-  und  Landdienst  Grossbritan- 
niens und  fremder  Reiche. 

a)  In  den  Erzählungen  und  Nachrichten  der  französischen  Soldaten  und  Ausgewanderten 
werden  die  Deutschen  durchgängig  als  ein  gutes,  grossmiithiges  und  gastfreyes  ^^olk  ge- 
schildert. S.  Österr.  Boob.  i8i5.  Nr.  5o.  S.  277  ,  und  1816  Nr.  2g4.  S.   i558. 

b)  ,,Nie  war,"  sagt  ein  acht  deutscher  Dichter  zu  seinem  Vaterlande,  „gegen  das  Ausland  ein 
anderes  Land  gerecht  wie  du!  Sey  nicht  allzugerecht.  Sie  denken  nicht  edel  genug,  zu  se- 
hen, wie  schön  dein  Fehler  ist."  Also  Mangel  an  Nationalstolz  wirft  man  den  Deutschen 
vor.  S.  Leipz.  L.  Z.   i8i3.  3i.  S.  241. 

c)  S.  Kieler  Blätter.  2.  B.  1.  H.  Kiel  1816.  S.  37.  ff. 

d)  Reisen  durch  das  südliche  Deutschland  und  die  Schweiz  in  den  Jahren  1808  und  180g. 
Mit  Bemerkungen  und  Beyträgen  zur  Geschichte  des  Tages  ,  von  Gottlob  Heinrich  Heinse, 
2.  Bde.  8.  Leipzig.  Vergl.  H.  A.  L.  Z.  i8i3.  107.  108.   10g. 

e)  Besonders  Avird  die  Reinlichkeit  in  dem  desshalb  berühmten  schönen  und  reichen  Dorfe 
Broek  in  der  Provinz  Holland  übertrieben,  dessen  Einwohner  in  der  Sorgfalt  für  die  Rein- 
lichkeit so  weit  gehen,  dass   sie  die  in  ihre  Häuser  Eintretenden  zwingen,  ihre  Sliefel  oder 


3o4  I.  Bewolmer  der  europ.  Staaten.   §.   14.  Nacli  ihrem  Naliooilcliaralitcr.   Fottsetzuug. 

Schuhe  aus-  und  dardr  Panloffcla  anzuzieJicii  ,  die  vor  jed.-r  Thiire  stehen.  S.  Österr.  Beob. 
1811.  Nr.  299.  Vergl.  H.  A.   L.  Z.   1808.  Nr.  278.  6.   188.   ff. 

/)  S.  Pülit.  Jour.  Aug.   1816.  S.  717  und  Dec.   1816.  S.   1071.  ff. 

g)  Nach  lim.  Callisen  entleibea  sich  in  H'ypeiiha'^en  jährlich  gogen  100  Menschen,  oder  un- 
ter   looo    Einwohnern   wird  jährhch   Einer   zum  Selbstmörder.  S.  H.    A.    L.    Z.  1811.    Nr, 

224.  s.  845. 

A)  S.  Geist  und  Charakter  des  |  achtzehnten  Jahrhunderts.  Von  D.  Jeiilsch.  Berlin  ,  1808 
Th.  2.  S.  3i8. 

1}  Über  den  Charakter  des  schwedischen  Volks  und  Adels ;  in  dem  Polit.  Jour.  1818.  März 
i8i8.  S.   23g  ff.  ;  eigentlich  S.  242 — 244. 

k)  S.  Götting.  gel.   Anz.  1810.  St.  161.  S.  1608. 

l)  Dr.  friedr,  ßenj.  Oslander  über  den  Selbstmord,  seine  Ursachen,  Arten,  medicinisch-ge- 
richtliche  Untersuchung  und  ^die  Mittel  gegen  denselben.  Eine  Schrift  sowohl  fiir  Polizey- 
und  Justizbeamte,  als  für  gerichtliche  Ärzte  und  Wundärzte,  für  Psychologen  und  Volks- 
lehrer. Hanover.  gr.  8.  Vergl.  Götting.  gel.  Anz.  i8i3.  St.  54. 

m)  Aber  diese  Reichthiimei  werden  bey  vielen  auch  die  Quelle  der  Eitelkeit  und  Pracht,  der 
Verschwendung  und  verdorbener  Sitten.  Der  Hang  zum  Wohlleben  erstreckt  sich  sogar  auf 
die  geringsten  Volksclassen  ,  die  selbst  in  theuern  Zeiten  bey  der  gewohnten  Lebensart  be- 
harren ,  welches  sie  durch  die  Armentaxen  auszuführen  im  Stande  sind.  Aber  eben  die  sy- 
stematische,  fortdauernde  Unterstützung  gibt  Aussichten,  welche  die  Armuth  selbst  zum 
Erwerbmittel  machen,  und  veranlasst  daher  eine  immer  fortschreitende  Vermehrung  der 
Hülfsbedürftigen.  In  der  That!  es  gibt,  neben  einer  grossen  Anzahl  von  Privatpersonen , 
welche  ein  Vornaögen  oder  Einkommen  besitzen,  das  in  andern  Ländern  höchst  selten,  in 
vielen  gar  nicht  anzutreffen  ist,  in  keinem  Lande  verhältnissmässig  so  viel  Arme  und  Bett- 
ler, Diebe  und  Gauner,  als  in  England.  S.  Allg.  geogr.  Ephem.  B.  22.  S.  8.3. 

n)  Zu  Unterstützung  der,  in  Folge  der  Kriegsbegebenheiten  vom  J.  i8i3,  Verarmten  wurde 
aus  England  bloss  nach  Deutschland  ,  besonders  nach  Hamburg ,  eine  Summe  von  195,000 
Pf.  St.  gesendet. 

o)  Die  schottländischen  Beintrachten ;  in  Archenholz  ens  Minerva.  Bd.  1.  für  das  Jahr  1807. 
S.   186  —  192. 

p)  Man  fragte  einen  Bergschotten ,  was  ihn  am  meisten  glücklich  machen  könnte  ?  Die  Ant- 
^vort  war:  a  kirk  o'  sneesin  an  a  well  o'  whisky :  ,,eine  Kirche  \o\\  Tabak  und  ein  Brunnen 
voll  Whisky"  oder  dortigen  Branntweins.  Und  was  noch  ausserdem  ?  inair  sneesin  an  tnair 
whisky:  „mehr  Tabak  und  mehr  Whisky.  S.  Geist  und  Charakter  des  achtzehnten  Jahrhun- 
derts a.  a.  O.  S.  218. 

i,)  S.  Ergänzungsbl.  z.  J.  A.  L.  Z.  1818.  Nr.  56.  Vergl.  Österr.  Beob.  i8i5.  Nr.  24.  S.  i34. 

§•  14- 

Fortsetzung. 

g)  Die  Italiener  sind  leLIiaft  und  reitzljar,  mit  viel  Phantasie  begabt  und  talent- 
voll, mitnler,  fröhlich,  gefallig,  dienstfertig  nnd  mitleidig  gegen  Arme  und  Ungliick- 
liche;  aber  in  allen  ihren  leidenschaftlichen  Äusserungen  äusserst  heftig,  in  die  ge- 
wallsainsten  Pantomimen ,  in  Wuth  und  Wahnsinn  ausartend ;  dabey  verschlagen,  rach- 
süchtig aj  und  dem  Aberglauben  ergeben.  So  wie  die  Franzosen  im  Conversations- 
Geschniack  vorzüglich  sind,  so  sind  es  die  Italiener  im  Kunstgeschmack 5  auch  haben 
sie  euie  gewisse,  in  andern  Ländern  seltene  Ehrfurcht  vor  Kunstwerken,  tuid  niiss- 
haudeln  sie  nie.  Dabey  haben  sie    in  vielen  Künsten  tmd  in  dem  Handel  wichtige  Er- 


l.  buwuhuer  dei   euro|>.'  Stuulen.   §.   I4.  iVach  il;rein  JNatioudlcharatter.    Fortsetzung.  "oj 

fiiidiingen  gemaclu ,  die  von  ilireiii  Scharfsinne  zeiii^en.  Die  Lotterien  und  das  Loito 
gehören  jedoch  nicht  zu  ihren  heilsamen  Erfindungen.  Die  Vornehmen  lieben  den 
Glanz  und  in  die  Augen  fallende  Pracht  j  aber  in  dem  Innern  Hauswesen  sind  sie  de- 
sto ökonomischer  und  unreinlicher.  Grosse  und  kostbare  Gastmähler  fallen  bey  ihnen 
seilen  vor;  sie  sind  massig  luid  nüchtern,  ob  sie  gleich  Wein  genug  haben.  Der  Vor- 
wurf der  Faulheit  trifft  sie  nicht.  Denn  Italien  wird  nur  desswegcn  der  Garten  von 
Eurnpa  genannt,  weil  es  so  schön  angebaut  ist;  wo  dieser  Anbau  fehlt,  ist  Italien 
eben  so  gut  eine  Wiisto ,  als  jedes  andere  Land.  Ihrer  Betriebsamkeit  wegen  trifft  man 
die  Italiener  zahlreich  in  andern  Ländern  an,  wo  sie  oft  als  kleine  Hausirer,  deren 
ganzes  Waarenlager  in  einem  Kasten  besteht,  anfangen,  und  als  reiche  Kaufleutc  en- 
digen. Das  bekannte  dolce  far  niente  gilt  nur  von  den  grossen  Städten,  wo,  wie 
überall,  eine  grosse  Menge  Miissiggänger  sind.  Die  Lazzaroni  in  Neapel  sind  mit  der 
arbeilenden  ärmeren  Classe  jeder  grossen  Stadt  zu  vergleichen,  die  zu  keinem  be- 
stimmten Geschäfte  angelernt,  alles  thun,  was  sich  ihnen  darbietet;  sie  sind  die  Last- 
träger von  Neapel.  Desto  gegfündelcr  aber  ist  folgende  schlimme  Seite:  das  Messer- 
ziehen, oft  einer  Kleinigkeit  wegen  hj  ,  besonders  in  Rom  und  Neapel;  die  Banditen, 
Räuber  und  Diebe,  welche  seit  so  vielen  Jahren  die  Strassen  und  das  Land,  vornehm- 
lich im  Neapolitanischen  und  im  Kirchenstaate,  unsicher  machen;  das  Durchhclfen 
und  Schützen  der  Verbrecher ;  die  Spielsucht,  besonders  in  Neapel,  wo  selbst  die 
ersten  Herzoge  Spielwirthe  sind  cj  u.  s.  w.  Diess  sind  indessen  nur  allgemeine  Züge 
von  dem  Charakter  der  italienischen  Nation,  woljey  in  den  verschiedenen  Ländern 
und  Staaten  mannigfaltige  Abslufiingen  und  Verschiedenheilen  Statt  finden.  Besonders 
machen  die  Süditaliener  und  die  Bewoliner  der  norditalienischen  Länder  zwey 
merkliche  Schattirungen.  Während  jene  feig  sind,  und  sich  durch  einen  schärferen 
Zug  von  Verschlagenheit,  auch  durch  grösseren  Ungestüm  in  den.  Ausbrüchen  ihrer 
Leidenschaften  auszeichnen,  und  sogar  im  scheinbaren  Zustande  der  Ruhe,  alles,  was 
sie  sprechen ,  mit  Geberden  begleiten ,  ist  diesen  mehr  Muth  und  Herzhafiigkeit,  mehr 
Offenheit  und  Ruhe  eigen.  —  Zu  den  vorzüglichsten  Vergnügimgsarten  der  Italiener 
gehören:  die  ländlichen  Vergnügungen  [l^Hlagiatnra),  Schauspiele,  besonders  Opern, 
Lust-  luid  Possenspiele;  Redouten  oder  maskirle  Tänze,  deren  eigentliches  Vaterland 
Venedig  ist;  das  Carneval ,  eine  in  ihrer  Art  einzige  Vei"gnügung,  die  in  einer,  Wo- 
chen lang  Tag  und  Nacht  fortgesetzten,  Mummerey  besteht,  wobey  Herren  und  Be- 
diente, Kutscher,  Pferde  und  Maulesel  maskirt  erscheinen;  die  Wettspiele,  z.  B.  die 
Regatte  oder  das  Weltrennen  mit  Gondeln  in  Venedig,  das  Weltrennen  mit  Pferden 
in  Rom  und  Florenz;  die  Ballonspiele,  ein  Lielilingsspiel  der  Italiener,  besonders  des 
Adels,  das  von  ganzen  Gesellschaften  bis  zu  fünfzig  Personen  gespielt  wird;  die  Im- 
provisalori,  oder  die  Redner  und  Dichter  aus  dem  Stegreife,  welche  letztere  über  ein 
ihnen  gegebenes  Thema  italienische  Verse  zu  600  in  dem  besten  Zusammenhange  ma- 
chen; endlich  Musik.  Ganz  Italien  ist  musikalisch;  auf  die  Kranken  soll  die  Musik  dort 
zu  Lande,  wie  die  italienischen  Ärzte  behaupten,  mit  einer  besondem  Kraft  wirken, 
wie  sie  es  bey  keiner  andcrij  Nation  ihut ;  seihst  die  Thiere  sollen  daselbst  liel)er  ar- 
beiten, wenn  sie  mit  wohlklingenden  harmonischen  Glöckchen  und  Zimbeln  behangen 
sind.  —  Die  Lebensart  der  Italiener  weicht  von  der  deutschen  sehr  ab.  Wegen  der 

39 


5o6  I.  Bewoliuer  der  europ.  Staattu.  §,  14.  Nach  ilirem  Nationalcljarakter.   Fortsetzung. 

starKen  Hitze  am  Tage  bringen  sie  den  Mittag  mit  Schlafen,  und  die  Mittcrnaclu  mif. 
Erholungen,  Spaziergängen,  Schauspielen  u.  dgl. ,  zu.  —  Eine  ihnen  fast  aiisschhes- 
send  eigcnthiimliche  Sitte  ist  das  Cicisbeatj  oder  die  Gcvvolmheit,  dass  Frauen  mit 
Einwilligmig  ihrer  Männer  von  Cicisbeen  begleitet  werden  3  nur  am  grünen  Donners- 
tage und  am  Charfreytage  muss  der  Cicisbe,  jetzt  gewöhnlich  Cavaiieve  servente  ge- 
nannt, den  Arm  seiner  Donna  dem  Ehemanne  überlassen  dj.  Diese  Sitte,  die  oft  das 
häusliche  Glück  zerstört,  und  dem  Cavaliere  servente  viel  kostet,  hat  jedoch  in  den 
neuesten  Zeiten  merklich  abgenommen. 

10)  Die  F/Yi/zzoi-e«  sind  sehr  beweghch  ej ,  nmnter  und  geistreich,  offen,  ge- 
sprächig, höflich,  zuvoikommend  und  angenehm  im  Umgange  j  aber  auch  eitel,  ruhm- 
redig, von  sich  selbst  äusserst  eingenomnrcn,  selbst  bis  zur  Beleidigung y^,  leichtsin- 
nig und  unbeständig.  Schnellern  Wechsel  und  raschere  Übergänge  entgegengesetzter 
Empfindungen  und  Denkarten  in  grossen  und  kleinen  Dingen  gibt  es  nicht,  als  in  ei- 
ner französischen  Seele.  In  diesem  Augenblicke  emplindsam  bis  zu  Thränen,  im  an- 
dern grausam  bis  zur  Barbareyj  heute  unehdlich  ergeben  gegen  ihren  König,  morgen 
seine  Mörder  g'^'.  Stets  nach  neuem  Genüsse  des  Lebens  ringend,  den  Vergnügnngen 
und  Zerstreuungen,  so  wie  den  Künsten  des  Gefallens  so  einzig  liiildigend ,  lieben  sie 
in  Hinsicht  auf  die  Formen  luid  Modificationen  der  Gegenstände  dieser  kleinen  Lei- 
denschaften unaufhörlichen  Wechsel,  d.  i.  Mode,  und  nicht  nur  Kleider,  auch  Sit- 
ten, Art  zu  denken  und  sich  auszudrücken,  Grundsätze  und  Maximen  sind  bey  den 
Franzosen  immerwährenden  Veränderungen  unterworfen.  Dabey  sind  sie  zum  ^Vi- 
tzeln,  Spotten  und  Persifliren  gar  sehr  geneigt,  obgleich  Anekdoten  und  Bonmots 
bey  ihnen  sehr  gefährliche  WaflTen  sind,  und  sie  nichts  so  sehr  scheuen,  als  das  Preis- 
geben an  Spott  und  Lächerlichkeit.  Gewandt,  und  mit  Selbstvertrauen  ausgerüsiet, 
unternehmen  sie  alles  mit  Leichtigkeit,  und  führen  das  Meiste  mit  Siclierheit  ans; 
aber  über  kleine  Bedenklichkeiten  hinweggcholjen,  sind  sie  weniger  gewissenhaft  im 
Treu-  und  Worthalten,  und  spotten  der  deutschen  Redlichkeit.  Ln  hohen  Ehrgefüh- 
le übertreffen  sie  andere  Nationen,  und  ein  Schlag  ist  ihnen  eine  entehrende  Hand- 
lung. In  diesem  Zuge  ihres  Nationalcharakters  hegt  die  moralische  Triebfeder,  wel- 
che die  französischen  Soldaten  in  Bewegung  setzt,  und  auf  sie  um  so  heftiger  wirkt, 
je  mehr  sie  Phantom  der  erhitzten  Phantasie  ist.  Mit  Verachtung  des  Le])ens  stürzen 
sie  sich  scherzend  und  lachend  in  Gefahr,  und  fechten  mit  Slandhafiigkcit,  wo  sie 
sich  schmeicheln  können ,  bemerkt  zu  ■werden.  Die  Franzosen  haben  mehr  Anlage  zu 
Künsten  und  schönen  Wissenschaften ,  als  zum  tiefsijinigen  Studium  der  höheren 
Kenntnisse  IiJ  (einige  ihrer  Mathematiker  und  Chemiker  ausgenonmien),  und  ihr  Ge- 
schmack ist  mehr  zum  Hübschen,  Zierlichen  und  Niedlichen,  als  zum  Grossen  und 
Schönen  gestimmt.  Sie  machen  sich  viel  mit  Kleinigkeiten  und  mit  den  Aussenseiten 
der  Dinge  zu  schaffen.  Daher  sind  sie  zu  Erfindungen  des  Litxus  und  mannigfaltigen 
Uml>ildmigcn  geschickt.  Der  ältere  Franzose  von  Erziehung  und  Bildung  vereinigt  den 
richtigsten  Geschmack  und  die  feinste  Lebensart  mit  Gründlichkeit,  Gefühl  und 
wahrer  Menschenliebe. 

11)  Die  Spanier  sind  im  Ganzen  einer  Seits  edeldenkend,  patriotisch  gesinnt,  zu- 
v-erlässig  in  Haltung  des  gegebenen  Wortes,   bey  den  üjipigsien  Naturproductcn  doch 


i.   Uewofiner  der  curop.   Staaten.  §.   14.  Kach  iliicai  IMatioüalcharakttn'.   Foilsetxuny  "„j- 

sehr  massig  in  i'aror  Lebensart,  besilzcu  feines  Ehrgefiilil  und  viel  persönliche  T;ipfei- 
kcit.  Nichts  thiin  sie  ohne  reife  Überlegung,  und  was  sie  einmal  beschlossen  haben, 
fuhren  sie  mil  Standhafiigkeit  aus.  Anderer  Seits  zeigen  sie  in  ihrem  Betragen  einen 
grenzenlosen  National-  und  Famllienstolz,  und  eine  andern  Nationen  auffallende  Ernst- 
haftigkeit und  Feyerlichkeit  (die  spanische  Grandezza).  Allein  eben  dieses  tiefe  Ge- 
fiihl  ihrer  Würde  war  es,  das  in  unsern  Tagen  jene  ungeheuren  Anstrengungen  be- 
wirkte, durchweiche  Spanien  zuerst  den  Nationen  des  europäischen  Continents  das 
grosse  Beyspiel  eines  kräftigen,  xuiliesirgbaren  Widerstandes  gegen  den  Alles  ver- 
schlingenden Despotismus  gab.  Trotz  ihrer  Grandezza  können  die  Sj^anier  freundlich 
luid  leutselig,  ja  selir  aufgeräumt  seyn,  singen  und  tanzen.  Das  Land  ertönt  fast  über- 
all von  Gesängen  und  Guilarren,  und  der  Zaubertanz  Fandango  macht  fast  joden 
Spanier  zum  Tänzer.  Aber  zur  Arbeil  diinkt  sich  der  Spanier  a.n.  vornehm,  imd  die 
Menge  der  Landstreicher  ist  in  diesem  Lande  so  gross,  dass  Ortiz  sie  in  vierzig  Clas- 
sen  theilt  ij.  Dabey  lernen  die  Spanier  nicht  gern  von  Fremden,  reisen  nicht,  um 
andere  Völker  kennen  zulernen,  bleiben  in  Wissenschaften  weit  zurück,  sind  un- 
reinlich, rachgierig  und  wüthend  eifersüchtig,  unduldsam,  brgott  imd  abergläiAisch, 
von  romantischer  Stimmung  des  Geistes,  wie  das  Stiergefecht,  und  grausam,  wie  das 
ehemalige  Auto  da  Fe'  und  das  Verfahren  gegen  die  Amerikaner  und  die  Niederländer 
Leweiset.  Sie  halten  steif  über  alte  Gebräuche  und  Gewohnheiten,  wozu  besonders 
die  auszeichnende  Nationaltracht  gehört.  Doch  haben  sie  in  der  neuern  Zeit  in  man- 
chen Stücken  nachgegeben,  uiid  die  Pariser  Moden  finden,  trotz  den  strengsten  Ver- 
bothen,  immer  noch  Eingang.  Die  Spanier  sind  aber  unter  einander  selbst  nach  Ver- 
schiedenheit der  Provinzen  sehr  verschieden,  und  mehr  als  in  irgend  einem  andern 
Lande  hat  sich  in  Spanien  der  Provinzial-,  ja  selbst  der  Localgeist  erhalten. 

12)  Die  Portugiesen  besitzen  grössten  Theils  dieselben  guteu  und  bösen  Eigen- 
schaften, wodurch  sich  ihre  Nachbarn,  die  iS^pß/i/er^;  von  andern  Nationen  unterschei- 
den; nur  smd  sie  wohlthätiger  und  höflicher  als  die  Spanier;  selbst  die  Bettler  nen- 
nen sich  unter  einander  Signor  (Sen/ior) ,  und  wenn  zwey  Handwerker  in  ein  Haus 
oder  Zimmer  gehen,  machen  sie  erst  lange  Coniplimente,  wer  zuerst  hinein  gehen 
soll,  vuid  Jeder  will  dem  andern  den  Vorzug  lassen.  Dagegen  sind  die  Portugiesen 
noch  eifersüchtiger  und  rachgieriger,  als  die  Spanier.  Die  Meuchelmorde  sind  in  Por- 
tugal so  häufig,  dass  jährlich  zwey  Schiffe  mit  Meuchelmördern  befrachtet  nach  Mo- 
zambique  gehen  A:J.  Auch  der  Müssiggang  und  der  Hang  zurBetteley  unter  demgemei- 
ncn  Volke  ist  in  Portugal  grösser  als  in  Spanien,  imd  die  Unreinlichkeit  wird  wohl  in 
keiner  europäischen  Hauptstadt  so  weit  getrieben,  als  in  Lissabon  IJ.  Dabey  setzen 
sich  die  Portugiesen  viel  lieber  auf  dem  Meere  allen  Geiahren  und  Müliseligkeilcn 
aus,  als  sie  hinter  dem  WebcrsLuhle  sitzen,  oder  den  Pflug  lenken,  und  sind  so  eitel 
und  ruhmredig,  dass  selbst  ihre  Geschichtschreiljer  prahlen,  wenn  sie  von  ihren 
Kriegsthaten  sprechen.  Abergläubisch  und  bigott  sind  sie,  wie  die  Spanier,  und  die 
beliebtesten  öffentlichen  Ergelzlichkeiten  sind  in  Portugal,  eben  so  wie  in  Spanien, 
die  Stiergefechte.  Doch  sind  sie  hier  nicht  so  gefährlich,  wie  in  Spanien,  weil  die 
Stiere  Kugeln  auf  den  Spitzen  der  Hörner  haben.  Ilir  Lieblingstanz  ist,  eben  so  wie 
in  Spanien,  der  Fandango,  und  ihr  Lieblingsinstrument  die  Guilarre^ 


3o8  J.   Bewohner  der  euiop.   Staaten.   §.   i  i.  Kacli  ilirein  NAtiou.ilcharakter.  Fortsetzung. 

l3)  Die  TValadien  sind  schlau,  vcischlosseii,  hintcrlislig  und  gednldlg;    dabey 

eigensinnig,  rachsüchtig  und  faul.  Mit  der  Arbeitsscheue  verbinden  .sie  noch  den  Hang 

zur  Dieberey,  besonders  rauben  sie  gern  Vieh  mj.  Abergläubisch  im  höchsten  Grade, 

stossen  sie  dennoch  bey  der  geringfügigsten  Gelegenheit  die  fürchterlichsten   Flüche 

aus.   Die  Unwissenheit,  Rohheit  und  Gewinnsucht   des  grössten  Tlieils  ihrer  Geist- 
en 

lichkeit,  welche  in  der  Dummheit  des  gemeinen  Mannes  eine  ergiebige  Quelle  ihres 
Vortheils  findet ,  tragen  dazu  bey ,  dieselbe  noch  zu  verstärken  nj.  Ihre  frühe  Mann- 
barkeit, ihre  Massigkeit  vmd  Genügsamkeit,  verbunden  mit  ihrem  Hange  zur  sinnli- 
chen Lust,  befördern  sehr  ihre  Vermehrung.  Im  17.  oder  18.  Jahre  nimmt  sich  der 
Walache  ein  Weib ,  welches  oft  kaum  i3  zählt,  und  ist  mit  emigen  und  jo  Jahi-cn 
häufig  schon  Grossvater.  Die  meisten  Walachcn  treiben  Viehzucht ,  besonders  Schaf- 
zucht; nur  wenige  legen  sich  auf  den  Feldbau,  und  überlassen  alle  Arbeit  und  die 
Besorgung  ihres  Hauswesens  ihren  bey  weitem  fleissigern  und  giitmuthigern  Weibern, 
die  mit  ihren  Feilschaften  auf  dem  Kopfe  und  dem  Spinnrocken  in  der  Hand  spinnend 
zu  Markte  geben. 

a)  Vornehmlich  in  Sardinien  und  Corsica,  wo  die  letzte  Ermahnung  eines  Sterbenden  ist,  dass 
seine  Rinder  dieses  oder  jenes  erlittene  Unrecht  ja  nicht  ungerärht  lassen  sollen.  S.  Polit. 
Jour.  1818.  März.  S.  2i5. 

6)  Z.  B.  wegen  einer  verweigerten  Blume ,  wegen  Verriickung  einer  Kugel  beym  Kcgelspiele. 
S.  Österr.  Beob.  1814.  Nr.  189.  S.  ioo5. 

c)  S.  Ergänzungsbl.  z.  A.  L.  Z.   1809.  Nr.  g.  S.  68. 

ri)  S.  Götting.  gel.  Anz.   1809.  St.   174.  S.  1731. 

e)  Vorzüglich  die  Gascogner ,  welche  die  leicht  beweglichsten  Bewohner  Frankreichs,  \iclleicht 
der  Welt  sind.  Von  der  Heftigkeit  derselben  in  Ton  und  Bewegung,  beym  kleinsten  Aulass, 
kann  sich ,  wie  in  den  Ergänzungsbl.  z.  A.  L.  Z.  1818.  Nr.  70.  S.  554-  versichert  wird,  kein 
Nordländer  einen  Begriff  machen  ,  der  nicht  Augenzeuge  war.  Wenn  man  mehrere  von  ih- 
■  nen  über  irgend  eine  Angelegenheit  mit  einander  sprechen  sieht ,  sey  es  im  Bösen  oder  Gu- 
ten :  so  muss  man  joden  Augenblick  erwarten  ,  Mord  und  Todtschlag  entstehen  zu  sehen  , 
und  ehe  man  es  sich  versieht,  stiebt  unvermuthet  Alles  mit  lautem  Gelächter  plötzlich 
aus  einander. 
J")  Wovon  die  Götting.  gel.  Anz.  i8i5.  St.  29.  ein  neues  Beyspiel  liefern;  es  wird  nähmlich 
S.  288.  gesagt :  Hr.  Graf  Monlgaillard  suche  in  seiner  Schrift :  „De  la  Restauration  de  la 
Monarchie  des  Bourbons  et  du  retour  ä  l'ordre.  Paris  1814"  sonnenklar  zu  erweisen  ,  dass 
die  Fran'osen  nie  besiegt  worden  ,  ja  nie  hallen  besiegt  ii^erden  können ,  dass  sie  vielmehr  nur 
die  Güte  gehabt,  die  AUiivten  aufzunehmen ,  i>on  denen  ja,  hätte  die  grosse  Nation  nur  gctfoUt. 
kein  Mann  wieder  über  den  Rhein  entkommen  wäre.  Ohe  jam  satis  est ! 

g)  Nach  der  verlornen  Schlacht  bey  Moni  St.  Jean,  heisst  es  im  österr.  Beob.  i8i5.  Nr.  191. 
S.  1043 ,  verliessen  ßuonaparten  aus  alter  gewohnter  Charakterlosigkeit  seine  ergebensten 
Schreyer ,  und  sprachen  schon  wieder  de  ce  bon  Roi,  und  betheuerten :  dans  Ic  fand  de 
nolre  coeur  nous  acons  toujours  ele  Rojalistes. 

h)  Daher  erfinden  die  Franzosen  auch  wenig;  beaibeiten  aber  die  Erfindungen  anderer  Natio- 
nen sehr  glücklich. 

(')  S.  Leipz.  L.  Z.  ]8i4-  224.  S.  1790. 

k)  S.  Allg.  geogr.  Ephem.  B.  3i.  S.  386.  Eine  Vorsteherinn  einer  Erzichungsansialt  brachte 
35  Rinder  um,  um  den  kleinen  Nachlass  derselben  zu  erhalten.  Als  man  sie  bey  der  36. 
Mordthat  ertappte ,   entliess  man  sie  mit  einer   ernstlichen  Wainung !  S.  Götting.  gel.  Anz. 


I.   Bewoliiifi    Jtr   euKip     Staaten.   <>.    i5.  PJacli    iliiera  Natioilalciiaraktei .    l'"urtäeUiiug.  3oo 

1808.  St.  167.  S.  i566.  Im  J.  1821  rechnete  man  in  Portugal  auf  jeden  Monath  gegen  24 
Mordthaten.  S.  Österr.  kaiserl.  priv.  W.  Z.   1822.  77. 

l)  Im  Jahre  1799  gab  es  daselbst  noch  Gassen,  die  nie  gekehrt  wurden.  Man  schüttete  bey 
Tage  und  boy  Nacht  alle  Arten  von  Unreinigkeiten  auf  die  Strassen  ,  und  keiner  war  \or 
den  ekelhaftesten  Beschmutzungen  sicher,  der  Morgens  und  Abends  zwischen  10 — n  Uhr 
in  der  Stadt  umherging.  Todte  Katzen  und  Hunde,  ja  selbst  Pferde  und  Maulesel,  lagen, 
wie  in  den  Städten  des  Morgenlandes,  umher,  und  wurden  eine  Beute  der  herrenlosen 
Hunde,  deren  Anzahl  man  auf 80,000 schätzte.  S.  GÖlting.  gel.  Anz.  1808.  St.  157.  S.   i566. 

m)  In  drey  Jaliren  (1801  —  i8o3)  betrug  der  Schaden  des  von  den  Walachen  geraubten  Viehes 
in  der  Bukowina  allein  381,716  fl.  S.  Vater!.  Blät.  für  den  österreichischen  Kaiserstaat.  1808. 
35.  S.  283. 

n)  S.  Vaterl.  Blät.  a.  a.  O.   1811.  85. 

§.  i5. 

Fortsetzung. 

14)  Die  SlaK'en  sind  mehr  sanguiniscb-mvinter,  als  melancholisch-ernst,  mehr 
roh  durch  ihre  Sitten,  als  bösartig  von  Geniüih,  und  keineswegs  ohne  treffliche  An- 
lagen ?.u  Künsten  und  Wissenschaften,  obgleich  Meiners  die  slavischen  Völker,  so 
"vsie  die  mongolischen,  sanmit  und  sonders  für  unfähig  erklärt,  die  höchste  Stufe  der 
mcnschliclien  Culiur  zu  erreichen !  Besonders  zeichnen  sich  aus  die  Czechen  oder 
Böhmen,  als  die  cuhivirtesten  unter  den  Slaven,  durch  ein  ungemeines  Talent  fiir 
Musik,  ein  vorzüglich  gutes  Gedächtnissund  viel  natürlichen  Versland.  Die  Tonkunst, 
Philologie  und  Mathematik  aj  scheinen  bey  ihnen  zu  Hause  zu  seyn.  Aber  auch  die 
übrigen  Zweige  der  Slaven  lieben  Musik,  lernen  mit  Leichtigkeit  fremde  Sprachen, 
und  sind  fähig,  in  dem  Gebiete  ernster  Wissenschafte a,  welche  ein  angestrengtes 
Nachdenken  erfordern ,  schnelle  und  grosse  Fortschritte  zu  machen.  Bekannt  ist  auch 
das  Talent  der  Polen  und  Russen  zur  Älimik,  so  uie  die  Anlage  der  erstei-n  zur  Tanz- 
kunst, der  letzteren  zur  Schauspielkunst,  besonders  zur  komischen  Darstellung.  Ein 
Hauptzug  des  slavischen  Charakters  ist  Frohsbin ;  ohne  Gesang  und  Tanz  lebt  der  Sla- 
ve  nicht.  Dabey  treibt  er  Trödel,  Handel  und  Schilffahrt  mit  Neigimg,  ist  genügsam, 
gesellig,  gastfrey ,  und  ein  muthiger,  treuer  Soldat.  Vorzüglich  zeichnet  sich  aus  der 
Russe  durch  Unerschrockenheit  und  Standlial'tigkeit  im  Feuer  bj ,  so  wie  durch  Fä~ 
higkcit.  Kälte  und  Hitze,  Hunger  und  Durst,  und  jedes  Ungemach  zu  ertragen.  Un- 
geachtet der  vorzüglichen  Anlagen  des  Slaven  zum  wahren  Erdbürger,  welcher  Ei- 
genschaft bereits  Herder  in  seinen  Ideen  ziu- Philosophie  der  Geschichte  der  Mensch- 
heil Gerechtigkeit  hat  widerfahren  lassen,  liebt  der  Slavc  sein  Vaterland,  imd  vcr- 
lässt  es  nicht  so  leicht,  wieder  Deutsche.  Seine  grössten  Fehler  sind:  Sinnlichkeit, 
Unmässigkeil  in  hitzigen  Getränken  und  starker  Aberglaube,  bey  einigen  Zweigen 
säuische  Unreinlichkcit,  niedrige  Kriecherey  und  Hang  zurBelriegcrey  und  Diebercy, 
beydes  aber  weniger  Eigenheit  des  Slavismus  als  Folge  der  Leibeigenschaft,  worin 
dieses  Volk  von  jeher  lebte,  und  zum  Theil  noch  lebt. 

i5)  Die  Ungern  sind  gerade,  offen,  ohne  Winkelzüge,  von  reiner,  unvcrkün- 
stelter  Naliu",  grossmüthig,  sehr  tapfer  und  überaus  gastfrey  cj;  aber  auch  sehr  stolz 
und  eilel,  der  Ai'beit  nicht  hold,  und  ihren  Vorurtheilen  eigensinnig  treu.  Ilir  nuui- 


5io  I.   Bewohner  der  eiirop.   Staaten.  §.   16.   Nach  ihrem   >fatir)Ualcharakter.   Fortsetzung. 

tercs  und  feuriges  Temperament  verräth  der  ganze  Bau ,  ihre  Nationalkleidung ,  die 
gespannt  und  knapp  an  den  Körper  scliliesst,  ihr  rascher  Gang,  ilire  geschwinde 
Sprache,  ihr  heftiger  Tanz  und  ihre  schnellen  Entschlüsse,  so  wie  ihr  Jähzorn,  Auf- 
brausen und  Leichtsinn.  Sie  besitzen  viel  natürliche  Anlage  und  Empfänglichkeit  fiir 
den  schönen  Dienst  der  Musen  und  Grazien ;  auch  haben  mehrere  ungrischo  Gelehr- 
te mit  dazu  bevgetragen,  die  Fortschritte  der  Wisseusclnfieniui  AUgciucinen  für  ganz 
Europa  zu  befördern,  so  wie  ein  hoher  Grad  von  Aifklarung  und  Verfeinerung  viele 
aus  den  höheren  Ständen  verehrungswürdig  macht.  —  Nächst  den  Ungern  haben 
luiter  den  Völkern  von  finnischer  Abkunft  den  grösslen  politischen  Werth  die  eigent- 
lichen Finnen.  Sie  sind  arbeitsam,  unerschrocken,  standhaft,  tapfer  und  gaslfreyj 
alier  eigensinnig,  hier  und  da  imrcinlich  ,  und  dem  Trünke  und  Aberglauben  crgelien. 
Dagegen  sind  die  Lappen  nicht  nur  schmutzig,  alicrgläubisch  und  mit  Fesligkeil  an 
ihre  Gebräurhe  haltend,  ob  sie  gleich  die  Taufe  angiMiomiuen  haben,  sondern  auch 
trä^e,  misstrauisch  d)  und  so  mulhlos,  dass  sie  zu  Kriegsdiensten  gar  nicht  können 
gebraucht  werden;  dabey  aber  doch  munter  und  gutmüthig.  Die  meisten  leben  unter 
Zelten  und  führen  ein  nomadisches  Leben.  Die  Männer  besorgen  die  Küche.  — 
J}\e  Esthen  und  Lieven  siud  ebenfalls  ein  schmutziges,  dabey  dürftiges  und  armseli- 
ges Volk,  in  welchem  gewohnte  Leil>eigenschaft  alle  Thäligkeil,  selbst  die  Sehnsucht 
nach  einem  besseren  Leben  erstickt  hat. 

a)  Das  Artillerie-  und  Geniecorps  der  österreichischen  Arm?e  verdankt,  wie  Hr.  Rohrer  im 
zwcyten  Theile  seines  Versuches  über  die  slavischen  Bewohner  der  österr.  Monarchie  S.  62 
versichert ,  den  bölimisrhen  Erbländern  seine  geschicktesten  Praktiker  in  der  Boinbardier- 
kunst,  in  der  Mappenzeichnung ,  in  der  Feldbefestigung,  im  Festuhgsbau  und  Feslungs- 
krlege. 
h)  Napoleon  soll  von  den  Russen,  als  er  ihre  Unerschrockcnheit  und  Slandhafligkeit  imFeuor 
gesehen,  gesagt  haben:  „Das  sind  Bollwerke,  die  man  niederreisscn  muss"  (ce  sont  des  Las- 
lioiis  quil  laut  dcmolir).  S.  Polit.  Journ.    1806.  Januar.  S.  43. 

c)  Mit  einiger  Bekanntschaft ,  sagt  Hr.  Gr.  i',  Hojfmnnnsegg ,  wäre  nichts  leichter,  als  ein  Jahr 
und  länger  in  Ungern  umsonst  zu  leben  und  zu  reisen;  und  noch  dazu  würde  diess  ,  anstatt 
aufzufallen,  denen,  auf  deren  Kosten  es  geschähe,  eine  wahre  Gefälligkeit  seyn.  —  Auch 
die  von  den  siebenbürgisihcn  Herrschaften  auf  ihren  Landsitzen  ausgeübte  Gastfreyheit  ist 
musterhaft.  Nicht  nur  Bekannte,  auch  Fremde  können  dort  unangerneldet  einsprechen,  und 
sind  sicher,  freundschaftliche  Aufnalime  zu  (inden.  S.  Vaterl.  Bl.  für  den  österr.  Kaiser- 
staat. 1811.  5i.  S.  i83. 

d)  Sein  Blisstrauen  ist  so  gross,  dass  er  auf  jeden  Annähernden,  den  er  durch  das  Gebüsch 
nicht  sogleich  erkennt,  schiesst,  aus  Furcht,  von  demselben  angegriffen  und  geplündert 
zu  werden 

§•    16. 
Fortsetzung. 

j6)  Die  Basken  zeichnen  sich  durch  einen  offenen,  fröhlichen  Charakter  ans, 
ToU  von  Redlichkeit,  Gulmiuhigkeit,  Gastfreyheit  und  Freyheitsliebe;  dabey  sind  sie 
kriegerisch,  arbeitsam  und  die  Bande  des  Ehestandes  sehr  in  Ehren  hallend.  Sie  se- 
hen sich  alle,  wie  die  Jsturiernwd  Gtäticier^  als  Edelleute  an,  imd  werden  auch 
in  den  öffentlichen  Acten  der  Regierung  dafiir  anerkannt. 


I.  Bewohner  der  enro[).  Staaten.  ^.  i5.  Nach  ilirem  Nationalcharakter,  f otlsetzung.  3it 

17)  Die  ^Ibanier  oder  ^niiuite/i  sind  iheils  Hirten  und  Ackersleute,  theils  in 
verschiedenen  Künsten  und  Gewerben  geübt,  wegen  ihrer  Thäligkeil,  Ausdauer  und 
Geschickhchkeit,  auch  wegen  ihres  kriegerischen  Muths  und  ihrer  gebietenden  Stu- 
turin allen  osmanischen  Provinzen  geschätzt  j  daher  vom  Drinofluss  und  vom  adriati- 
sehen  und  jonischen  Meere  an  bis  zumEuphrat  in  Asien,  und  bis  zum  Nil  in  Ägypten, 
Leibgarde  und  Soldaten  der  osmanischen  Paschas. 

18)  Die  Griechen  fJVeugfiechenJ j  Nachkommen  einer  alten,  geistreichen,  in 
so  vielen  Rücksichten  um  die  Menschheit  hoch  vcrdienleii  und  achtungswürdigeu  Na- 
tion, sind  lebhaft,  gewandt,  thätig,  gesellschaftlich,  und  von  der  Natur  mit  vielen 
Anlagen  ausgestattet,  besonders  zeichnen  sie  sich  aus  durch  Witz,  und  die  Gabe, 
Alles  leicht  zu  verstehen  und  zu  begreifen.  An  Keiuitnissen  gehen  sie  den  Türken, 
ihren  militärischen  Gebietern,  weit  vor,  besonders  in  Rücksicht  der  Schifffahrlskunde. 
Die  Gefährten  dieser  guten  Eigenschaften  sind  alier  auch  ungemein  viel  Leiclilsinn , 
Falschheit,  List  imd  liänkesucht.  Hang  zur  Betriegcrcy  und  zum  Lügen,  verbunden 
mit  der  Fertigkeit,  alle  Heiligen  zu  Zeugen  ihrer  Wahrhaftigkeil  anzurufen,  utld  ihre 
Ehrlichkeit  zu  betheuern.  Dabey  sind  sie  geitzig,  eigennützig  und  abergläubisch,  hoch- 
müthig  auf  der  einen,  und  kriechend  auf  der  andern  Seite.  Doch  wie  verschieden  sind 
nicht  die  Griechen  unter  einander:  die  Macedoniev ^  Thessalier ^  Akarmaniev  und 
Aetolierj  die  ßäotier _,  Athener  j  Arkadier  _,  Messenier  j  Mainotten  u.  s.  \\.  Verschie- 
den von  allen  diesen  Griechen  sind  die  Bewohner  der  Inseln  des  Archipelagus,  die 
auch  unter  einander  sehr  abweichen.  Noch  jetzt  unterscheiden  sich  die  Athener  von 
den  übrigen  Griechen  durch  ihre  Artigkeit  und  ihr  zuvorkoinmendcs ,  gastfreundliches 
Betragen,  ob  sie  gleich  ihrer  Verschlagenheit  wegen,  verrufen  sind  aj.  Selbst  die 
Türken  in  Athen  haben  etwas  von  ihrer  Rohheit  abgelegt  j  sie  sind  höflicher,  gefälli- 
ger und  gesprächiger  j  als  in  andern  Gegenden. 

ig)  Die  Türken  haben  noch  ganz  asiatische  Sitten  luid  Gebräuche.  Ihre  lange 
und  weite  Kleidung  crhe])t  ihren  ansehnlichen  Körperbau.  Das  vornehmste  Stück 
derselben  und  zugleich  das  Unterscheidungszeichen  der  verschiedenen  Stände,  ist  der 
Turban  j  oder  der  tiukische  Bund.  Sie  sitzen  mit  kreuzweis  untergeschlagenen  Bei- 
nen, essen  und  schlafen,  wie  alle  Morgenländer,  auf  dem  Fussboden,  der  mit  Tep- 
pichen und  Matratzen  ,  und  an  den  Wänden  herum  nüt  Polstern  (Sopha)  belegt  ist. 
Sie  leben  in  der  Vielweiberey ,  beherrschen  das  weibliche  Gescblecht  tyrannisch, 
binden  sich  selbst  an  keine  eheliche  Treue,  bestrafen  aber  die  Untreue  ihrer  Weiber, 
die  beständig  in  den  Harems  versleckt  bleiben,  und  den  Eiuopäern  seilen  zu  Gesich- 
te kommen,  sehr  hart  ÄJ ;  gegen  Reisende,  Arme  und  Kranke  sind  sie  jedoch  sehr 
gutthätig,  wie  ihre  Hane  (öfifcntliche  Wirlbshäuser) ,  ihre  Brunnen  an  den  Landslras- 
sen,  ihie  Brücken  und  Hospitäler,  die  sie  häufig  bauen  lassen  und  stiften,  beweisen.  Selbst 
ihre  Sclaven ,  besonders  die  geschiclilen ,  hallen  sie  sehr  gut.  Auch  rühmt  man  an  ih- 
nen Massigkeit;  doch  übertreten  sie  oft  die  Gebolhe  des  Korans  in  Anschiuig  des 
Schweineilcisches,  der  Fische  mit  Schuppen,  und  besonders  des  AVciues,  wozu  Ur- 
nen die  griechischen  Wirthshäuser  die  beste  Gelegeubeit  geben.  Sie  sind  ernsthaft 
und  stille;  dabey  st,olz  bis, zur  Verachtung  anderer  Nationen  c J ,  grändich  und  iräge. 
Besonders  haben  sie  eine  starke  Abneigung  g'gen  die  Geschäfte   des  Ackerljaucs;  lie- 


ijj  1.  Bewohn-i-  der  eurojj,  6taateji,   §.   17.   Nach  ihrem  Nationalcharaktei.   FoiUeliuiig. 

Jjen ,  ausser  dem  Reileii  imJ  den  Promenaden  nach  den  Gräbern  ihrer  Freunde,  kei- 
ne körperhchen  Bewegungen,  halten  das  Tanzen  den  Männern  für  unanständig,  spie- 
len dagegen  gern  Schach ,  sind  grosse  Liebhaber  von  Bbimen  und  Opium,  und  die 
stärksten  Tabakraucher  und  Kaffehtrinkcr  in  Europa.  Bey  allem  iluen  Phlegma  besi- 
tzen sie  doch  viel  Reitzbarkeit,  und  ihre  Wulh,  wenn  sie  einmal  rege  gemacht  ist, 
bricht  fürchterlich  los.  Es  felilt  ihnen  weder  an  Verstand  noch  an  Geschicklichkeit  j 
sie  nehmen  aber  theils  aus  religiösen  Grundsätzen ,  theils  aus  Vorurtheil  mid  Stolz , 
von  andern  Nationen  keine  Verbcsserungen  an,  und  bleiben  daher  immer  auf  dem 
Puncte  stehen,  wo  sie  sind  dj.  Ihren  starken  Aberglauben  Ijeiu'kundet  die  bcj  Urnen 
zur  Staatswissenschafl  erhobene  Astrologie.  Ihr  Glaube  an  Prädestination  macht  sie  im 
Kriege  lun  so  tapferer  und  unerschrockener,  da  sie  mit  diesem  Glauben  die  gewisse 
Hoffnung  des  Paradieses  für  den,  der  fällt,  verbinden.  Doch  sind  sie  die  furchtbaren 
Erbfeinde  der  Christen  nicht  mehr,  die  sie  im  i5.  und  16.  Jahrhunderte  waren.  Der 
gemeine  Türke  ist  ehrlich;  aber  mit  Unrecht  schreibt  man  der  Pforte  strenge  Red- 
lichkeit zu.  Denn  Elias  Abescki  spricht  von  einer  Sammlung  Gesetze  imter  dem  N.ah- 
men  Kitnb  Adai_,  die  den  Bruch  der  Verträge  mit  nichtislamitischen  Völkern  gestat- 
tet ,  wenn  es  dem  Reiche  Nutzen  bringt  ej.  Zu  dieser  durch  Gesetze  bezeichneten 
Treulosigkeit  der  osmanischen  Regierung  gesellen  sich  noch  die  Verkäuflichkeit  der 
öffentlichen  Ämter,  die  Bestechlichkeit  in  Administrations-  und  Justizsachen ,  und  die 
Erpressungen  aller  Art,  die  sich  die  Beamten,  besonders  in  den  Provinzen  erlauben. 
Aber  auch  der  gemeine  Türke  ist  habsüchtig;  er  nimmt  gern  Geschenke,  und  nicht 
leicht  thut  er  etwas  umsonst. 

a)  Daher  das  Sprichwort:  Gott  behüte  uns  vor  den  Griechen  von  Athen,  den  Juden  von 
Salonichi  und  den  Türken  von  Negropont. 

b)  Der  Grosswesir  Muslapha  Bairaktar  Hess  100  Beyschläferinnen  des  Suhans  Selim  III.  ohne 
Umstände  ersäufen.  S.  Göiting.  gel.  Anz.  1816.  St.  1.  S.  7. 

c)  So  z.  B.  nennen  die  Türken  die  Vorstadt  Pera ,  wo  man  fast  gar  keine  Türken,  sondern 
lauter  Europäer  in  ihrer  gewöhnlichen  Kleidung  sieht,  das  Schweinequartier.  S.  Götting. 
gel    Anz.  1816.  St.  1.  S.  17. 

d)  Daher  empörten  sich  die  Janitscharen  1806  gegen  die  neue  Disciplin  und  Exercirkunst 
nach  europäischer  Art  (Nizami-Gedid) ,  wodurch  Stlim  HI.  das  abgenutzte  türkische  Mili- 
tärsystem reformiren  wollte. 

e)  S.  Jen.  A.  L.  Z.  1811  Jan.  S.  94.  ff.  Vergl.  des  osmanischen  Reichs  Staatsverfassung  und 
Staatsverwallung  dargestellt  von  J.  c,  Hammer.  Th.  2.  S.  327 — 329. 

§•  17- 

Fortsetzung. 

20)  Die  Armenier  smd.  industriös,  sparsam  und  massig;  aber  geitzig  und  ver- 
schmitzt. Ihre  Beschäftigimgen  bestehen  grössten  Theils  im  Handel  und  der  Saffian- 
"ärberey;  hier  und  da,  wie  z.  B.  in  Ungern,  sind  sie  die  grössten  Landpächter  (aren- 
datores  pvnediorum)  und  ^'iehhändler. 

21)  Die  Juden  sind  arbeitsscheu,  besonders  vor  solchen  Arbeiten,  die  (wie  z.  B. 
der  Ackerbau)  eine  ausdauernde  körperliche  Anstrengung  erfordern.  Ihre  vornebmsten 
Erwerbszweige  sind:  das  Branntweinhrennen  imd  das  Branntweinschenken,  der  Han- 


I.  Btwoliner  der  curop,  SUateii.  §.   18.  iNacli  ihrer  Religion.  3i.3 

tlel  mit  rohen  Nulurprodiicten ,  Lcsondeis  mit  Wolle  und  Getreid(3,  der  Geld-  und 
Wechselliandcl,  das  Klcidcrsclileppcn  der  armem  Juden  in  den  SlUdlen  und  dasllau- 
siren  auf  den  Dörfern  ,  wobey  sie  nicht  einzeln  für  sich,  sondern  als  j^eschlosseiic  Ge- 
sellschad  wirken  ,  inid  die  Fähigkeit  hesilzen  ^  Gesetze  zueludiren,  luul  den  christ- 
lichen Biiryern  die  Mittel  zum  Erwerh  zu  erschweren^  und  die  Nah)ungs\vcü;e  ahza- 
schneiden.  In  dieser  Verbindung  ruid  Fidiigkcit  liegen  für  sie  \ehikel,  sich  Uuterslii- 
tzung  zu  verscliaffcn ,  die  jedem  andern  Menschen  entgeht,  und  jedes  Geschäft,  das 
irgend  eine  Beziehung  aufHandel  und  Wandel  hat,  in  ein  Monopolium  zu  verwandeln, 
ohne  dazu  eines  Privilegiums  zu  hediufen.  Daher  lindet  man  häufig  unter  den  Juden 
Männer,  die  durch  Handel  und  Geldgeschäfte  in  kurzer  Zeit  Tonnen  Goldes  erwer- 
ben. Zu  diesen  Erwerljsinittehi  gesellen  sich  —  und  das  ist  das  grösste  Übel  von  al- 
len —  ihre  von  den  unsrigen  ganz  verschiedenen  Begriffe  von  Ehre  und  Scliandc,  oder 
ihre  Gleichgültigkeit  gegen  das:  quen  dira-t-OJi?  Daher  die  Übervordicilung  und 
der  Betrug,  worauf  ihr  Handelsgcist  hinausläuft;  daher  ihr  Hehlen  und  Theilnehmen 
an  jedem  Betrug  und  Unlerschleif.  Dabey  sind  sie  äusserst  abergläubisch  und  verzeh- 
ren verhällnissmässig  zu  wenig,  da  ihnen  der  Reilz  fehlt  zu  Allem,  was  das  Leben  an- 
genehm und  fröhlich  machen  kann,  ftidessen  passt  dieses  Bild  nicht  auf  alle  Juden  j 
in  einigen  Ländern  haben  sie  sich  mehr  oder  weniger  Lil)cr  dasselbe  gehoben,  begün- 
stigt durch  die  ihnen  verliehenen  bürgerlichen  Rechte.  Es  gibt  luitcr  ihnen  allerdings 
rechtliche  Männer,  und  einzelne  Juden  haben  sich  in  neuern  Zeiten  als  Gelehrte, 
Philosophen,  Künstler  oder  Ärzte  hervorgethan. 

22)  Die  Zigeuner  endlich  leben  noch  grossen  Theils  unsiät,  ohne  Dach  und  Fach, 
und  sind  im  höchsten  Grade  schnuUzig  und  fanl ;  daljey  äusserst  furchtsam  und  aus- 
schweifend im  Genüsse  hitziger  Getränke.  Sie  nähren  sich  von  der  Geige,  dem  Schmie- 
dehammer, dem  Goldwäschen,  Wahrsagen,  der  Betriegcrey,  Diebcrey  und  Belteley. 

d)    Nach    ihrer   Religion. 

In  Europa  sind  zwey  het'i'schende  oder  Hauptrellgiojiejt :  die  cJirisLliche  und 
moluimmeddiiische.  Die  christliche  ist  am  weitesten  ausgebreitet  und  in  vier  Kirchen 
vertheilt:  1)  die  katholische  j  die  in  die  röinisch-hciÜioUsclie  j  griecJdsch-katholisclie 
und  cij-me/iisch-katholische  zcri'iilh;  2)  die  evangelisch-lutlierisclie  j  3)  die  evange- 
lisch-veformirte  j,  wozu  auch  die  jjreshjtei'ia/tisc/ie  in  Schottland,  und  die  Episcopal- 
oder  englische  Kirche  gehört;  4)  die  griecJiische.  Die  unter  Nr.  2)  und  Nr.  3)  genann- 
ten werden  auch  unter  dem  gemeinschafdicheu  Nalunen  der  prolestantisclien  Kirche 
begriffen  aj. 

Ausser  diesen  herrschenden  clxrisllichcn  Kirchen  gil>t  es  in  Europa  noch  mehrere 
abweichende  kleinere  Kirchen  oder  Seelen,  wovon  die  fValdenser  j,  die  böhmischen 
oder  miüirischen  Brüder  j  die  Herrnliuter  oder  evangelische  Brüdergemeinde  „  die 
Independenteii  oder  Con^rcgationalisteUj  die  ^rminianer  oder  Remonstr unten ^  die 
Mennvniten  oder  TViedertäufer ^  die  Unitarler  oder  Socinianer j  die  Quäcker  oder 
Zitterer  j  die  Schwenhftldianerj  die  Methodisten^,  ^\e  Schwedenbor glancr  oder  die 
Mitglieder  der  Kirche  des  neuen  Jerusalems  j  die  Gichtellanerj  die  uiiicj-  dem  Nah- 

40 


3i4  I    Bewoliucr  der  europ.  Staaten.  §     jö.  Nach  iljrer  Religion. 

men  Christo  Sdcrum  bekannte  Seele,  und  die  sogenannten  neuen  Separatisten  zu 
der  occiclentalisc/ien  oder  lateinischen  _,  die  Armenier  oder  armenischen  Chrisleu 
aber ,  dann  die  Raskolniken  oder  Staroobriadtzi  mit  den  Pliitipponen  oder  Lippo- 
wanern  j  und  die  Duhoborzen  zwo  orientalischen  oder  griechischen  Kirche  gehören. 

Die  mohammedanische  Rehgion  ist  die  herrschende  in  der  europaischen  Türkey. 
Gediddct  wird  sie  zu  Livorno   und  in  einigen  Gegenden  des  russischen  Pieiclies  bj. 

Die  y7a/<\yc/ie  Rehgion  wird  in  den  meisten  europäischen  Staaten  gcdiddetj  nur 
nicht  in  Spanien  und  Norwegen  cj. 

Von  der  heidnisclien  Rehgion  findet  man  nur  unter  den  Lappen  und  Samojeden 
geringe  Überbhnbsel.  Desto  ausgebreiteter  ist  das  Ileidenthum  in  den  übiigcn  Erd- 
ihcilen.  Es  hat  zahlreiche  Anliänger  nicht  nur  in  Asien,  Afrika  und  Amerika,  sondern 
war  auch  bisher  auf  den  zahllosen  Inseln  luid  in  den  unermesslichen  Gebieten  des 
südliclicn  Occans ,  in  Siidindicn  oder  Australien  fast  ganz  allein  ausgebreitet.  Allein 
nach  den  neuesten  britlischcn  Mlssions-Bcrichtcn  findet  die  christliche  Religion  in 
Australien  (zu  Port-Jakson  und  auf  den  nahe  liegenden  Inseln  der  Südsec,  vornehm- 
lich auf  Otaheite  und  den  Sandwichinselu)  immer  mehr  Anhänger.  Audi  in  Indien  und 
China  vermehrt  sich  die  Anzahl  der  Chrisleu  voll  Tag  zu  Tag,  ungeachtet  der  Verfol- 
gungen, denen  die  Missionare  in  diesen  Gegenden,  vornehmlich  in  China,  ausgesetzt  sind. 

Unter  den  Anbetern  eines  Einigen  Gottes  ist,  nach  Hrn.  Stäudlin  j  die  molinm- 
medanische  Religion  oder  der  Islamismus  viel  weiter  ausgebreitet,  als  das  Christen- 
thum  j  und  dieses  wieder  mehr  als  das  Judenthinn.  Wenn  das  Christenihuni  in  Eu- 
ropa und  Amerika  weiter  ausgebreitcl  ist,  und  sich  auch  in  dem  letzten  Erdtheile  gar 
keine  i1/oir/e7?n'«.?  (INIusclmanner)  finden:  so  ist  der  niohammedanische  Glaube  desto 
weiter  in  Asien  und  Afrika  verbreitet. — Vergleicht  man  die  llauptparteyen  der  christ- 
lichen Religion  in  Ansehimg  der  Zahl  mit  einander:  so  sind  die  abendländischen  Chri- 
sten zahlreicher  als  die  niorgenländischen,  die  Katholiken  zalilreicher  als  die  Luthe- 
raner, und  die  Lutheraner  zahlreicher  als  die  Reformirlen.  Genau  lässt  sich  die  Zahl 
der  verschiedenen  Religionsverwandlen  nicht  bestimmen  j  denn  man  hat  darüber  iheils 
gar  keine  Zählungen  angestellt,  theils  aber  sind  auch  die  Zähhuigen  nicht  genau  und 
befriedigend.  Es  lässt  sich  also  hier  überhaupt  nur  das  Verhältniss  dos  Mehr  oder 
Weniger  in  der  Anzahl  der  verschiedenen  Religionsgenossen  in  Europa  angeben.  Gleich- 
wohl hat  Hr.  Gräberg  de  Hemsö  es  versucht,  nicht  nur  die  Einwohner  Europa's, 
sondern  auch  die  der  übrigen  Erdtheile  (er  nimmt  die  Menschenzahl  auf  unserer  Er- 
de zu  686  Mill.  an)  nach  ihren  Religionen  aufzuzählen,  und  zwar: 

Christen 236  Mill. 

als  Katholiken  in  Europa  .         .         .         .         .     qo  ^lill. 

ausser  Europa         .         .         .         .         .     3o  — 

Griechen  .  .  .  .  .  .  «72  — 

Prolestanten      .         .         .         .         .         .         «44  — 

Juden 4— 5  Mill. 

Mohammedaner     .  .  .  .  .  .  .  •  •  .     120  — 

Heiden  ...........     325  — 


zusammen     686  Mill.  dj 


1.  Bewohner  cUr  europ.  Staaten.  ^,   18.  Nach  ibrer  Religion.  3i) 

Nach  Hrn.  Hassel  leben  in  Europa,  dem  ciycnilichcn  Wohnsitze,  wenn  auch 
nicht  der  Wiege  des  Christenlhunis  : 

Christen ,         .         .         .         .     172,432,500  Indiv. 

Davon  kommen  auf  die  Ilauptparteyen,  und  zwar 
auf  die  Kalhohkcn        ....         98,229,100 

—  —  Lutheraner       ....         22,200,000 

—  —  Reforniirten  mit  Einschhiss  der 
Presliyterianer  mid  Episcopalen         .  ig,6g8,.5oo 

auf  die  Griechen  ....         3i,656,goo 

zusammen     171,764,500 
Den  Rest  von  ....  668,000 

ergänzen  die  verschiedenen  Secten. 
Mohammedaner-  ........         3,607,000  Indiv. 

Juden 1,179,500     — 

Heiden        ..........  2,100     — 

Broughton  theik  in  seinem  historischen  Lexicon  aller  Religionen  die  bekannten 
Lander  der  Erde  in  3o  gleiche  Theile,  und  nimmt  an,  dass  die  Christen  davon  5, 
die  Mohammedaner  6,  und  die  Heiden  ig  besitzen. 

Ist  aber  auch  das  Christenlhum  nicht  die  ausgebrcitetste  Religion  auf  der  Erde: 
so  ist  doch  der  P^orziig  desselben  vor  allen  til)rigen  Religionen  entschieden.  Es  zeich- 
net sich  dadurch  vor  denselben  aus,  dass  es  nicht  als  Werk  der  Politik  oder  Legisla- 
tion, sondern  durch  innere  Kraft  in  die  Welt  eingedrungen  ist,  und  sich  geltend  ge- 
macht hat.  Mit  ihm  verschwanden ,  wie  Herder  in  seinen  Ideen  zur  Philosophie  der 
Geschichte  der  Menschheit  J>emerket,  überall,  woliin  es  kam,  die  Vorurlheile  der 
einzelnen  besonderen  National-Gottesdienste  voll  Stolz  und  Aberglauben,  wodurch 
die  vielfachen  Bande  des  Handels,  der  Künste  vuid  Wissenschaften,  welche  die  Völ- 
ker vereinigten,  so  oft  wieder  zerrissen  und  die  allgemeinen  Fortschrille  der  Humani- 
tät gehemmt  wurden.  Mit  dem  Cbristcnlhume  fmgen  erst  allgemeine  grosse  Fortschrit- 
te der  Humanität  an,  indem  es  alle  Völker  ein  gemeinschaftliches  höchstes  AVesen  ver- 
ehren, und  sich  als  Brüder  achten  lehrt,  brüderliche  Eintracht  und  Verzeihung,  thä- 
tige  Hülfe  gegen  die  Nothleidcnden  und  Armen,  kurz,  jede  Pflicht  der  Menschheit 
zum  gemeinschaftlichen  Bande  seiner  Anhänger  macht,  dass  es  demnach  ein  ächter 
Bund  der  Freundschaft  und  Briuieiliebe  ist.  Es  gründet  den  ganzen  Religionsverein 
auf  Lehre,  Unterricht,  Menschenhülfe ,  gegenseitige  Besserung  oder  moralische  Bil- 
dung, mit  zwey. sehr  einfachen  und  zwecLnässigen  heiligen  Gebräuchen,  der  Auf- 
nahme in  die  Gesellschaft  durch  die  Taufe,  und  der  steten  Erneuerung  des  schönen 
Freundschaftsbundes  durch  das  heilige  Abendmahl.  Diese  so  zu  den  edelsten  Zwe- 
cken verbündete  Gemeinde  soll  dem  Staate,  als  der  göttlichen  Ordnung,  untergeord- 
net seyn,  nicht  herrschen  oder  am  R'^gimcut  Theil  nehmen,  nur  von  geistlichen  \or- 
sleliern  und  Lehiern  geleilet  oder  regiert  werden,  die  die  Gemüther  der  Menschen 
beruJügen,  friedlich  und  einlräcblig  erhalten,  ihre  Fehler  mit  Ernst  und  Liebe  bes- 
sern, und  so  durch  Halb     Ansehen,  Lehre  und  Beyspiel  zum  Himmel  fiibren   sollen. 

40* 


5i6  I.  Bewolmer  der  europ.  Staaten.  ^.  19.  lu  AuseLuug  ihrer  Wohnplatze. 

Durcli  das  Chi  islcndium  ward  insonderlieil  die  Mild ihätigkeit  und  Theiliiahmo  an  den 
Unfällen  und  Leiden  anderer  rege  j  _^es  veranlasste  zuerst  die  milden  Stiftungen  zur 
Versorgung  der  Armen ,  und  derer,  die  zur  Arbeit  unfäLig  sind.  Keine  positive  Reli- 
gion erkannte  vom  Anfange  an  die  innigste  Verbindung  zwischen  Gottesverehrung  und 
Armenverpilogung  Jrellcr  r.nd  deullichcr,  als  die  christliche.  In  jedem  Lande,  in  wel- 
ches das  Licht  des  Christcnthums  nicht  gedrungen  ist,  ist  auch  der  Zustand  des  weib- 
lichen Geschlechts  stets  beklagenswerth  gewesen  ej.  Endlich  ist  es  auch  die  christ- 
liche Religion ,  der  wir  bey  der  Regierung  ein  gewisses  Staatsrecht,  und  im  Kriege 
ein  gewisses  Völkerrecht  verdanken.  Denn  sie  ist  es,  die  den  R.egenten  unsers  Erd- 
tlieils  ihre  erhabene  Bestimnuing  erst  recht  deutlich  gemacht,  so  wie  es  eine  Wirkung 
des  Christenlhumcs  ist,  dass  heut  zu  Tage  bcv  uns  der  Sieger  im  Kriege,  wenn  er 
sich  nicht  selbst  vcr])lendet,  den  Besiegten  jene  so  wichtigen  Stücke  lässt,  Leben  und 
Güter,  Gesetze,  Freyheit  und  Religion y^. 

a)  In  welchen  Staaten  Europa's  diese  oder  jene  Kirche  der  christlichen  Religion  die  allein 
erlaubte,  oder  herrschende,  oder  Staatsrcligion  sey,  oder  mit  den  übrigen  christlichen  Kir- 
chen gleiche  Rechte  geniesse ,  oder  nur  geduldet  sey,  da\on  habe  ich,  so  wie  von  den 
Rechten  der  verschiedenen  geduldeten Religionsgenosscn  ,  in  meinem  Werke:  „Vergleichen- 
de Darstellung  der  Staatsverfassung  der  europäischen  IMonarchien  und  Republiken  S.  368  ff." 
gehandelt.  Hier  ist  nur  von  der  Anzahl  der  verschiedenen  Religionsgenosscn,  und  von  dem 
Vorzüge  der  christlichen  Religion  vor  allen  übrigen  Religionen, die  Rede. 

b)  S,  Dieselbe  vergleichende  Darstellung  etr,  S.  440 — 448. 

f)  S.  Dieselbe  vergleichende  Darstellung   otc.    S.    44() — 461,    wo  die   sehr  ungleiche  Lage  der 

Juden  in  den  europäischen  Staaten  besdirieben  ist. 
</)  S.  Allg.  geogr.  Ephem.    i8i3.    Juny.  S.    164.   Vergl.  Pollt.  Jour.   1818.  April.    S.  578  ,  wo 

nach   englischen   Berechnungen   die  ganze  Bevölkerung  der  Erde  auf  707  Millionen  angeben 

vvird  ,    unter   denen    sich   397,600,000  Monotheisten  befinden  ,    und   die   übrigen    Folylliei- 

steii  sind. 

e)  Man  denke  z.  B.  an  die  Verachtung  des  weiblichen  Geschlechts  bey  den  Türken  ,  und  an 
das  unmenschliche  Trauerspiel  äi'T  Aufopferung  der  If'^eiber  auf  den  Scheiterhaufen,  nach 
dem  Absterben  ihrer  Männer,  bey  den  Hindus  (in  den  brittischen  Besitzungen  neuerlich 
möglichst  erschwert). 

f)  S.  Montesquieu  de  l'esprlt  des  loix.  L.  XXIV.  eh.  3.  Die  Wirkung  des  Christenlbunis  auf 
den  Zustand  der  Völker  in  Europa;  von  Tj-gc  Rolhe.  Th.   i.  u.  2. 

§•  ig- 

•s)    In    Ansehung    ihrer    W  o  h  n  p  1  ä  t  z  e. 

Die  Europäer  wohnen  theils  in  Stiidten  und  Marktflecken  als  Bürger,  theils  auf 
dem  Lande  in  Dörfern  _,  Weilern  imd  zerstreuten  ITöfen  als  Laiidleutc ;  nur  die 
Jjappcn  und  Samojedeir  wohnen  in  pvramidalischen,  mit  Baiunritide  oder  Häuten  be- 
deckten Stangenjnrten  öder  imtcr  Zelten;  die  Samojeden  im  Winter  auch  in  Hoh- 
len unter  der  Erde,  gleich  den  Zigeunern,  die  wie  Nomaden  auch  unterm  Zelte  leben. 

Die  Städte  sind  von  sehr  verschiedener  Grösse  luid  Beschaffenheit.  Die  Grösse 
derselben  kann  entwedernach  dem  Umfange  und  Flächeninhalte,  den  sie  einnehmen, 
oder  nach  der  Anzahl  der  Häuser  und  Einwohner  bestimmt  werden  a).  Eine  Stadt 
kann  in  Ansehunir  anderer  Städte  el)en  desselben  Landes  gross  sevn  und  L'cnannt  wer- 


I.  Bfw.liner  der  eiirop,  Staatu-D.   ^.   ig.   lu  Aii;chuDg  ilircr  Wohiiplat/.«.  S17 

dciij  die,  wenn  sie  mil  Städten  anderer  Länder  verglichen  wird ,  nur  klein  ist.  Viele 
europäische  Städte  halben  keine  tausend  Einwohner  j  ja  die  Stadt  llammerfest  im 
nördlichsten  Thcile  von  Finnmarken  zählte  im  J.  1806  noch  keine  g  Häuser  und  ilne 
Bevölkerung  üherstieg  nicht  40  Menschen  ^J ;  dagegen  sind  mehrere  mit  einigen  hun- 
dert tausend  bevölkert,  und  Eine  (nahmenllich  London)  zälilt  gar  über  i  Million  See- 
len in  160,000  Häusern.  Überhaupt  gibt  es  gar  zu  grosse  Städte,  sehr  grosse  Städte, 
grosse  Städte,  mittelmässig  grosse  Städte,  kleine  Städte,  Städtchen  und  kleine  Städt- 
chen. Die  zu  grossen  Städte  sind  etwas  Herrliches  in  einem  Staate ,  die  Ccntralpuncle 
menschlicher  Thätigkeit,  die  grossen  Werkstätten  für  Kunst  und  Wissenschaft,  über- 
haupt ein  treffliches  Mittel  für  das  Menschengeschlecht  zu  dessen  Vervollkommnung  j 
aber  auch  schädlich,  weil  sie  die  Brennpuncle  der  Unsitllichkeit ,  die  Sitze  der 
Sterblichkeit  imd  die  Depots  des  Vermögens  eines  Staates  sind,  welches  grösslen 
Theils  in  denselben  zusammenüiesst ,  und  also  andern  Gegenden  und  Örtcrn  des 
Staates  entzogen  wird  cj. 

