•■VC/
i^^^^^-
:1^.'^'^
«^
'•^
' ■■ 1>- »*f 'J=^ ^ I4vä^ •>»?* ■■ ■'
^^
/y>^.
^J
//
Vergleichende Darstellung
dmacht oder der Staatskräftc
fT^T^^ '
aller europäischen
Monarchien inid RepuJjliken.
In z w ey Ahtheilungen,
von denen die erste: das Land ^ die Urproduction j die industrielle und die
commercielle Production ; die zwejte: die Bewohner ^ die Geistescultur ^ die
Vertheidigungskr Lifte und die Finanzen der europäischen Staaten wnfasst.
Von
J. C. B i s i n g e r ,
Professor der Statistik an drr k. k. Tliuresiauischcu Kilterakademic zu Wien.
C. st. chlap, ref. real. gymnasium|
V «Ces. Oudejovioiob.
Uöltelskä knshovna.
1 Q. 'm.-
Pesth und Wien.
Verlegt bey C. A. Hart leben und gedruckt bey A. Strauss.
1823.
:u i .
^N.W
. -.*r. ^^V
-tit«^
HC
V
o r r e ci e.
Jrlein im J, 1818 unter dem Titel: j^T^ er gl eichende D ars telluTig dei-
Staatsverfassung der europäischen Monarchien itnd Republi-
ken' erschienenes Werk fand ^ seiner Mängel ungeachtet ^ idcht nur günstige
^ufnalime bej dem Publicum im In- und Auslande ^ sundern hatte auch das
Glück j des Allerhöchsten JVohlgefallens Sr. Majestät des Kaisers ^ meines aller-
gnädigsten Gebieters und Herrn ^ so wie einer huldvollen Auf merksamkeit Sr. Ma-
jestät des Königs i^on Baiern j gewürdiget zu werden.
Durchdrungen vom innigsten Danke gegen so huldreiche Monarchen j und
aufgemuntert sowohl durch Höchstderen allergnädigste Merkmale des Bej falls
und der Zufriedenheit ^ als ancli durch die vortheilhaften Urtheile billiger Rich-
ter _, wage ich es nun j eine vergleichende Darstellung der Grundmaclit oder der
Staatskräfte der europäischen Monarchien und Republiken heraus zu geben.
Der Plan ^ den ich dazu entwarft, zerfällt in zwej Abtheilungen. Die erste
handelt von dem Lande j der Urproduction j der industriellen und commerciellen
Production ; die zwejte von den Bewohnern j, der Geistescultur ^ den Vertheidi-
gungskräften und den Finanzen der europäischen Staaten.
Das Einzelne dieser Hauptrubriken zeigt die vorausgehende Inhalt s anzeige _,
welche zum bequemen Nachsuclien vollständig eingeric/itet und mit der Angabe
der Seitenzahlen j welche jeder Gegenstand einnimmt,, versehen ist.
Ueberall bestrebte ich mich dasjenige ^ was auf einen Staat zu seinem Vor-
theile oder Nachtheile wirkt ^ hervorzuheben ^ und auf diese Art mein Weik aus
dem Standpuncte der Staatswirthschaft ^ deren Wesen in der Weckung ^ Erhal-
tung und Benutzung der Staatskräfte besteht , zu bearbeiten.
fn wie fern ich diesen Zweck erreicht habe ^ muss ich dem Urtheile des Ken-
ners überlassen ^ dem die Schwierigkeiten dieses in seiner Art neuen Versuches
Tiicht entgehen werden.
Der ehrwürdige Veteran ^ der berühmte grossherzoglich-liessische geheime
Regierungsrath Crome zu GiesseUj, suchte zwar in seinem Werke: j^Allgemeine
Llebersiclit der Staatskräfte von den sämmtliclien europäischeti Reichen und Län-
dern" die staatswirthschaftliche Seite der europäischen Staaten besonders hervor-
zuheban ; allein dieses übrigens vortreffliche IVerk ist-^ iv/e der Hr. Verfasser
selbst darüber in der Vorrede S. XIL urtlieilt ^ lücht sjstematiscli geordnet j auch
nicht nach der vergleichenden Metliode j wie das vorliegende TVerk ^ sondern nach
der eth?iographische?i Methode bearbeitet. Her/' Crome und ich bemühten sich
alsoj die Staatskräfte der europäischen Staaten aus dem Gesichtspuncte der
StaatSH'irthschaft darzustellen j jedoch mit dem ü/iterscJäede ^ dass Hr. Crome
die Staaten einzeln nach einander j und von jedem für sich betrachtet die Staats-
inerkwnrdigkelten nach den Ilaiiptfächei-n beschreibt j, ich aber der natilrlicheji
Ord/iung der Gegenstände folge j und in Rücksicht jedes derselben von den Staa-
ten das Uebereinstimmende j AehnlicJie oder Verschiedene bemerke ^ durch Zu-
sammenstellung und Fergleichnng die Vorzüge und Mängel derselben wiirdige ^
und den FortJieU der scJineUeren Uebersicht gewähre.
Die Belege und jJutoren ^ deren ich mich bedient habe ^ sind Theils im Texte j
Theils in den Noten des Textes nachgewiesen. Gern würde ich dieses Werk ^ um
den tferth desselben noch mehr zu erhöhen _, mit einer besondern statistischen Li-
teratur und einem Verzeichnisse von Landkarten ausgestattet haben j, wenn ich
nicht dabej besorgt Iiätte j ein zu dickleibiges ^ Jolglicli zu tJieueres Buch zu
liefern.
Dass ich mich übrigens bey der Bearbeitung dieses TVerkes der besten Hidfs-
mittelj auch handschriftliclier und mündlicher Mittheilungen (wofür ich lUermit
meinen verbindlichen Dank abstatte J bediente ^ wiid jeder Kenner leicht bemer-
ken. Wenn sachkundige Leser noch manches verniisseii _, und manche Unrichtig-
keiten und Mängel entdecken: so hoffe ich um desto meJir auf Nachsicht Aiispruch
machen zu können j da man lürgends auf so viel Unzuverlässiges j idigends auf
so viele j und zum Tlieil auffallende Varianten j, als im FacJie der Statistik ^ stösstj
besonders wenn es um Bestimmung des Flächeninhalts „ der VolkszuJd. ^ des Vieh-
standes „ des wirthschaftlichen Ertrags j der Staatseinkünfte u. s. w. zu thun ist.
Ich bitte desswegen Kenner eines jeden Faches um ihre Erinnerungen und
Belehrungen j da ich nichts mehr wünsche j, als die Forderungen billiger Richter
nach und nach zu befriedigeUj, und die Brauchbarkeit meiner Schrift zu vermehren.
IVien 1 den 2. August 1822.
/. C. Bisinger.
n
t.
Erste j4bth eilung.
Das Land, die Urproduction , die Fabrication und dei' Handel der euro-
päischen Staaten.
1. Land der europaischen Staaten
Eintheilung Europa s.
1. a) vjreograpliische, oder nach den Ländern.
2. b) Politische , oder nach den souveraiuen
Staaten. .......
3. Grösse von Europa. .....
4. Bestandtheile und Classificirung der einzel-
neu europäischen Staaten, nach dem Gesichts-
puucle ihres Flächeninhaltes.
§. 5. Staaten der ersten Grösse.
$. 6. Staaten der zweyten Grösse. . . .
^. 7. Staaten der dritten Grösse, . .
§. 8. Staaten der vierten Grösse.
ij. Q. Gränzeu und Lage. .....
&. 10. Colonien. .......
Ausserenropäische Besitzungen.
I. Spaniens. .......
n. Grossbritauuiens. .....
in. Portugals
IV. Der Niederlande
V. Frankreichs. ......
VI. Danemarks. ......
VII. Schwedens. ......
VIII. Russlands
Obeijlächliche Beöcli.aJJ'eiiheU.
11 Gebirge. . *.
12. Höhcnleiter der erhabensten Puncle.
i3. Gletscher, Lawinen und Bergsturze.
14. Abdachung. ......
15. El)eueu. .......
16. Gewässer. . . . , . .
17. Meere und Meereugen. ....
18. Laudseen. .......
iq. Flüsse. Hauptflusse oder Ströme mit ihren
vorzüglicliereu Nebenflüssen.
§. 20- Küstentlüsse. ......
§. 21. Kuustflüsse oder Cauälc. ....
§. 22. Sümpfe und Moräste. ....
§. 23 — 24. Physisclies Klima. ....
■J. 25. Natürliche Fruchtbarkeit.
Seite
3
14
16
17
25
26
29
II. Urprodticlion.
a) Nat'irproducte aus dem l'ßanzenreiche.
26. (Kultur des Bodens. ..... 64
27. .\ckerbau. ....... 65
28. Hindernisse des Ackerbaues.
2g. Beförderungsmittel des Ackerbaues.
30. Getreidearten.
31. Futterkräuter.
32. Gartengewächse.
33. Baumfrüchte.
34. Slaudenfrüchte.
55. Weinstock (vitis vinifera).
Fabriken- und Handelsgewächse.
36. a) Flachs und Hanf.
37. b) Tabak
38. c) Färbe- und Gärbekräuter.
3g. d) Zuckerrolu-.
40. e) Baumwolle,
41. f) Öhlgewächsc.
42. g) Arzeneykräuter.
43. li) Verschiedene andere Fabriken-
delskränter.
44- Waldbäume oder Holz.
b) Naturproducte aus dem Th
4S. Viehzucht.
Sau,
Bäl«
§. 46. Pferdegescldecht.
§. 47' Rindvieli.
1^. 48. Schafe.
§. 4g- Ziegen.
§. 5o. Schweine.
§. 5i. Renntliiere.
§. 52. Hunde.
§. 53. Jagdthiere , und Thiere , deren
züglich genutzt werden.
2) Fögel.
a) Landvögel.
54- aa) Hühnerartige , zahme und wilde.
55. bb) Sangvögel. .
56. cc) Raubvögel.
b) Wasservögcl.
57. aa) Schwimmvögel.
58. bb) Sumpfvögel.
ög.
3) Aniphihii^u.
4) Fische.
60. Fischerey, .
61 ■ a) Knorpellisciu
62. b) Mit Graten
rselieue FiscUi
Seite
68
70
72
74
75
79
82
83
91
93
94
95
96
97
104
106
1x0
"4
ii3
116
1Z7
120
122
123
124
123
126
127
VI
1 t.
Seite
63. Wallfisclie. • . i3o §. 102. Pottaschesiedereycn; Bereiluug ilei Soda
Seite
VS. 6^ Robben i3i
5) Inseclcn.
§. 65. a) Nützliche l32
§. 66. b) Schädliche i34
§. 67. . . . 6) Jf'ürmei. . . . i35
c) Nulurproihu-le aus dem Mineralreiche.
§. 68. Borybau läy
a) Metalle.
f. 6g. aa) Edle. .
193
70. bb) Unedle. 1) Kupfer. . . .
^. 71. 2) Eisen. . . . ■ ■
§. 72. 3) Bley
73. 4) Zinn. ......
74 — ^5. 5) Quecksilber —
b) Erdharze oder brennbare Mineralien.
§. 76. 1) Bcrgöhl, Schwefel und Bergpech. . 149
§. 77. 2) Torf-, Stein-, Canntl- und BraunkoMeu. i5o
§, 78. 3) Bernstein und Grapliit. . . . i53
c) Ste.nc.
^. 79. aa) Kieselsleine. 1) Edelsteine und Halb-
edelsteine —
80. 2) Unedle. l56
und des sogenannten Kelp. ....
§. io3. Verschiedene andere Manufacturcn , die
ihren Stoff aus dem Pflanzenreiche nehmen. 194
b) ManuJ'acluren zur f^erarbeitung der rohen Slojf'e
aus dem Thierreiche.
§. 104 — 106. Wollenmanufacturen. . . . ip5
§. 107. Hutfabricatiou. ..... 200
§. 108. Seidenmanufacturen. .... 201
§. 10g. Uedergärbereyen. ..... 2o4
§. iio. Verschiedene andere Fabricate aus Stoffen
des Thierrcichs. ...... 206
c) Fabriken , welche Materialien aus dem Mineralrei-
che verarbeiten.
§. 111 — ii5. Eisen-, Stahl- und andere Metall-
fabriken. ....... 208
§. 116. Farbefabriken, ....
§. 117. Glas- und Spiegelfabricaliou. .
^. n8. ThouwaarenfabricatioiT.
§. lig. Fabricatiou der Salze. .... 222
§. 120- Beförderungsmittel des Kunsllleisses iu den
europäischen Staaten. ..... 224
217
218
219
8i. bb) Kalksteine.
— VI. Commerciellc Prodiiciion oder Handel.
— §■
i5g $.
^. 82. cc) Talksteiue l58
§. 83. dd) Tufsteiuu. andere vidkauischeProducte.
§. 84- ee) Sandsteine. ......
§. 85 ff) Granit
^. 86. . . d) Thon- und Erdarten.
v) Salze.
§. 8;— Pg. 1) Kochsalz
$. 90. 2) Salpeter , Soda , Glaubersalz und ande-
re Salzarten. ......
^ gl. Mineralwasser. ......
170
»7>
III. Liduslrielle Production.
§. q2. Von Handwerken , Manufacturcn und Fabri-
ken überhaupt. ......
§. g3. Zustand des europaischen Kunstlleisses iin
Allgemeinen. ......
a) Uebersicht der nahmhaj'testen Zweige des europäi-
schen Kunsißeisscs , und zwar derjenigen Manufactu-
rcn , welche Materialien veredeln, aus dem Pflanzen-
reiche.
§. g4 — 95. Manufacluren , welche Flachs und Hanf
verai heilen. . . . . . , .175
§. 96. BaumwoUcnmanufacturen. . . . 180
§. 97. Mauufactureu , welche Getreidesamen ver-
arbeiten. ......
§. 98. Tabaksfabriken. ....
§. gg. Zuckersiedereven. . . . . , j
§. 100. Ühlfabricalion. ....
§. 101. Arbeiten in Holz. ....
121. "Wichtigkeit des Handels.
122. Umfang des europaischen Handels. . ,
' — ' A. Auswärtiger Handel der Europäer.
— a) Seehandel derselben.
§. 123. 1) Handel der Europaer nach der Ostsee ,
161 dem mittelländischen Meere oder der Levan-
te , und dem schwarzen Meere.
167 'J. 124. 2) Handel der Europäer mit und nach den
168 Küsten von West- und Ost-Afrika.
i§. 125. 3) Handel der Europäer mit uud nach Ost-
indien , China , Japan uutl Persieu.
§. 126 — 127. Handel der Europäer mit und nach
Amerika und Australien. ....
§. 128. . b) Landhandel.
12g. Einfuhrartikel aus andern Erdtheilen nach
Europa. .......
l3o. Ausfuhrartikel aus Europa nach den andern
Erdlheilen
i3i. Ausgleichung der Schuld Europa's für die
Consumtion aiissereuropäischer Waaren.
l32. B. Handel der Europaer unter sich.
i33. Handelsbilanz. ..... 241
Beförderungsmittel des Handels.
A. In Ansehung der Communication.
§. a34. a) Zu Lande. Landstrassen und Posten.
i83 §. i35. b) Zu Wasser, aa) Seefahrt. .
187 §. i36. bb) Flussfahrt und cc) Canalfahrt. .
9 B. /n Rücksicht des JVaarenumsalzes.
190 §. 137. a) Handelsplätze, Jahrmärkte uud Messen.
191 ^. i38. b) Maass und Gewicht
227
229
232
234
237
238
23g
2.io
24s
246
25i
256
C. In Ansehung des Oeldumsalze
§. 139. a) Geld
i§. i4Q- '') Banken. ....
§. i4i. c) Wechsel und Börsen.
n h a 1 t. VII
Seile Seile
§. i42- D. In Rücksicht des Ineinanrlerwirhens der
■ 258 verschiedenen Gewerbsclasscn. . . . 265
. 261 §. l43- E' In Ansehung des auswärtigen Handels. —
264 §. 144. Hindernisse des Handels. . . . 268
Zwej'te Abtheilung.
Die Bewohner, die Geistesculiur , die Verdieidigungskräfte und die Finan-
zen der europaischen Staaten.
I. Bewohner der europäischen Staaten.
§. 1. Volksmenge. . . . . . .271
ij. 2. Classification der europäischen Staaten, nacli
dem Gesichtspuucte ihrer Volkszahl. . . —
§. 3. Staaten der ersten Rangordnung. . .272
^. 4- Staaten der zweyten Rangordnung. , .276
§. 5. Staaten der dritten Rangordnung. . . 277
§. 6. Stauten der vierten und fünften Rangordnung. —
■J. 7. Bevölkerung. ...... 278
^. 8. Mittel zur Erforschung der Volksmenge. . 280
Nationah'erschiedenheil der Europäer.
^. g — 11. a) In Rucksicht auf Abstammung und
Sprache. ....... 285
§. 12. b) In Rücksicht auf ihre körperlichen Ei-
genschaften, Lebensdauer und Natioual-Krank-
heiten 296
§. i3 — 17. c) Nach ihrem Nationalcharakter. . 298
«. 18. d) Nacli ihrer Religion 3i3
§. ig — 21. e) In Anscliung ihrer Wohnplätze. . 3i6
|§. 22. f) In Rücksicht ilirer Gewerbe oder Beschäf-
tigungen 329
11. Gßistescuhur.
■§. 23. Nothwendigkcit der Verschiedenheil der Bil-
dungsanstallen in einem Staate, iind Ver-
hältuiss, in welchem sie zu demselben stehen. 53o
I. Allgemeine Bildungsanslalten.
§. 24' . . A. f^olksschulcn. . . . ri3i
B. Oewerhsschulen j
oder Bildungsanslalten zur f^ermehrung des Nationul-
Rcichthums oder der Production überhaupt.
§■ 25. a) Bürgerschuleu (niedere und höhere odci
RealscluUen) , Industrie- u. Sonntagsschulcn. 553
$. 26. b) Bürgerliclie Specialschulen oder höhere
technische Bildungsanslalten- . . . .334
§. 27. c) Polytechnische Institute. . . . 536
C. Gelcht tenschulen ,
oder Bildungsanslalten für das Jdministratii'C und Er-
haltende des Staates.
§. 28. a) Niedere. ' 358
$. 2g. b) Höhere Gelehrtenschulen. . , . 33g
§. 3o- aa) Universitäten. ..... 53g
§. 3i. bb) Mittelschulen zwischen Universitäten
und Gymnasien. ...... 344
§. 32. cc) Gelehrte Specialschulen oder Lehran-
stalten für Beflissene der einzelnen Facultäts-
studicn. ....... —
§. 35. Pflauzschulen zur Bildung künftiger Lehrer. 346
II. Blldungs- und Erziehungsanstalten filr be-
sondere Zwecke oder Stände und Classen voh
Einwohnern.
6- 34. Anstalten zur Erweiterung und I^ervollkomin-
nung wissenschaßlicher und technischer Kennt-
nisse j so wie zur höheren Ausbildung der
Künste. ....... 34''
^. 35. A. Gelehrte Gesellschaflen und polyteclmi-
sche Vereine. ...... 35l
§. 56. B. Kunstgesellschaften. .... 553
i§i. 37. Anstalten zur J^erbreilung der Schriften,
A. Buchhandel ....... 555
^. 38. B. Literarische Zeitschriften. . . . 357
§. 3g. Einrichtungen für einzelne Wissenschaften. 358
§. 4o. Hülfsmittel für Künste , so wie für wissen-
schaftliche und technische Kenntnisse. . 35g
^. 4i. Aufsichtsaustalten über öfl'cutliciie Schrii'leu. 362
Zustand der ff isseiischajien und Künste.
j,. 42- A. In Europa überhaupt. . . . ■ 564
^. 45 — 47- B- I" den einzelnen Landen) und Staa-
ten insbesondere. ...... -^
III. Vertheidigung-skiäftc.
c. 48. Kriegsmacht 376
A. Landmacht.
&. 49. Arten der Truppen —
^. 5o 5i- Stärke der Armeen. .... 579
§. 52- Aufbringung und Ergänzung der Mannschaft. 084
&. 53- Unierhaltung und Verpflegung des Militärs. 585
§. 54. Unterrichts- und Erziehungsanstalten. . ■ —
&. 55. Dlsciplin und Geübtheit der Soldaten. . 387
^. 56. Belolinungen und Strafen. . . . 388
§. 57. Festungen und andere Mililäranstallcn. . —
VIII
B. Seemacht,
^. 58. Arten der ScliiiTe. .....
§. 5g. Stärke der Seemacht. ....
§. 6o- Marine-Auslalten. .....
IV. Finanzen.
§. 61 — 62. Quellen der Staatseinkünfte.
§. 63. Rangordnung der europäischen Staaten in
Rücksicht ihrer Einkünfte.
Seite
390
391
395
Seite
396
^. 64- Berechnung des Beytrages eines jeden ein-
zelnen Individuums in den europäischen Staa-
ten zu den Einkünften derselben. .
§. 65. Arten der Erliebung der Staatseinkünfte. .
§. 66. Grundsatz des Unterschiedes zwischen dem
Haushalte des Privatmannes und dem Staats-
haushalte. .......
§. 67. Staatsbedürfnisse j Gegenstände desAufwandes. —
§. 68. Staatsschulden. ...... 4ll
^. 6g. Mittel , die Forderungen der Slaatsgläubiger
allmählich zu befriedigen. .... 4i5
4o5
406
407
Vergleichende Darstellung
der
Giunclmacht oder der Staatskräftc
aller
europäischen Monarchien und Republiken.
Von
P r o f. . B i s i n £; e r.
Erste A b t Ii e i 1 u o g.
Das Land, die Urprodiiniori; die Faljiicaiion und der Handel der europaischen
Slaalcn.
1. Land der eiiropäisclien Staaten.
Eintlieiluiig Europas,
§• 1-
a) Gcograpliischc, oder nach den Ländern.
xiiuropa ist getheill in Länder und Staaten. jNicht jedes Land macht einen bcsondern
Staat ausj die enropäischen Staaten erstrecken sich oft ans einem Lande in ein ande-
res, ja sogar in andere Erdtheile. Ehen so ninnnt nicht jeder europäische Staat ein
ganzes Land ein; es gil)t Länder in Europa, die aus mehreren Staaten zusammen ge-
setzt sind. Länder imd Staaten müssen also wohl unterschieden werden. Die Gränzen
eines Staates dehnen sich so weit aus, als sein Gebiet reicht. Da nun die Ausdeh-
nung dieses Gebietes von \ ertragen mit anderen Staaten abhängt, so sind die Grän-
zen der Staaten willkürlicli und vielen Veränderungen unterworfen. Dagegen sind
die Gränzen der Länder von der Natur bestimmt — durch Gel)irge, Meere und Flüs-
se, welche die natürlichen Gränzen bilden, und als solche fest und bestimmt sind.
in Hinsicht der Hauptgclnrge und der grössten inländischen Meere ergilit sicli
folgende Eintheilung der evu-opäischen Länder:
A. yilpenländer j und zvsar: a) nördlich von den Alpen: L Deutschland ; IL die
Schweiz; b) südlich von den Alpen: HL Italien; c) westlich von diesem Gebirge:
n'. Frankreich.
B. Fjrenäische Halbinsel : \ . Spanien ; W. Portugal.
C. Nordseelände}- j imd zwar: a) westliche: YH. Qrosshritannien und Irland;
\HL Niederlande; b) östliche: IX. Dänemark; X. Norwegeti.
D. Baltisclie oder Ostseeländer ^ imd zwar: a) nördlich: XL Schweden; b) ösi-
lich: XII. Russland; c) südlich: XIII. Preussen.
E. Karpathische Länder, und zwar: a) nördlich von den Karpalhcn: XI\'. Ga-
iizien uud Polen; b) südlich von diesem Gebirge: XA'. Ungern und Sieheidiiugcn ;
KM. die Türkej.
§• 2.
L) Politische, oder nach den s o u v e r a i n e n Staaten.
Europa hat gegenwärtig in seinem Umfange 52 (grosse, mitticic, kleine und
sehr kleine) Monarchien und 28 Republiken (s. §§. 5 — 8). Die Mehrzahl dieser Staa-
ten bildet zwey Staatensysteme: 1) den Bund der Deutschen j bestehend aus 41 son-
veraincn Staaten, wovon 07 Monaiclüca mid 4 Rcpuldiken sind; 2) df^^' Bund der
i I. Land der europ. Staaten. §. 5. Grosse von Europa. §. 4. Bcstandlheile elc.
Schweizer j oder die sc/nveizei'isclie Eidgeiiossenschciftj bestellend aus 22 souverai-
nen Caiiioneii oder Eidyerossen , wovon n\u- einer (Nciifcliatel) unter einer luoiiai-
cliischcu, die übrigen 21 uuler einer rcpublikauischen Verfassung stehen.
§. 3.
G r ü s s « von Europa.
Unter den fünf Erdlhcilen, in welche die heutige Welt abgeihciit wird, ist £"/;-
/■o;?« zwar der kleinste; allein der bekannteste, und in Rücksicht seiner Cultur und
seines Einflusses auf die übrigen Erdlheile, der wichtigste. Es ist hier auch nicht
ein Fleckchen zu finden, dessen Bewohner nicht in einer wirklichen Staatsverbindung
lebten, während in allen andern Erdlheilen immer nxu- ein grösserer oder geringerer
Theil ihrer gesammtcn Bevölkerung zu einem eigentlichen politischen Leben sich er-
hoben hat. Europa ist demnach der Hauplschauplalz arbeitender und bearbeiteter
Humanität. Der Flächeninhalt desselben wird verschieden angege])en. Fabri rechnet
dafür i5o,ooOj, Hassel 154,449, i^lcn-sel \b!.\,l\,b-j , Crome i5.5,07i , Rcaidel 165,041 ,
Cannabich 164 — 168,000, Gaspari 168,000, Stein i7i,3g7, Gal/ettiij i,ßo6, Ock-
hart 172,675, Müller 174,012 und ßergmann 181, 632 QM. Der grosse Unterschied
zwischen den ersteren und lelzteren AngaJjen rührt hauptsäclilich von der willkürli-
chen Annahme der östlichen Gränze her.
Zu Afrika verhält sich Europa uw^cSahr wie -^ , zu ^sien wie ^, zu Amerika
wie ^, nach andern wie i. ^on Australien oder Siuiindien soll JSeuliolland aÜMii,
die grösste unter allen Inseln unsers ganzen riancten , fast so gross, wie Europa seyn,
imd der Flächeninhalt der ganzen Inselwelt 180,000 — 200,000 QM. benagen.
Die grösste Länge von Westen nach Osten betiägt ungefähr 800, die grös.sie
Breite von Süden gegen Norden 55o geographische Meilen.
§. 4-
Beslandtlieilf und Classificirung der einzelnen europäischen Staaten.
II a eil dem G es ic h ts p u n et e ihres Flächeninhaltes.
Das Gebiet der europäischen Staaten zerfällt in Beslandtheile, die theils ein zn-
sammenhängcndes Ganzes bilden aj , theils durch bedeutende Strecken dazwischen
gelegener fremder Länder bj , theils durch IMeerc und Meerengen cj von einander
gelrennt sind, theils sich sogar in andere Erdtheile erstrecken dj. — iSicht minder
verschieden ist die Vertheilung des gcsammten Bodens von Europa , dessen Flächen-
inhalt wir zu 154,950 QM. annehmen. Es thcilen sich in denselben Staaten von sehr
ungleichem Gebietsumfange. Man kann sie in dieser Hinsicht füglich unter 4 Glasscii
bringen, zu deren Bestimmung man die Grössen von 10,000, 1000 und 100 QM. an-
nimmt. Die Classe der Staaten von erster Grösse behauplen diejcniigen , deren Gebiet
lo,ooo QM. oder darüber einnimmt. Zu den Staaten von zwejter j dritter und vier-
ter Grösse gehören diejenigen, deren Areal vmter 10,000, jedoch wenigstens 1000
QM. enthält; ferner diejenigen, deren Flächenraum unter looo bis joo QM. fällt;
endlich jene, deren Flächeninhalt nicht i;iiiiual 100 QM. beträgt.
I. Land Jcr ciu-op. Staaten. §. 5. Staaten dur ersten Ginssc. 9
Dio Glosse d<\s Fläclicnranmes brgriiiidet jedoch keiueswcys allein die wahre
Stärke der Slaalen ej , ohgleieh derselhc gleichsam die Unterlage des Staates j iiiii-
hin ein wesenlhcher Bestandiheil desselben ist^ ohne welchen derselbe gar nicht
vorhanden seyn würde. Auch ist die grössere oder geringere Ausdehnung eines mehr
oder weniger fruchlbaren Areals für den Staat vun so wichtiger, da nicht allein die
Summe der IS'aturkräfle , worüber derselbe verfügen kann, dadiu-ch ab- oder zu-
nimmt, sondern auch in vielen Fallen die Siiirke, die Sicherheit und dej- Flor des
Staates durch Besitz einzelner Provinzen vuigemein gewinnt fj.
Es darf übrigens hier nicht unbemerkt Ijleiben , dass die Angaben von der Grösse
der einzelnen europäischen Staaten in den geographischen und statistischen Schriften
sehr von einander ahweichen, und so lange abweichen werden, bis sänuTillichc Staa-
ten genau vermessen , und die Resultate der Vermessungen auf officiellem Wege zur
Kenntniss des Publicums gelangt sind. Die grösste Schwierigkeit in der Bestimmung
des Areals findet man bey solchen Staaten, deren Gränzen seit der letzten grossen
Wellcalastrophe neu geschaffen wurden, wo man auf alte Ab iheihuigen keine Rück-
sichtnahm, und die auf einer Seite grössere oder kleinere Theile verloren, auf der
andern aber einen Zuwachs von ganzen Ländern, oder vun Parzellen derselben, oder
von beydcn zugleich erhielten. Wer kann nun , um den Flächeninhalt des Ganzen zu
bestimmen, zuverlässig behaupten, dieses oder jenes verlorene oder hinzugekomjuene
Stück Landes, oder Fleckchen, bctriujt 20, oder 5, oder i QM.?
d) So machen z. B. Russlands ungeheure Besitzungen ein ^■ollkomme■n zusammenji'äng"n(les
Ganzes aus. — b) So ist es der Fall mit Preussen , Baiern und andern Staaten. — c) Diess
findet Stall bey Frankreich , Spanien, Grossbrilannien , Dänemark , Sardinien , Toscana, bej-
den Sicilien , der T'ürkcy und den \ ereinigten Slaalen der jonischen Inseln. — rf) So ist es
der Fall mit Russland , der Türkej- und allen Colonialslaalen. — e) Man vergleiche z. B.
Schifedcn und Norwegen mit der prettssischen Monarchie. — J) Was würde z. B. Preussen
ohne Schlesien , und Russland ohne die Ostsee-Proinnzen geworden seyn?
§. 5.
Slaatenderer sie n Grösse.
A. Das russische Kaiserthum. Es umfasst :
a)InEiu-opa: 1) Grossrussland; 2) Kleinriissiand; 3) ScJiwarz- w\A TVeiss-
russlaiid ; 4) Lilthaiien mii Blaljstock ; 5) Neuriissland mit dein Fjaudc der donisclien
Kosaken, mit Bessarabien und demjenigen Theile Agv Moldau j, welcher am linken
Ufer des P/'«//i-Fliisses liegt; 6) die Ostseeprnvinzen ; 7) das Königreich Polen.
b) In Asien: 1) das Königreicli Kasan; 2) das Königreich Astrachan j mit Gru-
sieUj der Steppe der Kirgisen ^ Imerette und den im J. i8t3 von Persien abgetrete-
nen Provinzen an der Westküste des caspischen Meeres; 3) das Königreich Sibirien ^
wozu auch die Beringsinsel ^ die Kupferinsel j die Kurilen und Aleuten gehören.
c) Die mittlere TVestküste von Amerika ^ welche sich unter 59° N. Br. mit der
Halbinsel Alaschka und östlicher bey Prmz JVilhelmssund und Cooks- Einfahrt an-
fängt, und hoch im Norden hinaufgeht.
Der Flächeninhalt dieser beynahc unermesslichen Ländcrmasse bclrägl, ohne die
6 I. Land der europ. Staaten. §. 5. Siaalcn der ersten Grosse.
niitllcrc Westküste von Amaiika und die persisclion Pi-ovinzen, 345:,25o QM., wovon
74,5oo anf den europäischen (2000, nach andern 2293, in.shesondere auf das Königreich
Polen) ttnd 270,750 auf den asiatischen Theil gerechnet werden. Der grösstc Staai , der
je bestand^ um i grösser, als die zweifache Grösse von ganz Europa, umfassend hey-
nahe den achten Theil des ganzen Festlandes und ungefähr den acht und zwanzig-
sten Theil der ganzen Erdfläche. Als Iwan Wasiljewitsch ^ der Wiedcrhci steller des
russischen Staates, 1462 den Thron bestieg: betrug der Ländcrhestand 19,782 QM.
In einem Zeiträume von etwa 358 Jahren vergrösserle also Russland sein Areal weil
über sie])enzehn Mal.
E. Schweden. Älit diesem Königreiche ist, seit 1814, das Königreich Norwegen
vereiniget; hingegen ist es nun ohne a) die kornreiche Provinz Finnland j welche
(nebst einem Theile \on JSorland , bis an die Flüsse Tornea imd Muonio, und mit
den Alandsinsehi) im J. 180g im Friedrichshammer russisch-schwedischen Friedcns-
traclate an Russland al)getrcten wurde; dcssgleichen b) ohne Schwedisch- T'ovpom-
mern j nebst der Insel Rügen, welche 1814 im Kieler Frieden fiir Norwegen an Dä-
neiuark, i8i5 aber von Dänemark, gegen das Horzogthum Ijauenburg (jenseit der El-
be) und eine 3i"imie Geldes an Preussen abgetreten wurden.
Der Flächeninhalt des schwedischen Grundgebiels in Europa beträgt gegenwärtig
i6,i55 QM-, wovon auf Norwegen (in Westen von Schweden) 7012 QM- konnuen.
Schweden mit Norwegeji ist mithin nach Russland an Areal der grösstc europäische Staat.
C. Das österreichische Kaiserthum. Es begreift gegenwärtig:
1) Das Erzherzoglhuni Oesterreich j bestehend:
a) aus dem Lande anter der Enns 364 QM.
b) aus dem Lande ob der Enns 208 —
c) aus dem, mit dem Lande ob der Enns, unter gleiche Landes-
verwaltung gesiclken Herzoglliume Salzburg ^ jiiit Ausnahme
des an Baiern libcrlassenen Landstrichs am linken Ufer der
Salzach imd der Saal, und ohne die mit Tvvol vereinigten Di-
stricte des Ziller- und Brixnerthaics 128 —
700 —
2) Das Ilerzogthnm Stejermark 5gg —
3) Das im J. 1816 errichtete Königreich Illyrien ^ bestehend: a) aus dem
Herzoglliume Krain ; b) dem Herzoglliume Kärnthen, c) dem im
Wiener Frieden an Frankreich abgetretenen Theile von Civil-Croa-
tien , oder dem Carlstädter Kreiso ; d) dem neuorganisirten öster-
reichischen Seeküstenlande j zusammengcsetzl : aa) aus dem alten
Gebiete von Triest ; bb) aus Theilen von Krain, oder dem Adels-
Ä<?rge/' Kreise; cc) dem ehemahhgen ungrischen Seekiistenlande :
dd) Istrien ; ee) dem österreichischen und einigen Parzellen des
venetianisclien FriaulSj und ff) den ehemals zu Dalmatien gehöri-
gen ^«a;7ze/üc7;e« Inseln /'^dg'/m^ CAe/'i'o und Oii'erOj zusammen 614 ""
Ftiilrag 1713 QM.
I. Land der cufop. Staaten. § 5- Staateu der ersten Grösse. •:
Überlrag 1715 Q"M,
4) Die yefurstete Grafschaft Tjrol , nebst dem Gerichte Pils und den
i'Oiarlhetgischeti Herrschaften, ohne das hey Baiern vcrhiiehcne
Gericht PFeiler _, aber mit Einschhiss der von Salzburg getrennlcn
Landesiheile 5+6 —
5) Das Königreich Böhmen mit den Disiricten von Eger und ^sch . . g5i —
6) Das IMarkgrafthum Mähren, mit dem österreichischen Anthcile an dem
Hcrzogtlnmie Schlesien (83 QM.) 55i —
7) Das Königreich Galizien mit der Bukowina j oder dem österreichi-
schen Am heile an der Moldau 1023 —
8) Das Königreich Ungern mit den Provinzial-Dislricten der demselben
einverleibten Königreiche Slawonien, und Croatien , aber mit Aus-
nahme desjenigen Theils von Croalien, welcher im Wiener Frie-
den von Ungern getrennt worden war, mid jetzt ein Bestandtheil
des Königreichs lUyrien ist' 4o3.i —
g) Das Grossftirstenihum Siebenbiergen ^ mit der inclavirten und gröss-
tcn Theils mit dem Provinziale ganz vermengten Älilitärgränze . . 1046 —
10) Das lombardisch- venezianische Königreich, bestehend aus zwey
Gouvernements-Bezirken :
a) Aus dem der österreichischen Lombardej und einigen veneziani-
schen Districten
jgo
b) Aus dem von P^enedig mit einigen Theilen des österreichischen
Friauls . 440 —
11) Das Königreich Dalmatien ^ ohne die obenbesaglen quarnerischen
Inseln^ aber mit den Disiricten von Cattaro und Ragusa . . . 3o4 —
12) Die Militär gränze :
a) Die Croatische 278 —
b) Die Slai'onische mit dem Tschaikisten-Bislricie in Ungern i35 —
c) Die Ungriscli-Banatische 14.5 —
d) Die Siebcnbiirgische (s. oJjcn >r. g). 558 —
Zusammen i2,o56 QM.
Die österreichische Monarchie hat also gegenwärtig ein Areal von i2,o56 QM.
Denüan rechnet dafiir 12,076, Hassel 12,123 und Crome 12,210 geogr. QM.
Als die durchlauchtigste Dynasiie Habsburg 1282 in Besitz der Lcänder kam, wo-
durch die erste Aussicht zur kiinl'ligen Grösse dieses Hauses sich öffnete: l)etrug der
Flacheninhalt derselben ungcf'ahi- 1000 Q^I. In einem Zcitraiune von 53g Jaltren ver-
grösserte also das Haus Habsburg-Lotliriugen-Oesterrcich seine Besitzungen mehr als
zwölf Mal.
D. Jy^n- deutsche Bund. Deutschland war noch im J. 1806 ein lubegriffvon un-
gefähr 200 grösseren und kleineren Suaten, welche insgesaumit mit einander verbun-
den waren, a) verniillelst eines gemeinschaftlichen, von den Churfiiistcn gewähl-
ten Beichsuberhauptcs (des römisilien ^ oder vielmehr JÖtw'sch-deutschen Kniscra)^
8 'I. Land der curop. Slaalcu. ij. 5. Slaatcu der crsteu Grösse.
}>) vcrmillclsl einer ajli;enieincn Reiclistai;.s -Versammlung^ und anderweitiger politi-
scher Vcrfassungsbesümmungen. An die Stelle dieses zusammengesetzten Staatskör-
pers ^ der den Nahmen heiliges römisches Beich _, oder auch römiscli-deiitsches und
heiliges Beich iühne , trat e\n Bnndessjstemj, rheinischer Bund ^ rJieinische Bun-
desstaaten (Etats confe'de're's du Rhin) genannt^ nachdem mehrere vormalige deut-
sche Reichsstände, ursprünglich in W. vuid SW. Deutscldands, zu Paris den 12. Jul.
1806 che Acte des Bundes geschlossen, und den 1. Aug. desselben Jahres von dem
Reichstage zu Rcgens])urg sich getrennel, auch der Kaiser von Osterreich den 6- Aug.
chcn genannten Jahres auf die Jjisher getragene römische Kaiser- und deutsche Kö-
nigskrone, welche Österreichs Beherrscher in i3 Geschlechtsfolgen ununterbrochen
trugen, verzichtet hatte. Jener Verein, dessen Mitglieder Souveraine hiessen, aber
im Grunde nichts weiter waren, als Vasallen des französischen Kaisers, der, unter dent
Nahmen eines Protectors _, sie als untergeordnete Glieder seines grossen Reiches an-
sah, dauerte nur sieben Jahre und einige Monathe. Deutschland umfasst nunmehr,
vermöge der zwey Pariser Fricdcnsschliisse 1814 und i8i5, dessgleichen kraft der
Wiener Congress-Acte i8i5, einen in neueren Grundlagen begriindetcn Staatenljund,
welcher der deutsche Bund heisst , tuid aus 41 souverainen deutschen Bundeslaaten
besteht. Die Mitglieder, mit Angaljc der Grösse ihrer Staaten, sind folgende :
1) Der Kaiser von Österreich wegen seiner sammtlichen , ehemals
zum deutschen Reiche gehörigen Besitzungen aj mit . . . . . 3732 QM.
2) Der König von Preussen ebenfalls wegen seiner säunutlicheu deut-
schen Staaten bj mit 33o7 —
3) Der König von Baiern mit 1407 —
4) D^r König von Sachsen mit 340 —
5) Der König von Ilanover mit 684 —
6) Der König von Wiirlemberg mit . . , 36o —
7) Der König von Dänemark wegen der Herzoglhümer Holstein und
Lauenburg mit 174 —
8) Der König der Niederlande wegen des Grossherzogthimies Luxem-
burg mit 110 —
g) Der Grossherzog von Baden mit 272 —
to) Der Churfürst von Hessen mit 201 —
11) Der Grossherzog von Hessen mit 2l4 —
12) Der Grossherzog von Sachsen-Weimar mit ........ -67 —
i3) Der Herzog von Sachsen-Gotha mit 55 —
14) Der Herzog von Sachsen-Meinungen mit ......... 18 —
15) Der Herzog von Sachsen-Hildburghausen mit ....... 11 —
16) Der Herzog von Sachsen-Coburg-Saalfeld mit 27 —
17) Der Herzog von Braiuischweig mit 72 —
18) Der Grossherzog von Mecklenburg-Schwerin mit 224 —
uj) Der Grossherzog von ^leckleuburg-StreUtz mit ....... 41
Flirtrag ii,3l6 Q^i
I. Land der europ. Staaten. §. 5. Staaten der ersten Grösse. o
Übertrag ii,3l6 QM.
20) Der Herzog von Holstein-Oldenburg mit 120
21) Der Herzog von Nassau mit 102
22) Der Herzog von Anhalt-Dessau mit I7
23) Der Herzog von Anhall-Bernburg mit l5
24) Der Herzog von Anlialt-Köthen mit i5 —
25) Der Fiirst von Schwarzburg-Sondershausen mit 23
26) Der Fürst von Schwarzburg-Rudolstadt mit 22 —
27) Der Fiirst von HohcnzoUern-Hechingcn mit 5
28) Der Fiirst von Hohcnzollern-Sigmaringen mit l3
2g) Der Fiirst von Liechtenstein mit 2/°
30) Der Fiirst von Waldeck mit 22 —
31) Der Fiirst von Reuss alt. Linie, oder der Fiirst von Reuss-Greiz mit 7 —
32 — 34) Das fiirsllicho Haus Reuss jüngerer Linie , oder die Fürsten
von Rcuss-Schleiz, Lobenstcin-Lobenstcin und Lobenstein-Ebcrs-
dorf, zusammen mit 21 —
35) Der Fürst von Lippc-Dclmold mit 24 —
36) Der Fürst von Schaumburg-Lippe mit lo —
37) Der Landgraf von Hessen-Homburg mit 5 —
38) Die frcyc Stadt Frankfurt am ^Liiii mit 5 —
3g) Die freye Hansestadt Lübeck mit 5^-"' —
40) Die freye Hansestadt Bremen mit 3^'^°
41) Die freye Hansestadt llamlnirg mit . ■ 5^'° —
Zusammen 11,761 QM.
Ohne die österreichisch -preussisch- dänisch und niederländisch- deutschen Be-
sitzungen , folglich der Flächeninhalt der j-ein deutschen Bundesstaaten, von dem
Königreiche Baiern an bis zu den freycn Städten herab , oder der Flächenraiun
Deutschlands gleichsam ini engeren Sinne , beträgt 3gg3 QM.
E. Frankreich. Die Provinzen, woraus dieses Königreich nach und nach er-
wuchs, waren vor dcniJahre 1648 folgende: i)L-le de France ; 2) Picardie ; 3) Cham-
pagne ; /^) Bourgogne ; 5) Dauphine; 6) Ljonois ; 7) Provence; 8) Languedoc;
g) Guienne ; 10) Orleans; ii) Bretagne; 12) Normandie. Seit 1648 kamen hinzu :
13) Elsass ; \ li) Franche-Comtc ; \b) Lothringen ; 16) ein Theil der Niederlande;
17) die Lisel Corsika im mittelländischen Meere. Li dieser Ausdehnung betrug Frank-
reichs Flächeninhalt iir. Jahre i7go mehr als io,000 QM. , welches Areal von i7g5
bis Dec. 1810, während der Abwechselung der niannigfaliigsten und entgegengesetz-
testen Regicriingsformon, durch Friedenstraciate und weitere Verhandlungen, ja selbst
durch Senatus-Consiille imd Decrete, einen Zuwachs von mehr als 4000 QM. ge-
wann, so, dass Frankreichs unmittelbares, furchtl)ar gestaltetes Gnmdgebiet sich von
Rom bis an die Nordsee erstreckte, und ganz Europa unter dessen zerstörendem Ein-
flüsse stand. Es büsslc aber alles, was es in dieser Periode des Glückes und des
Übermulhes errang, in den Jahren i8i5, 1814 und i8i5 völlig wieder ein. Lidesscn
2
10 I. Laud der euiop. Staaten. 5. 6. Staaten der zweyleu Grösse.
cihiell CS im Pariser Frieden 1814 — durch die Grossiimih der Sieger — so viel von
den eroberten Liinderu wieder zurück, dass es ungefähr 10,444 Q^l- hesass, mithin
einige hundert QM. mehr, als 1790- In dem zwcylen Pariser Frieden vom 20. Nov.
l8i5 musstc CS aber 181 Q^l- wieder abtreten, nähmhch: das Herzogthum Bouillon ^
die Festungen J^/ulijjpei'ille und Marienhuvg j mit ihren Territorien, dessgleichcn die
Festungen Saarlouis und Landau j nebst dem auf dem Unken Ufer der Lauter ge-
le"cnen Abschnitt des Departements des JSiederrheins j so wie einen Thcil der Land-
schaft Gex j das Fiirstcntinim Monaco und denjenigen Thcil Savorens j der in Folge
des Pariser Fricdenstractats vom 3o. May 1814 bey Frankreich geblieben war. Nach
Abzug dieser Abtretungen besitzt Frankreich gegenwärtig nach (7/'07/ie ungefähr io/263
QM. Hassel rechnet dafür 10,264, Fabrl 10,000 luid Klein nur g65o QM.
a) Nach der österreichischen Abstixumiing vom 6. April 1816 gehören folgende Provinzen
und Läiidertheile des österreicliischeu Kaiserthumes zum deutschen Bunde : 1) das Erzherzog-
ihümÜslevreichj 2) das Herzogthum Slererinai-k ; 3) das Heizoglhuni Ä(Vr/i</ie/! ; 4) das Her-
zogthum Krain ; 5) das österr. Friaul , oder der Görzerkreis (Görz , Gradiska, Tolmein,
Flitsch und Aquileja) ; 6) das Gebiet von Trlest ; 7) die gelürstete Grafschaft Tjrol , mit
den Gebieten von Trient und Brixen , dann Vorarlberg , mit Ausschluss \on Weiler; 8) das
Herzogthum Salzburg österreichischen Antheils ; y) das Königreich Böhmen; 10) das Mark-
grafthuni Mähren; n) der österreichische Antheil an dem Herzogthume Schlesien, mit In-
begriff der böhmisch-schlesischen Hcrzogthümer .^asc/i(«(3 und Zalor ; i2) die Grafscliaft
Hohen-Geroldseck j welche aber x8ig an Baden abgetreten wurde. Der Fliiclicninhalt dieser
Provinzen und Ländertheile beträgt, ohne die böhmisch-schlesiscben Herzogthümer Ausch-
wiLz und Zaior , welche seit dem i5. Jahrhunderte mit Polen verbunden waren, und bey
der ersten Theilung von Polen (1772) mit den übrigen Bezirken an Österreich kamen,
3617, mit denselben 5737 geogr. QM. Es gehören also etxras mehr als y des österreichi-
schen Staatsgebiets zum deutschen Bunde.
6) Nach der, in der 22. Sitzung des Bundestages 1818 gegebenen prcussischcn Erklärung ge-
hören lolgende preussische Pro\ inzen zum deutschen Bunde: i) Pommern ; 2) Brandenburg ;
3) Schlesien; 4) Sachsen; 5) If^estphalen ; G) Clecc-Berg : 7) Nieder-Rhcin. Der Flächen-
inhalt dieser 7 Provinzen enthält 33o7 QM. Es gehört also weit mehr als die Hälfte des
preussischen Staatsgebiets (s. §. 6) zum deutschen Bunde.
§. (3.
Staate n d er z w e y t e n Gross e.
A. Das osmanische Kaiserihuin. Es begreift:
a) In Europa : 1) Rum-Ili oder Romanien ; 2) Bulghar-IIi oder Bulgarien; 3) Ar-
naut-Filajeti oder Macedonien und Osmanisch- Albanien ; 4) Janjah oder Thessa-
lien; b) Livadie?i (Hellas oder Graccia propria) ; 6) Morah-Pllajeti oder Morea (Pe-
Idponncsus); 7) Serf-rUajeti oder Sennen; 8) Boschnah-lli oder Bosnien nebst der
Herzegowina und dem Antheile an Croatien wnA Dahnatisn ; g) die StattJtnltcr-
schajt des Kapudan- Pascha ^ bestehend aus dem thracischen Chersones und den
Insehi des Archipelagus ; 10) noch einige Inseln im mittelländischen Meere , woi'unter
Candia (sonst Greta) die vornciunste ist.
1)) In Asien: 1) Natolien oder JnadoU ., d. i. Morgenland^ Levante^ auch
Klein-Jsien genannt j unter den dazu gerechneten Inseln sind Cjpcrn mid Rliodis
I. L^nd der europ. Staaten. §. 6. Staaten der zweylen Grösse. Ij
(Rhodus) die vornehmsten j 2) Syrien nebsi Palästina und dem Lande der Drusen;
^) Mesopotamien oder AL Dschesira ; 4) Tarkomanien oder Türkisch • Armenien ^
nebst Kurdistan (Assyrien) und Irak Arabi (Babylonien imd Chaldäa) ; 5) ein kleiner
Thcil von Georgien mid einige Stücke von Arabien.
c) In Afrika : 1 ) Aegjpten; 2) OsmaniscJi-Nubien : 3) ein Theil der Landscliaft^rtrÄrt.
Schulzlander oder mittelbare Provinzen sind :
a) In Europa: 1) das Furstenthuiu fFalnchey ; 2) zwcy Drittheile des Fürsten-
thums Moldau; b) in Afrika: die Staaten der Berberer j oder die militärisch-aristo-
kratischen Reptd^liken : Algier, Tunis \.\in{ Tripoli.
Der Flächeninhalt dieser Länderinasse , ohne Algier, Tunis tmd Tripoli, wird,
mehr nach Schätzungen als nach zuverlässigen Daten, zu 45>485 QM. angenommen.
Davon rechnet man, nach der im Buknreschter Frieden 1812 erfolgten Alitretmig
von ganz Bessarabien und i der Moldau j zusammen von 85oQ^I., ungefähr 9220 auf
den europäischen Antheil, 3o,ooo auf den asiatischen und 6260 auf den afrikanischen.
B. Spanien. Dieses Königreich ist aus 5 Monarchien zusannncngcsctzt : aus Ca-
stilien j Aragonien und Navarra (Ober-N'avarra), ^vic auch aus den baskisclien Pro-
vinzen Biscaja ^ Guipuscoa und Alava.
Zu Castilien, welches fast |- von ganz Spanien nrnfasst, gehören die Königreiche
Neu- und Alt-Castilien _, Galizia j Cordova j, Sevilla j JaeUj, Granada und MurciUj
die Fiirstenlhiimer Leon und Asturien untl die Landschaft Estremadura.
Zu Aragonien gehört: 1) das Königreich Aragonien an sich selbst- 2) das König-
reich P alencia ; 3) das Königreich Mallorca (.Majorca), bestehend ans den baleari-
scJien Inseln QMallorca und Minorca) und den pitlijnsischen Inseln (Ä'issa luid Eor-
menterd) ; 4) das Fiirstenthuni Catalonien.
Das iireal dieser Bestandtheilc der spanischen Monarchie in Europa beträgt , nach
Antillon und Crome , 8441 QM. Nach andern wird es von 8885 l>is zu 9400 QM. an-
gegeben, in welcher letzteren Angabe auch die spanisch-canarischen Inseln mitge-
rechnet sind.
Der feste Flecken Olivenca in der Landschaft Estremadura wurde 1801 , nebst
einem Gebiete von 2 Q^L , von Portugal an Spanien abgetreten, und soll, in Folge des
loö- Artikels der Acte des ^V. <3. , jetzt wieder an Portugal zuri'ickfallen , ist aljcr
noch immer von Sjjanien besetzt.
C. Das brittische Reich. Es besteht aus zwey grossen Inseln, Grosshritannien
und Irland j welche gegenwärtig durch ein gemeinschaftliches Parlament drey völlig Jiiit
einander vereinigte Königreiche enthalten. Grossbritannien , die grösste der brittischen
, und überhaupt aller europäischen Inseln, begreift ungefidir in seinen südlichen zwey
Dritteln das Königreich England mit dem Fürstenlhmne fFales j in seinem nördli-
chen Drittel das Königreich Schottland. Dazu konunen noch die benachljarlen Inseln
Man imd TViglit , und die an der französischen Küste liegenden brittischen (norman-
dischen) Inseln Jersey _, Guernsey j Alderney \mdSa}-kj welche zu England, dann
die hebridischen j arkadischen und scIiettläudiscJten Inseln, welche zu Schottland
gehören. Ausserdem besitzen die Eritteo in Europa die Feslinig Gi'>raltar in Spanien
an der Strasse nach der Levante; die Insel Malta mit dcji Inseln Gozzo und Camino
12 I. Land der europ. Staaten. §. 6. Staatep dur zwevtGu Grösse.
im miitelläiidisclicn Meere, und die vormals dänische Insel Helgoiaiid an der Müa-
dmig der Elbe.
Der Flächenrauni dieser Beslandlheile des britlisclien Reiclis in Eurojia belrägl,
nach CroniCj 546l QM. Davon konnnen auf England 2696, auf Schottland 1451 , auf
Irland i3o4, auf Malta, Gozzo und Gomino j^, auf Gibraltar und Helgoland 2^ QM.
D. Das Königreich Preussen. Diese Monarchie enthält:
a) In ihrer öslliclien Hafte (s. §. g. B.) die Provinzen: 1) Preussen; 2) West-
preussen; 5) Posen; 4) Brandenburg ; 5) Pommern; 6) Schlesien; 7) Sachsen.
b) In ihrer ^vcstlichen Hälfte die Provinzen: 8) IFestphalen ; g) Cieve-Berg ;
10) Nieder- Rhein.
c) Das Fürstenthuni JSeufchatel.
Das Areal der ersten Hälfte beträgt, nach einer neuen, bey dem statistischen Bu-
reau angelegten Berechnung, 4201, das der zweytcn, mit Inbegrilf des Fürstenthu-
mes Neufchatel, 827, folglich der Flächeninhalt des ganzen preussischen Staates 5o28
geogr. QM. , wovon 14 auf das Fürsientljum Neufchatel \.omniQn.
E. Das Königreich /?ä72em«rÄ-. Diese Monai-chie mnfasst gegenwärtig, nach den)
Verluste von Norwegen , 1) das Königreich Dänemark an sich, bestehend aus zwey
grossen Inseln, Seeland und Fünen _, mehreren kleinen Insehi und der Halbinsel Jiit-
land; 2) das Herzogthum ScJdeswig ; 3) die Färöerinseln ; 4) die Insel Island; 5) die
in den deutschen Staatenbund getretenen Herzogthümer Holstein vmd Lauenburg.
Der Flächeninhalt dieser Bcstandtheile der dänischen Monarchie in Europa ent-
hält 2447 Q^h Davon rechnet man 683 für das Königreich Dänemark an sich, 162
für das Herzogthum Schleswig, 23 für die Färöerinseln, 1400 hii' die Insel Island, 145
ftir Holstein und 2g fiir Lauenburg.
F. Das Königreich bejder Sicilien. Es l)egrcift 1) das Königreich Neapels wel-
ches den ganzen untern Theil des schönen Italiens einnimmt; 2) das Königreich Sici-
lien j die grössle Insel im mittelländischen jNleere , neijst den um Sicilien hegenden
liparischen und ägatischen Inseln , und der Insel Panialaria.
Beyde Königreiche enthalten zusammen 2o37 QM. , wovon 1 }5o auf Neapel , und
587 auf Sicilien und die dazu gehörigen Insehi kommen.
G. Das Königreich Portugal. Diese Monaichie enthält 2 llauplthcile von sehr
ungleicher Grösse: 1) Das Königreich Portugal an sich, mit nachfolgenden Provin-
zen: a) Entre Ducro e Minho; b) 7ras-los Montes ; c) la Bejra ; d) Estremadura:
e) Alentejo ; 2) das Königreich y^lgannen.
Der Fläclienraum dieser Bcstandtheile der portugiesischen Monarchie in Europa
l)Cträgt, nach y^niillun und Croine _, 1954 gcogr. QM. Andere rechnen dafür 1667,
wieder andere i8t)2 QM-
H. Das Königreich //^/(V/7i. Es besteht aus 8 Heicbsprovinzen, hier Kreise ge-
nannl. Diese Kreise sind uml zwar:
a) In Osten des Rheins , an beyden Seiten der Dov.au: 1) der /sarkreis (Theil
des ehemahgen Herzoglhums Baiern _, Berchtesgaden und der an Baiern gekommene
Aniheil an Ä7/:/'«;'i;\, nähmhch die Gerichte TVaging ^ Putmaning ^ Teisendoi-fund
Laufen); 2) der UnWr-Donaukreis (vorinaliges Fürstenthuni PassaUj Theile vom vor-
I. Ldiitl der europ. Staaten. <j. 6. Staaten der -iwejteu uiosse. i3
maligen Hcrzoj^lliume ^flie/vi j vom vormal. Fürslcnlliimie Frejsitigen^ ; 3) der Ite-
genkreis (Tlieile von dem vormal. Herzoglhume Baiern und der Oberpfalz ^ von den
vormal. Fürsteiiihümern Sulzbach und Regensburg ^ mii der Siadl dieses Namens,
die fürstlich Thurn- und Taxische Mediatherrschaft Wehrt); 4) der Ober-Donau-
kreis (Theile vom vormal. Herzogth. Baiern _, vom vormal. Fihsleulhume JXeuburg _,
vom neuen Fürsten th. Eichstüdt des Herzogs yon Leuditenberg clc. , vom vormal.
Fürsteiith. Augsburg j nebst der Stadt dieses Nahmcns, die vormalige Älarkgrafscliafi
Burgau; — lürstl. Fugger-Babenhausische j fürstl. Esterhazische _, gräfl. Stadion-
sche^ gräll. Fugger-GLöttisc.lie_, Fugger- Kirchberg, j Fugger-JSordendorfisclie _, griifl.
Walbolt-Bassenheimisclie Mediatherrschaften , dessgl. vormal. deutsche Reichsstäd-
te); 5) der Rezatkreis (Theile von den vormal. Fürstenthümern Aiispach mid Bay-
reuth j der Oberpfalz ^ vom Mediatfürstenih. Eichstädt des Herzogs J?Mg-erj v. Leuch-
tenberg j fiirstl. Oettingen-TV allerstein- und Spielbergische j, fürstl. Hohenlohe- Schil-
üngsfürstische j fürsil. Schwarzenbergische j, hirstl. TVredischcj, grafl. Castellische^
gräfl. Pappenheimische j Rechtern-Limburgisch-Speckfeldischc Mediailiorrschaften ,
dessgl. einige vormal. deutsche Reichsstädte) ; 6) der Ober-Mainkreis (Theile von
den vormal. Fi'irstenthümern Bamberg und Bayreuth j von der Oberpfalz ^ die her-
zoglich baierische Mediatherrschaft Banz des Herzogs JFilhelm in Baiern , die gräfl.
Ortenburgische Medialherrsch. Tanibac/ij die gräfl. G/ec/iWc/^f? Herrschaft Thurnau);
7) der Uiiter-Mainkreis (bisheriges Grossherzogthum JFürzburg, vormal. Fürstenlh.
Aschaffenburg j die vormal. grossherzogl. hessischen Ämter Alzenau , Amorbach ^
Miltenberg und Heubach _, die Fuldaischen Ämter Bi'ückenau j Hammelburg j, Bi-
berstein und Weihers, verschiedene Mcdiatlande, fürstl. Schwarzenherp^ische_, fiirstl.
Löwenstein-TFerthlieimische j fürsil. Leiiiingische _, gräfl. Castellische j gräfl. Rech-
tern-Liinburg-Speckfeldisc/te , gräfl. Schönborjilsche und gräfl. Erbachische Älediat-
herrschaften).
b) In ^Vesten des Rheins : 8) der Rheinkreis (Theile von den iVaiizösisciicn De-
partements Donnersberg _, Saar und JSiederrhein , nähmlich die Bezirke Frauken'
thal j Landau j Kaiserslautern und Zivej brücken).
Der Flächeninhalt dieser 8 Kreise lieträgt nach Mensel 1407 Q1M-; Hock tmd
Cannabich rechnen dafür 1480 QM. ; Fabri i5o5 QM.
I. Das Königreich Sardinien. Zu diesem Königreiche gehört: 1) die Insel luid
das Königreich kyrt/v/irtten an sich, im millelländischen Meere; 2) ein Thcil von der
Halbinsel Italien, und zwar: a) das Herzogthum Savojen j in dem Umfange, welchen
es im J. 1790 halle, mit Ausnahme der Gemeinde Sl. Julien j welche durch den W. C.
und den Gencral-Recess der Frankfurter Terrilorial-Commission vom 20. J'^'v 1819
mil dem Ganton Ge^z/" vereiniget wurde; b) das Fürslcntiium Piemont mit der Graf-
schaft i\7sGrt ; c) das Herzogthum Montf errat ; d) ein Theil des IJerzogthumcs Mai-
land; e) die ehemalige, i8l5 in ein Herzogthum verwandelte und dem Könige von
Sardinien zugewandte Republik Genuas nebst der Insel Capraja, zwischen der nord-
östlichen Spitze von Corsica und der Küste Toscana's. — Das kleine, in der Graf-
schaft JSizza liegende Füislenthum Monaco steht unter sardinischer Hoheit.
Der Flächenraum des königl. sardinischen Staates beträgt, nach Crome j Hassel
,^ I. Land der earop. Staaten, ij. 7. Staaten der dritten Grösse.
und Mensel^ \2TJ (nach andern i3oo — l5oo) QM. , wovon auf die Insel Sardinien
43o i,'erccbnct werden.
K. Das Könifj^reich der JMeder'lande. Dieses neue Königreich ist gebildet aus der
Vereinigung der vormaligen Republik der vereinigten Niederlande j nachherigen Ba-
tavischen Republik (einige Zeit Königreich Holland), mit Belgien j oder den ehe-
mnW'^cn österreichischen Niederlanden j vormal. burgundischen Kreise des ehemal.
römisch-deutschen Reichs, in Verlundung mit dem vonnal. weltlichen Gebiete des
ßisthums Lüttich j und einigen bisherigen königl. preuss. imd königl. französischen
Bcstandtheilen, nebst dem Mcdiaihcrzogthume Bouillon.
Das Areal dieses Königreichs beträgt 1164 Q^'- Davon kommen a) 532 auf die
g nördlichen Provinzen {Holland j Zeeland j, Utrechts Oberyssel _, Friesland ^ Gro-
ningen,, Geldern j Drenthe und Nord-Brabant); b) 522 auf die 8 südlichen Pro-
vinzen {Sild'Brabant j Ost- Flandern ^ West-Flandern „ Hennegau, Namur j Lim-
burg j Antwerpen und Liittich)\ c) no auf das Grossherzoglhum Luxemburg , das
in poliüschcr Hinsicbi zwar an das Interesse des deutschen Bundes geknüpft ist, aber
in jeder andern Rücksicht, in eben dem Maassc zu dorn Königreiche der Niederlan-
de gerechnet wird , als Holstein imd Lauenburg zur dänischen Monarchie gehören.
Staaten d 0 r <1 r i 1 1 e n G r ö s s f .
A. Die Schweiz oder die schweizerische Eidgenossenschaft. Dieser verbündete
Staatskörper besteht gegenwärtig, kraft der Erklärung des Wiener Congresses vom
20. März i8l5;, der zufolge mit den bisherigen ig Cantoncn {Zürich^ BerUj Lucern,
Uri, ScliwjZj Unterwaiden , Glarus , Zug, Frejburg , Solothurn , Basel, Schaff-
hausen, Appenzell , St. Gallen, Graubündten , Aargau j Thurgau, Tessin und
TFaadt) , als der Grundlage des schweizerischen Bundessystems, Wallis, Neufcha-
fe/ und Genf, als neue Cantone, vereiniget worden, aus 22 Cantoncn, deren Flä-
cheninhalt, nach dem Territorial-\'erlusie des Gantons Graubündten aj , aber mit
dem netten Gebietszuwachse der Cantone Ber?i bj , Basel cj , Neufchatel dj und
Genf e) , nach Hassel, Cannabich und Meusel zu 871 QM. berechnet wird, an wel-
cher Gesammtsumme Bern , als der grösste Canton, mit 171 , Genf, als der kleinste,
mit' 5 QM. Antheil nimmt. Crome in seiner Verhältnisskarte von Europa rechnet für
die Schweiz 83g, in seinci- Generalkartc von Ilelvetien aber, die, so wie jene Karte
seinem Werke : „Allgemeine Übersicht der Staatskräfte von den sämmtlichen euro-
päischen Reichen und Ländern" bcj'gefügt ist, 107g geogr. QM.
B. Der Kirchenstaat (Slato della Chiesa), oder das weltliche Gebiet des Papstes.
Es liegt im mittleren Italien, und uraflisst gegenwärtig wieder: 1) die Stadt Rom mil
ihrem Gebiete; 2) die Delegationen von Fiterbo , Spoleto , Perugia, Camerino ,
Macerata , Ancona j Urbino , Romagna , Bologna und Ferrara; letzlere mit Aus-
nahme des, auf dem linken Ufer des Po gelegenen Theils , welcher, nebst dem Be-
.satzungsrechte in den Städten Ferrara und Comachio , kraft des io3. Artikels der
Acte des W. C, an Österreich abgetreten wurde; 5) das Hcrzogthum Benevent imd
das Fürsienthtun Ponte Corvo im Ncapoliianischcn.
I. Laad der europ. Staateo. §. -• Staaten der dritten Grosse. li
Das Ganze einhält, nach Hassel j Crome und Mensel _, ein Areal von 714 ^'cogr.
QM.; nach Fabri nur 5oo, nach TVilhelm Meyer abei\, der ein neues geographi-
sches Werk über Iiahen, mii einer neuen Karte von dieser Halbinsel herausgab, 816
geogr. QM.
Das Fiirstenthum Avignon und die Grafschaft J^enaissin in Frankreich, die dem
römischen Stuhle von den Franzosen schon 1790 entrissen worden, sind, in Folge
des 3- Artikels des Pariser Friedenstraciais vom 3o. Mav 1814, bcy Frankreich ver-
blieben.
C. Das Grossherzogtlumi Toscana. Zu diesem wiedcriiergeslellten Grossherzog-
thume gehört: 1) das Flor entmische Gebiet 5 2) da.s Pisa?iische Gebiet; 3) das Ge-
biet von Siena; hieizu , nach dem Art. 100 der Acte des W. C., 4) der vorhin zum
Königreich Neapel gehörig gewesene Slato degli Presidii ; 5) dcrThcil derInscl_E'/(^a^
welcher vor 1801 unter der Lchnsherrlichkeit des Königs beyder Sicilien stand; 6) die
Lehnsherrschaft mid Souverainetät über das, dem Prinzen Ludwig Buoiicampagni
erbeigenthümliche Fürstenthum Pionibino auf der Insel Elba ; 7) die im loscanischen
Gebiete eingeschlossenen, vormals kaiserlichen Lehen Vernio j Montanlo luul Monte
Santa Maria.
Das Ganze enthält, nach Crome j einen Flächeninhalt von 426 geogr. QM. ; nach
Hassel 3g5, nach Fabri 420, nach Cannabich 410 QM.
D. JJcv Parmesisc/ie Staat, bestehend aus den Herzoglhümeru Parma j Piacen-
za und Guastalla ^ mit Ausnalime der, auf dem linken Ufer des Po gelegenen Be-
zirke, welche kraft des Art. gg der Acte des W. C. an Osterreich abgetreten wurden.
Auch ist im Pariser Tractate vom 10. Juny 1817, in Betracht der besondern Wich-
tigkeil der Festung Piacenza für das A erlheidigungssystem von Italien, festgesetzt
worden, dass Sr. k. k. apostolischen Majestät bis zum Eintritt der, auf den Fall der
Erlöschung der spanischen Linie des Hauses Bourbon l>cstimmlen Reversionen , d;is
Besatzungsrecbt iu besagter Stadt zustehen solle.
Der Flächeninhalt des parmesischen Staates wird zu 102 — 106 geogr. QM. be-
rechnet.
Ausserdem gehören in diese Glasse 8 deutsche Bundesstaaten :
E. Hann^'er; F. TFürteniberg ; G. Saclisen ; \\. Baden ; I. Mecklenburg-Sch.we-
rin ; K. C/iurhessen; L. Grossherzoglhum Hessen; M. Holstein-Oldenburg und N.
Nassau j von denen, in Ansehung der Grösse des Flächenraumes (s. §. 5) Hanover
vor Toscana zu stehen kommt ; die zunächst darauf folgenden 6 Staaten alicr nach
Toscana j jedoch vor Parmas den Vorzug behaupten, und Nassau mit dem parme-
sischen Staate migefähr von gleicher Grösse ist.
a) IndeiTi, die Thäler VcUUn, CUifcii (Chiavcnna) und IVorms (Bormio) , welche 1797 schon
an die damalige cisalpinische Republik abgetreten wurden , durch die Entscheidung des
W. C. mit dem Rönigreiclie Italien an Österreich übergingen. Dafür erhielt Graubüiidteii
die kleine österreicliische Herrschaft Razuns wieder, welche innerhalb seiner Gränzen liegt.
b) Auf dem Wiener Congress wurde der grüsste Theil des Bislhums Basel, nebsl der Stadt
und dem Gebiete ^on Eiel , dem Canton Bern zugetheilt.
c) Durch die Entscheidung desselben Congrcsses wurden 3 QIM. mit i2 Gemeinden des Bis-
thums Basel mit dem Canton gleiches Nahmens vereinigt.
i6 I. Land der europ. Staaten. §. 8. Staaten der vierten Grosse.
d) Auch der Canton Neufchalel wurde mit einigen Bezirken \ova Bisthume Basel vergrössert.
e) Genf erhielt durch den W. C. und den General-Recess der Frankfurter Territorial-Com-
mission \on Sacoyen einen Landesbezirk von ungefähr 12,700 Einwohnern, worin die Stadt
CaiTouge liegt, und von Frankreich einen Theil der Landschaft Gex j mit 3ioo Einwohnern,
§. 8.
Staaten der vierten Grösse.
A. Der modenesische Staat, bestehend: a) aus den Herzoglliüniern Modena _,
Reggio und Miirindola _, in der Ausdehnimg, welche diese Provinzen zur Zeit des
Friedens von Canipo Fonuio liatten ; b) aus dem Herzogthume Massa und dem Für-
sienlhume Carrara_, mit dem vormahgen kaiserhchen Lehn in der Lunigiatia ^ wel-
clte beyde letztere Provinzen, nebst dem besagten Lehn, eigenllich der Erzlierzoginn
Maria Beatrix von Este mid ihren Eriken und Nachfolgern , zugetheilt wurden.
Das Ganze enthält einen Flächenraum von imgefahr c\2 — g6 gcogr. QM. , wovon
auf die Fürstenlhümer Massa und Carrara i5 — 18 gerechnet werden.
B. Die vereinigten Staaten der jonischen Inseln j oder die jonische Republik ^
auch die Siebeninseln-Repub/ik t^enaiml , bestehend aus 7 grösseren und einigen klei-
nern Inseln im adriaiischen Meere, nahmentlich : 1) Corfic; 2) Paxo vcüx. Antipnxo ;
3) Santa Maiira ; 4) Theaki (das Itliaka der Alten); 5) CepJialonia; 6) Zante ; 7) Ce-
rigo (das Cylherca der Allen) mit Cerigetto.
Diese Inseln enthalten zusammen ungefähr 46 QM-, und sind, durch die Pariser
Convention vom 5. Nov. i8l5, ausschliesslich unter Grosshritanniens Schutz gestellt
worden. So ist denn die Beherrscherinn der Meere gegenwärtig auch im Besitze des
Schlüssels des adriatisclien Meeres.
C. Die ehemalige Republik Lucca ward im J. i8o5 in ein Fürslenlhum verwan-
delt, und i8l5 auf dem Congress zu Wien zu einem Herzogthume erhoben. Als sol-
ches ward dieses Land der vormaligen Königinn von Hetrnrien Marie Loidse_, Infantinn
von Spanien , und deren männlichen Nachkonmien als Entscliädigimg für deren An-
sprüche an Parma übergeben, und damit üljerdem eine Rente von 5oo,ooo Franken
verbunden , deren Zahlung der Kaiser von Österreich und der Grossherzog von Tos-
cana übernommen haben.
Der Flächeninhalt dieses neuen Herzogthumes beträgt 20 QM. Andere rechnen
dafiir 23 QM.
D. Die freye Stadt Krakau. Diese Stadt und deren Gebiet wurde in einem ad-
ditionellen Tractat der Schlussactc des W. C. zu einer freyen Stadt erklärt, imd un-
ter Österreichs, Russlands und Preusscns Schutz gestellt. Sie enthält mit ihrem Ge-
biete, nach Hasselww^ Creme, ig, \\a.c\\Fabri_, Cannabich und andern aber nur 8 QM.
E. Die uralte Repnblikette San Marino,, im päpstlichen Gebiete, zwischen Ro-
magn-a und Urlnno, und unter päpstlichem Schutze, beherrscht ein Gebiet von etwa
2 QM. , worauf 1 Städtchen, S. Marino j, und 2 Dörfer, Faetano tuid Serravalle j
sich befinden.
Ausserdem gehören in diese Rubrik 27 deulsclie Bundesstaaten (s. §. 5- D.), von
denen 3 fiBrn«/2.yr;/nve7g j Sachsen- Weimar luid Sachsen - Gotha J in Ansehung
J. Land licr turop. Staaten. ^. g. Giaiuen udJ Lage. 17
ihres Areals i\i\cli 3Iodena , aber vor den i'ereinigten Staaten der jonischen Inseitig
6 f Mecklenburg- StrelitZj Saclisen-Coburg-Saalfehij, Lippe-Detmold j, Sclnvarzbiirg-
Sondcrsh.'iusenj Schwarzburg-Rndolstadt und TValdeckJ nach der jonischen Rc-
puhhk, ahcr vor Lucca 7A\ stehen kommen, die ülirigen 18 sämniüich kleiner alsZfiC-
Crtj ajjcr doch grösser als Siin Marino sind; folglich ist dieser Staat der kleinste un-
ter den sümmtlichen europäischen Staaten. \ ergleicht [man diese Repiddikette mit
dem ungeheuren russischen Reiche in Europa: so lindet man, dass crsterer Staat sich
zu dem letzteren wie 1 : 5-],2bo verhalt, oder San Ma.rino's Fliichenraum 5^7^-f^ Mal
kleiner, als das Areal des europäischen Paisslands ist.
§•9-
Gränzen und Lage.
Die Gränzen der europäischen Staaten sind sämmtlich durch politische , d. i.
durch Siaalsvertriige bestimmte, Scheidungslinien , die entweder Natur- oder Kunst-
gränzcn sind, l)ezeichnet. Es gibt Land- imd \Vassergränzen, als natürliche Schutz-
wehre gegen feindliche Angriffe , und wo sie fehlen , Gränzstädte , Gränzcordone ,
Schanzen mid Festmigen, denen man durch Kunst die Eigenschaft euicr Schutzwelire
gegen drohende JNachbaren zu ertheilen gesucht.
AVenigcr kostbare und grössere, aber, wie die Erfahrung alter luid neuer Zeiten
lehrt, nie volle Siclicrheit hat der Staat, dessen Gränzen schon durch natürliche Be-
günstigung (durch G'.^birge und ^Valdungcn , Meere, Flüsse und Sümpfe) die Eigen-
schaft erhielten, die \ ertheidigmig gegen feindliche einfalle von den Nachbarstaaten
zu erleichtern.
Dieser natürliche Vortheil aber vergrössert oder vermindert sich, je nachdem die
Gestalt des Staatsgebiets und die Nachbaren sind. Frankreich z. B. hatte im Vertrauen
auf die Neutralität der Schweiz überall, wo es an deren Gebiet angränzt, auf der
ganzen Strecke des Jura, zu seiner Sicherheit nirgends künstliche Forlificationen ange-
legt; dagegen ist es gegen Deutschland durch eine dreylache Linie von Festungen ge-
schützt. Je mehr sich die Gestalt eines Staatsgebiets einem vollkommenen Quadrate
oder einer vollkoumienen Kreisfläche nähert: desto kürzer ist die Ujnfangslinie dessel-
ben, desto mehr sind die Staatskräfte concenlrirt, desto leichter ist das Land gegen
feindliche Anfälle zu schützen , und desto gleichförmiger kann die Regierung auf alle
Theile des Staates wirken. Daher auch das Streben der europäischen Regierungen in
altern und neuern Zeiten, die Arrondirung (Zurundimg) ihrer Staaten zu bewirken.
Die verhältnissmässig gedehnteste Gestalt (s. luilen B.) unter allen europäischen Staa-
ten hat Freusseji ; der am besten abgerundete Staat a!)cr ist FrankreicJi.
Europa ist auf drey Seiten mit Meeren umgeben; auf der vierten hängt es in ei-
ner langen Linie an Asien. Im Süden hat es Aas mittelländische Meer j wodurch es
von Afrika geschieden wird; im Westen den westlichen, und insbesondere den atlan-
tiscfien Ocean , welcher dasselbe von Amerika scheidet; im Norden denselben Ocean,
welcher zwischen Norwegen und Grönland auch das Nordmeer hcisst, imd das nörd-
liche Eismeer. Über die östliche oder Juandgränze gegen Asien waren die Meinimgen
3
j 8 I. Laud der curup, ütaitcn. §. g. Gtaiizeu und Lage.
der Erdheschreiber bisher j^clheilt , scheinon sich aber allj^ciuach darin zu vereinigen;
dass man he])er eine iialiiiliche als pohlische Gränze annimmt, und so sind auf dieser
Seile als Griinzliuie von Süden nach iNorden anzusehen: das asowsche Meer, der Don-
(luss l>is zum Einfluss der Sura in die Wolga , dann das uralische Gebirge. Es lieiTschl
aber liierbey noch sehr viel Unljesümmies. Dieser Gr'anzbeslimmung zu Folge liegt
Europa zwischen dem 36' — 71° nördlicher Breite und zwischen dem 8 — ^77' östli-
cher Länge.
Die einzelnen europäischen Staaten und Länder aljcr haben folgende Gränzeu,
und zwar:
L Die miticleuropiiiscJien Staaten imd Länder.
A. Das Kaiserbhuni Oesterreich. Gegen Norden: Sachsen in einer Länge von 53
Meilen von der baierschen bis zur preussischen Gränze ; Preussen an der böhmischen,
mährischen und schlesisclien Gränze bis an die Weichsel, dem Städtchen Oswiezin
gegen iiljcr, 37 Ml.; das Geljiet der freyen Stadt Krakau , von der ]ireussischcn
Gränze bis zur jMundung der Wolika in die Weichsel, 11 ML; gegen Nordosten und
Osten: Russland von der Gränze der freyen Stadt Krakau längs der Weichsel, Sann,
Püdhorczc , des Dniesters und des Pruths , bis wo dieser Fluss die Bukowina verlässt,
ll3^Mi.; das osmanische Reich längs der Bukowina, Siebenbürgen, Ungern, Slavo-
vien, Croaticn , Dalinatien, Ragusa und Gallaro, 202^- All. ; gegen Süden: das adrialL-
sche Meer von Cattaro bis zur Mündung des Po; derselbe Strom längs der Gränze
des Kirchenstaats, i3 Ml.; Modena io|- ML; Parma 144 ML; gegen Westen: Sardi-
nien am Po und Ticino, 205- Meilen; die Schweiz an der lombardischen und Ty-
rolergränze 68 ML; das Fürstenlhum Liechtenstein 3i ML; Baiern, längs derTyroler-
und Salzbui'gergränze bis zur Salzach, an diesem Flusse imd dem Inn l)is zur Donau,
und nördlich über dieseUjc an dem Böhmerwaldgebirge bis zum Ascher-Dislrict, 148 ML
Der mächtigste Gränznachbar Österreichs ist in gegenwärtigen Verhältnissen Russland j
nach diesem Staate ist der wichtigste Nachbar Österreichs Preussen; aber die ausge-
dehnteste Gränzlinie ist jene mit der Türkey. — In seinem gegenwärtigen Zustande
bildet der österreichische Staat einen fast ganz zusammenhängenden Erdstrich , der
sich vom 42° 7' bis zum 5l° 4' nördlicher Breite , und vom 25° 56' bis zum 44° 10' öst-
licher Länge erstreckt.
B. Der preussische Staat zerfalh in zwey, durcli andere Staaten getrennte llaupt-
iheile, den östlichen luid westlidien.
a) Der östliche, als der bcy weitem grössere (s. §. 6. D.) gränzl gegen Norden:
an die Ostsee; gegen Osten: an Russland, PoLn und den Freyslaat Krakau ; gegen
Süden: an Österreich und Sachsen; gegen Westen: an 18 deutsche Bundesstaaten
(Baiern, Weimar, Gotha, Coburg-Saalfcld , Meinungen und Hildburghausen, l)eyde
reussische Haupllinien, beyde schwarzburgische und die drey anhaltisclien Häuser,
Churliessen, Hanovcr, Braunschweig und beyde mecklenburgische Häuser). Die Länge
des ganzen Gränzzuges der zusammenhängenden Hauptmasse des preussischen Staates
enlhäit 585 geogr. ML Bildete sie grade ein Quadrat , so würde ihre Umgränzung nur
260 ML lang seyn; die Länge der Gränzen wird also durch die Unregelmässigkeit ih-
rer Gestall mehr als verdoppelt. Zu dieser Hauptmasse gehören noch andere Thcile ,
1. Land der europ. Sta.iteu. ■$>. g. Giauzcu und Lage. in
die tlieils ganz von anderen deulsclien Staaten umsclilossen sind^ wie Gefall, Ziogcn-
rück^ Kanisdorf, Wanderslcbon , Schlensingon , Bencckcnstein , ^Volfsb^lI•g und Du-
ckow, tlieils, wie voinchndich dasErfurler Gebiet, nur in geringer Beriilirung mit dem
Ganzen stehen.
b) Der westliche Theil, welcher auf der nächsten Landstrassc von Heiligenstadt
über Kassel auf Warburg 7^ Ml. von dem östlichen entfernt ist, gränzt gegen Norden:
an llanovcr; gegen Osten: an 8 deutsche Bundesstaaten (Hanover, Braunschweig,
Lippc-Delmuld, Schaumburg-Lippe, Waldeck, Churhessen, (irossherzogthum Hes-
sen und Nassau); gegen Süden: an die baierschen, hessen-homburgischen, oldenbur-
gischen und sachsen-coburgischen Länder auf dem linken Rheinufer , von der Nahe
oberhalb Kreuznach bis zum Einflüsse der Blies in die Saar, und von da, Ins an die
Mosel unterhalb Sierk^ an Frankreich; gegen Westen: an die Niederlande mit Ldjc-
grilf des Grossherzogthums Luxeml)iug. Die Länge dieser Gränzcn beträgt 254 J?<^ogr.
Ml. Hätte dieser Landcsthoil die Gestalt eines Quadrats: so würde sein Umfmg bey
gleichem Flächeninhidie nur 114 j\ll. betragen ; die Unregelmässigkeit seiner Gestalt
veilängert den Gränzzug also um mehr als das ,Do])[ielle. Zu diesem Theile gehören,
aber hängen nicht mit ihm zusammen: die Siädtc Liigde und TVetzlar ^ dann das vor-
mals nassauische Amt Atzbach und die Ämter Brauiifels _, Grcifensteui imd Hohen-
solins ä).
Der östliche Theil liegt vom 49° 45' — 55" 40' N. Br. , imd vom 27° 40' — 40° 3o'L. ;
der westliche Theil erstreckt sich vom 4g'' 10' — b'Z" 5o' N. Br. , und vom 23° 5o' —
27° 5' 0. L.
Das unter preussischer Honeit stehende Fürstenihnm Neiifchatel mit der Graf-
schaft P'aleng'ui isK am Jura längs der französischen Gränze gelegen; es stehet mit dem
Gros der preussischen Monarchie, so wie mit deren politischen Einrichtung in gar
keiner Berührung; es macht vielmehr einen Theil der Schweizer-Eidgenossenschaft
aus , und hat seine eigenlhümliche Verfassung.
C. Deutschliuid gränzt gegen N. an die Nordsee , die Eyder, den schleswig-
holsteinischen Canal, das Königreich Dänemark und die Ostsee; gegen O. an das Kö-
nigreich Preussen, das Grossherzoglhum Posen, die Königreiche Galizien , Ungern
und Croatien; gegen S. an das adriatischc jMeer, an Italien (das lombardisch-vcntLia-
nische Königreich) und die Schweiz ; gegen W. an das Königreich Frankreich und das
Königreich der Niederlande. Es erstreckt sich vom i^'S 12' — 55" N. Br. , und vom 2.3
8— 36' 40' O. L.
Die verschiedenen, in Deulscldand liegenden Staaten, welche durch den deut-
schen Bund zu eintem polilischcn Ganzen vereiniget sind, haben, mit Ausnahme Öster-
reichs und Preussens , folgende Gränzen :
1) Das Königreich Baieriij, in zwey gelrennten TheUen , a) der grossere, dicssseits
des Rheins, an beyden Seilen der Donau: gegen N. churhessische , sächsische (gross-
lierzogl., herzogl. und köuigl. sächsische) und reussische Lande; gegen O. und S.
österreichisch-deutsche Lande; gegen W. würtembeigische, ])adcnsc]ie und giossher-
zogl. hessische Lande. Die geographische Lage: vom 47' — 5o' 40' N. Br. und vom 26'
3o' — o\' 20' L.; b) der kleinere 1 heil , Jenseils des l»lieins, im N. des vog.-sischcn
2a I. Lüiiil Jui' euiuf>. SUalcü. 'f. 9. Girtiizcju u:id Lage.
Gcl)ir/js am Rliciii , ist umgehen von Fraukreicli, der prenssisclicn Provinz Nieclei'-
rheiu, hcssen-hombm-gisclieu mid grosshcrzogl. hessischen Landen. Die geographi-
sche Lage ist: vom 48' 5o' — 49' 5o' N. Br. imd vom 24'' 42'— 2ß" 12' L-
2) Das Königreich TFärtemberg ^ an der Donau, ani Neckar, an der raulien Alp
und am Schwarzwaldc, gränzt gegen N. an Baden und Baiern; gegen O. an Baierii j
gegen S. an chcn dasselbe, den Bodensec und Baden; gegen W. an den Rhein. Die
geographische Lage ist: vom 47° 3o' — 4g" 40' N. Br. und vom 25" 40' — 28° L.
5) Das YdvsieiwXwan LiecJitenstein, am Rhein, ui S. O. vom Bodeusce, zwische-n
Grauhündien und den zu Tyrol gehörigen vorarlhergisclien Herrschniten.
4) Die fürstlich- holteiizollernsclien Lande ^ am Schwarzwalde und der rauhen
Alp, zwischen Wiirtemberg imd Baden.
5) Das Grossherzoglhum Baden, längs des R.lieins, wodurch es von Franki'eicli
geschieden wird ; gegen N. Grossherzoglhum Ilesscji und tlie l)aierischen Staaten ;
gegen O. Würtem])erg; gegen S. der Bodensee und der Rhein; gegen W. der Rhein.
Die Hallte der Brücke zwischen Strassburg und Kehl gehört zw Frankreich j, die an-
dere Jlalf'ie zum Grossherzogilium Baden. Die geographisclie I-^age ist: vom 47° 3o' —
49" 5o' N. Br. und vom 20' 14' — 27° 40' L.
6) Das Grossherzogthum Nassau _, am Rhein und Main, Ijcgränzt von der preus-
sischen Provinz Niederrhein, dem Grossherzoglhunie Hessen, dem Gebiete der frcyen
Stadt Frankfurt am Main luid an dem Rheine , der die südliche Gränze macht. Die
geographische Lage ist: vom 4g" 5o' — bl° N. Br. und vom 25" — 26° 8' L.
7) Das Grosshcrzogl huii! Hessen^ in zwey getrennten Abthcihmgen : a) der nördli-
che Theil , zwischen der preussischcn Provinz ^Veslphalen, den nassauischen, waldecki-
schen, clmrhessischen imd baierisclien Landen, und dem Gebiete der freycn Stadt
Frankfurt am Main; b) der südliche Theil, am Main und an bcyden Ufern des Rheins,
begränzt von dem Gelnele der freyen Sladt Frankfurt am Main, den churhessischen,
baiei'ischen und baden'schen Landen , der preussischen Provinz Niederrhein und dem
Rheine, der auf dieser Seite die Gränze zwischen Nassau und dem Grossherzogthum«
Hessen macht.
8) Die \imd>^vAÜK-\\-Jiessen-homburgischen Lande^ eljenfalls \\\ zwey a!)gcsondcr-
len Abtheilungen : a) diessseits des Rheins, in der\Vellerau, zwischen den grosslierzogl.
hessischen, churhessischen und nassauischen Landen; b) jenseits des Rheins, ein
Abschnitt von dem vormaligen Saar-Departement des französischen Reichs, zwischen
dem baierisclien Rheinkreise und der preussischen Provinz Nieden-hein.
g) Die chnrliessiscJien Lande bilden gleichfalls kein zusammenhängendes Ganzes ;
um- der eine Haupttlieil liegt gesammelt an und auf den Wesergebirgen, während die
kleinem zerstreueten Stücke an der Weser, auf dem Thüringerwalde , am Mam und
in der Nähe des Spessart liegen. Im Ganzen sind dieselben jedoch von der preussi-
schen Provinz Wesiphalen , den Königreichen Hanover und Baiern, den grossherzogl.
und herzogl. sächsischen, grossherzogl. hessischen, nassanischen und waldeckischen
Landen und dem Gebiete der freyen Stadt Frankfurt am Main liegränzt.
10) Das Fürstenthum IValdeck: a) die Grafschaft Waldeck:, als der eine Theil,
an der Diemel, zwischen Churhosscn , Grossherzogthum Hessen und der preussischen
I. Land Jcr europ. Sl.i.iten. §. g. Graiizcn nnd Lage. ?!
rioviiiz Weslphalciij 1)) die Gnifscliiill Pyrmont j nls der andere Tljoil, uinvcil dei*
Weser, uingoben von preussisclieu ^ Lianöycrischen und lippe-de'linoldisclieii Landen,
11) Das Füislenltnim Lip])e: a) die fürsllich /ippe-detmoldisc/ieit Lande, an den
kleinen Flüssen Werre , Emnier und Aach, z^^isellen hanöverisclien, preussisclien
und scliaucn])urg-]ippiscLen Landen und der Grafscliaft Pyrmonl; L) die fiirsllich
schauenbiirff-!i/>pisc/ien Laude, an der Weser und am Slcinliudersce ; umgeben von
hanövcrischen , preussisclien, lippc-deLmoldischen Landen und von dem cliurlicssi-
schen Anllicile an Schauenburg.
12) Das Königreich Hanover. Es bildet kein geschlossenes Ganzes, indem es die
Gehiete des Grossherzogs von Oldenburg ixnd der freyen Hansestadt Bremen cin-
"schliessU Es Avird im Osten von den preussisclien, mecklenburgischen und braun-
schweigischen 5 imSsiden von den sclnvarzl)urgischcn, cluuliessischen und jireussisch-
westphalischen j im Westen von den lippischen, waldeckischen luid preussisclien Lan-
den und dem Königrciclie der Niederlande 3 im Norden von der Nordsee, von HolsLein,
Lauenburg und dem Gebiete der freyen Hansestadt Hamljurg begränzt. Die geogra-
phische Lage, vom llarzgebirge bis zur Nordsee, vom öl" 3o' — 55" 45' N. Er. und vom
24° 10' — 2g' 20' L.
l5) Die herzogl. liolsLein-oldcnhurgischcn Lande: a) Herzogthum Oldenburg ^
zwischen der Nordsee und den hanöverisclien Landen an der Weser j h) Fürsicnlhum
Lübeck _, an der Ostsee luid Trave, umgeben von diinischen Landen luid dem Gebiete
der freyen Hansestadt Lübeck 5 c) Fiirstenthum JJirkenfeld j im Westen des Rheins
an der Nahe, ein Aljscluiitt vom vormaligen französischen Departement Saar.
14) Die herzogl. braunschweig-wolfeubütteF sehen Lande liegen zerstreut an der
Ocker, Leine, Weser, an imd auf dem Harze, zwischen preussisclien, hanöverisclien,
anhaltischen und schwarzburgischen Gebieten.
15) Die grossherzogl. mecklenburgischen Lande liegen liings der Ostsee vom 53^
4' — 54° 40' N. Br. und vom 28' 2o' — So" 4' L. , und gränzen gegen N. an die Ostsee j
gegen O. an Pommern und Brandenburg j gegen S. an Brandenburg; gegen W. au
Stadt-Lidjeckisches Gebiet, Lauenburg und Ijüneburg.
^6) Die herzogl. anhaltisclien Lande, in zerstreuten Theilen, an der Elbe und
iS'rtaZc'j umgeben von der preussisclien Provinz Sachsen und einem kleinen Striche von
Braunscliwcig.
17) Das Königreich Sachsen j seit i8l5 fast um die Hälfte verkleinert, gränzt ge-
gen O. und N. an die preussisclien Lande; gegen ^V. an dieselben, an das FLirslen-
tlium Akenburg und die reussischen Lande ; gegen S. an die Königreiche Böhmen und
Baiern. Die geographische Lage ist vom So" lo' — 5l° 5o' N. Br. und vom 29° 35' —
32° 35' L.
18) Die grossherzogl. sachsen-iveimäriscJien Lande," in zwey Haupttheilen, a) das
Fiirsteiitluun /'F(?tmrt/'j an der Saale , Elster, Hm, Orla , Unstrut,^ und Gera, um-
geben von der preussisclien Provinz Sachsen, den golhaischen, schwarzburgischen
und reussischen Landen ; b) das Fürstenlhum Eisenach ., am Thiiringerwahlo und
Rhöngebirge , und an den Flüssen \Vcrra , Llstcr, Nesse, Hörsei und Fulda, be-
gruiut von preussisclien, churliessisclien, golhaischen luid meinungen'schen Gebieten.
g» 1. LaiiJ ilei curop. Staaten, '^. g. Grämen uuil Lage.
in) Die licrzögl. sachsen-gothaischen Lande, in zwey getrennten Hauptdicilen ,
a) das Fiirsienlliuin Gotha an der Um, Gera, Unstrul, llörsel , zwischen prcussi-
sclien, scliwarzbiirgischcn , weiniarischen , mcimxngen'schen nnd churlicssisclien Lan-
den; 1)) der grösste Thcil des Fürslcnthunis Altenburg ^ in mehrere Sliioke getrennt,
Wovon das eine ganz von dem Königreiclie Sachsen, dem preussischen Sachsen, dem
weimarischen Anthcile des Neustädlerkreises nnd von reussischen Landen umgeben
ist, und an der Pleisse hegt, das andere an der Saale, zwischen dem preussischen
Sacliscn, den weimarischen, coLiirg-saalfeldischen , schwarzburgischen und reussi-
schen Landen sich hinzieht. Indessen hegen l>eyde Fürstenlhiimer , mit dem dazu
"chörigcn Anthcile an Henncljcrg, an der Nord- und Oslseite des Thüringerwaldes.
20) Diehcrzogl. S.cobnrg-saalfeldiscJieii Lande, in zwey a])gesondcrien Theilen,
a) in O. des Rheins, zum Tlieil am Tlütringerwahle , in S. von den herzog), saclisen-
golhaischen Gebieten, an den Fliissen Hz und Saale; b) in ^V. des Rheins, ein Di-
strict des vormaligen Saar-Departemenls, zwischen der preussischen Provinz Nieder-
rhein und dem baierischcn Rheinki-eise, an den Flüssen Nahe, Glanz und Blicss.
21) Die herzogl. S. meinuiigeiisclien Lande, in S. vom Fürslenihuiue Gotha, an
der Werra imd an der Hz, in NO. einen Theil des Thüringcrwaldcs, in W. einen
Theil des Rhöngebirges begreifend.
22) Die herzogl. S. liihllnirgJiaiisiscJien Lande, in O. vom S. meinungen'schen
Anlheile an Ilennebcrg ; in W. vom S. meinungen'schen Anlheile am Fiirstenlhume
Coburg , an der Werra und Rodach und am Thüringerwalde. Ein Stück liegt ge-
lrennt im Würzburgischen.
23) T)iG {\ivi\\n'\i schwar-bitrgLSc]ieii\jM\Ao, in zwey abgesonderten Stücken, a) der
eine Theil, welcher die Oberlieri'scliaft genannt wird, liegt am Thüringprwalde,
zwischen den grossherzogl. und herzogl. sächsischen Landen und der preussischen
Provinz Sachsen, an der Saale, Hm und Geira ; b) der andere Theil, die Utiter-
herrschüf t 'j^enannl, an der Helme, "\Vi[)per und ndbe, ist ganz vom preussisclien
Gebiete umgeben.
24) Die fürsiliih reussiscbcii Lande, an der Saale und Elster, zwischen den
Koniofeichen Sacliscn und Raiern, dem iieusladlischen Kreise inul dem Fiirsiciuliumc
Ahenburg.
25) Die freye Stadt Frankfurt _, zu beyden Seilen des Älains. Stadtgebiete, zwi-
schen Churhessen, Grossherzogthum Hessen inid Ilerzogthum Nassau.
26) Die freye Hansestadt Lübeck j, an der Tiave, etwa 2 Meilen von ihrer Mün-
dung in die Ostsee und an der Wackenitz. Stadtge])iete^ an der Ostsee, zwischen
den mecklenburgischen und oldenburgischen Landen.
27) Die freye Hansestadt Bremen^ an der ^Veser, etwa i5 ML von ihrer Mün-
dung in die Nordsee. Stadtgebiete, zwischen hanöverischen und oldenburgischen Lan-
den, an beyden Seiten der Weser und Wümme.
28) Die freye Hansestadt Hamburg ^ an der Elbe, welche hier die Aister und
BlUe aufninmit, etwa 18 Ml. oberhalb der Mündung der Elbe in die Nordsee. Stadt-
gebiete an der Nordsee, zwischen den Hcrzoglhümern Holstein und Oldenburg.
D. Die Schweiz oder Sdnveizcr-E'ulgenossenscliaft gränzi gegen N. an Deuti,r}i-
I. Land der cuiüp. Staaten. §. g GrHnicn uud Lag?. 23
laiid (Baclcii, Wurlcniberg imd Baiern); gegen O. au dasselbe (Tyrol) ; gegen S. an
Italien (die italienischen Staaten Österreichs und die des Königs von Sardinien) ; ge-
gen W. an Frankreich. Durch die Alpen wird die Schweiz von Ilalrcii und Deutsch-
land, durch den Juia von Frankreich getrennt. Die geographische Lage ist: vom 40*
40' — 47" 45' N. Br. uud vom 23° 40' — 28° 8' L.
E. Die fj-eje Stadt Krakaii j an dem Einflüsse der Rudawa in die Weichsel ,
auf dem Puncte, wo die Länder der drcy grossen Mächte, Österreich, llussland luid
Preussen , zusammenstossen.
IL Die süd- und westeuropäischen Länder und Staaten.
A. Italien _, eine Halbinsel, zu welcher mehrere Inseln gehören, erstreckt sich
südwärts in das mittelländische Meer, von welchem der Theil auf der Ostkiiste, das
adriatiscJie Meer odi'v :mi-h Act i'etietianisclie Meerbusen _, \u\A der Theil, der die
Wcslküsle des minieren Italiens bespühlt, das tuscische oder heti'urische'SLeQrhchst.
An der Landseite bilden die Alpen eine natürliche Gränze dieses Landes, welche es
in N. von der Schweiz, in N. und NO. von den österreichischen deutschen Provinzen
und in NW. von Frankreich trennen. Die geographische Lage ist vom 23° 3o — 36*
3o' L. , und vom 35° 40' — 46" 40' N. Br.
Die in diesem Lande gegenwärtig bestehenden Staaten hal)cn zu Gränzen , mid
zwar:
a) In Oberitalien :
1) Das Königreich Sardinien j bestehend a) aus der Insel Sardinien im mittel-
ländischen Meere, ^) aus dem festen Lande. Das letztere: gegen N. den Genfersee
und die Schweiz, wo hohe Alpen (die penninischen und lepontischen) eine natürliche
Gränze machen ; gegen O. die Herzogthümer Lucca und Parma , das lombardische Kö-
nigreich imd der Lago maggiore; gegen S. das mittelländische Meer; gegen W. Frank-
reich , wo der ^^ar , die See- und cotlischen Alpen natürliche Gränzen bilden. Das
feste Land des sardinischen Staates erstreckt sich vom 23° 3o' — 27° 5o' L. und vom
43 40' — 46 40' N. Br.
2) Das zum Kaiserthum Österreich gehörige lombardisch- venetianische König-
reich gränzt an die sardinischen Staaten, die Schweiz, an Deutschland , das adrialische
Meer, die Flüsse Po imd Ticino imd den Lago maggiore. Der Thalwcg des Po
bis zur Mündung des Goro bildet gegen INIodena, Parma , Piacenza und den Kir
cbcnstaat die Gränze.
5) Das Herzoglhum Parma _, nebst Piacenza und Guastalla _, an den Flüssen
Po und Taro , zwischen sardinischen, lom])ardisch-venetianischen , modenesischen
und toscanischen Gebieten.
4) Das Herzogthum il/o<^/<?/jaj nchst Reggio und 3/irandola j am Panaro , zwi-
schen Parma, Piacenza und Guastalla, dem lomljardisch-venet. Königreiche, dem
Kirchenstaate, Toscana, Massa und Lucca.
5) T)aLS Herzo'^ünun 3Iassa j nebst Carrara_, am mittelländischen Meere, zwi-
schen Modena, Lucca mid Genua.
6) Das Herzoglhum Zwccßj am mittelländischen Meere, zwischen Genua, Mo'-
dena und Toscana.
j^ S. Land der euroj). Slaatcu. ^. g. GriiiizcD und Lage.
b) lu Millclitalicn :
y) Das Grossherzogllium Toscana ^ am miuclländisclion Meere, das liier 3as
tnscische oder /letriuische lieissl, an den Flüssen Arno, Ombrone und Chiana (mit
Ausnalime einiger getrennlenTheile), zwischen Modena, Luccannd dem Kirchenstaate.
3) Der Kirchenstaat j am tuscischen mid adriatischen Meere, zwischen demlom-
hardisch-venet. Königreiche, Modena, Toscana und Neapel.
n) Die kleine Republik San Marino ^ im Umfange des Kirchenstaates, zwischen
Ilomagna und UrLino, an der Vereinigung der Flüsse Tamaro und Calore.
c) In Unlerilalicn :
lo) Das Königreich JXeapelj Lcgr'anzt gcjuen N. von dem Kirchenstaate; gegen
W. von dem mittelländischen Meere ; gegen O. von dem adriatischen Meere ; gegen
S. getrennt diu-ch die Meerenge oder Strasse von Messina, Faro cli Messitia_, von der
Insel und dem Königreiche Sicilien im mittelländischen Meere. Es liegt zwischen
dem 3i^ — 36^° O. L., und zwischen dem 37° 5o' — 42° 47' N. Br. Siciliens Lage ist
zwischen dem 29° 42' — 53" 23' O. L. und zwischen dem 36° 40' — 38" 27' N. Br.
B. J)\eyQvc\i\\^lQn Staaten der jonischen Inseln liegen im jonischen und ägei^-
schen Meei-e, an der Küste von Albanien, Livadien und Morea.
C. Das Königreich Frankreich gränzt gegen N. an den Canal, der es von Eng-
land scheidet, die Niederlande imd Deutschland; gegen O. an den Rhein, an Deutsch-
land, die Schweiz und Italien; gegen S. an das mittelländische Meer imd Spanien,
wo die Pyrenäen eine natürliche Gränze bilden; gegen W. an das atlantische Meer.
Es hegt zwischen dem i3 und 26° O, L. und zwischen dem 42° und 5l° N. Br.
D. Das Königreich iS/'«"/e« hat zu Grunzen: gegen N. die Pyrenäen, wodurch
es von Frankreich geschieden wird, vmd das atlantische Meer, das dort das Meer von
Biscaya (mare Cantabricum) genannt wird ; gegen O. das mittelländische Meer ; gegen S.
dasselbe vmd das atlantische Meer ; gegen W. Portugal und das atlant. Meer. Die geographi-
sche Lage ist zwischen dem 8" und dem 21° O. L., vmd zwischen dem 36° imd 44" N. Br.