Einige  Städte  sind  regelmässig,  mit  breiten,  geraden,  einander  in  rechten  Win- 
keln durchschneidenden,  wohlgepllasterten,  reinen,  und  des  IV'achts  durch  Laternen 
erleuchteten  Gassen,  wohlgebauten  steinernen  Häusern,  grossen  Plätzen  und  ange- 
nehmen Spatzieigängenj  andere  haben  enge,  krumme,  winklichc,  schlecht  oder  gar 
nicht  gepflasteite,  schmutzige,  nicht  erleuchtete  Gassen,  und  kleine,  hölzerne,  ohne 
Kunst  mid  Geschmack  gebaute  Häuser.  Eine  Stadt  ist  schön  in  Ansehung  anderer 
eben  desselben  Landes,  aber  nicht  iu  Ansehung  gewisser  Städte  anderer  Länder,  auch 
nicht  in  Absicht  auf  die  Regehi  der  wahren  Schönheit.  Viele  Städte  haben  schöne  Ge- 
bäude und  Thcile ,  aber  wenige  sind  durchgängig  schön. 

Eben  so  sind  die  europäischen  Staaten  in  Ansehung  der  jM^enge  der  Städte  sehr 
verschieden.  Li  einigen  ist  sie  gross,  in  and-ern  mjltelmässig,  imd  in  andern  sehr  ge- 
ring. Die  verhähnissmässig  grösste  Anzahl  Städte  findet  man  in  Deutschland,  Frank- 
reich, Italien,  England  und  den  Niederlanden j  die  verhähnissmässig  geringste  in  Un- 
gern, Norwegen,  Schweden  und  Russland.  Während  in  Russland  -^  dj ,  in  Schweden 
etwas  mehr  als  -i  ej ,  in  Norwegen  kaimi  /^  fj  und  in  Ungern  gar  nur  y^  der  ganzen 
Volksmenge  gj  in  den  Städten  lebt  (ein  besonders  für  den  Landnwnn  sehr  nachthei- 
hges  Verhältniss) :  vejhalten  sich  in  Frankreich  die  Städter  zu  den  Landlcuten  wie 
1 :  4i-  hj ,  in  Deutschland  wie  1  : 3  ij  ,  und  in  England  übersteigt  die  Bevölkerung  des 
flachen  Landes  jene  in  den  Städten  und  Marktflecken  gar  nur  um  J.,  ein,  wie  ein  Re- 
censent  in  den  Götling.  gel.  Anz.  St.  192.  S.  190g  mit  Recht  bemerkt,  beyspiclloses 
Verhältniss  in  einem  so  grossen  Lande,  woraus  manches  der  neuem  so  fühlbar  gewor- 
denen Gebi-echen  erklärlich  ist.  Die  in  der  ncucrn  Zeit  stets  zugenommene  Unsitllich- 
keit des  grossen  Haufens  in  England,  so  wie  die  grosse  Anzahl  der  Armen,  wird  be- 
sonders durch  die  in  den  grossen  Städten  zusammengepresste  Älenge  gemeiner  freyrr 
Arbeiter  veranlasst. 

Die  meisten  Dörfer  findet  man  in  Deutschland,  Frankreich,  Italien,  England, 
Russland  und  den  Niederlanden,  die  schönsten  in  Nordholland,  die  grössteu  aber  in 
Neapel  und  Ungern.  In  den  ebenen  südlichen  Gegenden  dieses  Landes  sieht  mau  Du- 
tzende von  Dörfern,  die  wohl  an  6 — 10,000  Menschen  zählen;  Eiues  (nahiucutlich 


oi8  I.  Bewohner  der  europ.  Slaaten.  §.   19.  Iq  Ansehung  ihrer  Wohnplätze. 

Csaha^  im  Bckeschcr  Comitat)  hat  gar  nahe  an  14,000  Einwohner.  Noch  vofkreicher 
ist  das  Dorf  Turre  del  Greco  im  Neapohtanischen;  es  zählt  15^,760  Einwohner.  Afra- 
gohi  ehcndaselbst  hat  12,674  und  Bosco  10,738  Einwohner. 

Im  Ganzen  gibt  es  in  Europa,  mit  Ausnahme  des  osmanischen  Reichs,  -wo  man 
über  die  Zahl  der  Wohnplätze  keine  Angaben  hat,  nach  Hrn.  Hassel  kj  8186  Städte /y», 
10,084  Marktflecken  und  549,799  Dörfer  und  sonstige  Wohnörtcr.  Von  den  8186^'^"^- 
teii  kommen 


auf  Frankreich 1204 

—  Russlaud 1121 

—  Preussen 1021 

—  das  brittische  Reich     ....  g8o 

—  Österreich 8gg 

—  heyde  Sicilien 676 

—  die  Niederlande 5io 

—  Baiern 22g 

—  Spanien 144 

—  Sachsen 137 

—  Würtemberg l3o 

—  den  schwedischen  Staat   .     .     .  110 

—  Baden 108 

—  die  Schweiz io3 

—  den  dänischen  Staat     .     .     .     .  100 
' —   Sardinien        gg 

—  den  Kirchenstaat go 

—  Hanover .  73 

—  Hessen 64 

-r-  Churhessen 62 

—  Mecklenburg-Schwerin     ...  41 

—  Toscana 36 

-:—  Sachsen- Weimar 305 

—  Nassau 3o 

Von  den  10,084  Marktflecken  fallen 

•luf  Spanien 435l 

—  Österreich 21 13 

—  Frankreich 800 

; —  Portugal 647 

—  Baiern 39g 

—  das  britiische  Reich     ....  3oo 

—  Preussen 2g2 

—  den  Kirchenstaat 212 

—  Toscana l35 

—  Wurtcmbcrg 128 

—  Hanover 121 


auf  Portugal    . 

—  Sachsen-Gotha  . 

—  Waldeck    ... 

—  Braimschweig 

—  Sachsen-Coburg 

—  Mecklenburg-Strelitz 

—  Holstein-Oldenburg 

—  Modena     .... 

—  Anhalt-Dessau    . 

—  Schwarzburg-Rudolstadt 

—  Anhalt-Bernburg     . 

—  Reuss,  jüngere  Linie 

—  Sachsen-Meinungen 

—  Lippe-Detmold 

—  Jonien        .... 

—  Parma 

—  Schwarzburg-Sondershausen 

—  Sachsen-Hildhurghausen 

—  die  übrigen  eilf  kleineren  deut- 

schen Bundesstaaten 

—  die  übrigen  drey  kleineren 

lienischen  Slaaten 

—  Krakau 


21 

14^ 

14 

12 

10 

10 

9 
8 
8 
7 
7 
6 
6 
6 
6 
5 
5 
5 

23 

4 
2 


if  die  Schweiz io5 


den  schwedischen  Staat 

Modena 

Hessen 

den  dänischen  Staat     . 

Baden  

Nassau 

Parma 

Ciiurhessen    .... 

Sachsen     

Jonien        


66 
61 
56 

3? 
36 
55 

32 

29 

27 
20 


I.  Bewolmer  der  europ.  Staaten.  ^.   ig.  Iq  Ansehung  ilirei  Woliuplätze. 


auf  Braiinschwcig 

—  Holstein-Oldenburg     .     .     . 

—  Sachsen-Meinungen     . 

—  Saclisen-Gotha 

—  Schwarzburg-Sondersliausen 

—  Mecklenburg-Schwerin     . 


14 
lo 

lO 

8^ 

7 
7 


auf  Hohenzollern-Signiaringen    .     . 

—  Sachson-Weunar 

—  Sachsen-Coburg 

—  auf  die  i'ibrigcn  i8  kleineren  deut- 

schen Bundesstaaten      ,     . 


Slg 

7 

6i- 

6 


3i 


An  den  649,799  Dörfern  und  sonstigen  Wohnörtern  nehmen  die  einzelnen  euro- 
päischen Staaten  insbesondere  Theil : 
Russland .     mit  201,000    Holstein-Oldenburg     ...     — 


.     .  —  776 

—  l5o,5oo  Sachscn-Gotha —  688 

—  7  7, 967  Mcclilenburg-Sckwerin    .     .  —  621 

—  56,704.  Braunschweig —  401 

—  31,369  Modena —  400 

—  12,549  Sachsen-Weimar     ....  —  386 

—  7,400  Sachsen-Coburg      ....  —  356 

—  6,010  Jonien —  556 

—  5,095  Lucca —  2go 

—  4,232  Mecklenburg-Slrelilz        .     .  —  219 

—  4,000  Reuss,  jüngere  Linie  ...  —  187 

—  5,607  Schwarzburg-Rudolstadt       .  —  i55 

—  3,555  Waldeck —  i5o 

—  3,5oo  Lippe-Detmold       ....  —  145 

—  3,384  Sachsen-Meinungen     ...  —  142 

—  2,688  Sachsen-Hildburghausen        .  —  114 

—  2,523  Anhalt-Dessau    ......  —  100 

—  2,427  die  übrigen  i3  kleineren  dcut- 

—  1,814             sehen  Bundesstaaten      .  —  710 

—  1,520  die  übrigen  2  kleineren  italie- 

—  8l5             nischen  Staaten    ...  —  41 

—  806  Krakau —  77 

a)  Auf  diesem  UntPrschiede  beruhet,  wie  Büsching  bemerket,  die  Entscheidung  der  Streitfra- 
ge: oh  London  grösser  sey,  als  Paris  ?  oder  ob  Paris  grösser  sey ,  als  London?  Nach  der  ersten 
Art  der  Bestimmung  der  Grösse  hat  Paris,  und  nach   der   zwe)  ten  ,  London   den  Vorzug. 

b)  S.  Monathliche  Correspondenz  zur  Beförderung  der  Erd-  und  Himmelskunde  1810.  Jul. 
S.   145.  ff. 

c)  S.  Bemerkungen  über  die  grossen  Städte;  in  der  von  Archenholz  herausgegebenen  Zeit- 
schrift Minerva.  1804.  B.  3.  S.   186  iT.    Vergl.  Götting.  gel.  Anz.  1818.  St.  14.  S.  i34. 

d)  S.  (>.  IVichmanns  Darstellung  der  russischen  Monarchie.  S.  188.  An  dem  ungeheuren  We- 
ge von  Irkulzic  nach  Toms/c  in  Russisch-Asien  —  fast  i45o  Wersten  —  sind  nur  drey  Städte 
gelegen. 

e)  S.  Cromc  a.  a.  O.  S.  97.  —  /)  S.  Crome  n.  a.  O.  S.  io5.  —  g)  S.  t>.  Schwarlner  a.  a.  O. 
S.   164.    —  h)  S.  Croiiie  a.  a.  O.  S.  200.   —  i)  S.  Crome  a.  a.  O.  S.  2oo. 

k)  S.  die  seinem  Lehrburhe  der  Slalistik  der  europäischen  Staaten  für  höhere  Lchranst.ilten 
etc.  ^(Weimar ,  1822)   beygegebene  Tabelle,  wo   jedoch  die  Zahl  der  Marklücckeu  ia  Russ- 


Frankreich 
Österreich      .     . 
Preussen  . 
Baiern 

Spanien     .     .     , 
die  Schweitz 
Dünemark 
Hanover     .     .     . 
Sardinien 
Portugal    . 
die  Niederlande 
Würtemjjerg 
der  Kirchenstaat 
Sachsen 
Toscana    .     . 
Schweden      .     . 
Baden        .     .     . 
Hessen      .     .     . 
Churhesscn    . 
Parma  .... 
Nassau 


520  I.  Bewohner  Jer  europ.  Staaten.  §.  20.  ia  Anseliung  ihrer  Woliuplätze.  Fortsetzung. 

land  ,  boydcn  Sicilicn ,  den  Niederlanden  und  in  Sardinien  ,  dann  die  Zalil  der  Dörfer  und 
sonstigen  Wolinörter  im  britlischen  Reiche  und  in  beyden  Sicilien  nicht  angegeben  sind. 
Z)  Ein  Verzeichniss  von  1370  Städten,  nach  Häuser-  und  Menschenzahl,  nebst  Angabe  der 
Länder  und  Provinzen,  findet  man  in  dem  Taschenbuche  Rronos  für  das  Jahr  j8i6.  — 
Europäisclies  Panorama,  oder  Abbildung  und  Beschreibung  merkwürdiger  Haupt-  und  Re- 
sidenzstädte, Avichliger  Handelsplätze  und  anderer  berühmter  Orte  in  Europa.  Nach  den 
besten,  neuesten  und  vcrlässlichsten  Quellen  bearbeitet  von  J.  ÖliUn^cr.  Wien,  1822. 

§.   20. 
Fortsetzung.  , 

Die  europäischen  Städte- Kolosse  folgen  sich,  nacli  der  Zahl  ihrer  Einwohner, 

in  nachstehender  Ordnung:  Einwohner. 

London      ............  1,225,700  nj 

im  Jahre  iSjy  nicht  völlig     .......  43,000 

Paris 7i5,5g5  bj 

Constantinopel  (Istambor),  nach  i^airtj  vor  dem  Aufstande  der  Griechen  400,000  cj 

nach  CannabicJi      .....  5oo,ooo 

nach  Galletti           .....  600,000 

nach  Andre'ossj       .....  63o,000 
nach  Lüdecke  (mit   InhegrifF  einiger  be- 
naclihartcr  Orte,  die  man  als  Vorstädte 

Constanlinopels  amiimmt)     .         .         .  1,000,000 

Neapel 334,ooo 

St.  Petersburg 271,000  dj 

nach  andern    ......  3oo,ooo 

TFien 240,000 

Lissabon  (Lisboa)     ' 240,000 

nach  andern     .         .         .  <        .         .         .  235,ooo 

nach  noch  andern    .....  3o8,ooo 

Moskwa  oder  Moskau  j  vor  dem  Brande  ej  ,  nach  Stein,    im  Winter  400,000 

im  Summer  3oo,000 

nach  Fcd>rij  im  Winter  3oo,ooo 

im  Sommer  200,000 

gegcnwäilig  nach  Gidletti         .         .  200,000 

nach  Cannabicli    .         .  260,000 

Dublin 197,000 

Amsterdam        .         .         •         'i- ' 193,100 

Berlin 192,646 

Palermo 180,000 

Madrid       ............  170,000 

Piom  (in  Hinsicht  J.js  Architekturstyls,   die  erste  Stadt  in  Italien,    so 

■wie  in  Europa)      .........  140,000  fj 

■während  der  Jahre  1796 —  i8l4  war  Roms  Bevölkerung  von 
160,000  auf  go,000  gesunken. 


I.  Bewohner  der  eur.ip.   Staaten.  §.   20.  lu  An^eFiuDt;  ihrer   \Vi)lin|iIät7,c.    Furlsotiung.  3ll 

Einwohner. 

Mciiland 104,000 

Lyon  ............         t        i3o,ooo 

Marseille 118^000 

Manchester 110,000 

im  Jahre  i65o  nur         ........  27,000 

p^enedig 109,779 

Hamburg- 106,920 

Valencia 106,000 

Edinburgh  niil  Leith  .........         io3,ooo 

PFarschausJ    • ]oo,3oo 

Glasgow 100,000 

Bordeaux 100,000 

Kopenhagen 100,000 

Adrianopel         . ,       .         .         .         .         100,000 

a)  Eine  Bevölkerung,  die  keine  Stadt  der  Weh  hat,  ausser  Pekings  der  Hauptstadt  von  Chi- 
na, wo  nach  dem  Berichte  des  Lords  Macarlnej'  über  2  Millionen  Einwohner  eczäh- 
let  werden. 

b)  Im  April  1814  waren  in  Parlft  über  i,2oo,ooo  Menschen  angehäuft.  In  Folge  einer  könlgl. 
Verordnung  vom  9.  Jul.  i8i5  nahmen  die  Plätze ,  Strassen  und  Brücken  der  Stadt  Paris 
die  Nahmen  wieder  an,  welche  sie  am  1.  Januar  1790  getragen  haben,  und  jede  diesen 
zurviderlaufende  Inschrift  wurde  ausgelöscht.  Die  ehemalige  Brücke  \on  Auslcrlilz  führt  da- 
her wieder  den  Nahmen:  Pont  du  Jardin  du  Roi ,  und  die  ehemalige  Brücke  von  Jena  den 
Nahmen:  Pont  des  Invalides.  S.  Osterr.  Beob.  i8i5.  Nr.  209.  S.  1140.  —  Über  das  Über- 
gewicht der  Hauptstadt  Paris  über  die  Provinzen;  in  dem  Polit.  Jour.  181 1.  Nov.  S. 
993 — lOOO. 

c)  Die  Häuser  in  Constantinopel  sind  meistens  nur  aus  Holz;  höchstens  mit  Fachwerk  gebaut- 
daher  die  Türken  bey  Feuersbrünsten  sehr  grosse  Gleichgültigkeit  zeigen.  S.  H.  A.  L.  Z. 
1811.  Nr.  245.  S.  76. 

d)  Die  meisten  Strassen  in  St.  Petersburg  sind  70  Fuss  breit  und  darüber ,  die  engsten  sind 
breiter  als  die  breitesten  in  Wien,  nähmlich  /^2  Fuss.  Im  J.  1814  zählte  es  7683  Häuser. 
Darunter  waren  2356  steinerne  Gebäude,  alle  übrigen  waren  noch  von  Holz.  S.  Ergän- 
zungsbl.  z.  H.  A.  L.  Z.  1818.  Nr.  44.  S.  346. 

«)  Versuch  einer  Darstellung  der  Verbrennung  und  Plünderung  Moskwa  s  durch  die  Franzosen 
im  SepteraBer  i8i2;  von  einem  Augenzeugen.  Mit  Kupfern  und  einem  kleinen  Plane.  St.  Pe- 
tersburg, i8i3.  Vergl.  Gölting.  gel.  Anz.  1817.  146.  St.  Der  Haiiptbrand  Mo.skK^a'.s  dauerte 
von  Abend  des  2.  Sept.  i8i2,  nachdem  Napoleon  Nachmittr.i;s  —  zum  ersten  Male  in  sei- 
nem Lebeu  ohne  alle  ihm  sonst  in  ähnlichen  Fällen  \viderfahrne  Ehrenbezeigung  —  einge- 
rückt war,  sechs  Tage  anlialtend  im  Zusammenhi-  fort;  späterhin  unterbrochen  und  spo- 
radiscii  in  einzelnen  noch  verschonten  Quartieren,  bis  zum  lo.  October,  wo  die  Franzo- 
sen sich  entfernten.  Die  Anzahl  der  abgebrannten  numerirten  ,  meistens  nach  dortiger  Bau- 
art von  einander  gesonderten  Höfe  beträgt  gegen  9000.  Weil  indess  jede  Nummer  fast  ohne 
Ausnahme  vier,  fünf  und  mehr  einzelne  Gebäude  begreift;  so  lässt  sich  die  Tolalsumme 
der  abgebrannten  Häuser  mit  Einschluss  von  Kirchen,  Capellen  {^uden  ,  Speicln-rn  ,  Gar- 
ten'räusern  ,  Badstuben,  Ställen  u.  s.  w.  auf  wenigstens  33 — 40,000  anschlagen.  Von  3i 
Apotheken  blieben  nur  3,  so  dass  es  bald  an  Arzeney  für  die  imgiürklichen ,  in  der  Schlacht 
bey  Borodino  verwundeten  Krieger  beider  Parteyen  fehlte.  Die  ersten  wahren  Uis.iclien  des 

41 


322  I.  Bewoliuei   Jei-  turop,  Staaten.   §.   21.  In  .Ansehiui';  ilacr  Wolinplatzc.   Fortsetzung. 

Brandes  lagen  —  in  zufällig  sich  vereinigenden  Umsländen,  denen  ähnlich ,  welche  im  alten 
Rom  eintraten  ,  als  dasselbe  vom  römischen  Heere  und  den  meisten  Einwohnern  verlassen, 
durch  die  Gallier  eingenommen  und  geplündert  wurde ,  wo  sie  gleichen  Effect ,  wie  in 
Äloskwa,  hatten.  Es  ist  also  ein  grosser  Irrthum ,  wenn  man  die  Anziindung  Mosk>va's  für 
ein  heroisches  Opfer  hält,  das  von  den  Russen  zur  Rettung  des  Vaterlandes  gebracht  sey. 
Moskwa's  Verbrennung,  die  Napoleons  Verderben  herbeyfiihrte,  war  nicht,  wie  einige  da- 
für hielten  (S.  Historische  Übersicht  der  neuen  Politik  und  Staatsverwallung.  Aus  dem 
Englischen  übersetzt,  mit  Anmerkungen.  Von  S.  H.  Spicker.  B.  1.  das  Jahr  i8i2.  Berlin, 
i8i5.  S.  149  S.  Vergl.  Russlands  glorreiche  Selbstaufopferung  zur  Rettung  der  Menschheit: 
Leipzig,  1814.),  Folge  eines  Planes  der  Russen  ,  oder  der  ursprünglichen  Absicht  Napo- 
leons ,  sondern  ein  Werk  des  höhern  Verhängnisses  ,  zur  Befreyung  Europa's  aus  den  Ban- 
den seines  Verheerers.  —  Nach  mehreren  Nachrichten  aus  Moskau  ersteht  diese  Stadt,  wie 
ein  Phönix ,  schöner  als  jemals  ,  aus  ihrer  Asche. 

/)  Das  vorzüglichste  Hinderniss  der  stärkern  Bevölkerung  iRo/)i5  ist  die  grosse  Sterblichkeit , 
nicht  nur  wegen  der  Bösartigkeit  der  Luft,  sondern  auch  desswegen  ,  weil  der  schädliche 
Gebrauch  herrscht,  die  Todten  in  den  Kirchen  zu  begraben.  In  grosse  Gruben  %verden 
die  Leichname  geworfen  ,  ohne  Särge ,  weil  die  Armen  sich  derselben  wegen  des  Holzman- 
gels von  Neuem  bedienen,  und  jene  werden,  wenn  sie  gefüllt  sind,  vermauert,  um  nach  5o 
Jahren  zu  gleichem  Gebrauche  wieder  geöffnet  zu  werden.  Daher  Todtengeruch  die  heiligen 
Stätten  erfüllt.  S.  J.  A.  L.  Z.  1818.  Nr.  11.  S.  86. 

g)  Es  ist  theils  sehr  schön  ,  theils  sehr  hässlich  gebaut.  Man  findet  in  den  Hauptstrassen  viele 
steinerne  und  schöne  Gebäude,  auch  Palläste,  liingegen  in  den  entlegenen  Strassen  noch 
viele  hölzerne,  mit  Schindeln  und  selbst  mit  Stroh  gedeckte  Häuser.  S.  Caiuiabichs  Lehr- 
buch der  Geographie.  Sondershausen  1817.  S.  410. 

§•   21. 
Fortsetzung. 

Die  volkreidisten  der  übrijjen  cm  opaisclien  Städte  und  Marlflcckeii  sind,  und  zwar: 
1)  In   der  österreichischen  Monarchie. 

Eiuwohuer.  Einwohner. 

Prag 79,606    Szegedin .     .  3o,i53 

Pestk 47,200  nach  andern       ....  27;2g5 

Padua 46,60g    f^'icenza 3o,o25 

Lemberg       4i,85o    Brunn 27,100 

nach  andern       .     .     .     .  öOjOOO    Cremona 25,825 

Verona 4ij5oo    Kronstadt 25,ooo 

nach  andern       ....  5o,ooo  nach  andern      ....  5o,ooo 

Debreczin 39)717    Mantua 24j775 

nach  andern      ....  40,000  Ketskemet  (der  grösste  Markiflc- 

Triest 36,ooo  ckcn  in  Ungern,  so  wie  in  der 

Pressburg 35;o55  ganzen  ösierr.  Monarchie)       .  24,616 

Grätz        34,000  nach  andern  über        .     .  3i,3oo 

Ofen 32,000    Bergamo 24>ooo 

nach  andern      ....  28,5oo    Schemnitz 23,ooo 

Brcscia 3i^o5o    M.  Theresiensludt 22jOOO 


I.  Bewohnfr  der  europ.   Staateu.   §.  21.   In  Anseliung  ihrer  Wol)0jilal7,e.  Fortsetiung.  3j3 

Eiuwoliner.  •  Eiiiw.liuor. 

Pai'ia 2lj5oo    M"5'Äo/c3  (Marktflecken  in  Ungern)   i5,5oo 

jBrodj 21,000    Salzburg i3,o5o 

Chioggia        20,6oo    Nyiregjhaza  (Mklfl.  in  Ungern)    .    i5j,ooo 

Zoinbor 18,776    Teinesvdr 12,665 

Stuhiweisseiiburg l8,6gi     Oedenburg 12,525 

El  lau        18,000    Roveredo 12,000 

Lodi 17,800    Nagy -Korbs  (Mkt/l.  in  Ungern)     .   13,621 

Udine ijjiyö    Jasz-Berenj  (Mktfl.  in  Ungern)     .   i3,5qi 

Neusatz i6,663    Kascliau       11,960 

Linz 16,475    Carlsburg 11,275 

Herrmannstadt 16,000    Szathmär-Nemethi u  200 

i5e/ieA' (iMkül.  in  Ungern)      .     .     .    1^,800    Ollmütz 11,000 

Clausenburg 14,025    Iglau io,g5o 

Trient l4,5oo    Gran 10,700 

Ti-rviso 14,200    Innsbruck io,25o 

Raab 13,698    Jgram 10,000 

nucli  andern       ....   16,118    Komorn 10,000 

2)  lu  der  preussischen  Monarchie. 

Breslau 78,i35    Elberfeld 16,970 

Königsberg 63,869    Stralsund 16,869 

Colin 56,420    Trier i5,3i8 

Danzig 53,818    Halberstadt 14,718 

Magdeburg 36,677    Brandenburg 12, -^62 

Jachen 33,620    Wesel i2,io5 

Düsseldorf 26,655    Quedlinburg 22  026 

Stettin 25,847    ^'^isse 11,897 

Potsdam 24,970    Tilsit 11,668 

Posen 24,598    Glügau     .     .     .     .   • ll,i83 

Halle 23,873    Coblenz 11,171 

Erfurt 2l,33i    Bonn lo,565 

Barmen 19j472    Brieg 10,5^7 

Elbing 19,469    Thorn 10,4^0 

Münster 17^9^2    Aordhausen io,5')8 

Frankfurt i6,o56    Eupen 10,184 

3)   In  Deutschland j  ohne   Oslerreich    und  Prcussen,   und  zwar: 

a)  In  Baiern:  Ansbach 12,849 

München 60,024    Fürth 12, -705 

Augsburg 29,470    Baireuth ll,i5S 

Nürnberg 26,743  1>)  In  Sachsen : 

Begensburg 18,843    Dresden 4n.o-'4 

Bamberg 16,397  nacli  andern      ....  55, 000 

TFurzburg 1 5,533    Leipzig 5 -,000 

41* 


5s4  ^'  Bewohner  der  eurjp.   Slaaten.  §.   Ji,   In  Auscliung  ihrer   Wohiiplätze.  Fortsetzung. 

Einwohner.  Einwohner. 

Chemnitz i2,ooo  t)  In  Sacfisen-Gothn : 

Bautzen ll,5oo    Gotha 11,800 

c)  In  Hanover:  Altenhnrg 10,200 

Ilauover 24,000        V)  h\  dun  (jc\neUn\  dev  freyen  Städte: 

Emden 11,000    Frankfurt  a.mM'Ma 42,800 

Hildesheim 10,64g    Bremen 36,ooo 

Göttingen .   10,400    Lübeck 20,000 

Lüneburg 10,o3g  zu  Anfang   des   ig.  Jalirhun- 

d)  In  fFürtemberg:  derls  noch  ül)er 3o,ooo 

Stuttgart 26,016        m)  Residenzstädte  unter  10,000  Ein- 

Ulm 11,027  "woliner  zä]ilend  : 

Ausserdem  8  Städte  über      .     .     .     5,ooo    Dessau g,220 

c)  In  Baden :  IFeimar 8,673 

Mannheim 21, .525    Coburg 8,164 

Carlsruhe i6,o38    Greitz  (Rcuss-,  allere  Linie)  .     .     6,200 

FrejbuT'g 10,748    Köthen 5,5oo 

f)  In  Churhessen:  Oldenburg 5, 200 

Cassel ig, 000    Bernburg 4,85o 

Ilauau 12,000    Schleitz  (Kcuss- ,  jüngere  Linie)  .     4,600 

Fulda       7,400    Neustrelitz 4,5oo 

Schmalkalden 5,3oo    Rudolstadt 4,100 

g)  Im  Grossherzoglhume  Hessen :  Hildburghausen 3,5oo 

Mainz  ." 26,400    Sondershausen 3,ioo 

Darmstadt l5,54o    Homburg 2,g6o 

Olf'enbach g,ooo    Zo/.>e/i.y<e//i  (Reuss-,  jimgcre  Linie)     2,700 

Gicsen 6,000    Hechingen 2,600 

li)  In  Mecklenburg-Schwerin :  Detmold 2,670 

Rostock l4,3oo    JFedbuig  (Nassau-) 2,170 

Schwerin 10,000    Bückeburg  (Scliaumbuig-Lippe-)     2,060 

i)  In  Braunschweig :  Jrolsen  (VValdeck) 1,400 

Braunschweig 2g,g5o    Ebersdorf  (Keixss-,  ]\ms,evc'\Am.p)     1,070 

Wolfenbüttel 7,000    Siegmaringen 780 

4)  In  der  Schweiz. 

Genf 22,o56    Herisau  (IMktfl.) 7,000 

Basel 16,200    Frejburg 6,871 

Bern i3,ooo    Schaffhausen 5,5oo 

Zürich^ io,3oo    ISeue/iburg 5, 100 

Lausanne 10,000    Luzern 5,ooo 

St.  Gallen f),ooo 

5)  In  Itidien  j  olinc  das  lombardiscli-vcnetianische  Königreich,  und  zwar: 

a)  In  Sardinien:                          Genua  Qci  supcv'n,<)      .....  76,000 
Tui-in  . 88,600    Cßgäß/'t 36jOOO 


I.  Bewohuer   der  europ.    Staaten,  §.  21.  In  Anseluing  ilirer  Wulinplatze.  FortSEtziing.  525 

Einwohner.  Einwnliner. 

Alessnndria •   ..  .     .  3o,2i6  Jncona 29,800 

Sassnvi 3o,ooo  Raveiuia 23,q33 

Moiidoi'i 21,557  Ferrava 23,638 

Ast'i 21,225  Fermo 19,678 

JKizzn 19^645  Faenza i8,332 

Ciineo        i6,5oo  Rimini 17,468 

VerceUi 16,162  Forli l5,526 

Casale l6,i5l  Mncerata 15,087 

J^igevano i5,4oo  Foligno i5,oo2 

Novara 14,662  Faiio 14,673 

Fossano 14,000  Cesena 14,672 

Chamberj I2,ooo  Benevento 13,928 

Cherasco 11,166  Pesaro 1 5,586 

Sdvoiia 10,664  ^^ilerbo 12,588 

Racconighi io,536  Urbino 1 1,582 

Sa/uzzo io,i5o  Bagna-Cavallo 10,669 

Pinerulo •     •     •   10,086  h)  In  der  Republik  i'rr«  A/^rmo  ; 

Chieri 10,060  S.  Marino 5,5oo 

Voghera lo,023  \)\r^  bejden  SlcUien  ^nw^  7.\yAx: 

b)  In  Parma:  aa)  Im  Königreiche  Neapel: 

Parma 28,5oo  Lecce 20,000 

Piacenza i5,ooo  Foggia i9,5oo 

Guastalla 5,5oo  Bart i8,g37 

c)  In  Morletia :  Taranto 18,000 

Modena 19,555    J^'^^rleLta 18,000 

rxeggio i3,3oo    ^^^ö'o iG^'^oo 

]^  T     T\i  Gaeta l4)8i2 

d)  In  Massa :  _ 

Trani lOjSoo 

Massa       .......    ^     .     0,826      .  ,  -  ,^„ 

^,  ^  Aversa iJ,^oo 

Larrara 8,45o    «,  . 

'^        Matera 12,400 

e)  In  Zmcc^;  Jvellino .     .i2,3oo 

Z»,cc«  (in dustriosa) 17,160    Catanzaro 11,464 

f)  In  Toscnna:  Sularno io,65o 

i^/o?r«z  (la  bclla) 75,2o5  bi))  Im  Königreiche  ÄCiVit?«  : 

Lh'orno  (das  Paradies  der  Juden)  5o,54g    Catmna 46,000 

Slena 24,000  nach  andern       ....  60,000 

l^i^'^f^ 17,000    Messina 45,ooo 

Pisloja 10,000  nach  andern       ....  70,000 

Prato 10,000    Trapaui 24,33o 

\0  Im  Kirchenstaate :  Marsala 20,600 

Bologna 63,420    Celatanisetta 1 5,62 7 

Perugia 3o,ooo    Girgcnti i5,ooo 


326  I,  Bewohner  Jer  europ.  Staaten.  §.  21.  In  Ansehung  ihrer  Wohnplätie.  Fortselznng. 

Ein-wolincT.  Einwohner. 

Siragosa i5,ooo    Tdcosia 12^064 

(in  allen  Zeilen  1,200,000)  Licata 11,280 

Tennini •   l4>l5o  1^)  Auf  der  Insel  Malta: 

Lipari      .     .     .     , 12,485  Frz/ef^e  (ohne  die  Fremden)     .     .  3o,ooo 

6)  In   der  jonischen  Republik. 

Zante 19,040    Jmakuld 5,5oo 

Corfu i5,665    Likuri 5,ooo 

7)  In  Frankreich. 

a)  In  Nord/rankreich :  Dijon  . .     .21,612 

Ronen 86,972    Dieppe 20,000 

]Santes 77>226    St.  Omer 20,000 

Lille 61 ,5oo  1))  In  Südfrankreicli : 

Strassburg 4g,o56    Toulouse 62,000 

Orleans 42,65l    ISismes 41.195 

Metz 42,137  Montpellier  .     .......  34,000 

Amiens 41,200    Clennont 3i,5oo 

Caen 36,234    Besangon 28,5oo 

Jngers 34,ooo    Touloti 26,170 

Rheims 31,779    Montauban 25,232 

JSancj 3o,532    Jvignon 23,8oo 

Troyes     . 3o,ooo    Tours .  23, 100 

Rennes 29,668    Aix •.     .     .     .  21,960 

Brest 26,000    Grenoble 20,664 

Dünkirchen 24,178    Limnge 2o,255 

Fersailles 23,i66    Arles 2o,i5i 

8)  In  Spanien. 

Sevilla go,ooo    Reus ♦     .     .     .  5o,ooo 

Cadiz 70,000    Palma 29,629 

Granada 66,660    Carthagena       . 29,000 

Malaga 52,376    Eccija 28,176 

Bai^celona  hat  gegenwänig  noch  .  40,000    Jaen 27,600 

l4,ooosindim  J.  1821  an  denFol-  Toledo ♦     .  26,000 

gen  des  gelben  Fiebers  geslorben,  Mataro 26^000 

und  80,000  sind  ausgewanderi.  Santjago 21,334 

Saragossa ■.  40,000  Ferrol      .........  20,000 

Murcia 35,ooo    Orihuela 20,000 

Cordova 35,ooo    Ronda 20,000 

Valladolid 3o,ooo    Alicante 20jOOO 

q)  In  Portugal. 

Porto  oder  Oporto 64,000    Coimbra  . i5,ooo 

nach  andern       ....  74,000    Setuval 12,000 

Braga 18,048    Evora i2jOOO 

Elvas 16,000 


I.  Bewohner  der  europ.  Staaten.  §.  21.  lu  Ansehung  ilirer  Wohnplälze.  fortseUung.  Slj 

lo)  Im  brittischen  Reiche ^  und  zwar: 

a)   In  England:            Einwohner.  h)    In    Schottland.         Einwohner, 

Lei'erpool     ........  g5,ooo   Paislej- 36,722 

jßirmüigham 86;000    Dunden 3o,g8g 

Bristol 76,433    Jberdeen 22,000 

Pljtnouth 65,ooo    Perth 17,000 

nach  andern      ....  56,o6o  vi      ,  ;      j 

r      j                                                    ^  c)  In  Irland. 

Leeds .  62,000  ^ 

Portsmouth 40,600    Cork go,ooo 

Hall 3g,48o    Limerick 60,000 

Bath    .     .     .     .     .     .     .     .     .     .  38,43g    JFaterJoi'd 35,ooo 

JSorwich 5i,'zbQ    Belfast 3o,ooo 

Scheffield      .     .     .' 36,ooo    Kilkenny 17,000 

JSewcastl 3.5,711    Newry      . i5,ooo 

Piottiugham       .......  34,363    Galwaj i5,ooo 

Leicester .  23,146  Dundalk  ....,,.,.   i5,ooo 

Shields    .........  20,000 

11)  In  den  Niederlanden. 

a)  In  den  nördlichen  Provinzen :  1>)  In  den  südlichen  Provinzen : 

Rotterdam  ........  55,ooo    Brüssel 76,000 

nach  andern      ....  5g,ooo    Gent 60,700 

Haag 44,000    Antwerpen 60,000 

Utrecht    .........  34,880  i'^i  i6-  Jahrhundert  .     .     ,      200,000 

Lejden 3o,700    Lüttich 47,000 

Groningen .  27,800    Brügge 34^245 

Ilaarlem       '. 21,200    Löwen 26,400 

Dortrecht    ........  18,000    Doornik 23,256 

Lenwarden 17,000   Mons <  20,000 

Middelbnrg i3,200    Mecheln 20,000 

JSiinwegen i3,ooo  Rlast rieht     ........   18,400 

Zwolle i3,ooo    jSamur i6,i65 

Detft i5,ooo  Ypern      .........   i5,2gi 

Gondu     .........   12,000  Curtrjk  .........   14,000 

12)  In  der  dünischen  Monarchie. 

Jltona 24,522    Alborg 6,600 

L'lensbnrg    ........   16,000    Oderisee 6,000 

Schleswig 7,800    Aarlunis 6,000 

Kiel 7,000    Glückstadt  .     .     .  , 5,200 

i3)  In  der  schwedischen  Monarchie. 

Stockholm 73,000    Bergen  (Norwegen) 18,111 

nach  andern      ....  80,000    Carlskrona li,goo 

Golhenburg 21,800  Cliristiania  (Norwegen)      ,     .     .  11,000 


52<i  I.   Bcwuliuer  der   europ.   Staaten.  §.  21.  lu  Anseljung  iLrer  Wohnplälze.  Furlsetzung. 

Eiuwoliner.  Einwnliner. 

Norrköpiiig 9,5oo    Ceße 5,6oo 

Drontheim  (Norwegen)  ....     8,100    Mcdewe 5,000 

Drammen  (Norwegen)    ....     6,000 

IZ,)  In  dem  russischen  Reiche  und  dem  damit  vcrcinigtea  Königreiche  Polen. 

Kiew 40,000    ^bo 12,200 

Odessa 55,5oo    Kisläv 12,000 

1796  nur i5,ooo    Smülensk 12,000 

Riget 3o,ooo    JSischegorod i2,coo 

Astrachan ^0,000    Toropez i2,oco 

Kronstadt 3o,ooo    Sumj 12,000 

Tnla 3o,ooo    Nachitscliewan 12,000 

TFilna      , 25,ooo    Elisabethgrad 12,000 

Kaluga 26,000    Koslow ii,5oo 

Bender 25,ooo    Wologda 11,000 

Jaroslaw 24,000    Mitau 11,000 

Twer 20,000    TViasma 11,000 

Kursk 20,000    üstjug-TFeliki 11,000 

Orel 20,000    Nowgorod 10,780 

Akmetscliet 20,000    Lublin  (Polen)  ...'....   io,3oo 

Orenburg 20,000    Pskow 10,000 

ßieshin 16,000    Tschernigow 10,000 

Mohilew '    .     .     .     .   16,000    Pnltawa 10,000 

Wltehsk 1 5,000    Cherson 10,000 

Reval ]  5,000    Kasimow 10,000 

Tambow i5,ooo    Putiwl 10,000 

TVoronesch i5,ooo    Korotscha     ........  10,000 

Charkow i5,ooo    Tschngujew 10,000 

Tsclierkask l5,ooo    Archangelsk 10,000 

Nikolajew i5,ooo    Jkkicniuuin 10,000 

Achtjrka 12,800 

]5)  I'i  dem  GcLiete  Aev  frej  en  Stadt  Krakau. 

Krakau 27,000 

lö^l  In  der  earopäisc/ien  Tiirkej j   vor  der  liisiinoclion  der  Griechen. 

Saloniki 70,000    Seres 3o,ooo 

SaiYijevo  (Eosna  Seraj)    ....  65, 000    Jassy 27,5oo 

Bukurescht 60,000    IFiddin 25,ooo 

Sophia 46,000    Lurissa  (Jcnischehr)        ....  25,ooo 

Hydra 40,000    Sistow 21,000 

Ixusdschuck 3o,ooo    Silistria 20,000 

Janina 3o,ooo    Schunina 20,000 

Philipopel  (Fchlieli) 3o,ooo    Eskisagra 20,000 

Belgrad 5o,ooo    Kastorea       ........  18,000 


1.  Bewohner  der  europ.  Staaten.  ^.  22.  In  Rückaiclil  ilnir  Gcwerlie  od.  Bescliäftigungen.  329 

Eiuvvolmer.  Einwoliuer. 

GaUipoli 17,000    Zwortiik  (Tsvornik) i4;,ooo 

Warna i6;000    Tripolizza 12,000 

]\egropünte 16,000    Babatag 10,000 

Mistra 16,000    Nikopoli 10,000 

Skiitnri 16,000    JÜien  (Aihiniah) 10,000 

Baujaluha i5,ooo    Lhuidla iO;Ooo 

Candia i5,ooo 

§•    22. 
f)   In  Rücksicht  ihrer   Gewerbe   oder  Beschäftigungen. 

In  Ansehung  ihrer  Gewerbe  endheh  werden  die  Ein\vohner  Europa's  in  drcy 
Hauptclasscn  geschieden  : 

Die  erste,  die  prodiicii'encle  Cl^sse ,  umfasst  alle  diejenigen  Geschäfte,  welche 
die  Gewinnung  der  Productc  der  Erde  in  ihrer  naliirlichcn  Gestalt  ziun  Zwecke  ha- 
ben ,  sie  mögen  nun  in  dieser  Gestalt  consimiirt  werden  oder  nicht.  Dahin  gehört  der 
eigentliche  Landbauer  und  Gärtner _,  der  TVinzer  j  der  Förster  und  Waldbaiier  ^ 
der  HirtSj  der  Fischer  und  der  Jäger ^  der  Steinhauer  und  der  Bergmann.  Dasje- 
nige, was  sie  zur  menschlichen  Nahrung,  Kleidung,  Wohnung  und  zu  anderem  Bchu- 
fe  liefern,  sind  Nalurproducte _,  die  iheils  in  der  Gestalt,  in  welcher  sie  gewonnen, 
auch  verzehrt  \\ erden,  iheils  aber  eine  weitere  Behandhmg  erfordern,  um  sie  zum 
Gebrauche  geschickt  zu  machen.  Die  Iclzlcren  heisscn  in  dieser  Hinsicht  rolie  Mate- 
rialien, Übrigens  ist  diese  Classc,  obgleich  in  Riicksicht  der.  Arbeit  die  ärmste  an 
Verschiedenheit /der  Zweige,  und  die  einfachste,  doch  an  Individuen  bey  weitem  die 
zahlreichste,  uijd  durcli  ihr  Gewerbe  an  das  offene  Land  gehalten. 

Die  zwcyte  Classe ,  die  verarbeitende  oder  veredelnde  j  begreift  alle  diejenigen 
Gewerbe,  welche  den  Nalurproduclen  durch  eine  mechanische  Behandlung  ihre  na- 
türliche Geslnh  nehmen,  mehrere,  wenn  es  nöthig  ist,  zusammensetzen,  und  so  ver- 
änderte Producte  liefern,  die  man ,  um  sie  von  jenen  zu  unterscheiden,  Kunstpro- 
ducte  nennet.  Diese  Classe  umfasst  eine  unendliclie  Mannigfaltigkeit  von  Arbeiten  , 
obgleicli  eine  geringere  Zahl  von  Arbeitern,  als  die  vorige.  Die  Arbeiter  heissen  Hand- 
werker ^  Manufacturisten  und  Fabrikanten  (vergl.  Abth.  I.  §.  92-),  und  nehmen  ih- 
re Wohnsitze  gewöhnlich  in  den  Städten. 

Die  dritte  Classe,  die  handelnde j  besteht  aus  denjenigen,  welche  sich  mit  dem 
Vertriebe  der  von  andern  erzeugten  und  verfertigten  Waaren  beschäftigen,  diese  mö- 
gen imn  Producte  der  JNatur  oder  der  Kunst  scyn.  Dahin  gehören  1)  alle  diejenigen, 
v/elche  Waaren  einkaufen,  um  sie  mit  Gewiim  wieder  zu  verkaufen,  nähmlich  die 
Kaußeute _,  die  K?-ämer  und  die  Höcker ;  2)  diejenigen,  welche  den  Transport  der 
Waaren  besorgen,  als  die  SpediieuT'S j  die  Schijfer  und  Fuhrleute;  3)  diejenigen, 
welche  zwischen  dem  Käufer  und  Verkäufer  in  die  Mitte  treten,  und  beyden  das  Ge- 
schäft erleichtern,  die  Mäkler  oder  Senscde.  Diese  Classc,  an  Individuen  von  allen 
die  schwächste,  ist  sowohl  zur  Beqiundiclikeit,  als  zum  stärkern  Vertriebe  der  Waa- 

42 


33j     II.  Geistcscultur.  §.  23.  Notliwendigktit  der  Verschiedeuh.  dti  BilduugsausUUeu  iu  einem  Staate  elo. 

ren;  und  dadurcL  zum  allyemeiuen  Wohlstände  und  zur  Ycrbindüng  entfeinter  Län- 
der von  grosser  \\  iclxtigkcit. 

Wie  verscliioden  die  einzelnen  europäischen  Länder  und  Staaten  in  Ansehiuig 
dieser  drey  Hauplclasscn  der  bürgerhchen  Gewerbe  sind,  ob  luid  welche  Classen  sie 
vereinigen,  lehren  die  Abschnitte  IL,  IIl.  und  IV.  der  ersten  Abiheilung  dieses  Werko. 

Von  diesen  drey  Hauptclassen  der  Gewerbe,  deren  Grundlage  die  Producte  der 
Erde  sind,  unterscheiden  sich  einige  andere ,  die  auf  der  gcsellschafLlichen  Ordnung 
beruhen.  Der  Staat  hat  zu  seinen  niannigfahigcn  Geschäften  eine  Menge  Arbeiter  von 
ganz  verschiedener  Art  nöthig ;  vom  ersten  Älinisler  bis  zum  KanzeHeydicner  heral*. 
Alle  diese,  die  ihre  Arbeiten  dem  Staate  widmen,  nuissen  aiicli  vom  Staate  unterhal- 
ten werden.  Die  innere  Ruhe  und  die  äussere  Sicherheit  erfordert  eine  militärische 
Macht.  Die  öffentliche  Übung  in  der  Religion  und  der  Unterricht  in  derselben  sowohl 
als  in  Sprachen,  Künsten  und  Wissenschaften  bedarf  vieler  Männer,  die  "sich  die  nö- 
thigen  Kenntnisse  crworljen  haben,  und  sich  diesen  Geschäften  ganz  widmen,  daher  sie 
auch  von  denselben  leben  müssen.  Diese  grosse  Classe  der  StaafsiUener  oder  Besol- 
deten empfängt  seine  Mitglieder  aus  allen  Ständen  und  allen  Gewerbsclasseu  ,  und 
gibt  ein  sehr  nützliches  Triebrad  des  Geldumlaufs  ab.  Geniossen  die  Slaatsdiener  gleich 
grossen  Theils  ein  reichliches  Auskonnnen  durch  den  rcichliclicn  Lohn  ihrer  Dienste  : 
so  veriheilen  sie  doch  denselben  wieder  unter  das  Volk,  und  insonderheit  unter  die 
producirende  und  verarbeitende  Volksclasse. 

Eine  allgemeine  Classe,  welche  allen  übrigen  ohne  Unterschied  zur  Hand  geht, 
machen  die  ^ragelöhner ^  welche  bald  im  Felde,  bakl  in  der  Werkstatt,  bald  im  Waa- 
rcnlager  alle  Arbeilen  übernehmen,  die  bloss  körperliche  Kräfte  verlangen,  ohne  be- 
sondere Kenntnisse  und  Fertigkeiloia  vorauszusetzen,  tind  die  JJ^eiisthotlien  oder  das 
Gesinde _,  welches  zur  ^"»eisönlichen  Bedienung  und  zu  den  gewülmlichon  liiiuslirhen 
Geschäften  gehalten  wird. 


II,      G   e   i   s   t   e   s   c   u   1    t   u   r. 

§.  23. 

Notliweudigkeit     der    Verse  liiedenlieit   ;der    Bildungsau  stalten     in    einem 
Staate,  und  Verliältniss,  in   \velchem  sie  zu  demselben  stehen. 

Wenn  BlldungsanstaUen  im  Staate  überhaupt  dazu  bcstintint  sind ,  einem  jeden 
zu  dem  Grade  von  Ausbildung  zu  verhelfen,  dessen  er  zu  seiner  Bestinunimg  als 
Mensch  und  Bürger  bedarf :  so  folget  auch,  dass  diese  unter  sich  selbst  eben  so  ver- 
schieden seyn  müssen,  als  die  Bestimnuingen  der  Menschen  und  Bürger  verschieden 
sind,  welche  ihnen  entweder  durch  die  Natur,  oder  durch  die  Umstände  und  Ver- 
hältnisse angewiesen  sind.  Hievon  nun  die  Anwendung  gemacht  auf  die  europäischen 
Staaten,  so  ergibt  sicli  das  beseligende  Resultat,  dass  dieselben  sowolil  ?;um  ersten 
Unterricht  der  Jungen  Menschheit,  als  auch  zur  Aufrechthaltung  und  weiteren  Bcföi- 
dcruug  höherer  Kennini'jse,  Wissenschaften  und  Künste,  die  mannigfaltigsten  Einrieb- 


II.   Geislüsciiltur.   f.  24.  Vülksscli:iluG.  53/ 

lungen  und  x\nstalten  aufzuweisen  hahen,  und  damit  boy  weitem  besser  versorgt  sind, 
als  die  Staaten  ausser  Europa.  Das  Verliältniss  aber,  in  welchem  Bildungsanstalten 
und  Staat  gegen  einander  sich  befinden,  besieht  darin,  dass  jene  für  diesen  noihwen- 
dige  Mittel  sind,  zur  vollständigen  Erreiclumg  seiner  gesammten  Zwecke,  der  Staat 
aber  für  die  Bildungsanstaltcn  eine  äussere  Bedingung,  unter  welcher  allein  ihre,  auf" 
die  Entwickelung  und  Ausbildung  der  natürlichen  Anlagen,  Fähigkeiten  und  Neigun- 
gen der  Staatsbürger  gericJitcte  Thätigkeit  volle  Wirkung  gewinnen  kann  aj. 

a)  Der  Staat  und  die  Scl]ulc  ;  oder  Politik  und  Pädagogik  in  ihrem  gegenseitigen  Verhält- 
nisse zur  Begründung  einer  Slaatspädagogik ,  dargestellt  \on  ff,  T.  /Cr«^'  etc.  Leipzig, 
i8io.  gr.  8. 

I.    Allgemeine  Bildungs  an  stalten. 

§•    24. 
A.      Volksschulen. 

Die  P\)lksschulen  sind  diejenigen  Lehranstalten,  in  welchen  der  Grund  zu  jeder 
weitem  Bildung  gelegt  wird,  indem  durch  dieselben  fiir  den  Unterricht  der  ersten 
Jugend  gesorget  wird,  und  also  den  jungen  Staatsbürgern  die  ersten  und  nolhwcndig- 
sten  Kenntnisse  mitgctheilt  werden.  In  Österreich  werden  sie  Trk'icd-  und  Haupt- 
schulen aJ ,  in  Frankreich  Primairschulen ^  in  den  Niederlanden  £'/(?/«e/i/«/".y(;/t«/<?//j 
in  Preussen  Dorf-  und  Landschulen  ^  in  Russland  Pfarr-  oder  Kirclispielsschulen 
und  Kreisschulen  genannt.  Vorzügliche  Aufmerksamkeit  auf  diese  Galtung  von  Schu- 
len wird  gerichtet  in  Österreich  bj ,  Preussen,  Baiern  cj ,  Würtembcrg,  Baden, 
Nassau  V/J,  Sachsen',  den  grossherzoglich-  und  herzoglich-sächsischen  und  in  andern 
deutschen  Staaten,  dessgleichen  in  Dänemark  ej ,  Schottland y^,  in  den  Niederlanden 
und  in  Toscana  j  weniger  in  den  übrigen  Ländern  und  Staaten  gj ,  vollends  in  Eng- 
land, dessen  Regierung  sich  um  den  Yolksunterrichl  eigentlich  gar  nicht  bekümmert, 
da  sie  weder  Fonds  für  die  Volksschulen  ausgeworfen,  noch  die  Gcisllichen,  wie  es 
doch  sonst  in  christlichen  Staaten  gewöhnlich  ist,  angewiesen,  deu  Kindern  einen 
besliuunten  katechetischen  Unterricht  zu  erlheilen  lij.  Es  fehlt  zwar  nicht  an  Pcn- 
sionsanstalten _,  Sonntags- ^  Frej-  und  Armenschulen;  diese  Bildmigsanstalien  aber 
sind  iheils  von  hochherzigen  Patrioten  gestiftet,  llieils  Privatunlcrnchnuingcn,  und 
der  Volksmenge  so  wenig  angemessen,  dass  man  noch  im  J.  1821  die  Anzahl  der  oh- 
ne allen  Unterricht  bleibenden  Kinder  in  Zon<^/o/2  allein  auf  40,000  schätzte;  in  ganz 
England  aber  mö"en  irewiss   ?    der  Kinder   sich  im  Stande  völliger  Unwissenheit  be- 

0004  o 

baden. 

In  den  brillischen  Volksschulen  wird  jetzt  mei.stens  nach  der  Bell-  Lancastcr'- 
schen  Methode  gelehrt.  Nach  dieser  Lchrart  unterrichtet  der  Lehrer  nur  die,  im  Le- 
sen, Schreiben  und  andern  Fertigkeiten,  am  weitesten  fortgeschrittenen  Schüler  be- 
sonders. Diese  aber  sind  zugleich  seine  Unterlehrer  bey  den  Ablhcihingcn  derjenigen, 
welche  noch  nicht  so  weit  vorgerückt  sind,  aber  ihnen  am  nächsten  stehen,  und  die 
von  diesen  Unlerrichleten  sind  wieder  Unlcrlehrer  von  Abiheilungen  derer,  welche 
noch  liefer  in  den  ersten  Anfängen  stehen.  Diese  Einrichtung  des  gegenseitigen  Un- 
terriclus  j  von  dem  brillischeu  Geistlichen  Jiidreas  Bell  in  Ostindien  1790  erfunden, 

42' 


33*  II-   Geistescuhur.   j.   24.   Volksschulen. 

und  von  dein  Qiüickcr  Joseph  Lancastcr  ijCjB  auf  europäischen  ßodon,  und  zwar  in 
eine  Ainienschidc  zu  London  verpflanzt  ^  ist  jeizi  niclit  nur  in  As'n  ii  und  Europa , 
sondern  auch  in  Amerika  ^  und  selbst  an  den  Kiislen  Afrika  s  und  Neuhollunds  ver- 
breitet tj.  In  Europa  ist  sie  nicht  nur  in  England  j  Schottland  und  Irland  oingi' 
führt,  sondern  von  England  aus  auch  nach  Portugal ^  Spunien_,  Frankreichs ItalieUj 
der  Schweiz  j  den  JSiederlandeti  j  Schweden  ^  Polen  und  Riisslandj,  überhaupt  nach 
allen  jenen  Ländern  verpflanzt  worden ,  mo  entweder  Mangel  an  Schulen  zur  Bildung 
der  Jugend  war,  oder  wo  das  Volksschulwcsen  als  Privatsache  denen  überlassen  wur- 
de, die  sich  damit  befassen  wollten.  Die  Bell -Lancaster  sehen  Schulen  sind  nur 
Noth-  und  Armenschulen j  die  das  grosse  Problem  lösen  sollen,  wie  bey  dem  Man- 
gel an  Volksschulen  mit  dem  geringsten  Köstenaufvvande  die  verwahrlosten  Kinder  ge- 
sammelt und  in  den  nothwendigsten  Gegenständen  unterrichtet  werden  können.  Da- 
her konnte  diese  Lehrmethode  in  Deutschland  und  Dänemark  keinen  Eingang  lin- 
den, da  gerade  diese  Länder  es  sind,  deren  Einwohner  schon  lange  nicht  mehr  sol- 
cher Nothschulen  bedurften,  und  der  Volksunierricht  unter  ihnen  schon  fridier  einen 
weil  höhern  Grad  der  Vollkommenheil  erreicht  hat  AJ.      .  ,.         .         ;i. 

Obgleich  übrigens  Eun^pa  sich  den  Ruhm  des  glänzeuden  Prädicats  ,.Welt  der 
Cultur"  erstrebt  hat:  so  gibt  es  doch  liie  und  da  nicht  nur  einzelne  Individuen,  son- 
dern auch  ganze  Gemeinden,  wo,  wie  im  Mittelalter,  nur  die  Geistlichen  lesen  und 
schreiben  können  IJ.  bnn   -\'' 

a)  Von  denen  diejenigen  Normal-  oder  Musler-Haupfschulen  genannt  -werden,  die  den  übrigen 
zum  Muster  dienen  sollen.  Dergleichen  gibt  es  in  der  ganzen  österreiclilschen  Monarchie  34, 
wovon  auf  Ungern  und  Siebenbürgen  (in  diesen  Erblandern  scholae  tJernacidae  primariae 
genannt)  19  konunen. 
/>)  Wo,  in  Folge  der  tabellarischen  Übersicht  des  Zustandcs  der  Volksschulen  lür  das  J.  i8ig, 
in  Böiniien  ,  Mähren  ,  Schlesien  und  Galizien  ,  dann  in  Österreich  ob  und  unter  der  Enns , 
Steyermark,  Kärnthen  ,  Tyrol  und  Vorarlberg,  Illyrien  und  dem  Küstenlande  9217  Pfar- 
ren ,  i6o  Hauptschulen  und  9025  Trivialschulen  gezählt  werden  ;  es  gibt  also  in  den  besag- 
ten Pro\inzeu  der  österreichischen  Monarchie  Pfarren  ,  die  mehr  als  eine  Trii'ialxchule  ha- 
ben. Die  Zahl  der  schulfähigen  Rinder  von  6 — 12  Jahren  war  1,485,536,  wo^on  940,713 
die  Schule  wirklich  besuchten. 

c)  Wo  im  J.   1B19  5ooo  Volksschulen  vorhanden  waren. 

d)  Wo  es  825  Volksschulen  gibt. 

e)  Wo  mehr  als  Oooo  Dorfschulen  für  die  Volksbildung  sorgen. 

f)  Wo  in  jedem  Kirchspiele  eine  eigene  Schule  besteht,  und  man  überhaupt  für  Unterricht 
weit  mehr  empfänglich  ist,  als  in  England  und  Irland. 

g)  In  Eussland  z.  B.  waren,  nach  f.  If'ichma/m,  bis  zum  Jahre  i8o5  nur  erst  56  Pfarrschu- 
len und  80  Kreisschulen  eröffnet.  Und  doch  soll  jedes  Kirchspiel  oder  zwey  zusammen  eine 
Pfarrschule  haben,  und  in  jeder  Kreisstadt  wenigstens  eine  Kreisschule  se\n.  Ihre  Zahl  ist 
etatsmässig  auf  5ii  gesetzt;  es  werden  aber  jetzt  kaum  100  bestehen.  Im  Jahre  i8i3  betrug 
die  Anzahl  aller  Schüler  der  Pfarr-  und  Kreisschulen,  die  der  Gymnasial-Schüler  mit  be- 
griffen, im  ganzen  russischen  Reiche  nicht  mehr  rIs  41,712  Individuen.  S.  Intelligenzbl. 
der  L.  L.  Z.  63.  i8i3.  Eine  in  der  That  äusserst  geringe  Zahl  im  Verhällniss  der  ganzen 
Volksmenge  des  russischen  Reichs!  Diese  Thatsache  ist  wohl  der  sprechendste  Beweis  da- 
von, ^\•ie  langsam  die  Volksbildung  in  einem  Staate,  wo  theils  noch  Nomaden  und  Halb- 
nomaden in    wildem    Aufwüchse,  theils   erst  angehende   Ackerbauern,    roh   erwachsen,  le- 


n.   Geistes.  iiUur.  §.   25.  Bürgerschuleu ,  ludiistrie-  und  SouiiUigsscl.uIen.  ,i,ö5 

ben  ,  zur  i^rwiinsrhtcn  Vollkommenheit  reift.  Selbst  die  Bildung  der  eigenilirhon  russischen 
Nation  ,  die  höheren  Stände  aii.«»enommen  ,  ist  kaum  begonnen  ,  und  es  fehlt  zur  allgemei- 
nem \  i-rbrcitung  der  Volksbildung,  so  wie  der  bürgerlichen  und  gelehrten ,  noch  zu  sehr 
an  deni  nölhigen  Personale  ,  von  dem  die  Bildung  ausgehen  kann,  man  muss  es  npch  aus- 
wärts suchen.  Daher  sind  Staalsämter  und  gelehrte  Anstalten  häufiger  als  irgendwo  mit 
Fremden  besetzt.  —  In  Franknicli  sind  von  44,000  Gemeinden  mehr  als25,ooo  ohneS<:hu- 
len  ,  und  mehr  als  die  Hälfte  der  schulfähigen  Jugend  kann  bis  jetzt  noch  nicht  die  Schulen 
besuchen.  In  Paris  selbst  war  bisher  noch  nicht  hinlänglich  für  den  Unterricht  aller  schulfä- 
higen Kinder  gesorget.  Die  Menge  derselben  betrug  im  Jahre  1819  90,718,  also  ungefähr 
den  siebenten  Theil  der  Bevölkerung;  aber  alle  Anfangsschulen  dor  Hauptstadt  enthielten 
noch,  nicht  über  2.5, 000  Rinder.  —  In  Scliireden  und  Norwegen  sind  viele  Kirchspiele  und 
Bezirke  phne  Schulen  ;  allein  ^on  der  Regierung  angestellte  Schullehrer  reisen  herum  und 
versammelrx  bald,  hier  bald  da  für  einige  Zeit  die  Jugend  zum  Unterricht.  —  In  mehreren 
Cantonen  der  Äc'/üi-ejz  werden  im  Sommer  gewöhnlich  gar  keine  Landschulen  gehalten,  und 
im  Herbst  wird  oft  erst  darüber  beralhsclilagt ,  ob  sie  im  Winter  wieder  angefangen  wer- 
den sollen. 

/()   S.   Geist  und    Charakter    des   18.  Jahrhunderts :   v.  D.  Jenisch.  Tli.    II.   S.    194. 

1)  S.  Umriss  von  der  Veibreitnng  des  gegenseitigen  Unterrichts  in  den  Volksschulen  der  fünf 
Welltheile.  Von  dem  Herausgeber  der  Überlieferungen  zur  Gesrliichte  unserer  Zeit.  Jahrg. 
1822.  April-Heft.   Aarau.. 

k)  S.  Beantwortung  der  Frage  :  Sind  Bell-Lancaster'sche  Schulen  in  den  k.  k.  österreichischen 

,i    ,  Staaten   anwendbar   und  Bedürfniss?    Von  J.  M.  Leonhard ,   k.    k.    österreichischem  Regie- 

rungsrathe  ,  Domscholaster  und  Oberaufseher  der  deutschen  Schulen  in  Wien.  Wien.   1820.  8. 

T)  Wie  z.  B.  im  Caiiton  Tcssin  in  der  Schweiz.  S.  Ergänzungibl.  z.  H.  A.  L.  Z.  i8i2.  Nr. 
^g.  S.  228.  —  In  der  englischen  Manufacturstadt  Manchesier  wurden  binnen  6  Jahren  9756 
Ehen  geschlossen  ,  von  denen  kein  Theil  seinen  Nahmen  in  das  Kirchenbuch  einschreiben 
konnte.  S.  Österr.  Beob.   1816.  Nr.    176.  S.  928. 

B.  G'e'w  e  rb  s  s  ch  u  1  e  n  ,    oder   Bildungsanstalten    zur  Vermehrung    desNatio- 
n  al-R  e  i  ch  t  h  u  m  s  oder  der  Production  überhaupt. 

5-  2.3. 

.1)  Bürgerschulen   (niedere  undhöhere  oder  Realschulen),  Industrie-  und 

S  o  n  11 1  a  g  s  s  c  h  u  1  e  n. 

Unter  Bürgerschulen  werden  solclie  Unlcnichtsaiistalten  verstanden,  wo  die  Ju- 
gend des  Mittelstandes  anfeinem  andern  Wege,  als  den  der  classisclien  Literatur, 
zur  Hui7ianitat  gebildet,  und  zugleich  fiir  das  gewerbliche  Leben  überhaupt  vorberei- 
tet wird.  Man  untersclieidet'aa)  niedere  und  bb)  höhere  Bürgerschulen. 

aa)  Jene  sind  fiir  die  niederen  Bürgerclassen,  aus  denen  iheils  die  Classe  der 
dienenden  Personen,  iheils  die  der  Handwerker  hervorgeht,  bestimmt.  Ein  zweck- 
mässiges Mittel  fiir  die  Allermeisten,  die  aus  diesen  nicdern  Bürgerschulen  in  Piensle 
oder  zu  Handwerken  übergehen,  sich  fortzubilden,  oder  auch  nur  das  Erlernte  im 
Andenken  und  in  der  Übung  zu  erhalten,  auch  der  Rohheit  und  dem  Müssiggange  der 
Handwerkslehrlinge  an  Sonn-  und  Feyertagen  zu  steuern  ,  sind  die  Sonn-  und  Frjcr- 
tags-  oder  TViederhnhlungsschulen.  Sie  entstanden  1785  in  England.  Die  Veranlas- 
sung zu  ihrer  Errichtung  war,  die  äusserst  beschränkte  Bildung  der  Classe  der  dorli- 


334.  ^'-   Geistesculliir  §.   iS.  Bürgerliche  SinetialacliuIeD   etc. 

cen  gemeinen  Manufaclnrarbeiter.  Die  zur  Hanianisirung  dieses  verwahrlosten  Thoils 
der  biiiüschcn  Nation  bestehende  Societät  in  London  hat  in  den  fünfzehn  Jahren  seit 
ihrer  Gründung  bis  i8oi  in  den  verschiedenen  Grafscliaften  Englands  1774  solr.lier 
Schulen  unterstützt,  worin  172,148  Schüler  sich  befanden.  Es  wurden  unter  sie  ver- 
iheilt:  i5l,g62  Bnchstal)irbücher ^  35;,8o2  neue  Testamente  und  6336  Bibeln  aj. 
Nach  dem  Vorgange  der  englischen  Sonntagsschulen  sind  ähnliche  Bildungsanstaltcii 
auch  in  Oesterieich  bj  _,  Preussen ^  JSaienij  Dänemark  und  andern  europäischen 
Staaten  eingefidirt  worden.  —  Die  Industrieschalen _,  bestimmt,  um  die  Jugend  der 
niindein  Classcn,  in  Städten  sowohl  als  auf  dem  Lande,  früh  an  Arbeitsamkeit  und 
nützliche Thätigkeit  zu  gewöhnen,  und  ihr  durch  frühe  Gewöhnung  an  einfache  Hand- 
arbeiten, Leichtigkeit  hn Arbeiten  zu  verschaffen,  sind  ein  dem  österreichischen  Kai- 
serstaate  ursprünglich  zugehörendes  Institut.  Gegründet  in  Böhmen  im  J.  ij-jQ  cj , 
durch  den  edlen  Normalschul -Oberaufseher,  nachherigen  Bischof  zu  Leutmeritz, 
Kindermann  v.  Schulstein  j  haben  sie  sich  von  dort  nicht  nur  über  die  meisten  übri- 
gen Provinzen  Österreichs  dj  ,  sondern  auch  über  Preussen^  Baiern ^  Sachsen  ,.  Ma- 
növer j  Braunschweig  und  andere  deutsche  Gegenden,  so  wie  über  die  Schweiz, 
verbreitet.  ' 

bb)  Die  höheren  Bin  gerschulen  sind  für  die  gebildeteren  Stände,  für  die  zahl- 
reiche Classe  wohlhabender  Einwohner  in  bedeutenden  Städten,  für  den  Stand  der 
Manufacturisten,  Handelsleute,  Civilbediente,  R^entirer  und  Okonomeü  bestinnnt. 
Mau  nennet  dergleichen  Schulen  Realschulen ^  weil  sie  sich  nicht  bloss  mit  Sprach-, 
sondern  auch  mit  Sachkenntnissen  (Realien)  beschäftigen.  Es  bestehen  dergleichen 
Schulen  in  OesterreicJi  ej  _,  Preussen_,  Baiern  JJ  ^  Sachsen  und  andern  Staaten. 

a)  S.  Minerva  von  Archenholz.  B.  I.    i8o2.  S.  507  ff. 

b)  Es  bestanden  im  J.  1819  in  Böhmen,  Mähren,  Schlesien  und  GalizieUj  dann  in  Oster- 
reich ob  und  unter  der  Enns ,  Steiermark,  Rärnthen  ,  Tyrol  und  Vorarlberg,  Illyrien  und 
dem  Riislenlande  7176  Sonntags-  oder  Wiederhohlungsschulen. 

c")  S.  Schulverbesserimg  in  dem  Königreiche  Böhmen,  durch  Einrichtung  der  Industrleclassen 
in  denselben;  in  der  von  D.  J.  G.  Kri\nilz  herausgegebenen  ökonomisch-technologischen 
Eiicyklopädie.  Th.  62.  S.  119  — 145.  Da  die  Industrieschulen  in  Göfliiigen  erst  im  J.  1784 
eingelührl  wurden  :  so  ist  die  erste  Idee  dazu  nicht  daselbst  entstanden.  Vergl.  Ausführliche 
Nachrichten  über  Böhmen.  Salzburg,  1794    S.    i2ö — 123. 

d)  Es  \varen  imj.  181g  in  den  oben  erwäliuten  österreichischen  Provinzen  46^  Industrieschu- 
len vorhanden. 

f)   Zu  Triest ,  Lemberg  und  Brodj  ,  letztere  für  Juden. 

/)  Wo  man  zwischen  IXealschulen  und  Benlinsliluten  unterscheidet  ;  jene  sind  den  nie- 
deren, diese  den  höheren  Burgerschulen  ähnlich  und    zu  Nürnberg  und  Augsburg  befindlich. 

§.   26. 
b)  Bürgerliche  Specialschulen  odei-  höhere  technische  Bildungsansta ne iif 

Zu  dieser  Galtung  von  Schulen  gehören:  ;.>  bir' 

aa)  Die  ökonomischen  Institute  oder  Ackerbauschulen  :  ,  1,  i- 

1)  In  Österreich:  zu  P'ösendorJ ^  Krumau  (in Böhmen),  Keszthelj  (das  l)crühm- 

le  Georgicon) ,  St.  MikloSi,  Szarvas  und  Ungrisch-Jltenburg  ^  worimtcr  die  iheore- 


II.  GoisU'Scultur.  §.  2S.  Bürgerliche  Speeialscliulon  ctc  355 

lisch-piakiischcu  ökonomischen  Inslituto  zu  Keszthelf  und  Ungriscli-Jlteiibnrg  den 
grössten  Umfang  liaben.  Die  Arealausdehnung  des  erstem' bell ägt,  nach  dem  (Irund- 
hnche,  c)85  Joch,  das  Joch  zu  1200  Quadralklaflei  aj  ;  der  Uhungskrcis  des  letzleiii 
ist  eine  Herrschaft,  die  i3  QM.  Grund  und  Boden  hat. 

2)  In  Prcussen:  die  Ackevhausclude  zu  Mögelin  hey  ßerhn ,  deren  Stifter  der 
allgemein  geschätzte  Restaurator  der  Landwirthschaft ,  Albrecht  Tluier _,  ist. 

3)  In  Baiern:  die  landwiTthschaftlichc  Anstalt  zu  Schieissheim,  und  die  ökono- 
niischc  Mustevanstalt  hey  T'Feihciistcphini  nächst  Freysing. 

4)  In  Würtemherg:  die  hindwivthschdftliche  Schule  zu  Hohenheim  ^  womit  ein 
landwirthschaftlicher  Verein  verlnmdcn  ist. 

5)  In  Nassau:  d'xe  limdwirthschitfilichc  ScJiule  zu  Idstein j  womit  gleichfalls  ein 
landwirthschaftlicher  Verein  verbunden  ist. 