E. Das Königreich Po/t?/,§-rtZ: gegen N. und O. Spanien; gegen S. und W. das
atlantische Meer. Es liegt zwischen dem 8° 14' — ii°53'O.L. imd 36° 58' — 42° 12'N. Br.
F. Das brittische Reich: gegen N. das calcdonische Meer; gegen O. die Nordsee;
gegen S. der Canal, wodurch es von Frankreich getrennt ist; gegen W. Gewässer des
atlantischen Meeres, von welchen dasjenige, das England von Irland scheidet, die
irländische See hcisst, und im Süden durch den St. Georgs-Canal mit dem Occan zu-
sammenhängt. Es liegt vom 7° — 20" O. L. und vom 5o° — 61° N. Er.
G. Das Königreich der Niederlande : gegen N. die Nordsee 3 gegen O. Deutsch-
land (königl. hanöver'sche und königl. preussischc Gebiete); gegen S. Frankreich;
gegen W. Frankreich und die Nordsee. Die gcograpliische Lage: zwischen dem 20'
und 25° O. L. , und zwischen dem 4g" 3o' und 53^ 5o' N. Br.
III. Die nord- und osteuropäischen Staaten,
A. Das Königreich i^rinemarA"; gegen N. der codanische ISIeerlrLisen , Cattegatt
genannt; gegen O. die Ostsee; gegen S. die Eyder imd der scUeswig-holsteinische
Canal, wodurch es von Deutschland getrennt wird; gegen W. die Nordsee, von den
Dänen die Westscc genannt. Dänemark selbst mit Schleswig, Holstein und Laucnbuig
I. LanJ der curop. Staatou. tj. lo. Colouien, 25
Jit-yl vom 24° 20' — So" 41' O. L. , und voju 53° 4l' — 58" N. Br. Die Färoer-Inscln und
die Insel Island liegen ixn nördlichsten Tlieile des allantischen oder amerikanischen
Occans, jene zwischen 6l° und 62° nördlicher Breite, diese erstreckt sich vom 353"
■ — 1° östlicher Länge, und vom 63' — 68" nördlicher Breite.
B. Das Königreich iScArt-et^/e/t mit IVomvegeJi : gegen N. das nördliche Eismeer;
gegen O. Russland, wo der Torneafluss die Gränze macht^ der hothnische und finni-
sche xMcerhusen ; gegen S. die Ostsee; gegen W. der Sund, das Cattegalt und die Nord-
see. Die geographische Lage: vom 55° 22' — 71° 2o' N. Br. , imd vom 21° — 4g°5o'O.L.
C. Das Kaiserthum Riissland mit dem Königreiche Polen : gegen N. von Tschu-
cholskoi-Noss an der Berings-Meerenge his zur lai^pischen Gränze an den Eis-Ocean,
dessen undurchdringliche Massen es vom JNordpole scheiden; gegen O. der grosse
östliche Ocean, der hier Asien von Amerika trennt, und durch die Berings-Meerenge
mit dem nördlichen Eismeere zusammenhängt; gegen S. das schwarze, das asow'sclic
und caspische Meer^ kaukasische Länder, Persien, die freye Talarey und das chine-
sisclie Reich; gegen W. Norwegen, Schweden, die Ostsee, der finnische und hoth-
nische Mecrhusen, Preussen, das Grossherzogthum Posen, Schlesien, das Gehiet
der freyen Stadt Krakau, Galizien und die europäisclie Türkey. Es ist Nachbar des
österreichischen Kaiserstaates und des chinesischen Reichs, liegt ganz und imunter-
hrochen auf der nördlichen Hälfte der Erdkugel, und erstreckt sich vom 35° 20' — 2l5°
der Länge (mit Einschluss der Inseln im östlichen Ocean) , und vom 40" — 78° der
nördlichen Breite.
D. Das o^7nrt«wc/ie Kaiserthum : a) A\e europäische Tüvkey : gegen N. Russland
und Österreich (s. oben A. Osterreich); gegen O. Russland, das schwarze Meer, die
Meerenge von Constantinopel , das Marmormeer, die Strasse der Dardanellen und der
Archipclagus ; gegen S. das mittelländische jMeer; gegen W. das jonische und adriali-
sche Meer und Dalmatien ; 1)) die asiatische Tiirkev : gegen N. das schwarze Meer
und Georgien; gegen O. Persien; gegen S. der persische IMeerbnsen und Aral)ien ;
gegen W. die Landenge von Suez, das mittelländische Meer, die Dardanellenstrasse,
das Marmormeer und die Meerenge von Constantinopel. Die geographische Lage von
beyden zusammen ist vom 54° — 68' östl. L. , und vom og' — 48' 38' nördl. Br.
n) Übersicht der Bodenflache und Be\ölkerung tles proussischen Staates. Aus den für das Jahr
1817 amtlich eingezogenen Nachrichten. Berlin (1818: von Uoffmann , Director des slati-
stischeu Bureau's).
§• lO-
( C o 1 o n i e n.
Unter Colonien versteht tnan hier solche Besitzungen der Enfopäer in puderen
Erdtheilen, die in der Absicht erobert und mit Europäern bevölkert worden , um dort
Producta zu gewinnen, die das Mutterland nicht hat, sie diesem zu verkaufen, vmd
das, was sie selbst an Kunst- und Natnrproducten bedürfen, von demselben zu kau-
fen, oder nach vorgängiger Schätzung in Geld einzutauschen.
Diese Herrschaft der Europäer, durch Gewinnsucht und Sehnsucht nach neuen
Genüssen veranlasst, aber durch "eistiLrc L'berle^enheit ire^riuidet, verbreitete »ich
4
^5 )■ Land dir europ. Staaten. vS. lo. Coloiiieu : Sp;iniens.
seit clor Iclzten Hälfte des i5. JalirhunJerts bis zur Hälfte des 18. über halb Asien ^
mehr als drey Viertheile von Amerikaj und an den Küsten Afrika s tind Australiens,,
bis zu den Gränzen, welche die Natur selbst durch ewige Eisfelder gesetzt hat. Es
sind aber nur Seemächte , die an dem Colonialweseu Anlheil nchaien , weil nur sie
Colonien besitzen und vcrtheidigen können. Die ersten Colonievölker waren Am Spa-
nier und Portugiesen ; an diese sclüossen sich später an die Holländer , Engländer
und Franzosen j und nach diesen traten in die Reibe der Colonialstaaten Dänemark
m\A Schweden. Selljst das entfernte Russland iiahm nicht niu" durch Caravanen an
dem chinesischen Handel Antheil, sondern fing auch an^ nach Entdeckung der Ku-
rilen und yJleute/i j Jagd und Pclzhandel dort zu treiben, welche demnächst zu Nie-
. derlassmigen dascll)st bis zu den Küsten von Nordwest-Amerika führten aj.
Die ausgedehntesten Besitzungen hatte bisher Spanien in Süd- und Nordamerika j
so wie Grossbritannien in Nordamerika j obgleich die Hauptquelle der briitischen
IMacht eigentlich die ostindischen Besitzmigen sind. Die spanischen IProvinzen in
Amerika fingen seit 1810 an, sich allmählich von dem Mutterlande loszusagen und
iuial)hängig zu erklären; zuerst die südamerikanischen, seit 1821 auch die nordameri-
kanischen mit der Erdenge vmd Provinz Panama. Da indessen die Cortes im gegen-
wärtigen Jahre erklärten , dass die spanische Regiermig alle möglichen Mittel anwen-
den werde, um den auswärtigen Regierungen zu beweisen, dass Spanien auf keine
Weise das Recht, das selbes auf diese Provinzen hat, aufgegeben habe: so können
wir hier bloss den bisherigen Colonicn-Resland angeben.
Ausser europäische Besitzungen:
I. Spaniens.
A. In Afrika: Ceuta ^ Pennon de VeletZj, Alhuzenas j, Melilla (Presidios d'Afri-
que genannt); ferner die canarischen Inseln, worunter Canaria ^ Teneriffa und
i^e/ro die vornehmsten, und drey Guineainseln: Annaboa (.iimabon, atu-h Ronan-
no), die Prijizeninsel imd Fernando del Po.
E. In Asien: die Insel Magindanao ^ die Marianen ^ die Carolinen imd die Phi-
lippineti nebst den Bashiinseln.
C. In Nordamerika : 1) das Yicekönigrcich Neuspanien oder Mexico^ die wich-
ligsle aller spanischen Colonien, nebst Neumexico und Californien ; 2) die General-
Capitanerie Guatimala; 3) die beyden Floridas^ neuerlich von den vereinigten nord-
amerikanischen Staaten in Anspruch genommen, und im J. 1819 von Spanien an die-
selben abgetreten.
■ D.' Li fFestindien : unter den grossen Antillen: 1) Cuha ; 2) Porto oder Puerto-
Pdco; 3) der Antheil an St. Domingo ^ der im Pariser Fricdenslractate vom 3o. May
1814 Spanien zurückgegeben wurde, aber im Besitze der Neger sich befindet.
E. In Südamerika : 1) die Yicekönigreiche Neugranada ^ Peru und Rio de la
Plata oder Buenos Ajres ; 2) die General-Capitanericn Caraccas unA Chilis neJjsi
der Halbinsel Patagonien (Magelianenlande) und einem Theilc der FaUdands- oder
nialouinischen Inseln.
I. Land Jer curop. Slaaten. '^. lo. Coluiiien : Grossl)ri(anuiens. 21
Diese fast nnermesslicheii Cüloiiioi umfassen zusammen ein Areal von ungefähr
24o3ö-^ n*"'^n''- Q-^Jt* ) wovon auf Spaniscli-Amciika überhaupt 235,602, auf Spanisch-
.Siidaracrika iusLesoudere 172,576 QM. konunen.
II. Grossbrilanniciis.
A. In Afrika : a) die der Krone unmiticlhar unterworfenen Provinzen :
1) \)\^ Niederlassungen auf der Westküste:
a) In Senegamlnen: die Insel James ^ die Insel Bidam _, die Götzerdnseln (Ido-
los, oft nur Losinseln genannt) und das Geliiet der lyje/va-Zt'o/m-Gcsellschaft, seit
1788 mit dem Anfings (alier späterhin, Jaut Londoner Berichten vom Jahre i8i5,
trotz der vom Puljlicum erhaltenen UnterslLilzung , sehr vernachlässigten) menschen-
freundlichen Zwecke^ die Negervölker zu civilisiren luid den Negerhandel zu hinter-
treiben, in Verbindung mit Anbau westindischer Plantagen-Producie.
ß) In Oberguinea auf der Goldküste: verschiedene Forts, worunter Calw Cor-
so oder Cape-Coastcastle das Haupifort, und nach diesem Anamaboa das bcträclit-
llchste ist.
2) Das T^orgebirge der guten Hoffnung ^ oder das Capland auf der SiidsjMtze
von Afrika.
3) /i'Ze-£/e-/<)"ß«cej sonst Moritzinsel genannt, nebst den dazu gehörigen Inseln
Rodrigue und les Sechelles.
b) Die Besitzungen der ostindischen Gesellschaft bestehen bloss aus der, im
allantischen Ocean liegenden Insel St. Helena _, dem Ilaupilanduiigsplaize der ostiiidi-
schen Seefahrer.
B. In Asien j und zwar in Ostindien j wo die wichtigsten, reichsten Colonien der
Brilten, die Hauptstütze ihrer Macht, hegen; jetzt, nach gebrochener Älacht der
Mahrattenfürsten bj , von weit grösserer Ausdeluiuug als ehedem , wenn gleich nur
der kleinste Theil dieser Besitzungen der brittischen Krone, der bey weitem grössere
ciijcr Handelsgesellschaft — der brittisch-ostindischen Compagnie, imter dem Schu-
tze der ersteren — gehört; wichtig durch die Vorthcile, welche durch den Handel
dieser Gesellschaft nach imd von diesen Ländern auf den Staat selbst zurückfliessen.
aa) Besitzungen der Krone :
1) Die gewürz-, gold- und diamantenreiche Insel Cejlanj, oder Cejlon im indi-
schen Meere-, welche die Britlen erst im J. i8l5 durch die Eroberung des Königreichs
Katidj ganz ihren Befehlen imterwai-feu ; 2) ßunwut j. Insel im Meere von Celebes ;
3) Oroolong j eine der Pelewinseln.
bb) Besitzungen der ostindischen Gesellschaft, theils unmittelbare, thcils mit-
telbare :
1) Die unmittelbaren Besitzungen sind tinter drey Präsidentschaften, eine Resi-
dentschafi und ein Gouvernement veriheilt.
a) Die Präsidentschaft Calcuita „ oder Fort TFilhehn an einem Arm des Ganges.
Sie hat ihren Nahmen von CalcuttUj, dem Hauptsitfe der britlischen Regierung und
dos General-G.ouverneius vom ganzen brittischen Ostindien. Es gehören dazu llen-
4*
2li !■ Laud der euro^i. Staaten, ^. lo. Colonun : GiosjbritiiDuicns.
galetij Bahar ^ Otide oder Julid ^ Tipni _, Benares j nebst der Resiclenlschafi (iVü-'
Jicrhin Präsidenlscliaft) vom Fort Ahirlborough auf der Insel Sumatra j und deni
Gouvernement von der Prinz-TV alesinsel (Pulo-Peenang), nahe beym westlichen Ein-
gänge der Strasse von Malacca.
1)) Die PräsidentscliaCt Madras j oder St. Georg an der Küste von Coromaiidel j
init dem weitläufigen Carnatik _, und melircreu benacbJjartcn Ländern und Seeplä-
tzen, nebst der neuen Niederlassung auf der Insel Gross- Jndamnn.
c) Die Präsidentschaft Bombay j deren Gebiet mehrere an der malaharisdien
und der Mahrattenküste gelegene luseln, Festungen, Handelsplätze und Landstri-
che begreift.
d) Die Factorcy zu Caiiton in China , die den Thcchandcl und den Verkehr mit
diesem Reiche imterhält.
2) Die mittelbaren Besitzungen oder zinsbaren Vasallen-Staaten sind : Cochin ,
Travancor j Nizam oder Subah von Dekan ^ ISahob von Oud oder yluhdj Neu-
AJjsore (Reste \oi\ Hyder Jlis und Tippo Äi/zcZ»'^ furchtbarem Reiche), Kurga _, Ka~
nanor j Kalikut oder Kalkut ^ ^gra _, Delhi imd ISepahl oder Napaid. Die Fürsten
dieser Staaten knüpfen nicht allein Staatsverti'äge an das Interesse der Gesellschaft,
sondern sie sind auch dadurch in der Regierung ihrer Länder sehr beschränkt, vuid
verbunden den brittischcn Schutz mit bedeutenden Lehnsgefällen ztt erkaufen.
C. In Nordamerika: a) nordöstlich: 1) die Insel JS'ewfutidland (Terre ncuve),
nebst den Hudsoiisbusen-hvindern und der Halbinsel Labrador ; 2) ein Theil von
Canada; 3) die Halbinsel Neiischottland (sonst Acadien genannt), wovon ein Theil
Neubraunschweig\\e\sst , mit der Insel C<7/7 Breton; b) die bermudischen oder Som~
mei'inscln ; c) südlicher: die Niederlassungen an der Honduras- und Campechebay _,
in der spanischen Provinz Yucatan _, wichtig wegen des Fällens von Mahagony- vuid
Campecheholz j dcssgleichcn in den Ländern der ■Muscito-Indianer, in der spanischen
General- Capitancrie Guatimala j d) einige Landstriche an der Nordweslküste von
Amerika cj.
D. In TVestindien : a) unter den grossen Antillen: Jamaika j die wicliiigste Co-
lonie der Britten in Westindien; b) unter den kleinen AntUlen : 1) die Jungferiusehv
Virgin Gorda _, Turtola und Anegada; 2) Jnqnilla und Barbude ; 5) St. Cliristoph
oder St. Kitts; 4) Newis ; 5) Montserrat ; 6) Antigua oder Antigoa ; 7) Domi/iica;
8) St. Vincent; n) Barbados ; 10) Grenada mit den meist unbenutzten Grenadilien
(Grenadinen) ; 11) la Trinidad; 12) Tabago vmd St. Lucie. c) die Bahama- oder
hicaischen Inseln.
E. In Südamerika : die Inseln Berbice _, Essequeho und Demcrary.
F. In Australien: a) auf der Ostküste Neuhollands, oder im^ Neusildwales: die
seit 1788 bey der Sidneybucht mit vielem Aufwände errichteten Colonien: a) Albion
mit der Stadt Sidnej ^ mit dem herrlichen Hafen Port Jakson; ß) Fiosehill^ zu de-
ren Anbau jährlich Verbrecher zu ganzen Schitfsladungen aus England hingebracht
werden. Ausser den öffenthchen Beamten und dem Militär, gibt es daselbst drey Co-
lonistenclassen: Verbrecher, die ihre Strafzeit ausstehen ; Verbrecher, deren Strafzeit
verflossen und denen man die Rechte freyer Leute zugestanden j dann freye Leute,
1. Land der euroj). ÜUateu. §, lü. Culonien: Portiigils. 3,.
tlcncn die Eilaubniss zum Ai)sicdcln als Belolinung oder auf ihre Bitte ertlioili wor-
den ist. — Dieser Tlieil von Neuholland wird von engliscLen Sclirifistcllern die (Jial-
schaft Cumberlimd genannt, wozu die Inseln JXorfolk und Howcs-Eiland geliorcn.
h) Auf der Südküste Nculiollands : die drille Ver])recliereolonie zu l^oft l),./-
pj-mple au£ der Insel f^an-DiemeTulaniL Die in England immer zunehmende Meji"e
von Ühchliätern, die zur Transportation vcrurlheilt werden, liat die Regierung ver-
anlasst, eine dritte Colonic in der südlichen Hemisphäre anzulegen, um sich des Aus-
wurfs der Nation zu entladen.
Diese zahlreichen Colonicn Grossbritanniens enthalten zusannnen einen Flächen-
inhalt von etwa 100,843 geogr. QM. Davon konnnen 60,242 auf Bvlttisch-jSordame-
Tikuj 28 — 3o,ooo rm[ Brittisch-Ostindien j 6128 nn( Br'ittisch-^Jrifca j Sigö vlu? Brit-
tisch-Australien _, 68g ^\\£ Brittiscli-TVestindien \xn& 488 mi( Brittisch-Südanierikn.
III. Portugals.
A. In Asien nur noch geringe Reste der ehemals daselbst ausgedehnten poriu-
giesisclien Herrschaft , und zwar : a) in Ostindien : die Plüize Goa , Daman und Diu j
ein Theil der sundischen Insel Timor mit dem Gomtoir Dilil und die Factorev Bün-
del am Hooglyüuss j b) in China: die Insel Macao luiter chinesischer Hoheit.
B. In Afrika^ und zwar: 1) auf der ^\ eslküste von Miitelafrika in Senegam])ien:
die Stadt Kaschao (Gachao , Cacheu) am Flusse San Domingo, nebst der Insel Bissao ■
2) auf der Westküste von Südafrika in Siid- oder Niederguinea: einige Stadie luid
Plätze in den Negerreichen Congo , Angola luid Benguela; 3) auf der Osiküste von
Südafrika: a) die Insel Mozanibicjue _, die für Portugal das ist, was Albion, Rosehill
und Port Dalrymple für Grossbritannien sind. Alle Jahre kommen daselbst 2 ScliifTe
mit Verbrechern und einigen Soldaten befrachtet an j b) ein District an dem Flusse
Zambese j den der König von Monomotapa gegen einen jährlichen Tribut von einem
rothsammtcnen Kissen, einem schönen Sessel und einigen andern Kleinigkeiten an
die Portugiesen abgetreten hat ; 4) folgende westafrikanische Inseln : St. Ascension
(Himmclfahrtsinscl), St. Thomas j die Inseln des grünen Vorgebirges oder die c^/y-
i'erdiscJien Inseln (Ilhas verdes) , Madeira _, Porto Santo und die azorisclien Inseln.
C. In Amerika j und zwar in dessen südlichem Theile: 1) Brasilien ; 2) ein Theil
von Guiana j gegenwärtig von beschränkterem Umfange, da der König von Portugal
kraft der Bestimmungen des Pariser Friedenstraclates von 1814, imd des Wiener Coii-
gresscs von i8i5, sich verpflichtet hat, dasfranzösisc/te Gnianaj wieesam 1. Jan. 1702
bestand, nähndich bis zum Flusse O;-«/70CÄj an Frankreich zurück zugeben j 3) fast
das ganze Amazonenland ; 4) ein kleiner Absclinitt von Peru und Paraguay. Diese
Landschaften zusammen wurden unter dem gemeinschaftlichen Nahmen Brasilien
durch das königliche Decrct vom 16. Dec. i8l5 zu dem Range eines KönigreicJis
erhoben.
Der Flächeninhalt der gesammten Colonien Portugals beträgt ungeflihr ioo,5o7
geogr. QM. , wovon auf die Besitzungen in Asien 5o ■ auf die in Afrika i^q-j und aul'cii;
Königreicdi Brasilien loo^ooo konnnen.
2q ^ J^anJ Jcr europ. SUateu. §. lo. Culoinen: der IviedeilanJr ; FianVrcicIis.
IV. Der Niederlande.
\. In Jfi-ika auf tlei" Küste Von Guinea i5 l)Cfcsli!^le Factoroyen, worinitor die
Toris Delmina und Art^^Ui die wicliüir.sten sind.
B. In Asien auf der Insel Java das Generalgouvernement von J3(itnvia (der Haupt-
stadt des niederländischen Ostindiens) mit seinen Dependenzen^ tmd zwar: i)die In-
sel Celebes j so weit sie ein Eigentimm der Niederländer ist; nUhmlich a) die West-
küste Macassar ; b) die InsclMonada ; 2) die molnckisclien Inseln , besonders diejeni-
gen die vorzu<^''Sweise mit Gewürznelken und INIuscalen begabt sind , als : Amboina ,
die bandaisclien Inseln , Tidor j, Ternate und Timor. Von einigen sind die Nieder-
länder völli"e Landesherren, die meisten aber haben ihre eigenen Fürsten, die jedoch
von ihnen abhängen. 3) Auf der grossen Insel Sumatra : Padang„ als das Hauptcomj>-
toir die Handelsloge zu Palembang imd die zinnreiche Insel Banka,, welche die Nie-
länder in Fo^c der Convention vom i5. Aug. 1814, als Tausch für Cocldn imd was
dazti "chört, auf der Küste Malabar, von Grossbritannien erhielten. 4) Die Stadt; l/cz-
■ Incca atif der Halbinsel dieses Nahmens, imd die Insel Ilioinv in der Strasse von Ma-
lacca. 5) Einzelne Niederlassungen a\i( Bor?ieOj Coromandcl tuid in Bengalen ^ so
\vie in Japan imd Pej^sien.
C. In Siidamerika _, uml zwar in dem nördlichsten Theile von Guiana : gegen-
wärii" die einzige Colonie Surinam^ die übrigen bisher niederländischen Colonien:
EssequebOj^ Demerarj' und BerbicCj, sind niui, in Folge der oben erwähnten Conven-
tion ein ti^enihum derBritten; doch behielten alle Niederländer, die dort Planta-
"cn besitzen oder ein Anrecht daran haben, so wie auch diejenigen , denen in der
Fol"e diese Pflanzungen durch Erbrecht zufallen, auf demselben Fasse, wie die brit-
tischen Unterthanen, das Recht, dahin zu handeln. Bis zuEnde des Jahres 1821 konn-
ten sie sich dazu jedes Schiffes und jeder Mannschaft bedienen; seit Ablauf dieses
Termins müssen der Schiffer imd \ des Schiffvolkes des Königs der Niederlande Unlei--
ihanen sepu
D. In Westindien unter den kleinen Antillen r 1) St. Eastach; 2) Sabn ; 5) die
.viössere Hälfte von St. Martin; 4) Curassao , nebst den kleineren Inseln Aruba ^
A\'es und Bonaire.
' Der Flächenraum der gesammten Colonien der Niederlande wird beyläufig zu
^230^ 53oo "eogr. QM. angegeben, an welcher Toialsunnue das niederländische Asien
allein mit 4700 Q^I- Theil nimmt.
y. Frankreichs.
A. In Afrika^ imd zwar: 1) im Algierischen die Städte In Calle und Bonne;
2) in Senegambien die Insel Setiegal ^ mit dem Fort St. Lunis ^ und die Insel Goree ;
3) die Insel Boiirbon.
B. In ^.y/e?? ^ u.ud zwar in Ostindien: 1) Ponditscheri ^ gewöhnlich Pondicheri
geschrieben, die Hauptstadt der französisch-oslindisclicn Besitzungen; 2) Karikal;
3) Tscliandernagor ; 4) Malte.
C. In Nordamerika : die heyden kleinen Inseln St. Pierre und Mitjuelon bey Ter-
re ncuvC;, zum Kabeliaufani; in den dortigen Gewässern nützlich.
1. Laiul der europ. Sl.iaten. '^, lo. Colouieii : Daiiemaik? ; ScTnveduus j riusslaud.s. 3i
D. In JFestiiuJien j, und zwar: i) iinler den grossen Antillen einTlicilvon St. Do-
tningo (Hayli). Diese Insel ist, kraft des oben (I)ey Spaniens Golonicn) eiwiilinten Fi ie-
denstractates, den Franzosen und Spaniern zuriirlvj;efj;cl)en; die licsiiznalinic dersclhcn
aller ist durch beA\affneten Widerstand zahlreicher JNeger- und IMulatlencorps gehin-
dert. Bis Octolier 1820 war diese Insel gelhcill in zwey Staaten; in dem einen war ein
Negerkönig, Heinrich I. (Christoph), König i'oii Hayti ; in dem andcin war ein Ge-
neral, Bojej'j Nachfolger des im J. 1818 niil Tode abgegangenen Oberanfiilireis Pe-
thion. Gegenwärtig ist, in Folge der im Oct. des oben besagten Jahres alisgebroche-
nen Revolution, ganz Hayti unter ijcye/"' vereinigt , der am 26- Oct. zum Präsidenlcn
A'on ganz St. Domingo j das fortan republikanisch regiert wird, proclamirt worden
ist dj. 2) Unter den kleineu Antillen: Guadeloupe ^ Desirade _, Marie Galante , les
Saintes j Martinique luid die kleinere Hälfte von St. Martin.
E. In Siidamei'ika: 1) ein Stück von Guiana (s. oben Portugal); 2) die ungesunde
Insel Cajenne j ein Verbannungsort, vornehmlich für französische Staatsverbrecher.
Das Areal der gesamniien Golonicn Frankreichs, mit Ausnahme des Anllieils an
St. Domingo, beträgt ungefähr 1018 geogr. QM.
VI. D
a n e m a r
A. In Afrika: auf der Küste von Guinea die Forts Christiansburg j, Friedens-
burg j Königsstein ^ Prinzenstein ^ nebst einigen andern Besitzungen , zusammen
etwa 12 QM.
B. In Asien: ^\c Stadt Tranquebar ^ mit der Festung Dansborg ^ einem Fle-
cken und -19 Dörfern auf der Küste Coromandel, so wie auch auf der Küste MalaJjar
einige Factoreyen ; in Bengalen Friedi'iclisnagor ; dann drcy nikobariscJie Inseln;
zusanmicn migefälir 20 QM.
C. In Nordamerika : die Westküste von Gröidand jMvo die Dänen 20 Colonien
und Ilandelslogen, auf ungefähr 2 — 3oo QM. vertheilt, besitzen. Die wichtigste Culo-
nie ist Julianshaab j die einzige Colonie, wo Viehzucht unterhalten wird.
D. In Westindien: luiter den kleinen Antillen die Jungferinseln: St. Thomas _,
St. Croijc luid St. Jean j zusammen ungefähr 10 QM. ; dann üiie Krabberdnsel_, die
aucli von den Spanieru und Engländern benutzt wird,
VII. S c h iP e d e Ji s.
In TPestindien: unter den kleinen Antillen die Insel St. ßartlieleinj , ungelahi-
5 QM. gross.
\ III. R u s s l a n d s.
Auf der mittleren TVestkiiste von Amerika verschiedene Niederlassungen russi-
scher Ilandelsgcnossen, insonderheit der russisch-amerikanischen Handelscompag-
7Üe j bisher ohne unmittelbaren Anlheil der russischen Regierung. Das Ilauptclablisse-
nicnl ist Kadjak, Sammelplatz aller Pelzwaaren.
a) Handbuch der Geschichte des europäischen Slaalensyslems und seiner Colonien. \on A.
II. L. Heeren etc. Göuingen 180g. gr. 8.
b) S. politisches Journal. i8ic). S. 177 und 246. Der Indus ibl iet/.l <lie Grenze der üb:;;--
grossen Besitzungen der brrUisch-oslludischen CüU)pai;iiie.
-, L Laiwi der euroji. Staaten. §. n. Gcbirgf.
c) Ausserdem besass Grossbritannien \or dem J. 1783 noch folgende Colonien in Nord-
amerika: 1) Nen>-Hampshire ; 2) Massachusels mit Main; 3) Rhode-Island ; 4) Connecticul ;
5) NeiV-York ; 6) New-Jcrsej; 7) Pcnsylfoiiien ; 8) Delaware; 9) Marjland ; 10) Firginicn ;
11) Nordcarolina ; i2) Südcarolina und i3) Georgien. Diese Besitzungen aber hajten ihrem
Mutterlande mehr gekostet als eingebracht, und dennoch war, durch den (i755) ihrer
Gränzen wegen entstandenen Krieg, die englische Nationalschuld beträchtlich gestiegen.
Grossbritannien forderte daher die Nordamerikaner auf, ihm die Kosten durch einen Bey-
trag zu vergüten. Hierüber brach in, den Colonien ein allgemeines Missvergniigen aus , und
man weigerte sich durchaus in irgend eine Auflage zu willigen, die nicht von der Nation
selbst gebilligt sey. Ein völliger Aufstand gegen das Mutterland erfolgte 1773, und nach ei-
nem zehnjährigen Kampfe sah sich Grossbritannien in dem Pariser Frieden von 1783 ge-
zwungen, in die Unabhängigkeit der i3 verbündeten Staaten von Nordamerika zu willigen.
Diese Revolution gehört zu den wichtigsten Begebenheiten, welche in die Uni\ ersalhistoric
■ßuropa's eingreifen. Sie entzündete zuvörderst einen blutigen Krieg zwischen Frankreich
und England, in welchen auch Spanien und Holland verwickelt wurden; aber ^orzüglich
verdienet sie als der Anfang der Revolutionen betrachtet zu werden , die seitdem in mehre-
ren Staaten unsers Erdtheils vorgegangen sind. - In den Bund der besagten dreyzehn ver-
einigten nordamerikanischen Staaten wurden in der Folge noch 11 andere Provinzen aufge-
nommen, als: 1^) J'ernaont ; i5) Kenluckj- j 16) Tenessee ; \'j)Chio; iS) Louisiana ; ic)) Mis-
sisippi : 2o) Illinois; 2i) Indiana; 22) Maine; 23) Alabama; 24) Missurij so, dass die i3
vereinigten Staaten von 1783 jetzt schon auf 24 angewachsen sind, die sämmtlich durch
ihre repräsentative Verfassung an der allgemeinen Regierung Antheil nehmen. Ausserdem ge-
hören zu diesem Staatenvereine noch andere Gebiete, die aber, noch ohne repräseniative
Verfassung , ganz von der Central-Regierung abhänge« , als : Misckigan, Columbia , das west-
liche Missari ) Arkansas , Nordwest- 3'ern'/o/^ und die beyden Florida's. — Durch die grosse
Ausdehnung seines Gebiets von ungefähr g3,ooo QM. , durch seine rasch zunehmende Be-
völkerung (1783 nur 2,383, 3oo Seelen , jetzt schon über 10 Milk), durch sein rastloses Em-
porstreben in der Industrie und seinen über alle Erdtheile verbreiteten Handel , wird dieser
Staatenverein mit der Zeit einen bedeutenden Einfluss auf die Schicksale Europa's erhallen.
England sieht in demselben immer mehr einen mächtigen und furchtbaren Nebenbuhler.
tA Geschichte der Insel Hajli oder St. Domingo, besonders des auf derselben errichteten Ne-
gerreichs. Hamburg , 1806. Vergl. H. A. L. Z. Nr. 68.' S. 556 iT.
O b e r f 1 ii c h 1 1 1. Ii e B e s c h a f f i; n li e i l.
§•11-
Gebirge.
Die Oberjläche misers EidlLeils ist sehr ungleich, inelir oder weniger diirc]i he-
deulende Unebenheiten unterhrochen, so dass die Gebirge etwa den zehnten Theil
des Landes einnehmen, und demselben mannigfachen Nutzen gcwiihren. Sie ziehen die
Wasscrdiinste an sich, und werden so die wichtigsten Vonathsörtcr zur Untcrhahung
der strüIuendenGe^^ässer, eine nothwendigeBedingimg der Fruchtbarkeil des Landes,
und indem sie den Abhang bis zu den niedrigsten Puncten der Erdflache veranlassen ,
welcher zur Bewegung der Gcwüsser nölhig ist, verbreiten diese, in enge Betten eiu-
gescldossen, Fruchtbarkeit idjer den ganzen Erdstrich, den sie in ihrem Laufe be-
rühren. Ausserdem bilden die Gebirge natürhche Gränzen imd Schulzwehren der
Länder gegen feindhche Angriffe, vcrviellähigen das Klima und inin^cn ciie rcil/.eiul-
1. Land der europ. Staaten ^. ii. Gibirge. 33
ste Mamiigfalüi^keit in die Naüir. Ein Sliiiulpnnci auf ihren Iluhen gcwiiliii uns ciuc
erweiterte uncl anyenelime Anssiclil älter die Fluren und Gewässer der Erde. Ihr Rü-
cken ist gewöhnlich mit Waldungen und heilsamen Krautern besetzt, und im Innern,
oft nahe an der äussern Fläche, lindet man vieleiley Schätze von ^liueralien. Endlich
sind die Gebirge für das feste Land gleichsam das Gerippe, welches den Körper zu-
sammen hält und gegen die Flulhen des Meeres am kräftigsten schützt. Eben desshalb
müssen sie gleichsam ineinander greifen und mit einander in Verbindung stehen. Diese
Verbindung ist zwar nicht innncr auf der Oberfläche der Erde sichtbar 5 desto deutli-
cher aber zeigt die Erfahrung, dass mehrere Gebirgsketten von einem gemeinschaftli-
chen Hauplgliedc, Avie Strahlen aus einem gemeinschaftlichen Mitielpuncte, ausgehen,
wo die höchsten Spitzen liegen. Man findet dieses Glied, wenn man den Lauf der
Flüsse aus verschiedenen Wellgcgenden bis zu ihren nahe bey einander liegenden
Quellen verfolget. In Europa sind es die Alpen aj ^ die Helvetien von Italien trennen,
besonders die Gegend um den St. Gotthavd ^ zwischen den Quellen des Rheins ^ der
j4av j des Rhones ^ des Tessins und des Inns. Mit diesem Gcbirgsstocke hängen die
Pyrenäen bj und die KarpatheJi cj durch Bergreihen zusammen, und strecken meh-
rere Zweige ans , die erst im OsLeit an den IMündungcn der Donau , im ^Vesteri am
Cap Finisterre, im Süden am Faro von Messina und im Norden an der Strasse von
Calais endigen. — Ein anderer solcher Gebiigsstock scheint in der Gegend von Mos-
kau zwischen den Quellen der TVolga^ des Dons ^ des Dnepers ^ und der Dana zn
liegen, ist jedoch mehr eine sein- hoch gelegene Fläche, als ein eigentliches Gebirge,
erhebt sich aber weiter nordwärts zu einem beträchtlichen Ge])irge , welches unter
dem Nahmen Kölen oder Klölen clj , auch Sewegebirge j in der Gestalt eines Huf-
eisens die Gränze zwischen Schweden tmd Norwegen macht, imd schüesst sich dtucli
andere Erdriicken ostwärts an das asiatische Giänzgebirge , den Ural j südwärts an
den Kaukasus, und westwärts an die Ärtr/^r/^Ae//. Alle übrigen Gebirge inisers Erd-
theils können mit den Alpen ^ Pyrenäen und KarpaÜien^ so wie mit dem Gebirge
Holen j weder in Ansehung ihrer Ausdehnung, noch in Hinsicht auf ihre Hölie ver-
glichen werden, obgleich das Gebirge, welches Schottland mid England von N.
nacli S. durchzieht, ein beträchtlicher Bergrücken ist.
a) Das ausgedehnteste und höchste aller europäischen Gebirge. Es erstreckt sich vom 23. bis
35.° östlicher Länge , und liegt zwischen dem 44- und 48-° nördlicher Breite ; ist in SW.
von dem Rhone im südlichen Frankreich; in ISO. ^on der Donau in Ungern; in S. und
SO. von dem mittelländischen Meere, dem Po, dem adriatischen Meere, der Kulpa und
Sau; in "N. und NW. von d.^r Donau in Deutschland, dem Rheine an der nöniüchcn Grän-
ze der Schsveiz und dem Doubs im Jura begränzt. Diesem zufolge durchläult dieses Ge-
birge in Frankreich , tich'eliea j Itiilicii, Deutschland , Lroalien und Slawonien 11 — 12 Län-
gen- und 2 — 4 Breitengrade, und nimmt einen Fläclicnraum von 5 — 7000 QM. ein, die
von mehr als 6 — 7 MiU. Menschen bewulmt werden. Die Römer Avurdcn nach und nacli
mit den verschiedenen Theilen der Alpen auf iin'en Heereszügen bekannt, und gaben ihnen
verschiedene Nahmen : a) die Mecralpea (Alpes maritimae) erstrecken sich von der Küste
des mittelländischen Meeres , zwischen Oneglia und Toulon , über den Col ardcnte und
dl Tende bis zum Monte Viso , und scheiden Piemonl \on der Provence und dem Meere,
b) Die coltischeiL Alpen (Alpes Colliae) dehnen sich vom Monte Viso über den Mont Ge-
j J. l,,i.id ucr etivt.p. Stn^ileii §. ii. Gebirge.
nevrc bis zum Moni Cenis , und trennen Piemont von Dauphine. c) Die grauen Alpen (Al-
pes Grajae) ziehen sich vom IVfont Cenis über den Isarn und kleinen Bernhard bis an den
Col de bon honimc , und scheiden Piemont von Sacoyen. d) Die pcnninischen. Alpen (Alpes
Penninae oder Sunimae) erstrecken sich \ om Col de bon homme über den Montblanc , den
grossen Bernhard - den Combin bis zum Mont Rosa , und trennen Piemont von Sapoyen
und Unler-lVallis. e) Die Schweizeralpen (Alpes Lepontiae , auch Adulae) ziehen sich vom
Mont Rosa auf beyden Seilen des Wallis-Thaies über das Gotthardsgebirgc bis zum Mo-
schclhorn und Bernhardino in Graubündten , und bilden die natürliche Gränze zwischen
der Loinbardie und der Schweiz, f) Die rhütischen Alpen (Alpes rhaelirac) verbreiten sich
vom Bernhardino durch Graubündten und Tyrol bis zum Dreyherren-Sj)ilz , auf der Gränze
von Salzburg und Rärnthen , und südlicher bis zum Monte Pelegrino , und trennen die
Lombardie und einen grossen Theil der vtneliunischcn Terra firma von Deulschland. g) Die
norischen yllpen {A\pes noricae) erstrecken sich vom Dreyhcrren-Spitz durch ganz Kärnlhen,
Salzburg, Österreich und Siejermark bis in die Odenburger Ebene Ungerns. h) Die karni-
srhen Alpen (Alpes Carniae) reichen vom Pelegrino zwischen der Sau und Drau bis zum Ter-
glou , am Ursprünge der Sau. i) Die jalischen Alpen (Alpes Juliae) gehen \ om Terglou , zwi-
schen dem rechten Ufer der Sau , der Rulpa und dem adriatischen Meere , bis zum Felsen
Kiek bey Zengh , scheiden F/'/auZ und Islrien , und überhaupt s,anz Oberilalien \on Kärnlhen,
Krain, Croatien und Slawonien, k) Die dinarischen Alpen erstrecken sich vom Rlek bis nach
Sophia , längs den rechten Ufern der Sau und der Donau , und gehen über in das türkische
Gebirge, den Hämus (oder Balkan, auch sardisches Gebirge genannt), welcher sich in den
Vorgebirgen Emineh Burnu am schwarzen Meere, undRaraßurnu am Bosphorus endiget. —
Von den Meeralpen läuft , zwischen Tenda und Coni , jene lange Gebirgskette aus , welche
unter dem Nahmen der Apenninen, in paralleler Richtung mit ihnen , nach ONO. vier Län-
gengrade durchläuft, bey Modena sich plötzlich krümmt, und dann nach SO. mitten durch
Italien bis zum Faro von Messina zieht. — Von den grauen Alpen steigt nordwestwärts ein
Bergzug auf, welcher unter dem Nahmen des Juia im Westen der Schweiz zieht, und die
Gränze zwischen Frankreich und der Schweiz macht. Als eine Fortsetzung dieses Gebirges
kann man ansehen die J'ogesen (den Wasgau , Vosgcs) , die sich zwischen dem Elsass und
Lothringen hinziehen, und die Ardennen im nördlichen Frankreich, Luxemburg und Lüt-
tich. — Mit den Schweizeralpen stehen in nordwestlicher Richtung die Arlberge mit dem
Bregenzerwalde bis zum Bodensee in Verbindung, welche sich nördlich und nordöstlich in
Schwaben an die rauhe Alp und nordivesllich an den Schu^arzwald anschliessen.
6) Die mächtigste Gebirgskette im westlichen Europa, durch welche Spanien und Portugal in
Norden, theils unmittelbar, theils mittelbar, in einer ununterbrochenen Länge begränzt
werden; daher denn bevde Reiche mit dem schicklichen Nahmen der Pyrenäen- Halbinsel
benannt werden. Dieses zweyte Ilauptgebirge Europa's scheidet Frankreich von Spanien in
einer Linie \ on etwa i2o Stunden Weges, in welcher Ausdehnung etwa 5 fahrbare Wege
(Pässe, Ports, unter denen der Pass von ßaj'onne nach Sl. Jean de Liiz über das Gräiiz-
flüsschen Bidassoa (Bidassao) nach Vitloria der bequemste ist) ans Frankreich nach Spanien
führen. Es verbreitet seine Zweige , worunter die Sierra Neijada selbst das Muttergobirge
an Höhe übertrifft , und die von Olapides angebaute Sierra Morena die berühmteste ist , in
Fächerform über die ganze pyrenäische Halbinsel. {Sierra im Spanischen und Serra im
Portugiesischen hcisst eine Gebirgsreihe , von dem Worte Sierra , eine Säge , weil sie so
gezackt sind.) — In Frankreich erhebt sich ein Seitenast der Pyrenäen, unter dem Nahmen
des Lor.<!;-e-Gebirges nördlich ^ on Montpellier , imd thollt sicli nördlich fortgehend bey den
Quellen der Loire in zwey Zweige: der nordwestliche ist bekannt unter dem Nahmen des
rauhen und steinigen Gebirges von Auvergne , welches zwischen der Loire und derGaronne
bis zur See fortsetzt; der nordöstliche streicht unter dem Nahmen der Sct>ennen (Cevennes)
1. Land der europ. SUatea. §. i2, Hölieuleiler der erhabcnsteu Puucle. 35
zwischen der Loire und dem Rhone nordwärts, erhält, in der Gegend von Dijon den Nah-
men Coic (Cor (Goldhiigel) , und zielit sich von hier theils östlich zu den Fogesen , theils
nördlich zu den Ardennen (s. oben Note d) , theils nordöstlich zwischen der Loire und dci'
Seine bis in's Departement Finisterrc bey Brest.
e) Das dritte grosse Gebirge in Europa. Es umfasst die nördliche Hälfte Ungerns, umschliesst
von allen Seilen Siebenbürgen wie mit einem ungeheuren Walle, durch welchen 14 l'ässe
führen, verbreitet seine Aste auch durch einen grossen Thell des südlichen Ungerns, der
osmanischen Pro\ inzen , Galiziens, Schlesiens und Mährens, und bildet zugleich natürli-
che Gränzen dieser Länder gegen einander. — An die Ivarpathen lehnt sich an der Gränze
von Ungern und Mähren das hercyiiische Gebirge an , eine grosse Gebirgskette , deren nörd-
liche Fortsetzung den Nahmen der iS(/f/e(f7ij dann des Vuesengehir^es und des hergebirges
erhalten hat, welche Böhmen von Schlesien und der Lausitz trennen. — Eine andere Ge-
birgskette, die bey den Salzburger Alpen anfängt, zieht sich unter dem Nahmen des Böh-
merwaUles zwischen Baiern und Österreich, dann z^vischen Baiern und Böhmen, und
streckt einen östlichen Zwei^ unter dem Nahmen des M anhart sberges zwischen Böhmen und
Osterreich vor. An den nördlichen Theil des Böhmerwaldes reiht sich ein Gebirgszweig
an, der sich östlich unter dem Nahmen des Erzgebirges ^ westlich mit dem Nahmen des
Fichlelgobirges fast in der Mitte von Deutschland hinzieht. Dieses scheidet Baiern von den
sächsischen Staaten , jenes Böhmen von Sachsen , und hängt durch einen Zweig sanfter
Mittelgebirge, welche das höhm'ische Milielgebirge genannt werden, mit dem hergebirge ,
von welchem sich in Nordwest nn^hrere Zsveige durch die Oberlausitz ausbreiten , zusam-
men. — Nordwestlich steht das Fichtelgebirge mit dem Thüringeru-'ulde , ^velcher durch die
sächsischen Herzogthümer streicht , und nördlich mit den Vorbergen des Harzes in Ver-
bindung. Dieses nördlichste der deutschen Gebirge sendet einen kleineren und niedrigeren
Theil (den Unlerhar:) nach Osten (bis in's Mansfeldische) , einen grösseren und höheren
aber (den Oberha'-:) westlich bis an und über die Weser, welcher Theil das Pf^esergebirge
heisst, und bey Minden die sogenannte westphäUsche Pforte bildet. Von diesem Gebirge
laufen westlich das sauerländlsche Gebirge und der kf^estenvald , welche mit dem Siebenge-
birge am Niederrhein endigen. — Südwestlich vom Thüringerwalde erstreckt sich das Rhön-
gebirge , welches Baiern von den hessischen Landen scheidet, und der Taunus, welcher
sich bis an deri Rhein zieht. Noch weiter gegen Süden läuft eine Fortsetzung davon in nie-
drigem Gebirgen unter dem Nahmen des Spessarls zwischen AschafTenhurg und Würzburg,
dann des Odenwaldes in Baden, wo die höchste Spitze, der Kö nigs stuhl , sich schon an
den Schwarzwald (s. oben Note a) anlehnt. Jenseils des Rheins ist der isolirte Donnersberg
und der Hundsrü'k , welche sich an die Fogesen lagern, deren Fortsetzung in westliclier
Richtung unter dem Nahmen der Ardennen bekannt ist, an deren nördlichem Abhänge der
westlichste Theil der deutschen Bundesstaaten sich lehnt.
rf) Es ist das vierte und letzte Hauptgebirge Europa's , und kann mit Ri'cht den Nahmen der
skandinacischen oder nordischen Alpen führen. Es theilt sich bey Röraas in Norwegen in
zwey Hauptarme. Der östliche Theil verfolget die schwedische Gränze südlich herab bis
etwa zum 61. Grade, und läuft dann südöstlich nach Schweden hinein. Der westliche Theil
heisst in der Strecke von Röraas bis Romsdal und Guldbramsdal Dofreßeld; von da bis
Lindenäs , der südlichen Landspitze Norwegens , Langfield,
§• 12.
Höhenleiter der erJiabensten Puncte.
Die höchsten bekannten Gebiryc der Erde sind, nach der bislicrii^en Meinnng ,
die Cordilleren de los Jndes ia Auierü^a; wo der höchste Berg auf unserm Erdbo-
5*
55 I. Laud der europ. SUaten. §. i2. Höhcnleiter der erhabensten Puüctc.
den, der Tschimhorasso (Chiinborasso) , nach v. Humboldt _, 35/iO Toisen rtj ^ oder
20,040 Fuss hoch über dem Meere ist. Aber nach neueren Berichten von briilischen
Reisenden aus Thibet , der asiatischen Schweiz, wird diese Höhe übertroffen von
dem weissen Berge, dem höchsten Gipfel der Bergkette Himalaja (Himmelberg,
Imaus) m Mittel-Asien, der 27,000 Fuss hoch über dem Meere seyn soll.
Die merkwürdigsten Gebiigskuppen in Europa sind: Fuss über dem Meere.
Der Montblanc oder Mont Maudit bj in Savoyen 14,556
Die Ortelesspitze in Tyrol 14,406
nach andern . . . ' 14,004
Der MoiU Rosa in Piemont 1 4,388
nach andern 1 3,428
Das Finsteravhorn in der Schweiz l3,234
Der Furka oder Gabelberg in der Schweiz 1 3,1 71
Die Jnngfrau in der Schweiz 12,872
Der iiönc7t in der Schweiz 12,66o
Das iScÄrec/i/jor« in der Schweiz 12,562
Der Grossglockner an der dreyfachcn Gräuzc von Tyrol, Käinihen
und Salzburg 11^988
Das TFetterhorn in der Schweiz • 11,743
Der I>o(7t in der Schweiz ll,o37
Das Hochhorn in Salzburg 10,63o
Der ^ic'^/i^i (Monte Gibello) auf Sicilien io,63o
nach andern 10,282
Der Montperdil ^ PyrenäcnspiLzc in Spanien 10,578
Der i>/rt/«<^e«rtj Pyrenäenspilze in Spanien lo,5oo
Der grosse St. Bernhard in der Schweiz cj lo,38o
Der Fignemale ^ Pyrenäenspilze in Spanien lo,332
Der Simplon in der ScFiwciz lo,327
nach KiuLz 6,2oo
Der Felan in der Schweiz lo,3oo
Der Marbore'j Pyrenäenspitzc in Spanien 10,200
Der PJc /o«g-j Pyrenäenspitze in Spanien 10,008
Der St. Gotthard in der Schweiz 10,000
nach andern 9'9Ö4
Der Terglou in Krain 9'744
nach andern 10,194
Der Grimsel in der Schweiz 9;2o4
Der Watzmann in Salz!)urg 9,i5o
Der Kogel in Salzljiug g,l00
Der i?of07U^ auf Corsika 9'000
Der Monte Legnone in der Loniljaidie 8,436
Der Dachstein oder Hallsiädter-ScJineeberg in Östcrr. ob der Enns 8,400
uacli andern 9,o36
Der r<»n>'o;i^ Pyrenäenspilze in Frankreich 8,600
I Land der europ. Staaten. §. 12. Höhcnlciter der erhabensten Punctc. 37
Fuss iil)cr dorn Meere.
Die Lomnitzerspitze in der Zips in Ungern 8,400
Dev Gran Sasso in Neapel 8/253
nach andern 8,000
Der Ä^fwa« in der LipLaucrgcspannscliaft in Ungern 8,100
nach andern 7^818
Der Monte Vellino in Neapel 7,800
Der Schneehättan in Norwegen . . . . • 7,628
Der Budislav in Siebenbürgen 7,428
nach Kunz g,ooo
nach noch andern 6,888
Der Sund in Siebenbürgen 7)078
nach Kunz . 8,600
Der Grimming in Sleyermark 7,200
Die Stangalpe in Sleyermark '^A^o
Der Moni ventoux bey Avignon in Frankreich 6,800
Der Schneeherg in Ösierreich miter der Enns 6,444
Der Mont d'ov in Frankreich 6,288
Der Oljmp in Thessalien 6,000
Der Athos in Macedonien 6,000
Dar Sjltopp in Schweden ^ . 6,000
Der Oetscher in Österreich unter der Enns 5,g4o
Der CrtH^rt/hi Franki-eich ^ . 5,go4
nach andern 5,700
Der Mont Cenis in Italien 5,8oo
Der TVechsel in Sleyermark 5,074
nach andern . 5,3io
Der TFellebit in Croatien 5,4oo
Die höchsten Gipfel des Juragebirges : der Reculet 5,286
der Dole . 5,2o8
<ler 3/o7it Tendre .... 5,202
Der Puj de Dome auf den Sevennen 4^5oo
nach andern 4.'902
Die Schnee- oder Riesenkuppe , der höchste Gipfel des Riesen-
gebirges dj . 4'884
Der grulichev oder spiglitzev Sclineeherg bev Glaiz . , . ^ . 4j38o
Der Ben-Ewischj die höchste Spitze der Gvamp'uins im schotti-
schen Hochlande • 4'370
Der Ballon auf den \ ogesen 4>3oo
Der He kla auf Island 453oo
Der Ingleborough in Cumlierland • 3,goo
Der Fesuv in Neapel 3,700
Der Brocken auf dem Harz 3,486
Der Suuwdon im Fiirstenlhume Wales . 3,4oo
5g I. Land der euiop. Staaten. §. x3. Gletscher, Lawiuen und Bergstürie.
Von diesen Bergen sind nur drey : der Aetna ^ der Vesuv und der lieht n ^ Vul-
cane. Ausserdem werfen noch neun Jockeln auf Island und zwey Berge auf den li-
parisclicn Inseln, Stromboli und Volcano j, Feuer aus e). Sicilien hat auch einen
Schlanun auswerfenden Berg {Volcan de baue), Mikulluba. Einen ähnlichen halP<//-
las in der Kriinm entdeckt. Berge, welche zündhares Gas und Wasser zugleich aus-
werfen, befinden sich zu Boselj in England/^.
a) S. Jen. A. L. Z. Nr. 89. 1809. S. 100.
b) Das von den Moiitagnes Maudits eingeschlossene Thal ChamoUTvy in der savoy'schen Ba-
ronie Faiicigny , liegt 3i44 Fuss über der Meeresflache. S. Anton Fr. Bäschings Vorberei-
tung etc. 6. Aufl. , herausgegeben von G. P. H. Norrmann. Keutlingen , 1804. S. gg.
r) Auf der Höhe von 8400 Fuss legte der heilige Bernhard du Meuthon im J. 968 ein Hospi-
zenkloster an (die höchste menschliche Wohnung in Europa) , in welchem zwölf Augusti-
nermönche die Reisenden aufnehmen. (S. A. Fr. W. Croines allgemeine Übersicht der
Staalskräfte von den sämmtlichen europäischen Reichen und Ländern 11. s. vv. Leipzig ,
1818. S. 618.) Diese Rlostergeistlichen richten Huride (dänische Doggen) dazu ab, die un-
ter dem Schnee verunglückten Wanderer aufzusuchen. S. Jon. A. L. Z. 1810. Nr. 258. S. 262.
A) Die Bewohner des Riesengebirges trifft man in ihren Bauden (hölzernen Häusern) noch
716 Klafter hoch über der Meeresfläche an; also kaum um die Hälfte niedriger, als die
Augustinermönche auf dem grossen St. Bernhard wohnen.
c) Hr. C. N. Ordinaire gibt in seinem Werke: Histoire naturelle des Volcans , comprenant
Ics volcans soumarins, ceux de boue et autres phenomenes analogues. Paris, 1802. 8.
(Vergl. Götting. gel. Anz. St. 60. i8o3. S. 697 — 600) die Zahl der in allen fünf Erdlhei-
len existirenden Vulcane auf 2ö5 an , an welcher Gesammtsumme Amerika den grössten
Antheil hat. Nach andern beträgt die Zahl derselben 400.
./') S. Götting. gel. Anz. i8o3. St. 60. S. Goo.
§• i3.
Gletscher, Lawinen und Bergstürze.
Zwischen den höchsten Spitzen der Berge liegen geräumige Thäler , wo sich das
von der Sonne geschmolzene Wasser sammelt, dann wieder gefriert imd inigeheure
Eisfelder bildet. Aus diesen dringt durch die Öffnungen der Felsen das gesclimolzene
Wasser in tiefere Gegenden, gefriert allmählich an den Abhängen und bildet dann
nach und nach schaudervolle Eisberge unter den seltsamsten Gestalten, welche man
Gletscher j, Ferner oder Firnen j, Knrste ^ auf der Insel Island Jockeln nennet. Die
Zahl aller Gletscher in der ganzen Ausdehnung des Alpengelürges steigt , Herrn Ebel
zufolge, ungefähr auf 5oo — 600, die mit allen Sclmeefeldern ein Eismeer von 100
QM. bilden, welches den drey Strömen unsers Erdtheils, dem Rheine dem Po j, dem
'?/«o«ej und mehreren der Donau zuströmenden Alpcnflüssen, und tausend andern
Flüssen und Bächen das Daseyn gibt.
Nicht minder statistisch merkwürdig sind die Lawinen. Der Schnee setzt sich,
von "^Vinden zusammengejagt, oft an den höchsten Bergspitzen in erstaunlichen Mas-
sen an , stürzt dann oft durch eine kleine Bewegung der Luft abwärts , vergrössert
sich im Fallen und reisst Bäume, Häuser, Lastwagen und Heerden mit sich in die
Abgründe unter entsetzlichem Getöse. Der Lawinen wegen sind daher in den Alpen-
ländern die Landslrassen über einzelne hohe Berge im Winter, besonders aber im
1. Land d(T europ. Staaten. §. 14. Abiiafchulig. 3^
Frühjahre, sehr gefahrhch, und müssen mit aller Vorsicht, die dahin zweckt, alles,
was die Luft auch nur in kleine Bewegung actzt, zu vermeiden, bereiset werden.
Eine andere schreckliche Landplage für die Alpenhewohner sind die verheeren-
den Bevi^stüi'ze aj , die am meisten und schrecklichsten in den nässern Tagen des
Herbstes und im Frühjahre, wenn die Sonne den Winterschnee schnülzt und die
Flüsse anschwellt, eintreten. Ansainmlvmg und Andrang des Wassers, welches den
Berg in seinem Iimern zum Theil zeistört , und wegen Mangel an Abfluss , sprengt,
ist, Hrn. Ileinse zufolge, die Hauptursache der Bergfalle. Zur Abwendung einer so
drohenden Gefahr schlagt er vor : durch Stollen, wie in den Bergwerken, die Berg-
wasser zu gewältigen. Vielleicht, sagt er, hat man in der Schweiz nur darum nicht
an die Möglichkeit gedacht, weil der Bergbau daselbst überhaupt wenig bekannt ist.
d) Unter andern stürzte am 2. Sept. 1806 von dem, 57Cfo Fuss hohen Berge fi/'g-j im Canlon
Schwyz ein Theil auf Goldau herab. 484 Erwachsene und 128 Rinder fanden dabey ihr Grab,
und 270 Stück Vidi gingen verloren. 2 Kirchen, 4 Capelleh , io3 Häuser sammt allem
Hausgeräthe , 2oo Ställe , mit Heu und Winterfutter angefüllt , sind versch\vunden ; alle
Strassen , Brücken , Wehren und Damme sind zerstört. Der Vorlust an verschütteten Grund-
stücken (7111 Jucharlen oder Morgen Landes zu 36,ooo Quadratfuss) ward auf 900,82() fl.
geschätzt. S. Goldau und seine Gegend, wie sie war, und was sie geworden, in Zeichnun-
gen und Beschreibungen. Zur Unterstützung der übrig gebliebenen Leidenden in den Druck
herausgegeben von Carl Zaj; Med. Dr. Zürich, 1807. 8. Vergl. Götting. gel. Anz. 1810. i22. St.
§. 14.
A b d a c h u n g.
Das Land erhöhet sich vom Meere an nach und nach, und die vom Meere ent-
ferntesten Gegenden haben auch gewöhnlich die höchste Lage. Diesem Gesenke des
Landes, das man seine Abdachung nennet, folgen die Flüsse. Folgendes ist die Al)-
dachmig der einzelnen Länder Europas :
A. Ilelvetien j mit Savojen und Tjrol j mit welchen es die Natur als hohes
Bergland zusammenstellte , die höchste Gegend Europa's bildend , ist abgedacht :
a) nördlich durch den Rhein zur Nordsee; b) südlich durch den Rhone zum mittel-
ländischen, und durch den Tessin zum adriatischcn Meere; c) östlich durch den Iiui
zur Donau , folglich zum schwarzen Meere.
■ B. DeutscIiLand : a) nordwestlich zur jNordsee; 1)) nördlich zur Ostsee; c) öst-
lich zur Donau nach dem sch^varzen Meere zu; d) südlich zum adriatischcn Meere.
C. Italien: a) östlich zum adriatischcn Meere; b) westlich zum mitteh'änd. Meere.
D. Frankreich: a) grössten Tlieils zum atlantischen Ocean und zu dem Canalj
b) der kleinere nordöstliche Theil zur Nordsee ; c) in SO. zum nüttcUänd. Meere.
E. Die pjrenäische Halbinsel, und zwar i) Spanien: a) grössten Thcils zum at-
lantischen Ocean; b) nur das Ebrogebiet nebst den Ost- und Südküstenjirovinzen zum
mittelländischen Meere; 2) Portugal: zum atlantischen Ocean.
F. Das brittiscJie Ke'ich: nach allen Seiten zum Meere, oder das Land verflacht
sich nach den Küsten östlich und westlich ; nur im Fürstenllumie fVales ist das Ter-
rain zum Ituicrn hin abgesenkt.
4o I- Land der eui-np. Stualen. ij i5- Ebenen.
G. Die Niederlande : a) der nöidliclie und nordw östliche Tlicil dieses Reicts
Ijcisst in der Erdbeschreiijung vorzugsweise die iMederlande _, d. i. das niedrigste aj,
am tiefsten liegende Land, nicht nur in Europa, sondern auf dem ganzen Continenl.
Als ein hohles (daher der Nähme Holland) , grundloses Land, ein Gemenge von Sand
inid Schlamm , vom Meere und Rhein allmählich ausgeworfen , von der Natur zum
Aufenthalte der Amphibien bestimmt, ward es von Menschen zum menschlichen Auf-
enthalte umgeschaffen , und durch den hartnäckigsten, ausdauerndsten Fleiss seiner
Bewohner, dem Meere, dem es eigentlich gehörte, entrissen. So wie das Land berg-
los -isl, so ist es beynahe ohne alle iyjdachung. Die bemerklichste Senkung ist süd-
westlich, b) Die übrigen Gegenden der NicdfTlande, besonders die südlichsten, wie
Luxejnhurg j Liittlchj, Namur luid Hennegau j sind höher, mit Bergen begabt und
zur Nordsee abgedacht.
H. Dänemark : a) östlich zur Ostsee j b) westlich zur Nordsee.
L Schweden : a) grössleji Theils von Westen nach Osten zum bothhischcn Meer-
busen; b) nach Si'iden zur Ostsee.
K. Norwegen: a) grössten Theils von Osten nach Westen, also umgekehrt wie
bey Schweden; b) von Norden nach Süden zu dem Catlegatt.
L. Das europäische Rnssland ^ ohne Polen: a) nördlich zum Eismeere; b) west-
lich zur Ostsee; c) südlich zmu schwarzen Meere; d) südöstlich zum caspischen Meere.
M. PreusseUj ohne die deutschen Provinzen: nach Norden zur Ostsee.
N. Polen wnA G^^/ts/en ; jenes von Süden nach Norden zur Ostsee; dieses a) gröss-
ten Theils nach Norden zur Ostsee ; b) kleinem Theils nach Südost zum schwar-
zen Meere.
O. Ungern und Siebenbici'gen : dieses durcliaus, jenes grössten Theils zur Do-
nau, folglich zum schwarzen j\[eere; nur die Karpathengegend bey Käsmark zur Weich-
sel, folglich zur Ostsee.
P. Die europäische Türkej' : a) südlich zum ägeischcn Meere; b) westlich zum
adriatischen Meere; c"). nordösiiich zur Donau nach dem schwarzen Meere zu.
ö) Es ist, besonders in dem nördlichen uinl westlichen Theile , so niedrig, dass es durch
DüiieiL (unsläte Saiidhiigel, nach Fabri \ou i — 14 Fiiss', nach Gallelli und Cannabich gar
von 14 — 3o Toisen Hijlie) , und durch Damme oder Deiche» deren jährliche Unterhal-
tungskosten an 4 — 8 Mill. Gl. betragen, vor den Angriffen der Meeres\vogen verwahrt
werden miiss.
§• i5.
Ebenen;
Die grössten e/-'?/ie7t F/äc/ie7J in Europa rtj sind in Ungern,, GalizieUj Polen j
l'nsslcnd und Norddeutschland. Die kleinere östliche Ebene in Ungern fasst in sich
200, ilie grössere westliche, deren Diagonalen von der Essekerbrücke bis nach IIussi^
und von Ujpalanka bis nach Wailzen reichen, 1000 QiM. bj. Noch grösser ist die ga~
UziscJie j polnische und russisclie ^hcne. Der grösste Theil von Galizien Ijcslcht aus
einer Ungeheuern, nur durch kleine Hügel, die man in wenigen Minuten hinauf und
herabsteigt, unterbrochenen wellenförmigen Ebene, die durch Polen vmd das weite
Piussland bis an Asiens Gränze sich erstreckt c). Die norddeutsche Ebene dohuL sich
I. Lm.l Jcr curop. Staaten. ^. 16. Gewässer. /jl
von Jiilland Lis an clrn Harz und von der EII)C l)is an don Ausfluss der Scheide Mi&dJ.
Gegen die Kiisien dor Ostsee und besonders der Nordsee liin , wird das Land so nie-
drig, dass es diircli kostbare Dduunc oder Deiclie gegen die Fhillien des .Meeres ge-
schützt werden muss.
Die vorziiglichsten unter den kleinem Ebenen in Europa sind: die fruchtbare
Hatuui in der Glitte Mährons ; das in der österreichischen Geschichte berühmte March-
feldj zwischen dem 13isamberg , derMarch und dem Unken Ufer der Donau; (he Neu-
städterheide oder das Stein feld und das Tulnevfeld am reclilen Ufer der Donau im
Lande unter der Enns; die IVelserheide im Lande ob der Enns; das Pettaiier- und
Leibnitzei'Jeld in Steyermark; die Ebene in Baiern, welche mau von der Spitze der
Benedictenwand , eines hohen Marmorfelsens in der Grafschaft Werdenfels , über-
sieht; die Li'uieburgerheide im Hanöverischen, welche eigentlich ein Theil der nord-
deutschen Ebene ist, so Avie die Ketskemeter-Sandheide ^ welche sich 24 Mb weit
von Peslh bis Szegedin erstreckt, ein Theil der grossen Ebene in Ungern ist; das 7 — 8
Stunden lange Kieselfeld Crait in der Provence , und die Landes (Steppen) mit ih-
rem Sandboden zwischen Bordeaux und Bayoiuic , imd liings der Seekiistc bis Bearn
und Bigore ; die spanische Suste oder die Heide von Maiicha; endlich die bcriihm-
ten Ebenen in Thessalien , nähmlich das liebliche Thal Tempe und die phavsali-
sche Ebene.'
a) Die grössteii ebenoii Fläclicn auf unserer Eide sind: 1) in Asien die liohe Sandwiiste Kobi
od<'r Schamo (Chamo) , an beyden Seiten des Iinaus ; 2) in Afrika die WListo Sarah , i5 —
3o° N. Br. ; 3) in Südamerika zwischen den Riistengebirgen von Caraccas und dem Orinoko,
und die noch grössere an beyden Si?iten des Plataslromes bis zur luagellanisclien Meerenge.
h) S. M. V. Schwarlners Statistik des Königreichs Ungern. 2. Aufl. S. 68. Veigl. Monatliclie
Correspondenz zur Beförderung der Erd- und Ilimmelskunde. März, i8o3.
c) S. Andre's Nationalkalender für die gesammte österr. Monarchie auf i8i2. S. 84.
d) S. Jeu. Allg. L. Z. N. 89. 180g. S. 98. Vergl. AUg. geogr. Ephem. 26. Bd. S. 3g i ff.
§. 16.
G e %v ä s s c r.
Die Gewässer sxwd ebenfalls statistiscli wichtig. Sie dienen zu natürlichen Gränz-
scheiden und enthalten eine Menge ihnen eigcnthürnlicher Prodiicte. V^orzüglich be-
währen sie aber ihre Wichtigkeit nach ihren grossen, ganz verschiedenen Eigenschaf-
ten, als hef r achtende y :!Xs bewegende wwd als tragende Kraft, und sind in diesen
drey Rücksichten das Reitzrnittel und Vehikel aller Quellen der Production, nähmlich
1) des natürliclien FiUter])aues , der die Basis der Viehzucht, so wie diese die Bc-din-
gimg des Ackerbaues ist; 2) aller derjenigen Gewerbe, bey denen ein grösserer als
gewöhnlicher Kraftaufwand erforderlich ist , wie z. B. bey den verschiedenen Galtun-
gen von Mühlen , Hammer- luid Po/chwerken , den wichtigsten Fabriken und Manufac-
turen; 3) des Handels, dessen natürliche A.Ke das Wasser ist, die die grössten Lasten
fast ohne alle Miihe aufnimmt. Man tlieilt die Gewässer ein in ISatur- und Kunstge-
Wässer. Zu jenen gehören Meere,, Laudseen und Flüsse; zu diesen Canäle.
6
/J2 I. Land der europ. Staaten. §. ij. Meere und Meerengen. §. i8. Landseen.
§• 17-
Meere und Meerengen.
Europa ist verliilltnissmüssig am wasserreichsten. Ausser den äussern, sclioii Le-
kannten Meeren (s. §. 4) l)espülcn es noch folgende Meere: das adriatische Meer,
das ägeisclte Meer oder der yfrcliipelagus _, das Meer von Marinnra j das schwarze
imd das asoivsche Meer, sämniiHch Theile des mittelländischen Meeres. Ander West-
seite hat es ferner das biskajisclie oder spanische Meer, das aqidtanische Meer bej^
Frankreich , und das »•///7jr/i.yc/ie Meer oder den St. Georgscanal zwischen Wand
tmd England, sämmllich Theile des atlantischen Oceans. Im Norden von Deutsch-
land ist die Nordsee oder das deuische^lcer , miL dem codanischen Meerbusen oder
dem Cattegatt zwischen Norwegen, Schweden und Dänemark; ostwärts der Nordsee
ist die Ostsee oder das l/altiscJie Meer mit dem ßiinischeii und bothnischen Meer-
busen, imd ganz oben im INordostcn bey Archangcl das weisse Meer^ ein Busen des
nördlichen Eismeeres.
IVIcorcngen, durch welche diese Meere in einer fortlaufenden Verbindung ste-
hen, sind folgende:
1) Im Norden: a) Aer Sund (Öresund) zwischen Schweden und der Insel See-
land; dann die beyden .Äe/^e (der grosse und der kleine) zwischen den dänischen In-
seln und .lutland, welche die Ostsee mit dem Cattegalt und der Nordsee verbinden.
Die gewöhnlichste Diuchfahrt aus der Nordsee in die Ostsee ist der Sund, h) Die
Meerenge zwischen Frankreich vmd England, welche aus dem atlantischen Occan in
die Nordsee fiihri. Da wo sie am engsten ist, heisst sie die Meerenge von Calais (Pas
de Calais) ; der ganze übrige viel breitere Theil heisst der Canal (la Manche).
2) Im Süden : a) die Strasse von Gibraltar ^ welche den atlantischen Ocean mit
dem mittelländischen Meere verbindet; b) die sicilianische Meer-enge (Faro di Mes-
sina) zwischen Neapel imd Sicilion ; c) die Strasse der Dardanellen oder der Hel-
lespont jVie\c\\ev aus dem Archipelngiis in das Marmormecr fuhrt; d) die Meerenge
oder der Canal von Constantinopel j durch den man aus dem Marmormeer in das
schwarze Meer kommt ; endlich e) die Strasse von Feodosia (vormals KafTa), durch
die das schwarze Meer mit dem asow'schen Meere zusammenhängt.
So stellet das Meer ein grosses, gemeinschaftliches Band zwischen den verschie-
denen Küstenvölkern her, welcher Vorlhcil noch dtuch die vielen, tief in das Land
gehenden Meerbusen des mittelländischen IMeeres, der Nord- und Ostsee gar sehr
erhöhet wird. Die Nordsee hat vor allen europäischen Meeren noch den Vorzug , dass
sie den Znsammcnfluss mehrerer Ströme auf einen sehr kleinen Raum vereiniget,
welches fiir den Handel von grosser Wichtigkeit ist.
§• 18.
Ijandsee». •
Der Landseen ^ die das auf dem Lande sind, was die Inseln im Meere, sind in
Europa sehr viele, vornehmlich in Russland a) ^ Schweden b) und ISoi-ivegeUj in
der Schweiz c) j m Italien j Deutschland d) und Preussen ; aber nur v^enige sind
von grossem Umfange. Zu diesen gehören:
I, Land der curop. Slaatcu. ^. iB. Lacdscea. 43
1) hl Russlaiut : a) der Ladogasee j zwischen dem finnischen Meerbusen und
dem Onegasee, der grösste See in Europa, 292 QM. gioss. Er hängt mittelst der
NewUj in die er seinen Abfluss liai, mit dem Imnisclicn Mcerhusen, und durch die-
sen mit der Ostsee zusannpen. Sein vieler Triebsand und seine häufigen Untiefen oder
seichte Stellen machen die Schiölahrt sehr mühsam , und der häufigen Stürme wegen
oft gefährlich. 1)) Der O/je^rt.ycCj im Gouvernement Olonez, gegen 200 Werste lang
und 60 — 80 breil. Er ist durch den Fluss Swir mit dem Ladogasee, und diuch die-
sen mit dem ]>all.ischen Meere verbunden, c) Der Pei[jussee _, zwischen den Gouver^
nenients St., Petersburg, Eief- und Esthland, gegen 80 Werste lang und 60 breit. Er
entlässt sein Wasser durch die JS'ar'H'a (Narowa) zum finnischen Meerbusen, d) Der
ILinensee bey Nowgorod, östlich vom Pcipussee, ungefähr 40 Werste lang und 3o
breit. Er nimmt die Msta auf, und entlässt sein Wasser durch den fVolchow zum
Ladogasee. Diese ^ erbindung und die dadurch bewerkstelligte Comiiiunication z'vi-
schen der TFolga und JSewa (S. unten §. 21. 9) machen diesen See merkwürdig.
e) Tier Saima _, in der östlichen Hälfte Finnlands. Dieser See ist grösser als der La-
dogasee, wenn man die vielen kleinen Seen, mit denen er in Verbindung steht, als
ein Ganzes betrachtet, fj Der See Puvmvesi in Finnland, Speicher weniger ausgezeich-
net ist durch Grösse, aber, nach der Versicherung des rassisch kaiscrl. Slaatsralhes
Fi'iccius j die bewunderungswürdige Eigenschaft hat, Kröpfe zu heilen. Die Knre-
liev j die alle mit Kröpfen behaftet sind, besuciien häufig diesen See, und sie dürfen
nur von diesem ^Vasscr trinken , um vollkommen wieder hergestellt zu werden e),
2) In Schweden: a) der Wenersee ^ 48, b) der Miilarsee_, i8, c) der TVettcr-
see _, 17 Q\L gross; d) der Hielinavsee j 6 Meilen lang und 1 — 5 Meilen breit, und
durch den Torshällafluss mit dem Mälarsee verbunden, in diesem See zählt man an
l3oo grössere und kleinere Inseln. Seine ganze Umgebung ist sehr schön und sehr
belebt durch viele Landhäuser, Landgüter und Lustschlösser.
3) In Korwegen: der grosse und kleine JMiösensee und Acr Faeinundsee ; der
erstere ist 14 ^Meilen lang, aber schmal.
4) In Ungern: a) Aev Plattensee (Lacus Balaton, sonst auch das nngrische Meer
genannt), zwischen demSchümegher, Weszprimer und Szalader Comitate, 10 MI. lang,
1 — 2 Ml. breit, und mit allen Morästen ein Areal von 24 QM. einnehmend, b) Der
]\eusiedlersee_, zwischen Ödenburg und Raab , ohne den sich anschliessenden Äi^/ij-c/i;-
(einen Strich sumpfigen Landes), 4 Meilen lang und 2 Meilen breit.
5) Zwischen DeictscJiland und der Schweiz : der Bodensee (vormals auch das
schwäbische Meer genannt) , 17 Stunden lang und 5 breit. Bey dem Schweizerstädt-
chen Fiheineck fällt der Rhein in diesen See, und bey Stein vcrlässt er ihn wieder.
Die Schifffahrt auf demsclljen ist imbedeutend, da die zu versendenden Güter vor dem
Rheinfälle bey Laufen wieder ausgeladen werden miissen. Die baierische Stadt Lin-
dau ist auf drey Inseln des Bodensee's erbaut , 'wovon die grösste durch eine 3oo
Schritte lange hölzerne Briicke mit dem festen Lande zusannnenhängt.
6) Zwischen der Schweiz,, Stwojen und FrankreicJi : der Genfersee^ 18 — 20
Sluiiden lang und 4 — 5 breit. Seine Ufer sind sehr schön, und mit Dörfern, Flecken
imd Städten reichlich besetzt.
^^ 1. La«d der tiucj). Slaaliii. §. iq. Flüsse.
7) ZwisolicMi der Scinyeiz vtiul Fi nukreicJi: der ISeitcnburg^r- oder Neufchatel-
lersee j 9 Suiudcn lang und 2 breit,
8) Zwischen der Schweiz und der Lombuvdie: der Lago maggioj-e j nicht nur
der i^rössle See nach dem Gardascc, sondern auch der schönste aller italienischen
Seen, mit den, durch reitzendeKunsianlagcn heriüimten borfomäischen Inseln, /xola
bella und Isola Madve.
g) Im Innern der Schweiz: a) der Ziiricherseej 127g' idjer dem IMeere, 10 Stun-
den lang imd \\ lireit, mit reitzenden Lf'ern; 1>) der Viei'wnJdstäillev- oder Luzev-
nersee j l3lo' über dem Meere, g Stunden lang und 4 — 5 l)reit , \on 2000 — 10,000
Fuss hohen Bergen umgeben.
10) In Obeiitalien j und zwar in der Lomhardie: a) der Gcndasee (Lage di
Garda), der grösste aller ilalienischcn Seen, 7 deutsche Meilen lang und 2 breit,
b) Der Comersee (Lago di Como), 7 deutsche Meilen lang, und eine halbe in der
grössten Breite. Jede dieser Seen ist, so wie der Lago maggiove _, durch seinen Aus-
lluss (den Mincio j die Jdda und den Ticino) mit dem Fo ^ und diuch Caniile noch
mit anderen Flüssen verbunden. Über alle Seen in Oberitalien wehen gewöhnlich
täglich zwey heslimmte Winde: der nördliche und südliche; jener fangt um 2 Uhr
JNachts an, und dauert bis Morgens gegen 10 Uhr.; der andere \se\i\. von 2 Uhr Jsacli-
nüttags bis gegen Mitternacht.
a) Von der Menge grosser und kleiner Landsecn in Russland lässt sieh auch nach der blossen
Schätzung in wenigen Gouvernements urlheilen: im Güu\ernenient Olonez zählt man de-
ren ic((jt), im Güuvern. Archatigel ii45) ini Gouvern. Li^iand über 1000, und in Finn-
land nehmen sie ein Drittheil des Terrains ein.
i) Wo das Areal des Landes sich zu dem der Seen , wie 10 : 1 (Land =; 7674 QM. , Seen
= 685 QM.) verhält. S. polit. Journ. May, 181Ö. S. Sgö.
c) Die Schweiz ist so reich an Seen, dass man sie, nach Kunzj das Seeland nennen könnte.
Rein Tiial ist ohne See ; daher der heftige Lauf der Flüsse,
fl) Namentlich in Krain , Rärnlhen, Steyermark , im Lande ob der Enns und in Salzburg,
in liaiern , in der Mark Brandenburg , in Pommern und im IMecklenbuigischen.
e) S. allg. geogr. Ephemeriden. 1808. Bd. 27. S. 8 ff.
§• 19-
Flüsse.
H a u p t f 1 U s s e oder Ströme mit ihr e n \ o r z ü g 1 i c h e r c n Nebenflüssen.
Wegen der minder grossen Ausdehnung der Landmasse haben die enrojx'iischen
Flüsse keinen so langen Laufund keine so grosse Wasscrfüllc, i\h die (imc/i/^/iiii-
scheii iij und die asiatisclien b) ; dagegen sind sie verlüdtnissmässig zahlreicher als
in andern Erdtheilen, und imter alle Gegenden vertheiltj dabey erstrecken sich die
Haiiptjlüsse oder Ströme mehr oder weniger tief und oft bis auf hundert Meilen weil
ins Land hinein, und verbinden sowohl dadurch, als durch ihren gekrümn.tcn Lauf
und durch die vielen, oft bedeutenden ISebenfliisse _, die sie aufnehmen, die einzel-
nen Länder imsers Erdtheils auf eine sehr voriheilhaiie Weise mit einander. Freylich
>\ erden aber auch diese A orzüge der europäischen Flüsse durch manche Hindernisse,
I. Linad der euiop. ätaaleu. ^. ig, riusse. ^5
welche sie der Si^liifTfalirl in den Weg legen, gcniiaderl. Jlicihcr gehöri vorzüglich
der Umstand , dass nach Herrn TT'iebekiitg's W ahrnclunung , vsegcn iinlcrlasscner
Reinigung mid Ausbesserung der Flüsse, alle Flussljellen im letzten Jahrlinnderte sich
erhöhet haben , woraus yerheerende Überschwemmungen entstanden sind , und ehe-
mals schiffbare Flüsse können jetzt nicht mehr von den kleinsten Böten befahren
werden c).
A on den 26 europäischen Strömen ergicsscn sich :
1. Östlich :
A. In das scliwarze Meer:
a) Die Donau _, welche nicht nur der erste deutsche Hauptfluss, sondern auch
der grösste Strom in Europa ist. Ihr Ursprung ist im Grossherzogthume Baden j wo
sie ijn Schwarzwalde bey St. Georgen ihre Hauptquelle hat; sie durchströmt in ei-
ner Strecke von 400 MI. das ganze südöstliche l£uro])a ^ wird schon 20 Ml. von ih-
rem Ursprünge, bev Ulm j, wo sie die Hier aufninmit, schiffbar, ninnnl, nach ihrer
\ereinigmig mit dem Inn (bey Passan) unverhältnissmassig an Breite zu, die bey ih-
rem Eintritt in's österreichische Gebiet sicli lan das Doppelte vermehrt , bildet unter-
haUj JFien bedeutende Inseln und geht in wachsender Breite nach Ungern zu, wo die
von Norden sich ihr nähernden Karparthen sie zwingen, von O/e/t an plötzlich ihren
Lauf zu ändern, luid von Norden nach Süden sich zu ziehen, in welcher Richtung
sie h\s £!ssek strömt j von hier an eilt sie anfänglich in sfidöstlicher, dann in nord-
östlicher Richtung dem Meere zu, wo sie in sehr viele Arme (wie die ^Volga) sich
crgiesst. Ihr nördlichster Ann liax M\i russlscli ein Gebiete, namentlich in Bessarabien
bey Kilianova seine Mündung. Ihr reissend schneller I^auf, die vielen spitzigen Fel-
senstücke mitten iin Strome, und ihre steilen und hohen Ufer, zwischen welchen
sie in seltsamen Krümmungen strömt, schwächen die \orlheile ihrer Schiffbarkeit
gar sehr, so wie sie wegen ihrer grossen Überschwemmungen sehr gefährlich ist. Ihr
gesammles Stromgebiet beträgt 14,423 QM. Sie nimmt an 120 Flüsse auf. Die vorzüg-
lichsten darunter sind: a) rechts: die Hier j der Lech _, derinn mit der Salza, die
Traun j die Enns j die Lejtluij die Raab j die Sanyitz (Scharwitz), die Drau mit
der Mulwj, und die Sau mit der Laibach j Kulpu und Unna; b) links: die Allmiüilj
die Nabe j der Regen j die Aiarch mit der TJiaya _, die Tf\iag j die Gran j die Theiss
mit der Szatnosch_, der Kbrbsch und der Marosch_, der Temesch _, der Aluta j der
Sereth und der Prutii.
b) Der Dniester (Dnesler), welcher aus Galizien kommt, und sich als ein rcissend
schneller Strom, der besonders einen gefährlichen \Vasserfall hey Jainpol hat, tui-
ter Odessa bey Akicrman in's Meer stürzt, nachdem er den Strj\, die Bistriza und
den Giänzfluss Fodgorcze aufgenonunen hat.
cj Der Dnepr (Borisihenes der alten Geographie) , welcher im russischen Gou-
vernement Smolensk, nicht weit von den Quellen der Dilna und Wolga, entspringt,
einen der fruchtbarsten Theile des ciuopäischen Russlands durchströmt, und nach
einem Laufe von i5oo Wersten zwischen Otschakow und Kitiburn in's Meer f;dlt,
nachdem er kurz vor seiner Mündimg den Limanbusen gelüldet hat. Unterhallj Kiew
bis in die Gegend von Alexanilrovskaja hat er in einer Strecke von 60 Wersten i3
^g I. LiinJ der curop. StaaleU; j. ig. Flüsse.
Wasserfalle in seinem Belle, über welche die Schiffe nur bey holiem Wasser gehen
können. Ein anderes ÜJ>el an diesem Strome sind die grossen Überschwemmungen
desselben, welche hanfig Sümpfe^ besonders um Cherson bilden. Ei- wird durch den
Saschj die Dessna ^ Sula j TVorskla ^ Summa jti j, Inguhiz und Prypiz versiäiki.
B, In das asowsche Meer :
Der Do?i_, welcher bcy Tnla aus dem kleinen See Iwcuiowskoje ausfliesst, und
nach einem Laufe von looo Wersten hcy Jsow sich in's Meer verliert. Sein jährliches
Austreten ist den nahegelegenen Gegenden oft gefahrlich. Zu seinem Flussgebiele ge-
hören der IVoronesch j, Choper ^ Donetz und die Mechvediza.
C. In den caspischeti See :
Die Wolga j der grössle, fischreichste luid befahrenste aller russischen Ströme ,
welcher im Gouvernement Twev auf den alaunischen Höhen bey dem Dorfc IVolcho
Werchowin aus einem Paar Seen entspringt, von Westen nach Osten meist sehr fruchi-
bxire Gefilde durchströmt, und nach einem Laufe von etwa 4000 AVersten bey Astra-
chan \n den grössten Landsec auf unserer Erdkugel, den caspischen See (von den
meisten Geographen auch Meer genanni), tritt, nachdem er sich, gleich dem ersten
Slrome unsers Erdtheils, in sehr viele Anne getheilt und dadurch eine Menge von In-
seln gebildet hat. Er wird selbst durch seine Überschwemmungen für das Land wohl-
thätig , indem er einen fruchtbaren Schlamm al)setzt. Unter den vielen Nebenflüs-
sen sind die merkwürdigsten: a) links: ^\c Kama (ni\l BeLoja, links und ITjätka icclils),
die Twerza wwA Kostroma; b) rechts: die Okka (mit Moskwa links).
II. Südlich:
A. In das adriatische Meer:
Der Po j der einzige Strom in Italien, und zwar in dem oberen, als dem breite-
sten Theile dieser lIalI)iHsel, da sie bey einer Länge von 208 geogr. Ml. im Durch-
schnitt nur 28 iMk breil ist. Er entspringt auf dem Berge Viso in Piemont, und macht
einen beträchlichen Theil seines Laufes hindurch die südliche Gränze des österreichi-
schen Staates in Italien, ])is ersieh, in zwey Hauptarme gelheilt, in das Meer crgiesst.
Er tritt fasst alle Jahre aiLS, imd richtet grosse Verwüstungen, an. Bey grosser Dürre
wild die Schifffahrl aufwärts bis Cremuna unterbrochen. Die vorzüglichsten seiner
Nebenflüsse sind: a) links: die Doria , die Ses'ia , der Ticino (Gränzfluss zwischen
dem festen Lande des sardinischen Staates und dem lom1)ardischen Königreiche), die
Oloiina j, die Jdda (mit Serio) , der Oglio (mk Ale Üa) und der il/i/icio; b) rechts:
der TaiMro (mit Snira) , der Crostolo j Paiuiro luid Rena,
B. In Aas, mittelländische Meer:
a) Der Rhone ^ welcher in der Schweiz westlich vom Rhein, am Fusse des Fur-
kabergcs, links vom St. Gollhard, enlsjuingt, wegen des jähen Terrains und der in
der Nähe Ijelindlich^n Seen , mit einer ungeheuren Schnelligkeit durch das W^alliser-
thal sich hinabstürzt ^ den Genfersee luldet, aus demselben in das französische Gebiet
tritt, und unicrhalb Arles durch mehrere Arme sich in das Meer ergiesst. Sein reis-
sender Lauf macht ihn zum Transporte weniger brauchbar. Zu seinem Stromgebiete
gehören: a) links: die Isere _, die Dröine \n\d. die Dürance ; b) rechts: der ^w, die
Saone (links nüi Doiiüs) , der Ardechc und der Gard oder Ga)-don.
I. Land dar curnp. Staaten. §. ig. Flüsse. 4-
b) Der Ebro j wclolier In Spanien unweit Reynosa an den Gränzen von Asiurien
und Allcastilicn seinen Ursprimg hat, bey Tadeln schiffbar wird, imd bey Tortosa
sich in das Meer verhert. Er ist, wegen der vielen felsigen Stellen, nicht sehr brauch-
bar. Er wird verstärkt a) rechts : durch den Xalon ; b) links; durch den Aragon,, Gal~
lejo und Segre.
lU. Westlich:
A. In den atlantischen Ocean :
a) Der Quadalquivir ^ welcher in Spanien in der südlichen Sierra (Gebirgsreihe)
von Segura entspringt, von Osten nach Südwest läuft, und unterhalb Sei'illa in den
Ocean fällt. Zu seinen Nebenflüssen gehören a) rechts : der Guadaliinar in Jaen ;
b) links : der Genil in Sevilla.
b) Der Guadlana j welcher in der spanischen Provinz la Mancha, in den Seen
von Ruidera entspringt, sodann unter der Erde verschwindet, fvinf Meilen weiter
hin in dem See Ojos de Guadiana wieder zum Vorschein konunt, in südwestlicher
Richtung nach Portugal geht, dessen Südostgränze er bildet, und sich in den Ocean
ergiesst.
c) Der Tajo j der erste unter den Strömen der pyrenäischcn Halbinsel, welcher
in Aragonicn entspringt, sanft dui'ch die schönen Gälten von ^ranjiiez fliesst, sich
um die Mauern von Zb/e^/o herumwendet, durch Talavera ^ Alcantava , Abi-aiites
und Santarem geht, mid seine Miindung im Ocean durch die Nachbarschaft von Lis-
sabon, das auf seinem rechten Ufer Hegt, verherrlichet. Er wird verstärkt durch die
Tajunna j Guadarrnmn und Alberche.
d) Der Dnero ^ welcher nördlich vom Tajo, bcynahe parallel mit ihm entspringt,
von Osten nach Westen läuft, und bey Oporto in den Ocean fällt, nachdem er die
Flüsse j4daja j Tormes j Pesquera und Esla aufgenommen hat.
e) Die Garonne , welche in den Pyrenäen auf der spanischen Gränze entspringt,
\ie^ Milret j südwestlich von Toulouse ^ schiffbar wird, nach ihrer Vereinigung mit
der Dordogne j unterhalb Bordeaux Gironde heisst , »ind nach einem Laufe von go
Meilen durch zwey Miuidungen dem Ocean zueilt. Durch den Siidcanal (s. §. 21.) ist
dieser Strom ein vorzügliches Beförderungsmittel der Commiuiication im Innern Frank-
reichs. Zu seinem Flussgebiete gehören a) links: der Gers; b) rechts: die Arriege j
der Ttirn j der Lot luid die Dordogne.
f) Die Loire j der grösste Strom in Franl^ reich, wo er in den Sevenneu ent-
springt, anfangs von Süden nach Norden, dann von Norden nach Westen seinen Lauf
nimmt, und 8 Meilen unterhalb JSantes in den Ocean fällt. Er wird bey Roanne
schiffbar, und befördert die Communication im Innern des Landes nocli mehr, als
die Garonne. Seine Nebenflüsse sind a) links: der Allier _, der Loiret ^ der Cher, der
/«rf/'Cjdie V^ienne \\\\d d^\c Sh^'re ^ nähmlich Sevre nantoiscj bj rechts : die i\7ei7'e
und die Majennc-
g) D'jc Seine t welche auf dem Goldhügel entspringt, in nordwestlicher Rich-
tung ihren Lauf nimmt, bey 77'o;'e.y schiffijar wird, vuid zwischen Tlavre de Grace
und ffonjle'ir in den Canal , einen Theil des atlantisclien Oceans , sich stürzt. Da sie
durch Paris fliesst, so ist sie für den innern Handel Frankreichs sehr wichtig. Zu ih-
/,8 I- Land der eiiro]). Staaten. §. ig Flusse.
ren Nebenfli'isseii f^cliöicn a) links: die Tonne und die Eure; h) rechts: die Aubc ^
die Marne und die Oise.
B. In die Nordsee:
a) Der B/ieinj welcher in Granl)iindlen aus drey Quellen entspringt, die sich
bey ReicJieiKiu vereinii,'cn. Er wird schon bey Cliar scliifn)ar, macht die Granze zwi-
schen Tyrol und der Schweiz, bildet den Bodensee und den prächtigen Wasserfall bey
Laufen, vcrlässl hierauf bey Basel die Schweiz, und durchströmt einen grossen Theil
des westhchen Deutschlands von Süden nach Norden, nähmlich das Grossherzoglhum
Baden (zwischen welchem und dem Königreiche Frankreich er eine Strecke hindurch
die Granze macht), das Grossherzogthum Hessen, die nassauischen Lande, den baie-
rischen Rheinkreis und die prcussischen Provinzen Niederrhein und Gleve-Berg , aus
welcher letzlern er in die Niederlande tritt. Hier iheill er sich in zwey Arme, wovon
der südliche (die fVaal) , nach Vereinigung mit der Maas,, Merwe heisst; der nörd-
liche theilt sich bey Arnheim wieder, wovon der Arm zur rechten Hand die neue
Kssel hei.sst, sich bey Doesluu-g mit der alten Vssel vereinigt, und dann in die Zuy-
dersee fliesst; der andere Rheinarm theilt sich von neuem bey Wyk by Diierstade,
wovon der eine Leck heisst, und in die Maas fallt j von dem Arme, welcher den Nah-
men Rhein behält, sondert sich bey Utrecht ein Arm unter dem Nahmen Fecht ab;
der andere Ariu, welcher noch den Nahmen Rhein führt, geht geschwächt durch
Leyden, und verliert sich endlich bey Kallw^ck in den Dünen der Nordsee. Denn
seit 860, da der Ocean nach einer Überschwemmung die Rheinmündung zerstörte,
tragt dieser Strom seinen Nahnieti nicht mehr bis ans Meer. Er bcspiÜt auf seinem
l5o Meilen langen Laufe 71 Städte , und nimmt von den Alpen bis Speyer 5o, bis zu
seiner Theilung in den Niederlanden gi Nebenflüsse und Bäche auf. Die vorzüglich-
sten davon sind a) rechts : der Neckar (links mit Enz , rechts mit Kocher und Jaxt) ,
der Main (rechts mit Itz ^ links mit Relzat ^ Regnilz imd Tauher) , die Lahn j Sieg,
Tfipperj, Ruhr und Lippe; b) links: die Jar und die Mosel (rechts mit Meurthe
und Saar). Man gibt überhaupt das Gebiet fiir den Rhein auf 35g8 Q^L an. — Von
seinem Ursprünge an bis Mainz ftihrt er den Nahmen des Oberrlieins , und von seiner
dasigen Vereinigimg an mit dem Main bis zu seinem iiusflusse wird er imler der Be-
nennung des Niederrheins begriffen.
b) Die Maas j, welche in Frankreich bey dem Dorfe Mense _, im Departement der
OJ)erniarne, westlich von der Mosel, entspringt, bey St. Thiebaut schilfbar wird, und
in nordwestlicher Richtung in die Niederlande fliesst, wo sie nach ihrer Vereini-
gung mit der JVaal den Nahmen Merwe bekommt, und bey Brielj nachdem sie sich
gethedt und wieder vereinigt und den Nahmen Maas angenommen hat, in die Nord-
see fallt. Zu ihren bedeutendereti Nebenflüssen gehören: a) links: die Stunbre;
b) roclus: die Ourthe und die Roer.
c) Die fFeserj der kleinste unter den detuschen Strömen, ein Geliicl nur von
874 QM. uiufassend. Sie bekonmil bey ihrer Vereinigung mit der schi(rbaren.fV^/rt von
der hauüvenschen Stadt Münden an diesen Nahmen, nachdem sie aus dem Herzog-
tnume Sachsen-Hildburgbausen , wo sie entspringt, unter dem Nahmen der JVerra
bereits scJutTbar aacli Münden gekonunen. Auf ihrem nordwestlichen Laufe durch
I. Land der europ. Staalcu. §. ig. Flüsse. ^q
das Königreicli Hanovcr, einige hraunsch-wcig-wolfcnbüttersche, hessen-casseFsche,
prcussische und oldenburgische Besitzungen nimmt sie die Fliissc Diemel, Emmer _,
Aller (mit der Ocker und Lerne), Delme j TFümme und Hunte auf, und fliesst end-
lich i5 Ml. unterhall) Bremen in das Meer aus. Der viele Sand, der hey den ge-
wöhnlichen Herbst- und Frühjahrs-Überschwemmungen der Aller und der Leine in
die Weser geschwemmt, und von diesem reissenden Strome weiter fortgeführt wird,
ist die Hau[)tursache der immer stärker werdenden Versandung der Weser, welche
auch verhindert, dass die grösseren Schiffe aus der Nordsee nicht bis in die Stadt
Bremen kommen können, sondern zu Elsfletli oder Bracke ausladen müssen.
d) Die Elbe j die nordwestlich von der Oder, auf dem lliesengebirge, an der
böhmischen imd schlesischen Gränze, entsteht, anfangs südlich, dann westlich und
ztdetzt nordwestlich fliesst, schon in Böhmen bey il/e//u"/ij südlich von Leutmerilz,
schiffbar wird, auf ihrem Laufe nur deutsche Länder, als Böhmen, Sachsen, das
preussische Sachsen, Anhalt, Magdeburg, die Mark Brandenburg, Hanover, Meck-
lenburg, Lauenburg und Holstein berührt, und sich, 18 M(!ilen unterhalb Ham-
burg j in die Nordsee ergiesst, nachdem sie sich bey Bnins))üitel in die JSord- und
Süderelbe gelheilt hat. Zu ihrem Stromgebiete, das 2800 QINL beträgt, gehören vor-
züglich: die Moldau j die Egei'j die Mulde j die Saale ^ die Havels die Ilmenau
und die Stör.
ly. Nördlich.
A. In die Ostsee :
a) Die Oder, welche im nordöstlichen Theile Mährens entspringt, bey dem
Zusammenflusse mit der Oppa das preussische Schlesien betritt, dann ihren Lauf
durch die Mark Bi'andenburg nimmt, in Ponunern Stettin voi'bey durch das grosse
und kleine frische Haff geht und sich mittelst dreyer Ausflüsse in das Meer ergiesst,
Bey Ratibor in Preussisch-Schlesien wird sie für kleine Fahrzeuge , bey Breslau fiir
grössere schiffbar, und fliesst ganz anf preussisohem Boden als schijffbarer Strom ^
dessen Gebiet 2072 QM. beträgt. Zu diesem Gebiete gehören vorzüglich a) rechts :
die Bartsch j die Wartha nüt der ISetze und die Ilina; b) links: die Oppa, die
JSeisse und die Bober mit der Queis.
b) Die Weichsel (Wisla), welche in dem österreichischen Schlesien, und zwar
in dem südlichen Theile des Herzoglhums Teschen, östlich von der Quelle der Oder,
entspringt , und zuerst das österreichische vom preusischen Schlesien , dann letzteres
von Gnlizicn trennt. Wo sie Galizien berührt, scheidet sie dieses Land von dem Ge-
biete der freycn Stadt Krakau luid einem Theile des Königreichs Polen , durchströmt
dann von Süden nach Norden dieses Königreich, so wie das Königreich Preussen, wo
sie sich in drcy Arme theilt, von welchen die zwey östlichen, die Nogat und die
ylltweichsel j in das frische Half fliessen, und der westliche bey Weichselmünde, eine
Meile unter Danzig, sich in das Meer ergiesst. Zu ihrem 358o QM. grossen Gebiete
gehören vorzüglich die Dunajetz mit der Poprad ^ welche beyden Flüsse die einzi-
gen sind, die aus Ungern, wo sie in der Zips entspringen, gegen Norden fliessen j
dann die Wisloka ^ der San :, der Bug mit der Narew _, die PUica^ die A7<7ro Brduj
Bsura und Brahe.
3q I. I,.incl der europ. Staaten. §.. 2o. Kiisttnflüsse.
c) Die Dana j welche im Gouvcrnenicnt Twer, nahe l>ey den Quellen der Wol-
ga, entspringt, durch einen Theil von Russisch-Polen strömt, und zwischen Curland
und Liefland, unterhall) Rig-i , in das Meer fallt. Sie wird durch die Taropza, Ewest_,
Oger n\\i\ Aa verstärkt, vorzüglich von Taropetz an schiffj)ar , und ist besonders fiir
Riga von ungemeiner Wichtigkeit.
B. In das Eismeer:
a) Der Onega ; h) die Dwina; c) der Meseti und d) die Petschora ^ von denen
die Dwina und die Petschora die wichtigsten sind.
a) JSahmentlich der Maranhon oder Amnzonenjluss , der Mi'ssisippi , Rio de la Plafa oder Sil-
berlluss, der Orinoko und Lorenzoßuss , die 600 — 1000 Meilen und darüber lang, und bey
ihrer Mündung 10 — 00 Meilen breit sind. Der Maranlion , der Riese unter allen jetzt be-
kannten Strömen der Erde, nimmt aufseinein mehr als 1000 Meilen langen Laufe unter
seinen Nebenflüssen mehr als 60 auf, die an Grösse der Donau gleich kommen.
6) Nahmentlich der Burremputer j der Ganges, der Indus , der Hoangho (gelbe Fluss) und der
Yanise-Kiang (grosse Fluss).
c) S. Götting. gel. Anz. i8i6. St. 16. S. 148 — i5i.
§• 20.
Rüstenflüsse.
Hat ein Fluss von seiner Quelle keinen weiten Weg nach dem Meere : so ist er
ein Kiislenjlnss. Da sich wenig Flüsse mit einem Küstenflusse atif seinem kurzen Lau-
fe vereinigen können: so kann ein solcher Fluss es selten mit einem Strome an Grösse
und SchilFharkeit aufnehmen. Die beträchtlichsten unter den zahlreichen Küstenflüs-'
sen in Europa sind :
a) Die Themse (Thamcs), welche aus der Vereinigung der Tliames und Ise ent-
steht, bey dem Flecken Lechlade in Glocestershire für kleine Fahrzeuge, aber von
der Londoner Brücke an für grosse Seeschiffe schilfjjar wird , und in die Nordsee fällt;
1)) der Tvent j an seiner Mündung in die Nordsee Humber genannt; c) die Mersej ^
die ihren Lauf nach dem irländischen Meere richtet; d) die Sevei'n (Saverne), welche
sich in den atlantischen Oceaii crgiesst. An diesen vier Kiistenfliissen liegen die be-
deutendsten Handelsstädte Englands: London ^ Hnll _, Le\'erpool und Bristol.
c) Der Schannon j der grösste Fluss in Irland, welcher aus dem Allansee ent-
steht, und in den allantischen Ocean fällt. Er ist sehr schiffbar, und bey seiner Mün-
dung 1^ Meilen breit.
f) Die Scheide j y\e\chc in Frankreich bey Chatelet entspringt, ihren Lauf nach
den Niederlanden richtet, bey Antwerpen vorbevgeht, sich dann in zweyArme, die
JFesterscIielde j die auch Hont heisst, und die Osterschelde theilt, und zuletzt bey
f^'eere und f^Liessingen in die Nordsee fliesst. Sie ist, obgleich Küstenfluss, für
Kriegsschiffe brauchbar bis weit über Antwerpen. Zu ihrem Flussgebiete gehören die
LfSj Dender und die Rüpel j welche aus der Vereinigung der Vjle und der beyden
iXethen (der grossen und kleinen) entsteht.
g) Die llialelbe (Dal-Älf), der grösste Fluss in Schweden, der auf der norwe-
gischen Glänze entspringt, und in den bothnischen Meerbusen fliesst; h) die Gotha-
I. Laud der europ, Staaten. §. 20. Kusteoflüsse. 5i
Elbe (Golha-Alf) , welche aus doin See Roi^cn in lleijodaleii enlstclil , mul sicli rlicy
Güüicnbiirg in das CaUejjfalt cryiessl ; i) der Motala , der aus deni \Vellerseo kommt,
und bcy Nunköpiiig in die Oslscc fallt. Die schwedischen Flüsse sind fiir die SchilF-
fahrt, der vielen Wasserfälle wegen, von keinem Lelrächilichen Vorlheil.
k) Der Glaamen (spr. Gloamen) , der ansehnlichste Fluss in Norwegen , der auf
dem Dufrefield entspringt, und hey Friedrichsstadt in den Christianafiord fallt; 1) der
Dvammcii j welcher westlich vom Glaamen fliessl, und hey Bragnäs in den Meerbu-
sen fällt; m) der Torvidal ^ welcher wieder westlich vom Dranimcn fliesst, und sich
Ley Christianssund in das Meer ergiessl. Auch die norwegischen Flüsse eignen sich
wenig zu Transporten, der vielen Wasserfälle wegen.
n) Die Newa^ welche aus dem Ladogasee kommt, von Osten nach Westen in
mehreren Armen durch St. Petersburg strömt, und nach einem sehr kurzen Laufe in
den finnischen Meerbusen fällt. Gleichwohl ist sie sehr schiffbar, befördert durch die
heriihmte Verbindung mit der TVolga auch die Cumnuuiication im Innern des Lan-
des , und enthüll vortreffliches Trinkwasser , wesshalb St. Pelersbiwg keine Brun-
nen hat aj.
in) Der Niemen _, welcher im Gouvernement Minsk entsjiringt, und nachdem er
die schiffbare Wilia aufgenommen hat , den Nahmen i]/e/«e/ erhält. Er macht auf eine
Strecke die Gränze des russischen Reichs gegen das Königreich Polen, tritt hey
Schmallcninken auf das preussische Gebiet, und ergiesst sich in das kurische Haff.
Er ist zum Handel besonders fiir Preussen wichtig, indem er auf Strusenund Wilincn
die Producte Litthauens diesem Reiche zufiihrt. Der Lauf dieses in der Geschichte
der neuesten Zeit so merkwi'trdig gewordenen Flusses ist von Südost nach Nordwest.
Weniger bedeutend sind die ührigen europäischen Küsteiiflüsse. Die merkwür-
digsten von diesen sind, und zwar;
a) In Spanien und Portugal: der Miiiho ^ welcher die Nordgränze von Portugal
bildet, und in den atlantischen Ocean fällt.
b) In Frankreich: 1) die Snnime und der Orrie j welche in den Ganal, 2) die
F^ilaine j die Sevre von J\ioj't_, die Charente und Adoiu\, welche in den atlantischen
Ocean, 5) der Ande ^ Heraidt und T^ar ^ welche in das mittelländische Meer fallen.
c) In Schottland: 1) der Tay und der Forthj m eiche sich in die Nordsee er-
giessen; 2) der Cljdej welcher in das irländische Meer üiesst.
d) In Irland: der Barrow j welcher hey Waterford einen der besten Häfen Ir-
lands bildet.
e) \i\ Schweden: die Flüsse Tornea imd MuoniOj welche gegenwärtig die Grän-
ze gegen Russland machen , und sich in den bolhnischen Meerbusen ergiessen.
f) In Pieussen: der Pregel j welcher aus dem Zusammenflüsse der Angerapp
und des Insters entsteht, und eine Meile unter Königsberg in das frische HaH" ßiesst.
g) In Deutschland j luid zwar aa) in Norddeutschlatid: die IVarnow j die Pee-
ne j die Recknitz und die Trave j welche sänmitlich in die Ostsee, dann die Eider
und die Ems j welche in die Nordsee fallen. Die Ems berührt auch einen Tlieil der
Niederlande, bb) In Siiddeutschland ^ und
h) lu Italien j und zwar aa) in Oberilahen: die Etsch (AJige), die Bretita^ die
j2 1- LauJ ilcr europ. Slaalen. ^. 21. Kunstfli'isse oder Canale.
Piave und der TagUainento j welche alle aus den Tyroler^eliirgeu kommen, tmd sich
hl das adiialische Meer ergiesscn; hb) inMitlelilalien: der Arno mit Aev CliLaiia ^ der
Ombrone und die Tiber j welche sänimllich auf den Apeuninen entsprin;^en, und sich
mit dem hctrurischen Meere vereinigen; cc) in Unteritalien: der GarigUano und p^ol-
turiio j welche sich in das niiltelländische Meer ergiessen.
a) S. Götting. gel. Aiiz. 1818. St. 196. S. 1941.
§• 21.
Runslfiiisse o ci e r C anale.
Sie sind theils zur Bewässerung des Bodens, y\ic z. B. im österreichischen Italien,
theils zur Entwässerung und Urbarmachimg sumpfiger Ländereycn, wie z. B. in Un-
gern, in den Niederlanden und in der Schweiz aj , theils und zwar vorzüglich zur
Erleichterung und Abktirzung der Commimication angelegt , in welcher letzteren Be-
ziehung sie eines der wirksamsten Mittel sind, die Industrie zu ])elebcn. In keinem
Zeitalter ist dieser Grundsatz allgemeiner anerkannt und beherziget worden, als in
dem unsrigen, so allgemein, dass jiian das innere fhrtsclireiten der Staaten in einer
der kriegerischesten Perioden der europäischen Geschichte für eine der grosstcn Ei-
genlhündichkeiten unserer Zeil um so mehr zu halten bcrechligcl ist, da die Anlage
schitfbarer Canäle, wegen der verschiedenen künstlichen Vorrichtungen, welche zur
Besieguiig der Schwierigkeiten des Terrains nöthig sind, keine leichte und wohlfeile bj
Unternehmung ist.
Die l)criihnuestcn Anlagen der Art sind: i) in England: a) der Cannl von Leecisj
welcher die licyden Küstenfliissc Mersej und Trent in ^^crbindung, und also die
beyden Handelsstädte Leverpool und HuU in Communication setzt. Er geht von We-
sten nach Osten, über und durch Berge, bat go Schleussen, lätift über 33 Bogen,
und ist 25 deutsche Meilen lang, 42' breit imd 5' lief, b) Von diesem Hauptcanal geht
ein zweyter Hauptcanal aus der Gegend von Lcverpool in südlicher Richtung, und
setzt vermittelst der Canäle von Cliester _, von der Trent und von JVoh'erhampton
die Siiverne mit der Mersej in Verbindung, c) Der dritte Haujitcanal geht in gleicli'^r
RichtTuig mit dem ersten von der Scn'erne zur Themse, d) Der vierte Hauptcanal zielu
sich von Süden nach Norden, vermittelst der Canäle von Oxfoi'd und Conventrj in
den Trent, Diese Hauptcanäle setzen alle innern Gegenden mit der See, namentlich
mit den vier grossen See- und Handelsstädten London ^ Bristol ^ Leverpool und Hall
in Verbindung, e) Der Grandjunction- (Dschpngsche , grosse Verbindungs-) Canal j
zur Verbindung aller bislicrigen Canäle mit der Themse, insonderheit mit London.
Der Plan zum Bau dieses Canals konnte nur dann ausgeführt werden, als die vier er-
sten vollendet waren, f) Der Bridgeiyater- (Bridschewater'sche) Canal j vorzüglich
merkwürdig wegen seiner bewunderungswürdigen Bauart. Er geht zum Thcil eine
Meile unter der Erde, wo er stets mit Lampen erleuchtet wird, so wie ferner in ei-
nem Theile seines Laufes in einer Höhe yon 40' über den Fluss Irwelj einen Neben-
lluss der Mersey , wodurcJi er Lei'erpool mit Mandiester in Verb'indung setzt. Er
dient zum schnellen Transporte der Steinkolilen , die er vorzüglich der grossen Ma-
uufaciurstadt Mrt/zcAej-ft'/- liefert, g) Das Birminghamer-Canalsjstem, j dessen Anfang
1. Land der earop. Suaten. §. 21. Kunstllüssa oder Cauile, 55
der Aviclitif,'f: Punct l>ey Coponjield ist. Hier auf diesem höclislen Piincte der ganzen
Gegend werden durck zwey Danjplinaschiuen von 54 Zoll weiten Cylindern ans einer
verlassenen Kohlengrube in jeder Minute 48 cylindrische Fuss Wasser in ein Bassin
gehoben, aus welchem die tiefer liegenden Ganäle so viel Wasser erhalten, als der
beständige Gebrauch erfordert cj. — Von lyöS — 1804 wurden in England i65 Ac-
ten zu neuen Canalanlagen bewilligt. Der dem Parlamente vorgelegte Kostenanschlag
betrug i3,oo8,igq Pf. St.. und die Länge der Linie, die durch das Land geschnillen
ist , macht 2896 ("Jigh Meilen aus dj.
2) In Schottland: a) der sogenannte grosse Canal _, oder der Caiial von Glas-
gow j welcher den\Forthj der bey Edinburgh östlich ins Meer geht, mit dem CljdCj
der westlich bey Glasgow in den Ocean fallt, verbindet, und dadurch die beydcn
Hauptstädte Eduilnirgh und Glasgow. Er ist 55 englische Ml. lang, 56 F. oben, 2 7 F.
unten breit und 8 F. tief. Er hat 3g Sclüeusscn , 43 Schwicbbogen, deren zwey über
die Fhisse Lugyim und Kelwin gehen, und 23 Brücken, und erspart einen höchst ge-
fährhchen, an 1000 engl. 311. langen Umweg um Nordscliottland, nähndich die Pent-
landsst'rasse (dsas Grab der Matrosen genannt), welche die Orkaden vom Hochlande
trennt. Nur so grosse SchiflTe trägt er nicht, als: b) der neue caledonisclie Canal,
Dieser grosse Canal, zu dessen Bau das Parlament 1804 eine halbe Million Pf. St. be-
willigte, geht nördlich vom ersten, mitten durch Schottland, aus mehreren Sc^n, von
Südwest nach JNordost , und verbindet den Mullsund mit dem Moraybusen , an
dem die Hauptstadt von Hochschüttland, ItiK'erness j liegt. Zwey Forts, IVUliam und
Georg j, an denen zwey Bassins fi'ir Schiffe angelegt sind, decken ihn von beyden Sei-
ten. Er ist 65 engl. Ml. lang, und so tief, dass er den Durchgang aller Kauffahrtey-
schiffe, und selbst der Fregatten von 32 Kanonen, die 20 — 21 Schuh tief in's Wasser
gehen, möglich macht.iDieser Canal erspart ebenfalls die oben angeführte furchtbare
Strasse von Pentlaiid-Frith-, setzt die Westküste Schottlands mit Irland in nähere \'er-
bindmig, und erleichtert den. bisher durch die Graniplans abgeschnittenen Bewoh-
nern H(,(chschottlands' die Zufuhr von Lebensmitteln.
3) In Frankreicli: a) der Südcaind (Canal du midi), oder der königliche Canal
von Languedoc. Er geht von der Garonne bey Toulouse bis zum See von Thau bey
Cctte, der nüt dem Aleerc in Verbindung steht. Er vereiniget daher den atlantischea
Ocean mit dem mittelländischen Meere. Er ist mit Quade,rsteinen ausgewöll)t, 32
franz. Ml. lang, an der Wasserfläche 60 F. breit, hat aber nur 6 F. Wassertiefe und
trägt daher keine grössere Schiffe, als zu 100 Tonnen (2000 Ctr.) Er hat 62 Schleu-
sen , g2 Brücken und er selbst ist in mehreren Stellen auf Gewölben ruhend , über
Flüsse und durch Felsen geleitet. Unter den 101 Bassins, die das Wasser fiir ihn aus
benachbarten Flüssen und Bächen aufnelimen, ist das bey St. Ferrol migelieuer. Es
liegt 'jr'wischcn zwey Felsenbergen, und einer 36 Klafter dicken Mauer j ist 1200 Klaf-
tci-^an^, 5oo breit und 20 tief. Es fasst euie MUlion Cubikklafter Wasser, das durcli
dreV messingene Halme, die mannsdicke Wasserstrahlen ge])en, zum Canale 'gelassen
werden kann. Dieser Jierühmte Canal ist eine Schöpfung der Ministerschaft Colberts
uiid der Ingenievu's Rilquet imd ^ndre'ossy. Der Bau dauerte von 1666 — 1680 und
kostote 17-1 Mill. Livres. Die Einnahme von seclis Jahren, 1786 — l"gi incl. betrug
54 1- LauJ der ciirop. Slaaleu. §. 2J. Kunslflusse oder Canälc.
4,724,54.5 Liv. , die Aiisgal)e fiir die Umorlialtimg iii eben der Zeit 2,670,572 Liv.',
der Überschuss 2,o53;,g73 Liv., also für jedes Jalir 342,32-3, Liv. ix^incn Gewinn ,aj.
Napoleon selzle diesen Canal (ausser andern wesenllicJien Verbesserungen bey Ca/'--
Cdssone) rechts mit der Älündung der ^ ud e hey Narbonne, mid links mit dem. Rhone
über Montpellier, Aiguesmortes imd Beaurairc in Verbindung, b) Der unterirdische
Canal im Depart. der Aisne bey Sr. Quentin. Er nimmt seinen Anfang bey CJiatelet
nicht weit von der Scheide _, und ist 3 franz. MI. unter der Erde fortgefiihri. Er vor-
bindet die Seine mit der Scheide j also auch die Sonune. Bey St. Quentin an der
Somnie konnnt er wieder in's Freye. Er dient vorzüglich zum Transporte der Stein-
kohlen aus dem nördJichcn P>ankreich nach der Hauptstadt. — Ausser diesen sind
noch folgende Ganäle einer Erwähnung wer ih:
Der Canal von Briar j der von der Loire zum Loing ^ einem Nebenflüsse der
Seine geht ; der Canal von Charolles oder des Mittelpunctes (du Centre) , welcher
die Loire mit der Saone vereiniget; der Camd von Tlocldiurgund oder yoii Dijon _,
welcher über Dijon gehend die Saone mit der Tonne ^ folglicli die Saone mit der Seine
verbindet; der Canal von Orleans _, welcher von der Luire nicht weit von Orleans,
ebenfalls ziuu Loing gehl, und der Ourcqcanal j der die Bcschiffung der Alarne mög-
lich macht, und Paris mit einem Überflusse von ^^ asser versieht. Uberdiess sind im-
ter der vorigen Regierung mehrere Caniile ])rojectiit und angefangen worden,
4) In Spanien: der grosse aragonische oder der Kaisercanal j weil Kaisdr 6V«/'/V.
im J. 1029 den Anfang zur Anlegung desselben gemacht hat. Er fangt bey 2^udela an,
lauft längs dem rechten Ufer des Ebrn _, und soll bis Sastago (auch amEbro), eine
Strecke von 3l^ Ml. gefiihrt werden. Dieser Canal, der sell>st denjenigen in Erstaunen
setzt, der den wcltberidunten Canal von Languedoc gesehen hat, ist 64 F. breit und
g F. tief; oft durch Felsen gesprengt und über mehrere Landstrassen, Wässerungs-
canäle midüber den schiffbaren Xalon wcggeleitet, und zwar .id>cr den leiztern ver-
mittelst einer herrlichen hohen Brücke von 4260 F. Länge. Man hat den Plan, ihn
von Tudela aus mit dem biscajschen Meere zii vereinigen , und dadurch das Mittel-
rtieer (wie in Frankreich) mit dem atlantischen Ocean in Veibindung zu setzen. —
Ausserdem hat Spanien noch fünf andere Canale , als den Canal von Murcia j den
Castilischen j den Canal von ^Ikazar an dem Guadiana ^ den Canal von Manzan-
jiares hcy Madrid und den Mittencanal im mitllcren Theile von Spanien, die aber
sämmtlich, so wie der kaiserliche Canal j, noch nicht vollendet sind.
5) In den Niederlanden: der grosse nordholländische Canal,, ein Meisterstück
der holländischen Wasserliavikunst ; er ist 12 Ml. lang und 20 F. tief, für Kriegs- luid
osündisclie Schiffe, von dem Helder und dem grossen Hafen Ilct Niew Diep bis in
Het Y vor Amsterdam fahrbar, in einem sumpfigen Boden, in blossem schwijmncndcn
Torf- und Moorboden angelegt, mit grossen massiven Schleusen, jede über 3oo,ooofl.
wciih. Ausserdem sind noch zu bemerken: der Canal bey dem Dorfe ÄattH'jck j.d.er
Canal von Utrecht über Amersforl nach Dcventer, und der Canal von Breda ^ der
sich in den Biesbosch zieht, und vermittelst der Merwe \£nd der Maas das Land mit
der Nordsee verbindet. Überhaupt ist der grösste Theil der Niederlande von zahlrei-
chen Canälcn durchschnitten , die eben so viel Vergnügen als Bcqucmhchkcit gew äh-
I. Land der europ. Siantcn. §. ii- KuiislUiüse odtjr Canalf. 55
ren, weil sie scliiflljar und Allocn, Gärton und Lusthäuser daran angelct^i sind. Sie
sind «igenllich IVasserpoststrasseii j auf denen man mit sogenannten Treckschujten
(bedeckten ScTiiffen, die von Pferden gezogen werden, und zur Ijeslimmten Zeit von
einem Orte zum andern abgehen) zu fahren pflegt. So vne die hiesigen Canäle be-
deutende Coinnumicationsmittel sind , cJ)cn so kann man sie auch als wichtige Ter-
raiiihindei-iiisse belrackicn , indem durch sie das Land inundirt werden kann.
6) In Deutschland: der zmn dänischen Staate gehörige, scldeswig-holsteiniscfie
Canal j auch der Kieler- oder Eidercanal f^emxnrn. Er fängt iiördhch von Kiel an,
geht aus dem dabey hegenden Fiörd (Busen) von Osten nach Westen, bis nach Rends-
^M7'^j wo das Wasser desselben in die Eider fällt. Er verbindet folglich die Ostsee
mit der Nordsee. Er ist unten 54? oben loo F. breit imd lo F. tief, und trägt Schiffe
von 70 Lasten. — Ausserdem sind noch zu Ijcmcrken: a) die Steckenitzfahrt j die
von Lauenburg aus, vermittelst der Trave (bey Liibeck) die Elbe mit der Ostsee in
Ver])indung setzt, eine schon in früheren Zeiten (im IMillclalter) unternommene künst-
liche Verbindung. — b) Der im Werke begriffene Oberems-Cnnalj wodurch eine ei-
gene Wasserstrasse fiu* Schiffe von i5 — 18 Lasten, von der JSiederems in den Rhein-
strom erhalten wird. — c) Die zwischen der Elbe und der Oder liegenden Canäle.
Sic gehören insgesammt dem preussischen Staate <an. Diess sind : 1) der Finowcanal j
welcher die Havel mW. der Finow und dadurch die Elbe mit der Oder vereinigt, und
die Schiffahrt zwischen Berlin und Stettin um die Hälfte abkiirzt. 2) i^cr Friedrich fFil-
helms- oder Miihlroser-Canal, welcher zwischen der Spree bey Neiüjriic.'i und der Oder
bey Brieskow gezogen ist. 3) Der Plaidsche Canal oder neue Friedrichsgraben, wel-
cher nordöstlich von Magdeburg aus der Elbe bey dem Dorfc Parey über Genthin in
die Havel ^eht, imd die Schiöfahrt zwischen Berlin und Magdeburg um 11 Meilen
abkürzt. /^) Der neue Odercanal j welcher theils zur Abkürzimg der Oderfahrt von
Giislebiese bis Hohen-Saaten j, theils zur Urbarmachung der dortigen Sümpfe ange-
legt worden ist. 5) Der Klodnitzische Canal in Schlesien, ursprünglich zur leichte-
ren Forlschaffung der Steinkohlen angelegt. — d) Der Canal von IFienj zwischen
JVieti imd Neustadt angelegt. Er ist ein glückhcher Anfang für den grossen Gedan-
ken, die Dojiau mit dem adria tischen Meere zu verbinden. Auf diesem Canal wird
Österreichs Hauptstadt grossen Theüs mit Steinkohlen, Brennholz und Baumaterialien
versehen. — e) Der Canal von Heilbronn j nach seinem Stifter, dem König TVilhelmj
Willielmscanal genannt, dessen Zweck ist, die Herstellung der f'reyen und ungehin-
derten iV>cAv77\fcÄf/^)'Y//(7'i von Kanstatt an, wo dieselbe beginnt, bis Manheini und
in den Rhein. — Carls des Grossen Vorhaijon , durcli einen Canal zwischen der /4lt-
miihl und Rednitz — zwey Flüsse in Franken , wovon die Rednitz unweit Bamberg
sich in den Main ergiesst, und die Altmühl durch das Eichstädtischc nacii der Donau
geht — die Donau mit dem Rheine zu verbinden, ist bis auf den heutigen Tag un-
ausgeführt geblieben , ungeachtet sich schwerlich etwas angeben liesse , welches für
den ganzen deutschen Handel von einer grössereii Wirkung, für Baierii aber insbe-
sondere, so wie für die nächsten Main- und Donauländer von bölierer Wichtigkeit
wäre, als eine solche schiffbare Verbindung zwischen Deulscblands Hauplüüssen , die
zugleich Europa in entgegen gesetzten Richtungen durchströmen.
56 I- LaiiJ der europ. Staaten, ^. 31. Kunstüiisse oder Can'äle.
7) In Preussen: der Bromber^ercanal _, welcher die schifiLare^ra/jebey Brom-
berg mit der ebenfalls schiffbaren Netze bey Nackel verbindet. Da mm die Brahe in
die Weichsel j die Netze aber in die Wartha mid diese in die Oder fallt: so ist da-
durch und vermittelst der oben besagten preussiscli-deutschen Canäle die grosse Ver-
bindimg der Weichsel mit der Oder _, Havel j Spree imd Elbe bewerkstelliget. Seit
der Anlegung dieses Canals hat man eine miunterbrochene Schifffahrt von Magdeburg
bis Danzig. — Ausserdem ist einer Erwähnung werth der grosse FriedrichsgrabeUj
welclier die Deine mit der Gilge verbindet, um die auf der Memel über Tilsit kom-
menden Güter nach Königsberg zu schaffen , olmc dass sie nöthig haben , das kurische
Haff zu berühren.
8) In Schweden: der Trolhättacanal ^ welcher neben dem gewaltigen, 600 F.
hohen Wasserfalle bey Trolhütta , durch gesprengte Felsen geleitet, in die Gotlia-
Alf ^ohx , ein denkwürdiger Sieg der Kunst über die Natur. Er ist gooo'lang, 22' breit
and g' tief. Auf diesem Wege kommt man bequem, jedoch nur mit kleineren Schif-
fen, in das deutsche Meer, zu einer Zeil, wo der Sund gesperrt seyn sollte. Ausser-
dem: der ^/■i^'ogrtcnvirtZj welcher den Mülarsee vciit dem f/ielmarsee veihindet ; der
Strömsholmercanal j welcher von Norden nach Süden in den Mälarsee geht, und vor-
züglich zum Transporte der Eisenwaaren dient, die von Orebro nach Stockholm ge-
hen; der Södertelgecanal _, welcher den Mälarsee und den Handel Stockholms mit
der Ostsee verbindet, und erst l8ig eröffnet wurde.
g) \n Russland: der Canal von Wischnei WoloLschock ^ welcher die Wolga
mit der Newa ^ folglich das caspische Meer mit der Ostsee vereiniget, vmd eine in-
ländische Schifffahrt von 3740 Wcrste, von Jst}-achan bis St. Petersburg ^ möglich
macht. Diese merkwürdige und für den Handel höchst wichtige Wassercommunica-
tion geschieht auf folgende Art : die Twerza j, ein westliclier Ncbenlluss des Wolga-
stroms, ist verbunden dm-ch einen Canal mit der Z.na , diese wieder mit der Slina
und Msta ; letzter^ geht in den Ilmensee _, aus welchem der Wolchowßass in
die Newa fällt, die St. Petersburg zertheilt. Ausserdem dienen zur Vereinigung der
Ostsee mit dem caspischen Meere: der Canal von Nowgorod j welcher die Msta un-
mittelbar nnt der ^/''b/c/iOT<^ verbindet ; dann der ladogaische j der tichwiiäsche _, der
sjässische j der Marien- imd der onegaische Canal. Der Scldüsselburgercanal ver-
schafft dem ladogaischen eine neue und bequemere Mündimg , und der swirrisclie Ca-
nal ist, so wie der bereits erwähnte sjässische Canal, eine Fortsetzung des ladogai-
schen Canals. — Das Eismeer mit dem caspischen Meere vereinigen: der Dwina-'
oder Katharinencanal fcid der kubenskische Canal j, welcher letztere durch Verbin-
dung der Dwina mit der Newa das Eismeer auch mit der Ostsee vereiniget. — Die
Ostsee mit dem schMMrzcn Meere verbinden: der beresiidsche j der königliche und
der oginskische Canal. — Endlich v/ird das schwarze Meer mit dem caspischen Meere
durch die ore//5c/i<'7i Canäle, das asow'sche Meer mit dem. baspischen durch den iwano-
wischen w\d kamilschönskisclien Canal., das Eismeer mit dem schwarzen Meere durch
den Icpelischen Canal ^ die Dihia mit der Newa durch den welikolukiscJien j, die
Düna mit der Narowa durch den werroischen und der Niemeu mit der Diiua durch
den kurländischen Canal verbunden.
1. Land der curop. Steiten. §. 21. Sümpfe und Woriisle. 6-j
10) In Italien j und zwar in demlombaT-disch-i>enetianischenKöm'^rc\cl\c: a) der
Nav'glio gfaiuie , der von dem Ticiiio unweit seines Ausflusses aus dem Lago mag-
glore nach MdUiuul gezogen, und 8 Meilen lang istj L) der Cnnal della Miirtcsaiia j
der von Lecco j wo die Addd wegen Klippen imd Wasserfällen nicht schiffLar ist,
nach iMailajid fuhrt, und 6 Meilen lang ist. Er hewiikt eine nützliche schillljare Yer-
Lindung z\\isrhcn dem See von Como und der Hauptstadt der Lombuvdie ; c) der
neue Canal von Madaiid nach Pavicij wodurch die unmiltelhare Ycrhiudung mit dem
adriatischen Meere vermittelst der Hafen von Gor'o _, Chioggia und f'^enedig geöffnet,
und der Stadt Älailand in Beziehung auf den eigenen und den Durchzugshaudel ge-
wisser Massen der Yortheil eines Seeplatzes verschafft wird. Üherhaupt zahlet das
lonibardisch - vcneiianische Königreich 21 grössere und kleinere Canäle , die es nach
allen Richtungen durchschneiden, rmd einen Längenraum von lö/ Meilen enthalten.
11) In Ungern: der Franzenscanal , der von Monostor-Szegh an der Donau ^
durch die Batscher Gespannschaft bis nach F'öldvär an der Tlieiss _, von der königl.
ungrisclien pvivilegwten CanaL- und Schlfffalivtsgesellschaft mit einem sehr gros-
sen Kostenaufwande erhauet worden ist. Er ist 14^ Meilen lang, hat fünf grosse ge-
mauerte Kaslcnschleusen, um den Unterschied der Donau und der Theiss , welcher
23 Fuss beträgt, auszugleichen, kann bequem Schiffe von 3ooo — 10,000 Ctr. Ladung
tragen , mid kiuzt den beschwerlichen und weiten Umweg aus der Donau nach den
körn- und salzrcichen Ufern der Theiss von 2 — 3 Wochen auf 2 — 3 Tage ab. —
Zur Veriicfiuig dieses Canals hat diek. privilegirte nngrische Canal- und ScJnfffahrls-
gesellsclinft mi. 1819 unter der Leitung des Herrn v. Wieser ^ k. k. Hauptmanns
und Ausschuss-Mitgliedes, eine Scidaminräumungsmaschine durch den Älechanicus
Starlian ausfuhren lassen. Diese Maschine kostete 40,000 fl- W. ^V. , und ist so zweck-
mässig , dass sie täglich 3o Kubikklaflcr Schlamm aushebt.
d) Nahnientlich in dem Canton Glartis , wo die Linlh durch AenMolUsercanal '\n den fi^alen-
see abgcleilcl wurde, um den immer weiter um sich greifenden Versumpfungen derselben
abzuhelfen. Eine der seltenen schweizerischen Nalional-Unternehmungen ! Die Linth-Tha-
1er, beschrieben von J. M. Schuler. Zürich, 1814. 8. Vergl. Götting. gelehrte Anz. 1817.
St. ig4. S. ig36.
i) S. Zwey Abhandlungen über Frachtwagen und Strassen, und über die Frage, ob und in
welchen Fällen der Bau schiffbarer Canäle, Eiscnwegen oder gemachten Strassen vorzuzie-
hen sey. Nach einer Untersuchung , ob die Moldau mit der Donau durch einen Schiff-
fahrlscanaJ zu vereinigen sey. Von Fr. Ritter v. Gerstner. Prag , i8i3. Yergl. Münchener
Allg. Lit. Z. Wintermonalh , 181g.
c) S. Gölting. gel. Anz. 1817. St. 11. S. 111.
d) S. Allg. geogr. Ephem. Bd. 23. S. 404 ff.
e) S. Histoire du Canal di Midi, ou Canal de Languedoc, avec les Cartes generales et par-
ticuliercs ainsi que les Plans, Coupes et Profils des principaux ouvrages. Par le General
d' Artillerie Andreossj- etc. Paris, 1804. Vergl. Gölting. gel. Anz. i8o5. St. j5o.
§. 22.
Sümpfe und Moräste.
Endlich ist kein Land Europa's ohne Sümpje luid Moräste; besonders häufig
sind diese Tcrrainhindernisse imd Behälter von Rohrhtdniern , Fröschen, unschmack-
8
jg I. Land der europ. Staaten, §. 23. Physisches Klira».
liaften Fisclien und Milliarden von Insecten in Russland _, Schweden ^ Preusseiij Hol-
land j Novddeiitschland j Ungern ^ Galizien j der Moldau :, in Italien _, England
und Irland. Vorzüglich grosse imd geographisch berühmle Sümpfe und Moräste aber
sind: a) die litthauischen Sümpfe von den Ufern der Berezina bis zum Oberdnepr;
J)) die pontinischen Sümjife , welche an der Gränze des Königreichs Neapel von Net-
luno bis Terracina sich erstrecken; die Maremna bey Siena luid die Lagunen bey
^ enedig, nebst den^ längs des Po^ der Etsch imd des Mincio ausgebreiteten Sümpfen;
c) der Canisaer _, der Etscheder ^ der Palitscher- und Mohatscliersnmpf iw Ungern,
die sämmüich von den tmgchciieren moi-astigen Strecken, welche die Donau j die
Drau j die SarviZj vorzüglich aber die träge Theiss an ihren niedrigen Ufern, die
TemeSj die ßega rechts und links stehen lassen, noch übertroffen werden; d)der^or-
tang oder Bourtang j Morast in Holland, der mit einem Theile der Ems parallel läuft,
und südlicli vom Dollart liegt; e) die Sümpfe zwischen Leverpool \u\d Manchester j
in IVestmoreland nördlich von Leverpool, in Cambridgeshii'e und Lincolnsldre
nördlich von London und in dem grössten Theile Irlands ; endlich f) der y — 8 Mb
lange, sogenannte Fluss Baklui in der Moldau, ein siuiipfartiger Teich, der sich l)is
Jassj erstreckt. Diese imd viele andere imgenannte Sümpfe und Moräste sind wohl
der beste Beweis, dass der europäische Boden noch grosser Verbesserung fähig ist,
wodurch nicht nur das Klima und die Urbarkeit der einzelnen Länder gewinnen, son-
dern auch die Menschenzahl (die Furcht vor Übervölkerung ist im Ganzen noch sehr
fern) zunehmen würde; unstreitig die schönsten Eroberungen, welche Menschenflciss
der Erde abzugewinnen vermag. Vieles ist in der Hinsicht bereits geschehen a) ; un-
gleich mehr aber bleibt noch zu thun ülirig.
a) So sind z. B. in Ungern mehrere Canäle , wodarcli Sümpfe in Wiesen und Äcker ^ erwan-
dell sind , angelegt worden. — In Preussen sind mehrere Brüche und Sümpfe , die ehedem
ganz unzugänglich waren, durch Gräben und Dämme urbar gemacht, die man jetzt IVer-
der nennet und welche nun äusserst fruchtbar sind. — In Baiern ward das sogenannte Do-
nauinoos zwischen Ingolstadt und Neuburg , 56,ooo Tagewerke gross , durch zweckmässig
angelegte Canäle und Gräben entwässert. Verlier nährte es i3oo Stück Vieh nur ärmlich ,
seitdem 20,000 reichlich. S. Bredows Chronik des ig. Jahrh. 1. Bd. 2. Aufl. S. 379. —
Wie unempfänglich für solche Verbesserungen sind nicht dagegen die Moldauer. Herrn PF o[f,
der die Leichtigkeit, die häufigen Moräste in der Moldau auszutrocknen, zu zeigen oft Ge-
legenheit fand, ward immer ein Lieblingssprichwort der Moldauer zur Antwort, nähmlich :
Ascha om pomenit , ascha oin Lassa! (So haben >vir es gefunden, so wollen vvir's auch lassen!)
§. 23.
Physisches Klima.
Die Grimdlage des pliysiscJien Kliiiia , oder der natürlichen Beschaffenheit eines
Landes in Beziehung auf die Temperatur der Luft und "Willerung ist das mathemati-
sche oder solarische Klima, welches durch die geographische Breite, oder den Ab-
stand vom Äquator bestinmit wird. Denn der Grad der Breite, unter welchem ein
Ort oder ein Land sich befmdet, bringt einen grossen Unterschied in Ansehung der
Hitze.iuid Kälte hervor, indem nach Verhältniss dieses Alistandcs die Sonnenstrahlen
eine mehr .senkrechte oder schiefe Richtung haben, auch die Dauer der Sommer- und
I. Land der europ. Staaten. §. s3. Physisches Klima. öq
Wintertaf(C verscliicdcn ist. Zur Bcstinimmig dieses Ycrhälmisses liat man die Oliei-
flidie des Erdljalles in fiinf Zonen (Erdgüilel , Eidstriclie) eini;cllieill : a) in die Jieisse
Zone (zona torrida), in zwey Hälften, anf jeder Seile des Äquators, l)is 23^ (tropi-
sche Lande); I)) c) in zwey gemässigte Zonen (zonae temperatae), vom 2.5^ — 66^°
nördlich und südlich vom Äquator: die nördlich gemässigte Zone (zona. temperala
horealis) , und die sädlicli gemässigte (zona temperata australis) ; d) e) in zwey kalte
Zonen , vom QQ\" bis an die Pole, die növdliclie und südlich kalte Zone (zonafrigida
Lorealis et australis).
Europa reicht nirt;ends in die lieissc, und nur mit einem kleinen Theile in Nor-
den in die nördliche Zone, so dass der grösste Tlieil desselben in der nördlich ge-
mässigten Zone liegt. Europa's Elima ist demnach, überhaupt betrachtet, gemässigt,
weder verzehrend heiss, noch erstarrend kalt, folglich sowohl der Gesvmdheit und
Lebensdauer der Menschen, als auch dem Wachsthunie und Gedeihen der Thiere
und Pflanzen sehr zuträglich, aber nach Maassgabe der Breitengrade überaus verschie-
den, imd lässt sich in der Hinsicht in drey oder vier Landstriche abiheilen:
1) Tiev warme Landstrich ^ welcher sich vom 36' — 45" erstreckt und ganz Portu-
gal, Spanien^ Südfranliipioh^ die italienischen Staaten, mit Ausnahme der nördlichen
Stücke vom sardinischen und österreichischen Italien, die jonischen Inseln, die ganze
europäische Türkey , bis auf den grösseren Theil dei- Moldau , und die südlichsten
Spitzen von Osterreich imd dem europäischen Russland nnt 24,710 QM. umfasst. Hier blü-
hen die Bäume im Januar oder Februar, und die edleren Baumfrüchtc (die Olive, die
Citrone ti. s. w.) gedeihen im Freyen ohne Schulzdach ^ in einigen Abschnitten dieses
Landstriches selbst das Zuckerrohr und die Baumwollenstaude , eigentlich schon tro-
pische Gewächse, welche aber doch die Glänzen der lieissen Zone in der nördlichen
Hemisphäre merklich übersteigen. Der Sommer beginnt im April oder May und die
Hitze steigt bis zum 33" R. ; daher Schnee von den Apenninen und Pyrenäen als la-
bendes Kühhmgsmittel von allen Volksclassen gierig gesucht wird. Der Herbst tritt
spät ein und ist heiter, der Winter kurz inid nass. Schnee und starker Frost ist am
südhchen Rande nicht gewöhnlich aj. Der Regen fällt selten, und ohne künstliche
Bewässerung würden viele Pflanzen verdorren.
2) Dev mittlere oder gemässigte Erdstrich -vom z^^" — 55°. In diesem liegen | von
Frankreich, die nördlichen Stücke vom sardinischen imd österreichischen Italien, die
Schweiz, Deiuschland, die Niederlande, England, Irland, Süddänemark, Prenssen,
Galizien, Polen, Südrussland, Ungern, Siebenbürgen und der grössere Theil der
Moldau, zusammen etwa 44,821 QM. Hier gedeihen die Südfrüchte, mit einigen Aus-
nahmen, nicht ohne Pflege, doch kommen alle Getreidearten, obgleich nicht in allen
Abschnitten dieses Landstriches, fort, und in Frankreich , Ungern und im südlichen
und westlichen Deutschland ist das Klima auch fiu- das Gedeihen von trelflichen Wei-
nen imd feineren Obstarten milde genug. Das Frühjahr tritt im März oder April ein,
der Sommer nn Juny mid dauert bis September; die Hitze steigt bis 26° R. Der Win-
ter beginnt mit Anfang des Novembers und die Kälte ist so gross , dass die Flüsse
gefrieren.
3) Der kalte Landstrich , welcher mit dem, 55° anfängt, bis zum äussersten Nor-
8*
go I. Land der europ. Staaten. §. 24- Plijsisches Klima. Fortsetzung.
deu hinaufgeht, und Schottland, Norddänemai'k mit Island, Norwegen, Schweden
und Nordrussland , überhaupt ungefähr 82,41g QM. einniuunt. Hier fangt das Früh-
jahr erst mit dein Älay oder Juny an. Der Sommer ist kurz und dauert höchstens bis
in den August. Meistens gibt es nur zwey Jahrszeiten; es fohlt der allmählich zuneh-
mende und der allmälüich abnehmende Sommer (der Früliling und der Herbst) , die
fast bloss im Kalender sind. Nach dem langen schnee- und frostreichen Winter tritt
gleich Sommerhitze ein, und alles Wachsthum geht raschen Schrittes fort; in ein Paar
Tagen, ja bisweilen in Einer Nacht, drängen sich die jungen Baumknospen zahlreich
hervor, und nach einigen Tagen ist alles in voller Blüthe ; auch erntet man meist
schon zu Ende des July, und muss im September schon wieder einheitzen. Die Hitze
des kurzen, sehr warmen Sommers wird durch die langen Tage verstärkt bj. Über
dem 65' (in Norwegen, Schweden und Russland), mit dem eigentlich der arctische
Erdstrich anfängt, ist die Kälte so scharf und empfindlich, dass das Quecksilber
schon im September gefriert und gehämmert werden kann. Das weisse Meer und der-
Eisocean bedecken sich jährlich vom Anfange des Octobers bis zum Anfange des Juny
mit Eise ; die denselben zufallenden Ströme weit früher und gehen später auf. Alle
Vegetation erstirbt; ausser verschiedenen Arten von WalHlineren wird kein Obst mehr
reif cj; die Räume werden zu Rüschen, und die Rüsche zu Geslripp ohne Rlätter.
Die Sieinmoose verlieren sich -in den ewigen Schnee, und Renn- und Elenthicre ma-
chen fast den ganzen Reichthum der dortigen Einwohner aus.
o) In den letzten Jännertagen 1822 war jedoch die Kälte zu Lissabon so ungewohnt strenge,
dass man in einigen Quartieren bey Tagesanbruch Leute, die kein Obdach hatten, erfroren
in den Strassen fand, und in Spanien lief man in den ersten Tagen des Februars d. J. auf
dem Teiche des Prado mit Schlittschuhen , während wir hier zu Lande den Winter nur aus
dem Kalender kannten.
b) Zu Kola (im Gouvernement Archangcl) unter 68° 2i' dauert der längste Tag 60 unserer
Tage, so wie zu Tromsöe in Norwegen unter 6g° 38' die Sonne zwey volle Monate über im
Horizonte bleibt. Zu Riga und Rei'ol kann man im Sommer 11 Uhr des Abends noch ganz
bequem ziemlich kleine Schrift lesen , und in Altengaard ist die Temperatur um Mitter-
nacht noch 10" R. ; um 3 Uhr früh schon so warmer Sonnenschein, dass man Schatten
sucht. S. Allgem. geogr. Ephem. Bd. 33. S. 426 — 427.
c) Doch wird bey Alten in Finnmarken unter 69° 55' noch Kornbau getrieben, der nördlichste
Kornbau auf der Welt; ein Verdienst der uni's J. 1708 aus Finnland eingewanderten Quä-
ner , ächter Finnen. S. Monatliche Gorrespondenz zur Beförderung der Eid- und Himniels-
kunde. 1810. Jul. S. i43.
§. 24.
Fortsetzung.
Allein das physische Klima hängt nicht bloss von der geographischen Breite ab ,
sondern es wird auch durch die physische Reschaffenheit des Landes modilicirt , nah-
menilich durch die Lage, die Abdachimg, den Roden, die Cuitur und di^; Winde.
An allen Küsten des iMeeres ist das Klima verhältnissmässig milder und gemässig-
ter, als im Innern der Länder, aber häufig auch feuchter und veränderlicher. — Über
niedrigen Gegenden ist die Luft fast immer dicker und mit Wasserdtinsten mehr an-
gefüllt , als in den höher gelegenen Gegenden ; dagegen auf den Gebirgen dünner ,
1. Laml Jer europ. Staaten, ij- 24- I'liysisclies Klima. Forlsttzuiig. 62
reiner und scliärfer, daher auch verhiihnissmiissig kiüter, besonders wenn sie hoch
genug sind, ewigen Schnee zu tragen aj. Vieles koinnxl hicrbcy auf die Lage und den
Zug der Gebirge an. Eine beträchlhche Abdachung kann die VVirkiuig der Sonnen-
strahlen und der Winde verstärken oder schwächen , je nachdem sie das Land der
Sonne und den wärmeren Winden bloss stellt und öffnet , oder diesen hinderlich ist.
Einen grossen Theil der strengen sLbiriscJien Kälte schreibt man der nördlichen Ab-
dachung des Landes zu, die es den Nordwinden bloss gibt. Dagegen hat die hohe
Temperatur des ungrischen Sommers in den Ebenen ihren Grund darin , dass der
Nordwind sie abzukiihlen durch die Karpalhen abgehallen wird. Mähren biingt, un-
geachtet seiner nördlichen Lage, meluere geschätzte Weinsorten hervor, da die Wein-
gebirge dieses Landes nicht nur durch einen Kranz höherer Gebirge gegen Westen ,
Norden und Osten geschützt, sondern auch durch die Abdachung nach Süden einer
kräftigeren Einwirkung der Sonnenstrahlen ausgesetzt sind. — Die Beschaffenheit
des Bodens eines Landes trägt ebenfalls zur Modification des Klima's bey. Ein sandi-
ger, der Sonne ausgesetzter Boden erhitzt die Luft ungemein. Die sandigen Districte
Jäszäg und Kunsäg in Ungern sind so verzehrend lieiss , dass hier der Baum selten
zur Vollkommenheit gelangt. Ein kaltgründiger Boden hingegen erkältet , faulende
Wasser und Moräste verderben die Luft. Die grosse Menge Salzes, welche der Boden
von Sibirien enthält, trägt viel zur Vermehrung der Kälte dieses Landes bey. Die
pontinischen Sümpfe in der i5 Meilen breiten und 3o Meilen langen Campagna di
Roma (dem alten Latium) verpesten die Luft so sehr, dass sie den, der während einer
gewissen Periode (von den Hundstagen an bis zu den Herbstregen) auf dem Lande
vom Schlafe überrascht wird, nicht selten auf immer entschlunmiern lässt. Daher man
diese Sümpfe, besonders zur Zeit der ungesunden Luft {nialaria oder aria catti^ci)
schnell durchfahren, und sich vor dem Schlafe in Acht nehmen muss. Selbst die Ge-
birgshirten der Apenninen, von stärkerer physischer Natur, erscheinen bleich, am
Gesichte abgezehrt, zum Theil von Fieber- Anfällen entkräftet, wenn sie im Winter
mit ihren Vieldieerden einige Monate m der besagten Campagna nomadisirt, oder den
Grimdbesitzcrn einige Tage der Erntezeit Hülfe geleistet haben bj. — Von ähnlicher
Wirkung ist der Mangel an Cullur. Wilde und unangcliaute Länder sind inmier kalt
und feucht. Mcnschcnlleiss hingegen verwandelt kalte Länder in gemässigte (man ver-
gleiche luiser Deutschland mit der Germania sjUds liorrida des Cäsar und Tacitus) j
gemässigte in warme (Italien seit Aushauiuig der Wälder in Deutschland); feuchte in
trockene (durch Austrocknung der Moräste, Ableitung der Flüsse und Aushauung der
Wälder), und durch eben diese Mittel ungesunde in gesunde. Doch Ijemerkel mau
auch Beyspicle von entgegengesetzten Wirkungen der CuIiur. So ist Norwegens Kli-
ma an gewissen Stellen kälter geworden, weil man die Wälder, die gegen schädliche
Winde schützten, weghaute. Diesem Umstände schrcilit man die Wirkung zu, dass
die Kälte in Tonset einen höJiercn Grad als in Rbraas erreicht, das doch bedeutend
höher liegt. Dalmatien leidet durch zu starke Vernünderung der Wälder öfters Man-
gel an Regen und wird dürr. — Ausserdem konnnt sehr viel auf die Winde an, um
das Klima eines Landes mehr oder weniger kalt oder warm, trocken oder feucht zu
machen. In den gemässigten und kalten Erdstrichen wehen nur veränderliche Winde,
g, I. Land clci europ. Staaten. §. 24. Phj'sisclies Klima. Fortsetzung.
-während in der lieissen Zone die Winde weit regelmässiger sind c). Doch kommen in
den «eniässi'nen und kaken Landstrichen einige Winde häufiger vor als andere , imd
diese nennet man herrschende fFiiide. Dergleichen sind in den gemässigten Zonen
die TFestivinde j, in den kalten die Ostwinde. Jene hringen allemal feuchte, trühe und
neblichte diese immer kalte, trockne und heitere Witterung mit. Verderblich wirkt
auf die Einwohner Spaniens der Siidwind {Solano) , so wie der Südwcslwind [Libec-
cio) in Italien, und der Südostwind (Sirocco) in Italien, der Schweiz und in Süd-
tyrol unausstehlich lästig sind.
Von furchtbaren Meteoren kommen in Europa am häufigsten die Gewitter vor.
Sie sind zuweilen von einer schrecklichen Plage, dem i/ag^e/^ begleitet, in wärme-
ren Ländern häufiger und schwerer und gegen die Polarzone hin äusserst selten. —
Stürmischen Bewegungen der Luft sind einige Gegenden Europa's häufiger als andere
ausgesetzt. Dieses ist besonders an denjenigen Gegenden zu bemerken, die (wie z.B.
Österreich unter der Enns , die Gegend von Prewald bis Zengh dj u. s. w.) von der
einen Seite an einem grossen Gebirge liegen, von der andern Seite aber an. eine weite
Ebene sich anschliesscu. Wegen des, seit Menschengedenken unerhörten und in so
vielen Gegenden Europa's empfundenen Orkans, bleiben der 26- nnd 27. Dec. 1810
für den Naturforscher ewig denkwürdige Tage ej. — Viel seltener sind die Wasser-
hosen fj j die Meteorsteine gj und die Feuerkugeln hj. — Von den übrigen JNle-
teoren verdient hier nur das Nordlicht eine Erwähnung, das sich je weiter nach Nor-
den desto häutiger und herrlicher zeigt. Es kommt jenen Gegenden in ihrer langen
Nacht vortrefflich zu Statten.
Aber wir sind noch weit in der Kunde des Klima's verschiedener Länder zm-ück.
Und doch ist der Einfluss desselben auf das Thier- und Pflanzenreich, auf die Natur
des Menschen , die Entwickelung des gesellschaftlichen Triebes , der Thätigkeit und
Tapferkeit, der Geisteskraft, desNationalcharaklcrs und der politischen und religiösen
Verfassung , so wie auf das Gelmgen und Misslingen der üntcrnehmmigen und Gewer-
be der Menschen sehr gross, imd zeigt sich nicht nur überall, sondern auch nichi
selten unwiderstehlich ij. Die Unfälle, welche die französische Armee im J. i8i2 in
Russland erfuhr, mid wodurch die Befreyung Europa's von dem Militär-Despotismus
voiliereitct wurde, schrieb das französische Bulletin bloss dem Einwirken eines ab-
scheulichen Klima's zu. Das schönste Kriegsheer ward bald nichts mehr als eine^ eini-
ge 100 Ml. lani;e Strasse erstarrter Leichen.
a) Die Höhe, über welche hinaus die Gebirge stets mit Schnee bedeckt sind, nennet man die
Schneelinie. Diese Schneclinie fängt unter dem Äquator in einer Höhe von 145760 Fuss an,
und senket sich immer mehr, je näher sie den Polen kommt. An den Gränzen der heissen
Zone bedarf es noch einer Höhe von i2 — ^i3,ooo F. , in den Pyrenäen von 8700 F. , in den
Schweizeralpen von 7400 F. , in Island von 2890 F. , bis sich enälich diese Schneelinie ge-
gen die Pole hin zur Meeresfläche niederlässt.
6) D. Joa. Ferd. Koreff de regionibus Italiae aere pernicioso contaminatis. Pars I. Berol. 1817.
4. Vergl. Jen. A. L. Z. 1818. Nr. 11.
i) Auf dem grossen Wellmeere zwischen beyden Wendekreisen , und einige Grade weiter auf
beyden Seiten , isl der Wind beslärutig östlich (Passalwind) ; im südlichen Theile des indi-
schen Oceans vom 10 Siidbreite an lierrschen manche Winde nur in gewissen JahrszeUen
(Moussons- oder Monssomwinde) .
I. Land der europ. Slaaten. ^. 25- INitürliclic Fruchtbarkeit. tS
d) Diesem Landstriche ist der unter dem Nahmen Bora bekannte fürchterliche Sturmwind
eigen. Man empfindet ihn schon bey Adelsberg ^ 4 Posten von Triest. Menschen, Thierr
und bepackte Frachtwagen sind oft in Gefahr, von demselben umgeworfen zu werden.
e) S. Naturbegebenheiten in ff^edekind's Geist der Zeit. Jahrg. 1810. Freyb. und Constanz...
1812. S. 27 ff.
J) Dieses in seiner Art ausserordentliche Meteor wurde unter andern den ig. April 180g iu
dem Bezirke des königl. baierischen Landgerichts Erding sichtbar, und hat schreckliche Spu-
ren seines Daseyns hinterlassen. S. Naturbegebenheiten a. a. O. Jahrg. 1809. S. 2 ff.
g) So fiel ein Steinregen den ig. April 1808 im Fiacentinischeti , den 22. May d. J. in der Ge-
gend von Siannem in Mähren und den 23. Sept. d. J. zu Lissa in Böhmen. S. Naiurbege-
benheiten a. a. O. Jahrg. 1808. S. 11. ff.
h) Diese Lufterscheinung bemerkte man unter andern im J. 1810 zu Chalon , Sl. üiez und im
Maass-Departement , ungefähr eine Viertelstunde \ on der Gemeinde Brizeau ; dann in Er-
langen und Grailsheim. S. Naturbegebenheiten a. a. Ü. Jahrg. 1810. S. 22 fl.
i) Die Leetüre des meteorologischen Jahrbuches von Dr. Haberle zu Beförderung gründlicher
Kenntnisse ^on Allem, was auf Witterung und sämnitliche Lufterscheinungen Eiiifluss hat,
nach iamarA-'i Annuaife meteorologiciue , mit Zuziehung der wichtigsten neuesten deutschen
Entdeckungen und Beobachtungen in diesem Fache, ist allen, denen günstige oder ungün-
stige Witterung wichtig ist , zu empfehlen.
§. 25.
Natürliche Fruchtbarkeit.
Wenn man Europa in Ansehung seiner natürlichen Fruchtbarkeit mit den üLri-
gen Erdtheilen vergleicht , so niuss es denseUjeii weit nachstehen. Es hat wenige ihm
eigenthünihche Productc ; die meisten sind ursprünghch auslandisch. Von diesen sind
die unenlbehrhchereii schon vor dem Anfange der zii\ erlässigen Geschichte , vielleicht
schon mit deia ersten Einwohnern eingewandert j die edleren sind theils zu den Zeilen
der römischen Herrschaft^ theils während der Kreuzzüge , aus dem Orient, einige
seit der Entdeckimg der neuen V^elt aus Amerika nach Europa gehi-acht und daselbst
einheimisch gemacht worden. So hat sich dieser Erdlheil mit allen Reichthümern der
Natur versorget, die der gemässigte Himmelsstrich zu erzeugen vermag, und Etiropa
bringt jetzt fast alles hervor, was zur Nahrung und Kleidung, zur ^Volmung, zur Be-
quemlichkeit, zum Lberfluss und sogar zur Pracht erfordert wird. .Aljer der europäi-
sche Boden verlangt mehrenlheils verständige Zubereitung tuid fleissigc Bearbeitung
und gerade diess ist ein, für die Entwickehmg der jMenschheit in Europa sehr er-
spriesslicher Umstand. Denn die Erfahrung lehrt, dass die massige Fruchtbarkeit des
Bodens den Fleiss der Bewohner aufrege , sie erfinderisch und arbeitsam mache ; die
Üppigkeit desselben hingegen sie zum ruhigen, oder wenn man will, zum trägen Ge-
nüsse einlade, weil ein von der JXatur begünstigter Boden die wesentlichen Bedürf-
nisse gleichsam von seilest hervorbringt, folglich die Menschen weniger Beweggründe
haben, ihre Thäiigkeit zu äussern. So ersetzt die Natur alle Nachtheile mit Vorlheilen. ,
Was sie dem einen Lande an Freigebigkeit versagt , das ersetzt sie durch den Fleiss
der Menschen, der einmal angestrengt, keine Ruhe mehr kennt. Sehr viel hängt aber
auch von der Yerfassimg mid Verwaltung eines Staates ab. Ein Land, dessen Boden
imfruchibar ist, dessen producircndc Classc dagegen Grundeigcnthum Lesilzl , und
g^ ]J. ürprodiictioD. ^. £6. Ciillur des Bo.Iens.
CS auf die Art, A-vic es ihr am vortlicilhaflcstcn scheint, benutzen darf; dabey persön-
lich frey, in Ausübung ihrer Rechte «^eschiitzt und , wie es l)ey solchen Reitzen zur
Thäli'kcit nicht anders scyn kann, fleissi«; ist, erfreut sich gewöhnhch eines höheren
Wohlslandes, als ein Land mit sehr fruchtbarem Boden, dessen Einwohner theil.s
durch die Güte des Bodens, theds durch nachthedigen Einfluss der Verfassung und
Yerwalinng zur Trägheit bestimmt und darin erhalten werden. Nur einige Gegenden
der Älpcnländcr, vonichmlich der Schweiz, und die nördUchstcn Tbeile von Europa
sind von der BeschafTcnhcit, dass dort selbst der angestrcnglcsle Fleiss der Bewohner
dem Boden nur einen sehr kärglichen LcbensmUeihalt abzuringen vermag, so wie da-
gegen wieder die südlichsten Länder im Ganzen am meisten von der Natur begünsiigel
sind, obgleich selbst iinter diesen keines ist, das durchgehends frucJilbaren Boden hätte.
IL U r p r o d it c t i o n.
a) Naturproducte aus dem Pflanzenreiche.
§. 26.
Cultur des Bodens.
Um den Grad der Cultur des Bodens eines Landes zu bestimmen, bedarf der
Siaatsforschcr der Kunde des Flächeninhaltes sowohl: i) des unproducth'eu <t) Lan-
des, des wüsten imd des benutzten: zu AVohnplätzen , Comnmnicationswegen, Lust-
örtern und zu anderem Gebrauche , als : 2) des productiven b) nach der verschiede-
nen Verwendung: zu Nahrungsgewächsen, zu Fiitterkäutern, zum Obst- imd Wein-
bau, zu Waldungen u. s. w. Die Cultur des Bodens ist zweyfach : die extensive und
die inteiish'e. Jene besteht in der Ökonomie mit dem Lande : in Ansehung der Breite
der Wege, der Einfriedigung, der Nutzbarmachung des bisher unbenutzten durch
Ansiedelung und Anbau neuer Wohnungen und durch neuen Landbau c). Diese be-
ruht auf der Erhöhung des wirthschaftlichen Ertrages von dem productiven Lande:
durch bessere Verlhcilung </) , bessere Bearbeitung vmd Bedüngung, durch Anwen-
dung besserer Ackergerälhe mid durch Anbau einträglicherer Gewächse. Bcyde Gul-
turarten hängen theils von der BescbafTenheit des Bodens und des Klima's , theils von
der Menge und dem Charakter der Einwohner ab; aber auch eine sorgfältige Staats-
verwaltung eignet sich einen entscheidenden Antheil daran zu.
Da Europa, mit Ausnahme der Lappen tmd Samojeden j welche noch immer
ein Hirten- oder Jägcrleben führen, bloss sesshafie Nationen hat: so ist dicss ein,, die
Cultur des europäischen Bodens sehr begünstigender Umstand. Sie hat sich in den
meisten Ländern dieses Erdtheils in neuem Zeiten gehoben, luid steht in nichreren aiif
einer blühenden Stufe. Vorzüglich sind es die JS iederl aride , Englands Dentschlandj,
Franheicli j, die Schweiz und der grössere Theil von Italien j wo die Bodenculiur ,
besonders die intensive, mit solchem Flcisse betrieben wird, dass sie ungefälir den
II. Urprodiiclion. $. f;, Ackerbau. 65
Grr.d crreicJit liat, der keine bedeutende Vergrösserunj^ der Nationalkral't uiolir zu-
la.sst. Daypgcri sind die Natiu'anlagcn anderer Länder, vornehmlich Russlands _, Po-
lens,, .Galliens j UitgernSj Spaniens j Portugals vuid der Türkery grössien Theils
noch sehr unvollkommen benutzt, und haben bey weitem den Grad der Ciiltur noch
nicht gewonnen , dessen sie fiihig sind.
d) In Russla7id beträgt das zur Cultur xöllig unfähige Land, nach v. IVichmann , 67,157 QM. ;
das culturfähige, aber noch ganz unbebaute Land soll im europäischen Russiand allein
.32,000 QM. einnehmen. — In Schtt-'edcn ist das grössten Theils unurbare Land, nach
Crome, 8778 QM. gross. — In Österreich beträgt der grössten Theils zur Cultur unfähige
"Boden 24o5 QM. , oder^, und in England und Frankreich, nach Crome , mehr als | des
ganzen Flächenraumes. In Spanien soll, nach Ebendemselben, mehr als j, vielleicht die
Hälfte des culturfähigen Bodens unangebaut seyn.
b) In iS'c/itp'edf/i beträgt das landvvirtlischaftlich benutzte Acker-, Wiesen- und Gartenland,
nach Crome, nur A' des ganzen Flächenraums, oder 365 geogr. QM. Dagegen enthält die
ganze landwirthschaftlich cultivirte Oberfläche des österreichischen Kaiserlhums g4i6i5,ogi
Joch , oder ^? des ganzen Flächenraums , oder g65o QM.
c) Die beträchtlichsten Ansiedlungen , vorzüglich durch Deutsche, geschahen in Russland und
Österreich j in jenem Kaiserstaate, nahmentlich im saralow' sehen Gouvernement auf beydea
Seiten der'//''o/g-a ^ auch längs der Medii-'ediza und Ilawla, dann in Neurussland ^ oder den
Gouvernements JekaterinoslanJ , Taurien und C/terson ; in diesem — in Galizien und Ungern,
In jenem Rönigreiche belauft sich die Zahl der Pflanzdörfer auf 186, die mit 2o,ooo Colo-
nistcn bevölkert sind; in diesem sind die Wnimorle von 1785 — i8o5 um eine Stadt, 88
Marktflecken und 5i6 Dörfer vermehrt worden. - — Tri der Mark Brandenburg sind bereits
unter Friedrich II. viele öde Gründe angebauet , überflüssige Wälder umgehauen, Moräste
ausgetrocknet , und 36g neue Dörfer angelegt worden. — In Baiern waren bis zum J. i8o5
bereits 1760 öde Gemeindegründe inländischen und fremden Colonisten unentgeltlich und
auf Eigenthum eingeräumt worden, und eben war man beschäftigt, noch 642 andere Di-
stricte mit 109,174 Tagewerken zu vertheilen. — Selbst Spanien liess Deutsche einladen,
sich in Andalusien und auf Sierra Morena niederzulassen.
</) Gekrönte Preisschrift über Güter-Arrondirung , mit der Geschichte der Cultur und Land-
wirlhschaft in Deutschland, und einer statistischen Übersicht der Landvvirthschaft von je-
dem Kreise des Königreichs Baiern , dann zwey iliuminirten Flurkarten. Vom Staatsrathe
<ioa Hazzi etc. München, 1818. gr, 8.
§• 27.
Ackerbau.
Das characteristische Kennzeichen des Feldljaues ist der P/lug j der das Feld in
sicher verwandelt. Die Hauptgeschäfte des Ackerbaues sind : i) zweckmässige Ztibe—
reitung des Bodens durch Auflockern und Düngen j 2) rechte Behandlung der Saat
vom Ausstreuen des Samens an bis zur Ernte. Der Hauptgegenstand desselben ist das
Gc-^re;V/e in allen seinen Arten, die vorzüglichste Nahrung des Europäers, so wie es
der Pisangbäum fiir alle Länder der heissen Zone ist. Ausser diesem hat aber der
Aokerltau noch sehr viele Gegenstände, die eine solche Behandlung verlangen oder
er! ragen; mehrere Küchengewächse und .Haudelskräuter gehören noch vorzüglich zu
den Feldfi üchien.
tS6 II. Urproductiou. ^. 28. Ackerbau.
Am sorgfaltigsteu und kunslmässigsten wird der Ackerbau, dieser unversieglich<'
und uuberaubliche Natioualschatz, in den Niederlanden j besonders in den südlichen
Provinzen a) dieses Königreichs j dann in England Z»), Nordfrankreich j Deutsch-
land ^ vornehmlich in dessen südlichen Hälfte c) , in Ober- d) und Mittelitalieti e),
mit Ausnahme des Kirchenstaates , und in einigen Gegenden der Schweiz f) behan-
delt. Ausserdem ist ein sorgfältigerer Betrieb dessell)en in Schweden g) und Däne-
mark sichtbar. Dagegen wird der Ackerbau auf den fruchtbaren Fluren des Kirchen-
staates j Neapels _, Siciliens _, Spaniens li) , Portugals j Ungerns i) , GalizienSj Po~
lens j Russlands und der Fürkey kunstlos betrieben, im unbedingten Vertrauen auf
die Freygebigkeit der Natur die Wirksamkeit derselben durch keine raflinirte Industrie
unterstützt, und der Ertrag würde nie so wichtig werden können, käme die Natur
und der Boden dem Menschen nicht so willig zu Hülfe.
d) Sehr rühmenswerth ist unstreitig der Fleiss , den die Belgier auf das Jäten , Düngen und
überhaupt Zubereiten ihrer Felder , so \vie auf das Einräumen der Äcker — in Belgien das
Ausschiessen der Rigolen genannt — \s'enden , wodurch der Saatacker eine gewisse Vollen-
dung, ein besonders nettes Ansehen gewinnt. Grossen Theils \vird das Ackerland garten-
artig, niit dem Spaten oder dem Grabscheit bearbeitet. Rein Land gebraucht so mannig-
faltige Düngungsmittel , als Belgien. Ausser dem gewöhnlichen Miste , der häufig mit Rar-
tofTelkräulrich \ ermischt wird , gebraucht inan auch viel menschliche Excremente , die in
eigens dazu eingerichteten Rarrenkasten transportirt werden ; auch die Absvürfe von Flci-
scherhalleu und Fischwcrkcn , die mit 11 — i5mal so viel Krautmasse und Stroh versetzt
werden; ferner die Abfälle von Lcder- und Hutmanufacturcn und Znckerraffinerien u. s. w.
Im Lande /^ar* werden von den Raufleuton Diingennagazine angelegt, worin sie Dünger
in allen Qualitäten aus den von den Städten erhaltenen Abgängen aller Ort sammeln, und
sodann daraus in verschiedener Qualität und Qtiantität verkaufen. Der Belgier kauft endlich
sehr viel Dünger aus andern Gegenden, und jährlich kommen über Lille und Sas de Gand
mehr als 3oo Schiffe mit Dünger k 642 Ctr. , und eben so viel aus Holland mit Asche. Frey-
lich nehmen die Cullurkosten im Durchschnitt | der Ernte weg, weil der Boden nur durch
Cultur zu hohem Ertrag gebracht wird; da hingegen in den von der Natur begünstigten Län-
dern, z. B. in Italien, die Cullurkosten nur j des Ertrags an sich nehmen. S. Ergänzungsbl.
z. A. L. Z. Nr. 107. 1812. S. 85i— 853.
b) Ungeachtet des Vorwurfs einer fast ausschliesslichen Begünstigung des Handels und der
Fabrication hat der Ackerbau in England doch sehr grosse Fortschritte gemacht. Der eng-
lische Landwirth hat alle seine Grundstücke beysainmen, die er mit Gräben oder mit leben-
digen Zäunen einschliesst , wodurch sie die Vorlheile eines Gartens erhalten. Die Hälfte des
Guts, auch wohl z^vey Drittel desselben werden zum Anbau der Futterkräuter, oder zur
Anlegung künstlicher Wiesen bestimmt; das Übrige bleibt Ackerfeld. Brache findet niemals
Statt. Der Gebrauch besserer, von den Britten selbst erfundener Ackergeräthschaften , die
Benutzung des Mergels, des Seetangs und der Fische zu Dünger, wo es an animalischem
Dünger fehlt, und das Wechseln mit Getreide, Rüben und Rlee , tragen nicht minder zur
Erhöhung des landwirthschaftlichen Ertrages bey. — Die Gründe, warum England dessen
ungeachtetseitGo Jahren ein Rorn einführendes Land ist, sind folgende: Der Ackerbau hat sich
zwar seit dieser Zeit \erliältnissmässig zur Volksvermehrung ver\oIlkommnet , aber die Con-
sumtion ist nicht in diesem Verhältnisse geblieben , sondern aus ihrer vorigen Einfachheit
mehr in die von Weitzen , von Fleische , von Getränken , die aus Früchten bereitet wer-
den , übergegangen ; besonders aber hat die Haltung von Pferden sich so ungeheuer (nähin-
lich bis zu i,5oo,ooo) vermehrt, dass sie einen weit grossem Theil der Ländereyen in An-
II. ürproductiou. §. 28. Ackerbau. " 67
sprurli nimmt , als in Rücksicht auf den Getreidebedarf eigentlich dazu verwendet werden
sollte, wodurch sich ein für die Getreide-Consumenten immer nachtheiligeres Verhällniss
zwischen Acker- und Wieseriland festsetzt, ohne den Schaden in Anschlag zu bringen, den
die grosse Anzahl meilenlanger Parks, oder der weitläufigen, durch Kunst \erschönerlen
Landschaften, dem Ackerbau verursachen. S. Zustand der Landescultur. Ursachen und Fol-
gen des Getreidemangels in England ; in dem, von Friedr. Genz herausgegebenen histori-
schen Journal. 1800. S. 476 — 492.
c) Unter andern bildet in Österreich ob der Enns von Gnmnden bis Kremsnmnster und von hier
hinab bis 5/f;'f7- und St. Florian]C(lcs einzelne wohlgebaute Bauernhaus mit seinen Wirlhschafts-
gebäuden und Grundstücken ein herrliches Tableau. Rein Bauer hat mehr, als er gehörig be-
stellen kann; er ^erliert keine Zeit mit Düngorfahren aufstunden- oder meilenweit entlege-
ne Acker; seine Pferde und seine Knechte kommen nicht ermüdet mit dem Pfluge auf das
' Feld; sie haben ja kaum eine viertel Stunde weit. Durch diesen einzigen Umstand wird
schon eine Übersicht , die Handhabung einer Ordnung möglich, die bey grösseren Gütern
gar nicht ausführbar ist. Die Äcker sind schön gepflügt, in schmale Beete gcthcilt und ge-
, gen das Vieh geschützt; die Raine mit Äpfel- und Birnbäumen zum Cider bepflanzt; die
Wiesen werden geebnet , gewässert und gedüngt. Daher üppige Grasfülle und herrliches Vieh ;
daher,, als Folge dieser Segen bringenden Cultur, allgemeiner Wohlstand. S. Reise durch
Oberösterreich \on Schuttes. 1. ThI. S. 23i fT.
d) Vornehmlich in der Lombardie und im T'iiieiianischeri , in Lucca , Piemonl und Genua.
e) Nahmentlich in Toscana, von dessen Landwirthschaft Hr. Simonde in seinem Tableau de
C Agricullure Toscnne ein reitzendes Bild entwirft, durch die Beschreibung des Thaies von
Niecole ß in der Nähe von Peseta, wo Niederungen, sanfte Höhen tmd Gebirge sich finden,
. von welchen drey verschiedenen Lagen der Italiener jede auf eine ganz eigene Art behan-
delt. In den Niederungen sind die Felder gemeiniglich oben und unten mit Gräben verse-
hen. Durch jene wird das Wasser darauf, und durch diese wieder davon geleitet. Zum
Wässern hat man selten eigene Gräben, sondern man bedient sich dazu der schmalen We-
ge zwischen den Beeten und anderer Vorrichtungen , wobey man keinen Boden \ erlicrt.
Die Gräben sind mit Pappeln besetzt , zsvischen denen Weinstöcke stehen , deren Ranken
an die Pappeln befestiget werden. Quer durch die Felder geht eine doppelte Reihe \on
Maulbeerbäumen. Wo es der Boden und die Umstände vertragen , da nutzt man die Fel-
der zu Gartengewächsen , und düngt dazu hauptsächlich mit Menschenkoth , den man un-
ter allem andern Dünger für den besten hält , und worauf man den grössten Werlh setzt.
Das Ackerland, das man grossen Theils , gleich einem Blumengarten, mit der Schaufel be-
arbeitet, bauet man in drey oder auch in vier Feldern. Das Vieh, die Rinder werden auf
dem Stalle gefüttert. — Die sanften Höhen sind die Lagen für die Oliven, den Wein und
das Obst. Der Fruchlbau ist weit unbedeutender. — In den Gebirgen ist die Landwirth-
schaft auf die zahmen Kastanien und die Schäfereyen gerichtet.
/ ) Besonders auf dem Fellenberg' sehen Gute zu Hoßij-l im Canton Bern , wo alle Ländereyen
und Wiesen die Wohn- und Wirthschaftsgebäude in einem Zirkel umgeben, iind wo die
möglichste Auflockerung und Bearbeitung des Bodens , Fruchtwechsel und Drillwirthschaft
oder Reihenpflanzung eingeführt ist. Die Sorgfalt in Ansehung der Vermehrung der Dün-
gungsmittel treibt Hr. Fellenberg so weit,,dass er nicht nur vier Esel mit eben so viel klei-
nen Wagen und Knaben hält , die den Mist , den die Pferde fallen lassen , a\i/'lesen , ^ son-
dern auch seinen Arbeitern bewegliche AbtrittCi auf das Feld nachführen lässt. S. H. A. L.
Z. Nr. 168. 1808. und Nr. 25o. 1810. S. 149 ff. Folgende Ackergeräthschaften und Maschi-
nen sind daselbst im Gebrauche: 1) der Exstirpator oder die Pferdehacke; 2) der Furchen-
zieher oder die kleine Pferdehacke : 5) der Schwingpflug ; 4) ein Pflug mit zwey Ohren ,
9*
68 II. Ürproduction. ^. s8. Hindernisse des Acterbaues.
auch Häufl-Pflug ; 5) eine Samen-Reinigungsmaschine ; 6) vereinfachte Säemaschinen für allcAr-
ten von Getreide ; 7) Schneide- und Dreschmaschinen ; endlich 8) Blasbälge gegen Ungeziefer.
g) Vornehmlich in Angermanland und Helsingland. S. Allg. geogr. Ephem. Bd. 27. S. 297 fF.
und S. 3o3.
K) Mit Ausnahme der Provinzen Biscaya , Guipuscoa , Alana und Valencia , wo man sehr viel
Fleiss auf die Cultur dos Bodens verwendet.
/) Mit Ausnahme der sehr betriebsamen Zips,
§. 28.
Hindernisse des Ackerbaues.
Dic'Hindernisse j welche der grösseren Aufnahme des Ackerhaues hierund da im
Wege stehen, sind theils phjsischj theil moralisch j tlieils politisch j theils in ande-
ren Umständen gegründet.
Zu den physischen Hindernissen des Ackerhaues gehören das Khma , die Gehirge,
Sümpfe und Moräste, der wellsandige, salzige und dürre Boden mancher Länder und
Gegenden, wodurch jede Art ökonomischer Cultur entweder gänzlich unmöglich ge-
macht, oder wenigstens so erschwert wird, dass sie nur durch grosse Anstrengung,
durch Ausdauer kann hewcrkstelliget werden. Es ist erstatmi ch, mit welchem Fleisse
oft raiüic, nackte Felsen, wie z. B. in der Schweiz j in Tyrolnnd andern Alpenlän-
dern, oder unwirthharer Sumpf- imd Moorhoden, wie in den nördlichen Provinzen
Aer Niederlande j oder untragharer Flugsand, wie in der Mark Brandenburg ^ ^cich.-
wohl heurhart und fruchthringcnd gemacht sind. — Wie verderhlich auf Ackerbau
in Jiiehreren Gegenden Italiens vergiftende Hauche tödtlicher J^uftarten wirken , l)e-
weiset unter andern die Campagna di Roma j wo durch bösartige LufthaucJte fast
jährlich die Yolkszahl der niedrigen Volksclassen abnimmt, und es desshalb an gesun-
den , brauchbaren Landarbeitern fehlt. Einzelne vormals getheilte , mit Fruchtsegen
bearbeitete Grundbesitzungen werden mit dem anhaltenden Aussterben der Landleute
in. obgedachter Campagna in immer grössere Herrschaften vereinigt, und mit dieser
Veränderimg grössten Theils nur zur nomadischen Viehweide im Winter benutzt
(vergl. §. 24-)-
Zu den moralischen Hindernissen rechnet man theils die Abneigung, welche ei-
nige europäische Nationen , nahmenilich die Spanier j l^ortngieseh und die Osnianen
gegen den Ackerbau haiien , theils die grössere Neigung, andere indifstriöse Beschäf-
tigungen dem LandJjaue vorzuziehen, und die Hauptbeschäftigung ^.um geringeren Ne-
bengewerbe zu machen, welche Sitte man nahmentlich bey den Rassen wahrninuut.
Viele russische Bauern wandern in die Städte, wo sie sich durch verschiedene Ge-
werbe mehr verdienen, und eben darum auch ihren Herren (die ihre Grundsliicke
nicht nach der Grösse und Fruchtbarkeil des Bodens , sondern nach der Anzahl der
Leibeigenen, und dem reinen Geldgewinnsl, den dieselben jälirlich liefern, schätzen)
mehr an'Aljgaben entrichten können. '"' ' '■' ' c ' ' |
Yi'ie politischen Wxndermsse zerfallen in: 1) Reste des Miltelalters in Bezug auf
den Landbau, welche wiederum sich theilen : a) Hiadernisse in Bezug auf die Arbeit
oder die Personen, die das Land bel)aucn; /3) Hindernisse in Bezug auf das Gut. 2)Neue
Hindernisse des Ackerbaues , welche erst nach dem Mittelalter eintraten.
II. Urproduction. ^. 28. Hiiideruisse des Ackerbaue«. 6q
Die unter a) gehörenden Hindernisse bestehen in Leibeigenschaft und Frohnvci-
hähnisscn. — Zu den Hindernissen, welche unter y3) angegeben sind, rechnet man
besonders : die unverhäUnissmässig grossen Güter , wie es deren z. B. in Spa/tlen
gibt a); das Missverliähniss zwischen der Zahl der Äcker und Wiesen ö) ; die gleiciie
Theihmg der Güter und also die immer grössere Auflösung des Ganzen in die klein-
sten Bestandtheile, wie es z. B. in Ungern und in einigen Gegenden der Schweiz cin-
gefulirt ist c) ; das Zehentrecht, das in keinem Lande so strenge imd ausgedehnt ist,
wie in England d); die Hut- und Triftgerechtigkeit, besonders die dem Landbaue so
nachtheilige Mesta in Spanien e); die Gemeinheit des Eigenthums /^ ; der Missbrauch
des Jagdrechts ^); zu grosse Dörfer und die damit, als eine natürliche Folge, vei'biui-
dene Zerstreutheit der Feldbesitzungen, wie es z. B. der Fall in Ungern ist //)jdie in
Italien übliche Meierwirthschaftj vermöge welcher der Bauer Meier ist, der das
Meiergiit gewöhnlich auf Erbpacht besitzt, wovon er die Pacht theils in natura —
nähmlich die Hälfte der jährlich gewonnenen Producte — an den Gutsherrn abgil)t,
theils aber auch für die Benutzimg des von dem Gutsherrn gestellten Viehes die Hälfte
des jälirlichen Pachtzinses der Wiesen (ä 40 Franken der Morgen) im Gelde bezahlt/).
Die neuen j erst nach dem Mittelalter entstandenen Hindernisse sind vornehmlich
folgende : Begünstigung des städtischen Gewerbes auf Kosten des ländlichen; Vcrboth
und Erscliwerung der Getreideausfuhre als Regel k) ; fehlerhafte Einrichtung des Mt-
gabensystems (vorzüglich in Ansehung des Landbaues, hohe Grimdsteuer und das
Steigen derselben mit der Verbesserung der Cultur, wie z. B. in Frankreic/i).
Von den in anderen Umständen gegründeten Hindernissen des Ackerbaues ver-
dienen besonders folgende beachtet zu werden: 1) der in einigen Ländern, wie z. B.
in Russland j Ungern ^ Spanien j Statt findende Mangel an arbeitenden Händen;
2) der hier und da herrschende Mangel an gehörigem Absätze der landwirlhschaflii-
chen Producte, theils weil es zu wenig Städte, zu wenig Gonsumenten, wie z. B. in
Ungern j gibt, theils weil es an guten Strasserf, wie z. B. in Spanien j fehlt; 3) der
gestiegene Preis der ersten Lebensbedürfnisse und die bessere Art zu leben, an welche
auch der gemeine Mann, besonders m England _, Frankreich j, Deutschland und üä^
neinark sich gewöhnt hat; endlich 4) der Umstand, dass der grösste Theil der Land-
wirthe gerade zu der gemeinsten Classe der Staatsburger gehört, bcy welcher die Gei-
stescultur in Rucksicht auf ökononüsche KennlJiisse in der Regel auf einer niediigen
Stufe steht , und die Anhänglichkeit an das AJte und Hergel)rachte eine fast unüber-
windliche Neigung ist.
ä) Wie können Latifundia von i5 — 2o,ooo Morgen Terrain an Feldern, Wiesen und Hutunj;
orijentlich bewirllischaftet werden? — Aber die Zerreissung der grösseren Güter in kleine
Parzellen, wie diess in Frankreich in Folge der Re\ülulion geschah, hat auch ihre Nach-
theile. Eine RIenge nicht völlig befriedigter kleiner Eigeiilhiimer ist an die Stelle d,jr ehe-
maligen wenigen, aber befriedigten grossen getreten. Da diese Leute das, was sie von ih-
rem Acker ernten , seihst wieder verzehren : so tragen sie zur weitern Consumtion , und
folglich zu der Production und dem Handel, und daher zu dem gemeinen Besten damit
nichts bey ; ja sie haben, um leben zu können, nicht seilen noch einen andern Erwerb nö-
thig. S. Götting. gelehrte Anzeigen. i8o3. Sttick 29. S. 282 S. Vergl. Hall. AUg. Lit. Zeit.
181 o. Nr. HO.
-Q Jl. Uiprodiiclion. ij. 2g. Befürderuni^mitUl des Ackeibaucs.
6) Wenn dio Wiesen sich in der Regel gegen die Felder wie i : i2 bis 2o, wohl gar zuwei-
len'wie 1 : 3o bis 5o — anstatt i : 4 oder 5 — verhalten, oder wohl gar hier und da fehlen
und auch der Klee- und Futterbau vernachlässiget wird : wie lässt sich da an hinreichendes
Futter T an einen verhältnissmässigen , gut genährten Viehstand denken? wenig und kraft-
loser Dünger, magere Äcker und Ernten sind dann eine natürliche Folge davon.
c) Mancher reiche Gutsbesitzerin [/«g^eni besitzt , wegen der gleichen Theilung der Güter,
kein einziges Dorf allein, wohl aber Antheiie an 2o Ortschaften. S. Jen. Allg. Lit. Zeit.
Nr. 25g. 1811. S. 287. — In der Sigrisw'yler Gemeinde im Berner Oberlande ist selten eine
Juchart zu finden , die nur Einen Eigenthümer hätte ; ja man kann manche Flecken , die
nicht grösser als ein gewöhnliches Wohnzimmer sind, zeigen, an welchen mehrere Anthei!
haben. S. Gotting. gel. Anz. 1808. St. 178. S. 1772 ff.
d) Wo die Grundstücke im Ganzen jährlich 3,5oo,ooo Pf. St. an Zehnten bezahlen. S. AUg.
geogr. Ephem. Bd. 3o. S. 289 ff. Vergl. Bisingers Vergleichende Darstellung der Staatsver-
fassung der europäischen Monarchien und Republiken. S. 355^356.
e) In den Gegenden , durch welche die wandernden oder Merinoschafe zu ziehen berechtiget
sind, dürfen die Felder nicht eingehäget werden; man muss ihnen eine, 90 spanische El-
len breite Strasse frey lassen; sie dürfen frey auf allen Triften weiden, und die Weiden in
Estremadura 3 wo sie überwintern , müssen ihnen um einen festgesetzten geringen Preis
überlassen werden. S. Neueste Runde von Portugal und Spanien. Weimar, 1806. S. 283.
/) Auf der Insel Sardinien z. B. herrscht die Gewohnheit, dass die meisten Felder den Ge-
meinden als Gesammteigenthum gehören , und dass die Benutzung derselben jährlich unter
den Gemeindegliedern abwechselt, mithin die Äcker aus einer Hand in die andere über-
gehen , so dass sie von jedem Einzelnen ausgesogen werden , weil jeder seinen Antheil nur
Ein Jahr lang benutzt. S. Crome's Allgemeine Übersicht der Staatskräfte von den sämmtli-
chen europ. Reichen und Ländern. Leipzig 1818. S. 670 ff.
i g) Im ehemaligen Zwejbrückischeti z. B. hatte der grosse (jetzt vernichtete) Wildstand durch
die angerichteten Verheerungen den Landmann fast zur Verzweiflung gebracht. S. H. A.
L. Z. 1810. S. 878.
/i) Wo der Bauer an manchem Orte sein Heu und Getreide mit unglaublicher Mühe und Ar-
beit, mit Ernährung von 4 — 6 Tagelöimern ausser dem Gesinde, mit Zeitverlust und über-
mässiger Abmattung des Viehes , von den entlegenen und zerstreuten Feldern und Puszten
oder Prädien 3,4:5 bis 7 Stunden weit zusammenführen muss. S. Grellmann' s Statistische
Aufklärungen über wiclitige Thoile und Gegenstände der österr. Monarchie. Bd. 2. S. 277 ff.
/) Hr. Crome macht in Ansehung der obgedachten Meierwirlhschaft die richtige Bemerkung,
dass eine solche Landwirthschaft nur in einem Lande bestehen kann , wo die Fruchtbarkeit
des Bodens so gross und das Klima so herrlich ist , und wo die \ ielen grossen Städte den
Absatz der Producte so sehr begünstigen, wie in Italien.
h) Völlig unbedmgte und unter allen Umständen freye Gefreideausfuhre ist jedoch in keinem
Staate, der nicht etwa, wie Holland, Hamburg u. s. w. ganz oder doch grössten Theils
Handelsslaal ist, zu rechtfertigen, wenn nicht die Producenten die Consumenten in jedem
Jahre, worin die gütige Natur nicht mehr als den Bedarf aus ihrem Hörn des Überflusses
ausgeschüttet hätte, aushungern sollten. S. Gölting. gel. Anz. 1809. S. 1092 — locjö , wo
eine beherzigungswerthe Ansicht über den freyen Kornhandel vorkommt.
§• 29.
Beförderungsmittel des Ackerbaues.
Yiele und uiannigfakigc Hindernisse stehen demnach den grösseren Fortschrit-
ten des Ackcriiaucs in den europäischen Ländern im Wegej doch nie war man eifriger
II. Urpioduction. §. Sp. Befcrderungsiuillel des Ackerbaues. ^i
Lcmiilit, das Gewerbe des Landmannes zu heben, als in unserm Zciialier. Sowohl
weise und edle Regierungen, als auch einsichlsvoUe luid patriotische Guishciren ma-
chen es sich zum Geschäfte inid sludiren darauf, die Überfläche des Erdbodens zu
verbessern und zu verschönern, oder der Natur durch Kunst zu Hülfe zu kommen
und fast jedes Land Europa's hat von dergleichen belohnenden Eroberungen, wodurch
wüste Plätze urbar gemacht, neue Dörfer gebaut, Strassen angelegt, Canälc gegraben
Moräste abgezapft, überflüssige Wälder ausgchaucn, oder neue Holzungen gesäet wor-
den sind, seine bestimmten Siegeszeichen aufzuweisen.
Nächst der unmittelbaren Veränderung des europäischen Bodens selbst, sind
auch andere glückliche Fortschritte hier gleichfalls noch znit Achtung und Freude zu
erwähnen. Man hat nähndich mit so rühmhcher Einsicht, als edlem Willen in den
meisten Ländern die Leibeigenschaft _, als ein, weder der Würde des Menschen,
noch dem Interesse des Staates , angemessenes Verhältuiss abgestellt ; auch ist der
Frohndieiist in einigen Ländern gänzlich abgeschaflt, \n anderen in eine stellvertre-
tende angemessene Abgabe verwandelt, in wieder anderen durch Gesetze bestimmt wor-
den a). — Man trachtet immer mehr, die Gemeinlieiten zu verlheilen, schränket die
Brache ein, hat in vielen Ländern mit glücklichem Erfolge die Race dev Pferde _, der
Rinder j vornehmlich aber der Schafe veredelt, durch vermehrten Anbau der Futter-
kräuter j durch Errichtung von Thierarznej schulen h) , durch Belohnungspreise
überhaupt den Stand der J^iehzucht verbessert, und hat auch den liandinann diuch
zweckmässige Beschränkungen des Jagdregals von der drückenden JJild- und Jagd-
plage befreyel, die sonst so oft die Früchte seines Schweisses verkümmerle c).
Man hat in mehreren Ländern mit gutem Erfolge exotische Getreide- luid Holzarten
die nicht nur meist an sich edler und schöner sind, sondern auch einen viel höheren
Ertrag geben, angebauet d) , und höret nicht auf, noch mehrere aussereuropäische
Gewächse zu acclimatisiren. Man sucht die Forlschritte in den Erfindinigen derAcker-
gerälhe, der Chemie und der Botanik, und die dadurch bewirkten Neuerun"en in der
Landwirthschaft durch ökonomische Zeitschriften e) zu verbreiten. — Man hat in
den meisten Ländern Ackerbaugesellschaften f) oder Vereine verständiger Landwir-
ihe errichtet, deren Geschäft es ist, über die Entfernung der Hindernisse der Land-
wirthschaft zu berathschlagen , alle niUzliche Entdeckungen in derselben kennen zu
lernen und dieselben nach vorhergegangener Prüfung und mit Rücksicht auf die örtli-
chen Abweichungen im I^ande bekannt zu machen; atich durch Abfassung zweckmäs-
siger Ä'a/e/i^e/' zur Bildiuig der untern \olksclassen beyzutragen. — Man hat ferner
in inchreren Ländern theorethisch-practische ökonomische Institute j oder Acker-
bauschulen g) gestiftet, die tlieils als Miitelpuncte lehrreicher Versuche und Ei-fah-
rungen für eine fortgesetzte Verbesserung der Landwirthschaft, theils als Lehranstal-
ten für angehende Landwirthe können betrachtet werden. — JNIan hat iiberdiess hier
luid da eigene Lehrkanzeln der Landwirthschaft errichtet , und das Studium der
Ökonomie für Hörer der Theologie imd künftige Wirlschaftslicamte als Zwangsstu-
diiuu erklärt A). — Man hat endlich in einigen Ländern landwirthscliaftliche Feste
gefeyert i) , imi andere Landwirthe zur Vergleichung, Entdeckung eigener Mängel,
Zueignung des Guten und Nacheiferuns des Bessern zu bewciren.
,.g II. Uiproduclion. §. 3o. Getreideaiten.
a) S. ViTgloichende Darstellung der Staatsverfassung der europaischen Monarchien u. s. w.
a. a. O. , wo S. 545 — 556 der Rechtszustand der Bauern in den europäischen Staaten näher
beschrieben ist. Hier ist noch nachzutragen , dass die Leibeigenschaft jetzt auch im Mecklen-
burgischen aufgehoben ist.
b) S. Zweyte Abtheilung: Unterrichtsanstalten.
c) Jetzt kann auch die uralte Klage des w'nrtembergischen Volkes über das Jagdwesen nicht
mehr gehöret werden. In Folge der königl. VerordnuTig vom 18. Januar 1817 ist den Ge-
meinden das Recht eingeräumt, Communal - J'VililschTäzen aufzustellen. Das Schwarzwild
soll ausser den Thiergärlen ganz ausgerottet, der Bestand des Rothwddes mit der Waldllä-
che in richtiges Verhältniss gesetzt werden. Wildschäden werden von Seite der Staatscasse
nicht mehr vergütet, wohl aber von den Forstbeamten, wenn sie das zur Abwendung des
Wildschadens Vorgeschriebene unterlassen. S. Osterr. Beob. ]Nr. 53. 1817. S. 168.
d) Wie z. B. in Österreich ,Preusseii , Sachsen, und andern Gegenden Deutschlands. S. H. A.
' L. Z. Nr. 291. 1812. S. 654 ff-
e) Wie z. B. die vom Hrn. C C. y^/n/re herausgegebenen ökonomischen Neuigkeiten, Thaer's
Annalen , die landwirthschaftlichen Blätter von Hofii-yl u. s. vv.
f) S. zweyte Abtbeilung : Anstalten und Hiilfsmittel zur höheren Ausbildung der Wissenschaften.
s) S. zweyte Abtheilung : Unterrichtsanstalten.
7i) Wie z. B. an den österreichischen Universitäten , Lycäen und Akademien.
i) Wie z. B. in England , Baiern und in der Schn-'eiz. Die Feyerlichkeiten , mit denen das
landwirthschaflliche Fest des Herzogs v. Bedford zn ff^oburn-Asley i8o5 den i5. Juny began-
gen wurde, dauerten dreyTage, und Besichtigungen der geschornen Schafwolle, der fetten
Hammel, Widder, neu erfundenen Ackergeräthe , wechselten mit dem Verkaufe des gemä-
steten Viehes ab. — Zu dem am 3o. Juny 1810 zu Hofii'yl gefeyerten landwirthschaftlichen
Feste waren über 200 Wagen aller Art gefahren , und fanden sich bey 4000 Personen ein.
In Baiern wird alljährlich bey Njmphenburg auf der Theresieniviese das Central-Landwirth-
schaftsfest gefeyert , indem an die um die Veredlung der Viehzucht sich verdient geraach-
len Laudwirlhe Medaillen und Fahnen vertheilt >verden.
§. 3o.
Getreidearten.
Die Geti'cideai'ten j uclche in Europa, jedoch nicht allein allen Landern ge-
bauel werden, sind: Roggen (secale ccreale) , T Veitzen (iviucnm) , Spelt oder Dinkel
(triticum spella zea) fi) , Gerste (hordeum) , Hafer (avena) , Bucliweitzen oder Hei-
dekorn (polygonitni lagopyruin) h) , Hirse (jMxmcmn), i)/cior/»'/',ye (liolcus dura) c). Reis
(oryza) d) und Mtds (zea mays) e) , tiirkisch Kukuru_, ungrisch Kukiiritza genannt, und
von den Deutschen, Italienern, und Franzosen, die diese Pflanze in den lürkischenLän-
dern fanden, unter dem Nahmen von türkischem TFeitzen in ihr Vaterland verpflanzt.
— DieLänder, welche Üherfluss an Getreide haben, und vieles ausführen können, sind:
Russland f) , Polen ^ Galizien g) , Ungern k) , Preussen i) , Dänemark k), Belgien ^
Irland T)j das lombardlsch-^'enetianische Kijingreich j, Sicilien m) , mehrere deut-
sche Länder«), nahmcnllich Böhmen o) , Mähren ^ Baiern y), JVürtemberg j Meck-
lenburg , Holstein j die preussisch-dcutschen Provinzen ÄvcA.yeWj ISiederrheia j Pom-
mern, u. s. w. Dagegen hediirfen Holland,, England q), Portugal , Spanien ^ Frank-
reich ;■), die Schweiz ^ Schweden ,, Norwei^eii ^ Island , mehrere deutsche s) , mid
italienische Länder /) , die europäische Tiirkey u. .s. w. mehr oder weniger, entweder
II. Urpro<?uclioi). ^. 5o Getruideartcu. ^3
für beständig, oder von Zeit zu Zeit, der Znfnlir \on jenen, oder von der nordafri-
kutnschen Küste, von Jegjpten und Äordamei ika j wenn jene europäisclien Korn-
kannnein nielit zureichen. Aus Mangel an Nahrung NAandcrn jährhch 5 — 6000 Sa-
vojorden und jo — 40,000 Tjroler (auf 2 — 6 Monalhe) in's Ausland, so \vie aus dem-
sell>en Grunde ^ von der Bevölkerung der Pyrenäen jahrlich zu gewissen Zeilen in
anderen Gegenden des In- und Auslandes seinen Unterhalt sucht. Der Tormann und
der nördliche Sch^vede nähret sich von Gersten- und Huferbvotj und B.lndenhrot_, wozu
nicht die Rinde der Fichte (piniis aLics) , wie gemeiniglich gesagt wird, sondern die
Rinde der Kiefer (pinns sylvestris) gehraucht wird, dienet denselben als Nothbrot.
Auch nehmen die dürftigen Gebirgshew ohneri\'o7tv'eg'e??^j so wie die Isländer _, in Miss-
jahren zum isländischen Moose (liehen island.) mid anderen Moosarlcn ihre Zuflucht uj.
a) Er wird in Frankreich , in der Scfiii-'eiz und in Süddeiilsc/iland j nahmentlicli in Schwaben ,
in der Pfalz und in Franken gebauet. Im Tf^ürlembergischeji ist der Dinkel die allgemeinste
Fruchtgattung. Er verhält sieh zum Roggen wie i5o : 10. Das aus dieser Gelreideart be-
reitete Mehl ist zu Mehlspeisen , dessgleichen zu Kuchen und anderem feinen Backwerke
ganz vorzüglich brauchbar. Die feinste Sorte, welche unter dem JNahmen Frankfurter- oder
Nürnhergermehl bekannt ist, wird durch ganz Europa versendet,
i) Es hat seinen Hauptsilz in Russlandj Scliweden , Galizien , in mclireren deutschen Län-
dern, nahmentlich im Liineburgischen , in der Mark Brandenburg j in Hohleiii, in Unter-
stej-crmaik, Kärnlhen , Kraiii u. s. w. ; dann im nördlichen Ungern, im Burzeidande in
Siebenbürgen, in der Türkej , in Jlalien u. s. \v. Es gibt neben guiem Mehle zugleich eine
\orzügliche Grütze, und die Blüthen davon sind die belieL'.este IVahrung der Bienen.
«) Diese Getreideart wird in Europa nur in einigen Ländern gesäet, nahmenilich in Spanien,
Italien, auf den jonischen Inseln und in der Türkej. Das daraus bereitete 3Iehl ist unter
dem Nahmen. DurafncA/ bekannt.
d) Er wird in Europa ebenfalls nur in einigen Ländern gebauet, nahmentlich in Por/f/g'a?, Spa-
nien , Italien, in der Türkey und im ehemaligen Banat , auf königlichen Kammcrgüiern.
In Deutschland hat man hier und da, wie z. B. zu Josslowilz in Mühren, mit dem Anbaue
desselben Versuche gemacht, aber ohne glücklichen Erfolg, da er daselbst keinen nassen
Boden vertragen kann , den er in den südlichen europäischen Ländern und den andern
Haupitheilen des Erdbodens verlangt, woselbl aber die Gegenden, wo er gebauel wird , unge-
sund sind. Daher denn seit 1809 sämmtliche Reisfelder in der Lombardie \ on den Städten, festen
Plätzen und Gemeinden eine gewisse Distanz entfernt seyn müssen , a on Mailand z. B. we-
nigstens 8000 Meter. S. Allgem. Zeit. Nr. 02. i8og.
e) Diese Getreideart, deren Mutterland Amerika ist, wird jetzt in Europa am stärksten in
Jlalien t Croatien, Slai'onien, Ungern , vornehmlich diessseits der Donau, und in Sieben-
bürgen gebauet; nächstdem in der Bukowina, in Taurien, in der Türkej, Spanien , Portugal,
Frankreich, in Aar Schweiz und in Süddeutschlaiid j über Frankfurt am Main hört jedoch
die Mais-Cultur, nach Hrn. Burger, auf f^gland ist derselben, ihm zufolge, fähig, ob
sie gleich da nicht gewöhnlich ist. Diese Pflanze ist sehr nützlich , nicht nur weil eine Ähre
3 — 600 Körner enthält, und ein einziger Stengel, wenn er Raum genug hat, dergleichen
Ähren 3 — 4 treibt, sondern auch, weil sie ein sehr schönes und wohlschmeckendes Mehl
gibt , und zugleich für alles Hausvieh , sowohl unter den Säugethieren als unter dem Haus-
geflügel, ein herrliches Futter ist. Der Italiener bereitet aus dem Maismehle die sogenannte
Polenia, der Walache die Mummali ge xinA Mammelej. Erstere ist eine zu Brey gekochte
Speise, an die sich selbst der Deutsche leicht gewöhnt; letztere ist ein Backwerk, das aber
noch an demselben Tage , an welchem es gebacken ist , genossen werden muss. Joh. Bur-
74 II- Urproduction. ^. 3i. FutUrträuler.
ger's vollständige Abhandlung über die Naturgeschichte, Cultur und Benutzung des Mais
oder türkischen Weitzens. Wien , 1809. 8. Vergl. Annalen der Lit. und Kunst in dem öster-
reicliischen Raiserthume. März und April , 1809.
/) Russtand hat im Jahre 1817 aus allen seinen Häfen für i25 Mill. Rubel Korn nach dem
Auslande ausgeführt. S. Polit. Journ. Febr. 1818. S. i2o.
g) Galizien hat in guten Jahren über 1 Äliil. Motzen Getreide zur Ausfuhre übrig.
h) Ungern kann selbst in Jahren mittlerer Fruchtbarkeit jährlich 2,200,000 , nach andern über
3 Mill. Metzcn Getreide aller Art ausführen.
1) Ostpreussen allein erntet in guten Jahren über 9 Mill. Scheffel Getreide.
k) Dänemark führt jährlich it 3Iill. Tonnen Getreide nach Norwegen, Holland ani England ans,.
/) /Wanrf sendet , nach Crome , jährlich 1 Mill. Tonnen Getreide nach England.
ni) Die jährliche Getreideausfuhre aus SiciUen, welche Insel schon Cicero die Kornkammer
Italiens und die Amme des römischen Volkes nannte, ist nach Rehfues 4,5oo,ooo Ducaten werth.
/)) Deutschland kann in guten Jahren für 18 Mill. fl. Getreide ausführen.
c) Böhmen hat in guten Jahren einen Uberschuss von 6 — 700,000 iMetzen Getreide zur Aus-
fuhre übrig.
jt) Der harkreis allein kann nach einem i5jährigen Durchschnitte (1774 — 1786) i63 — 164,000
3Ietzen Getreide an das Ausland überlassen. Im J. 1816 wurden in dem besagten Kreise,
dann im Retzal- und Regenkreise , so wie in den bejden Donaukreisen auf den inländischen
Märkten für mehr als 07,000,000 fl. Früchte verkauft, wovon München allein g- und darüber
kaufte und consumirte.
i^) England nebst [Vales bedarf zur Consumtion 8 Mill. 5oo,ooo Quarters Getreide ; aber das
Land gewinnt im fruchtbaresten Jahre nur 6 Mill. , und es müssen noch 2,5oo,ooo Quar-
ters eingeführt werden. S. Polit. Journ. Jiily 1809. S. 721 ff. Nach der neuen Kornb.Il
(i8i5) darf nur erst dann Weitzen eingeführt werden, wenn der Preis llir das Quarter bo
Schill, und darüber ist.
r) Frankreich hat zwar, was auffallend ist, im J. 1810, London mit 334,8o6 Quarters Wei-
tzen und 202,922 Ctr. Mehl versehen (s. Götting. gel. Anz. i8i5. St. 84. S. 467); allein
damals besass es das getreidereiche Belgien und das gesegnete linke Rheinufer, welche Län-
der es in den Jahren 1814 und i8i5' abtreten musste , und es hängt jetzt wieder in Anse-
hung des Getreides vom Auslande ab.
i) Z. B. das Königreich Sachsen, das Erzherzoglhum Österreich unter der Enns u. s. w. ; jenes
verlor durch die Theilung im J. i8i5 seine kornreichsten Provinzen Thüringen und die Stif-
ter; dieses muss besonders dess\vegen fremdes Getreide einführen, >veil es die volkreichste
Stadt des österr. Raiserlhumes enthält , die allein die Production einer ganzen Pro>inz nö-
thig hat. Denn nach einem mehrjährigen Durchschnitte werden jährlich nach Wien zur
Verzehrung gebracht: an weissem Mehl 448>ooo Ctr., an sch\varzem Mehl 3go,ooo Ctr.,
an Weitzen und Roggen 38o,ooo Metzen , an Gerste 170,000 und an Hafei C;3o,ooo Metzen.
i\ Z. B. Sacoren, Genua, Lucca , der Kirchenstaat u. s. w.
u) Island hatlc im 18. Jahrhunderte 45 Missjahre: 14 davon hallen eine allgemeine Hungers-
iioth , und grossen Verlust an Menschen und Ilauslliieren zur Folge. S. Polit. Journ. 1809.
Sept. i>. 955.
§. 3l.
Futterkräuter.
Die Futterki'äuter Avacliscii in Euiopa llieils ^^ild, tlicils werden sie gesäct und
im Grossen diircli Kunst gezogen. Der Aid)au derselben ist die Seele der Landvvirth-
schaft, der Grund , auf -welcJuni der liöhere oder niedere Stand derselben berulu.
II. Üiproduclioii. ■§ 32. Gai tcii^ewäolise. jS
Durch iiiii ist es möglich ^ einen grösseren Vichsiappel zu crhakcn und das l^and
rruchlbringcnder zu machen. Am ausgezeichnetesten ist (heser Zw eig der landwirlh-
schafihchen Industrie in den Niederlanden luid in England aj ; näclistdcni in der
Lomhardie b') , in Frankfcich c) , in Deutschland , vornehmhch in dessen südhcher
Hälfte, und in der Schweiz _, wo unter andern auch der Steinklee (irifbliimi inelilotus)
häufig gehauet wird^ um dem Käse eine grüne J^arbe imd einen hesojidercn Geruch
zu gehen; aber auch in anderen eiuopäischen Ländern, z. B. in Galizien^ Ungern d),
Siebenbiirgen e) , Tiussland f) und Schweden ist der Anhau der Futlerkräuter, be-
sonders der verschiedenen Kleearten im Gange. Wie wichtig für manchen Ort der
Handel mit Kleesamen ist, dienet unter andern die Stadt Creutzenach in der preus-
sischen Provinz Niederrhein zum,?, Beweise 5 die jährlich für 2,600,000 Franken Klee-
samen , besonders nach Holland imd dem südlichen Frankreich verkauft g). Der Grii-
tzerkreis in Stcyermark führt in manchem Jahre über 2000 Cti-. Klecsanien aus h) ,
so wie die deutschen Cnlonisten im Sandecerkreise in Galizien jährlich über 1000 Gtr.
Kleesamen versenden i).
d) In England ist der oben (s. §. 27. Note b) angeRihrteii Gründe ^vegen die Fiitlererzeugung
so bedeutend, dass auch andere Länder, wie z. B. jSoruegen , mit englischem //fM versorgt
werden. S. Monalhl. Correspondenz u. s. w. 1810. July S. 76. — i) Das ganze Land um
Mailind wird durch Canäle gewässert ,• die überall gezogen sind; man mähet drey-, auch
wohl viermal im Jahre die Wiesen.. — c) In Frankreich sollen 5,364i8oo Arpents natürli-
che Wiesen , und was auffallend ist, 6,332, loo Arp. künstliche Wiesen seyn. S. Crome a. a.
O. S. ig2. — d) In der Zij)s , dann um Szarvas , Eperies u. s. w. — e) Im Lande der
Sachsen. — f) In den Ostseeprovinzen und dem Gouvernement Nos/iau. — g) S. Hall. A.
L. Z. 1810. S. 878. — /i) S. Sartori's skizzirte Darstellung der physikalischen Beschaffen-
heit von dem Herzoglhume Steyermark. S. 219. — i) S. £rcf.'e/«/^'A Reisebemerkungen u. s. w,
Bd. 1. S. 253 ff.
§• 32.
Gartengewächse.