6)  In  der  Schweiz:  die  berühmten  v.  Fellenhergisclien  landwirthschnftlichen 
Musteranstnllen_,  mit  Armen- ,  Erziehungs- und  Industrieschulen  zu  Hofwyl  1>J. 

7)  In  Frankreich :  die  Ackcrbaitschiden  zu  Ljon^  Perpigiiati ,   AI  fort  und  Metz. 

8)  In  Spanien:  die  Lehrstellen  für  den  Ackerbau  in  den  Hauptstädten  von  Ga- 
licien ,  Leon,  Estremadura,  Andalusien  und  Castilien. 

9)  In  Russland:  die  Ackerbauschide  zu  TForaiiowa  j  im  Gouvernement  Moskau, 
bb)  Die  Forstschulen  in  Österreich  (zu  Maria  Brunn  nächst  Wien,  zu  Eisensladt, 

Keszthely,  Ilradck  in  Ungern,  und  auf  den  böhmischen  Herrscbaften  Brandeis  und  Gra- 
tzen) ,  Prcussen  (zuBciHn),  Sachsen  (zu  Tliarand),  Baiern  (zu  München  und  Aschaffea- 
burg\  Würtemherg  (zu  Stuttgart),  Baden  (zu  Carlsruhe),  Churhessen  (zu  Fulda),  in  den 
Hessen-Homburgischen  Landen  (zu  Homburg  vor  der  Höhe  bey  Frankfurt  a.  M.),  in 
Sachsen- Weimar  (zu  Ruhla),  Sachsen-Meinungen  (zu  Drcyssigacker)  ,  in  dem  dänischen 
Staate  (zu  Kiel) ,  und  in  Russland  (zu  Zarskoje-Selo  und  in  den  Wäldern  von  Kahiga). 

cc)  Die  Schuferschulen  in  Frankreich  (zu  Rambouillet  und  Alfort). 

dd)  Die  berühmten  Bergwerks-Akademien  zu  Schemnitz  (in  Ungern)  und  Frey- 
berg (in  Sachsen) ,  die  Bergschulen  in  Preiissen ,  das  Berg-  und  Hiltten-EleK'en- 
Institut  zti  München,  die  Bergwerksschtde  zu  Klausthal  (in  Hanover),  die  Berg- 
werksschule zu  St.  Etjenne  (in  Frankreich)  ,  das  Bergwerks-Seminariuin  zu  Kongs- 
berg  (in  Norwegen;,  das  Bei'giVerks-Cadettencorps  zu  St.  Petersburg,  und  die  .ße^g-- 
iverksschule  zu  Katharinenburg  (im  asiatischen  Russland). 

ee)  Die  Handwerksschulen  in  Frankreich  (zu  Ghalons  sur  Marne  u.  a.  a.  O.),  in 
der  Schweiz  (im  Canton  Zürich),  in  Russland  (zu  St.  Petersburg  und  Tschcrnigow  an 
der  Dcsna)  und  in  Dänemark,  wo  zu  Kopenhagen  eine  eigene  Gesellschaft  zur  Vered- 
lung des  Handweiksslandes  sich  gebildet  hat,  unter  deren  Leitung  folgende  fünf  Lehr- 
anstalten stehen:  1)  zur  Beförderung  einer  allgemeinen  höhern  Geistescullur ;  2)  für 
die  däuische  Orthographie  ;  3)  für  die  Elementar-Matheniatik  ;  4)  für  die  mechanischen 
Wissenschaften,  und  5)  für  die  technische  Chemie  —  so  weit  ihre  Lehren  Air  Hand- 
werker und  Künstler  ein  vorzügliches  Interesse  haben.  Zu  diesen  Lehranstalten  haben 
alle  Kopenhagener  Handwerker  und  Künstler,  Meisler  und  Gesellen  unenlgeltlichcn 
Zugang. 

ff)  Die  Handelsschulen  in  Deutschland  (zu  Hamburg,  die  Malter  aller  ähiUichen 


.i5ü  II.   Geistescultur.  ^.  27.  Polytechnische  lustitute. 

liisdlute  in  IJeutscLland,  zu  Lübeck,  Cretold ,  Klbeifekl,  Düsseldorf,  Errurl,  Haiio- 
vei-,  Braiiascliwci^',  Manheini,  Nürnberg  u.  a.  O.),  Spanien  (zu  Saragossa),  Portugal 
(zu  Lissabon) ,  Russland  (zu  St,  Petersburg,  Moskau  und  Odessa  (Conunerz-G>inna- 
sium) ,  und  in  Norwegen  (zu  Cbristiania). 

gg)  Die  Sc/i[f/JaJirtsschulen  in  Denlscbland  (zu  Triest ,  Lübeck  und  Bremen) , 
Frankreich  (wo  es  deren  vor  dem  Jahre  1814  45  gaJj>  nähmlich  3o  niedere  und  i5 
liöhere ,  letztere  zu  Toulon,  Marseille,  Cette,  Bayonne  ,  Bordeaux,  .Pvochefort,  Nan- 
tes, L  Orient,  Brest,  Sl.  INlalo,  le  Havre,  Dünkirchen,  Caen  (Antwerpen  und  Ostende), 
S])anien  (wo  es  deren  17  gibt),  Grosslji'itannien  (wo  in  den  meisten  grossen  Seestäd- 
ten nauliscbc  Schulen  sind),  den  Niederlanden  (zu  Amsterdam  und  a.  a.  O.,  beson- 
ders in  den  Seeküstcn-Landschallen),  in  Dänemark  (zu  Kopenhagen,  wo  die  Naviga- 
tionsschule mit  der  Schifferzunft  vereiniget  ist),  Schweden  (zu  Stockhohn  und  Carli- 
krona)  und  in  Russland  (zu  Cholmogory,  Riga  und  Irkutzk).  Hieher  gehören  auch  die 
Piloten-  oder  Steuermannsschulen  in  Spanien  (zu  Cadix,  Sevilla  u.  s.  w.)  und  Russ- 
land (zu  Kronstadt,  Nikolajew,  Odessa  und  Archangel).  In  Holland  trifft  man  in  eini- 
gen Seeküstenlandschaften  Schulen,  in  welchen  reine  und  angewandte  Mathematik, 
vorzüglich  in  Hinsicht  auf  Steuermannskunst,  Schiffbau,  Älaschinenlehre  vorgetragen 
wird.  Selbst  Candidaten  für  Lehrerstellen  an  einzelnen  Dorfschiden  werden,  vor  ihrer 
Anstellung,  in  Geometrie,  Algebra,    Steuermannskunsl,  so  wie  in  Erdkunde  geprüft. 

hh)  Die  Bauschulen j  als:  die  Bauakademie  zu  Berlin,  womit  die  Baugewerks- 
schule  veibundcn  ist  cj  ;  die  architektonischen  Schulen  zu  Carlsruhe  und  Frank- 
furt a.  M.;  die  TVasserbauschule  zu  München  5  die  Schule  für  den  Briicken-  und 
Strasserdiau  (ecole  des  ponts  et  chausse'es)  in  Frankreich  5  die  Schiffbauschule  (e'cole 
des  Ingenieurs  des  vaisseaux)  eben  daselbst;  die  Schiffbauschulen  zu  St.  Petersburg 
und  Nikolajew,  nebst  dem  lijdraulischen  lustitute  zu  St.  Petersburg,  zur  Bildung 
eines  Ingenieurcorps  der  Strassencommunication. 

ii)  Endlich  die  A«/2i^-  und  Zeichnenschulen^  die  fast  in  den  meisten  europäischen 
Staaten  vorkommen,  und  den  Zweck  haben,  dem  Talente  für  bildende  Künste  über- 
haupt, besonders  aber  unter  den  Handwerkern  und  Mantifacturisten  eine  Gelegenheit 
zur  Übung  zu  verschaffen. 

a)  Von  der  jetzigen  Beschaffenheit  des  Geoigicons  zu  Ivesztliely  ,  und  den  Mitteln  ,  dasselbe 
dem  Zwecke  landsvirthschaftlicher  Institute  überhaupt  näher  zu  bringen  etc.  \on  G.  C.  Rumy. 
Ödcnburg  4.  Vergl.  Götting.  gel!  Anz.   i8i5.  St.   i33.  S.  iSig  ff. 

b)  DiT  Bericht  an  den  Landammann  und  an  die  Tagsalzung  der  19  verbündeten  Stände  der 
Schweiz  übe'r  die  landwirthschaftlichen  Anstalten  des  Hrn.  E.  FeHnnbcvg  zu  Hofwyl ;  a.  d. 
Fr.    Zürich  ,    1808.  8. 

c)  Unter  der  Aufsicht  der  Bauakademie  stehen  die  Bauschulen  in  den  Pro\  inzen  ,  unter  welchen 
die  zu  Breslau  die  vorzüglichste  ist. 

S-  27. 

c)  Polytechnische  Institute. 

Puljtechnische  Institute ^  oder  Cemi-al-Bildungsanstaltcn  zur  Vermelining  dt;r 
Produciion  überhaupt,  gibt  es  in  .Europa  bis  jetzt  erst  drcy,  nähndich  1  zu  Paris j 
1   zu  fpien  und  1  zu  Prasr.  , 


II.  Geistcscultur.  §.  27,  Pol)lccIiiiIsche  Iiistilule  SS; 

Die  poljtechnische  Schule  zw  Paris  ist  eine  Bildiingsansiall  fiir  jcjie  öftl-iilliclien 
Dienste,  %v eiche  die  Anwendung  nialhematisclicr,  pliysikalist^her  und  chemisclier 
Kenntnisse  und  zeichnender  Künste  erfordern.  Sie  begreift  eine  bestimmte  Anzahl  von 
Zöglingen,  welche  nach  einer  Prüfung  aus  den  niederen  Theilcn  der  Mathematik  in 
dieselbe  aufgenommen  werden,  und  darin  mit  Kost  und  Wohnung  untergebracht  sind, 
und  unter  einer,  in  ähnlichen  Erziehungshäusern  gewühnlichen  Üisciplinar-Aiifsicht 
stehen.  Niedere  und  höhere  reine  Mathematik,  Physik,  Chemie,  Mechanik,  Geodä- 
sie, Baukunst  und  Zeichnen  sind  die  Lehrgegenstände  dieser  Anstalt.  Die  Zöglinge 
erhallen  bcy  ihrem  Austritte  aus  der  Anstalt  theils  als  Militär-  und  Civil-lngenieius 
und  Olliciere,  theils  «Is  Ingenieurs  bey  den  Land-,  Wasser-,  Strassen-  und  ßriicken- 
hau-Büreau's  ,  theils  bey  dem  Bergwesen  ihre  Anstellung ,  zum  Theil  auch  bey  dem 
Lehramte,  so  wie  einige  der  ausgezeichnetsten  französischen  Mathematiker,  Physiker 
und  Chemiker  dieser  Sclude  ihre  Bildung  verdanken. 

Das  von  den  böhmischen  Ständen  gestiftete  luid  180G  eröffnete  technische  lu- 
5ii7/ii  zu  Prag  hat  zum  Zwecke  ,  die  mannigfaltigen  Nalionalgcwerbe,  vorzitglich  die 
Leinen-,  Wollen-  und  Baimiwollenmanufacturen,  die  Glas-  und  Eisenfabriken  durch 
wissenschaftlichen  Unterricht  zu  befördern.  Die  Lehrgegenstände  sind :  reine  Mathe- 
matik, Geodäsie,  Mechanik,  Chemie,  Buchhaltung  und  Baukunst  mit  dem  Zeichnen. 
An  Sonn-  und  Feyertagen  wird  der  Unterricht  im  Zeichnen,  sowohl  fiir  die  Geome- 
trie und  Mechanik,  als  auch  fiir  die  Baukunst,  insbesondere  fdr  alle  Handwerker  in 
Prag,  welche  diese  Anstalt  nicht  besuchen  und  dieser  Kenntniss  bediirfen,  gegeben. 

Weit  umfassender  und  voUsiändiger  als  die  beyden  vorangehenden  technischen 
Institute  ist  das,  von  Sr.  k.  k.  jetzt  regierenden  IMajer.lät  im  J.  i8t5,  unter  der  Lei- 
tung des  Dircctors  Preclitlj  mit  wahrhaft  kaiserlicher  Munilicenz  errichtete  poljlech- 
jiische  Institut  zu  Wien.  Es  besteht  in  einer  drcyfachen  Eigenschaft:  als  Lehi-anstalt, 
als  technisches  Conservatoriura ,  als  Verein  zur  Beförderung  der  National-Industrie. 
Dieser  letzlere  Thed  wird  erst  gegenwärtig  organisirt.  Als  Lehranstalt  besteht  das 
Institut  aus  drey  Abtheilungen:  1)  der  Realschule  j,  2)  der  commerciellen  /IbtJieilungj 
3)  der  technischen  Abtheilung.  Die  Realschule  ist  sowohl  die  Vorbereitungsschulc  hir 
die  beyden  höheren  Abiheilungen,  als  auch  eine  Anstalt  fiir  eine  mittlere  bürgerliclur 
Ausbildung  überhaupt.  Sie  lehrt  Religion,  deutsche  Sprachlehre  und  Geschäflsstyl , 
Schönschreiben,  Elementar-Mathematik,  Naturgeschichte,  Weltgeschichte  und  Geo- 
graphie, Manufacturzeichnimg,  geometrische  und  architektonische  Zeichnimg,  fran- 
zösische und  italienische  Sprache.  —  An  der  commerciellen  Abtheilung  werden  ge- 
lehrt: die  Buchhaltung,  die  Mcrcantilrcchnung,  der  Handclsgeschäflsstyl,  das  Han- 
dels- mid  Wechselrechl ,  die  Handelsgeographie  luid  llandelsgeschichte,  nebst  der 
Waarenkunde.  —  An  der  technischen  Abtheili;ng  werden  vorgetragen:  die  reine  Ele- 
mentar-Mathematik (für  solche,  welche  die  Reabchule  nicht  frequenlirt  habeu),  die 
reine  höhere  Mathematik,  die  Physik,  die  allgemeine  technische  Chemie,  die  spe- 
cielle  technische  Chenüc,  die  Technologie,  die  Mechanik,  die  praktische  Geometrie, 
die  Land- und  Wasserbaukuust,  sammt  dem  zu  diesen  Fächern  gehörigen  Zeichnen. 
—  Als  technologisches  Cünservatorium  enthält  das  polyterhnische  Institut  verschiede- 
ne Samudungcn,  welche  theils  zum  anschaulichen  'Vortrage  der  Lehrfächer,  iheils  zur 

45 


358  II.   Geisicscultur.  §    s8.  IViedeie  Gelehrleuscliultn  :   I'idcigogieii ,   Gjnjujöien,  etc. 

öffentlichcu  Ausstellung  uud  Benutzung  dienen.  Diese  sind:  eine  Sammlung  der  Fa- 
briksprodücle,  welche  ein  liistorisclies  Tablcau  der  Nalional-Industrie  darstellt,  in- 
dem sie  Musterstiicke  aus  allen  Zweigen  der  inländischen  Go\Yerbsinduslrie  enthält; 
eine  Modellensammlung  für  die  Mechanik  imd  den  Wasser-  imd  Brückenl)au;  ein 
Laboratorium  der  allgemeinen  technischen  Chemie  und  eine  damit  verbundene  Pia- 
paraten-Sannnlung ;  em  physikalisches  Cabinet;  eine  Samndung  geodätischer  Instru- 
mente; eine  Sammhmg  für  die  Waarenkunde,  eine  Bibliothek,  nebst  einer  mechani- 
schen und  mathematischen  Werkstätte.  —  Die  Lehrcurse  sind  öffentlich,  und  ausser 
einer  Immatriculinmgs-Gebühr,  welclie  fiir  die  Bereicherung  der  Bibliothek  verwen- 
det wird ,  unentgeltlich.  Die  Anzahl  der  Schüler  beläuft  sich  auf  7 — 800-  Die  Schü- 
ler, welche  ihren  Unterricht  an  dieser  Anstalt  genossen  haben,  treten  tbeils  zur  Aus- 
übung verschiedener  technischer  Geschäfte  inrchemischen  oder  mechanischen  Fache 
in  das  bürgerliche  Leben  id) er,  theils  finden  sie  in  den  Handlungs-Comptoirs  ihre 
Anstellung;  theils  werden  sie  für  öffentliche  Dienste  in  den  Land-,  ^Vasscj-,  Stras- 
sen- und  Brückenbau-Büreau's ,  bey  der  Landesvermessung  u.  s.  w.  angestellt. 

C.  G  e  l  e  li  r  t  e  n  s  c  li  u  1  e  n  ,  oder  B  i  !  d  u  n  n;  s  a  n  s  t  a  1  (  p  n  für  das  Administrative  und 
Erhaltende  des   Staates. 

§.    28. 
a)     Niedere. 

In  den  niederen  Gelelirtensclinlen  beginnt  die  eigentliche  wissenschaftliche  Bil- 
dung, indem  durch  die  Bearbeitung  der  gelehrten  Sprachen  und  des  classischen  Stu- 
diums die  ersten  Htdfsmittel  derselben  vorbereitet,  und  zugleich  die  Anfangsgründe 
anderer  Wisscnschai'ten  beygebracht  werden,  deren  weitere  Ausfiilirung  den  höheren 
Gelehrlenschiden  zugewiesen  ist.  Die  anderweitigen  Nahmen,  welche  soK'lic  Anstal- 
ten in  den  europäischen  Staaten  führen,  sind  lateinische  Schulen j  Gtvunniatical- 
schulen j  Pädagogien j  Progjninasien  und  Gjmnasien  j  welche  letztere  in  Gymna- 
sien schleclitweg,  und  in  ArcJiigj-mnasien  oder  akademische  Gymnasien  sich  thei- 
len.  Die  Secondär-Schule/i  in  Frankreich  sind  den  lateinischen  Schulen  in  Deutsch- 
land ähnlich,  und  die  Collegien  in  Frankreich,  Spanien,  in  den  Niederlanden  und 
andern  Staaten  sind  ungefähr  das,  was  die  Gymnasien  in  Deutschland,  Russland,  der 
Schweiz  und  in  andern  Ländern.  Die  meisten  niederen  Gelehrtenschiden  konmien 
vor  in  Österreich  (218)  aj ,  Preussen  (14.6)  bj ,  und  Deutschland  (i34)  cj  ohne 
Osterreich  und  Preussen.  Von  den  königlichen  Collegien  in  Frankreich,  deren  100 
seyn  sollen ,  sind  erst  36  organisirt,  und  in  Russland  sollen  etatsmässig  5/  Gymnasien 
seyn;  i8o.5  waren  aber,  nach  v.  TP^ichniann  j  erst  26  vorhanden.  —  In  den  etigli- 
sclien  Grammav  Schools  (Grammaticalschulen),  worunter  die  vorziiglichsten  die  Schu- 
le von  ff'eslmünster  und  die  Schule  \on  Eton  bey  Windsor  sind,  wird  ])loss  Latein 
und  Griechisch,  und  sonst  weiter  nichts  in  den  öffentlichen  vier  täglichen  Stunden 
betrieben.  Al)er  wohl  vorbereitet  muss  in  diesen  jeder  Schüler  ohne  Unterschied  des 
Standes  erscbeinen,  besonders  wird  das  Gcdächtniss  stark  geübt,  und  aui  Erlernung 
der  Metrik  gesehen.    Alles  Übrige,  Mathematik,  Nalurlehre,  Naturgeschichte,  Geo- 


II.  Gc'istescultur.  §.   2y    Holitro  GLlclirtenscliulen  ,  UiiiveisUätea.  33g 

grapliitij  Gescliiclilc  und  andere  Gei^onsüindo ,  die  sonst  noch  in  den  Gymnasien  und 
Pädagogien  des  Fcsllandcs  öfiTenllicIi  gelehrt  weiden,  mnss  durch  Privat unlcrrichl  und 
Privatlieiss  erlernt  werden,  auf  dessen  Weckung,  Erhaltung  und  Beförderung  i\lier- 
]iau|)t  der  Hauptzweck  der  Meiiiüde  geht.  Die  Mittel,  deren  die  Scholarcheu  sich  da- 
zu im  Nothfalle  hedienen,  sind  freyiich  etwas  hart,  und  von  den  auf  dem  Fcsllande, 
Lcsonders  in  Deutschland,  gewöhnlichen,  sehr  verschieden.  Sie  sind:  gehotencs  jMc- 
moriren  oft  his  zu  5oo  und  mehr  Versen  aus  Homer  und  andern  Glassikern  innerhalb 
48  Stunden;  Arrest  mit  Hunger  und  Diust;  endlich  das  Birkenreis,  das  his  zum  ig. 
Jahre,  oder  his  zum  Austritt  aus  der  Schule  in  drey  Schuh  hohen,  starken  Ruthen 
noch  geboten,  und  mit  unerbiullcher  Strenge  angewendet  wird.  Bekannt  ist  es  in 
England,  dass  der  grosse  Fox  während  seines  letzten  Schidjahres  in  Eton  ,  in  seinem 
l8.  Jahre,  diese  letztere  Strafe  noch  erleiden  musste,  obgleich  man  schon  damals  von 
seinem  Geiste  und  hohen  Kenntnissen  die  günstigsten  Erwartimgen  hegte  ,  imd  er 
eines  grossen  Lords  und  Staatsmannes  Lieblingssohn  war.  Merkwürdig  ist  hicbey , 
dass  der  Headmaster  oder  Rector  dieses  schöne  Amt  mit  eigener  Hand  versieht,  so 
wie  auch,  dass  grössten  Tjieils  die  Schtddelinquenten  von  den  Aussprüchen  eines  aus 
den  iMitschülcrn  zusanuneugesetzlcn  GescJiworncngerichts  ,  oder  von  einer  Jury,  ihre 
Strafurtheile  empfangen. 

«)  Nähmlich  ,  nach  dem  Hof-  und  Staatsschematismus  für  das  Jahr  1821  ■,  188  römisch-katho- 
lische Gymnasien,  2  griechisch-katholische  (zu  Burzacz  in  Galizien  und  zu  Blasondorf  in 
Siebenbürgen),  16  lulherische  (10  in  Ungern,  5  in  Siebenbürgen  und  eines  in  Schlesien),  10 
rcformirte  (6  in  Ungern  und  4  in  Sieboidiürgen) ,  2  unitarische  (zu  Thorda  und  Szekely- 
Reresztur  in  Siebenbürgen). 

A)  Worunter  das  Berlinisch-Röllnisrhe  Gymnasium  zu  Berlin,  das  Pädagogium  zu  Pl'orta 
und  das  Leopoldinische  Gymnasium  zu  Breslau  sich  besonders  auszeichnen. 

c)  Da\on  kommen  auf  Hanover  26,  auf  Baiern  19  (nebst  mehreren  Progymnasien),  auf  Sach- 
sen 14  Gymnasien  und  2  Pädagogien  (FUrstcnschulen  zu  Meissen  und  Grimma),  auf  Baden 
i3  Gymnasien  nebst  mehreren  niederen  lateinischen  Schulen  u.  s.  w. 

ä)  S.  H.  A.  L.  Z.  i8iq.  Nr.  cjo.  Frey  und  keck  wächst  der  junge  Engländer  in  seinem  väter- 
lichen Hause  auf,  und  bringt  schon  von  diesem  die  Grundfarbe  in  das  Gemähide  seines 
weitern  politischen  und  Privatlebens  mit.  Rein  lästiger  Zwang  hemmet  seine  Lebhaftigkeit 
und  sein  wildes  Wesen,  nichts  hindert  die  Entwickelung  seiner  Anlagen  und  Neigungen. 
Daher  die  Unbändigkeit  der  englischen  Jugend ,  welche  die  meisten  Altern  auf  der  Insel 
zwingt,  ihre  etwas  herangewachsenen  Rinder  aus  dem  Hause  zu  entfernen,  und  sie  den 
Pensionsanstalten  und  den  Granimar  Schools  zur  Zähmung  zu  übergeben  ,  weil  sie  ihr  äl- 
Icrliches  Ansehen  zu  schwach  fiihlen. 

b)    Höhere  Gelehrtenschulen. 

§.  2g. 
aa)   Universitäten. 

Die  höheren  Gelehrtenschulen  sind  zur  Vollendung  oder  weitem  Ausführung 
des  wissenschaftlichen  Unterrichts,  folglich  für  diejenigen.  Schüler  hestinmit,  die  sich 
dem  Studium  einer  Berufswissenschaft  widmen  wollen.  Hiehcr  gehören  zuvörderst  die 


3io  II.  Geistescultur.  §.  2g.  Uuivcrsiläten. 

UnwersltaietVj  vorziigsweise  Hochschulen  gcnannl.  Sie  sind  alldiiiflisscndo ,  auf  all- 
gemeine Bildung  aljz\^ eckende  Anstalten,  und  nach  ihrer  ursprlinglichen  Einrichtung 
in  Facultäten  abgetheilt.  Die  Facidtäten  sind  zuerst  auf  der  llni\  ersität  zu  Paris  ent- 
standen. Als  die  Anstalt  der  Facultäten  zu  Paris,  Bologna  und  auf  anderen  Universi- 
lälen  eingeführt  wurde :  so  überliessen  die  Lehrer  anderer  Wiiscnscliafien  der  theo- 
Zog /ixAe/j  Faculiät  ganz  freywillig  die  erste  Stelle  a).  Im  ]5.  und  i6.  Jahrhunderte 
wurde  die  Faculläten-Ordnung  :  die  theologische  _,  juridischi'  j  medicinische  mid  pJii- 
losophische  FaculUil  für  die  älteste,  natürlichste  und  schicklichste  gehallen.  Die  An- 
stak der  Facultäten  hat  Beziehung  auf  den  Staat.  Das  innere  Heil  des  Staates  erfordert, 
dass  Rcligions-  und  Sittenlehrer,  Rechtsgelehrle  und  Ärzte  zu  ihrer  Wissenschaft  und 
Kunst  üi  der  Jugend  gebildet  und  unterrichtet  werden,  und  diess  Geschäft  hat  der 
Staat  den  höheren,  d.  i.  den  drey  ersteren  Facidtäten  aufgetragen,  während  die  vier- 
te oder  philoso])hische  Facultat  sich  mit  den  Vorbercitungswissenschaften  zu  den  drey 
ersteren  zu  beschäftigen  hat.  Es  haben  jedoch  nicht  alle  Universitäten  4  Facultäten  j 
die  Hochschulen  zu  Paris  bj  _,  Strassbnrg  _,  Heidelberg  cj  j  Warschau  dj  und  an- 
dere haben  5;  die  Universität  zu  Christiania  ej  hat  gar  8  Facultäten;  dagegen  haben 
wieder  andere  nur  3,  wie  z.  B.  die  Universität  zu  PaviUj  und  die  Universität  zu  Mün- 
ster fj  hat  gar  nur  2  Faculiätcn.  —  Die  Gesellschaften,  welche  Facultäten  heissen, 
sind  mit  dem  Befugnisse  (Facullät)  begabt,  Wissenschaften  öfTcntlich  zu  lehren,  Can- 
didatcn  zu  prüfen,  gültige  Zeugnisse  von  ihrer  Geschicklichkeit  auszustellen,  Docto- 
ren  zu  creiren,  und  über  wichtige  und  schwierige  Gegenstände  Gutachten  zu  gel)on. 
Es  gibt  gegenwärtig  in  den  europäischen  Staaten,  nachdem  in  Deutschland _, 
Italien^  Frankreich  und  Spanien  n\c\iTei-c  Universitäten  aufgehoben  worden,  über- 
haupt noch  g8  Hochschulen.  W^as  ihre  verhältnissmässige  Yertheiliuig  durch  die  ge- 
saniniten  europäischen  Staaten  betrifft,  so  sind  deren 

\I   in    Oestci'reicJi j    nähmlich:    zu   Wien,    Prag,    Lemberg,    Pcsth,    Pavia    und 

Päd  na. 
^  n  in  Preussen:  zw  Berlin,  Hailc,   Breslau,   Königsberg,  Greifswalde,  Bonn  imd 
Münster,  welche  letztere  nur  aus    2  Facultäten   besteht  (einer  röinisch-katho- 
lisch-theologisclien  und  einer  pJiilosophischen  Facidtät),  zunächst  zur  Bildung 
von  Lehrern  an  Kirchen   und   Schulen.  Die  theologische  Facultat  zu  Breslau 
und  Bonn  besteht  aus  einem  katholischen  und  evangelischen  Theile.  Mit  der 
Hallischen  Universität  ist  durch  das  k.  Decret  vom  12.  April   1817  die  Univer- 
sität zn  TVittenberg  wnicT  dem  Nahmen  der  Halle-TVittenbergischen  Universi- 
tät vereiniget  worden. 
X.U  in  den  rein  deutschen  Bundesstaaten ,  nähmlich: 
3  in  Baiern:  zu  Landshut,  Würzbiug  und  Erlangen. 
1   in  Sachsen :  zu  Leipzig. 

1   in  Haiiover:  zu    Göttingen.    Diese  Universität  ist  auch  zur  Landesuniversitäi 

der  Herzogihümcr  Braunschweig  und  Nassau  erklärt,  zu  welchem  Ende  hie- 

her  eine  Anzahl  braunschweigischcr  und  nassauischer  Frevtische  verlegt  ist. 

1,  in  U'iirtemberg :  zw  TvAnw^en.  Die  im  J.   1812  unter   dem  Nahmen  einer  Art- 

tholisch-theologischen  Unii'ersität  zu  Ellvvaugcn   eiuichtele  Lehranstalt  (der 


II.  Geistcscultur  §.  29.  Uuirersitateu.  Sil 

es  gänzlich  an  einer  philosophischen  FacuUäl  fehlte)  isl  seit  1817  mit  florT.aii- 
desuniversiiät  Tiibingou  in  der  Eigcnschal'i  einer  katholischen  Fucidtät  j  uud 
mit  den  Rechten  und  Verhältnissen  der  andern  Facultätcn  vereinigt. 

2  in  Baden:  zu  Hcidclherg  und  Freyhurg, 

1    in  Chiirhessen :  zu  Marhurg, 

1   im  Grossherzogthume  /Jessen:  zu  Giessen. 

1   in  Mechlenbiu'g-Scliwerin :  zu  Rostock. 

1  in  Sachsen-JVeimar:  die  Gcsaniml-Universität  Jena.  Im  J.  i8l6  ist  zwischen 
den  SacJisen-Ernestini selten  Hänsern  ein  neuer  Vertrag  ül)er  die  his  dahin 
von  allen  gemeinschaftlich  regierte  Universität  Jena  abgcsclilossen  worden, 
durch  welchen  die  luimittelbare  Regierung  der  Universiiät  in  die  Hände  von 
Sachsen- (Veiinnr-ElsenachwnASachsen-Gotha  gelegt,  und  somit  ein  schnel- 
leres ,  kräftigeres  Einwirken  möglich  gemacht  worden  ist. 

I  in  der  Schweiz :  zu  Basel. 

XVI  in  den  italienischen  Staaten,  ohne  Österreichisch-Italien ,  nähmlich  4  in  Sar- 
dinien: zu  Tvu'in,  Genua,  Cagliari  und  Sassari;  1  in  Parma:  zu  Parma j  1  in 
Modena:  zu  Modenä;  1  in  Lucca:  zu  Lucca;  3  in  Toscana:  zu  Florenz,  Pi- 
sa und  Siena ;  3  im  Kirchenstaate:  die  Sapienza  zu  Rom,  die  zu  Bologna  und 
die  zu  Perugia ;  3  in  bejden  Sicilien :  zu  Neapel ,  Palermo  und  Catania. 

X^T^I  in  Frankreich  ^  nähmlich:  zu  Paris,  xlngers,  Rennes,  Caen,  Douai ,  Nancy, 
Strasshurg,  Bcsancon,  Grenol)le,  Aix ,  Montpellier,  Toulouse,  Bordeaux,  Poi- 
tiers,  Bourgcs ,  Clermont  und  Dijon,  von  denen  jedoch  bis  jetzt  nur  zwey  (die 
zu  Paris  und  die  zu  Strasshurg)  vollständig  eingerichtet  sindj  die  übrigen  sind 
entweder  blosse  Rechts- und  medicinische  Schulen,  oder  haben  doch  nur  noch 
eine  oder  die  andere  Facultät  nebenbey. 

XI  in  Spanien.  Bis  1807  hatte  es  22  Universitäten j  da  wurden  ii  aufgehoben,  und 
es  blieben  nur  11,  die  ihren  Sitz  haben:  zu  Sal.amanca,  Alcala ,  Valladolid, 
Sevilla,  Granada,  Valencia,  Saragossa,  Hucsca,  Gervera,  St.  Jago  di  Compo- 
stella  und  Oviedo. 

I  in  Portugal :  zu  Coimbra. 

VII  in  dem  brittischen  Reiche  .,  nähmlich: 

2  in  Etigland:  zu  Oxford  und  Cambridge,  deren  Besuch  nur  Mitgliedern  der 
bischöflichen  Kirche  offen  steht j  doch  haben  die  Katholiken  5  Collegien,  wo- 
von das  berühmteste  das  von  Stonehurl  bey  Preston. 

',   \n  Schottland:   zu  Edinburgh,  Glasgow,   St.  Andreas  und  Aherdeen,   überall 
nur  für  Presbyterianer;  doch  haben   die  Katholiken  im  Hochlande  ein   Colle- 
gium  zu  Scallan ,  und  zu  Nord-Morar  ein  akademisches  Institut. 
1   in  Irland:  zu  Dublin,  um-  den  Episcopalcn  geöffnet  j  doch  haben  die  Katholi- 
ken daselbst  mehrere  Collegien. 
VI  in  Acn  Niederlanden  j  nähmlich: 

3  in  den  nördlichen  Provinzen:  zu  Leyden,  Utreclit  und  Groningen. 
3  in  den  südlichen  Provinzen:  zu  Gent,  Lüttich  und  Löwen. 

II  in  dem  dänischen  Staate :  zu  Kopenhagen  und  Kiel. 


oql  II.  Geistescultur.  ^.  3o.  üniTcrsitäten.  FortscUiing. 

in  in  dem  schwedischen  Staate :  zu  Upsala  ,  Lund  und  Christiama  (lei7.lcre  in  Noi- 
■wcgcn). 

VIII  in  Bussland  und  dem  damit  vereinigten  Königreiche  Polen:  zuMoskau^,  St.  Pe- 
tersburg, VVilna,  Dorpat,  Charkow,  Kasan  (mit  einem  migeheuren  Bezirke 
von  mehi-  als  i5o,ooo  QM.),  Abo  und  Warschau. 

I  in  dem  Gebiete  der  frejen  Stadt  Krakau:  zu  Krakau. 

a)  De  facultate   theologica   in    Universitatibus   literariis.  Göttingen,   1809.  Von    Dr.  Stäudlin. 
4.  Ein  Pfingst-Pr^gramm.  Vergl.  Götting.  gel.  Anz.   1809.  Jun.  S.  969  ff. 

b)  Nalimlich  die  racultäten  der   Gottesgelehrlheit ,   des  Rcchls  ,  der  Heilkunde,  der  strengen 
Wissenschaften  und  der   schönen  Wissenschaften.  Eben   so  die  Universität  zu  Sirassburg. 

e)  Nähmlirh  die  theologische,  die  juridische ,  die  medicinisrhe ,  die  staatswiithschaftliche  und 
philosophische  Facuhät. 

d)  INahmlich   die   theologische,    die   juridische  und  staatswirthschaftHche ,   die  mediciiiischc , 
die  philosophische  Facultät  und  die  Facultät  der  freyen  Künste  und  Wissenschaften. 

e)  S.  H.  A.  L.  Z.  1812.  Nr.  178.  S.  585. 

/)  S.  VoigleVs  Versuch  einer  Statistik  des  preussischen  Staates.  S.   i35. 

§.  3o. 

Fortsetzung. 

In  England  haben  die  HochschiJen  eine  von  den  deutschen  Universitäten  ganz 
abweichende  Einrichtung.  Sie  sind  zugleich  Pcn-sionsanslaltcn,  in  mehrere  CoUcgien 
vuid  Hallen  getheilt,  und  tragen  noch  den  Zuschnitt  der  alten  Klostererziehung,  ohne 
von  den  neueren  Fortschritten  der  Pädagogik  Notiz  zu  nehmen.  Der  Unterricht  ist 
hier  äusserst  einseitig  und  unvollständig.  Man  lehrt  bloss  Philologie,  Philosophie  und 
Mathematik.  Dem  Theologen  gibt  man  nur  die  besten  Bücher  über  diese  Wissen- 
schaft in  die  Hand ,  und  lässt  ihn  auf  diese  Art  sich  selbst  entwickeln.  Für  andere 
Wissenschaften  sind  zwar  Lehrer  mit  reichen  Besoldungen  angestellt,  aber  sie  geben 
selten  Vorlesungen  über  dieselben.  Für  die  Uechiswissenschaft  und  Arzeneykunde 
hat  man  indessen  zu  London  und  an  andern  Orten  Specialschulen. 

Auf  den  deutsc/ien  Universitäten  hingegen  umfasst  der  Unterricht  alle  Wissen- 
schaften und  ihre  Theile,  auch  die  lebenden  Sprachen,  und  entspricht  daher  dem 
Geiste  des  wissenschaftlichen  Encyklopädismus ,  welcher  den  vielfach  zusammenge- 
setzten Verhältnissen  unsers  Gulturlebcns  allein  nur  scheint  angemessen  zu  sc)  n.  Frey- 
lich artet ,  wie  Hr.  i\/efA/2rt»ime/' bemerket,  das  Bestreben  nach  vielseitiger  Bildung 
nicht  selten  in  die  Tendenz  nach  Vielwisserey  aus ,  ohne  anderer  Gebrechen  in  ein- 
zelnen Theilen  der  Verfassung  der  deutschen,  und  zwar  voi-ziigsweise  der  protestafi- 
tischen  Universitäten  zu  erwähnen  ttj. 

Was  die  Frequenz  der  Universitäten  in  den  europäischen  Staaten  betrifft :  so  er- 
freuet sich  zwar  heutiges  Tages  keine  derselben  einer  so  beträchtlichen  Anzabl  .Stu- 
dierender, als  ehemals  die  Universitäten  zu  Bologna  und  Paris  j,  wo  bey  noch  man- 
gelnder Concurrenz  hoher  Schulen  anderswo,  ausser  den  Inländern,  noch  Tausende 
fremder  Lehrlinge  in  einem  einzigen  Lehrsaale  sich  einfanden.  Indessen  zählen  doch 
einige  deutsche,  britiische  und  andere  Universitäten  auch  jetzt  noch,  Trotz  des  herr- 


II.   Geistescultur.  ^.  3o.   üuiversilaten.  Fortselzung.  345 

seilenden  Geldmangels,  über  looo  hj ,  die  zu  Edinburgh  gar  über  2000  Sludiercnde, 
worunter  auf  den  deutschen  Universitäten  auswärtige  Jüngli/ige  fast  aus  allen  euro- 
päischen Ländern  sich  in  grosser  Anzahl  finden. 

In  Ansehung  der  Zahl  der  Vorlesungen  an  den  Universitäten  findet  in  den  cu- 
rojiäisclien  Staaten  eine  grosse  Verschiedenheit  Statt.  Während  an  den  deutschen 
Universitäten  der  halbjährige  Ciirsns  go — l3o  Stunden  enlhäk,  und  an  der  Universi- 
läi  zu  Göttingen  schon  um  6  Uhr  Morgens  Vorlesungen  gegeben  werden  cj  :  dauern 
an  den  sc/iwedischen  Universitäten  die  öffentlichen  Vorlesungen  vom  Monat  Februar 
fiis  Juny  hin,  und  vom  Octoher  bis  gegen  8 Tage  vor  Weihnachten,  so,  dass  also,  bey 
den  mehr  als  halbjährigen  Ferien,  das  ganze  Jahr  hindurch  kaum  g6  Vorlesungen  gc- 
lialten  weiden  dj ,  imd  an  den  englischen  Universitäten  verriclitcn  die  Professoren 
ibr  Amt  so  nachlässig,  dass  mancher  in  einem  ganzen  Jahre  nicht  mehr,  als  3  oder 
4  Stunden  liest.  Was  also  die  Studierenden  lernen,  das  lernen  sie  von  den  Privatlch- 
rern  (Tutors),  deren  in  jedem  Collegio  gemeiniglich  zwey  sind,  ein  mathematischer 
und  ein  philosophischer  ej. 

a)  S.  GrWZnian^'ihistorisch-slatistischos  Handbuch  von  Deutschland  a.  a.  O.  S.  3oo.  —  Vorgl. 
J.  C.  HolPiauer  Übnr  die  Perioden  der  Erziehung,  besonders  zur  Gränzbeslinimutig  des 
Unterrichts  auf  Universitäten  und  den  nächst  höheren  Schulen  ,  mit  ausführbaren  Vorschlä- 
gen zur  Verbesserung  der  erstem.  Leipz.  ,1800.  8.  —  f'illers  Coup  d'oeil  sur  les  universites 
et  ic  mode  d'inslruction  publique  de  I'Allemagne  proteslante  etc.  Cassel  1800.  —  Titlmanni 
de  rebus  acadeniicis  epistola.  Lips.  1808.  —  Gelegentliche  Gedanken  über  Universitäten 
in  deutschem  Sinne,  nebst  einem  Anhange  über  eine  neu  zu  errichtende.  Von  Scklejernta- 
cher.  Berlin  1808.  —  Auch  ein  Paar  Worte  zu  dem  Tagesgespräche  über  Universitäten,  und 
beyläufig  ein  Wort  iür  die  Uni\ersilät  Frankfurt  an  der  Oder.  Von  J.  C.  F.  Meisler.  Frankf, 
«.  d.  O.  1809.  —  Über  die  Idee  der  Universitäten.  Vorlesungen  \on  Heinrich  Steffens.  Ber- 
lin, 1809  — Über  das  deutsche  Studentenwesen  ;  in  dem  Polit.  Jour.  Jan.  1818.  S  8g  ff.  — 
J.  C.  G.  Jörg  Aphoristische  Winke  zur  richtigen  Beurtheilung  deutscher  Universitäten.  8. 
Leipzig  ,  1819.  Ebe/iders.  Über  die  4  Facultäten  in  den  Universitäten  Deutschlands.  8. 
Leipz.  181g. 

6)  So  zählte  z.  B.  die  Universität  zu  O.vford  i8i5    5    ioi5  Sluflcnfen. 

nach  andern     i5oo       — ■ — • 

die  zu  Upsala  1819   i586 

—  —   GöLüngen   1821     i3o5 

^vorunter  678  Ausländer 

—  —  Dublin  1819    1209 

—  —  JVicii  1817      1  io3 

—  —  Berlin   1819     101 1 

Weniger  als  1000,  jedoch  mehr  als  5oo  Studirendc  zählen  dieUni\crsitäten  zu  Leipzig  (988), 
Pesth  (812),  Prag  (789),  Halle  (74-5),  Tübingen  (735),  Cambridge  (Ü66) ,  Pavia  (648), 
Landshut  (640),  Jona  (634),  Heidelberg  (6o3)  ,  Glasgow  (6o3)  ,  Kopenhagen  (678),  Lund 
(5i6)  u.  s.  Vf.  Die  geringste  Anzahl  besitzen  die  Universitäten  zu  Basel  (87  Slud.)  und  zu 
Greifswalde  (65  Stud.). 

c)  S.  Götting  gel.  Anz.  i8i3.  St.  5o. 

d)  S.  den  neuen  deutschen  Merkur  etc.  vom  J.  1809.  B.  1.  S.  igS.  An  der  Universität  zu 
Upsala  werden  -die  öffentlichen  Vorlesungen  im  Winter  in  ungelicitzten  Hörsaalen  gehalten. 
Hr.  ca/i  Meermami  wohnte   einer  Vorlesung  bey.  Eingeliüllt  in   einem  Wolfspelz   und  mit 


344  H-  Geistesciiltiir.  §.  3i.  Gelehrte  Mittelschulen.  §.  32.  Gelehrte  Specialschulen  elc. 

dem  Hut  auf  dem  Kopfe  las  der  Hr.  Professor  von  scineru  Hefte  die  Begebenheiten  von 
1667 — 1C68  ab.  3o — 40  Studenten  waren  anwesend,  \on  denen  indess  doch  einige  wenige 
Herz  genug  hallen  ,  das  Nachschreiben  zu  versuchen.  S.  Götfing.  gel.  Anz.  1806.  St. 
111.  S.  logg. 
e)  S.  Tozes  Einleitung  in  die  allgemeine  und  besondere  europäische  Staalskunde.  Aufl.  4- 
B.  1.  S.  499- 

§•  3i. 

bb)  Mittelschulen  zwischen   Universitäi:en  und  Gymnasien.! 

Die  Mittelschulen  zwischen  Universitäten  und  Gymnasien  iinlerscheiden  sich  von 
den  Hochschulen  darin,  dass  sie  weder  mit  dem  Befugnisse,  akademische  V\  iirden 
zvi  erlheilcn,  hegaht,  noch  für  das  erschöpfende  Stuchum  der  \Vissenschaflon  be- 
stimmt sind,  obgleich  einige  derselben  sich  mit  den  wesentlichen  Gegenständen  aller 
4  Facultäten  beschäftigen.  Hieher  gehören :  i)  die  Ljcäen  in  Österreich  (fiir  KathoU- 
kcn :  zu.  Linz,  Salzburg,  Grätz,  Klagenfurt,  Olmütz,  Mailand,  Bergamo,  Brescta, 
Mantua,  Crcniona,  Como ,  Venedig,  Verona,  Vicenza,  Udine,  Laibach,  Innsbruck, 
Et  lau  und  Klausenburg;  für  nichtunirte  Griechen:  zu  Carlowilz ;  fiir  Lutheraner  (zu 
Pressburg,  Ödcnburg  und  Käsniark) ;  in  ßaiern  (zu  München,  Bamberg,  Regensburg, 
Amberg,  Dillingen,  WiuzJjiirg,  Aschaffenburg,  Speyer  und  Zsicybrücken);  in  Baden 
(zu  Gai'lsriüie,  Baden,  Mannheim  und  Conslanz);  in  Churhessen  (zu  Cassel  und  Fulda) 
und  in  andern  deutschen  Bundesstaaten j  dann  in  Neapel  (zu  Salerno,  Bari,  Aquila 
und  Catanzaro)  und  in  Polen  (in  allen  Hauptstädten  der  Woiwodschaften  und  noch  ei- 
nigen andern  Städten) ;  2)  die  Dlstvictual-Akademien  in  Croatien  und  Ungern  (zu 
Agram ,  Kaschau ,  Grosswardein ,  Pressburg  und  Raab) ,  und  die  Akademien  in  Ha- 
uover  (zu  Lingen)  und  der  Schweiz  (zu  Zürich,  Born,  Lausanne  und  a.  a.  O.)  ;  3)  die 
Athenäen  in  den  Niederlanden  (zu  Amsterdam,  Harderwyk,  Francker  und  Dcveater)  ; 
4)  endlich  das  lutherische  Districtanl-Collegium  in  Ungern  (zu  Eperics) ,  die  rejor- 
mirten  Collegien  in  JJngern  (zu  Debreczin,  Saros-Patak  und  Papa)  und  Siebenbür- 
gen (zu  Nagy-Enyed,  Klausenburg,  Maros-Vasärhely  und  Udvarhely),  nebst  dem  imi- 
larischen  Collegium  in  l^ebeiihürgeu  (zu  Klausenburg). 

§.  32. 

ec)  Gelehrte    S  p  c  ci  a  1  s  ch  u  1  e  n    oder    Lehranstalten    fiir  Beflissene    der    ein- 
zelnen Facuitätssludien. 

1)  Für  Theologen:  die  zahlreichen  Seminarien  in  den  katholischen  und  prote- 
stantischen Staaten,  wozu  in  Österreich  noch  kommen  für  Katholiken:  die  höhere 
Bildungsanstalt  für  Weltpriester  zum  h.  Augustin  zu  Wien,  das  Pazmun  sehe  Col- 
legium (ein  Gencralseminarium  für  theologische  Zöglinge  aus  allen  Diöcesen  des  Kö- 
nigreichs Ungern)  ebenfalls  zu  Wien,  das  allgemeine  Seminarium  zu  Peslh,  und  die 
Klosterstudien  oder  theologischen  Hauslelirunstidten  bey  den  Stiftern  und  Klöstern; 
für  Prolestanten:  das  theologische  Studium  für  beydc  Confessionen  zu  Wien.  Für 
die  Griechiscli-Unirtcn  besieht  das  Ruthenische  General-Seminarium  zu  Lcaiberg, 
und  für  die  Gricchisch-Nichlunirteu  das  Seminarium  zu  Carlowitz.  —  In  England 


II.  Gfistescultiir.  §.  52.  GeleljiU  Sjucialschulcu  elc,  545 

heissen  die  Spccialschulen  für  Tlicologcn  Collcgien _,  deren  5  ^u  London  sind,  und 
in  Pieusscn  werden  die  besondern  LeLranstallcn  fiir  katholisclic  Gcislliclic  Akade- 
mien genannt,  die  zii  Kulm,  BraunsLerg,  Mlinsicr,  Paderborn,  Düsseldorf^  Colin 
und  Trier  errichtet  sind.  —  In  Russland  bestehen  für  den  griechischen  Cultus,  als 
i  den  herrschenden,  4  geistliche  Akademien  j  36  Eparchial- Semiiiarien  j  und 
nach  Hassel  18,  nach  v.  IVichmann  n5  kleinere  Sc/inlerij  nach  dem  IntoUigonzhlat- 
le  der  Jen.  A.  L.  Z.  1811.  Nr.  67  aber  1000  geistliche  Kreisschulen.  Die  Akademien 
sind  die  Alexander-Newsky'sche  zu  St.  Petersburg,  die  zu  Kiew,  Moskau  und  Kasan. 
Die  Alcxander-Newsky'sclie  Akademie  zu  St.  Petersburg  hat  zum  Zwecke,  Professo- 
ren für  die  drey  andern  geistliehen  Akademien  zu  bilden.  Die  armenische  Gcistlich- 
ieit  studiert  im  Kloster  zu  Nachitschewan :  die  lutherische  eines  Theils  auf  den  grie- 
chischen Gymnasien ,  andere  auf  der  Universität  zn  Dorpat;  die  katholische  in  den 
-GoUegien  zu  Minsk,  Polozk  u.  s.  v/.,  welche  jetzt  nicht  mehr  von  Jesuiten  versehen 
werden,  auf  dem  Generalseminariuni  zu  Wilna,  luid  auf  der  Akademie  zu  Olyka. 

2)  Für  Juristen  :  a)  die  16  Inns  of  Court  oder  Rechtsschulen  zu  London ;  ]))  das 
praktische  Reclitsinstitut  zu  St.  Petersburg,  dessen  Zweck  ist,  junge  Leute,  die  be- 
reits auf  Universitäten  absolvirt  haben,  zu  gerichllichen  Amtern  näher  vorzubereilen  ; 
c)  das  sogenannte  Prislaldenm  zu  Keszthcly  in  Ungern,  oder  die  mit  dem  dasigcn 
Georgicon  verbundene  Lehranstalt",  wo  sich  künftige  Juslitiarien  —  oder  —  wie  man 
sie  hier  zu  Lande  nennt,  Fiscale,  bilden  können. 

3)  YüT  Mediciner:  a)  in  Österreich:  1)  die  medicinisch-chirtirgisclie  Josephs- 
Akademie  zu  Wien;  2)  die  medicinisch-chiriirgische  Schule  zu  Linz;  3)  die  71iier- 
nrzneyschulen  zu  Wien,  Linz,  Pesili  und  Mailand;  4)  die  Lehrinstitute  für  Hebam- 
??ie7i  zu  Mailand,  Triest ,  Zara  und  Czerno\Ailz.  —  b)  In  Preussen :  1)  cKßmedici- 
nisch-chirurgische  Militär-Akadeinie  zu  Berlin ;  2)  die  f-^eterinärscliul^  ebenda- 
selbst, nebst  den.  Heb ummenschulen  zu  Königsberg,  Lüben,  Breslau  und  a.  a.  O.  — 
c)  In  den  rein  deutschen  Bundesstaaten:  1)  die  Schulen  für  Landärzte  und  Chi- 
rurgen zu  München,  Bamberg,  Hanovcr,  Cassel,  Braunschvveig,  Lübeck  imd  a.a.O.; 
2)  die  medicinische  Schule  zu  Mainz;  3)  die  Veterinärschiden  zu  München,  Würz- 
burg, Tidjiugen,  Carlsruhe,  Dresden  imd  Ilanover,  nebst  den  Hebammen  schulen  zu 
München,  Würzburg,  Bamberg,  Dresden,  Leipzig,  Hanovcr,  Götlingen,  Casselu.  s.w. 
—  d)  In  Italien:  die  Thierarzenej schulen  zu  Turin  und  Modena.  —  e)  In  Frank- 
reich: 1)  die  medicinischen  Schulen  zu  Paris,  MonipeLlier  und  Strassburg;- 2)  die 
P^eterinürschulen  zu  Lyon  undAlfort;  3)  das  unter  dem  Nahmen  College  et  e'cole 
gratuite  de  Pharmacie  bekannte  Institut.  —  f)  In  Spanien:  Die  medicinische  Schu- 
le zu  Madrid.  —  g)  In  England :  1)  die  medicinischen  Schulen  zu  London  vmd  a.a.O.; 
2)  das  pneumatische  Institut  inr  Physiologie  und  Medicin  zu  Bristol.  —  h)  In  Däne- 
mark: 1)  die  cldrurgische  Akademie  und  das  chirurgische  Collegium  zu  Kopenha- 
gen; 2)  die  Veterinärschule  eben  daselbst;  3)  das  Gehurtsstift  chc.n  daselbst;  es 
begreift  das  eigentliche  Gehurtsstift,  eine  Lehranstalt  für  Geburtshelt'er  beyderley  Ge- 
schlechts, und  ein  Pflegestift  für  verlassene  Kinder  in  sich. —  i)In  Russland:  1)  die  me- 
dicinisch-chirurgische  Akademie  zu  St.  Petersburg;  2)  die  Thieravznejschulen  eben 
daselbst^   dann  zu  Äloskau  imd  Lubny   im   Gouvernement  Pollawa ;  3)   das  Hcbam- 


5^li  II.  GL-istescultur.  §.  33.  Pflanisclnika  zur  Bildung  künftiger  Lclirt-r. 

meninstitut  zu  Sl.  Petersburg,   und  das  EntbuidutigsinstUiit  mit  dem  Klinikum    zu 
Bialistock. 

/,)  Für  H'örer  der  Plnloscipliic:  die  philosophischen  Lehranstalten  in  der  ustcr- 
reicliisclien  Monarchie  (zu  Krems,  Kremsmünster,  Briix,  Bndweis,  Leutomisclil,  Pil- 
sen, Brunn,  NikolsLurg,  Przemysl,  Gzernowitz,  Mailand,  Görz ,  Trient,  Sleinaman- 
gcr  und  Szegedin). 

§.  33. 

Pflanzschulen  zur  Bildung  künftiger  Lehrer, 

Zur  Bildung  künftiger  Lehrer  ^\hi  es  in  den  europäisclion  Staaten,  jedoch  nicht 
in  allen  aj ,  nach  Verschiedenheit  der  allgemeinen  Lehranstalten,  auch  verschiedene 
Bildungs-  und  Vorliereilungsansialten  oder  Pßanzschiden,  Hieher  gehören  :  i)  die 
Landschullehrer-Seminarien  in  Dänemark  ,  Preussen ,  Baiern ,  Würtemberg ,  Hano- 
ver,  Baden ,  Churhessen,  Grosshcrzogthum  Hessen,  Sachsen-Weimar  und  den  mei- 
sten übrigen  deutschen  Bundesstaaten,  wo  hie  und  da,  wie  z.  B.  in  dem  Lehrersemi- 
nariimi  zu  Hildburghausen,  die  Lehrer  nach  Pestalozzis  Methode  instruirt  werden. 
—  In  der  Schweiz,  nahmentlich  in  den  Cantouen  St.  Gallen  und  Zürich,  bestehen 
Musterschulen j,  in  welchen  niclit  nur  angehende  Landschullehrer  gebildet,  sondern 
auch  die  einer  weitern  Ausbildung  bedürftigen  Schulmeister  noch  einmal  imterrichtet 
werden,  und  das  lierühmte  Pestalozzi' sehe  Lehrinstitut  zu  Yvcrdim  im  CantonWaadt 
ist  theils  eine  Erziehungsanstalt  für  die  Jugend,  theils  eine  Bildungsschule  für  Leh- 
rer und  Lehrerinnen.  —  In  der  österreichischen  Monarchie  werden  die  angehenden 
Lehrer  der  Trivialschulen  in  den  Hauptschulen,  und  die  Lehrer  der  Hauptschulen  in 
den  Nor^l-  oder  Muster-Hauptschulcn  gebildet  imd  geprüft.  Zur  Bildung  tauglicher 
Lehrer  für  die  zahlreiche  serbische,  walachische  und  griechische  Jugend  des  nicht- 
unirten  Ritus  in  Ungern,  Slavonicn  und  Croaiien  bestehen  2  Präparanden  oder  Vor- 
bereitungsschulcn ,  nähmlicii  eine  für  die  sogenannten  Illyrier  zu  Zombor,  und  die 
andere  fiu-  die  Walachen  zu  Alt-Arad.  —  In  liusskiail  bestehen  zur  Bildung  der  Volks- 
lehrer die pi'id(fgogisch<m  Institute  zu  St.  Petersl)uig ,  zu  Kisljar  und  an  den  Univer- 
sitäten. —  Mehrere  derTjcsagten  Pflanzschulcn  werden  jedoch  wahrscheinlich  ihren 
Zweck,  gute  Schullehrer  zu  bilden,  erst  alsdann  erreichen,  wann  der  Schullehrer 
nicht  mehr  darben  wird.  Denn  nebst  tüchtiger  Bildung  ist  auch  anständiger  Gehalt 
der  Männer,  welche  die  atifltlühende  Jugend  eines  Volkes  bilden  sollen,  ein  Angel- 
punri  in  dem  öffentlichen  Uiiierrichls-  und  Erziehungswesen.  Es  gibt  hie  und  da 
Schvdlehrer,  die  umgeätzt  (der  Reihe  nach  in  den  Häusern  beköstiget)  werden  müs- 
sen bj ,  Schullehrer,  die  zugleich  Nachtwächter,  Feldhüter  und  Botenläufer  cj,  Kü- 
sterund Bedienten  der  Pfarrer  sind,  imd  eine  Menge  kleinlicher  Knechisdienste  dj 
thun  müssen.  —  2)  Seminarien  für  gelehrte  Schulen.  In  der  österreichischen  Mo- 
narchie wurden  im  Jahre  1811  eigene  Pflanzschulen  künftiger  Lehrer  für  die  Gymna- 
sial-, dann  die  theologischen,  juridisch-politischen  und  philosophischen  Lehranstal- 
ten errichtet.  Zur  Bildung  künftiger  Professorei}  für  die  verschieilfnen  Zweige  der 
Heilkund'^ ,  ihrer  Hülfswissenschaften  ,  der  Wundarzeneykunst  luul  der  Entbinchmgs- 
kunst,  besianden  schon  früher  organisirle  Pflanzschiden.  Die  auf  diese  Art   ajigcsleii- 


JI.   Geistescaltur.  §.  34'  Bilduiigs-  und  EriiehungsansUllen  für  besondere  Zwecke  elc.  54^ 

teil  und  den  Professoren  zngelheilicn  Individuen  licissen  Adjuncten  ^  Assistenten, 
Prosectoren  und  Prakticanteti j  und  geniessen  einen  Gehalt  von  3  —  400  fl.  Doch 
dauern  alle  erwähnten  Anslcllnngen  der  Regel  nach  nur  2  Jahre,  nach  deren  \  erlauf 
ein  neues  Individuum  ernannt  werden  nuiss  ej.  —  Eben  so  bestehen  an  mehreren 
deutschen  Universitäten,  z.  B.  zu  Leipzig,  Halle,  Berlin,  Breslau  u.  s.  w. ,  pliilologi- 
sclie  Scminarien  j  die  recht  eigcnllich  auf  Bilduni;  künftiger  Lehrer  in  Gyumasieu 
und  lateinischen  Schulen  berechnet  sind.  —  In  Frankreich  ward  im  J.  1809  in  der 
l'anser  Vorstadt  St.  Jaque  ein  Institut  fiir  das  gesanmUe  Schulwesen  unter  dem  Nah- 
men einer  e'coLe  normale  desline'e  a  former  des  Professeurs  erricliiety^',  und  zur 
Bildung  künftiger  Lehrer  an  den  Collcgien  und  Specialschulen  insbesondere  ist  das 
zu  Paris  befindliche  Collegium  von  P'rankreich  (collegc  de  France)  bestimmt.  —  In 
llussland  haben  die  oben  erwähnten  pädagogischen  Institute  auch  den  Z\\eck,  künf- 
tige Lehrer  für  die  (jynmasien  zu  bilden. 

. ,  la)  So    gibt  es  z.  B.  111    Schweden    kein  einziges    Scliullehrerscminarium.  S.  HasseVs   Lclitbucli 
der  Statistik  der  europäischen  Staaten  u.  s.  w.  Weimar  ,    1822.  S.  446- 
h)  S.  Jen.  Allg.  L.  Z.   1809.  Jul.  JNr.  i54.  S.  22. 

c)  S.  H.  A.  L.  Z.  l8ll>^>.  76.  S.  604.  Vergl.  J.  A.  L.  Z.  181g.  Nr.  225.  S.  ^5■^7>  ff. 

d)  S.  2.  Heft  des,  2.  Bandes  der  siebenbürgisciien  Pro\  inzialblatter.  S.  177.  Vergl.  Erganzungsbl. 
z.  A.  L.  Z.  1809.  Nr.  32.  S.  253. 

e)  S.  Vaterl.  Blat.  für  den  Österr.  Raiserstaat.   i8n.   io3. 

/)  S.  Geist  der  Zeit  etc.  von  K.  J.  jredeldnd  etc.  2.  Jahrg.  S.  87. 

§•  34- 

II.  B  i  1  d  u  n  g  s-    und    E  r  z  i  e  li  u  n  g  s  a  n  s  t  a  1 1  0  n  für    besondere  Zwecke  od  er  Stän- 
de und  C  lassen   von   Einwohnern. 

A.  Für  Jdeliche  :  a)  in  Osterreich:  1)  die  k.  k.  Theresianische  Ritterakademie 
zu  Wien,  der  Bildung  adelicher  Jugend  zu  wichtigen  Staatsämtern  gewidmet;  ein 
treffliches  Institut,  aus  dem  sehr  geschickte  Geschäftsmänner  hervorgehen;  2)  die  ade- 
lichen Convicte  zu  Wien  (das  gräflich  Löwenburgische) ,  zu  Kremsmünstcr ,  Kaschau, 
Grosswardein,  Agram  imd  Klausenburg,  und  die  6  Seminaria  studiosorum  in  Sie- 
benbürgen. —  b)  In  Russland:  1)  das  Zj'CrtM/n  zu  Zarskoe-Selo ,  für  die  Bildimg  ade- 
lichcr  Jugend  zu  wichtigen  Staatsämtern  bestimmt,  und  gleiche  Rechte  mit  den  Uni- 
versitäten geniessend;  2)  das  Pagencorps  zu  St.  Petersburg;  3)  die  Schule  für  die 
Grusischen  Edeüeute  zu  Tiflis ;  4)  die  Ritterschulen  zu  Grodno ,  Ostrog  und  Twcr ; 
K)  die  Rittcrakademie  zu  Reval;  6)  die  adcliche  Pensionsanstalt  zu  Moskau.  —  c)  Die 
Ritterakademien  zw  Dresden,  Ilanover  (Georgianum)  ,  Lünelnirg,  Soröe  (in  Däne- 
mark), Parma,  Modena ,  Calania,  Salamanca  und  Li:i5a])on  {collegio  real  dos  nobles). 

B.  Für  Unadeliche:  das  k.  k.  Stadtconvict  zu  Wien,  luid  die  Convicte  zu  Krems, 
Seilenstetten,  Molk  imd  Grätz.  Vom  grössten  Umfange  ist  das  k.  k.  Stadtconvict.  Es 
begreift  in  sich  folgende  Studierende:  a)  Gymnasialschider,  b)  Philosophen,  c)  Juri- 
.sten  und  d)  Theologen.  Diese  werden  in  einer  veihällnissinässigen  Zahl  von  den  Diö- 
cesan-Biäch(Sfen  aus  den  Provinzen  der  Monarchie  gesendet,  und  die  Ordinarien  ha- 
].-en  dn  ausfallenden  Betia"  für  sie  zu  bezahlen.  Sie  sind  bestimmt,  zu  würdigonPro- 


34Ö  II.   Geistiscullur.  §.  34    Bilduiigs-  und  Erzieliaugsanstalten  für  besondere  Zwecke  etc. 

fessorcn  und  Katecheten  gebildet  zn  weiden,  dalicr  auch  mehrere  von  ihnen  das  theo- 
logische Doctorai  nehmen.  Mediciner  befinden  sich  wegen  ihrer,  mit  der  Ordnung 
des  Hauses  unverträglichen,  Studienstunden  nicht  im  Convicte,  sondern  es  wird  ih- 
nen der,  dem  Convicts-Zöglinge  jedes  Älahl  ge])ül)rende ,  Betrag  auf  die  Hand  gege- 
ben, gegen  dem,  dass  sie  sich  bey  der  Convicis-Direction  über  den  ordentlichen  Fort- 
gang in  ihren  Studien  ausweisen. 

G.  Fiir  Soldaten  (s.  Verlheidigungskräfte  §.  54). 

D.  Für  Ovientallsten :  die  Akademie  der  orientalischen  Sprachen  zu  Wien,  ein 
Lebrinslitut  für  künftige  Diplomaten,  Consuln  und  Dollmetscher,  besonders  bey  der 
k.  k.  Gesandtschaft  in  Constantinopel  und  in  den  levanlischcn  Seehäfen  oder  in  den 
Gränzprovinzen.  Diesem  verdienstvollen  Institute  hat  Österreich  viele  gelehrte  Orien- 
talisten und  Schriftsteller  zu  danken. 

E.  Für  Translateurs:  das  griechische  Corps  zu  Si.  Pelersbiu-g,  für  Zöglinge 
griechischer,  albanischer  und  anderer  Aljkunfi,  die  in  einem  Alter  von  12  —  16  Jah- 
ren aufgenommen  ,  und  zu  Translatein-s  gebilib^t  werden. 

F.  Das  ständische  Joanneun  zu  Grätz  in  Steyermaik,  eine  Zusammenstellung 
der  kostbarsten  Schätze  für  Naturkunde,  Technologie  und  Geschichte  dieses  Landes, 
gestiftet  von  Sr.  k.  k.  Hoheit,  dem  Erzherzoge  Johann,  zur  Bildung  der  steyermärki- 
schen  Jugend  und  zur  Belebung  des  Fleisses  und  der  Liduslrie  der  Bewohner  Steyer- 
niarks,  mit  Hörsälen  für  naturhistorische,  astronomische  und  andere Yorlesimgen,  und 
einer  Bibliothek,  wo  dem  Freunde  der  Literatur  besonders  die  grosse  Anzahl  der 
Journale,  die  jäliilich  gehalten  werden,  willkommen  ist. 

G.  Die  Demidüw  sehe  Schule  der  höheren  Wissenschaften  zu  Jaroslaw  in  Russ- 
land, die  in  gleichem  Range  und  gleichen  Vorrechten  mit  den  Universitäten  steht, 
und  das  Besborodkd sclie  Gjmnasium  der  höheren  Wissenschaften  zu  Neshin  eben- 
falls in  Russland. 

H.  Das  berühmte  Collegium  Carolinum  zu  Braunschweig,  aus  welchem  vorzüg- 
liclie  Männer  jedes  Standes,  gebildete  Kaufleute,  Ökonomen,  Gelehrte,  Krieger  und 
Staatsuiänner  hervorgehen. 

L  Das  Athenäum  ftir  die  JSeugriechen  zu  München. 

K.  Das  Institut  zum  Unterrichte  der  langen  Lappen  zuDroniheim  in  Norwegen. 

L.  Das  Collegium  de  propaganda  fide  für  Missionäre  zur  Bekehrung  der  Hei- 
den, das  deutsche  Collegium  ^  das  Collegium  der  Griechen  und  Lehranstalten  für 
Knaben  aus  allerley  Völkern  aus  mehreren  Erdtheilen,  sämmtlich  zu  Rom. 

M.  Das  vereinigte  irländisch-englisch- und  schottische  Collegium  für  Katholiken 
von  genannten  Nationen  zu  Paris. 

N.  Das  Collegium  der  Herrnhuter  zu  Niesky  in  Preussen. 

O.  Die  Judenschulen  zu  Prag,  wo  ausser  einer  Hanptschule  und  Mädchenschule 
der  Israeliten  auch  ein  Lehrinstitut  der  Moral  für  IsraeUten  besteht  j  dann  die  Ju- 
denschidcn  zu  Berlin,  Grossglogau,  Breslau,  Dessau,  Wolfenbültel ,  Frankfurt  a.  AI., 
Fürth  und  a.  a.  O.  Deutschlands  aj.  In  Galizien  zählten  die  Juden  im  J.  i8o5  6g  Kna- 
ben- und  2  Mädchenschulen.  Wo  die  österreichischen  Juden  keine  eigene  Schulen 
haben,  müssen  sie  ihie  Kinder  bey  Strafe  des  doppellen  Schulgeldes  in  die  christli- 


i  II.  Giisfcsriilhir.  ■J.  34.  Bildungs-  uud  Erzicliungsanslallcn  für  besondere  Zwecke  etc.  545 

clien  Schulen  schicken.  Zur  Erreichung  einer  höhern  Siulichkeil  und  Geistoscuhur 
luiter  den  Juden  in  den  österreicliisrhen  Staaten  ist  das  rehgiös-niorahschc  Lchilnich 
Bne-Zion  ,  dessen  Verfasser,  Hr.  Herz  Hoinberg  ,  \on  Sr.  INIajosiiii  dem  Kaiser  mit 
1000  fl.  helohnet  wurde,  in  allen  israeUiischen  Schiden  Österreichs  zum  öffeuüichen 
Unterricht  eingeführt  bj. 

P.  Die  Thealerschule  zu  St.  Pctershurg. 

Q.  TVeibliclie  Lelir-  und  Erziehungsanstalten:  a)  in  Österreich  (wo  fiu-  die 
Bildung  dieser  so  wichtigen  Hälfte  des  menschlichen  Geschlechts  sehr  gut  gesorgei 
ist):  1)  das  Cwil-Mädchenpen^ionat  zu  Wien,  von  Kaiser  Joseph  II.  der  P>ildung 
weiblicher  Jugend  zum  Lehramte  gewidmet.  Die  Mädchen  bleiben  ungefähr  8  Jahre 
im  Pensionat,  und  sind  dann  bestimmt,  als  Gouvernanten  in  Privathäusern,  oder  als 
Lehrerinnen  in  öfTenllichen  Mädchenschulen  einzutreten;  2)  das  Erziehungs-Instilub 
für  Oflicierstöchter  zu  Herrnais  bcy  Wien;  3)  A\.e  Sciuden  der  englischen  Fräulein  (zu 
St.  Polten,  Krems,  Prag,  Brixen,  Meran,  Roveredo  und  Pesth)  ;  4)  die  Schulen  der 
Ursulinerinnen  (zu  Wien,  Linz,  Grätz,  Klagenfurt,  Prag,  Kutieuberg,  Brunn,  011- 
mütz,  Laibach,  Laak,  Innsbruck,  Bruneck,  Pressburg,  Tyrnau,  Kaschau  ,  Grosswar- 
dein  und  Hermannstailt;  5)  die  Schulen  der  Benedictinerinnen  zu  Lemberg,  Sta- 
nionlek  und  Przemysl;  6)  die  Schulen  der  Ciarisserinnen  zu  Alt-Sandez  und  der 
barmherzigen  Schwestern  zu  Lemberg,  Przeworsk,  Zalosze,  Mariampol  und  Roz- 
dol;  7)  die  Schulen  der  Notre  -  Damen  zii  Pressburg,  -der  armenischen  Kloster- 
frauen  zu  Lemberg,  der  Servitinnen  zu  Arco,  der  Tertianerinnen  zu  Botzen,  Kal- 
deru  und  Brixen,  und  der  Doininicanerinnen  zu  Altenstadt  und  Lienz,  nebst  ^bCol- 
legien  für  die  weiblit-hc  Jugend  in  der  Lombardie  und  Venedig,  wovon  6  von  den 
Frauen  Satesianerinneu  besorget  werden,  so  wie  dieSalesianer-Nonnen  auch  zuWien 
ein  Institut  für  Fräulein  vom  höheren  Adel  haben.  Im  J.  i8ig  waren  in  Böhmen, 
Mähren,  Schlesien,  dem  Lande  ob  und  unter  der  Enns,  in  Steyermark,  Kärnihen, 
Tyrol,  Vorarlberg,  Illyrien  und  dem  Küstenlande ,  im  Ganzen  465  Mädchenschulen. 
—  b)  In  Frankreich :  die  grossen  Erzieliungshäuser  zu  St.  Denis  und  Ecouen ,  für 
die  Erziehung  der  Töchter  bestimmt,  deren  Väter  sich  dem  Dienste  des  Staates  ge- 
widmet haben.  —  c)  In  Russland:  vorzi'iglich  das  ^veibli  che  Erziehungshaus  z\i  St.  Pe- 
tersburg mit  einer  Ijesondern  Classe,  die  von  der  Kaiserinn  IMutter  Majestät  gestiftet 
mid  bestimmt  ist  zur  Bildung  junger  Mädchen,  welche  ihr  künftiges  Fortkommen  als 
Erzicherinnen  suchen,  nebst  mehreren  andern  weiblichen  Erziehungsanstalten  und 
Töchterschulen.  —  d)  In  Baiern:  das  Erzieliungsinstitut  für  Töchter  aus  den  höhe- 
ren Ständen  zu  München,  mit  3o  Frey«tellen  für  Töchter  von  Officieren  und  adeli- 
chen Familien,  deren  Väter  sich  im  Staatsdienste  ausgezeichnet  haben.  —  c)  In  Ila- 
nover:  die  Uni\>ersitäts-T6cJitcrschule  zu  Götiingen,  eine  Anstalt  für  Töchter  der 
gebildeten  Stände  der  Stadt  (nicht  bloss  von  Universitätsverwandicn).  —  In  clor 
Schweiz:  die  Töchterschulen  zu  Zürich,  Olsberg  und  im  Frauenkloster  bey  Zug, 
nebst  der  Arbeitsschule  für  anne  Mädchen  zu  Zürich  u.  s.  w. 

R.  Die  Taubstummeninstitule  in  Deutscldand  (zu  Wien,  Linz,  Prag,  Frey^ing, 
Gmünd,  Carlsruhe  und  StaufTon,  zu  Leipzig,  Berlin  und  Kiel),  Ungern  (zu  Waitzen), 
Italien  (zu  Mailand,  Genua  luid  Neapel),  Frankreich  (zu  Parios),  Spanien  (zu  Madrid), 


33o  n.   Geislescultur.   §.  34-  Bildungs-  und  Erzlehungsanstidten  für  besondere  Zwecke  etc. 

England  (zu  London),  den  Niederlanden  (zu  Groningen),  in  Preussca  (zu  Königs- 
Lcrg) ,  Dänemark  (zu  Kopenhagen)  und  in  Russland  (zu  Ronianowa  im  Gouvernement 
Volhynien).  Für  JVlidiren  und  Schlesien  ist  die  Errichtung  eines  Taubsltunmen-  und 
Blinden-Institutes  im  Werke  begriffen.  Das  Vaterland  der  Erfindung  des  Taubstum- 
men Unterrichts  ist  in  so  fern  Spanien,  als  Pedro  de  Poncet  ein  Bencdictinermönch 
in  Spanien  im  Kloster  S.  Salvadore  d'Ogna,  der  i584  starb,  diesen  Unterricht  zuerst 
systematisch  behandelt  hat,  und  als  in  Spanien  die  ersten  Nachrichten  von  der  Aus- 
übung dieser  Kunst  im  Druck  erschienen  sind.  Aber  die  Spanier  haben  diese  Erfindung 
vernachlässigt,  M'ovon  jetzt  die  Ehre  ihren  NacJibarn  gebührt;  denn  der  Abbe  de 
l'Epe'e  und  seine  treflhchen  Nachfolger  haben  ihre  Methode  nicht  nach  den  Lehisä- 
tzen  des  spanischen  Mönchs  vervoUkomnuiet.  Genau  genonmien  gebührt  aber  die  Eh- 
re der  Erfindung,  wenigstens  der  ersten  ^  wenn  gleich  nur  unvoUkommnen ,  Erfindung 
den  Deutschen,  indem  sowohl  Rudolph  ylgricola _,  der  schon  im  1 5- Jahrhundertc 
lebte,  ids  Joachim  Pasche j  der  löyS  starb ^  Deutsche  waren,  und  auf  diese  Kunst 
sich  verstanden  cj. 

S.  Die  Blindeniitstilute  in  Deutschland  (zu  Wien,  Prag,  Dresden  luid  Berlin), 
in  der  Schweiz  (zu  Zürich),  in  Frankreich  (zu  Paris),  England  (zu  London  und  Lc- 
verpool),  den  Niederlanden  (zu  Amsterdam),  in  Dänemark  (zu  Kopenhagen)  luid  in 
Preusseu  (zu  Königsberg),  Das  erste  Blindeninstitut  in  Europa  entstand  zu  Paris  durch 
den  Bürger  f'aLeiitin  Ihiuj.  Den  Gedanken  zur  Errichtung  einer  solchen  Anstalt  hat 
ihnr ,  wie  er  in  seinem  „Essai  sur  l'e'ducation  des  a^'eiigles  j,  iinprime  par  les  enfans 
aveugles _,  Paris  1786"  gesteht,  die  Bekanntschaft  mit  dem  ihres  Gesichtes  beraubten 
Fräidein  Paradies  aus  Wien  an  die  Hand  gegelien,  welche  sich  damals  zu  Paris  auf- 
hielt, um  Proben  ihres  musicalischcn  Talents  af>zulegen.  Die  Künsllerinn  war  nüt  ei- 
nem ,  von  dem  berühmten  Kempelen  für  sie  theils  erfundenen ,  theils  angegebenen 
Geräihe  ausgerüstet,  welches  berechnet  war,  ihr  für  das  Gebrechen  der  Augen  durch 
den  Sinn  der  Betastung  zu  einigem  Ersätze  zu  verhelfen.  Es  bestand  nicht  nur  in  ei- 
ner Rechentafel  und  in  Landkarten,  um  Zahlen  und  die  Lage  der  Länder,  Städte, 
Flüsse  u.  s.  w.  fi'xr  die  Belastung  wahrnehmbar  zu  machen,  sondern  auch  in  einer  klei- 
nen,  zur  Aufhewahrung  in  der  Tasche  eingerichlelcn  Druckerey,  um  durch  erhabene 
Schriflzeichen  der  Betastung  ihre  Gedanken  darzustellen  dj.  Wenn  die  Finger  den 
Blinden  nicht  Auskunft  geben ,  so  berühren  sie  mit  der  Z-ungenspitze,  und  die  Farben 
erkennen  sie  mitunter  am  Geschmack  ej. 

T.  Die  Waisenhäuser  (wo  älternlose  Kinder  zu  lüirgeilichen  Geschäften,  Hand- 
werken und  Künsten  vorbereitet  werden)  zu  Wien,  Prag,  Mailand,  Brescia,  Crcmo- 
na, Casalmaggiove ,  Bergamo,  Venedig,  Hermannstadt,  St.  Petersburg,  Charkow, 
Königsbergs  Merseburg,  Glaucha  (in  Preussisch-Sachsen),  London,  Golhenburg  und 
a.  a.  Ol  icn. 

U.  Endlich  Pensionsanstalten _,  fast  in  allen  Hauptstädten  imd  an  andern  Orten 
der  euro|)äischen  Staaten,  besonders  zahlreich  inLondon,  wo  es  deren,  nach iSc/io/'c/zj 
über  6000  gibt.  Nur  Schade,  dass  man  die  Prival-Erziehungsanstallen  nicht  selten  als 
kaufmännische  Spcculalion  betrachten  muss,  bey  welchen  man  durch  Charlalanerie 
das  ersetzt,   was   au   Solidität  abgeht.  Die  berühinlestcn   Anstalten   der  Art  sind    das 


II.  Geislcsciiltur.   §.  35.   Gelehrte  GcscUscliaftcn  und  polylcclinisclic   Veri^ine,  öji 

Salzmannisclie   Erzichvingsinslitut    zu  Schnepfenthal  im  Sachsen- Golhaischcn ,  und 
das  Pestalozzi  sclie  Erziehungsinstitut  zu  Yverdun  im  Canton  Waadl. 

a)  Nachrichten    \  on    den   jüdischen  Schulen   in  Wolfenbiittel ,    Frankfurt   a.  M.  ,  Berlin   und 
Dessau;  in  der  Zeitschrift  Sulamilli  w.  s.  w.  im  2.  B.  des  i.  Jahrg.    S.    4»-  6i-   »3».  und  1 43. 

b)  S.  Intelligenzb.  d.  J.  A.  L.  Z.  i8ii.  Nr.  23.  S.  i8o  ff. 

c)  S.  Ergänzungsbl.  z.  A.  L.  Z.  i8io.  Nr.  8g.  S.  707  ff. 

d)  S.  Inteiligenzbl.  der  Annalen  d.  Lit.  und  R.  u.  s.  w.   1804.  J"«.  S.   i85  ff. 

e)  S.  Götting.  gel.  Anz.    1818.  St.   106.  S.   io56. 

Anstalten    zur    Erweiterung     und    Vervollkommnung    wissenschaftlicher 
und  technischer  Kenntnisse,  so  wie  zur  höheren  Ausbildung  der  Künste. 

S-  35. 

A)  Gelehrte  Gesellschaften  und  polytechnische  Vereine. 

Die  gelehrten  Gesellschaften  und  pol.)  technischen  Vereine  haben  nicht  sowohl 
den  Zweck,  den  schon  vorhandenen  Reichthum  wissenschafthcher  und  technisclicr 
Kenntnisse  durch  Lehre  und  Unterricht  weiter  zu  verbreiten,  als  vielmehr  das  wis- 
senschaftliche und  technische  Gebiet  theils  überhaupt,  theils  im  Einzelnen  diu'cU 
neue  Elitdeckungen  und  durch  Aussetzung  von  Preisen  zu  erweitern,  und  von  ih- 
ren Bemühungen  zum  Theil  diuch  öffentliche  Schriften  Rechenschaft  zu  geben.  Der- 
gleichen gelehrte  Gesellschaften  und  tccbuische  Vereine  sind  in  Europa  sehr  zahl- 
reich, besonders  in  Deutschland,  Italien,  Frankreich,  Spanien,  Grossbritannien,  den 
Niederlanden ,  der  Schweiz  und  in  Dänemark.  Zu  den  vornehmsten  gehören  : 

a)  In  Deutschland:  i)  die  Akademien  der  Wissenschaften  zu  Berlin,  München 
und  Erfurt;  die  Societät  der  JVissen Schäften  zu  Göttingen;  die  Gesellschaften  der 
Wissenschaften  zu  Prag  und  Görlitz ;  die  Gesellschaft  der  TTissenschaften  und 
Kiinste  zu  Breslau;  2)  die  Akademien  der  JSaturfoiscIier  zu  Bonn  (die  älteste  in 
Deutschland)  und  Erlangen;  die  Gesellschaft  naturforschender  Freunde  zu  Berlin; 
die  natur forschenden  Gesellschaften  zu  Halle  und  Jena  5  die  Gesellschaft  zur  Be- 
förderung der  gesummten  Natui'wissenschaften  zu  Marburg ;  die  Societät  für  die 
gesammte  Mineralogie  zu  Jena;  die  TVetterauische  Gesellschaft  für  die  gesammte 
J^aturkunde  zu  Hanau;  die  vaterländische  Gesellschaft  der  Arzte  und  Naturforscher 
Schwabens,  vuid  die  botanische  Gesellschaft  zu  Regensburg;  3)  die  Landwirth- 
Schafts-Gesellschaft  in  Wien  (die  10  Mitglieder  aus  dem  durchlauchtigsten  Erzhau- 
se zählt);  die  pati'iotisch-ökonomische  Gesellschaft  in  Böhmen;  die  Gesellschaft 
zur  Beförderung  des  Ackerbaues  j  der  Natur-  und  Landeskunde  in  Mähren  und 
Schlesien;  die  Landwirtliscliaftsgesellschaft  in  Sieyerm:x\\;  die  Gesellschaften  zur 
Beförderung  des  Ackerbaues  und  der  Künste  in  Kärnthcn  und  Krain;  die  Gesell- 
schaft des  Ackerbaues  ^  der  Künste  und  des  Handels  in  Gürz ;  die  Landwirlli- 
schafts-Societätcn  zu  Celle  und  Leipzig ;  die  Märkiscli-ökonomische  Gesellschaft 
zu  Potsdam;  die  W^estplialische  zull.^min;  die  ökonomisch-patriotische  Gesellschaft 
zu  Breslau;  die  landwii-thschaftlichen  Vereine  in  Baiern,  Würlomberg  imd  Baden; 
die  Weinbaugesellscha ften  in  Sachsen  und  zu  Linz  (am  Niederrhein)  und  die  Bie- 
nengesellschajt  in  der  Lausitz  ;  4)  die  Saclisen-Gotliaisclie  und  Meinung'sche  Socie- 


552  II-   Gcistoscultur.  §.  35.   Gelehrte  GescUschaften  und  polyiechnische  Vereine. 

tat  der  Forst-  und  Jagdhunde  zu  Dreyssigackcr;  5)  die  Gesellschaft  jiir  Deutsch- 
lands ältere  Geschichtskunde  zu  Frankfurt  a.  M. ,  und  die  Gesellschaft  der  Alter- 
thi'nner  zu  Cassel;  6)  die  medicinisch-phjsikalische  luid  kameralistiscJi-ökonomi- 
sche  Gesellschaft  zu  Nürnberg,  und  die  phjsisch-mediciräsche  Gesellschaft  zu  Er- 
langen; 7)  die  phdologische  Gesellschaf t  zu  Leipzig,  und  die  Gesellschaf t  für  deut- 
sche Sprache  zu  Berlin;  8)  das  Cabinet  der  Minerva  zu  Triest  und  die  gelehrte 
Gesellschaft  zu  Pioveredo  (academia  degli  Agiati);  g)  endlich  die  Gesellschaft  zur 
Beföi'derung  nützlicher  Künste  und  Gewerbe  zu  ILnnhurg,  die  Gesellscliaft  zur  Be- 
förderung der  nützlichen  Künste  und  ihrer  Hülfswissenscliaften  zu  Frankfurt  a.  M.; 
der  polytechnische  Verein  in  Baiern,  und  der  Verein  ziw  Beförderung^  des  Ge- 
werbjleisses  in  Preussen.  Die  Stelle  einer  noch  innner  \crmissten  geographischen  Ge- 
sellschaft vertritt  das,  um  Erdkunde  besonders  verdiente  Landes-Industrie-Comp- 
toir  und  geographische  Institut  zu  Weimar. 

b)  In  der  Schweiz :  1)  diiG  Helvetischen  Gesellschaften  zu  Basel  und  ZolTingen; 
2)  die  medicinisc/ien  Gesellschaften  zu  Zürich,  Bern  und  Genf,  luid  die  Gesell- 
schajt  Aargauischer  Aerzte  zu  Lenzburg;  j)  die  Gesellschaft  für  vaterländische 
Geschichte  und  Politik  zu  Zürich ;  4)  die  ökonomische  luid  naturhistofisclie  Gesell- 
schaft zu  Bern,  und  die  ökonomisclien  Gesellschaften  zu  Frcyburg,  Lausanne  u.  s.  w.;^ 
5)  die  Gesellschaft  für  Naturwissenschaften  zu  Genf;  6)  die  Nacheiferungsge- 
sellschaft  zu  Yevay  (im  Canton  Waadt) ;  7)  endlich  die  Iselinische  Gesellschaft 
zur   Beförderimg  de.s    Guten  und  Nützlichen  im  Canton  Basel. 

c)  In  Italien,  vmd  zwar  aa)  in  Sardinien:  1)  die  yJkademien  der  TVissenschaften 
und  des  Ackerbaues  zu  Turin;  2)  die  Akademie  der  Arkadier  und  drcy  andere  ge- 
lehrte Gesellschaften  zu  Genua;  blj)  in  der  Lombardie  und  Venedig:  1)  das  itulieid- 
sche  Institut  der  TVissenschaften  und  Künste,  in  vier  Sectionen  (z.u  Mailand,  Ve- 
nedig, Padua  und  Verona);  2)  die  Akademie  der  TVissenschaften  und  Künste  zu 
Padtia  ;  3)  (^10.  Athenäen  für  TT^issenschaften  w/?rf  Ä^MH.yis  zu  Brescia  imd  Bergamo; 
4)  die  Athenäen  zu  Venedig  imd  Treviso ;  5)  die  Akademie  der  TVissenschaften 
genannt  de  Concordi j  ?.\\  Rovigo;  6)  die  gelehrten  medicinischen  Gesellschaften  zu 
Venedig  tuid  Padua;  7)  die  Akademie  des  Ackerbaues  zu  Udine;  8)  die  Akademie 
des  Ackerbaues  _,  des  Handels  und  der  Künste  zu  Verona  u.  a.  m.  cc)  In  Lucca:  die 
Akademie  der  TVissenschaften  zu  Lucca;  dd)  in  Toscana:  1)  die  phjsikalisch-me- 
diciinsche  Gesellschaft  zu  Pisa;  2)  die  academia  della  crusca  zu  Florenz,  die  zum 
Zwecke  hat,  die  italienische  Sprache  zu  verbessern,  luid  dieselbe  von  schlechten  Wör- 
tern (gleichsam  der  Kleye,  welche  auf  italienisch  crusca  heisst)  zu  reinigen;  ee)  im 
Kirchenstaate:  1)  die  Akademien  für  die  Geographie  und  Geschichte j  für  die  Kir~ 
chengeschicJite  j  fiir  die  römischen  Alter thiuner  j,  für  die  Concilien  ,  für  die  Liturgie 
oder  alten  Kirchengebräuche  u.  s.  w. ,  sämmtlich  zu  Piom;  2)  die  Akademie  der  TT'is- 
senschaften  zu  Bologna ,  womit  die  academia  clementina  bonarum  artium  vereinigt 
ist;  ff)  in  beyden  Sicilien:  1)  die  Bourbonische  Societät  zu  Neapel,  aus  den  Akade- 
mien von  Herkulanum  für  die  Allerthumskunde,  dann  der  Wissenschaften  und  Kün- 
ste zusanuuengesetzt;  2^  die  erneuerte  Akademie  der  Aetnaer  zu  Catania. 


]I.  Gelslescultur.  <>.  35.  Gtklnte  Gestllsclurten  und  polytcclinisclie  Vereine.  355 

d)  Auf  den  jonischen  Inseln:  die  Societät  des  Ackerbaues  und  der  liulustrie 
ZM  Corfu. 

c)  Li  Frankreich:  i)  das  königliclie  Institut  zu  Paris,  in  4  Akademien  gelhcill : 
a)  acadcniie  francaise;  ß)  acadcniic  des  inscriplicns  el  helles  leltres  5  y)  acadeniic  des 
Sciences 3  h)  acadcmie  des  bcaux  arlsj  2)  die  AckerbnugeseUschaft  zu  Paris;  3)  die 
anakreontische  Gesellschall  zu  Grenohle ;  4)  die  Socieüil  zur  Untersuchung  des  in- 
nern  Afrika  zu  Marseille;  5)  die  Akademie  des  jeux  Fioreaux  zu  Toulouse;  6)  die 
Societe  de  Pliannacie  zu  Paris;  7)  die  Gesellschaft  der  Statistik  seil  1804  eben  da- 
selbst; 8)  die  geographische  Gesellschaft  seit  1821  eben  daselbst;  g)  die  Societät  zur 
Belebung  der  JSntioncd-Iiidustrie ehen iXr^scXhsX.-,  io) endlich  mehrere  Socie'te's  d'e'mn- 
/flf/o«j  mehrere  naturhistorische,  slaatswirlhschaflliihe ,  iiicdicinische  und  chirurgi- 
sche Gesellschaften,  Ijesonders  aber  viele  Gesellschaften,  welche  die  Beförderung  der 
schönen  AVissenschafien  zum  Zwecke  haben. 

f)  In  Spanien:  1)  die  Akademien  der  IFissenschaften  zu  Madrid,  Sevilbi,  Val- 
ladolid,  Valencia  und  Bareellona;  2)  die  medicinischen  Akademien  zu  IMadrid  iintl 
Valencia;  3)  das  chirurgische  Coliegium  zu  Madrid;  4)  die  Akademien  der  sparn- 
schen  Sprache _,  der  Geschichte  j,  des  spanischen  Rechts  und  Staatsrechts _,  des  ca- 
nonischen  und  Civilrechts ,  die  lateinische  Akademie ,  sämmtlich  zu  Madrid ;  5)  die 
geographische  Gesellschaft  zu  Valladolid;  6)  endlich  eine  Menge  okonoinisclier  und 
patriotischer  Gesellschaften. 

g)  In  Portugal:  1)  die  Akademie  der  TFissetischaften  zu  Lissabon,  mit  der  auch 
die  ehemalige  Akademie  der  portugiesischen  Geschichte  vei'bunden  ist;  2)  die  Akade- 
mie der  Wissenschaften  zu  Thomar;  3)  die  sociedade  real  maritima  j  militar  e 
geograßca  zu  Lissabon ,  und  5)  die  ökonomischen  Gesellschaften  zu  Saniarcm  und 
Ponte  de  Lima. 

h)  Im  brittischen  Rcielic:  1)  die  Gesellschaft  der  TFi^senscliaften  zu  London 
seit  164.5  und  i663 ,  die  Stammmutier  aller  europäischen  Institute  dieser  Art;  2)  die 
Gesellschaften  der  Jlissenschaften  zu  Edinburgh  und  Dublin;  3)  die  Gesellschaf- 
ten der  ältertlmmsjorscher  zu  London  und  Edinburgh;  4)  die  Societät  für  JSatur- 
geschichte  zu 'London;  5)  die  Societät  für  Chemie  eben  daselbst;  6)  die  Linnelsche 
Gesellschaft  zu  Edinburgh;  7)  die  medicinischen  Societäten  zu  London,  Edinburgh 
und  Colchester;  8)  die  philosophischen  und  medicinischen  zu  Manchester,  Lcverpool 
nnd  Edinburgh;  g)  die  mineralogische  Gesellschaft  zu  London;  10)  die  Gesellschaft 
zur  Entdeckung  des  Innern  von  Afrika  zu  London;  11)  die  Palästinnl geseUscha f t 
zur  Kennlniss  der  Geographie  und  Naturgeschichte  von  Palästina  und  Syrien  zu  Lon- 
don ;  12)'  die  Gesellschaft  zur  Verbesserung  der  Schiffbauknnde  eben  daselbst ;  i3)  die 
Gesellschaften  zur  Beförderung  der  Künste  _,  der  Manufacturen  und  des  Han- 
dels zu  London,  Balh  und  Dublin;  14)  eine  Menge  ökonomischer  Gesellschaften; 
l5)  die  Bienengesellscliaft  zu  Exeter ;  16)  endlich  die  Gesellschaft  des  Gartenbaues 
(thc  Horlicullural  society)  zu  London  seil  1804,  der  nicht  bloss  aus  allen  Gegenden 
von  England,  sondern  aiu'h  aus  dem  Auslande,  z.  B.  aus  Frankreich  und  den  jXieder- 
landen,  Früchte  und  Geviächse  zur  Beurlhcihmg  mitgclhcilt  'Acidcn. 

45 


I 

354  II.   GeistcscuUur.   >,>.   35.    Gt-lelirte   Gesell, elKiflcn    iiiui   poljteclmiscIiL-   Viroiue. 

i)  In  den  Niederlanden  :  i)  das  Institut  der  TVissenscJinften  und  schönen  Kün- 
ste zu  Amsierdam^  in  4  Classen  gclhcill;  2)  die  Akudemie  der  TVissenschaften  und 
schönen  Künste  zu  Brüssel  3  3)  die  Gesellschaft  der  Ulssensclinften  zu  Haailem; 
4)  die  Gesellschaft  der  NaturgeschicJtte  und  Literatur  im  Haag;  5)  die  Gesell- 
schaft der  schönen  Künste  und  Literatur  zu  Gent;  6)  das  Insiitut  Felix  meritis  zu 
Amsterdam;  7)  die  Gesellschaft  tot  ent  i>ant  allgemeen  ^  die  in  jeder  der  nördliclien 
Provinzen  Seclionen  hat;  im  Ganzen  zälilt  man  in  den  verschi-'Jenen  niedciländischcn 
Städten  72  gelehrte  Gesellschaften. 

k)  In  Dänemari  :  1)  die  Gesellschii/'t  der  fflssenschaften  ziiKoponln^'^cn;  2)  die 
Gesellschaft  zur  Beförderung  der  schönen  Tf^issenschaften  und  des  Geschmacks  eben 
daselhst;  5)   die  Gesellschaft  fiir  dänische  Geschichte  und  Sprache  ehen   daselbst; 

4)  die  skandinavische  Literaturgesellschaft  ehcxi  daselbst;  5)  die  Classensche  Li- 
teralurgesellschafi  eben    daselbst;    6)    die   mcdlcinische   Gesellschaft    eben   daselbst; 

7)  die    Gesellschaft    zur    Beförderung   der   Veterinärwissrnschafteu   eben   daselbst; 

8)  A\e  Liuidliaushcdtungsgesellschaft  ebendaselbst;  g)  die  Gesellschaft  zur  Beför- 
derung des  irdändischen  Fleisses  eben  daselbst;  10)  die  isländische  Landau fklä- 
riingsgesellsclia f t  u.  a.  m. 

1)  In  dem  schwedischen  Staate,  und  zwar  aa)  in  Schweden  an  sich:  1)  die  Aka- 
demie der  Jf'issenschaften  zu  Slückholm;  2)  die  zu  Upsala ;  5)  die  der  Geschichte 
und  der  Altertliümer  zu  Stockholm;  4)  die  schwedische  Akademie ^  die  sich  mit 
der    Cullur  der   schwedischen    Sprache,   Beredsamkeit   und  Dichlkiuisl  beschäfiigl ; 

5)  die  Akademie  der  Wissenschaf tbn  und  frejen  Künste  zu  Gothenburg;  6)  das 
Collegium  medicum  und  die  mit  ihm  vereinigte  chirurgische  Societät  zu  Stockholm; 
7)  die  Akademie  der  Kriegswissenschaften  eben  daselbst,  von  der  beynahe  alle  Of- 
ficierc  der  Armee  und  Flotte  Mitglieder  sind;  8)  o.\e  phjsiographisclte  Gc^fiWschah 
zu  Lund;  g)  die  skandinavische  Gesellschaft  zu  Stockholm;  10)  die  Ackerbauakade- 
mie  eben  daselbst,  und  einige  andere  Ackerbaugesellschafien.  —  bb)  In  Norwegen: 
1)  die  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Drontheim,  vielleicht  die  nördlichste  hi 
der  Welt;  2)  die  Gesellschaft  fiir  Norwegens  Wollt  zw  Chrisliania,  mit  welcher  die 
topographische  Gesellschaft,  die  patriotische  Gesellschaft  zu  Aggerhnus  luid  eine  Men- 
ge ökonomischer  Gesellschaften  in  Verbindung  stehen. 

m)  In  Piussland  und  Polen:  1)  die  Akademie  der  irissenschafteu  zu  St.  Peters- 
burg; 2)  die  Akademie  für  russische  Sprache  eben  daselbst;  5)  die  Gesellschaft  fai- 
russische  Sprache  undAlterthümer  zu  Moskau;  4)  die  Gesellschaft  für  die  gesamm- 
et  Mineralogie  zw  St.  Petersburg;   5)   die  fieye  ökonomisclie  Societät  ebendaselbst ; 

6)  die  liefläridische  ökonomische  Soc'iciÄi;  7)  die  philotechnische  Societät  zu  Char- 
kow; 8)  endlich  die  Gesellschaft  der  Freunde  de;-  JJlssenschaften  zu  Warschan. 

n)  In  Preussen:  1)  d\e  Gesellschaft  für  deutsche  Sprache  zu  Königsberg;  2)  die 
ostpreussische  phjsikalisch-ökonomische  Gesellschaft  eben  daselbst. 

o)  In  Siebenbürgen:  1)  die  G.'sellschaft  zur  Cultur  der  ungrisdien  Sprache  und 
Literatur;  2)  die  philohislorische  Gesellschaft  zur  Herausgabe  siebenbürgischer  Scrip- 
tornni  und  zur  Bearbeitung  der  LandcsirRschiclite. 


JI.  Geislt^cuUur.  §.  36.  KunslyrsilUchafteu.  305 

§.  36. 

B)     K   II   11  s   i  g  e  s  e  I  1   s  c  li  a  (  t  e  M. 

a)  Für  bildende  Künste. 

Als  Aiislalten  zur  höheren  Avisljilduiig  zeichnender  oder  hililetulcr  Künste  beste- 
hen (\\e  Akademien  in  Deutschland  (zu  Wien,  München,  Dresden,  Berlin,  Weimar, 
Cassel  u.  s.  w.)  ,  Italien  (zu  Turin,  Genua,  Mailand  aj  ,  Venedig,  Verona,  Parma, 
Florenz,  Rom  bj  u.  s.  w.) ,  Frankreich  (zu  Paris,  die  acade'niie  royal  des  heaux  arls , 
als  die  vierte  Classe  des  königl.  Inslituls),  Spanien  (zu  Madrid,  Valencia  und  Sara- 
j^ossa) ,  Grosshriiannien  (zu  London  und  Glasj^ow),  den  ^Niederlanden  (zu  Ainsterdani, 
Briissel,  Gent  und  Antwerjjen),  in  Dänemark  (zuKojienhageii),  Schweden  (zu  Stock- 
holm) und  Russland  (?.u  St.  Petersburg).  Die  meisten  dieser  Kunstgesellscliaften  sind 
7^^^Q'lc\l  Kitnstschaten  j  deren  Umfang  jedoch  nicht  allenlhalben  gleich  isl.  So  uiu- 
fasst  z.  B.  die  Akademie  der  Künste  zu  Berlin  nicht  zugleich  die  Baukunst,  sondern 
für  diesen  Kunstzweig  ist  daselbst  eine  besondere  Bauakademie  cj  angelegt 5  dage- 
gen vereiniget  die  Akademie  der  Künste  zu  Wien  alle  Zweige  der  bildenden  Künste 
in  der  umfassendsten  Bedeutung,  und  führt  hiernach  den  Nahmen  Akademie  der 
vcieiiügten  bildenden  Künste.  Sie  enthält  folgende  vier  liauptaljiheihuigen  oder  Schu- 
len: 1)  die  Schule  Acv  Mahler _,  der  Bildhauer _,  der  Kupferstecher  und  der  Mosaik; 
2)  die  Schule  dcv  Arc/ntektuj' ;  5)  die  Schule  der  Gravierkunsl ^  und  4)  die  Schule 
der  Anwendung  der  Kunst  auf  Manufacturen.  —  An  mehreren  der  besagten  Aka- 
demien der  Künste  haben  die  Schüler,  welche  das  akademische  Zeugniss  einer  ausge- 
zeichneten (ieschicklichkeit  und  Verwendung  erhalten,  Anspruch  auf  die  für  sie  be- 
stimmten Stiftunf;sscipendien ;  auch  werden  sie  durch  die  ihnen  vom  Staate  ertheil- 
ten  Pensinnen  in  den  Stand  gesetzt,  ihren  Kunstgeschmack  auf  Reisen  oder  im  Aus- 
lande weiter  auszubilden.  Ausserdem  finden  hie  und  da,  um  unter  den  akademischen 
Schülern  einen  rühmliclien  ^Velleifer  rege  zu  machen,  PreisaustheUungen  Sinti ,  und 
werden,  um  (his  Publinun  in  Stand  zu  setzen,  den  Stufengang  der  vaterländischen 
Kunst  zu  bcuriheilen,  das  Verdienst  der  Akademien  um  die  Aufnahme  deiselbeu  zu  . 
würdigen,  den  Flciss  und  das  Talent  der  Künstler  aufzumuntern,  und  ausgezeichne- 
ten Künstlern  Gelegenheit,  sich  bekannt  zu  machen,  zu  \ erscliaffen ,  an  mehreren 
Orten  von  den  Akjidemien  cier  Künste  von  Zeit  zu  Zeit  Kuiistausstellungen  veran- 
staltet. Zu  Prag  besteht  als  höhere  Anstalt  für  die  bildenden  Künste  die  Privatgesell- 
schaft patriotischer  Kunstfreunde. 

b)    F  ü  !■    M  11  s  i  k. 

Als  Anslalteu  zur  höheren  Ausbildung  der  Tonkunst  bestehen  :  1)  die  f^ereine  oder 
Conservatorien  zu  Rom,  Neapel,  Mailand,  Wien,  Prag,  Innsbruck,  Gräiz  und  Pa- 
ris, an  welchem  letzteren  Orte  ausserdem  eine  Schule  für  Musik  hey  der  grossen  Oper 
errichtet  ist;  2)  die  Pliilarmonischen  Institute  zu  Venedig  und  Laibach;  3)  die  musi- 
kalischen Akademien  zu  Stockholm  (mit  einer  Singschiilc),  PVankfurt  a.  M.  luid  Ber- 
lin (die  Zelier'sche  Singakademie) ;  /,)  endlich  die  Gesellschaft  der  Musikfreunde 
des  (Jsierreichischeii  Kaiserstaates  zu  Wien. 

45* 


5GÖ  II.   Geislescultur.   ^.  3;.  Buchhandel. 

a)  Wo  auch  eine  Schule  für  Mosaikarbeiter  isf 

6)  Wo  auch  die  St.  Pelevsschulen  fiir  die  mosaischen  [Arbeiter  merkwürdig  sind.  In  diesen 
Schulen  werden  die  Gemähide  der  grössten  Meister  cöpirt  und  auf  dauerhafteste  Weise  d^i- 
Nachvvelt  aufbehalten.  Unter  der  Aufsicht  eines  geschickten  Chemisten  werden  Gla>~!ifte 
von  allen  Farben  gegossen  ,  aus  welchen  die  mosaischen  Gemählde  bestehen. 

c)  S.   roiglefs  Versuch  einer  Statistik  des  preussischen  Staates  S.   i4o. 

Anstalten  zur  Verbreitung  der  Schriften. 

a)     Buchhandel. 

Keines  Landes  Buchliandel  ist  znr  leichten  Vei^bveitung  aller  Schrijteii  so 
zweckmässig  und  musterhaft  eingerichtet,  als  Deutschlands  Bilchervevkehr.  Der 
deutsche  Buchhändler,  einzelne  Ausnahmen  abgerechnet,  scliiänkt  sich  nicht  Lloss 
auf  Bücher,  die  er  selbst  verlegt  fKevlagsJinndclJ,  ein,  sondern  nimiai  auch  von 
andern,  und  überlässt  an  diese,  durch  Tausch  oder  Verkauf  gegen  gewisse  ProceiUe 
( SovtimentshandelJ ,  was  jeder  für  gangbar  in  seinen  Gegenden  erachtet.  Zu  dem 
Ende  kommt  nic!it  nur  nieist  jeder  mit  den»,  was  er  Neues  hat,  an  einem  gemein- 
schaftlichen Markt  platze  zusammen,  welches  zu  Leipzig  gescliieht,  zur  Zeit  der  Mes- 
sen ,  Ostern  und  Micliaelis  (im  Ganzen  erscheinen  jährlich  an  3oo  Buchhändler  , 
iheils  in  eigener  Person,  theils  durch  ihre  wohlunterrichteten  Stellvertreter),  sondern 
steht  auch  ausserdem  mit  seinen  Genossen  in  beständigem  Briefwechsel  und  Verkehr, 
^'on  den  zu  einer  jedesmaligen  Messe  neu  vorhandenen  Schriften  in  ganz  Deutschland 
wird  überdiess  ein  allgemeines  Verzcichidss  gedruckt,  das  zur  Kenntniss  eines  jeden 
bringt,  was  irgend  seine  Absichten  intcressircn  mag,  und  nebenher  auch  gleichsam 
als  Barometer  dient,   den  Geist  und  Grad  der  deutschen  Schriftstellcrey  zu  zeigen. 

Dagegen  ist  der  Zustand  des  Buchhandels  in  Grossbritannien^  Frankreich  j  Ita- 
lien _,  den  ISiederlanden  und  andern  Ländern  sehr  mangelhaft ,  da  in  denselben  jeder 
IjLichhändler  nur  mit  seinem  Verlage  oder  den  Bücher«  handelt  ,  welche  ihm  ein 
Schriftsteller  in  Cominission  gegeben,  von  denen  er  aber  selten  nur  ein  Vcrzeichniss 
gedruckt  hat;  noch  weniger  steht  er  mit  den  übrigen  Buchhändlern  des  Landes  in 
einer  dauerhaften  Verbindung.  Li  einigen  Ländern,  wie  z.  B.  in  Norwegen  ^  fehlt 
es  gar  an  eigenlliclien  Buchhändlern;  die  wenigen  Bücherverkäufer,  welche  man  dort 
lindet,  sind  zugleich  Buchdrucker,  oder  sie  treiben  auch  ein  anderes  Gewerbe  neben 
jenem  aj.  Auch  in  Spanien  bildet,  nach  Hrn.  Eichhorn^  der  Buchhandel  keinen  eige- 
nen Stand,  sondern  Buchhändler,  Buchdrucker  und  Buchbinder  sind  meistens  in  Ei- 
ner Person  vereinigt. 

Neben  den  unverkennbaren  Vortheilen ,  die  iibrigens  der  deulsche  Buchhandel, 
erwähnter  Maassen,  durch  seinen  wechselseitigen,  über  alle  Provinzen  Deutschlands 
sich  erstreckenden  Zusammenhang,  der  Literatur  imd  Geistescultur  gewährt,  unter- 
liegt er  jedoch  in  mehreren  deutschen  Bundesstaaten  dem  Nachdrucke  ^  einem  Ge- 
Ijrechen,  das  von  detn  Buchhandel  fast  eines  jeden  andern  I.,andes  entfernt  ist  hj ,  und 
dessen  Auflicbimg,  in  Gemässheit  des  i8-  Aitikels  der  deutschen  Bundosacle,  zu  er- 
warten steht. 


II.   Gcistcscultur.  §.  33.  Litorarisclu-   Zeil.siliiifU'u.  557 

Die  ineislen  Bnchhaiiillungcn  sind  iii  Giossljrilannicn  (es  zälilt  4000  Biuliliäiullcr, 
Antiquare  und  Biicherverlfiher) ,  FiankrcicL  (wo  im  J.  i8i3  i332  liiiclihandiungeu 
und  davon  allein  zu  Paris  577  waren)  und  Deutschland  (wo  man  allein  zu  Wi^'u  27, 
zu  Berlin  38,  zu  Leipzig  46  ,  zu  Frankfurt  a.  M.  17  und  zu  Nürnberg  12  Bucliliaiid- 
lui.'gen  zählt).  Dagegen  hat  das  grosse  Schweden  nur  32,  das  noch  grössere  Russland 
ehenfalls  32,  Ungern  12,  Polen  10  und  Galizien  2- 

In  welchen  Ländern  Europa's  die  Biichdruckcrkiuist  zu  einer  hohen  Vollkom- 
menheit gediehen,  ist  oben  (s.  L  Abth.  §.  114.)  gesagt  worden.  Hier  ist  nur  noch 
diess  nachzutragen ,  dass  der  sinnreiche  Erfinder  der  neuen  Bnclulrnckermiischine 
in  London,  die  in  Einer  Stunde  goo  Abdriu^ko  auf  bcyden  Seiten  des  Bogens  zugleich 
fertigt,  ein  Deutscher,  nahmenilich  aus  Eislcbcn  in  Thüringen  ist  cj ,  und  dass  ehe- 
dem die  Corvectoren  meistens  ausgesuchte  und  mit  den  berühmtesten  Männern  der 
Zeit  in  Verbindung  stehende  Gelehrte  waren,  die  sich  sogar  durch  einen  Schwur 
verbindlich  machen  mussten,  keinen  Druckfehler  stehen  zulassen;  daher  die  hcVrli- 
clien  correcten  Ausgaben  der  früheren  Druckereyen  dj.  Was  indessen  den  Auflagen 
der  jetzigen  Druckereyen  an  Correctheit  abgeht,  das  ersetzen  sie  durch  den  Sinn  für 
das,  was  die  gute  Form  und  ein  gcfiilUges  Aeussere  eines  Buches  ausmacht,  der  in 
England  sowohl  als  in  Frankreich  so  allgemein  verbreitet  ist,  und  seit  einigen  Decen- 
nien  auch  in  Deutschland  und  andern  Ländern  Etuopa's  immer  allgemeiner  wird.  Was 
aber  den  Einband  betrifft,  so  verwendet  man  in  keinem  Lande  mehr  Geschmack  und 
Pracht  darauf,  als  in  England,  und  merkwürdig  ist  es,  dass  die  Kunst  des  prächli- 
gen  Ein!)indens  in  London  sich  fast  ausschliesslich  im  Besitz  von  doutschen  Buch- 
bindern befindet.  Die  vorzüglichsten  Bände  sind  entweder  Saffian  oder  Juftcn";  die 
Kunst  besteht  im  Marmorireu  und  Verzieren.  Es  gibt  ia  England  Einbände ,  die  3o 
Pfund  Sterling  kosten. 

a)  S.  Österr.  Beob.  1816.  Nr.   171.  S.  900. 

b)  Ausser  Deutschland    wird   der  Bücher-Nachdruck   nur   noch  in  einigen  Städten  Italiens  ge- 
duldet und  beschützt.  S.  Österr.  kaiserl.  privileg.  W.  Z.   i8i4-  357.  >*•   i424. 

c)  S.  Österr.  Beob.  1816.  Nr.  io2.  S.  548. 

d)  Über  die  frühesten  universalhistorischen  Folgen  der  Erfindung  der  Burhdrur kerkunst.  Von 
J.  C.  Frerh.  con  Areün  etc.  München,    1808.  gr.  4.  Vergl.  Jen.  A.   L.  Z.    1810.  JVr.  Öy. 

§.  38. 

!))  Literarische  Zeitschriften. 

Sie  sind  .solche  periodische  Schriften,  die  die  neu  erschienenen  Schriften  ange- 
ben und  windigen,  auch  andere  interessante  literarische  Notizen  enthalten.  Die  mei- 
sten Zeitschriften  der  Art  erscheinen  in  Deulschlaiul ,  nahmcntlich  zu  Halle  (wo  die 
erste  Literaturzeitung  Deutschlands  ausgegeben  vsird),  zu  Göltingen,  Jena,  Leipzig, 
Wien,  München  u.  s.  w.  Sonst  komnien  literarische  Zeilschriften  noch  heraus :  in 
Grossbritannien,  Dänemark  (die  Literaturzeitung  zu  Kopenhagen)  und  in  Russland  (zu 
Moskau  eine  russische  und  zu  Wilna  eine  polnische  Lileraturzeitung).  In  Reccnsionen 
und  kleihcn  anonymen  Aufsätzen  leisten  viele  Gelehrte  oft  weit  mehr,  als  in  grossen, 
unter  ihrem  Nahmen  herausgegebenen  Schriften. 


558  II.  Geistesculiur.  §.  39-  Einrichtungen  für  einzelne  Wissenschaften. 

§•    39. 
Einrichtungen  für  einzelne  Wis.sensc  haften. 

1)  Botanische  Gärten.  Die  leiclilialiigslen  sind:  zu  Kew,  Malniaison,  Paris  (le 
Jardin  des  Plantes),  Scliönbrnnn^  Eisenstadt  und  Madrid,  aus  welchem  letzteren  die 
geschicktesten  Botaniker  ausgegangen  sind ,  welche  die  Botanik  des  europäischen  und 
amerikanischen  Spanien  musterhaft  beschrieben  haben.  Nächst  diesen  sind  die  vur- 
ziigiichstcn  Pflanzengärten  zu  Leydcn,  Utrecht,  Lissabon,  Edinbiugh  und  Chcisea 
(wo  der  grosse  botanische  Garten  der  Londoner  Apotheker  ist);  ingleichen  zu  Mar- 
seüle,  Montpellier,  Turin,  Padua,  Pavia,  Wien,  Prag,  München,  Landshut,  Wmz- 
burg,  Heidelberg,  Berlin,  Halle,  Belvedere  bey  Weimar  und  Götlingcn;  ferner  zu 
Pesth,  Krakau,  Moskait ,  Gorinka  bey  Moskau,  Dorpat,  Gatschina  und  Pawlowsk  un- 
Aveit  St.  Petersburg,  zu  Abo,  Kopenhagen  und  der  durch  Z//z«e' weliberührate  Pflan- 
zengartcn  zu  Upsala  aj ;  ansehnliche  auch  zu  Königsberg  (in  Preussen),  Breslau,  Je- 
na, Kiel,  Stockholm  und  a.  a.  O.  —  Um  die  Ehre,  den  ersten  botanischen  Garten 
besessen  zu  haben,  streitet  Pisa  mit  Padua,  wo  die  Universität  fiir  die  Botanik  schon 
i533  einen  Garten  angelegt  halte  bj.  —  Unter  den  noch  seltenen  Gärten  fiir  Acker- 
baukunde sind  besonders  geachtet  die  ökonomischen  Gärten  zu  Göttingen,  Heidel- 
berg, Gicsen  ,  Pavia  und  im  k.  k.  Theresianum  zu  Wien,  welcher  letztere  sich  um  di.", 
Verbreitung  der  exotischen  Getrcidcartcn  in  der  österreichischen  Monarchie  sehr  ver- 
dient gemacht  hat. 

2)  Ster/twcuic/i.  Die  vorzüglichsten  sind:  zuGreenwich,  Slough  bey  Windsor  cj, 
zu  Dublin  und  die  erst  in  diesem  Jahre  erbaute,  reich  ausgestattete  zu  Cambridge; 
ferner  die  Sternw'arte  mit  dem  Längenbüreau  zu  Paris,  die  zu  Marseille,  die  auf  dem 
Seclierge  bey  Gotha,  zu  Götlingcn,  Berlin,  Breslau,  Königsberg,  Mimchen,  Wien, 
Prag,  Kremsmi'insler  und  auf  dem  St.  Gerards-  oder  sogenannten  Blocksberge  nächst 
Ofen  ;  ingleichcn  die  Sternwarte  Brera  zu  Mailand  (als  integrircndcr  Bestandiheil  der 
Universität  zu  Pavia),  die  zu  Padua,  Marlia  bey  Lucca,  Turin,  Rom,  Neapel  und  Pa- 
lermo; endlich  die  zu  Madrid,  Cadix,  Lissabon ,  Amsterdam,  Kopenhagen,  Upsala, 
St.  Petersburg ,  Moskau,  Dorpat,  Wilna,  Abo,  Nicolajew  und  Warschau. 

3)  Chemische  Laboratorien.  Die  vorzügUchsten:  zu  Paris ,  Lyon  tuid  Montpel- 
lier; dann  zu  London,  Oxford  und  Edin])urgh;  ingleichen  zu  Wien,  Prag,  München, 
Leipzig,  Berlin,  Halle,  Erfurt,  Pavia,  Kopenhagen,  St.  Petersburg  und  Dorpat.  Die 
Pariser  chemischen  Laboratorien  haben  vor  denen  auf  den  deutschen  und  andern 
Universitäten  den  Vorzug,  dass  dabcy  besondere  Präparateurs  angestellt  sind,  de- 
nen ausschliessliclt  die  Zubereitungen  zu  allen  den  von  den  Piofessoren  in  den  ^  or- 
lesungen  sowohl,  als  auch  ausser  densel'jcn,  anzustellenden  Experimenten  und  Unter- 
suchungen ,  so  wie  die  Bereitung  der  Reagenlien  obliegt. 

l^)  Mediciniscli-  und  chirurgisch-klinische  Institute.  Die  meisten  und  vorziig- 
lichston:  zu  Wien  (wo  id)erhaupt  das  medicinischc Studium,  als  eine  in  ihrer  Art  ein- 
zige Central-Anstalt  besteht),  London  (wo  üist  in  allen  Sladtthcilen  klinische  Anstal- 
ten sind,  mit  unenigeltliclier  Ertheilimg  nicdicinischer  Gutachten),  Paris    (besonders 


11.  Geistcsdillur.  §.  40.   Hülfsmittel  fiir  Künste,  für  wisscrisrlinfll.   n.   trclui.   R.iinln  .i5y 

für   \Viindärzlo),    Berlin  und  Göttingen;    ingleichen  zu  Älontpellier,   Pavia,  Paclua, 
Prag,  Würzburg,  Edinburgh,  Kopenhagen,  St,  Petersburg  und  Dorpat. 

5)  ^anatomische  Tlieiitev.  Diebesten  an  den  unter  4)  genannten  Orten,  dann 
zu  Lcyden  und  Utrecht.  Das  erste  anatomische  Theater  wurde  zu  Padua  angelegt. 

6)  Endlich  aiKitomisch- physiologische  JVachspriipavate.  Die  lehrreichsten 
Sainnihuigen  davon:  zu  Florenz  und  Wien  (in  der  nicdicinisch-chirur^ischcn  Joscphs- 
Akadcniie). 

u)   J.inncs  Monument  in  der  Domkircliü  zu  Upsala  .• 
C  a  r  o  Z  o    A    Li n  ?i  e. 
Bolaaicorum    Prinripi.  Ainici  et  DiscipuU. 
MDCCXCVII. 
6)  S.  /',i(;A/ii;rH'i  Geschichte  der  Literatur  B.  2.  Abth.  2.  S.  691.  Vergl.  Schalles.,  J.  A.  ,  Grund- 
riss  einer  Geschichte  und  Literatur  der  Botanik,  von  Th.Eresius  bis  auf  die  neuesten  Zeiten, 
nebst  einer  Geschichte  der  botanischen  Gärten.  Wien  ,   1817.  gr.  8. 
r").  Wo    die  Sternwarte  des  berühmten  astronom.    Forschers  und   Entdeckers ,  Herscheh  (eines 
Deutschen)  ist,  mit  einem  60,000  pfundigen  Teleskop,  ^velches  mit  einer  Hand  regiert  \vird. 

§•   40- 
H  ü  1  f  s  m  i  1 1  e  1  für  Künste,  so   wie    für  w  i  s  s  e  n  s  c  h  af  1 1  i  c  li  e  11  n  d  t  e  c  h  n  i  s  c  h  e 

Kenntnisse. 

Die  hauptsächlichsten  Hülfsmittel  für  gelehrte  und  lechnisclic  Kenntnisse,  so 
wie  für  Kihiste,  sind  öffentliche  Bibliotheken  aj  j,  Naturaliensammlungen  bj  j  phj- 
sikalisrli-matliematische  Cabinete  cjj,  Münz-  und  Aniiken-Cabinete  dj  _,  Antiqui- 
täten-Ctdnnete  ej  j,  McLSchinen-  und  Modellensammlungen  fj  j,  Fabiiksproducten- 
Cabinete  gj ^  Gemähldegalleiien  !tj  j  Statuensammlungen  ij  j  Kupferstichsamm- 
lungen kj  u.  s.  w. ,  Sammlungen,  die  man  zuweilen  unter  dem  Nahmen  der  Museen 
mit  einander  vereinigt  IJ.  Man  findet  sie  aber  gewöhnlich  nur  in  Haupt-  und  Resi- 
denzstädten, so  wie  bey  gelehrten  und  technischen  Bildnngsanstalten  und  Kunstschu- 
len. Es  gibt  jedoch  in  den  euro]iäischcn  Ländern  aucli  Privatpersonen,  auf  deren 
Landsitzen  man  sehr  ansehnliche  und  kostliare  Bildiotheken,  Kunst-  und  Naturalicn- 
sntnmlungeu  ,  Gemälildegallerien  n.  s.  av.  ,  findet. 

a)  Die  vorzüglichsten  Archive  des  menschlichen  Wissens  in  Europa  sind,  und  zwar: 

I.  in  Osterreich :  1)  die  k.  k.  Hofbibliolhek  zu  Wien,  nahe  an  3oo,ooo  Bände,  öooolncu- 
nabeln  und  i2 — i5,ooo  seltene  Handschriften  enlhaltend,  nebst  einer  der  vollständigsten 
Sammlungen  \on  Landkarten,  Kupferstichen,  Porträts  und  Miniaturgemäblden ;  2)  die 
fVibliotlieken  der  Universitäten ,  Lycäen ,  Districtual-Akademien  und  Gymnasien,  \vorunter 
die  zu  Wien  mit  i3o,ooo,  die  zu  Prag  mit  i2o,ooo,  die  zu  Giätz  mit  60,000,  die  zu 
Padua  mit  52,ooo,  die  zu  Pestli  mit  5o,ooo,  die  zu  Ollmütz  mit  5o,ooo ,  die  zu  Pavia 
mit  33,000,  die  des  katholischen  G)mnasiums  zu  Teschen  mit  i2,ooo  Bänden  u.  s.  w.  ; 
3)  die  St.  Marcusbibliolhek  zu  Venedig  mit  i5o,ooo  B.  ,  und  die  Ambvosianisclie  Bibliothek 
zu  Mailand  mit  90,000  B.  und  i5,ooo  Handschriften;  4)  «be  Bibliothek  der  k.  k.  T/iere- 
sianischen  Eiller- Akademie  mit  45,ooo  B.  (ohne  die  zalilreiciien  kleineren  Schriften) ,  und 
die  der  medininisch-chiriigischeii  Josep/is- Akademie  mit  40,000  B.  ;  5)  die  Szechcnj'sche  He^m- 
Colarbibliothek  zu  Pesth ,  und  die  Ossoliiiskysche  Nalionalbibliol/tek  zu  Lcmberg  ;  6)  die  3 
Siebenbürgischen:  a)  die  Telekische  zu  Maros-Vasarhely ,  b)  diu  Ballhj-anische  zu  Carlsburg, 


36o  II    Geistescultur.  §.   40    Hulfsmiltcl  clc.   Bibliotheken. 

die  Bruckenlhalische  zu  Hermannstadt;  7)  die  Sladtbiblioiliek  zu  Triest;  8)  die  Bibliotheken 
der  Stifte  und  Klöster,  worin  die  Bücherkenner  manche  Seltenlieit  finden,  und  worunter 
mehrere  sehr  zahheich  sind;  9)  die  merkwürdige  Bibliothek  des  k.  k.  Hofkriegsraths-Archivs 
zu  Wien  und  einige  Reginients-Bibliotheken  ;  10)  endlich  mehrere  reiche  Büchersammlun- 
gen der  österreichischen  Grossen,  eine  musikalische  Bibliothek  zu  Wien  (die  einzige  in 
Europa)  von  600  Banden  und  7000  Compositionen  von  mehr  als  700  Tonkünstlern;  und  14 
Leihbibliotheken. 

II.  In  Preussen  :  1)  die  königl.  Bibliolhck  zu  Berlin  mit  160,000  B.  ;  2)  die  der  Akade- 
mie der  Wissenschaften  ebend.  mit  3o,ooo  B.  ;  3)  die  Universitätsbibliothek  zu  Breslau 
mit  100,000  B.  ,  die  der  übrigen  Uni\ersitäten,  die  verschiedenen  Schul-  und  städtischen 
Bibliotheken,  Leihbibliotheken  und  Lesegesellschafts-Bibliotheken. 

III.  In  den  rein  deulschen  Bundesstaaten,  und  zwar:  1)  in  Baiern:  a)  die  königl.  Cen- 
tralbibliolhtk  zu  München,  mit  der  dasigen  königl.  Akademie  der  Wissenschaften  verbun- 
den, 400,000  Bände  und  eine  grosse  Anzahl  seltener  Manuscripte  enthaltend,  worunter 
sich  3oo  orientalische,  25o  hebräische, 58o  griechische  und  beyläufig  8000  lateinische,  fran- 
zösische, italienische    und    deutsche  befinden;    b)   die    Bibliotheken    zu    Landshut  (mehr  als 

"100,000  B),,  zu  Erlangen  (100,000  B.  ,  seit  der  Vereinigung  der  aufgelösten  Altdorfer  Uni- 
versität) und  zu  Würzburg  (3o,ooo  Bände).  —  2)  In  Sachsen  :  a)  die  königl.  Bibliothek  zu 
Dresden  mit  25o,ooo  Bänden,  4000  Handschriften  und  100,000  Dissertationen:  b)  die 
Bibliotheken  zu  Leipzig  und  bey  den  Gymnasien  und  Fürstenschulen.  —  3)  In  Hano^er 
die  Uiiit>er>:iläls-Bibliolhek  zu  Göttingen  durch  den  Schatz  an  neuen  Werken,  vorzüglich 
englischen,  durch  Auswahl  und  gemeinnützige  Brauchbarkeit,  die  erste  in  Deutschland, 
mit  last  3oo,ooo  Bänden,  5ooo  Handschriften  und  110,000  Dissertationen,  womit  zugleich 
eine  der  vollständigsten  Sammlungen  \on  Landkarten  und  Kupferstichen  verbunden  ist.  — 
4)  In  Würtemberg :  a)  die  königl.  Hqfbibliothek  zu  Stuttgart  mit  200,000  Bänden,  darunter 
eine  aus  12,000  Bänden  bestehende  Bibelsammlung;  b)  die  Bibliotheken  zu  Tübingen  und 
bey  (Jen  Gymnasien.  —  5)  In  Baden:  a)  die  grossherzogl.  Hofbibliolhek  zu  Carlsruhe  mit 
70,000  Bänden:  b)  die  Bibliotheken  zu  Heidelberg  (5o,ooo  B.)  ,  Freyburg  r2o,ooo  B.) ,  bey 
den  Lycäen  u.  s.  w.  —  6)  In  Churhessen  :  a)  die  churjüntliche  Hofbibliolhek  zu  Cassel 
mit  90,000  Bänden;  b)  die  Bibliotheken  zu  ÄFarburg  (55, 000  B.) ,  bey  den  Lycäen  und  Pä- 
dagogien. —  Im  Grossherzogthume  Hessen  :  a)  iWe  giossherzogl.  Hqfbibliothek  zu  DäTmsla.dl ., 
mit  90,000  Bänden;  b)  die  Bibliotheken  zu  Mainz  (go,ooo  B.)  und  Giessen  (2o,ooo  B.).  — 
8)  In  Sachsen-Weimar:  a)  die  Bibliothek  zu  Weimar,  mit  110,000  Bänden  und  die  grcs;,- 
herzogl.  Mililärbibliothek  ebend.  ;  b)  die  Bibliothek  zu  Jena,  mit  3o,ooo  Bänden.  —  g)  In 
Saclisen-Gotha :  die  Landesbibliothek  und  die  jetzt  damit  vereinigte  herzogl.  Privatbiblio- 
tlick  ,  zusammen  von  80,000  Bänden.  —  10)  In  Sachsen-Coburg-Saalfeld  :  die  herzogl.  Bi- 
bliothek zu  Coburg  von  25, 000  Bänden.  —  11)  In  Bfaunschweig  :  a)  die  Landesbibliothek 
zu  Wolfenbültel  mit  mehr  als  200,000  Bänden,  4000  Handschriften  und  100,000  Disserta- 
tionen;  b)  ansehnliche  Privatbibliotheken.  —  i2)  In  Meklenburg-Schwerin :  die  Universi- 
täls-Bibliothek  zu  Rostock  mit  3o,ooo  Bänden.  —  i3)  Endlich  die  Sladtbibliotliekca  zu 
Frankfurt  a.  M.  (160,000  B.)  und  Hamburg  (80,000  B.) ,  nebst  der  Coinmerzbibliothek  zu 
Hamburg  von  20,000  Bänden.  Im  Ganzen  zählen  44  der  grösseren  Bibliotheken  Deutsch- 
lands 3-5i2,ooo  Bände,  ohne  Handschriften,  Dissertationen  u.  dgl. 

IV.  In  der  Schweiz:  die  Bibliotheken  zu  Zürich,  Bern,  Lucern,  Basel,  Sololhurn , 
Schaflhausen  ,  St.  Gallen  ,  Aarau  ,  Genf  u.  s.  w.  ,  worunter  die  zu  Genf,  von  401O00  Bän- 
den, die  zahlreichste  ist;  die  grössere  zu  Basel,  wo  deren  zwey  sind,  enthält  27,000  Bände. 

V.  In  Italien,  ausser  den  bey  Österreich  (s.  oben  I.)  erwähnten  Bibliotheken,  1)  die  kö- 
nigliche und  die  UniversitUtsbildiothek  zu  Turin  (lelztere  von  60,000  B.),  nebst  den  4  üffent- 


i 


II.    lrfistesci\Ihii .   §.   40.   HüU'snilUil   für   Kliustc  clc.  36l 

liclicn  BibliolhckL'n  zu  Genua.  —  2)  J)\c  Bibliothek  zu  Parma,  mit  4>ivöoo  B.  und  <llo  zu 
Piacenza,  mit  3o,ooo  B.  —  3)  Dio  Bibliothek  zu  JVIcxk'iia,  mit  öo,ooo  und  die  zu  Reggio  , 
mit  00,000  B.  —  4)  Die  Biljllolhok  zu  Lucca.  —  5)  Die  <]rey  üirenllM  hcii  Bil)liothtkcn  zu 
rioreiiz,  mit  200,000  B.  ,  dii-  zu  Pisa,  mit  60,000  15,  ,  die  zu  Siena  und  a.  a.  Ü.  —  ü)  Die 
falicanische  BihliolUck  zu  Pioui ,  mit  iGo,ooo  B.  und  di(!  Univcrsiläls-Bibliolhek  zu  Bo- 
logna, mit  i5o,ooo  B.  —  tj)  Endiieh  die  Bibliothek  des  koniglielien  Miueuins  Bourbon  zu 
Neapel,  mit  80,000  B.  ,  und  die  J5il)liollii'ken  bey  diu  Uni\ersitäten  zu  Neapel,  Salerno , 
Palermo  und  Catania. 

VI.  In  Frankreich:  1)  die  königl.  Bibliothek  zu  Pai  is  (nn<h  der  H.  A.  L.  Z.  181g.  Nr.  99. 
S.  799.),  mit  800,000  Bänden,  worunter  Öo, 000  Hand.schriftcn  (nach  dem  polit.  Jour.  1810. 
Jul.  S.  695  ff.),  mit  35o,ooo  B.  gedruckter  Bücher  und  ungefähr  derselben  Anzahl  von  zu- 
sammen gebundenen  Dissertationen,  Tractaten,  einzelnen  Abhandlungen  u.  dgl.  ,  ausser 
5o,ooo  Manuscriplen  ;  2)  die  Bibliothek  des  Grafen  <■•.  Aviois ,  von  i5o,ooo  B.  und  5ooo 
Handschriften  ebendaselbst;  3)  die  l'ibliolhek  \oii  Si.  Geiiofcca  ebend.  ,  von  1  lo.ooo  B.  und 
2000  Handschrillen;  4)  die  Bibliothek  Alazarine  ebend.,  von  92,000  B.  und  1000  Hand- 
schriften; 5)  die  Bibliothek  zu  Lyon,  mit  106,000  B.  ;  6)  die  zu  Bordeaux,  mit  loö.oooB. 
Die  Anzahl  der  öffentlichen  Bibliotheken  in  den  86  Departements  belauft  sich  auf  274,  wo- 
von 4o  allein  zu  Paris.  Die  Anzahl  der  Bände  in  denjenigen  öffentlichen  Bibliotheken,  die 
man  kennt,  beträgt  3,345;287  Bücher,  \vo\on  allein  i,i2.5,347  ^^  Paris.  S.  H.  A.  L.  Z. 
1819.  N.  99.  S.  799. 

VII.  In  Spanien  ,  1)  die  königl.  Bibliotheken  zu  Madrid  und  im  Escorial ,  jene  mit 
i3o,ooo  B.  und  2000  Handschriften,  diese  mit  6000  arabischen  und  orientalischen  j\Ia- 
nuscripten;  2)  die  Bibliotheken  hcy  den  Uni\  ersitäien  ;  3)  diejenigen  der  Herzoge  von  Alba 
und  Mediua  Sidoniazu  Madrid;   4)  endlich  diejenige  des  Klosters  Mafra,  von  5o, 000  Bänden. 

VIII.  In  Portugal:  1)  die  königl.  Bibliothek  zu  Lissabon,  mit  80,000  Bänden;  2)  die 
Universitätsbibliothek  zu  Coimbra,  mit  60,000  Bänden. 

IX.  Im  briliischen  Reiche:  1)  die  königl.  und  Collonische  Bibliothek  im  briffischen  Mu- 
seum zu  Ijondon  ,  mit  200,000  Bänden  und  00,000  Manuscripten ,  2)  die  der  drey  königl. 
Societäten  der  Wissenschaften;  3)  die  der  Universität  zu  Oxford  oder  die  Bodleyschc .,  mit 
i3o,ooo  B.  ,  die  der  Universität  zu  Cambridge  ,  mit  100.000  B.  und  die  der  übrigen  Univer- 
sitäten: 4)  die  Jchocalen-Bibliothek  im  Parlamentshause  zu  Edinburgh  (die  stärkste  in  der 
deutschen  Literatur),  mit  120,000  B.;  die  Bibliothek  der  medicinischen  Gesellschaft  zu  Lon- 
don ,  mit  00 — 40,000  B.  ;  6)  endlich  mehrere  Stadtbibliotheken  ,  auch  ansehnliche  Pri- 
vatbibliotheken,  worunter  die  der  Lords  Landsdon'  und  Spencer,  und  die  des  Herrn  Bank.i 
sich  auszeichnen. 

X.  In  den  Niederlanden:  die  Bibliothek  zu  Gent,  mit  110,000,  die  zu  Brüssel,  mit 
80,000  und  die   zu  Leyden  mit  4o,ooo  Bänden  und  10,000  Manuscripten. 

XI.  In  dem  dänischen  Staate:  1)  die  königl.  BibliolheÄ-  zu  Kopenhagen,  mit  260,000, 
nach  andern,  mit  5oo,ooo  Bänden;  2)  die  Universitätsbibliothek  ebend.  ,  mit  40,000,  nach 
andern,  mit  80,000  B.  ;  3)  die  Classen.iclie  Bibliothek  ebend.  ,  mit  25, 000  B.  ;  4)  die  Uni- 
versitätsbibliothek zu  Kiel  ,  mit  3(>,ooo  Bänden. 

XII.  In  Schweden:  i)  diu  königl.  Bibliothek  zu  Stockholm,  mit  40,000  B.  :  2)  die  Bi- 
bliothek zu  Lund  mit  40,000,  die  zu  Upsala  ,  mit  35,ooo  B.  ;  die  Bibliothek  d<r  Akademie 
der  Wissenschaften  zu  Stockholm. 

XIII.  In  Russland  und  Polen:  1)  die  kaiserliche  Bibliothek  in  dei"  Hermitage  zu  St.  Pe- 
tersburg, nach  Hassel,  mit  80,000  ,  nach  Galleiti ,  mit  3oo,ooo  B.  ;  2)  die  allgemeine  kaiserl. 
(ehemahls  Zaiuskische)  Bibliothek  ebend.  ,  mit  der  Diibrouski.tchen  Manuscriptensammlung  : 
3)  die  Bibliothek  der  Akademie  der  Wissenschaften  ebend.,,  mit  100,000  B.  ,  worunteroooo 

4Ö 


■362  II.    C'istesciillur.   §.   41.    AufsiclilsaiistalUii   uLer   öficuüiclie  Scliriltc;n. 

chinesische;  4)  die  Bibliotheken  der  Univfisitäten ,  vorzügüdi  zu  Moskau;  5)  die  Biblio- 
thek des  Alexander  Newski-Klosters ;  6)  eiidiich  mehrere  ansehnliche  Privaibibliotheken  , 
worunter  die  derFiirsten  Jussupow ,  Rasumoii-skj  und  Czarlorjski,  und  die  der  Gral'en  Stro- 
ganow  und  Tscheremel ew  sich  auszeichnen. 

b)  Die  vollständigsten:  zu  Wien,  Berlin,  Dresden,  Miiiirhen ,  Paris,  Madrid,  Lissabon, 
London,  Edinburgh,  Kopenhagen  und  St.  Petersburg;  ingleichon  zu  Pavia ,  Pesth  ,  Prag, 
Göltingen,   Würzburg,   Stullgart,   Carlsruhe,  Leyden  u.  s.  vv. 

c)  Die  vorzüglichsten:  zu  Wien,  München,  Paris  und  London,  inglciclien  zu  Utrecht,  Cas- 
sel ,  Carlsrulie  u.  a.  a.  O. 

d)  Die  reichhaltigsten:  zu  Wien  und  Gotha;  nächst  diesen  zu  München,  Berlin,  Dresden, 
Göttingen  und  Carlsruhe  ,  ingleiclien  zu  Pesth,  Paris,  Rom,  Palermo,  Lissabon,  in  den 
Niederlanden  and  zu  St.  Petersburg. 

e)  Die  merkwürdigsten:  zu  Charlotlenburg ,  München,  Dresden,  Gotha,  Pesth,  Florenz, 
Neapel,   Paris,  Madrid  und  Lissabon. 

/)  Vorzüglich  sind  hierin:  Stockholm,  Utrecht,  Carlsruhe,  München,  Göttingen  und  Paris, 
das  eine  der  \  ollständigsten  Maschinen-  und  Modellensaniiiilungen  (\  on  2o,ooo  Modellen 
und  Maschinen  aller  Art)  besitzt. 

g)  Das  erste  und  bis  jetzt  vielleicht  das  einzige  Fabriksproducten-Cabinet  in  Europa,  befindet 
sich  bey  dem  polytechnischen  Institute  zu  Wien  (s.  oben  §.  27.). 

h)  Die  berühmtesten  und  prächtigsten:  zu  Rom  und  Florenz;  die  schatzbarsten  nächst  diesen 
zu  Wien,  Dresden,  Sans-Souci ,  Berlin,  Potsdam,  München  (mit  welcher  Bildergallerie  die 
^on  Mannheim  und  Düsseldorf  vereiniget  sind),  Schleissheini ,  Prag  und  Cassel ,  ingleichen 
zu  Paris,  Lyon,  Bordeaux,  Madrid,  S.  Ildefonso,  Buen  Retiro  ,  London,  in  den  Nieder- 
landen ,  zu  Kopenhagen  ,  St.  Petersburg  und  Zarskoe  Zelo. 

i)  Von  den  berühmtesten  Meistern  zu  Rom  und  Florenz ;  vorzügliche  auch  zu  S.  Ildefonso  , 
Paris  u.  s.  w.  Das  Museum  zu  Paris  hat  seit  i8i5  aufgehört ,  der  einzige  Vereinigungspunct 
der  edelsten  Gemähide,  Statuen  und  anderer  Runkstwerke  zu  seyn  ,  da  die  meisten  Kunst- 
werke, welche  in  Deutschland  ^  Itailen ,  Spanien  und  den  Niededandcn  ein  Raub  der  Revo- 
lutionskriege geworden ,  und  nach  Frankreich  geführt  worden  ^varcn ,  durch  die  siegrei- 
chen Waffen  der  Alliirten  wieder  ihren  rechtmässigen  Eigenthümern  verschafft  worden 
sind.  Indessen  ist  es  bekannt,  dass  nur  das  Merkwürdigste  in  die  Lou^  regailerie  kam,  und 
dass  der  in  Deutschland  schlimm  bekannt  gewordene  Künstenenlführer  Denan  zu  London 
ein  Gemählde- Bureau  angelegt  hatte,  was  ihm  grosses  Geld  eintrug,  und  welches  die  ver- 
gebliche  Nachfrage  nach    manchem   entführten  Gemähide  in   Paris  erklärbar  machen  dürfti>. 

kj  Zu  den  reichsten  und  \orzüglichstcn  gehören:  die  zu  Dresden,  München,  Wien  u.  s.  w. : 
an  dein  letzleren  Orte  besonders  die  von  Weiland  Si^  königl.  Hoheit,  dem  Herzoge  Albert 
von  Sachsen-Teschen  hinterlassene  Kunstsammlung.  Sie  enthält  über  3oo, 000  Kupferstiche  , 
von  den  rohen  Anfängen  der  Kunst  bis  zu  den  classischsten  Werken  ,  so  wie  an  82,000  Por- 
träts, und  über  40,000  Handzeichnungen. 

l)  Wie  z.  B.  das  brillische  Museum  zu  London ,  das  königl.  Museum  zu  Paris ,  das  Muaeuni 
Bourbon  zu  Neapel ,  oder  die  Nalionalniuseen  zu  Grälz  (das  Joanneum),  Peslh,  Prag,  Brunn 
(Franzensmuseum),  Troppau,  Triest  und  Herrmannstadt,  diese  interessanten  literarischen 
und  industriösen  Sammeipuncte,  auf  denen  der  Blick  aller  Freunde  des  Gemeinnützigen  und 
Schönen  freudig  verweilen  kann. 

§•  41- 

Aufsichtsanstalten  über  öffentliche  Schriften. 