Die in Europa gangbaren Gartengewächse j welche zum Unterhalte der Men-
schen, und zum Theil des Yiehes , besonders der melkenden Kühe, 'gebauel werden,
sind: Kohl- a) , Wurzel- b) , Knoll- c) , Zwiebel- d) und Salatgewüchse e); dann
Spinat j, Hülsenfrüchte f)j Aepfel- g) und Spargelkräuter h) , Blumen frücl d e ^
Beerenkräuter i) und Gewiirzpjlanzen k) , welche letztere nicht sowohl zur Speise,
als zur Würzimg derselben dienen. — Der Gartenbau ist, so wie die Bev\ohnungen
eines Landes, fast allgemein der Massstab der hidustrie und Cultur des Landes und
Volkes. Gärten im schonen Gcschmacke linden sich in den europäischen Ländern häu-
fig bey Privatpersonen auf dem Lande, selbst in solchen Ländern, wo, wie z. B. in
Russland j die Gartencultur, so wie die übrigen edleren Zweige der landwirthschaft-
lichei\ Industrie , noch wenig über das Mittelmässige erhoben ist; aber das Gartenwe-
sen von Se.ite sein.er höheren Nützlichkeit auf eine vollkommnere Stufe zu hrinüen , ist
noch kein allgemeines Bestreben der europäischen Nationen. Nur in EnglandlJ ^ Frank-
reich _, Italien _, DeutscJdand mj _, vornehndich aber in duin JSiedej'lanacn _, wo auch
die ßlumencultur den höclisten Grad der Vollkommenheit erreicht hat tij _, ist jenes
7Ö II. Urproductiou, 51 32. Gaiteugewächse.
Bestreben sichtbar, wahrend in den übiigen Ländern der Sinn für Gartenculttu- nur
da mit Erfolg sich äussert, wo grosse Städte der Speculation der Unternehmer ent-
sprcclicn.
a) Unlor den verschiedenen Roldarten wird der Tf^eiss- oder Kopfkohl (brassica oleracea ca-
pitata) am allerhäufigsteii gezogen. Die festen Köpfe werden häufig zu iSawerA-rau* verbraucht,
das in melireren Ländern , z. B. in Ungern , Schlesien , Österreich unter der Enns u. s. w.
ein fast tägliches Gericht und ein bewährtes Büttel wider den Scorbut — jene fdrchterliche
Krankheit der Seefahrer — ist. Man hat daher in London grosse Sauerkraul-Manafacluren,
angelegt, und die dadurch vermehrte Consumtion des Weisskohls macht diesen Nahrungs-
zweig der Landleute noch blühender.
b) Unter den Pf^arzelgewächsen wurde die Runkelrübe (beia altissima) , wegen ihrer Eigen-
schaft zur Zuckerfabricalion , in mehreren Ländern Europa's , nahmentlich in Österreich un-
ter der Enns, in Böhmen, Sachsen, Preussisch - Schlesien , Frankreich, Russland \i. s. w.
häufig gezogen; der Anbau derselben hat jedoch sehr nachgelassen, seitdem der ausländi-
sche Zucker aus Zuckerrohr im Preise gefallen ist. — Vorzüglich schmackhafte Rüben (Steck-
rüben') werden zu Tehoif in der Mark Brandenburg , zu Lelpheim und PJater in Raiern , zu
Jettingen in Würtemberg , zu Thurotz in Ungern u. s. w. , gezogen. Nicht minder schmack-
haft und dabey sehr nützlich zum Genüsse für den Landmann sowohl, als für den Städter,
frisch und eingesäuert , sind unsere weisse Rüben.
c) Unter den Knollgewächsen verdienen hier insonderheit die Kartoffeln (solanum tubero-
sum) bemerket zu werden. Dieses ursprünglich amerikanische Gewächs , welches i585 oder
i5c)o zuerst in Europa eingeführt wurde, und dessen Anbau in einigen Ländern, wie
z. B. in f-Vürtemberg , anfangs bey Strafe befohlen, oder, wie den Einwohnern der Boche
di Caltaro , als Religionspflicht empfohlen werden musste, gewinnt jetzt, wegen seines
durch die Erfahrung bestätigten Nutzens , in den europäischen Ländern immer mehr und
allgemeinern Eingang. Der Umstand , dass diese Knollen auch gefroren noch sehr gut be-
nutzt werden können , erhöhet ihren Werth , s. C. C. Andres Zeitsclirift etc. Januar, 180g.
Seite 114 ff- Auch ist der Genuss der unreifen, d. i. jungen Kartoffeln, nicht scliädlich.
S. Von der Unschädlichkeit der unreifen Kartoffeln , in C. C. 4ndre's Zeitschrift etc. St. 5.
1809. S. 348 — 355. — Am meisten wird der Anbau dieser Frucht im brillischen Reiche
betrieben, vornehmlich in Irland, wo eine Hungersnoth unvermeidlich ist, wenn sie
missräth. Es werden in allen drey brittischen Königreichen jährlich für 15,923,626 Pfund
Sterlinge Kartoffeln gebaut, und von Menschen und Vieh verzehrt. Nächst dem britti-
schen Reiche ist der Kartoffelbau am stärksten in den Niederlanden , der Schweiz , in
Schweden , Norivegen und Deutschland. Im erzgebirgischen und »oigtländischi n Kreise des
Königreichs Sachsen leben mehr als 400,000 Menschen, wenigstens den ganzen Winter hin-
durch , bloss von Kartoffeln. In Freussisch-Schlesie/i betrug in den Regierung'sbezirken Op-
peln und Breslau die Aussaat an Kartoffeln im J. 1817 : 447i2oo Scheffel. — In dem öster-
reichischen Staate ist der Kartoffelbau am ausgebreltetsten in dem Antheile an Schlesien ,
in Böhmen, Mähren, Galizien und in dem Erzherzoglhume Österreich ; in Ungern und Sie-
benbürgen wird er nicht nur von den deutschen Einwohnern sehr fleissig betrieben , sondern
selbst ungrische und slacische Dörfer vergessen jetzt schon ihren angebornen Ilass g 'gen die-
ses Gewächs, und suchen es häufig. Unter den Szeklern wird es durch den Betrieb ihrer
Ofiiciere schon häufiger angetroffen. Übrigens verhaltcji sich nach neueren B:>obachtungen
2A oder 2j Berl. Scheffel Kartoffeln In der Nahrhaftigkeit erst i Scheffel Roggen gleich ; al-
so stehen sie diesem in dieser Hinsicht sehr nach.
d) Zwiebeln (alliiim cepa) von vorzüglicher Güte gewinnt man in Italien und Spanien ; in
letzterem Lande haben einen ausnehmend guten Geschmack die grossen, süssen , sehr hau-
II. Urproduclioa. §. 32. Gartengewächse. 77
fig zur Speise dienenden Zwiebeln, Palaten genannt; besonders werden die Palalen von
Malaga geschätzt. Noch zarter und süsser ist die kleine weisse ßorenlinisilie Zwiebel. In
Deutschland sind ganz vorzüglich die Griesheimer Zwiebeln im Grossherzogthum;- Hessen.
e) Unter den Salalgeifüchsen wurde die Cichorie (Cichorium intybus) ehedem als Surrogat des
Kaffehs , oder vielmehr (da keine Pflanze, die in Europa wächst, auch die zu den RnoU-
gewächsen gehörige Erdniandel (cyperus esculentus) nicht, die man ebenfalls in neueren
Zeiten als Stellvertreter der arabischen Bohne empfohlen hat, uns diese Bohn<> ersetzen kann)
nur als Zusatz, häufiger gebauet als jetzt.
/) Unter den Hülsenfrüchten, ist der Anbau von Erbsen (pisum sativum) und Bohnen (phasco-
lus), besonders in den Umgebungen grosser Städte, ein sehr einträglicher Nahrungszweig
für viele Gärtner und Landbauer, nicht sowohl der reifen Früchte, sondern vielmehr der
grünen Erbsen und der jungen Bohnenschoten wegen, die daselbst als Gemüse sichern und
starken Absatz fmden. Unter den Gartenerbsen zeichnen sich aus : die grosse holliindisrhe
Zuckererbse mit zwey Finger breiten , und einen halben Fuss langen Schoten , und die eng-
lische Zii'ergzuckererbse. — In den österreichischen Staaten werden für die besten Erbsen
die Toloplasser in Mähren , die J Veit ersf eider in Osterreich unter der Enns und die Leut
schauer in Ungern gehalten. — In Spanien werden die (iaracanzos , eine Art grosser gelber
Kichererbsen (eine bey uns nicht geachtete Frucht) sehr geschätzt. Den grössten Überfluss
an Erbsen und andern Hülsenfrüchten aber hat Sicilien. Es führt davon, nach Rehfues ,
jährlich 80,000 Salmen für 800,000 Ducati aus.
g) Die ApJ'elkräuter liefern vielleicht die einzigen cssbaren Früchte, welche man nur geniesst,
so lange sie unreif sind, nach der Reife hingegen nicht mehr aclitet. Die in Europa bekann-
testen Sorten sind: 1) die Gurken (cucumis sativus) , deren häufiger Genuss den x\nbau im
Grossen, auf dem Felde, wie z. B. in Thüringen , in der Lausitz, bey Znaj-m in Mäh-
ren u. s. w. , sehr vortheilhaft macht. 2) Die Zucker- und TF'asserinelonen oder Arbusen
(cucumis melo und Cucurbita citrullus), die am häufigsten, mannigfaltigsten und besten,
nicht sowohl in Gärten als auf freyeni Felde, in Italien, Spanien, Ungern, vornehmlich in
Bekes , in der Türkej- und im Süd- und mittleren Russland zwischen Tula und Kursk gezo-
gen werden. In letzterem Lande kaufte Marie Guthrie für Einen Kopeken die schönste Me-
lone. S. Gütting. gel. Anz. i8o4. St. 2i. S. 2o5 ff. Die oft 2o — 00 Pf schweren Arbusen
sind, wegen ihres ungemein saftigen, röthlichen Fleisches, ein wahres Labsal für den ge-
meinen Mann in der drückenden Sommerhitze. Die Vermöglicheren (in Ungern) schütten
in die durchschnittene Hälfte Wein, und fassen das so mit Nectar getränkte Fleisch mit
Löffeln, als eine kühlende und zugleich stärkende Speise heraus. Die mit aufgeschüttetem
Wasser im Mörser zerstossenen Kerne geben eine prächtige Mandelmilch , die leeren grünen
Schalen ein gutes Futter für Gänse , Enten , das Borsten- , ja selbst Hornvieh. 3) Die Kür-
bisse (cucurblli) , die theils an besonderen Plätzen, theils zwischen dem Rukurutz, theils
an die Zaunumgebungen gepflanzt werden. Ihr Fleisch ist ein treffliches Futter für Schwei-
ne und milchende Kühe. Die Kerne lassen sich zu Öhl und Mandelmilch anwenden. Eine
Art derselben, die Cucurbita pepo , ist in Stücke zerschnitten und im Backofen bey eben so
grosser Hitze, wie das Brot gebacken , dem U/iger und Slacen eine süsse, beliebte Speise.
Die so gobackenen Schnitze werden auf Jahr- und Wochcnmärktcn gewöhnlich in dem ste-
henden Brolpreise , ja als Leckerbissen , \vohl auch noch thcurer , verkauft.
h) Der iS'/jarge/ (asparagus oflicinalis) wächst in Europa hin und \vied'.'r, wie z. B. in Un-
gern, Galizien , Russland u. s. w. wild, wird aber in diesen und andern Ländern auch in
Gärten und auf Feldern gepflanzt. Durch Grösse zeichnet sich besonders der holländische,
durch Schmackhafligkeit der A/)ü^iSc/i« iSpar^ei, vornehmlich der von Aranjuez, aus; aber
auch in unduiaf^ien, hcy Ziiaym , Brunn, Nürnberg, Bamberg, Ulm, üarnstadt , Braun.-
ij, II. Urproductioii. ^. Ö2. Gai tei>ge«ücl;si'.
schweig , TP'olfenhi'iüel und in anderen Gegenden Deutschlands, so wie um Paris und St. Pe-
tersburg wild \orzüglich schöner und guter Spargel gezogen.
i) Die Erdbeere (fragaria vesca) wird als eine der frühesten , gesundesten und angenehinslen
Früchte überall geschätzt. Sie wird nicht nur in Wäldern und auf Triften wild gefunden ,
sondern auch häufig in Gärten gezogen.
k) Die europäischen Gärten und Felder liefern eine grosse IMenge Geii-ürze , die aber, seitdem
die hitzigen und schädlichen os/iV)(/wc/if7i Ge\vürze unsern Gaumen verderbt haben, zum
Theil sehr herabge\viirdigct worden. Hiehcr gehören vorzüglich der auch wild wachsende
Kümmel (carum carui) , der Jnies (pimpinella anisum) , der Fenchel (anelhum) , der Corian-
der (coriandrum sativum) , der Majoran (origanum majorana) , der Saturey (satureja) , der
Senf {sinstpis}, der spanische PfeJJcr (caspicum annuum) u. s. w. Dieser letztere, in Ungern
Taprika genannt , ist ein in diesem Lande allgemeines Surrogat des ausländischen PfefTers,
Es wird ihm , vielleicht nicht mit Unrecht, wegen seiner Magen erwärmenden und stär-
kenden Kraft, allein die Ursache zugeschrieben, warum bey dem so häufigen Genüsse der
zu fetten und meistens aus Speck und Fleisch beslohenden Kost, wozu der ärmere Theil
meistens Wasser trinkt , nicht mehr Krankheiten aus Un\ crdaulichkeit unter der gemeinen
Volksciasse- entstehen.
l) In England, wo Aar Dampf m der Mechanik so grosse Dienste leistet, fängt diese Kraft
auch mit vielem Nutzen an, bey der Gartenkunst gebraucht zu werden. Er wird nähmlich
zum Heitzen der Treibhäuser angewendet, und eignet sich dazu auf eine besonders vor-
theilhafte Art. Sogenannte Dampfrohren {slewlng pipes) treten an die Stelle der Feuergänge
oder Feuorzüge (ßuis) und der in Deutschland gebrauchten Öfen. Ausser der Heitzung
selbst, hat man auch den Vortheil der Dampfbefeuciitung , wenn man es will, die den Ge-
wächsen unter gewissen Umständen sehr heikam und zuträglich ist. Man kann nähmlich
an gewissen Stellen der Rijhren , vermittelst eines Hahnes oder Drehzapfens , dieselben öff-
nen und Dampf herauslassen. S. Gütting. gel. Anz. iöi8. St. 119. S. 1188.
m) Vorzüglich zeichnen sich durch Betriebsamkeit und Erzeugung Jeiner Küchengewächse die
Geg(*nden von If^ien , Znajm , Brunn, Nürnberg, Bamberg, Ulm, Esslingen, Slullgarl ,
Darmstadt , Braunschweig , ff^offenbüttel u. s. w. aus, Gegenden, welche ihre Gartener-
zeugnisse zum Theil auf >veite Entfernungen versenden. Einen bedeutenden Handel mit Sä-
tnereyen treiben besonders die Gegend<m von Bamberg , ff^ürzburg und Nürnberg, so \vie
die Bewohner des Dorfes Gonningen in Würtemberg , welche den Samen in der Gegend
von Nürnberg und Würzburg erkaufen , auch aus Holland ^•erschreiben , und damit nach
Ungern , der Tiirkej- , Stockholm , St. Petersbui-g , Moskau, ja bis nach Sibirien hausiren.
7j) Der Hauptsitz der Blumcncuitur und des Blumenhandels ist zu Huarlem. Die dasigen Lieb-
haber und Kenner von Blumen legen sich besonders auf die Zucht der Tulpen, Hyac'nthen ,
Narcissen , Fianunkeln , Aurikeln , Nelken und anderer Blumen, wozu sie besonders der Um-
stand veranlasste, dass die Liebhaberey, mehrere Blumen, insonderheit Hyacinthen , auch
in Gläsern und Töpfen des Winters im Zimmer zu halten , so allgemein in Gang gekom-
men ist. Zwischert Alkmaar und Leyden rechnet man über 2o Morgen Landes , die allein
den Hyacinthen , zur Befriedigung der Käufer gewidmet sind. Die Haarlemer Hyacinthen-
zwiebeln finden einen ausgebreiteten Absatz , bis nach den entferntesten Gegenden , nach
der Türker , nach dem Vorgebirge der guten Hoffnung und nach Amerika. Das meiste aber
wird debitirt nach Deutschland, England un<l Russland. Im J. 1730 bezahlte man fvir eine
Hyacinthe i85o Gulden. Die Tulpen kamen früher empor. In den Jahren i63G — 37 bezahlte
man für eine Tulpe Semper Augustus i3,ooo Gulden, und für drey dergleichen zusammen
3o,ooo Gulden. Der Schwindel dauerte ein Jahr; aber noch jetzt verkauft man eine rare
Tulpe für 25 — i5o Gl. S. Merkantilische Annalen für den österreichischen Kaiserstaat.
II. Urproduction. § 33. Baumfrliclite. ju
Wien, 1811. Jahrg. 3. S. 5 — 7. Vergl. Allg. geogr. Ephem. Bd. 32. S. 66. — In Frank-
reich empfängt das einzige Grace aus der Nachbarschaft für Blumen jährlich 5o,ooo Fr.
S. Allg. geogr. Ephem. Bd. 27. S. 181. — In Schollland hat die Gärtnergesellschaft zu
Edinburgh im j. i8o5 unter andern für die schönsten Nelken Preise ausgesetzt, und in
England j wo im J. 1806 eine horticullitral Society zu London errichtet wurde, ist eine
Wette von 5oo Guineen zwischen den Floristen in London und Ubridge , welche von bei-
den Parteyen den ersten Nelkenflor produciren würde , von dazu vorher erwählten Rich-
tern zum Vorlheil jener entschieden worden. — In Wien ist im Februar 1822 eine Blu-
menhalle eröffnet worden , die in Hinsicht der Menge , Mannigfaltigkeit und Seltenheit der
Blumen, so wie der Gewächse überhaupt, ihres Gleichen sucht.
§. 53.
B a u m f r U c h t e.
Die gewöhnlichen Baunifrüchte oder Obstarten, als: die Birne (pyrus), dei- Apfei
(pyrus malus), die PJlaume (prunus) und die Kirsche (piimus cerasus) gehören dem
mittleren und kalten LandstricLe Europas an; sie kommen bis zum 58° fort 3 oI)sclion
einzelne Arten, die Kirsche und die PflaimiCj Ley hesonderer Pflege auch noch nojtl-
liclicr angetroffen werden. Alle diese Obslarten kommen auch in den Ländern des
wannen Landstriches , z. B. in Italien _, nicht nur trefflich fori aj ^ sondern sind
auch dort viel schmackhafter und aromatischer als in den Ländern des mittleren und
kalten Landstriches. Aber auch in mehreren Ländern des juitlleren Erdstiiches , als :
in Frankreichs bj nördlichen Gegenden, in den Niederlanden j, in England _, der
Schweiz j in Deutschland cj und Ungern dj gibt es herrliches Obst, mid hier und
da zugleich in solcher Menge, dass es thcils zu ylepfel- und Birnwein odci Most
(cidre und poire') ej benutzt, iheils gedörrt fj , nnd nicht nur in diesem Zustande,
sondern auch ruh ausgeführt wird. In Böhmen und Mähren gj wird von Pflaumen
vorzüglich viel Mass {'PowidelJ zum \ erkauf bereitet, luid in Ungern j Croatien
imd SlavonieUj so wie in mehreren deutschen Ländern, z. B. im Erzherzogthume
Oesterreichj im Grossherzogthume Baden u. s.yi . Branntwein fSlivovitzaJ gebrannt.
Der berühmteste und geistreichste Slivovitza ist der Sjrmier j, welcher in ganz Ungern
verführt wird, und auch wohl in die österreichisch-deutschen Erbländer, wenn nicht
gar in's übrige Deutschland. — ■ Im Knrarlhergischen j, in der Schweiz j, in Jf'ürteni-
herg und Baden bereiteiman aus Kirsclien ein , dem Branntwein ähnliches, sehr geist-
reiches, wohlschmeckendes und gesimdcs Getränk unter dem Nahmen Kirschengeist
oder Kirschenwasser j so wie in Dalmatien aus Maraschen j einer diesem Lande ei-
gcnthümlichen Weichselart, ein trefflicher Liqueur erzeuget wird. — l^^ie feineren
Obstarien, als: die JVallnuss C]U'^a.ns regia) lij ^ die Kastanie (fagus caslanea) ij ^ die
7J/a7j<i?e/ (amygdalus connnunis) kj j die P/T/'iYc/ie (amygdalus persica) , die Jprikose
(prunus armeniaca) Ij ^ die IMispel (niesplhis) und die Quitte (pyrus cidonia) mj ge-
deihen nur in den Ländern des nnltleren und warmen Erdstrichs, in diesen sind ic-
duch die Früchte viel schmackliafler und köstlicher, als in jenen. — Die Obstcultur
hat in imsern Tagen mehr Liebhaber gewonnen, und es ist angenehm zu sehen, wie
dieser wichtige Zweig der Landwirlhschafl durch Schriften befördert und durch
zweckmässige Einrichtungen der Laumschiden nj auf eine höhere Slufe der Ausbil-
Öo II. ürproduction. ^. 55 Baumfrüchte.
dung, besonders in Deutschland j Frankreich und den Niederlanden j erhoben ■und.
In Ungern exislirt seit mehreren Jahren eine pomologische Gesellscliaft oj j inid fin-
det man viele Gutsbesitzer, die anf ihre Garten und die ^ eriuehrung auserlesener
Obstgattungen sehr viel verwenden.
Die edleren Banmfrüchte oder Süd fruchte ^ als die OU\>e (olea) ^J ^ die Ci-
trone (citrus medica) , die Pomeranze (citrus aiu-aniinni) qj j die Dattel (phoenix
dactjhfera) rj, die Feige (ficus carica) sj ^ die Pistacie (pistacia) tj und das Johan-
nisbrot (ceratonia silirjua) gedeihen nur in den Ländern des warmen Erdstriches; die
droy ersteren Arten der Südfrüchte kommen jedoch auch in den angränzenden Gegen-
den Deutschlands und der Schweiz j und die Feige ausserdem auch in Ungern fort.
Der in den Ländern des warmen Erdstriches , so wie in einigen Ländern des mitt-
leren Erdstriches gedeihende weisse Maulbeerbaum (morus alba) ist nicht sowolü sei-
ner angenehmen Frucht, als vielmehr seiner Blätter wegen, erheblich^ weil sie die
beste Nahrung der Seidenwürmer sind.
a) Nur unsere Zn--elschgen und Borsdorferäpfcl findet man, nach Hrn. Crome , in Italien nicht.
h) In Frankreich hat vorzüglich die Cultur der Pflaumen, als: der Damascener , der Priinel-
len, der Mirabellen, der Perdrigons und der Rein -Claudes , einen hohen Grad der Vollkom-
menheit erreicht.
c) Besonders in den südlichen, südwestlichen und mittleren Gegenden Deutschlands, wo
auch der Obstbau ausgebreiteter ist, als in den nördlichen, vorzüglich in f-f^iirlemberg , wo
nicht nur fast alle Landstrassen mit fruchtbaren Obstbäumen eingefasst sind, sondern es
auch mehrere Orter und Thäler gibt , wo eigentlich Obstwälder stehen , und öfters Birn-
bäume, wie die grössten Eichen - Bäume, welche oft loo — i3o Simri (ein Simri hält drey
• Achtel vom Wiener Hetzen) Obst tragen ; nächstdem in dem Main-, lieizai- und Rhein-
kreise des Königreichs Daicrn , in den grossherzoglich badenschen und hessischen Landen,
m Tj-rol, Siejermark, Ka'rnthcn, Österreich ob und unter der Eiins, in Mä/tren, Böhmen u. s. w.
in welchem letzteren Lande man schon im J. 1786 über 7,649,000 St. Obstbäume gezählt
liatte; doch hat Norddeutscliland die iJorsc/o/erj die Slettiner, auch Rostociter Apfel, als eigen-
thümliches Product.
d) Das schönste und meiste Obst wird in Ungern bey Ödenburg , Rusl , Güns und Pressburg
erzeugt. In diesen Gegenden reitzt zur fleissigeren Obstcullur der starke und einträgliche
Absatz nach ff^ien. Allein im Ganzen befleissiget sich der ungrlsehe Bauer , mit Ausnahme
der deutschen Colonisten , noch viel zu wenig dieses Zweiges der Landwirthschaft. Er über-
lässl alles bloss der lieben Natur, oder räumt vielmehr nicht einmal dieser freye Wirksam-
keit ein; denn man sucht nur recht viele Bäume auf den gewöhnlich beschränkten Raum
zu pflanzen, die dicht auf einander stehen, sich nicht ausbreiten können, und grössten
Theds verkrüppeln ; daher nur selten etwas Obst tragen. Am stärksten ist durch ganz Un-
gern der überall leicht gedeihende Pflaumenbaum verbreitet. In Sjrmien allein nehmen die
Pflaumimgärten einen Raum von 7000 Jochen ein. Auch hat Ungern beträchtliche Kirschen-
anlagen, welche die trelTlichslen Kirschengattungen liefern. Besonders sind Sterusy , Lanl-
sar und Koisin in der Neutraer-Gespannschaft ihrer schönen grossen Kirschen wegen berühmt ,
die jedoch von den Heltauer und Kronstädter Kirschen in Siebenbürgen an Grösse noch
übertroffen werden.
«) Im Lande ob der Enns z. B. gibt es Bauern, die jährlich 3 — 4000 Eimer Obstmost ver-
fertigen. Eben so trifft man in dem obstreichen Lafantthale in Kärnthen Bauern an , die in
mittelmässigen Jahren zu 3 — 5oo Eimer Obstmost erzeugen ; und man kann die Mostpro-
Hurtion dieses Thaies jährlich über 100,000 Eimer anschlagen.
II. Urproduclion. ^. 33. bajjutnichle. 81
J) Besonders vertlienct in dieser Hinsicht Ödenbarg \n Ungern genannt zu werden, wo man
die allerbesten Sorten zuerst aii( eine ganz eigene Art dürrt, und dann in Schachteln ein-
macht, und oben mit Figuren aus Obst und Zucker auf das zierlichste belegi. Dieses »soge-
naiinle gezierte üdenburgerobsL wird weit und breit \ erschickt.
g) Diese österreichische Provinz hat im Hradischerkreise eine eigenthiindiche . kleine, sriir
wohlschmeckende Art von Pflaumen , die sogenannte BrYinnerzwelschge.
h) Der ff-^a/lnussbaum wird am häufigsten in Italien ^ Fi-ßnkreich und der Sc/m-eiz gezogen;
nächstdem in Ungern und Deutschland, in welchem letzteren Lande unter andern die sieben
Meilen \a.n^e Bergstrasse im Grossherzogthume Baden ^or den Verwüstungen des Kriegs ganz
mit wälschen Nussbäumen besetzt war. Der Wallnussbaum liefert \ ortreffliches Holz zu
Tischlerarbeiten, aus der grünen Schale der Wallnüsse lässl sich eine gute schwarze Farbe
ziehen, und die Früchte geben das Nussöhl.
j) In Italien, Frankreich, Spanien, Portugal, in der Schtieiz , in Deulicldand , nahnientlich in
Tjrol und östlich \on der Bergstrasse ■, so wie in Ungern um Nasj-banva , vorzüglich aber
im Odenburger und S'ümegher Comitate, sieht man ganze Wälder von Kastanienbäumen.
In einigen dieser Länder, nahnientlich in Italien , Fratikreicli und der Sc/niriz-, sind die Ka-
stanien ein wichtiges Surrogat des Brotes, und ein vorzügliches INahrungsmittcl der niede-
ren \ olksclassen. Von den beyden in Italien üblichen Sorten ist die grossere unter dem
INahmen Maroni die vorzüglichere.
k') In den unter i) genannten Ländern werden auch Mandeln gewonnen. Sicilien , wo Öhl
aus dieser Frucht im Grossen bereitet und an den Speisen \ erbraucht wiid , ^ er&chickt jähr-
lich 100,000 Cantaras Mandeln für 3oo,ooo Ducati.
l) Mit eingemachten Aprikosen treibt das südliche Frankreich einen ansehnlichen Handel.
m) Die Quitte wird in der Schweiz, in Deutschland und Ungern nicht so milde, dass man sie
roh geniessen könnte. üfiuT die portugiesische Quitte, die grösste und schmackhafteste Art,
erhält in Südeuropa diesen Grad der Verfeinerung ; wird aber auch ; dort nur mit Zucker
eingemacht genossen.
7i) In Ansehung der Mannigfaltigkeit der Sorten behauptet jetzt vielleicht den ersten Rang in
Europa die Baumschule des berühmten Pomologen Diel zu Dicz an der Lahn. Von Äpfeln
hat er an 700, \on Birnen 3oo , von Pflaumen über 100, von Kirschen über 60, von Pfn-
sichen 44» ^on Aprikosen 22 Sorten, und die Versendungen geschehen vorzüglich nach
Hamburg, St. Petersburg , Moskau und anderen Gegenden des Nordens. S. NeueLeipz. L. Z.
1810. St. 92. S. 1466. Kächst dieser Baumschule \ erdienen mit Achtung genannt zu werden
die Pflanzschulen der edelsten Obstsorten zu fJ-"ien , besonders der A-. k. Obslf^arlen in der
Ungergasse (der für die österr. Monarchie dadurch \vohlthätig wird , indem Pfropfreiser von
allen Sorten an die Freunde; der Obstzucht unentgeltlich abgegeben werden) und die Rosen-
thal'sche Baumschule auf der Landstrasse; ferner die Baumschulen zu Schönbruun und Pa-
ris, die Baumschulen eines Christ (Oberpfarrers zu Kronberg), eines Sicklers (Pfarrers zu
Kleinfahnern in Thüringen), emes Röslers (Dechants zu Podiebrad in Böhmen) , die fürstlich
Eszterhazj-schen Gärten um Eisenstadt u. s. w.
o) S. Vaterl. Blatt, für den österr. Raiscrstaat. Nr. 37. Jan. 1810. S. 299.
p) Aus den Oliven wird das Baumöhl gepresst. Das reinste und weisseste kommt \on Jia- aus
der ehemaligen Provence. Nach diesem hat das von Lucca den ersten Rang. Die übrigen
feinsten italienischen Öhlsorten liefern Genua (Oncgiia, Spezzia, San Remo) , Piemont (Niz-
za, Monaco) und Toscana ; das beste Jonische ist das von Corfu , das beste türkische das
von ^then (Atiniah). Die gewöhnlichen Sorten liefern Neapel, Sicilien, der Kirchenstaat,
Sardinien, das lombardisch-venelianische Königreich, Dalmaticn , Ragusa, Cattaro , Istrien
u. s. w. , in grosser Menge, an welcher Mittelmässigkcit des Products nicht sowohl die
8g n. UrproducliüU. §. 54. SUudeulrücIite.
Gattung der Oliven, oder die physische Beschaffenheit des Landes, als der Mangel der ge-
höri<»en Sorgfalt bey der Bereitung Schuld ist. Das schlechteste Ohl ist das Sfianisclie ; es
wird auswärts meistens für die Fabriken gebraucht, und zwar in solcher Menge, dass Spa-
nien jährlicii für G Mill. 11. ausführt. Nicht viel besser ist das Portugiesische ; die Güterbe-
sitzer sind in Portugal (nach dasigem Rechte) gezwungen , sich der wenigen gemeinschaft-
lichen Öhlpressen zu bedienen ; so verderben die Oliven gewöhnlich und das Öiil wird ranzig.
(/) Der Hauptsitz der Cilvonen- und romeranzengärlen ist Italien; vorzüglich reich an diesen
Früchten ist Genua, Piemonl , die Lombardie , Toscana , dar Kirchenstaat und heyde Siciliea ;
nächstdem Portugal, Spanien, wo man auf der Insel Mallorca allein in gewöhnlichen Jah-
ren 24iOoo,ooo St. Citronen und Pomeranzen gewinnt; endlich der Berg Alhos in der Tur-
key, und Meuton nebst Cannes , Frejus , Hyeres und Grace in Südfrankreich. Es gibt Eigeu-
thümer in il7ciUo;i, die in guten Jahren lo — i5,ooo Fr. aus ihren Gärten ziehen, obgleich
das Tausend jener Früchte höchstens zu 20 Fr. verkauft wird. S. Gottliig. gel. Anz. 1807.
St. i2o. S. 1198. Die grösstcn und schmackhaftesten Pomeranzen liefert Malta, vortrefflich
süsse Citronen (limos dolces) Algarcien. — In Tyrol versuchte ein Bolzner Bauer, Nahniens
Oswald, zwischen 1730—40 der ersle die Pflanzung der Citronen im kalten Grunde, und
nun trägt jeder Baum in guten Jahren 1000 — 1200 St. Die Ausfuhre geht bis in das tielstc
.Russland.
/■) Die Dattelpalme erreicht in Südeuropa, nahmentlich bey dem Dorfe la Bordighiera in Ita-
lien wohl die Höhe von 5o Fuss , und trägt auch wohl Datteln; doch sind diese nicht ge-
niessbar. Man cultivirt sie bloss der Palmzweige wegen, welche sowohl von den Katholiken
als Juden , häufig zu ihren religiösen Festen gekauft werden. Es gehen mehrere Schiffsla-
dungen derselben jährlich ab. S. Gölting. gel. Anz. i8i3. St. 124. S. 1207 ff. Zu uns kom-
men die Datteln getrocknet aus Afrika.
s) In Siuleuropa , wo der Feigenbaum des Jahres z\veymal trägt , werden die Feigeh einge-
macht und getrocknet , und geben einen ansehnlichen Handelsartikel ab. So führen z. B. die
Bocheser allein jährlich 5oo,ooo Pfunde dürre Feigen aus. Man unterscheidet im Handel
Korbfelgen \on Fassfeigen ; jene kommen aus Portugal, Spanien, Frankreich und Italien ; diese
aus Crpern. Die besten Feigen werden auf Malta, Corfu, im J'enetianischen und in Dalma-
tien ge\vonnen. In Deutschland und Ungern wird diese Frucht bey aller Pflege doch nicht
so schön und süss , wie in Südeuropa. Sie wird auch nur roh gegessen.
t) Pislacien, a.\.ich Pislacienkerne oder Pimpernüsse genannt, exportirt unter andern Sicilien
jährlich für 3oo,ooo Ducati.
li) Der Johannisbroibaum oder Sodbrotbaum , dessen essbare Schoten das Sodbrennen dämpfen,
wird zwischen Nizza wwd Monaco , auf der dalmatinischen Insel Lesina, in Neapel, vor-
nehmlich aber in Sicilien, Spanien und Portugal sehr häufig gezogen. Sicilien erhält \ora
Auslande für Johannisbrot jährlich 900,000 Ducati.
§. 34.
Slaudenfrüchte.
y^iidcnStaiideii/rüchterij die thcils zui- Nahrung, theils zur Bereitung vcrscliiede-
ner Gelränke dienen, und für manche Länder einen nicht unbedeutenden Handelsarti-
kel ahgeben, gehören : i) die Hciselnüsse (corylus avellana). Diese Frucht wird be-
sonders in Neapel be}^ yJ\>elli/io j in Sicilien und Spanien in grosser ^lenge gezogen
und aiisgefiihrt. So gehen z. B. aus Sicilien jährlich 11,000 Sahnen Haselniissc für
120,000 Ducati in's Ausland. 2) Die Kuppern (capparis spinosa) , oder die unaufgc-
blühten ßliunenknospeu des iu JXeapel und Süd/'rankreich mit Fleiss gezogenen Kap-
II. Urproduction. §. 35. Weiustock. 83
pernstrauchs , welche man abpflückt, etliche Stunden in Schatten legt, damit sie welk
werden , und sie dann mit Essig imd Salz einmacht. Sie weiden zu manchcrley Spei-
sen gebraucht und weit verschickt. 3) Die Heidelbeere (vaccinium myrtillus). Diese
Beere wuchst am häufigsten auf der öden LUneburgerlieide in Norddeutschland. Der
Nutzen, welchen die Ilaarburger Nachbaren von dieser Beere jjlhrlich ziehen, wird,
Hrn. JSemnich zufolge , auf 20,000 Thaler geschätzt. In Hamburg werden davon
grössien Theils rothe Weine fabricirt. -4) Die J V achholderbeere (jimipenis commu-
nis). jNlit Wachholdern , deren blaue Beeren in der Haushaltung und Mcdicin grossen
Nutzen gewähren, sieht man in vielen Gegenden Europa's ganze Strecken besetzt.
Sachsen-TVeimar treibt Handel mit Wachholderbeeren , die einst sogar bis nach
Ostindien vei-schickt wurden, undin ffollaiidwerden , nach Hrn. Metelerkamp ^ jähr-
lich z^5o,ooo Anker Wachholderbranntwein getrunken. Das Harz, welches '\n Itcdien
und Spanien aus dem Wachholdcrstrauche (juniperus oxycedrus) hervoi'schwitzt, wird
unter dem Nahmen Sandarak weil verschickt, mid dienet theils in der Arznev, voi-
nehmlich aber zu feinem Firniss. 5) Die Himbeere (rubus ideus), besonders die dun-
kelrothe nordische Himbeere (rubus articiis) , welche in den Gebirgen und feuchten
moosigen Gegenden von Schweden j Norwegen j Lappland und Russland wächst,
und die unsrige an erquickendem Gerüche und Gcschmacke weit übertrifft. Die Bee-
ren werden in jenen Gegenden eingemacht oder gedörrt, und weit in südliche Län-
der verschickt. Endlich 6) die Früchte des Erdbeerbaumes (arbulus unedo). Dieser
strauchartig wachsende Baum kommt nur in Spanien,, Taurieii und Dalmatien vor;
in letzterem Lande wächst er ungemein häufig, besonders in den unbewohnten Li-
seln , wo dieser Strauch in weiten Flächen ein beynahe undurchdringliches Gestrippe
bildet. Die Früchte dieses Erdbeerbaumes gleichen den schönsten Gartenerdbeeren j
sind jedoch zwey bis dreymal grösser; sie haben einen süssen, wenig säuerlichen,
daher faden Geschmack. Die migelieure Menge dieser Früchte blieb bisher in Z?rt/;?7r/-
tien unbenutzt. Erst im J. 1816 bat man die ersten Versuche gemacht, Branntwein
daraus zu brennen, welche einen solchen Erfolg hatten, dass schon in diesem ersten
Jahre über 1000 Barillen, und im nächstfolgenden an 2000 Barillen Branntwein von
16 Graden daraus erzeugt wurden. Dieser Branntwefn war von sehr guter Qualität ;
er wurde in Triest im Durchschnitte mn 100 Lire (ä 12 kr.) die Barille abgesetzt,
während seine Erzeugimgskosten nur etwa auf 3o Lire für die Barille zu stehen
kamen aj.
a) Über das Vorkommen und die Verwendung des Erdbcerbaiimes in Dalmatien ; im ersten Ban-
de der Jahrbücher des k. k. polytechnischen Institutes in Wien. S. 292 — 299.
§. 35.
W e i n s t o c k (w//* viniferä).
Dieses edle Gewächs, dessen Frucht uns ein Getränk giht, dem kein anderes an
PLraft und ^V^irkung gleich kommt, ist ursprünglich ein Product des wärmeren Asiens j
von da es über Griechenland, nach Italien und dem südlichen Frankreich^ und aus
diesen Ländern in andere europäisclie Gegenden gekommen ist. Die eigentlichen \Vein-
rf4 •!• Urpruduclion. §. 3j. Weiustock.
lauclci- Sind JL'iiseits des 5o. Grades dei- Breite; es geliöreii also daliin Port'igul aj ^
Spanien bj , Frankreicli cj j Rallen dj _, die jonische/i Inseln ej ^ die Schweiz fjj
das siidliclie und weslliciic Deutschland gj _, Ungern hj _, Slav.jnien_, Croatien ^
Didtnatien j die Boche dl Cattaro ij ^ Siebenbürgen j die taurische i^a[\nnse\kj und
die osmanischen Provinzen l). Denn oljj^fjeich diessseits des 5o. Grades der Breite
Irin und wieder Wein wächst, und insonderheit einige in üeutschLand diessseits des-
selben gelegene Gegenden noch guten Weinbau haben: so ist doch dieser Wein mit
demjenigen, welcher in Europa's südlicher Hälfte wächst, weder in Ansehung der
Güte noch Menge zu vergleichen. Für Fratiki'eicJi j Spanien _, Portugal j Ungern
und einige deutsche Länder ist der Wein ein überaus wichtiges Product, dessen Aus-
führe viele Millionen Gulden in's Land zieht; auch kann die Cultur desselben mehr
Menschen beschäftigen und ernäliren inj j ob sie gleich keine so sichere Grundlage
des Privat- und Staatswohls ist, wie dieser. Denn gute Weinjahre sind ungleich sel-
tener als gute Gelreidejahre ; der Weinbauer (Winzer) niuss daher oft borgen, niuss
selbst eine Zeitlang darben, bis wieder ein seltenes Jahr grössere Einkünfte gewährt»
Dann muss man Schulden zahlen, dann will man ftir die vielen künuneilich durchleb-
ten Tage sich nach seiner Art entschädigen ; woher es denn kommt , dass der Wein-
bauer selten ein guter flauswirth und, wenn er keinen Ackerbau dtd)ey hat, gewöhn-
lich ärmer als der Kornbauer ist.
Rosinen _, oder getrocknete Beeren der Weintrauben, werden in Portugal ^ Spa-
nien, Frankreicli untl Italien j, nahmcntlich im Kirchenstaate , in Calabrien und
auf den Inseln Sicilien und Lipari in grosser Menge gewonnen und ausgefuiirt. S{)a-
nien z. B. exportirt davon jährlich 140,000 Glr. Der Kirchenstaat vmd Frankreich er-
zeugen die vorzüglich gute Sorte von Rosinen, Passarini oAev Passarlllen genannt,
jener bey Pcriil j, dieses hoy Front Ignan. — Corlntlien _, von einer sehr kleinen Trau-
benart («^'a passa minima) bereitet, sind das vornehmste Vroducidiv Cephtdonia nnd
Zante j so wie fiir MoreUj verschiedene Inseln des Archipels und einige Gegenden
Grlecheidands. Cephalonla , Zante und Morea erzeugen allein an 24,000,000 Pf. ,
wovon 4 ini£ Morea kommt. Der Weinslock, von dem sie gewonnen werden, wurde
ehemals am häufigsten um Corlnth gepflanzt; dahei- diese kleinen Rosinen den Nahmen
Corlnthen ftdiren.
(() Unter ilcii porlagiesixchen Weiiioii sind die gesuclitestcii die rotlioii Porloireine in der Pro-
\i112 Enlre Duero e Minlio , wovon 70 — 80,000 Pipen (a 600 hi)uieillen) j:ihrlic!i gexvoiuien
werden. £/jo-/«/ii/ erhalt 40,000 Pipen davon jährlich, 10,000 Pipen bezieht das nördliche
Europa , der Rest geht nach Brasilien. Ausserdem worden 60,000 Pipen weisse Weine, \ or-
ziiglich in Esireinadura, erzeugt, wovon etwa _io, 000 in Europa abgesetzt werden. Man
sehlägt den Werlh der gesammten Wein-Ausfuhre jährlich auf lo-j Mili. Crusaden =: i2y
Miü. tl. an. S. Crome a. a. O. S. 553.
b) Unter den spanischen Weinen sind die vorzüglichsten : 1) inGranada: der so bekannte und
hiAii^hlc MaUigim'ein , der aber in Deutschland selten acht getrunken wird; eine Gattung
desselben, welche die Engländer besonders lieben, wird von ihnen Beigwein ( Mountain )
genannt. Der von Pedro Ximenes wird für den besten weissen Malagawein gehalten; 2) in
Sei'ilta: der herrliche Xc/-e4K^<;m; die süsse Sorte heisst Pasanele ; die bittere aber magen-
stärkende rinoSeco oder Secl ; der Tinlo de Rola , ein köstlicher, dicker rother Wein, and
II. Urpioductiou. § 35. W'eiiistock. y5
der Mansum'lla ; 5) in Murcia: der treffliche Wein von I illatobus ; n) m Valencia: <lcr lie-
rulimte koslliche Älicanleweni , \on welchem die beste Sorte Tialo de AUcanle heissl; o) in
Niii>aira: der sclir geschätzte I'eruUa oder so^enäiinlii spanische Sect , ein starker weisser
Wein; der \ on Tudela ist etwas leichter und roth ; (i_) a.ni Mallorca : der vortreffliche Mal-
casienfeiii Lev dem Flecken Follenza oder Pollentina. Das ganze Reich erzeugt jahrlich zwi-
schen 3 — 4 AIiU. Ohm , und iiihrt jährlich etwa 284,000 Ulim davon aus.
c) Unter dtin französischen Weinen sind die bemerkens\vertliesten : 1) der Burgunder, beson
ders der von Chamborlin , Bourgogne , Poinard und Clos-Foageot. Die ersten Herzoge von
Burgund Hessen sich in ihren Verordnungen : unmillelhare Herren der besten f-f^eine in der
Christenheit , wegen ihres guten Landes von Burgund , angesehener und berühmter als je
des andere im Weiiiwuchse , betiteln. S. N. A. D. Bibl. XCV. S. 2i4; 2) dar Champagner,
wovon der beste bey Epernaj wächst; 3) der ßourdeauxer , von welchem die besten Sorlen
die Weingebirge von Medac , Grace und das n>eisse ff^eingebirg liefern ; 4) der Hennilage-
wein, l'ontac und der Cole-Rulie i 5) der Musealwein , vornehmlich der. von Lünel , Fron-
tignan und Ripesalles. Die sämmtlichen Weingarten sollen 1,734,573 Hectaren (G,6o6,3oo
Calenb. Morg.) betragen, und davon sollen 3i,oi2,452 Hectolilers (i2,g25,8ii Oxhofte)
Wein gewonnen werden, wovon man i4,549^o32 auf den inländischen Verbrauch, die
übrigen 16, 463, 400 Hectoliters aber (i2oMill. Fr. werth) zur Ausfuhre rechnet. S. Gdtting.
gel. Anz. 1818. St. 23. S. 232. Nach Hrn. Crome werden jährlich im Durchschnitt 24,274,100
Oxhofte Wein und Branntwein gewonnen, und davon ^ ausgeführt, welches i8i2 20-^
Mill. fl. , 1800 über 40 Mill. fl. betrug. — In Paris werden jährlich 80,928,000 ßoutoillea
Wein und andere starke Getränke getrunken. S. Göttin^, gel. Anz. i8n. St. 41. S. 406.
In der Baumschule Luxemburg zu Paris sollen sich 1400 (?) verschiedene Sorten Weinstocke
befinden. S. Gotting. gel. Anz. 1818. St. 23. S. 232.
rf) Unter den italienischen Weinen sind die vorzüglichsten: i) im Genaesisc/ien : der edle J'er-
nazerwein ; 2) in Toscana: der treffliche Museal elier bey Chianli, der berühmte Monte- Pul-
ciano und der Trebiawein bey Sicna; 3) im Kirchenstaate: die weissen, feurigen Weine von
Orvieto, Perugia Und Fiterbo, so wie die rothen von Munlefiascone, Albano, Praeneste u. s. w. ;
4) in Neapel : der von Horaz besungene Falernerwein , der angenehme Fino grecco und der
Lacryma Christi , oder der Lacrjma (wie man ihn schlechthin in Neapel aennt) , ein treff-
licher Tischwein. Es gibt zvveyerley Sorten davon : asciuHo und dolce. Jener ist herbe, die-
ser süss. Der erste wird vorgezogen , weil ei- bey weitem angenehmer und reiner ist ; 5) auf
der Insel Sicilien : die Weine von Lipari , Sjracus , Calanea und der Furowein, der bey
guter Bereitung, nach 3 — 4 Jahren, dem alten Portoweine völlig gleich, und auch unmäs-
sig genossen, ^veniger schädlich ist, daher von den Engländern sehr geschätzt wird. Es
werden davon jährlich an 100,000 Pipen ausgeführt; 6) auf der Insel Sardinien : der edle
Naskoivein , nebst dem voa CagUari , von Bosa und andern sehr starken und feurigen Wei-
nen. Im Ganzen ist der Weinbau in Italien bey weitem nicht so beträchtlich, als er es wohl
seyn könnte, und die Weinausfahre ungemein viel geringer, als sie seyn würde, wenn man
den Weinslock sowohl , als das Erzeugniss aus seiner Frucht besser behandelte.
f) Berühmt sind die üesertweine \on Zaale, worunter der aus ui^a passa bereitete und unter
di'm Nahmen Gennuvides bekannte der beliebteste ist.
/) In der Schweiz ist der beste weisse Wein der Rj'Jwein {ein de cnud) im Canlon H^aaäl.
Dann folget der i>in de la cote am Genfersee. Von rothen Weinen zeichnet sich 'aus der
Neacnburger. Er kommt di^n Burgunder gleich , und trägt dem Lande durcli die Ausführe
470,000 — 5oo,ooo tl. ein. ImCanton Basel wird auf dem St. Jacobs-Kirchhofe der berühmte
rothe Wein gewonnen, bekannt unter dem Nahmen ScUweizerblul , zum Andenken der 1444
daselbst mit den Franzosen gehaltenen Schlacht. Der Ganton Tessin versendet von seinen
feurigen Weinen ebenfalls eine kleine (^>uantität.
> 11. Urproduction. §. 35. Weiustock.
g) In Deutschland sind die vorzügliclisten Weine: x) in Nassau (im Rheingaii) : der Johannis-
b erger , Horhhe.imer , liiuieJieimer , Markebriinner und Asinannshauser , welche man für die
besten unter allen Hheinii-rinen , und überhaupt für das edelste Gewächs von allen deut-
schen Weinen hält; die Perle aller Rheinweine aber ist der Johanidsbrrger. Er wächst nur
auf einem Areal von etwas über 63 Morgen, welche eine Domaine Sr. Durchlaucht des,
Fürsten v. Meli ertlich sind., und jährlich 25 Sluck Fass , i3oo Flaschen auf ein Fass ee-
rcchnet, zu ij fl. , 3 — 4 •> auch bisweilen einzelne Flaschen zu i2 fl. liefern. Im J. 1781
soll ein Engländer 1000 Louisd'or für ein Fuder i77gger Johanuisberger bezahlt haben. So
weit die Schlossberge reichen , wird dieser berühmte Wein jährlich zu 23 — 24,000 fl. ge-
schätzt. S. Neue Leipz. Lit. Z. 1810. St. 92. S. i465. — 2) In dem Grossherzogthume Hes-
sen, nahmentlich in den Rheinlanden: der Niersleiner,die Liebfrauenmilch , der Laubenkei-
mer; m der Bergstrasse: der beste bey Auerbach, — 3) In dem Grossherzogthume Baden:
der Markgräßer , Ajfenthaler , Steitdiacher , TVeHheimer , der Bergsirasser von Laudenbach
und Hemsbach. — 4) In dem Königreiche Baiern, nahmentlich in den fr-änkischen und über-
vheinisrhcii Pro\inzen. Berühmt sind besonders der Leisten- und Steiniiein in Würzburg.
Die eigentliche ileimath des erstcren , des Königs unter allen Frankenweiiien , begreift aber
nur ungefähr 60 3Iorgen, des letzteren nicht mehr als etwa 400 Morgen Weinberge. Der Stein-
wein ist feuriger als der Leistenwein , aber nicht so aromatisch und angenehm , als dieser.
Nächst diesen wächst der beste Frankenwein zu Ti-i^/Jelstein , welcher unter dem Nahmen
Callmulh berühmt, ohne künstliche Mischung ganz süss ist, und den berühmtesten ungri-
schen Weinen nahe kommt. — In dem Königreiche f-^f^ilrtemberg,: d\e Neckarweine , beson-
ders bey Elfingen, Maalbronn , Eslingen und Ileilbronn. Den ganzen Weinertrag dieses Kö-
nigreichs hat man im J. i8n auf 1 MiU. Eimer geschätzt. S. H. A. L. Z. i8i3. Nr. 172.
S. 541. — 6) In den kaiserl. ösleireichisch-deulschen Frovinzen , und zwar: aa) im Lande
unter der Enns : der Nussberger , Tf^eidlinger , Grinzinger , Pfiffstet ter , Gumpoldskirchner ,
Brunn er , Berchtholdsdorfer , Mödlingcr und Bisamberger. Die Weinproduction dieses Lan-
des wird in guten Jahren auf ungefähr 1,800,000 Eimer angeschlagen. Der Wein ist sehr
haltbar, nähert sich, wenn er recht alt ist, im Geschmacke dem Rheinweine, verträgt gut
die Mischung mit Wasser, und gibt daher einen guten Tischwein ab. In IVien werden,
nach einem sechsjährigen Durchschnitte, jährlich 53i,478 Eimer (österr. , ungr. und Aus-
länder-) Wein getrunken, bb) In Sleyermarlc .- der starke und angenehme Lutlenberger , aus
dem man einen kosibaren Ausbruch bereitet; dann der Gonowitzer , Radkersburger , Kirsch-
bacher, Jerusalemer , Marburger und Pettauer. Der steyrische Wein hat das mit dem öster-
reichischen gemein , dass er sich ein halbes Jahrhundert und länger wohl erhalten lässt.-
cc) In Krain: der Tschernicaler, TVippacher nnd Ratschacher, dd) In Istrien: der treCTliche
Ribolan'cin in der Gegend von Pirano, und der Muscati^ein um Rortgno. ee) In Tjrol: die
Weine aus der Gegend von Bolzen, Meran und Trienl. Der Tyrolerwein wird schon im
ersten Jahre trinkbar; dagegen aber hält er um so weniger das Aller aus. ff) In Müh-
ren: der Rohat scher , Bisenzer j Poleschon'itzer , Domaniner , Archlebauer, Polauer , Poppi-
tzer , Zuckerhandler u. s. w. , meistens liebliche und feurige Weine, die zum Theil
besser als die österreichischen sind ; sie sind zwar ihren Geburtsörtern nach wenig bekannt,
gehen aber desto mehr unter fremden Nahmen in's Ausland , besonders nach Schlesien und
Polen. Mähren erzeugt in Mitteljahren 400,000 Eimer Wein, gg) In Böhmen: der dem Bur-
gunder ähnliche jUt^Zn/Aer, der dem Rheinweine ähnliche Czernoseker^ und der in wenigen
Eimern bestehende , aber wegen seiner Ähnlichkeit mit dem Champagner berühmte Pod-
skalsky. — 7) In den königl. preussisch-deut sehen Provinzen , nahmentlich in den Kreisen
am Rheine , an der Mosel und Ahr. Unter den Rheinweinen werden die vorzüglichsten von
Bacharach, St. Goar , Boppard und Erpel, und unter den Moselweinen die besten auf dem
Braunenberge bey Zeltingen., Erden und Trarbach erzeugt. Unter den Ahrweinen sind beson-
II. Urproduclion. §. 35. Weinslocl. 87
sonders dip Bleicherte beliebt. — Auch in Brandenburg, Premsiscli-Schleslen und Sachsen.
so wie im Königreiche Sachsen wird Wein gebauel ; allein diese Länder liefern nur an sehr
wenigen Stellen ein Gewächs von leidlicher Güte ; das meiste wird in Essig \ erwandelt
und in der Küche gebraucht.
h) In Ungern wächst der König aller europäischen Weine , ja aller Weine überhaupt, bekannt
unter dem Nahmen Tokajer, dessen Geburtsort die ehemalige, zum Schlosse gleiches Nah-
mcns gehörige Herrschaft Tokay mit ihren Umgebungen ist , welche sich an die letzte und
unterste Reihe der karpathischen Vorgebirge (HegyaUj-a) im ZempUner Comitat anlehnen ,
in ihrem Umfange mehrere Flecken und Dörfer (Tarczal , Tokav , Zonibor, T6llsi->a, Tdllja,
Mäd, Keresztur, Benje u. s. -w.) zählen, und einen Flächenraum von 4 — ä ungrischen Qua-
dratmeilen einnehmen. In diesem kleinen Bezirke wächst die edelste Beere der Welt , dir
Tokajerlraube , die von den Magyaren mit der grössten Industrie gezogen wird, und deren
Lese das grösste Nationalfest für dieselben ist. Es gibt vier gangbare Sorten des Tokayer-
weines , nähmlich : Essenz, oder der Most blosser Trockenbeeren , deren Absonderung von
den gelbgrünen Beeren im J. i655 eingeführt wurde , und auf denen die Güte des Tokayer-
weines , so wie seine Verschiedenheit einzig und allein beruht; A&nn Ausbruch , oder eigent-
lich Tokayerwein xmA ]\Iaschlasch , welche beyde Gattungen entstehen, wenn ein verhält-
nissmässiger Theil der Trockenbeeren dem , aus der Masse der gclbgrünen Trauben berei-
teten ordinären Weine zugemischt wird; endlich der ordinäre H-^ein, oder die gesunde gelb-
grüne Tokayertraube für sich allein. S. Sarlori's Naturwunder des österreichischen Kaiser-
thums. Tbl. 2. S. 5 — 22. Die Weingärten der sämmtlichen Hegyallya betragen 80,000 Hauer-
oder Tagewerke, und der jährliche Weinertrag wird im Durchschnitt auf i5o — 200,000 Ei-
mer geschätzt. — Der würdigste Rival des Tokayerweines ist der ungemein feurige, süsse,
aromatische, schwarzrolhe Menesc/ier , besonders aus den Weingärten \on Gladoca , Menes ,
Gyorok und Paulis. Die übrigen edlen Weinsorten Ungerns sind : der vorzüglich köstliche
Ödenburger und St. Georger, der gewürzhafte Erlauer, der feurige Sexarder , der dem Cham-
pagner ähnliche Schiraker , der weit und breit berühmte S cho miauer , der starke Rusler, der
dem Burgunder an feinem angenehmen Geschmacke gleich kommende, aber an geistiger
Stärke ihn noch übertreffende Sikloscher, der stärkende und im Innern des Landes am mei-
sten angesprochene Ofner, der Nessmiler , der Hazesdorfer , der Szerednjer , Fillaner , Bal-
tasseker , fVeisskirchner , Lugoscher , nebst den wie Branntwein starken, feurigen Weinen
in Croalien , Sjrmien und Siebenbürgen., und vielen andern zwey- , drey-, ja vierhundert-
fältigen Sorten. Das ungrische Weinproduct wird auf 18 — 245400,000 Eimer angeschlagen.
Das meiste Geld verschaffen dem Lande die Tokajer, Ofner , Er lauer , Ödenburger und Bu-
sleriieine. Die Ofner werden am häufigsten nacli Deutschland, die Ödenburger und Rüster
nach Schlesien verführt , und die Tokayer\veine haben überall ihre zahlreichen Verehrer,
vornehmlich in Polen.
i) Die dortigen Liqueurweine wetteifern mit den besten spanischen oder französischen.
k) In der Krim/n erzeugt das Sudak-Thal die basten Trauben und den besten Wein der gan-
zen taurischen Halbinsel. Einzelne Trauben sind 4 — 5 Pfund schwer, und einzelne Beeren
erreichen die Grösse und Festigkeit von kleinen Pflaumen. S. Götting. gel. Anz. 1804. St. 21.
S. 207. Auch die Gegend an dar Mololschna ist sehr gedeihlich für den Weinbau, der 5o
Meilen ostwärts am Don mit gutem Erfolge getrieben \vird. Der Tschigir , ein Abkömmling
der vor einigen 3o Jahren nach'der Slallhalterschaft Astrachan verpflanzten Tokayerreben ,
ist jedoch kein würdiger Nebenbuhler des Tokayers. Übrigens verdanket der Weinbau im
AsLraclianischen seinen Ursprung einem österreichischen Mönche (i6i3), und seine Verbes-
serung einem ungrischen Major. S. Neue Leipz. Lit. Z. 1809. St. io2. S. 1626.
/) In diT europäischen Turkey wächst der beste Wein auf Morea (der Malcasierttein) , und auf
den Inseln Candia, Na.via , Scio und Santorin. Dann folget der Odvbeschler und der Kotita-
jj8 il. Urproduclion. >^. 51'. Flachs und Haul.
jer in der Moldau , welriier letztere viel Ciiampagnerarligcs hat. INach Hrn. /-^'o//' liefert
dieses Land 4,200,000 Eimer Wein. Griechische Kaufleute spediren ihn häufig nach Sie-
benbürgen , Polen und Rtissland. In der asiatischen Tiirkey ist der Cj'pernwein berühmt.
ot) Nach dem Discours sur los vignes. Dijon 1756, kann eine französische Meile Ackerland
nur i3i)0 Menschen in Arbeit setzen und ernähren , eine Meile Weinberge hingegen 2604
erhalten ; die Subsistenz der letztern ist aber auch weit unsicherer.
Fabriken- und II a n d e 1 s g e w ä c h s e.
§. 56.
a) Flachs und Ha n f.
Unter den Fabriken- und Handelsgewächsen ^ d. i. Pflanzen und Samen, die
entweder als rohes Hauplmaterial oder als Hiilfsprodncl in den Gewerben, Fabriken
undManiifaciuren, oder sonst zu anderen Al)sichten j^el)rauclil werden, daher in Menj,'«
in den Handel kotninen, und ein wichtiger Zweig der Laiidescnltur nnd Staatswirlh-
scJiafisind, behaupten, ihres ausgeljreiieten Nutzens wegen , den ersten Platz der Lein
oder Flachs (limun usitatissiinuni) und der ZTrt/z/" (cannabis-sativa). Das Ilauplland fin-
den Flachsbau ist Deutschland aj _, wo diese wichtige Pflanze das Material zu einer
Manufliclur abgibt, die an Ausbreilimg und Grösse des Betrags unter den Kunstge-
werben in Europa kaum ihres Gleichen hat. Nächst Dentschland bauen den meisten
Flachs Russland hj _, die Niederlande cj j JVord- und Ostfrankreich dj j Ost-
preussen e)^ t\chsi Irla?id _, Galizieu fj ^ Ungern gj ^ Siebenbürgen hJ „ Spanien
imd Ober- und Mittelitalien ij. Der alleri'einsle Flachs in Europa überhaupt wird in
Brabant, zu Cortrjk in Flandern, um Roeremond in Geldern und in der Gegend
voia Cambraj in dem französischen Departement des Norden gewonnen, wovon der
Werth eines Pfundes, zu Spitzen verarbeitet, nicht selten bis zu 6 — 7000 Gulden er-
höhet wird; ausserdem wird dieses Producl in vorziiglicher Güte in mehreren Gegen-
den Deutschlands kj , und der Schweiz IJ gebauel.
Die besagten Lander liaiien zum Theil auch viel Hanf; das Ilauplland fiir diese
nützliche Pflanze aber ist Russland mj. Die überaus betrachtliche Ausfiihre dieses, den
Seemächten uuenlbehrlichen Naturproducts ist nach dem. Getreide die wichtigste
Quelle des russischen Nationalreichthunis. Für den besten Hanf hält man den von Riga
und ISarwa in Russland, und den von Bologna in Italien. Auf diesen folget der Hanf
von yipatliin in Ungern, der aus der Gegend von Bischofshelm in Baden u. s. w.
Aus dem Lein- und Hanfsamen wird auch Oehl gepresst, und sowohl zu Male-
reyen, als zum Brennen in Lampen, geljraucht.
a) Die beträchtlichsten deutschen Flachsprovinzen sind: fi^eslphalen , seinen meisten Gegen-
den nach; Hessen , Nieder- und zum Theil Obersachsen, Schlesien, Böhmen, Mähren ^ das
Land ob der Enns , Slej'ermark , Krain , Tjrol , Franken, Schwaben und verschiedene Ge-
biete am Rhei?i.
b) Vornehmlich in Livflaiui , Curlaitd , Litlhaucn , JVolagda , Pskow , Nowgorod , Mohilew und
an der mittleren W^o/g^a. In den drey ersteren Provinzen gewinnt man den hcsleti Leinsamen,
der daher in Menge nach Königsberg und Memel gebracht, und von daher nach andern euro-
päischen Ländern verschickt wird. Man glaubt, dass der Leinsame jener nordischen Länder
einen vorzüglichen Flachs gebe, wenn er in vvärmeren Gegenden gesäet wird. Man kann
II. Urprotluction. §. 3;. TabaX. 89
aber in Deutschland und vermuthlicli aucli in andern Landern einen eben so guten Samen
ziehen, wenn man ihn nur zur völligen Reife kommen, und, wie in Liefland, 6 — 7 Jalire
alt werden lässt , ehe man ihn säet. Auch gehen von dem besten Leinsamen der nordischen
Länder nur etwa t des Ganzen auf. Im J. i8o2 exportirte Unssland für 2,519,477 Rubel
Lein- und Hanfsamen, und der Werth des im J. i8o5 ausgeführten Flachses stieg auf mehr
als 8,000,000 Rubel.
c) Besonders in Brabanl und Flandern , \v( Iclier Länih'r grösster Reichlhum darin besteht.
ri) Vorzüglich in den Departements des A'on/f/j, der Sommc, \on Finislene und des Nieileirheins.
e) Besonders der Braunsbergische und HeilsbergischeKrctSi und der Regierungsbezirk GumifVie/i.
/) Vornehmlieh im Jasloer- , Rzeszon^er- , Przemysler- und Tarnowerkreise.
g) Vorzüglich in der Z//Ji ; dann in den Gespanschaflen 5c- 'uro^f/i j, J.iplan, .Iri^i , Thurolz
und Eisenbnrg.
/;) Besonders in dem Lande der Szekler und in d^r Gegend von Kronstadt.
i) Vornehmlich in Safoj-en , in der Lombardie und in Toscana.
k) Nahmentlich in den n^estphälisc/ien Provinzen Minden, Pultberg, Minister, Paderborn u. s. w. ;
dann in Schlesien, Böhmen, Mähren, Trrol ^ insonderheit in der Gegend von Fiesing und
A.inms u. s. w.
l) Nahmentlich in den Cantonen St. Gallen und Appenzell.
m) Russland führte im J. i8o3 für mehr als i2,44-'hooo Rubel Hanf aus. England allein erhielt
sonst 2,000,000 Pud, oder 800,000 Ctr. Hanf aus liussland. Während der Handelssperre
suchte das srhiffreiche, aber hanfarme England den Anbau dieser Pflanze in Irland zu heben,
dessen Landleute, ^on der Admiralität begünstiget, sich anheischig machten, jährlich
400,000 Ctr. Hanf zu liefern. S. Jen. AUg. L. Z. 1811. Nr. 281. S. 444 ff.
§.
37.
b) Tabak.
Von ausnehmencler Wichtigkeit ist ferner der Tabak (Nicotiana) aj j nrspriing-
licli ein amerikanisches Procluct, dessen Zauberkraft den Sieg über die strengsten
obrigkeitlichen Befehle, so wie über die ernsthaftesten Ermahnungen der Prediger
lind Arzte davon getragen hat bjj und eben desshalb eine der erhcl)Iichsten Quellen
des Einkommens fiir alle europäischen Staaten geworden ist cjj obgleich Hr. v. Zm-
inerinciJin sich nicht genug darüber verwundern kann ^ da nach seiner Wahrnehmung
der Tabak desn Gerüche und Gcschmackc zuwider ist, und selbst den Verstand be-
ne])elt. Der Anbau dieser Handels- und Finanzpflanze hat sich hauptsächlich wälirend
und durch Veranlassung des amerikanischen Krieges in den europäischen Ländern
vermehrt, und eine grosse jVusbreitung gc\vonnen. Die Länder, welche den grössten
Aniheil an diesem neuen Culturzweige nehmen, sind Uni^ern d ) j Slavonieiij Sie-
l'e/ibüi-gen j Galizie/i ej j Deutschland /J j Ricsslitnd i^J und die Tüi'key hj.; nächst
diesen Frankreich i) j die Niederlande kj j Dänemark ^ Schweden,, AiQ Schweiz
u. s. w. Gleichwolil kommt der meiste Tabak, welcher in Europa verbraucht wird ,
aus Amerika ; dar beste aus J^irginien IJ ; die übrigen besseren Sorten aus Carracas
und TVestindien , denen die in ßrnsilien nachstehen. Den besteji Tabak in Europa
bringt U/igern hervor ■, er steht selbst dem Virginischen nicht nach. Besonders wird
das Pro -biet von Tu'na , Dehro , Szegedin j Fiinfkirchen j, Jänosiiäza , Letting j
Küspullag j P''e'g j Filzes- Gjarmath mid Hidasch sehr geschätzt5 auch der Slavoui-
go "• Urprndiictioii. §. 37, Tabak.
seile von Posega ist ühpi'all bekannt. In Siebenbürgen j das seinen Tabak selbst nach
der Walachcy ausführt, waclisen die besten Sorten in den Umgebungen von UdvaV'
Jielj- j FagarascJi j Mavosch-l'asavhelj \x\\^ Batiz. In Galizleii theilt man den Ta-
bak in sogenannten Zdprater j den man bloss zu Rauchtabak verarbeitet, luid wovon
der beste an der Bukowinergränze v.ächsl; in den, -welchen die Tabaksplantagen am
Dniester WcScrn , und ans dem sov\"ohl Rauch- als Schnupftabak, und in Aqw Podoliei\
aus welchem bloss Schupftabak bereitet wird. — Für den besten unter allen deut-
schen Tabakssorlen wird der Pfälzische j JSürnbergische j Hanaiiisclie _, Offenba-
chische ^ Mannheimische und Uckermärkische gehalten. — In Russland wird der
beste Tabak in der Ukraine und in der Türkcj in Albanien mid Macedonien gezogen.
a) Dem französischen Gesandten am portugiesisclien Hofe , Jean Nicol zu Ehren so genannt ,
durch den diese Pflanze nach der Mitte des 16. Jahrh. in Europa bekannter wurde. Tabak
{labacani) heisst das Kraut von dem Rohre, wodurcli es gerauclit wurde, welcher Nähme
nachher der Insel, wo es die Spanier zuerst landen, beygelegl ward. Die Spanier nannten
also die Insel nach dem Kraute, und niclu umgekehrt, wie man sonst glaubte. S. Funke's
Naturgeschichte etc. Bd. 2. S. 419-
b) Jacob 1. , König von England, nannte den Tabak im J. 1604 ein schädliches Unkraut, und
schrieb wider dessen Gebrauch im J. iGic^ seinen Misocapnos (Rauchfeind). Papst t/r6a/; V 111.
that im J. 1624 die Tabaksliebhaber (jedoch nur jene , welche in der Kirclie schnupften) in
den Bann. Eben so untersagte die Kaiscrinn Elinabelh von Russland , Tabak in der Kirche
zu nehmen , und erkannte die hierzu gebrauchte Dose dem Kirchendiener zu. S. N. A. D.
Bibl. Bd. XCV. S. 86. In SiebenbTirgcn wurde x68g Gülerverlust (arnissio bonorum) auf die
Pflanzung dieses in der Folge so einträglichen Handelskraules gesetzt, und wurden Geld-
strafen von 2oo bis zu 3 fl. herab den Consumenlen aufgelegt. S. M. i>. iS'c/u*'ar<^i«r's Statistik
des Königreichs Ungern. 2. Aufl. S. 329 ff. — Doch fand der Tabak auch seine Vertheidi-
ger. Unter andern gab um's Jahr 1G28 llaphael Thorius über den Tabak ein Gedicht , unter
dem Titel: „Hymnus Tubaci" heraus (s. des Frejh. c. Ilormajr Archiv für Geographie, Hi-
storie, Staats- und Kriegskunst, i8n. 52 — 33. S. 148) j und verfassten die polnischen Je-
suiten wider den oben erwähnten Misocapnos den Anlimisocapnos ^ den Tabak als eine in
sich höchst unschädliche Pflanze wider den witzelnden König in Schutz nehmend. S. Po-
lens Staatsveränderungen und letzte Verfassung, von Fr. J. Jerkel. Till. 4- S. 144.
c) Bis zum J. 1780, wo der Gebrauch des Tabaks noch nicht so allgemein verbreitet war,
wie jetzt, betrug die jährliche öfl^entliche Einnahme davon in Osterreich , Frankreich , Portu-
gal , Spanien, in beyden S.'cillen und in Dänemark die nahmhafte Summe Aon i8,372,g55
Rlhlr. Das ist weit mehr, als die Königreiche Dänemark , Schweden und Norwegen zusam-
men gewöhnlich einnehmen. S. Büschings Reise nach Rekalm. S. 4- In Baiern wird der Er-
trag der, im J. 1811 nach dem Bcyspiele anderer Staaten, eingefiihrten Tabaksregie auf ei-
nige Millionen Gulden angeschlagen. S. Osterr. Beob. 1811. Nr. 268. S. 1101.
d) Das k. k. Tabakappalto zu Peslh und seine drey Factoreyen zu Debreczin , Szegedin und
Tolna kauften im Jahre 1802 aus der ersten Hand des ungrischen Landmanns 170,538 Cir.
Tohen Tabaks, vorzüglich für die k. k. Tabaksregie 'in den deutschen Erhiändern ; über-
diess gingen in eben demselben Jahre 17,000 Cir. in's Ausland, ohne das innere Consumo
von ungefähr 60,000 Cir. Rauch- und über 8000 Cir. Schnupftabak in Anschlag zu bringen.
S. f. Schwarlner a.. a. O. S. 352.
e) Nahmentlich in dem ehemaligen Zalesczyker- , nunmehrigen C-orikoirer- , dann Slmiisla-
wower- und Taruopolerkrcise. Von den Ursachen der Abnahme des Tabaksbaues in Galizien,
das nach dem Uitheile aller Sachverständigen 3oo,ooo Ctr. Tabak erzeugen könnte, wenn
11. UrproJuclion. §. 3o. Farbe- und Gäibekräuter. gl
dieser Industriezweig die gehörige Aufmunterung fände, s. Valerl. Blätter für den österrei-
chischen Kaiserstaat. 1811. i5. S. 18. ff.
/) Besonders in den preussisch-deulsclien Provinzen Brandenburg , Pommern, Schlesien und
Magdchurg; im Kclzat- und Rheinkreise des Königreichs Baiern; in den churhessischcn und
grossherzoglich baden'schen und hessischen Landen.
g) INahmcntlich in den kleinrussischen Gouvernements, der Ukraine, an der Wolga und Sa-
mara. Der Werth des im J. i8o2 ausgeführten Tabaks betrug über 220,000 Rubel.
h) In Macedonien allein werden jährlich 100,000 Ballen Tabak, 4 Mill. Piaster werth, er-
zeugt. Davon werden 60,000 Ballen ausgeführt, und 40,000 Ballen in der europäischen Tür-
key verzehrt.
1) Im J. 1810 ist der Einkauf des Tabaks in Blättern, so wie dessen Fabrication und der Ver-
kauf des fabricirtcn Tabaks in allen französischen Departements für Rechnung des Staates
ausschliesslich der Regie des droits re'unis (Mautli-Amtsregie) übertragen worden. Es sind
nur gewisse Gemeinden zu dem Tabaksbau autorisirt ; sie müssen Erlaubnissscheine lösen.
Aller verkäufliche Tabak wird von der Tabaksregic zu 45 Franken der metrische Centner
(2 gewöhnliche Centner) bezahlt. S. Österr. Bcob. 1816. Nr. i2D. S. 668.
Ä) Nahmentlich in Ulrechl und Geldern. Es werden in diesen Provinzen jährlich 80,000 Ctr.
Tabak erzeugt.
l) In J'irginien. werden jährlich 800,000 Ctr. Tabak gewonnen , wovon der grösste Theil nach
England geht. In England selbst wird dieses llandelskraut nicht gebauet; die Cultur dessel-
ben ist verbothen worden, weil man es in Tlrginien und Marjland begünstigen wollte. Un-
geachtet diese Länder nicht mehr zu England gehüreu : so ist dieses Gesetz doch noch nicht
widerrufen worden,
§. 38.
c) Färbe- und Gä r b ck rä u t e r.
Die vorziigliclistcn sind: 1) Krapp oder Färhei'i'ijthe (riibia liuctoruni) , aus de-
ren zcttosseiicn luid gemaldeiien Wurzeln man eine äclite rotlie Farbe auf Wolle
Leinen- und Baumwollengarn bereitet. Sie wird in einigen Gegenden von Europa
wild gefunden, und, wegen ihres grossen Nutzens in der Färbcrey, in Deutsch-
Icind aj j Frankreich j, in den Niederlanden hj _, in Dänemark j England und der
Türkej Läufig gebauet. In letzterem Lande wird eine vorziiglich gute Sorte, welche
uian Azala oder Hazala nennet, gcpdanzt. Durch sie erhält das türkische Garn die
schöne unvcrgängliclie rothe Farbe. Man hält den türkischen Krapp idjerhaupt ftir
den besten, obgleich einige dem seelündisclien j andere hingegen, wie z. B. Chap-
talj dem in der Gegend von yJ\>ignon gezogenen cj , den A'orzng geben. — 2) TFaid
(isalis tinctoria) , dessen getrocknete Blätter als blauer Färljeslolf auf Stanipfinühlen
gemahlen und zu Ballen oder Kugeln geformt werden. Dieses Färbekraut war, vor der
Einführung des \\ irklichen, oder Jnil- Indigo djj, fiir Languedoc in Frankreich,
^/icon« in Italien und Tlniringen in Deutschland, eine überaus wichtige Pflanze ,
der man einen ausgezeichneten Geldgewinn verdankte. Allein durch den Jnil-Indigo
ward der Absatz und daher auch der Anbau des TFaid-Indigo gar sehr beschränkt,
weil neben dem Verhältnisse des Preises ihm zugleich die Meinung schadet, dass die-
ser ^Vaid-Indigo an Schönheit und Dauerhaftigkeit dem wirklichen Indigo doch nach-
zusetzen scy. Essoll jedoch der neuen Chemie gehingen seyn, die rechte Verfahrungs-
f)2 ]I. üiproducli.n. ^ 58. Fnibe- und GärbekiäutiT.
an bcv Auszlcliung des Fnibcslofl'es aus dein Waide entdecket, und es darin so weit
ge])raclit zu liabcn, dass mau einen Indigo faliricirt, der so schön ist, als der aus Gua-
timala in Amerika fjj den man, so wie den von der Insel /at'rt in Ostindien, für
den besten hält, worauf der von St. Domingo folget, dem der nns Brasilien imd Süd-
carolina nachsieht. Jetzt ist der Waidl>au mu- noch zu ^/bi in Frankreich g-J, in
England j in einigen österrcicldsch- luul prciissiscli-deutschen Provinzen hj , bey
Käsmark j Pered u. s. w. in Ungern, und um IForonesch und Moskau in Russland
von einigem Belange. In Ijeydeu Ictzteieii Landern wird dieses Handelskraut, so wie
die Färberröthe , auch wild angctroflen. — 3) Safi'an (crocus sativus), an dessen
Blume die dreyCaserigen Narben des Staubweges von rothgelber Farbe inid starkem
Gerüche braiichiiar sind. Er wird wegen seines häuligen Gebrauchs in der Färberey ,
der Küche, Bäckerey u. s. av. in mehreren curo|jaischcn Ländern, nalunentlich in
Portugal j SjHtnien _, Frankreicli _, Italien ^ Deutschland _, England], Irland ^ Un-
gern und der Tüvkej gezogen. Für den besten hält man den, der nn Lande unter der
Enns um iho/Aj Meissau „ Krems j Kirchberg und Ravelsbach gewonnen wird ij.
Er hat nach dem Ausspruche der Kenner, seinem Farljesloffe und seiner medicini-
schon Kraft nach, den Vorzug vor dem Orientalischen und dem Französlsclien von
Gatlnals. England hat ihn von vorzüglicher Güte in Essex und. Cambridge ^ Ita-
lien vornehndich in Neapel imd Slclllen. In England j Frankreich j Italien und im
Lande unter der Enns häh man besondere Safranmärkte, imd in Ungern durchzie-
hen viele slavische Bauern, mit Safran und anderen Gewürzen bepackt {Safranicr ^
Safrahbauern) , bald zu Fuss, bald zu Pferde, besonders die oberungrischen Städte
luul Marktflecken. — 4) Sajlor (carthamus tinctorius), dessen Blumen zum Gelb-
vornehmlich aber zum Rothlärben dienen, wird in verschiedenen Gegenden Frank-
reichs j, Deutschlands , Ungeiiis luid anderer Länder gel)auet. Derijcstc ist der lYw-
klschCj welihen luan aus Jegypten iihcv Lh'orno v\\\d. Marseille in Ballen erhält, wor-
auf der Elsassische und der I7nirl??gische £o]'^et. — 5) Kreuzdorn (rhamnus catharti-
cus) wächst in mehreren Gegenden Europa's wild. Die Beeren dieses Strauches, aus
denen man das Saftgrün zum Färben des Leders und Papiers bereitet, sind in Ungern
und Frankreich (in letztcrem Lande unter dem Nahmen graines d'Avlgiion) ein Ge-
<rensland des Handels. — 6) Gärbcrbaum (rlius coriaria), zur Bearbeitung des Cor-
duans, Maro(}uins und Saffian.s ])iauchbar, wiid in Südeuropa nicht nur wild angetrof-
fen, sondern in Portugal luid Spanien auch cultivirt. — 7) Färbersumach (rhus co-
linus), im Erzherzugthumc Ö&icvvcxch. Perriickenbaum j im Banal und in Slavonien
Rujastrauch genannt, fmdet sich beynahe im ganzen mittägigen Eurojia, die süd-
licheren Thcile Italiens ausgenojnmen; feiner in Ungern _, Slavonien ^ Siebenbür-
gen ^ bey WleUj, vorzüglich in der Gegend um Baden, Merkenslein u. s.w. wild.
Das Holz dieses Strauches dienet in Spanien _, Frankreich j, Malland und überall fast,
wo es vorkonunt, als ein vorzügliches gelbes Pigment zur Färberey; seine Blätter imil
Jüngern Zweige aber gepulvert als Materiale zur Schwarzfärbercy, Krapprothfärberey
und zur Gärberey. Aus Ungern werden jährlich mehrere lausend Centner dieses Hol-
zes, miter dem Nahmen ungrlsches Gelbholz,, oder Fisetliolz , nach ÖslerreicL ,
Böhmen , Mähren und selbst iai's Ausland a erhandelt kj.
11. Urproduclicin. §. 39. ZucturrLlir. q5
a) Nahmc'iitlich im Lande unter der Eii/is j in Böhmen j Mähren ^ Prcusslsch-Schlesien, Bran-
denburg, Sachsen , in derPro\inz Niederrhein und in den Grossherzogthiimern Baden und
Hessen,
b) Besonders in der Pro>inz Seeland, wo es Bauern gibt, die alle Jahre 5o bis 100 Morgen
Landes mit Krapp bepflanzen , und ^vo überhaupt der Krappbau so wichtig ist , dass jähr-
lich im Durchschnitt gegen 5oo,ooo Ctr. ausgcliilirt werrlen. S. Oslerr. Beob. Nr. 217.
1811. S. 8g3.
c) 3- Götting. gel. Änz. 1808. St. 7. S. 67.
d) So heisst eigentlich die, nur fremden Erdtheilen eigene Pflanze, \roraus der wirkliche In-
digo bereitet wird.
e) Die Gegenden \on Erfurt , Gotha, Langensalza , Täiuislädl und T4^eissensee , wie auch ge-
gen Ji^rimar zu, waren d(^r Sitz des thüringischen Waids. Erfurt aber war darunter der
Hauptplatz; ein einziges Handlungshaus daselbst zog allein im J. 1621 für verkauften Waid
eine Bilanz \on i36,ooo Meissnischen Guhien. S. Grellmann s Historisch-slatistisches Hand-
buch \on Deutschland. Göttingen , 1801. S. 89.
/) Ein Zweifel bleibt jedoch noch zu lösen übrig, ob der exotische Indigo nicht immer noch
in Absicht der Menge seiner färbenden Theile vor dem neuerfundenen Waid-Indigo , un-
geachtet der Verbesserungen , die er vor dem alten erhallen hat, den Vorzug behaupten
werde? Ein Pfund Indigo, versicherten die alten Färber, färbe mehr, als drey Ctr. Waid.
Auf diesem Umstände beruhet es \orzüg!ich , dass der fremde Indigo alle europäischen blauen
Farben so ganz ^ erdrängt hat, nicht auf dem giüsseren Glänze und der längeren Dauer der
Farbe.
g) Der Ertrag ^on der Cultur des Waids gibt für Albi einen Uberschuss von i5o,ooo Franken.
S. Götting. gel. Anz. i8i3. St. ii3. S. 1126 AT.
/() INahmentlich in Österreich nnler der Enns , in Böhmen , Brandenburg , im Regierungsbezirke
Erfurt und in der Provinz Niederrhein.
i) Über den Safianbau in Niederöstcrreicli und Anleltuiii; zu demselben. Von ülr. P — K. ; in
den vaterl. Blatt, für den österr. Kaiserstaat. 1808. Nr. 32.
A:) Über den Ruja-Strauch (nach Linn. rhus cotinus) im Banat : in den vaterl. Blatt, etc. 1811.
20. S. i34 — 137.
S- 3g.
d) Z u c k e r r o h r.
Das Zuckerrohr (sacharum olliciiiaruin) , iir.sprünglicli ein asiatisches Vrodnct ,
cnlhäll vuitcr allen bisher Ijekanulcn Gewächsen den meisten Zucker^ dessen \ er-
l)i-aiie]i in Europa imgeheuer stieg, seitdem dieses Producl in den Apotheken , Kii-
chen lind vielen anderen Anstallen so nolhwendig, auch Kaffeh, Thee und Ghocolaie
fast allircmeine Bedürfnisse "eworden sind. Es ward im 12. Jahrhunderte von Jsien
her zuerst ins südhche Europa, nach Neapel ^ Sicilien und Spanien verpflanzt; von
da nach Madera und den canarischen Inseln, und von hier endlich nach Amerika
und Wesliniiien ^ von wo aus nun Europa den Zucker in so ausserordentlicher iNIenge
erhalt; doch kommt dieses Product auch aus Ostindien ^^o es ebenfalls sehr stark
gewonnen wird. In den besagten Ländern des südlichen Europa kommt das Zucker-
rohr sehr gut fort; man hat aber die rflan/AUig desselben grössten Theils aufge])en
müssen j weil dieses Product bisher durch die Sclavenhände in den übrigen Erdihoi-
ien wohlfeiler geliefert werden konnte. Während der Handelssperre suchte man in
ISeapel den Anbau des Zuckerrohrs durch Pränücn wieder zu heben, und in andern
q^ II. Urproduction. §. 4o. Baumwolle.
Landern den Mangel des Rolirzuckers durch Gewinnung der Surrogate aus Runkcl-
rüLcn, Wcintraidjcn, dem Safte der AhornLäume, aus Maisstengebi u. s. w. einiger
Massen zu ersetzen. Durch den Zug der Franzosen nach Moskau hahen jedoch nicht
nnr diese, sondern alle Surrogate üheihaupt so ziemlich ihr Ende erreicht. Noch ge-
gen Ende des 17. Jahrhunderts war der Zucker in Europa, insonderheit m Deutsch-
land _, so theuer, das sich die meisten Menschen mit Syrup, oder nach alter Weise
mit Honig hehalfen bj. — Aus der Mutlcrlaugc des Zuckers, Melasse genannt, erhält
man durch Dcstillaüon den unter dem Nahmen des Rum hekanntcn Branntwein, wo-
mit der Jrrak nicht verwechselt werden nuiss, den man in Ostindien durcli Destilla-
tion aus Pieis, Palmenwein, Zucker und ^Vasser erhält.
fl) Versuche haben bewiesen , dass das Zuckerrohr auch auf der Insel Sardinien gedeihe. S.
Kurze Notiz von der Insel Sardinien elc. ; in den Allg. geogr. Ephem. Bd. 27. S. 249 ff-
b) S. Bechinaiin's Anleitung zur Technologie. 4- Ausg. S. 496- ff-
§• 40.
e) Bau in wolle.
Die Staude aj , auf welcher Baumwolle (gossypium) wächst, wird in einzelnen
Gegenden Spaniens _, Siciliens _, Neapels und Sardiniens gezogen, und in neuern
Zeiten hat man mit dem Anbau dieser wichtigen Pflanze auch Ley Fimfkirchen und
Pantschowa bJ j, so wie in dem französischen Departement der Ostpyrenäen glück-
liche Versuche gemacht. Häufiger ^ird dieses Product ^uf Malta und Gozzo cj _, auf
Corfu dj luid auf einigen Inseln des /Archipels j am stärksten aber in dem schönen
Thale Seres in Macedonien gewonnen. Man erzeugt dasclhst jährlich 120,000 Bullen
a 80 Piaster im Diuchschnilt an Werth ; davon werden 62,5oo Ballen fiir ^ Mill. Piaster
ausgeführt. Die allerfeinste Baumwolle ist die Ostindische und Chinesische ; vorzüg-
hch wird die rüthliche aus Gusnrate ^ Bengalen^ Siani und, China geschätzt ej; sie
wird grössten Tlieils im Lande verarbeitet und wenig ausgefiihrt. Die Chinesen verfer-
tigen daraus ihre Nanquins _, welche die bekannle Farhe von Natur haben. Auf die ost-
indische folget in Ansehung der Feinheit die /Inievikcnische f ) tuid JFeslindische _,
welcher die Macedonische oder Levanlische nachstellt. Die Fruclil der Baumwollcnstau-
de kostet Euro]ia jährlich viel Geld, da man vor migefähr 60 Jahren, wo mehr Luxus in
die mittleren Stände eintrat, es wagte, besonders von Seite des schönen Geschlechts,
die Schafwolle, welche die Natur dem Bewolmer des nördlich-gemässigtcn Erdstrichs
zu seiner Bekleidung anwies, mit der Baumwolle zu vertauschen; aber sie hat auch
miscrer Lidustrie neue Belebung gegeben imd verschafft hmidcrtlausenden Familien
Beschäftigung und Uni erhalt.
ß) Es gibt auch Baumwollenbaume, vorzüglirh in Ost- und Weslindlcn und in Ani.'rlka.
A) S. Baumwollencrzeugung in den k. k. Mililärgränzen ; in den \aleilandischeii Blällcrn u. s. w.
1810. Nr. ig. S. igoff.
«) In llalieii zieht die Insel Malta die feinste und weisseste Baunnvolle , meistens von der
baumartigen Pflanze , jährlich über 5o,ooo Scudi an Werth.
d) Corfu liefert jahrlich 10,000 Pf. vorlrcfTlidicr Baumwolle , die thcils zu Fabrication verwen-
det, tlieils roll ausgelührt wird.
II. Urproductlon. §. 41- öhlgcwäclis». §. ^i. ArzeneykrUuter. g5
e) Hr. ('. Zimmermann hat die schöne , natürlich gefärbte chinesische Baumwolle auch im Rö-
nigreiclie Neapel gefunden, und erinnert, dass in Calabricn und Sicilien wohl Versuche im
Grossen damit gemacht werden könnten.
/) Die beste kommt Ans Brasilien ; auf diese folget die von Cayenne, Berbice und Surinam,
dann die von San Domingo und andern westindischen Inseln.
§• 41'
i") Ö li 1 g e w ä c h s e.
Die vorzüglichsten sind: i) Mohn (papavcr somniferum). Er wird in mehreren
Ländern Enropa's, insonderlieit in Frankreich^ den Niederlanden ^ in Deutschland ^
Ungern _, Siebenbi'wgen j im russischen Gouvernement Charkow j in der Tilrkey
u. s. w. sehr stark gebauet. Das aus dem Mohnsamen gepresste Ühl wird in Frankreich
nicht sehen mit Provencerölil vermischt. Auch wird dieser Same, mit Butter und Ho-
nig vermengt, von einigen Nationen , l)esonders von den Slawen,, in den Mehlspeisen
häufig genossen. Im Orient wird der Mohubau nicht sowohl zur Gewinnung des Sa-
mens, als vielmehr desjenigen Saftes lietrieben, welcher aus den Köpfen, Stengeln
und anderen Theilcn erhalten wird , und unter dem Nahmen Opium im Handel be-
kannt ist. — 2) Rübsamen oder Rübsaat j, Raps (brassica napus) , dessen Anbau be-
sonders in den Niederlanden , in Deutschland und Dänemark wichtig ist. Der be-
ste ist der Brabnntische und Flandrische. Er wächst hier bis 4 Fuss hoch, und Avird
meistens verpflanzt.' Das aus diesem Gewäciise bereitete Ühl ist zinn Speisen gesunder,
und zum Bt-ennen vortheilhufler als Hanf- und Leinöhl. — 3) Sesam oder Kuntschuk
(sesamum Orientale). Er wird seit 1801 in Russlands südlichen Provinzen in allen
den Gouvernements gebauel, wo der Seidenbau etablirt ist. Sein Same ist so öhlreicli,
dass aus einem Pud desselben bis 20 Pfand wohlschmeckendes und haltbares Ühl ge-
wonnen werden. Ein kaiserlicher Befehl verordnete bloss dcnGelirauch des Sesamöhls
bcy Hofe und auf allen kaiserlichen Tafeln cj. — 4) Sonnenblume (helianlhus an-
nuus). Diese Pflanze wird vorzüglich in Frankreich und Deutschland j nahmentlich
in der Pfalz^o/m^cn. Das daraus gewonnene Chi wird , so wie das Mohnöld, in jenem
Lande nicht selten mit Provencerölil vermischt.
a) Ilr. ('. Pf-'alberg und Hr. Vaimi haben im österreichischen Kaiserstaate gelungene Versuche
gemacht , aus inländischen MohnpOanzen Opium zu gewinnen ; jener zu Luridenburg in
Mäiiren , dieser zu Schmölnilz in Ungern.
6) Nahmentlich in If^'üriemberg, JSassau , Braiinsclni>eig , in den hanöcer sehen Landen, in der
preussischcn Provinz Sachsen und dein Regierungsbezirke Köln; dann in Osterveich unter der
Enns j in B.'hmen , Mähren u. s. w.
f) S. Storch's Russland unter Alexander I. III. Lieferung (Nov. Dec. i8o3). Vergl. c. IVich-
manns Darstellung der russischen Monarchie. S. 84.
§• 42.
g) Arzeneykräuter.
An ^rzeneykräutern sind die europäischen Gelnrge , insonderheit die Alpen , das
lUesengebirge und die Karparthen sehr reich. Mit der Anpflanzung der Rhabarber
q6 II. ürproduction. §. 45. Veiicliiedeue andere Fabriken- uiiJ Haudelskräuter.
(ilieum midulalum , wie aucli rheum palmatum) hat man in verschiedenen Ländern
Europa's, naluiicntlieh in Etigland j Deutschland aj j Dänemark hj _, Schweden cj
und Giilicien dj ghickliche Versuche gemachl. Doch macht man der in Eiu-opa ge-
zogenen Wurzel gcwöhnhch den Vorwurf, dass sie zum Ai'zeneygehrauche minder kraf-
tig, als die Russische aus Sil)irien sey, welche letzlere wieder der Rhabarber, die im
chinesischen Gouvernement Chensi wachst, nachgesetzt wird ej. — Süsshoh (gly-
zirrhiza glabra et echinata), von dessen Wurzel ein heilsamer Gebrauch in den OflTici-
nen, unter andern zur Verfertigung des sogenannten Lakritzen- oder Liquii'itzen-
saftes gemacht wird*, ist in warmen Gegenden von Europa, besonders in Neapel fj_,
Sicilien gj und Spanien einheimisch; es kommt alier auch im südlichen Russland ^
\\\ England _, Deiitscldand lij und Slavoiiien ganz gut fort; insonderheit dringt es
sich in den AVäldern des letztem Landes mit üppiger Fülle auf-, auch ist das in Sjr-
niien gewonnene Süssholz von vorzüglicher Güte; es ist besser, als selbst das be-
rühmte Bambergische j das in Gärten gebauet wird. — Eschen (fraxinus ornus et
rotundifolia) , deren Saft die eigentliche wahre Manna j eines der besten Purgirmiltel
gibt, werden nirgends mit so grosser Sorgfalt gezogen, als in Calahrien , Apulien
und Sicilien. Das Einsammeln müssen die Landlcute für einen sehr geringen Preis
verrichten, und sie werden hart bestraft, wenn sie daliey einen Baum beschädigen ,
oder etwas von der Manna entwenden. — Speik (Valeriana cellica) findet mau auf den
Alpen , besonders auf den hohen Alpen Stejermarks vmd Kürnthens. Er wird mit
der Wurzel ausgegraben, in der Luft getrocknet, in Fässer gepackt, nach Triest ge-
schickt, und von da weiter in die T'ilrkej j, bis nach Alexandria in Ägypten gebracht,
von wo er bis nach Suez und noch weiter verschickt wird. ]\lan gebraiiclrt ihn in die-
sen Ländern in den Bädern, als ein vorzüglich stärkendes Mittel, und als Rauchwerk
gegen INläuse und Rallen. — Die Kamille (anthemis nobilis), welche in den europäi-
schen Ländern grössten Theils wild wächst, aber hier und da, wie z. B. im Kirchen-
Staate ^ in Preussisch-Schlesien und Sachsen auch durch Kunst gezogen wird.
a) Zu Kefcrnthal in der Pfalz, zu Hanau, bey IVien. und um Soanenberg in Böhmen.
b) Bey Koppeiihagen.
c) Bey Slockholm.
d) Auf der t//i/coi(.er Herrschal't. Die Rhabaiber-Planlarji^ zj jIA/A/ü//« ist eingegangen. S. Vaterl.
Bläit. etc. 1810. Nr. 6. S. b-j.
e) S. Neue Leipz. L. Z. 180g. St. io2. S. 1622, wo gesagt wird: Da die schlauen Chinesen
uns nie den Samen der ächten Rhabarber zukommen iiessen : so kennen wir die wahre Rha-
barberpflanze nicht.
/) Neapel führte im J. 1771 für 110,000 Ducati Lakritzen aus.
^) In Sicilien bereitet man jährlich 4000 Cantara \on diesem Safte, wovon 3ooo Cantara in's
Ausland gehen.
h) Nahmentlich um Bamberg und bey Poppilz in Mahren. S. Patriot. TageLI. i8o3. S. i328.
1804. S. 18.
§. 43-
h) Verschiedene andere Fabriken- und Handelskräuter.
Unter der übrigen Menge von Falniken- und Handelskräutcrn sind noch voii
nicht geringer Erhcbliclikeit : i) der tlopfcn (luunuhis lupulus), dessen weibliche
II. Urproductioii. ^. 44. ■Wal<lljäume oder Höh.. gy
Fruclitzapfen wegen ihrer gewiirzliafien Bilierkcll das Bier angenehmer, dauerhaficr
und gesunder machen. Er wird fast in allen Ländern des kalten und mittleren Land-
striches unsers Erdtheils gehauet, hier und da auch wild angetroffen; nirgends aber
zieht man ihn in grösserer Menge imd von vorzüglicherer Güte, als in England und
Deutschland, in welchem letzteren Lande der geschätzteste in Böhmen aj_. Baiern bj
\in(\. Braunscluveig ia\\i. — 2) Die Kardendistel (dipsacus fuUonum), deren Köpfe
wegen ihrer gckciimmlen Maken zum Aufkratzen der wollenen und l)aumwollcncn
Zeuge dienen, wird besonders in England , Frankreich j den Niederlanden und
Deutschland gebauet. — 3) -Die Kali- und Sodäpßanze (sal sola kali et soda), wor-
aus die zur Verfertigung des Spiegelglases , der berühmten venctianischen Seife und
zu anderem Gebrauche nöthige Soda oder Soude (Aschensalz) bereitet wird, wächst
am mittelländischen Meere wild , wird aber auch an mehreren Orten , besonders in
Spanien j häufig durch Kunst gezogen. Die beste spanische Soda heisst bey denKauf-
leuten Barille. Die von Alicante j wo jährlich fiir eine halbe Million Thaler verfer-
tiget wird, geht allen übrigen vor. Sie geht zu vielen lausend Ccnmein in's Ausland.
Auch in Sicilien werden jäbrllr.h an gojpuü Cauiara (= 225,000 Cenlner) Soda gewon-
nen und ausgeführt. — 4) Das Sparto- oder I'edergras (stipa tenacissima), eine Art
Binse , wächst besontiers in Spanien und Portugal auf sandigen Hügeln. Die faden-
förmigen Blätter dieses Grases werden von den Spaniern nicht nur, wie die Binsen, zu
Matten, Körben u. s.w. verarbeitet, solidem man spinnt sie auch wie Hanf, luid bereitet
einige vierzig Arten von Arl)eiten daraus, grolje und feine, dem Nesselluch ähnliche
Zeuge, und Seile und Taue, die fast nicht zu verwüsten sind. — 5) Das den Färbern
wichtige Steinmoos (Orseille, orgilla) ist fast auf allen Bergrücken Spaniens und Por~
tugals verbreitet. — 6) Kanariengras (jihalaris canariensis) , dessen vornehmste Be-
nutzung darin besteht, dass es die beste Nahrung für die beliebten Kanarienvögel gibt,
wird in Deutschland j England _, vornehmlich aber im südlichen Europa häufig ge-
bauet, und ein nicht unbeträchtlicher Handel damit getrieben. — y) Mit der Cultur
der Seidenpflanze (asclepias syriaca) endlich, deren seidenartige Wolle mit Baum-
wolle vermischt, ein sehr brauchbares Garn zu Strümpfen, Handschulien ü. s. av.
gibt, hat man unter andern bey Liegnitz in Schlesien gelungene Versuche gemacht.
Ln J. 1802 waren daselbst, nach Hi-n. Stein j 18 Morgen mit dieser Pflanze besetzt.
a) A'^ornehinlich im Saalzer- und Biinzlauerkreise , dann um Ansehe im Lcutnierilzerkreise und
in den Egerthälern des Ellnij02;nerkreisps.
b) Besonders der IIopTcn von Spalt und Langenzenn.
§• 44-
W a 1 d b ä u m c oder H o 1 1.
Die W(ddbäume sind entweder Laubholz „ welche ordentliche Blätter haben,
die sie im Herbste verlieren, oder Nadelholz (Tangelholz) , welche nadeiförmige Blät-
ter tragen, die sie etwa nach drey Jahren wechseln, den Lerchenbaum ausgenommen,
welcher, wie die Laubholzcr, alle Bläiler im Herbste verliert. Auch ist den Nadelhöl-
zern allein der harzige Saft eigen, wclclicn man auf mannigfaltige Art zu benutzen
weiss. Zu deu Laubhölzern gehören hauptsächlich in Europa: die Eiche (qucrcii.s) ,
58 11. Urproducüon^ §. 44. Waldbäume oder IIoli.
die Buche (fagus) , die Bii'ke (bctuJa), die Ei^le (alnus) , die Ulme oder Ru^tCT (ul-
rm\s) , A\c Esclie (iVaxinus) , die Zwf/e (lilia) , Aev Aliorii (acer), die Pappel (popu-
lus) und die ff'eide (salix) ; zu den Nadelliölzei-n : die Tanne (pinus picea), die I'^c/tCe
oder Rothtanne (pinus abies), die Kiefer oder Föhre (pinus sylveslris), der Lei^-
chenbauin (pinus larix), der Eibenbauin (laxus baccata, vmgriscli Tissa faa, polnisch
Cis) und die Cjpresse (cupressus). Nordasien und Nordamerika haben eigene mid
veiwandte , aus welchen die evu'opäischen Waldungen bereichert werden können,
luid zimi Theil schon bereichert worden sind; die wärmeren Gegenden wieder an-
dere und sehr kostbare Holzarten , die in den europäischen Färbereyen und andern
Gewerbsanslallcn gc])raucht werden aj.
Die Wälder liefern: i) Holz j imdzwar: o) Bi'ennholz zur Feuerung und ztun
Kochen ;y6) JS'utzJiolz _, für Wagner, Böttcher und Drechsler; y) llschterholz zum
feinern Hausgerälhe; by Bauholz zum Häuser-, Schiff- und Wasserbau; 2) Kohlen
durch die \erkohlung in Meilern; 3) Pottasche diuxh's Verbrennen; 4) Harz von
den Nadelhölzern , aus denen es von selbst oder durch Einschnitte dringt, woraus
bej" verschiedener Behandlung Pech j Kienruss j Theer j Terpenthin und Colopho-
niuni bereitet \\ird. jMaicrialien zum Färben und Gärben liefern einige Waldbäume bj
und wilde Gesträuche. Auch die Nadeln und Blätter selljst, so wie die Eckern (Bu-
chein und Eicheln cj zu Schweinemast, die ersteren auch zu ühl) und die Tannen-
zapfen werden benutzt. Der ebenfalls zu den Forstproducten gehörige Fe« e/\yc/nr«/?i/;i
(Ijoletus igniarius) ist eine Schmarotzerpflanze auf alten , hinfälligen Bäumen.
Da das Holz nicht nur zu den unentliehrlichen Erhaltungsmitteln misercr pliysl-
schen ILxislenz gehört, sondern auch fast fiir alle Gewerbe ein dringendes Bediirliiiss
ist: so ist es für ein Land überaus wichtig, wenn es mit diesem so gemeinnützigen
Producle hinlänglich versehen ist. Noch sind zwar die ^\ a\d\\n^cn in Europa ^ ]ic-
sondcrs in dessen nördlichen, östlichen und mittleren Ländern dj sehr beträchllicli,
uiid liefern für manchen Staat den Fond zu einer jährlichen Holzausführe ^ on aufi'al-
lender Wichtigkeit ej. Aber e]}en die Grösse dieser Ausfidirc, ingleichen die hier und
da zu weit getriebene l.Ir])armachung der Waldungen , Avoran mit der Zeit die mei-
sten Gewerbe alistcrljeii Averden^^, und der durcJi die verschwendeiische Feuciung,
wo nach den Angaben des Hin. Grafen v. Ruinford noch immer |- der Hiize ungenutzt
verliiegcn gj , so wie durch Bevölkerung, Luxus imd Fabriken, durch Berg-, Wein-,
Sciiiif- und Wasserbau gestiegene ^^erbrauch haben die europidscheny^ ■Ad\\i\ü,en bis-
her immer mehr verdünnet. Auch fehlet es so mancliem Lande, selbst bis auf den
heutigen Tag, an einer allgemeinen Forslcrdnung hj , die der willkührlichen Abhol-
zung manches , nur auf zeitigen Gewinn bedachten Eigenthümers zum allgemeinen
Besten Schranken setzte; oder sie wird in denjenigen Ländern, wo sie wirklich ein-
geführt ist, nicht immer imd allenlhallien mit der gehörigen Strenge gehandhabet. in
den meisten Ländern dauern daher die Miss])räuche und ""ierwüstimgen ij fort, wo-
diu'ch manche Theile der selbst holzreichen I^änder ilucs eheinaliHgen Ubciflusses
fisi ganz beraubet wurden, imd mit einem schrecldiclien Älangel bedrohet werden ;
andere Länder diesen schon jetzt empfinden kj. Hierzu kommt noch die nicht scliene
Unziigänglichkeit zu ülieraus dichten Holzungen in gebirgigen Gegenden , die um
II. ürproduclion. §. 4/,. Waldl.aumc oder HoU. gg
ehen dieser Unzugänglichkeit und des liier und da bestehenden Mangels einer leich-
ten Conimunicalion willen gar niclii benutzt werden können, so, dass die Bäume vor
Alter umfallen und vermodern. Auf den Hochwaldungen vieler cinzehieu Gebirge der
Schweiz ruhet sogar ein ewiger Bann, weil sie wegen der zu befürchtenden Lawinen
und Bergfälle nicht weggehauen werden dürfen. Erwäget man nun alle diese Um-
stände , Hindernisse und Gebrechen : so lässt es sich wohl erklären , warum der Holz-
mangel oder die Thcurimg dieses Artikels in sehr vielen Ländern zu einem so driickcn-
den Verhältnisse habe steigen können, und zwar um so mehr steigen musste, da un-
ter allen Naturproducten es keines gibt, welches so gemeinnützig imd allgcbrauclu als
das Holz wäre, und das zugleich so langsam wie dieses, uns in die Hände wüchse.
Erfretilich ist daher dem beobachtenden Menschenfreunde die Sorgfalt mehrerer
Regierungen und Vaterlandsfreundc fiir die Cultur imd Erhaltung der Wälder, durch
Erlassung zweckmässiger Waldordnungen, Errichtung thätiger Waldämter (Inspccto-
rate) vuid durch Beförderung des Studiums der Forstkunde mittelst eigener Forstin-
stituie und fursiwissenschaftlicher \orlesnngen an Universitäten und Akademien Ij ;
für Anpflanzung iiordamerikiinischer _, geschwinder wachsenden Holzarten inj; für
Feststellung des Flugsandes durch ^Valdplantagen5 für Auffindung uiul allgemeineren
Gebrauch neuer Ersatzmittel des Holzes; fiir Ausrottung der Borkenkäfer, dieser ^Väl-
der verwüstenden Inseclen; für das Anlegen lebender Zäime j fiir die Setzung der
Bäume an den Strassen und Ufern der Flüsse u. s. w.
fl) Als: (las Brasilien- oder Fernambukholz in Brasilien, Jamaika uni} Carolina, zur Bereitunff
rother Farbe und Tinte dienlich; das Campecheholz , am häufigsten bey Campeche auf diT
Halbinsel Yucalan in Neuspanien, mit einem blutrothen Kern, nicht nur zu einem achten
Purpur, sondern auch zur Verfertigung der feinsten schwarzen und vic'?tWauen Farbe brauch-
bar, dieser letzten Eigenschaft wegen auch Blauholz genannt; das rothe Sandelholz, auf
Ceylon und in einigen Gegenden d<'s festen Landes von Ostindien befindlich ; das Mahaqony-
holz, besonders nu{ Jamaika in Westindien und im südlichen Amerika einheimisch, wegen
■der vortrefflichen Politur, die es bey seiner braunrothen Farbe, Feinheit und Härte an-
nimmt, vornehmlich zu Möbeln und mancherley Kunstarbeiten brauchbar; das Ebenholz,
vorzüglich schön in Afrika, mit einem pechschwarzen Kern; die Tischler brauchen es mei-
stens zum Fourniercn, d. i. allerlcy Hausgerälh \on schlechterem Holze damit zu belegen
und auszuschmücken; endlich das für den Schiffbau wichtige Theak- oder Tikholz, welches
die Brillen von der Küste Malabar hohlen.
l>) Die Eiche z. li. liefert die Galläpfel-, d. i. Auswüchse, die an den Zweigen und Blalternder
Eiche durch den Stich der Gallfliege oder Gallivespe (cynips quere, petioli oder cynlps quere,
folii) entstehen. Sic sind zur Färberey und zur Bereitung der schwarzen Tinte unentbehrlich.
Die besten erhält man aus Ungern und der Lei>nnle. Die Puischgallüpfel sind von geringerer
Güte. Man erhält sie aus Frankreich und Deutschland. — Die von der Knoppergalifliegc
(cynips quere, caücis) an den Eicheln verursachten Auswüchse heissen eigentlich Kaoppera
• und sind ein xorziigliches GUrhematerial. Die Lecanllschen haben den Vorzug \ot andern ;
doch schätzt man auch d'te Unqrischen., von denen in gewöhnlichen Jahren über 200,000 Me-
tzen ausgeführt werden. — Die Rinde der nur im südlichen Europa gedeihenden Korkeiche
(quercus suber) gibt das Kork- oder Pantnflelholz , womit Spanien allein mehr als einen Erd-
theil versorgen kann. Bordeaux in Frankreich treibt ebenfalls damit einen beträclitlichen Han-
del. Es dienet zu Stöpseln , Fischnetzen , Rosenkränzen u. s. w. Dessgleichen bereitet man
aus dem verbrannten Kork eine sehr feine, schwarze Farbe, Spanischsc.'in^arz gimannt.
30 II. Urproilucliini. §. ^4. Waldbaiime oücr IIulz.
c) In Sardinien backt man aus den Eicheln ilcr grünen Eiche (tjuercus ilex) , von den Sarden
Elighe genannt , Brot , und in Italien und Spanien werden die Früchte der süssen Eiche
(quercus csculus) , wie Kastanien gegessen.
dy Das südliche und mittlere Russlatid hat zwar im Ganzen wenig grosse Wälder ; den gröss-
ten Waldvorrath haben in diesen Strichen das Königreich Polen (wo die Plock'schen Forste
und die grosse Ostrolenkische Wildniss) , und die Gegenden an der Ocka , je mehr sie sich
der Wolga nähern. Hier ist der grosse Pf^olchonskischeyVald ■, (\i;r sich \on Pf^jäsma im Gou-
vernement S/nolensk fast ununterbrochen bis gegen Moskau 35o Werste fortzieht. Hingegen
der nördliche Landstrich enthält fast •undurchdringliche Wälder. An der obern Pe/ic/io/'a
und liama gegen das Uralgehirge und gegen die Dwina ist fast alles Wald. Nordsibirien ist
unermesslich reich an Wäldern. Doch sind gerade diese Gegenden die volksleeresten , und
so hat der grosse Holzvorrath für Russland selbst wenig Nutzen. Der Flächeninhalt der
Kronwaldungcn allein betrug im J. 1806 über 108 Mill. Dessjülinen. S. IVichniann a. a. O.
S. 46 — 5o. — Von den 24 Statthalterschaften des Königreichs Schweden enthalten allein die
i5 holzreichsten 2400 scliw edische = 4g2o gcogr. QM. , oder 45 Alill. Tonnen Landes
Waldungen (91417 Tonnen Landes auf 1 geogr. i)M. gerechnet); aber die Natur zerstört die
Schätze , welche sie in diesen Wildnissen jährlich hervorbringt , grössten Theils wieder
fruchtlos. S. Crome a. a. O. S. i2o ff. — Norwegens Westseite ist vvenig bewaldet, fast ganz
entblösst; im Innern des Landes aber finden sich noch weit ausgedehnte dichte Waldstre-
cken. — In der österreichischen Monarchie nehmen die Waldungen mehr als ein Drittel der
ganzen nutzbaren Oberiläche, oder über 53, 176, 000 Joche ein. — In Ungern, Slaconien
und Croalien allein betragen die Waldungen 11,101,208 Joch, wozu noch die banatische ,
slaconische und croatische Militärgränze kommt. In Siebenbürgen wird der Flächeninhalt der
Waldungen auf 4,482,000 Joch berechnet; in GaA'riVn auf 5,785,208 ; in iJö7i«ie« auf 2,3io,o26
Joch; im Erzherzoglhume Österreich auf 1,580,999 Joch; in 6"'/ e^'f^rmar/i: auf 1,507,2 14 Joch ;
in Mähren auf 8g5j422 Joch u. s. w. — In der preussischen Monarchie verhält sich der
Raum der gesammten Waldfläche zum Ganzen, nach Voigtel, wie 1:6; nach PJ'ell nimmt
er 18 Mill. Morgen ä 180 Quadratruthen ein; bloss von den abfallenden Kienäpfeln, die in
den preussischen Waldungen verfaulen, könnten, nach Ebendemselben, 110,000 Menschen
ihr wirkliches Brennliolzbcdürfniss befriedigen. S. Götting. gel. Anz. 1817. St. i43. S. 1419 ff.
Die Johannisburgerheide (benannt \ on dem Städtchen Johannisburg im südöstlichen Theile
von Oslpreussen) , ist ein über i2 Meilen langer Wald, und gränzt nahe an die Wildniss
von P«/i;;s/c und Ostrolenka. — Von Deutschlands Oberfläche ist, nach Hock, noch jetzt
beynahe der dritte Theil , und zwar der östliche Theil in der Regel mit Nadelholz, der
westliche aber mit Laubholz bedeckt. Der mehreren Gebirge vvegen ist das südliche und
mittlere Deutschland holzreicher als das nördliche.
e) Russland z. B. schiffte im J. 1793 aus allen seinen Häfen (mit Ausschluss deren am caspi-
schen Meere) Masten, Balken, Breier und allerley Holz an Werth von i,744i2o8 Rubel
aus. S. Storch's Statistische Übersicht des russischen Reichs. Riga, 1795. S. 124. Ini Jahre
i8o3 betrug die Bauholzausfuhre, nach Kajfka , 2,000,000 Rubel. — Die Holzausfuhre
Schwedens beträgt im Durchschnitte jährlich 57,000 Balken, 23, 000 Sparren, 176,000 Breier
und Latten, bey der Abladung werlh 900,000 Banko-Thaler. S. Crome a. a. O. S. i2i. —
Norwegen führte im J. 1799 für i,25o,ooo Rthlr. , 1802 sogar für 5, 000, 000 Rthlr. Balken
undBrcter, auch Masten, nach Dänemark, den Herzogthüniern Schlcsnig und Holstein, -
vornehmlich aber nach England aus. S. Niemanns Forststatistik der dänischen Staaten.
Mit drey sfatistischen Tabellen. Altona, 1809. Durch den Bretcrhandel haben mehrere nor-
wegische Häuser bedeutende Reichthümer erworben. Unter andern hintcrliess der Kammer-
herr Berndt Anker, durch diesen Handel in kurzer Zeit bereichert , trotz seines grossen Auf-
wandes , nach seinem Tode noch ein Vermögen von mehr als anderthalb Millionen däu.
11. UrproJuctiou. ^. 44, Wüldbäurac oder Hulx. joi
-Tlialer. S. Monathl. Correspondenz zur Beförderung der Erd- und llimnielskunde. ibio.
Jul. S. 75. — Auf der £/6e wurde im Sommer 1792 für 5, 400,000 Rlldr. Scluffsbauholz
nach Hamhurg hinabgeflösst. S. Schlozer's ßrieivv. Heft 5g. S. 327. Und auf dem Rheine er-
hielten die Hollander im J. 1780, ohne das, was von der Mosel dazu kam, über 6^ Mill.
Gulden an Schiffs- und Hausbauholz. S. Slaatsanzeigen. Helt 1. S. 19.
/) An der >vesllichen Seite Norwegens sind desshalb die Salzsiedereyen , Eisen- und andere
Hüttenwerke unmöglich geworden, so wie auf der Insel Elba die \erarbeitung des Eisens.
S. Götting. gel. Anz. 1810. St. 101. S. ioo4 u. 1808. St. 189. S. 1884. Eben so steht in der
Gömörer Gespannschalt in Ungern mancher Eisenhammer aus Mangel an Holz und Kuhlen
zum Theil stille. S. f. ScIuvaHnev a. a. O. S. 32 1.
g) S. Grellnaniis Historisch-statistisches Handbuch von Deutschland. Gottingen, 1801. S. gi.
h) Wie z. B. dem Königreiche Norwegen. S. H. A. L. Z. i8n. Nr. 2o5. S. 6go. — Als mau
auf dem uiigrisc/ien Reichstage vomJ. 1802 darauf antrug , eine zweckmassige Waldordnung
einzuführen, um dadurch dem drohenden Holzmangel vorzubeugen, behauptelen viele: ,,es
wäre diess eine Einschränkung des adelichen Vorrechts; libere Uli et Jrui , und Niemand
könne den ungrisclien Edelmann hindern , wenn er auch auf einmal den ganzen Wald aus-
hauen Hesse." S. Magazin für Geschichte , Statistik und Staatsrecht der österr. Monarchie.
Bd. 1. S. 99. Erst durch den Art. 2i. 1807 wurde dem möglichen Eigensinne, und der
Verschwendung mancher Wald-Gomposscssoren , und der Vorwüstung der Wälder über-
haupt, \ orgebeugt.
i) In Norwegen sind die Eiclien , wegen des willkürlichen Hauens , fast aufgerieben; jetzt sieht
man sie nur in den Grafschaften Lauerwig und Jarlsberg , und im Stifte Christiansand. S.
Götting. gel. Anz. 1810. St. 101. S. ioo5. — Von dem verschwenderischen Verfaliren mit
den Waldungen in Schweden s. ßüsching's Erdbeschreibung. Till. 1. S. 5o8 ff. — Über die
Forstsünden in Russland s. Slorch's Slatislischcs Gemälilde des russischen Reichs. Bd. 2. S.
248 ff. Vergl. AUgem. geogr. Ephem. Bd. 28. S. 5oi. — In den Herzogthümern Schleswig
und Holstein müssen die jetzigen Einwohner die Forstscandale ihrer Vorfahren büssen. S.
Götting. gel. Anz. i8io. St. 101. S. 1006. ff. — In Islands südlichem Tlieile beschleunigt
regelloses Kohlenbrennen /den Untergang der Wälder. S. Niemann's Forstslalistik a. a. O.
Tafel III. — Über das Wüsten in deulsc/ien Waldungen finden sich in dem Journal für das
Forst- und Jagdwesen (Leipz. 1790. 8.) an verschiedenen Stellen, vornehmlich im zweyten
Bande, sehr belierzigenswerthe Nachrichten. — Die Geschichte der Forstwissenschaft in
Frankreich liefert Hr. Perthais in der Einleitung seines Werkes: Tratte de l'anienagenient
et de la reslauralion de bois et forcts de la France. Während der Revolution hat sie ganz
aufgehört. — Von dem schlechten Zustande der Wälder in Ungern s. Vaterland. Blatter etc.
1810. Nr. 12. S. i2o. — In der Bukowina wurden, Hrn. Rohrer zu Folge, binnen 5 Jah-
ren, \on 1795 — 1800, 1,310,714 Wienerklaiter in Pottasche verwandelt , so, dass die Re-
gierung dieser Holz\erschvvendung Einhalt zu thun genöthiget war. — Die Staatsaufsicht
auf die Waldungen und Forste ist unverkennbar nützlich ; es ist daher in der Tnal auflal-
lend , wie es Hrn. Hazzi in seinem Werke: „Die ächten Ansichten der If^aldun^en und For-
ste" ciniallcn konnte, das Zweckwidrige und Ungerechte des Forstreyals oder der Forst-
polizey zu beweisen. S. Götting. gel. Anz. i8o5. St. i56 und 157.
k) England und ein Theil von Dänemark haben jetzt wenig Holz. Die Westseite dca ilerzog-
thums Schleswig ist ganz bauinleer, und die Mitte desselben ist meistens entblösst. Die In-
sel Aniak hat weder Holz noch Torf Die am Meere liegenden Gegenden der Niederlande
sind ganz ohne Holz, und was dort zu Schiffe eingeführt wird, verkauft man grossen Theils
nach dem Gewichte. — Eben so emplindeii manche vormals hewahlele Gegenden Deutsch-
lands jetzt Holzmangel. Die Marschländer an der Nordsee und Elbe sind ganz ohne Holz.
— Frankreich erzeugt bey einem, mit 8,000,000 Morgen (arpen.-.) Waldungen bewaclisenen
J02 ir. Urfroduction §. 45. Viehzucht.
Frachenraiimo im Durcbsclinitte jährlich 5,333,320 Klafter Holz , und vorbraucht im Gan-
zen ungefähr io,35o,ooo (Patis allein 3oo,ooo) Klafter, woraus, verglichen mit der Erzeu-
gung, ein Deficit von 5, 016, 680 Kl. sich ergibt. S. Ergänzungsbl. zur H. A. L. Z. 1810,
Nr. 66. S. 527 ff. — In dem russischen Gouvernement Jekalerinoslaii> gibt es unermessliche
holzleere Ebenen, und im obern Lilt hauen ist die Holznoth so gross, dass der Bauer, wenn
er bey dem Hufschmiede et\vas gemacht haben will , die Kohlen dazu mitbringen muss.
S. Götting. gel. Aiiz. i8i2. St. Sg. S. 386. — In diesen und andern Ländern, wo Holz-
mangel ist, brennt man ent\veder Torf oder Steinkohlen j oder Stroh und Stoppeln; auf
Amak braucht man die Kohlstr'änke zur Feuerung; in England und Frankreich ausser Stein-
kohlen und Torf den slachlichlen Ginster (ulex eiiropaeus), und in Holland die Sumpjheide
(erica tetralix) , wo auf das Anzünden derselben — welches Privatleute zur Reinigung des
Bodens, um bessere Producte darauf zu erziehen, wohl thun möchten — die Strafe des
Staubbesens steht. S. Funke's Naturgeschichte etc. Bd. 2. S. i52. — In der Schtfeiz , und
zwar im Urselcr Thale und auf dem St. Gotthardsberge brennet man die Alpenrose (rosa al-
pina) , das rhododendron glabrum et cello^um und andere Pflanzen; im Lande unter der
Eons, und zwar im Marchfelde , dann in Schlesiens Fürstenthume Breslau Stroh und Di-
steln, im letzteren Lande auch Kartoffelstauden. Auf Hiddensee bey Rügen braucht man,
so wie in Bessarabien , zur Feuerung getrockneten Kuhmist; in der Schweiz, und zwar im
Graubündtnerisclicn Thale Afers , gedörrten Schafdünger ; in der schwedischen Provinz
Schonen hin und wieder ausser Stroh auch Rasen und getrockneten Kuhdänger ; in Ungern
ausser Stroh und Rlndvichmist auch Rohr, Hanf- und KukurutT,si enget und körnerlecrc Kol-
ben. — Auf Island brennet man auch Fischgrälen , und in Apulien am Ufer des Meeres zwi-
schen Manfredonia und Barletta , braten die Fischer ihre Fische bey dürrem Bi'iffhlkothe. —
Vom Treibholze (FöhTcn- ., Tannen- und Lerchenstämmen), welches die nordischen Meere
an die Gestade von Noit^aja-Senilja (Nova Zembla) , Spitzbergen , Grönland u. s. w. werfen,
und diese unglücklichen Gegenden, wo kein einziger Baum wächst, mit Holz zum Bren-
nen und Bauen versehen, empfangen auch Irland j Schottland , die Hebriden , die Orkney's
und schettländi^chen Inseln, so wie Nonuegen, Island und die Färöer ihren reichlichen Antheil.
l) S. Z\veyte Abtheilung : Unterrichtsanslalten.
m) Merkwürdig und einzig sind die Plantationen erotischer Holzarten zu Eisgrub , Feldsberg
und Rabenshurg in der österreichischen Monarchie, vornehmlich das Werk der Befehle des
im J. i8o5 mit Tode abgegangenen Fürsten Aloys von Liechtenstein. Drevzehn Millionen
nordamerikanischer Waldhölzer , die die unsrigen an schnellem Wüchse weit übertreffen ,
haben jene Pflanzungen aus Samen gezogen und glücklich naluralisirt. Auch zu Dotis , Ga-
tendorf. Brück an der Leytha , Urmeny , Koosze und in anderen Gegenden des österreichi-
schen Kaiserstaates sind reiche Pflanzungen ausländischer Bäume , die sich aus jenen gros-
sen Gärten immer mehr verbreiten.
b) N a t u r p r o d u c t c aus dem T h i e r r e i c h e.
V i c h z u c h ;.
Im cng.ston Sinne vcr.stcht mau unter fie/i niiv das OcJisengeschlecht ; im weilen
Sinne übcrliaiipt alle Arten von luttzbarcu zahmen Tliiercn. Die f^iehziicht ist also
nach der Landesart sehr vcrscltiedcn, und ])cgrcift in Europa eben sowohl Retinthie-
re , Kamehle luul Hunde j als Pferde ^ Esel nnd Maiilthiere j, Ochsen und BilßeL ,
Schafe^ Ziegen j Schweine und Kiininchen , auch zahmes Fedeivieh aller Ait. Sic
ist eines der aiisyebreitclstcn Naiirungsj^ewerhe der .Menschon und noch unenlbchrli-
II. Urproduction. $. 45 Viehzucht. 103
eher als der Ackerbau. SeUjst in Europa^ sowohl im nördlichsten Thcile desselben,
als in andern sehr gebirgigen Ländern, leben die Menschen ohne Ackerbau, bloss von
der Viehzucht, Jagd und Fischereyj der Ackerbau kann dagegen nicht ohne Vieh-
zucht bestehen. Wenn beyde in einem Staate mit gehöriger Kenntniss und möglich-
stem Fleisse getrieben werden, und in gehörigem Verhältnisse zu einander stehen: so
gewähren sie den Einwohnern ein sicheres Auskommen , und sind die eigentliche
Grundlage der Bevölkerung und Macht eines Staates, so wie die Quelle vieler Manu-
facturen und mancher einträglicher Handelszweige. Die Staaten, die ihren \Yohlsland
auf Viebzucht luid Acker])au griuiden, haben immer mehr innere Kraft, als die, wel-
che denselben vom Handel ,mid Fabriküeiss abhängig machen. Jene haben die Quelle
ihres Wohlstandes innerhalb ihrer Landesgränzen, diese nicht selten ausser densel-
ben, und ebendcsshalb ist die Existenz ihrer, vom Kunstfleisse und Handel lebenden
Einwohner desto prccärer und unsicherer, je leichter hier das Interesse der Nach-
barn cüllidiri.
Ackerbau und ^iehzitcht müssen aber im gehörigen N eihiütnissc zu einander ste-
hen, wenn sie einem T^ande recKt nüizlich -vvoi-de sollen. Ohne die letztere wird jene
nur künnnerlich betrieben j zweckmässig vereinigt, werden beyde erst recht gewinn-
reich fiir ein Land. Doch gibt es mehrere Gebirgsstrecken in Europa, nahmentlich in
der Schweiz j in Savnjen j Tjrol ^ in den Pyrenäen ^ in Lappland u. s. w. , die kei-
nen Ackerbau gestatten, deren grasreiches Berg- mid Thalgelände nur zur Viehzuchl
benutzt werden kann, deren Einwohner daher sich auch aus schlics send von den Pro-
ducten der letzteren nähren aj. Dagegen wird in Ungern^ in der Moldau j TVala-
chej und in andern , zum Ackerbau geeigneten Ländern die Viehzucht zum Nachtheil
des Ackerbaues gelrieben; uniibersehbare Heerden weiden dort auf ungeheuren Pusz-
ten und verzehren die iippige Grasfulle , welche die wohlthälige Natur ohne Zuthun
des Menschen wachsen lässt. Diese Benutzungsart des Bodens gewährt zwar dem Ei-
genthümer grosse und zugleich sehr l)erjueme Einkünfte, aber sie ist unstreiti" nicht
die beste, indem dieselbe Puszte el)cn so gut zum Ackerbau geeignet wäre, und der
Eigenthüjner des Weideplatzes, anstatt aus dem Anbau desselben und der Viehzucht
zugleich Vorlheile zu ziehen, bloss das liebe ^ ich das ganze Product des Bodens ver-
zehren lässt. Eben dassellje ündet Stall in Spanien _, HochscJiottland und Irland _,
wo die Schafheerden durch grosse Gebiete hin und her getrieben werden, und den
Ackerbauern so viel Land durch Schaftriflen entzogen wird^ dass in den beyden letztem
Ländern starke Auswanderimgen nach Nordamerika veranlasst wurden, und selbst am
Kaukasus sich eine Golonie von Schottländern nicderliess bj.
Obschon also die Viehzucht die slärkeste Stütze des Ackerbaues ist, so ist doch
die, auf Kosten des lelzlerenbclriebene Viehzucht ein unverkennbarer Beweis gerin"-er
Landescultur, so wie im Gegenlheile jenes Land, wo die 'N'iehzucht mii dem Acker-
baue gleichen Schritt hält, oder wohl gar durch diesen verhältnissmässig eingeschrän-
ket wird, in der Cultur des Bodens fortgeschritten ist. Ein solches Land macht nicht
die Vermehrung seiner Haerden zum Hniptzwecke seiner landwirlhschafilichen In-
dustrie, sondern setzt die grösste Kunst dersell)en in die f^eredelung ^e&Y'ielics ,
wodurch es in den Stand gesetzt wird, den grösstmöghchsicn Niuen davon zu ziehen.
lO/i II Urprotlnction. §. 46. Pferdcgeschlecht,
Die Verbesseiimg des Vielistaudes Iiängt aber ab : von sorgfältiger Auswahl des Zucht-
viehes, von reichlichem und gutem Futter durch künstlichen Fulterbau, d. i. durch
Anpflanzung allerley nahrhafter Gewächse, welche die Natur nicht von selbst her-
vorbringt, und von einer der Natur des Viehes gemässcn Behandlungsart, deren
rwcy wesentliche Stücke : Ordnung und Reinlichkeit sind. Durch flcissige und ge-
schickte Anwendung dieser Grundsätze zeichnen sich die Holländer _, die Schweizer ,
die Deutschen j vornehuüichaber die Engländer aus, die auf Verbesserung ihres Vieh-
standes mit anderen Racen ungeheure Kosten verwenden, ihre eigenen Racen bey
ihren Vorzügen zu erhalten wissen, und insonderheit in der Art das Mastvieh zu be-
handeln, alle Europäer überirefFen.
a) Nach Ebel's Angabc befinden sich allein unter den 6 — 7 Mill. Seelen starken Alpenvölkern
wenigstens 1^ Mill. , welche bloss Hirtenvölker sind, und sich ausschliessend mit der Al-
penwirthschaCt und Viehzucht beschäftigen.
b) S. Bredoit-'s Chronik des 19. Jahrb. Bd. 1. S. 43o. 2. Aufl. und Jahrg. 1804. S. 43i.
i) Säugethiere.
§.46.
P f e r d e g c s c h 1 e c h t.
Zu dem Pferdegeschlechte gehören die eigentlichen Pferde j die Esel j Maul-
thiere und Maulesel. Das Pferd (equus caballus) emplicbk sich luiter den Säugethic-
ren nicht nur durch schönen Körperbau, sondern auch durch Stärke, Schnelligkeit
und kriegerischen Muth, und ist, dieser Eigenschaften wegen, für einen Staat in öko-
nomischer, commercieller und militärischer Hinsicht von grosser Wichtigkeit. Es ist
heut zu Tage meist in allen Ländern Europas weit zahlreicher voi'handen, als noch
vor hundert oder zweyhundert Jahren, da das Verhältniss der Sitten, der Gewerbe,
und grosse stehende Armeen, den Gebrauch desselljen noch nicht wie in luiscren Zei-
ten so sehr vervielfältigt aj , auch die eigene Zucht dieser Thierc, zugleich nüt dem
vermehrten Gebrauche, wo nicht in allen, doch in den meisten Ländern unsers Erd-
theils einen angemessenen Schritt gehalten hatte. Von sehr vielen europäischen Re-
giei'ungen, ja selbst von mehreren Privatpersonen, werden übcrdicss, mittelst der
Gestüte j die sorgfälligsten Veranstaltungen unterhalten, um durch ausgesuchte Be-
schäler sic,^ einer guten Nachzucht zu versichern.
Die berühmtesten Pferde in der Welt sind die arabischen j deren Geschlcchts-
rcister mit grösster Sorgfalt bewahret werden. Durch diese, so wie durch afriktini-
scliCj oder Pferde aus der sogenannten Berherej _, die den nächsten Rang nach jenen
haben, sind die europäischen Stutereycn verbessert worden. Die besten europäischen
Pferde flillen in Spanien bj ^ England cj j in einigen Gegenden Fr^anh'eichs dj imd
Italiens ej j in Dänemark fj j Deutschland gj j Friesland hj j, Ostpreussen ijj der
Ukraine oder Kleinrussland ^ Polen j, Galizieiij der Bukowina j Ungern (dem er-
sten Vatcrlande aller europäischen Husaren), Siebenhihgeuj der Moldau j Wala-
chey j Tliracien und anderen osmanischen Provinzen kj. Die meisten dieser Länder
haben zugleich eine so beträchtliche Pferdezucht, dass sie auch andern Ländern viele
II. Urprodiiction, §. 4(>. PferJegeschlecIit. 106
Lraiicliljare Pferde üLerlasscn , so wie aucli die Sc/nveiz jalirlicli fiir 5oo,ooo fl. mei-
stens schwere Pferde ausfuhrt.
Der Esel (asinus) , dessen hchebte^te Nahrung die Distehi sind, gedeiht in den
si'idlichen Landern Europas ungleich besser, als in den nördlichen , wird daher in
jenen weil häufiger, als ein durch Lasttragen sehr nützliches Havislhier gehalten. Die
spanischen und mailändischen Esel werden für die schönsten gehalten, denen die
piemontesischen und neapolitanischen folgen. — Aus der Yerniischung des Escl-
hengstes mit der Pferdestule entsteht das Mnulthier (luulus) , so wie aus der Begat-
tung des Pferdehengstes mit der Eselinn der Maulesel (hinnus). Beyde sind also Ba-
starde, werden aber in Italien ^ Portugal ^ Spanien j, so wie in dem nordwestlichen
imd südlichen FrankreicJi so allgemein gezogen, dass die Pferdezucht darüber ver-
fallen ist, und zum Ziehen, Tragen, Reiten, Fahren, und überhaupt so allgemein zu
allen Arbeiten gebraucht , wie bey uns das Pferd. Sie tragen Bürden von 4 — 5 Ctr. ,
gehen in bergigten xuid klippigen Gegenden sicherer, und kommen weit besser fort,
als das Pferd IJ , können auch 20 — jo Jahre dienen, und sind den Schwachheiten der
Pferde nicht unterworfen. Es ist daher auflidlend, dass man sich in andern Ländern
Europa's mit der Zucht dieser nützlichen Thiere so wenig beschäftigt. Nur in der
Schweiz j vornehmlich in dem Canton Tessin j werden sie noch häuüg gezogen. In
dem südlichen Tjrol _, in Fiianl und anderen Gegenden Europa's ist die Zucht die-
ser Thiere von geringem Belange. Die schönsten und stärksten Maulthiere mid INIaul-
cscl sind die französischen ^ vorzüglich aus dem Departement der hejden Sevres.
Sie werden in Spanien imd Italien sehr gesucht. Frankreich gewinnt durch seine
jährliche Ausfuhre von 16,400 Maulthieren und Mauleseln nach jenen Ländern 12 —
1 3 Milk Franken, an welcher Summe Poitou allein, wo für das Stück im Durchschnit-
te 1000 Fr. bezahlet werden, mit 7,760,000 Fr. Anthcil nimmt.
0) Buy den Gefahren des spanischen Krieges i588 konnte England kaum 3ooo Pferde fiir die
Reiterey hergeben; und jetzt wird behauptet, dass allein in London die Zahl der Reit- und
fT^agenpJerde auf 80,000 sich belaufe. So zählte man auch in der ersten Regierungszeit Lud-
wige XIV. um's Jahr i658 in Paris mehr nicht, als ungefähr 3oo Rutschen; und beym Ab-
gange Ludn>lgs Xy . 1774, stieg ihre Anzahl auf mehr als 14,000. Sich eines Pferdes zum
Reiten zu bedienen, ist iiberdiess heut zu Tage allen Ständen gemein; in älteren Zeiten aber
* gab es ganze Volksclassen , die man nie auf einem Pferde sah. Wenigstens merkt es c. Kö-
nigshofen in seiner slrassburgisclieii Clironik ausdrücklich als etwas auffallend Neues an , dass
die Handivericsleute um's Jahr i34o angefangen hätten , zu reiten , wenn e n erreist wären.
— Schwede7i hat im Ganzen bey 410,970, Prcussen 1,332,276, das brät isc/ie 'Reich 1,800,000
(wovon aui^ England allein i,5oo,ooo kommen), Österreich 1,800,000 und Deutschland
2,000,000 Pferde und Füllen, wovon auf die österreichisch- und preussisch-deutschen Pro\ inzen
i,3io,098komnien. Die Zahl der Pferde in Frankreich gab derMmister Monlalii^eL in den Jah-
ren 1811 und i3i2 auf 3,5oo,ooo (?) an.
b) Vorzüglich in Andalusien , Esiremadura und Asturien. Die Ausführe eines Hengstes wird
mit dem Tode bestraft , und selbst diese Strafe hemmt den Schleichhandel nicht. Doch sind
die Stutereyen, seitdem die Maulthierzucht so allgemein geworden, lief gesunken.
c) Die e/ig7(>c/ie/i Pferde , vorzüglich die schlanken, lebhaften Reitpferde, sind ein beträchtli-
cher Gegenstand der Ausfuhre. Sic sind zur Parforcejagd und zum Laufen ganz vortrefflich.
Es gibt in England Pferde, die beym Wettrennen in einer Secunde 46, 64 — 82- Pariser
14
io6 !!• Uipioductioii. §. 47- Riiidvicli.
Fuss, und in einer Minute beynahe eine englische Meile zurücklegen. Ausgezeichnete Wettren-
ner werden für i2oo Guineen und darüber verkauft. Auch an starken Zugpferden fehlt es nicht.
f/) Nahmeutlich in dem Departement der Oiiie , wo mau die schönste Rage \on normandischen
Pferden findet.
e) Nahmentlich in dem Königreiche Neapel, in der Marcmna di Siena , in Piemont und auf
Sardinien ; besonders werden die neapolilanischen aus Apulicn und Calabrien geschätzt; sie
geben slolze Kufsc/ipjerde ab, und werden zum Tlieil auch ausgeführt. Auf der berühmten
Sandwüste Pisa's wegen der stellweise erscheinenden Vegetation, Manhie genannt, weiden
wilde Pferde.
f) Es zieht Pferde von zwey verschiedenen Arten: kleine, aber rasche, lebhafte und dauer_
hafte Pferde, die sogenannten Klepper, auf den Inseln, hauptsächlich auf Seeland; dann
grosse , starke , fleischige Pferde , sehr tauglich zum Ziehen und für die schwere Reiterey
in J'ülland , wovon jährlich 6 — 7000 St. für mi'hr als eine halbe Million Species ausgefülut
werden. In der neuern Zeit hat auch der Genuss des Pferdefleisches ^iele Lii'bhaber'in Ko-
penhagen gefunden.
ii) Einen grossen und schweren, aber doch gut gebauten Schlag von Pferden liefern die nörd-
lichen Provinzen, nahmeutlich Hulstein , Mecklenburg, Oldenburg , Lüneburg und Oslßies-
land , in welcher letzteren Provinz man die schönsten Kulschpferde findet. Doch noch grös-
sere und stärkere Pferde, die grössten und stärksten vielleicht in ganz Europa, gewöhnlich
ig Fäuste hoch, kommen, nach Hrn. Sebald , in Süddentscliland , nahmeutlich im Pinzgnu
in Salzburg vor. Ehedem sollen diese Pferde noch grösser gewesen seyn , so dass ein Pferd
von 7 Fuss 4 Zoll , oder 22 Fäuste , so gar selten nicht war. Ausserdem sieht man grosse
und starke Zugpferde in Obersleyermark , im Lande ob der Enns , in Bri/tmcii, in dem gebir-
gigen Oberlande i3aier/is, besonders um jUuivirtu ,• ferner in dem ehemaligen Fürstenlhume
Anspach und in anderen Gegenden Deutschtands. Sogenannte Saumrosse (Bergsteiger, Pack-
pferde) werden vorzüglich in Krain auf dem Karst gezogen. Die Fuhrleute, welche sich
dieser Pferde bedienen, nennet man Saumer. Wenn übrigens viele polnische, moldauische
und ungrische Pferde nach Deutschland eingeführt werden : so werden doch weit mehrere
aus />e«/4c/i/a«c/ nach Ungern , Frankreich, Italien und Holland exportirt.
h) Es liefert die sogenannten Harllrüber , wo\on zu KutsctipJ'erden ]ahrllch einige 2o,ooo Stück
ausgeführt werden,
i) Es zieht gute Dragoner- und Husarenpferde.
k) Die wilden Gestüte dieser Länder gehören zu den ältesten und natürlichsten aller Pferde-
zuchten. Die Pferde weiden hier ohne gepflegt zu werden, und sind ganz ihrer WIlikiihr
und ihrem Instincte überlassen. Diese Lebensart aber macht sie zu guten Rennern, und
gibt ihnen, bey geringem und schlechten Futter, eine Ausdauer, die sie vor allen übrigen
Pferderacen voraus haben. In dieser Hinsicht sind sie auch besonders zu dem Felddicnste
der leichten Reiterey sehr passend. Die schönsten Pferde vom Reilschlage fallen in diesen
Ländern in Siebenbürgen ; ein stolzer Gang, Kraft und Feuer, sind die Vorzüge der dasigen
Pferde. Die siebenbürgischen Pferde der grossen Art sind auch gute Kutschpferde,
l) Die nordischen Pferde ausgenommen , die selbst im vollen Trabe auf steilen und gefährli-
chen Wegen gleiche Sicherheit gewähren , Vvie in andern Ländern die Maulthiere und
Maulesel. S. Allg. geogr. Ephem. Bd. 38. S. 548.
m) S. Polit. Journ. i8o5. Aug. S. 763.
§. 47-
.Rindvieh.
Das Rindvieh (Los t.turus) ist das niilzlichsle uiid unentbelirliclistc /Atiii Acker-
bau durch seine Arbeit uud seinen Dünger j es gibt auch Milch a) , Butter ö) und
II. Uiproduction. ij,. 47. Rindvicli. lg.
Käse c) ; man gcnicsst sein Fleisch d) und benutzt sein Ilorn e) , seine Ilniit /") , so wie
seine Därme g) und das Häutclien seines Älastdarms /i), sein Talg i) und seine Kno-
chen. Den schönsten Schlag von Ilindvieh findet man in der Schweiz _, England und
Holland j in Italien k) j Ungern j der Ukraine und Podolien _, in Dänemark imd
Deutschland l). Die fettesten Ochsen zieht man in England m) j das reinlichste Vieh
in Holland n). Ungern o) ^ Galizien _, Polen p) j die Ukraine und Podolien q) lö-
sen jährlich bedeutende Geldsummen aus ihren Ochsen; die Schweiz >'), Dänemark s),
die Moldau j die U^alacher und verschiedene Länder Deulsclilands ^) lreil)en auch
viele aus. Zur Yergleichiuifi; des Standes der Ochsen , Kiihe und des Jungviehes in
den verschiedenen Ländern und Staaten Europa's mögen folgende Angaben dienen :
Deutschland zählt ungefähr . . . . , i2jOOO,ooo Siiick.
Grossbritannien imd Irland 10,000,000 —
Die 'österreichische Monarchie 7,5oo,ooo — «)
Frankreich im J. 1806 6,084,060 —
nach des -Älinisicrs MonlaVn'et Angabc in den Jahren
1811 und 1812 l2,üOO,ooo(?) —
Deutschland _, ohne die österreichisch- und preussisch-deut-
scheu Provinzen ' 5,622, g8l —
Die preussische Monarchie nach Hojfinänn 4,275,700 —
nach Cannabich über 7,ooo,ooo(?) —
Schweden j nach Molbeck l, 490,759 —
Dänemark _, nach Olajsen 1,484,000 —
nach Ehrmann nur 800,000 —
Holland j nach Crome 1,000,000 —
Der Werlli des Vielistandes in der ganzen Schweiz wird auf 160 Mill. Schweizer
Franken geschätzt.
Zu den merkwürdigsten Varietäten des Rindviehes gehört z. B. die halbwilde
weisse Rac.e mit braunen oder schwarzen Ohren hin und wieder in Grnssbritannien ;
die mit den ausnehmend grossen Hörnern in Sidlien; die gänzlich ungehörnten in
einigen Provinzen von England und Spanien. In der Maremna di Siena findet man
auch eine Heerde von ganz wilden Kiihen , 1800 an der Zahl, die in der grössten Wild-
niss leben. Sie lassen sich so wenig melken als füttern, sondern werden im siebenten
bis achten Jahre als RothwU'dprel geschossen. Von den Kälbern fängt man jedoch
viele, und erzieht sie zu zahmen Kidien im y^/720-Thale. — Das aus Europa nach
]Sord-'\x\n\ Südamerika verpllanzte Rindvieh hat sich dort so ausserordentlich ver-
mehrt, vorzüglich in Brasilien ^ Buenos- Ayres j Peru und Potosi ^ dass jährlich eine
Menge Häute von daher nach Europa gebracJil werden. Das beste Hurnvieh ist da-
selbst so wohlfeil, dass es nicht mehr als den Werth der Haut kostet.
Der Auerochs (urus), von dem das Rindvieh stammt, gehört in Europa jetzt zu
den Seltenheiten ; nur in den litthauischen Wildnissen soll man noch dann und wann
einige antreffen. — Häufiger ist der Biiffel (liuflelus) zu finden, und zwar in Italien,,
besonders 'xwApulipUj Toscana und der Campagna di Roma; dann in der Tiirkey
luid in den russischen Gouvernements Jckaterinoslaw _, Cherson und Taurien ; auch
.4*
io8 II- Urproductioii. §. 47. Rindvieh.
in Ungern j, Siebetibiirgen nnd einigen andern Gegenden. Er istwild , lässt sich aber
leiclit zähmen , hak sich in niorasligen Gegenden auf, und wird als ein slarkes Thier
in der Ihuishahung imgemcin niitzhch, soll eben so viel als zwey starke Pferde ziehen
können , und wird daher sowohl vor dem Pfluge als grossen Lastwagen gebraucht. Die
sehr harte luid feste Haut wird vorzüglich zu Schläuchen, stajkem Lederwerk für die
Reiterey u. s. w. gebraucht.
Als nützliches Lastthier verdient liier noch genannt zu werden, das Kamelil (ca-
melus) , das nicht nur in Bessarabien und Tanrien _, sondern auch in der steppen-
artigen Gegend, welche an die Maremna di Siena^rÄw/X, angetroffen wird. Die Zahl
der in der besagten Gegend gehaltenen Kamehlc besieht aus mehr als 200 Stück. Man
bedient sich dersell)cn als Lastthicre zu den Grundarbeiten der dortigen Tonaincn,
und, jedoch nicht häufig, zum Transporte der Waaren über die Gel)irge; auch dienet
diese Kamehlfaniilie den in Europa herumziehenden Kainehlfuhrern und Charlalanen
zum allgemeinen ^lagazin, woraus sie ihre Kamehle für 6 — 7 Louisd'or das Stück zu
kaufen pflegen, imi sie in Deutschland und Nordeuropa für Geld zu zeigen.
o) Eine gute Srhwei-eikuh gibt täglich im Sommer 10 — i5 Mass Milch; eine grosse holstei-
nische Ruh in dem Marstlilande i2, i5 bis 18 Mass (Rannen), und von den grossen ro-
then Ruhen bey Eyäerslädl soll eine in derselben Jahrszeit deren 2o, ja sogar 25 täglich
geben ; hingegen eine Ruh in den nördlichen und einigen andern Ländern gibt höchstens
ein Paar Mass. — Um London und die umliegende Gegend mit Milch zu versehen, %verden
7200 Rühe in Middlesc.v und i3oo in Kenl un A Surrrj- gehalten. Sie sind ^ on der Hohle ine^s-
Rage. Jede Ruh gibt täglirh im Durchschnitte 9 Quart (etwa 11 hanöverische Quartiers),
folglich alle zusammen jährlich 28,007 5oo Quart Milch. S. Götting. gel. Anz. 1801. S. 32 5 ff.
— Um ff^ien mit Milch zu versorgen, werden in und um T-f^ien i255 Rühe gehalten, die,
das Stück täglich zu 4 Mass gerechnet, jährlich i,832,3oo IMass IMilcli geben. S. vaterländ.
Blält. für den österr. Raiserstaat. Nr. 3i. 1808. S. 202. Brunn gibt die tägliche Milthcon-
sumtion in fielen auf 3öo Eimer an. Diess macht jährlich 109,500 Emer oder 4,38o,ooo M.
— In der Schweiz wird Milchzucker (saccharum lactis) von frischer Milch mit Eyern abge-
kocht, geschieden und krystallisirt , sodann als ein Bliltelsalz zu Arzene^cn häufig ausgeführt.
b) Nicht allein der innere , sondern auch der äussere Handel mit Buller ist von grosser Er-
heblichkeit. Inner den Linien Helens z. B. wurden \om 1. Nov. i8o2 bis letzten Oct. i8o3
aus Böhmen, Mähren, Schlesien, Ungern u. s. w. eingeführt: 232,575 Pi. süsse und 335,5oo
Pf gesalzene Butter, nebst 6845600 Pf Rindschmalz. — Paris verzehrte im Jahre 1819
6,333,000 Pfund Butter. — Die einzige holländische. Pro\ inz Friesland löste im J. i8o2 ,
nach Met elerkamp , für Butter 2,800,000 fl. Wie gross ist die Menge der Butler, welche aus
andern niederländischen Pro\inzen , aus Holstein, Oslfrie'sland , Oldenburg und andern deut-
schen Ländern , aus Irland und einigen andern europäischen Ländern ausgeführt wird ! In
Italien und Spanien fühlt man das Bediirfniss der Butter nicht sosehr, wie in andern Ländern,
wegen des häufigen Gebrauchs des Baumöhls statt der Butter.
c) Von den berühmtesten Rasen wird bey den Fabrlcaten aus Stoffen des Thierreirlis die
Rede seyn.
d) Es wird nicht nur frisch gegessen, sondern auch eingesalzen und geräuchert, und mit den
letztern beyden Arten von verschiedenen Ländern und Seestädten ein starker auswärtiger
Handel getrieben. Unter andern führt die Stadt Cork in Irland, nebst 28 Mill. Pf Butter,
jährlich eingesalzenes und geräuchertes Rindfleisch von 100,000 Ochsen aus. S. Ergänzungs-
biatt zur Allg. L. Z. 1818. Nr. 56. S. 61. — Geräucherte Ochsenzungen gingen im J. 1790
aus St. Petersburg, Archangel und Riga 53,802 Stück. — Die Bocheser salzen das Fleisch
II. Urprodiiclion. §. 47- Rindvieh. log
<les von ihren Nachbarn (den Montenegrinern und Herzegovinern) erkauften Viehes ein , '
räuchern es, und verführen es unter dem Nahmen Caslradina weit und breit. — Das saf-
tigste und schmackhafteste Fleisch liefert das englische und ungrisahe Schlachtvieh. Das
Fleisch des ungrischen Ochsen würde noch köstlicher seyn , wenn er auf dem Triebe nach
Wien, Mähren u. s. vv. bosser gefüttert würde. S. den Wanderer vom 22. Dec. 1820. —
Die Grösse der Fieischconsumtron in den Hauptstädten London, Paris und If-^ic/i erhellet
aus nachstehenden Angaben :
LonJo« verzehrte im J. 1798, nach Middlelon, 110,000 Stück Hornvieh und 770,000
St. Schafvieh; im J. 1816: 117,406 Ochsen, 884,324 Schafe und Lämmer, i6,5oo fette
Kälber (ohne die Säuglinge) , i5,2oo fette Schweine. Man schlachtet das Vieh jetzl mehr
als nocli einmal so schwer aus, als vor 100 Jahren.
Paris consumirte im J. 1819: IVien verzehrte im J. 1810:
Ochsen 71,000 Stück. Ochsen üo,23G Stück.
Rühe 8,5oo — Kühe 3,625 —
Kälber 85, 000 — Grosse Kälber 3o4 —
Hammeln 339,900 — Duttenkälber 61,828 —
Schweine 7,400 — Schale 80,280 —
Lämmer 95,291 —
Grosse Schweine 29,128 —
Frischlinge 22,007 —
Spanferkel 5,69.6 —
Fleisch 2,3i4 Ctr.
e) An Kopf und Füssen. Man verfertiget daraus Kämme, Büchsen, Taschen-Tintenfässer,
und andere kleine Sachen.
/) Man bereitet daraus mancherley Leder , als Juften , Pergament u. s. w.
g) 3Iit eingesalzenen Rinderdärmen (Schindärmen) werden seit einigen Jahren in Wien nicht
ganz unbedeutende Geschäfte gemacht. Sie werden nach Italien verschickt, wo solche dann
zur Fabrication der so beliebten Salamiwürste , zumal in f erona und I enedig , benutzt wer-
den. S. Hesperus. i8i5. Nr. 45. S. Söy.
/j) In England bereitet man aus dem , von dem Mastdarme der Ochsen abgezogenen Häut-
chen eine Art Pergament oder Folien , wozwischen Gold und Silber zu dünnen Blätlchen
geschlagen wird.
i) Den meisten Talg , insonderheit zu Lichtern , führt Russland aus. Ln J. i8o3 betrug der
Werlh des exporlirtcn Talges über 10,400,000 Rubel.
k) Vornehmlich um J'iccnza im Venetianischen ; der dasige Ochs ist noch hochstämmiger und
leibiger als der iingrische.
l) Besonders in Holstein, Oslfriesland , Mecklerdnirg und Oldenburg , so wie überhaupt in al-
len Marschländern an der Nordsee; dann in y^iirternberg , Baiern, 'Vjrol , Slej-erniark , Salz-
burg und Osterreich ob und unter der Enns. \ornehmIich werden die Springstiere undKühe
aus Tjrol , dem Ziller- und Brixentltale , und aus dem Mürzthale in Steyermark weit und
breit verschrieben , um sie zur Zucht zu benutzen. Das forarlberger Hornvieh wird selbst
von den Schweizern gesucht, weil seine Vermischung mit dem Schweizervieh den dauer-
haftesten und nützlichsten Schlag hervorbringt.
m) Ein im J. 1692 in Lincolnslure geschlachteter Ochs wog 3577 Pf S. Jf'agner's Naturwun-
der und Ländermerkwürdigkeiten. Berlin 1806. Tbl. 5. S. 225. In Northumberland hat man
einen Ochsen bis zum Gewicht von 2632 Pf gebracht. S. Allgem. geogr. Ephem. Bd. 24.
S. 290. In Yorkshire ist 2000 Pf das gewöhnliche Gewicht eines grossen und fetten Och-
sen. In London fahren Tausende und laufen Tausende , ist ein grosser Oihs zu sehen , und
Mahler und Kupferstecher arbeiten für die Verewigung des angestaunten Thieres.
HO II- L'rproductiou. §. 48. Schafe.
n) NadiahmungswUrdig sind die dortigen hellen und reinlichen Rühställe. Die Wartung des
Viehes und die dabey übliche Reinlichkeil , besonders in NordhoUand , ist ohne Gleichen.
So bedeckt man z. B. die weidenden Rühe in kalten Frühlings- und Herbsttagen mit ei-
ner Decke,
o) Im J. 1802 wurden aus Ungern im Ganzen i58,6oo St. Ochsen, Kühe und Kälber für
5,736,887 fl. nach Steyermark, Osterreich, Mähren und Böhmen ausgetrieben.
p) Was di'U Viehliandel in Polen betrifft: so wird in einem, in den schlesischen Provinzial-
blättern (Aug. 1807) enthaltenen Aufsatze behauptet, die Polen seyen dabey nur die Zwi-
schenhändler, das Vieh selbst komme aus der Ukraine, aus der Moldau und Tf'^alacker ,
und bis vom Don her. S. Allg. geogr. Ephem. Bd. 24. S. 36i ff.
q) Russland nahm nach einem vierjährigen Durchschnitte (i8o2 — i8o5) für an das Ausland
verkauftes Rind\ieh 1,231,701 Rubel ein.
r) Aus der Schii-'eiz gehen jährlich grosse Heerden nach Frankreich , Italien und Deutschland ,
und von dem Schweizer wird svicder deutsches Hornvieh gesucht.
s) Von den j'ül ländischen Ochsen , die aber erst in Schleswig und Holstein auf den dortigen
Marschweiden gemästet werden, gehen jährlich über 40iOOO St. nach Hamburg, Lübeck,
Lüneburg und andern benachbarten Gegenden , auch mehrere nach Holland.
l) Aus If^'ärlcmberg allein gehen, nach Abzug aller Einführe, jährlich für 3 Mill. fl. Ochsen,
Kühe , Stiere und Kälber über die Gränze.
m) Das Rindvieh reicht in Österreich nicht zu ; es müssen noch Ochsen aus fremden Ländern ,
nahmentlicli aus Baiern, der Schweiz, besonders aber aus der Moldau, Polen, Podolien
und der Ukraine eingetrieben werden.
§. 48.
Schafe.
Das Schaf [capra ovis), das dümmste und gedtikligste, so wie das furclilsamste
und hülfloseste unter allen vierfiissigcn Tliieren, ist doch emes dei- nützlichsten, und
unseren Haushallun^^en durch alle Theile seines Körpers , Milch und die daraus ver-
fertigten Käse , Fleisch rtj , i'alg und Gedärme Z»J, Fell cj , Knochen und Dünger ^J,
vorzüglich alter durch seine fFülle ej unenthehilich. Die feinste \VGlle in der Well,
trafen die Schafe von Thibet in Asien. Von den asiatischen und afrikanischen Scha-
fen stammen die europäischen ab. Unter diesen liefern die feinste Wolle die spani-
schen fj, insonderheit die Heerden von Segovia_, Leon und Soria. Nach der spani-
schen ist die englische ^S olle die beste, besonders die aus den Grafschaften Glonce-
ster j Lincoln und Leicester , zwar länger als jene , aber nicht so seidenartig ; daher
die Einfidire der spanischen für die feinen englischen Tücher und Wollenwaaren sehr
beträchtlich ist. iNäc.hsl der spanischen und englischen W^ollc gehört die Wolle aus
mehreren deutschen Ländern, nahmentlich Böhmen j, Mähren gj j, Schlesien ^ Bran-
denburg j Sachsen lijj Sachsen-Weimar j Sachsen-Gotha_,Jnhalt-VessaUj, Hulsteinj
TViirtemberg und andern deutschen Ländern zu der besten in Europa. Aber auch die
portugiesischen Schafe, deren Wolle nicht selten fiir spanische verkauft wird , so wie
die niederländischen j paduaiüschen und abruzzischen ^ inglcichen die griechiscJten
und macedunischen geben eine feine Wolle, und so wie in England , Deutschland ^
Frankreich mul II allen ^ trifft man auch in Ungern,, Dänemark ^ Schweden und
Russland Staats- und Privalschäfcreyen mit acht spanischen, ganz und halbvercdclten
II. Urprodiiction. § 48. Sciiafo. m
Schafen an ij. Überhaupt haben seil beynahe einem Jahrhundert und spätoi- fast alle
europäische Regierungen, so wieviele Gutsbesitzer, durch Einführung j'/^a/u.yc/ie/'
Widder ihre Schäfereyen zu veredeln gesucht kj; im J. 1810 sind zu gleichem Behufo
gegen i5,ooo ächte Merinos sogaJ'nach PhUadelpIna verpflanzt worden IJ. Durch die
vom Hrn. Lasteyrie angestellten gründlichen ünlcrsuchiuigen und Beobachtungen ist
es fast zur mathematischen Gewissheit gebracht, dass an allen Orten, wohin man
spanische j, feinwollige Schafe gebracht, sie gehörig bohandell , und ilire Race rein
vmd unvermischt erhalten hat, diese Race in ihrer ursprünglichen Schönheil unver-
ändert gelilieben ist, imd dass da, wo man bey dem Veredlungsgeschäfte richtig zu
Werke gegangen ist, und richtige Grundsätze befolgt, d. i. wo man bis zur Erzeugung
der vierten veredehen Generation keine andere , als acht spanische oder vollkommen
veredelte Böcke ge])raucht hat, die vierte Generation vollkommen veredelt ist, und
sich bey anhaltender Sorgfalt ihre Nachkommen unverändert erhallen haben, und den
acht spanischen Merinos in Ansehiuig der Schönheit und N ollkommenhcit der W^oilc
gar nicht nachstehen.
In Ansehung der Stärke der Schafzucht zeichnen sich aus das brittische und russi-
sche Reich, in welchem letzteren selbst gemeine Tataren bis 1000, reichere bis 00,000
Schafe besitzen. Nächst diesem weiden die meisten Schafe in Frankreich j Deutsch-
land und der Tilrkey j in Spanien j Oesterreich _, Preussen u. s. w. tnj. Nur ist die
Scliafzucht in einigen Ländern , seil den letzten zwey Jahrzehnten fi) , in andern schon
früher u) , zum Nachtlieil der Rindviehzuclil, des xVckerbaues und der Bevölkerung
vermehret worden, während sie in andern Ländern vernachlässigt wird/;). — Ebnn
so findet in Hinsicht auf den \Vollenertrag q) und das Lammen /■) eine grosse Ver-
schiedenheit in den einzelnen Ländern Stall,
Zu den merkwürdigsten Varietäten des Schafviehes gcliört das isIäntiiscJie Sciiaf
mit 4, 6 bis 8 Uörnein, dass ostfriesische Marschschaf ohne Hörner; das sogenaunte
Zackclvieh '\i\ Ungern und auf einigen Inseln des Archipclagus, mit hingen gewunde-
nen Hörnein, und einer groben, haaiigen Wolle, die lang und zottig herunter hängt:
das Schaf nnl dem 6 Zoll langen und 4 Zoll breiten Fettschweife im Sorokergebiete
in der Moldau, so wie das Schaf mit dem breiten Fettschwanze, alsHausthicr der Hor-
den am schwarzen vmd caspischen Meere; die grosse /io/.j^efni,ycAe Mai-schraee mit
• kurzen Schwänzen, und die kleine, durch schlechte Nahrung verkümmerte Race, die
unter dem Nahmen der Schnuken oder Heidesclinuken , haupisäcldich im Lilnebur-
gischen und in den magern Sandgegenden der Mark Brandenburg ijefmdlich ist.
Der Mufflon (ammon), der Stammvater des Schafes, lebt jetzt nur auf den Ge-
birgen der gemässigten Zone der alten imd neuen Well. In Europa wird dieses Thier
auf Corsika j Sardinien und in Griechenland angetroffen. Jung gefangen lässt es sich
leicht zähmen, und gewöhnt sich sehr an die Menschen.
a) Eingesalzenes Schaffleisch wird von den Inseln Färöer , Island, Orlaiej's und Irland in
grosser Menge ausgeführt.
b) Man bereitet daraus Saiten.
c) Es wird entweder als ein Pelz gebraucht , oder zu Leder und Pergament bereitet.
d) Er wird in Norwegen auch als ein Heilungsniiltel gebraucht. S. Ponloppidans Versuch ei-
ner natürlichen Historie von Norwegen. Thl. 2. S. 24.
112 11. ürproducliou. §. 48. Schafe.
(?) Sie gibl nicht nur das Materiale zu äusserst wichtigen Manufacturzweigon ab , sondern ist
auch für manches Land ein sehr bedeutender Ausfuhrartikel.
f) Die Feinheit der spa/if'st'/if/i Wolle hallt;! , Lasleyrie's Beobarlitungen zu Folge, lediglich
und allein von der Rage, und nicht vom Rlima un* der Fiilterung ab. Die Qualität der
(spanischen) Wolle ist eine unveränderliche Eigenschaft der Schafrage , ohne Mitwirkung
des Rlima's, des Bodens, der Nahrung und der Wanderung; die Quantität derselben aber,
sowohl in der Dichtigkeit als der T>änge, hängt von dem guten oder schlechten, reichlichen
oder sparsamen Futter ab.
g) Zur Verbesserung der Schafzucht bildete sich in der mährisch-schlesischen Geselhcha/l für
Ackerbau, Natur- und Landeskunde ein eigener Verein, unter dem Nahmen des Sc/taf-
züch ihr- J^ereiiis.
h) In dem Königreiche Sachsen ist die Veredlung der Schafe so allgemein verbreitet , dass die
grobe Wolle gänzlich verschwunden ist ; daher findet sich dieser Staat in der Lage , den
preussischen , weslphälischen und andern deulsrhen Fabricanten ihre ordinären Tuch- und
Wollenwaaren zu eigenem Gebrauche abzukaufen. S. H. Allgem. Jjit. Zi'if. i8i3. Nr. 18g.
S. 674 ff.
i) Zu den vornehmsten Schäfereyen der Art gehören: 1) in England: die königl. Merinoschä-
ferey zu Kew ; 2) in Frankreich : die königl. Schäferey zu Rambouillet , mit einer Schule für
gemeine Schäfer; 5) in Österreich: a) die Schäferey auf der k. k. Familienherrschaft //oZ;7scA
in Ungern, wo jährlich 2 — 3ooo , theils höchst veredelte Widder und IMutterschafe , theils
acht spanische Widder an die Meistbielhcnden überlassen werden. Im Jahre 1810 wur-
den viele Widder um den Preis von 2 — 7000 fl. B. Z. verkauft; ein dreyjähriger acht spa-
nischer Widder aber um die ungeheure Summe von i6,2oo fl. B. Z. erstan.len. S. Vaterl.
Blatt, für den österr. Kaiserstaat. 1810. Nr. 41 u. 42. ; b) die Schäferey auf der k. k. Fa-
milienherrschaft Man nersdorf im Lande unter der Enns , welche selbst jener zu HoHtsch
den Vorzug streitig macht , obgleich die Franzosen im J, 1809 i4oo Merinos aus derselben
entführten. Diese schöne Ileerde ward nach Rambouillet gebricht. S. Allg. Zeit. 1809. Nr. 25o.
Unter den österreichischen Privatschäfereyen hat keine zur Veredlung des inländischen , be-
sonders des ungrischen Scliafviehes , so viel beygelragen , als die Sch.tferey des Freyherrn
von Geisslera zu Hoschtitz in Mähren. S. Inlelligenzbl. der neuen Annalen der Literatur etc.
1808. S. 42. Vergl. Andres Zeitschr. 1810. St. 8. S. 25o. Im westlichen und südlichen Un-
tern hat die Veredlung der Schafe so zugenommen , dass mancher Grosse des Reichs bis
i5oo Ctr. feine Wolle gewinnt ; 4) in Saclisen : die königl. Stammschäfereyen auf den Ram-
mergülern Ren nersdorf und Slolpen, Hohenstein und Lahme, am rechten Elbeufer im meiss-
nisclien Itreise. — In England existirt auch eine Merino-Sociely , die im J. i8i2 170 Pf. St.
Preise für Vervollkommnung der spanisch-englischen Schafrage ausgegeben hatte. Die Schaf-
schurfeste sind in Grnssljritannien allgemeine Mode geworden.
k) Geschichte der Einführung der feinwolligen spanischen Schafe in die verschiedenen euro-
päischen Länder u. s. \v. Von C. P. Laslejrie. Aus dem Franz. übersetzt und mit Anmer-
kungen begleitet von Friedrich, Herzog zu Schlesn-'ig-Holslein-Beck-. Leipzig, 1804. 8. Vergl.
N. A. D. Bibl. des XCIII. Bandes St. 1. S. 193—213.
1) Jetzt ist die Ausfuhre der Merinos aufs strengsta verbothen, da während der letzten zwan-
zig Jahre zu viele ausgeführt wurden. Der Nähme Merinos ^vi^d daher geleitet, weil unter
Alphons XI. die spanische Schafzucht durch eine aus England (also über's Meer, daher me-
rinas) gekommene Zucht \erbesscrt wurde. S. Leipz. L. Z. 1814. 224. S. 1791. Vergl. Er-
gänzungsbl. z. A. L. Z. Nr. 43- 1818. S. 339.
m) Die Anzahl der Schafe nach den verschiedenen Ländern und Staaten ist , und zwar in ;
Russlaul 60,000,000 Stück.
Grossbritannien unJ Irland 42,000,000 —
II. Urjjroductiuu. 5. 40. Schafe. Il3
Das Lrittische Reich hält demnach in Verhältniss seines Aroais mehr
Schafe alsRussland und irgend ein anderer europäischer Staat ; gleich-
wohl führte OS von i8i8 — 1821 über 106,177 Ctr. Schafwolle ein.
Frankreich . . . .• 25, 000, 000 Stück.
Deulsc/dand 20,000,000 —
Spanien 1 4,000, 000 —
Worunter 5 Mill. wandernde oder IMerinoschafo (oi'ejas tnerinns) ,
9 Mill. nicht wandernde oder Slallscliafe (eslantes).
Öslerreich i3,3oo,ooo —
Davon auf die ungrischen Erhilinder 8 Millionen.
Deulschland, ohne die österreichisch- und preussisch-deutschen Provinzen 12,437,620 —
Preussen , nach Hoffhxann 0,06.5,720 —
nach Cannabich gar über i5, 000,000 — (?)
jSeapel 2,5oo,ooo —
Sclw-eden i,254,3oo —
Dänemark 1, 200, 000 —
Holland ....'. 600,000 —
Die Moldau zählet über 3, 000, 000 —
Die J-f-'ulachey 4i00o,ooo —
steuerbarer Schafe ; die den Geistlichen und den Armeniern geboren, etwa 200,000 —
sind Steuerfrey. Der arme Bauer muss seine Schafe den Türken zu einem Preise, den der
Fürst, um sich denselben gefällig zu machen, sehr niedrig ansetzt, verkaufen. Ungeachtet
des grossen Schafstandes in der Moldau und ff^alachej- , überwintert der grösste Theil des
siebenbürgischen Schafviches auf den ungeheuren , grasreichen Ebenen dieser Lander. Ein
eigener grossherrlicher Ferman von 1786 in BetrefT der österreichischen Schafhirten in der
Moldau setzt die Freyheiten , Begünstigungen und Abgaben derselben fest. S. des Freyherrn
('. Ilormajr Archiv a. a. O. 28 — 2g. 1811. S. i22.
n) Wie z. B. in Ungern, Irland und Hechschollland. In dem erstem Lande verdrängt das
Schaf den Ochsen (einige einzelne Güterbesitzer haben 200,000 St. Schafe, worunter 10 —
3o,ooo St. veredelte) ; in den beyden letztern zwingt das neue Weidesystem den Landbauer
zum Auswandern. S. Götting. gel. Anz. 1807. St. i5. S. J47. Vergl. §. 45.
o) Wie r. B. in Spanien, ^vo , nach Bourgoin^ , die Vermehrung der Schafe und das Wandern
eines grossen Theils derselben , nur den Verfall des Ackerbaues und die Eiit\ölkerung des
Landes befördern.
p) Wie z. B. in der Schweiz, in Baiern, a\.i[ SiciUen.
9) Ein englisches Schaf von der grossen Art gibt jährlich 5 — 8, ja bis 9 Pfund Wolle; unter
den thüringischen und grossen hols'.einischen Schafen ein Widder gewöhnlich 6 — 7 Pfund,
ein Mutterschaf 4 — 5 Pf.; hingegen ein Widder unter den Heidesrhnucken nicht leicht über
2 , und ein Mutterschaf über i-)- Pfund Wolle.
r) Die Mutterschafe der s,Tossiin flandrischen Ra^e werfen jährlich 2—3 Lämmer; die Mutter-
schafe auf dem Marschlande um Hamburg jährlich 2,3, auch 4 Lämmer; von der Schäfe-
rey des Hrn. Ellniann (eines berühmten Landwirths in England), die am 16. July 1801 aus
621 Mutlerschafen bestand, halten 600 St. bis zum i3. Juny i8o2 816 Lämmer, worunter
also 2i6 Paar Zwillinge waren. S. Götting. gel. Anz. 1806. St. 175. S. 1737; dagegen wer-
den die Mutterschafe ami Sardinien aus Mangel an Pflege nur alle zwey Jahre einmal trächtig.
i5
Il4 II. ürproduction. i. 4g- Ziegeu.
§• 49-
Ziegen.
Die gemeine oder Hausziege (capra hircus) ist kein so gemcinniiiziges Thier, wie
das Schaf, wird aber doch, vornehmhch in hergigen Gegenden, mit Vorlheil gezogen a),
luid entweder den Kuh- und Schaflicerden zugescüt, oder in eigenen Hecrdeu gehaUen.
Am stärksten ist die Ziegenzucht in Spanien j Italien ^ der Schweiz ^ Siebenbürgen.
und der Türkej j in ISorwegen _, Schweden und Russland. — Die angorische j ge-
meinighch Kärnetziege _, in der Gegend von ^//^o/'rt in Kleinasien einheimisch, em-
piielik sich vorziighch durcli ihr weisses, seidenartiges, weiches Haar, welches ein
feines und starkes Gespinnsl gibt. ^Vegcn dieser irclFlichen Eigenschaft hat man diese
Ziegenart in einigen Gegenden von Englands Frankreich^ Deutscliland wwdi Schwe-
den mit gutem Erfolge eingeführt. — Im J. 1818 hat die französische Regierung auch
eine Colonic von Kascheniirziegen mit dem zarten Flaume aus Asien kommen, und
in Perpignan mid Saint- Qnen hey Paris veriheilen lassen, um den Stoff zu den kost-
baren Shawls im Lande selbst zu gewinnen b). — Der Steinbock (capra ibex) wird
nur mehr in SavojeUj Piemont und der Schweiz j auf fast unzugänglichen Gebirgen,
aber immer seltener, angetroffen, da, nach Versicherung der Alpenjäger, mehrere
Gegenden der hohen Alpen, die ehemals schöne Weiden waren , jetzt unter Schnee
und Eis erstarret liegen, und man jälirlich mehrere. Von Schneelawinen und her-
abstürzenden Felscnstücken erschlagene Steinböcke finde. Um der gänzlichen Ausrot-
tung dieser seltenen Thiere vorzubeugen, ist im J. 1821 die Steinbocksjagd in dem
ganzen Umfange der königl. sardinischen Staaten verbothen worden. — Häufiger sind
die auf den Jlpeii ^ Pj i'enäen und KarpaÜien, zwischen fast unzugänglichen Klip-
pen, wohnenden Gemsen (antilope rupicapra) , nicht nur wegen des Fleisches, son-
dern auch der schönen Häute, die ein vortreffliches Leder geben, sehr geschätzt; doch
vermindern sich auch diese Thiere , vornehmlich in der Schweiz j für deren Bewoh-
ner die gelährvolle Geniscnjagd ein Erwerbszweig ist c) , gar sehr. Statt dass sie sonst
in Heerden von 20 — 60 Stück lebten, sieht man sie jetzt nur in kleinen Gesellschaften
von 5— 10 Siück.
a) Da ilire Milch und iln- Fleisch, Haar und Fell vielen Nutzen gewähren, das letztere in-
sonderheit zu Corduan , Saffian und Pergament verarbeitet wird. In Spanien, wo Ziegen-
heerden zu Tausenden gehalten werden , gebraucht man ihre Milch statt der Ruhmilch ,
und in der Sciuveiz , so wie in Italien j Norwegen , Schweden und liiissland , wird aus Zie-
genmilch, zum Theil mit anderer vermischt , Kiisc bereitet. Aus Norwegen und Rmsland
werden jährlich eine grosse Menge Ziegen- und Bocksfelle ausgeführt ; aus Bergen allein 70
bis 80,000 rohe , und einige Tausend bereitete.
b) S. Österr. Beob. 1821. Nov. 237. S. 1091 ff.
c) Der berühmte, aber verunglückte Gemsenjäger, Darid Zwikki , hat bis in sein 57. Lebens-
jahr i3oo Gemsen erlegt, und sich durch die Jagd ein Vermögen ^■on mehr als 6000 fl.
erworben. S. Allg. geogr. Ephem. Bd. 22. S. 364. Über die Gemsenjagd in der Schweiz, von
Ffr. Sleinniüller , im 2. Bande der Schrift: Alpina.
II. Urproduction. §. 5o. Schweine. »l5
§. 5o.
Schweine.
J)afi Ildussc/nvein (siis scrofa), fast über die ganze Erde verbreitet, gibt unter al-
len Yieharleii das grösste Product an Nahrungsmittebi für den Mensclicn a). In Euro-
pa ist die Schweinezucht am erhel)hchsten ^in Servien , Bosnien, Ungern und Slavo-
nien b) , England und Irland _, Frankreich imd Spanien jVorzu'^Vich. in den Gegen-
den der Pyrenäen, in Riisslandj Dänemark \\\\A Deutschland , besonders in ^öA-
men j, Mähren j Stejermark j Baiern ^ Westphalen , Pommern, Holstein, Ostfries-
land, Oldenburg und Mecklenburg , überhaupt in denjenigen Landern , wo entweder
giUe Eiehen- und Buchenniast, oder starke Btanutweinbrenncrcyen und Brauereyen
sie begünstigen. Meister in der Schweinemästung, so wie in der Ochsenmästung, sind
die Engländer. Man wird weniger darüber erstaunen, dass ein englischer fetter Ochs
über 3.5oo Pf- (s- §• 47. Note m), als dass ein englisches Mastschwein im Leben 1260,
geschlachtet und aufgehauen, 1086 Pf. wog c). Die nächsten Rivalen der Engländer
in der Kunst, Schweine fetl zu maclien , sind die Ungern und Deutschen , besonders
die fFestplialen und Mecklenburger , deren Schweine nicht sehen ein Gewicht von
4 — 5oo Pfund haben. — Von vorzüglich schmackliafiem Fleische sind A\e spanischen
Schweine, die nicht nur zur Eichelmast in die Wälder getrieben, sondern auch mit
Kastanien gemästet werden. — Mit Pbckelßeisch und Schinken treiben einen erheb-
Hchen Handel Irland , Frankreich j nahmentlich Bayonne , dann Dänemark und
Deutschland , wo TVestphalen , Pommern, Hamburg , Braunschweig und Göttin-
gen die Haiiptprovinzen und Orte des Räucherns sind, wo man, ausser demEigenthüm-
lichen \\ev Mctliode, zugleich besondere Anlagen der altern Häuser ausdrücklich darauf
eingerichtet findet. Besonders berühmt sind A\c westpJiälisclien Scliinken , die braun-
schweigischen Wiirste und die göttingi sehen Wettwiirste , welche letztere Frie-
drich n. leidenschaftlich lieljte. — Der grössie Speckmarkt , vielleicht in ganz Euro-
pa , wird zu Debreczin in Ungern , gleich nach dem neuen Jahre gehallen. — Mit
Schweineborsten wird der grösste Theil Europa's aus Rusdand versehen. Im J. i8ü5
betrug die Ausführe dieses Artikels an Werth 737,424 Rubel. Durch sehr feine, wei-
che , krause luid seidenartige Borsten zeichnen sich die spaiüsehen Schweine aus.
— Dass die chinesischen Schweine vorzüglich nützlich seyen, beweiset die Allgemein-
heit, in der sie in England gehalten werden, und nun schon manche dü/iische ,
deutsche und scJiweizerische Eifahrvmg.
aj Das Weibchen wirft nicht selten zweymal im Jahre, und wohl bis 2o Junge auf einmal.
Eine Sau \on der bekannten kleinen chinesischen Ra^e hat einem englischen Landwirthc von
der ersten Woche im März bis zur ersten Woche im Dec. i8o2 52 Pf. St. 3 Seh. 5 Pen.
eingebracht, und was noch auffallender ist, die zvvey in dieser kurzen Zeit \on der Sau ge-
fallenen Zuchten halten ein Gewicht von 118 Stein 5 Pf. , oder 1657 Pf, den Stein zu
14 Pf. gerechnet. S. Götting. gel. Anz. 1806. St. 175. S. 1739.
.'') Aus Ser-ciens und Bosniens grossen Eichelwäldern werden in manchem Jahre wohl auch
200,000 Schweine (Mongulilza mit krausen Haaren) über den Saufluss auf den fruchtbaren
ivukurutzacker iS/acortie«.s herübergeschwemmt. Diese kraushaarigen Schweine veranlassen .
in Gesellschaft der glatthaarigen ungrischcn , jenen statistisch wichtigen Siuihanilel , der aus
Il6 II. UrproäucÜoii. §. 5i. Rennt hicre. ^. 52. Hunde.
Posega über Canisa , durch den 5öA-07yer Wald , und aus 57-rmi>n über Essek , an' dem rech-
ten Ufer der Donau, über Raab und Ödenburg , den eigentlichen Stapelplatz des nieder-
ungrisclien Schweinverkehrs , nach ff-^ien und Österreich, und durch die österreichischen
Sauhändler auch noch weiter getrieben wird , ohne jene Heerden in Anschlag zu bringen
die aus Ungern nach Auspitz in Mähren sich wälzen. Im J. i8o2 wurden 2^8,415 St., ge-
schätzt auf 1,723,224 fl. ) in's Ausland getrieben. S. <>. Srhiuarlner a. a. O. S. 227 ff.
c) Üb<'r die Aus\vahl und Veredlung der vorzüglichsten Hausthiere , aus dem Englischen in's
Deutsche übersetzt von Franz Daun. Berlin , 1804. Vergl. N. A. D. Bibl. Bd. CH. S. 82.
§. 5i.
Rennt lii ere.
Das Renntliier oder Renar (cervtis larandu.s) ist das einzige Haiistliicr der Be-
wohner des äusserslen Nordens, nahnienllich der Lappen in Norwegen nj , Schwe-
den und Rnssland, so wie der Sumojede?i_, OstjUkeiij Tungusen und anderer russi-
schen Völkerschaften. Es Ijedarf unter allen zahmen Thieren der wenigsten Wartung,
luid gewährt den mannigfaltigsten Nutzen. Es versorget sich seihst, indem es im Win-
ter sein Moos luiter dem Schnee hervorscharrl, und zugleich seinen Herrn, dessen
Acker und Wiese, Pferd inid Kidi es ist. Das Fleisch, Fett und Blut, nehst der fei-
len und wohlschmeckenden Milch, woraus ein guter Käse liercitol wird, dienet den
besagten \ölkerst;hal'ten zur Nahrung, alle übrigen Theilc des Körpers zur Kleidung,
zum Haus- vmd Arbeitsgcrälhe. Im ^Vinter wird es in den Schlitten gespannt , und
läuft vogelschnell. Soli eine Lappenfamilie in einem gewissen ^Vohlstande leben, so
sind dazu wenigstens 3oo llennthiere erforderlich. Mancher Nomade besitzt Heerden
von 1000 — 5ooo, auch bis lo und mehrere tausend.
fl) Vor wenigen Jahren sind von ISorwegen aus Rennlliiere nach Island versetzt worden , wo
sie sich in einigen Gegenden so sehr vermehrt haben, dass man Heerden von mehreren Hun-
derten antrifft. Sie werden zu den jagdbaren Thieren gerechnet, und sind nicht, wie bey
den Lapplandern , Hausthiere.
§• 02.
Hunde.
Der Hund (canis faniiliaris) , dieser treue Gefährte des Menschen, ist längst mit
ihm über alle fünf Erdlheile verbreitet , und cmpliehlt sich besonders durch die aus-
nehmende Schärfe seiner Sinne a) , verbmiden mit seiner grossen vielartigen Gelehrig-
keit, aber auch durch mancherley andere Brauchbarkeit. Er dienet nicht nur zur Jagd,
zur Bewachung der Häuser und der Viehheerden und zur Bezwingung anderer Thicre,
sondern auch zum Ziehen imd Tragen b) , zur Aufsuchung der unter dem Schnee
verunglückten Wanderer c) , zur Reilung der in's ^Vasser Gefallenen d) , zin- Aufsjni-
rung der Schafdiebe e) , und in Grönland und Australien ist er sogar Schlachtvieh.
Aber die Hunde, zumal die entbelwliclien ^ schaden auch auf sehr viele Weise , so-
wohl der Moralitäl, als der Gesundheit und denrLeben der Menschen, und entziehen
den Dürftigen das Brot, ein besonders indem Falle zu beherzigender Umstand, wenn
Hungersnoth einer Provinz droht. Wirklich ist die Anzahl der Hunde hier und da,
besonders in Hauptstädten, viel zu grossy). Zu den in Europa bekanntesten Racen
II. üiproductiou. §. 53. Jagdtliicre etc. iij
geliörcn: der Mops,, der ßiälenOeisser (Engl, the buU-dog) , der Metzgerhiindj der
grosse und der kleine dünische Hund (der letztere auch wegen seines gelleckleu Fells
Harlekin genannt), der ungrische Schäferhund ^ der Haushund,, der Jagdhund g),
der Pudel j das f Findspiel ^ das ßologneserhiindchen ^ der Dachshund j der Spitz
oder Poinmer.
a) Die Fähigkeilen des Hundes, Metalle und andere Gegenstände zu entdecken, \o\) Korhlin ;
im 3. Hefte des 3. Bandes des Bulletins von Hermbslädl.
b) Wie in den Niederlanden , in Frankreich und Bussland.
c) Wie auf dem grossen St. Bernhardsberge in derSchweiz (s. §. i2.Nole c). Dieser Gebrauch,
den die Schweizer \on dem Hunde machen, ist unstreitig edler, als derjenige es war, den
einst die Spanier \ on demselben gegen die Wilden in Amerika machten. S. Funke's Naturge-
schichte und Technologie. 4. Aufl. S. 74. Vergl. Polit. Journ. 1811. Febr. S. n2 fl'.
d) Wie z. B. in Paris.
e) Wie in Nord-Hamptonshire in England, wo eine eigene Gesellschaft existirl , die Schweiss
hunde abriciiten lässt , um Schafdiebe aufzuspüren. S. Gölling. gel. Anz. 1806. St. 75.8.741.
/) In friert zählet man an 3o,ooo Hunde. S. Götting. gel. Anz. 1811. St. 127. S. 1260. Als
herrenlos wurden daselbst im J. 1810 3o8o erschlagen. S. Vaterl. Blatt, a. a. O. i8ii. 11.
S. 67. — In Lissabon sollen gar 80,000 lierrenlose Hunde herumlaufen. S. I'enlurinis Ge-
schichte unserer Zeit. Jahrg. 180g. Bd. 1. S. 81. — Grosse Liebhaberey der Franzosen für
Hunde, die Frauenzimmer, wen'n sie'ausgehen , an einem seidenen Bande führen, Mäu
ner aber zur grossen Beschwerde der Mitfahrenden, l)ey sich auf dem Wagen haben.
g) In England gibt man für gute Jagdliunde i5o — 2oo Pf. St. und darüber. Die Stalle für die
Jagdhunde des Herzogs von Bichinond kosteten iCj,ooo PI. Sterl. S. Götting. gel. \nz. 1807
St. i3g. S. 137g.
S- 53.
J a g d l h i e r e , und T h i e r e , deren Bälge \ o r /. ü g 1 i c h genutzt weiden.
Unter den Thieren, deren Bälge vorziiglicli genutzt werden, geljcn der iurcht-
same f/ase (Icpus tiinidiis) a) und das frucliihare Kaninchen (lepus cunicidiis) Z») das
Materialc zu niancherley Zeugen, hauptsächlich aber zu Hiiten ah: auch sind sie we-
isen ihres Fleisches nützlich. — Das angorische Kaninchen oder der Seidenhase j
der sich besonders durch seine seidenartigen Haare auszeichnet, whd in England
schon häufig gezogen ; auch in Deutschland c) und Ungern d) hat man mit der Zucht
desselben angefangen. — Das in ganz Europa befindlicue Eicldiöruchen (sciuiiis vul-
garis) liefen ein gutes Pelzwerk. Die nordischen weiden iiu Winter grau, und gel>en
das sehr liekannte Grnuwerk (petit-gris). In Russlatid sind sie ungemein häufig. Die
schwarzen und silberfarbigen werden am meisten geschätzt. — Noch köstlichere Pelz-
thiere sind der Baum- und Hnusmarder (inuslela uiartes et foina) e) und der Iltis
(muslelaputorins), das grosse JViesel oder das Hermelin (mustela erniinea) y") , der Zo-
Äe/(mustelazibellina) g), der Fischotter (]iilra\n\t^aris h) und der BiOe/' (castor iibei) /),
die aber ihrer Schädlichkeit wegen furtdaucrnd überall vcrl'olget werden 5 daher denn
Europa im Ganzen jMangcl daran hat, und oligleich Paissland deren noch eine Menge.
besitzt, so wird doch viel und kostbares Pelzwerk aus Amerika und Asien eingeführt.
— Weniger geschätzt sind die Felle des sehr fruchtbaren und schädlicben Hamsters
oder Kontferkels (nius cricetus) k) , des durch seine Kunstfertigkeit und Geselligkeit
ii8 II. Urproduction. §. 53. Jagdthiere etc.
bekannicn Miirinelthiers (mus marmota) l), und des den Wiesen und Gärten schädli-
clicn Maulwurfs (lalpa europaea) m).
^'ou den grossen reissigen Tlnereiij deren Bälge und Felle zum Tlieil treflliclies
Pelzwerk geben, sind in Europa vorhanden: der heisshungrige PFolf (cAn'is lupus) ii),
der schlaue Fuchs (canis vulpes) o) , der blutgierige , ligerarlige Luchs (felis lynx) p),
die tigerarlige Katze (catus...) ^),der brummende Äir (ursus arctos) /■) , der A7e/-
fruss (ursus gulo) s") und der in Höhlen lebende Dachs (ursus taxus) t), die aber im-
mer mehr und mehr vertilget werden. In Grossbritannien und Irland ist der WoU'
oänzlich ausgerottet u) , und in Sardinien gibt es weder Wölfe, noch andere reis-
sende Tliiere w)-.
Von essbarem vicrfüssigem Wilde , das zum Theil noch auf eine andere Art nütz-
lich ist, kommen in Europa, ausserdem schon erwähnten Hasen vor: der Hirscli (cer-
\ US elaphus) .rj , der Damhirsch (cervus dama) j^), das jReA (cervus capreolus) , das
Elentliier (cervus alce.s) z) und das TVildscIiwein (aper), die aber nirgends so geliägl
werden, dass sie den Feld- und Gai-tenfrüchien beträchiliclien Schaden zufügen könn-
ten. Überhaupt wird in Europa das Gebieth und die Anzahl der wilden Thicre , wegen
der zuneluncndcn Cullur des Bodens, immer mehr verminder l, folglich auch die Jagd
verhältnissmässig immer mehr eingeschränkt. Indessen beschäftigt diese Lebensart hier
und da noch immer viele Menschen , und mehrere Staaten verdanken ihr einen nicht
unbedeutenden Theil ihres jährlichen Einkommens, insonderheit das ausgedehnte,
mitgro.sscn Waldungen und Einöden, zumal in seinem asiatischen Antheile, verse-
hene Russland _, wo es noch ganze Völkerschaften gibt, die aus der Jagd ein Haupt-
geschäft machen, imd ihre Abgäben mit lauter Pelzwerk entrichten, ohne die Scharen
von Verl)rechern in Anschlag zu bringen, die der Jagd gezwungen sich widmen. Man
schätzt den ganzen Wcrlh aller in einem Jahr aufgebrachten Thierfclle auf 5 Mill. Ru-
bel. Was die Jagd der Pclzthiere beiiifft: so vermeidet man gern das Feuergewehr,
und bedient sich lieber der gelegicn Fallen, worunter die meisten ungemein sinn-
reich sind.
d) In den nördlichen und Alpengegcnden befindet sich eine besondere Spielart, der eigent-
lich sogenannte Berghase (lepus variabilis) , mit breiten und tief gespaltenen Hinterpfoten ,
die ihm bey seinen Wanderungen in den beschneyten Alpert sehr zu Statten kommen. In
manchen Gegenden, wie z. B. in Grönland , ist er Jahr aus Jahr ein, in andern aber, wie
in der Schweiz, nur im Winter weiss, in welche Farbe er vom October an übergeht. Die
Sommerfarbe ist aschgrau , nach dem Kopf und Rücken zu olivenbrauii. Die Haare kann der
llutniacher nicht so gut, als ^ oni gemeinen Hasen brauchen; von diesem wird besonders
der Balg des böhmischen und t/uuingischen Hasen, wegen der Feinheit seiner Haare, geschätzt.
b) Die Raninclienzuchl in's Grosse getrieben, soll in England über 3oo Procent abwerfen.
S. Götting. gel. Anz. i8o2. St. 44- S. 434- Von den dortigen Ilutmachern werden Kanin-
chenhaare jährlich an Worlh vOn 25o,ooo Pf St. verarbeitet.
c) INahmcnllich In Franken , Schwaben und Th'üringtii.
ri) Unter andern zählte man zu Tolna im J. i8oo einige Hundert dieser Träger seidenartiger
Haare.
e) Der l5alg d^s Baummarders ist schätzbarer als der vom Haus- oder Steinmarder. Sein schö-
nes Fell kommt dem Zobel am nächsten.
J") Die weisse Farbe der norwegischen Hernxelihe isi daiierhafiev , als der russischen.
II. ürproiluction. §. 53. Jagdlliiete elc. Ilg
g) Ehe die Seeotler in Europa, besonders aber bey den Chinesen bekannt wurde, hatte der
Zobel unter allen Thieren , die ihrer Felle wegen gesucht werden , den höchsten und all-
gemeinsten Werth , jetzt nicht so häufig mehr, ungeachtet er sich zugleich auch sehr ver-
mindert hat. Die schönsten kommen aus Jakutzk , Udinsli und Nerlscliinsh , die grösstcn aus
Kamtschatka. Den höchsten Werth gibt diesem Pelzwerke seine Scln^ärze und das lange
dicke Haar. Die grössten Liebhaber desselben sind die Chinesen, Perser und Türken.
h) Es gibt Fluss- , Sumpf- und See- oder Meerottern; der letztern Felle sind kostbarer, als
die der erstem; sie sind weich, schwarzglänzend und silbergrau, kommen aus Kamiacliat-
ka , den Inseln des östlichen Oceans , besonders den Aleutea , und von der JNordwestkiisle
von Amerika, und sind für die Chinesen das kostbarste aller Pelz^verke. Die besten der
kaffehbraunen Flussotterf'elle kommen aus Nordamerika , und werden wegen ihres grossen
Glanzes Spiegelotlern genannt.
i) Der Biber ist nicht nur durch sein Fell und seine Haare, sondern auch durch das Canloreum
oder Bibergeil, ein ätherisches OhI , welches in vier Säckchen, die hinter den Geschlechts-
theilen , nach dem Alter zu liegen, abgesondert wird, ungemein schälzbar; auch ist er ein
beriihmrer Baumeister. Am häufigsten sind die Biber in Nordamerika , besonders im Innern
von Canada und in Sibirien, da sie nur in grossen Wildnissen und wenig bewohnten Län-
dern ein geselliges Leben fuhren ; in Europa sind sie selten und gewöiinlich nur einzeln
nur in Preussen und Galizien , so wie in den hier und da befindlichen Biberteichen leben sie
in grösserer Anzahl. Aus Nordamerika kommt jährlich eine grosse Menge von Biberfellen
nach England. Im Jahre 1763 wurden von der Iludsonsbay-Compagnie in London in einer
einzigen Versteigerung 541670 Biberfelle verkauft. Auch nach Russland ist die Einführe ca-
nadischer BihcvMlc von Bedeutung. In den Jahren 1790, 1794 und 1796 erhielt es deren
55,726 St. , ob es gleich selbst jährlich einige hundert Biberfelle und einige Pud Bibergi>il
(i7g3 iir Pud für i4:8io Rubel) ausführt. Die Haare des Bibers werden zu Hüten ,^ Zeu-
gen , Handschuhen und Strümpfen gebraucht.
Ar) Hin und wieder in Deutschland , Ungern, Polen und Russland. Er lebt vorzüglich \on Erb-
sen , Gerste, Hafer, Weitzen , Roggen, Leinknoten u. s. w. , wovon er grossen V^orralh
in den Backentaschen zu seiner unterirdischen, wohl 7 Fuss tiefen Rammer schleppt. Auch
die grüne Saat zehret er ab. Man berechne daraus den Schaden , wenn in einem kleinen
Bezirke um Gotha herum zuweilen in Einem Herbste 3o,ooo Hamster von eigens dazu be-
stellten Hamstergräbern sind ausgegraben und getödtet worden. In Ungern, wo sich dieser
Rorndieb ebenfalls so sehr vermehrt , dass man oft auf einem einzigen Quadratschuh neun
Hamsterlöcher zählet, werden sie theils durch eigens dazu abgerichtete Hunde, thells durch
das Austränken vertilget.
/) Es findet sich in den Hochgebirgen der Schweiz ^ Saooyens , Steyermarks , Kävnlheni , Salz-
burgs, auf den Rarpathen in Ungern u. s. w. Mit dem Unterrichte dieser possierlichen Thie-
re geben sich besonders die armen Sacoj'arden ab, und ziehen dann, \vie die Bärenführer ,
mit denselben umher.
m) Fast in allen Ländern Europa's. Ein aninial subterraneum , wozu ihm besonders die Schau-
felpfoten zu Statten kommen.
n) Selten in der Schiueiz , in Italien und Deutschland; häufiger in Siebenbürgen und Ungern (in
deren Wäldern und Rohrgebüschen Hunderte von denselben jährlich erlegt werden) , so
wie in Frankreich , wo die Anstalt der königl. f^ol/sjagd (louveterie) besteht , die zum Zwe-
cke hat, durch eigene kön. Wolfsjäger, den Landmann gegen diese Verwüster der Heer-
den zu schützen; am zahlreichsten in Galizien, Polen, Russland, ScliH'eden und Nonvegen.
In den Jahren i8i2 , i8i3 u. 1814 wurden allein in Galizien 4953 Wölfe, nel)sl 40 Bären,
bloss von Unterthauen erlegt , die dafür Prämien erhielten. Sie geben einen, guten, dauer-
haften , warmen Pelz , die sogenannte IVihhchur.
!o Tl. UriModuciiou. §. 54- Hühiierarlige , zaliine und wilde Vögel.
o) Ausser den lotlicn oder gemeinen Füchsen, gibt es auch weisse, graublaue und schwarze;
die letztern mit glänzendem Haare und silberfarbiger Schwanzspitze , in Sibirien , auf den
Meuleti und au( Labrador , sind die seltensten und theuersten ; ihr Fell ist noch kostbarer,
als das Zobel- und Seeotterfell ; wenn ihre Haare gleichsam silberweissc Spitzen haben ,
werden sie Silberfüchse genannt; auch diejenigen, welche auf dem Rücken mit einem Kreu-
ze gezeichnet sind, die sogenannten Äreuz/ä(,'A.se, haben einen grossen Werlli, und kom-
men nur aus den nördlichsten Ländern. In Russland gilt ein schöner schwarzer Fuchsbalg
5o — loo, auch wohl 2,3, 400 Rubel und darüber. Die völlig schwarzen müssen alle der
Krone geliefert werden. Ein schönes Fell eines labradorischen Silberfuchses ist wohl eher
In London mit 5oo Thlr. und darüber bezahlt worden. — Nach England werden Füchse
aus Frankreich , der Jagd wegen geholt , und auf der Südseite ausgesetzt.
j,") In den dichten und grossen Waldungen der nördlichen Länder, so wie in den hohen Al-
penwäldern und Felsenklüften der Schu-eizer Hochgebirge, und in den Alpenwäldern von
der sogenannten I4^and längs der Alpengränze zwischen Österreich und Slejermark bis Aus-
see hinauf; doch auch nicht seilen im Neapolitanischen.
q) Im Königreiche lYar^arra ; sie sind i5 Zoll hoch und 5o lang und die grösste Plage der
Schafheerdcn.
;) Der gemeine Bär findet sich vorzüglich in Russland, Polen, Galizien, Ost- und IVeslpreus-
ien _, Schweden und Norwegen ; allein er verträgt auch das inlldere Klima Europa's, wo man
ihn hin und wieder, z. B. in Ungern, Siebenbürgen, der Moldau, so wie in den Pyrenäen,
in den Hochgebirgen der Schweiz, Savoyens , Steyerniarks , Salzburgs u. s. w. findet. Der
Eisbär (ursus maritimus) lebt in den Gegenden des Polarzirkels , an den Rüsten des Eis-
meeres, auf JVon^a Semlja und den übrigen Inseln des Eismeeres bis zum Jenisei. Die Bä-
renhaut wird zu Decken , Matratzen , Muffen , Mützen u. s. w. gebraucht. Die Polen richten
die Bären zum Tanze und zu anderen Kunstfertigkeiten ab , und verdienen sich Geld damit.
s) Vorzüglich im asiatischen Russland , in Lappland , Schireden und Norwegen. Sein schwar-
zes , mit braunen und gelblichen Flammen untermischtes Fell hat weiches Haar und glänzt
■wie Damast. Es \vlrd zu Muffen , Mützen und Bebrämungen gebraucht.
t) Sein Balg ist so dicht, dass kein Regen durchdringt, und dienet daher sehr gut zum Be-
schlagen der Reisekoffer , zu Ranzen , Jagertaschen n. s. w.
u) In England hat sich schon seit 2oo Jahren kein Wolf mehr sehen lassen, von dessen Ge-
schlecht der letzte in Irland im J. 1710 erschossen worden ist.
iv) S. Allg. geogr. Ephem. Bd. 27. S. 24g ff.
x) Der Hirsch und das Reh sind in den meisten europäischen Ländern, jedoch in einigen häu-
figer als in andern , in einigen selten und in andern gar nicht vorhanden.
r) Der Dam- oder Tannhirsch ist nicht so ausgebreitet wie der Hirsch. £«g/a«(i hägt die meisten.
z) In Schweden , Norwegen, Russland, Polen und Preiissen , aber selten.
2) Vögel,
a) Ij a n d v ö g e 1.
aa) Hühnerartige, zahme und wilde.
Die Fogel sind nicht nur für die Haushaltung der Natur im Grossen ungemein wich-
tige Geschöpfe, sondern nutzen aucli dem Menschen mit ihrem Fleisch und Fett, mit
ihren Eyern, Federn und Federspulen, ohgleich von ihnen verhällnissmässig weniger
Producle in den grossen Handel kommen, als von den Säugclhicreu. Vorzüglich wich-
II. UrproJuctiou. §. 54. Hühucrartige , zalimc und wilde Vogel. i2l
lig lind nützlich in ökonomischer Riicksiclit sind unlor den Land\'bg''ln _, di(3 hilhnev-
artigen (gallinae)^ die das meiste Hausgeflügel geben, mit dem die .Meierhölc d;r
Reichen, und Haus und Hof der Bauern l)e\'ölkcrt sind. Unter denselljcn zeichnen sich
vornehmlich aus: i) der Ifaiis/ialin (phasianus gallus) und das HiiJiti (gallina), wel-
ches lelztei'e bey der Menge der Eyer^ die es legt, imd seinem oftmaligen Brüten eines
der allernutzbarsten Thiere der ganzen Classe ist. Beyde sind fast idier die ganze Erde
verbreitet; doch sind sie erst durch Europäer, nahmcntlich kS)t7rt«ie/"j nach Amei-ika
verpflanzt worden. Verschnittene Hühner nennet man Poularden ; verschnittene Hiili-
nc hingegen werden Kapaunen genannt. Wegen ihrer seltenen Güte und Grösse
sind hier einer nahmentlichen Auszeichnung werlh ilic mit ^laisinehl gcnüistelen, 7 — g
Pfund schweren i-^e/emc/ic/z Kapaunen aus dem Sulmthale ^ die zu Tausenden nach
TVien _, Böhmen j in die Rlieingegenden und nach /^<^///e/z verschickt werden. Streit-
bare oder Kainpfhäline werden in England von eigenen Wärtern gezogen. — 2) Der
Truthahn oder Kalekuter^wülscfie Ha}in_, Indianer j yomVciUev Midi aelisAuch Con-
sistori ahogel •^enannl (mclcagris gallopavo), aus Neuspanien nach Europa vepflanzt,
wird jetzt in mehreren Ländern^ dieses Erdlhcils, vornehmlich in Spanie?i_, Fi'ankreichj
Italien j Ungern j Slai'o?den _, Cr'oatien _, in den k. k. Militärgränzldndern a) , in
Dalmatien und Deutschland, als Meiergcflügel in grosser Menge gehallen. In Steyer-
mark erreicht er bisweilen ein Gewicht von 18 — 20 Pf- — 5) Di« fruchtbare Haus-
taube (cohunba oenas) , die in einem Jahre g — 10 Mal brütet, so dass man von einem
einzigen Paare binnen 4 Jahren 14,762 Tauben ziehen kann. In keinem Lande werden
sie in so unverhältnissmässiger Menge gehalten, als in England _, wo allein in der klei-
nen Sladt Tuxford an einem einzigen Markttage 700 Dutzend verkauft worden Ä). —
4) Der Fasan (phasianus colchicus), so benannt von dem Flusse Phasis in Mingrelieu
(in Asien, welches sein eigentliches Vaterland ist), von da ihn die Argonauten nach
Europa gebracht hal)en sollen. Sie w erden in eigentlich dazu angelegten Gärten oder
Gehägen , Fasanerien genannt, gezogen. Man findet aber in vci'schiedenen Ländern
Europa's, z.B. in Böhmen _,\\o sie ül)erliaupt zaliireich und sehr schmackhaft sind ,
auch wilde Fasanen. — Zu den übrigen Aviklen nutzbaren, in Europa vorhandenen
Vögeln dieser Oidnung gehören : 5) der yJuerhahn (tetrao urogallus), in der Schweiz,,
in Ungern j vornehndich aber im nördlichen Europa ; 6) das Birkhuhn (tetrao tetris) ,
vorzüglich in England ,, Schottland j, Schweden ^ Norwegen ^ Russland und der
Scliweiz; 7) das HaselhuJin (tetrao bonasia), am zahlreichsten in Norwegen j Schwe-
den j Lappland \xnd Russland; ausserdem in der Scliweiz und in anderen Gegenden
Europa's; 8) das Schneehuhn (tetrao lagopus), hauptsächlich in den nördlichen und
Alpengegendcn unsers Erdthcils ; in Stockholm verkauft man sie zu Tausenden auf
dem Markte imd versendet sie in Fässern; g) das Reb- oder Feldhuhn (tetrao perdix),
in -gemässigten Ländern, z. B. in Deutschland und Frankreich _, sehr häufig; 10) die
JFachtel (tetrao coturni.v), ein Zugvogel, der sich hin und wiedei-, z.B. inder Bay von
Coron in Morea , und auf der Insel Caprian der neapolitanischen Küste in ungeheurer
Monge sehen lässt. Das Haunloinkommen des Bischofs dieser Insel besteht in Wach-
telfang; endlich 11) der Trappe (olis tarda) dem flachen Lande angehörig. In Slavo-
iiien und Ungern j besonders in Jazygiens und Camaniens YXienew , findet er sich,
i6
IJJ II. Urpraduction. §. 55. Sangvögcl. ^. 56. Raubvügel.
vornehmlich zur Erntezeit, in vollen Heerden ein. Anhalt- Käthen ^ auf dessen Fel-
dern mau die Trappen cbenfoUs in grosser Anzahl llndet, treibt einen nicht unbe-
trächtlichen Handel damit. Ihr Fleisch wird als Delicatesse gegessen, wenn es nicht zu
alt ist. Die alten bekommen ein Gewicht von 40 Pf. Ihi" Fleisch schmeckt dann , wenn
Cb vorher etwa 8 Tage im Weinlager gebcit zt worden ist , wie Rehfleisch.
<z) Jn den k. k. Mililärgränzländern ist der Trulhahn überall der eigentliche Gränzvogel. Er
wird in diesen Provinzen zu Hunderttausenden gezählt , und weidet in ansehnlichen Heer-
den unter besondern Hütern. Auch in Shifouien ist es nichts Seltenes , in einem einzigen
Bauernhause oft 100 — 2oo Stück Indianer anzutreffen.
b) S. Güituig. gel. Anz. 1806. St. -jb. S. 741 ff.
§. 55.
bb) Sangvögel.
Unter den sogenannten Sangi'ögeln (passeres) , die sich durch ein zartes und
scluuackhaftes Fleisch auszeichnen, sind die vorzüglichsten: 1^ die Lerche (alauda).
l)er Fang derselben macht im Kirchenstaate und in Deutschland j, nahmentlich im
Anhalt-Köthensc/ten j um Halle j Leipzig j Merseburg und. Gerbrun (liey Wiirzburg)
einen einträglichen Zweig der Jagd aus; 2) der Krammets^ogel (lurdus pilaris) im
nördlichen Europa , streicht aber in's südliche. Die römischen Kranimelsvögel , so wie
die Slavoniens und von Kaivaria in Galizien sind Leckerbissen; 3) der OitolaUj
Kornjink j diii Fettammer (cmberiza horlnlana) in den wärmeren Gcj^end'ui von Euro-
pa, besonders häufig in Gärten und Weinbergen; 4) die Beccajige (niolacilla iicedula)
ebenfalls im wärmeren Europa.
Der Canarienvogel (fringiüa canaria) ist zu Anfang des 16. Jahrhunderts aus den
canarischen Inseln nach Europa gebracht worden. Die Zucht dieser beliel)ten Thier-
chcn wird in mehreren Gegenden Deutschtands als ein Gewerbe getrieben. Vorzüg-
lich gibt man sich in Tji'olj im ZillertJiale j, in Schwaben und Franken damit .ib ,
vmd versendet jährlich eine grosse Menge durch eigene Träger nach England ^ Russ-
land mid in die Türkey. Für Nilrnberg allein rechnete man noch in den neuesten
Zeiten eine jährliche Erzeviguug und Versendung von 8000 Stück.
Einen noch grösseren Beytrag zum Genuss der edleren Freuden des Menschen
gibt, wegen ihres unübertroffenen Gesanges, ^\& Nachtigall (motacilla luscinia); daher
der obrigkeitliche Schutz, den man ihrem Leben luid ihrer Freyheit in vielen Län-
dern Europa's angcdeihen lässl. In Holland z. B. wird der llaid) einer Nachtigall oder
die Zerstörung ihrer Brut mit 100 fl- bestraft, und in Bremen ist auf die Haltung ei-
ner Nachtigall eiuLouisd'or gesetzt worden, mn dem häufigen Wegfangen dieser Sang-
vögel entgegen zu arbeiten, und dieselben wohlwollend zu begünstigen.