Da,   ]i3i:h   des  französi.schcn  Depulirten   v.  Bonald  richtiger  Ansicht,   die  edlen 
Erzeugnisse  des  menschlichen  Geistes,    wegen  ilu-cs  unverkennbaren   Einflusses  auf 


11.    Gciitfscullur.  §.41.  Aufsiclitsansliiltini  ülici    rtü'eutliche  Schriften.  563 

das  Volk,  eine  öÜ'enlliclie,  eine  polilisclic  Macht  sind,  wie  die  der  Waffen,  wie  die  der 
Gesetze,  IriegOiischer  sogar  als  die  Maclu  der  Waffen,  furchtLarcr  als  die  Macht  der  Ge- 
setze :  so  müssen  sie  nolhwendig  der  höchsten  Macht  im  Staate  untergeordnet  seyn,  und 
diese  isi  verpflichtet,  den  rechtmässigen  Gebrauch  derselben  zu  begünstigen  und  zu 
beschützen ,  den  Missbraucli  aber  zu  verliindern  oder  zu  strafen ;  sie  hat  das  Recht , 
den  Schriftstellern,  deren  Berufes  ist,  die  Menschen  zum  Denken,  zum  Wollen,  zum 
Handeln  anzufiihren,  von  ihrer  Seite  einige  Bedingungen  vorzuschreiben,  zu  verlan- 
gen, dass  sie  ihr,  wenn  nicht  dienen,  docli  wenigstens  nicht  schaden,  dass  sie  die  ih- 
rer Obhut  anverlraulcn  grossen  Güter  der  Gesellschaft,  die  Religion,  die  Sittlichkeit, 
die  obrigkeitliche  Würde  ,  die  bestehende  Staatsverfassung  imdStaatsvcrwaltimg,  den 
guten  Nahmen  der  Staatsbürger  und  die  freundschaftlichen  Verhältnisse  mit  auswärti- 
gen Staaten  mit  Achtung  behandeln.  Die  Freyheit  zu  schreiben ,  kann  demnach  nicht 
unbeschränkt,  sondern  sie  muss  vielmehr  durch  Gesetze  geregelt  seyn,  so  wie  sie  es 
in  den  verschiedenen  europäischen  Staaten  auch  wirklich  ist,  nur  nüt  dem  Unter- 
schiede, dass  in  den  meisten  Staaten  unsersErdtheils  diese  Gesetze  vorbeugend  ^  dorn 
Mlsshvaiiche  steuernd j  in  den  übrigen  aber  strafend  ^  d.  i.  auf  gericluliclie  Verfol- 
gung und  Bestrafung  der  im  Wege  des  Druckes  bereits  verwirUichten  Missbräuche 
und  Vergehungeji  abzweckend  sind,  oder  dass  in  jenen  eine  Censur  besteht  aj ,  wel- 
che zu  beurtheilen  hat,  ob  Manuscripte  zu  öffentlichem  Drucke  geeignet  seyen  oder 
nicht,  und  ob  der  öffentliche  Verkauf  von  auswärts  gedruckten  und  eingeführten  Schrif- 
ten zu  gestatten  sey  oder  nicht,  in  diesen  die  Presse  zwar  frey  ist,  aber  P^erf asser , 
Drucker  und  Verleger  der  Druckschrift  verantwortlich  sind  hj.  Indessen  ist  die 
Presse  in  einigen  der  letztgedachten  Staaten  nicht  völlig  unbeschränkt  und  frey.  So 
dürfen  z.  B.  im  örittischen  Reiche,  ohne  Erlaubniss  der  Krone,  Bibeln,  liturgische 
Schriften  der  anglikanischen  Kirche ,  Statuten ,  Gesetze  und  Rechtsbücher  nicht  ge- 
druckt werden,  und  1798  veranlassten  die  Umtriebe  geheimer  Vereine  die  Verord- 
nung, dass  die  Drucker  und  Herausgeber  von  Zeitungen  und  von  Zeitschriften  über 
Stiiatssachen  sich  bey  den  Stämpclstcuerämtern  nennen  sollen.  Im  folgenden  Jahre  wtir- 
den  alle  Drucker  verpflichtet,  ihre  Nahmen,  Wohnorte  und  Pressen  den  Friedens- 
richtern anzuzeigen,  und  sich  auf  dem  ersten  und  letzten  Blatt  ihrer  Druckschrificn 
zu  nennen,  bey  Strafe  von  20  Pf-  St.  Eben  so  besieht  in  Baiern  j  dessen  neue  Verfas- 
sungsurkunde im  IV.  Titel  aussagt,  „dass  die  Freyheit  der  Presse  nach  dem  beson- 
ders hierüber  erlassenen  Edicte  gesichert  sey,"  eine  Censur  für  alle  politische  Zei- 
tungen und  periodische  Schriften  politischen  oder  statistischen  Inhalts. 

a)  fia-hmenilich  in  Öslerreich  ,  Preussen  ,  Dänemark ,  Russland ^  den  s'äinmüichen  italienischen 
Staaten,  und  di'n  s&TnTaxWchtn  deutschen  Bandesslaalen,  obgleich  in  einigen  der  letzteren , 
wie  z.  B.  in  Baiern  ,  l-Veimar  u.  s.  \v.  ,  die  Freyheit  der  Presse  durch  Grundgesetze  ausge- 
sprochen ist.  Denn  durch  das  in  der  deutschen  Bundesversammlung  >om  2o.  Sept.  181g  auf 
5  Jahre  einslinimig  verabredete  Pressgesetz  ist  für  sämmiliche  Bundesstaaten  unter  andern 
festgesetzt  worden,  dass,  so  lange  als  dieser  Beschluss  in  Kraft  bleiben  wird,  Schriften, 
die  in  Form  täglicher  Blätter,  oder  Heftweise  ersclieinen  ,  dessgleichen  solche,  die  nicht 
über  20  Bogen  im  Druck  sind  ,  in  keinem  deutschen  Bundesstaate  ohne  Yorwissen  und  vor- 
gängige Genehmhallung  der  Landesbehörden  zum  Druck  befördert  ^verden  dürfen.  Sclirif- 
ten,  die  nicht  in  eine  der  hier  uahnihaft  gemachten  Classen  gehören,  werden  fernerhin  nach 


364  JI-   tleislescultur.    j.    42'  Zustaud  der    Wiaicuschaflcu   imd  Kuu^te  iu  £ui  j|i<i.  ♦> 

den  in  den  einzelnen  Bundesstaaten  erlassenen  oder  zu  erlassenden  Gesetzen  behandelt. 
Wenn  dergleichen  Schriften  aber  irgend  einem  Bundesstaate  Anlass  zur  Klage  geben:  so  soll 
diese  Klage  im  Nahmen  der  Regierung  ^  all  welche  sie  gerichtet  ist,  nach  den  in  den  ein- 
zelnen Bundesstaaten  bestehenden  Formen  gegen  die  Verfasser  oder  Verleger  der  dadurch 
betroffenen  Schrill  erledigt  werden.  Alle  in  Deutschland  erscheinende  Druckschriften  ,  sie 
mögen  unter  den  ]!estimmungen  dieses  Beschlusses  begrifl'en  seyn  oder  nicht,  müssen  mit 
dem  Nahmen  des  Verlegers,  in  so  ferne  sie  zur  Classe  der  Zeilunyou  oder  Zeitschriften  ge- 
hören ,  auch  mit  dem  Nahmen  des  Redacteurs  versehen  seyn. 
6)  Nahmentlich  in  Grossbritannien,  Frankreich,  in  den  NiederlamiLii ,  Scliv  'ilen  ,  Norwe- 
gen ,  Spanien  und  Portugal. 

Zustand  der  Wissenschaften  und  Künste. 

§•    42- 
A.  In   Europa  überhaupt. 

Durch  einen  gemässigten  Himmelsstrich,  welcher  die  Enlwickelung  jeder  Art 
menschlicher  Anlagen  befördert;  durch  massige  Friichlbaikeit  des  Bodens,  vveklie 
zum  erfindsamen  Nachdenken  auffordert;  diuch  seine  grosse  Seefahrt  und  seinen 
Welthandel,  durch  seine  wichtigen  Erfindungen,  vornehmlich  durch  die  Erfindung 
der  Buchdruckerkunst,  die  den  europjiischen  Dcnkgeisl  am  schnellsten  und  kräftig- 
sten beflügelt ;  durch  seine  zahlreichen  und  guten  Bildungsanstallen  und  Iliilfsniittel 
ftir  Künste,  so  wie  für  wissenschaftliche  und  technische  Kenntnisse;  endlich  durch 
dit  segensreichen  Einflüsse  der  allgemein  verbreiteten  Religion  des  Chris lenlhmns  — 
begünstigt,  ist  Europa  der  Hauptsitz  der  Wissenschaften  und  Künste  auf  der  Er- 
de, und  geht  als  sorgsame  Pflegerinn  bcyder,  allen  übri/ea  Erdtheilcn  voran,  ob- 
elcich  wir  die  Keime  der  Cultur  jeder  Art  menschlicher  Aiiiai'en  im  Orient  aufsuchen 
müssen.  Es  gibt,  niit  Ausnahme  der  Osmanen,  kein  selbslsiandiges  Volk  in  Europa, 
welches  nicht  mit  mehiercm  oder  minderem  Eifer  imd  Glücke  dem  Genius  der  Wis- 
senschaften und  Künste  huldigte,  wenn  gleich  die  Völker  von  germanischer  imd  rö- 
mischer Abkunft  es  sind,  unter  denen  er  sich  vorzugsweise  niedergelassen  hat,  und 
sich  von  da  zu  den  andern  Volksslämmen  einladen  lässt. 

§•   43. 
B.    I  II   den   einzelnen   Ländern   und   Staaten   insbesondere. 

1)  Als  eine  Folge  der  mehreren  Residenzen  in  Deutschland  ^  und  der  Aielen 
überall  zerstreuten  Schulen  und  Universitäten,  sind  auch  gelehrte  Kenntnisse  und  Wis- 
senschaften verhältnissmässig  mehr,  als  in  irgend  einem  andern  Lande  verbreitet,  so 
wie  anderer  Seits  die  der  deutschen  Wissenschaft  eigene  Gründlichkeit  und  Vielseitig- 
keit ihren  Grund  darin  haben,  dass  keine  der  Nationen  Eiiropa's  ausdauernden  Fleiss 
und  genialische  Geisteskraft  bey  dem  An])au  der  Wissenschaften  in  dem  Maasse  ver- 
bindet, wie  die  deutsclie. 

In  der  P/älosophie  haben  die  Deutschen  aus  den  metaphysischen  Speculalionen 
eine  eigenihümliche   tmd   liefe  Wissenschaft,   TriiTiscendeiital-Philosophie  genannt, 


iJ.  licisii'si  ullur  §.   43-   Zustanil  der    VVjsseuäLli.   u.    Kiinste  in  Jon  «iiizduen  Ländir».  555 

Lcrsoi'güailjeiici,  welche  ganz  neuen  Systemen  der  Logik,  der  Sittenlehre,  der  na- 
türlichen Rechtswissenschaft,  der  oljerslen  Griuidsälze  der  Natiirlehre,  zur  Grund- 
lage dient,  liu  Gebiete  der  Erziehung  und  des  Utitenidits  glänzen  sie  nicht  minder 
als  Entdecker.  In  keinem  Lande  Jiat  man  iilier  diese  so  heilige  Angelegenheit  des 
Menschen  so  viel  gedacht,  gcschriol)en,  versucht,  und  die  Grundsätze  der  verbesser- 
ten Lehr-  und  Erziehungsmethode  iheils  in  Philantropien  und  Pensionsanslaltcn,  iheils 
;>uch  in  öffentlichen  Schiden,  mit  so  gl iicklicliem Erfolge  angewendet,  wie  in  Deutsch- 
land. In  Aev  MaÜieiniLtik  hat  die  dcuische  Nation  von  jeiier  Männer  geliefert,  und 
liefen  sie  noch,  welche  den  ersten  Genies  in  dieser  ^Visscnschaft  gegenüber  zu  ste- 
hen nicht  erröthen  dürfen.  Sie  hat  lichiige  luid  tiefdenkende  Physiker  j  und  gründ- 
liche imd  fleissige  Arbeiter  in  der  Naturgeschichte ;  besonders  hat  die  Kunde  der 
unorgnnisirten  JSatur  in  neuern  Zeiten  die  rühmlichsten  Fortschritte  in  Deutsch- 
land gemacht,  und  die  Geognosie  ist  eine  herrliche  Frucht  deutschen  Studiums.  Die 
Cltemie  hat  ihre  äch^e  Gestalt,  nächst  den  Franzosen,  den  Deutschen  zu  danken.  Sie 
halben  in  allen  Thcilen  der  Arzeneykunde  mit  einem  feinen  Beubachtungsgeisle  ge- 
arbeitet und  mannigfache  Auflilärungen  verbreitet.  Der  Iheologie  widmen  sie  sich  mit 
solchem  Fleiss,  Scharfsinn  und  Glück,  dass  sie  andern  Nationen  wenig  zu  thun  übrig 
lassen ,  und  diese  von  ihnen  nur  lernen  können.  Keine  Nation  stellt  eine  solche  Men- 
ge trei^ichcv jinistischer  Schriften  jeder  Gattung,  keine  aber  am  allerwenigsten  ciu 
österreichisches  Gesetzbuch  über  f^erhrechen  und  schwere  Polizej-Uebertretuti- 
gen  auf,  welches  gewisser  Maassen  als  Norm  aller  künlilgen  Strafgesetze  angesehen 
werden  kann  rtj.  Li  wissenschaftlichen  Ujuorsuchungcn  über  Landbau  j  Technolo- 
gie _,  staatswirtlischaftliclte  Oekonomie  und  I/andlungswissenschaft  haben  die 
Deittschen  den  Brillen  und  Franzosen,  von  denen  sie  hier  allerdings  zuerst  lernten, 
glücklich  nachgeeifert.  Sie  zählen  seit  einiger  Zeit  auch  classische  Geschichtschrei- 
ber in  ihrer  Mitte ,  welche  in  Darstellungsgabe  und  ächter  historischer  Kunst  mit  den 
berühmten  der  andern  Nationen  wetteifern.  Aber  ein  Werk,  das  die  Geschichte  des 
politischen  Lebens  der  europäischen  Staaten  mit  so  liefforschendem  philosophischen 
Geiste,  welcher  in  dem  Spittlerscheii  Entwürfe  der  Staatengeschichte  so  herrlich 
glänzt,  entwickelte,  haben  weder  Brillen,  noch  Franzosen,  noch  Italiener  aufzuwei- 
sen; auch  hat  keine  Nation  sich  so  verdient  um  Geographie  und  Statistik  gemacht, 
als  die  deutsche.  Sie  besitzt  sehr  geschickte  Forscher  in  den  todten  Sprachen ,  lernt 
leicht  und  gut  die  lebenden  Sprachen  y  und  behauptet  imter  allen  gebildeten  Nationen 
vorzüglich  den  Ruhm ,  für  Erhaltung  und  Erweitermig  der  Biicherkunde  und  Litera- 
tur nicht  nur  mit  Sammlerflciss  und  Genauigkeit,  sondern  au.ch  mit  Einsicht  und  Zweck- 
mässigkeit zu  ai heilen,  und  zwar  in  dem  ganzen  Umfange  sowohl,  als  in  einzelnen 
ThcUcn  ,  während  die  Brillen  imd  Franzosen  die  fremde  Literatur  nur  wie  eine  imbe- 
deulende  Nebensache  ansehen,  mid  kaum  wissen,  was  in  der  gelehrten  Republik  vor- 
gefallen ist.  Die  Muttersprache  hingegen  hat  man  erst  in  den  letzten  Zeilen  des  vori- 
gen Jahrhunderts  zu  bearbeiten  angefangen.  Erst  seitdem  trat  auch  die  deutsche  schö- 
ne Schriftstellerey  in  die  Blülhe  ihres  glänzendsten  Zeilraums  ein,  der  in  den  letzten 
dreyssig  Jahren  des  18.  Jahrhunderts  erfolgte,  und  so  reich  an  vortrefflichen  dichte- 
rischen und  prosaischen  Werken   war,  dass  keine  Nation  in  einer  so  kurzen  Zeil  so 


366  n.   Geistescultur.  $.  43.   Zustand  der  Wissenscli.   u.  Künste  in  den  einzelnen  Ländern. 

viel  in  der  scliönen  Schriftstellerkunst  geleistet  liat,  als  die  deutsclie.  Iin  Ganzen  aLer 
hat  der  Deutsche  in  der  Dichtkunst ,  wie  in  der  Prosa,  das  Schwere,  das  Ernstere 
trclcistct;  das  Leichtere ,  das  Spielende,  zwar  nicht  ganz  vernachlässigt,  aber  doch 
kärglicher  behandelt.  In  der  Tonkunst  hat  deutsches  Genie  sich  rühmlich,  bis  zum 
Welleifer  mit  den  grossen  Tonmeistern  Italiens,  verherrlicht,  und  die  Schauspielkunst 
hat  sich  unter  den  Deutschen  so  ausgebildet,  dass  sie  sich  mit  jeder  andern  europäischen 
Nation  messen  können.  Nur  ist  es  zu  beklagen,  dass  Schillers  genialische  Werke  den 
deutschen  Biihnen  die  grossen  Spectakelsliicke  aufdrangen,  wodmch  im  Ganzen  die 
Kunst  und  der  Genuss  der  Kunstfretmde  verloren  hat.  Die  bildenden  Künste  ^  Mah- 
ler-,  Bildhauer-,  Kupferstecher-  und  Baukunst^  haben  trefTliche  Meister  unter  den 
Deutschen  gehabt,  haben  sie  zum  Theil  noch,  und  die  Lithographie  (Steindruckerey), 
ein  wichtiges  Surrogat  der  Kupfcrstecherkiuist,  erfunden  von  einem  Böhmen  (^Alojs 
Sennefelder')  hi  Älimchen,  wird  an  mehreren  Orten  Deutschlands  um  so  mehr  mit 
El  folge  cidlivirt,  da  man  die  praclische  Anwendbarkeit  derselben  fiir  Gegenstände  des 
gewöhnlichen  Lebens,  vorzüglich  zur  Erleichterung  der  Geschäfte  in  Kanzelleyen, 
vollkommen  anerkannt  hat,  —  Im  J.  i8l2  stieg  die  Anzahl  der  bloss  öffentlich  genann- 
ten Schriftsteller  in  Deutschland  auf  i2,5oo  bj.  Wie  gross  sein  literarischer  Verkehr 
sey,  davon  zeugt  der  Markt  von  Leipzig,  auf  welchem  1800:  Jgßg,  1801:  4o45,  1802: 
4707,  l8o3:  4280,  1810:  3708  und  1820:  4698  literarische  Producte  neu  ausgegeben 
wurden.  Die  Zahl  der  Lesegesellschaflcn  in  Deutschland,  gibt  man  auf  10,000  an, 
welche  meistens  pülitischc  Pamphlets  und  Zeitschriften,  von  denen  seit  1817  5o  neue 
erschienen,  lesen  cj. 

2)  Die  Schweiz  hat  jederzeit  vortreffliche  Dichter  und  berühmte  Gelehrte  fast 
in  alleil  Fächern  des  menschlichen  Wissens  (vorzüglich  in  der  Philosophie _,  Mathe- 
matik j  Naturgeschichte  j  Arzenejkunde _,  Theologie  und  Historie) ,  doch  mit  Aus- 
nahme der  Jurisprudenz,  hervorgebracht.  Auch  haben  Scliweizer-Gelehrte  die  deut- 
sche Sprache  im  vorigen  Jahrhundert  mit  ausldlden  helfen.  Nicht  minder  rühmt  sicJi 
Helveiicn  der  merkwürdigsten  neuern  Erschcimmgen  im  Gebieihe  des  Erziehungs- 
wesens imd  der  Landwirtlischaft „  ohne  jedoch  den  Ridmi  zu  haben,  die  Wiege  der 
Grundsätze  der  verbesserten  Erziehungsmethode  und  der  höhern  Ökonomie  zu  seyn. 
Aber  nicht  bloss  zu  den  Wissenschaften  haben  die  Schweizer  grosse  Anlagen,  sondern 
auch  viel  Kunstsinn  herrscht  unter  ilinen.  Als  Medailleuis  und  Steinschneider,  als  Ku- 
pferstecher und  Mahler,  besonders  als  Laudschaftsinahler,  wie  auch  als  Tonkünstler, 
zeichnen  sich  viele  ndmivoll  aus. 

3)  In  Holland  blühen  die  Wissenschaften  weit  stärker  als  in  Belgien ,  doch  nicht 
mehr  so  herrlich,  als  im  17.  Jahrlumdertj  indessen  stehen  sie  immer  noch  in  ei- 
nem gewissen  Flor,  und  haben  viele  V^erehrer  und  Anbauer,  besonders  die  Philolo- 
gie.In  der  Mathematik^  Physik _,  Naturgeschichte^  Geographie  und  practischen 
Philosophie  thun  sich  die  Holländer  sehr  hervor.  Um  das  römische  Recht  und  das 
Staatsrecht  haben  sie  sich  mehr  verdient  gemacht,  als  um  das  vaterländische;  aber 
die  vaterländische  Geschichte  haben  sie  mit  vielseitiger  Sorgfalt  bearbeitet.  In  der 
Medicinj  besonders  der  j4natomie  ^  haben  sie  Meister  der  ersten  Grösse  hervorge- 
bracht. lUier  ihre  meisten  Theologen  sind  steife  llypcrorihodoxen,  von  liefer  exege- 


II.  Ge'slcsculliir.  §.  43.  Zustand  der  WissL-iisc]].  u.  Künste  ia  den  einzelnen  Ländern.  367 

tischer  Gelclirsamkcit ,  ohne  unl)efnngeiien  Forschgeist.  In  der  Dichtkunst  tmd  Kan- 
zelberedsamkelt  haben  sie  irefFIiche  Muster  aufzuweisen.  Von  den  bildenden  Künsten 
ist  die  MaJilerej  in  den  Niederlanden  immer  am  ghickhchslen  cidiivilt  worden,  und 
Holland  wie  Belgien  besitzt  seine  eigene  Schule  (die  HoUändisclie  und  Flandrische). 
Duell  hat  Holland  auch  ircffüclie  Kupferstecher  j,  Stnmpclsclineider _,  Fonnstecher , 
LtaidkartenzeicJiner  und  Baumeister ^  besonders  TVdsscrbaumeister. 

4)  In  Dünemark  stehen  die  Wissenscliafien  in  mehr  als  niiitelniiissigem  Flor.  In 
der  Pnesie  j  Philologie  _,  GcscJiichte  j  Jltertliumskunde  ^  Mathematik  j,  ISaturge- 
schichte  ,  Oekonomie  ,  Arzeneykunde  und  Theologie  zeichnen  sich  die  Dänen  rühm- 
lich aus.  Selbst  das  arme  Island  wies  bisher  achtungswiirdige  Gelehrte  und  Schriflstcl-  ' 
1er  auf,  und  hat  sie  noch,  besonders  Dichter  und  Geschichtschreiber.  Das  Studium' 
der  alten  Sprachen  ist  daselbt  allgemein  verbreitet,  welches  hauptsächlich  durch  die 
Fürsorge  der  Geistlichen  l)e\virket  wird.  Aber  auch  an  Anlage  zu  deia  bildend(!n  Kün- 
sten fehlt  es  den  Dänen  nicht,  noch  auch  an  trefflichen  Künstlern  selbst.  Der  Däne 
Thorwiddsen  ist  einer  der  grössten  Bildhauer  der  neuern  Zeit.  —  Im  J.  1O17  wurden 
in  Dänemark  wöchenllich  g2,qoo  St.  und  jährlich  4,85o,8oo  St.  Zeitungen  gedruckt  r/J. 
Eine  sehr  bedeutende  IMenge  für  ein  so  kleines  Reich. 

5)  In  Scinveden  sind  die  Wissenschaften  hauptsächlich  im  18.  Jahrhundert  mit 
grossem  Eifer  und  glücklichem  Erfolge  bearbeitet  worden,  vorzüglich  Naturgescluch- 
te  j,  Phjsik  j  Chemie  j  Oekonomie _,  Technologie  ^  politische  j^rithmetik  ^  Geschich- 
te _,  PJiilologie  und  jJlfertliumsknnde.  Botanik  wird  noch  gegenwärtig  von  den  schwe- 
dischen Naturforschern ,  diesen  enthusiastischen  Anliäugcrn  ihres  Vaters  Linnc  j  vor- 
züglich geliebt  und  cidtivirtj  weniger  wird  von  ihnen  Zoologie  bearbeitet,  aber  auch 
noch  jetzt  mit  grösserem  Eifer  Entomologie  als  irgend  ein  anderer  Zweig  der  Zoolo- 
gie ;  unverhältnissmässig  wenig  dagegen  Mineralogie j  obgleich  der  ausgebreitete  Berg- 
bau dieses  Landes,  und  die  ausgezeichneten  INIineralogen ,  die  es  in  fridieren  Zeiten 
besass,  ztim  eifrigsten  Studium  dieser  Wissenschaft  auffordern  sollten.  —  O])gloich 
Schwedens  Klima  der  Entuickelung  des  Künstlersgenies  nicht  giinstig  ist :  so  hat  es 
doch ,  nach /<?wwc/i  j  einen  der  berühmtesten  neuern  Bildhauer  (^inhmcns  Sörgef) 
in  seinem  Schoosse  hervorgebracht.  Dichter  und  Prosaisten  hat  es  mehrere  aufzuzei- 
gen, welche  den  Geschmack  der  Nation  beurkundet  haben,  und  ihr  als  classisch  gel- 
ten können. 

6)  Die  Britten  beschränken  ihr  Studium  auf  wenigere  Gegenstände,  und  sind  der 
Polyhistorie  u:id  dem  Encyclopädismus  nicht  hold  ,  wie  der  Deutsche  sich  durch  Lieb- 
haberey  für  bevdc  auszeichnet.  Daher  thut  sich  die  biittische  Literatur  weniger  durch 
Umfang,  als  durcli  eine  gewisse  Originalität  hervor.  In  der  Philosphie  sind  Psycholo- 
gie, Anthropologie,  praclische  Sillenlchre  luid  ästhetische  Kritik  die  Gegenstände 
ihrer  gelungensten  Bearbeitung.  In  der  Mathematik  und  Physik  hat  Grossbrilannieiir 
einige  der  grössten  Genies  hervorgebracht,  die  diu-ch  Entdeckungen,  Beobachtungen 
und  Combinationen  sehr  vieles  zur  Umstaltung  dieser  Wissenschaften  beygetragen  ha- 
ben. In  der  Cliemie  eifern  die  Britten  den  Franzosen  und  Deutschen  mit  gliickHchcni 
Erfolge  nach  •  allein  in  der  Naturgeschichte  sind  ihre  Fortschritte  nicht  bedeutend. 
Dagegen  gebiihrl  ihnen  in  der  Arzenejkande  und  Chirurgie  ein  ausgezcichetcr  Rang, 


368  II.  Gcistescullur.  §.   43.  Zustnnd  der  Wissonsch.   ii.  Kiiuste  iu  deu  L-intclnen  Läiidcru. 

Die  Geschichte  haLen  sie  mit  Kritik,  psychologischem  Sclxarfblicke  und  äclit  philoso- 
phischem Pragmatismus  heaibeitet,  und  keine  Nation  hat  so  viele  und  so  treffliche 
Werke  über  die  Geschichte  des  Vaterlandes  aufzuweisen.  Zur  Erweiterung  der 
Länder-  und  Fölkerkunde  haben  sie  thätiger,  als  irgend  eine  andere  Nation  heygetra- 
gen j  aber  Geographie  und  Statistik,  als  vollständige  Wissenschaften,  haben  sie  nie 
betrieben.  Dagegen  ist  ihre  Literatur  reich  an  gehaltvollen  Schriften  iiher  Staats- 
wij-thscha/t j  Handelswissens}iaft_,  Oekonomie  und  Technologie,  worauf  die  Brit- 
tcn  zuerst  ihre  Einsichten  und  Erfahrungen  aus  der  Mathematik,  Physik  und  Chemie 
mit  glücklichem  Erfolge  angewendet,  und  haltbare  Theorien  darüber  aufgestellt  ha- 
ben. Um  so  karger  ist  die  britlische  Jurisprudenz  mit  Gaben  fiir  die  Wissenschaft, 
besonders  in  naturrechtlichen  Untersuchungen  ,  weniger  in  der  vaterländischen  Rcclits- 
wissenschaft.  In  dem  Gebiete  der  Theologie  ist  die  Schriftstellerey  sehr  freymüthig; 
es  gibt  unter  den  brittischen  Gottesgelehrten  vortreffliche  Exegeten  und  gründliche 
Verlheidiger  der  christlichen  Religion.  Das  Studium  der  classischen  Literatur  ist  in 
die  ganze  höhere  Cultur  mid  das  practische  Lelicn  der  Britten  verwebt;  Lords,  Ofli- 
eiere,  Advocaten ,  Ärzte,  Kaufleute  lesen  den  Euripidcs  und  Thucydides  in  der  Ur- 
sprache, und  im  Parlanu-nt  hört  man  nicht  s.elten  eine  Stelle  aus  einem  lateinischen 
Dichter  oder  Geschichtschreiber  citiren.  Ihre  Sprache  haben  sie  mit  grossem  Eifer  , 
und  Glück  liearbeitet.  Ihre  Dichter  behaupten  einen  vorzüglichen  Rang.  Das  Trauer- 
spiel, das  Epos,  das  Lehrgedicht  und  die  Satyre  sind  die  Gedichtarten,  worin  sie 
glänzen.  In  der  schönen  Prosa  haben  ihre  Schriftsteller  einen  hohen  Grad  der  VoU- 
konunenheit  erreicht,  und  ihre  Redner  im  Parlamente  sowohl,  als  auf  der  Kanzel 
und  dem  Richtersluhle  stehen  in  der  gesammten  neuen  Literatur  fast  ohne  Nebenbuh- 
ler da.  In  der  Kunst  haben  sich  die  Britten  dayeücn  bisher  immer  noch  mehr  als 
grossmülhige  Belohner  luid  Ermunlerer  auswärtiger  Genies,  denn  als  eigene  Meister 
gezeigt;  bloss  in  der  Schauspielkunst  und  der  ÄupJ'erstecherkunst _,  besonders  der 
Scltwarzkunst  und  dem  Landkartensticlie  j  ihun  sie  sich  rühmlich  hervor ,  und  in 
der  Caricatuneiclvuaig  sind  sie  einzig,  imd  in  der  schönen  Gartenkunst  uns  Mu- 
ster geworden.  Aber  weder  Britanniens  Bildhauer  ,  noch  Maid  er ,  noch  ArcIvLekten 
haben  sich  einen  vorzüglichen  Original  -  Charakter  erstrebt,  noch  auch  überhaupt 
viele  Kunstwerke  aufgestellt,  welche  denen  der  grossen  Meister  ihrer  Gattung  gleich 
kamen.  Jiie  Musik  ist  zwar  eine  Lieblingsbeschäfiigung  aller  Brilten ;  aber  eigentliche 
Virtuosen  nnd  Tonsetzer  von  Bedeutung  hatten  sie  nie,  wenn  gleich  ihre  Universitä- 
ten auch  Doctorcn  der  Musik  creiren.  —  Jährlich  crscheiiien  im  brittischen  Reiche 
-»oo— 800  neue  Werke,  dann  5oo— i5oo  neue  Auflagen,  und  ausserdem  looo — l5oo 
kleine  Bücher  für  Schulen  und  Volksbelehrung.  —  In  keinem  Lande  Eiuopa's  werden 
so  viele  Zeitungen  gedruckt  und  gelesen,  als  in  Grossbritannien.  Im  J.  1821  crschie- 
•-*nen  im  ganzen  Reiche  280  Zeitungen  (davon  allein  zu  London  57,  im  übrigen  Eng- 
]and  i3u),  die  über  6  Mill.  Gulden  eintrugen  und  1800  iMenschen  ernährten;  von  den 
bedeutendsten  werden  5ooo— 6000  Exemplare  aufgelegt,  und  in  den  sechs  ersten 
Monaten  von  i8i4  wurden  12,567,798  Blätter  gestämpelt,  welches  der  Krone  i83,28o 
Pf.  St.  =  i,832,8oo  fl.  eintrug.  Ausser  den  Zeitungen  kommen  zu  London  noch  46 
Monatschriften  heraus,  und  andere  periodische  Blätter  zu  Edinburgh  und  Dublin  ej. 


II.   Gfistescultui.   §.   44.   Ziistancl   Jfi   "Wisscusch.   u.   KuuäIo  in  d.   einz.  Lüml.  Foi  ls<  Iznii!,'.  36q 

■  «)  S.  Gi'isl  der  nouosten  österroicblsclien  Strafgpselzgebiing  in  don  Valcrl.  Bliit.  für  den  üster- 
reicliiscIiiMi  Kalscrstaat.  Nr.  ^5.  und  46.  1808.  ;  aus  dem  Archive  für  die  Gesolzgi'huiig  und 
Reform  des  juristischen  Sludiums,   von  N.  T.  Gönner.  B.   1.  H.   1.  Landshut,    i8ü8. 

b)  S.  Ergänzungsbl.  z.  A.  L.  Z.   i8i2.  Nr.   iJ3.  S.   io58. 

c)  S.  Polit.  Jour.  1817.  Jul.  S.  6o5. 

d)  S.  den  Correspondenten  \.   und  f.  Deutschland.   1817.  Nr.   190.  S.  807. 

e)  S.  Hassel's  Lehrbuch  der  Statistik  a.  a,  O.  S.  476. 

§•   44. 
Fortsetzung. 

7)  In  Italien  tjlüiizte  d-as  schöne  Licht  der  Wi.ssenschaftcn  schon  zu  einer  Zeil, 
als  noch  der  grösste  Theil  Europa's  in  Finsterniss  gehidh  war.  VorzügHcli  Jiliihtcn  sie 
von  1460 — l65o.  Mit  Ausnahme  der  Philosophie  und  Theologie  ist  Ijeyuahe  keine 
einsie  Wissenschaft,  welche  nicht  aus  jener  Zeit  herühnite  Nahmen  aufzuweisen  hätte. 
Besonders  war  Italien  der  fast  allgemeine  Lehrer  der  iMnthemdtik  _,  Fhjsi/<  _,  MecJui- 
nik  und  Astronomie  ^  so  wie  der  JSaturgeschichte ,  der  Medicinj  der  Geschichte 
und  Alterthiimskunde.  Die  Diplomatie  oder  neuere  Politik  und  die  Statistik  fanden 
in  diesem  Lande  (jene  in  Rom  j  diese  in  f^enedig)  ihre  Entstehung,  ohgleich  nicht 
ihre  wissenschaftliche  Aushildung.  Auch  wurden  in  Venedig  seit- 1536  die  ersten  fort- 
laufenden Zeitungen  geschriehen  aj.  Classische  Darstellung,  zuerst  in  der  lateini- 
schen dann  in  der  Muttersprache,  war  das  allgemeine  Bestreben  aller  LitcratorcM,  so 
dass  die  schöne  Uteratur  (Poesie  und  Prosa)  der  Italiener  aus  jenen  Jahrhunderlen 
das  vielleicht  noch  unühcrtroffcnc  Musler  für  .nlle  ihre  Nachbarn  geworden  ist.  Ehen 
so  sind  vuid  bleiben  die  Italicner  in  Aenbildeiideii  Künsten  _,  in  derMaLlorey,  derBild- 
haueikunst,  der  Mosaik  und  Archileclur ,  unerreichbare  Meisler,  so  wie  ihnen  der 
Schöpferruhm  gebührt,  dass  die  ncu-eurojiäische  Tonkunst  sich  seihst,  tuid  ohne  Mu- 
ster der  Allen,  geschaffen.  Reich  an  mimischen  Anlagen,  kann  es  ihnen  an  Schauspie- 
lern nicht  fehlen ;  nur  arten  diese  zu  leicht  in  Butfonerien  aus.  Auch  machen  die  mi- 
mischen Anlagen,  verljunden  mit  einem  feinen,  Ijiegsamen  und  geschmeidigen  Körper, 
den  Italiener  zu  einem  voizüglichcn  Tiinzer.  Allein  seit  der  Mitte  des  ly.  Jahrhunderts 
stehen  die  \\  issenschalten  in  Italien  nicht  mehr  so  im  Flor,  wie  in  der  oben  erwähn- 
ten glänzenden  Periode.  Indessen  haben  einige  vorzügliche  Männer  daselbst  herrliche 
Werke  im  Gebiete  der  Nalurlehre',  Naturgeschichte,  Medicin,  Staatswissenschaft  und 
Geographie  auch  in  neueren  Zeiten  geliefert.  Noch  besser  erhält  sich  die  Kunst,  be- 
sonders zu  Rom  j  tier  vorzüglichsten  Pflanzschule  und  dem  Vereinigungspuncie  fiir 
die  ganze  cuhivirte  Welt,  wo  sich  die  Künstler  aller  Nationen  znsammeniinden,  und 
ihre  höhere  Bildung  vorbereiten. 

8)  Die  Franzosen  haben  im  Gebiete  der  AVissenschaft  im  Ganzen  nüt  ausge-  ^ 
zeichnelem  Ruhme  gearbeitet ,  obgleich  man  selbst  in  sehr  vortrefnichen  wissenschaft- 
lichen Werken  derselben  durch  den  Mangel  an  gründlichem  Forschgeiste  und  aus- 
harrendem Fleisse  oft  unangenehm  überrascht  wird.  In  der  Philosophie  haben  sie  sich 
immer  nur  auf  das  Practische  beschränkt,  und  mehr  der  P.sychologic  und  Moral,  als 
der  Metaphysik  gehuldigt  ;•  aber  die  i1/af//emrtf/A'  hat   das    französische    Genie  mit  sei- 


3;n  II.   Gcisteicuitur.  ^.   44-   Zustand   der  Wis5euäcli.   u.   Künste  in  d.  einx.  Liiud.   Fol!set^uug. 

nein  oigonthüoiliclien  Scharfsinn  ergriffen,  und  grosse  und  fruchi])are  Tlieoricn  darin 
aulgostelh.  In  der  Phjsik,  Chemie ,  NaturgescidcJite  und  Chirurgie  hat  Frankreich 
eine  Menge  grosser  Männer  hervorgebracht ,  deren  Nahmen  in  diesen  Wissenschaften 
Zinn  Theii  sehr  glänzende  Epoclien  liezeichnen  ;  aber  der  grossen  Aerzte  hat  es  we- 
niger geslelk,  als  man  es  von  dem  so  nkannigfaUig  erprobten  Beobaclilungsgeisle  der 
Nation  erwarten  sollte.  Ihre  Juristen  waren  ehedem  gelehrter  und  fleissiger,  als  jetzt j 
besonders  scheint  die  neue  französische  Jurisprudenz  das  Natur- und  allgemeine  Staats- 
und Völkerrecht  zu  vernachlässigen  (diese  natürlichen  Rechtswissenschaften  sind  sogar 
aus  dem  unter  Nnpoleon  eingefiihrten  Studienplane  ausgelassen  worden),  und  das 
neue  französische  bürgerliche  Gesetzbuch  ist  bey  weitem  nicht  so  vollkommen,  dass 
die  Deutschen,  am  wenigsten  aber  wir  Oesterreicher  _,  Ursache  hätten ,  neidisch 
auf  dasselbe  zu  blicken.  Eben  so  stehen  die  französischen  Schriftsteller  im  Gebiete  der 
Theologie  j  vornehnilich  der  Exegese  nn^  der  Dogmatik  j  den  Deutschen  weit  nach. 
Dagegen  darf  sich  in  Riicksicht  der  IMenge  gründlicher  technologischer  und  politi- 
scher Schriften  die  Literatur  keiner  andern  Nation  mit  der  französischen  messen^  und 
in  der  theoretischen  Bearbeitung  praciischer  Gegenstände  des  Ackei'haues _,  des  Han- 
dels und  der  Finanzen  stellt  sie  Werke  auf,  die  mit  den  Englischen  dieser  Gattung 
wetteifern.  Von  d^n  französischen  Geschichtschrei/jern  gehören  viele  gleichfalls,  we- 
gen ihres  philosophischen  Geistes  und  ihrer  Weltkenntniss ,  unter  die  ersten  ihreiArt, 
wenige  aber  wegen  ihrer  Genauigkeit,  Zuverlässigkeit  und  Ünparteylichkeit.  Die  Diplo- 
matie hat  ihnen  sehr  viel  zu  danken  (sie  setzen  dieselbe  in  den  ersten  Rang  der  nützli- 
chen Wissenschaften) ,  weniger  die  Geographie  und  Statistik.  ÜKer  den  Verfäll  des 
Studiums  der  Literatur  und  Bücherkunde  klagen  selbst  französische  Schriftsteller, 
und  lassen  dem  Vorzuge  deutscher  Gelehrsamkeit  alle  Gerechtigkeit  widerfähren.  Da- 
gegen zeichnen  sich  die  Franzosen  durch  wissenschaftliche  Behandlung  der  Kriegs- 
kunst .,  durch  Zuriickfiihriing  derselben  auf  ein  vollständiges  System  aus.  Keine  Nation 
hat  so  viel  zur  Ausbildung  ihrer  Sprache  gethan  ,  als  die  französische,  so  wie  keine 
Nation  eine  grössere  Menge  treiriichcr  Prosaisten  aufzuweisen  hat,  als  die  französi- 
sche. Auch  waren  ihre  schönen  Schriftsteller  niclii  nur  die  gelesensten  ,  sondern 
auch  die  einflussreichsten  in  Europa.  Ihre  Kanzelredner  in  altern,  ihre  Staats-  und 
Gerichtsredner  in  nettem  Zeiten  behaupten  einen  ausgezeichneten  Rang.  In  der  Dicht- 
kunst if^i  die  leichte,  witzige,  ironische  Gattung  das  eigentliche  Feld  der  Franzosen, 
keineswegs  a1)er  das  Epos,  das  Trauerspiel  tmd  überhaupt  die  ernstern  Gattungen 
derselben.  Es  fehlt  den  Franzosen  an  einer  eigentliche!!  Dichtersprache,  als  welche 
ohne  kühne  Worlstelhmgen  ,  olnie  neue  Wortzusammensetzungen,  und  ohne  einen 
Rcichlhiun  au  sinnhch- stark  zeichnenden  Worten  nicht  Statt  finden  kann.  In  der 
Musik  und  den  bildenden  Künsten  stehen  sie  allerdings  ihren  südlichen  Nachbarn 
knach;  doch  haben  die  französischen  Mahler  des  17.  imd  i8-  Jahrhunderts  eine  ei- 
gene Schide  gebildet,  in  deren  Fussstapfeu  die  neuern  Künstler  nicht  ohne  R.uhm 
fortschreiten  j  in  der  Kupferstecherkunst  welteifern  sie  mit  den  Engländern,  in  der 
Lifngrapliie  mit  den  Deutschen,  in  der  Schauspielkunst  mit  beyden;  ntu-  werden  sie 
durch  ihre  Lebhaftigkeit  nicht  selten  zu  Übertreibungen  in  der  Darstellung  hingeris- 
sen.   In   den  gymnastischen  Küustcn   (vornehndich  der   Tanzkunst)    gehen  sie  allen 


II.  Geistescultur.  §.  44.   Zustand  der  YVisscnscIi.   u.   KiuisU   in  d.   ein».  Liind.   torlielzuug.  371 

Nationen  voran.  —  Chtiptal  schiilzl  die  Zahl  der  iähilicli  in  Fiankieicli  gedrnckien 
Werke  anf  3ogo  Bände.  Im  J.  1817  waren  3256  Werke  erschienen,  worunter  2  i2  poe- 
tische,  227  pohlische,  i53  staaiswirlhschaflhche  ,  55  laclische  n.  s.  w.  Ln  J.  1821 
■wurden  in  Paris  allein  ausgegeben  11  Zeitungen,  3  Intelligenzblaltcr,  10  periodische 
Schriften,  3  Modejournale  und  83  wissenschahliche  Journale. 

q)  Spaniens  Literatur  halte  bisher  mit  grossen  Hindernissen  zu  kiiinpCen.  Der 
starke  Einfluss  der  Geisiiichkeii,  die  Gewall  der  Inquisition  und  die  Strenge  einer 
sechsfachen  Censur  hemmten  die  l-c  seficyheit  und  den  zur  fruchtbaren  Erweiteriuig 
des  gelehrten  Wissens  unumgänglich  nolhigen  Unlersuchungsgeist.  Besonders  koiuilen 
aus  diesen  Griuiden  die  Philosophie,  die  Theologie,  das  kritische  Siudiuui  der  Biljel, 
die  Kirchengeschichie  und  das  kanonische  Recht  nicht  gedeihen.  Chemie,  Physik 
und  Mathematik  sind ,  nach  Mensel  ^  in  Spanien,  so  zu  sagen,  noch  neue  Wissen- 
schaften; aber  in  der  Beredsanikeil,  und  vorzüglich  in  der  Poesie,  zeichneu  sich  die 
Spanier  aus,  und  in  den  Fächern  der  Naturgeschichte,  besonders  der  Botanik,  in  der 
Arzeneykunde  luid  Chirurgie,  der  Reihlsgclehrsanikeit,  dci'  Philologie,  besonders  in 
so  fern  sich  dieselbe  auf  die  IMuiicisjirache  bezieht,  und  der  vaterländischen  Geschich- 
te arbeiten  sie  nicht  ohne  Ruiun  luid  Gluck.  Da  nach  den  1820  eingetretenen  >'er- 
änderungen  die  Presse  frey ,  und  die  Inquisition  abgescliafft  ist:  so  kann  man  die  Er- 
wartung hegen,  dass  die  Spanier  in  Zukunft  auch  in  den  übrigen  Fächern  des  gelehr- 
ten Wissens  grössere  Fortschritte  machen  werden.  Gegenwärtig  fehlt  noch  viel,  dass 
sie  in  der  wissenschafdichcn  Gullur  ihren  Nachbarn,  den  Franzosen,  oder  den  Brit- 
ten  und  Deutschen,  gleich  kommen  sollten,  ja  in  einigen  Stücken  stehen  sie  hinler 
sich  selbst  in  ihrer  bhilicnden  Periode  (von  i5oo — 1600)  zurück.  Von  den  bilden- 
den Künsten  blühen  Mahlerey  und  Baukunst  am  meisten.  An  irefTlichen  Tänzern 
fehlt  es  den  Spaniern  nicht ;  alier  grosse  Tvnmeistcr  sind  unter  ihnen  noch  nicht  auf- 
gestanden,'und  schlechtere  Schauspielei'  gibt  es  nicht  als  die  spanischen.  —  Mit 
Ausnahme  der  politischen  Pamphlets,  Flugschriften,  Zeitungen  und  Journale,  er- 
scheinen in  Spanien  Jährlich  kaum  100  wissenschaftliche  Werke.  Autorschaft  ist  da- 
selbst kein  Gewerbe,  und  die  Schriftsteller  sind  seltener  Gelehrte  von  Profession,  als 
Geschäftsmänner,  die  entweder  ein  Lieblingsfach  nebenher  bearbeiten,  oder  die  in 
ihrem  Amte  gesammelten  Kenntnisse  in  Schriflen  mittheilen. 

10)  Portugals  Literatur  halte  bisher  mit  ähnlichen  Hindernissen,  wie  die  spa- 
nische, zu  ringen.  Daher  konnte  die  Gelehrsamkeit  daselbst  nicht  emporkonunen ,  ob 
es  gleich  der  Nation  keineswegs  an  natürlicher  Geschicklichkeit  fehlt.  Diess  beweiset 
das  goldene  ZeitaFier  Einaniiels  des  Grossen  j  wo  besonders  das  Studium  der  alten 
Literatur j  Poesie  j  Geschichte j  Mathematik  j  Schifj^falirtskunde  und  Geographie 
ciddvirt  wurden.  Die  zwcy  leizlern  Fächer  bereicherlen  die  Portugiesen  in  dicsei'  Pe- 
riode mit  einzeluen  Werken,  die,  nach  Hrn.  Eichlwrn ^  noch  jetzt  einen  dankbaren 
Gebrauch  verdienen.  Aber  Philosophie  und  Theologie,  so  wie  Jurisprudenz  wurden 
schon  damals  vernachlässigt ,  imd  gegenwärtig  ist  systematische  Philosophie  den  Por- 
tugiesen ganz  unbekannt,  da  sie,  seit  Pombals  Minislevschaft,  aus  allen  Lehranstal- 
ten, selbst  aus  Cuimbra  ^  verbannt  ist  bj.  In  neuern  Zeilen  hat  Portugal  einige  wis- 
scnscliafüichc  SN  eike  über  Botanik j  JSationaLökononäe  und  einige  andere  Fächer  zu 

47* 


3-2  11.   Gt'isteacultur.   ^.  45-   Zustand  der  Wisscusch.   u.   Künste,  in  d.   eiuz.  Land.  Fortsetzung. 

liefern  angefangen.  ^Vas  der  Portugiese  in  Sachen  der  Kunst  leisten  kann ,  sieht  man 
aus  der  Bildsdiüe  Josephs  des  Ersten  zu  Pferde,  von  Bronze,  welche  auf  einem  schö- 
nen frcven  Platze  in  Lissabon  aufgestellt  ist,  und. aus  der  Wasserleitung  von  Lissabon, 
einem  dei-  piächligslen  Werke  der  neueren  Baukunst.  Meister  in  der  Mahlerey  hat 
er  gleichfalls  einige  ireffÜche.  —  Die  Censur  und  die  Liquisition  sind  seit  1821  auf- 
gehoben. Seit  1822  erscheinen,  ausser  den  Ephenieiidcs  naulicas  de  Lisboa,  den 
Ephemerides  naulicas  de  Coimbra ,  vuid  dem  Almanache  de  Lisboa,  lö  Zeitschritien. 

fl)  S.  Leipz.  L.  Z.  i8i3.  2.  S.  10. 

6}  S.  Eidihoriis  Geschichte  der  Lileralur  olc.   B.  2.  Abth.  2.  S.  829  ff. 

§•  45- 

Fortsetzung. 

11)  /i«j>i/(7»(i?  hat  in  \  ergleichuug  mit  andern  Staaten  bis  in  das  letzte  Viertel 
des  18.  Jahrlumdcrts  im  Gebiete  der  Wissenschaften  wenig  geleistet  j  seitdem  aber 
gcscliehen  stärkere  Fortschritte.  In  der  Dichtkunst  ^  Geschichte  j  Geographie _,  Stti- 
tislih  und  Länderkunde ^  so  wie  in  der  Naturgeschichte _,  Phjsik  und  Mathematik 
ilum  sich  die  Russen  jetzt  am  stärksten  hervor.  Auch  in  der  Philologie  _,  Chemie  und 
Gesetzkunde  haben  sie  einige  gute  Schriftsteller  aufzuweisen,  und  selbst  in  der  Phi- 
losophie  und  im  Naturreclite  haben  sich  russische  Gelehrte  versucht  (in  jener  Lub- 
kin  j  in  diesem  Solotznitzkj).  Alier  die  übrigen  Fächer  des  menschlichen  ^Vissens 
sind  noch  ziemlich  unbearbeitet.  Ausländer,  besonders  Deutsche  uud  Franzosen,  wie 
auch  das  Reisen  junger  Russen  zu  fremden  Lehranstalten,  haben  das  Meiste  zum  bes- 
sern Flor  der  Wissenschaften  beygetragen.  In  welchem  Verhältnisse  die  Verbreitimg 
wissenschaftlicher  Bildung  in  Russland  steigt,  mag  das  einzige  Beyspiel  der  Zahl  in 
russischer  Sprache  geschriebener  Werke  zeigen:  bis  1787  Tec\\nc\.G  Backmeister  de- 
ren  4000  j  wnd  das  Doppelte  (8000)  sollte  181g  die  Nationalliteratur  besitzen.  Doch 
liefert  der  Russe  noch  immer  mehr  Übersetzungen,  als  Oiiginalwerke.  Im  J.  1821  zählte 
man  in  ganz  Russland  34q  lebende  Schriftsteller ,  die  meisten  aus  dem  Adel,  ein  Acht- 
theil  aus  der  Geistlichkeit.  St.  Petersburg  ist  der  Sitz  der  ausserrussisch^n  Gelehr- 
samkeit, Moskau  dagegen  der  Stapelplatz  der  russischen  Gelehrsamkeit,  Wo  auch  die 
russische  Sprache  am  n  instcn  und  zierlichsten  gesprochen  wird.  Ausser  den  Haupt- 
städten besitzen  auch  mehrere  Provinzialstädte  ihre  Zeitungen  und  Journale;  über- 
haupt komnuMi  20  periodische  Scjuifien  lieraus.  —  Die  auch  jetzt  weit  mehr,  als  je, 
gepflegten  bildenden  Künste  werden  nicht  nur  von  Ausländern,  sondern  auch  von 
Russen,  rühmlich  bearbeitet  mid  ausgeübt,  besonders  zu  St.  Petersburg  und  Moskau. 
Die  Musik  ist  eine  Lieblingsbeschäftigung  aller  Piussen ;  doch  erreichen  sie  darin  ihre 
Muster  t'ht,  bloss  russische /irrg-rf- oder  i/o7'«7?j«,y//i  (cineErlindung  seit  1767  und  nur 
durch  Leibeigene  möglich)  ist  bisher  noch  immer  ihr  ausschliessliches  Kiuisteigenthuni. 
12)  Die  pohlische  Sprache  bildete  sich  unter  der  Ägide  der  Sigisniunde  und  des 
Stanislaus  .'jngustus  zur  Schriftsprache  des  ehemaligen  Königreichs  Polen ,  und  stieg 
zu  ein^r  wirklichen  Bliithe  empor,  wie  sie,  die  Sprache  der  Czechen  oder  ßöhujen 
ausgenonmien,  keine  luiter  den  slavischen  Sprachen  erreicht  hat.  Als  Franz  I.,  König 


II.   Geistescnltiir.   §.   46.  ZusUnd  der  Wisseusch.  u.  Kiiuslc  in  d.   ein?.   L.-iixI.   rorlsiUiinj«.  ')-'> 

von  Fi-ankreicli,  Zeitgenosse  des  poluisclicn  Stgisinu/uls  1. ,  sich  ])estrcbl.c,  aus  gesit- 
teten Ländern  Wissenschaften  in  das  scinigc  zu  verpflanzen,  halte  Polen  schon  seine 
vorlrcinichen  Schriftsteller.  ^Viihrcnd  der  grössere  Theil  der  europäischen  Nationen 
ihre  eigenen  Schriftsteller  der  damaligen  Zeit  kaum  verstehen  kann,  und  sich  ihre 
spätem  Schriftsteller  bestrebt  haben,  ihre  Sprache  dadurch  zu  vervollkonunnen  ,  dass 
sie  von  der  Sprache  ihrer  Ahnen  abwichen:  so  werden  die  polnischen  bessern  Schrift- 
steller desto  vollkommener,  je  mehr  sie  den  alten  Schriftsiellern  ihrer  Sprache  nahe 
kommen  aj.  Durch  die  in  den  höheren  Ständen  als  Umgangssprache  angenommene 
französische,  und  als  Geschäftssprache  eingeführte  lateinische  Sprache  aber  ist  die 
polnische  Sprache  und  Literatur  in  den  spätem  Zeiten  so  gesunken,  dass  man  endlich 
die  Nolhwendigkeit  einsah,  1801  eine  gelebrte  Gesellschaft  zu  Warschau  zu  crrichteii , 
deren  Endzweck  ist,  nicht  nur  die  alten  Überbleibsel  der  polnischen  Sprache  zu  ret- 
ten ,  sondern  auch  die  Vervollkommnmig  derselben  und  aller  Wissenschaften  im  Lan- 
de, so  viel  möglich,  zu  befördern.  Nene  Originalwerke  sind  indessen  in  Polen  noch 
immer  eine  Seltenheit  j  häufiger  sieht  man  dagegen  Ül)ersetzungen.  Sogar  die  Schul- 
bücher sind  grösstenThcils  Umarbeitungen  oder  Nachabniungen  ausländisclier  ^VerkeÄJ. 

13)  Die  Gnltiu-  der  bohinisclien  Sprache  machte  schon  unter  luid  nach  Carl.  IV. 
{folglich  noch  früher  als  die  der  polnischen  Sprache)  sehr  grosse  Fortschritte ,  und 
in  der  böhmischen  Literatur  war,  wie  Hr.  v.  Schwartuer  bemerkt,  um  die  Zeit  der 
Gostnitzer  Synode,  schon  alles  helle,  als  es  in  Deutschland ,  und  auch  in  Frankreich 
nur  erst  zvi  dämmern  anfing.  Vorzüglich  blühte  sie  im  16.  Jahrliundert.  Daher  bilden 
sich  böhmische  Schriftsteller  von  Geschmack  im  Schreiben  nach  den  besten  Schriften 
des  erwähnten  Jahrhiuiderts,  besonders  nach  den  unter  dem  Kaiser  Rridolph  IL 
(1576 — 1612),  welches  der  glänzendste  Zcittheil  der  i)öhmischcn  Sprache  war.  Der 
Fürst  der  jetzt  lebenden  slavischen  Gelehrten  und  Schriftsteller  ist  ein  Böhme;  er 
heisst  Dobrowskj. 

In  den  neuesten  Zeiten  hat  auch  die  serbische  Sprache  einige  Gelehrte  gefiin- 
den,  welche  ihr  als  Buch ersp räche  einen  Rang  zu  behaupten  suchen  cj. 

Im  Jahre  1818  erschienen  in  der  österreichischen  Monarchie,  ausser  zwcy  slavi- 
schen Joiu-nalen,  eine  böhmische,  eine  polnische  und  eine  serbische  Zeitung. 

a)  S.  Götting.  gel.  Anz.   i8o3.  St.  47.  S.  468  fr. 

b)  S.  IntL'Uigcnzbl.  d.  L.  L.  Z.    i8i3.  3.  S.  2i. 

c)  Beiträge  zur  Übersicht  der  serbischen  Literatur   in  dem  iJiterr.  Kaiserstaate  ;  in  den  vaterl. 
Bl.  a.  a.   O.   1811.  95.  S.  573  fr. 

§.   46. 
Fortsetzung. 

14)  Die  Ungern  eifern  den  culiivirtcslen  Völkern  Europa's  in  hterarischer  Hin- 
sicht, besonders  seil  den  letzten  drey  Jahrzehenden,  mit  rühmlichem  Erfolge  nach, 
und  man  sieht  mit  Vergnügen,  wie  die  deutsche  Literatur  sich  auch  unter  ihnen  im- 
mer mehr  emporhebt,  und  die  Prodnctivität  derselben  zunimmt,  trotz  dem  in  ihrctn 
Vaterlande  erwachten  Eifer  für  eine  Nationalliteratur  (die  magyarische).  Es  ist  beyna- 
he  kein  Feld  des  mensolillchen  Wissens ,  das  sie  bis  jclzt  nicht  bearbeitet  hätten.  Die 
Fächer,  in  welchen  sie  sich  vorzüglich  bemerkbar  gemacht  haben,  smd:  schöne  Li- 


374  JI-  Geisfescultur.  §.  4;.  Zustand  der  Wissensch.  u.  Künste  in  d.   ehn.   Land.  Fortsotzving. 

teratur,  Pliilologie  ,  Nalurgeschichle  (besonders  Botanik),  Ökonomie,  Physik,  Meteo- 
rologie, Mathematik  und  Astronomie,  Geschichte,  Diplomatik,  Numismatik,  Geogra- 
phie lind  Statistik,  so  wie  Arzeneyknndc ,  Rechtswissenschaft,  ungrisches  Staats-  und 
Piivatrecht.  Auch  in  der  Theologie,  in  Eibauungsschriften  ,  in  der  Alterihumskundc , 
Chemie,  Technologie,  Ilandlungs-,  Polizey-  und  Erziehungswissenschaft  haben  sie  ei- 
nige gute  Schriftsteller  aufzuweisen.  Besonders  zeichnet  die  Bewohner  Ungerns  vor 
andern  Nationen  Euro])a's  der  Umstand  aus,  dass  hey  ihnen  fast  jeder  Gebildete  nicht 
Eine  Sprache  allein,  sondern  drey,  vier  Landessprachen  versteht,  liest,  spricht  und 
schreibt.  Zur  Beförderung  der  Ausbildung  der  ungrischen  Sprache  wird,  in  Folge 
einer  im  J.  i8l5  zu  Stande  gekonnnenen  Stiftung,  jährlich  nicht  nur  eine  Preisfrage 
über  die  Cultnr  und  Beschaffenheit  derselben  gegen  einen  Preis  von  loo  fl-  ausge- 
schrieben, sondern  auch  demjenigen  wird  ein  Prämium  von  400  fl-  zu  Theil,  der  in 
der  Zwischenzeit  von  einer  Preisvertheilung  zur  andern  das  beste  Werk  in  ungrischer 
Sprache  geliefert  hat.  In  Pesth  leben  die  meisten  Schriftsteller  (an  der  Zahl  i54).  Im 
Jahre  1818  erschienen  in  Ungern  und  Siebenbürgen  4  Zeitungen  und  3  Zeitschriften, 
wozu  im  J.  1819  noch  eine  neue  Zeitschrift,  mit  der  Aufschrift:  Paiinonia j  kam. 
Die  gelehrten  Mitarbeiter  der  seit  1817  zu  Pesth  unter  dem  Titel  :  Tudomänjos 
Gjüjleme'nj  (gelehrte  Sammlungen),  herausgegel)ene  Zeitschrift,  bilden,  wie  Herr 
Schanis  sich  ausdrückt,  den  stillen  Verein  einer  gelehrten  Gesellschaft,  woran  es  den 
Ungern  in  der  Wirklichkeit  noch  felilt.  Eine  besondere  Erscheinung  in  der  ungri- 
schen Literatur  ist,  dass  in  Ungern  jälirhch  über  i5o,000  Kalender  in  ungrischer  Spra- 
che gedruckt,  und  von  den  Buchhändlern  und  Buchdruckern  und  Buchbindern  glück- 
lich angebracht  werden. — Was  die  bildenden  KÜ72Ste  heuifft:  so  besitzt  Ungern  zuPesth. 
einen  rühmlich  bekannten  Bildhauer  (Nahmens  Dii?tniskj),  einige  glückliche  Porträt-, 
Miniatur- und  Hislorienmahler,  und  einige  vorzügliche  Kupferstecher.  Auch  haben  sich 
einige  Toukünstler  zu  Pesth  durch  Conipositionea  bekannt  gemacht. 

§•  47- 
Fortsetzung. 

l5)  Die  Osmanen  endlich  stehen  auf  einer  sehr  niedrigen  Stufe  der  Cultur.  In 
den  Wissenschaften  sind  selljst  diejenigen ,  die  sich  ihres  künftigen  Standes  wegen 
denselben  widmen  müssen,  sehr  weit  zurück.  Es  gibt  indessen  im  Reiche  Abc-Schu- 
len (Mektebs)  und  CoUegien  (Medresses) ,  in  welchen  verschiedene  wissenschaftliche 
Fächer  nach  einem  zusammenhängenden  Plane  betrieben  werden.  Die  Schüler  der 
Medresses  heissen  Sofia  oder  3Inid  und  DaniscJunende  (Studenten),  die  Professoren 
Muderris  j,  welche  die  Pflanzschule  der  Ulema  •i ,  d.  i.  des  Richter-  und  Priesterstan- 
des oder  der  Rechts-  und  Goltesgelehrten  bilden.  Ihre  Ilauptstudien  betreffen  den 
Koran  (die  Quelle  ihrer  ganzen  Religionswissenschaft,  Moral,  Gesetzgebung  und  Po- 
litik), die  arabische  Sprache  (das  wichtigste  Mittel  zum  Lesen  des  Koraufi),  die  Re- 
chenkunde,  Messkunde,  Erdbeschreibung  (worin  Plolomäus  noch  immer  ihr  \Vegwei- 
ser  ist),  Physik  und  Naturgeschichte  (nach  Aristoteles),  Alchymie  und  Astrologie, 
welcher  letzteren  sie  sich  mit  desto  grösserem  Eifer  widmen,  da  sie  eine  Staatswissen- 
schaft ist,   mid  der  erste  llofastrolugc  (^Miinedschjim-BaSLhi)  jederzeit  in  Staatsgc- 


II.  Gcistesculhir.  §..  4y.   Zustand  der  Wissen  ■ich.  it.   Künsif  in   <]    ein/..   L.'iiifl.   Forlsnlzun;.  Z-Ü 

.scliaftcu  um  Ralh  gefragt  wird  aj.  Ihre  Philosophie,  als  Iliilfsiniitel  zur  Anslegunir 
des  Korans,  ist  scholastische  Spitzfindiiikeit.  Das  Feld  der  Geschichte  wird  nur  in  so 
weit  cultivirt,  dass  die  von  der  Regierung  angestellten  Hisloriographen  die  Slaatsnicrk- 
würdigkeiten  aufzeichnen  müssen.  Nautik  studieren  sie  erst  in  der  neuern  Zeit.  Ihre 
Ärzte  sind  meist  nur  elende  Empiriker ,  und  zugleich  Chirurgen  und  Apotheker.  Sie 
hahen  noch  Mondenjahre,  die  sie  mit  dem  22-  Jnly  622  nach  Chr.  Geb.,  dem  Tage 
der  Hedsclira  oder  der  Flucht  Mohammeds  von  Mecca  nach  Medinah,  ihrer  Ära,  an- 
fangen. Da  die  meisten  Biicjier  geschriehen  werden,  so  haben  sie  eine  grosse  Menge 
(nach  einigen  an  20,000,  nach  andern  an  40,000)  Schreiber,  und  beweisen  darin 
Kunst.  Die  im  18.  Jahrb.  gemachten  Versuche,  ßiichcr  zu  drucken ^  waren  von  kei- 
nem Gedeihen;  doch  werden  seit  1810  zu  Skutnri,,  am  Canale  von  Constanlinopel , 
wieder  Bücher  gedruckt  bj.  An  Hülfsanstalten  sind  in  der  Hauptstadt  nach  einigeix 
20,  nach  andern  35  öffenlhche  Bibliotheken,  die  aber  keineswegs  als  Beförderungs- 
mittel der  Wissenschaften  zu  betrachten  sind,  da  keine  über  2000  Manuscripie  ent- 
hält, ihr  innerer  Gehalt  noch  wenig  aufgeklärt,  und  ihre  Benutzung  zum  Tlieil  er- 
Bcliwert,  zum  Theil  von  den  Türken  gar  nicht  gesucht  ist.  Die  lileiarischen  Schätze, 
die  im  Seraj  sich  befuulen  sollen ,  sind  noch  unaufgeschlossen.  Die  einzige  türkische 
Zeitung  ist  der  zu  Smyrna  gedruckte  spectateuv  orieiital.  —  Den  bildenden  Künsten 
ist  in  der  Tiiikey  keine  Aussicht  zu  ihrer  Aufnahme  geößhet,  da  die  mohammedani- 
sche Religion  die  Abbildung  menschlicher  Formen  untersagt,  und  allen  Bildern  und 
Gemählden  feind  ist-  Docli  liefert  ihre  Baukunst  zum  Theil  schöne,  von  geschmack- 
vollen ausländisch efl  Reisenden  geschätzte  Werke.  Dagegen  ist  ihre  Musik  äusserst 
unharmonisch,  und  ihre  Instrumente  lärmend  und  geschmacklos.  —  Die  GriecJien 
zeichneten  sich  in  der  neuern  Zeit  durch  ihr  Streben  nach  wissenschafilicher  Bildun"; 

o 

ans.  Mehrere  derselben  holten  aus  Italien,  Frankreich,  vorzüglich  aber  aus  Deutsch- 
land, wo  sie  mit  Ruhm  imd  Nutzen  die  Universitäten  besuchten,  ihre  Bildung,  und 
strebten  dann,  ihrem  Vaterlande  nützlich  zu  werden.  Überall  bildeten  sich  in  den 
Städten  des  europäischen  und  asiatischen  Griechenlands  sowohl  Gesellschaften  zur 
Bildung  der  Nation,  als  gute  Unterrichtsanstallen,  wo  nach  sehr  wohl  durchdachten 
Planen  zur  Erlernung  von  Sprachen  und  Wissenschaften  und  zur  Aneignung  edler 
Gesinnungen  Unterricht  erihcilt  ward;  vorzüglich  ward,  doch  ohne  Mathematik,  Na- 
turwissenschaft, Geschichte  luid  Gcograpliie  zu  ver?)nchlässigen ,  das  Studium  der 
altgriechischen  classischen  Literatur  in  diesen  Schulen  i.w  Pergamum  ^  Smjrnaj  Cldo 
o^cr  Scio  j  Scdoni-chi  j,  Junina  _,  yltlien  j  Constaniinepel ,  Bukuvescht  u.  s.  w. ,  sehr 
lebhaft  betrieben,  um  den  edcln  Geist  wieder  zu  wecken,  der  ihre  Vorfahren  für  Va- 
terland, Tugend  und  feinere  Geistesbildung  enlflanunte.  Auf  dem  Berge  Athos  ward 
ausserdem  eine  Lehranstalt  für  die  Theologie  errichtet.  Allein  diese  BildiuigsanstnJten 
sind  jetzt  sämmtlich  zu  Grunde  gegangen.  —  In  Aqx  Ionischen  Republik,  wo  die  Neu- 
griechen  das  herrschende  Volk  sind,  bestehen  zwcy  höhere  Unterrichtsanstallen  zu 
Corfu  und  Zante;  al)er  die  projcctirte  Universität  zu  Illiaka  ist  noch  nicht  zu  Stan- 
de gekommen.  Die  Cefalonicr  studieren  häufig  ausser  Landes  die  Arzcneykunde ;  da- 
her fast  in  jeder  türkischen  Stadt  em  Arzt  aus  Ccfalonien  lebt.  —  In  Wien,  wo  der 
Grieche  ganze    Gemeinden    von   Landsleuten   und   sonstige  Glaubensverwaudle    an- 


3^5  Hl-  Vcrtlieidigungskrafte.  >§.   48.  Kriegsmacht.  §.  4g.   Arten  der  Truppen. 

liifTi,  Lestelit  eine  eigene  griechische  Biichdruckerey,  und  erscheint  eine  griechische 
Zeitung. 

«)  Nur   an  solchen    Tagen,  welche   von    den   Astrologen   dazu  bestimmt  worden    sind,  wagt 
man    es ,  den   Grund  zu  einem    öffentlichen  Gebäude   zu  legen  ,  ein   Kriegsschiff  vom    Sta- 
pel   zu   lassen ,    die    Stelle    eines   Grosswesirs   zu   besetzen   u.  s.  w.    S.  Muradgea   d'Ossons 
Tableau  T.  I.  p.  4i6. 
b)  Übersicht  der  in  Constantinopel  gedruckten  Werke  ;  im  Intelligcnzbl.  z.  W.  A.  L.  Z.  i8i3.  Nr.  4, 


in.      Vertlieidigungskräfte. 

§.  48. 

Kriegsmacht. 

Ein  Staat  hedarf,  nicht  nur  zur  Erhakung  der  Ruhe  und  Sicherheit  im  Innern , 
sondern  hauptsächhch  zum  Schutze  gegen  auswärtige  Feinde  einer  bewaffneten  Macht, 
welche- den  Nahmen  Aer  Kriegsmacht  führt,  und  entweder  Landmacht  oder  See- 
macht ist,  je  nachdem  sie  zu  Lande  oder  zu  ^Nasser  fiu-  die  Sicherheit  und  Ruhe 
sorgt.  Von  ihrer  Kriegszucht  nennet  man  Staateia,  die  stark  genug  sind,  ihre  Unab- 
hängigkeil zu  veriheidigen,  selbst  Mächte ^  und  je  nachdem  ein  Staat  zu  Lande  oder 
zur  See  vorzüghchc  Streitkräfte  besitzt,  nennet  man  ihn  auch  eine  Land-  oder 
Seemacht. 

A.    L  a  n  d  m  a  c  h  t. 

§•  49- 

Arten     der     Truppen. 

Zur  Landmacht  gehört,  nach  Abschaffimg  der  Lehnmihz  aj  ,  ein  stehendes,  un- 
ausgesetzt streitfertiges  Heer,  eine  Armee ^  welche  aus  vielen  kleinen  Haufen  unter 
besondern  Befehlsha]>ern  zusammengesetzt,  und  dem  Oberbefehle  eines  Feldherrn 
oder  des  Regenten  unmittelbar  imtcrworfen  ist.  Die  auf  europäischen  Fuss  eingerich- 
teten Kriegsiieere  sind  der  eingcfiihrtcn  Kriegskunst  gemäss  organisirt.  Sie  bestehen 
iiähmhch  aus  dreycrh-j  Truppen  oder  TVaffengattnngen:  Infanterie j,  Cavallerie 
und  Artillerie.  Die  Infanterie  oder  das  Fussvolk  ist  in  Regimenter,  jedes  Regiment 
in  Bataillons  und  Compagnicn  getheiltj  die  Cavallerie  oder  Reiterej  eben  so  in  Re- 
gimenter, diese  in  Divisionen  und  Escadrons.  Aus  R^egimeniern  werden  Brigaden,  aus 
Brigaden  Divisionen,  und  aus  Divisionen  Armeerorps  (die  grössten  Heeresabthcihm- 
geu)  gebildet.  Jede  Waffengattung  besieht  aus  Truppen  von  verschiedener  Ausrü- 
.stung  luid  Bestimmung,  nälmilich  die  Infanterie  aus  Grenadieren,  Musketieren  oder 
FLiseliercn  und  Jägern j  die  Cavallerie  aus  Kürassieren,  Carabinieren  und  Dragonern 
.  (schweren  R.eitern) ,  dann  aus  Chevauxlcgcrs ,  Chasseurs,  Husaren  und  Uhlanen  oder 
Lancicrs  (leichten  Reitern).  Die  Compagnieji  und  Escadrons  werden  von  Unter-  und 
Oberoffizieren,   die  Bataillons  von  Slabsolliziercn,    die  Regimenter  von  Obersten,    und 


III.   Veithcidiijungskräftc.  §.   ^g.  Arten  der  Truppen.  577 

die  Corps  und  andern  ALdieiluni^cn  der  Armeen  von  Generalen  cominandirt.  Die  Ar- 
tillerie,  licsteliend  aus  Bonibardiers  und  Kanoniers  zur  Bedienung,'  des  Geschützes, 
v>ird  auf  gleiche  Art  abgelheilt,  und  ist  hey  einigen  Armeen  zum  Tlieil  beritten.  Doch 
versteht  man  unter  Artillerie  das  grobe  Geschütz  selbst,  welches  theils  Feldgeschütz, 
theils  Belagerungsgeschütz  ist  hj.  Dazu  kommen  noch  die  besondern  Corps ,  als :  der 
Generalquartiermeisterstab,  die  Ingenieurs,  Mincius  und  Sappeurs,  die  Pionnicrs, 
die  Pontonniers ,  das  Militär-Fuhrwesen  ,  die  Invaliden  n.  s.  w. 

Als  Hülfsanslalt  zur  Sicherung  eines  Landes  hat  man  in  den  europäischen  Staaten 
Resei  i'en  „   Landwehre _,  Landmiliz  _,  Natiotialgarderi  j  bewaffnete  Bürger  u.  s.  w. 

In  einigen  europäischen  Staaten  ist  der  Soldat  zugleich  Landmann  oder  Bauer. 
Dahin  gehören  : 

1)  Die  Gränzer  oder  Bewohner  der  österreichischen  Militärgränze  (s.  Abih.  I. 
S.  7).  Die  Gränztruppcn  sind  im'Fiieden  und  im  Kriege,  in  und  ausser  dem  Lande  zur 
Leistung  sämmllicher  Militärdienste ,  luid  zur  Unterhaltung  der  Gränzanstaltcn,  wo- 
durch die  Türken  und  die  Pest  zugleich  von  dem  österreichischen  Staate  a])gchahen 
werden,  verpflichtet.  Die  liegenden  Griinde,  welche  die  Gränzer  für  diese  Obliegen- 
heit geniessen,  sind ,  kraft  des  Gränz-Reglements  vom  --.August  1807,  für  Militär- 
lehen  erklärt,  aufweiche  dem  Besitzer  mit  Vorbehalt  des  dem  Landesfürsten  zuste- 
henden Obereigcnthums  dasbeständige  erbliche  Nntzeigenlhum  zukoumu.  Jedes  Gränz- 
haus  muss  seine  enrolirten  Dienstniäinicr ,  so  oft  sie  auf  den  Cordon  in  die  Tschardn- 
keii  (Wachihültcn)  gegen,  die  Türkey  oder  in  Rogiincnlsdiensle  ausrücken,  selbst  ver- 
pflegen, imd  ihnen  den  nölhigen  Proviant  mitgeben.  Werden  die  Gränzer  im  Exer- 
cirlagcr  zusammengezogen  ,  oder  ausser  ihrem  Regimentsbezirke  commandiit,  so 
kommen  sie  in  Ärarial-Yerpllegung.  Ausserdem  nuiss  jedes  Gränzhaus  die  für  die  En- 
rolirten nölhige  Hausmonlur  auf  eigene  Kosten  anschaficji.  Das  Ärarium  gibt  jährlich 
ein  Paar  ungrische  Schuhe,  die  Armatur,  Munition  und  das  Lederwerk,  und  beym 
Ausrücken  ins  Feld  die  ärarische  Älontur.  Jedes  Gränzregiment  hat  zu  seinem  Com- 
mandanlen  einen  Obersten,  dem,  so  wie  den  Hauptleuien  als  Compagnie-  oder  Be- 
zirks-Conmiandanten,  zur  eigentlichen  Führung  der  Ökonomie  ein  besonders  dazu  ge- 
bildeter Okonomie-Oflicier  als  Referent  und  Rathgeber  an  die  Seite  gegeben  ist. 

2)  Die  Nationaltruppen  oder  die  sogenannten  eingetheilten  Soldaten  in  Schwe- 
den. Sie  sind  im  ganzen  Lande  vertheilt ,  und  werden  von  ihm  gestellt,  gekleidet  und 
unterhalten.  Jeder  Soldat  erhält  ein  kleines  Maus  mit  einem  Viehstalle,  eine  Wiese, 
Weideplätze,  etwas  Holz,  ein  urbares  Ackerland,  einiges  Geld  und  Kleidung,  die  er 
ausser  dem  Dienste  trägt.  Die  Regimentskleider,  so  wie  die  Waffen,  gibt  die  Krone 
her,  aber  nur  alle  10  Jahre,  weil  die  Soldaten  sie  nur  zur  Zeit  der  Musterung  oder 
bey  ausserordentlichen  Gelegenheiten  tragen.  Sännntliche  OlFiciere,  vom  Anführer  bis 
zum  UnterofTicicr,  empfangen  anstatt  des  Soldes,  Bostellen  j  d,  i.  kleine  hcrrso.liaflli- 
che,  von  allen  Abgaben  bcfreyte  Güter,  die  sie  cnl\^eder  selbst  benutzen  oder  ver- 
pachten können.  Der  Adel  stellt  und  unterhält  nur  das  unter  dem  Nahmen  der  Adels^ 
/"rt/i/ze  bekannte  Cavallericregiment  allein ;  die  übrigen  Truppen,  Cavallerie.  und  In- 
fanterie, stellt  vuid  unterhält  der  Adel  mit  den  Laudlculcn  ohne  Unterschied.  Jährlich 

48 


3^8  III-   VerlheiJigungskrSfte.  ^.   ig.  Arten  der  Truppen. 

werden  sie  hcy  einer  Musterung  im  Sommer,  wo  sie  mehrere  Wochen  Lager  hahon , 
iu  den  \Vanrcn  geiilit.  Zum  Ersatz  eines  jeden  Mannes  mnss  ein  anderer  bereit  gehal- 
ten werden ;  diese  Ergiinzinigsmannschafi  heisst  die  fVaT'gernitigs-^Iansknp. 

3)  Die  Militär-Colonisten  in  Russland,  eine  im  Werke  begriffene  Einrichtung 
des  russischen  Kriegswesens,  nach  welcher  Russlands  Slreilkräfte  grössten  Theils  auf 
einem  gewissen,  ausschliesslich  militärischen  Terrain  verlheilt  und  angesiedelt  wer- 
den, welcher  ihr  Vaterland,  Wohnort,  ihr  Eigcnthum  und  ihr  Werbbezirk  zugleich 
seyn  soll.  Diese  militärische  Zone  soll  Russland  in  ihrer  ganzen  Breite,  vom  balli- 
schen bis  zum  schwaizcn  Meere  durchsclineidcn.  Die  ^Vichtigkeit  dieses  riesenhaften 
Unternehmens  stellt  sich  folgender Maassen  dar:  Bis  mm  nnissten  zurBddung  und  Er- 
gänzung des  Heeres  aus  allen ,  auf  einer  Obeifläche  von  mehr  als  345,000  Quadrat- 
nieilcn  ausgedehnten  Gouvernements,  die  Recruten  herbcygcschaft't  werden.  Natür- 
hch  ti'afen  sie  spät ,  ungewiss ,  tmgleich,  ermüdet,  auf  den  Samiuclplätzen  ein,  und 
erreichten  die  Regimenter  meistens  erst  dann,  wenn  man  ihrer  nicht  mehr  bedurfte. 
Nun  aber  wird  bey  der  Infanterie  ein  Bataillon,  und  bcy  der  Gavallerie  die  siebente 
Escadron  mit  den  Stamm^-  -wohnern  der  oben  besagten  militärischen  Zone  verschmol- 
zen, luid  zu  Ansiedlern  umgewandelt.  Dadurch  erhalten  die  colonisirtcn  Regimenter 
auf  einer  vcrhällnissn)ässig  geringen  Entfernung  geregelte  Depots,  aus  welchen  ihnen, 
niclu  wie  sonst,  tmgeschickte  Bauern  aus  den  entferntesten  Gouvernements,  sondern 
seit  Jahren  abgerichtete  fertige  Soldaten,  —  nicht  einzelne  Recruten,  sondern  ganze 
Compagnien  und  Escadrons  auf  kürzerem  Wege  nachrücken  können.  Nun  wird  es  dem 
ungeheueren  Reiche  möglich,  mit  seiner  ganzen  Kraft  auf  einen  Punct  hinzuwirken, 
und  ein  unglücklicher  Schlag  wird  von  ihm  weit  weniger  empfunden,  kann  weit  ge- 
schwinder ausgeglichen  werden  c). 

d)  Auf  das  Lehnsystem  war  das  Ivriegssystem  des  Mittelalters  gebaut.  Bcym  Aufgebot  des 
Ijehnsherrn  diente  der  Vasall  mit  dem  ihm  zum  Lehn  hingegebenen  Gute;  erstellte  die 
Reisigen  und  Kiiegsleule  auf  eigene  Kosten  in's  Feld,  und  sorgte  selbst  für  ihre  Verpfle- 
gung. In  diesem  Systeme  hing  der  Lehnsherr  mehr  vom  Vasallen  ,  als  der  Vasall  vom 
Lehnsherrn  ab,  und  borgte  jener  mehr  von  diesem,  als  dieser  von  jenem  seinen  Glanz. 
Dieses  System  wurde  seit  der  Erfindung  des  Schiesspulvers  ,  oder  vielmehr  seit  der  Anwen- 
dung desselben  im  Kriege  durch  die  LiiiRihrung  des  ordentlich  besoldeten  und  immer  ste- 
henden Soldaten  unwiederbringlich  gestürzt.  Denn  die  Anwendung  des  Feuergewehrs  hat 
das  Kriegfiihren  zu  einer  der  schwersten  Wissenschaften,  und  durch  das  Studium,  welche.« 
seitdem  das  Kriegswesen  erfordert,  dringend  nolhwend.g  gemacht,  aas  den  Kriegern  einen 
eigenen  Stand  zu  bilden. 
A)  Die  erwähnten  drey  Waffengattungen  müssen  nach  allen  Kräften  ihr  Möglichstes  beytra- 
gen ,  dass  die  Schlacht  gewonnen  werde.  Das  Terrain  allein  und  die  verschiedenen  Mo- 
mente in  der  Schlacht,  entscheiden,  welche  von  diesen  drey  Waffengattungen  das  IVIeiste 
zum  Siege  beytragen  soll.  Diesem  zu  Folge  haben  wir  Beyspiele  ,  dass  selbst  die  Artillerie 
mehrmalen ,  so  zu  sagen,  Schlachten  geliefert,  und  allein  entschieden  hat,  obwohl  die 
Theorie  der  Tactik  sie  bloss  als  Hülfs-  und  Vorbcreilungswaffe  zur  eigentlichen  Schlacht 
anerkennt, 
c)  S.  Die  Militär-Colonisirung  in  Russland;  in  der  österreichischen  militärischen  Zeitschrift; 
Jahrg.  1819.  Heft  5.  S.  5io— 322. 


IIJ.  Vivtlieicligungskräftc.  §.  5o.  Starke  der  Armeen.  379 

§.  5o. 

Stärke    der   Armeen. 

Die  Stärke  der  stehenden  Heere  wird  nach  der  Trnppenzahl  gemessen.  Ver- 
gleicht man  in  der  Hinsicht  die  statistischen  ^Verke  seit  Achetiwall  und  Bäsching : 
so  dringt  sich  das  Rcsuhat  auf,  dass  sich  die  stehenden  Heere  der  europäischen  Staa- 
ten fast  allenthaUjen  jjcdcutend  vermehrt  haben. 

Für  ganz  Europa  wird  der  MiHtärstand  nach  authentischen  Angaben  gegenwärtig 
auf  ein  Friedens-Etabhsscnient  von  nahe  an  2,350jOOO,  und  auf  einen  Kriegs-Etat  von 
3j6o8jOOO  Mann  geschätzt. 

Das  stärkste  stehende  Landhccr  häU  jetzt  Russland _,  dann  Oestcrreicli  _,  Pretis- 
sen  und  .Ft'cinhreiclt ;  an  diese  Staaten  schhcssen  sich  in  der  Hinsicht  zunächst  an : 
der  deutsche  Bund  j  Grossbritaujüen  und  das  osnianische  Reich  j  wie  aus  l'olgender 
Üijcrsichl  der  Stärke  der  europäisclicn  Heere  zu  ersehen  ist. 

I.  Russlands  Heer  zähhe  mit  dem  polnischen  im  J.  181g  i,o3q,iij  Mann  aj.  Da- 
von kommen  a)  auf  die  russische  Armee  989,117  M.,  und  zwar:  1)  Infanterie  6i3,722 
M. ,  in  189  Reg.  und  565  Bat.;  2)  Cavallerie  118,141  M.,  in  y6  Reg-  und  565  Escadr.  5 
3)  Artillerie  47,088  ^I-,  in  5o  Bat.  imd  i65  Comp. ;  4)  Extracorps  27,632  M. ,  in  1  Reg., 
11  Bat.,  8  Escadr,  und  07  Comp.;  5)  incgidäre  Cavallerie  io5,534  M.,  in  210  Reg- 
und  io55  Escadr.,  und  6)  Garnison  77,000  M. ,  in  ig  Reg.  luid  58  Bat.,  darunter  ist 
aber  auch  die  kaiserliche  Garde  begriffen,  die  i8ig  ein  Corps  von  48,863  Köpfen,  in 
28  Bat.,  62  Escadr.,  2  Brigaden  oder  10  Comp.  Artill.  mit  einem  Parke  von  60  Kano- 
nen und  2  Extrabataillons,  ausmachte;  b)  auf  die  polnische  Armee,  die  von  der  russi- 
schen ganz  getrennt  ist,  5o,ooo  M. ,  nähndich  3o,ooo  Infanterie  und  20,000  Cavallerie, 
worunter  12,000  M.  königl.  Garde;  allein  diese  Zahl  war  (März  1822)  noch  nicht 
vollzählig. 

II.  Das  österreichische  Heer  beträgt  im  gegenwärtigen  Friedensstande  gegen 
270,000  M. ,  nähmlich:  1)  an  Infanterie:  lgo,ooo  M. ,  in  63  Linien-Infanlerie-Reg. , 
20  Grenadier-Bat. ,  17  National-Gränz-Infanterie-Reg. ,  1  Czaikisten-Bat. ,  1  Tyroler 
Jäger-Reg. ,  12  Jäger-ßat.  und  5  Garnisons-Bat. ;  2)  an  Cavallerie:  38,384  M. ,  in  8 
Reg.  Kürassiere,  6  Reg.  Dragoner,  7  Reg.  Chevauxlegers ,  12  Reg.  Husaren  und4Reg. 
Uhlanen ;  3)  an  Artillerie:  17,800  M.,  in  1  Bombardiercorps,  5  Reg.  Feldartillerie,  i 
Artillerie-Feld-Zeugamt,  luid  In  einer  in  14  Districtc  vertheilten  Garnisons-Arlillerie ; 
4)  an  Genie:  2348  jM.,  in  1  Ingenieur-,  1  Mineur-  und  1  Sappeurcorps ,  und  5)  an 
besondern  Corps:  2l,45o  M.,  in  dem  Generalquartiermeisterstabe,  dem  Feuerwerks- 
Gorps,  dem  Pionniercorps,  dem  Pontonnier-Bataillon,  den 5 Garnisons-Bataillons,  dea 
7  Gränzcordons,  der  lombardischen  Gensd'armerie ,  die  ein  Regiment  Linien-Reiterey 
bildet,  dem  Invaliden- und  dem  Fuhrwesenscorps.  InKriegszeiteu  kann  die  Stärke  die- 
ses Heeres  durch  die  Reserve  oder  Ergänzungsmannschaft  in  den  deutsch-galizisch- 
italienischen  Staaten,  die  jährlich  eine  Zeitlang  in  den  Waffen  geübt  werden,  durch 
die  Landwehr  in  eben  diesen  Provinzen,  und  durch  die  adeliche  Insurreclion  in  den 
ungrischen  Ländern  auf  7— 800,000  Mann  gebracht  werden. 

lU.  Das /^z-ewi-i-iVcAe  Heer  ist  gegenwärtig  ohne  Landwehr    i65;OOo  Mann  stark, 

4Ö* 


38o  III.   Vertheidigungskiaft«.   §.   5l.   Stärke  der  Armeen.   ForUetzuug. 

und  zwar;  i)  köniyl.  Garden:  i7,go8  M-,  in  2  Infanterie-,  2  Grenadierreg.,  1  Garde- 
jäger-nnd  1  Gardcschiitzenbat. ,  wozu  noch  4  Gardelandwchr-  und  4  Grenadierland- 
wehrbalail.  kommen,  dann  an  Cavalleric:  1  Reg.  Garde  du  Corps,  1  Garde-Dragoner-, 
1  Garde-Husaren-,  lind  1  Garde-Uhlanenrcg. ,  1  Brigade  von  16  Comp.  Arlilleric,  1 
Pionnierabtlieilung,  2  GarnisonsLat.  und  2  Invalidencomp.;  2)  Linieninfanierie  :  104,712 
M. ,  in  36  Infanteriereg.,  2  Jäger-  und  2  Schiitzenbat.  und  16  Garnisonsbat.;  3)  Caval- 
Icvie :  ig,i32  M. ,  in  8  Kürassier-,  4  Dragoner-,  12  Husaren-  und  8  Uhlancnreg. • 
4)  Artillerie  und  Genie:  15,718  M. ,  in  18  Arlilleriebrigaden,  3  Ingcnieurbrigaden  nnd 
8  Pionnicrabtbeilungcn,  mid  5)  besondere  Corps,  als  das  reitende  Feldjägercorps,  die 
Gensd'ainicrie,  der  Siab,  die  Invaliden  u.  s.  w.  —  7,53o  AI-  In  Kriegszeiten  wird  die 
Stärke  dieses  Heeres  durch  die  Landwehr  auf  624,248  M.  gebracht.  Die  Landwehr 
zerfällt  a)  in  die  Landwehr  des  ersten  Aufgebots  =  179,624  M. ,  in  5l  Reg.  und  102 
Bat.;  b)  die  des  zweyten  Aufgebots,  gleichfalls  179,624  M.  stark,  in  5l  Reg-  und  102 
Bat.  Bey  ausbrechendem  Kriege  rückt  die  Landwehr  des  ersten  Aufgebots  mit  der 
stehenden  Armee  in's  Feld,  und  wird  gleich  dieser  verwendet,  wodurch  das  stehende 
Heer  auf  344,624  Mann  gebracht  wird.  Zum  Landstufm  gehören:  1)  alle  Männer  bis 
zum  5o.  Jahre,  die  nicht  im  stehenden  Heere,  oder  in  der  Landwehr  angestellt  sind; 
2)  alle  Männer,  die  aus  der  Landwehre  ausgetreten  sind;  3)  alle  rüstigen  Jünglinge, 
vom  17.  bis  ziim  20.  Jahre. 

IV.  Das  französische  Heer  ist,  nach  dem  Friedcnsfussc,  auf  160,466  Mann  ge- 
setzt bj  ,  nähmlich  1)  königliche  Garde:  17,781  M.,  in  10,800  Fussgardcn,  6784  Gar- 
decavallcrie  und  1197  Gardcarlillerie ;  2)  Infanterie:  92,000  M. ,  in  86  Deparlemental- 
Legionen,  die  im  J.  i8l5  an  die  Stelle  der  aufgehobenen  Inlanterieregimenter  getre- 
ten sind  cj;3)  Cavallerie:  25, 000  IM-,  in  2  Carabinier-,  12  Kürassier-,  i5  Dragoner-, 
6  Lancier-,  i5Chass;'ur- und  7  Husarenregimentern;  4)  Artillerie:  8l36  M.,  in  8  Reg- 
zu  Fuss  und  4  Reg.  zu  Pfenle;  5)  Genie:  2049  M. ;  6)  Gensd'armerie :  i5,5oo  M.  (wo- 
von i5oo  für  Paris  allein),  nebst  70  Compagnii'U  Veteranen,  ig5  Mann  Militär-Equi- 
pagen u.  s.  w.  Die  Nalionalgarde  soll  63o,oOü,  nach  andern  gar  i,5oo,ooo  Mann  be- 
tragen dj. 

a)  Gleichwohl  ist  die  russische  Landmacht  nicht  so  stark  als  die  chinesische ,  welche ,  nach 
Macarlnej ,  aus  1  Million  Soldaten  zu  Fuss,  und  800,000  Mann  zu  Pferde  bestehen  soll. 
Andere  geben  die  Slarke  des  chinesischen  Heeres  geringer  an.  Fächer,  Regenschirm  in  Rei- 
he und  Glied;  auch  müssen  die  chinesischen  Soldaten  vor  den  Mandarinen  aufdie  Knie  fallen. 

b)  Im  Jahre  i8n  hatte  Frankreich  800,000  Mann  unter  den  Waffen. 

c)  S.  Österr.  Beob.    i8i5.  Nr.  253.  S.   1264. 

d)  S.  Polii.  Journ.  Janner,   1818.  S.  /f4- 

§•  5i. 

Fortsetzung. 

y.  Das  Heer  des  deutschen  Bundes  bildet  sich  aus  den  Contingcnten  der  deut- 
schen Bundesstaaten.  Die  Stärke  dieser  Gontingente  ist  nach  der  Bevölkerung  der 
Bundesstaaten  (von  100  Köpfen  1  Mann)  berechnet,  wie  sie  1819  bestand  (s.  Abth.  H. 
§.  5)-  Das  gesaiimiie  Bundesheer  besteht  aus  3oi,637  M.,  worunter  222,11g  M.Linien- 


III.  VerÜieidigungskräftc.    ^.   5i.   Stärke   der  Ainiceu.   Forlsrlziciig,  5ßi 

Infanterie,  11,694  Jäger,  43,090  M.  Cavalleric,  21,717  M.  Arlillcric  und  5oi7  Pionniers 
vuid  Pontonnicrs.  Für  den  Kriegsfiiss  hat  man  1  l  Pioc.  deiBcvölkcninji;  nnj^^riiommcn, 
wornacli  das  Heer  im  Kriege  i5o,8l5  Streiter  starker,  mithin  452,4.52  Mann  zahlen 
würde.  Das  Bundesheer  theill  sich  in  10  Armeecorps.  Die  drey  ersten  hildel  Öster- 
reich mit  94,822,  die  drey  folgenden  Preussen  mit  79,234,  das  siebente  Baiern  mit 
35,600  M.,  das  achte,  welches  3 1,835  Streiter  zählt,  Würtemherg  mit  i3,g55,  Ba- 
den mit  10,000,  Hessen  mit  6iq5,  Hessen-Hom])urg  mit  200,  hcyde  Hohcnzollcrn  mii 
5oi,  die  Stadt  Frankfurt  mit  47g,  und  Liechtenstein  mit  55  Mann;  das  neunte,  wel- 
ches 3i,73o  Mann  stark  ist,  das  Königreich  Sachsen  mit  12,000,  die  vier  sächsischen 
Herzoglhümer  mit  3498,  die  drey  Anhalte  mit  1224,  Churhessen  mit  5679,  Luxem- 
burg mit  2556,  Nassau  mit  3o28,  Sachsen- Weimar  mit  2010,  die  beyden  Schwarz- 
hurge  mit  990,  und  die  beyden  Reusse  mit  745  Mann,  und  zu  dem  zehnten,  welclies 
28,866  Krieger  zählt,  stossen  Hanover  mit  i3,o54,  Holstein  und  Lauenburg  mit  36oo. 
Braunschweig  mit  2096,  beyde  Mecklenburg  mit  4298,  01denl)urg  mit  2178,  VVa'I- 
deck  mit  519,  beyde  Lip])e  mit  g3l ,  und  die  drey  Hansestädte  LiJbeck,  Bremen  und 
HambuTg  mit  2180  Mann.  Die  eigentliche  Stärke  des  stehenden  Heeres  der  vornehm- 
sten deutschen  Bundesstaaten,  ohne  Österreich  und  Preussen,  ist,  und  zwar:  Baicrns: 
60;,ooo  M.,  Würtembergs:  16,824  M.,  Sachsens:  i3,3o7  M.,  Hanovers:  12,970  M., 
Badens:  10,979,  Ghurhessens :  9359,  Hessens:  8000,  Mecklenburg-Schwerins:  3400, 
Sachsen  -  Gotha's :  1875  j  Sachsen  -  Weimars  :  1800,  Nassau's:  1688  (nach  andern: 
3ooo),  Oldenburgs:  i65o,  Braunschwcigs:  i5oo,  und  Hamljurgs:  io5o  Mann.  Fast  in 
allen  deutschen  Bundesstaaten  ist  die  Landwehr  organisiit,  wozu  in  euiigeu,  wie  z.B. 
in  Baiern,  Würtemherg  u.  s.  w. ,  noch  die  Reserve  konnnt. 

YL  Das  brittische  Heer  betrug  im  J.  1821  104,167  IMann ,  nähinlich:  ,5412  IMmn 
Garde,  68,767  M.  Infanterie,  14,116  M.  Cavalleric  und  15,872  jNL  Artillerie  und  Ma- 
rine-Soldaten, in  3  Regimentern  Fussgarde,  10  Reg.  Reitergarden,  104  Reg-  Füseli- 
rem,  20  Dragoner-  und  4  Husarenregimentern,  und  1  Artillerieregiment.  Die  Miliz 
betrug  76,0,50  M. ,  die  Yeomanry  und  Volontair-Infanterie  66,34o  M. ,  die  Veteranen 
10,000  M.  Im  J.  1822  wurde  das  Landheer,  ausser  den  Truppen  in  Ostindien,  auf 
68,812  Mann  reducirt.  Der  grössere  Theil  dieser  Truppen  steht,  mit  Ausnahme  der 
Garden ,  in  den  Colonicn. 

VII.  Das  stehende ,  wirklich  unterhaltene  Heer  der  Osmanen  belauft  sich  luige- 
fähr  auf  95,400  Mann,  nähndich  :  a)  40,000  Janilscharen  (Jenjitsclieri)  aj ,  eine  Gat- 
tung Infanterie,  in  196  Ortah's  oder  Odah's  vertheilt;  b)  3o,000  Mann  Cavalleric,  als: 
12,000  ^l-  Sipahi's  und  ungefähr  18,000  Dsclijebehdschiy  ^  eine  At  von  Kürassiers; 
c)  l5,40o  Mann  Artillerie,  und  zwar:  i5,ooo  T/ioptschjf  oderKanon'icrs  und  400  A^;m- 
i^/7'af/i"c/yj'  oder  Bombardiers,  und  d)  10,000  sonstige  Truppen,  als  Mineiirs,  Waf- 
fenschmiede, Artilleriefuhrwesen  u.  s.  w.  Im  Jahre  1816  hat  man  aufs  neue  angefan- 
gen, ein  Corps  Truppen  auf  curopäisch-nnlitärischen  Fuss  zu  setzen,  das  aber  gros- 
sen Theils  aus  zusanmiengelaufenem  Gesindel  bestehen  soll,  und  keine  grosse  Fort- 
schritte in  der  Kriegskunst  macht.  —  Diejenigen,  die  nicht  beständig  auf  den  Beinen 
sind,  sondern  nur  in  Kriegszeiten  Dienste  thrm ,  sind:  1)  die  Inhaber  der  TuiKir-L.iii- 
derejen  oder  Kriegslehen.  Sie  machen  bey  weitem  den  grösseren  Thcil    der  SipulUs 


38i  in.   Verlheidigungskräl'le.   §.  5i,  Starke  der  Armeen.  FortseUung. 

aus,  und  tlieilen  sich  in  die  Zaims ^  die  von  ihren  Kriegslehen  ein  Einkommen  von 
20 — 100,000  Asper,  und  die  Tiinnrioien _,  welche  ein  Einkommen  von  6 — 19,999 
A.sper  ziehen.  Für  jede  öooo  Asper  Einkiinfle  muss  der  Be.sitzer  eines  sok-.hcn  Lehens 
einen  Reiter  gerüstet  in's  Feld  stellen.  Das  ganze  Corps,  welches  durch  sie  aufge- 
bracht wird ,  heläuft  sich  wenigstens  auf  i3o,ooo  Mannj  2)  die  Seradkidj _,  welche 
jeder  Pascha  aus  seinem  Amtsbezirke  auf  seine  Kosten  werben  muss,  und  die  eine 
grosse  Zahl  ausmachen.  Unter  diesen  befinden  sich  auch  die  Serradsche  _,  die  das  Ge- 
päcke  bewachen  müssen ,  und  zugleich  zu  einem  Ileservecorps  dienen ,  und  die  Segh- 
ban  j  eine  Reiterey,  welche  dieselbe  Bestimmung  hat;  3)  die  freiwilligen  Reiter,  die 
im  Kriege  ohne  Sold  dienen,  um  sich  dadurch  den  Weg  zur  Erlangung  eines  Kriegs- 
lehens zu  bahnen  ;  4)  dieHülfstruppen,  die  von  den  Tribuiländern  zur  Zeit  des  Krieges 
aufgebracht  werden  müssen.  Übrigens  lässt  sich  zuverlässig  nicht  bestimmen,  wie  gross 
die  Zahl  der  Truppen  im  osmanischen  Reiche  sey.  Von  106,000  steigen  die  Schriftsteller 
stufenweise  bis  auf  400,000  Mann  hinauf.  Wie  gross  aber  inuiier  die  Zahl  seyn  mag,  so 
ist  doch  die  militärische  Macht  der  Pforte   ei"enllicli  nicht   von  grosser  Bedeutuni; , 

o  o  o  ■ 

der  Soldat  zwar  persönlich  tapfer,  aber  durchaus  ohne  europäische  Disciplin.  Dabev 
kann  niemand  dem  Soldaten  von  der  Nationalmiliz  seine  Entfernung  von  der  Armee 
verwehren,  wenn  er  vom  23.  April  bis  zum  26-  October  gedient  hat. 

YIII.  Die  5'yUrt/yii'c/ie  Landmacht  beträgt  65,683  Mann,  nähmlich:  a)  königl.  Gar- 
de: 4353  Mann,   in   1   Compag.  Hellebardirer,   der*  Leibgarde  und  2  Reg.  Infanterie  j 

b)  Lifantcrie:  44,000  Mann,  in  37  Linicninfanlericregimentern  und  12  Jäger-Bataillons  j 

c)  Cavallcric:  ii,55o  Mann,  in  14  Reg.  schwere  Gavallerie  i:nd  q  Reg.  leichte  Caval- 
leriej  d)  Artillerie:  6000  Mann,  bestehend  aus  5  Reg.  zu  Fuss,  5  Escadr.  zu  Pferde, 
64  Comp.  Veteranen,  5  Bat.  Train  ,  dabey  Geniecorps,  und  i  Rliiicur-  und  1  Ponlon- 
nierregimenl.  In  Kriegszeiten  wird  die  Stärke  dieses  Heeres  durch  die  Miliz  aiif  das 
Doppelle  gebracht. 

IX.  Das  schwedische  Heer  besteht  aus  53,557  Manu,  nähmlich:  1)  in  Schwe- 
den: a)  aus  io,53l  Mann  geworbener  Truppen  (5goo  -M.  Infanterie,  1175  M.  Gavalle- 
rie und  5456  iM.  Aitillerie) ,  b)  aus  3i,oj6  M.  eiiigelhcilier  Truppen,  als:  35o5  M. 
cingctheiller  Gavallerie,  24,144  M.  eingrihrilicn  Fussvdks,  und  3387  ^^-  ^"^^^^  einge- 
ihciliej  2)  in  Norwegen:  12,000  Mann,  nähmlich:  9642  M.  Infanlcrie ,  1070  M.  Gaval- 
lerie, und  1288  M.  Artillerie.  Dazu  kommen  nun  noch  die  Reserven  luul  Landwehren 
—  in  Schweden  83,568,  in  Norwegen  10,000  Mann,  womit  die  5täike  des  Heeres  auf 
146,935  Mann  gebracht  wird. 

X.  Die  niederländische  Landmacht  beläuft  sich  auf  60,000  Mann.  Die  Infanterie 
besieht  aus  12  Bat.  Linientruppen,  17.  Bat.  Depot,  5  Bat.  Jäger,  4  Reg.  Schweizer, 
1  Reg.  Nas.sauer  und  1  Jägerregiment,  die  Gavallerie  aus 4 Divisionen  Kürassiere,  2  Reg. 
Dragoner  und  2  H<^g.  Husaren,  die  Aitillerie  und  das  Genie  aus  6  Direclioncn,  wozu 
noch  9  Gonip.  Marechausse'e,  5i  Bat.  Miliz  und  i5  Bai.  Infanterie,  1  Reg.  Husaren 
und  1  Bat.  Artillerie  für  die  Golonien  konmien. 

XJ.  Das  Heer  des  Königreichs  hejder  Sicdien  war  vor  der  neuesten  Revohttion 
(im  July  1820),  ohne  die  Reserve  von  865o  Mann,  5o,200  ^ianu  stark,  nähmlich  4000 
M.  Gaiden^  42,000  M.  Lijuiea-InfanieriC;  2000  M.  Gavallerie,  und  2200  M.  Artillerie  3 


IIi.   Vcrtlifidigungskräfte.   §.   5l.   Stärke   der   Anufcn.   FortscfT.iing.  öM 

dabey  die  Nalioiialiniliz  des  Festlandes  aus  i5  {^Ci^- ,  hi  Bai.  und  4g6  Comp.,  der  In- 
sel aus  etwa  8000  Mann.  Nach  wicdeihergcstelllcr  Ordnung  der  Dinye  ward  die  Ar- 
mee, weil  sie  an' den  neuesten  Ereij^uissen  hauplsäclilicli  Schidd  war,  tjanz  aufj^clöset, 
und  42,000  Üslcneicher  übernahmen  den  Schulz  des  Reichs.  Ein  könif^l.  Decret  vom 
1.  July  1821 ,  "welches  diesell)e  neu  organisirt,  gibt  zwar  ihre  Bcslandlheile  folgender 
Maassen  an  :  12  Corps  königl.  Ilaustrnppon  ;  7  Liniencorps  (jedes  zu  drcy  Regimenter)  j 
7  Corps  Reserve;  3  ständische  Corps;  und  ein  Landes-Gencralstab ,  lässt  aber  ihre 
Stärke  noch  unlteslimmt. 

XII.  Das  dänische  Heer  beträgt  seit  i8l5  38,82g  Mann,  nähmlich:  Infanteri«; 
3l,026,  Cavallerie  33o2,  Artillerie  4433,  Genie  21  nnd  Generalstab  47  Mann.  Ausser- 
dem ist  eine  Nationahniliz  von  59,000  Mann  vorhanden.  Bis  l8og  betrug  der  Stand 
der  dänischen  Armee  gegen  108,000  Mann. 

Xni.  Das  portugiesische  Heer  soU  auf  dem  Papiere  34  —  56,ooo  Mann  betragen  ; 
1821  aber  waren  nur  21,416  Mann  vollzählig,  wovon  i536  in  Brasilien  standen.  Dazu 
kommt  noch  eine  Landmiliz,  die  aus  74  Regimentern,  jedes  zu  700  Mann,  mithin  im 
Ganzen  aiis  5i,8oo  Mann  besteht. 

XJV.  Die  Streitkräfte,  welclic  die  verbündeten  Caiitone  der  Schweiz  zu  Hause 
hallen,  sind  ganz  unbedeutend.  Das  Contingent  zimi  Kriegsdienst  aber,  das  jeder  Can- 
lon,  zu  Folge  der  Bundesacte  von  1814,  stellt,  ist  nach  dem  Verhältnisse  von  2  Mann 
auf  100  Seelen  Bevölkerung  bestimmt,  und  beträgt  zusajumen  33,708  Mann,  nähmlich 
Zürich  3700,  Bern  5824,  Lucern  1734,  Uri  256,  Schwyz  602,  Unterwaiden  382, 
Glarus  482,  />ug  25o,  Frcyljurg  1240,  Solothurn  qo4,  Basel  gi8,  Schaffliausrn  466, 
Appenzell  972,81,  Gallen  263o,  Graubündten  1600?  Aargau  2410,  Thurgau  i520, 
Tessin  1804,  Waadt  2964,  Wallis  1280,  Neuenburg  g6o ,  nnd  Genf  880  ^lann.  Die 
verschiedenen  Waffengattungen  des  Conlingcnts  sind  nach  dem  Beschlüsse  der  Tag- 
satznng:  Artillerie,  32  Comp.  —  2272?  Sappeurs,  2  Comp.  —  142 ,  Pontonniers, 
I  Comp.  —  71  ,  Train,  1400,  leichte  Cavallerie,  17  Comp.  —  1088,  Scharfschützen, 
10  Comp.  —  1000,  Infanterie,  204  Comp.  —  25,199?  Jäger,  20  Comp.  —  2000,  und 
Bataillonsstab  586  Mann.  Jeder  erwachsene  Schweizer  ist  Soldat.  Die  waffenfähige 
Mannschaft  wird  in  den  ersten  Bundesauszug  von  33,758,  in  die  Bimdesrescrve  von 
33,758  Mann  ,  nnd  in  die  Land\\  ehr  eingclheilt. 

XV.  Die  snrdinische  Armee  ist  gegenwärtig  sehr  vermindert.  Im  J.  1790  bestand 
sie  aus  36,ig2  Mann,  und  wurde  i8l5  bis  auf  70,000  Mann  gebracht;  im  J.  1817 
aber  wurde  sie  bis  auf  16,000  Mann  herabgesetzt,  und  ist  gewiss  jetzt  um  nichts  stär- 
ker, da  Österreich,  nach  der  Convention  vom  24.  July  1821,  den  Schutz  des  Reichs 
übernommen  hat.  Doch  ist  eine  zahlreiche  Reserve  und  Landwehr  vorhanden. 

XVI.  Das  päpstliche  Mililär  ist  gegenwärtig  gioo  Mann  stark,  die  aus  folgenden 
Waffen  bestehen:  8  Bat.  Linientruppen,  jedes  zu  800  M. ,  2  Bat.  leichten  Fussvolks, 
jedes  zu  600  M. ,  1  Reg.  Cavallerie  zu  600  M. ,  1  Artilleriecorps  zu  400  M.,  1  Bat.  Ve- 
teranen zu  400  M. ,  1  Generalstab  und  1  Stab  für  die  Festungen.  Auch  besteht  ein 
Corps  Carabiniers,  das  die  Stelle  einer  Gensd'armerie  vertritt. 

XVII.  Das  Militär  der  übrigen  euro])äischen  Staaten  beträgt,  und  zwar:  Tosra- 
na's:  3ooo,  Parmas:  i320,  Modcnas:  i3oo,  Lucca^s:  800 und  S.  Marino s-.j^o— 00 


384  in.  Veillicidiguugslrättc.  §.  5j.  Auflinngung  und  Erganzunf;  der  Manusclialr. 

Mann.  Ausserdem  isl  in  den  vier  ersteren  Staaten  eine  Landwehr  organisirt,  und  in 
San  Marino  bildet  die  yanze  waffenfähige  Mannschaft  eine  Art  Mihz,  welche  bereit 
ist,  sobald  die  Sluringlocke  geläutet  wird ;  indessen  ist  man  nicht  mehr  so  misslraitisch 
gegen  Fremde  wie  vormals,  wo  die  Thurmwächter  läuten  musslen,  wenn  sich  drey 
bewaffnete  Manner  zu  Fuss  oder  zu  Pferde  der  Stadt  näherten.  —  Auf  den  jonischen 
Inseln  unterhalten  die  Brilten  eine  Macht  von  etwa  6400  Mann,  worunter  4  Regimen- 
ter Eingeborne.  —  Die  freye  Stadt  Krakau  endlich  hält,  ausser  der  Sladtmiliz  und 
einer  Gensd'armerie  von  40  Mann,  kein  Militär. 

Übrigens  ist  das  Vcrhältniss  der  Infanterie,  Cavallcrie  und  Artillerie,  an  Mann- 
schaft und  Mörsern  und  Kanonen,  oder  die  Organisation  der  Armee,  nicht  in  allen 
Staaten  gleich;  und  weit  noch  abweichender  ist  das  Verhäluiiss  der  Officiere  und  Ge- 
raeinen gegen  einander. 

d)  Ausser  ihnen  finden  sich  aber  in  allen  Provinzen  ,  besonders  in  den  grösseren  Gränzstäd- 
ten,  Janitscharen  ,  ungefähr  i5o,ooo  M.  ,  Bürger,  die  sich  diesen  Titel  geben  oder  anwer- 
ben lassen,  um  von  willkührlichen  Behandlungen  der  Pascha's  frey  zu  bleiben,  keinen  Sold 
erhalten  ,  Dienste  leisten  ,  wenn  ihre  Stadt  belagert  wird  ,  und  sich  nur  zum  Thcil  beym 
allgemeinen  Aufgebote  der  Armee  stellen. 

§.    52. 
Aufbringung    und,   Ergänzung    der  Mannschaft. 

Die  Mannschaft  fiir  das  stehende  Heer  wird  in  den  europäischen  Staaten  entwe- 
der AuTch  freiwillige  Anwerbung  oder  durch  Aushebung  (Recrutirung)  aufgebracht 
luid  ergänzt.  Diese  letztere  Art  ist  die  gewöhnliche,  und  zu  deren  Behufe  sind  die 
Länder  in  gewisse  Werb-  oder  Recrutirungsbezirke  oder  Militärcantone  abgethcilt, 
und  die  Conscriptionen  (oder  Seelenbeschreibungen)  eingefnhrt,  mittelst  welcher  der 
Stand  der  Bevölkerung  idjerhaupt,  und  insbesondere  jener  der  waffenfcüiigen  Mann- 
schaft aufgenommen  wird.  Die  meisten  Werbungen  fiir  fremde  Kriegsdienste  gesche- 
hen in  der  Schweiz,  wo  jeder  einzelne  Canton  das  Recht  hat,  ]\iilitär-GapilLilalionen 
mit  auswärtigen  Staaten  zu  schliessen  aj.  Frankreich  j  Spanien  ^  Grossbritannien 
und  die  Niederlande  haben  Schwcizer-RegimenLer  in  Sold;  dem  letzteren  Staate  hilft 
auch  Nassau  mit  2000  Mann  aus.  —  Von  wie  vielen  Köpfen  einer  Soldat  seyn  könne, 
ohne  dass  der  Wohlstand  der  Nation  im  Ganzen  leide  ,  lässt  sich  nicht  im  Allgemeinen 
bestimmen.  Montesquieu  glaubt,  von  hundert  Individuen  könne  man  Eines  zum  Mi- 
litär ausheben ;  aber  die  Erfahrung  hat  dieses  Yerhällniss  nicht  bestätigt;  besonders 
ward  es  in  den  neuesten  Zeiten  fast  allenthalben  überschritten.  Die  geographische  La- 
ge,  die  Nachbarn  und  das  einmal  angenommene  System  eines  jeden  Staates,  oder 
auch  eine  gewisse  vorübergehende  Notliwendigkeit,  entscheiden  hier  oft  mehr,  als 
die  Zahl  der  Köpfe.  —  Die  Dienstzeit  des  Soldaten  ist  sehr  verschieden.  Der  franzö- 
sische Soldat  z..  B.  muss  4  ,  der  preussische  5,  der  spanische  6,  der  brillischc  7 ,  der 
prlnischc  10,  der  dänische  12,  der  österreichische  14  im d  der  russische  Soldat  25 
Jalire  dienen. 

a)  Von  Ludwig  XI.  an  bis  zu  Ludti^ig  XIV.  lieferten  die  Schweizer  den  Franzosen  1,110,798 
Mann,  und  dafür  zahlte  Frankreich  i,i4G;faüö,623  Livres.  S.  Den  Coirespond.  vonund^lür 
Deutschland.  1817. 


in.  VeitljoidiguugskrViflc.  §.  53.  Unterhaltung  Ucs  Müll.  §.  54.  UnlerricMs-  u.  Erikhungsanst.  385 

Unterhaltung    und    Verpflejjiing    des    MilitUrs. 

Die  Soldaten  bekommen  i)  einen  fcslgesclztcn  Geldgeliak  (Sold,  Gage,  Tracta- 
inent  oder  Löhnung  bey  Unleioflicieren  und  Gemoinrn  imd  allen,  die  ihnen  gleich  zu 
hallen  sind) 5  2)  Montur;  3)  Quartier;  4)  Servis  (Holz  und  Licht);  5)  Proviant,  wel- 
cher in  Friedenszeitcn  gewöhnlich  nur  in  Brot])ürlioncn  besteht;  6)  Armatur;  7)  die 
Cavallcristen  ausserdem  Pferde  und  Fourage  in  Ralionen.  Den  grössten  Sold  bekom- 
men die  brittisc/ien  Soldaten.  Ein  Gemeiner  empfangt  täglich  einen  Schilling  (28  kr. 
i  Pf.  in  Convcntionsgold) ,  und  wenn  er  34  Jahre  gedient  hat,  1  Schill,  o  Ponces  c/ J  ; 
die  tägliche  Brotpoitinn  besteht  in  2  Pfmid  Pirot.  Dagegen  erhält  ein  gemeiner  russi- 
scher Musquctier  jährlich  an  Sold  nur  g  RvÜjcI  5o  Kopeken,  oder  täglich  2^  Kope- 
ken (1  Kopeke  =  1  Kreuzer);  an  Proviant  empfängt  der  russische  Soldat  3  Tschet- 
vs  crt  Roggenmehl  und  <2^  Tschetwert  Grütze  bj.  —  Ein  Gemeiner  von  den  österrei- 
chischen Musquetiers  empiängt  in  den  deutschen  und  italienischen  Erbiändern  täg- 
lich 5  Kreuzer,  nebst  einem  Fleischbeylrage,  und  in  den  italienischen  Erljliuidcrn 
auch  einen  Gemüsebeytrag;  in  Ungern,  Siebenbürgen  und  Galizien  täglich  4  Kreu- 
zer; die  tägliche  Brotportion  beträgt  in  allen  österreichischen  Provinzen  2  Pf-  —  Ein 
Gemeiner  von  Acn  französischen  Musquetiers  empfängt  täglich  3o  Cenlimeti ,  oder 
5  kr.  2  Pf.  Conventionsgeld  cj ,  ausserdem  täglich  1  t  Pf.  Brot  dj.  —  Die  ökonomi- 
sche Lage  des  preussischen  Soldaten  betreffend ,  so  ist  sie  jetzt  ganz  verändert ;  diess 
zeigt  schon  der  einzige  Umstand,  dass  zu  seiner  Kleidung,  die  sonst  mit  5  Ellen  Tuch 
besorgt  war  (er  war  in  enge  frostige  Jäckchen  gcpressl),  nun  14  erforderlich  sind.  Der 
Sold  der  ganzen  Armee  ist  erhöht  ej.  —  Ein  gemeiner  Janilschar  empfängt  bey  sei- 
ner ersten  Einschreibung  täglich  6  Asper,  oder  4  Kreuzer  2  Pf.  Sold,  der  aber  nach 
Alaassgabe  der  Länge  seiner  Dienstjahre  und  seines  Wohlverhallens  \ns  auf  i5  Asper, 
oder  11  kr.  1  Pf.  erhöhet  werden  kann.  Denen,  die  wiiklich  in  den  Odah  s  wohnen, 
gibt  der  Sultan  ausserdem  täglich  freye  Kost.  Im  Felde  besteht  ihr  bestes  Gericht,  be- 
sonders vor  einem  Angriffe,  in  einer  tüchtigen  Schüssel  Reis  und  Schöpsenfleisch; 
diess  nennen  sie  Pillaii;  niemals  wollen  sie  anderes,  als  frisch  gcbackenes  Brot  essen. 

e)  S.  Brcdow's  Chronik  des  ig.  Jahrhunderts.    1808.  S.  16. 

h)  S.  i>.  Wirlimann  a.  a.   O.  Tafel  XVIII.   zu  S.  354.      ■ 

c)  S.  Bredoiv  a.  a.  O.  i8o5.  S.  76Ö  S. 

ä)  S.  Polit.  Journ.  Dec.   1816.  S.  1072. 

e)  S.  Polit.  Journ.  Sept.  1818.  S.  843.  Vergl.  II.  A.  L.  Z.  1808.  Nr.  3oo.  S.  366  und  A.  Z. 
1809.  -Nr.  2G3. 

§•  54. 

Unterrichts-    und    Erzieliungsanstalten. 

1)  In  Österreich:  a)  die  A".  k.  I/igenieur-^knelemie  zu  Wien  ;  b)  die  Jx.k.Militür- 
Jkademie  zu  Wiener-Neustadt;  c)  das  Militäi-Eijuitations-Institut  eben  daselbst; 
d)  das  militärisch- geograplnsclie  Institut  zu  Mailand;  e)  die  Marien- Luisen- Akade- 
mie zu  Waitzen;  f)  die  Cadetten-Compagnien  zu  Ollmütz  und  Grälz;  g)  die  Artille- 
rieschulen  und  h)  die  Regiments-Erziehungshäuser,  als:  ao)  das  M  diliij--E>ziehiings- 


386  III.   Vcrtlifidigungstrafte.   j.  54-   Liiii-riichts-  und  Erzicliurigsanst:ilun. 

haus  ZU  Mailand,  fiir  ojo  Söhne  der  obligaten  Mannschaft  vom  Feldwebel  und  Wacht- 
meister abwärts,  von  den  8  Lombardisch- V  enelianischen  National-Regiuicnicrn,  wel- 
che kein  eigenes  Erziehungshaus  haben  ;  blj)  die  isolirten  Rcgiinents-Knaben-Erzie- 
hungshäiiser  in  den  Provinzen.  Solche  zählt  die  Armee  5i.  In  jedem  befinden  sich 
48  Zöglinge,  welche  in  der  Regel  gleichfalls  aus  den  Söhnen  der  obligaten  Manu- 
schaft  vom  Feldwebel  und  Wachtmeister  abwärts  gcvvdhlet  werden.  Die  mährischen 
Landslände  haben  im  J.  1808  in  den  mährischen  Regimenis-Knaben-Erziehungshäu- 
sern  28  Plätze  für  Söhne  von  Landwehrmännern  gestiftet,  die  jedoch  gegenwärtig  nur 
nach  Maassgabe  der  Siiftungsfonds-Einkünfte  besetzt  werden. 

2)  In  Preussen:  a)  die  allgemeine  Kriegsschule  zu  Berlin  5  b)  die  vereinigte  j4r- 
tillerie-  und  Ingenieui  schule  eben  daselbst  j  c)  das  Militär-Reitunlerj-icJits-Institut 
ebendaselbst;  d)  die  Schulen  des  Cexdette/icorps  zu  CaiIui  ,  Potsdam  und  Berlin;  e)  die 
Divisionsscladen.  —  Als  militärische  Priifungsanstailen  sind  zu  betrachten;  a)  die 
Ober-Militiir-Examinations-Coinmission  zu  Bcilin ;  b)  die  Artillerie- Prüf ungs- 
Comniission  für  Artillerie-Premiers-Lieutenants ;  c)  d\a\Prüfungs-Commlssioji  für 
Ingenieur-Capitains  der  ersten  Classe;  d)  die JExaminatiofis-Commission  für  Porte^ 
Epe'e-Fähnriche  hej  den  Brigaden. 

3)  In  den  rein  deutschen  Bundesstaaten,  und  zwar:  a)  in  Baiern:  1)  die  Militär^ 
nnd  Artillerie-Akademie  zu  München  ;  2)  die  Cadettenschide  ebendaselbst  3  b)  in 
Sachsen:  1)  die  Ingenieur-  und  Artitlericschule  zu  Dresden,  vereinigt  imter  dem 
Nahmen:  Militär-Akademie;  2)  das  Cadettencorps  ebendaselbst;  c)  in  Baden:  die 
Ingeideurschule  und  die  Militärschule  zu  Carlsrahe;  d)  in  Hessen:  die  Kriegs-  und 
Artillcrieschule  zu  Darmsladt;  e)  in  ßraunschweig:  das  Militärwaisenhaus  zu  Braun- 
schweig. In  Würtemberg  ist  die  Cadettenanstalt,  nach  Hock ,  aufgehoben  worden. 

4)  In  der  Schweiz:  a)  die  Militär  -  Akademie  zu  Bern;  b)  die  Militärschule 
zu  Thun. 

5)  In  den  italienischen  Staaten,  und  zwar:  a)  in  Sai'dijiieu:  die  im  J.  i8l6<Jrrich- 
^c\.e  Kriegsschule ;  \i)  mhey den  SxcWven:  1)  dna  Mditär-Collegium  zu  Neapel,  zur 
Bildung  der  Olliciere  voni  Genie,  der  Artillerie  und  des  Generalstabes ;  2)  die  Mditär- 
Akademie  ebendaselbst,  zur  Bildung  geschickter  Olliciere  für  die  Regimenter;  3)  die 
Militärschule  ebendaselbst ,  um  die  Uuterofiiciere  und  Soldaten  zu  unterrichten ,  und 
Zöglinge  für  die  Akademie  zu  bilden. 

6)  In  Frankreich:  a)  die  Ingcnieursclnde  zu'^leii ,  \erein\'^l  mit  der  Minirschu- 
le  und  der  Artillerieschule  zu  Chalous  ;  b)  die  Artillerieschulen  in  den  Städten ,  wo 
Artillerie-Regimenter  in  Garnison  liegen;  c)  die  Militärschulen  zu  la Fleche  und  Saint 
Cyr;  d)  die  Cavallerieschulen  zu  St.  Germain  en  Laye  und  zu  Saumiu-,  welche  letz- 
tere zum  Zwecke  hat ,  Lehrer  für  alle  Truppen  zu  Pferde  zu  bilden. 

7)  In  Spanien:  a)  die  IngenieurscJiulen  zu  Zamora,  Segovia,  Alcala  de  Henares 
und  Barcelona;  b)  die  Fortificationsschule  zu  Carthngena;  c)  die  Cavallerieschutc 
zu  Ocanna. 

8)  In  Portugal :  die  Akademie  der  Artillerie  und  Fortification  zu  Lissabon. 
g)  In  Grossbrilannien :  die  Militärakademien  zu  London  und  Woolwich. 

10;  In  dl  n  Niederlanden:  a)    die  Artillerie-  wnd  Ingenieurschulen   zu  Amster- 


ni.  Veitheidigiingskräfte.   §.   55.  Dlsciplin  und  Geübtheit  der  Soldaten.  367 

dam  und  Dollt;'-!))   die  Militärakademie    zn  Antweipenj    c)   die  Militär  schule  zu 
Hondsliolrcdyk,  in  der  Nähe  vom  Haag. 

11)  In  dem  dänisdien  Siaaic :  a)  dio  Landcadtttenakademie  zu  Kopenhagen; 
b)  die  ^rti/lerieschule  ebendaselbst  j  c)  die  Lehranslallen  fiir  junge  Krieger  zu  KieJ 
und  Rendsburg. 

12)  In  dem  schwedischen  Staate  :  a)  die  Kriegsakademie  zu  Cailsberg;  b)  die 
Oskarschiile  für  Sohlateiiknabcn ;  c)  das  Cadetteninstitiit  zu  Christiania. 

13)  In  Ruj.j.iand  und  Polen:  1)  die  drey  CadeUencorps ^  wovon  zwey  zu  St.  Pe- 
tersburg, luid  eines  zu  Kaslronia,  von  ungefähr  4000  jmigen  Leuten;  2)  die  Solda- 
tensclinlen  in  den  Gouvernements,  eine  sehr  umfassende  Anstalt,  welche  im  J.  1818 
46,000  Zöglinge  zählte  aj ;  3)  die  Artillerieschule  zu  St.  Petersburg ;  4)  das  Militär- 
waisenhaus  ehend?k&e\hst;  5)  die  Reserve-Escadronenhcy  denCavallericregimeniern; 
6)  die  Cadettenschule  imd  die  Militärakademie  zu  Warschau. 

14)  Im  osmanischcn  Reiche:  die  mathematische  Schule  zu  Skiilari ,  zu  deren 
Besuche  sowohl  die  Bombardiere  als  die  Minengräber  gehalten  sind  ,  die  einzige  Ein- 
richtiuig ,  welche  gleichsam  die  Stelle  einer  Ingenieur-Akademie  im  osmanischcn  Rei- 
che vertritt. 

a)  S.  Ostcrreichischo  militUrisdio  Zeitschrift.   181g.  Heft.  i2.  S.  264. 

Disciplin    und    Geübtheit    der    Soldaten. 

Die  Hanptpflicht  der  Soldaten  besteht  in  unbedingtem  Gehorsam  und  strenger 
Sid)ordination.  Ohne  diese  Eigenschaften  und  ohne  eine,  unten  auf  die  mannigfaltigste 
Art  gctheille  Autorität,  die  aber  oben  straff  angezogen  in  Einer  I^and  zusammenläuft, 
kann  jener  i-egelmässige  Gang  in  ^en  Unternehnuuigcn  nicht  erhalten  werden ,  der 
dem  Siege  gebietet.  Auch  der  höchste  Grad  von  Tapferkeil  muss  ohne  den  unbeding- 
ten Gehorsam  oft  sogar  beym  Angriffe  sehr  verderblich  werden,  und  noch  nachthei- 
liger sind  die  Folgen  bey  einer  Niederlage.  In  letztem  Falle  ist  dann  gewöhnlich  alles 
ohne  Picttung  verloren.  Durch  Mangel  an  Subordination,  besonders  wenn  vom  Rück- 
zuge, oder  vom  Stürmen  eines  festen  Platzes  die  Rede  ist,  zeichnen  sich  die  britti- 
schen  Soldaten  avts  aJ ,  die  auch  sonst  sehr  insolent  sind  b) ,  und  der  Hang  zu  Meu- 
tereyen ist  den  Janitscharen  eigenth.nmlich,  ein  äusserst  widerspenstiges,  seine  Vor- 
rechte missbrauchendes  Corps,  das  selten  zur  Hälfte  in's  Feld  zu  bringen  ist.  —  Der 
Soldat  gebraucht  Hände  und  Füsse  im  Kriege.  Jene  lernt  er  bald  und  leicht  gebrau- 
chen;  die  Füsse  aber,  worauf  das  mehrste  ankommt,  weil  Bewegimgen  und  Wendun- 
gen auf  unscrn  Schlachtfeldern  das  meiste  entscheiden,  erst  nacli  vielen  Schwierig- 
keiten und  nach  Übuneen  gebrauchen  ,  die  anhaltend  und  in  Gesellschaft  von  mehre- 
ren  Hunderten  und  Tausenden  angestellt  werden  müssen.  Zweckmässige  Beförde- 
rungsmittel der  KriegsüLungen  sind  die  Inspectionen  über  alle  Arten  von  Truppen, 
die  Revuen  und  Manoeuvres.  Die  besten  Soldaten  sind  die,  welche  am  besten  in  den 
Waffen  geübt  smd,  am  besten  zu  gehorchen  wissen,  und  geschickte  imd  erfahrne 
Generale  haben ;  auch  die  Jjesten  Soldaten  nützen  nichts,  weuu  sie  von  schlechten 
Gciicialeu  coumiandirt  werdcii.. 

49"^ 


388  111.   Vcitlieidiguugskräfte.  §.   56.  Beloliiiiiin;eii  und  StrafcQ.  §.  5;.  Fesluugcu  etc. 

a)  S.  Erganzungsbl.  z.  A.  L.  Z.  i8i8.  Nr.  7.  S.  52. 

6)  S.  Lueder    über   Nationalindustrie   und    Staats wirtlischaft.  Tlieil    3.    S.    i2i.  Vergl.  Ostorr. 
Beobachter.  1814.  Nr.  336. 

§.  56. 

Belohnungen    und    Strafen. 

Das  iiälitürisehe  Verdienst  wird  in  den  europäischen  Staaten  ernmntert  und  Le- 
lohnt:  durch  ^i^ancement _,  Regiments-P^erlei/iiingerij  Militär-Orden  für  Officiete, 
durch  mit  Zulagen  verhimdene  Eltren-MedaiUen  für  Uutcroißciere  und  Gemeine , 
durch  Commandanten-Plätze  fiir  verdiente  Siahsofliciere,  Pensionirung  und  Civil- 
Bedienungen.  In  Russlund  erliaUen  die  Soldaten  und  Unterofficiere  auch  JEhrenßin- 
ten  j  die  Oilicierc  EhrendegeUj  mit  der  Umschrift:  fiir  Dienst  und  Tapferkeit,  ver- 
diente Generale  Ehrenzusätze  zu  den  Familiennahmeu,  nach  dem  Beyspiele  der  Rö- 
mer; in  Preussen  werden  verdiente  Gencr.ile  durch  Bildsäulen  belohnt;  im  osmani-r 
sehen  Rciclie  sind  vorzüglich  Rosssclnveife  (Tugg)  die  .Belohnungszeichen  der  Wesi- 
re, Paschen  und  Bege.  Fiir  verunglückte  und  zum  Dienste  untauglich  gewordene  Krie- 
ger, ihre  Witwen  und  Waisen,  sind  in  jedem  Staate  Invalidenhäuser  und  andere 
militärische  P^ersorgungsanstalten  errichtet.  In  keinem  Staate  ist  die  Aufmimterung 
bey  den  Soldaten  so  schlecht,  als  im  Kirchenstaate j  iheils  wegen  der  geringen  Ach- 
tung, in  der  hier  der  Mililärstand  steht,  iheils  wegen  der  Hoffnungslosigkeit  eines 
Avancements  unter  einer  Heirschaft,  die  nie  Krieg  fidirt,  theils  wegen  der  Unterord- 
nung des  Kriegsdepartements  unter  Prälaten,  die  nichts  davon  verstehen,  nicht  das 
Beyspiül  der  Thätigkeit  und  des  Muthes  geben  können  aj.  In  Grossbritannien  ist 
der  grössern  Aufmui»terung  Jjey  den  Landtruppen  der  Umstand  im  Wege ,  dass  die 
Officiersstellcn  vom  Oberstlieutenant  bis  zum  Fälinrich  verkäuflich  sind.  Nur  wenn 
der  Officier  blciln  oder  stirbt,  oder  durch  Unheil  und  Recht  seiner  Stelle  entsetzt 
wird,  fällt  dem  Könige  sie  heim,  um  sie  zu  vergeben.  —  Die  in  den  europäischen 
Staaten  eingeführten  Militärstrafen  sind  sehr  verschieden;  in  Frankreich  z.  B.  Ar- 
rest, Verweisung  auf  die  Galeeren,  Fortjagen  und  Infhm-Erklären;  in  Oesterreich: 
Arrest,  Cassation,  Stocksireiche  luad  Spitzruthenlaiifcn;  in  Preussen  sind  Siockschlä- 
ge  und  Gassenlaufen  abgeschafft,  dafür  aber  ist  der  Lattenarrest  (eine  wahre  Tortur) 
eingeführt  (der  Straffällige  kommt  nähmlich,  gapz  bis  aivfs  Beinkleid  imd  Ilenid  aus- 
gezogen, auf  eine  bestinmite  Zeit  in  eine  Kammer,  deren  Fussboden  und  Wände  aus 
dreykantigcn  Latten  bestehen) ;  in  Russlnnd:  Arrest,  die  Knut,  die  Batoggen ;  die  Ja- 
nilscharenbckoniinen  Ruthenstreiche  auf  den  Bauch,  dieSipahis  auf  dieFusssohleu.  s.  w. 
a)  S.  Andres  statistische  Übersicht  und  Merkwürdigkeiten  (Ilt  europäischen  und  aussercuro- 
pUischen  Staaten.  Prag,   1821.  S.  i:78. 

§•   57. 
Festungen    und  andere  Milit;i  ranstalten. 

Zu  den  ordentlichen  Anstalten  des  militärischen  Vcrtheidignnt^ssystems  gehören 
vorzüglich  Festungen  ^  d.  i,  feste  Plätze  zum  Schulze  gegen  feindliche  Einfälle  und 
^Atr  Aufbewahrung  der  Kricgsgeräthe.  Am  häufigsten  fuiden   sich  solche   feste  Plätze 


III.  Verthtidigniigskrafte.  §.  Sy.  Festungen  und  anilcTe  Mililäranstiltcn.  383 

in  den  Niederlanden  _,  vornelinilicli  in  den  nördliehen  Provinzen ,  und  in  Frankreich, 
besonders  in  dessen  nordwestlichem  Tlieile,  ol)j,'leich  die  dreyf'aclic  Fesnuif^siinie 
dieses  Staates,  die  sich  vom  Oherrhein  bis  zur  Nordsee  erstreckt,  durch  die  Abtre- 
tung wichliirer  Plätze  an  Deutschland  und  die  Niederlande  einiire  Andcrunifcn  erlilteu 
hat.  Nächst  Frankreich  und  den  Niederlanden  sind  die  meisten  Festungen  in  Spanien, 
besonders  in  Calalonien ,  der  östlichsten  Gränzprovinz ;  dann  in  ftalieii  j  voinehndich 
in  dessen  nördlichem  Theile;  in  der  Tilrkey ,  wo  die  meisten  Festungen  in  Bosnien 
liegen;  in  Russland _,  besonders  an  der  Ostsee  und  gegen  die  Tiirkeyj  in  Ungern^ 
das  einige  und  zwanzig  befestigte  Plätze  zählt j  endlich  in  Deutschland,  wo  die  mei- 
sten Festungen  im  Brandenhurgischen  liegc^,  theils  am  westlichen  Ufer  der  Oder  un- 
mittelbar, theils  in  einiger  Entfernung  davon.  Dagegen  sind  die  Schweiz  und  England 
von  Festungen  fast  ganz  entblösst.  Beyden  Ländern  stehen  andere  Mittel  zu  Gebote^ 
einem  Feinde  den  Zugang  zu  erschweren.  Jenem  die  Gebirge ,  diesem  das  Wasser 
und  seine  F'lotten.  —  Zu  den  stärksten,  diuch  Natur  luid  Kunst  befestigten  Plätzen 
in  Europa  gehören:  i)  Gibraltar ,  an  der  davon  benannten  Meerenge,  die  erste  Fel- 
senfestung in  Europa,  auf  drey  Seiton  von  Wasser  umgeben,  seit  1704  iu  den  Hän- 
den der  Engländer,  ein  mächtiger  Stülzpunct  in  militärischer  und  merkantilischer  Hin- 
sicht; von  der  Seile  des  Mitlelmeeres,  wo  der  Berg  am  steilsten  und  14  bis  i5oo  Fuss 
hoch  ist,  ganz  unersteigbar,  nach  der  entgegengesetzten  Seite,  wo  die  Abdachung 
sich  unvermerkt  neigt,  mit  Vertheidigungsmilteln  gleichsam  bedeckt  und  unvergess- 
lich  in  der  Kriegsgeschichte  dnrch  Elliot  _,  der  die  schwimmenden  Batterien  der  Spa- 
nier durch  glidiende  Kugeln,  die  ein  deutscher  Nagclschmied  angegeben  hatte,  vom 
Felsen  hervmter  vernichtete  aj.  2)  Gaeta ^  in  Unteritalien,  8  Meilen  von  Neapel.  Sie 
liegt  am  AJjhange  eines  Vorgebirges  dicht  am  Meere,  auf  einer  Halbinsel ,  wodurch  der 
Busen  von  Gaeta  gebildet  ist,  und  hängt  mit  dem  festen  Lande  durch  eine  Etdzunge 
zusammen.  Ihre  steinigen  Umgebungen  verstalteu  keine  Eröffnung  der  Laufgräben. 
Man  nennt  sie  das  kleine  Gibraltar.  3)  Luxemburg  in  den  belgischen  Niederlanden. 
Sie  liegt  auf  einem  hoheuFelsen,  imdkann  des  felsigen  Terrains  wegen  nicht  auf  eine  regel- 
mässige Art  belagert  werden.  Sie  ist  zu  einer  deutschen  Bundesfestung  erklärt.  Die 
wichtigsten  der  übrigen  europäischen  Feslungen  sind,  und  zwar:  1)  in  den  Nieder- 
landen: P'liessitigen  j,  Briel ,  ffeusden  j,  Nimwegen  ^  Zwoll ,  Koevorden  j  Herzogen- 
busch,, Breda  und  Bergen  op  Zoom  (erbaut  von  dem  berühmten  Cohorn  j  dem  Er- 
finder der  Granaten),  dann  Mastrichtj  Antwerpen ,  Ostende ^  Nieuport j  Gruve j 
MeniUj. Marienburg  nnA  Philippei'ille  bj.  —  2)  In  Frankreich :  Strassburg  ,  Metz , 
J^alenciennes ,  Lille,  Besangon  ,  Arras ,  Grenoble j,  Clierbourg ,  Brest,  Rochefort, 
Bayonne  (Errmduiigsorl  der  Bayonnets) ,  Pcrpignan  und  Tuidon.  —  5)  In  Spanien; 
Barcelona  j  Figueras  ,  Turragona  ,  Lerida  ,  Gerona  ,  Tortosa  ,  Ferrol ,  Sara- 
gossa ,  Pampelor.a  j  St.  Sebastian ,  Astorga ,  Ciudnd  Rodrigo ,  Bad.ijoZj  Cadioc 
und  Carthagena.  —  4)  In  Itahen,  und  zwar:  a)  in  Oberilalien:  Mantua ,  Bergamo, 
Pizzighetone ,  Verona,  Peschlera ,  Legnago ,  Palma  nova,  Osopo  und  Venedig, 
eine  durch  ihre  natürliche  Lage  starke  Festung;  dann  Alessandria  ,  Stradella,  Bo- 
ghera ,  Tortona  ,  Cusale ,  Fercelli  \\\\AGeaua]\\)  in  Mitielitalien:  Civita  Vecchia, 
.S.  Leo  bcy  Urbino  und  d'iQ  Engelsburg  zu  Rom;  c)  auf  Sicilien:  Sj  rakus ;  d)  auf  Mal- 


3go  in.  Vertheidigungskräfte.  §.  58.  Arten  der  SchifTe.         .       ' 

ta:  Valetta.  —  5)  In  Deutschland  und  zwar:  a)  im  Rheingebiete:  Mainz  j  Landau , 
Wesel j,  Coblenz  j,  Ehrenbre'itstein  und  Marienberg  oder  Frauenberg  hey  Würz- 
burg, die  beyden  erstem  sind  zu  deutsclien  Bundesfestungen  cj  erklärt;  ß)  im  El- 
begcbicie  :  Magdeburg :,  Torgau  j,  Königstein  j  Theresienstadt  (ein  Meisterstück 
der  neuen  Kricgsbaukunsl),  KöniggrätZj  Josep/istadt  (ehedeni  ein  Dorf  vmler  dem 
Nahmen  Plcss),  i^/v/^  und  Spandau  ;  y)  im  Odergebiete:  Stettin^  Cilstrin_,  Grossglo- 
gau  und  Cosel  j  dann  GlatZj  Silberberg  j  Neisse  und  Schweidnitz;  b)  im  Donau- 
gebiete: OllmütZj  Ku/stein  und  Oberhaus  hey  Passau.  —  6)  In  Ungern  und  Slavo- 
aien:  Cornorn  _,  Ofen  ^  Munkacs j,  Leopoldstadt ,  Jradj  Temeswar  j  Peterwardeinj 
JSssek  und  Seinlin.  —  7)  I"  der  europäischen  Türkey:  Belgrad j  IFiddin^  Brahi- 
low  CBridlaJ  und  die  Dardanellen  j  die  beyden  Caslells ,  welche  die  unter  dem 
ISahmen  Hellespont  bekannte  Meerenge  decken.  Sie  liegen  beyde  au  der  Spitze  von 
Europa  und  Asien,  einander  gegenüber.  —  8)  In  Russland  und  Polen:  Kronstadt j 
Helsingfors _,  Sweaborg„  Lowisa,,  Riga^  Kamenez-Podolsk ^  Assow _,  Gotschin^ 
Bender  j  Ismail  ^  Zamosc  und  Modlin.  —  9)  InPreussen:  PillaUj  Memelj  Grau- 
deiiz  und  Danzig.  —  10)  In  Dänemark:  Kopenhagen  j  Kronenburg  bey  Helsingör, 
Korsöer j  Njborg j  Fridericia  und  Fricdriclisort.  —  11)  In  Schweden:  Gothen- 
burg  ,  Marsti'aiul  j  Landscmnaj  Helsinborg,,  Carlscrona  und  Christianstadt.  JVax- 
holm  imd  Friedrichsburg  beschützen  den  Hafen  von  Slockhobn.  Die  Festungen  Nor- 
wegens sind,  nach  Hrn.  Hassel ^  jetzt  sämmtlich  geschleift.  —  Von  den  zur  Feldaus- 
rüstung dienenden  Anstalten,  als:  Gewehrfabriken ^  Kanonengiesserejen  und  Pul- 
vermühlen war  oben  (s.  Abth.  L  §§.  ii3  und  ng)  die  Rede. 

o)  S.  Versuch  eines  Handbuchs  der  reinen  Geographie  als  Grundlage  zur  höhern  Militär-Geo- 
graphie. Von  Ferd.  Kun:.  etc.  Stuttgart  und  Tübingen,  i8i2.  S.  54  ff. ^ 

b)  Nebst  der  so  beträchtlichen  Zahl  der  Festungen  hat  das  Königreich  der  Niederlande  auch 
eine  eben  so  bedeutende  Menge  von  Schanzen,  davon  die  meisten  in  den  Moorgegenden 
des  nordöstlichen  Winkels  der  nördlichen  Provinzen  angelegt  sind.  Ausser  den  Festungen 
und  Schanzen  sichert  auch,  zumahl  in  Holland,  die  Leichtigkeit,  das  Land  unter  Wasser 
zu  setzen  ,  den  Staat  gegen  feindliche  Einfälle. 

c)  Ausser  den  drey  deutschen  Bundesfestungen  Mainz,  Landau  und  Luxemburg  soll,  nach  öf- 
fentlichen Nachrichten,  noch  eine  vi(?rte  am  Oberrhein  angelegt  werden,  um  das  südliche 
Deutschland  mit  möglichster  Kraft  zu  sichern ,  zu  welchem  Zwecke  eine  eigene  Suumie  aus 
der  französischen  Contribution  ausgeschieden  worden  ist. 