S- 56.
cc) Raubvögel.
Von den Bauln'ögeln (accipiircs) sind hier einer nahmentlichen Erwähnung
werlh: 1) der Länimergejer j Bartgeyer j, Goldgeyer (vultur barbatus), in den AI-
II. Urnroduction. §. 67. ScIiwimmTögel. 123
penländern , insonderheit in der Schweiz,, in Tyro/ , Stejermark ^ im Jjandc ob der
Enns und anderen Alpengegenden, der grösste ein-opäisclie Vogel , dessen ausgchrei-
tete Flügel bey lo Fnss breit sind. Er stiehlt Ziegen, Lämmer, Kälber und wohl
auch Kinder ; 2) der Fischadler (falco albicilla) in Nordeuropa ; 3) der Seeadler
(Beinbrecher j falco ossifragus) in Deutschland an Seeküsten, thcils auf dem flachen
Lande; 4) der gemeine, sogenannte Steinadler {^ä\co aquila) in den gemässigten Ge-
genden von Europa ; 5) der Edelfalke (falco gcntilis) im nördlichen Europa , vor-
nehndich auf Island j wo es auch weisse Falken gibt, die ganz besonders geschätzt
werden. Von Kopenhagen aus geht jährlich ein Schiff dahin , um Falken zu hohlen.
Der Edelfalke wird aber auch in den gemässigten vmd südlichen Europa angetroffen.
Aus der Moldau müssen jährlich 24 Siück Falken an die osmanische Pforte geliefert
werden.
Der Strnuss (struthio camelus), der grÖsste unter allen bisher bekannten Vögeln,
8 Fnss hoch und darüber , ist zwar ein ausländischer Voge^,, und ausser Afrika nur
in Arabien zvL Hause; allein mit seinen Schwanz- und Flügelfedern, die man von dort-
her über England j Holland , Frankreicli und Italien erhält, wird in Europa weit
und breit ein nicht geringer Handel getrieben. Der Hauplplatz für diesen Handel ist
Livorno. Die besten dieser Federn sind eine halbe Elle lang, und zieren die Turbans
der Türken , die Frauenzimmerhüte u. s. w.
b) W asservögel.
aa) Schwimmvögel.
Unter den Schwimmvögeln (anseres) sind statistisch wichtig: 1) der Eidervogel
oder die Eiderga?is (anas molissima), an den Küsten , Inseln und Klippen der nörd-
lichen europäischen Gewässer, insonderheit Schottlands ^ der arkadischen und Fä-
roerinseln j Islands _, Noi^v e g ens wnd Russlands j am häufigsten um Kola j längs dem
Gestade des Meeres, auf A'ofrt Semlja und Spitzberge/i. Sein Fleisch und seine Eyer
sind sehr schmackhaft; noch wichtiger aber ist sein Fell, womit man Kleider füttert,
und die weichen leichten Flaumfedern , die unter dem Nahmen der Eiderdunen be-
kannt, und in ganz Europa eine belieble Waare sind. Mit Lebensgefahr lassen sich
die Sammler an Stricken herab , um die an steilen Felsen sitzenden, mit Eiderdunen
ausgefütterten Nester zu plündern; 2) die Hausgans oder zahme Qans (Ans.s anser),
vorzüglich zahlreich in Ungern aj „ Polen j Russland bj ^ Preussen und Deutsch-
land^ nahmenllich in Oesterreich unter der Enns c)„ Mähren j, Pommern d) und
Meckleidnirg ej ; dagegen sehr geringe Gänsezucht im südlichen Europa, insonder-
heit in Spanien fj j wo man keine Gänsefedern zu den Betten braucht; 3) der Schwan
(anas cygnus), dessen Federn kostbarer als die Gänsefedern sind. Aus Polen j Lit-
thauen und Preussen konnnen viele Ctr. auf die Messen; auch bereitet man die Haut
mit den Flaumenfedern wie Pelzwerk zu, und benutzt sie unter andern zu den Puder-
quasten ; 4) die Ente (anas boschas) , fast in jedem Bauern- und Meierhofe befindlich.
Wilde Enten in unzähliger Menge, unter andern in den Gewässern und Sümpfen JJii-
16 *^
124 II- ürproJucUun. §. 53. Snmpf\ogel.
gerns und Slawoniens. In lelzlereni Lande werden fast alle Jahre eine Million mittelst
Netzen gefangen. Man pflegt ganze Fässer voll einzusalzen , und alsdann zu einem län-
geren Gebrauche zu räuchern; 5) die Seemöve (larus marinus), von der Grösse einer
mittelmässigen Gans , deren Eyer in Holland auf einer Sandinsel (Eycrland) zwi-
schen dem Texei und Vilet in grosser Menge gesammelt werden , welche Einsanun-
lung jährlich fiir 20,ooo H. verpachtet wird. Eben so sind die kleinen flachen Inseln
(Vär) in Finnmarken in der Nähe yon Risöe gegen iVort/ca/J durcli die Eyer der unge-
heuren Menge von Seevögeln, die dort brüten, einträglich, so, dass eine yde^ge-f^är
(Eycr-Yär) mit zu den Vorzügen einer Besitzung gerechnet wird.
a) Der grösste Theil der Gänsefedern , mit welchen die Prager Juden einen so beträchtlichen
Handel treiben , kommt aus Ungern. Die Ausführe an Bettfedern betrug im J. i8o2 358, Ö8i
Pfund , und an Flaumfedern 445 Pfund.
6) Russland führte im J. i8o3 Eiderdunen und Gänsefedern für 137,681 Rubel aus.
c) Besonders zu Eipeldau (Leopoldau). Wenn die daselbst äusserst zahlreichen Gänse gerupft
werden: so verlinstern die herumfliegenden Flaumen schneeähnlich die Luft.
d) Es ist nicht nur durch seinen Rciclithuni an Gänsen, sondern auch durch Mästung dieser
Vögel berühmt. Eine pommer'sche Gans wiegt nicht selten 18 — 2o Pfund, .ohne Blut und
Federn. Die Brust da\on wird gemeiniglich geräuchert, und unter dem Nahmen Speckgänse
versendet.
e) Die meisten und besten Posen oder Federspulen kommen aus Mecklenburg, Pommern , Preus-
sen und Polen.
f) Nach Dillon sollen die Sp.inler einen religiösen Abscheu vor d.'n Gänsen haben , weil die
ihnen so verhassten Juden so viele Gänse ässen , wodurch sie eine so schmutzige Haut und
einen widrigen Geruch erhielten. S. Neueste Länder- und Völkerkunde; von Ehrmann.
Weimar, 1Ö06. Bd. 1. S. 240.
§. 58.
bb) Sumpfvögel.
Von den Sumpf\'ügeln (grallae) sind benierkenswerth: 1) die Schnepfe (scolo-
pax) , davon an 5o Gattungen in Europa gezählet werden. Das Eingeweide mit dein
Kolh hält man bekanntlich für einen Leckerbissen ; 2) das IFasserJmlin (fuhca) , des-
sen Fleisch gegessen wird, nachdem man ihm vor der Zubereitung die Haut abgezogen
hat. Es hält sich auf Teichen auf; 3) der Kiebitz (tringa vanellus) , ausserordentlich häu-
fi," in Holland j wo dessen Eyer als eine Leckerspeise für die wohlhabende Classe die-
nen, und davon die zuerst gefundenen mit 1 bis 5 Ducaten das Stück Ijezahlct werden.
Übrigens ist die Consumiiou an verschiedenem Geflügel verhäknissmässig am
stärksten in "rossen Städten; daher denn auch die Federviehzucht in den Umgebungen
der Hauptstädte emsig betrieben wird. Nach London z. B. w erden Gänse zu 2 — 3ooo,
ja bis QOOO auf einmal in Heerden getrieben. Nach frien kommen aus Ungarn jähr-
lich über i5o drey bis vierspännige, jnit Hausgeflügel jeder Art beladene Wagen, und
aus Steyermark 6 — 10,000 Kapaunen, ohne die vielen Gänse, Enten und Hidiner in
Anschlag zubringen, die das Dod Leopoldau und andere benachbarte Dörfer dalün
liefern. Im J. i8o3 veizehrtcn die vier Stadtviertel JFiens allein, ohne die 33 Vor-
städte: 371,523 jnnge und 33,622 alte Hühner, 7g,5g8 Kapaunen, 49,018 Poularden,
95,463 Gänse, 37,g6o Enten u. s. w. ; dann 20,906,780 Eyer. In Paris werden jähr-
II. Urproduction. ^. 5g. Amphibien. ^. 6o. Fischerey. itä
lieh 559,000 wülscLe Hahne, 200,000 Poularden und Kapaunen , 2,3oo,ooo junge IIüli-
ner, g3o,ooo Tauigen, i34,ooo Reldmhner und 74,000,000 Eyer verzelirt. — Ber-
lin erhielt unler Friedrich 11. aus Sachsen jährlicli fiu- 12,000 Thlr. Eyer. — Nacli
Stockholm ginj^en aus Norland j wo die Vogeljagd so wichtig ist, im J. 1762: 36,072
Auerhähne, 88,525 Birkliühncr , 1 7g,g43 Haselhühner, g8g8 Schneehühner und 27,20g
Krammeisvögel.
§• 5g.
3) Amphibien.
Die Benutzung <\.cv j4mphibieti fiir's Menschengeschlecht ist ziendich geringe ahcr
für manche Gegenden dennoch nicht unheträchllich. Besonders wicluig ist das Ge-
schlecht der Schildkröten (lesludo) , deren die meisten mit einer knochigen sehr fe-
sten Schale bedeckt sind, deren Oberllicil mit dem Rückgratli und den Hin^jen des
Thieres verwachsen, und mit den breiten hornälinlichen Schuppen (Padden) belct
ist, die das eigentliche ScJiddpad geben, das in den Handel kommt, und zu feinen
Kunstsaclicn verarbeitet wird. Ausserdem nützen die Schildkröten durch ihre Eyer
und ihr Fleisch, welches besonders für Seefahrende eine gesunde und erquickende
Speise ist. Von den bekannten Gattungen des ganzen Geschlechts sind hier folgende
bcmcrkenswerth : 1) die gemeine Flussschildkröte (testudo orbicidaris), die im mil-
dern Europa angeiroffen wird, in einigen Landern, wie z, B. in Ungern \u\A Slavo-
nienj wird sie in ausgemauerten oder mit Holz ausgefütterten Gruben gehägtj 2) die
Schuppen- oder Karetschildkröte (test. imbricata) , die in beyden Indien zu Hause
ist, und das beste Schildpad gibtj 3) die Riesen- oder grüne Schildkröte (Mydas,
test. mydas), im ^Vcltmeere zwischen den beyden Wendezirkeln, bisweilen wird sie
aber auch an die europäischen Küsteji verschlagen. Sie ist die grösste unter allen er-
reicht eine Länge von 8 — g Fuss, und halt zuweilen über 8 Ctr. an Gewicht.
Von dem Gcschicchte der Scldiingen (serpenles) werden die in Itidien j vor-
nehmlich im Kirchenstaate in grosser Älenge vorkonunenden Flpern (vipera berus)
häufig zu den Viperneuren gehascht und zu Theriak gebraucht.
4) Fische.
§. 60.
F i s c h e r e y.
Man theilt sie m Land- und Seefischerey. Jene wird in süssem Wasser, theüs
wild j in Seen und Flüssen, theüs zahm ^ in künstlich angelegten Teichen getrieben;
diese im Meere. Die Seefischerey zerfällt wieder in die grosse und kleine oder Kü-
stenfischer ey. Die grosse Fischerey, welche nur in gewissen Gegenden des Äleeres
weit vom Hause in ganzen Flotten getrieben wird, ist auch nur auf bestimmte Gattun-
gen von Fischen gerichtet, nähndich auf Häringe^ Kaheljnne und f Fallfische. Unter
dem WaMschfang wird zugleich der Seehundsfang oder Robbenschlag mit begriffen.
Besondere Arten der Fischerey beziehen sich auf die Austern j die Musclieln , worim-
ter insonderheit die Perleninuscheln von grosser Erheblichkeit sind , und endlich
die Korallen.
SSS II. Urproduction. §. 6i. Knorpelfische.
Die Landfischerey ist für manchen europäischen Staat von grosser Wichtigkeit;
iingleLch erlicbhcher und einträglicher aber ist die Seefischerey , insonderheit die
grosse Fischerey, da sie niclit nur eine grössere Quantität von Nahrungsmitlehi in den
Handel bringt , und an sich schon eine grössere Menschenzahl beschäftigt , sondern
auch Nahrungsquelle für Millionen ist, die nie ein Netz berührten aj , und dadurch
den Nationalwohlstand in einem weit höhern Grade befördert, als die Landiischerey ;
ohne des für Seemächte so bedeutenden Vortheils zu erwähnen , dass die grosse Fi-
scherey zur Pflanzschule guter Matrosen für die SchiflTahrt wird , da sich dadurch eine
grosse Menge von Menschen an die Gefahren und Beschwerden des Seelcbens ge-
wölmt, hinlänglich gewandt und abgehärtet dazu wird.
Übrigens ist es sehr schwer, den ganzen Ertrag der Fischerey einer Nation zu
bestimmen. Schon der Werth der Landfischerey ist selten bekannt, und doch muss
sie mehreren Ländern bj misers Erdtheils sehr viel eintragen; noch seltener aber sind
zuverlässige und vollständige Nachrichten über den Ertrag der Seefischerey. Es fehlt
nicht nur an solchen Angaben von der Zahl der Hände , die sie beschäftigt, und von der
Zeit während welcher diese Hände beschäftigt sind, sondern auch an Daten von der
Grösse der Summen, welche der Bau und die Ausrüstung der Schiffe, welche Netze
Salz Tonnen und der Lohn der Maunscliaft erfordern, ohne andere Angaben der
Art an denen es ebenfalls mangelt, zu erwähnen. — Die grössten Vortheile aus der
Seefischerey ziehen jetzt England und die vereinigten nordiimerikanischen Stuaten;
einst war sie eine der ergiebigsten Quellen der Wohlfahrt der Holländer cj.
a) Wie z. B. der Seiler utid der Salzsieder, der SchlfTer und der Landmann, der Schmied
und der Zimmermann, der Fisclibeinspalter und der Tliranfarenner , der Raufmann und
der Fassbinder,
i) Besonders den an Seen so reiclien Alpenländern; dann Ungern, Deutschland und Russland,
als vvelcfie Länder die fiscfireichsten Flüsse besitzen , und liusslanä überdiess die meisten
Landseen zählt , so wie in Deutschland, nahmentlich in Böhmen, Mähren, Sachsen, der
Mark Brandenburg , der Niederlausitz und Schlesien, dann in Galizien die meisten feiche
vorhanden sind.
c) Der Häringsfang, so auch der Stockfisch- und Wallfischfang, welche im 17. .Tahrh. mehr
als 400,000 Personen beschäftigten, erforderten in manchem neuern Jahre kaum 1000 Menschen.
§• 61.
a) Knorpelfische.
Unter den Knorpelfischen (pisces cartilaginei) , oder Fischen, die keine wahren
Gräten haben, veranlasst eine sehr wichtige, ausgebreitete und in mehreren Rück-
sichten nützliche Fischerey das Gesclilecht der Störe (acipenscr), vornehmlich in
Riisslandj Ungern und Preussen. Dahin gehören: 1) der gemeine Stör (acipenser
sturio), welcher im schwarzen vmd caspischen Meere, in der Ost- und Nordsee, zu-
mal in beyden ersteren, überaus häufig ist, und sich im Sommer aus diesen in die gros-
sen Flüsse und Seebusen zieht. Er wird gegen aooo Pfund schwer. 2) Der Sterlet
(acipenser ruthenus), am häufigsten im caspischen Meere mid dessen Flüssen, beson-
ders in der Wolga. Sein Fleisch ist schmackhafter, als das vom Stör, so wie auch
sein Rogen feiner ist; er wird aber sehen über 3o Pf- schwer; 3) Der Sternstör j rus-
II. Urprüduütion. §. 6j. Mit Giätcn yerschene Fische, igj
sisch Sewruge (acipenser stellatus), ebenfalls im caspisclicn Meere imd dessen Flüs-
sen. Er hat unlcr allen Slörgatlungen den besten Rogen j 4) der Hausen j russisch Be-
luga (acipenscr hiiso) im caspischen, schwarzen und asowschen Meere, woraus er
zur Laichzeit in die Wolga, Donau u. s. w. steigt, in welchem letzleren Strome er bis
Pressburg ]ierauf\onimt aj. Er ist der grösste unter allen Störgatlimgen, und erreicht
oft ein Gewiclit von 1700 Pf. Von allen diesen Störgattungen wird das Fleisch sowohl
frisch, als auch eingesalzen mid marinirt gegessen; in Russand erhält man sie sehr
lang durch den Frost, imd versendet sie so über mehrere himdert und zum Theil
tausend \V erste. Aus dem liogen bereitet man den KtH'iar _, Acr ungeachtet des tlira-
nigten GescJimackes von einigen Nationen als eine l)esondere Delicalesse genossen
wird. Die Russen kennen bey der Zubereitung gewisse Vortheile, die ihrem Kaviar
den Vorzug vor andern verschaffen. Den besten giJjt der Sewruge. Aus der Schwinun-
blase \vird der, unter dem Nahmen der Hausenblase bekannte Fischleim bereitet.
Einer wahrsclieiiilichen Schäiziuig zufolge wird der Betrag des Geldumsatzes der Fi-
scherey in dem caspischen Meere und dessen Flüssen , als der stärksten vmd vortheil-
hafleslen unter allen russisflien Fischereyen , auf 8,8g8,5go RtJiel angeschlagen, iu
welcher Suuuue 4,2l6,3oo Rubel als Auslage mid 4,682,290 Rubel als Einnahme er-
scheinen. Ausgeführt wird von diesen Fischen sehest wenig, da sie der strengen und
lange dauernden Fasten grössten Theils im Lande selbst verzehrt werden ; Kaviar geht
dagegen sein- viel bj , und Hausenblase in noch grösserer Menge aus cj , als im Laude
verbraucht wird.
Von dem Geschieclite der ISeunaugen (Steinsauger, petromyzon), die ebenfalls
zu den Knorpelfischen gehören, werden vorzüglich geschätzt: die köstliche Lamprete
(petromyzon marinus), die hauptsächlich in der Nordsee lebt, und die Pricke (iVew/i-
az/g-Cj petromyzon fluviatilis), die in mehreren europäischen Flüssen häufig angetrof-
fen, hierund da stark gefangen, und marinirt in grosser Menge versendet wird. Beson-
ders sind die Bremer- und Lüneburgerpricken beliebt.
d) Den stärksten Hausenfang in Ungern haben Tolna , Foldfur ^ Komorn und Hedlcar.
b) Im J. 1793: 37,g5o Pud fiir 188,397 Rubel.
c) In eben demselben Jalire: Ü22i Pud, 45i,ä3o Rubel vvcrth. S. Slorch's Statistische Über-
sicht des russischen Reichs. S. 124.
§• 62.
b) Mit Gräten versehene Fische.
Unter den mit Gräten versehenen, oder eigentlich sogenannten Fischen (pisces
splnosi) veranlassen die erliel)liclistcn luid ausgedehntesten Fischeieyen das Gescldecht
der Häriuge (clupea) und das Geschlecht der Kabeljaue (gadus) j nächst diesen das
Geschlecht der Makrelen (scomljcr) und das der Lachse (salmo).
Zum Häringsgeschlechte gehören als die vorzüglichsten der gemeine Häring
(clupea harengus), die Sprotte (clup. sprotta) und die Sardelle (chip. encrasicolus),
— Die Sprotten oder Breitlinge , in der Gestalt den Häringcn ähnlich, werden an
den Küsten des nnttelliüidiscuen Meeres, der Nord- vmd Ostsee in grosser Menge ge-
fangen, und theils eingesalzen, liieÜs geräuchert versendet. Die iSa/'i/e//e/j (Anjovis)
128 II. Uipioduction. ij. 62. Mit Gräten verselifne Fisclie.
finden sioli in ansserordcntliclier Menge in der Nordsee und im ntlnnlisclien Meere,
Avo sie an allen Kü.slcn, vorziiglicli ati den norwegisc/ien und fi-anzösLSchen j, liaiiiig
gefangen werden. Im FniLijahre konunen sie millionenweise durch die Strasse von
Giljialiar in's nÜLielländiscJie und adriaüsclie ^leer, und veranlassen auch hier an
nichrcren Kiisten eine erlie])liche Fischerey. An den südlichen Küsten Dulinatie/is
allein, besonders um Lisscij werden oft atif einer einzigen Fischerbarke, liauplsächlicli
in einer dunkeln Nacht, 60 — l5o,ooo Stück Sardellen gefangen. — Noch wichtiger aber
ist der Häringsfnng j sowohl an den Küsten von Schottlund ^ EngUmd _, Irland ,
Frankreich j Holland j Dänemark j, Schweden und Norwegen ^ als auch vorzüglich
auf freyein Meere in der Nordsee , wo er jährlich in der Gegend der schettländischen
Inseln und Scliottlands mit grösseren Schiffen in kleinen Flotten, jetzt am stärksten
von den Engländern, ehemals von den Holländern aj , ausserdem von Frankreich aus,
ferner durch die Scliilfe einer hanöverischen Häringscompagnie von Emden aus, und
eine.' dänischen von Jltona^ und seit 1806 auch von Bremen aus getrieben wird. Die
besten Häringe sind die holländischen _, weil keine Nation die Kunst, die Häringe
einzusalzen, so gut versteht, als die Hollander; dann folgen die jiitis dien oder däni-
schen ^ hanöverischen (ostfricsländischen), e/iglischen_, schwedisc/ien und norwegi-
schen j welche letztere gewöhnlich Berger imd Drontheimer genannt werden. An
den norwegischen und schwedischen Küsten wird aus dem Ausschüsse und A])falle
der Härhige der Häringstliran ^^esollen , wovon Gotlienburg iinJ. i8o3, nebst 107,290
Tonnen Harlnge , 1143 Tonnen ausfüluie.
Zti dem Gesclilechte der Kabeljaue gehören: der s^emexnc Kabeljau (gadnsmor-
rhua), der Dorsch (gad. callarias), der Leng (Lengling, gad. -molua) und dev Schell-
fisch (gad. aeglefjuus), die wegen der unsäglichen Menge, der mannigfaltigen Zube-
reitung bj und langen Conservation von der äussersten Wichtigkeit sind. Sie finden
sich vorzüglich in nördlichen Gewässern, v,o sie um Kola am Eis- und weissen Mee-
re, tun A'orwegen cj _, Island dj und an den Nordküsten von Grossbritannien ej j
besonders aber an den Küsten des brittischen Nordamerikaj uu\ Neu foundlajid oder
Terre neuve j Labradoi- _, Neuscliottland und Cap-Breton j die wichtigste Fischerey
veranlassen yj; die Britten müssen jedoch den reichen Kabeljaufang in den nordame-
rikanischen Gewässern mit den vereinigten Nordamerikanern gj imd den Franzoseia/zJ
theilen.
Zu dem Gesclilechte der Makrelen gehören die gemeine Makrele (scomljcr) und
der Thunnfisch oder die spanische Makrele (scomber thynnus). Jene gehlals-Zugfisch
aus der Nordsee in die Ostsee, dann durch den Canal um Spanien herum in's nüttel-
ländische Meer, und veranlasst besonders an den grossbritannischen j norwegischen^
dänischen j deutsclien und französischen Küsten eine beträchtliche Fischerey. Sie
hat ein sehr schmackhaftes Fleisch. Besonders sind die scliottischen Makrelen dess-
halb beliebt. — Der Thuniißscli findet sich nicht nur im allantischen und mittellän-
dischen ISIeere, sondern auch in der Nordsee luul in den ost- und westindischen Ge-
wässern; doch macht er nur im atlantischen, mittelländischen und adriatischcn Meere
eine wichtige Fischerey aus, da er in den meisten angränzenden europäischen Län-
dern eingesalzcn und mariniit, wegen seines derben und nahrhaften Fleisches, ein
II. Urprodiiction. §. 62. Jlit Griitcn versehene Fisclie. 12g
sehr allgenioinos und beliebtes Nahrnngsrriiltel ist. Am sliirkstcn wird dieser Fis<-hrang
an den port/igies/'sc/ien j franzosisclien , neapolitdiiischen j, sicilidnischen ^ savdini-
schen und dalmatinisclien Küsten getrieben. Spanien j, an dessen Küste der Tliunn-
lisch sich in grosser Menge zeigt, treibt den Fang desselben sehr massig,, weil die Fi-
scherey gegen t^ie Barbci7'eskennic\it gesichert ist. Die an denKüstenznni Thunnfisch-
fang befmdhcben ^inlagen mit den dazu gehörigen Einrichtungen werden Tonnarn
genannt.
Die vorzüghchslen Gnltiingcn des Geschlechts der Lachse sind: i) der gemeine
Lachs (Salm, salmo salar) , dessen Fang in Norwegen _, Schweden und Rnssland ,
so wie in England _, Schottland und Irland ^ auch einigen deutschen ij und antlern
Fbissen sehr wichtig ist. Älit cingesalzencn Lachsen treiben hanptsächlicli Norwegen
und Schweden j mit marinirten und geräucherten Hamburg j Bremen , Pommernww\
Sachsen einen vortheilhaften Handel. Bloss Schweden liefert jahrlicli an 20 — ^25, 000
Tonnen eingesalzcnen Lachs. — 2) Das Blaufellchen kj (salmo \Varlmanni) , am liiiu-
figstcn im Bodensec, für dessen Nachbarn dieser Fiscli das ist, Mns der lläring fiir die
nordischen Völker. ^ om May l)is zum Herbste werden viele ^liliionen gefangen. jNFa-
rinirt versendet man sie nach ^Vien , Leipzig, Paris 11. s. w. — 3) Der StdhUng (Sal-
velin, Schwarzreuterl, salni. salvelinus), die fesche (Asche, salm. thymnllus) , die Ma-
rä/ze (sahn, maraena) , der Rheinanken (salm. ilanca), die gemeine Forelle (Teich-
forellcj Bachforelle, salm. fario), die ydlpforelle (Bergforelle, Rothfisch, sahn, alpi-
nus), d\c Lachsforelle (sabn. irulla) u. s. w. , die sämmtlich für die schmackhaftcslen
Fische gehaken werden, und l)esonders in den Alpcnländern zu Hause sind.
Der II eis (Schaidlisch, silunis glaris) , zu dessen Geschlecht einige zwanzig Gat-
tungen gehören, ist, nebst dem Hausen, der grössle Süsswasscrfisch, der wohl drey
Ctr. an Gewicht hält. Er wird vorzüglich in der Donau j Elbe imd Weichsel gefan-
gen, und sein Fleisch wie Lachs zugerichtet. — Von dem Geschleclite der Aide sind
die vorzüglichsten die Muräne (mnraena hclcna) und der gemeine Aal (mur. anguil-
la). Jene hält sich haupisächhch in der Gegend von Sardinien auf. Sie wurde ihres
schtnackhaften Fleisches wegen schon in alten Zeiten hochgescliätzt. — Anstalten
zum Aalfange oder sogenannte Aidfänge findet man im Rlieiiij in der Oder ^ Spree
und in Jiltland _, wo die Stadt Aalborg von dem Handel nnt geräucherten und mari-
nirten Aalpn ihren Nahmen soll bekommen haben. Sehr grosse Aale enihäh der fisch-
reiclic See Albufera bey Valencia in Spanien.
Von den zahmeji Eischen endlich , d. i. von denen, die des Nutzens wegen in
Teichen gehalten werden, sind, ausser der gemeinen Forelle, von der schon die Rede
war, die vorzrigüchstcn : der Hecht (esox lucius) und der Karpfen (cvprinus carpio).
— Mit den Scl\ii()])cn der TVei s sjisch e {\]Wey ,ey^r\nn'& alburnus), die zum Geschlecli-
te der Karpfen geliöicn, treiben die Einwohner von Heidelberg starken Handel nach
den schweizerlichen und französischen Glasperlcnschleifereycn.
<() JSach de tViil gewannen dio Holländer durch den Häringsfang jährlich 8 Mill. , nach Ja-
nicon gar dj Mill. (1. Allein hcreits vor 179^ und noch früher befand sich dieses wichtige?
Gewerbe durch die Concurrenz anderer Völker im Verfall. Im J. 1620 liefen 2ooo Burscii
(Haringsschiffe) aus; im J. 1779 nur eiuzehu; wenige; jetzt, durch ausgesetzte Prämien von
2 — 5oo fl. ermuntert, mehrere.
>3o • II. ürprocliiclion. §. 63. Wallfisclie.
b) Die an der Luft grtrocknoton Fische dieses Geschlechts werden überhaupt Stackfische oder
Kloppfische ü,iinAnnl\ insonderheit ist der auf diese Art zubereitete Kabeljau unter dem be-
sagten Nalimen bekannt ; Laberdan oder Sahfisch heisst der bloss eingesalzene Kabeljau ;
Klippfisch aber der eingesalzene und hernach auf Klippen an der Sonne getrocknete.
c) L'crge« allein führt jährlich an 100,000 Ctr. Lenge aus. Zu fang, dem Mitfelpuncte und
Hauptorte aller norwegischen Fischereyen , versammeln sich im Winter jahrlich 4ooo Boo-
te , jedes mit 4 — 5 Mann besetzt, die nahe an 16 Mill. Dorsche und Kabeljaue fangen,
■wovon die jährliche Ausfuhre sowohl nach der Ostsee, als nach Dculsc/ilaiul , Frankreich,
Spanien^ Portugal u. s. w. über 1,200,000 Thaler beträgt.
d) Der beträchtliche Kabeijaufang an den Küsten von Island wird theils von Isländern und
Norwegern,, theils von Holländern getrieben.
e) Bey den schellländisehca Inseln treiben die Engländer einen starken Kabeljaufang.
/) Der englische Kabeijaufang \n Nordamerika beschäftigt jährlich über 5oo Schiffe, eine grosse
Menge von Booten, über 21,000 Menschen beym Fangen, Einsalzen und Einpacken der
Fische, nebst einer grossen Anzahl von Matrosen, und gibt oft über 900,000 Ctr. Fische,
deren Absatz nach ff^esltndien , Porlugal , Spanien, Italien und andern Ländern sehr be-
trächtlich ist.
g) Die Ausfuhre von getrockneten und eingesalzenen Fischen aus den vereinigten Staaten von
Nordamerika (wovon der Stockfisch immer das Meiste ausmacht) nach Europa und ITesl-
indlen, betrug im J. i8o2 weit über 400,000 Ctr.
/() In Folge des Pariser Friedenstractates von 1814, ist das Recht der Fischerey auf der gros-
sen Bank von Terre neiwe , an den Rüsten der Insel dieses Nahnicns und der umliegenden
Inseln, so wie im Meerbusen von St. Laurent , für die Franzosen auf eben den Fuss , auf
welchen es im J. 1792 bestand, wiederhergestellt.
j) Vorzüglich im FJiein , in der£/6e, lf''eser und nnMayn. Am boriil;mtcsten sind die Ti/ifin-
lachse, die bey ff^esel , St. Goar , Engers und an andern Orten in M>'nge gefangen werden,
A:) So heisst der Fisch im siebenten Jahre; im ersten Jahre wird er Heuerling} im dritten
Gangfiscli u. s. w. genannt.
§• 63.
VV a I 1 f i s c h e.
Von den TFal/ßscIigattiiiigen (cctacea), als denjenigen warmldüligen Thieren ,
die mit den kaltljliiligen Fi.sclien nur die äussere Gcslait und den Nalinien gemein lia-
ben, veranlassen den einlriiglichslen Fang: i) der geineine odcv grönländische IVall-
Jisch (lialacna nijslicelus), das grösstc aller liekannien Tliiere, 60 — 120 Fnss und dar-
üher lang, 40 — 5o Fuss dick und iihcr 100,000 Pfund schwer. Er ist llieils um den
Nordpol j zumal um Grönland _, Spitzbergen und iA'Oiva Semlja herum, aber auch in
siidlichen Gegenden, im atlantischen Ocean, an den südafrikanischen und südameri-
kanischen östlichen und westlichen Küsten untl im stillen Meere zu Hause, wo die
Europäer aj luid Nordamerikaner ihn ül)erall aid'suchcn bj. Den Nordländern gibt
dieses Seeungeheuer Nahrung und Kleidimg; die Europäer hingegen fangen den Wall-
fisch des Specks (zum Thransieden), besonders aber der Barden wegen, deren er 700
in der ol)ern Kinnlade hat, die Aa^s Fischbein geben, tmd von denen die mittelsten als
die längsten wohl 10 — 20 Fuss lang sind. — 2) Der Pottfisch oder Kaschelot (pliy-
seter macrocephalus) , bis 60 Fuss lang und 3o Fuss dick, im nördlichen Ocean, vor-
züglich aber im südlichen Weltmeere, ztunal an den Küsten von Brasilien j Neusiid-
II. UrproJuclion. §. 64. Rc.bben. l3l
Wales und i\easpanteji. Er wird liauptsiichiicli des iliciircn cj fValli-tiths (sporma-
celi) wegen aufi^csuclil, das in Gostall eines niilcliwcissen Ollis llicils iin Körper des
Thiers, tlieils ahcr und zwar in grosser Menge in gewissen Behältern am Kopfe des-
selben gcl'iinden , und tlieils in der Medicin, tlieils zum Brennen und zu Lichtern ge-
braucht wird. In den Gedärmen dieses merkwiu'digen Tliieres findet sich zuweilen
die köstliche wohlriechende graue Ambi'a.
d) Nahmentlich die Engländer, die jelzt den Wallfischfang stärker, als irgend ein Volk trei-
ben; dann die Holländer , einst die stärksten Wallfischlänger ; ferner die Russen, Dänen,
Hamburger , Bremer und Portugiesen. Noch im J. i-ySo sendeten die Ilüllander 2oo , und im
J. 1766 186 Grönlandsfahrer, d. i. , Schiffe nach Grönland und derDavisslrasse zum Wal 1-
fischfang; allein in den letzleren 10 Jahren vor I7q5 betrug die mittlere Zahl derselben,
nach Mclelerkamp, nicht über 60, die während dieses Zeitraums 2295 Wallfische und 55,722
Tonnen Speck, jährlich demnach 22g-j Fische und 5572 Tonnen Speck brachten.
h) Das Werkzeug, dessen man sich bedient, um Wallfische zu fangen und zu tödten , ist die
Harpune , eine Art von Pfeil oder Spiess. Sie ist zweyerley : die Wurf- oder Handhnrpune ,
und die Harpunbüchse oder Gescliiäzharpune. Jene ist ein Pfeil , der zwey starke Widerha-
ken hat , und an einem hölzernen Stiele befestigt ist. Sie ist die gewöhnliche , womit man
das Thier nur in geringer Entfernung treffen kann , wovon die weiteste 40 — 45 Fuss be-
trägt. Die Geschiitzharpune ist flintenartig gebaut, und wird mittelst der angebrachten Flinte
abgeschossen. Diese Büchse trifft sogar 100 Fuss weit, und die mittelst derselben abgeschos-
sene Harpune dringt 8, 10, i2 und mehrere Fuss tief in den Riesenkörper des Wallfisches
ein, so dass er in einigen Minuten getödtet ist. Auf das Treffen in grösserer Entfernung
kommt darum etwas an, weil die Wallfische, durch die Verfolgungen der Menschen schüch-
tern gemacht, ihnen nicht mehr so nahe kommen, wie ehemals. Eben desshalb gebrauchen
die Engländer seit einiger Zeit , statt der Harpunbüchse, die Congreve'sche Branarackele ,
welche die Wallfische in noch grösserer Entfernung trifft und tödlet.
c) Ein Raschelot gibt i25 englische Barils (jedes zu 32-|- Gallons) Wallrath , und ein Fass ^ on
8 Barils wird in London für gS — 100 Pf St. verkauft. S. Allg. geogr. Ephem. Bd. 38. S. oaS-
§. 64-
Robben.
Unter den Robben (phoca), die ihrer zusammengewachsenen Ilinterfiissc wegen,
als eine Millelgatlung zwischen den vierlVissigen Thicrcn und den Fischen angesehen
werden können, alier doch warmblütige , lebendige Junge gebärende Tliiere, folglich
Säugethiere sind , wird von den Europäern vorzüglich aufgesucht das sogenannte See-
kalb j oder der gemeine Robbe j gemeine Seehund (phoca vitiüina) , der in grosser
Menge nicht nur in Meeren , nahmentlich im nördlichen und südlichen Eismeere mid
dessen benachbarten Gegendcm, in dem schwarzen Meere, in der Nord- und Ostsee
u. s. w. , sondern auch in Landseen, wie im Ladoga _, Onega und Baiked _, vorkommt,
und dm-ch Schiessen erlegt, oder mit schweren, mit Eisen beschlagenen Keulen er-
schlagen wird. Man beiiulzt die Haut zu R^ieinwcrk, zum Überziige von Kasten, Kof-
fern, auch zu Tornistern u. dgl. , den Speck zum Tiansieden. Vorzüglich empfiehlt
sich der grönländische Seehund imi Grönland , Spitzhergen _, Nowa Semlja u. s. w. ,
wegen der dicken Haut und des gulon reichlichen Specks. Einigen Insulanern, wie
z. B. den Alculen, ist der Seehiuid das, was den Lappliindern das Reimlhier,
i3» 11. Urpruilucliün. §. 65. Nüuliclie luscctcu.
5) I a s e c t e n.
§. 65.
a) Nützliche.
Aus der weillaulijj'cn Classe der Iiisecteii sind, ihrer uumitteUjarea Nutzliarkeit
Avegen , folgende sialislisch wichlig :
Die Honigbiene (Imme, apis mellifica) , eben so beridmil durch ihre liewuiide-
rungswürdigen Kunsltriebe , als nützlich durch ihre Arbeilen. Sowohl die zahme,
-welche in Korben und Stöcken gehäget wird, als auch die wilde oder Waldbiene,
vvelclie in hohlen Biiunien, Sleinhaulen oder Höhlen unter der Erde nistet, gibt mit
dem Honig und dem daraus bereiteten Metli j vornehmlich aber mit f Fachs ein wich-
tiges llandelsprodnct, wovon das letztere \n Dentscliland aj ^ Ungern bj , Sieben-
burgen _, der Moldau cj j in GalizLen ^ Preussen , J'olen und Russltuid dj in Menge
gewonnen, und theils roh, theils gebleicht und in Lichtern nach dem südlichen und
westlichen Europa versendet wird. Dagegen zeichnen sich die südüchen und westli-
citen Länder Europa's, wegen des Reiciillnims an wohlriechenden Kraulern, deren
Saft die Bienen saugen, durch vortrcfTiichen liunig aus. Derbeste, beständig flüssige,
rosenrothe Honig kommt aus Midta.
Der Seidenwiuin (phalaena bonibj-x niori) liefert durcli sein Gospinnst eines der
vornehmsten Materialien zu den Manufacturen , und für njanciies Land eiuju erheJjli-
chcn Handelsartikel ej ; als Puppe dienet er den Chinesen zur Speise. Seine beste
INahrung sind die Blätter des weissen Maidbecrbaumes (s. §. 33.). Die Ciillur dieses
hochwichtigen Inscctes, das in Indien und China ursprünglich einheimiscli ist, ward
in dei' Mitte des 6. Jahrhunderts durcli Mönche nach Gi'ieclienldiid verpflanzt, von
da um ii5o durch den König Roger I. in Sicilien eingeführt, und von hier aus all-
juälilich hl Italien und andere Länder verljreitet. Sicilie/i_, Neapel, Genua j Mailand j
Venedig und andere Länder vmd Ürter in Italien fahren viele Seide aus, insonderheit
aber Pietnont j dessen Organsin-Scide /^ einen schönen Glanz hat, imd für die Ijeste
in Italien gehalten wird. Nach der piemontesischcn folget in Ansehiuig der Güte die;
lonibai'dische _, toscanische und sicilianische. Sicilien hat in manchen Gegenden eine
doppelte, JSeapel gar eine dreyfache Seidenernte; doch liefert die erste Zucht die
beste Seide; desshalb ist in Toscana nur eine Seidenernte zu machen erlau1)i, da die
Maul])cerbäume durch das Berauben der Blätter zum zweyten mid dritten INIalc in ei-
neni Jahre zu sehr geschwächt werden , auch die damit gefutterten Seidenwürmer
nur eine schlechte Seide geben. — Spanien und die Tiirkej haben ebenfalls einen
Überfluss an Seide, und versenden davon jährlich eine ]>eträchtliche Menge. — Frank-
reich hat in seinen südlichen Deparlements einen starken Seidenbau; er ist yl)er nicht
hinreichend zu seinen zahlreichen iManufactnren gj. — Geringer ist die Seidencullur
in Dentscldand ; doch weit stärker als in Portugal. Das siidliche TyroL dlein hj
erzeugt mehr als fiüifmal so viel Seide als Portugal (s. unten Note k) ; auch Ist die
Tjrolerseide so vortreffUch, dass sie der piemontesischen unti lombardisclien im
Ganzen nicht nachsteht. Noch geringer ist der Ertrag der Seidenwürmerzncht in Un-
gern vuid dessen Conliiiicn ij , aber doch grösser als in Südrussland. — \Vas indcss
II. Urproduclion. j. 65. Nutiliclic luseclen. 135
überhaupt in Eurojia au Seide gewonnen wird (im Ganzen ungefälu- i3 — 14 Mill.
Pfimd) kj , ist für die vielen Manufacluren und den allgemein licrrschendea Luxus ,
bcy so mancherley Bestandtheilcn des männlichen sowohl, als des weihlichen Anzuges,
Seide zu gehrauchen IJ , hey Mcilem nicht hinlänglich, und die Einführe dieses Arti-
kels aus Asien von grosser Wichtigkeit.
A^on dem Geschlechte der Schildläuse sind hier hemerkcnswerth : 1) der Ker-
//ie.y (coccus ilicis), ein Insect, welches in Südeuropa, vornehmlich \a. Laiiguedoc
mid der Provence ^ in Spanien und Portugal an der Stech- oder Kermeseiche ge-
fiuiden wird. Die heerenlormigen, gallapfelarligen Evcruester dieser Thiere werden
gesammelt, mit Essig besprengt, und das Carmoisinrotli daraus bereitet. — 2) Die
deutsche of^er polnische focAe/i/Z/e (Johaunisblut, cuccus polonicus) , die ehculalls
kermesartige Eyernestei\ an den Wiuzehi verschiedener Pflanzen bildet. Sie iindel
sich in verschiedenen Gebenden Deutschla/ids j am häufigsten aber in Gulizicn _, Po-
len und am Don. Ehemals wurde sie in Deutschland häufig gesammelt, noch juehr
aber in Galizien j Polen imd liussland, wo es zuniTlieil noch heul zu Tagegeschiehl.
Die Einfuhrimg der amerikanischen Cochenille (Scharlachwurm , coccus cacti), die
ursprunglich in Mexico zu Hause ist, verdrängte iudess diese schlechtere Sorte, in-
dem jene nicht nur schöner , sondern auch stärker iärijt.
A^on dem Gesciilechte der Krebse (canccr), den einzigen Insccten, die uns Eu-
ropäern zviT Speise dienen, sind fiir uns besonders die langgeschwänzten oder eigent-
lich sogenannten Krebse (macromi) merkwürdig. Zu dieser Familie gehören unter
andern: der Flusskrebs oder Edelkrebs (cancer astacus), dessen Aufenthalt nicht nur
m Flüssen und Bächen, sondern auch in Landseen und Teichen ist, und der Seekrebs
oder Hummer (cancer gammarus) , der zuweilen zu einer Länge von anderlhall) Ellen
anwächst, und ein Gewicht von 10 — 12 Pfund erreicht. Sie werden häufig in der
Nordsee gefangen, und in eigenen Schiften, welche Hummer schiffe genannt \^ erden,
und deren eines oft \\ohl 12,000 Stück führt, i\a.c\i Hamburg _, Amsterdam u. s. w.
gebraclil.
Endlich ist noch der spanischen Fliegen (uicloe vesicatorius , cantliaris olUcinalis)
zu gedenken, die nicht nur in Spanien j sondern auch in Sicilien _, Deutschland _,
Ungern und andern europäischen Ländern gesammelt, ausgeführt und zum J31ascn-
ziehen, auch zmn Färben gewisser Tücher, gebraucht werden.
a) Nach Spanien gehen jährlich inelir als 1 Mill. Pfund gebleichtes Wachs aus \ ürschie<Ien('n
Gegenden Deatscldands über Hamburg aus.
b) Ungern überlässt dem Auslande jährlich für 3oo,ooo fl. Wachs und Iloiiij;.
c) Aus der Moldau, wird Wachs durch Griechen nach /'enedig versendet. Der Bieiuii.celieut
trägt der fürstlichen Kammer jahrlich wenigstens 60,000 Piaster ein.
d) Kusslaiid verkauft an das Ausland jährlich für 176,282 Rubel Honig, und Wachs iür 240.419
Rubel.
e) Pienionl z. B. \ersendi't jährlich 6000 Ballen, oder i,52o, 000 Pf. Seide (jeder Ballen zu 22o
piemontes. Pf), die nach der Sc/iu^eiz , nach dem Norden, vorzüglich aber nach England
gehen. — Neapel exportirt jährlich für 376 960 Ducati rohe, und für 39,750 Durati \ erar-
beitete Seide. — Aus Spanien gehen jährlich 1,000,000 Pf. , und aus der Türker iür5oo,ooo
Piaster Seide in's Ausland.
i54 U- Uiproduction. §. 66. Scliädliche Insccien,
^) Eine Art gesponnener, gewundener und gezwirnter Seide, die man besonders beym
Weben zur Kette gebraucht.
g) Der älteste Maulbeerbaum Frankreichs, dessen Abkömmlinge dem Staate jetzt über loo
Mill. Fr. für die rohe Seide, und über 400 Mill. Fr. für die verarbeitete jährlich verschaf-
fen , und der zu Endo der Rreuzzüge unweit Montelimart gepflanzt wurde , wird aus Dank-
barkeit sorgfältig noch erhalten. S. Allgera, geogr. Ephem. i8o5. Sept. S. 101 ff.
li) Ausserdem ist der Seidenbau im österreichischen Friaul , besonders um Gürz und Gradiska,
von einigem Belange. Das übrige Deutschland ist dem zärtlichen Maulbeerbaume zu kalt ,
und man hat daher die in mehreren Ländern gemachten Versuche , solchen auch dem käl-
teren Boden zu acclimatisiren (svelche allein dem preussUchen Staate über 1 Mill. Thaler ge-
kostet liüben) , wieder aufgegeben. Einzelne Versuche des Seidenbaues im Kleinen , finden
noch hier und da , wie z. B. zu Sl. Feil bey Wien , Statt,
i) Interessante Beantwortung der Frage: Warum macht die Scidencultur in Ungern keine
Fortschritte? in den ökonomischen Neuigkeiten. 1816. Nr. 42.
k) An dieser Gesammtsumme nehmen Antheil ;
Spanien mit 3,ooo,ooo Pfund.
Frankreich mit 2,5oo,ooo —
Das lombardisch-venclianische Königreich mit 2,000,000 —
Avovon der bey weitem grössere Theil auf die Lombardie kommt.
Viemont 1 ,65o,ooo —
Sicilien 1 ,000,000 —
Neapel 800,000 —
Modena und Parma 700,000 —
Südlyrol 32o,ooo —
Toscana ' 200,000 —
Nizza 200,000 —
Portugal , nach Cronie 61 ,700 —
Ungern mit den Miiitardistricten in Slawonien, Croalien und im ßarea^e mit 20,000 —
Südrusdand (als: Kaukasien , Astrachan, Taurien , Jekaterinoslaw , Cher-
son , die slobodische Ukraine , Saratow , Kiew und Podolien) mit .... g,32o —
Den Rest liefern die übrigen ilalieaischen Länder, die Türkey, Dalmaliea , Catlaro , Ragu-
sa , Isirien und das österreichische Friaul.
l) Wie selten und kostbar ihr Gebrauch noch in der zweyten Hälfte des sechzehnten Jahrhun-
derts , wenigstens in Deutschland, war, lässt sich aus einer auffallenden Ermahnung bey
Gelegenheit der seidenen Strümpfe abnehmen , mit welchen ein brandenburgischer Geheimer
Rath , Berthold fon Mandelsloh , einst (löGg) an einem Wochentage bey Hofe erschien.
,,Berlholde! — rief da Markgraf Jo/ja;i« zu Cüstrin seinem Geheimen Rathe entgegen, der
Gesandter an verschiedenen fürstlichen Höfen gewesen war , und seidene Strümpfe mit aus
Italien gebracht hatte — ich habe auch seidene Strümpfe , aber ich trage sie nur an Sonn- und
Festtagen. S. Grellmann' s Historisch-statistisches Handbuch von Deutschland a. a. O. S. 128 0".
§. 66.
b) S c h ä d 1 i c h c.
So gross die iinmitlclbare Braiiclibarkeil der Iiisecten, imd so mannigfaltig der
Anllicil ist, den diese kleinen Thiere an der Hatishalliing der Natur haben: so nahin-
liaft ist auch anderer Seits der Sehade, den viele Gattungen derselben anrichten. Hier-
her gehören vorzuj^lich: i) die iT/c^j/.-ayer (scarabaetis melolonlha) , die für manches
II. Urproduction. §. Gj. Würmer. x35
Land fast jpdcn Frühling eine grosse Plage sind, -weil sie in erslaiinliclicr Menge er-
scheinen, und die BliiUer vnid Ehilhen, besonders an Ohslbäiinicn abfressen. Im J.
1811 wurden in der neapohianischen Provinz Cupitiuiata allein nicht weniger als
3oO:,ooo Tomoli (Melzen) Maykäfer eingesammelt und vernichtet a). — 2) Der Bor-
kcnkiijer (Fichtenkäfer, Holzwurm, dei'mestes lypograplius) , ein fiir die Fichten, in
deren Splint sie oft in ungeheurer Menge hausen, furchtbares Insect. Unter andern
richtete dieses, Wälder verwüstende Insect neiierlich auf dem Harze und in anderen
Gegenden Deutschlands unsäglichen Schaden an. 3) Die Kornmotte oder der soge-
nannte weisse Koiviwunn (phalaena linea granella), und der schwarze Koi'iiwunn
(curculio frumenlarius) , welche sich unsern Kornböden so furchtbar machen. Sie sau-
gen das Mehl aus dem Korn und lassen die Hülse liegen. — 4) Die ZuglieuscJirecke
(Heerheuschrecke, gryllus migratorius), ein berüchtigtes Insect, das urprüiiglich in
der asiatischen Talarcy zu Hause ist, aber oft in zahllosen Heeren auch Europa heim-
sucht, und allgemeinen Missswachs und Hungcrsnoth verursacht. Eine Invasion die-
ser Unholden eifuhr unter andern Ungeni _, nahmentlich das tcmesclier Banat und
Syrmien in den Jahren 1780, 1781, 1782 und zum letzten Male 1799 ^-^ ■> Siebenbür-
gen im J. 1780, in der Gegend von Bonzldda , Valasz-Ut \niA Kendi-Lüna _, \'jo
sie den ganzen Seplendier und October hindurch blieben, ob sie gleich täglich von
1000 — l5oo Personen verfolget winden cj. Auch in der Muldan\n\A. in Spanien rich-
ten sie zuweilen schreckliche Verwüstimgcn an. Einzeln finden sie sich auch in Deutscli~
landj das doch seit 1760 unt grossen Invasionen derselben verschont geblieben ist.
5) Die RIoskilen (culex pipiens, Span, mosquitos) , eine Varietät der gemeinen Mü-
cken. Sie ziehen unter andern in Spanien in ganzen Schwärmen , und plagen durch
ihr Sunmien und empfindliches Stechen, besonders im Sonuner bey Nacht, den Schla-
fenden unbeschreiblich. — 6) Die iiew^yZ^V^e (columbatsclier Mücke , cniex replans),
in Lappland j vorzüglich aber in Serbien und im Banat_, wo sie zweyMal im Jahre,, im
Frühjahre und Sommer, in unermesslicben , dicken Rauchwolken ähnlichen Scharen
erscheint, und den Pferden, Ochsen und andern Mehgatlungcn zu allen Öfrnun"cn
des Körpers cinkriecht, dass das verfolgte Thier unter jämmerlichem Brüllen, Blöcken
und Grunzen, Wiehern und Heiden, oft in wenigen Minuten sterben mnss. Auch dem
Menschen wird sie dann wenigstens äusserst lästig, wenn auch nicht gefährlich dj.
Endlich 7) die Tarantel (aranea taranlula), eine Gattung Spinne in ^pulien nn(}L Spa-
nien. Sie hält sich auf dem Felde in kleinen Erdhöhlen auf, und wird den Schnittern
zm- Erntezeit durch ihren Biss lästig, auch zuweileii gefährlich.
ä) S. Österr. Beob. 1811. Nr. 245. S. 1008.
6) S. R. R. prlv. W. Z. 179g. Nr. 70.
c) S. Sarlori's Naturw-undor d«s österrcichischon Raisortliums. Tbl. 1. S. 3o — 40.
d) Schönbiiiier's Geschichte der Columbatscherinückeii im Baiiat. Wien, 1795. 4. Vergl. Sar-
iori a. a. O. Tbl. 2. S. 148 — 155.
§• 67.
6) Würmer.
Aus der zaldreichen Classe der TFüriner gehören , ihrer unmittelbaren Nutzbar-
keit wegen, ia das Gebicht der Statistik :*i) die Austern (ostrea edulis), welche an
j36 II. ürproduction. §. 67. Würmer. PflanientLiere.
den Küsten des nordwestlichen und südlichen Europa sehr hänfig sind ^ auch auf an-
geleglcn Aastevhänken gchägel werden. Man nimmt nähmlich junge Austern von den
Stellen weg, die ihnen der Zufall angewiesen hat, und hringt sie an einen Ort, wo
sie hesser gedeihen vmd schmackhafter werden. England und Frankreich liefern die
meisten und besten ; vorzüglich werden die kleinen englischen Austern von Colclie-
jfe/' geschätzt. Die Schalen gehen heym Brennen den sogenannten Musdielkalk _, der
an den liollätuHschen aj und anderen Küsten der Nordsee häufig bereitet wird. —
2) Die Perleninnsc/icl (Klathnuschel , mya margaritifera) und die Perleninuttermu-
svhel (mytilus luargariiifer) Z/J , welche heyde Muschelgaltungen Perlen erfuhren. Jene
— in Deutschla/id j Slavonien und andern europäischen Ländern Ijefmdlich — lie-
fert die europäischen Perlen 3 diese — die asiatischen^ amerikanischen uod austra-
lischen. Die allerschönslen und kostbarsten werden bekanntlicli auf Cejlon und im
jiersischen Meerbusen gefischt. Die westindischen _, californi sehen und otaheiti-
schen sind schon weniger schön ; vollends die aus deutschen und andern europäi-
schen Flüssen, einige seltene Stücke der fVattawa beyStrakonitz in Böhmen und der
Elster im Voigtlande vielleicht ausgenonuncn. — 5) Die Steckmuschel (Seidcnmu-
schel, Schinkc, pinna) , die besonders im mittelländischen Meere gefunden wird. Sic
sind wegen ihres Barts oder ihrer Fäden bekannt, womit sie sich gegen die Gewalt
der Wellen an den Felsen befestigen köinicn , und die eine röthlich-bravme Seide ge-
ben, welche in Messina _, Palerinu _, Tarent und andern Orten zu Strümjifen, Hand-
schuhen U.S. w. verarbeitet wird. — 4) Die TVeinbergsschnecke (Gaitcnschnecke,
helix pomatia) , welche unter den essbaren Schnecken am meisten geschätzt wird.
Li manchen Ländern , zumal in der Schweiz und 'u\ Würtemberg j, \\A\\\\VA\\}i\^\\\w
der Gegend von Ulm _, danu in f^urarlberg , in und um J Findischgarsten in Sieyer-
mark u. s. w. legt man zu' dem Ende besondere Sclmeckengärten oder Schneckenberge
an, worin sie zu Tausenden geuiästet werden, und treibt damit gegen die Faslzeit
einen erheblichen Handel.
Unter den PJlanzenthieren verdienet hier einen Platz die Familie der Corallen
(corallia) , mid luiter diesen ist die vornelimstcund nützlichste Gattung die rotJie Stau-
dencurulle (isis nobilis) , welche in Ansehung der Figur einem entblätterten Bäum-
chen mit seinen Ästen gleicht, und vorzüglich an den Küsten des mittelländischen
Meeres gefischt wird. Sic wird in manchen Gegenden, zmnal in Marseille _, Livorno
und Genua zu allcrley Kunstsachen verarbeitet, die nach Ostindien verführt, und
besonders in Japan und China j fast den Edelsteinen gleich geachtet werden. — Der
im Handel vorkonnnende gelbliche ßadescluvanim (spongia ollicinalis) endlic-h w ird
cijcufidls von einigen Naturforschern zu den PUanzenthieren gerechnet, wie^vohl die
llüerische Natur des Geschlechts der Saugeschwämme noch immer zweifelhaft ist.
Diese Schwäimne wachsen an Felsen im Meere, und werden grössten Theils aus dem
iniitciländischen iMeere erhalten.
<;) An der Küste von Egmondopzee bis \orhcy Schei'eni 11 gen wertleii jälirllcli zu dicseiii IJoluife
für mehr als 100,000 II. Coiicliylieu (Schelpen) gesammelt; dabey lebi.u lut'lir als i3ü Fa-
milien von der Fracht. S. Göltliii;. «;ei. Anz. 1807. St. 84- S. 835.
i) Sie finden sich am häufigsten im BTeere. Da sie in der Tiefe des Meeres liegen , so können
sie nur niitlclbl Taucher heraiifgeLracht werdi'n ; ein sehr b'jschw criiches und zum Tliell gc-
II. Urprodiiclion. f. 68. Bcigbau. i3j
falirvollcs Gcscluift. Jeder TaiicluT bringt in ciiicni , um den Hals gebundenen gestrickten
Sacke auf einmal hundert Muscheln herauf, und steigt in einem Tage wohl fünfzig Mal her-
ab, wenn nicht ein Unfall das Geschäft stört. Sind die Taucher thdtig gewesen, so kann
die Ladiuig einer Schaluppe 3o,ooo Bluscheln betragen. S. Beschreibung der Pcrlenfischerey
im Meerbusen von Manar an der Rüste von Ceylon, auch an der Küste von Persien, Süd-
amerika u. s. vv. , von //. /. Ic Beck ß in Archenholz Minerva. i8o2. Bd. 3. S. 291 — 307.
Vergl. üiV/jg-'i Pcrlenfischerey ; im 6. Stücke des 5. Bandes des 2. Jahrg. (1811) der Zeit-
schrift : Hesperus.
c) Sie sitzen meistens im Thiere selbst, zu\veilen doch auch inwendig an der Schale lest. Koch
ist ihre wahre Eutstehungsart nicht aufgeklärt.
c) Naturproducte aus dem Mineralreiche.
§. 68.
Bergbau.
Der Bergbau bci^rcift im weiten Sinne alle niiizbare Mineralien, die auf jedem
möglichen, folglich aiiclikimsllosem ^Vcge gewonnen werden, wie z. B. derLclini, der
Thon u. s.. w. ; im engen oder eigentlichen Sinne aber nur jene Mineralien, die grosse
und kostbare Anstalten erfordern , wenn man sie ans ihrer Geburtsstätte hervorziehen
Avill. Unter den letzteren sind die Metalle die vornehmsten. Der Bergbau ist fiir meh-
rere Länder Europa's eines der wichtigsten Nationalgewerbe. Er befördert zunächst
die Cultur des Bodens, indem durch ihn öde Waldgebirge in bevölkerte und indu-
striösc Landstriche umgeschafTen werden, die tun so sori^faltiger bearbeitet werden,
je höher der Werth der Nahrungsmittel ist, den das Bediirfniss der Bergarbeiter her-
vorbringt, welches voi-nehmlich der Fall in der Nähe reicher Bergwerke ist. Ausser-
dem liefert der Bergbavr höchst unentbehrliche Erzeugnisse, deren Geldwcrth, so wie
sie zuerst als Waarc in den Handel kommen, ohne Riicksicht auf die zum Theil höchst
beträchtliche Werthserhöhung derselben durch weitere Verarbeitung und Verfeinerung,
die Masse des Nationalvermögens vennehrt. Sind die Bergwerksproducte Gold und
Silber, so wird durch ihre Gewinnung auch die gesammte Masse der vorhandenen
Tauschmittcl vermehrt. Der Bergbau erhalt oder unterstützt ferner fast alle übrigen
. Fabriken und Gewerbszweige, indem er ihnen theils die nöthigen 3Iaterialien und
unentbehrlichen Werkzeuge darreicht , theils die erforderlichen Arbeiten um den
möglichst geringen Lohn verschafft, weil Berg- und Hüttenleute mit ihren Angehöri-
gen sie als Nebenbeschäftigung treiben , nicht einmal zu gedenken , dass in manchen
Gegenden der Betrieb der Bergwerke allein einigen Nutzen aus dem vorhandenen
Holze oder sonstigen Brennmaterial ziehen lässt. Überdiess ernährt der Bcr'^iuiu viele
tausend Arbeiter aj mit ihren zahlreichen Familien, und trägt dabcy zum Unterhalle
so vieler andern bey, welche mit ihm in näherer oder entfernterer Verbindung ste-
hen. Endlich gewährt der Bergbau verschiedenen europäischen Staaten eine jährliche
Einnahme von mehreren Millionen Gulden Oj, die noch bedeutender seyn würde,
wäre hier und da der Holzmangel nicht so gross, die Kohlen, das Schiesspulver und
die Lichter nicht so theuer, und der Einlösungspreis mit dem Markt- und Ausmim-
zungsprcise nicht im Missverhällnisse.
i38 II. Urproduclioii. §. 69. Edle Metalle.
Die an mineralischen Produclen, voinclimlich an Metallen, reichsten und den
stärksten Bergbau treiijenden Länder in Europa cj sind : Deutschland j Ungern und
Siebenbürgen j dann Grossbritannien j Frankreich, j Schweden j Norwegen und
Russland j letzteres besonders in seinem asiatischen Anihcile. Spaniens und Portu-
gals Gehirne sind nicht minder reich an iMctallon; aber der Bergbau, besonders auf
edle Metalle, wird daselbst vernachlässigt, da die amerikanischen Colonien sie bisher
in jMenge lieferten. In Italien und der Schweiz werden die Mineralien, aus Mangel
all Unternehmungsgeist, nicht so häufig zu Tage gefördert, als man erwarten dürfte,
und in der 2Yu-kej werden die Schätze des Mineralreichs , von dem man auch die
allerwenigsten Nachrichten hat, aus Unkunde und Trägheit wenig benutzt. Dagegen
sind Dänemark und Holland so arm an Mineralien, dass jenes nur Bausteine , Marmor
und dergleichen als inländische Producte des Mineralreichs, dieses aber kaum Steine
zum Bauen aufzuweisen hat.
Die geschicktesten mid fleissigslen Bergarlieiter sind die Deutschen j vornehmlich
die SachseUj die man überall sucht, besonders wenn neue Bergwerke in Gang gebracht
W'erden sollen. Auch dienen die Deutschen in der Geognosie und Mineralogie allen
übrigen Nationen zu Lehrern.
fl) So arbeiten z. B. in den russischen Berg- und Hüttenwerken, nach c. TVichmann , 120,424
Beamte und Meislerleute, und 228,735 zugeschriebene Bauern , nach den Götting. gel. Anz.
(i8o2. St. ß2. S. 814) im Ganzen über 400,000 Menschen , worunter mehr als 3oo,ooo
Bauern. — Im brillisckeii Reiche beschältiget bloss der Sleinkohlenbau , nach Fillejcsse ^
über 100,000, in Frankreich — nach eben demselben — 70,000 Menschen. — In Ungern,
steigt die Zahl der sämmtlichen Bergleute , nach f. Schwarlner , auf 3o,ooo , nach Rohrer,
auf 70,000, grössten Theils Deutsche, auch Slaven und Walach en , aber keine Ungern, die
die Grubenluft scheuen, und wenig Lust zum Bergbau zeigen. S. des Frejh. c. Hormajr
Archiv a. a. O. 1811. Nr. 94 u. 95. S. 4o3.
b) So beträgt z. B. die jährliche reine Einnahme der russischen Krone bloss ■\on der Metail-
production , nach Brunn (S. N. A. D. Bibl. Bd. io3. S. 160), 3,o25,995 , nach Herrmann,
6,463,535 Rubel (S. Götting. gel. Anz. 1812. S. i25), nach t«. ^''«c/una/z« gar 77 Miil. Rubel.
f) Der jahrlich zu Tage geförderte Mineralreichlhum der europäischen Länder, mit Inbegriff
der Ausbeule der i/jarti.sc/te/i und /)or(!ig-i"es(.sc/i8« Colonien in Amerika, beträgt, nach J'ille-
Josse , 952,i5o,ooo Frauken, wü^on auf Europa üoi,25o,ooo Fr. kommen.
a) Metalle.
§• 69.
aa) Edle.
Zu den edlen oder feuerbeständigen Metallen gehören: i) das Gold (aurum).
Man findet es theils gediegen, theils vererztj im erstem Zustande auch, oljwohl nur
in sehr Ideiiien Körnern, im Flusssande, da es dann Waschgold genannt ^^'ird, weil
es von den fremden Theilen durch blosses Waschen oder Seifen gereiniget wird. Die
vornelmisien goldführenden Flüsse in Europa sind: die Aranfosch „ die Koros j die
Marosch,, die Sainosch _, die Temes :, die Bistriza d^oro , die Drau ^ die Muhr _, der
Fiheiuj die JEdcr_, die JFatlawa n.s.vi.aj. Bey weitem reicher an Goldsand aber
ist Amerika^ voinchmhch Peru und Brasilien, so wie Afrika^ wo vorzüglich der
]I. Urproduclion. §. Gg. Edle Metalle. l3g
ö.stliche Tlieil von Guinea goldreich ist, und dcs.sliall) ancli die Goldkiisfe genannt
^N\vAbJ. Übeilianpt hat Europa j m. Vcrgleicliniig mil andern EiiUlicilen, insonder-
heit mit Ameriku j, wenig Gold, o])sehon man es in unserni Erdllieile liaiiligcr, als es
wirklich gefunden wird, zu Tage fördern könnte, wollte man auf dessen Aufsucjiung
luid Scheidung mehr Fleiss und Kosten wenden. Nach Ilrn. v. Humboldt lieferten die
sdmmllichcn spanisch- imd portugiesisch- ameri/canischcji Bergwerke (in Neuspa-
nien ^ PerUj Chili j Buenos-Ajres :, Neugranada und Brasilien) zu Anfange des ig.
Jahrhunderts jährlich 8o,000 Mark Gold, an welchem herrlichen Ganzen Brasilien
allein, das goldreichste Land in der Welt, mit 32,ooo TNIark Antheil nahm cj. Dage-
gegen beträgt die gesamnue Goldausbeute in Siebenbürgen dj (dem europäischen
Brasilien) nur 3ooo Mark, und in Unger-n ej , deni nächst Siebenbürgen goldreich-
sten Lande in Europa , 1464 Mark. Noch geringer ist der Goldcrlragin DeutschlandfJ
und Schweden gj; in Portugal ^ Spanien _, Neapel wnA Sicilien ^ihi es Gold, aber
es wird nicht darauf gebauet, und in Frankreicli j Irland und Sardinien findet man
nur unbedctitende Goldspuren. Russland gewinnt zwar, nach l\ri\. Herrmann j, im.
Durchschnitte jährlich 41 Pud (a 40 Phmd) Gold, a])er nicht in seinem europäischen,
sondern in seinem asiatischen jlnthcile hj. Hr. T^ill fasse schlägt die Totalmasse des
in Europa jährlich gewonnenen Goldes auf 53oo mid in Nordasien auf 2200 Mark au.
Nach Hrn. Hassel aber beträgt das jährliche Erzeugungs-Quantum an Gold in Europa
imd Sibirien im Ganzen 81 ig Markj davon rechnet er au[ Oest erreich 4780, au( Russ-
land mit Sibirien 33oo, auf Pr^eussen 12, auf Schweden 10, auf Hanouet' g tuitl auf
Baden 8 iMark,, — 2) Das Silber (argentum) findet sich ebenfalls theils gediegen,
theils vereizt; im ersten Znstande zuweilen in Centner schweren Blöcken ij. An die-
sem edlen Metalle ist Europa zwar reicher als an Gold, doch bey weitem jiicht so
reich, wie Amerika j insonderheit Neuspunien oder Mejcico _, wo jetzt (seit den vier
letzten Decennien) Guanaocuato ^ Z,acatecas und Catorce die allerreichsteu Silber-
Lergwerke in der Weh sind. Ein einziger Gang von Guan a. ruatn hcSevt n\ehv , als
^ alles amerikanischen Silbers , dessen zu Anfange des ig. Jahrhunderts jährlich
3,840,000 Mark zu Tage gefördert wurden, wozu Mexico allein jährlich im Duich-
schnitt 2^ Mill. lieferte kj. Nächst den "besagten mexicaniscJien Silbergruben isl am
ergiebigsten das reiche Bergwerk von Potosi IJ. In Eu?'opa sind die reichsten Sill>er-
mlncn die deutschen mj imd utigrischen JiJ , jene mit i.'iOjOOO, diese mit 8g — g2,58o
Mk, Ertr,".';; nächst diesen die siebe?ibürgischen _, mit 5700 Mk. Ausl)cule. Die .libii-
gen bekannten europäischen, aber nicht beträchtlichen Silberhergwerke sind in Frank-
reich oj j Schweden pj j Norwegen qj _, Savoyen rj und Sardinien sj. In Portu-
gal j Spanien j Treupel mid Sicilien gibt es Silber (in Spanien auch Piatina haltige.s) ;
es wird aber nicht aufgesucht und ans Licht gezogen. Russlands .Silberproduction tj
ist bedeutend; nach Herrmann i25o, nach v. l f 'ichinann i3ooV^id stark; es. gilt
aher hier dieselbe Bemerkung, die oben in Ansehung der russischen Goldei-zengung
gemacht wurde, f^'illefosse schätzt die Tolalmasse des jährlich in Europa erzeugten
Silbers auf 2i5,ooo , und in Russisch-Asien auf 88,700 Mk. Nach Hassel aber be-
trägt das jälirlichc Erzeugungsquantum an Silber in Europa und Sibirien 355,982
Mk. Davon koimnen :
iS*
140 II. UqM-oductioa. §. 69. Edle Mclalie.
auf Russland m'ii Sihh'ien . ioo,o3o Mk. auf Sardinien 2,35o Mk.
— OesterreicJi .... 96,687 — — Anhalt-Bernburg . . 1,212 —
< — Sachsen 02,488 — — BraunscJiweig . . . 1,000 —
— Ilanover 5o,238 — — Baden 5go —
— Prenssen 22,322 — — Nassau 110 —
— Frankreich .... 4,3oo — — CJnirJiessen .... 2.5 —
— SchwedenmxtlSor^vegen 2,73o —
3) Piatina (VVeissgold, ])Iatinum), ein nicikwürdiges, in Europa erst seit 1748 be-
kannt f^ewordenes Metall. Es wird jetzt nicht bloss boy Quito und Santa Fe va. Peru,
und vornehndich in den Gruben von Clioco und Barbados in j^eiigranada, sondern
auch in Brasilien imd St. Domingo gefunden. Seine Farbe ist dunkel zinnweiss , und
hält das Mittel zwischen der Farlje des polirlcn Eisens und des Silbers. Wird es von
seinem Eisengehalte gereiniget , so ist es der schwerste Körper in der Natur. Es kommt
in Gestalt kleiner, mehren theils flacher Körner nach Europa mid ist selten. Spanien
hat zwar Piatina hakiges Silber; es wird aber nicht benulzt.
ü) Die Goldwäscheroyen in Siebenbürgen , im Banal, in der Moldau und J-Valacl^ey beschäfti-
gen einige tausend Walachen und Zigeuner beyderley Geschlechts. Am ansehnlichsten loh-
nen die siebenb'urgischen Flüsse. Acht, bisweilen auch zehn CenUier beträgt der Schatz des
Goldes, das aus ihrem Sande jährlich gesichtet, und -nach Szalathna zur Einlösung ge-
bracht wird. S. Sarlori's Länder- und Völkermerkwürdigkeiten des österreichischen Kaiser-
thumes. Tbl. i. S. 20g — 2i3. — Uie Gold\väscliereyen in Croalien liefern jährlicli i55o^—
1860 Ducaten nach Ff^arasdin, Prelok und Canisa zur Einlösung. S. iSar/oWs Naturwun-
der 3. a. O. Tbl. 2. S. 232 fl". — Aus der Bistriza d'oro in der Eukowin wurden im Jahre
i8o3 7 Pisets Gold gewaschen und eingelöset. — Aus dem Sande des Rheins wird von Chur
bis Dorlrechl hinab , schon seit Jahrhunderten Gold gewaschen. Vornehmlich wird dieser
Industriezweig in dem Grossherzogthume Baden betrieben. Von 1790 — i8o2 wurden da-
selbst 2o36 Kronen und 46 Gran Goldes gewonnen, welche in Geldwcrth gi65 fl. 4i kr-
ausmachten, und nach Abrechnung von ti.55g(l. Unkosten einen reinen Gewinn von 2606 fl.
41 kr. gaben. S. Correspondent v. u. f. Deutschland. i8i2. JNr. 54-
i) Den daselbst gesammelten Goldstaub tauschen die Europäer gegen allerley Waaren von
den Landesbewohnern ein , und führen ihn nach Europa. Bekanntlich erhielten die engli-
schen Guiiieen \ on diesem guineeischen Golde ihre Benennung.
c) S. H. A. L. Z. 1812. Nr. 61. S. 484.
d) Vierzig, nach andern mehr als hundert. Gruben stehen in den Goldgebirgen zwischen der
Avanjnsch und Marosch im Bau auf Gold , und sind zugleich silberhaltig. Die grössle Aus-
beute geben die Goldminen zu. Szekerembe bey Nagj'-Ag (wo das Erz aus zwey Theifen Gold
und einem Theil Silber bestchl) , zu J öröschpalak , Szalathna , Fazebay und Köresbanja.
e) Auf Golderze wird zu Böcza , Majurka , Tajou-n und Budfalca gebauet, und die goKheich-
sten Silbererze enthalten die Bergw^ke zu Krenmitz , Schemnitz , Nagr-Banja und Kapnik.
f) Salzbu7-g erzeugt noch das meiste Gold , am hohen Goldberge in der Rauris , am Hierzba-
che in der Fusch und zu Böckstein bey Gastein; doch lange nicht mehr so \iel (jährlich,
nach einem zehnjährigen Durchschnitte, i65 Mark) als ehedem. S. Schalles Heise auf den
Glöckner. Thl. 3. S. 96. Die übrigen deutschen Bergwerke sind in Ansehung der Golder-
zeugung unbeträchtlich. Auf dem Harz, nahmcntlich uni^ dem RamineLbergc , scheidet man
aus den daselbst gewonnenen Silbererzen jährlich nicht über i2 Mark, und das Gold, wel-
ches aus den Beichenberg' sehen Arsenikerzen gewonnen wird , beträgt noch nicht 5oo Rthlr.
S. FoigteVs Versuch einer Statistik des preussisclien Suates. S. 86. — In Böhmen wird zu
n. Urproduction. §. 69. Edle Metalle. 141
Berg-Reichensiein uiiil Libaiui etwas Gold gewonnen ; auch bauet man zu Sc/iwarzthal und
bey Eule seit einigen Jahren von neuem auf Gold. Letzteres Bergwerk war einst so reich ,
dass es ein Jahr gab, da aus der einzigen Fundgrube Tobalka 100,000 Mark Goldes zu Ta-
ge gefördert wurden. Ziska Hess aber 1421 die reichsten Gruben des von ihm eroberten L'u/e
verschütten; seitdem blieb der Bergbau hier unbedeutend , und wurde zeitweise auch wohl
ganz aufgelassen.
g) Nur bey Adeljors im smäliindischen Kirchspiele /Ihheda. Aus 1 Ctr. rein gewaschenem
Schlick ^ Loth Gold , aus 53 Ctrn. io2 Ducalen.
h) Nahmentlich in den Goldniinen zu Kalhari/ienöurg und in den Silberbergwerken zu Kolj-
(i^an , Nerlschinsk und Beresow.
i) Vorzüglich in den Bergwerken zu /fo«g^s6crg in Norwegen , Schneebe'rg in Sachsen und 5c^/an-
geiibcrg in Sibirien. Im 17. Jahrh. kamen zu Korigsberg zuweilen Silberklumpen von 70 —
5oo Pf. vor. Das grösste gefundene Stück gediegenen Silbers, welches noch jetzt in der
königl. Kunstkammer zu Kopenhagen aufbewahret wird , wiegt 56o Pf, und hat ÖoooRthlr.
an innerm Werth. S. Allg. geogr. Ephem. Bd. 3U. S. 342 ff.
/r) S. H. A. L. Z. 1811. Nr. 60. S. 477-
l) Nach der neuen Ijandes-Eintheilung gehört dieses Bergwerk nicht mehr zu Peru, ,»ond<iii
zu dem Vicekünigreich Buenos-Ajres. — Nach Hrn. f. Humboldl's Berechnung beträgt die
ganze Masse des in Amerika, seit dessen Entdeckung 1492 bis zum J. i8o3 gewonneneu
Goldes und Silbers 6706 Millionen Piaster. Da\on sind aus den spanischen Besitzungen ge-
kommen 485i Mill. , aus den portugiesischen 855 Mill. , und darunter \varen an Gold i348
Mill. , an Silber 4358 Mill. Von jener Totalsumme (5706 Mill.), mit Dazurechnung des
Goldes und Silbers, was die Europäer in den ersten Zeiten nach der Entdeckung, vor an-
gefangenem Bergbau, den amerikanischen Eingebornen gewaltsam abgenommen haben, wa-
ren 5445 Mill. Piaster, während des bemerkten Zeitraumes, wirklich nach Europa gekom-
men. Seitdem ist der Werth der edlen Metalle in Europa gesunken , dagegen der Preis des
Getreides um das Dreyfache gestiegen, und das ganze Finanzwesen anders gestaltet worden.
Allein mehr als die Hälfte des aus Amerika nach Europa gebrachten Goldes und Silbers
fliesst auf drey Wegen wieder aus diesem Erdtheilo ab: 1) nach der Levante, Ägypten und
der Nordküste von Afrika; 2) auf dem grossen Seewege, um das Vorgeb'rge der guten Hofl-
nung, nach Ostindien und China; 3) auf dem Landwege durch Russland nacli Asien.
Hl) Wozu die sächsischen Bergwerke allein an 52 — 53, 000 , der Harz an 5o,ooo Mark, und
nächst diesem die österreichisch- und preussisch-denisclwn Provinzen den stärksten Antheil
liefern.
n) Wozu Schemnilz und Krcmnilz in dem niederungrischen Bergdistrictc 66,38o, und dieNa^y-
banj-er j Schniölnitzer und JJdnater BergiUMeve in dem oberungrischen Bergdistrictc zwischen
23,000 bis 26,000 Mark be)tragen.
o) Nalmientlich in den Departements der Nordküsle , Orne und Jsere.
]t) Zu S-ilbe.rg bey Säla in Westmannland, nur mit einem jährlichen Erlrage von 2ooo M. S.
Allg. geogr. Ephem. Bd. 24. S. 2i3.
(/) In der Gegend von Gumerud. Das Silberbergvverk zu Jarlsberg ist eingegangen (s. Allgem
geogr. Ephem. Bd. 38. S. 349)5 und zu Kougsberg ist im J. 1806 der Bergbau bis auf drey
schwach betriebene Gruben gänzlicli eingestellt worden. Über dem Eingange der Schmelz-
hütte steht die ominöse Inschrift: Eigennutz und Undank ist der Bcrgti^trk' Untergang. S.
Allg. geogr. Ephem. Bd. 38. S. 344 ff-
;■) Es liefert, jährlich ungefähr 40 Myriagranimen Silber, im Werthe von 100,704 Fr. S. Allg.
geogr. Ephem. Bd. 26. S. 428.
4) Zu Villaiglesias.
t) Zu Kolj-n-'aiLj Schlangenberg , Nerlschinsk und Beresow.
l4« II. Urproduclion. §. 70. Unedle Melalle ; Kupfer.
bb) Unedle.
§• 70-
1) R u p f e r.
Mit unedlen und iinenibehrliclicn Metallen ist Europa reiclilicli versehen. Das
meiste Kupfer (cuprum) liefert Grossbvltannlen aj ; nächst diesem besitzen die
reichsten Kugfergruhen Ungern bj ^ Deutschland c) und Sclnveden dj. Russland j
fiir welches Reich dieses Erz, als Münze und Metall, besonders wichtig ist, erzeugt
zwar tun die Hälfte mehr Kupfer ej , als Ungern ; zu dieser Production aber trägt das
asiatische Russland bey weitem mehrbey, als das europäische. Ausserdem wird Ku-
pfer in Portugal fj j Spanien gj _, Fraiih-eich lij j den südlichen Provinzen der
Niederlande ij j in Italien kj ^ Siebenbürgen Ijj der Bukowina inj ^ Polen nj und
Norwegen oj gewonnen. Die Toialmasse des jährlich in Europa und Sibirien erzeug-
ten Kupfers schlägt Hr. Hassel auf 408,847 Gtr. an. Zu diesejn Erzeugungsquantum
liefern den stärksten Anlheil folgende Staaten, und zwar:
GrossbrHtannien .... 190,000 Gtr, Schweden 33,355 Gtr.
nach Fillefusse gar. . . 200,000 — Hessen-Darmstadt . . . 5,700 —
Russland mit Sibirien . . 8i,o53 — Hanover 2,144 —
Oesterreich 54,757 — Frankreich 2,000 —
Preussen 34,235 — nach Galletti gegen . . 6,000 —
nach P^oigtel nnr etwa 11 — 12,000 —
Für das allerbeste Kupfer hält man das japanische ; auf dieses folget das i/Ä;V't^c//e.
In Europa ist von vorzüglicher Güte das englische j schwedische und ungriscJie _,
besonders das zu JVeumoldawa gewonnene j es soll weicherund besser, als irgend ein
andres europäisches seyn pj. — Ce/ne7^</l7//?/(?^ <7j wird hin und wieder in Deutsch-
land , Schweden und Norwegen, vornehmlich aber in Ungern rj gewonnen. — Na-
türliche Farben von verwitterten Kupfererzen sind Aas Berggrün und Bergblau j wel-
che Farben fast in allen Kupferbergwerken vorkommen.
a) Nalimcntlich Anglesea , Cuniberland , vornehmlich aber CornwaUls , wo man über 100 Ku-
pfergruben zählt, und wo auch gediegenes Kupfer von vorzüglicher Schönheit angetrof-
fen wird.
Z)) Es liefert jährlich 4O5160 Ctr. Kupfer, wozu der uiederangrische Bergdistrict 4200, das
schmölnilzer Bergveiner 25, 000 , das iiagj'-Lan^er 3ooo , das banaler 7000 und das croalische
060 Ctr. liefern.
c) Vornehmlich in der Grafschaft Manns fehl, in Tj-rol, Stejermark, Haiioi^er, Hessen-Darmsladt
und ff^aUleck , welches letztere Fdrstentiiuni , nach Hock , jährlich über 8000 Ctr. Kupfer
gewinnt,
ri) Besonders bey Fahirt in Dalekarlien ; doch ist diese Kupfergrube nicht mehr so ergiebig,
wie in vorigen Zeiten. Unter CarllX. lieferte sie jährlich i2 — i5,ooo Schiffspfund, und i65o
über 20,000; jetzt ist der Ertrag selten 5ooo Seh. Pf. oder 14,000 Ctr. S. Allg. geogr. Ephem.
Bd. 35. S. 202.
«) Im Durchschnitt jährlich 202,637 Pud oder 81, 062^ Ctr. S. Götting. gel. Anz. i8i2. S. 124.
Es \vird am meisten im uralischcii , allaischen und olonezischen Gebirge zu Tage gefördert.
Die Krone hat den Zehnten von allem Garkupfer der Pri\ algewerke , sodann noch den Vor-
iheil , dass letztere die Hälfte der Kupferausbeute an die Krone abliefern müssen , und zwar
II. ürproduction. §. 71, Unedle Metalle: Eisen. i43
das Pud Garkupfer für 7 Rubel, ob es gleich auf dem Markte 2o — 25 Rubel gilt. S. i>.fVich-
mann a. a. O. S. i2o.
/) Zu Anduros.
g) Vorzüglich zu Niebla und hey Plalina unweit Molina, auch in Andalusien , Aragonien , Na-
i>arra und bcy Canigo in Gatalonien. Das Rupfererz , das aufgelöst das Spanischgrün gibt ,
wird bey Cordova gegraben. Im Durchschnitt gewinnt Spanien jährlich 3oo Ctr. Kupfer.
h) Nahmentlich in den Departements der Ober- und Niederpjrenäen, der Oberalpcn, des Rhone
und Ai'tv'ron. Die wichtigsten Kupferwerke sind die von Sainl-Belle und Chessj- muvdlhyon.
i) Nahmentlich in Narnur und Lattich.
h) Nahmentlich in Sacoyen , zu Agorda im Veuctianischen , in IScapel u. s. w.
l) Zu Dei^a und Szendomokos. Das Kupferbergwerk zu Deva liefert allein jährlich über 32oo Ctr.
Kupfer,
m) Zu Jakoben^,
n) Zu Miedziana Göra.
o) Bey Lükkens oder Meldal , Selboc j \ornehnilich aber bey Köraas, dessen Bergwerke seit
Jahrhunderten jährlich 2ooo und einige hundert Schiffspf. Kupfer liefern. S. Monatl. Cor-
respondenz u. s. w. a. a. O. 1810. July. S. 83.
/)) S. Hesperus. i8i5. Nr. 25. S. ig5.
7) Es entsteht durch Ceinent- oder Kupferwasser , welches mittelst der Vitriolsäure aufgelöstes
Kupfer mit sich führt, und in den Bergwerken von den Wänden der Gruben herabtröpfelt,
oder aus der Erde hervorquillt. In dasselbe legt man Eisen, dessen Theile es auflöst, und
dafür Kupfcrtheile ansetzt. .
r") Nahmentlich zu Herrengrund und Schmölnitz , wo das Cement- oder Kupferwasser durch
Maschinen aus den Berghöhlen heraufgepumpt, und in Rinnen mehrere looo Klafter weit
geleitet wird. Man schlägt die Quantität des hier jährlich erzeugten Cementküpfers auf i2
- — i5oo Ctr. an.
§• 71-
2) Eisen.
Das gemeinste, al)cr aiicli nützlicliste aller INIetallc, Aas, Eisen (ferruni), kuninit fast
allentlialben in Europa, und in mehreren Landern dieses Erdtlieils in so reichem .Maas.se
vor, dass sie nicht nur ihren hinlänglichen Bedarf an diesem Metalle haben, sondern
auch viel davon noch ausfuhren können. Das meiste Eisen ^ aber nicht von besonderer
Güte, liefert jetzt Grossbritannien a) ; nächstdem haben den grössten Reichthmn an
diesem Metalle Frankreich h)j Deutschland c)j Russland d)_, Schweden e) imd Nor-
wegen/); sonst aber gibt es auch in Ungern g) _, Siehenbürgeti h) j Galizien /) und
der Bukowina k) _, so wie in Italien l) j Spanien ni) luid den südlichen Provinzen der
Niederlande n) sehr ergiebige Eisenbergwerke. Das Totalquantmn des jährlich in Eu-
ropa zu Tage geförderten Eisens gibt Hr. Hassel zu 15,627,098 Ctr. an. Zu dieser
Ausbeute liefern den stärksten iintheil folgende Staaten :
Grossbritannien . . . 3,654,ooo Ctr. Preussen 465,723 Ctr.
nach Villefosse gar . 5,üoo,ooo — Baiern 56o^ooo —
Fi-ankreicli 2,gig,86g — Spanien 180,000 —
Russland 2,35.5,583 — nach andern iiljer . . 3oO;000 —
Scluveden mit Norwegen i,65o,ooo — Sitrdinien i5o,ooo —
Oesterreich i,ä8o,ooo — Sachsen 80,000 —
l44 II. Urproduction. §. ■ji. Unedle Metalle: Eisen.
Braunschweig .... 62-,25o — Hanover .:.... 4i,356 —
TVüvteinberg .... 60,000 — nach Hock .... 121,828 —
nach Hock nur . . 3o,ooo — Die jSlederlande . . . 27,042 —
Churliesseri 58,ioo — Nassau ...... i5,ooo —
nach fföck .... 96,000 —
Die Eisenpro dnction würde indessen in mehreren der besagten Länder noch grösser
seyn, könnte man überall die Hüttenwerke mit dem nöthigcn Brennmateriale verse-
hen , mid müssten nicht aus Mangel an Holz und Kohlen hier imd da die Schmelzhüt-
len oft durch lange Zeit feyern.
Das beste Eisen liefern Schweden _, Stejermark und Kärnthen ; ausserdem wird
es von vorzüglicher Güte im Siegenscheu j in der Grafschaft Mark oj , auf der Insel
Elba und in Namur und Lüttich gewonnen. — Eigeniliclie Stahlgruben gibt es
wenige pj ; der meiste Stahl wird aus Eisen durch Kunst bereitet. Der feine englische
Stahl wird aus schwedischem oder steyermärkischem, schon von den Röjnern geschiitz-
Icu Eisen (noricus chalybs) ccmentirt.
Das so seltene, erst in den neuern Zeiten entdeckte Eisenchromerz oder Farben-
metall besitzen Frankreich und Oesterreich _, nahmentHch ÄYe^ermrt/Vi: in der Gul-
sen bey Kraubath, wo es bergmännisch gewonnen wird. Entdecker der, für Künste
und Industrie unschätzbaren CA7'o;7i;7i/7je« in diesemLande, ist des Erzherzogs Johann
kaiserliche Hoheit^ der die verborgenen Schätze der Natur so glücklich zu enthüllen
strebet. Dieses rohe Materiale sowohl als die daraus bereiteten Farben sind für Oester-
reich ein llandclsartikel selbst in's Ausland geworden. Vor der Auffindung dieses Far-
benmelalls im Inlande wurde es mit grossen Kosten aus Frankreich bezogen.
Ausserdem verdient hier der, flist in allen reichhakigen Eiscngiubcn vorkommen-
de, magnetische Eisenstein qj eine besondere Erwähnung. Dieses Erz, Ijekannf un-
ter dem einfachen Nahmen Magnet ^ unterscheidet sich von andern Erzen durch die
höchst merkwürdige Eigenschaft, Eisen und eisenhaltige Körper an sich zu ziehen,
und sich, wenn es frey schwebet, mit gewissen Puncten allzeit nach einerley Welt-
Gegend zu kehren. Diese letztere magnetische Eigenschaft gab zu der so wichtigen
Erfindung des Compasses Anlass, der, als treuer Wegweiser der auf dem weilen
Wellmeere runherirrenden Seefahrer, auf die Beförderung der Schifffahrt, des Han-
dels und der Erd- luid Völkerkimde einen migemein grossen Eiafluss hat.
a) Es gewinnt bereits so viel Eisen, dass es das nordische Eisen fast ganz enlbeJiren kann.
Die Erfindung des Gebraucfis der Steinkohlen zur Verfertigung des Eisens, die hohen Prei-
se des russischen und schwedisciien Eisens , in Verbindung der mannigfaltigen , immer all-
gemeiner werdenden , in keinem andern europäischen Lande so weit getriebenen Verwen-
dung dieses Metalls zu Gegenständen, wozu man sonst andere Materialien benutzte (s. §. ii2.),
haben die Eisenproduclion in England ausserordentlich befördert. Die vorzüglichsten Eisen-
bergwerke in ganz England sind in der Nähe \on Ulcerston in Lancashire.
b) Vornehmlich in den Departements .-ir/iVge, Mosel, Meurlke, Ardennen , Jura und Obev-
mariie, in welchem letzteren allein jährlich 24o,i3o Ctr. Stabeisen gewonnen werden, wo-
zu 320,000 Ctr. Roheisen erforderlich sind. S. Ergänzungsbl. z. Allg. L. Z. i8n. Nr. 43.
S. 341 fr. Bey ?:Ionnaj^ einem kleinen Dorfe im Departement Jura, findet man gediegenes
II. Urproductiou. §. yx. ÜQcdle Melalle : Eisen. ijjS
Eisen in ungeheuren Massen. Der sogenannte Montagne de fer ist ein walirer Eisenfels. S.
Goiiiiig. gel. Aiiz. i8oi. S. ioi3 ff.
c) Es erzeugt im Ganzen jährlich ungefähr , wie vorhandene Schätzungen besagen, 2,5oo,ooo
Ctr. , wozu, nebst ilena Harz, folgende Lränder den stärksten Antheil liefern : Baiern 36o,ooo,
Slej-ermark 3i5,ooo, der Harz 220,000, Schlesien 219,070, Böhmen 193,400, Kärnlhen
180,000 und Krain 100,000 Cir.
d) Die sänuntlichen Krön- und Pri^ atbergwerke des russischen Reichs liefern , nach Herr-
nxann, im Durchschnitte jährlich 9,722,776 Pud oder 3,889, iio^l^Ctr. Roheisen, und 5,338,957
Pud oder 2,335,582i Ctr. Stabeisen. S. Gölting. gel. Anz. i8i2. St. i3. S. 124. Das russi-
sche Eisen kommt nur zum Theil aus dem europäischen Russland, grijssten Theils aber aus
Sibirien , und folglich aus Asien.
e) Das seine bedeulendsten Eisengrub;:n bey Daneniora in Upland hat, die jährlich 4O5OOO
Scliiffspfund oder 112,000 Ctr. liefern, und deren Erze von i5 — 70 Procent halten. D.e
jährliche Ausbeute aller schwedischen Eisenminen aber schlägt man zu 1,293,489 Ctr. an
(s. Gölting. gel. Anz. i8i2. St. i3. S. 124), vvo\on über zwey Driuheile ausgeführt wer-
den. In den neuesten Zeiten erlitten jedoch die schwedischen Eisenhandlhierungen , die ih-
re blühendste Periode in den J. 1780— 1800 hatten, durch die bedeutende Erweiterung der
Stabeisenfabrication in England, und durch andere Umstände einen empfindlichen Sloss.
S. Gölting. gel. Anz. 1811. St. 180. S. 1795.
/) Es erzeugt jährlich 60,000 Schiffspfund oder 168,000 Ctr. Eisen , wozu das Eisenwerk bey
Laurt'ig, das reichste in Norwegen, allein 6 — 7000 Schiffspfund nebst 2ooo Schiffsplund
Gusswaaren liefert. S. AUg. geogr. Ephem. Bd. 38. S. 35o.
g) Vornehmlich in der Gömörer Gespanschaft, wo die Eisenerze so häufig sind, das.s das
ganze Königreich damit versehen >verden könnte; ferner in der Zipser , Liplauer, Suhler,
Abauji'arer , Borschvder und Biharer Gespanschaft und im Banal.
h) Wo die wichtigsten Eisenbergwerke zu Hunjad , bey Toroczk,) Sz. Gjövgy , zu J'alza und
Danjalt^a sind.
i) Wo das meiste Eisen im Sirjerkreise erzeugt wird ; dann wird auf Eisen gebaut im Zloi:zo~
wer- und Zolkiewerkreise , dessgleichen im Samborer- und Sundecerkreine.
A) Wo das Eisenwerk zu Jakobeny bekannt ist.
V) Nahmentlich in Saooyen , Piemonl und auf der Insel Sardinien; dann in dem lombardisch-
venetianischen Königreiclie (nahmentlich in den Delegationen Brnsda und Bergamo), in
Neapel (besonders zu Stilo) und auf der Insel Elba, wo die Eisengruben in der Nähe des
Dorfes Rio schon im Alterthuine berühmt waren. Ein Berg , 5oo Fuss hoch und eine italie-
nische Meile lang, findet sich hier, der fast ganz aus Eisen besteht. Hundert Pfund Eisen-
stein enthalten 75 Pfund reines Eisen. Eine dieser Insel besonders eigenthumliche Erschei-
nung ist das krjstallisirle Eisen in verschiedenen Formen.
Hl) Dessen Eisengruben zu Mondragou und Sommorosiro in Biscaya, die ersten im Reiche,
allein jährlich über 3oo,ooo Clr. produciren , und mit den übrigen spanischen Eisenminen
in Asturien , Nafurra und Arngoaien so \ iel Eisen gewinnen, dass davon eine belrächlliche
Menge noch dem Auslande zugeführt wird.
/i) Nahmentlich in Luxemburg , Xainur , Lütlich und Hennegau.
o) Wo so starkes und zähes Eisen gewonnen wird , dass ein vierkantiger Stab desselben , von
der Dicke -'- Zolles, 1702 Pfunde trägt, ohne zu brechen; daher es besonders zu Draht
verarbeitet wird. S. Handbuch einer Statistik der deutschen Bundesstaaten von D. J. D. A.
Hock elc Leipzig, 1821. S. 11g.
/;) Nahmentlich in der Schweiz, in Piemont , im ehemaligen Elsass und in Biscara.
(;)"Die meisten Magnelberge finden sich in Sibirien,, wo der Magnetberg Kalschkanar am Iss
jelzt die kräftigsten Magnete liefert.
19
i4^ U. Urproducliou. 5. 72. Unedle Motaile : Bley. .
§• 72-
3) B 1 e y.
Das ^/e;- (plumbiim), näcLst dem Eisen das nützlichste Metall, dessen wenige
Handwerker entbehren können, ist in Europa ebenfalls hiiulig anzutreffen. Die ergie-
higslen Bleygruhen finden sich in Grossbritannien j besonders in DurhamjJSorthum-
berland uwACumberland; nächstdem in Deutschland ^ vornehmlich auf dem Äa/'s a),
in Kävntlien b)j Böhmen c) _, Sachsen d)j Pi^eussisch-Schlesien e) luid der Provinz
Niederrhein f) ; seist aber kommen :mc\\'n\ Spanien g) _, ungern h) und Frank-
reicht) erhebliche Bleyminen vor. Siebenbürgen k) ^ die Bukowina l) und andere
europäische Länder stehen den besagten in Ansehung der Bleyproduction weit nach.
Knclx Russland cvzevi'^ wenig Bleyj im Durchschnitt jährlich nur 18,181 Ctr. m) ,
und selbst dieses verhältnissmässig ^ringe Resultat ist die Ausbeute des zu JVertschinsk
in Sibirien befindlichen Bergwerkes ; daher jährlich für mehr als 269,000 Rubel Bley
cingelührt wird. Das ganze Quantiun des jährlich in den europäischen Staaten erzeug-
ten Bleyes berechnet Hr. Hassel zu 554, 7g5 Ctr. Dazu tragen bey:
Grossbritannien .... 25o,ooo Ctr. Frankreich l4,3oo Ctr,
Manöver 99/^45 — w^xcXx Villejossevi.Galletti Go,ooo —
Oesterreich 76,306 — Sardinien 4,100 —
Preussen 32,353 — Nassau 3,5oo —
Spanien 3o,ooo — nach Hock 12,000 —
nach Crome 32,ooo — Braunschweig 3,142 —
Sachsen . . 20,000 — Baden 700 —
nach Villefosse .... 10,000 — nach Hock 2,000 —
Russland ...... . . 20,000 — Baiern 600 —
Schweden 049 —
Das reinste Bley aber wird bey Fillach in Kärnthen gewonnen j es wird seiner Rei-
nigkeit wegen scDjst dem englischen vorgezogen.
a) Im J. 1810 licferle der elirwürdige i/ar; 58,536 Ctr. Bley, mit Ausschluss ^on 04,072 Ctr.
Rauü^läite. S. Götting. gel. Anz, i8i2. St. i3. S. i23.
b) Wo das Bleybergvverk zu U/ej-öerg bey Villach , das reichste in IvärnthRii, allem jährlich
28 — 29,000 Ctr. Bley liefert. Die Bleygruhen zu Raibl geben jährlich 8 — 10,000 Ctr. , und
die übrigen kleineren Bleybergwerke \ on TVindischblejberg , am Obir , an der AJiss und bey
Meiselding zusammen ungefähr 4ooo Ctr. Bley. Das Totale der Bleyerzeugung in Kärnthen
beträgt demnach 40 — 45,ooo Ctr. , wovon 5 — 6000 Ctr. auf Glätte \ erarbeitet werden.
c) Es erzeugt jährlich zwischen 6 — 8000 Ctr. Bley.
ti) Im Erzgebirge.
«) Wo um Tarnoivilz und Beulhen so beträclitliche und silberhaltige Lager von Bleyerz vor-
kommen, dass sie eine Gegend von 4 Quadratmeilen einnehmen, und einen Vorrath von
etwa 55,253,552 Ctr. Bleyerz vermuthcn lassen. S. Hück a. a. O. S. 116. Es werden daselbst
jährlich über 7000 Ctr. Bley gewonnen.
J") Wo man auf dem Blej-berge jährlich gegen 8000 Ctr. Bley und 2o,ooo Ctr. Bleyglasur ge-
winnt.
g) Wo in mehreren Landschaften, besonders in Calalonien, die Bleyminen zu Tage ausstehen;
d. i. sie Kcigen sich sogar auf de» Oberfläche der Erde, und bilden gleichsam blaue Tapeten.
II. Urproduclion. §. 75- Unedle Metalle : Zinn. §. -j^. Quecksilber. 147
/j) Die Bleyerzeugung , besonders aus dem niederungrhchen und nagfbanyer Bergdistrlcte be-
trägt jährlich 2o — 24,000 Ctr. ; an Blcyglätte , als Kaufmannsgut, liefert der banaler Berg-
dislrict 2 — 3ooo Clr.
i) Vornehmlich in den Departements Ille-Villaine , Loire, Isere und Oberrhcia; dann in den
Depart. ff^asgau, Ardeche , Nordk'üsten und Pp-renäen.
k) Es erzeugt jährlich 1000— noo Ctr. Bley.
l) Wo zu Kirlibaba ein silberhaltiges Bleybergwerk sich findet, das im J. i8i5 4^1 Ctr. Bley,
471 Ctr. Glätte und 692 Mark Silber geliefert hat.
m) S. Götting. gel. Anz. i8i2. St. i3. S. i25.
§• 73«
4) Zinn.
Dagegen ist das Zinn (stannum) selten, nnd nur wenigen Liindern der Erde von
der Natur geschenkt. Es wird am häufigsten in Ostindien _, Mexico und England a)
gewonnen; nächsldem in Deutschland und Spanien ; dort in Böhmen und Sachsenb),
hier in Galicia und Catalonien. In Portugal hat man die Zinnbergwerke verladen.
In den ü])rigen Ländern Europa's, sellist das an Schätzen von Mineralien so reiche
Ungern nicht ausgenommen, ist dieses Metall Lislicr nicht angctrollcn worden. Nur
in Frankreich j wo bis jetzt kein Zinnbergwerk bclindlich war, soll man, nach öfFeat-
lichen Nachrichten, im J. i3i3 imweit Limoges eine Zinnader entdeckt haben. Es
gibt übrigens sechs Zinnsorten, die in Handel kommen: i) das Zinn aus Malaccn in
Ostindien, das reinste unter allen, besonders die tmter dem Nahmen Kaiin bekannte
Galtung; 2) das Zinn aus Banca ebendaher; .5) das Zinn aus Mexico; 4) das Zinn
aus England ; 5) das Zinn aus Böhmen; endlich 6) das Zijin aus Sachsen.
a) Es war wegen seines Reichthums an Zinn schon den Phöniciern bekannt, und leitet seinen
Nahmen Brilannien von Brit , Insel, und Tain , Zinn, ab. Besonders ist der Zinnbergbau in
Cor/ii+'a^/ix "wichtig, obgleich in neuerer Zeit nicht mehr so beträchtlich als ehedem. Rlan
fordert jährlich , nach Fillefosse , i4,5oo Blocks (ein Gewicht zu 36o Pf.) gemeines Zinn»
und 35oo Blocks feines Zinn, zusammen, nach Ctrn. berechnet, 64,800 Ctr.
b) Die Gruben des böhmisnhen Erzgebirges pflegen jährlich gegen 55oq , die des süchsischen
Erzgebirges gegen 25oo Ctr. zu liefern.
§. 74.
5) Quecksilber.
Das Quecksilber aj (hydrargyrum, mercurius, argentum vivum) , nach dem Pia-
tina und dem Golde der schwerste Körper unter den Metallen, ist noch seltener als
das Zinn. Es koniini nur in wenigen Ländern vor. In Europa findet es sich am liäufig-
sten in Deutschland bj ; näclistdem in Spat den cj; sonst kommt es noch in Portu-
gal dj „ Ungern ej und Siebenbürgen fj vor. Ausser Europa ist es anzutreffen in
China, Japan und Jmerika ; im letzteren Erdlheile jedoch nur in Mexico und Peruj
und zu dem Bediirlnisse des L.indes nicht hinreichend gj ; daher Spanien I)ishcr zum
Behiifo seiner amerikanischen Gold- und Silberiuinen noch europäisches Quecksilber ,
na Limentlich von Almada und Idria einhihren musste. Bekanntlich werden die Gold-
und Silbererze <larch Vereinigung mit Qiiecksilber (ainalgaiua, Anrpiicken) von dan
19*
i48 II. Urproduction. §. 75. UaeJle Jletalle : Kobalt, Arsenik., Zink, Spiessglas.
frenidarllgen Tlicilcn i^escliieJen , und zwar auf eine wohlfeilere, der Gesundheil der
Arheiter minder naohllieiliye Art, als durcla SchmelzAing mit Bley.