B.    Seemacht. 

§.   53. 
Arten     der     Schiffe. 

Einige  an  das  Meer  gräuzende  Staaten  haben  theils  zu  ihrer  Vertheidigtuig,  iheils 
zur  Sicherheit  ihres  Handels  und  ihrer  Schifffahrt  eine  Seemacht  nölhig.  Sie  besieht 
aus  Schiffen,  die  Orlogs-  oder  Kriegsschiffe  heissen,  und  Kanonen  und  Equipage j 
d.  i.  Besatzung  fiihrcn,  welche  theils  aus  Matrosen,  theils  ausSeesoldalen  (Marinen)  rtj 
besteht.  Man  theilt  die  Kriegsschiffe  auf  europäischen  Fuss  ein  in  Liniensüiiße  ^  Fre- 
gatten und  kleinere  Fahrzeuge.  Die  Linienschiffe  heissen  so,  weil  sie  ihrer  Grösse 
wegen  bey  einer  Seeschlacht  in  die  Linie  oder  Schlachtordnung  gestellt  werden ,  luad 


III.   Vcrtlicicligiingskrifte.   §.   Sg.  Starke   der  Seeinaolil  3gi 

tragen  zum  wenigsten  5o  Kanonen,  nebst  einer  Besatzung  von  23o — 800  Mann.  Die 
Schiffe  von  go  Kanonen  und  darüber  licissen  insbesondere  Drejdecker  j  weil  sie  drey 
^''erdccke  iiber  einander  haben,  folghch  auch  eine  dreyfache  Reihe  von  Kanonen  füh- 
ren. Die  übrigen  liaben  nur  zwcy  A  erdecke.  Die  grössten  Linienschiffe  waren  bisher 
immer  nur  von  120,  höchstens  1 24  Kanonen  j  doch  wurden  in  der  neuern  Zeil  in  Grossbri- 
tannien auch  Linienschiffe  von  i3o  Kanonen  gebaut.  —  Die  Fregatten  führen  ge- 
wöhnhch  20 — 40  Kanonen,  mit  einer  Besatzimg  von  60 — 200  Mann  ,  und  hal)en  nur 
ein  Verdeck,  sind  daher  auch  viel  niedriger,  leichler  und  schneller.  Sie  stehen  in 
Schlachten  hinter  der  Linie,  um  die  Signale  der  Admiralschiffe ,  wodurch  die  ganze 
Flotte  conniiundut  wird,  zu  wiederholen,  und  stark  beschädigte  Schiffe  aus  der  Linie 
zu  zielicn.  Ausserdem  werden  sie  zum  Beobachten  imd  Auskundschaften,  zum  Verfol- 
gen der  feindlichen  Kapgr  und  Kauffarilieyschiffe  mid  zu  andern  Unternehmungen 
gebraucht.  Ähnliche  Dienste  verrichten  auch  die  kleinem  Kriegsschiffe  ^  die  unter 
20  Kanonen  führen,  und  deren  es  mehrere  Arten  unter  verschiedenen  Nahmen  gibt, 
tds:  Brigantinen  j,  Schaluppen  ^  Kutter  j  Con<etten  ^  Schebecken  j  Schooncr^  Shops 
u.  a.  In  Grossbritannien  nimmt  man  wohl  auch  zwischen  den  Linienschiffen  und  den 
Fregatten  noch  die  Abtheilung  der  Fünfzigkanonensclüffe  an,  und  versteht  unter 
denselben  diejenigen  Kriegsschiffe,  welche  mit  5o — 40  Kanonen  besetzt  sind.  Die  Ru- 
derjalirzeuge _,  unter  denen  die  Galeeren  und  Gallioten  die  grössten  sind ,  haben 
einen  ganz  andern  Bau  und  eigne  Einrichtung ,  um  sich  zugleich  der  Ruder  und  Segel 
bedienen,  und  auch  in  engen  und  seichten  Gewässern  fortkommen  izu  können.  Sie 
sind  nur  noch  im  baltischen  und  mittelländischeu  Meere  gebräuchlich.  Die  Bombar- 
diergallioten  sind  schwimmende  Mörserbatterien,  lun  Festungen  von  der  See  aus  zu 
bombardieren.  —  Eine  grössere  Anzahl  von  Kriegsschiffen  nennt  man  eine  Flotte _,  eine 
kleinere  eine  Flotille  oder  ein  Geschwader-  (Escadre).  Die  grösseren  Kriegschiffe  wer- 
den von  Capitains  y  die  kleineren  von  Lieutenants  commandirt,  die  Flotten  von  Ad- 
miralen,  die  gewöhnlich  von  drcyfachem  Range  sind:  Adinirale ,  J^iceadmirale  luid 
Contreadniirale.  Die  türkisclie  Flotte  hat  zum  obersten  Befehlshaber  den  Caputhan- 
Pascha  j  nach  dem  erst  die  Admirale  folgen. 

a)  Die  Türken  nennen  ihre  Matrosen  und  Seetruppen  Lecenli ,  wahrscheinlich  nach  dem  Nah- 
men Leoaniin  ,  welchen  die  Italiener  allen  Rüstenbevvohnern  von  Griechenland  und  dem 
Archipelagus  geben  ,  ^voller  denn  auch  die  meisten  dieser  Leveati  gebürtig  sind. 

§•  59. 
Stärke    der    Seemacht. 

Die  Stärke  der  Seemacht  der  verschiedenen  europäischen  Staaten  wird  nach 
der  Zahl  und  den  Arten  der  Kriegsschiffe,  diese  aber  werden  nach  der  Sunnne  und 
Beschaffenheit  der  darauf  befindlichen  Kanonen  gemessen,  da  es  bey  einer  Seemacht 
weit  mehr  auf  die  Menge  und  Verschiedenheit  der  Schiffe  und  Kanonen ,  als  auf  ei- 
gentliches Handgemenge  der  Truppen  ankommt.  Daher  denn  die  Zahl  der  Seetrup- 
pen mit  jener  der  Landtruppen  in  Europa  um  so  weniger  in  Vergleichiuig  kommen 
kann,  da  die  meisten  Staaten  von  Europa  ihrer  Lage  nach  zurUnterhalltuig  einer  See- 
macht gar  nicht  geeignet  sind. 


392  111.   Vertheitligungskräfle.  ^J.   ög.   Starke  doi-  Seemacht. 

Unier  allen  Staaten  von  Europa  unterhält  Grossbvitannien  die  meisten  Kriegs- 
schilFej  seine  Seemacht  ist  wirklich  so  gross,  dass  ihr  die  Marine  aller  ührigcn  euro- 
päischen Staaten  zusammen  genommen,  nicht  gleich  kommt.  Am  nächsten  steht  ihr 
die  Seemacht  von  Itnssland  nnd  Prankreich :  dann  folüet  die  von  den  NiederUui- 
den :,  Schweden j  Spc.nien ^  Portugal  und  dem  osnianischen  Reiche;  endlich  kommt 
die  von  Dänemark  ^  Oesterreich  j  beyden  Sicilienj  Sardinien  imd  dem  Kirchenstaa- 
te j,  wie  aus  nachstehenden  Angahen  zu  ersehen  ist. 

A)  Grossbritanniens  SeemAcht  hestand  im  J.  i8l3  aus  25o  Linienschiffen,  26 
Scliid'en  von  5o  —  44  Kanonen,  263  Fregatten,  144  Sloops  imd  Jachten,  11  Bondion- 
schiffen,  210  Briggs,  43  Klittern,  gy  Schoonern  und  .andern  kleinen  Fahrzeugen,  im 
Ganzen  1044  Kriegsschiffen  mit  26,qoo  Kanonen  und  145,000  Malrosen.  Im  J.  1820 
waren  in  Commission  gesetzt,  d.  i.  zum  wirklichen  Dienste  ausgerüstet:  161  Linicn- 
schiff"e,  34  Schiffe  von  5o  —  44  Kanonen,  i55  Fregatten,  i83  Briggs  und  i5o  Jachten 
und  kleinere  Fahrzeuge,  üherhaupt  663  Kriegsschiffe,  etwa  die  Hälfte  derjenigen,  die 
in  den  hrittischen  Häfen  vorhanden  sind  aj.  Die  Flotte  ist  unter  3  Escadren,  der  ro- 
then,  weissen  und  hlaucn  Flagge,  vertheilt. 

B)  Bussland  hatte  im  J.  i8l3  eine  Seemacht  von  28g  Segeln  (worunter  32  Li- 
nienschiffe und  18  Fregatten),  mit  4348  Kanonen  und  32,046  Mann  Besatzung.  Im  J. 
181g  hestand  die  russische  Seemacht  aus  jo  Linienschiffen,  18  Fregatten,  6  Kuttern, 
7  Briggs ,  54  Schoonern,  20  Galeeren,  20  schwinnncnden  Batterien,  121  Kanonier- 
höien  u.  s.  w. ,  zusammen  aus  mehr  als  3oo  Segeln  mit  5ooo  Kanonen,  und  einer  Be- 
mannung von  33,000  Matrosen  ,  gooo  Seesoldalen  und  3ooo  Seeartilleristen.  Die  Flot- 
te theilt  sich  in  drey  Divisionen:  in  die  von  der  weissen,  rothen  und  hlauen  Flagge. 
Jedo  Division  hesteht  aus  der  Linienflotte  in  der  Ostsee  und  im  schwarzen  Meere,  und 
aus  der  Ruderflottc  in  der  Ostsee  und  im  schwarzen  Meere.  Ausserdem  noch  eine 
Floiillc  auf  dem  caspischen  Meere  und  eine  Flolille  im  ochotzkisehen  Meere. 

C)  Frankreiclis  Seemacht  zählte  im  J.  1821  :  58  Linienschiffe  ,  3g  Fregatten  und 
28q  geringere  Fahrzeuge,  als  Kutter,  Sloops,  Briggs,  K.inonierhötc  u.  s.  w.,  in  al- 
lem 38g  Schiffe  mit  11,000  Matrosen.  Sie  ist  unter  fünf  Commando's:  Brest,  Lorient, 
Toulun,  Rochefort  und  Cherhourg  vertheilt,  wo  sich  auch  die  fünf  SeeartiUcrieparks 
befinden. 

D)  Die  Niederlande  unterhielten  im  J.  1821  :  16  Linienschiffe,  16  Fregatten  und 
45  sonstige  Kriegsfahrzeuge,  im  Ganzen  -7  Segel.  Es  gal)  aber  eine  Zeit,  yvo  Hollands 
Marine  sich  in  weil  besserem  Zustande  befind;  i652  halte  Tromp  52,  IFassenaer 
mehr  als  100,  und  1672  Ruiter  43  Linienschiffe  unter  seinen  Befehlen. 

i.  E)  Die  .fc/uvef/ijrc/ie  Seemacht  besteht  aus  Aqv  Kriegsßotte  {Oer\oq^s-Y\oll.a)  und 
der  Skäienßotte  (Skärens-Flotta) ,  d.  i.  derjcuigen  ,  welche  zwischen  den  Klippen 
und  Inseln  an  den  Küsten  gebraucht  wird.  Jene  zäldt  40  Segel  (worunter  12  Linien- 
schiffe und  8  Fregatten)  mit  1243  Kanonen,  diese  264  Segel  mit  1436  Kanonen.  Zu 
bc\denFiulteu  gehören  56g4  Matrosen  und  25,73q  Mann  Scesoldaten,  nähmlicli  10,704 
stehende  Truj)pen  und  i3,o35  Reserve.  Ausserdem  besteht  eine  sogenannte  Flutte 
der  Armee j,  die  für  die  Unterstützung  der  Operationen  der  Landarmee,  besonders 
bey  Verihcidigung  der  Skären  oder  Schceren  bestimmt  ist;,   luul  aus  60  flachen  Fahr- 


III.  Yertlicidiguneskrafte.  §.   5q.   Siiirko  Jer  Seemaclit.  ögö 

zeugen  besteht.  —  Norwegen  unterhält  bloss  eine  Sluirenflolle   von  126  ScliifTen  mit 
564  Kanonen. 

F.  Die  i^pr/zuic/je  Seemaclit  ist  tief  gesunken;  im  J.  1796  zählte  sie  72  Linien- 
schiffe, und  noch  im  J.  1808  überhaupt  288  Segel,  woninter  zj2  Linienschiffe  und  3o 
Fregatten  waren;  im  J.  1821  aber  waren  nicht  mehr  als  12  Linienschiffe,  ig  Fregat- 
ten und  einige  3o  kleinere  Fahrzeuge  dienstfähig,  die  unter  die  drey  Scedeparlements 
zu  Cadix,  Ferrol  und  Cartliagcna  verlhcilt  waren.  Im  J.  1817  überliessen  die  Russen 
den  Spaniern  5  Linienschiffe  und  3  Fregatten  von  Fichlcidiolz. 

G)  Die  türkische  Marine  bestand  vor  der  Katastrophe  hcy  Scio  (ig.  Juny  1822) 
aus  i5  Linienschiffen,  i5  Fregatten  und  ungefähr  60  Galeeren  und  kleineren  Fahrzeu- 
gen, zusanmicn  aus  go  Segeln;  gegenwärtig  zählt  sie  nur  noch  70  Schiffe.  In  Kriegs- 
zeilen wird  sie  durcii  Fahrzeuge  aus  Ägypten  inrd  den  Staaten  der  Berbercy  verstärkt. 
Die  Osmanen  sind  schlechte  Seeleute. 

II)  Portugals  Seemacht  zählte  im  J.  1817:  10  Linienschiffe,  14  Fregatten  imd 
40  sonstige  Kriegsfahrzeuge,  wovon  q  Linienschiffe  und  12  Fregatten  theils  in  Brasi- 
lien ,  iheils  in  den  übrigen  Colonien  waren.  Gegenwärtig  besteht  die  ganze  dienstfähi- 
ge Marine  aus  38  Segeln,  worunter  4  Linienschiffe  und  8  Fregatten.  In  Ausbesserung 
liegen  auf  den  Werften:  5  Fregatten,  5  Corvettcn  und  1  Brigg. 

I)  Die  dänuche  Marine  zählt  gegenwärtig  3  Linienschiffe,  6  Fregatten,  5  Briggs 
und  86  Kanonieiliöte,  wozu  noch  einige  andere  Kriegsfahrzeuge  kommen ,  zusammen 
n)ii  58o  Kanonen.  Iin  J.  1806  bestand  sie  aus  20  Linienschiffen ,  16  Fregatten,  gBiiggs, 
1  Schooner,  17  Königsböten,  8  Söliings-  oder  Lotsenböten,  12  Kanonierböten, 
6  Kanonierschaluppen  und  5  Kanonenjollen.  Die  ganze  Anzahl  der  Kanonen,  die  Zahl 
der  Kanonen  der  schwinunendenDefension,  der  schwimmenden  Batterie  und  der  festen 
Defension  bey  Kopenhagen  schon  mit  eingeschlossen,  betrug  2382,  der  Carronaden 
il02  ,  der  Haubizen  222  und  der  i5opfnndigen  Mörser  5. 

K)  Oesterreichs  Marine,  deren  (>ommando  in  Venedig  ist,  besteht  aus  4  Linien- 
schiffen, 8  Frf  galen,  1  Corvelte,  6  Briggs,  6  Goeletten  oder  Schooners  und  20  Kano- 
nierschaluppen, zusammen  45  Segeln.  Es  gehören  dazu  1  Marine-Genie-Corps,  1  Arse- 
nal, 1  Marine-Artillerie- Corps,  1  Malrosen-Kanonier-Corps  und  ein Marine-Infanlerie- 
Balaillon.  Ausserdem  unlcrhält  Österreich  eine  FlolUle  auf  der  Donau,  deren  Stabsquar- 
tier zu  Tiud  ist.  Sie  besieht  aus  33  Czaikcn. 

L)  Die  Seemacht  bejder  Sicilien  bestand  1820  aus  3  Linienschiffen,  5  Fregatten, 
4  Gorvetten  imd  234  kleineren  Fahrzeugen;  allein  davon  waren  bloss  g6 Schiffe  dienst- 
fähig,   73  reparaturfähig,   und   lagen  auf  den  Werften,  der  Rest  völlig  unbrauchbar. 

M)  Sardinien  hat  4  Linienschiffe  und  4  Fregatten  zu  Genua;  zu  YillaFranca  und 
Cagliari  sind  3  Schooner  und  einige  Galeeren  slalionirl. 

N)  Die  päpstliche  Flotille  im  Hafen  von  Civita  Vecchia  endlich  besteht  aus  2 
Fregatten  und  einigen  kleineren  Kriegsfahrzeugen. 

Auf  dem  Aachiier  Congresse  wurde  die  gesamnue  europäische  IMarine  auf  462  Li- 
nienschiffe, 370  Fiegallen  und  io32  kleinere  Kriegsschiffe  angegeben,  zu  deren  Be- 
mannung gegen  1  Million  Menschen  erfordert  werden  bj. 

5o 


jgi  irt  VortheidigungstrafU'.  i.  üg.  ijtiuke  der  Seci.u\i.lil. 

o)  Scala  der  briUischen  Marine;   in  Archenholz' ens  Minerva.   1801.  B.  o.   S.  3-5.  fl. 

Touuon.       Seeleute. 
Die  Kriegsflotte,  welche  die  Röniginn  Elisabeth  im  J.  i588  gegen  die       •'i^''-<.>ti  ■'    ■. 
unüberwindliche   spanische   Armade  ausschickte,  enthielt  an  Toniieülast*^'^  '     '' 

und  Besatzung .  ; 3i,983        15I272 

Als  Wilhelm  III.  im  J.   1686   den  Thron  bestieg  ,  war  die  Grösse  der 

brittischen  Kriegsmarine     101,002 

Im  J.  1704,  zwey  Jahre  nachdem  die  Koniginn  Anna  den  Thron  be- 
stiegen hafte 104,745       41,000 

Als  Georg  II.  im  J.  1727  zur  Regierung  kam     170,862 

Beym  Regierungsantritte  Georgs  III.   1760    3oO;4i6 

Im  J.   1800     790,960      i3o,ooo 

Die  brittische  Marine  ist  also  unter  der   Regierung  Georgs  III.  mit   490,454  Tonnen   und 
89,000  Seeleuten  vermehrt  worden. 

Der  Zuwachs  der  brittischen  Marine  seit  dem  J.   1773 — 1808    erhellet   aus   folgender  An- 
gabe ihres  Personals: 

Am    1.  Janncr   1773.  Am    i.  Jiinner   1Ö08. 

Admiral  der  Flotte 1  1 

Admirals  der   weissen  Flagge    ...  2  14 

—     blauen       —        ...  6  ]5 

—     rothcn        —        ...  o  18 

Vicoadmirals  der  rothen  Flagge  3  16 

—  weissen      —  5  j5 

—  blauen       —  5  . .  .  .' 24 

Contreadmirals  der  rothen    —  4  11 

—    weissen  —  3 18 

—    blauen    —  4  29 

Capitäns  —       —        —  327  700 

Commandeurs    —       —        —  i2o  4gq 

Lieutenants         —       —        —  932  2900 

Summe   1412  4260 

S.  Allg.  geogr.  Ephem.  B.  26.  S.  110. 

Bis  zum  J.  1800  haben  die  Britfen  den  Franzosen  45  Lienionschiffc  und  270  Fregatten 
und  Schaluppen,  den  Holländern  20  Linienschiffe  und  64  Fregatten  und  Schaluppen,  den 
Spaniern  8  Linienschiffe  und  67  Fregatten  und  Schaluppen  genommen.  S.  Minerva  a.  a.  O. 
B.  3.  1801.  S.  282  ff.  Im  J.  1807  ging  bey  dem  Überfslle  von  Kopenhagen  auch  der  grössle 
Theil  der  dänischen  Kriegsschiffe  in  die  Gewalt  der  Britten  über ,  nähmlich  :  18  Linien- 
schiffe ,  i5  Fregatten ,  6  Briggs  und  25  Kanonenböte ,  zusammen  64  Segel  mit  1992  Kano- 
nen,  deren  Baukosten  man,  ohne  Takelwerk  und  Kanonen  ,  auf  7,134,000  fl.  schätzte.  S. 
Meusel's  Lehrbuch  der  Statistik.  4.  Ausg.  Leipz.  1817.  S.  456.  Bey  jenem  Überfalle  winden 
die  verheerenden  Congrei^eschen  Brandraketen  von  den  Engländern  gebraucht ,  und  als  ein 
neues  Experiment  probirt.  Man  beschreibt  diese  Brandraketen  als  mit  Haken  versehen  ,  wo- 
durch sie  an  die  Gebäude  angeklammert  werden  ,  und  auf  diese  Art  weit  gefährlicher  und 
verheerender  als  Bomben  sind.  Es  gibt  nach  dem  Maasstabe  der  Entfernungen  3  Grade  in 
dieser  neuen  Waffe;  der  stärkste  sclüessl  beynahe  eine  Stunde  weit;  das  darüber  geschüttete 
Wasser  vermehrt  nur  die  Heftigkeit  der  Flamme. 
b)  S.  Polit.  Jüur.  Fehl-.  1819.  S.  126  ff. 


III.  Yertlieidigniigbkräftc.  *    60.  M-.riat--AnstaUcji.  SgS 

Marinc-A.'nsialtcn. 

Die  Scomaclu  erfordert  i^rosse  Auslalten:  befesligte  Iläfeiij  wo  die  Scliiffe  in  Si- 
«hcrheit  liegen  können,  Werlte  zum  Baii;  Docken  zur  Kalfaierung  oder  Ausbesseruni; 
der  Schiffe,  Arsenale  oder  Seezeugliäuser  und  Mai,Mzine  aj ,  Schiffbau-,  Schifffahrls- 
Hud  Steuermanns.schulenZ>J,  See-Cadellcn-Inslilulc  cj ,  Hospiüilcr  fia- kranke  und  des, 
Dienstes  unfähige  Seeleute,  Anstalten  nni  die  zur  Bemannung  der  Flotte  uolhigc  An- 
zahl Matrosen  aufzvdjriugen  dj  ,  die  kein  Staat  iinnier  vollzählig  unterhält.  Denn  im 
Frieden  liegt  die  Flotte  abgetakelt  im  Hafen,  und  nur  bey  Kriegsgefahr  wird  sie  aus- 
gerüstet, d.  i.  sie  empfängt  Segel  und  Tauwerk,  Anker  vmd  Kanonen,  Munition,  Pro- 
viant und  Equipage.  Die  Materialien  zum  Schiffbau,  als  Bauholz,  Masten,  Eisen,  Ku- 
pfer, Hanf  zu  Segeltiichern  und  Tauen,  Theer  imd  Pech ,  welche  nicht  alle  See- 
mächte in  hinreichender  SIenge,  wenige  in  Überfluss  haben  ej ,'  geben  Gelegru- 
heit  zu  einem  wichiigen  Handel.  Die  Seemacht  erfordert  verhältnissmässig  weit  grös- 
seren Aufwand,  als  die  Landmacht.  Der  Bau  und  die  Ausrüstung  der  Schiffe  fj,  die 
Unterhaltung  der  Malrosen  und  Secsoldaten  g-J,  und  der  oben  angeführten  Marine- 
Anstalten  erfordern  ungeheure  Summen. 

a)  Die  besten,  grössten  und  am  stärksten  befestigten  Kriegshäfen  in  Europa  sind,  und  zwar 
in  Grossbritaimien  :  zu  Portsniüuth  (dem  Contralpuncte  der  brittischen  Marine)  und  Ply- 
mulh ,  dann  zu  Deplford,  Woolwicb  ,  Schcerness  ,  Cbalain  ,  Hüll  und  Berwik;  in  Portu- 
gal: zu  Lissabon,  in  Spanien:  zuCadix  (der  erste  spanische  Rriegshafen)  ,  Ferrol  und  Gar- 
thagena;  in  Frankreich:  zu  Brest  (Hauptstandplalz  der  französischen  Marine) ,  Rochefürt, 
Toulon  und  Clierbourg;  in  Italien:  zu  Venedig,  Genua,  Civitaveccliia,  Neapel  u.  s.  w.  ;  in. 
den  Niederlanden:  der  Helder,  Antwerpen,  Vliessingen  und  Helvötsluys;  in  Dänemark: 
zu  Ropenbagun,  wo  gewöhnlich  die  ganze  dänische  Flotte  Hegt;  in  Schweden  :  zu  Carls- 
ci-ona ,  wo  die  Hauptflotte  verwahrt  wird;,  die  Skärenflotte  liegt  zu  Stockholm,  Gothenburg 
und   CarlsCrona ;  in  Russland  :  zu   Kronstadt  (dem  Haupthafen  der   OslseefloUe)  ,  Roggers- 

■  Holm  (dem  Hafen  der  Riulerflotte  auf  der  Insel  Rotka) ,  Achtiar  oder  Sewastopol  und  Ni- 
kolajew  (den  Hauptniederlagen  der  russischen  Marine  am  schwarzen  Meere).  Die  eben  an- 
geführten Rriegshafen  sind  grössten  Tbeils  auch  mit  Schiffswerften ,  Docken  und  Arsenalen 
versehen.  Das  erste  Arsenal  in  Europa  ist  zu  Venedig.  Es  nimmt  eine  ganze,  mit  hohen 
Mauern  umgebene  Insel  ein.  Voij.  den  Fianzosen  bis  a,i^f;die  Nägel  ausgeplündert,  ist  es  jetzt 
wieder  mit  den  p.öthigen  Bedürfnissen  des  Seekrieges  und  Schiffbaues  ausgerüstet.  E.'^  ent- 
hält 16  Werfte  zum  Schiffbau. 

b)  S.  Abth.  II.  §.  24-  —  c)  Solche  Institute  befinden  sich  zu  Portsmouth  ,  Plvmoulli  und 
Woolwicb,  zu  Lissabon,  Cadix ,  Ferrol  und  Carlhagena,  zu  Amsterdam,  Delft  und  im 
Haag,  zu  Ronenhagen,  Carlscrona-  Carlsberg  und  St.  Petersburg.  In  Venedig  ist  die  Er- 
richtung eines  Marliie-CadclUa-CoLlegiums  im  Werke  begruTen. 

,  c)  Die  B.emannung  der  Kriegsschiffe  geschieht  auf  verschiedene  Art.  In  l\uxi<dand  z.  B.  ,  so 
wie  ifi  Scliwedei)  und  Dänemark ,  werden  die  Matrosen  und  Seesoldaten  aus  den  Seebezirken 
ausgehoben.  In  Frankreich  werden  sie  durch  das  Loos  aus  der  jungen  JVIannscliaft  der  dem 
Seewesen  zugelheilten  Districte  erwählt.  In  Grossbrilannien  werden  sie  iherts  geworben  ge- 
gen ein  ansehnliches  Handgeld  ,  theils  mit  Gewalt  weggenommen  ,  oder  wie  man  es  zu  nen- 
nen ^{h^s,V ,  gepresst ,  ohne  dass  die  Nation  es  für  einen  Eingriff  in  ilire  Freyheit  iiäll ,  woid 
eingedünk,  dass  der  Staat  dein  Dienste  zur  See  seine  Grosse  zu  danken  hat. 


3q6  IV.   Finanzen.  §.  61.   Quellen  der  SUalseiukünitc. 

d)  Russland  z.  B.  üefort  Alles,  was  zur  Vollendung  und  Ausrüstung  seiner  Flotten  gehört, 
von  vorzüglicher  Güte;  aber  das  wesentlichste  Material,  daueriialtes  Schiffbauliolz ,  fängt 
ihm  in  den  grossen  und  besuchtesten  Forsten  schon  an  zu  mangeln.  Dagegen  wird  Portugal 
mit  vortrefflichem  Schiffbauholz  in  Überfluss  aus  Brasilien  verschen:  aber  das  Eisen-,  Ru- 
pfer-, Segel-  und  Tauwerk  muss  von  Fremden  erkauft  werden,  und  Holland  liefert  nicht 
Ein  Materiale  für  den  Schiffbau  in  einigem  Yorralhe. 

e)  In  Grossbrilaniiien  z.  B.  kostet  der  Bau  und  die  Ausrüstung  eines  Schiffes  von  100  Kanonen 
ungefähr  60,000  Pf.  St.  ,  nach  andern  gar  80,000  Pf  St.  In  Hussland  betragen  die  Kosten 
eines  Kriegsschiffes  von  64  Kanonen  und  Eichenholz  in  St.  Petersburg  100,000  Rubel ,  eines 
eben  solchen  von  Lerchenholz  in  Archangel  60,000  Rubel. 

y)  Den  höchsten  Sold  empfängt  das  Persona'Ider  brittischen  Marine.  In  Kriegszeiten  erhält 
der  Admiral  von  der  rofhen  Flagge  täglich  5  Pf.  Sf.  ,  jeder' andere  Admiral  3  Pf  10  Schill., 
ein  Viceadmiral  2  Pf  10  Schill,  und  ein  Gontreadmiral  1  Pf  16  Schill.,  jeder  Matrose  aber 
monathlich  4  P'-  S.  Wenn  nun  zur  Bemannung  einer  Flotte  von  70  Linienschiffen  40,000 
Seeleute  gehören:  so  kann  man,  leicht  berechnen,  wie  kostbar  die  Unterhaltung  einer  Flotte 
sey.  In  Russland  empfängt  ein  Admiral  jährlich  36oo  ,  ein  Viceadmiral  2i6o,  ein  Gontread- 
miral 1800  Rubel,  ein  Matrose  von  der  ersten  Classe  i2,  von  der  zweyten  Classe  n  Rubel 
5o  Kopeken. 


IV 


n      z      e      n. 


§•  61. 

Quellen  der  Staatseinkünfte. 

Die  europäischen  Staaten  müssen ,  als  Staaten  cultivirter  Völker ,  viele  ausga- 
ben machen  ,  um  dasjenige  bewerkstelligen  ziiköniien,  was  sowohl  zui- Behauptung 
ihrer  politischen  Selbstständigkeit,  als  zur  Erreichung  ihres  geistigen  luid  physibchcn 
Wohls  erforderlich  ist.  Sie  müssen  also  auch  isiV/A^/zyic  haben,  auf  deren  Bliihen  und  Ge- 
deihen beynahe  Alles  ankommt:  die  Sicherheit  und  Kraft  des  Staates,  das  Gliick  der 
Unterlhanen,  der  Ridim  und  das  Ansehen  des  Regenten.  Daher  machen  die  Einsich- 
ten in  die  Behandlung  der  Slaatseinkimfte ,  der  Grundlage  des  gesellschaftlichen  Ge- 
bäudes, vielleicht  den  4iülzlichsieh  und  wesentlichste^  Theil  der  Kenntnisse  eines  voll- 
endeten Staatsmannes  aus.  Die  Einkünfte  werden  in  den  europäischen  Staaten  auf 
mancherley  Wegen    erhalten,  fliessen  aber  oidenllicher Weise  aus  5  Quellen: 

l.  Domain  en  _,  Landgüter,  welche  in  dieser  Rücksicht  Ä/o/i-  oder  Kammergüter  _. 
s.\ich  Staatsgüler  hoÄs&nn ,  und. oft  ganze  Amier  ausmachen.  Sie  sind  ein  Eigcnlhiun 
des  Staates,  mid  waren  in  allen  Zeilen  die  einzige  Quelle  von  Staatseinkünften,  ni- 
sonderheit  zum  Unterhalte  des  Regenten  bestimmt  aj.  In  Gj-ossbritannien  sind  die 
Domainen  sehr  unbedeutend  bj ,  da  der  grösste  Theil  derselben  vor,  zu  und  nach 
CromweU's  Zeilen  veränssert,  und  dem  Könige  von  der  Nation  eine  bestimmte  Sum- 
me, die  man  die  Eiimahme  der  Ci^illiste  neiint,  aus  der  Schälzkaiumer  bewilliget 
wurde.  Desto  beträchtlicher  sind  die  Domainen  in  andeicn  Staaten  ,  besonders  m  Spa- 
nien cj ^  Portugal^  Russland   dj  ,  Oesterreich    ej  j  Pieusseii  fj _,  Hanover  gj ^ 


IV.  Finanzen.   §.  86.   Quellen  der  Staatscinlimlle.  3q, 

Baiern  hj  j  Tf'ürtemberg  ij  u.  s.  w.  —  Von  den  Doraainen  unlersclieideu  sich  die 
Patrimonialgütev  j  welche  ein  Regent  durch  Erhschafl,  Kauf  oder  Schenkung  er- 
langt; und  über  die  er  nach  Belieben  vcifiigen  kann.  Er  pflcg't  sie  nicht  von  der  Kam- 
mer, sondern  von  einem  besonders  dazu  verordneten  Ajnte  verwallen  zu  lassen,  und 
sie  fuhion  auch  den  Nahmen  der  Ch ntoul gilter ^  welcher  aber  auch  zuweilen  solchen 
wiiklichen  Domainen  beygelegt  wird ,  deren  Einkünfte  zu  den  eigenen  Handausgaben 
des  Regenten  bestimmt  sind. 

II.  i^e'^^i/fV/ij  oder  Einkünfte  von  Rechten  über  solclie  Gegenstände,  die  sich 
der  Staat  vorbehalten  hat,  um  sie  so  zu  J^enutzen,  wie  es  das  allgemeine  Wohl  erfor- 
dert, und  kein  Privateigenthümer  ihun  könnte  oder  würde.  Sie  sind  nicht  in  allen 
europäisclien  Staaten  gleich,  und  werden  hier  und  da  sehr  weit  ausgedehnt.  Derglei- 
chen sind :  i)  das  Strassenregal ^  bestehend  aus  dem  Zoll-  oder  MdiitlirechtekJ  und 
dem  Geleitsi-echte ;  2)  das  Postregal  iJ ;  3)  das  JFasserregid;  4)  das  Jagd-  und  das 
Fiwstregal;  5)  das  Bergwerks-  und  das  Salzregal  mj ;  6)  das  Münzregal  nj ;  7)  end- 
lich erklärt  der  Staat  zuweilen  noch  irgend  ein  Natur-  oder  Kunstproduct,  das  einen 
lioJien  Ertrag  verspricht,  für  ein  Regale,  und  treibt  Alleinhandel  damit,  oder  verpach- 
tet es.  Am  drückendsten  sind  dergleichen  Staatsmonopole ,  wenn  die  Producle  der 
Nation  durch  Zwangsgesetze  aufgedrungen  werden. 

a)  Über  die  vortheilhafteste  Benutzung  und  den  Verkauf  der  Domainen.  Ein  staatswirlhstliaft- 
lichor  Versuch  \on  G.  fVolineil.  Berlin,  1811.  8.  Vergl.  H.  A.  L.  Z.  Kr.  23i.  i8i-2.  S.  i56fr. 

b)  Der  Ertrag  derselben  beläuft  sieh  nur  auf  1,4271614  fl. 

c)  Es  besitzt  für  mehr  als   1100  Mill.  fl.   Staatsgüter. 

d)  Wo  die  Zabl  der  Kronbauern  inännlidien  Geschlechts,  die  gleichsam  die  kaiserlichen  Do- 
mainen ausmach<;n  ,  nach  der  Revision  voa  1785  über  456741OOO  Individuen  betrug.  Der  Er- 
trag derselben  besteht  hauptsächlich  im  Obrok ,  d.  i.  einpr  Geldabgabe,  die  die  Kronbauern, 
nähmlich  3 — 5  Rubel  von  jeder  männlichen  Seele  zahlen  müssen.  Nach  dem  Ukas  ^on  i8io 
müssen  die  Rronhauern  ausser  dieser  und  der  Kopfsteuerabgabe,  nach  der  Fruchtbarkeit 
des  Gouvernements,  noch  2 — 3  Rubel  entrichten.  Im  J.  1792  brachte  der  Obrok  von  den 
Rronhauern  11,680,000  Rubel  ein. 

c)  Wo  sich  die  Staatsgüter  im  J.  1800  der  Zahl  nach  auf  1001  beliefen.  Ihr  Capitalwerth  ward 
auf  3oo  Mill.  fl.  geschätzt.  Jetzt  sind  \iele  davon  veräussert.  Iftdess  mag  diese  Rubrik  noch 
immer  5 — 7  Mill.  (nach  andern  14  Mill.)  ertragen.  Ein  ansehnlicher  Tlieil  der  aus  den  auf- 
gehobenen Klöstern  entstandenen  Staatsgüter  ist  zur  Fundirung  des  Studien-  und  Kirclien- 
vvesens  bestimmt. 

f)  Wo  die  Domainen  und  Forsten  zu  den  Staatseinkünften  über  8,406,000  fl.  beitragen. 

g)  Wo  der  Ertrag  der  Domainen  sich  auf  5 — 6  Mill.  fl.  beläuft. 
h)   Wo  die  Domainen  jährlich  2,6443oo  fl.  abwerfen. 

i)  Wo  die  Domainen  jährlich  ein  Einkommen  von  2,721,900  fl.  gewähren. 

k)  Im  J.  1804  wurden  im  Innern  Frankreichs  die  ehemals  schweren  Chaussee-  und  Weggel- 
der aufgehoben  ,  so  ,  dass  jetzt  nur  Gränzmauthen  ,  zur  grossen  Bequemliclikeit  der  Re. sen- 
den und  dcb  Innern  Verkehrs  ,  gezahlt  werden.  Als  Ersatz  für  die  im  Innern  Frankreichs 
aufge.hobenen  Mauthen  wurden  die  sogenannten  cirvils  reunis  eingeführt.  Diese  droits  reusis 
umfassen  die  Abgaben  von  Wein  und  andern  Getränken  ,  die  Regle  der  ausschliessi-nden 
Tabaksfabrication,  die  Abgaben  von  Fuhrvverken  ,  von  Spielkarlen  nnd  gesloclienrn  Musi- 
kalien, die  gestämpelt  werden  müssen,  von  Gold-  und  Silberarbeiten,  von  der  unicrn  SlIuü- 
fahrt ,  von  Canälcn  und  Salz. 


398  IV.  Finanzen.  §.  62.   Quellen  der  Slaatseinkünfte.  Forisetiuug. 

T)  Die  grosste  Einnahme  gewähren  die  Posten  in  Grossbritanuien  und  Frankreich.  Dort  be- 
trug im  J.  1819  der  Ertrag  der  Briefposten  allein  14,160,000  fl.  ;  fahrende  Posten  sind  da- 
selbst ein  Privatinslitiit.  In  Frankreich  warfen  die  Posten  im  J.  1819  22,460,000  und  im  J 
1821  24,3io,ooo  Franken  ab.  DasBrieljporto  in  Paris  allein  betrug  im  J.  1807  über  3,g37, 000 
Fr.  Dagegen  belief  sich  der  Ertrag  der  Posten  in  Preussen  im  J.  1821  nur  auf  1,200,000  fl. 

m)  In  Preussen  macht  das  Salzregal  einen  Gegenstand  von  6,700,000  fl.  ,  in  Russland  von  i5 
Mill.  Rubel ,  in  Österreich  von  i5— 16  Mill.  fl. 

/))  Es  trug  unter  andern  in  Frankreich  im  J.  1808  900,000  Franken  ein.  Dagegen  zieht  Gross- 
brilannien  aus  seinem  Münzrechte  nicht  nur  gar  keinen  Gewinn  für  die  Staatscasse,  son- 
dern opfert  auch  noch  jährlich  eine  beträchtliche  Summe  auf,  um  jedes  Mal  alle  abgeschlif- 
fenen Münz.en  durch  gehaltreichere  zu  ersetzen. 

§.   62. 
Fortsetzung. 

IIL  Wenn  die  vorgenannten  Quellen  zur  Deckung  des  Staatsbedarfs  nicht  zureichen^ 
•wie  es  jetzt  der  Fall  in  allen  europäischen  Staaten  ist:  so  muss  der  Staat  den  Uiiler- 
thanen  Beyträge  an  äussern  Gütern  auflegen,  und  diese  sind  allerdings  verpflichtet, 
von  ihren  Einkünften  oder  ihrem  Gewinne  einen  verliältnissniässigen  Theil  dem  Staate, 
der  ihre  Person,  ihr  Eigenthum  und  ihr  Gewerlie  schützt,  abzugeben.  Dieser  Staals- 
antheil  an  dem  Nationalvermögen  wird  mit  dem  allgemeinen  Nahmen  der  Steuern  oder 
Abgaben  aj  belegt.  Diese  dritte  Quelle  der  Staatseinkünfte  gewährt  jetzt  allenthalben 
die  beträchtlichste  Staatseinnahme,  und  ist  desto  ergiebiger,  je  mehr  der  Ackerhau, 
die  Älanufacturen  und  der  Handel  in  einem  Staate  bliUien,  und  je  volli-  und  gehlrei- 
eher  er  dadurch  wird. 

In  älteren  Zeiten  wurden  diese  Abgaben  in  Naturallicf eräugen  gefordert;  aus- 
serdem wurden  die  Staatsbediüfnisse  durch  unlielohnte  Dienste  gedeckt.  Seit  der  Um- 
wandhmg  des  staalswirthschaftlichen  Wesens  in  Europa  durch  die  allgemeinere  Ver- 
breitung des  Geldes  (s.  1.  Abth.  §.  6g.  Note  1)  werden  diese  Abgaben  fast  durchge- 
hends  in  Geld  gefordert,  und  die  AVirthschaft  des  Staates  hat  sich  sonach  auch  fast 
durchgehends  in  eine  Geldwirthschaft  verwandelt.  Nur  in  einigen  Staaten  und  Län- 
dern bestehen  noch  ordentliche  AJjgaben  an  Naturalien  hj.  Sonst  werden  nur  für 
ausserordentliche  Fälle,  etwa  für  die  Fälle  eines  Krieges,  zur  Deckung  eines  augen- 
blicklichen Bedürfnisses ,  Lieferungen  an  Naturalien  und  sonstige  Naluralverpllcgung 
der  Truppen  gefordert. 

Die  in  den  europäischen  Staaten  in's  practische  Leben  üliergegangenen /^^ß/^cu- 
oder  Steuersysteme  sind  entweder:  a)  die  directen  (viehnehr  bestimmten,  auf  einem 
Gegenstande  haftenden) ,  oder  b)  die  indirecten  (zufälligen ,  von  Ereignissen  abhän- 
gigen) Auflagen,  die  entweder  von  beslinunten  einzelnen  Producten,  oder  vom  Staats- 
bürger nur  in  gewissen,  von  der  Finauzgesetzgebung  bestimmten  Fallen  erhoben 
W,pr.den. 

!       Zu  der  ersten  Hauptclasse  der  Abgaben  gehören :  1)  die  Grundsteuer  (Contribution, 
Landtxixe);  welche  entweder  vom  reinen  oderBrulto-Ertratre  der  Grundslücke  jeder  Art 

■      1  •        1  - 

eulnchlcl  wird  cj.   Sie  ist  die  allgemeinste  der   directen  Abgaben   und  zwar  hi    den 


IV.   Finanzen.  §.  62.  (^in-Utu  der  Staatseinkiiiifte.  Foilscl/.un».  ^o^ 

europäischen  Staaten  des  festen  Liiidos  die  Hauptsteucr,  iil  Grosslnitannicn  aber  nuv 
jyelicnsteucr ,  da  dort  die  Macht  des  Staates,  seine  Flolle  und  Armee,  so  wie  seiuK 
Schuld,  haiiptsächHcL  auf  den  Erlraij  derjAccise  und  der  Zölle  beruhet  dj.  Ilierhci" 
i»eliöroi  im  weilen  Sinne  auch  die  Steuer  von  Häusern  j  Tliürcn  _,  Fenstern  ej  und 
Schornsteinen.  —  2)  Die  Mohiliarsteicer  j  welche  von  allem  beweglichen  Vermögen, 
<iHcn  Geräthschaften  erhoben  wird.  Sie  besteht  unter  andern  in  Frankreich  unA  den 
Niederlanden.  —  3)  Die  f^ermögetis-  oder  Einkommenssteuer  j,  welche  vom  reinen 
Einkommen  der  Staatsl>ürger  entrichtet  wird.  Sie  tindel  unter  andern  Stall  in  Oester- 
reichs  deutschen,  galizischen  und  iialienischcn Provinzen,  wo  sie  cigenllich  Classen- 
steuer\i(iis.sx.,  in  Würteniberg  nnA  Russland j,  in  welchem  letzteren  Staate  bloss  die 
Kaufleutc  derselben  unterworfen  sind;  dagegen  sie  seil  1807  von  den  Rekruteugeldcrn 
frey  sind.  In  Grossbritannien  ward  die  1806  bewilligte  Eiukonuneuslaxe  1817  abge- 
schafft. Diese  Steuer  setzt  Patriotismus  voraus ,  wenn  sie  für  den  Staat  ergiebig  seyn 
soll,  und  dieses  ist  sie  nur  dann,  wenn  sich  der  Staat  auf  die  gewissenhafte  Angabe 
der  Büger  von  ihrem  Vermögcnsslande  verlassen  kann.  —  4)  Die  Gewcrbssleuer 
(Patenlsteuer),  welcher  die  verschiedenen  Classcn  der  Handwerker,  .Fabricanten  und 
Handelsleute,  so  wie  andere  Gcwerbsgaitungen,  welche  eine  Dienstleistung,  oder  die 
Überlassimg  einer  Sache  zu  einer  zeitlichen  Nulzniessung  zum  Gegenstande  haben, 
mitcrliegen,  imd  mit  welcher  in  einigen  Staaten,  wie  z.  B.  in  Frankreich ^  Preussen 
u.  s.  w.  eine  allgemeine  Gewerbsfrevheil  verbunden  ist;  nur  muss  jede  Person  für  die 
Ausübung  ihres  Gewerbes  einen  Gewerbsschein  (Patent)  lösen.  —  5)  Die  Personal- 
steuer (Kopfsteuer),  welche  der  Untertban  für  seine  Existenz  im  Staate  bezahlt.  In 
Preussen  z.  B.  nmss  sie  von  jedem  Landbewohner,  der  das  12.,  in  Oesterreichs  deut- 
schen, galizischen  und  italienischen  Provinzen  \on  jedem  Städter  und  Landbewohner, 
der  das  i5.  Jahr  erreicht  hat,  entrichtet  werden.  In  Russland  wird  die  Kopfsteuer 
(Podusclmoja  Dengi  d.  i.  Seelengeld)  von  den  Bauern ^und  Bürgern  für  jedes  männli- 
che Individuum,  und  zwar  seit  1810  von  den  Bauern  mit  2,  von  den  Bürgern  mit  5 
Rubeln  bozaldt.  In  Baiern  wird  unter  dem  Nahmen:  Famitien-Schutzgeld  eine  allge- 
meine Personalauflage  von  jedem  Familienobcrhaupte  oder  selbslstiindigon  erwerben- 
den Individuum  nach  12  Classen  erhoben.  Die  erste  Classe  zahlt  jährhch  Familien- 
steuer 10  kr.,  die  zwölfte  jährhch  12  ^-  fj-  In  der  Tiirkey  unterhegen  der  Kopf- 
steuer (Charadsch)  alle  Raajas,  d.  i.  alle  Nichtmohammedaner  (sie  mögen  Christen 
oder  Juden  seyn)  von  ihrem  i5.  Jahre  an.  Die  Besteuerten  der  ersten  Classe  haben 
jetzt  16,  die  der  zweyten  Classe  8  nnd  die  der  niedrigsten  4  Piaster  zu  entrichten. 
Hierher  kann  auch  die  Taxe  gerechnet  werden,  welche  in  Grossbritannien  von  un- 
verheiralhcten  jMannspersonen  entrichtet  wird. 

Die  zwcyle  Hauptclasse  der  Steuern,  oder  die  indirecten  Auflagen  sind  eben  so 
beträchtlich  durch  ihre  Masse,  als  mannigfaltig  durch  ihren  Gegenstand  und  die  Art 
ihrer  Erhebung.  Zu  ihrem  weilen  Gebiete  gehören  vornelunlich :  1)  die  Ferbrauchs- 
oder  Consumtionssteuern.  Sie  liegen  auf  Getränken ,  Esswaaren  und  andern  ^Vaaren 
und  heissen  Accise ^  oder  Licent ,  Aufschlag,  Inipost  ^  7V/::- und  Unigeld  u.  s.  av, 
—  2)  Die  Lu xus steuern  ,  oder  Auflagen  auf  luxuriösen  Aufwand,  z.  B.  auf  die  Haltung 
von  Bedienten  und  llausoiliciercn,  von  Kutschen,  Chaisen  mid  bedeckten  Wagen  aller 


4oo  IV    Finanzen.  §.  62.  Quellen  der  Staatseinkünfte.  Fort.set-iung. 

Art,  von  Reit-  und  Kiitschp forden,  enlbelii liehen  Hunden  hj  n.  s.  w.  — 3)  Die  Stäm- 
pe/rt/yg-rt/^p«  j  deren  gewöhnliche  Gegenstande  sind:  Papier  zu  Urkunden,  VVeehsel- 
bricfe,  Ilandlungsbücher,  Spielkarten,  Kalender,  Zeltnng^en  und  Intelligenzhlätter , 
liier  und  da  auch  Stärke,  Haarpuder  u.  s.  w.  —  4)  Die  Evbsteuer  und  die  Abfahvts- 
geJder.  —  5)  Die  Einvegistfirungsgebühi'en  j  denen ,  wie  z.  ß.  in  Frankreich  ^  alle 
gerichtlichen  und  aiissergerichthchen  Acte,  Kauf  von  unbeweglichen  Gütern  u.  s.w. 
unterworfen  sind, 

IV.  Gewisse  Rechte  der  obersteii  Gewalt^  welche  zufällige  Einkünfte  aljwcrfen, 
z.  B.  die  Oljerlehnsherrlichkeit  des  Staates  über  die  Lehngiiterj  das  Heimfallsrechlj 
die  Ausübung  der  Justiz  durch  Gerichtssporteln  ,  Geldstrafen  und  Confiscationenj  die 
Er;heihing  und  Bestätigung  der  Privilegien,  ertheilte  Ämter,  Titel  und  Würden, 
Siandeserhöhungen  und  andere  Gnadenbezeigungen  sind  flist  immer  mit  Abgaben  oder 
Taxen  verknüpft. 

V.  Endlich  gewisse  gewirmbringende  Anstalten,,  als:  Ärarialfabriken ,  Banken , 
Handels-Compagnien  und  Lotterien,  besonders  das  Lottospiel,  nebst  den  Spielhäusern 
in  Paris,  die  jetzt  von  der  Regierung  an  einen  Unternehmer  für  6,526,fioo  Franken 
jähilich  verpachtet  sind. 

c)  In  Grossbritannien  werden  die  Abgaben  Taxen  (taxes)  genannt,  und  in  permanente  (ein  für 
allemahl  bewilligte)  und  solche  Taxen  abgetheilt,  welche  von  dem  Parlami-nt  nach  dem 
Maasse  der  Staatsbedürfnisse  nur  von  Zeil  zu  Zeit  bewilliget  werdon.  Zu  jenen  gehören:  die 
Zölle,  die  Accise,  die  Stämpelgebühren  ,  die  Briefpost,  die  Landtaxe,  die  Taxen  von  Hau- 
sern, Fenstern,  Wagen,  Pferden,  Pferdehändlern,  Hunden,  Bedienten  u.  s.  w.  Die  Gasse, 
in  welche  die  sämmtlichen  permanenten  Staatseinkünfte  fliessen  ,  und  aus  welcluT  zunächst 
die  Zinsen  der  fundirten  Staatsschuld,  dann  die  übrigen  permanenten  Staatsausgaben  (Civil- 
Liste  u.  s.  {.)  bestritten  werden,  heisst  der  consolidirtc  Fonds  ,  welcher  der  Nahmensälmlich- 
keit  wegen,  von  Fremden  oft  mit  dem  Theile  der  englischen  Slaalsschuldscheine,  welche 
die  consoUdirten  3  Procenl-Fonds  helssen  ,  verwechselt  wird,  ob  er  gleich  mit  diesen  durch- 
aus nichts  gemein  hat. 

b)  In  Bussland  z.  B.  muss  der  Rron-  und  Privatbauer  zum  Unterhalte  der  Armeen  ,  Truppen 
und  Pferde  Quantitäten  an  Getreide,  Mehl,  Grütze,  Heu  und  Stroh  in  die  Magazine  und 
Canlonnirungen  liefern  ,  die  zu  stellenden  Rekruten  mit  dem  Nöthigen  bey  der  Ablieferung 
ausstatten  ,  zum  Bau  neuer  Anlagen  die  nöthigen  Handwerker  stellen  ,  Handarbeiten  und 
Fuhren  entweder  ganz  unentgeltlich,  oder  für  geringe  Preise  leisten;  daher  hat  das  russische 
Reich  in  Vergleich  mit  andern  Staaten  in  Ansehung  der  Ausgaben  grosse  Vorlheile,  da  es 
durch  jene  Maassregeln  jährlich  beträchtliche  Summen  erspart.  Der  Tribut  von  den  Noma- 
den ,  Jagd-  und  Fischervölkern  Sibiriens  wird  vornehmlich  in  Pelzwaaren  entrichtet. 

c)  In  Frankreich  z.  B.  ist  bey  der  Grundsteuer  der  reine  Ertrag,  in  Baiern  der  Brulto-Ertrag 
als  Basis  angenommen.  S.  System  der  directen  Steuern  in  Frankreich.  Nach  dem  Französi- 
schen von  Delaurcns.  Herausgegäben  von  Carl  r/uin.  Zweyte  Auflage.  1819.  8.  Vergl.  Münche- 
ncr  A.  L.  Z.  Lenzmonat,  1820.  S.  i58  fT.  —  Die  Grundlage  einer  gleichen  und  gerecht-n 
Verlheilung  der  Grundsteuer,  richtiger  Naturallieferunycu  und  aller  zweckmässigen  ,  auf  Pro- 
duction  hinwirkenden  Verordnungen,  ist  die  Aufstellung  eines  genauen  Katasters ,  unstreitig 
die  grösste  unil  kostspieligste  statistische  Unternehmung,  welche  in  irgend  einem  Staate  be- 
gonnen werden  kann,  und  vielleicht  das  schwierig.ste  Geschäft  der  ganzen  Verwaltung.  Be- 
kanntlich besieht  diese  Operation  aus  zwey  Haupltheilen  :  der  .-iusmessung  und  der  Schätzung 
des  Grundeigenlhums.  Jene  lehrt  uns  die  Grosse,  diese  den  Worth  der  Länder  kennen,  zwey 


IV.  l'iiianzen.  §    62.  Quellen  der  Sl.i.itsciiikünfte.   Fortsetzung.  40l 

vvcsentlicho  Bc(iingungGn  zur  Erkonntniss  vom  rcinon  Erlrage,  >ve!chcr  allein  slruorL.tr  ist . 
Soll  aber  durch  diese  Unti  rsucliung  den  Fi  lilcrn  der  ungleichen  Steuerrepartilion  abgrliolfen 
werden  :  so  muss  die  Vermessung  und  Srhälzung  nicht  nach  ganzen  Massen  von  verschiede- 
nen Gütergattungon,  wie  man  dieses  Geschäft  im  J.  1800  in  Frankreich  zu  hefreiben  anfing, 
sondern  nach  einzelnen  Fthhtncken  geschehen,  wodurch  allein  in  das  Besleuerungswosen  völ- 
lige Gerechtigkeit  für  alle  gi^bracht  werden  kann.  Nach  dieser  Basis  wird  das  Cataslrirungs- 
geschäft  seit  i8oö  in  Frankreich  betrieben  Die  Ausfdiirungskosten  dieser  Parcellar- Vermes- 
sung von  ganz  Frankreich  schlug  man  vorläufig  auf  i.5o  Mill.  Franken  an.  Über  das  Catastor 
von  Benzenberg.  Erstes  Buch.  Geschichte  des  Catasters.  Zwe) tes  Buch.  Verfertigung  des  Ca- 
tasters.  Bonn,  1818.  8.  Vergl.  Jen.  A.  L.  Z.  Nr.  i4''.  i4t-  i45.  146-  iSirj.  —  In  dem  üsler- 
reicliischen  Kaiserstaate  ward  ein  allgemeines  Calaster  durdi  das  allerhöchste  Patent  vom 
28.  Dec.  1817  decretirt;  indessen  ward  in  dem  Erzheizoglliiime  Österreich  181g  ein  Grund- 
steuer-Provisorium eingeführt,  das  so  lange  in  Wirksamkeit  bleiben  wird,  bis  durch  das  all- 
gemeine Catastcr  die  bleibende  Einrichtung  erfolgen  kann.  —  Eine  ähnliche  Einiiclitung  ist 
auch  in  andern  Staaten,  nahmenllich  in  Baiern,  tVüriember^  ,  im  Kirchenstaate  u.  s.  w.  ,  in 
der  Ausführung  begriffen. 

d)  So  war  im  J.  1818  der  Ertrag  der  Accise  22, 166,082  Pf.  St.  und  der  Zölle  iO;5.i8,i85  PI. 
St.;  die  Landtaxe  oder  die  Grundsteuer  aber  warf  in  demselben  Jahre  nur  i,i54,g2ü  Pf.  St. 
ab.  Dagegen  betrug  die  Grundsteuer  in  Frankreich  im  J.  1819  168,167,652  Franken,  Zusatz- 
Centime  88,575,4  )5  Fr. ,  zusammen  256,743,o<35  Fr. ;  .  in  Osterreich  wirft  die  Grundsteuer 
jährlich  3i — 32  INlill.  G.  n.  ab,  wovon  auf  die  Bürger  und  Bauern  in  Ungern  5  Mill.,  in 
Siebenbürgen  1,659,^49  fi-  kommen;  in  Preussen  belief  sich  der  Ertrag  der  Grundsteuer  im 
.T.  1821  auf  f),526,ouo  Rthlr. ,  in  den  Niederlanden  im  J.  1820  auf  16,028,160  fl. ;  in  beyden 
Sicilien  im  J.  1820  auf  7,400,805  Ducati;  in  Baiern  im  J.  1819  auf5,94o,23o  (1.  u.  s.  w. 

e)  Eine  Folge  der  Feiislerlaxe  in  England  ist  das  doppelt  hässliche  Ansehen  der  Hauser,  we- 
gen der  vielen  zugemauerten  oder  mit  Bretern  vernagelten  Fenster,  indem  für  jedes  nicht  ge- 
blendete Fenster ,  gross  oder  klein,  eine  Abgabe  von  i5  Schillingen  bezahlt  werden  muss. 
S.  H.  A.  L.  Z.  Nr.  144.  1810.  S.  2o5. 

f)  S.  Statistische  Übersicht  der  Merkwürdigkeiten  der  europäischen  und  aussereuropäisclien  Staa- 
ten etc.,  von  C.  C.  Andre  a.  a.  O.  S.  87  fF. 

g)  S.  Osterr.  Beob.  Nr. ■Ö34.  i8i6.  Die  Franken,  die  unter  dem  Schutze  eines  Gesandten,  Re- 
sidenten oder  Consuln  stehen  ,  sind  für  sich  selbst  und  ihre  Diener  —  wenn  letztere  auch 
geborne  Unterlhanen  des  Sultans  sind  —  vom  Kopfgelde  frey. 

h)  So  ist  z.  B.  in  Preussen,  in  Folge  des  königl.  Edicts  vom  28.  Oct.  1810,  auf  jeden  der  oben 
besagten  Gegenstände  eine  Luxussteuer  gelegt.  Von  jedem  männlichen  Bedienten,  llausliof- 
meister,  Koch,  Kunslg^irtner ,  Kutscher  u.  s.w.,  werden  jährlich  6  Rthlr.  gezahlt.  Einen 
weiblichen  Dien.'-lholhen  kann  jede  Famlhe  halten,  ohne  Abgabe  zu  entrichten;  für  den  zwey- 
ten  aber  werden  jährlich  2  Rthlr.  gezahlt.  Von  jedem  Reit-  oder  Rutschpferde  werden  jähr- 
lich 6  Rthlr. ,  für  jede  Kutsche,  halbe  Chaise  und  jeden  bedeckten  Wagen  jährlich  5  —  8 
Rthlr.  entrichtet,  je  nachdem  diese  Wagi-n  zwey-  oder  \ierräderig  sind.  Von  jedem  IJunde 
irgend  einer  Art,  der  bevm  Eintritt  des  Sieueijahres  schon  4  Monate  alt  ist,  wird  entrich- 
tet 1  Rthlr.  Ausgenommen  sind  Hlrlenhunde,  Hunde,  welche  Personen  ihres  Ge\veibes  we- 
gen hallen  müssen,  und  Hunde,  welche  Personen  bäuerlichen  Standes  zur  Bewachung  ihrer 
Hofe  halten.  Es  finden  bey  allen  diesen  Sätzen  Steigerungen  Statt;  nur  die  Hundelaxe  wird 
nicht  gesteigert.  Indessen  scheint  die  Luxussteucr  in  Preussen  nicht  mehr  zu  bestehen,  da 
sie  weder  in  dem  Budget  für  das  J.  iC2i ,  noch  in  /''c>/i;/f /".■>■  Versuch  einer  Statislik  des  prcus- 
sischen  Staates  vorkommt. 


4o2  VI.      Finanzen.   §.  63.  Rangordnung  der  cuiop.  Staaten   in  RücksicliL  iluei-  Einkmilte. 

§•  63. 

Rangordnung  der  europäischen  Staaten  in  Rücksicht  ihrer  Einkünfte. 

Die  Summe  der  Einkünfte  ^  so  wie  den  Betrag  der  Ausgaben  und  Schulden  der 
europäischen  Staaten  anzugeben,  ist  eine  sehr  missUche  und  schwierige  Unterneh- 
mung. Es  bcniiihcn  sich  zwar  die  Statistiker,  die  Einkünfte,  Ausgaben  und  Schulden 
von  allen  europäischen  Staaten  zu  berechnen,  sie  zusanmien  zu  siunniiren  und  Haii[)t- 
resultate  daraus  zu  ziehen;  allein  wie  wenig  genau  und  vollsläudig  diese  Angaben  scyu 
können,  erheilet  wohl  daraus,  weil  sie  meistens  auf  zu  fragmentarische  und  zu  w'e- 
nig  zuverlässige  Nachrichten  gebauet  sind.  Nur  in  den  Republiken  und  in  den  Re- 
piäscnlativstaaten,  wo  der  Repräsentation  der  Staatsbürger  ein  ordentliches  Budget 
d.  i.  ein  Verzeichniss  von  den  verschiedenen  Zweigen  das  öffentlichen  Einkommens 
sowohl,  als  von  den  verschiedenen  öfTenllichen  Bedürfnissen  mit  Auszeichnung  der  zur 
Bestreitung  dersell)en  erforderlichen  einzelnen  Theilsmnuien  vorgelegt  wird,  ist  es 
möglich,  zuverlässige  Nachrichten  über  die  öffentlichen  Einkünfte,  Ausgaben  und 
Schulden  zu  erhalten,  obgleich  selbst  in  Ansehung  dieser  Staaten  nicht  selten  Man- 
ches ,  was  von  den  Finanzen  derselben  öffentlich  bekannt  gemacht  wird ,  zweifelhaft 
und  dunkel  ist,  wovon  besonders  Frankreich  unter  der  Buonaparte' sehen  Regierung 
Beweise  gegeben  hat  aj.  Bey  den  übrigen  Staaten  können  die  Data  von  den  Finanzen 
nur  nach  wahrscheinlichen  Berechnungen  geliefert  werden,  da  ausser  den  Personen, 
die  am  Ruder  der  Staatsgeschäftc  sitzen,  dieselben  niemand  anzugeben  weiss,  ob- 
gleich selbst  dieses  nicht  allenthalben  der  FxiU  zu  seyn  scheint.  So  sagt  Mensel  in  der 
vierten  Ausgabe  seines  Leiubuches  der  Statistik  S.  4o3  ii^  Hinsicht  der  rnssisc/ien 
Staatseinkünfte:  „Genau  kann  man  sie  selbst  in  Russland  nicht  angeben,  nicht  einmal 
im  Reichsschatzmeisteramle."  Man  dai  f  sich  daher  nicht  wundern ,  wenn  die  Angaben 
von  den  Einkünften  der  europäischen  Staaten  in  den  statistischen  Schriften  sehr  von 
einander  abweichen  ,  rmd  wenn  Länder  wegen  solcher  unrichtigen  und  übertriebenen 
Daten  in  Kriegszeiten  vom  Feinde  hart  mitgenommen  werden  bj. 

Zur  Bestätigung  der  Bemerkung,  dass  es  grosse  Varianten  in  Hinsicht  auf  die  Be- 
stimmung der  ÖfTenllichen  Einnahme  der  eiuopäischen  Staaten  gebe,  mag  n.ichstehen- 
de  Übersicht  der  Einkünfie  der  einzelnen  europäischen  Staaten  nach  den  Angaben 
zweyer  rühmlich  bekannter  Statistiker,  deren  Werke  1822  erschienen,  hier  Platz  finden. 

Nach  Galletä  cj.         Nach  Hassel  dj. 

Nalinien  der  Staaten.  Einkünfte  in  Conv.  Gulden.     Einkiinftc  in  Couv.  Gulden. 

Brittisches  Reich 436,5oo,ooo  629,789,000  ej 

Frankreich 2g3,3oo,ooo  343,62g,oo5 

Deutsche-Bund  mit  Österreichs  imdPreus- 

sens  deutschen  Provinzen     ....  2o6,5oo,ooo  206,782,880  fj 

Osterreich 1^5,000,000  I25,ooo,ooo 

nach  andern     , 160,000,000  gj 

Russland  mit  Polen il8,3oo,ooo  177,080,000  Z'^' 

Deutscher  Bund  ,    ohne   Österreichs    und 

Preussens  deutsche  Provinzen       .     .     98,600,000  96,283,880 


IV.  Finanieu.  §.  63.  hangorJuung  der  curop.  Staaten  in  fiueksicht 

Nach  Galletti. 

Nahmen  der  Staaten.  Eiukiiufte  iu  Conv.  Guldei 

Dazu  tragen  bcy: 

ßaiern 3o,6oOjOOO 

Hanover 10,000,000 

Sachsen iO;Ooo,ooo 

Wiirtemberg 9,350,000 

Hesscndaiinsladl 6,000,000 

Eadcn 5,278,000 

Ilessen-Cassel 4?ooo,ooo 

Holstein-Lauenburg 2,85o,ooo 

Mecklenburg-Schwerin 2,25o,uoo 

Braunschweig 2,25o,ooo 

Luxemburg 1,800,000 

Nassau i,55o,ooo 

Weimar l,5oo,ooo 

Hamburg l,5oo,ooo 

Gotha 1,320,000 

Holstein-Oldenburg l,2oo,ooo 

Frankfurt  a.  M 800,000 

Anhalt-Dessau 710,000 

Coburg 5oo,ooo 

Mecklcnburg-Strclitz     . 45o,ooo 

Anhalt-Bernburg 45o,ooo 

Lippe-Dctniold 400,000 

Bremen 400,000 

Lübeck  .^ 400,000 

Waldeck 400,000 

Reuss ,  jüngere  Linie 35o,ooo 

Meinungen 325,ooo 

Schwarzburg-Sondershausen       .....  3oo,ooo 

Hohenzollcrn-Sigmaringen      ......  240,000 

Anhalt-Köthcn 23o,ooo 

Schwarzburg-Rudolstadt 220,000 

Lippe-S<"hauniburg 2l5,000 

Hildburghauscn 200,000 

Hcsscn-Humburg .200,000 

Reuss  ,  ältere  Linie l3o,000 

HohenzoUern-Hechingen  .     , 8o,ooO 

Liechtenstein 3o,ooo 

Niederlande 79^00,000 

Prcusscn 75,000,000 

Spanien 72;000,ooo 


ilircr  Eink'unlte 

Nach  IJussel. 


4o3 


Einkünfte  in  C" 


üuldi  1). 


3o,258,i53 
8,162,275 

11,000,000 
8,357,046 

4,997^092 

7,890,834  u 

3,900,000 

2,200,000 
2,5oo,ooo 

2,800,000 

i,5oo,ooo 

i,o5o,ooo 

i,5oo,ooo 

i,5oo,ooo 

750,000 

710,000 

600,000 

425,000 

45o,ooo 

480,000 

400,000 

375,000 

400,000 

370,000 

325,000 

200,000 

3oo,ooo 

320,000 

222,480 

21 5,000 

175,000 

200,000 

i3o,ooo 

120,000 

i,5oo,ooo  A./ 

54,280,000 

75,000,000 

55,039,418 

5i* 


4o4  I^'^-  Fiiiaii2'.ii-  §■  63-  Raiigorclnuiig  der  europ.  Stadien  in  Rucksiclit  ihrer- Eiuküni'lc. 

Nach  Galletti.  Nach  Hassel. 

INaliracn  der  Staaten.  Einkünfte  iu  Couv.  GulJeu.      Einküufte  in  Conv.  Gulden. 

Osmanischcs  Reich 40,000,000  4o,45o,5oü  IJ 

Beycle  Sicilien 00,000,000  01, 655,1 55 

Saidinieii 21,600,000  25,946,5oo 

Poriiigal 20,000,000  33,000,000 

Schweden  mit  Norwegen  ...<...  i5,5oo,ooo  i3,4io,837 

Dänematk 10,200,000  10,000,000 

Kirchenstaat 7,5oo,ooo  8,000,000  mj 

Toscana      .     .     .     .     • 5;000,ooo  5,5oo,ooo" 

iModena l,75o,ooo  i,5oo,ooo 

Painia l,5oo^ooo  1,875,000 

Jonien 1,000,000  1,200,000 

Lucca 6uo,ooo                   700,000 

Krakan 277000                     333,120 

Hclvelien 120,000  «J 

San  Marino ÖOjOOO 

a)  S.  'Rredoivs  Chronik  des  ig.  Jahrhunderts.  iöo4.   S.  2oi   ff. 

b)  Diese  traurige  Erfahrung  hat  unter  andern  das  ehemalige  Erzstift  Salzburg  im  J.  1800  ge- 
macht. Es  wurde  ihm  die  ungeheure,  den  wahren  Ertrag  seiner  Einkünfte  «eil  übersteigen- 
de Contribulion  von  6  Mill.  Li\res  von  dem  französischen  Obergeiieral  Moreau  auferlegt  , 
welche  Summe  nach  solchen  unrichtigen  statistischen  Daten  berechnet  und  bestimmt  wor- 
den war.  S.  des  Reichs-Freyherrn  c.  Bleul  Sammlung  d('r  geographisch-statistischen  und  hie- 
rarchisch-publicistischen  Beiträge  über  das  vormalige  Erzslift  und  nunmehrige  Ilerzoglhum 
Salzburg.  Salzburg,  180Ü.  S.oo  ff.  Ich  kann  nicht  umhin,  aus  dieser  gehaltvollen  Schrift 
S.  3i  ff.  folgende  behcrzigungswerthe  Stelle  hier  anzurLilir(;n  :  ,,Eine  uiigliickliche  Folge  hier- 
von ist  es  dann  ,  dass  der  Werth  ,  welchen  die  Publiciliit  an  i!nd  für  sich  unstreitig  iiat,  von 
vielen  ganz  verkannt  wird.  Anstalt  den  erlittenen  ScJiaden  nur  den  Fehlern  und  Irrthiitnern 
zuzuschreiben,  welche  manchmal  in  öffentlichen  Schriften  aufgenommen  werden,  wird  sol- 
cher der  Publicitiit  selbst  zur  Last  gelegt,  da  doch  im  Grunde  genommen  dieselbe  keinem 
grösseren  Vorwurf  ausgesetzt  ist ,  als  jede,  aucli  die  beste  Sache,  nähmlich  dass  ein  übler 
Gebrauch  davon  gemacht  werden  kann.  In  der  That  scheint  mir  kaum  ein  Fall  denkbar  zu 
seyn  ,  wie  es  zumal  in  einem  mittleren  oder  kleineren  Staate  nützlich  söyn  könnte,  die 
Wahrheit  zu  unterdrücken,  oder  seine  eigentlichen  Rraflc  und  Ressourcen  zu  verheimlichen. 
Denn  auch  selbst  ein  grosserer  Credit,  welchen  man  liierdurrh  erhalten  willj  ist  dem  Staa- 
te schädlich,  wenn  er  auf  grössere  Kräfte,  als  das  Land  vvirklich  hat,  gebauel  wird." 

ä)  J.  G.  A.  Gallftli's  Allgemeine  Weltkunde  oder  geographisch-statistisch- historische  Über- 
sicht aller  liänder  etc.  Fünfte  Auflage  ,  nach  dem  neuesten  Zustande  umgearbeitet  und 
vermehrt  von  C.  Reiclianl.  Mit  fünf  und  zwanzig  General-  und  Si)ccialkarlen.  Pesth  u.  Wien, 
1822.  S.  ilj. 

d)  S.  die  seinem  Lehrbuche  der  Statistik  der  europäischen  Staaten  (Weimar  1822)  beygcfügte 
Tabelle.  Dieses  Tableau  Nveicht  jedoch  in  mehreren  Daten  von  den  Angaben  ab,  die  der 
Verfasser  in  dem  Texte  des  Ijehrbuchs  aufgestellt  hat.  So  ist  z.  B,  das  Einkommen  Russlands 
mit  Polen  (aber  ohne  Naturalien)  in  dem  Texte  des  Lehrbuchs  zu  i2o  Mill.,  in  der  Tabel- 
le zu  177,080,000  (1.,  die  Einnahme  Portugals  in  detn  Texte  des  Lehrbuchs  zu  20,7(^7.500, 
in  der  Tabelle  zu  33,ooojOOo  fl. ,   die    Einnahme  lianovers  in  dem  Texte  zu     11  —  i2  Mill.? 


IV.  Fiuanzcn.  §.  64-  BeytrUgc  jedes  Einzelnen  zu  den  Slaatsciiikiinftc«.  t^ui 

in  der  Tabelle  zu  8,162,275  fl. ,  das   Einkommen  Schwedens  und  iSo^^vl>gens   in   dem  Text« 
zu  i6,o2g,cjOi  ,  in  der  Tabelle  zu  i5, 410,837  fl.  angegeben. 

ö)  Aussei  den  Taxen,  welche  diese  Staafscinnahnie  abwerfen,  müssen  die  Engländer  noch 
jähilich  mehr  als  8  Mill.  Pi'.  Sr. ,  oder  80  Mill.  C.  fl.  (169.5  nur  665,ooo ,  1713  i,556,8o4, 
iöo5  4,267,000  Pf.  Sr.)  zur  Versorgung  der  Armen  beysteuern;  sie  müssen  den  Zehnten  und 
andere  Abgaben  an  die  Gastlichkeit  und  die  Kirche  entrichten ,  die  Landslrassen  ,  Canälc 
u.  dgl.  ans  eigenen  Mitlein  unterhalten. 

/)  In  dem  polit.  Journ.  Juny  j8i8.  S.  486  werden  die  Einkünfte  der  sämmtllchen  deutschen 
Bundesstaaten  auf  2oi,3^"g,o84  Conv.  fl.  angeschlagen, 

g)  In  dem  polit.  Journ.  Dec.  lÖig.  S.  lOÖi  werden  die  ösUrreichischen  Staatseinkünfte  zu  162 
Mill.  C.  fl.  angegeben. 

h)  Nach  Mensel  wurden  die  russischen  Staatseinkünfte  im  J.  1811  auf  2i5  Mill.  Rubel,  oder 
nach  dem  damaligen  Werthe  des  Rubels  ,  auf  ungefähr  iio3Iill.  C.  fl.  berechnet,  die  gegen- 
wärtig \vohl  bis  auf  i56  Mill.  fl.  gestiegen  seyn  mögen,  da  die  Einkünfte  von  Polen  auf  i2 
Mill.  fl.  (nach  andern  auf  8,000,000  fl  )  angegeben  werden. 

i)   Nach  dem  Budget  für   i8;-f  beträgt  Badens  Staatseinnahme  g,i85,288  fl. 

/■)  So  \vird  das  Einkommen  des  Fürsten  f.  Liechlenslein  aus  seinen  sämmtlichen  unmittelbaren 
und  mittelbaren  Besitzungen  in  der  oben  erwähnten  Tabelle  angegeben;  allein  das  eigentli- 
che sou\eraine  FUrstenihum  Ijiechtenstein  bringt  seinem  Herrn  kaum  3o,ooo  fl.  ein. 

/)  Andere  schlagen  die  Einkünfte  des  osmanischen  fieichs  auf  90,660  Beutel  zu  5oo  Piaster, 
folglich  45iö.5o,ooo  Piaster  an  ;  noch  andere  geben  nur  20  Mill.  Piaster  an;  dieses  gilt  aber 
nur  von  der  eigentlichen  Staatscasse  oder  Min  (Reichsschalz) ,  die  gemeiniglich  in  schlechten 
Umständen  ist.  Von  ihr  ist  gmz  \erschieden  die  Kaisercasse  oder  der  Prl\alschalz  des  Sul- 
tans (Chasine),  in  den  die  Abgaben  Ägyptens  und  aller  zinspflichtigen  Staaten,  so  wie  die 
Zi.'lälligen  Einkünfte  fliessen  ,  die  von  Einziehung  der  Güter  gefallener  Grossen,  \on  Ver- 
ändeiungen  der  Ämter  und  von  Erbsch;<flen  kommen,  da  der  Padischah  natürliclier  Erbe 
seiner  Slaatsdiener  ist.  Diese  Gasse  ist  ungemein  reich,  wiewohl  die  Vorstellungen  von  an- 
gelüliten   Sälen  und  unendlichen  Schätzen  übertrieben  sind. 

fr)  V'or  drr  französischen  Revolution  —  meinen  andere  —  betrugen  die  päpstlichen  Einkünfte 
8 — 9  Mill.  Scudi;  jetzt  schwerlich  den  dritten  Theil,  da  uie  Zuflüsse  vom  Ausland,  \vegen 
Verarmung  und  Enlwöhnung  der  Gläubigen,  nicht  mehr  so  gross  sind. 

«)  Als  Gesammteinkünfte  hat  die  Schweiz  keine  Staatseinkünfte;  zu  den  gemeirisclialllichcii 
Ausgaben  in  ausserordentlichen  Fällen  sind  die  Geldbeyträge  der  Canlone  nach  ihrer  Bevöl- 
kerung ausgemessen ,  und  betragen  zusammen  54450"5  Sch\vcizer  Franken.  Dazu  contribui- 
ren  Zürich  7  4,000  ,  Bern  104,080,  Lucern  26.010,  Üri  n8o,  Schwyz  3oi2,  Unterwaiden 
1910,  Glarus  i6i5,  Zug  i25o,  Freyburg  i8.,6oo,  Solothurn  i3;56o,  Basel  22,950,  Schafl"- 
hausen932o.  Appenzell  9220,  St.  Gallen  39,45o ,  Graubündten  i2,ooo,  Aargau  48,200, 
Thurgau  22.800,  Tessin  18,040,  Waadt  5r),23o ,  Wallis  9Ö00,  Neuenburg  24>ooo  und  Genf 
22,000  Franken.  Zu  Bestreitung  der  Rriegskosten  besteht  eine  gemeineidgenossensche  Gasse, 
deren  Gehalt  bis  auf  den  Betrag  eines  doppelten  Geldcontingenis  anwachsen  kann.  Zu  Bil- 
dung dieser  Ivriegscasse  ist  eine  Eiiigangsgeliülir  auf  Waarcn  gelegt,  die  nicht  zu  den  nolh- 
uendigsten  Bedürfmssen  gehören. 

§■   64. 
Berechnung  des  Beytragss  eines  jeden  einzelnen  Individuums  in  den  euro- 
päischen Staaten  zu  den  Einkünften  derselben. 

Hr.  ^/'ojne  versuclite  es  zubercchnon,  wie  viele  Gulden  von  den  StaalsciMki'inf- 
ten  in  jedem  eiiropäisclien  Staate  im  Durchschnilt  auf  jeden  einzelnen  Kopf  zu 
rechnen  sejn  dürften.  Nach  ihm  zahlt  zu  dem  Staalsciakominen  jeder 


4o6  IV.  Finanzen.  $.  65.  Arten  der  Erhebung  der  Staatseinkünfte. 

i)  Briite 23^  Rh.  fl.  i3)  Lucchcse 5i  Rh.  H. 

o)  iViedeiiänder      ....  12I  —  —  14)  Jonier öi 

5)  Franzose g  —  —  i5)  Osmane 4i  —  — 

4)  Marinese 87 16)  PäpsUiche 4i 

5)  Deutsche  .     .     .     .     .     .  -jj 17)  Schwede        4i 

6)  Russe -jj;  —  —  18)  Toscanese 4i  —  — 

7)  Däne 67  —  —    ig)  Parmese 4  —  — 

8)  Porlngiese 6j 20)  Sicilier 3rr 

g)  Picusse 6  —   —  21)  Krakauer 3f 

10)  Spanier 5 

11)  Sardinier 5' 


12)  Österreicher 


—  —    22)  Modenese 3 

—  —    23)  Schweizer 27 


5t 


Jeder  Europäer  etwa  .  .  .  8j  —  — 
Allein  diese  Berechnung  ist  nicht  zuverlässig,  weil  sie  nur  auf  dem  Verhältnisse 
der  Bevölkerung  zu  derStaatseinnahine  beruhet,  und  auf  den  Ertrag  der  hier  und  da  be- 
deutenden Domaincn  und  Regalien,  so  wie  auf  den  Ertrag  der  Colonien  bey  den  See- 
mächten, keine  Rücksicht  nimmt.  Schon  desswegen  muss  auf  den  Kopf  ein  geringerer 
Sleuerheylrag  fallen,  als  angesetzt  Wdrden  ist.  Auch  dürfte  sich  das  Auffallende  jener 
vergleichenden  Angaben  wohl  sehr  mindern,  wenn  man  auf  den  Preis  der  nolhwcn- 
digsten  l^ebensmiilel  in  den  verschiedenen  Ländern,  und  auf  den  Stand  des  gewöhn- 
lichen Arbeitsverdienstes  eines  gemeinen  Mannes  sieht.  Nimmt  man  z.  B.  an ,  dass  in 
England  der  gewöhnliche  Tagelohn  eines  gemeinen  Arbeiters  auf  3 — 4  Schillinge  oder 
1  fl.  3g  kr.  bis  2  f.  12  kr.  steht,  wälirend  dieser  Lohn  in  Deutschland  gewöhnlich  nur 
zu  3o  bis  56  kr.  angenommen  werden  kann  :  so  stehen  sich  der  Engländer  und  der 
Deutsche,  lioiz  aller  scheinbaren  Ungleichheit  in  der  Belastung,  doch  so  ziendich 
gleich;  dem  Engländer  kosten  seine  23|  Gulden  jährlich  etwa  12 — 15  Arbeitstage, 
imd  bevnahe  ganz  dasselbe  kosten  dem  Deutschen  seine  ji  Gulden. 

§.  65. 

Arten  der  Erhebung  der  Staatseinkünfte. 

Die  Erhebung  der  öffentlichen  Einkünfte  geschieht  entweder  im  Wege  der  eige- 
nen Verwaltung  fRegieJ  oder  der  T^erpachtung.  Bey  dem  Selbstverwaltungs-  oder 
Regiesjsteme  ist  die  Erhebung  der  Einnahme  unter  einer  Menge  von  Beamten,  je 
nach  den  verschiedenen  Rubriken  der  Auflagen,  vcrihcilt.  Das  Heer  von  Steuer-,  Ac- 
tis-,  Zoll-  und  andern  Einnehmern  verschlinL't  einen  "rossen  Theil  der  Einkünfte,  er- 

'  ÖD 

höht  das  Staalsbcdürfniss,  also  den  Slaatsanihcil  an  dem  ISatioualvermögen,  und  ver- 
mindert folglich  das  Nationalvermögen.  In  Giossbvltannitn  z.  B.  rechnet  man  die 
Zahl  der  zu  llerbevschaffung  der  Steuern  angeslelUcn  Individuen  auf  11  — 12,000, 
und  die  Eiliebnngskosten  selbst  auf  12,411,000  Cunv.  Gidden.  In  Franhveich  schlägt 
in;:n  die  Zahl  der  bey  den  droits  reunis  angestellien  Beamten  allein  auf  nicht  weniger, 
ids  2i,3ooKöpfe  an.  Im  J.  181g  wurden  beym  französischen  Tabaksgefälle  beynahe 
3^  Fr.  an  Kosten  erfordert,  um  1  Fr.  an  Aligaben  zu  beziehen.  Denn  der  Tabakver- 
kauf brachte  in  demselben  Jahre  deuStaaiscassen  einen  reinen  Ertragyon42,oo3,3oo  Fr. 


IV.  Finanzen,  f.  65.   UuteiscI.  zwischen  dem  Hau.shallc  Jis   Privatmannes   ii.   d.ni  St.nat.sl).inslialts.        40-: 

ein ,  während  die  Brullo-EinnaLnie  145  Millionen  Ijctrng.  Dai^ej^cn  vemündert  das 
V^erpachtungssj Stern  zwar  die  Ei  liehungskoslcn  ,  also  die  Masse  der  Anflogen  scllist; 
allein  man  tadeil  die  Härte,  mit  der  die  Pächter  gewöhnlieh  die  Auflagen  heytreibi'n ^ 
und  die  Erpressnngen ,  die  sie  sich  dabey  crlanhen.  Ühiigens  werden  die  Einkünfte 
eines  Staates  nach  folgenden  Grundsätzen  berechnet:  die  volle  Einnahme,  wie  sie  ein- 
geht, bestimmt  den  Begriff  der  Brutto-Elnnahme.  Der  Begritl'von  reiner  C)A.ov  Nefto- 
Einnahme  ist  doppelt.  Im  engeren  Sinne  versieht  man  unier  Nello-Einnahmc  die  Re- 
venuen eines  Produclions-Ohjects,  nachdem  davon  sämmtliche  Elalsausgaben ,  mit- 
hin nicht  nur  die  Perceplions-  und  Administralionskosten,  sondern  auch  die  sonstigen 
etatsmässigcn  Ausgaben,  die  auf  diesen  Fonds  haften,  abgezogen  sind  ,  so  dass  das 
Übrigbleibende  alsdann  zur  weitem  Disposition  des  Landesherrn  verbleibt j  im  weite- 
ren Sinne  aber  begreift  Netto  die  gesammte  Einnahme,  wenn  bloss  die  Perceplions- 
koslen  in  Abzug  gebracht  w  erden. 

§.  66. 

Grundsatz  des  Unterschiedes  zwischen    dem    Haushalte    des  Privatmannes 
und  dem  Staatshaushalte. 

Bekanntlich  befolget  mau  beym  Slaalshaashalle  ein  entgegengesetztes  ^  erfahren 
von  dem  in  Privathaushaltungen.  Der  Privatmann  muss  von  seiner  Einnahme  ausgehen; 
nur  darnach  darf  er  seine  Ausgaben  einrichten.  Beym  Staate  ist  es  umgekehrt.  Hier 
wird  das  Einkommen  nach  der  Ausgabe  bestimmt,  und  die  Bestimmung  des  Betrags 
des  erstem  vorangesetzt.  Es  fragt  sich  hier  zuvörderst,  was  der  Staat  durchaus  bedarf? 
Dass  dem  so  seyn  müsse,  liegt  in  der  Nalur  der  Dinge,  und  wird  niemanden  auffal- 
len, der  das  Wesen  und  den  eigenthümlichen  Charakter  des  öffenllichen  Hauslialis 
kennt.  Obgleich  den  Finanzhehörden  kluge  Sparsamkeit  und  Schonung  der  Unlerlha- 
nen  anbefohlen  wird :  so  sieht  sich  der  Staat  dennoch  oft  in  solche  unvorhergesehene 
Umstände  versetzt,  dass  er  von  den  Unterthanen  neue  und  grössere  Opfer  noilige- 
drungen  fordern  muss.  Diese  Opfer  dürfen  jedoch  den  wahren  Ertrag  der  Einkünfte 
der  Unterthanen  nicht  in  dem  Grade  übersteigen,  dass  diese  in  Gefähr  kommen  könn- 
ten, darüber  zu  Grunde  zu  gehen.  Denn  das  erste  Augenmerk  der  Regierung  bey  al- 
len finanziellen  Operationen  und  Calculalionen  muss  auf  die  Bcylragsfähigkeil  der  ün- 
terlhanen  gerichtet  seyn. 

§-  67. 

Staatsbedürfnisse;  Gegenstände  des  Aufwandes. 

Die  Alisgaben  aller  monarchischen  Staaten  werden  diuch  1)  den  Aufwand  des 
Hofes;  2)  den  Aufwand  des  Staates  verursacht.  Jener  besieht  in  dem  Unterhalte  des 
Regenten ,  seiner  Familie  und  seines  Hofstaates ,  auf  eine  der  Würde  des  Staates  und 
dem  Umfange  des  Aalionalvermögens  angemessene  Weise.  Dieser  (der  Aufwand  des 
Staates),  der  auch  in  den  Republiken  Stall  findet,  zerfällt  m  den  Aufwand: 

a)  Für  die  höchsten  und  die  nntergcordnelcn  Behörden  und  Beamten  der  inne- 
ren E.egierung,  der  Justiz,  der  Pulizey  und  der  Finanzen. 

h)  Für  die  Staatspensionen  und  die  Zinsen  der  öffentlichen  Schtüd. 


4o&  IV,  Finanzen.  §.  67.  Staatsbediurnisse:  Gegenstände  des  Aufwandes. 

c)  Für  die  allgemeinen  Staalsanstalten.  als:  fdr  den  Cultns,  für  Erziehung  und 
Unterricht,  Wissenschaft  und  Kunst,  innere  Sicherheit,  Gesundheit  und  Wohlthä- 
tigkeit,  Cultur  und  Industrie^  Wasser-,  Brücken-,  Canal-  und  Strassenhau,  für  da* 
Steuer- Caiasler  n.  s.  av. 

d)  Für  die  äussere  Sicherheit:  Land-  und  Seemacht  (Armeen  und  Flotten). 

e)  Endlich  für  die  auswärtigen  Angelegenheiten  und  das  diplomatische  Corps 
^diplomatischer  Aufwand). 

Unter  diesen  Gegenständen  des  öffenlhchen  Aufwandes  nehmen  die  Kosten  für 
Aei\  Militär-Etat  in  den  mehresten  Staaten  Eiuopa's  den  vierten  oder  dritten,  in 
manchen  die  Hälfte,  und  verhunden  mit  dem  Aufwände  für  den  Marine-Etat  hey  den 
Seemächten,  üher  zwey  Drittheile  der  gesammten  Einkünfte  weg.  Nächst  diesem  Auf- 
wände verschlingen  die  lästigeu  Zinsen  der  Staatsschuld  in  den  meisten  Staaten  un- 
sers  Erdlhcüs  den  grössten  Theil  des  Slaatseinkoaunens;  nur  ia  Grosshritannien ,  als 
dem  allerverschuldetsten,  aher  auch  dem  allerreichsten  europäischen  Staate,  über- 
steigt der  Aufwand  auf  die  Interessen  der  Staatsschuld  die  Ausgaben  für  den  See-  und 
Militär-Etat  aj. 

Zum  Glück  führt  gerade  der  stärkste  Aufwand  der  europäischen  Staaten  die  Sum- 
men schnell  und  höchst  voriheilhaft  zu  den  Unlerthanen  zurück.  Seitdem  wir  unsern 
Kriegern  den  Sold  in   l)arem  Golde  reichen,   wurde   der  Stand  derselben  zu  einem 
höchst  nützlichen  Triebrade  in  der  Circulation.  Er  bewirkt  und  unterhält  eine  zweyfa- 
che  Arbeit.  ^Vir  müssen  arbeiten,  um  unsere  Krieger  bezahlen  zu  können;  wir  arbei- 
ten aber  auch,  um  unsern  Kriegern  das  Geld  wieder  abnehmen  zu  können,   was  wir 
Urnen  gereicht  haben.  Wir  geben  ihnen  ein  Auskommen,  und  erhalten   von  ihnen  ein 
Auskonmien ,  w  as  der  Krieger  nicht  giljt,  dem  sein  Unterhalt  in  Naturalien  gereicht  wird. 
ü)  So  erforderten  die  Zinsen  der  briltischen  Staatsscliuld  im  J.  181B  290   Mil!.,  die  Reduction 
der  Schuld  i4oMill. ,  die  Flotte  kostete  dagegen    in   demselben   Jaiirc  nur  645750,000  ,  und 
die  Armee  96  Mill.  Gulden:  die    Ci\illiste   betrug   11,916,000,    und  die  sonstigen  Ausgaben 
94vi54.ooo  fl. ,  zusammen  erforderten  die  britlischen  Slaatsausgaben  im  J.  1818  697,100,000, 
und  im  J.  1821  582  Mill.  210, noo  fl. ;  sie  übersteigen  meistens  die  Einnahme. 

In  Frankreich  betrug  das  Budget  der  Ausgaben,   so  wie  es  in  der  Sitzung    der   Deputirten 
am  22.  Jan.  1820  \orgelegt   worden,  739, 71::, 760  Franken.  Davon  waren  angesetzt: 

für  die  Ci\il!iste  (mit  g  IMiU.  für  die  Prif.zen) 04,000,000  Fr. 

consolldirtc  Schuld  und  die  Amortisalionscasse  .  .  .    228,34i)O0O  — 

—  —  Leibrenten    1  i,5oo,ooo  — 

—  —  Slaalspensionen  *)    67,000,000  — 

—  —  Zinsen  für  Caulionen 8,000,000  — 

—  das  Jusiizministerium 18,000,000  — 

--  —  Minisleriuin  des  Äussern 8,000,000  — 

—  —  Ministerium  des  Innern io4j340)Ooo  — 

—  —  Rriegsininisterium     i84)70o,ooo  — 

—  —  Marinenn'nisterium /ibiQOOiOoo   — 

—  —  Finanzministerium ii5,i8i)55o  — 

Im  Jahre  181g  bciiefsich  die  Gesammtausgabe  auf  874.5g5.g75,  im  J.  1821  auf  682,021,745, 
und  im  J.  1822  auf  8go.ooo,o33  Franken  oder  543  Mill.  6.'g,ooo  fl. 
*i  Die   den  Mit-lledoi-n   der  Depulirtenkammer   mitgellieilte    Liste    der    Slaalspensionen,    die  bis  zum  1.  September    1817 
be\in    liönigliclien    Sclialae    angewiesen    waren,  liillle    nicht    weniger   als  lü  Quartbande,  jeder  von  buo  Seiten.    Die 
Zahl    der  Pcnsiünirten  bclief  sieli  auf  190,205  ludividucu.  Siehe  Oestcrr.  bcuh.  INr.  340.  1817.  S.  »777. 


IV    rm.ni/iii.   f.  67.   Staalftl)edürfniss<- :   Gegrn>liindc  (ks  Aufwandes.  419 

In  Spanien,  wo  das  erste  Biulgi't  im  J.  1817  bekannt  gemacht  wurde ,  belnif^en  die  Gc- 
sammtausgaben  für  das  Finanzjabr  18^-^  701,802,304  Realen  oder  70,180,230  (1.  (woruiilei 
jedücb  die  Zinsen  für  die  grosse  Slaatsscliuid  fclden).  Da\ün  komen  : 

auf  den  königlirhen   Haus.-  und   Hofbalt 44,090,000  Realen. 

—  das  Ministerium   (b's  Äussern    12,000,000        — 

Ministerium  des  Innern 8,4it>,375       — 

—  —  Ministerium  der  überseeischen  Provinzen i,3G8,235       — 

Justizministerium   i  i,i3i,i  10       — 

—  —  Finanzministerium    i73,3r)i,6Dr)        — 

Kriegsministerium 355,45o,gif7        — 

Märineministerium 96,000,000        — 

Für  das  Finanzjahr  1822  waren  die  spanischen  Staatsausgaben   aul  86i,5yi,64J  Realen  oder 
86,169,164  fl.  veranschlagt. 

Das  Budget  der  Ausgaben  in  den  Niederlanden,  für  das  J.   i8i6  belief  sich   auf  die  Summe 
\on  82  Mill.  H.  Da\on  waren  angesetzt: 
für  die  CiviUiste 2,600,000  fl. 

—  —   obern  SlaatscoUegicn 1,220,000  — 

—  das  Departement  des  Sta.itssecretarials 33o,ooo  — 

■ —  —  Dept.  der  aus\värtigen   Angeleg»>fiheiti'n   890,000  — 

Dept.  der  Justiz 4,000,000  — 

Dept.  des  Innern 2,5oo,ooo   — 

—  —  Dept.  des  reformirten  und  andern  Cultus i,3io,ooo  — 

Dept.  des  katholischen  Cultus    1,000,000  — 

Dept.  des  öß'enllichen  Unterrichts    , 1,000,000  — 

Dept.  der  Finanzen  und  öffentlichen  Schulden 23,5oo,ooo  — • 

—  —  Dept.  der  Marine    6,i5o,ooo  — 

—  —   Dept.  des  Krieges    29,000,000  — 

—  —  Dept    des  Waterstaates   (Wasserstaates),    d.  h.  der  Deiche,  Dämme, 

Schleussen  ,  Can'ale  und  andern  öffentlichen  Arbeiten 5, 000, 000  — 

Dept.  der  Colonien  und  des  Handels    2,55o,ooo  — 

Unvorhergesehene  Ausgaben    65o,ooo   — 

Im  J.  1817    betrugen   die    Gesammtausgaben    des   Königreichs  der  iSiederlande  73,400,000, 
1818  74,000,000,  1819  72,703,344,  1820  71,867,588  fl. 

Den  Bedarf  des  russischen  Staatshaushalts  im  J.  1811  berechnete  Hr.  t>.  VFichmann  aui  2'i\ 
Mill.  Rubel.  Davon  fielen 
auf  den  Etat  des  Kaiierhauses    über     10     Mill.   Rubel. 

—  —  Civilelat   gegen      11       —         — 

—  —  Etat  des  Ministeriums  des  Innern über     2i-^     —         — 

—  —  Etat  des  Ministeriums  der  Volksaufklärung    gegen        2       —         — 

—  —  Etat  der  übrigen  Ministerien über      i3^     —  — 

—  —    Etat  der  Wassercommunication    über        i        —  — 

—  —  Etat  des  Heeres  und  der  Flotte g^g^'n   127       —  — 

—  —  Etat  der  Gou\ernemcntsverwa!tung über     i5       —  — 

—  —  Etat  der  diplomatischen  Verhandlungen über       2       —         — 

—  —   Etat  der  Geistlichkeit ". über        2       —  _       u    s.  w. 

Die  Ausgaben  Schwedens  erforderten  1818  4,430,369  B,  Thlr.  oder  9.691,432  C.  fl.  Da- 
von kamen  auf  den  Huf  :'65,859,  auf  den  Civilctat  554,167,  auf  das  Militär  und  die  Flot- 
te 2,471,049,   auf  ^jchranstaltea   und    Künste   i6,452 ,   auf  milde  Stiftungen   und    Pensionen 


4lo  IV.   Finaii7.cn.  §.  67.   Staatsbedurfnisse  ;    Gegeusia'icle   düs    Aufvvjudca. 

49,o32  ,  auf  Ackerbau,  Gewerbe  und  Handel  100,000,  auf  Reichstagskosten  5o;00o  B.  Thlr. 
u.  s.  \v.  An  den  vorigen  König,  Gasiao  IV.,  zalilt  die  Nation  jährlich  3o,5oo  Rthlr. ,  und 
36, 166  Rthlr.  bezieht  derselbe  aus  seinen  Prix  algük'rn  in  Schweden.  —  Der  StaalsbedarfiYor- 
wegens  belief  sich  nach  dem  Budget  für  das  J.  1B17  auf  1,45-, 100  Spec.  Thlr.,  worin  die 
Civilli^te  mit  1 20,000  Spec.  Thlr.  berechnet  ist.  Im  J.  1818  betrugen  die  Ausgaben  Norwe- 
gens  1,597,270  Spec.  Thlr.  oder  3,4io,ü57  C.  fl. 

Der  Bedarf  des /)ra<ss/5c/(en  Staatshaushalts  für  1821  ist  folgendergcstalt  bestimmt:  1)  für 
das  Staatskanzellariat  und  die  höchsten  Cenlralbehörden  i5o;825  :  2)  für  das  Ministerinni  der 
auswärtigen  Angelegenheiten  und  das  diplomatische  Corps  900,000  ;  3)  für  das  Ministerium 
des  Cuitiis  und  öffentlichen  Unterrichts  3..ooo,ooo;  4)  für  das  Ministerium  der  Justiz  i,6in,5oo; 
5)  für  das  Ministerium  des  Innern  3,400,900;  6)  für  das  Ministerium  der  Gewerbe  und  des 
Handels  2,36i,5oo;  7)  für  das  Ministerium  des  Kriegs  34,2o6,45o  ;  8)  für  das  Ministerium 
der  Finanzen  408, i5o;  0)  für  das  Ministeriimi  des  Schatzes  i,639,o55;  in)  für  die  Staats- 
schuld i5,2i4,.'ioü;  11)  für  Pensionen  4,o5o,ooo;  i2)  für  die  Provinztalcollegien  3, 760, 000  ; 
i3)  für  die  Landgestüte  240,000,  und  14)  für  Ausfälle  2,65f),ooo,  zusammen  76  Mill.  fl. , 
worunter  jedoch  die  Rubrik  Civilliste  mit  3,760,000  fl.  fehlt.  S.  Hassel's  Lehrbuch  der  Sta- 
tistik der  europaischen  Staaten  a.  a.  O.  S.  107. 

Nach  dem  Budget  von  Baiern  für  das  Jahr  187I  belief  sich  der  Slaatsaufwand  dieses  Kö- 
nigreichs auf  54  ■969,187  fl.  Davon  betrug  der  Au&vand  1)  für  den  königl.  Haus-  und  Hof- 
halt und  die  Appanagen  2,745,000;  2)  für  die  Staatsschuld,  und  zwar;  für  die  Verzinsung, 
die  Pensionen  aus  der  Säcularisation  und  Mediatisalion  u.  s.  w.  7,366,987;  3)  für  Passiv- 
Verzeichnisse,  Nachlässe  und  ruhende  Gefälle  844,400;  4)  für  den  Staatsrath  78,400;  5)  für 
das  Slaatsministcrium  des  Hauses  und  des  Äussern  692,000 ;  6)  für  das  Staatsministerium  der 
Justiz  1,844.000;  7)  für  das  Slaatsministerium  des  Innern  1,420,400;  8}  für  das  Staatsmini- 
sterium der  Finanzen  996,500  ;'g)  für  den  Militär-Etat  (das  Staatsniinisterium  der  Armee, 
die  Gensd'armerie  und  das  topographische  Bureau)  8,700,000;  10)  für  allgemeine  (theils  zum 
Ressort  des  Staatsministeriuins  des  Innern  ,  theils  zum  Ressort  des  Staatsministeriums  der 
Finanzen  gehörige)  Staatsanstallcn  4,o(j5,2oo  ;  11)  für  Landbauten  1,020,000;  i2)  für  Staals- 
pensioneii  4)456, 5oo  ,  und  i3)j'für  Haupt-Picscrvcfonds  760,000  fl.  S.  Ausserordentl.  Beylage 
z.  A.  Z.  Nr.  1.  1820. 

Nach  dem  Budget  von  IVüilemberg  für  das  Jalir  i8',JJ  betrugen  die  Staatsausgaben  dieses 
Ivönigrelchs  ii, 212, 544  ü-  Davon  sind  aufgeführt:  1)  liir  den  königl.  Haus-  und  Hofhält, 
dieAppanagen  und  das  Witthum  1,171,186  ;  2)  für  die  Staatsschuld  2,027,282  ;3)  für  Staatspen- 
sionen 657,201  ;  4)  für  das  Staalssecretariat  und  den  Geheimen-Rath  79,064  ;  5)  für  das  Mi- 
nisterium des  Äussern  279.639;  6)  für  das  Justiz-Departement  420,585;  7)  für  das  Depart. 
des  Innern  461,507;  8)  für  das  Depart.  des  Kriegswesens  2,226,983  ;  cj)  für  das  Finanz-Depart. 
682,280;  10)  für  Wasser-,  Strassen-  und  Landbau  776,555;  11)  für  Reservefonds  260,000: 
12)  für  Verwaitiings-  und  Regiekosten  2,ogi,362,  und  i3)  für  temporäre  Stellen  98,910  fl. 
S.  Ausserordentl.  Beyl.  z.  Allg.  Z.  Nr.  1.  1820. 

Nach  dem  Budget  \on  Baden  für  das  Jahr  iS^^  betrug  der  Staatsaufwand  dieses  Grossher- 
zogthumcs  9,186,288  fl.  Daxon  fielen  unter  andern  auf  das  grossherzogliche  Haus  und  den 
Hofstaat  1,180,862,  auf  den  Militäretat  1,700,000,  und  auf  die  Verzinsung  der  Staatsschuld 
987,160  fl.  S.  Ausserordentl.  Be)l.  z.  Allg.  Z.  Nr.  1.  1820. 

Die  Ausgaben  der  Republik  Krakau  betrugen  1821  532,;62-fl.  oder  i,332,48o  poln.  fl.  J)a- 
von  kamen  unter  andern  auf  den  Senat  508,479,  auf  die  Ranzleyspesen  14,687,  auf  die  Ge- 
richte i38,2oo,  die  Universität  4o3,453,  auf  die  Miliz  und  Gensd'armerie  147,643,  auf  die 
Zinsen  4100,  auf  die  Wohllhätlgkeitsanstalten  53,oÜ2  ,  auf  die  Gefängnisse  40,746,  auf  die 
Beleuchtung  und  Reinigung  der  Hauptstadt  5o,ooo  poln.  fl.  u.  s.  w. 


rV.   riiiaii7.en.   f  68.  .Sfa;il.ss(  iiuldcn.  All 

§.  68. 

Staatsschulden. 

Der  Aufwand  atif  dcnlMilildr-  und  Alarino-Elal  ist  scLuu  im  Friodeu  in  den  euro- 
päischen Staaten  (s.  Ablh.  II.  §.  67.)  sehr  gross;  im  Kriege  aber  steigt  derselbe  so 
in's  Ungeheure,  dass,  naeh  der  jetzigen  Art  Krieg  zu  führen,  kein  Staat  im  Stande 
ist,  die  Kosten  aus  den  gewöhnhchen  Einkünften  zu  b-estreiten ,  oder  sogleich  durch 
Erhöhung  der  allen  Abgaljen ,  oder  durch  Auflegung  neuer  aufzubringen;  besonders 
erlaubten  die  in  unsern  Tagen  mit  so  grosser  Anstrengung  geführten  Kriege  den  Re- 
gierungen nicht,  sicii  auf  die  ausserordentlichen  Auflagen  zubescliränken,  da  es  einer 
Seils  immer  einer  gewissen  Zeit  bedarf,  che  der  Ertrag  der  erhölielen  oder  neuen 
Abgaben  aus  den  entfernlcn,  wie  aus  den  nähern  Provinzen  in  die  Gasse  des  Staates 
fliesst,  andererseits  die  kritischen  Augenblicke,  die  Zeit,  wo  der  ganze  Vorlheil  von 
der  aufgebrachten  Summe  gezogen  werden  könnte,  oft  schon  verschwunden  ist,  wenn 
erst  die  Einsammlung  in  den  entfernlcn  Theilen  des  Reichs  beginnt.  Die  Regierungen 
sahen  sich  vielmehr  durch  die  dringenden  Bedürfnisse  des  Augenblicks  in  die  Nolh- 
wcadigkeit  versetzt,  auf  andern  Wegen  für  die  Vermehrung  des  öfTentliehen  Einkom- 
mens zu  sorgen.  Sie  iiuiciiten  GebrnucJi  vom  Credit  j  indem  sie  sich  von  den  Geld- 
reichen des  In-  oder  auch  des  Auslandes  Gelder  datieilieii  liessen ,  oder  sie  schallten 
sich  selbst  eine  Art  Einkommen  dadurch,  dass  sie  Papiergeld ^  als  Stellvertreter  der 
Metallmünze  in  Umlauf  setzten,  und  damit  wie  mit  barem  Gelde  ihre  Bedürfnisse  be- 
strillen aj.  Daher  zwey  Hauptarten  von  öffentlichen  Schulden  in  den  europäischen 
Staaten  :  verzinsliche  Schuld  und  Papiergeld. 

Gegenwartig  hat  jeder  grosse,  und  auch  die  meisten  der  kleineren  Staaten  Schul- 
den. Der  giössle  Theil  von  Europa  ist  verschuldet,  liald  auf  die  eine,  bald  auf  die  an- 
dere der  erwähnten  Arten,  bald  auf  beydc  zugleich.  Der  allerverschuldelste  Siaat  aber 
ist  unstreitig  Grossbritannien  l>)  ^  da  es  nicht  nur  eine  belrächllichc  Landmacht,  son- 
dern auch  die  grösste  Seeniaclit  unterhält,  auch  in  unsern  Tagen  zur  Behauptung  sei- 
ner Unabhängigkeil,  so  wie  zur  Behauptung  der  Unabhängigkeit  von  ganz  Europa  Sub- 
sidien  cj  galj,  und  überhaupt  xVnslrengungcn  machen  und  ausgeben  musslc  dj ,  wie 
nie  zuvor.  JXächst  Grossbritannien  leiden  am  meisten  an  der  Last  ihrer  Schulden /vv////l- 
reich  ej  ^  die  Niederlande  JJj  Spanien  gj  _,  Oesterreich  hj _,  Preussen  ij  und 
Rnssland  kj. 

a)  Frankreich,  Österreich ,  Spanien,  Rnssland,  Dänemark,  Schweden,  Norwegen  und  Gross- 
brUannien  .^llul  diejenigen  Slaalen ,  wcirlie  in  neueren  Zeiten  das  Papiergeld  am  meisten  be- 
nutzt haben.  Diese  zvveyte  Art,  von  dem  Credit  Gebrauch  zu  machen,  unterscheidet  sich 
von  jener  erstem  darin,  dass  dabey  der  Staat  keine  Zinsen  zu  zahlen  liat ,  und  dass  daher 
das  Papiergehl  als  die  am  wenigsten  kostbare  Ressource  zu  Bestreitung  ausserordentlichen 
Aufwandes  betrachtet  werden,  freylich  aber  auch,  dass  dasselbe  durch  Übertreibung  im  höch- 
sten Grade  verderblich  \verden  kann,  ohne  die  Gefahr  der  Nachahmung  und  Verfälschung 
desselben  in  Anschlag  zu  bringen.  Die  französischen  Assignaten  sind  durch  ihre  ungemessene 
Vermehrung  (man  gab  ihren  Betrag  zu  45,5öi,4ii,6iÖ  Livres  an)  zu  einer  solchen  Werlhlo- 
sigkcit  herabgesunken,  dass  im  J.  1796,  als  die  Mandaten  eingeführt  wurden  .  ein  Ijouisd'or 
(24  Liv.)  2Ö,8oo  Li\.  in  Assignaten  galt.  —  Diese  Erfahrung  hat  sich  auch  in  O-iicrreich  be» 


2  IV.  Fiuanzeu.   ^.   68    SlaalsscIiuMLU. 

währt,  wo  die  Bancozcllel ,  die  in  den  eisten  Zeiten  und  bis  ifÖ"] -,  selbst  der  Melallmünze 
vorgezogen  worden  waren,  durch  ihre  progrebsi\c  Vermehrung  (von  i2  Blill.  (1  (im  J.  17G2) 
bis  auf  die  in  dein  allerhöchsten  Patente  vom  20,  Febr.  i8ii  aiigegebent'  Summe  \on  1060 
Miil.  798,-53  fl.)  einen  so  tiefen  Stand  (Cours;  erhielten,  dass  am  2.  July  1811  ein  Gulden 
Wiener-Bancozettel  kaum  noch  5-7  Kreuzer  Ct^nentionsgeld  galt.  (S.  Über.sichf  der  neuesten 
Geschichte  der  Wiener  ßancozettel;  in  den  Allg.  geogr.  Ephem.  1611.  Bd.  35.  S.  48Ö— 4g2). 
—  Eben  so -wuchs  iV\e  Summe  der  russischen  ßankassii^nalionen  ,  deren  Betrag  anTangs  100 
Mill.  Rilbel  war,  durch  fortschreitende  Vermehrung  im  J.  1810,  nach  y.  IV ichmann  ,  auf 
etwa  570  Mill.,  im  J.  i8i3,  nach  <'.  Siovch  ,  auf  577  Mill.  an  ,  und  schon  im  Dec.  1808  galt, 
nacli  KnJJ'ka  ,  der  Rubel  in  Banknoten  nicht  mehi  als  i2  Groschen  sächsisch.  —  In  Spanien, 
dessen  Zeiii>lmasse  man  auf  740,579,202  fl.  in  vales  reales  angibt,  stehen  diese  so  tief  unter 
dem  Nennwerlhe,  dass  sie  im  J.  1819  84 — Ö8  Proc.  verloren,  so  wie  die  in  Norwegen  cir- 
culirenden  Bankzeltel  (gegen  20  Mill.  Speciestlialer)  so  tief  gesunken  sind,  dass  sie  ,  nach  Cre- 
me ,  zu  4i  ,  nach  Hassel  aber  kaum  zu  i5  Proc.  des  Nennwerihs  umlaufen.  —  Will  ein  Staat, 
der  im  Drange  der  Umstände  Papiergeld  schafft,  sich  \  or  so  gefahilichen  Schritten  sichert^  : 
so  ist  es  kein  hinreichendes  Mittel,  für  eine  hinlängliche  Roalisationscasse  zu  sorgen,  da  ei- 
ne solche  durch  gar  zu  viele  Zufälle  erschöpft  werden  kann  ,  sondern  das  Pajjiergeld  noch 
ausserdem  durch  eine  solide  Basis  zu  sichern  ,  so  dass  jeder  Inhaber  eines  Zettels  sich  \  ersi- 
cliert  hallen  köi:ne,  der  Realwerth  sey  in  irgend  einem  festen  Gegenstande  \on  Werth  vor- 
handen ,  der  ihm  für  sein  repräsentirendes  Zeichen  vollkommene  Bürgschaft  leiste. 
b)  Auf  Befehl  des  Unterhauses  ist  am  Schlüsse  des  Jahres  1819  ein  Bericht  über  den  gesamm- 
ten  Bc\au(  der  Jundirten  Schuld  von  Grossbritannien  ,  mit  InLcgriflder  österreichischen  und 
portugiesischen  Anleihen,  wie  dieselbe  am  1.  Febr.  oder  5.  Jan.  in  jedem  Jahre,  \on  178G 
bis  1819  einschliesslich  war,  gediuckt  worden.  Der  Gesammtbelauf  der  uneingelösten  Schuld 
oder  des  unbezahlten  Capitals  im  J.  1786  war  258,23i,248  Pf.,  wovon  die  ganze  Belastung 
io,3o2,4<>2  Pf.  betrug.  In  den  Friedensjahren  bis  1795  sank  die  Schuld  allmählich  herab,  und 
betrug  noch  227,1^89,148  Pf.  Seiulem  stieg  sie  schnell  und  fortwährend,  und  am  5.  Jan.  •819 
betrug  die  Gesammtsumme  der  fuiidirten  Schuld  von  Grossbritannien  und  Irland  i,i8x,5o2,3f)a 
Pf.  St.  oder  ii,8i3,o23,62o  C.  fl. ,  wovon  eingelöst  389,607,049  Pf,  uneingelöst  791,867,315 
Pf.  Der  sinkende  Fonds  betrug  i5,8i5,0oo  Pf.,  und  die  gesammle  Belastung  mit  Einschluss 
desselben  45,749,296  Pf.  St.  S.  Allg.  Z.  Nr.  17.  1820.  Nach  einer  in  der  Beylage  z.  Allg.  Z. 
Nr.  io2.  1820  gelieferten  Übersirlit  der  fundirten  britfisciien  Staatsschuld  aber,  mit  Inbegriff 
der  österreichischen  und  portugiesischen  Anleihen,  belief  sich  der  Gesammtbetrag  derselben 
am  5.  Jan.  1819  auf  1,176.421,729  Pf.  St.,  wovon  unbezahltes  Capilal  794,999,803,  abbezahl- 
tes bis  zum  5.  April  1813  3^)1,421,926  Pf.  St.  ,  und  zwar  durch  den  Tilgungsfonds  355. 911), 835 
Pf.,  durch  Landtaxen-Vei kauf  25,002,093  Pf.  Der  Tilgungsfonds  betrug  i5,q63,848  Pf.,  und 
die  ganze  Belastung  mit  Einschluss  desselben  45,9g3.,o5ti  Pf.  St.  —  Eine  Schuld  heisst  /tin~ 
dirl ,  wenn  in  dem  consoÜdirten  Fonds  (s.  Abth.  II.  §.  62.  Note  a)  eine  eigene  Taxe  zur 
Bezahlung  der  Zinsen  dieser  Schuld  angewiesen  ist;  iinfundirl  oder  schwebend,  so  lange  diess 
nicht  geschehen  ist  Zu  dieser  Art  von  öfTentlicher  Schuld  gehören  vorzüglich  die  Ea:chei/iicr- 
oder  Schaizkanvnerscheine  und  ISapy-Scheine  oder  Scheine  der  Flottencassc,  die  zwar  auch 
Interessen  geben,  die  das  Parlament  jährlich  bewilligt,  aber  ohne  dazu  einen  beständigen 
Fonds  angewiesen  zu  haben.  Diese  Scheine,  deren  Betrag  sich  im  J.  1817  auf  5o  Mill.  Pf. 
St.  belief,  können,  da  der  Nähme  des  Gläubigers  nicht  darin  genannt  ist,  ohne  schriftliche 
Abtretung  durch  blosse  Einhändigung  auf  jeden  übertragen  werden,  und  circuliren  daher 
als  Papiergeld.  —  Die  fundirten  Schulden  sind  von  dreyerley  Art:  1)  Ja/i/re/iie/i  (Annuities), 
(1.  i.  Anleihen  unter  der  Bedingung,  dass  eine  bestimmle  Anzahl  Jahre  hindurch  dem  Gläu- 
biger eine  bestitnmte  (natürlich  höhere  als  die  gewöhnlichen  Zinsen)  Rente  anstatt  der  Zin- 
sen und  des  Capitals  gegi;ben  werde,    die  dann  nach   Ablauf  der  bestimmten  Zeit  zugleich 


JV.    Finn.17.011.    f   68.   Sl<<..l.,s.l,ul<lr,i.  4,3 

tnit  «lern  (japltal  ltHscIu.    2)   Lebens-  odiir  Leibrenten  ,  entweder   auf   einzelne  licben  ,  oder 
aufLoosc  von  Leben;  im  ersten  Fülle  erspart  der  Staat  mit  dem  Absterben  eines  jeden  ein- 
zelnen Annuitanten  .   was  seine  Annuität  betrug;  im  letzten  Falle,    bev  Toniinen ,  niuss  der 
Sijat  die  volle  Summe  zalilen  ,  bis  der  letzte  Anniiitant  stirbt.    3)  \y\^  immerwährende  Zinsen, 
ite/ienJe  Capilalicn  {Pt'rpdmüi's)  ,  d.i.   Scbnlden,   xvelcbc    als   Anlellieii  aufgenommen,    und 
regelmässig  verzinset  werden,  nur  dass  der  Gläubiger  sein  Capital  nicht  lainciigen ,  wobl  aber 
seine  F.irderung  (Stock)  veräussern  kann.    Diese   Art  fundirter  Scliulden   macbt   bey   weitem 
den  grösslen  Tlieil  der  brlttischen  Staatsschuld  aus.  Da  die  Inhaber  der  Stocks  nur  3  Procent 
Interesse  ziehen  ,  sie  nicht  zurückfordern  können  ,  und  doch  oft  ihres  Geldes  bedürftig  sind, 
oder  höhere  Zinsen  wünschen:   so  sind   diese  Stocks  ein    Handelsartikel  geworden,  und  stei- 
gen und  fallen  im  Preise.  —  Sinnlich  dargestellt   ist  die    Grösse   der  brluisc.hen   Staatsschuld 
im  4.  Bande  der  Minerva  von  Archcnholz.  i8o2,   S.  184  ff •  ?   unfl  in  C.  C.  Andrejs  statistischer 
UliiTsicht  und  Merkwürdigkeiten    der   eurojiäischen  und  aussereuropäischen   Staaten    a.  a.   O. 
S.  243  ff.  Nimtnt  man  dieselbe  in  Pfundnoten,  und  nur  zu  700   Mill.  Pf.  St.   an,  so  würde 
sie  eine  Oberfläche  von  45i6  QM.  bedecken,  und  in  Guineen  ,  eine  an    die  andere  goreihel , 
10,521  Meilen  ."168  Ruthen  weit  reichen.  Wollte  ein  Mensch   <liese  Schuld   zählen,  und   täg- 
lich, den   Sonntag  mit  eingerechnet,    zwölf  Stunden   z'j    dem    Zalilgeschäfte   anwenden:  so 
\\ürde  er,  wenn  er  jede  Minute    100  Guineen  zählte,    27  Jahre,  G  Monate,   i5  Tage  und  (i 
Stunden  brauchen,   bezahlte  er  sie  aber  aus  Bosheit  in  englischen  Penny's,  so  würde  es6(;4i 
Jahre,   7  Monate,    14  Tage  dauern,   dergestalt,   dass,  liätte   rnan    am   Schöpfungstage   ange- 
f.ingen,   und   bis   heute   fortgefahren,    so   blieb   noch    auf    1  i3i  Jahre  Arbeit  zu  thun.   Wollte 
man  diese  Schuld  auf  Rarren    fortschaffen,  jeden   mit   2eoo    Pf   beladen,  so    bedürfte  man 
7401  Rarren,  wenn  man  in  Gold  zahlte,  und  5,25o,ooo  ,  wenn  in  Rupfer.  So  unermesslich 
ahei  die  brittische  Staatsschuld  auch   ist;   so   sind    die  Gläubiger   (nach  einigen   17,000,   nach 
andern  25,ooo  an  der  Zahl)  doch   meistens    brittische  Unteillianen;   was  Ausländern   gehört, 
ist  verhältnissmässig  ganz  unbedeutend.  Am  5.  April  1807  berechnete  man  den   Gesatnmtbe- 
trag  ;\lles  dessen,  was  die  Ausländer  in  englischen   Fonds    besar.sen  .   nur   auf  34i658,795    Pf. 
St.  oder  346,587,930  fl. 
')  Nach  einem  officiellen  Verzeichnisse  hat  Grossbritannien  in  21  Jahren,  nähmlich  \on  1790 
bis   zu   Ende  des  Jahres    1814,    zusammen  461289,461  Pf  St.  Subsidien  bezahlt,  nähmlich: 
an   Osterreich    ii,o5i,547,    an    Portugal  g, 435,355,   an   Schweden    8,8ib,4ii,    an    Russland 
5,275,158,  an  Spanien  5,100,477,  an   Preussen  3,375,663,   an  Sicilien  2,616,666,   an  Manö- 
ver 2,280,107,  an  Hessen-Cassel  1,271,107,  an  Sardinien  592,000,    an    Baiern  501,017,  an 
den  Prinzen  \  on  Oranien  22o,ooc,  an  Frankreich  200,000,  an  Dänemark   121.917,    an    Ba- 
den 26,990,  an  Braunschweig  25;o86,und  an  Marocco  16,271  Pf  St.  für  das  Contingent,  wel- 
ches Maroccoim  ägyptischen  Rriego  gegen  Frankreich  stellte.  S.  Ost.  Beob.  Nr.  161.  i8i5.  S.  871. 
d)  Man  hat  ausgerechnet,  dass  der  Rrieg  gegen  Frankreich  seit  i793Grossbritaniiien  2000  Mill. 
Pf.  St.  gekostet  hat,  wovon  976,798,202  Pf.  St.  durch  Anleihen,  der  Überrest  durch  Abga- 
ben aufgebracht  wurde.  S.  Öslerr.  Beob.  Nr.  i2i.   1817.  S.  626. 
fl)  ^\e  französische  Staatsschuld  wurde  für  das  Jahr  1821  auf  i,263, 222,600  fl.  oder  0466  Mill. 
Franken  angegeben.  Die  Gesammtsumme  der  Ausgaben,    welche   Frankreich   in    Folge  der 
kurzen  Wiedererscheinung  Buonaparle's  auf  den  französischen  Thron  tractatenmässig  an  Un- 
terhaltungskosten für  die   alliirten   Armeen    und  an    Kriegsronlributionen  an    die    verbündeten 
Mächte  bestreiten  inussto,  stieg  auf  2000  Mill.  Fr.  (s.  Öslerr.  Beob.  Nr.  70.  1816.  S.  58i  ff.), 
ohne  die  Reclawationen  verschiedener  europäischer   Staaten    und  deren  Unlerthanen    in  An- 
schlag zu  bringen  ,  welche  ein  Capital  von  240,800,000  Fr.  in  Inscriptionen  ,  oder  eine  Ren- 
te von  12.040,000  Fr.  ausmachen,  die  vom  22.  März  iöi8  zu  laufen  anfing.  Um   diese  Zali- 
liMigen  leisten  zu   können,  mussle  die  französische  Regierung  in  England,  Deutschland    und 
den  Niederlanden  Anleihen  machen. 


4»4  IV.   Finauzcu.  §.  68.   Sta^itsschulJcu. 

j)  Die  niederländischen  Staatsschulden ,  welche  grössten  Theils  auf  Holland  haften  ,  betragen  , 
nach  Crome,  1,675,466,816  fl.  Sie  theilen  sich  in:  1)  die  aufgeschobene  Schuld,  wofür  kei- 
ne Zinsen  bezahlt  werden  =  i,i3i,ooo,i37  ß- i  2)  die  ac/iVe  Staatsschuld  ,  wofür  Zinsen  ent- 
richtet werden  =  610,000,000,  und  3)  die  belgische ,  von  Österreich  übertragene,  und  von 
Belgien  übernommene  Staatsschuld  =:34-466,679  fl.  Holland  war,  bey  dem  jälwlichen  Deficit 
in  seinen  Finanzen,  schon  lange  vor  der  Revolution  mit  Schulden  belastet.  Schon  1776  sol- 
len sie  sich  auf  967  Mill.  fl.  belaufen  haben. 

g)  Die  spanische  Staatsschuld  wurde  beym  Ausbruche  des  Insurrectionskiicges  auf  7194  Mill. 
266,909  Realen  ,  oder  1720  Mill.  Fr.  angegeben  (s.  Götting.  gel.  Anz.  1814.  St.  104.  S.  iSSy), 
welche  Schuldenmasse  bis  zum  J.  1817  auf  11,157  ^I'"-  609,406  Realen,  oder  2  Mdliarden 
789,409,851  Fr.  angewachsen  ist,  wovon  die  conslitutirle  Schuld  sich  auf  6904  Mill.  662,886 
Realen  (1  Milliarde  47^'i65,72i  Fr.),  deren  jährliche  Zinsen  uß  Millionen  573,391  Realen 
(48,843,346  Fr.)  betragen,  und  die  schwebende  Schuld  ohne  Interessen  aufD2Ö2  Mill.  976,020 
Realen  (1  Milliarde  3i3,244,i3o  Fr.)  beläuft.  S.  Polit.  Journ.  1818.  Febr.  S.  i23.  Im  Jahre 
1821  ward  die  spanische  Staatsschuld  auf  12,000  Mill.  Realen  angegeben,  ohne  die  drey 
neuen  fremden  Anlehen,  die  auf  Spanien  lasten.  S.  Allg.  Z.  1821.  Nr.  196.  Die  Finanzen 
sind  in  diesem  Staate  jetzt  so  zerrüttet,  dass,  öffentlichen  Nachrichten  zufolge,  die  Truppen 
dem  drückendsten  Mangel  ausgesetzt  sind,  und  die  Staatsbeamten  und  Magistrate  Monate 
und  Jahre  vorüber  gehen  sehen,  ohne  ihre  ungenügenden  Besoldungen  (nach  dem  neuen  Fi- 
nanzplane vom  3o.  März  1817  soll  keine  Besoldung  der  Staatsdiener  über  5ooo  fl.  steigen)  zu 
erhalten.  S.  Polit.  Journ.  1817.  S.  702.  Diese  Finanznoth  entstand  überhaupt  grössten  Theils 
aus  Fehlgriffen  in  der  Verwaltung;  denn  die  letzten  Regenten  waren  beynahe  alle  sehr  sparsam. 

/>.)  Österreich  hat,  um  einem,  aus  dem  allgemeinen  Systeme  des  politischen  Gleichgewichts  mit 
kühner  Übermacht.hervorgetretenen  Staate  sichere  Schranken  zu  setzen,  während  eines23jähri- 
gen  Kampfes  unter  allen  europäischen  Staaten  die  grössten  Opfer  an  Militärkräften  gebracht, 
und  unter  allen  Continental-Staaten  den  grössten  Aufwand  an  Finanzkräften  gemacht.  Es  befrem- 
det uns  daher  nicht,  wenn  die  öffentlichen  Schulden  dieses  Staates  sich  im  Jahre  i8i6aufi346 
Mill.  fl.  beliefen,  wovon  696Mill.  verzinsliche  (und  zwar  488MIII.  alte  und  2o8Mill.  neue,  seit  liSiö 
entstandene)  Schuld  war,  das  übrige  (nähmlich  65o  Mill.)  in  Papiergeld  (Einlösungs-  und  An- 
licipationsscheinen)  bestand.  Von  diesemPaplergelde  waren  bis  23.Si'pt.  1822  4o9Mill.  durchEin- 
lösung aus  dem  Urnlaufe  gezogen  und  öffentlich  vertilgt,  und  von  der  \erzinslichen  Staatsschuld 
waren  vom  ».März  1817  bis  Ende  Febr.  1821  80,104,292  d.  abgetragen.  Und  seitdem  wird  mit 
der  Einlösung  des  Papiergeldes  ,  so  wie  mit  der  Einlösung  der  öffentlichen  Obligationen,  oder 
der  Abtragung  der  verzinslichen  Staatsschuld  fortgefahren,  so  dass  alle  Staatspapiere  nach  ihrer 
Beschaffenheit  zu  i5 — 40  und  mehr  pCt.  steigen.  S.  ^/«(/(e's  Statist.  Übers,  etc.  a.a.  O.S.47 — 56. 

7)  Die  preussische  Staatsschuld  schlägt  J'oiglel  zu  180  Mill  Thaler  an.  Nach  dem  Polit.  Journ. 
1818.  S.  527  ff.  beträgt  sie  i4o  Mill.  Thaler,  wovon  2o  Mill.  schwebende  Schuld.  Hassel 
gibt  sie,  mit  Einschluss  der  sächsischen  Schuld  und  der  Tresorscheine,  auf  287,101,101  , 
Ga/Ze»t  auf  325,000,000  ,  und  das  Oppositionsblatt  auf  400  Mill.  11.  an.  S.  Ergänzun^sbl.  z. 
A.  L.  Z.  1818.  Nr.  297.  S.  673  ff.  Nach  Crome  beträgt  sie  über  400  Mill.  fl. 

k)  Die  russische  Staatsschuld  gibt  Crome  zu  600,  Gallelli  zu  1000  Mill.  Rubel,  wovon  der 
grösste  Theil  jedoch  in  Papiergeld  besteht,  an.  Nach  Hassel  beträgt  sie  227  Mill.  5o5,475  fl. 
Sie  zerfällt  in  drey  Bestandtheile:  Schulden  auf  Termine,  laufende  Schulden  und  holländi- 
sche Schuld,  welche  letztere  am  i3.  Sept.  1817  sich  bey  Eröffnung  der  Amortlsalions-Gasse 
auf  5o,6oo,ooo  belief,   und  bis  zum   i3.  Jan.   1820  um   1  Mill.  vermindert  war. 

Die  Staatsschulden  der- übrigen    europ.  Staaten  werden  zu  folgenden  Beträgen  angegeben  : 

Kirchenstaat    245, 000, 000  C.  fl.     Portugal 84,000,000  C.fl. 

Dänemark 120,000,000  —  nach   andern l2o,ooo,ooo  — 

Baiern 1 00,752,658  —       ohne  das  circulirende  Papiergeld. 


IV.    Fnanxcii.  §.  (ig.  Millel  ,  dii-   Fordcningin  di  r  !JU'il!>yl'iiibigcr  zu  befiiedigfii. 


4i5 


Bejde  Sicilicii 70,000,000  C.  fl. 

Osinanisches  Reich    bü, 666, 000   — 

Sardiniefi 60,000,0110   — 

Toscana 46,5oo,ooo  — 

Schiiieäen 34,4i2,o3i    — 

Sac.'i.ien 32,33o,256  — 

Hanoi'er 3o,ooo,ooo  — 

Würtemberg i(),g54,3i8  — 

nach  andern    2(),gi3,5o4  — 

Hamburg    i3,5oo,ooo  — 

^Jeckhnbuvg-Sclnverin    .  .  i2,ooo,ooo   — 

Hessen-Barmstadl ij,288,i54   — 

Baden 10,539,168  — 

nach  andern    16,000,000  — 

Nonirgen 8,760,000   — 

Braunsc/in-eig 7,000,000  — 

JS^assau 6,000,000  — 

Churliessen 4'!5oo,ooo  — 

Sac/isen-ff^cimar 4i5oo,ooo   — 

Bremen 4i5oo,ooo   — 

nach  andern    i,5oo,ooo  — 

Parma    4,000,000  — 

Die    übrigen   Staaten  haben    theils  keine 
nicht  bekannt. 


Sachsen-Gotha 

Frankfurt  a.  M ; 

Lübeck 

Anhall-Kölhen 

TValdeck   

Heli>elien    

Sachsen-Cuburg 

B.CUSS  ,  jüngere  Linie 

Sachsen-Ilildlnirghausen 

nach  andern    

Modcna.    

IIoJicnzoUern-Hecliingen 

Anhall-Deisau 

Li/ipe-Detmold 

Sachacn-Meinungen 

SchnJarzburg-Budohladl 

Schii-arzbwg-Sündershaiiien  .  . 

Anhalt -Bernburg 

Beuss  ,  ältere  Linie 

}\fecklcnburg-Slrelitz 

Krakaii 

oder  100,000  poln.  Gulden. 
Schulden,   theils  ist   der  Betrag 


3,000,000  C.  fl. 

3,000,000  — 

3,000,000  — . 

i,6üo,ooo  — 

i,5oo,ooo  — 

1,200,000  — 

1, 000,000  — 

1,000,000  — 

905,820  — 

700,000  — 

800,000   — 

700,000  — 

600,000  — 

5oo,ooo  — 

5oo,ooo  — 

5oo,ooo  — 

3oo,boo  — 

5oo,ooo  — 

3oo,ooo  — 

200,000  — 

25,000  — ■ 

ihrer  Schulden 


§•   69. 
Mittel,  die   Forderungen  der  Staats  gläubiger  allmählich  zu  befriedigen. 

Veniiitlclst  des  Sclmklenmacheiis  halien  sicli  die  europäischen  Völker  die  Millel 
und  das  Vermögen  ihrer  Nachkomnxenschaft  gleichsam  zugeeignet,  denErlrägen  kiinl- 
liger  Zcilränme  vorgegriffen,  und  dadurch  ihre  gegenwärtige  Kraft  auf  das  wunder- 
barste vermehrt'  dergestalt,  dass  sie  ohne  dieses  Mittel,  wohl  nicht  im  Besitze  ihrer 
Unahliängigkeit  wären  (5.  §.  68).  Aber  wenn  die  Schulden,  welche  die  europäischen 
Staatengemacht,  auf  der  einen  Seile  denselJien  erspricssliche  Dienste  geleistet,  dro- 
hen sie  ilmcn  dagegen  nicht  durch  ihre  Grösse  Gefahr  und  Zerrüttung,  und  welches 
sind  die  Mittel,  wodurcli  man  ihren  üliermässigen  Zuwachs  in  Schranken  zu  halten 
sucht?  Diese  Frage  deulct  auf  die  Bemühungen  hin,  welche  man  gegenwärtig  fast  in 
allen  verschuldeten  Staaten  wahrnimmt,  das  öffentliche  Schuldenwesen  zu  regidircn, 
und  den  Credit  zu  erhalten.  Man  bestrebt  sich,  die  öffentliche  Einnahme  so  zu  er- 
weitern, dass  nacli  Bestreitung  der  übrigen  Staatsbcdürfnissc  auch  noch  etwas  er- 
übrigt, um  damit  die  Fonlcrunücn  der  Slaats"läubi<;cr  allmählich  zu  befriedigen.  Zu 
diesem  Behufe  wird  an  öffentlichem  Aufwände  gespart,  werden  Domainen  veräussert 
oder  verpachtet ,  die  Zinsen  herabgesetzt,  wo  möglich  höhere  Auflagen  ausgeschrie- 
ben, oder  die  ausserordentlichen  Abgaben  in  ordentliche  verwandelt,  und  durch  die- 
.se  und  andere  zweckmässige  Mittel  sogenaimte  sinkende  Fonds  (Tilgungs-  oder  Anior- 
lisations-Fonds)  begründet,  wodiiich  die  Staatsschulden  nach  und  nach  zum  Sinken 
gebracht  und  getilget  werden  aj.  Vereiniget  sich  mit  dieser  weisen  "N'erwaltuiig  der 


4i6  IV.  Finanztu.  .J.  6g.  Mittel,  diu  Foidcriiugen   der  Staatsgläubiger  zu  befriedigen. 

Finanzen  endlich  auch  noch  sorgfältige  Vcinieidimg  aller  Kriege,  die  nicht  unum- 
gänglich nothwcndig  sind:  so  darf  man  sich  wohl  der  frohen  Hoffnung  hingeben,  die 
überspannten  Staalskcäfle  bald  in  das  Geleise  ihrer  natürlichen  Wirksajukcit  zunick- 
geselzt,  und  die  Staatsausgaben  wieder  auf  denjenigen  Fuss  gebracht  zu  sehen,  t.hnc 
welchen  der  alle  Wohlstand  des  Staates  nicht  zurückkehren  kann. 

u)  Der  erste  Tilgun^sstocJi:  (Sinking  Fund)  ward  in  Grossbrilannten  eingeführt,  wo  man  unter 
der  Regierung  Georgs  I.  auf  eine  bestimmte  und  kunstmässige  Verfahrungsart ,  die  Schulden 
abzutragen,  verfiel.  Ergründete  sich  auf  einen  gewissen  Überfluss  der  Abgaben,  und  auf 
Herabsetzung  der  Zinsen  der  Staatsschuld  ,  indem  man  den  Unterschied  zu  jenem  Zwecke 
bestimmte.  Man  hatte  den  Grundsatz  angenommen  ,  das»  der  Tilgungsfonds  immer  unver- 
letzt bleiben,  d.  h.  zu  keiner  andern  Absicht  als  zu  der  Lösung  der  Staatsschuld,  je  vorwen- 
det werden  sollte.  Aber  man  halte  nicht  die  Festigkeit,  bey  dem  löblichen  Vorsatze  zu  be- 
harren. Die  Folge  davon  war  unvermeidlich,  dass  die  Wirkungen  des  Sinking  Funds  unbe- 
deutend wurden,  und  sie  blieben  es  bis  1786,  in  welchem  Jahre  der  Plan  zu  dem  gegen- 
wärtigen Tilgungsfonds,  dem  Heiliglhum  der  Nation,  von  dem  berühmten  politischen  Arith- 
metiker Dr.  Price  entworfen,  und  von  dem  grossen  Pilt  zur  Ausfuhrung  gebracht  worden 
war.  Nach  jenem  Plane  wurden  jährlich  1  Mill.  von  den  Einkünften  in  den  Tilgungsftnds 
gelegt,  und  zum  Ankauf  von  Stocks  verwendet.  Ausserdem  wurde  er  vermehrt  duicb  die  er- 
sparten Zinsen  der  abgetragenen  Schuld  und  den  Ertrag  der  Leibrenten  abgestorbener  Per- 
sonen. Im  J.  1792  erhielt  der  Tilgungsschatz  eine  ansehnliche  Verstärkung  dadurch,  dass 
ein  iweylei-  gestiftet  wurde,  womit  er  zusammen  wirken  sollte.  Die  Quellen  des  letztern  be- 
standen in  dem  Abzüge  von  1  Procent  von  der  Summe  jeder  neu  gemachten  Geldanleihe.  Er 
vormehrte-slch  ,  wie  der  allere,  durch  die  ersparten  Zinsen  der  eingelösten  Summen,  und 
man  reehriete  darauf,  dass  auf  diese  Weise  jede  gemachte  Schuldanleihe  vermittelst  des  ihr 
zugehörigen  Til;.^ungsstocks  in  45  Jahren  abgezahlt  werden  könnte.  Diesem  Tilgungsstock 
ähnlich  ward  auch  ein  Tilgungsfonds  für  die  langen  Leibrenten  oder  Jahrgelder ,  d.  h.  sol- 
che, die  über  45  Jahre  hinausgehen,  gebildet.  Im  J.  1803  vereinigteman  alle  Sinking  Funds, 
und  machte  Einen  gemeinnchaflUchen  Tilgungsschalz  (a  General  Sinking  Fund)  daraus.  S. 
Götting.  gel.  Anz.  1818.  S.  838.  Er  betrug  im  J.  1819  i5,^)3,848  Pf  St.,  und  das  durch 
denselben  von  1786  bis  zum  5.  April  181g  abbezahlte  Capital  boläult  sich  auf  3.55,gi9,83o 
Pf  St.  (s.  §.  68.  Note  6),  obgleich  die  Umstände  es  nicht  immer  erlaubtem,  ihn  bloss  zur 
Abtragung  der  Slaatsschidd  zu  verwenden.  —  Nach  dem  Bc)  spiele  Grossbrilanniens  ward 
eine  ähnliche  Anstalt  zur  allmähligen  Abtragung  der  Staatsschulden  auch  in  andern  Staaten 
eingeführt.  So  besteht  z.  B.  in  Österreich,  Preussen  luid  B.\iern  ein  Tilguiigsfunds ,  in  Russ- 
land, Frankreich  und  Baden  eine  /l/norlisalions-Caase ,  in  Würlemberg  ein  Amorlisalions- 
Inslilid  u.  s.  w.  Der  in  Osterreich  seit  1817  bestehende  allgemeine  Tilgungsfonds  hat  die 
zweyfache  Bestimmung:  die  neue  Staatsschuld  (s.  §.68,  Note  /;)  vermittelst  coursmässiger Ein- 
lösung der  in  Conv.  M.  verzinslichen  Obligationen,  deren  Interessen  ihm  sofort  zu  Gute 
kommen,  allmählich  abzutragen  ;  dann  zur  Tilgung  <ler  allen,  in  Serien  eingetheiltcu  \er- 
zinslichen  Staatsschuld  vermittelst  der  zu  diesem  Endzwecke  ihm  aus  dem  Staatsschätze  zu- 
gewiesenen jährlichen  Tilgungs-Quota  von  2  Mill.  fl.  G.  M. ,  einen  gleichen  Capitals-Betr  ag 
einzulösen  und  öffentlich  zu  vertilgen.  Das  ganze,  durch  diese  beyden  Tilgungs-Operationen 
in  dem  Zeiträume  vorn  i.  März  1(317  ^'^  Ende  Febr.  1821  getilgte  Schuldcapital  beläuft  sich 
auf  8o,ioj,2g2  fl.  S.  Österr.  Beob.  Juny  1821.  —  Über  sinkende  Fonds  j  in  dem  Polit.  Journ. 
1818.  Febr.  S.  i54  fi.  Der  Verfasser  dieses  Aufsatzes  macht  die  Bemerkung,  dass  der  sin- 
kende Fonds  (Sinking  Fund;  eigentlich  senkender  Fonds  heissen  sollte ,  weil  er  nicht  selbst 
sinkt,   sondern  die  Staatsschuld  zum  Sinken  brlmrt. 


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^'^  £isin£,er,  Joseph  Constantin 

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