ß) Es findot sich entweder gediegen (Jungft rnijuerksilber) , oder ^ crerzt , und im letzten Falle
oft mit Schwefel, da es dann Bergzinnober , Zinnobererz heisst.
h) Nahmentlich \xn Kheinkveise des Königreichs Baiern, und zwar bey Rockenhausen , Lauter-
ecken, ff^olfstein und Kirchheini; daim hey Kappet in Kärnthen , 'wo seit 1810 ein reiches
Zinnoberbergwerk eröffnet ist, dessen Erz 10 — 12 Pfund (>ue(ksilber im Cemner hält; aber
mehr als irgendwo , bey Idiia in Rrain , obgleich jetzt weniger als in vergangenen Zeilen.
Es werden jährlich gegen 5, 000 Ctr. erzeugt , da sonst, besonders aus Veranlassung der
Bornischen Amalgan\alions - Erfindung oder Verbesserung, ausser i8oo Ctr. Zinnober, i2 —
16,000 Ctr. Quecksilber erbeutet wurden. S. J. J. Ferhers. Nachricht vom Anquicken der
gold- und silberhaltigen Erze u. s. w. Berlin, 1787. 8. Ein im J. i8o3 zu Idria ausgebro-
rhener unterirdischer Brand setzte den Ertrag der Quecksilbererzeugung (doch nur auf kurze
Zeit) auf 36oo Ctr. herab. S. Allg. geogr. Ephem. i8o5. May. S. 140.
c) Nahmentlich zu Ähnada und bey Valencia.
d) Nahmentlich bey Coinca , wo es einige Zeit ohne Kosten-Erfolg gewonnen ward; jetzt ist
das Bergwerk verlassen.
«;) Bey Nieder-Szlana , Älsö-Sajo und Rosenau in der Gömörer Gespanschaft.
/) Bey Szalathaa,
g) Mexico allein verbraucht, nach Hrn. i>. Humboldt , jährlich iG,ooo Ctr. Quecksilber, und
alle Bergwerke in den spanischen Colonien in Amerika zusammengenommen 25, 000 Ctr. Es
ist also für den spanischen Berghau äusserst wichtig. Wenn durch Krieg oder andere Um-
stünde die Zufuhr aus Europa für ein oder mehrere Jahre gehemmt, oder der Preis des
Quecksilbers gar zu hoch gesteigert wird : so ist sogleich der Ertrag der Bergwerke in Stockung.
§• l'o-
Fortsetzung.
Von den nützlichsten der libjigen luiedlcn Melalle wird 6) der Kobalt (cohaXlnm)
am hünfigsten in Deutschland, vornehmlich in Sucitsen und Bolivien gewonnen, dort
jährlich liegen 8200, hier 8000 Ctr. aj ; nüchstdem in Ungern^ besonders bey Top-
schau in der Göniöreri^cspanschaft; sonst aber auch in Schweden^ England _, Fntnk-
reich xmd Spanien _, in welchem letzteren Lande er, so wie in Sachsen , von vorziig-
licher Güte ist. Man benutzt ihn hauptsächlich zur Bereitung der Sinalte j oder blauen
Glasfarbe, die znr Porcellanglasur, zur Glas- und Eniailnialerey , zum Seifen der fei-
nen Wäsche, wo sie insbesondere blaue Stärke heisst, u. s. w. dienet.
•j^Tier yirsenik (arsenicum) ist meistens mil^'chwefel mineralisirl, und erhält dann
entweder eine gelbe oder eine rölhliche Farbe 5 im erstem Falle gibt er dasOperment oder
Auripigment, im letzteriMi das Ransc/igelb oder Realgai: Das reine Metall hat eine bläu-
lich weisseFarbe. Man])flegl in den Bergwerken nicht sowohl absichtlich auf Arsenik zu
bauen , als vielmehr dessen Gewinnitng gelegentlich bey dem Rösten der Kobalt- luid
Zinnerze zu betreiben, wo er als ein dicker Dampf davon geht, den man nur auffangen
darf, wenn man Arsenik haben will. Sachsen und Preussisch-ScJdesien liefern ihn
in grosser Menge; sonst wird er auch in Böhmen ^ Salx-bnrg j Baier/i und einigen an-
dern deutschen Ländern; dann in Ungern j Siebenbürgen _, GrossbrUannien, Frank-
j-eich und Spanien gewonnen. Er wird bey chemischen Arbeiten, in verschiedenen
II. Urptoduction. ^. y6. Bergöhl , Schwefel und Bergpech. l4g
Fal)riken , in den Fäiljercyen u. s. w. gebrauclilj auch als Arzencynüllcl zur Vertrei-
bung des Wcclisclfic])ers, wider Krebsschaden u. s. w. empfohlen, ob er gleich das
stärkste mineralische Gift, die verdächtigste, gcfahrvoUcste Substanz ist, die Europa's
Ärzte in medicinisclien Gebrauch ziehen können.
8) Der Zitik (zincuni) wird nicht bloss vererzt, als Blende j sondern aucli in Ge-
stalt des Gaimej's gewonnen , welche beyde Zinkerze zur Bereitung des Messings gc-
])rauclit werden. Sie werden erzeugt in Ungern, Siebenbürgen j Crossbriliinnien
wnil Fiankreich j aber mehr als irgendwo \n Deutscltland b) und in den südlichen
Provinzen des Königreichs der JSiederlande c). Im Handel kommt der Zink auch un-
ter dem Nahmen Spiaater und Tiitenago oder Tutanego vor; besonders hat der ost-
indische diesen Nahmen.
Endlich g) Spiessglus (antimonium) , welcher hauptsächlich zur Erzeugung weis-
ser Compositionswaaren dient, gewinnt man in Grossbritannien j Siebenbürgen ^
Böhmen^ der preussisclien Provinz Saclisen und anderen deutschen Ländern, be-
sonders häufig aber in Ungern j nächsldciu in Frankreich ; dort jähriich gegen 35uü
— 4000 Ctr. , hier 120,000 Kilogramme (a 2 Pf. 5 Quentchen 4g Gran). Übeniaupt aber
gibt es in dem ganzen Inbegriffe der etlichen zwanzig bisher m der Natur gezählten
Metalle (worunter jedoch manches bloss eine mineralogische Seltenheit ist) keines,
das nicht im Schoosse der europäischen Erde mit gefunden würde , selbst Platina
nicht ausgenommen, das in Spaniens Gebirgen vorhanden ist, ohne-dass man es bis-
her daselbst aufgesucht hatte. — Russland besitzt wohl die in diesem Paragraphc
unter 6) bis q) aufgezählten Metalle, auch Quecksilber; aber bloss in den nertscldns-
kischen imd altaischen Minen; auch hat man sie, wo sie sich bisher fanden, entweder
noch gar nicht oder doch so sparsam benutzt, dass die meisten dieser Productc jähr-
lich noch auswärts zugekauft worden sind.
a) Ausserdem in Slejennark , Salzburg , Baiern, Baden, Churhessen , Preussisch-Schlesien und
andern deutschen Ländern; im Ganzen dürfte Deulscliland 18 — 19,000 Ctr. Kobalt erzeugen.
6) Vornehmlich bey Aachen in der Provinz Niederrhein und bey Brilon in der Pro\inz West-
phalen , dann am Königsberg und zu Blejherg in Rärntlien ; zu Rochlilz , bey Kommothau ,
Raliborschilz und J-Vildschilz in Böhmen; ausserdem aber auch am Harz-, bey Tarnoit-itz in
Preussisch-Schlesien , in Slejermarlc , Tyrol , Salzburg, Baiern und andern deutschen Ländern.
Überhaupt schlägt man die jährliche Galmeyproduction der deutschen Bundesstaaten auf
82,800 Ctr. an, >vovon Schweden aliein mehrere Schiffsladungen über Sleuin erhält,
c) Wo jährlich gegen i5,ooo Ctr. Galmey ge>vonnen werden.
b) Erdharze oder brennbare 31 i n e r a 1 i e n..
S- 76-
1) Bergöhl, Schwefel und Bergpech.
Das Berg- oder Steinohl (petroleum) quillt gewöhnlich zugleich mit Wasser aus
den Klüften der Berge und zwischen Steinritzen hervor. Es findet sich in Spanien _,
FrankreicJij Deutschland j Ungern ^ Siebenbürgen ^ GalizieUj Russland und Schwe-
den. Das reinste mid kostbarste ist die kaukasische AaphtUj die auf dem Kaukasus
i5o II. ürproduclion. §. 77. Torf, Stein-, Canael- und Braunkohlen.
in zwey Grotten gesammelt und mit Silber aufgewogen wird. Die in Frankreich j Ita-
lien und Deutschland vorkommende Naphta ist von geringerer Sorte.
Der Schwefel (sulphur) findet sich ilicils gediegen, tlieils vcrerzt. Der gediegene
(Jungfernschwefel) wird häufig in der Nachbarschaft der Vulcane und in wannen Bä-
dern ei'zeugt; indessen wird er doch nicht in der Menge angetroffen, dass er zn den
nöthigen Bedürfnissen hinreichte; vielmehr wird der meiste verkäufliche Schwefel
aus der Menge schwefelhaltiger Erze mid Kiese geschieden. In der dänischen Mo-
narchie ist dieses Erdharz das Hautproduct des Mineralreichs; vornehmlich gibt es auf
Jsliind ganze Schwefelbergc, d. i. grosse, machtige Lager von Tlion , der von Schwe-
fel durchdrungen und mit einer gelben Schwefelkruste überzogen ist. Ausserdem sind
an diesem brennbaren Mineral besonders reich: Neapel j wo die Solfatara an Scliwe-
lel unerschöpflich ist; Sicilien , wo es sogar Salzseen gibt; Ungern und Croatien j
wo bloss das Schwefelbergwerk zu Radoboi in der Warasdinergespanschaft so viel
Scliwefel erzeugt, dass fast ganz Osterreich damit versehen werden könnte; Galizien^
wo besonders bey Skia der Schwefel in solcher Menge vorhanden ist, dass man jähr-
lich an 10,000 Clr. erzeugen könnte; Deutschland j vornehmlich Stejerniarkj Salz-
burgs Böhmen j, Mähren j, Schlesien j Sachsen j, Hanover und andere deutsche Län-
der; endUch Russland und Spanien ^ besonders Arngonien ^ Sevilla luid Murcia.
Bergpech (bitunien) wird in F?'ankreich _, Deutschland _, Galizien _, Ungern j,
Dalinatienj auf der Lisel Zante\x\\A in anderen Gegenden Europa's gewonnen, und
zu mancherley Zwecken imd Gewerben, im Grossen aber vorzüglich zum Kalfatern
der Schiffe benutzt.
§• 77-
2) Torf, Stein-, C a n n e 1- un d B r a un k o h 1 e n.
Der Zbr'/' (turfa) ist nicht nur als Feucrimgsmitlel in holzarmen Ländern ein wich-
tiges und schätzbares Naturproduct, sondern auch als Baumaterial , als welches er hier
und da sowohl bey dem Land- als Wasserbaue benutzt wird aj. Er findet sich in den
meisten Ländern Europa's , und mehrere derselben sind reichlich damit versehen ; den
grössten Reichthum an Torflagern aber haben die nördlichen Provinzen der Nieder-
lande, vornehnilicli Groningen , Friesland und Holland bj; nächstdem Deutsch-
land _, insonderheit in seiner nördlichen Hälfte cj; dann Ost- und W estpreussen j
Dänemark j Grossbritannien und Irland ^ Russland ^ Galizien und Ungern ^ vor-
züglich das fette Banat. Aber nur in wenigen Ländern wird dieses Erzharz durch An-
legung regelmässiger Torfgräberey gewonnen; in den meisten stehen der Torfculltir
noch Vorurlheile entgegen , und man benutzt dieses Holzsurrogal noch nicht in dem
Grade, als man könnte und sollte.
Noch wichtiger sind ^\c Steinkohlen (lithanirax, carbo fossilis). Sie sind von ver-
schiedener Güte, überhaupt aber sind sie einem Lande, welches keinen Liberlkiss,
oder gar Mangel an Holze hat, eine grosse Wohlthat. Sie werden in den meisten Län-
dern Europa's angetroffen, aber noch nicht allenthalben bergmännisch gewonnen, ob
sie gleich, wie der Torf, verdienten, allgemeiner und sorgfälliger aufgesucht und be-
uutzt zu werden, und zwar um so mehr, tla hierdiu'ch in manchen Ländern die Mög-
II. Ürproduction. §. 77. Torf, Stein-, Caancl- uuJ Braunkolilea, l5l
lichkcit könnte begiiindet werden, Gewerbsanstaltcn ohne Holzvcrhiaufli anzulegen,
an denen es in denselben noch sehr gebricht d). Unter allen euro|>äischen Landern
hat keines einen grösseren Überfluss an diesem Brennstoffe, als Gvossbrltaiinlen j in-
sonderheit England ^ das die Steinkohlen mit Recht als die Hauptquellc seines Na-
lionalreiidithumes betrachten kann ej. Ausserdem werden sie besonders häufig in
Frankreich fj und Deutschlund gj gewonnen; sonst aber gibt es auch in Ungern IiJ
und in den sudlichen Provinzen der Niederlande ij reiche Steinkohlenbergwerke.
Die Cannelkolde oder der Gagat (gagates) findet sich oll in der Nachbarschaft
dei' Steinkohlen, besonders der englischen. Kr lasst sich polircn vuid zu allerley Kunst-
sachen verarbeiten. Auch dienet er zu Firnissen, und das bey der Destillation desselben
gich entbindende, inflammable Gas zur Erleuchtung, mid zwar bey weitem besser kj,
als das inflannnable Gas , welches durch die Destillation der Steinkohlen gewon-
nen wird.
Jirauiikohlen werden in Deutschland, nahmenilich in Böhmen j Brandenburg ^
PreussischSac/isen j Churhessen und andern deutschen Landern gewonnen und theils
zur Vprbesserung der Felder IJ, theils ziu- Feuerung mj Itenutzt.
a) Als: in Holland, Groningen , Jälland , Sc/iollland , in dem Herzogthume Bremen u. s. w.
S. Betrachtungen und Aufsclilüsse über den Torf als Dauniaterial , und geschichllicher Nach-
>vcis über dessen bisherige Anwendung bey dem Land- und Wasserbau. \ onJ . Chr. Eiselcn c\c.
Berlin, 1816. 8. Vergl. Gölting. gel. Anz. 1816. St. igi. S. 1898.
b) Man gewinnt daselbst jährlich Ö Mill. Tonnen Schlamm-Torf , und 4 Mill. Tonnen tro-
ckenen oder grauen Torf ; gleichwohl ist diese Torferzeugung , deren Werth man auf
5,1)00, 000 fl. anschlägt, für das ßedürfniss des Landes nicht hinreichend, und man muss
noch Steinkohlen und Brennholz in grosser Menge vom Ausländer h(>lilen.
c) Nahmentlich in Holstein, Lauenburg, Oldenburg, MeckUnburg , Hanoi'cr, und in den preus-
sischen Provinzen l-P estphalea , Pommern, Saclisen und Brandenburg , wo zu Linum die wich-
tigste Torfgräbcrey in der ganzen preussischen Monarrhie ist; aber auch Sclilesien , Öster-
reich unter der Enns j Sl^jermarlc , Kärnl/ien , Satzburg und andere Gegenden Deutschlands
haben viel Torf.
d) Wie z. B. in Dalniaiien }i.a\köü'n , Ziegel- und Töpferiifen u, s. w. , so, dass alle derglei-
chen Waaren , wie Ziegel , Töpfe u. s. w. aus Italien gebracht werden müssen. S. Vatcrl.
Blatt, für den österr. Kaiscrstaat. 1818. JNr. 27. S. 107.
e) Die reichsten Sleinkohlengruben sind in INorthumberland bey Neiicastle und in Gumberland
bey Pf^hitehai'en. Die Gralschaiten Durhani, Yorlc , Lancasler , SluJJord , Slirop , Derbj- ,
Rollingham , Leicester, Somnierset und G loucester h&hen ebenfalls beträchtliche Steinkohlen-
bergwerke , und noch immer entdeckt man mehr von diesem unterirdischen Schatze. Im
Ganzen beträgt das Resultat der Steinkohlen-Produclion in England, Schottland und Irland,
nach T'illejosse , i5o,ooo,ooo Cir. London allein \erbrauchte imJ. 1814 1,207,744 Chaklrons
oder 43,478,892 Scheffel (1 Chaldron zu 36 Scheffel) Steinkohlen. Daraus lässt sich auf die
ungeheure Goiisumtion dieses Brennstoffes im ganzen Reiche schlicssen. Der häusliche Be-
darf davon ist schon gross genug; aber er steht in keinem Verhältnisse mit den Rohlenlasli 11,
welche jährlich von den Fabriken, Wasserkünsten und allenden vielen Anstalten verschhui-
gcn werden, in denen Dampfmaschinen errichtet sind. Dazu kommen nun noch zwey neue
Schlünde: die Gaserleuditung und die durch Wasserdampf fortgetriebenen ReiseschiJJe , wel-
che allem Ansehen nach den jährlichen Rohlcnbedarf bald ^ erdoppeln dürften. Schon im
J. 1772 waren über 4goo Schiffe allein mit dem Verführen der Kohlen in England beschäf-
J2 II. UriiroJuction. §. n-j. Torf, Sieiu-, Caunel- uud Braunkolileu.
tigt , 3585 trieben den Rüstenliandel , und 363 brachten Kohlen nach dem Auslände. Durch
Erleichterung des Transportes auf den zahlreichen Canälen und Flüssen, von einer der in-
neren Gegendon des Landes nach der andern, ist der Gebrauch der Steinkohlen in Gross-
brilannien allgemein , und nur der vollständigen Benutzung derselben verdanken die Britten
die Möglichkeit des Betriebes ihrer Bergwerke und Fabriken , und mit denselben die Aus-
dehnung ihres Handels und ihren Reichthum.
y ; Es erzeugte im J. 1810 in den, an Steinkohlen reichsten Departements, deren in den Er-
ganzungsblättern z. H. A. L. Z. 1810. Nr. 65. S. 5i6 ff. 18 aufgezählt sind, 81,700,000 Ctr.
Gegenwärtig ist diese Produclion natürlich geringer, da in der Folge die mit Steinkohlen
reichlich \ ersehenen Departements du Mont Tonerre, de Jemappe und de TOurthe an
Deutschland und die Niederlande sind abgetreten worden. Gleichwohl besilzt Frankreich
noch jetzt 260 Steinkohlenminen , die über i2,ooo Werkleute beschäftigen; doch wurden
im J. 1817 noch für 9 Mill. Fr. Steinkohlen eingeführt.
^') Der ganze jährliche Ertrag der deutschen Steinkohlengruben wird auf 20,000,000 Ctr. ange-
schlagen, an welcher Gesammtausbeute Sleyerinark , Oslerreicli ob und unter der Eniis , Bnh-
tnen , Mähren, Schlesien, I-f^esiphalen , Niederrhein , Clci'c-Berg , Preussisch-Sachsen und das
Königreich Sachsen den stärksten Antheil nehmen. — In der österreichischen Monarchie be-
nutzt man die Steinkohlen am meisten in Böhmen. Man sucht in diesem industriösen Lande
mit Fleiss und Aufwand Steinkohlendölze auf, und wo diese bereits entdeckt worden sind ,
werden überall Steingut- und Porcollanlabriken, Vitriol- und selbst Glashütten errichtet,
deren einziger Feuerungssloff die Steinkohlen und ganz allein darauf berechnet ist. Ein Bey-
spiel liefert der Ellntogner- und Pilsnerkreis. — Die Steinkohlen ^on liossiiz in Mähren wur-
den von dem k. k. polytechnischen Institute in Wien in der Wiener Zeitung, als die zur
Gasbeleuchtung (welche neue Beleuchtungsart in der österreichischen Monarchie zuerst in
fJ^ien , dann in Brunn zu Stande kam) vorzüglichsten anempfohlen. Im Frühjahre 1818 ward
auch der zu Salfore , auf der Küste Istriens , neu erbaute Leuchtthurm mit einem Stein-
kohlen-Gasbeleuchtungs-Apparate versehen , dessen helles Licht den Schiffern in dunkeln
Nächten zum Wegweiser dienet. S. PrechtVs Anleitung zur zweckmässlgsten Einrichtung der
Apparate zur Beleuchtung mit Steinkohlengas. Mit zwey Kupfert. Wien, 1817. — Über-
sicht der Steinkohlenbildungen in der österr. Monarchie und der gegenwärtigen Benutzung
derselben ; von Fr. Riepl etc. ; im 2. Bande der Jahrbücher des k. k. polytechnischen Insti-
tutes in Wien. S. 1 — 106.
//) Wo das reichste Steinkolilenwerk (im J. 1806 mit einem Ertrage \ on ungefähr .5oo, 000 Ctr.)
zu TVandorf bey Ödenburg vorkonmit.
i'} Nahmenilich in den Pro\inzen Lütiich , Hennegau und Namur, nach Crome , mit einem
jährlichen Ertrage von einigen 5o,ooo Ctrn. Nach Galletli aber liefert LüUich allein täglich
1 Mill. Pf. Steinkohlen.
A) S. Götting. gel. Anz. 1812. S. 68.
t) So werden z. B. im Saatzerkreise in Böhmen jährlich an g5,2oo Ctr. Braunkohlen im Freyen
zu Asche gebraiHit, und so an die Landleute zur Verbesserung der Felder verkauft.
iti) So ijt in Preussisch-Sachsen zu und um Merseburg die Braunkohle bey allen Heitzungen
bis auf die Backöfen die bey weitem gemeinste Feuerung geworden , selbst auf dem Ileerde
zum Kochen der Speisen , den Brauereyen und Branntweinbrennereyen. Auch in Halle an
der Saale heitzcn die Bäcker ihre Backofen mit Braunkohle , wodurch an Kosten jährlich
über 9000 Rlhlr. gegen die Holzfeuerung erspart \vird. S. Jen. A. L. Z. i8ii. Nr. i85. Bey
J^re^-enKa/f/ü in Brandenburg wird ein Braunkohlenbergwerk bearijcilet, und die daselbst
gewonnenen Braunkohlen als l^renjiniateriai zur Alaunbereilung benutzt.
II. ürproduction. §. 78 Bernstoiu u. Graphit. §. 79. Edelsteine u. Halbedelsteine. l53
§. 78.
3) Bernstein und Graphit.
Bernstein oder Jgtste'in (succiniim, s. ])luiincn clcctriim), ein f;;ell)lichtcs Erd-
harz, das politiirfäliig ist und diirclt Reiben clectrisch wird, findet sich an »der gan-
zen Ostseeküstc aj , von Holstein bis Iiigerinaniilandj, am häufigsten und schönsten
aber an dcv pretissisclien}s.u.sXe , besonders in Ostpreussen und zwar, vor allen andern
Gegenden, von PiiUiti bis Dirsclikein j auch zuweilen in Gruben auf dem festen
Lande, wie z. B. in Deutschland. Er wird zu Kunstsachen, Firnissen, zum Austäfeln
vmd Räuchern bj benutzt. Das stärkste GeWerbe damit ist zu Königsberg ^ Stolpe^
Danzig j Nürnberg und TFieUj wo sich die meisten Benistcindreher und Bernslein-
händlcr befinden.
Graphit oder Rei^sblej (plunil>ago) , welches das Material zu unsern Bleystiften
abgibt, findet sich am feinsten und reinsten in England cj (daher der Vorzug der
englischen Bleystifte)^ ausserdem, jedoch von gröberer Art, in Deutschland dj _, Ita-
lien ej und andern Ländern Europa's. Es macht auch den Häupthestandtheil der be-
rühmten, sogenannten Passauer Schmelzticgel aus.
a) Wo er schon seit 2 — 3ooo Jahren mit Netzen gefischt wird. Bekanntlich hohhen ihn die
Phniiicier und Sidonier aus Europa , und verführten ihn in alle Gegenden der Erde.
b) Besonders in der T'nrkey , in Persien, Japan und China, wohin er aus Europa gebracht wird.
c) Zu Kesivig in der Grafschaft Cumberland. Auf die Ausfuhre des unverarbeiteten Reissbleyes
ist die Todesstrafe gesetzt. Neuerlich wurden zwoy Graphllmincn auch in Schollland, (bcy
Arr und lni>erness) entdeckt.
d) Nahmenliich um Oberzell oder Hafnerzell im Passauischen , bey Schärding im Innviertel ,
bev Hanna und Schönbürhel in der Gegend von 3Iölk ; dann in Mähren und auf der fürst-
lich Schwarzenberg'schen Herrschaft Krumnu in Böhmen , wo er von vorzüglicher Güte ist ;
er gibt dem Hafnerzeller Graphit wenig nach, und wird vornehmlich in der Harthmul/i-
schen Bleystiftfabrik zu Wien benutzt.
e) S. Ergänzungsbl. z. H. A. L. Z. 1811. Nr. 44. S. 347.
c) S t c i n e.
aa) Kieselsteine.
§• 79-
1) Edelsteine und Halbedelsteine.
Die europäischen Edelsteine (gemmac) müssen zwar grössten Theils den orien-
talischen und brasilianisdien nachstehen, sind aber doch aucli schätzbar. Man findet
mit Ausnahme des Dianiaiites aJ (genmia adamas), der mir ein Product des Orients
und Brasiliens bJ ist, alle Arten derselben, nähmlich:
den Rubin (silex gemma rubinus), Avelcher hochroih ist;
— Topas (sil, gem. topasius) , welcher citronengelh , auch weissgelb oder hräunhch
(Raiichtopass) ist;
— Saphir (sil. gem. saphyrus) , welcher hmnnclblau ist;
«54 II. Urproduction. §. 7g. Edelsteine und Halbedelsteine.
den Edelopal (sll. gem. opalus) , welcher milcliblau ist, aber nach Verschiedenheit
der Laf,'e yegen das Licht in's Gelbe, Grüne, Rothe und Blaue spielt j
— ClujsoUth {9,'i\. gem. chtysolithus) , welcher zeisiggrün oder goldgrün ist;
— i>inaragd (sil. gem. smaragdus) , welcher von grasgrüner dunkler Farbe ist;
— Aquamarin oder Beryll (sil. gem. bcryllus) von meergrüner Farbe, welche in's
Wasserblaue spielt ;
— Granat (sil. gem. granatus) , welcher dunkclroth ist;
— ijj acinth (sil. gem. hyacinthus) , welcher rothgelb ist;
— Ametitjst (sil. quarzum amcthystns), welcher violet ist.
Lntor den Haibedehtt4ne.il (lapides pretiosi) sind die vorzüglichsten:
der Aclial [sW. achates), von verschiedöner Farbe undDiichsichtigkeit, nach Verhält-
niss der Steinarten, woraus er znsamniongosctzt ist ;
— gemeine Opal (sil, opalus), von verschiedenen Farben, die er nach Verschieden-
heit der Lage gegen das Licht verändert;
— - Chalcedon (sil. cbalcedonius), von weissgrauer Farbe;
. — Carneol (Saidcr, sil. carneolus), welcher halb durchsichtig, weiss, gelb vmd
ganz roih ist;
— Onyx (sil. onyx), welcher hornartig, von weissgrauer Farbe ist;
— Jaspis (sil. Jaspis), von verschiedener Farbe;
— Piaser (sil. prasius) , v. elcher von lauchgriaier Farbe ist;
— Chi'jsnpras {Go/dpraser ; s\l. chrysoprasins), dessen Glanz in'sGoldnc spielt;
— Berg/if} st{dl (sil. quarzum crystallus), weblier glasartig imd durchsicblig ist.
Ungern j Siebenbürgen imd Deutschland j insonderheit Bidimen und Sacliseii _, sind
diejenigen l^ander in Eiu-opa, welche die meisten und schönsten Edel- luid Halbedel-
steine aufzuweisen haben. Ausserdem ist Schottland j so wie Ihiss/and j vornehmlich
in seinem, asiatischen Anlheilc, reichlich damit versehen, liij^nglandj Irltind _, Por-
tugal j Spanien j Frankreich j Italien und der Schweiz ^ so \»ic in Schweden ^ Aüi--
wegen und Island trifl't man ebenfalls einige Arten an. Bendimte Edelopale liefert
Ungern cj , die schönsten Aniethyste Ungern und Sicbcnbiirgen , die härtesten und
glänzendsten Granaten Böhmen dj , ausgezeichnet harte Topase das sächsische Voigt-
land ej , besonders geschätzte Chrysoprase Schlesien/^, gemeine Opale voii-vorzüg-
liclier Grösse und Schönheit Mähren , berühmte Carneole Schottland , besonders
schöne Achate Island, sehr schöne grüne und rothe Jaspise das lombardisch-veneiia-
nische Königreich, kostbare Berylle Sibirien , endhch voi-treffiiche Bergkrystalle Sie-
benbürgen, Irland, Island und die Schweiz, in welclicm letzteren Lande sie zugleich
von vorzüglicher Grösse sind gj.
a) Obgli'icli die ncuern Chemiker den Diamant für ganz reinen KoliIenslofT halten, und daher
zu den brennbaren Mineralien rechnen: haben wir ihn doch, als den härtesten, durchsich-
tigsten und daher kostbarsten unter allen Edelsteinen, hier seinen gewolmliclKn ersten Platz
in der Reihe der Edelsteine einnehmen lassen.
b) Die schönsten sind die oslindisrhen , vorzüglich die aus Vizapour, Golconrla , Bengalen, Bun-
delknnd und Bonieo ; nächst diesen die birisilidntsc/ten. Diejenigen, ^velche in Siebenbürgen,
Irland und andern europäischen Ländern mit dem INabmen Diamant prangen , sind eigent-
lich bescheidene Bergkrjslalle. Der grösste bisher bekannte Diamant ist aus Brasilien, dem
II. Urprodaction. §. yc). Edelsteiue uud Halbedelsteine. l55
Könige von Portugal und Brasilien gehörig; er soll 1680 Karat, oilor 23^ Loth Cöllnisch
(72 Karat = 1 Lutli) \viegen und 1.556 Mül. Thaler vverth seyn. S. Allg. googr. Jipheiu.
Bd. 24- x8i3. S. io2 ff. Im Durchsrhnilt beträgt das, ^vas der Hof von Lissabon jährlich
an Diamanten geuinnt, 60,000 Karat zu 25 Livrcs, also zusammen i,5oo,ooo Liv. S. Poüt.
Journ. 1811. Nüv. S. g8i. Der grössere Theil wird aus dem Sande der Flüsse geseift. Die
Gewinnung der Diamanten ist vom Hofe verpachtet. Einige tausend Negersclaven , die
ganz nackt gehen müssen , damit sie keinen Diamant auf die Seite schaffen und verbergen
können , sind damit beschäftigt. Aber ungeachtet dieser Vorsicht und Wachsamkeit zahlrei-
cher Aufselier, wissen die Sclaven dennoch Mittel zu finden, Diamanten zu verstecken,
und verkaufen sie nachher um sehr geringe Preise an Schleichhändler gegen Rum und Ta-
bak. Findet einer derselben einen Diamant von 8 — 10 Karat Gewicht, so erhält er eine
prächtige Bekleidung oder sonst eine Vergeltung. Wiegt aber der Diamant 17 Karat oder
darüber, so wird der Finder mit Pomp nach Hause geführt und mit 'der Freyheit belohnt.
Derjenige Theil von Brasilien, der als fruchtbares Diamantenland so sehr bekannt ist, liegt
im Innern dieses Ungeheuern Landes , und erstreckt sich vom 22-7 bis zum 16. Grad südli-
cher Breite. Sein Umkreis beträgt bey 33o deutsche Meilen. Ausser Diamanten findet man
daselbst auch Amelhyslc , Saphire, Topase und andere Edelsteine, die einen jährlichen Er-
trag von i5o,ooo Thaler geben. Aber gerade in den Gegenden Brasiliens, in denen die Na-
tur so reiche Schätze darbietet , befinden sich die ärmsten Bewohner. Keiner darl sich den
Diamantengegenden bey Todesstrafe nähern. Über die Diamantengruben in Brasilien: in den
Allg. geogr. Ephem. Bd. 09. S. 28g — 296. — Die Kunst, Diamanten zu brillantircn , <1. h.
Facetten auf ihnen zu schleifen , hat man vornehmlich in Ämslerdam und London bis zu
einer Vollkommeaheit getrieben , von der man sich eine Vorstellung machen kann, wenn
man weiss, dass man Schleifmühlen hat, auf denen Diamanten von so geringer Grösse ,
dass 2000 auf ein Karat gehen, i5 Facetten erhalten können. Bey der Bestimmung des Wer-
thes der Diamanten kommt seine Klarheit (sein Wasser) und Grösse in Betracht, und da
das noch so geringe Zunehmen der letzteren, den Stein sehr bedeutend im W^erthe erhöht,
so hat man eine Proportion gefunden , um diesen zu beslinimen , indem man seinGewicht
mit sich selbst quadrirt , und diess Quadrat mit dem Werthe von einem Karat (72 Karat
Diamantgewicht gehen auf ein Loth) multiplicirt. Wenn also ein Diamant von einerii K.11 at
8 Louisd"ors kostet : so gilt ein Diamant von 2 Karat schon 32 Louisd'ors. Die merkwürdigste
Eigenschaft der Diamanten ist ihre Härte. Man kann mit Compositionen von Glas die meisten
Edelsteine nachbilden, und diesen Kuns.tproducten selbst einen Glanz geben, welchen nur
ein geübtes Ange von den ächten unterscheidet, aber die Härte lässt sich nicht nachbilden.
c) Wo die reichsten Opalgruben bey dem, zur k. KammeralherrschaftPeA/m gehörigen Dorfe
Czerwenicza sind.
d) Tier Pj-rop ist ein , Böhmen allein eigenthümlicher Granat. S. Andre's Zeitschrift etc. i8og.
St. 2. S. 228.
e) Die Menge derselben hat aber ihren Werth sehr verringert, iO , dass sie auch bey den nie-
drigsten Personen fast gar keinen Absatz finden. Man verkauft sie nach dem Gewichte , das
Pfund von 4 Groschen bis zu i3 Thaler. S. Neue A. D. Bibl. Bd. 100. S. i45.
/) Nahmentlich zu Glüscndorf. Der daselbst gewonnene Chrysopras wird von Juwelirern vor
allen Chrysoprasen sehr geschätzt. S. N. A. D. Bibl. Bd. 102. S. 180 — 183.
g) Man trifft unter den schweizerischen Krystalien centnerschvvere Stücke an , die so klar und
durchsichtig sind , dass man eine dahinter gehaltene gewöhnliche Druckschrift lesen kann.
Unter andern enthielt der Grimselherg ein Krystallgewölbe, worin 1000 Ctr. des schönsten Kry-
stalls, nach P/cot mehr als 5o, 000 Livres an Werth, gefunden wurden. In neuern Zeiten sind je-
doch die Kryslalle in der Schweiz weit seltener, als im vorigen Jahrhunderle, gefunden worden.
iS6 II. ürproiUictiou. §. 80. Unedle Steine. §. 81. Kallsteiae.
§. 80.
2) U n e d 1 e.
Die vorzügliclislen sind: 1) der Kiesel (silex), den man fast allenlhalben, znm
Thcil in mossei' iMcnije, auf dem Felde und an und in den Flüssen iindel. Er dienet
milor andern zum Glasmaclien, zu Cliaussccn und zum Belegen der Landstrassen. Die
feinen durcLsichtigen werden von Sieinsclmeidern gcschlifTen, und zu allerley Galan-
leriewaaren benutzt. — 2) Der Feuerstein (silex pyromachus) , der schon vor Allers
als ein nützliches Werkzeug in der Haushaltung bekannt \\a.r; aber noch allgemeiner
ward sein Gebrauch nach Erfindung der Schiessgewehre und Einfühlung des Tabak-
rauchcus. Er findet sich am häufigsten in Frankreich aj „ Grossbritannien bj ^ in
dem Loiiibardisch-venetianischen Königreiche cj und in Galizien ^J j in webhem
letzteren Lande er zugleich, so wie in Frankreich von vorzüglicher Güte ist; sonst aber
■\\iid er auch in Furtiigal ej j Spanien fj j Deutschland g)j Liitticli und ungern Ji)
angetroffen.
d) Besonders in dem Departement Loire und Chere , wo zu Meusncs ein wichtiger Flinten-
steinhandel getrieben wird; dami in den Departements Jrulre und Seine-Marne. Im Ganzen
Uefert Frankreicfi jährlich zwischen 2o — 3o Mill. St. Flintonsteine.
b) Es hat in den Jahren 1808 — i8i3 nach dem festen Lande, und zwar für Russland, Preus-
sen , Schweden , Spanien, Portugal und das nördliche Deutschland 12,4775740 Stück Feuer-
steine geliefert. S. Osterr. Beob. 1816. Nr. i83.
c) Nahmentlich am Monle-Baldo , wo sehr viele Feuersteine gewonnen, und damit ganz Ita-
lien und die Levante versorget werden.
d) Besonders bey Podgorze und Mariampol. Die daselbst gewonnenen Feuersteine übertreffen
selbst die französischen, da sie härter sind, viel mehr Feuer geben, und mehr aushalten.
Man versieht die ganze österreichische Armee damit.
e) Bey Azinkeyra.
/■) Bey Epila m Aragonien. Man gebraucht hier die Feuersteine häufig zum Bauen.
e) Bey Acio in Tvrol und bey Burglengenfeld in Baiern.
h) In dem karpathischen Gebirgszuge von Eperies bis Tokay.
§. 81.
bb) Kalksteine.
Neben dem gemeinen, fast nirgends gänzlich vermissten Kalksteine (calx vidga-
ris) a) , der gebrannt im Wasser sich auflöst, und in diesem Zustande mit Sand ver-
mischt den Mörtel oder A'ic Mauerspeise gibt, sind die meisten Länder Europa's auch
mit Marmor (marnior, s. calcarens marmor) , und mehrere derselben, vornelindich
Spciwen h) j Italien c) _, Deutschland d) und Ungern j sehr reichlich damit verse-
hen; dabey sind die m Europa varkommenden Marmorarten sehr mannigfaltig e). Man
findet einfarbigen ■weissen und schwarzen, den man am meisten schätzt; daim einfar-
bigen grünen, blauen, rollicn, gelben und grauen; auch opalisirenden Muschehuar-
iri'jr und bimte Marmorarten; letztere am häufigsten y"). Man benutzt den jMarmor
zn allerley Bildhauerarbeiten und Kinistsachcn , zu Gebäuden und Spielkügelchen
fSckosscr), welche auf eigenen Mühlen (Marmormuhlen) in Salzburg ^ Tjrol j, im
II. ürproduction. §. ßi. Kalksteine. i5"r
Badeii sehen j Scicliseii-Coburg-SaalfeLd'schen und Sachsen-Meinungen scJien vcr-
fertigel, und Fuderweise nach den Seestädten verführt werden, wo man sie als Bal-
last nach Indien mitnimmt und dascU'St iheuer verkauft. Doch ist der Handel damit
heuliges Tages nicht mehr so hctiäihtlich , wie in früheren Zeiten. — Die zum
Schreiben, Zeichnen und zu anderm Behufe dienliche Kreide (creta) hat ihren Nah-
men von der Insel Creta (jetzt Candia) , wo sie in grosser Menge und von vorztigli-
cherGiitc gewonnen wird. Sie konmU aber auch in vielen andern liändern vor, beson-
ders in der Nachliarschaft des Meeres, wo sie ganze Vorgebirge bildet, z. B. an den
englischen Küsten, daher der J^ahme ^Ihion (von albus, weiss), welchen England
vor Alters führte. Eben so ist fast der ganze nördliche Theil von Frankreich mit
KreidLegebirgen bedeckt. Auch in Dänemark gibt es lange Ketten von Kreidegebirgen,
so wie in Russland an einigen Orten sich Hiigel erheben, die ganz aus Kreide beste-
hen. Die beste schwarze Kreide kommt aus Italien. — Kalkerde mit Schwefel oder
Vitriolsiiiire verbunden gibt den Cj7'.$'(gYpsiim), der in Europa, besonders m Deutsch-
land g) häufig gefunden , und zu Slucaturarbeiten , zu Abgüssen von Statuen und zur
Verbesserung eines festen thoniglen Bodens benutzt wird. — AVeini der Gyps hart
>md fest ist, und eine Politur annimnu, nennet man ihn Jlabaster (gypsum alabastriun),
dessen Farben eben so mannigfaltig sind , wie die des Marmors. Der weisse wird am
meisten geschätzt. Der oricnialische ist der schönste und kostbarste ; sonst werden auch
in Europa, nahmenilich in Spanien j Frankreich :, Italien j Deutschland und andern
Ländern gute Arten gebrochen. Der russische Alabaster hat jedoch selten die gehöri-
ge Härte für die Bildhauer.
a) RalksteinbriicliL", so wie Steinbrüche überhaupt, sind jedoch ihren EigentliUmern nur dann
nutzbar, wenn sie Geltung haben, oder eine Rente geben; diess ist \orzüglich der Fall in
der Nachbarschaft grosser Städte. So sind z. B. die, in den Bergen hinter Mauer, Kalkiparg
und Radatin in Osterreich unter der Enns befindlichen , mächtigen Kalksteinbrüche für die
vielen da herum wohnenden Kalkbauern, die das baulustige H^ien und die umliegende Ge-
gend mit Kalk versehen, sehr einträglich.
b) Wo man in den verschiedenen Gebirgsgegenden sogar Dörfer antrifft , die ganz aus Mar-
mor gebauel sind.
c) Wo es in dem einzigen Kreise \ on Bcllunn in der Lombardie neun Marniorbrüche gibt.
rf) Bt-^sonders sind Steyetmark , Kärnllien, das Erzherzogthuni Österreich , Sahburg, Tjrol
und Baierii das eigentliche Vaterland des Marmors in Deutschland. Man findet hier nicht
nur alle Nuancen von Farben, sondern auch sehr seltene Sorten.
e) So gibt es z. B. in Baierii, im östlichen Theile des Obermainkreises, an 3oo , und a.ni Si-
cilien gar 4oo Marmorarten.
/) Den schönsten ^veissen Marmor liefern die weitberühmten IMarmorbrüche bey Cavrara in
Italien ; der jährliche Absatz an rohem und verarbeiteten Marmor wird noch jetzt auf
3oo,ooo fl. angeschlagen, obgleich das goldene Zeitaller des Handels mit demselben für Car-
rara verloren ist, theils weil der Reiclithum seit den Re\olutionskriegcn in Italien sich ver-
mindert und der Baugeist der Italiener desshalb abgenommen hat, theils weil man fast in
allen Ländern Europa's Marniorbrüche angelegt hat. S. Allg. geogr. Ephem. Bd. 3o. S. i5i.
Die IiiseLVfo-/'uroiin Dalmatien, dann Kärnthen und Steiermark besitzen ebenfalls so schö-
nen weissen Marmor, dass er oft den italienischen Bianca di Carrara noch übertrifft. In den
neuesten Zeiten ist auch in der Schweiz auf dem Splü^en und in Tyrol unweit Hieran Mar-
lyS H- Urproductiou. §. 82. Talksteiue. §. 83. Tufstein u. auLre vulkanisclie Prodiicte.
mor entdeckt worden, der nicht nur eben so weiss, wie der carrarische, sondern auch
noch härter ist; ingleichen bricht bey Florenz, auf der Insel Faros im Archipel und auf Ä-
cilien ein vorzüglich berühmter Marmor, so wie der schwarze Marmor bey Lilienfeld un-
weit Wien, in Lüllich und Hennegau, und der opalisirende Muschelmarmor zu Blejberg in
Rärnthen, zu den merkwürdigeren Marmorarten in Europa gehören,
g) Bloss bey Heilbronn in Würtemberg mahlen 4 Gypsmühlcn jährlich 100,000 Ctr.
§. 82.
cc) T a 1 k s t e i n e.
Die vorzüglichsten sind: i) der 7'a/A- (lalciim propriivm), der zum Weglningen
der Flecken aus den Kleidern, zur \ erf ertigung der Schminke u. s. w. dienet. Der
meiste und beste kommt aus Fenedig und Russland. — 2) Der Serpentin (Schlan-
genstein, lal. serpenlinus) , der in Europa, nahmen t.lich h\ Schottland , Italien j'iix
der Schweiz j, in Deutschland ^ Ungern und Russland häufig gcfimden, aber im Gan-
zen noch wenig benutzt wird. In Italien wird er zu Werken der schönen Baukunst,
in Deutschlafid aber, wo er am reinsten bey Zöblitz im sachsischen Erzgebirge vor-
kommt, zu Reibschalcn, Mörsern und andern dergleichen Gcfassen und kleinen Waa-
ren verarbeitet. — 3) Der Meerscliaum (tal. lithomarga), ehi weisses oder weissgelb-
hches, fettes und zähes Mineral, welches sich schneiden lässt, und im Fetter und an
der Luft erhärtet. Er wird nicht nur bey Kiltschikor in Katolien _, sondern auch in
Europa , nahmen tlich in Livadien^ nahe bey Thiwa (dem alten Theben) auf dem
Wege nach Negropont, und am Mar di il/«rmo/'rt gegraben ; auch findet er sich in
Mähren und in der Krimm. Er wird in der Tiirkey zu Pfeifeiiköpfcn verarbeitet, die
entweder nach Triest j oder nach Siebenbürgen und Ungern ^ imd von hier weiter
nach Deutschland j vornehmlich nach Wien j versendet werden, wo sie in verschie-
denen Fabriken anders geschnitten und mehr nach der Mode gebildet wexden. Nicht
weit von Constantinopel wird eine Art Thon gewonnen , welchen die Türken Ä7//-
KiJJi j d.i. Schaumthon nennen j undworatis ebenfalls Pfeifenköpfc verfertiget werden.
§. 83.
dd) Tufstein und andere vulcanische Producte.
Unter den vulcanischen Producten ist besonders die Pazzuolanerde statistisch
wichtig. Sic wird in Italien j, bey LugoscJi im Banat und in Deutschland:, vornehm-
lich in der Vroy'im. Niederrliein , gewonnen und benutzt. Mit Wasser vermischt er-
härtet sie allmählich zu einem dicht ])orösen Steine, welcher Tujfa oder Tuff heisst.
Der durch Mahlen davon erhaltene Trass oder Cement j thut, seiner bindenden Ei-
genschaft Avcgen , bey dem ^Vasserliau so vortreffliche Dienste, luid wird daher aus
der Gegend von Andernach imd Tillenborn in der Provinz Niederrhein sehr häufig
auf dem Rheine nach Hollands wo bekannthch kein wasserdichtes Mauervs'erk ge-
macht wird , wozu nicht dieser Cement genonnnen würde, verfiihrl. Der banatische
Trass wurde in den Jahren 1818 und l8ig von der Direction derk. ungrischen pnvi-
legirten Canal- imd Schifffahrtsgescllschaft ziu- Wiederheistellung der verlällenen fünf
i^rossen Schleusen des Franzenscanals mit ürossetn Yortheile verwendet. — iSlit derhar-
II. Urproducticu. §. 84. Sandsleine. §. 85. Granit. §. 66. Thon- und Erdarteu. lag
teil Lm>a wcrdcii in Italien Gassen f^epflaslert; die leichtere Lava oder der oben auf
fliessende Schaum wird, wenn er geronnen ist, zu Gewölben und Dächern gebraucht,
die sich dann eben so sehr dvuch ihre Starke, wie durch ihre Leichtigkeit , auszeich-
nen j man schleift die Lava wie den schönsten Marmor zu Tischen; man macht Dosen
und Schachteln daraus und benutzt sie noch auf verschiedene andere Arten, licy JSie-
dermennig und Majeii in der Provinz Niederrhein wird eine löcherige (poröse) Lava
gebrochen, die vortreffliche INIiihl- und Bausteine liefert. Ein grosserund guter Midil-
stein wird auf der Stelle mit 5o Thaler bezahlt. Man versendet sie zu Land und zu^Vas-
Ser weit und breit. — Die vidcanische Asche, befruchtet den Boden; die schönsten
Früchte wachsen rund um den l^esuv und am Fusse desselben.
ee) Sandsteine.
Nach ihrer verschiedenen Besiinnnung und Bearbeitung, fuhren sie den Nahmen
Mühlsteine j Bausteine ^ Sclileif steine _, Fdtrirsteine u. s. w. Die drey ersteren, zum
ge;ncinen Gelirauche so nöthigen Steinarten liefert fast jedes europäische Land, und
manches erzeugt sie von vorzüglicher Güte. Der Flitrirstein (1. lilirum, lapis mexica-
nus), ein gröberer Sandstein, durch den man Wasser und andere Flüssigkeiten sei-
hen (fihrircji) und sie auf diese Art von ihren Ünreinigkeiten befreyen kann, ist zu-
erst auf den nicjcicanischen Küsten in der See gefunden worden. In Europa ist die-
ser Steiij selten, und nur erst in Deutschland , nahmentlich bey Erfurt in Preussisch-
Saclisen y entdeckt worden. In Holland j wo die reinen Wasserrpiellen mangeln, der-
gestalt, dass man sogar in /inistei-dnin das Kegenw asser auffangen und in Cisternen
aufbehalten muss, bedient man sich dieser Flitrirsteine häulig, um vernüttelsi dersel-
ben, das aufgelängene Wasser von den iusectcn luid anderen ünreinigkeiten zu bcl'rcyen.
§. 85.
ff) Granit.
Di^se Steinart, 'die älteste luiter allen Sicinarlen, ist ein Bestandtheil der höch-
sten Gebirge Europa's ; sie streicht aber auch häufig luiter den Ebenen hin, und lic-
hauptet unter allen Steinarten das unterste Slratmn. Oft lindet man, wie z. B. m Russ-
land j lose Granitstücke in ungeheiuen Klumpen aj , weit von Bergen. Von dieser
schönen und festen Gebirgsart macht man besonders in den grossen Städten, nirgends
aber häufigeren Gebrauch als in St. Petersburg. Er kleidet die Ufer der ]\ewa und
der Canäle, ist ein gang])ares Baumaterial, wird in ungcheiu-er Menge zum Ileerstras-
senbau angewendet, und zu alierlcy öffentlichen Denkmälern benutzt.
a) Das Fussgesiclle des D.nkmals Peters des Grossen besteht aus einer Granitmasse, deren
Lange zur Sielle (In dem Dorfc fuclila, 6 Werste von St. Petersburg) 44 i fl'*" Breite 22,
und die Hohe 27 Fuss betrug, und deren Gewicht auf mehr als 4 Mill. Pfund berechnet ward.
§. 86.
d) Thon- und E r d a r f e n.
Aus den Tlionarten (argilia) werden tlieils vi'elerlev Arten von gemeinen und
schonen Gefässen bereitet, ihcils werden sie zu anderem nützlichen Gebrauche ange-
■ö" II. Urproduction. §. 86. Thou- und Erdarten.
wondcl. Der Lehm (argilla Jimus) wird gebraucht zum Bauen und zu Backsteinen oder
Ziegeln 5 der l^y/erihoii oder Leiten (arg. lessularis s. vulgaris) zu TöpJenvaarenaJ ;
der Pfeif entlion (arg, apyra s. fistularis) nicht nur zu Tahakspfeiien, sondern auch
zu Schmelzliegeln, Fayence und Steingut ;, und der Porcellaiithon (arg. porcellana) , als
die reinste und feinste Thonarl, zu Porcellan. Alle diese vier Thonarten werden in
Europa gewonnen j die beyden.ersteren jedoch in weit grösserer Menge, als die zwey
letzleren. Der beste Pfeifenthon wird in Colin und Lüttich gegraben, woher die
Hoüänder ihn konnnen lassen. Die feinste Porcellanerde ist die sächsische von Jiie
im Erzgebirge, auf deren Ausfidire die Todesstrafe gesetzt ist; sonst al)er wird gute
Porcellanerde auch in der Gegend von Passau bj , bcy i)'(7/i,'- im Baden'schen , bey
Brenditz in Mähren c) , an mehreren Puncten in Böhmen dj und in anderen deut-
schen Gegenden , so wie zu Prinzdorf in der Grosshontergespanschaft in Ungern,
zu Limoges in Frankreich und in andern Ländern gewonnen. — Die Walkererde
(Seifenerde, arg. fullonimi) wird zum Walk.-n der Tücher gebraucht, um die Wolle
von ihrer Fettigkeit zu befreycn. Die Englische hält man für die beste. Man gräbt sie
in den Grafschaften Surrej _, Kent ^ Sussex ^ Bedford und Stafford , auch auf der
schollländischen Insel Skj. Die VortrefTlichkeit der englischen Tücher beruhet mit
auf derselben, daher auch ihre Ausfuhre bey Todesstrafe verbothen ist. In Oester-
reich unter der Enns j, Stejermark „ Böhmen ^ Sachsen und andern deutschen Län-
dern hat man, so wie in Ungern^, Russland und andern Ländern ebenfalls gute ^Vai-
kererde. — Der Bolus (arg. bolus) , von den Siegeln oder Zeichen , die man im Han-
del zuweilen aufdruckt, auch Siegelerde (terra sigillata) genannt, wird theils als
Farbe tmter dcmlSuhnicn Englischroth oder Berlinerroth gebraucht, theils zur feinen
Töpferarbeit und in der Türkey zu Tabakspfeifen, die dort beliebter als die Meer-
schaumpfeifenköpfe sind, benutzt. Er findet sich in verschiedenen deutschen und an-
deren J^ändern; am beridimtesten aber ist diejenige Siegelerde , welche von allen
Zeilen her im Jrchipel j auf der Insel Stalimene j dem alten Lemnos j unter gottes-
dienstlichen Gebräuchen ausgegr.;ben wird. — Der Schiefer (arg. schistus) wird als
TafelscJiiefer am häufigsten zu Tis'chblättern und Rechentafeln, als Dachschiefer zum
Decken der Dächer, insbesondere der Thürnie und Kirchen gebraucht. Er findet sich
\\\ Sachsen und anderen deutschen Ländern, in Ungern j, Ltalien , England j Irlandj
Russland und Schweden ^ vornehmlich aber in der Schweiz,, wo im Plattcnberg bey
Matt im Canton Glarus ein unerschöpflicher Schieferbruch ist j woraus eine Menge
Tischblätter und Schreibtafeln geschnitten werden, die wieder vielen Tischlern, we-
gen A'erfertigung der Rahmen und Kisten zur Versendung, Arbeit geben. Ein Schie-
fergriffelbruch findet sich an der Rötha in dem Herzogthume Sachsen-Meinungen ^
der einzige bekannte Bruch dieser Art, aus welchem alle Griffel zum Schreiben auf
die Schiefertafeln gebrochen, und in alle Gegenden verschickt werden ej.
Aon wichtigen Erdarten für Fabriken und zu anderm Behufc , hat Europa nieh-
rerley Farbenerden. Besonders verdient das Berggrün genannt zu werden , welches
bey JSeusohl in Ungern, bey Schwatz in Tyrol und bey p^erona im lonibardisch-ve-
netianischen Königreiche gewonnen wird. Das letztere ist unter dem Nahmei> Verone-
sergriin allgemein bekannt. — Die unter dem Nahmen cölUdsche Erde bekannte
II. Urproduclion. i^, ^7. Koclisn!?.. 161
Erde, von einer danklon Olivenfarbe, wird in der (iegcnd von Frechen , zvvcy Stun-
den von Colin j gcj^niben, und in grosser Menge nach Holland versendet, wo sie als
eine Zuthat zum Rape' kommen soll, so wie die sehrye?t«e rothe j zu Almagro oder
Almazarron bey Carthagena in Spanien gegrabene, Erde zur Mischung unter den
spanischen Schnupftabak (Spaniol), und zum Poliren der Spiegelglaser gebraucht wird.
a) Bey Aiidujar in der spanischen Landschaft Jaen. , wird eine, unter dorn Nahmen Barro be-
kannte, weisse Tlionart gegraben, aus welcher man , mit Salz vermischt, die sehr dünnen
Töpfe Bucaros verfertigt, welche die besondere Eigenschaft haben, dass sie das Wasser ab-
kühlen und sehr frisch erhalten, wenn man sie in denheissesten Sommertagen in den Schat-
ten oder in die Zugluft stellt oder hangt.
b} Mit der Passauer Porcellanerde werden, nebst den Porcellanfabriken in TVlen und Nym-
phe nb ur g , auch jene von Höchst, Ludwigsburg und Bruck'jerg im Anspachlschen versehen.
Es seilen von dieser Erde jährlich 800 bis 1000 Truhen (Ladung auf zwey Pferde, beyläu-
lig 14 Ctr.) gegraben werden. Der Wiener Porcellanfabrik kommt das Fass von 3 Ctr. , mit
Mauth und Fracht bis Wien, auf 6 fl. C. M. zu stehen. Seit 1800 wendet diese Fabrik die,
durch die Fayancefabrik in Holiisck , unter dem Nahmen der Rötzererde bekarmt gewordene
Porcellanerde von Brenditz in Mähren, als Zusatz zu ihrer Masse, mit so gutem Erfolge an,
dass sie im Falle der Nolh die Passauererde ganz entbehren könnte. S. Jahrbücher des k. k.
polytechnischen Instituts in Wien. Bd. 1. S. 292.
c) Die Brenditzer Porcellanerde zeichnet sich durch ihre vorzügliche Reinheit und weisse
Farbe aus.
d) Der gelehrte Geognost Mohs hat während seiner, auf Veranlassung der österreichischen Re-
gierung im J. 1810 ^orgenom^lenen Bereisung von Böhmen , das Vorkommen von Porcel-
lanerde an 2i Puncten des Ellnbogner- und Saatzerkreises beobachtet, von denen die Porcel-
lanerde von Zedlilz im Ellnbognerkreise, und die \on Kaadea im Saatzerkreise wegen ihrer
Güte besonders genannt zu werden verdienen. Überdiess kommt Porcellanerde im £a«sZaaer-j
Kaurziiner- und Klaltauerkreise vor,
e)S. H. A. L. Z. i8i3. 173. S. 545.
e) Salze.
§• 87.
1) Roch salz.
Das rmter allen Salzen unentbehrlichste, und daher durch die Weisheit und Güte
des Schöpfers auch am weitesten in der Natur verbreitete, ist das Koch- oder Ku-
chensalz (sal commune s. cibarium).
Es findet sich entweder im Meer- und Landscewasscr aufgelöst (Meer-, Boy-
oder Baysalz und Landseesalz), oder fest in grossen iNLissen unter der Erde und in
grossen Bergen oder Salzstöcken (Berg- oder Steinsalz), oder auch aufgelöst in Quellen
(Quell- , Brunnen- oder Soolensalz). Das erste gewinnt man an den Ufern des Meeres,
durch flache im Boden gemachte Behälter, worein man das Meerwasser leitet, und
wo dieses durch Luft und Sonne verdunstet , das Salz aber zurückbleibt. Auf diese
Art wird es gewonnen in Grossbritannienj Portugal a) , Spanien b)j Frankreich c),
Italien d) j auf den jonisclten Inseln e) , in Istrien f) und Dalmatien g). Li Hol-
land h) , Frankj-eich i) , Schweden k) luid JSorwegen /) wird auch Salz aus dem
Seewasser durch Sieden erzeugt. Das auf die erste Art gewonnene Meersalz ist gc-
2l
i62 I!. UiiiroiUictioii. §. 88. Kochsali, Fortsetzung,
wölinlk-li f^raii fsel grisj und sehr scharf; daher es am l)estcii zum Einpöckehi, vor-
nehmlich der Seefische dienet. In den holländischen Soesalzraffinerien zu riaaiienij
Lejdeiij Alkmaav und Haavlingen wird französisches und spauisclies iMeersalz von
den, ihm anklehenden erdigen Theilen gereiniget, wodurch das Salz in der Eigen-
schaft, das Fleisch zu erhalten, das gewöhnliche Salz üheririiri. — In den Salzseen,
wovon es besonders im südlichen Russland mehrere giht iii) , setzt sich das, wiewohl
niclit ganz reine Salz, auf der Oberfläche derselben von selbst an, so, dass es nur
weggenommen werden darf.
a) Vornelimlich bey Seliwal oder St. Ubcs in der Provinz Eslremadura.
6) Hauptsäclilicli zu Torra de las Salinas diia Mala in der Landschaft Valencia , und bey
Puerto Real nahe bey Cadix in der Landschaft Sevilla.
c) Theils an der mittägigen Küste, hauptsächlich bey Fecais , tbeils und zwar am meisten an
der nördlichen Küste: sei gvis bey Brouage , Mdran , hie de Re , in der J3ay von Bourneiij ,
Guerande und Croisil ; sei blatte hin und wieder auf der Küste von der Normandie.
d) Als im l'enelianiscliea zu Sl. Maura und Chioggia , im Genuesischen , in Toscana , bey Ca-
stigUone und auf der Insel Elba , im Kirchenstaate bey Rimini und Cerria , und an den Kü-
sten von Apulien , Sicilien und Sardinien. An Siciliens Küsten tritt das Meer an einigen Stel-
len aus und bildet salzveiche Seen, in welchen sich das Salz in solcher Menge zu Boden
setzt, dass die Ladung Salz eines Maulesels dort nur 5 kr. kostet.
e) Wo die Insel Sl. Maura jährlich j2o,ooo Ctr. Seesalz ausführt.
/) Hauptsächlich bcj Pirano , wo jährlich an 5o,ooo Metzen Seesalz erzeugt werden.
g) Als zu Arbe , vornehmlich aber zu Pago j wo die Salinen jährlich 6q,ooo Metzen geben. Zu
J egUa , Sebeniko , Nona , Ribnik und an andern Orten findet man nur noch Spuren ehema-
liger Salinen , welche die Venelianer eingehen Hessen. Es sind indess , öffenllichen Nach-
richten zu Folge, bereits die nöthigen Anstalten getroUen worden, um diese unterdrückten
Salzwerke wieder zu erheben.
K) Als zu Edam , Enkhuysen und Dockum.
i) Nahmentlich auf der Küste der Normandie.
k) Nach Meusel: in Smäland und Boltus-Lehn ; nach Fabri : auf der Insel NorgoU ; nach der
H. A. L. Z. z8i3. 76. S. 6oti aber gibt es in Schweden gar kein Salzwerk , da jenes auf der
Halbinsel f alloe oder ff^allöe in Norwegen das einzige in Skandinavien seyn soll.
l) Nahmentlich bey Tonsberg auf der eben besagten Halbinsel If'allöe , wo aus Seewasser, mit
Zusatz von englischem Steinsalze (jährlich 25, 000 Tonnen) Salz gesotten wird.
m) Der reichhaltigste Salzsee ist der Jelton-See in der Statthalterschaft i^rt/rtfo«^; nächst diesem
der Krirnmische in Taurien. Jener lieferte von 1782 — 1787 im Durchschnitte jährlich über
5:^^ Mill. Pud, und sein höchstes Product seitdem (1806) war ii,45ü,ig6, das niedrigste
(1789) 3,334 649 Pud. Jetzt \vird die Salzerzeugung durch vermehrte Anzahl der Arbeiter
(gegen i2,ooo) auf 10 Mill. Pud gebracht. Der Är/mm/ic/i« Salzsee gab im J. iöo3 4)i79ii2o,
im J. 1804 3,890:172 Pud. S. u. IViclunann a. a. O. S. 109 ff.
Fortsetzung.
An Quell- oder Soolensalz j welches aus der Soole der Salzrjucilen gesotten
wird, und in der Regel das reinste und beste zum Gebrauch in der Küche ist, h.it
den grössten Pieichtltuni Z^e^^^'c/z/rtw^/j vornchndich das uördliclie DeiLtschUind ci) _,
das lauter Quellsalz hat; ausserdem kommen zum Theil reichhaltige Salzquellen in
II. Urproüuctiout ^. Go. Koctisali. Furlsetiuiig. i63
England h)j Portugal c)_, Spanien d)^ Frankreicli e) _, Italien /") j \in\.cr Schweiz g)^
in Ungern Ji) j Siebenbürgen i) ^ Gulizien Ä) j der Bukowina i) j m Russland m) und
in der Tiirkej vor.
a) Nalimentlich dio preussisch-deutsclien Provinzen Sachsen , M'^estphnleri und Pommern ; dann
Hanot'er , Churli essen , Brautiscluveig , Sachsen-Tf^eimar , Saclisen-Golha j, Sacltsen-Meiriun-
gen , Sac/isen-IIildburgliausen u. s. \v. Die reichhalligslen Soolen nicht nur in Deutschland,
sondern unter allen bekannten Soolen des Erdbodens , sind die Lüneburgische und Halli-
sche; jene, im hanö\ er'schen Fürstenthume Lü^eöurg-, ist 28, diese, in Preussisch-5nt7i-
sen , ao^Iöthig. Ein Theil des, in der letzteren Provinz gewonnenen Salzes besteht aus
Sonnensalz, welches bekanntlich ohne Feuer, bloss durch die Sonnenhitze bereitet wird.
— In S'üddeutschland kommen die bemerkenswerthen Salzquellen bey Reichenliall in Baiera
vor, woraus die Soole nicht nur an diesem Orte versotten, sondern (seit 1616) auch nach
dem holzreichen Traunslein (3-i- Ml. Wegs), und (seit 1809) auch nach Rosenheim (7 Ml.
Wegs) geleitet und daselbst versotten wird. Die Salzquellen bey Schwäbiscli-Hall und Sulz
in Würlemberg sind schwach ; reichhaltiger ist die bey Kocliendorf neuentdeckle Salzquelle.
Im gegenwärtigen Jahre ist es auch dem Grossherzogthiime Baden gelungen , zu Dier/ieim
bey Villingen eine ergiebige Salzquelle aufzufinden, und daher einem dringenden Bedürf-
nisse durch ein Erzeugniss des vaterländischen Bodens, das bis jetzt dem besagten Lande
nur das Ausland gab, zu geniigen. Die zwey Salinen mit 8 Brunnen hey Creutzenach, in der
preussischen Provinz Nieder- Rtiein, gehören, unter preussischer Landeshoheit, dem Gross-
herzoge zu Hessen.
b~) INahmcntlich in der Ebene von ChesJtire , \vo jährlich über i5G,ooo Tonnen Salz gewonnen
werden, über 16,000 Tonnen für den inländischen Verbrauch, und wenigstens 140,000
Tonnen zum ausländischen Debite. S. Götling. gel. Anz. i8i5. St. 8. S. 68.
c) Bey Bio Major in der Provinz Estremadura.
ri) Hauptsächlich bey dem Castillo de las Boqnelas und bey la JSIala in Granada ; dann zu
Agnana in der baskischen Pro^inz Alava.
e) Vornehmlich zu Chdleau-Salias und Dieuze im Departement Mnirihe ; dann zu Salins und
Lons-le-Saulnier im Depart. Jura, und zu Salies im Depart. der Nieder-Pyreitnen.
f) Als bey Mouiiers in Savoyen , zu Salsa in Parma, bey f olterra in Toscana, auf der Insel
Sardinien und in anderen Gegenden Italiens.
g) Zu Bex im Canton If^aadl , mit jährlichem Salzertrage \on i5,ooo Ctr. , und bey B'ülz im
Canton Aargau ^ mit jährlicher Salzproduction von 5ooo Ctr.
h) IVahmentlich zu Sovär im Scharoscher Com\\t^le ., mit jährlichem Salzertrage von 80,000 —
i2o,ooo Ctr. Dieses Quellsalz danket seinen Ursprung dem Steinsalze. Denn Sowär hat nicht
sowohl eine Salzquelle (im Sinne der Salinen Norddeutschlands), sondern eine ersäufte
Steinsalzgrube, aus der Kunst und Noth eine Salzsiederey machten.
i) Wo sich i2o Salzquellen finden, die durch eigens hierzu bestimmte Wächter bewachet wer-
den, damit kein unerlaubter Gebrauch davon gemacht werde; denn nur die Gemeinden,
auf deren Grund und Boden sich die Brunnen befinden, haben die Freyheit, sich dersel-
ben zu bedienen , und auch diese können bloss ihr Vieh dabey tränken , und sich jede Wo-
che einmal so viel Salzwasser schöpfen , als sie zu ihrer Nolhdurft brauchen ; auskochen
aber und in den Handel bringen, dürfen sie es bey schwerer Strafe nicht; denn das Salz ist
hier eben so, wie in andern Ländern, ein Regale. Übrigens bestehen in Siebenbürgen keine
Salzsiedereyen , und sind auch bey dem unerschöpflichen Vorrathe an Steinsalz ganz unnöthlg.
k) Wo im Slanislatfower- , Slryer- , Samborer- und Sanokerkreise 25, nach andern gar36Salz-
cocturen oder Salinen, an den daselbst befindlichen Salzquellen, deren Soole lediglich ein
21*
l54 ii- ürproduclion. ^. 89. K-Ocljsalx. Foitseliung.
in süssem Wasspr aufgoliistes Steinsalz ist, angelegt sind. Die jährliche Erzeugung in dem
letzten Decennio des \ erfiossenen Jahrhunderts betrug 600,000 Salzfässer zu 140 — 145 W.Pfund.
Z) Wo zvvey Salzsudwerke , zu Pkisrha und Kaczyka im Suczawer Bezirke, im Gange sind.
Das Salzvverk zu Kaczrlia liefert sowolil Stein- als Sudsalz; an jenem jährlich 5ooo Ctr. ,
an diesem über 8400 Ctr.
m) Wo die zahlreichsten Salzquellen an der Kama , dem Lowat , am Donez und an der Pf^ol-
ga , die ergiebigsten aber in der Gegend von Solikamslc inj Gouvernement Perm oder Per-
mien in Sibirien angetroffen werden. Diese liefern allein jährlich 5,o4i,6G5 Pud Salz. S.
AUg. geogr. Ephem. iöo5. Aug. S. 463.
§• 89.
Forlsetzung.
An Steinsalz sind die Yorriilhe unerscliöpflich in Galizien a) j Ungern b) j Sie-
benbürgen c) j der IValachey d) und Moldau e); ansehnlich in Süddeutschland _,
nahinenthch in Oesterreich ob der Ennx f) _, Stejermark g) , Tjrol li) , Salzburg i)
lind ßerchtesgaden k) ; ferner in Spanien l) j Frankreich m) _, Cnlab/'ieu_, Sicilienj
Jüigland Ji) und Russland o). Das Steinsalz wird ausgehauen, wenn es unrein ist,
nach dem Vorgange der Natur, in süssem Wasser erst aufgelöst, und dann, gleich
einer andern Soole, vcrsotlen. In einigen Landern, wie z. B. in Galizien _, Ungern ^
Siebenbürgen u. s. w. , wird der feste Salzstein, weil er rein, mit keinen fremdarti-
gen Thcilen (Thon und Gyps) gemengt ist, so verkauft, wie er gewonnen wird.
In Dänemark und Schottland wird Salz gemacht aucli aus Salzpflanzen ; in eini-
gen Theilen \on Jiitland auch von dem, vom Meere zunickgclassenen Moder, wohey
die Erde ausgelaugi , und die hiermit erlangte Soole gesotten wird.
Die Totalmasse des in den europäischen Staaten aus dem Schoosse der Erde,
den Salzcpiellen und dem Meer- und L;mdscewasser gewonnenen Kochsalzes schlägt
Hr. 7/</A,ve/ auf 55,422,523 Clr. an, woriuiicr jecioch die Salzproduction in Parma j
Tascana j dem Kirchenstaate j in beyden Sicilienj auf den jonischen Inseln, der
Schu'eizj in Holland ^ einigen deutschen Staaten _, der Moldau und Walachey mchx.
)nit Ijegrilfen ist. Zu jener Gesammtmasse liefern den Stärkesten Antheil folgende Staaten :
Russland 7,868,057 Clr. Sardinien 860,000 Ctr.
nach Crome mehr als . 8,000,000 — Baiern 662,000 —
Oesterreich 6,543,91g — Schweden mit Nonvegen 5oo,ooo —
Frankreich ..... 5,ooo,ooo — llanover 275,647 —
Spanien 4,000,000 — nach Hock 329,o55 —
Grossbritannien . . , 5,25o,ooo — JJ'iirtemberg 85,ooo —
Portugal 2,700,000 — nach Hock ll5,ooo —
Prcussen 1,684,94^ — Braunschweig .... 53,ii3 —
Dieses so grossen Reichthums an Salz imgeaclitet , ist der Preis desselben mit den
Erzeugungskosten in manchem europäischen Lande in keineni giuistigon Verhältnis-
se/^) , welches um so mehr zu beherzigen ist, da das Salz nicht nur zur Wtirzc der
S])eisen und z.iu' ^Vrwahrimg des Fleisches imd der Fische vor der Fäuhiiss ilienl ,
sondern auch dem Vieh sehr heilsam ist, und die geringere ^ crwendiuig des theuren
II. ürproduclion. §. 89. Koclisal?.. Foi t.seliuBg. i65
Salzes auf das Futter des Viehes die Sterblichkeit desselben befördert q). Zu den Län-
dern und Staaten , die mit Salz nicht hinlänglich versehen sind , oder denen es gänz-
lich nianycli , gehören: die Schweiz ^ Irland^ ScholtLand j die JMedeiiande _, Dä-
nemark ^ Schweden^ Norwegen ^ Polen ^ Baiern ?•) ^ Sachsen s) ^ If'ürlemberg und
einige andere ^ea^.yc/ie Länder. Es gibt aber au<h Staaten, die im Ganzen mit Salz
reichlich versehen sind, und dennoch, wegen der Beschwerhchkeit des Tiansports
aus den sulzreichen Provinzen in die salzarmen Gegenden, zum Tlicil mit fremdem
Salze versorget werden. Li diesem Falle befmden sich Russland t) j Oesterreich ii)
luul 1^-eussen w).
d) Wo die Steinsalzbergwerke zu Jfleliczka und Boclinia beriihml sind. Das erste ist eines
der grössten Salzwerke in Europa. Es beschäftigt täglich über looo Menschen, und liefert
jährlich 800,000 bis 1 Mill. (nach andern gar i,5oo,ooo Ctr. Steinsalz), wo\ on 3oo,ooo Ctr.
im Lande selbst abgesetzt, 45o,ooo Ctr. nach Schlesien, Mähren und Böhmen Iransportirt ,
und viele tausend Ctr. nach Ungern ,, Kraliaa und Warschau verführt werden. Die unge-
heure Salzniasse besteht aus drey über einander befindlichen Stockwerken von Steinsalz ,
von welchen das tiefste und reinste, in einer Tiefe von 70 Toisen , eine Länge von j4oo
Toisen ^'on O. gegen W. , und eine Breite von 800 Toisen besitzt , und bis auf eine Tiefe
von 116 Toisen niedersteigt. Man findet hier, wie in Dochnia, drey verschiedene Arten Salz,
die vorzüglich in den Handel kommen, nähmlich das grüne Salz, das Szybiker- oder Tiefsalz,
welches reiner und dichter ist, und das krystallisirte. In den Gruben trifft man auch 16
kleine Seen mit Salzwasser, deren 10 — 12 unzugänglich, vier aber kann man mit einem
Floss befahren. S. Journal für die Chemie, Physik und Mineralogie. 1808. Bd. 5. S. 248
— 264. Das Salz ^ on fVieliczIta war schon \ on unendlichen Zeiten her bekannt , und halte
in den ältesten Pri^^legien den Nahmen : magnuin sal. — Das Steinsalzbergwerk in Bochnia
hat ebenfalls einen seltenen Überfluss an Steinsalz. Es liefert jährlich i5o — 3oo,ooo Ctr.,
und könnte leicht noch einmal so viel liefern. Die Zahl der Arbeiter steigt beyläulig auf 400
Köpfe. Die innere Einrichtung dieser beyden Salzwerke ist eben so bewunderungswürdig,
als sie Jedermann in Erstaunen setzt. Man hat in dem dasigen Salzstein wohl Catacomben
ausgehauen, in die man den Frankfurter Dom bequem einpacken könnte. S. Notizen über das
Bergwerk in Bochnia; in dem Journal für die Chemie etc. 1806. Bd. 2. Hell 1. S. 164 — 171.
b) Wo in den Salzgrubcn zu Rhonas-eic , Szhitina, Sugalok und Kereghegj- in der Marmaro-
scher Gespanschalt jährlich, nach t>. Schi'arlner, 600,000 Ctr., nach den Annalen der Li-
teratur und Kunst u. s. w. i8o5. April. S. 234 aber i,o2i>?io Ctr. Steinsalz, das Bruch-
oder Minutiensalz mit begriffen , ge\vonnen werden. Da diese Salzwerke an den äussersten
nordöstlichen Gränzen des Königreichs Ungern liegen , so hat das zu weit da\on entfernte
Croalien seit i548 das Recht , Meersalz einzuführen.
c) Der siebenbiirgisrhe Salzstock erstreckt sich, nach f. Fichlel , auf i2o Meilen in die Länge,
stehet mit den Salzgruben in Galizien , Ungern, der Moldau und IFalnchey in Verbiniliiiig,
und ist so unerschöpflich reich, dass Siebenbürgen keinen Salzmangel leiden würde, miissie
es auch ganz Europa viele tausend Jahre lang allein mit Salz .versehen. Es hat sechs Salz-
werke (bey Thorda , Kolosch , Dreschakna , Salzburg, Paraid und Marosch-Ujrai) , tleren
man noch mehrere neue anfangen könnte; es wird aber nicht für nölliig befunden , weil
das Salzbedürfniss \on Siebenbürgen und Ungern durch das Erzeugniss der jetzt bestehen-
den Gruben hinlänglich gedeckt ist. Der jährliche Ertrag belauft sich ungefähr auf 1 Mill.
2 — 400,000 Ctr. , wo\on mehr als die Hälfte an Ungern überlassen wird. S. Sarlori's Na-
turwunder a. a. O. Tbl. 2. S. 23 — 3i.
d) Bey Oknamare ; die dasigen Salzwerke bringen dem Hospodar jährlich 5oo,ooo fl. ein.
6S II. Uiprocluction. §. 89. Kochsalz. FortseUung.
e) Boy Okna ; die dasigen Salinen verschaffen dem Hospodar ein jährliches Einkommen von
3oo,ooo Piaster.
f) In dem merkwürdigen k. k. Sahkammerguie. Es bat zwey reiche Salzberge bcy Isc/il und
Ilallslaül , und drey Sud- oder Pfannenbäuser mit fünf Pfannen, deren eine zu Hallsladl ,
zwey zu Ebensee und zwey zu hehl sind. Die jährliche Salzerzeugung belauft sich jetzt auf
800,000 Ctr. , ehemals auf 65o,ooo Ctr. Der Holzbedarf betrug im J. i8o2 zum Salzsude
41,997 Wienerklaficr , zur Fasselerzcugung 7680 Kl. , zur Kufenerzeugung 1740 Kl., zu-
sammen 5i, 417 Kl. In Gmanden , wo das Salzoberamt ist, geschieht die sogenannte Ein-
barkirung des Salzes , um dasselbe auf dem Traunflusse nach Enghagen zu bringen. Von
hier wird ein Theil auf der Donau nach fJ^'ien , ein Theil mittelst der Naufahrt nach biriz ,
und ein Theil nach Mauihhausen eingeschifft, von welchem Orte der weitere Transport
durch Budweis nach Böhmen geschiehl.
g) Wo das Ausseer Salzbergwerk merkwürdig ist. Der dortige Salzstein wird durch Wasser-
einlassung zu einer Sulze aufgelöset , diese dann in eigene Sulzstuben durch Streunen (Röh-
ren) unter der Erde geleitet und zu den Sudpfimnen geführt, deren eine ^u Aussee und eine
unweit da\on in der Kautsch erbauet ist. Der jährliche Salzcrtrag beläuft sich auf 160 bis
200,000 Clr.
/)) Wo der 3 Stunden nördlich von Hall liegende Salzberg merkwürdig ist. Die Salzsoole wird
in Röhren nach Hall geleitet, und daselbst in g Pfannen versüllen. Es vverden jährlich zwi-
schen 2G0 — 280,000 Ctr. Salz erzeugt. Auch gewinnt man in Hall jährlich an 5o Ctr. reine
Magnesia.
i) Wo die Salzwerke zu Hallein, oder eigentlich der Salberg am D'nrrenherge bemcrkenswerth
ist, mit einer jährlichen Salzproduction von mehr als 3oo,ooo Ctr.
A) Wo zwey Salinen sind, 1 zu Schellenberg , 1 zu Frauenneih , wohin die Salzsoole von Gol-
lenbach , wo die Einfahrt in den Salzberg ist, geleitet wnd. Seit 1817 ist eine neue merk-
würdige Soolenleifung von Berchtesgaden über Jllsang , Ramsau u. s. w. über einen hohen
Gebirgszug mit einer Röhrenfahrt von 101,796 Fuss Länge gefuhrt, um den reichen Berch-
tesgadner Salzbergbau und seine gesättigte Salzsoole mit den Salinen zu Reichenhall, Traun-
slein imd RosenJieim zu vereinigen. Es werden jährlich über 1.^12,400 Ctr. Salz geliefert.
l) Vornehmlich bey Cnrdoiia in Calalonien j wo man einen Salzfelsen von beynahe 5oo Fuss
Hübe , und eine Meile im Umfange sieht. Ausserdem besitzt Spanien Steinsalzgruben zu Al-
mcngrai'illa in la Mancha, zu Posa in Castilien und zu Valdierra in Navarra.
m) Wo zu f'ic im Departement Meurthe neuerlich ein reicher Salzstock entdeckt worden ist.
7() Wo in der Pfalzgrafschaft Chesler , nahmenllich in der JNäho des (feai're und der zu sei-
nem Gebiete gehörenden Flüsse auf Steinsalz gebauet wird. S. Götting. gel. Anz. i8i5.
St. 8. S. 68.
c>) Wo die ergiebigsten Steinsalzgrubcn am Jlck , im Gou\ernement Orenburg in Russisch-
Asien, sich befinden, mit einem jährlichen Salzertrage von 5oo,ooo Pud.
p) So ist z. B. der ursprüngliche Werth des in GrossbrlLsinnien jährlich consumiiten Salzes
100,000 Pf St. Von dieser Quantität, die ursprünglich 100,000 Pf. St. kostet, zieht die
Regierung an Accise darauf i,5oo,ooo Pf. St., also fünfzehnmal mehr, als es kostet. S.
Staats- und gelehrte Zeitung des Ilamburgischen unparteyischenCorrespondenten. 1821. Nr. 175.
q) S. Götting. gel. Anz. 1814. St. 90. S. 89:1.
r) Nach dem Tractate vom 14. April 1816 erhält Baiern von Öslerreich alle Jahre eine Quan-
tität von 264,000 Ctr. Halleiner Salz für den currenlen Preis.
s) S'AmmÜiche y'ier sächsische SaWnen (DüiTenberg, Kosen, Tcuditz und Ariern) gehören, seit i8i5^
Freusscn , das durch den Frieden zu Tilsit (1807) alle die seinen Ncrlor, und nun seinen
Yeilust xiilt Wache-.- ersetzt sieht; indessen erhält Sachsen \on Preussen unter billigen Be-
II. Urproductiou. §. go. Salpeter, Sod», Glaubersalz und andere Saharten. 167
dingungen (ä 5o Rthlr. die Last) jährlich wenigstens i5o,ooo Ctr. Salz, welche Quantität
bis 25o,ooo Ctr. erhöhet werden kann. Dem preuss. Unterthan kostot die Last i5o Rlhlr.
(S. V. Jacühs Staatsfinanzwissenschaft. 2. ßd. 1822.)
/) Es führt, nach einem vierjährigen Durchschnitte (1802 — i8o5) , jährlich fiir i,553,i77 Ru-
bel Salz ein ; die Salzausfuhre beträgt dagegen nur etwa So, 000 Rubel jährlich.
u) So wurde bishernach Croatien Seesalz aus Neapel eingeführt, welches jetzt durch das isiri-
sehe und dalmatinische Meersalz ersetzt werden dürfte.
»f) So werden die Pro\ inzen an der Ostsee zum Theil mit fremdem Salze versehen , welches
durch die Schifffahrt wohlfeiler herbeygeschafft werden kann.
§• 90.
2) Salpeter, Soda, Glaubersalz und andere Salzartcn.
Der natürliche Salpeter (nitriim) findet sich ahsonderhch häufig in Ungern , nah-
mentUch auf den Puszten um den Neusiedlersee j um Stuhlweissenburg _, besonders
al)er in Osten des Landes aj ; auch ui manchen Gegenden Spaniens und Italiens
ist der Boden reich daran; in Deutschland und andern euroj)äisc]ien Ländern aijcr
konnnt er nur selten und äusserst sparsam vor. Der meiste europäische Salpeter wird
aus den mit Salpetersäure angef'iillten Erden, zu deren Gewiiiniuig in mehreren Län-
dern das Grabungssj'Stem bj eingefiihrt ist, künstlich bereitet. — Das mineralische
Laugensalz j oder die sogenannte Soda (nalriun) konnnt ausser Europa am häufigsten
in jiegypten vor ; in Europa wird dieses Product in unerschöpflicher Menge in Un-
gern gefunden. In einigen Gespanschaften sind Strecken von halben luid ganzen Tag-
reisen damit wie besäet, in andern sind der damit geschwängerten Seen (üngrisch
i^e'/ze/VÖj weisse Seen genannt) so viele vorhanden, dass nur allein die Biltarerge-
spanscliaft schon oft in einem Jahre über 10,000 Ctr. der feinsten Soda in den Han-
del geln-acht hat. Älit Hülfe dieses Laugensalzes (Lngrisch ÄerAw), welches als Sur-
rogat der theuern Holzasche, beym Leinwandbleichen und andern Pabrikarbeiten em-
pfohlen wird, bereitet man vorzüglich m flebreczin au 7000 Ctr. Seife imd darüber,
die unter dem Nahmen der Debreczinerseife im Li- und Auslande berühmt ist. —
Das Glauberische If'undersalz (sal mirabile Glaviberi) ward Anfangs nur durch die
Kunst bereitet ; allein in der Folge fand man , dass auch die JNalur derglci chen Salz
erzeuge. Li Ungern entdeckte Dr. Planes Oesterreicher in einem nahe bcy Ofen ge-
legenen Sumpfe, ein von der Natur erzeugtes reines Glauberisches Wundersalz. Li der
Folge fand man dergleichen Sümpfe auch im Stuhlweissenburger- j Oedenburger-
und Wieselhargercomitate. Li Deutschland zeichnet sich die Friedrichshaller Salz-
quelle im Hildburghausischen durch den starken Gehalt dieses Salzes aus; trocken
trifft man es unter andern in den Salzburgischen Salinen an; auch verschiedene Mi-
neralwasser, wie z. B. die Carlsbader _, Sedlitzer und andere Böhmische ^lineralwas-
ser liefern es. Es ist eines der besten gelinde abführenden, auflösenden luid zugleich
kühlenden Mittel. Auch wird es seit einigen Jahren, statt der immer theurer werden-
den Pottasche , in verschiedenen österreichischen Glasfabriken mit selir gutem Erfolge
angewendet. — Dct^ Alaun (alumen), dessen Gebrauch hauptsächlich in der Färbe-
kunst sehr ausgebreitet ist, wird am häufigsten aus Alaunschiefer, scliwefelhalligem
verhärtcleu Tliouc und vervullerlca Laven gewonnen. Gediegen kommt er nur spar-
l68 II. Ui|irücluclion. ^. gi. Mineralwasser.
sam vor. Der römische Alaun ^ der ia dem, eine italienische Meile weit j^Cii;en Nord-
west von Tolfa gelegenen Alaunweikc bereitet wird, imd der im Handel bisher fiir
den besten gegolten hat cj , wiid ans einejn schwefelhaltigen verhärteten Thone, wel-
cher sich- besonders in dem Gebiete von Clvita Vecchia findet, gewonnen. — Die
metallischen Salze oder Vitriole (vitriolum) , deren Gebrauch ebenfalls besonders in
der Färberey sehr ausgebreitet ist, findet man auch zuweilen von der Natur gebildet;
aber grösstcn Theils werden sie aus gewissen Mineralien durch die Kunst bereitet. —
Gediegenes Bittersalz von vorzüglicher Güte, so wie zugleich in grosser Menge,
liefeit Epsom in England; durch die Kunst wird es aus den Wassern von Sedlitz und
Saidschütz in Böhmen bereitet, obgleich in diesem Lande auch gediegenes Bittersalz
zu Billenz bey Kommotau und hey Witschitz im Saatzerkreise sich findet.
a) Es können ans dem daselbst gewonnenen Salpeter nicht nur die ganze Scliiesspulvererzeu-
gung im Reiche und alle sonstige Salpeterconsumtion reichlich gedeckt, sondern noch jähr-
lich über 3ooo Ctr. dem Auslande überlassen werden.
6) Es werden nähmlich zu dem Ende die Fussböden der Wohnzimmer, Stallungen, Keller
und Scheuern der Unterthanen, gegen einen geringen Ersatz der neuen Füllungskosten, nach
gewissen Jahren ausgehöhlt.
c) über die Verschicdenlielt des römischen Alauns von andern Alaunsorten , und die Ursachen
dieser Verschiedenheit ; aus mehreren neuern Verhandlungen gezogen , von Gehlen ; im
zweyten Bande des Journals für die Chemie imd Physik. Vergl. Erg'änzungsbl. z. A. L. Z.
1809. Nr. 106. S. 846 fr.
§• 91-
Mineralwasser.
Endlich ist auch Europa noch versehen mit einer vmgezählten Menge minerali-
scher Bäder und Gesundbrunnen. Fast jedes europäische Land hat deren aufzvnvei-
sen, und viele sind noch in den Eingeweiden der Erde verborgen. In Ansehung der
Menge und Gtite derselben behauptet Deutschland den ersten Rang. Bloss der in
Ruf stehenden werden an i3o gezählt. Die merkwürdigsten darunter sind: Carlsbad,,
Töplitz j Eger (seit lygj Franzensbrunnen genannt), Marienbad j, Giesshiibl ^ Lieb-
werduj Silin j, Sedlitz luid Saidschütz in Böhmen; Sternberg ^ Luchatschowitz und
Aapagedl in Mähren ; Carlsbrunn unweit Freudenthal in ÜsteiTeichisch-Schlesien ;
Baden in Österreich unter der Enns; Rohitsch in Steyermark; Gastein in Salzburg;
Rabbi in Tyrol; Pjrmont in dem Fürstenthume Waldeck; Aachen in der preussi-
schen Provinz Niederrhein ; Baden im Grossherzogthume dieses Nahmens ; TViesba-
den j Nieder-Selters j Langen- Schwalb ach ^ Ems j Fachingen imd Geilnau im Nas-
sauischen; Brückenau j Ab ach ^ Sichersreuth (Alexandersbad)^ Adelholz j Kondrau^
IViesau und Hardeck in Baiern, die sämmtlich theils durch den jährlichen Zusam-
menfluss reicher Fremden , die dort Gesimdheit oder Vergnügen suchen , theils durch
Versendung der Wasser selbst, ihrem Lande sehr einträglich werden a). Die geschätz-
testen mid besuchtesten Bäder und Gesundbrunnen in den übrigen emopäischen Län-
dern sind , luid zwar : in der niederländischen Provinz Lüttich : Spaa ; in England :
Bathj Thunbrigde-TFells imd die an der südlichen Küste, wo die Wasser des wär-
meren atlantischen Meeres anspülen, angelegten Seebäder; in Portugal: Caldas und
II Urprotliiclioii. §. gi. MititTüIwiissi-'r. l(^q
Lcii'ia in Eslrcmadura; in Spanien: Cnldns de Monlmy , 5 Morien von Barcelona,
und JUmnia nnd Tvillo am Tajo, 17 Meilen von. Madrid ; In Frankreich: Lagtieres
de ßigorre und St. Sau\>euv im Depail. der Oberpyrenäen; Bagncres de Luc/ion im
Depnrl. der OJjcrgaronne; Bowbonne les Bcdns im ]Jeparl. der Oherniarnc ; Luaucil
im Depart. der Obersaone; Ploivbiers im Dcpart. Wasgaii und Mont do'r les ßains
im Depart. Pny de Dome, deren AV'asscr unter alleji Mineralquellen in Europa die
meiste lise laifl enthalten sollen ; in Italien : Abano j BatagUa und Ilecoaro im Lom-
I)ardisch-Vcnetianischcn ; Aioc in Savoyen ; Aqui'm Monlferrat; Pisa in Toscana ; die
Schwitz- und Dampfljäder (siidatori) hey Btija j, St. Germano j Solfatava , Puzzucio
Tl. s. w. in Neapel, nebst den vielen heissen Quellen in Sicilien luid Sardinien; in der
Schweiz: Baden und Schinznach im Canton Aargau : Pfeßevsbcid im Canlon St. Gallen ;
Quis im Canton Appenzell; Lenek im Canton Wallis, mit Schwefelbad und warmen
Bädern, obgleich 5ooo Fuss id)Cr dem Meere sehr kalt gelegen; in Ungern: Bis-
tjaiij Tventschin _, Leibitz _, Littschka ^ Glashütten, Grosswardein, Ofen, Me-
hadia {\\Qrkv\c.&häiAex), Bartfeld j Füred, Neidublau, Szalatnja , WicJinje,
Rank und Scldagendojf; in Siebenbürgen: Borszeg , Rudna und Kowossna; in Ga-
lizien : Krjniga und Sklo; in Schweden: bcy Medewi in Oslgolhland und /.oAy/ in
Ncrike ; in Norwegen : bey Egcr imd Sundniör, Russland hat verhältnissmässig zu
seiner Grösse keine sehr grosse Menge mineralischer Bäder und Gesundbrunnen, vnid
nur wenige der bekannt gewordenen Quellen w erden stark bcsncht. Am berühmiesien
ist gegenwärtig der Brunnen bey Zarizin, zu Sarepta,'\u der saralowischcn Staallhal-
terschaft. Der Russe beschränkt sich grössten Theils auf seine Schwilzbädcr. In Dä-
nemark an sich ist gar überall Mangel an mineralischen Wassern; dagegen ist kein
Land so reich an siedenden Quellen, als die dazu gehörige Insel Island, wo es in
einem Bezirke von einer halben deutschen Meile über 100 kochende heisse Quellen
gibt, die ihurmhoch mit donnerarligem Schalle Fluthen emporheben.
Übrigens fmdet man nicht in allen der besagten Bäder und Gesundbrunnen die
Einrichtungen für die Gäste ganz bequem; in mclireren müssen sich diese elend be-
hclfcn. Es fehlet oft an Wohnungen für sie, an Träiteurs, an guten Badegefdssen, an
prompter Bedienung u. dgl. , und doch sind Bequemlichkeit der Wohnung, haupt-
sächlich aber gute Tafel, prompte Bedienung, neue Anlagen, schöne Umgebungen,
Ungezwungcidieit des Tones, JMannigfalligkeit der Unterhaltungen, viel Geräusch u. s.w.
— die Magnete, welche mehr anziehen, als Kraft des Wassers und Geschicklichkeit
des Brunnenarztes.
a) So versendet z. B. Fachingen jälirlicli 2oo,ooo , Pjrmonl 000,000, Langen- Srhutalbarh
55o-,ooo, Bohitsch 400,000 Krüge Sauerbrunnen. Keines der zahlreichen europäischen Mi-
neralwasser aber wird stärker \erfiilirt, als der Sälzer- , oder nach seinem eigentlichen Nah-
men Sffli erser SäurihTunnen : Niedersellers versendet jährlich- nie^r als 1,600000 Krüge, wo-
von eine grosse IMenge als Ballast nach Ost- und Weslindien zu gehen pHegt (S. WIen(!r
A. L. Z. i8i3. ]Nr. 66. ) , obgleich die grossen Versendungen dieses berühmten Sauer-
brunnens in neuern Zeiten durch die gehemmte SchifTrahrl ^iel \erloren hah n. Im J.ilii'
1781 wurden an ganzen und halben Krügen zusammen 2,2o8,ooo St. gellillt , und i7<j;-
stieg die Zahl der gefüllten Krüge gar auf 2,811,095 Sl. S. ürctlr.-iarui a. a. O. S. 120 Ü.
17» Jlf Iiidur.lrielle Produclion. $. 92. Voa Handwerken, Man ;fac(jreii clc.
III. Industrielle Production.
S- 92.
Ton Handwerken, Manufacturen und Fabrllcen überhaupt.
Keiu Naturpro duct kann, nur wenige ausgenommen, in seiner rohen Gestall ver-
braucht und eben so wenig mit mögUchstem Geldvovtheil bcnaclibarten Staaten über-'
lassen werden, sondern es erwartet diebearbeitende Hand des Menschen. Dieser Um-
stand macht fiir jeden Staat, der seinen Boden auf das vortheilhafiestc benutzen will,
Handwerke _, Manufacturen und Fabriken nölhig. Die Bearbeitung der Naturpro-
ductc zu beslinunten Zwecken ist eine Kunst _, d. h. ein Geschäft, welches nach ge-
wissen Vorschriften oder Regeln mit einer durch Übuns crlanj'len Fertigkeit venich-
let wird. Beruht diese Kunst vorzüglich auf geschickten Handarbeiten, so heisst sie
cm Handwerk j wobey die Arbeiten, welche zur Verarbeitung eines Naturproducts
oder Stoffes zu einem bestimmten Zwecke erforderlich sind, gewöhnlich von cinei-
Person geschehen. Vereinigen sich mehrere solcher Arbeiter unter einer gemeinschaft-
lichen Leitimg auf die Art, dass jeder nur eine oder einige der zu einem bestimmten
Zwecke erforderlichen Arbeiten übernimmt, so entsteht eine Manufactur oder Fa-
brik j wo jede Arbeit vollkommener und in kurzer Zeit vollendet wird. Manufacturen
und Fabriken imterscheidet man wieder dadurch, dass in jenen die ArJieiten haupt-
sächlich durch Hände oder Maschinen geschehen, in diesen aber vorzüglich Feuer
und Hammer gebraucht werden a}. Doch enthält der Wortverstand von Manufactur"
einen allgemeinem Begriff, wovon Fabrik eine untere Gattung ist. In gemeinen Reden
werden indessen diese ^Vörter als gleichbedeutend gebraucht.
Zur Erspai'img der Zeil und Kosten und zur Vervollkommnung der Arbeit, wel-
che durch ^täAerc , als menschliche Kräfte bewirket Averden muss , gebraucht man
einfachere luid zusammengesetztere Maschinen, und zugleich Vorrichtungen, wodurch
die Kräfte mit Ersjiarung der Kosten vermehret oder verstärket werden, nähmlich
durch Wasser, Wasserdämpfe und Luft, AUö diese nennet man todte Kräfte^ im
Gegensatze der lebenden j nähmlich derjenigen , die von Menschen und Thieren ange-
wendet werden.
Übrigens sind die nützlichsten Manufacturen und Fabiiken im Allgemeinen die-
jenigen, wclchemit andern Erwerbszweigen in einer vortheilliaften Verbindung stehen,
die sichersten aber, welche allgemein brauchltare, keiner ^'eränderung unterworfene
und unentbehrliche Bedürfnisse liefern. Schädlich werden Manufacturen und Fabri-
ken, wenn sie: i) andere nützliche Erwerbszweige, oder den Verdienst einzelner ge-
werbtreibender Ciassen von Staatsbürgern beschränken oder ganz verdrängen, und 2)
allen übrigen Volksclasseu drückende Lasten aiiflcgon.
Das erste geschieht, wenn durch das Verboth der Ausfidire inländischer Natur-
prodmne die Erzeugung derselben ganz oder zum Theil gestört oder vernichtet wirdj
weim durch neu zu errichtende Faljrikcn andere schon vorhandene nützlichere oder
früher bestehende verdränget werden; wenn diu-ch eine besondere Begiinstigung der
III. IncIustriflU' Pruducliuu. §. yS. Ziisland des eaiu|). Kuutldcisscs im Allgt-ineinoii. 171
Fabriken der Ackerbau leidet, und diesem die nöiliii^cn Arljciter entzogea werden;
und wenn ilu-e Erlialliin^ nur dadurch kann bewirket werden, dass andere Erwerbs-
zweige niederj>edriickt oder bebistet werden; das zweyle unter andern dadurch, wcnu
sie eine slärkeie, als den Kräften des Staates angemessene, Gonsimition gewisser un-
entbehrlicher Naturproductc veranlassen ; wenn sie so grosse Vorschüsse und Prämien
bedürfen, dass dieselben die Kräfte des Staates übersteigen, und andern Classen von
Staatsbürgern und Zweigen der Industrie die nölhigc Unterstützung entziehen; wenn
sie ül>erhau]it nur auf Kosten der Nation fortdauernd erhallen werden können; wenn
die Siaatseinkünfte dadurch beträchtlich vermindeit werden, luid doch keine sichere
Aussicht vorhanden ist, dass dieser Verlust bald ersetzt werden könnte ; tuid wenn sie
so zahlreich werden, dass sie einer grössern Anzahl IMenschen bedürfen, als sie na« h
dem Verhältnisse der Volksmenge im Staate beschäftigen sollten, und sich dabey nicht
auf Gegenstände der Nothwendigkcit, oder solche, die stets unentbehrlich bleiben,
beschränken, sondern ihre Erh;ütung von der Mode, dem Zufalle und von täuschen-
den Ilütfnungcn eines anhaltend günstigen Handels in das Ausland abhängen lassen.
a) S. Beckmann s Anloitung zur Technologie. Dritte Ausgp.be. Einleitung. §. 2 und §. 8. Vergl.
Büsdii'ng's Vorbereitung zur uuropäischcn Länder- und Slaalcnkunde. 6. Aufl. herausgegeben
von Norrinann. S. 197 iL
§■ 93-
Zustand des europäischen Kunst fleisses im Allgemeinen.
Dqr Kunsfßeiss in Handwerken , Älanitfactvrren und Fabriken ist in Europa nach
Verschiedeidieit des Klima's , der Naturproductc, der Einwohuci-, der ^ crfassiuigen
und Regiermigen sehr verschieden. Im Ganzen weit ausgebreiteter und lebhafter aJs
vor 100 oder i5o Jahren. Es werden in den europäischen ^Verkstätten und Gewerbs-
anstalten im Grossen alle Mateiialien, die einer Veredlung zum Nutzeu, zur Bequem-
lichkeit und zum Luxus fähig sind, verarbeitet, und zwar nicht allein die europäi-
schen, sondern auch ausländische in Menge. Dabey ist der Europäer miablässig be-
müht, seine Kunstproducte durch neue Erfindungen, durch Verbesservmgen in Zeich-
nung, mechanischer Behandlung, innerer Brauchbarkeit und äusserer Form der höch-
sten Volkommenhoit immer näher zu bringen, so wie er rastlos in Entdeckung neuer
Stoffe und neuer oder anderer Gegenstände des Bedürfnisses oder Wohllebens ist,
während die fabricirenden Völker anderer Erdlheile sich mit der Ausübuni; der her-
gebrachten r niechanischen Kunstgriffe und der Fabrication allmodischer Erzeug.nisse
begnügen, Europa's jüngere Kinder in Nordamerika ausgenoimnen, die auch, jenen
Sinn des Kunsifleissos mit in ihr neues Vaterland hinüber getragen hatten. Besonders
sind es Cji-ossbi'itctnnicnajj Frankreich b) j Aic Niederlande cj _, Deutschland djj
die ScJnveiz ej imd einige Theile von Italien fj _, wo die Handwerke, Manuläcturen
und Faluikcn am Tticislcn blühen — aber wie verschieden ist ihr Ffor auch da! — der
durch den Druck der Zeitumstände noch tiefer herabgcb rächt ward. Dagegen sind Spa-
nien gj und Portugal hj j Dalwaiien ij _, die Inseln Sardinien kj und Sicilicn IJ j.
Gulizien und Polen ^ dann die jiördliclieu mj und östlichen nj Länder imsers Erd-
ihxjils, mit Ausnahme des osmanischcn Reichs oj , in Ansehung des Kunssücissci
22*
ly2 HI. Industrielle Pioduction. §. g3. Zuslaod des tiirop KiKistfli-issps im Allgcuiemtn.
noch weit zurücL In mehreren Gegenden dieser Länder fehlt es nicht sehen sogar
an den nothwendigsten imd einfachsten Handwerken, und verfertigen Bauern und Bür-
ger heydcrley Geschlechts viele Bedürfnisse ziu- Wohnung , Kleidung und Haus-
Avirthschafl, ohne zunftmässigen Unterricht, wenn auch gleich mit vielen Slolfver-
schwendungen.
Ührigens würde der europäische Kunstfleiss nie den Umfang und die Lehhaftig-
keit gewonnen haben, hätten nicht die Europäer in andern Erdtheilen Colonien ge-
stiftet, und das System eingeführt, durch dieselben dem Mntterlande theils recht viele
rohe Stoffe zur Verarbeitung, oder zum Handel mit andern TSationen, theils einen si-
chern jMarkt für den Absatz ihrer kiuisllichen, auf eigenen Schiffen verführten Pro-
ducta zu verschaffen.
a) Es hat in technischer Gewerbsainkeit vor andern Ländern ein bedeutendes Übergewicht,
welches das Resultat von mehreren Ursachen ist. Die vornehmsten derselben sind: i) der
durch die Staatsverfassung kräftig genährte Nationalsinn , in Verbindung der seltenen Ach-
tung und Ehre , die der Handwerksstand in England geniesst ; 2) die vielen klugen Einrich-
tungen und Staatsmaximen, wodurch die Thäligkeit der Nation belebt wird; 3) der grosse
Wirkungskreis, ■\ermoge dessen die brittische Nation ungehindert über alle fiinf Erdtheile
ihren Handel treibt , und durch ihr Maschinenwesen und ihre Theilung der Arbeit auch alle
fiinf Erdtheile mit Waaren versorgen kann, manches Land, wie z. B. Deulschland , auch
wohl mit ihren Waaren so überschwemmt, dass der inländische Fabricant dagegen gar
nicht aufkommen kann ; 4) die vielen und grossen Prämien , die jährlich nicht nur das Par-
lament, sondern auch patriotische Societäten , und sogar reiche Pri\atleute für neue Erfin-
dungen und Verbesserungen im Fache der technischen Künste und der damit verwandten
Gewerbe bezahlen ; endlich 5) die Güte der in ihren Werkstätten yerarbcjteten Materialien,
und die Wohlfeilheit der rohen Stoffe, die sie, ohne Zwischenhandlung, aus der ersten
Hand erhalten, in Verbindung des Reichthums und des Crcdits grosser Fabricantcn , die ih-
nen den Ankauf der besten IMalerialien im Grossen um einen billigen Preis noch erleich-
tern. Kunsitalent ist jedoch den Britten weder vorzugsweise noch weniger ausschliesscnd
eigen. Diess Leweisen nicht nur die vielen geschicklen Deutschen in England, die in diesem
Lande so grosses Ansehen genlessen , sondern auch die vielen und wichtigen Erfindungen ,
welche von Deutschen , \ ornehmlich in den früheren Jahrhunderten , gemacht wurden.
Z)) Es behauptet in Ansehung des Kunstfleisses einen der ersten Plätze. Mit einem vorzügli-
chen Talente in Sachen des Luxus und der Mode begabt^ wissen die Franzosen den Luxus-
und Modowaaren , z. B. Bijouterie, Putz- und Zierwaaren , eine hübsche Form und ganz
eigene Feinheit und Eleganz zu geben ; der innere Gehalt liegt iluien viel weniger am Her-
2en. Die blühendste, obgleich auf Kosten des Ackerbaues lierbeygerührte Periode der fran-
zösischen Manufacturen und Fabriken war in der letzten Hälfte des 17. Jahrhunderts , wo
fast ganz Europa ihnen zinsbar war. Durch die Vertreibung der betriebsamen llugenoiien
aber, und die Näclieü'erung anderer Nationen, besonders der Engländer, kamen sie In's
Sinken, und die Revolution versetzte \\\mn beynahe den Todesstoss. Die gegen\värtige Re-
gierung ist jedoch eifrig bemüht, alle durch die Staatsuinwälzung veranlassten Störungen zu
vernichten, und durch zweckmässige Millel die Manufacturen und Fabriken wieder In Auf-
nahme zu bringen.
c) Belgien ist, so wie durcli seine Cultur und seinen Handel, also auch durch den Kunst-
fleiss seiner Einwohner , immer eines der interessantesten Länder gewesen. Lange zuvor,
ehe England und Frankreich die Kunst verstanden, srliönc wollene Zeuge, feine Leinwand
und Spitzen zu verfertigen, zeichneten sich die Städte in Flandern j Brabant und andern
ni. Iiuiustrielle I'roducüou. § g^. Zustand des europ. Kuiistflcisscs im Afguim-incii. 173
Provinzen Belgiens durch eine seltene Betriebsamkeit und einen grossen IIanJ','1 aus. Dit!
Thätigkeit der Holländer erhielt durch die Noth eine ^■orthei!hafte Richtung. Da die; Laiidcs-
producte zu den Bedürfnissen derselben nicht hinreichten, so machten sie die rohen Producte
anderer Nationen zum Gegenstande ihres Runstfleisses, und fanden in der Veredlung der-
selben eine bedeutende Quelle ihres Wohlstandes. Dazu kam, nach der Gründung der Re-
publik, auch noch der hohe Grad der freyen Religionsübung, die eine Menge der geschick-
testen Künstler und Handwerker aus andern Ländern dahin gezogen halte. Durch die Zeil-
umstände nalimeii aber die Manufacturen und Fabriken im Ganzen beträchtlich ab; doch
befinden sich nicht alle Gewerbsanstalten in gleicher liage ; denn so wie viele mehr oder
weniger in Verfall geriethen , blühten andere \vieder auf.
d) Wo nicht leicht eine Gegend in den Handwerken, Manufacturen und Fabriken ganz zu-
rück ist, im Gegcntheil viele sich hierin sehr auszeichnen. Dahin gehören z. B. die öster-
reichisch- und preussisch-deutschen Staaten , das Königreich Sachsen , Sachsen-Weimar und
Gotha, ein Theil des Königreichs Hano\er und der herzogl. Braunschweigischen Lande,
Hessen-Gassel und Darmstadt, Baiern, besonders Ncu-Baiern, Baden u. a. ni. Porcellan ,
Glaswaaren und Schmelztiegel werden in Deutschland besser, als in irgend einem europäi-
schen Lande ■n erfertigt. Schöne Waarcn und Kunsfarbeiten für alle Formen des Lebens lie-
fern einige deutsche Städte, z. B. fixiert, Berlin, Augsburg, Nürnberg, Fürth, München, Leip-
zig u. a. m. , eben so gut, als London und Paris, nur mit dem Unterschiede, dass deut-
sche Kunstwaaren gewöhnlich wohlfeiler, dabey nicht seilen gehaltvoller sind, als manche aus-
ländische Producte. In neuern Zeiten sind jedoch die Deutschen durch die Concurrenz der Eng-
länder, durch die Lossagung der spanisch-amerikanischen Provinzen \on dem Mutlerlande,
durch die m Russland und Amerika entstandenen und sich immer noch vermehrenden Fa-
briken und Manufacturen, so wie durch andere Umstände, in ihrem Runslfleisse sehr zu-
rückgekommen. Zur Zeit der Hansa ^var Deutschland für manche Bedürfnisse, vornehmlich
des europäischen Nordens, fast die einzige Werkstatt. ,
f) Durch die Betriebsamkeit der Schueizer nahmen im \ origen Jahrhunderte die Manufacturen
in einigen Cantonen so ungemem zu, dass, Herrn Crome zu Folge, die Volksmenge sich in
manchen Gegenden \ erdoppelt, und am Zürichersee sogar vervierfacht hatte; diess hat aber
im Laufe dieses Jahrhunderts durch die Handelseinschränkungen der benachbarten Staaten
so sehr abgenommen, dass viele Fabriken in der Schweiz thcils sich einschränken, tlieils
ganz eingehen , und desswegen viele tausend Schweizer auswandern mussten. Gleichwohl
findet man noch jetzt in einzelnen Thälern mehr Werkstätte der Künstler, als in manchem
enropäischen Rc'iche.
/) Nahmenilich das /ü-,iiiarrfi'.S(:/!-c'eHe<i"a/j/»-c/!e Königreich , Genua, Lucca und Tcscana. Doch
sind die Fabriken in diesen Gegenden nicht mehr so im Flor, als sie es im 14. und i5
Jahrhundert, zur Zeit ihres blühenden Handels nach der Levante, \varen , wo sie mit ih-
ren Seidenwaaren meist ausschliesslich fast ganz Europa versahen, und auch ihre Ti-icher ,
besonders die lombardischen und ßurentiiiischen , bis zum Ausgange des 16. Jahrhunderts,
neben den belgischen und deutschen , die beliebtesten in diesem Erdtheile waren.
.s) Spaniens Kunstfleiss ist bey weitem nicht das, was er soyn könnte; die inländischen Fabri-
ken und Manufacturen, zwar von allerley Art, sind lange nicht hinreichend, das Bedürf-
niss des Reichs zu befriedigen; auch sind, da überliaiipt Anstrengung in diesem Lande,
mit einigen Ausnahmen , keine Nationaltugend ist , die meisten Arbeiter und Aufseher Aus-
länder, welche, nachdem sie sich etwas ersparet haben, das Land wieder verlassen. In-
dessen hatt-en Spaniens ManufacUiren und Fabriken sich unläugbar im Laufe des 18. Jahr-
hunderts, zumal in der andern Hälfte desselben, wieder gehoben. Alle aber haben durch
,ien neuesten Krieg unendiich viel gelitten , und leiden noch durch die im J. it52o ausge-
• brociieiie und noch immer wüthende Revolution. Zu Cari's I. Zeaea vcrsorgtün Spaniens
jji HI. luJiisliicUe Productioii. ^. gö. Znsland des curnp. Kuuslflcissts iin All^jnifincii.
Blanufacliircn und Fabriken einen Thcil Enropa's mit ihren Erzeugnissen; aber durch Ver-
treibung der betriebsiimcn Mauren unter Phiti/'p III. gingen sie fast ganz ein.
i) Wo es in Ansehung des Kunstfleisses beynahe noch trauriger aussieht, als in Spanien. Die
meisten Producte, selbst die aus den Nebenländern , gehen roh in die Hände der Auslan-
der, und was im Lande selbst verfertiget wird, ist gewöhnlich schlecht und ohne Ge-
schmack, und das Vorzügliche , dessen so wenig geliefert wird, ist meistens \on Auslän-
dern , Deutschen und Franzosen , die in portugiesischen Fabriken angestellt sind. In die-
ser schimpflichen Uuthätigkeit werden die Portugies<'n von den Britten immer noch mehr
bestärkt, die ihnen, seit dem bekannten Mclkuen-Tiaclat (genannt \ on dem englischen Ge-
sandten am portugiesischen Hofe), welchen England unter ^n/ia'i Regierung mit Portugal
abschloss , alle Fabricate zufuhren. Vergebens strebte Marquis i>. Pombal, das Land der brit-
tischen Zinsbarkeit zu entrcissen ; das jedoch gegenwärtig die Cortcs in's Werk zu setzen
suchen, indem sie seit Kurzem die Einführe englischer Manufacturwaaren einzuschränken
anfangen.
i) S. Statistische Bemerkungen über Dalmatien ; in den erneuerten vaterländ. Blättern u. s. w.
26.27.28. 1818. Diese Bemerkungen betreft'en nicht das dalmatinische Gouvernement in sei-
nem gegenwärtigen, sehr erweiterten Umfange, sondern das sogenannte All-Dalmalien ,
d. i. die drey Kreise von Zara , Spulatro und Macarsca , nebst den dazu gehörigen Inseln,
und mit Einschluss der , nun freylich zu Illyrien geschlagenen Inseln Feglia , Cherso und
Osero. Vergl. den Aufsatz : Über den Zustand der Industrie und des Handels im Königreiche
Dalmatien ; aus amtlichen Quellen bearbeitet \on fl/. //urteZ; im zweyten Bande der Jalir-
biicher des k. k. polytechnischen Institutes. S. 106 — i3o.
k) S. Polit. Journ. 1818, März. S 284.
Z) S. Crome a. a. O. S. 724. Vergl. Mensel a. a. U. S. 713.
ui) JN^ahmentlich üänemark , Sc/iifedcn und Nont'egfu , welche Länder sich durch Manufactu-
ren nie zu einem besondern Glänze erheben werden , da die meisten ihrer Fabricate \vegen
des hohen Preises die Concurrenz mit ausländischen Kuriolproducten nicht aushalten kön-
nen. In den langen Winternächten dieser Länder muss vieles beym Lichte gearbeitet wer-
den; die Rauhigkeit des Klinia's fordert eine kräftigere Kaluung der Arbeiter; diese erhöbt
den Arbeitslohn, und dieser die Preise der Waaren. Zudem müssen die meisten rohen Ma-
terialien vom A'.islande eingeführt werden. Endlich sind diese Länder nicht ^oIkreich ge-
nug, um so viele Hände für Fabriken entbehren zu können, wie z. B. in England und den
Isiederlandi-n geschehen kann.
u) Nahnieullich Russland und Ungern. Was Russhml betriflTl , so ist die Zaiil d<;r in dJesrm
Ungeheuern Reiche etablirlen Manufacturen und Fabriken verhältnlssmässig viel zu. geringe,
ob sie gleich von 1779 — i8i5 von 5oi — 3253 gestiegen sind, folglich in einem Zeiträume
von 36 Jahren sich mehr als versechsfachet haben. Zählte doch das o4ömal kleinere Öster-
reich unter der Eniis, mit Einschluss der Stadt (Fien , im J. 1811 3226 Fabriken und Ma-
; nufacluren (S. Hesperus. i8i3. Nr. 67. S. 532). Dann steht dasjenige, was in Russland
wirklich fabricirt wird , einige Ai tikel ausgenommen , den Kunstproducten des Auslandes
meist nach. Dazu kommt noch dei hohe Preis der russischen Kunstproducte , da der Sitz,
vieler Manufacturen und Fabriken z\x St. Petersburg , zu Moskau und in andern der volk-
reichsten Städte ist, wo, bey einer beträchtlichen Theuerung aller Lebensbedürfnisse, ein ver-
liältnissmässig hoher Arbeilslohn aui h hohe Preise der Fabricate unumgängliih noth^vendig
macht; wesshalb die russischen Fabrikwaaren die Concurrenz mit d. n ausländischen nicht
aushälfen können. Diejenigen Gegenstände dea Kunstfleisses , worin üii» Russen sich beson-
ders au.'jzclchnen, sind unstreiiig die Lederbereitung, die Seif lisied'. reyen und Lichterzie-
hereycn, und die Verfertigung der Segeltücher, des Tauwerks iind der Bastmatten. Um den
iuuiru Kunslfleiss. nocli mehr zu wecken und zu beleben , hat d.e russische Staatsverwal-
in luJ-iUiiollo P,j laolioii. §. gl. Mjaufjctiiren , \v,'Iclic Flaclis und ILmf vcraibjitoi. j-5
tung, nach dem Bcyspielc anderer Rpgicrungoii , das Prohibitivs) stein eingeführt, dem zu
Folge die Einführe von boynahe 2oo Artikeln, grössten Theüs Fabricateii , verboten, an-
dere aber gegen Entrichtung bedeutender Zollabgaben zur Einführe erlaubt sind. — Eben
so ist auch in Ungern nicht nur der IManufacturen- und Fabriken-Etat unbedeutend, son-
dern auch die Güte der Fabricale , mit Ausnahme einiger Artikel, z. B. des Leders, der
Debreczinerseife , des Tabaks u. s. w. , niittelmässig. Die vorzüglichsten Ursachen, warum
der Kunstdeiss in diesem, von der Natur so begünstigten Lande nicht gedeihen kann, sind :
i) die entschiedene Vorliebe der Nation für Ackerbau und Viehzucht, und die daraus ent-
springende Abneigung gegen jede Art städtischen Kunstfleisses ; 2) die schwache Bevölke-
rung, in Verbindung der geringen Anzahl der Städte und der Grösse des Arbeitslohnes;
besonders aber 3) die dem Kunstfleisse und der Handlung , wodurch er belebet wird , nicht
günstige Verfassung (s. Siebenbürgische Quartalschrift. 6. Jahrg. S. 555) , und das desshalb
herbeygefdhrle Verhältniss, vermöge dessen Ungern seine rohen Naturproducte fast nur
an die österreichisch-deutschen Erbstaaten zu \erkaufen, dagegen aber nur von diesen Ma-
iiufactur- und Fabrikwaaren zu kaufen angewiesen wird (s. i>. Schwarlnev a. a. O. S. 358),
ohne dos geringen Grades der bürgerlichen Ehre und Achtung zu erwähnen , dessen der
dritte Stand {ticrs e'lal) daselbst geniesst (s. Götting. gel. Anz. i8i5. St. 86. S. 854 ff)-
o) Wo zwar die Manufacturen und Fabriken zu den Bedürfnissen der Einwohner bev weitem
nicht hinreichen: aber in Ansehung der Güte mehrerer Kunstproducte kann es keine Nation
in Europa den Osmanen gleich thun , viel weniger sie übertrefTen. Ihr Garn , das theils aus
Baumwolle, theils aus den Haaren angorischer Ziegen an verschiedenen Orten verfertiget
wird, ihre Shawls und Teppiche fanden \cn jeher ßeyfall und grossen Absatz. In der Fär-
bcrey haben sie es zu einem hohen Grade der Vollkommenheit gebracht. Leder von vor-
züglicher Güte kommt gleichfalls aus ihren Manufacturen,. und ihre Schusterarboit ist fester,
kernhafter und feiner, als in andern europäischen Ländern. Die A erfahrungsart bey Verfer-
tigung der vortrefflichen damascirten Klingen ist ein den Türken eigenes Geheinmiss. Über-
haupt ziehen die Osmanen die städtischen Gewerbe der Landwirthschaft und den übrigen
Zweigen der Urproductlun ^■or ; doch ist der Fabrik- und IManufacturfleiss in der asiatischen
Türkey bedeutender, als in der europäischen.
a) Ü b c r s i c li t der n a h m li a f t e s t e n Zweige des c u r o p ä i s c h e ti Kunstfleisses,
und z w a r . d e r j c u i g e a Manufacturen, welche iM a t e r i a 1 i e n veredeln aus
dem Pflanzenreiche.
§• 94-
Manufacturen, welche Flachs und Hanf \ erarbeiten.
Unter den europäischen Manutacluron, welche Materialieti ans dem Pflanzc'nrci-
che veredeln, sind diejenigen die wichligslen und grössten, welche Flachs und Hanf
Terarheiten. Sie veredchi inländische TJrstoffe , beschäftigen durch Spinnen, Weben,
Zwirnen, Bleichen, Färben und Drucken eine ungemein grosse Menschenzahl, und
liefern die mannigfaltigsten Kunstproducte, deren Absatz um so sicherer und stärker
ist, da sie Gegenstände der allgemeinsten Bedürfnisse sind.
Die Garnspimierey ist theils als eine Vorarbeit fiir Leinwand- und andere Ma-
nufltcturen, theils als ein Nebengewerbe fiir Landleute und Städter überaus wichtig.
Sie wird am stärksten in Deutscliland betrieben, nicht nur für die eigenen Manufac-
luKui, sondern auch für die Leinwand- imd Zeugmanufacturen aller Art in ticr Scliwelz^
j,g III Ii:(ltislri,lle Prodiicliou ^. g4. Mniuij'.-.ctnrcr) , \\cli Iir Find s uiic! H.iif rrmilii itrii.
in HoUaiid j Frankrciili nml Englmul ^ -wohin jahrJirh eine Menge Garn aus Sclile-
sicn, Dühnicn, Mähren, Westphalen, Hanover, 01den])urg, und andern deutschen
Gegenden versendet wird, oligleich gegenwärtig hey weitem weniger, als vor dem
J. l8l5j weil zu jener Zeit die Brilten angefangen halten, Stoffe (der Leinwand ähn-
lich) aus Baumwolle 7m verfertigen, und jene dadurch enthehriich zu machen n).
Wenn vorzügliche Güte des Flachses und Geschicklichkeil der Spinner oder Spinne-
rinnen zusanmien treffen : so nmss man üher das feine Gespinnste erstaunen, welclies
Menschenhände liervorhringen können. Ecyspiele davon liefern unter andern TFest-
plialen b) ^ das lUesengehirge c) ^ die ScJnveiz d) und Schweden e).
Zivirn liefern hauplsäclilich die Niederlande ^ wo zu Haarlem zugleich der fein-
ste Zwirn in Europa (his zu 3oo H- das Pfund) verfertiget wird; dann Schottland f) j
Frankreich, das lomhardisch- venelianische Königreich g) , Schleswig inid mehrere
deutsche I^änder, vornehmlich Schlesienj Böhmen h) _, Ans Land ob derE?inSj Sach-
sen und TFestphalen j obgleich in den neuesten Zeiten hey diesem Artikel in einigen
der besagten Länder Missln-äuche, Unordnungen vuid Betriegereyen entstanden, in-
dem Län"Q Fädenzahl und Güte beträchtlich abgenommen haben, zum grösstcuNach-
iheilc des Publicums und des redlichen Fabricanten. Der Zwirn wird entweder auf
der Spindel, oder dem Spinnrade, oder auf der Zwirnmülde bereitet, und auf man-
cherlcy Art, als zum Nälien und Slricken, zur Bandwel)erey, vornelnnlieh aber zu
Spitzen gebraucht, die theils geklöppelt, theils genähet, tlieils gewebet werden.
Die feinsten vmd kostbarsten geklöppelten Spitzen j die Europa kennt, liefern die
JSiederlaude _, vornehndich die Städte Brüssel (von 84 — 5oo fl. die Elle), Antwer-
pen j Mechelii j Turulioul j, Brügge , Cortrjk ^ Meniti und Gent; die feinsten nächst
diesen Talenciennes j Dieppc j, IJa\'i-e de Graccj Honjleur und Jlengon in Frank-
reich Tondern i) in Schleswig, die Dörfer Zoc/e und Cliaux de fand und das Thal
Valtravers '\n\Y\\YsVc\\\.h\\me INeufchalel Ä) , das sächsische Erzgeliirg gegen Jnmi-
^er"- und Schneeberg hin, das böhmische Erzgeltirge, \\A\\\\c\\\\\.y:\\ i^ct Ellnbogner-
und der Saatzerkreis i) _, nebst IVien im Lande rniier der Enns, wo in einer privi-
Ic'irten Manufaclur Brüsslerspitzen und von mehreren Faliricanten Seiden- mid Zw irn-
\Virihsehari>spitzen verfertiget werden; die besten gewebten Spitzen aber Haarlem
in Holland, und die schönsten genäliten Spitzen Italien, Frankreich, Brabant und
En"land. Hall) genähte und halb gekl.ippclte Spitzen werden zu Brüssel verfertiget.
Wie ungemein die Kunst den Werlh eines Naliuprodiicts erhöhen kann, sieht man
unter andern an dem Ertrage dieser Arjteit. Aus einer kleinen Portion Flachs, von dem
Werlhe eines Groschen, spinnt der Schlesier fiir 2 Kthlr. Garn, der Holländer ideicht
und veredelt es zu feinem Zwirn, den der Brabanlcr und Sachse mit 24 Rtülr, kauft j
und diese endlich machen daraus für 200 Pithlr. Spitzen.
Leinene Bänder ^a\n\c\Tei\ \n\ Grossen hauplsäcldich Ilanrlem in Holland, Schle-
sien, Böhmen und Österreich unter der Enns , in welcliem letzteren Lande die Lei-
ncnb'änderfabrication besonders zwischen Grosssieghards und U'iddln.fen an der
Thaya betrieben wird, welche Gegend unter dem Nahmen des Bünderkrümer-
Ländchens bekannt ist, wo sich über 1000 Personen von der ^ erferligung leinener
Bänder ernähren.
III. Iiidusiriellc Protliiclion. §. g5. Manufacfiiren , welche Fl.ichs ii. Ilaiif vcrarb, Fortsetiimy^. i-j-j
fl) So hat z, B. Pieimsiscfi-Sj/ilts'ten an Leinengarn noch
im J. i8i4 nach EnglanJ veisoiidct . . . . 4^^5926 Ctr.
— — i8i5 4J5196 —
— — - 1816 aber nur noch 6,6gi —
Eben so sclialzie man tl.'n Garnhandel von HlUlesheiin bis auf die neuesten Zeiten aul
800,000 fi. ; jetzt aber ist er sehr herabgekommen. S. Hock a. a. O. S. 146 u. i5o.
6) Um BieteJ'ekl, Cüllerslo/te und Rillberg spinnen Bauern, die in Holzschuhen gehen, mit
den groben Händen , die den Pflug regieren , so feines Garn , dass aus einem Pfund Flachs
( ein Faden wird, der 25 Meilen, jede von 20,000 Fuss, lang ist, und dass 16 Stücke Garn,
oder 19,200 Fäden, jeder von 6 Fuss, wenn sie etwas zusammengedrückt werden, durch
einen Fingerring können gezogen werden. S. Grellinann a. a. O. S. 107.
c) Wo , Hrn. Hoser zu Folge , volljährige Männer den Flachs so sehr verfeinern , dass ein
Sliick Garn (zu 4 Strähnen, oder i2 Zaspeln, oder 240 Gebinden, jedes zu 20 Fäden, de-
ren jeder 3^ böhmische Ellen lang ist), oder ein 16,800 böhm. Ellen langer Faden nur 6 Quin-
tel wiegt. In der Umgegend xon SlarkenbacJi wird jetzt ein Leinengarn gesponnen und verar-
beitet, das feiner als das feinste Menschenhaar ist, und dahey eine unglaubliche Festigkeit besitzt.
cl) Im Canton Appenzell ^ nahmentlich in dem Thcile Ausser-Rhoden , spinnt man aus einem
Pfunde Flachs einen 400,000 Fuss langen Faden. S. Crome a. a. O. S. 643.
e) Die Spinnerinnen im Kirchspiele J\älra spinnen aus einem Lothe Flachs 4000 Ellen Garn.
S. AUg. gcogr. Ephem. Bd. 27. S. 297.
/) Wo zu Paislej allein i3o Zwirnmühlen für 1,980,000 fl. Zwirn jährlich liefern.
g) Wo die Fabrication des leinenen Zwirns besonders in der Provinz Brescia von solchem Be-
lange ist, dass davon jährlich für eine Million Lire ausgeführt wird.
Ii) Wo die Verfertigung des Zwirns vornehmlich im Leulmerilzerkreise an 2480 Personen be-
schäftiget, welche jährlich bey 5,5o,ooo St. Zwirn liefern.
i) In und um Tondern , dessgleichen in der nördlichen Hälfte des Herzoglhums Schleswig,
und in einzelnen benachbarten Inseln, sind gegen i2,ooo Mädchen beschäftigt, mit Verfer-
tigung von Spitzen, die Hamburger Elle von 4 Kreuzern bis 2 holländischen Ducaten ; jähr-
lich (J. 1804) für 1 Mdl. fast i| Mdl. fl.
k) Wo das Spitzenklöppeln gegen 5072 Personen (Kinder, Mädchen, Weiber, Greise; im
Winter selbst Männer) beschäftiget, wodurch i,5oo,oOo Livr. jährlich in's Land kommen.
/) In beyden Kreisen beschäftiget das Spitzenklöppeln über 17,000 Personen. Es werden hier
Spitzen die Elle ^on 5 Kreuzern bis 4 fl. verfertiget, im Ganzen für 640,000 fl. jährlich.
§• 95.
Fortsetzung.
Von dem Flachsgarnc , welches niclit gezwiint wird, viehelm^n Leinwand. Es
gibt grobe j mittelmässige , feine und sehr feine Leinwandsorten (Battisi). Man macht
auch bunte und gestreifte Leinwand, gebildete oder gckiepertc, dahin insonderheit
der leinene Damast oder die Damastleinwand, der ZwiUig und der Drcll gehört, ge-
färbte xmd gedruckte, gewichsete (Wachstuch, WicJisleinwand) und geleimte (Schei-
ter oder Steifleinwand, wovon die ganz grobe Starrleinwand, die feinere Glanzleiu-
wand heisst). Das Hauptland fiir die Leuiwandmanufactur ist noch immer Deutsch-
land ^ obgleich der Flor derselben durch den Druck der Zeiten, besonders aber durch
die Handelspolitik der Engländer, und die immer grössere Verbreitung und Wohlfeil-
heil der batunwollcnen Zeuge und der Halbleinwand (s. unten) ungemein verhindert
23
178 III. Industrielle Production. §. g5. Mannfacturen, •welche Flaclis u. Hanf verarb. Fortsetzung.
■wird; näclisldem wird die meiste Leinwand in den Niederlanden _, in Irland ^ Süd-
schottland _, im nördlichen Frankreich _, in der Schweiz _, in Russland ^ Polen j Ga-
lizien und ungern verfertiget; die feinsten Gattungen aber werden gewebt in den
Niederlanden j in Nordfrankreich j in der Schweiz imd in Deutschland , vornehm-
lich in Ostfriesland _, Westphalen^, Schlesien ^ Böhmen,, Mähreji_, in der I^ausiiz ,
FrajikeUj, Schwaben , in verschiedenen Rhein- und andern deiitschen Gegenden. —
Verschieden von der ächten Leinwand ist die Halbleinwand , die seit einigen Jahren
einen eigenen Handelsartikel ausmacht, indem nur die Kette Leingarn, der Eintrag hin-
gegen Baumwollengarn ist. Diese Quasileinwand wird stark im britlischen Reiche, be-
sonders in Irland verfertiget, und in alle Länder verfuhrt. Sie ist es eigentlich, die
die deutsche Leinwand immer mehr und mehr von ausländischen Märkten verdrängt c?).
Die Einfuhrung der jMaschinenspinnerey , durch welche nach und nach die Preise der
Flachsgarne in demselben Verhältnisse, wie bey den Baumwollengarnen, herabge-
bracht werden können, ist daher von grosser Wichiigkcit, weil nur durch diese Ma-
schinerie dieser alte, unserm Vaterlande natürliche Lidustriczweig wieder gehoben,
und zu einer grössern Ausdehnung als jemals gebracht werden kann. Es ist daher merk-
würdig, dass gerade Deutschland ^ nahmentlich Oesterreich unter der Enns ^ im
Besitze dessen ist, was den Engländern nicht gelingen wollte, im Besitze einer sehr
vollkommenen Flachsspinnmaschitie-Fabiik zu Hirtenberg (einige Stunden von Wien).
Diese Fabrik arbeitet gegenwärtig init 20 Feinspinomaschinen. Das Garn zeichnet sich
durch Gleichförmigkeit und Festigkeit aus, so, dass die Leinwandfabricanten es vor-
zugsweise zur Anwendung für die Kette kaufen b').
Die Ijerühmtesten Bleichanstalten sind in den Niederlanden , vornehmlich zu
Haarlem und Cortryk; die besten und grössleu nächst diesen aber zw Perth in Schott-
land, in Irland j Nord f rankreich, i\x Bielefeld in Westphalen , in ScJdesien und Böh-
men j in welchem letzteren Lande die Lcinwandmanufacturen ungefähr 355 Bleichen
beschäftigen, worunter die Bleiche zu Landskron gewiss eine der grösten Unteineh-
mungen dieser Art in der Welt ist. Es können darin zu gleicher Zeit 6000 — -jboo
Schock , rmd in einem Jahre füglich 20,000 Schock Leinwand abgebleicht werden.
Die abgetragene Leinwand, oder die Lumpen weiden verbrannt als Zunder , ge-
zupft als Charpie und sonst auch noch zu andern Zwecken, voi-nchmlich aber zur Ver-
fertigung des Papiers j in eigenen dazu eingerichteten Mühlen, benutzt. Es wird von
vorzüglicher Güte und Schönheit in Holland , England j, Frankreich , Italien imd
der Schweiz erzeugt. Frankreich und besonders Holland, das fridier als Frankreich
Vehnpapier lieferte, hatten lange den stärksten Papierhandel in Europa, und ver-
sorgten <len grösslen Theil desselben. Selbst England erhielt bis in die neueren Zeiten
das bessere Papier aus der Fremde, hat aber sehr schnelle Fortschritte in der Ver-
fertigung desselben gemacht und jetzt eine sehr starke Ausfuhre. Auch wird in Eng-
land die Methode, mittelst der oxydirtcn Salzsäiu-c, nicht bloss Linnen, sondern auch
Lumpen und Papierteig zu bleichen, und alten Kuferstichen und gedruckten Büchern
die vorige Weisse wieder zu geben, von verscliiedenen Künstlein mit giilem Erfolge
in Ausübung gebracht. Das erste Leinenpapier ward in Deutschh/nd gemacht ; schott
im J. i3go waren daselbst Papiermühlen im Gange , Vt'ilirend in-Russland die erste
III. faJuslricIle Production. ^. g5. Manufacturen, «eiche Flacbo ii. Hanf verarb. I'oitsetiunj; i^g
Papiermühle im J. 1712 i^ebauet wurde. Im J. i8l5 waren deren dasell)st 67 vorhan-
den, während Dculscldand deren gegenwärlij^ an 5 — 600 zählt, die jährhch etwa ge-
gen 140,000 — iSojOOO Ballen Papier liefern, wozu die in dem Kreise Unier-Wicner-
vald im Lande miler dcrEunshefindliclien 11 Papiermidilon allein jährlich 20,5oo Bal-
len oder 2o5,ooo Riesse heylragcn. TJhcrlianpl erzeugt Deutschland dieses Fahricat in
hinreichender Menge, obgleich dorPapicrverhrauch, den thcils die ühcrlri«hcne Schrift-
sleUercy, ihcils die grosse Menge besonderer Regierungen und Kanzleyen daselbst er-
fordert, imgeheuer ist. Aber 'in Umsicht der Feinheit und Güte steht es im Ganzen dem
holländischen, englischen, französischen, italienischen und schweizerischen nach.
Indessen machen seit einigen Jahren mehrere P'aljriken im Lande unter der Enns , in
Böhmen, Mähren und andern deutschen Ländern in der Papierl"al>rication nicht un-
bedeutende Fortschrille. Unter andern erzeugen die Papierfabrikeji zu Frunzentlial
nächis Ebergctssingj, zu Untei-ivaltersdorif und Guntramsdovf un Lande unter der
Enns (letztere mit chemischer ßleiclie) Post- und Velinpapier, das dem ausländisclien
wenig nachgibt. Nur so schönes und grosses Zeichen- und Kupferdruck|»pier liefern
die deutschen Papicrmülilen nicht, wie das Ausland. Indessen ahmt die oben erwähn-
te Fratizenthaler Papierfabrik das französische Cylinderpapier mit Gliick nach.
Unlcr den aus schlechten Lumpen, alter Maculatur und dergleichen verfertigten
Pappen sind besonders die Pressspäne merkuiirdig, die bekanntlich in WolJcnmanu-
faciuren oder von Tuchbereitern beym Pressen der Tiicher und Zeuge gebraucht
werden. Die Erfinder derselben sind die Engländer, die ihren Tüchern mid Zeugen
damit den vortrefflichen Glanz geben, der sie so sehr zu ihrem Vorthcile auszeichnet.
Die englischen Pressspäne sind sehr dünn, sehr fest und so hart wie Hörn, sie haben eine
so glatte Oberfläche, dass sie wie lackirt aussehen. Man verfertiget sie bloss auf zwcy
Papiermiihlen in Yorkshii-e imd StaJfordsJiii e. Indessen hat man es seit einigen Jah-
ren in der Fabrication dieses Artikels auch in andern Ländern Europa's , nahmcnüich
in Frankreich _, den Niederlanden , im Venetiainsclien (zu Pordcnone) , in Oester-
reich unter der Enns (zu Rannersdorf) , Mähren (zuLiitau), Böhmen (zu Hohenelbe,
Kronau, Altstadt, Trautenau u. s. w.), der Provinz JSiederrliein (zu Malmedy) und
in Ostpreussen (zu Trutenau bey Königsberg) zu einem, hohen Grade der Vollkom-
menheit gebracht.
Der //ii7if wird eben so, wie der Flachs, nur nicht zu so feinen Geweben, ver-
arbeitet (obwohl auch ein sehr feines Gespinnst daraus gemacht werden kann) j ausser-
dem aber zu Bindfaden, Stricken, Seilen, Strängen, Gurten, Lunten, Netzen, Schiffs-
tauen , Pack- luid Segeltuch , auch das Werg zum Dichten der Fugen an den Schiffen
und dergleichen in Menge benutzt; daJier insonderheit in Seestädten die Seilerejen
ein wichtiges Gewerbe sind. Den stärksten Handel mit Tauwerk und Segelluch treibt
Russland. Im. Jahre i8l2 führte es von diesen .litikcln für 2,658,020 Piubel aus. ^'or-
ziiglich weisses und solides Segelluch liefert Holland j und selbst das Ungeblcichle
von NordhoUaad ist vortreff^lich.
d) In welchem Flore die Leinwandmanufacturen in Deutschland noch vor dem Jahre i8i5
und früher waren, beweiset die ungemein grosse Ausfulire ihrer Leinwaarenerzeugni.'.sc
nach fast allen europäischen Ländern, und entweder unmittelbar, oder durcli ^iele der lelz-
20*
i8o III- luduslrielle Pioduction. §. g5. BaumwolleumanufacUiieii.
terii , nach fVeslindien und Amerika, wodurch der deutschen Industrie mehr als 3o Mill.
Tlialer zugeflossen sind, an welchem ausgezeichneten Geldgewinne Böhmen, Schlesien und
die Lausitz den grössten Antheil nahmen. Eben dessiialb war dieser Zweig des deutschen
Ivunslfleisses , wie die Zeitschrift Hesperus (1818, Nr. 33. S. 258) bemerket, schon seit 5o
Jahren den Britten ein Dorn im Auge , und ein wichtiger Gegenstand ihrer anhallenden
Eifersucht; sie suchten denselben auf eine künstliche Weise zu untergraben, den Zug der
deutschen I.<einenwaaren in jenen Welttheil und in Spanien, Portugal und Italien zu ver-
sperren, und das Bediirfniss der Leinenwaaren der Bewolmer jenes Weltlheils und euro-
päischer Länder durch Erfindung einer Art baumwollener Leinwand (chamhrigl genannt)
entbehrlich zu machen ; daher sie auch in den letzten Friedenstractaten mit den südlichen
Continentalmächten sich sehr klug und ^orsichtig zu bedingen suchten, dass Deutschland
keinen mittelbaren Handel weder mit Leinen- noch Glaswaaren nach Malta unternehmen
dürfe. — Aus Belfast in Irland wurden ^•om 1. Jan. i8o2 bis dahin i8o3 16,070,200 Yards
(engl. Ellen) für mehr als 1,807,000 Pf St. exportirt. — Russland führte im J. 180/1- Wr
1,278,193 Rubel Leinwand und Serviettenzeug aus. — Aus Polen wurden im Jahre i8o2
40,260 Stück ordinäre und Packleinwand (wo\on | in Galizien gemacht waren) über Danzig
zur See nach England , Holland , Portugal und Spanien versendet ; die meiste feine Lein-
wand aber holen Polen und Galizien aus Schlesien und Böhmen. — Die in der Zips , Un-
gerns Hauptlein>vandmanufactur , erzeugte Leinwand nimmt über Debreczin und Pesfh ih-
ren Zug nach dem Banat , der Bukowina, nach Siebenbürgen, in die Moldau, Walachey
und Türkey überhaupt, und wirft jährlich einen Gcwiim von 5oo,ooo fl. ab. Dagegen be-
zahlte Ungern im J. i8o2 für fremde, meistens feine Leinenwaaren, die bedeutende Sum-
me von 2,692,265 (1.
b) S. Beyträge zur Geschichte der Fortschritte der Gewerbs-Induslrie und des Handels in der
österreichischen Monarchie in den drey letzten (1816 — 1819) Jahren; im ersten Bande der
Jahrbücher des polytechnischen Institutes in Wien. S. 355 — 401.
§. 96.
Baumwollen m a n u f a c t u r e n.
Überaus erheblich und ausgebreitet sind ferner auch die Baiunwollenmaniifac-
titrerij ob sie gleich nicht so nützlich sind, als die LeinWandinanufacttircn , weil sie
ausländischen Stoff verarbeiten, wofür ungeheure Summen nach Amerika, Asien imd
in's südöstliche Europa gehen. Es wird dieser Zweig des Kimstfleisses fast in allen Län-
dern Europa's, am stärksten aber in Grossbritannien aj j imd nächstdem in Deutsch-
land b) j, Frankreicli c) j, der Schweiz d) und im osinanischen Reiche e) betrieben.
In Ansehung der Neuiieit, Mannigfaltigkeit und Annehmlichkeit der Muster, so wie
in Hinsicht auf die Leldiaftigkcit der Farben, nuissten jedoch die in den neuesten Zei-
ten (1814 — 1817) in grossen Massen auf die deutschen Messen gebrachten englischen
BaumwoUenwaaren, dien deutschen jyovne\ai\\ic\i den bölimischen f) und säc/isischenj
dann den franzijsischen und schweizerischen überall nachstehen. Denn bekanntlich
machten die Baumwollenmanufacturen der Deutsclien j Franzosen und Schweizer j
während des Napoleoiiischen Continentalsjstems ^ das die englischen Waaren vom
festen Lande ausscliloss, in ihrer Kunst sehr bedeutende Fortschritte, während die
Bi^itten j keine Concurrenz mehr fürchtend, und auf ihren Lorbecrn als Manufacluri-
Äten ausruhend , mehr die Schnelle als die Güte und den Geschmack der Verferti-
in. Iticiustrielle Prodticlion. <J. g6. Bauniwollemiiauiifacluieii. l8i
gung gesucht haben ^ und als sie wieder anfingen, Deutschland mit ihren W^aaren zu
überschwemmen, verschleuderten sie dieselben, so, dass sie aul' der Messe zu Ffiuik-
furt an der Odei- im J. 1814 ganze Kisten mit Gatlunen, die Elle für 5 Groschen Cuu-
rant, verkauft hatten.
Übrigens sind von den verschiedenen Baumwollengeweben die bekanntesten: Cat~
tu/ij ZitZj Nesseltuch oder Moiisselin j Perkai j Nanqiduj Manchester j Simnoise ^
Barchent j Kannefas u. s. w. Den besten Manchester liefert die Stadt gleiches Nah-
mens in England, vortreflfliche Caltune und Zitze Böhmen und Sachsen, und die
schönsten gestickten INIousseline die Schweiz, für deren Mousselin-lManufacturen die
SchwarzwalderM'iidclien sticken, und die P^orarlberger Mädchen, die sich eben-
falls durch schöne Stickerey auszeichnen , spinnen ; allein durch die französische Re-
volution und durch die neueren Einfuhr-Verbothc in Frankreich sind, mit den Schwei-
zer-Moussclin-Fabriken , diese Stickereyen und Spinnereyen sehr in Abnahme gera-
then. — Der Kunst der Türken, die achte rothe Farbe oder Türkisch - Pioth auf
Baumwollengarn zu färben, ist man in England j Frankreich und Deutschland sehr
nahe gekommen; aber noch hat man sie nicht erreicht. Daher treiben die Türken mit
diesem Garne, vorzugsweise das türkische Garn genannt, einen beträchtlichen Han-
del. Es wird zm. Amhelakia j einem beriÜimten Dorfe bey Larissa in Thessalien, in
einer Menge von 25oo Ballen jährlich gefärbt, so wie auch an vielen andern Orten ,
so, dass im Ganzen 10,000 Ballen davon ausgeführt werden.
a) Wo die BaumwolJenmanufacturen durch die Spinnmascliinen ungemein vervielfältiget und
verbessert wurden. Dahin gehören tlieils die zahlreichen Handmaschinen , theils und zwar
vornehmlich die grossen Spinnmühlen, welche durch Richard Arkwright ^ einen armen Bar-
bier, der 1773 ein Patent darauf erhielt , in Gang gebracht wurden, und eine Hauptepoche
für die zahlreichen englischen Baumwollenmanufacturen machen, besonders seit der Zeit,
als man die Dampfmaschine damit vereiniget hatte. Das auf Maschinen gesponnene Garn
fällt \iel gleichförmiger , schöner und wohlfeiler als das mit Menschenhänden gesponnene ;
und so auch das aus dem Garn gebildete Gewebe , z. B. Cattun , Mousselin u. s. w. Im
J. 1799 ward bey einer Wette in Manchester aus einem Pfunde Baumwolle ein Faden von
16g englischen Meilen gesponnen. Eine einzige Maschine spinnt 60, 100 und mehrere Fä-
den auf einmal. Schon im J. 1788 hatte sich das Baumwollengewerbe in Grossbritannien so
ausgebreitet, dass man i43 Wasser- und 600 andere Spinnmühlen oder Maschinen, nebst
20,000 Handmaschinen zählte, bey denen im Ganzen 160,000 Männer, qo,ooo Weiber und
100,000 Rinder nur zur Aufsicht und zur Nebenhülfe angestellt waren. Seitdem hat dieses
Gewerbe noch sehr zugenommen. Im J. 1787 wurden 22,600,000 Pf Baumwolle verarbei-
tet; im J. 1799 ^^^ wurden 46 Mill. , und i8o2 gar über 65 Mill. Pf. Baumwolle einge-
führt, mit deren Verarbeitung 800,000 Menschen beschäftiget waren (s. Allg. geogr. Ephem.
Bd. 24. S. 290). Aber einige Millionen Menschen würden dazu erfordert, wenn alles Garn,
welches in Grossbritannien die JMaschinen spinnen , mit den Händen gesponnen werden
sollte. Bey gut eingerichteten Spinnmaschinen kann ein Kind 40 — 5o Fäden besorgen. Allein
eben desshalb , weil die Spinnmaschinen eine Menge von Menschen entbehrlich machen,
hatle sich in den Manufactur-Gegenden Englands im J. i8i2 eine Bande missvergnügter
Fabrikarbeiter (die sogenannten Lnddilen) erhoben, die, weil es an Beschäftigung fehlte,
überall , wo sie hingelangen konnten , die zur Fabrication bestimmten Maschinen zerstörten,
wodurch der Fleiss von Generationen oft in einer Nacht zn Grunde ging. Der 3Iittelpunct
und Hauptort der iii England blühenden Baumwollenmanufacturen ist die Stadt Maiiciieslerj
l8a III. liiihislrielie ProiIuctioD. ^. gfj. Baumwolleuniamifuctnrin.
deren Volksmenge im J. i65o nur 27,000 Seelen betrug, aber, bey den grossen Fortschrit-
ten des Kiinsifleisses , im J. 1781 auf 5o, 000, 1811 auf f)8-.570, i8i5 gar auf 110,000 Indi-
viduen sieb belief, worunter mehr als 2oo Raufleute waren , welche Manufacturen unter-
hielten, besonders in Manchester , Plüschen^ CallciUs , J^fousseliiieii , dessgleichen in Ver-
fertigung baumwollener iSähscide , und in andern Baumwollenwaaron , dessgleirhen in Cat-
tunitiuckerej'en , mll ansehnlichen ü/ficÄe« und trefTlirhen Färbercren und Appretur- Anstallen.
An Baumwolle verarbeitete man in hiesigen Werkstätten im J. i8i5 an i,5no,ooo Pf. , mit
Beyhiilfe von zahlreichen, durch Steinkohlenfcuer im Gange erhaltenen Dampfmaschinen,
auch mit Benutzung der neuen Gaserleuchtungen und zugleich Erwärmung grosser Werk-
stätten mit Steinkohlen. — Die englischen BaumwoUen-Spinnmasehiiien blieben nicht ohne
Kachabmung. Nach dem Muster derselben v\urden auch in andern europäischen Staaten,
wie z. B. in Österreich , Preussen , Sac/tsen , Frankreich , grosse Baumwollen-Spinnmaschinen
angelegt, wodurch die in denselben befindlichen Manufacturen mit den ihnen nöthigen Gar-
nen , besonders von den niedern Nummern vollständig versehen werden , so , dass der Ein-
gang der englischen Garne, wofür ehedem aus Österreich allein jährlich i2 Mill. fl. nach
Eiii^land gingen (s. Arclienholz Miner\a. 1806. Bd. 3. S. 538), wo nicht ganz entbehrlich
gemacht, doch wenigstens sehr veniiindert wird; ja, Frankreich soll in Ansehung der Men-
ge und Feinheit der Baumwollenspinnerey schon so weil gekommen seyn , dass es, statt
Baumwollengarn einzuführen, vielmehr das Ausland damit versieht. S. Allg. geogr. Epliem.
1810. Juny. S. 25i. Wie weit man es in der Feinheit der Baumwollenspinnerey in Deutsch-
land gebracht hat, beweiset unter andern die Garngespinnst-Manufactur zu Sch{vaadorf \n
Österreich unter der Enns, wo auf den Mules oder Feinspinnmaschinen bey Nr. Go (eine
höhere Nummer wird selten verlangt) ein Pfund westindischer Baumwolle bis zu einem Fa-
den von 8q,22o Ellen , oder über g deutsche Meilen ausgedehnt >vird. Bey Nr. 2oo würde
das Pfund Baumwolle bis zu einem Faden von 3o deutschen ]Meilen Länge ausgedehnt wer-
den. Die maccdonische Baumwolle kann in der Regel nur bis Nr. 25 gut gesponnen werden.
/)) Wo der Hauptsilz der Baumwollenmanufacturen im Erzherzogthume Österreich, insonder-
heit im Lande unter der Enns , dann in Böhmen , Mähren , Sachsen , Brandenburg, Cleve-
Borg , in einzelnen baierischcn und würtembergischen Städten und in der freyen Stadt Ham-
burg ist.
c) Wo jährlich 32 Mill. Pfund Baumwolle eingeführt werden, die von 700,000 Arbeitern [auf
den Werlh von i5o Mill. fl. \crarbeilet wird.
d) Wo jedoch die Baumwollenmanufacturen, aus Mangel an Absatz im Auslande, nicht mehr
so blühend sind, wie in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Am bedeutendsten
Avaren sie im Canton St. Gallen , wo in und ausserhalb Landes über 80,000 Menschen sich
mit Spinnen , Weben und Sticken von Baumwolle und Mousselinen beschäftigten , indem
die Fabricanten in der Stadt St. Gallen ihre Factoren in Schwaben sowohl als in derSchweiz
selbst hatten , welche die fertigen Mousseline an Stickerinnen vertlieillen. Man schlug die
Menge der jährlich fabricirten Zeuge auf 200,000 Stücke an.
e) Wo bloss in der Stadt Saloniki jährfich 2000 Ballen , und in ganz Griechenland über
20,000 Ballen Baumwolle verarbeitet werden. In der Levante bestehen selbst die Segel ans
Baumwolle.
/) An baumwollenen Meubelstoffen und gefärbten Tüchern von Zitz waren Erzeugnisse von
ähnlicher Vollendung nicht gesehen worden, als die Fr. Leitenberger'sdie Fabrik zu Co.idm-
nosi im Bunzlauerkreise sie in der Leipziger Herbstmesse 1816 aufstellte. Die linglinJer
selbst kauften, wie der Correspondent v. und f Deulscbland, Nr. 170. 1817 borichtel, viele
Si-ücke davon, um nur die Musler nachzuahmen..
Hl. Industrielle Pioduclion. §. 97. Manufacturen , -welche Getreidesameix Tsrarbeiteii. igj
§• 97-
Manufacturen, welche Getrel desam en verarbeiten,
Durch die nicclianische Bchandlimg der Samenkörner der Getrcidearlcn in eige-
nen dazu eingerichteten Mühlen erhidt man Graupen _, Grütze j Gries und Mtlilj
welche Kunsiproducte für Russland und einige deutsche Länder wicJitigc Handels-
artikel sind. — Das meiste TVeitzenbrot wird in England _, Frankreich und Italien
gehacken. Auch der Unger hält viel auf ein weisses, schönes Brot, und die ungri-
schen Hausmütter sind luistreitig Meisterinnen im Brothacken. Man hedient sicli aher^
um den Brolteig in Gährung zuhringen, dahey nicht des gewöhnlichen Sauerteigs,
wie hey den Deutschen üblich ist , sondern eines eigenen dazu bereiteten süssen Fer-
ments oder Gährimgsmittels aus Kleyen. Das weisseste, schönste, grösste (zehn- bis
zwölfpfündige Laib), höchste und wohlschmeckendste Brot wird in Debreczin ^ im
Ä/i«rer Gomitaie und in Komorn gebacken, nicht von zünftigen Bäckern, sondern
von Hauswirthinnen , die sich damit, als mit einem einträglichen Nebengewerbe zum
öffentlichen Verkaufe auf dem INLirktplatze beschäftigen. Man zieht ein solches Brot
mit Recht allen Senuneln vor, vmd braucht es an deren Statt in allen Speisen, und
das ist die Ursache, warum auch in den volkieichsten Ortschaften der Weissbäcker
mit seinem säuern Gebäcke nicht aufltommen kann. Dagegen ist in Westplialen der
sogenannte /'M?77/;er///c/ieZ beliebt, ein grobes Brot, wozu das Mehl nicht gemahlen,
sondern nur geschroten wird, und im TValliserlande in der Schweiz findet man Thä-
1er mit Einwohnern ohne Brotbäckereykunde. Li Engadin backt mau jährlich nur
zweymal Brot, jedes Mahl zum Bedarf eines halben Jahres. — Die Verfertigung der
Nudeln und Macuroni ist ein Gegenstand des Gewerbes in Italien und Deutschland ;
in jenem Lande vornehmlich in Neapel j Rom und Bologna _, in diesem zu Triest _,
Nürnberg und Erfurt. Neapel allein fiihrt jährlich für 176,000 Ducati JNudcIn aus.
— Die meisten Biscuits- und Pastetenfabriken sind in Frankreich, vornehmlich zu
Paris j wo man 1000 Pastetenbäcker gegen einen Verfertiger mathematischer Listru-
mente zählt, obgleich diese Hauptstadt mit kleinen Biscuits und Stör- und Aalpaslelen
auch von Albeville aus stark verschen wird. Berühmt sind auch die zu p'erviers fa-
hi-icirten Pasteten. — Zu den kiinsllichcn Bereitungen aus Mehl gehören auch die
Oblaten j die unter andern für England ein Handelsartikel sind. Dänemark erhielt von
1797 — l8o3 für gi6 Rthlr. Oblaten aus England.
Der Getreidesanien enthält einen klebrichten, stärkeartigen und schleimichlzucker-
arrigen Theil. Durch Absonderung der übrigen Theile von dem stärkearligen erhält
man die Stärke oder den Jmidom_, das Kraftmehl ^ am besten aus dem Weitzen.
Vorzüglich gut ist die //Y?«zöür/5c.7/e Stärke ; man zieht sie der böhmischen j sächsi-
schen und preussischen vor, weil man in diesen Ländern die wahre Kunst des Trock-
nens der Stärke nicht zu verstehen scheint. Li Ungern wird dieses in der Hauswirtli-
schaft so nolhwendige Kunstproduct von den Hauswirthinnen selbst erzeugt, wobey
sie ohne chemische oder technologische Kenntnisse zu liaben, auf eine sehr einfache
Art verfahren, und sich damit gewöhnlich auf ein ganzes Jahr versorgen. — Die auf
kleinen Handmühlen oder mit Walzen zerriebene und mit Weingeist eingefeuchtete
l84 IH. InJustrielle Proiluctioa. §. 57. Manuf.iclcireD , wclclic Getrcidesamen verArliciteu.
Stärke gil>t den bekannten Hnarpuder j, ein in unseren Ta^en nicht mehr so gangbarer
Artikel , wie vor der Craiizösischen llevohilion. Zuerst bedienten sich des Haarpuders
nur Hofnarren und Schauspieler.
Der schleimig-zuckerartiye Theil des Gelreidesamciis gibt, mittelst der süssen
Gährung, das Biev ^ am meisteia aus der Gerste und dem Weilzenj durch die saiue
Gahrung aber, wobcy auch kein Hopfen hinzugesetzt wird, Essig. Die nicislca uiul
besten Bierbraiierejeii findet man in Grnssbj'Uniuiien _, wo zugleich die erlieldich-
slen Gewerbsanstahcn dieser Art sind d); niichstdeiu in den Niederlanden (zu Lb\ven_,
Antwerpen j Meclieltij JSiinwegen und ff'eesp) und in Deutschland, vornchinlich in
Baiern b) _, Böliinen c)j der Mark Brandenburg j \\\ Pommern j in der Provinz Sac/i-
sen und im Ilalberstüiltischen j in Braunschweig , llanover j in den anltaltisclien j
schwaizbiirgischen j reussischen und lippe'schen Liindern, so wie in den freyen
Siiidien Uli III bin g und Liibeck. In Mäliren _, Schlesien d) _, und selbst im Erzherzog-
tliume OesterreicJi e) haben die Ijierl)rauereyen bedeutende Forlschritte gemacht,
mid erzeugt man, wenn anders dieEigenthiimer oder Pächter der Brauhäuser das nü-
thige Ma'.eriale nicht sparen, und sicli bey der Arbeit nicht übereilen, auch gutes
Bier; doch fehlt es bey den mannigfaltigen Gattungen Bier, noch an jenen stärkeren
Sorten , welche in Norddeutschland und England gebraut werden. Auch in Russland
ist die Bierbrauerey ein wichtiges städtisches Gewerbe ; im Gouvernement Moskau al-
lein bestehen 118 Bierbrauereyen. Das englische Bier wird, so wie das baierische
und Ze/'^i'<<?A'j weit und breit verführt; A\c braanscliweigische Mninme geht selbst
bis nach Ostindien. In England sind zwey Manufacturen im Grossen angelegt, wo aus
Stärkzucker j d. i. aus dem mittelst Schwefelsäure in Zucker verwandelten Stärkmehle,
Bier ])ereilet wird, welclics hell, geistig, kraftvoll und von angenehmen Geschmack
ist. Übrigens sind die Bierbrauereyen in Europa, insonderheit in den Niederlanden
und in Deutschland _, nicht mehr so beträchtlich, als sie vor der Einfiidirung des Kaf-
feli und Thce , und dem stärkern Gebrauche des Weins und Branntweins waren. —
^ on Essig j dessen Nutzen und Gebrauch in der Havishallung, in der Arzneykunst und
in verschiedenen Gewerben sehr ausgebreitet ist, gibt es hauptsächlich dreyerley Sor-
ten: Bier- oder Fruchtessig _, aus Geti-cidekörnern, TVeinessigj aus sauer gewordenen
Weinen und Weinhefen, und Cider- oder Obstessig. In unsern Tagen hat man in
einigen Ländern, nahmentlich in Mähren , Österreich unter der Enns und in Frank-
reich, gelungene Versuche gemacht, auch aus Holz Essigsäure zu erzeugen.
Mittelst der Destillation durch Hülfe der Wärme in verschlossenen Gefässen zieht
man den brennbaren Geist, den sogenannten Branntwein. Die Materialien, woraus
man Branntwein erhallen kann, sind Wein, Weintrcsiern und Weinbefen, Gelreidc-
körncr, Obst,- Kartoffeln u. s. w. , kurz alle diejenigen Püanzensäfle, welche in eine
geistige Gährnng geralhen. Man machte eher Branntwein von Wein als von Roggen
vmd \Veitzen. Selbst der Nähme: gebrannter TVeiUj wie er anfangs hicss, zeigt die-
sen Ursprung an. Jetzt nennt man den ans Wein bereiteten Branntwein gewöhnlich
Franzbranntwein (coignac), und verfertiget ilm nirgends häufiger imd besser als im
sü Uichcn Frankreich; sonst wird dieses Kunstproduct auch in Ungern und andern
Weinländern in grosser Blende erzeugt. Zu den ])ckanniestcn BrannUveinsorien von
in. Industriello Productioa. § 97. Manufactitrcn , wciclie Getrcidcsimen verarhcilc«. itiO
Obst gehören der Pßanmhibranntwein (Slh'Oi'itze) und das Kirschenwasser (s. oben
Baumfrüchte). Kiirtoff\'ln werden unter andern in Öslerreirliiscli-Schlesicn, in den
Rheingegondcn und in Schweden zum Brannlwcinbrcnncn benutzt, und in Dalmaticu
Avird auch aus den Früchten des Erdbeerbaumes Branntwein gebrannt. Am gewöhii-
hchsten aber wird in Eiu'opa der Branntwein aus Getreide gewonnen. Diese Branni-
wcinsorte ward zuerst bey den Arabern bekannt 5 Anfangs als Arzeney gebraucht^ im
l5. Jahrhundert in Italien bekannter, und von da aus bald allgemein verbreitet, da
besonders der gemeine Mann sich so an den Gebrauch dieses Getränkes gewöhnt hat,
dass es ihm zum Bedi'irfnisse geworden ist. Wie stark die Consunilion dieses Getränkes
in Europa, insonderheit in dessen Nord-, Ost- inid Mitlelländern, imd wie einträglich
zugleich das Brennen und Ausschenken desselben für Privatpersonen, hier und da ftir
den Staat selbst ist, erhellet aus nachstehenden Daten : Russland zählte, nach v. TVich-
manii j im J. i8i3 17 grosse Kronbrennereyen tmd 23;3i5 Privatbrennereyen j in je-
nen wurden 1,116,01g, in diesen i-,5g4j2g4 Wedros Branntwein gebrannt, mit einem
Kdrnbedarf von 33,678j563 Pud, auf 5 Wedros Branntwein g Pud Korn gerechnet.
In den grossrussischen imd sibirischen Provinzen hat sich die Krone den ausschiessli-
chen Verkauf des Branntweins vorbehalten. Das Branntweinschenken (Kabaken) ist da-
her in diesen Provinzen verpachtet. Sie liefert den, in ihren Magazinen bewahrten
Branntwein in bestimmten Terminen und Quantitäten an die Gelränkepächlcr (Ol-
kuptschiken) , die den Verkauf dann im Kleinen besorgen. Es gibt Pachter, die 5o,
60 und mehrere Tausende von Rubeln für die Erlaubniss dieses Ausschenkens an die
Krone bezahlen JJ. In dem ersten Decennium dieses Jahrhunderts ward die jäbrliche
Pachtsumme von 22^ Mill. auf 3o Mill. R. erhöhet gj. — Ein polniscJics Dorf, für
das man in Deutschland nicht 1000 fl. geben würde, trägt 2 — 3ooo fl. bloss an Brannt-
weintaxe ein, und die grossen Herren beziehen 3o— ^5o,ooo A- und mehr von dieser
Branntweinlaxe hj. Coz czjni ^4renda7 Wie viel trägt die Propination (der Aus-
schank)? ist gewöhnlich die erste Frage bey dem Verkaufe eines Guts in Galizien _,
und der Voitheil, den der Grundherr aus der Propination auf Kosten der Gesundheit
seiner armen Unterthanen gewinnt, spricht der TVodga zu sehr das Wort, als dass
die traurigen Folgen der Stupidität imd Indolenz, deren Anbhck den Menschenfreund
nicht selten mit W ehmuth und Entsetzen erfüllt, gehörig beherziget würden. — In
der preussischen Monarchie belief sich die Fabrication des Branntweins im J. 1816 r
Hrn. J^oigtel zufolge, auf mehr als 70 Mill. Berliner Quart, wovon auf Berlin allein
über 5 Älill. kommen. — In Schwede?! sieht man in den grössten Häusern, vvie in
den niedrigsten Bauernhütten, Branntweinfläschchen auf einem Tischchen neben der
Mittagstafel aufgepflanzt stehen. Der unmässige, die Nation, wie es in der Darstellung
der Lage des schwedischen Reichs von 1812 heisst, demoralisirende Genuss des Brannt-
weins ij, ist um so beherzigungswerther, da Schweden seinen Branntwein grössten
Theils aus fremdem Getreide bereitet. Ln Ganzen verbrauchen die schwedischen
ßranntweinbrennereven jährlich 700,000 Tonnen Getreide. — In Kopenhagen hat
sich die Zalil der Branntweinschenken seit wenig Jahren von 5oo bis 2000 vermehrt,
so , dass jetzt der fünfzigste Mann daselbst ein Branntweinschenkerist kj. Branntwein-
brennereyen sind daselbst 5oo und in der ganzen dänisclieu Monarchie 3ooo. — Die
24
»86 Iir. luJustrielle l'rodactiön. $. 97. Minufücluren , vielclie GelrriJeiamen vamrbeiten.
ISledevlande zählen nher 400 Branntweinbrenucieyen, wovon die meisten und be-
trächtlichsten zu Deljt j Schiednm_, Rotterdam _, Amsterdam \n\<ji fFeesp cxisüica ,
wo der Branntwein über Wachholderbecren abgezogen, mit dem Nahmen Genever
belegt, und in ungeheurer Menge ver])raucht imd ausgeführt wird. — In der Gegend
von Edinburgh in Scliotlland ist die Fabrication des, unter dem Nahmen JVhiskj be-
kannten Kornbranntweins so gross, dass eine Brennerey 80,000, eine andere 60,000
eine dritte 40,000 Pf- St. jährlich an Blasenzins bezahlt. Dieser liohe Zins hat die Bren-
ner nach imd nach auf die Mittel geleitet, die Blase in einem Tage recht viele Mal zu
benutzen. Das Füllen , Brennen und Ausleeren einer Blase dauert nie länger als t
Minuten, die Arbeit kann aber schon, wenn man es recht ernstlich darauf anlegt, in
3 Minuten vollbraclit werden Ij.
Wenn man den Branntwein über allerley gewürzhaftc Gewächse, z. B. Kümmel,
Anis, Zimmt, Pomeranzen und dergleichen abzieht, und nachher mit Zuckerwasser
vermischt, so heisst er Liqueur oder RosoglL Dieses Kunstproduct wird am häufig-
sten und besten in Frankreich, vornehmlich zu Cognac _, Motitpellier ^ Beziercs und
P^erdun erzeug't (es führt jährlich für 2l,5l4)000 Fr. Licjiieurs aus); nächstdcm zu
Zairij Spalatro j CattarOj Faune,, Carlstadt ^ Venedig, Triest ^ Wien ^ Prag , 7t»-
scheHj Lemberg _, Jaroslaw ^ Ujiack j PUis-Csaka j Breslau ^ Danzig ^ St. Peters-
burgs Moskau u. s. w.
a) Die ig ersten Porter- und Ale-Braaer ia London brauten vom 5. July i8i5 bis zum 5.
July 1816: i,4i5,7o6 Barrels Porter
99.404 — Ale
zusammen i,5i5,iio Barrels Bier.
Ein Barrel Porter hält 56 Gallons oder 72 Pottlos, ein Barrel Ale ist = 32 Gallons oder
64 Pottles, folglich brauten die besagten Brauer in einem Jahre 108,292,688 Pottles. S.
Osterr. Boob. 1816. Nr. 2i6. Bey BarkLey werden allein jährlich 25o,ooo Barrels Bier ge-
braut. In dieser Brauerey wird alles durch eine Dampfmaschine, welche die Gewalt von
3o Pferden hat, in Bewegung gesetzt. Denn obgleich an 200 Menschen und eine grosse
Menge Pferde darin arbeiten, werden sie doch alle fast ausschliesseiid zu dem äussern Dien-
ste gelwaucht; innerhalb dieser ungeheuren Manufactur sieht man Niemand ; alles wird durch
eine unsichtbare Kraft be\virkt. Für die Forlbringung des Biers in die Stadt sind täglich
100 Pferde beschäftigt. Dieses Bräuhaus bezahlt an Abgaben jährlich die ungeheure Summe
von 400,000 Pf. St. Die jährliche Gonsumtion des Biers in Grossbritannien und Irland wird
auf4'Mill. Pf St. geschätzt. Das gewöhnliche Getränk auch gemeiner Leute in England
ist Porter, eine Art Bier, die man ehemals SlarkbUr (strong beer) nannte; Me wird un-
gleich weniger getrunken. Der eigentliche Unterschied z\vischen diesen beyden Flüssigkei-
ten kommt von dem Malze, von welchem sie bereitet werden. Das Alemalz wird bcy nie-
driger Hitze gedarrt, und ist daher von blasser Farbe; das Bier- oder Porlermalz hingegen
wird bev einer höhern Temperatur gedarrt , und erhält dalier eine braune Farbe. Diese an-
fangende Verkohlung entwickelt einen eigcnthümlichen , angenehmen, bittern Geschmack,
welcher dem Bier mitgotheilt wird, so wie auch die dunkle Farbe. Dieser bittere Geschmack
macht das Bier für den Gaumen angenehmer, und der Gesundheit zuträglicher, als Ale,
welches von lichter Farbe, geistig und süsslich, oder wenigstens nicht bitter ist. S.Darstellung
des gegenwärtigen Zustandes der Bierbrauerey in England. Ans dem Engl, ^•on Carl Siahl-
Lerger etc. , im zweyten Bande der Jahrbücher des polytcchn. Instit. in Wien. S. h56 — oig.
III. Industrielle Produclion. ij. 98. Tabaksfabrikca. 187
i) Wo im J. i8og 4745 Brauercycn waren , die mit einem Gersten- und Wcitzcnbedarf von
njelir als 83q,i70 Scheffeln, über 6,7i3,3oo Eimer Bier erzeugten, welche Fabriration,
den Eimer nur zu 3 fl. angeschlagen, über 20,139,900 fl. werth war. S. Milbillers Handbuch
der Statistik der europäischen Staaten. 2. Abtheilung. S. i4i- Das an Gehalt stärkste und
beste Bier wird auf einigen herrschaftlichen und ehemaligen Rlostergütern gebraut.
t) Warum sind die Biere gegenwärtig nicht mehr so kräftig, als sie sonst, besonders in Böh-
men, in dem Ruf waren? in dem Hesperus. 1817. Nr. i3. S. io3 ff.
iV) Vergleichung der gewöhnlichen Manipulation des Bierbrauens auf der Pfanne mit der (in
Tesehe/i) eingiiführten Dampfn:aschine in Bezug auf Ersparung an Brennstoff, Zeit und
Men.ichenhände , dann die Beschaffenheit des Biers, gegründet auf die seit einem Jahre
(i8i5 — 1816) bey 67 Gebräuen gemachte Erfahrung; in dem Hesperus. 1817. Nr. 8. S. 63.
e) Die in und um f'f'^ieu befindlichen 3o Bierbrauereyen , welche die Hauptstadt des österrei-
chischen Kaiserthums jährlich mit mehr als 600,000 Eimern Bier versorgen, gewähren dem
Staate, seit 1. May 1820, ein jährliches reines Einkommen von i Mill. fl. C. M. , welche sie
als Pachtschilling zum Tranksleuergefälle entrichten. Im J. 1808 bezahlten sie 680,000 il.
in B. Z. S. Vaterl. Blatt, für den österr. Raiserstaat. 1808. Nr. 3i. S. 202.
/) S. Allg. geogr. Ephem. Bd. 29. S. 282 ff.
g) S. Bredün^'s Chronik a. a. O. 1806. S, 4i6-
h) S. Intelligenzblatt der Annalen der Literatur etc. Wien , 1807. S. joÄ.
i) S. Österr. Beob. i8i2. Nr. 4i.
k) S. H. A. L. Z. i8ii. Nr. 222. S. 38i.
l) S. H. A. L. Z. iOii. Nr. 3o6, S. 642.
Tabaksfabriken.
Die Tabaksfabriken vcrfertif,'cn aus den Blättern, zum Tlieil aiirli aus den
Blaltstenficin und Ribhcn der Blätter der Tabakspflanze, die niannigfalligcn Arien
des Raucli- und ScJumpJtabaks j mit Hülfe mancherley Beilzen (Saucen), um durcli
diese den bittern und scJiarfcn Bestandtlieil in dem Safte der Pflanze zu mildern, den
geistigen zu erhöben, und auf diese Art ein auch von feinem Kennern begehrtes Pro-
ducl zu liefern. Die grösste Tabaksfaltrik in der Welt dürfte wohl die Fabrik von Ci-
l^njTOS seyn, die Spanien in seinen amerikanischen Besitzungen zu Queretaro ange-
legt hat. Sie beschäftigte bisher 3ooo ArJieiter, darunter igoo weibliche. Die grösstc
Anlage der Art in Europa ist die königliche Tahaksfabrik zu Sevilla in Sjianicn, die
gleich einer Fcstinig mit INIaucrn und Gräben versehen ist, und zwcy Zugbrücken hat,
wovon nur eine zum gewöhnlichen Eingange dienet. Hier arbeiten 1400 — 1700 Men-
schen, und treiben an 200 Pferde tuid Maulesel 40 Mühlen. Das jährliche Prodiun
.steigt auf 2l^Iilh Pf- llauchtabak in Ci^arros und 2 Mill. Pf. Schimpftabak (ßspagnol).
— In England ist vorzüglich wichtig die Tahaksfabrik zu Leverpool. Das Schnei-
den , Platten u. s. w. wird hier durch Maschinen bewirkt. Es werden damit täglich
von 6 Uhr Morgens bis 8 Uhr Abends 1000 Pf Rauchtabak geschnitten, zwischen
.6 — 600 Pf Stengel geglättet inid 3 — 400 Pf Schnupftabak fein wie Mehl gemahlen.
In Schnttland wird die Tabnksfaluication am meisten z'u Ajr j Dundcr und Baiiff,
und in Irland zu Dublin betrieben. — In den Niederlanden j deren Tabaksfabriken
in der Beieitung des Tabaks grosse Vorzüge vor denen anderer Länder haben, lebeiA;
i88 Jll. Iinluslncile Prodnctiou. §. gS. Tabaksfabriken.
von der Fabrlcation des Raiiclitabaks allein 24,000 Menschen. Besonders erheblich
sind die Tabaksfabriken zu Amsterdam _, Rotterdam _, Dortrecht j Nimwegeiij Mast-
richt und Lattich. — In Frankreich j das ebenfalls feine Sorten liefert, ist die Yn-
bricalion des Tabaks seit 1811 auf 12 grosse Städte^ wo man sich mit dieser Industrie
bisher vorzüglich beschäftigte, beschränkt. Im Ganzen zählet Frankreich an 3oo Ta-
baksfabriken, die im Durchschnitt jährhch 12 Mill. Kilogramme, oder über 24,375,000
Pf. Tabak fabriciren, wozu 3 Mill. Kilogramme Tabaksblätter eingeführt weiden, aj.
Die beträchtlichsten Anlagen sind zu Paris _, St. Omer und Sirassburg. — In Italien
wird die Tabaksfabrication am stärksten zu Mailand betrieben; nächstdem zu Turin_,
Genua und Parma; weniger zu Cagliarij Sassari und an andern Orten. Die Tabaks-
fabrik in Mailand erzeugte im J. 1812 üljer i,oi3,ooo Pf., wozu aus Ungern 400,000
Pf. Szegediner mid 200,000 Pf. Fünfkirchner Tabaksblättcr eingeführt wurden. — In
Deutsclüatid j wo es der Tabaksfabriken an 260 gibt, und oft einzehie Städte deren
über 20, mehr als ganz Russland (s. luiten) zählen Z»^, behauptet an Grösse des Be-
trags den ersten Platz die kaiserliche Tabaksfabrik zu Haimburg in Österreich unter
der Enns, welche über 5oo Menschen beschäftigt, und die Hauptstadt sowolil, als die
Provinzen Osterreich ob- und unter der Enns mit ihrem Bedarf versieht; auch ist man
daselbst, so wie in den übrigen Acrarial-Taliaksfabriken der österreichischen Monar-
chie, seit mehreren Jahren ernstlich mit der Verbesserung der Tabaksfabrication be-
beschäftigt cj. Die beträchtlichsten unter den übrigen Tabaksfabriken in Dcutscliland,
die zugleich gute Sorten liefern, befinden sich zu Oßcnbaclt dj ^ Frankfurt a. 'bil. ,
Nürnberg _, Augsburgs Hamburg ^ Bremen j Berlin j Breslau ^ Leipzig _, Hanau j
und Manheim. Gleichwohl kauft Deutschland aus Holland und Frankreich Rauch-
und Sclmu[)ftabak, der doch zum Theil von deutschen Blättern fabricirt wird, welche
den Rhein herab dahin geschickt werden. — In Ungern wird in mehreren Privatfa-
briken zu Pressburg j Oedcnhurg , Steinamanger ^ PestJi , Kaschau , Miskolzj Sze-
gedin und an andern Orten viel Rauch- imd Schnupftabak, gelber und sc/twarzer ^
und wie Kenner versichern, von vorzüglicher Güte bereitet. — Die Tab?ksfabrik zu
Fiume erzeugte vor dem Wiener Frieden jährlich i5 — 20,000 Ctr. Rauch- und Scluiupf-
tnbak, besonders Rnpe'j aus Szegediner- und Fünfkirchnerblältern. — In Galizien
zeichnet sich vornehmlich die grosse kaiserliche Tabaksfabrik zu fViniki bey Lemberg
aus, welche bey 85o Personen beschäftigt, und jährlich gegen 70,000 Ctr. theil» gali-
zische , ihcils russische Tabaksblätter verarbeitet ; auch den Tabak so trefllicli zu be-
reiten weiss, dass Kenner dem G alizier SMch. vor den ungrischcn bessern Tabakssor-
tenden Vorzug geben. \'on geringerem Belange sind die zwey Aerarial-Tabaksfabriken
zu Zboi'ow und Czorikow. — In Dänemark wird Tabak zur eigenen Consumiion fa-
hriclvt zu Kyjenhagen j Husumund an andern Orten mehr, im Ganzen jähtl. 2,800,000
Pf. — Schweden besitzt 87 Tabaksfabriken; sie sind aber so unbedeutend, dass sie
zusammen nicht mciir als 6go Personen beschäftigen, und also im Dcrciiscbnitte auf
eine Fabrik kaum 8 Arbeiter konmien ej. — Noch unl>edeutendcr v.arru sie bisher in
Russland , wo im J. 1804, nach v. l FicJim.ann j in 7 Tabaksf.ibriken nur ig Personen
gearbeitet hatten. — Übrigens ist die TabAsfabrication in Europa theils ein freyes
(ievveibc, wie z. B. Ungern j Siebenbürgen und in den meisten deutschen Bundes-
III. luJustritUe ProdactioQ. §. gg. Zuckersiedcrcreo. ilja
Staaten, mit Einscbluss des Köiiigroiclis Preussen ^ tlicils ein Monopol der Regierung,
wie z. B. in Oesterrelchs deutscheu, galizischcn und italienischen ErLIimdern, in
Frankreich _, Spanien j Baiern ^ fVürtemberg u. s. \\.
a) S. Österr. Beob. 1811. Kr. 61. S. 25i , und 1819. Nr. 111. S. 546.
b) So iiat z. B. Colin, nach Galletti , 25, Emden, nach Hock , 26 Tabaksfabriken.
e) Zur Fabrication des geschnittenen Tabaks besteht zu Uaimbwg eine Schneidemaschine im
Grossen, weiche zugleich auf 8 Schneideladen wirkt, d.'ren jede 80 — 90 PI. hält. Auch
ist hier eine eigene JMagazinsverwahung , welche die Versendung der Blätter an die übrigen
inländischen Fabriken besorgt. Die Tabaksblälter , welche hier verarbeitet Nverden, kommen
meistens aus Ungern , in geringerer Menge vom Aaslande , als russische , türkische und vir-
ginische Blätter.
d) Jüe Bernar-d'sche Fabrik zu Offenbach , die den ächten Marocco bereitet, liefert mit i2o
Arbeitern täglich 60 — 80 Clr. Schnupftabak, und jährlich 3ooo Ctr. Carotten; die Rauch-
tabaksfabrik , die grössten Theils amerikanische Blätter verarbeitet, lieferte in den Jahren
1796—1800 jährlich 6—800,000 Pf. Tabak. S. H. A. L. Z. 1809. Nr. 227. S. 846.
e) S. Polit. Jüurn. 1818. März. S. 284.
§• 99-
Zuckersied ereyen.
Die Zuckersidcrejen oder Zacker r affiner ien gewinnen das wesentliche süsse
Salz oder den Zucker aus dem ausgcpresstcn Safte des Zuckerrohrs , durch öfteres
Einkoclicn oder Sieden, Reinigen, Abschäumen vuid Läutern, wobcy man Kalkwas-
ser, Ochsenblut mid Eyerweiss zu Hülfe nimmt. Die meisten und besten dieser Siede-
rcyen findet man in Deutschland j vornehndich zu Hamburg aj j in Holland bj und
England cj ^ obgleich dieser Industriozweig, insonderheit m.ts Holland und Ham-
burg betrifft, durch R.ivahtät anderer Nationen, durch die ehemaligou unglücklichen
jjolitischen Verhältnisse und die Handelssperre einen mächtigen Stoss erlitten hat.
Nächst den besagten Ländern bestehen die meisten Zuckersiedereyen in Spanien ,
Frankreich dj ^ Dänemark ej j Schweden fj ^ Preussen gj und Russland hj ■ sonst
aber kommen dergleichen Industrieanlagen auch vor zu F^enedigj Ancona und an
anderen Orten in Italien, zu Fiunie in Illyrien und zu Oedenburg in Ungern, welche
letztere durch das Continenlalsystcm eingegangen, jetzt aber wieder im Betriebe ist.
Während der Handelssperre sahen sich mehrere europäische Regierungen veran-
lasst , zur AufEndung europäischer Ersatzmittel (Surrogate) des durch den widrigen
Emfluss der politischen Verhältiiissse auf den Sechandel, immer theurer imd seltener
gewordenen indischen Rohrzuckers, durch Aufmtmterimgen, Belohnmigen und Unter--
Stützungen anzueifern. Man fabricirte Zucker in Brandenburg, Scldesien, Böhmen,
OsJerrcich imter der Enns und andern deutschen Ländern, dann in Frankreich , Russ-
land, Warschau u. s. w. aus Runkelrüben ; in Spanien, Frankreich, Ungern und Öster-
reich luiter der Enns aus TVeintrauben ; in der österreichischen Monarchie auch ans
Maisstengeln und Aliortisaft ij , und hier und da vertrat auch der aus Birnen und
Zwei seligen bereitete Svrup für tausend zufriedene Gaumen die Stelle des indischen
Rohrzuckers. Bey dein mm wieder eingetretenen freycu Handel aber scheint, nach
Hennbstädt s Behauptung, bloss der Runkelrübenzucke/' mit dem Rohi'zuckcr ijeslc-
igo III- Industrielle l'roiliirlioD. §. loo Ölilfabn'caliou.
hcn zu köiiiicn, so lan^e von diesem das Pfund nicht unter drej Groschen fäJlt j,
und jener einheimische Zucker bloss auf dem Lande fabricirt wird. Die grössien
Fortschritte macht die Bcreltmig des Runkelrüljenzuckers in Frankreich. Gegenwär^
ti<' sind daselljst zwanzii: Runkelrüben-Zui^kerfahriken im Betriebe k).
a) Wo im Jahre 1740- 700, 1806: 433 Zuckersiedercyen ^varen ; jetzt bestehen daselbst,
nach Galletti , 52i , nach Hock, 3oo , nach Fabii aber, nachdem viele Zuckersieder Ham-
burg veriiessen und nach Pieussen, Rasslaiid u. s. vv. wanderton, oder andere Nahrungs-
zweige ergriffen, kaum 4° — 5o. Ausserdem gibt es in Deutschland Zuckersicdereyen : zu
fielen j T'f^icnerisch-Neusladt und Triesl ; zu Dresden; zu Berlin, Colin, Breslau und Hirsch-
Berg; zu Cassel ; zu Oldenburg ; zu Uanocer , Haarburg und Buxtehude ; zu Rostock; zu
Altana; zu Lübeck und Bremen. Über den gegenwärtigen Zustand der Zuckerfabrication in
Deutschland, vorzüglich in Beziehung derRunkel- oder Zuckerrübe; von J. H. F. Lohmann.
Magdeburg 1818. Vergl. J. A. L. Z. 1819. JSV. ii2. S 414 ff.
i) Wo zu Dorlrecht i2 , zu Rolterdam ebenfalls 12 und zu Amsterdam 70 (vormals i2o) Zu-
ckersiedereyen sind. Ausserdem gibt es deren zu Zw oll , Utrecht, und in den südliclicu
Provin>,en zu Antwerpen, Gent, Brügge und Ostende.
e) Wo bloss in London 60 — 70 Zuckersicdereyen sind ; sonst gibt es deren auch zu Lecerpool,
ff^arrington und Newcasil ; dann zu Lcith , Glasgot^- , Grennk und Burnlisland in Schotlland,
und zu Dublin in Irland. Im J. i8o5 wurden e.xportirt: 323'.453 Gtr. roher und 56o,45i Ctr,
raffinirter Zucker. S. H. A. L. Z. 1811. Nr, 3o5. S. 534. Wälirend dfr Handelssperre ver-
kaufte Grossbrilannien weniger Zucker, es kaufte aber dagegen auch weniger Getreide, da
i jener zu Rum destillirt und sogar zum Mästen der Ochsen benutzt ward. S. Allg. Z. i8o9_
Nr. 254- Die Consumtion der Flotte au Rum, statt der französischen und Kornbranntweine ,
stieg seit der Blokade von 25o,ooo auf i,56o,ooo Gallons.
d') Nahmentlicli zu Rouan , Harne de Gracc , Orleans ^ !Sanics , Angers, Rochelle, Bowdenux,
Marseille u. a. a. O.
e) Als zu Helsingoer , Aalborg, vornehndich aber zu Kopenhagen , wo es ;8 grosse Zucker-
siedereyen mit 68 Pfannen gibt, die 52o Personen beschäftigen.
f) Nahmentlicli zu Stockholm, Noirköping, Gotkenbnrg , Malmöeund Rünnebj- ; d.inn zu Dronl-
heim in Norwegen. Im Ganzen zählt Schweden allein 33 Zuckersicdereyen mit 25o Arbei-
tern. Bloss in den Stockholmer Zuckerraffinerien wird jährlich für mehr als 033, 000 Rthlr.
Zucker, und in Gothenburg für mehr als 5o8,ooo Rthlr. erzeugt.
g) Besonders zu Königsberg , Danzig und Elbing. In der ganzen preussischen Monarchie gab
es im J. 1816 33 Zuckersiedercyen.
K) Wo es jetzt an 48 Zuckersiedereyen (1804 nur 7) gibt , und wo man damit so weit gekom-
men ist, dass die Einführe des raffmirten Zuckers verbothen ist. S. Allg. Z. i8i5. Nr. 278.
S. ri2o. Vergl. Österr. priv. W. Z. i8j4- 240. S. 963.
i) Im J. 1811 betrug die Erzeugung des Ahoruzuckcrs i2oo Ctr. , und Runkelrüben-Zucker-
fabriken gab es in Böhmen allein 8.
k) S. Beyl. z. A. Z. 1820. S. 36a
§. lOO.
O li 1 f a b r i c a t i o n.
Es gibt überhaupt zwcyerJey Oehl: ätherisches oder ßüchtiges und Jettes. Jenes
gewinnt man durch Destillation aus stark riechenden Pflanzen und Samen, z. B. Rosen,
Nelken, Zimint, Rosmarin, Thymian, Jasmin, Lavendel, Pomeranzen- und Citronen-
schalen,, Anis u. s. w.; da^ feile ühl hingegen gewinnt maii durch Auspressea^ aus
ni. Indaslrielle Produclion. §. lOi. Arbcitrn in Holt. inj
dem Lein-, Hanf-, Rüb-, Älohn- und andern Pflanzcnsamen. Man bedient sich dazu
gewöhnlich der Oehlmülüen , die mit Hämmern oder Stampfen versehen sind, imd de-
ren es insonderheit in den Niederlanden j Spanien _, Frankreich j Italien j DeutscJi-
land j Ungern _, Galizien und Russland eine grosse Menge gibt. — Die flüchtigen
Öhle, mit deren Bereiimig sich vorzügUch die Franzosen j Italiener und Osmanen
beschäftigen, ])raucht man besonders zum Parfiimiren^ Mit Weingeist vermischt, ge-
ben sie die wohlriechenden TVasser j die alisonderlich häufig, gut und mannigfakig
in den Parfümofficinen zu Paris j Grace j Avignon und Montpelier aj in Frankreich,
imd zu Nizza j Florenz und Born in Itahen bereitet werden , und durch ihre häufige
und weite Versendung einen sehr cinträghchen Artikel für die besagten Städte aus-
maclien. Ausserdem werden auch in Wien mannigfahige und gute Parfiimeriewaaren
erzeugt; nur die d.Tzu nöthigen Bestaadlbeile, besonders die verschiedenen Aromata
müssen meist vom Auslande bezogen werden. In Colin beschäftigen sich mit Präpari-
rung des unter dem Nahmen feau de Cologne bekannten Iliechwassei-s, über 40 Fa-
bricantcn, die jährlich mehrere Millionen Flaschen davon fabriciren und versenden,
ü) Wo eine Oflicin im J. 1806 an 116 verschiedenen Artikeln von wohlriechenden Wassern,
Essenzen , Salben , Pomaden u. s. w. lieferte.
g. 101.
Arbeiten in Holz.
Aus den verschiedenen Holzarten werden SchifTc imd andere Fahrzeuge, Ge-
räthschaftcn unzähliger Art, musikalische Instrumente, Spielzeuge und andere Waa-
rcn gemacht. — Die grösste der Künste, welche den menschlichen Geist und des
Menschen Hand je beschäftigte, und die getrennten Theile der Erde wieder zu ei-
nem Ganzen vereinigte — die Schiß haukunst — hat die grössten Forlschritte in Frank-
reich aJ und Dänemark bj _, näclistdem in Grossbritannien und Holland cj ge-
macht j am stärksten aber wird der Schiffbau nicht nur in den gedachten Ländern ,
sondern auch in Schweden _, Russland j Deutschland j F eue di g wnA Dnlmatien be-
trieben. — Für Wagner- und Tischlerarbeiten zugleich, oder wenigstens für einen
dieser Zweige des Kunstflcisses, findet die Industrie vornehndich Stall 7a\ London dj j
Paris ej j Wien fj , Berlin j Neuwied , Offenbach gj j Mailand^ Brüssels St. Pe-
tersburg und Stockholm. — >'ortn^n'iiclie Fortepiano s verfertigen die Clavicrmacher
in TFierij deren Arbeiten an Solidität, Schönheit der P\)rm und Wohlfeilheit die be-
sten Pariser,, Londoner imd Kopenhagner ülierlrcflen, und nach einem grossen Theil
Europa's verführt werden ; besonders sind sie auf den Leipzigermessen ein sehr ge-
suchler Artikel ; daher auch in dieser Handelsstadt mehrere Verschlcissmagazine von
allen Galtungen Wiener-Fortepiano's angelegt sind. Nicht minder beliebt und gesucht
sind die in Wien in sehr grosser Anzahl verfertigten Guitaren. Im J. 1812 wurden
mcbrcre hundert Dutzend nach Deutschland, besonders Frankfurt am Main ver-
sendet. Musikalische Instrumente anderer Art liefert ebenfalls Wien in Menge und zu
billigen Preisen, so wie Prag j Graslitz und Tachau in Böhmen, Mittenwalde in
Baiern, Klingenthal und Neukirchen in Sachsen, Creniona in Italien u. s. w. — Die
meisten Schnitz- und Di'cchslerarbeiten j die weil und breit verkauft werden, erzeugt
jg, Iir, ladustrielle ProcJiicIion. § loi Arhaldi in Höh.
Berchtesgade.n hj ; näcLsldom TVien ^ Eiunlnirg , Niiriiherg, Geislingen ^ das Crod-
nerthal in Tyrol , die FicJitaii bey Gnmndi?n in Östeneich ob der Enns und andcro
Gcgeudeu Deutschlands , so wie Neufchatel und das Haslithal in der Schweiz , und
Tunbridge- Wells in England. — In der Verfertigung hölzerner UJiren haben es am
weilcstcn gebracht die Uhrmaoher im Schwarzwalde zwischen Triherg, Neustatt und
Wuldkirch. Im J. i683 ward auf diesem rauhen Gebirgslande die erste hölzerne Uhr
verfertiget, woraus in der Folge ein höchst wichtiger Erwerbs- imd Handelszweig ent-
standen ist. Es befinden sich daselbst 688 eigentliche Ulirmacher, yS Vorarbeiter,
als Gestell-, Ziffer- und Instrumentmacher, 127 Nebenarbeiler, als Schildmacher
11. dgl. , und endlich 582 Händler. Jährlich werden mehr als 107,300 Stück Holzuhrcn
(im Werlh von mehr als 321,000 fl.) gemacht, Avelche in und ausser Europa Absatz
finden. Die einfachen kosten nur 5o Kr., etwa 12 Gr. — TonnenwwA Ftisser im\.lii\&x
Maschinen werden gemacht in Grossbrilannien und neuerlich auch in Frankreich. Zu
Port-Dundas in Schottland besteht eine solche Fabrik, in der 12 — 15 Arbeiter täglich
mehr als 600 Tonnen und Fässer von verschiedenen Dimensionen verfertigen, die je-
doch nicht sehr genau sind, und also vorzüglich nur da gebraucht werden können,
wo diese Genauigkeit eben nicht nothwendig ist, als z. B. zur Versendung des Zuckers,
des Kaffehs, der Gewürze und anderer Materiahvaaren , bey denen kein Visiren der
Fässer Statt findet , sondern wo man bloss auf das Gewicht Rücksicht ninunt. Diese
Tonnen und Fässer werden zum Theil nach Nordamerika verschickt, wo sie aber erst
zusammengesetzt und mit Reifen versehen werden. — Die meisten Holzscltuhe wer-
den in Frankreich {Sabots hier genannt) ij , in Jütland k) , Westphalen und Böhmen,
die meisten Flaschen ("TschutterJ von Ahornholz zu Kronstadt in Siebenbürgen, und
die meisten hölzernen Häuser in Russland und im Vorarlbergischen gemacht. In
jenem Lande findet man solche Häuser auf den Märkten ganz fertig zum Verkauf;
in diesem werden die hölzernen Häuser, Alphülten u.dgl. im Winter auf Schlitten
nach Bregenz geschafft. Von da gehen aie im FriÜiling zu Schillo über Stein, Schaff-
hausen u. s. w. nach der Schweiz.
a) Die BriUen freuen sich der Eroberung eines französischen Sthifl'es, insonderheit aus dem
Grunde, weil sie fast gewiss sind, ein besseres Schiff zu bekommen, als sie selbst es zu
bauen im Stande sind. S. Norrmann a. a. O. S. 55i ff.
b) S. Österr. Beobachter. i8i5. Nr. 6g, wo die Nachricht vorkommt: die Schiffbauart werde
in England noch nicht mit so viel wissenschaftlichen Kenntnissen und praktischen Erfah-
rungen ausgeübt, als in Frankreich und t)äneinark.
c) Holland, wo zu Zaandani oder Zaardam Peter der Grosse die SchiflFbaukunst lernte, hat
davon ein Beyspicl gegeben , dass der Bau der Schiffe zum Verkauf , zum Gegenstände ei-
nes Gewerbes für ein Land werden kann, dessen eigener Boden nicht Ein Materiale für
den Schiffbau in einigem Vorrathe liefert.
d) EnifHsche Wagen rollen in Ostindien , auf St. Domingo und auf den Strassen der mexica-
nischen Städte in einer Höhe von 2700 Meters über dem Meere, obgleich Neuspanien selbst
schöne Wagenfabriken besitzt. Vor dem Kriege trug dieser Zweig der Industrie jährlich
über 1 Mill. Pf St. ein.
e) Im J. i8i2 sind die Holzmöbelarbeiten für Frankreich ein Gegenstand von ig Mill. Fn
gewesen; jene von Kutschen und Wagen allein 11 Mill. Fr. S. Allgem. geograph. Ephem.
jBiS. S. 233.
III. luduslrielle Producliou. ^ lOI. PoUascliesicdtrf_T(.'D ; Bcreiluag Jir Soda etc. igS
/■) Es führt jährlich für 5 — 600,000 fl. Kutschen uiicl Wagen , und für 180 — 200,000 fl. Tisch-
Icrwaaren aus. Ganze SchiffL' \oll Mobelarbciten worden nach Un^^ern transporlirt , soge-
nannte Secretar-Schreibtisclie werden selbst nach Polen versendet, und ChalouUen finden
einen ganz vorzügllclien Absatz in der Tüihey. Im J. 1811 waren in H^ien niit Einschluss
der Vorstädte 270 Tischlermeister, mit 719 Gesclk'n und 4o5 Lehrjungen, dann 460 be-
fugte Tischler.
g) Die dasige WagenHibrik unterhält 45 Schmiede und Schlosser, 14 Kastenschreiner, 14 Gc-
stellmacll^r^ 14 Lackirer und Anstreicher, i2 Sattler, 4 Riemer, 6 Gürtler und Plattirer.
^ S. H". A. L. Z. i8i3. 173. S. 546 ff.
h) jVIan erstaunt über den ausserordentlich geringen Preis , für den die Berchlesgadncr Ilolz-
waaren au d'ui Erzeugungsorte \ erkauft werden. Dem von Hrn. Schuhes in seiner Reise
auf den Glöckner Bd. 4 S. 76 gelieferten, 8 Seiten starken Berchtesgadner Holzwaarcn-
Prciscourant zu Folge, erhält man in diesem betriebsamen Ländchen z. B.
10 Dutzend Tanzdocken für 1 fl.
20 — Nadelbüchsen Kr, j für 1 —
2o — Grillenhäiischen für 1 —
20 — gemalle Tischchen für 'i . —
20 — Wiegen mit Kindlein für ....iv.-;-»! —
2o Guckguck für 1 —
60 Posthörnchen für 1 —
i) Der Sabols bedient man sich in Fra/ikrtich a\if dem flachen Lande sowohl, als anderwärts,
häufiger als je. Hr. Hei;ner ist der Meinung, eine so schwere Bekleidung mache den Fuss
gelcnksamer und leichter , den Schritt selbst gleichförmiger und sicherer; wie denn einer
der ersten Pariser Operntänzor ihn versicherte, dass er den ganzen Tag in solchen Holz-
schuhen herumgehe, wenn er Abends eine wichtige Rolle im Ballet zu tanzen habe, und
seinen Fuss alsdann noch cinmahl so leicht fühle.
l) Wo sich, nach Hrn. Niemann, von Verfertigung von Hülzschuhen (/fo/jr/ie« hier genannt)
4400 Personen nähren, und damit jährlich wenigstens i2o,ooo Tlilr. verdienen.
§. 102.
Pottasche siedereyen; Bereitung der Soda und des sogenannten Kel'p.
Die goineine Pottasche gewinnt man durch Auslangen der Holzasche, Einkochen
der Lauge oder des salzigen Wassers, und Ausglühen des aus der Lauge gewonnenen
rohen Products, aiu meisten in Deutschland j Ungern j Galizien und der Buko%vina,
Ost- uwA Westpreussen j, Polen j Russland ^ Schweden und Norwegen ; daher viele
Oslsceslädte einen sehr heträchthclien Handel mit Pottasche nach England j Holland
Franki-eicJi treihen. Man braucht dieses vcgctahilischc Laugensalz vorzüglich zur Be-
Ircihung der Glashi'itten , der Blaufarhcnwerke, der Seifensiedcrcyen, Bleichen, Fär-
hereyen u. s. w. — Die ^SoJ« oder das mineralische Laugensalz ist ursprünglich in aus-
geirocknelen Morasten und verschiedenen Seen befindlich (s. oben§. gi.) ; allein es wird
auch ans verschiedenen Salzkräutern, die am mittelländischen Meere, theils wild wach-
sen, thcils absichtlich gesäet werden, bereitet. DiePflanzen werden ausgezogen, getrock-
net, auf eiaen Rost gelegt und verbrannt, wobey die Asche, wie geschmolzenes Glas, in
die darunter i)cfindlichcn Gruben fliesst luid erhärtet. Mit Gewinnung dieser Soda be-
schäfligt^iah sich in Spanien und Sicilien. Die spanische ist besser als die siciliani-
sche, und die beste spanische Soda ist unter dem Nahmen BariUe bekannt. ALicante
25
igi Ilt liilii-tiiiUi; Piodiicliüu §. lOJ. VerscliicJeut; anJeie Manufaclurcn , clc.
und Carthagena fiiiuca davon jährlich i5o,ooo Clr., Sicilien go,ooo Canlara (= 225,ooo
Ctr.) aus. — Die Bereitung des sogenannlen Kelp ^ eines trefflichen Surrogats der
Pottasche , welche in England zu dem ^ erLraucli in seinen Älanufacturcn nicht hin-
reichend fabricirt werden kann, ist eine für das schottische Hochland j so wie auch
für die Insel Mull und die übrigen Hebriden und Orkaden j wichtige Fabrication. Sie
geschieht an allen Seeküsten, wo dviS Seemoos (fucus Lin.) , woraus der Kein durch
das Verbrennen im Ofen gewonnen wird, wäclisl. Diese Fabrication beschäftigt viele
Menschen aus den ärmsten Classen , und verschafft da , wo 3oo Tonnen Kelp verferti-
get werden, 200 Menschen ihren Unterhalt,
§. io3.
Verschiedene andere Manufacturen, die ihren Stoff aus dem Pflanzen-
reiche nehmen.
Unter den übrigen Manufacturen, die Stoffe aus dem Pflanzenreiche verarbeiten,
sind noch einer Erwähnung werth : 1) die TVaidindigofahvikemw TuulousexwYvAvik-
reich, zu Turin und Florenz in Italien, zu Plan in Böhmen, zu JSeudietendorf zwi-
schen Gotha und Erfurt, und zu Käsmark in Ungern ; 2) die Krappfabriken j vor-
nehmlich in der Türkey imd in Holland, wo bloss Rotterdam Insonderheit nach Russ-
land, Deutschland und der Schweiz jährlich 7 — 10,000 Fass (a 1000 Pf.) Krapp für
2-5 Mill. fl. versendet; 3) die Bereitung des Cudhear ^ eines Farbmaterials aus F'Iecht-
arten zu Leverpool m England und zu Glasgow in Schottland, an welchem letztern
Orte die Fabrication dieses Farbmatcrials so bedeutend ist, dass der Verb rauch des
dazu nölhigcn Urins täglich auf mehr als 2000 Gallons steigt, und jährlich über 800
Pf. St. kostet. Da man das Moos von den inländischen Felsen schon verbraucht hat: so
lässt man nvui schwedisches Moos in grossen Schiffsladungen nach Glasgow kommen a).
— 4) Die Stroldiutmanufacturen j die ein Material in Tonnen Goldes verwandeln^
das sonst auf dem Düngerhaufen verfault. Dieser Industriezweig wird am stärksten in
Italien b) _, in der Schweiz c)j in Frankreich und Deutschland d) j vornehndich in
Oesterreich unter der Enns e) _, in Böhmen J) tuid Sachsen g) betrieben. — 5) Die
Bereitung der C/tokolate j eines sehr nahrhaften und stärkenden Getränkes, das die
Spanier zuerst bey den Mexicanern kennen lernten. Es wird nicht nur in Spanien ^
sondern auch in Italien^ Deutscldand und andern Ländern verfertigt. Berühmte Cho-
kolalciiibriken hat Mailand und IVien; in letzterer Stadt zählt man bey 40 Choko-
latemachcr, deren Erzeugniss, so wie die Mayländcr Ghokolate, weit und breit ver-
fidirl wird. — 6) Endlich die Cichorien-Kaffehfabriken ^ vorzüglich zu Hanover ^
Braunschweig j Magdeburg j, Berlin j Potsdam, Prag j TVien j, und in andern deut-
schen Gegenden. Der Cichorienkaffeh hat imter allen Kaffehsurrogaten den allermei-
sten ßeyfall gefunden , und solchen seinen Arzeneykräften und der Empfeldung einer
Dame zu danken, dalicr er auch Damenkaffeh genannt wird. Indessen fehlt es auch
dem Cichorienkaffeh .in dem aromatischen Ohle, das den Bohnen des indischen Kaf-
fehs vor der Brühe von etlichen 40 bis 5o Kaffehsurrogaten, mit deren Ber(^ung man
sich während der Seespcrre beschäftigte^ einen so wesentlichen Vorzug gibt. Der äch-
III. Indusliiclle Productlun. §. 104. WulleniiMiiut'.icturiu. q5j
te KafTeh ist ein freylicli enlbehrlichcs, luid dem europäischen Continent viele IMillio-
nen Gulden kostendes, aber von ganzen, grossen Nationen, Menschenalter hindurch,
ohne deutlich sich ergehenden Nachtheil, genossenes Ermiintcrungs- und Stärkungs-
mittel, ob ihn gleich so mancher Arzt gerade für Gift erklärt. Das KafTehtrinken ist
jetzt selbst in England häufiger, und hat auch seit der Rückkehr der Armeen in al-
len Pro\inzen lliisslcinds sc\iv zugenommen. Es darf also um so weniger befremden,
wenn der Kaffch wenig in seinem Preise weicht, da in den letzten Jahren so viele
Kaffehpflanzungen zerstört worden oder eingegangen sind. Gleichwohl ist die Fabri-
calion des Cichorienkafl'ehs und anderer Kaffehsiu'rogate , seitdem das Meer für die
J2in führe des ädiien Kaffehs wieder offen ist, nicht mehr so bedcuLend , als sie es
während der Handelssperre war.
a) S. H. A. L. Z. 1811. Nr. 3o6. S. 642 ff.
6) Vornehmlich zu Florenz, Bassano , Mailand 11. a. a. O. Aus Toscana allein werden jährlich
für 1 800,000 Fr. Strolihüte ausgefdlnt.
c) Wo die Strohflecliterey im Canton Frrjburg so einträglich ist, dass sie \\e\c tausend Fran-
ken in's Land zieht.
d) Unter den von 1794 — 1804 in England eingeführten 65,i33r Dutzend Strohhüten waren
32,g86^ Dutzend aus flew/ic/i/flnrf gekommen. Dieser Industriozweig fehlt also dem übrigens
indastriereichen England. S. Götting. gel. Anz. i8i5. St. 38. S. 371.
«) Wo in und um IVien dieser Industrieartikel 22 Fabriken beschäftigt. Das Stroh (zu Ver-
fertigung der Hüte nach Florentinerart) zu diesen Geflechten , welches die Italiener aus ei-
ner besondern Gattung Weitzen (^Marzzolo) erhalten , war man bis jetzt aus Italien zu be-
ziehen genölhigt. Vielfältige Versuche haben endlich gezeigt, dass man auch aus dem go-
^vöhnlichen einheimischen Roggenstroh feine Geflechte erzeugen , und Strohhüte hieraus
verfertigen kann , welche den ächten Florentinerhüten nicht weit nachstehen. Am meisten
werden aber hier noch immer die aus Schireizergeflechlen zusammengenähten Hüte ^ erfer-
tigt, weil diese im Preise viel wohlfeiler geliefert werden können. Seit einigen Jahren ver-
fertiget man in It^ien auch sehr geschmack\olle Bouquete von Stroh.
J) \ornehmlich zu Prag, Leulmeritz und Lobendau unweit Rumhurg.
g) Hauptsächlich in den Dörfern um Dresden und am Fusse des Erzgebirges. Erwachsene und
Kinder fabriciren da, sobald die Feldarbeiten gethan sind, aus Stroh nicht bloss die ge-
wöhnliche Strohwaare, sondern aucli Vasen , Kästchen, Tafelaufsätze, Blumen und Blu-
menkörbe , die nichts zu wünschen übrig lassen. Man sieht Blumen von ihnen mit einem
Glänze und einer Richtigkeit der Farben, welche den besten künstlichen italienischen Blu-
men (von Seide) den Rang abgewinnen.
b) IManufacturen zur Verarbeitung der rohen Stoffe aus demThierreiche.
§• 104.
W ollenmanufacturen.
Unter den Manufacturen, welche Materialien aus dem Thierreiche veredeln, sind
die wichtigsten die yirbeiten m TVolle. Der Gebrauch dieses x'lriikels ist zwar heuti-
ges Tages in Europa nicht mehr so ausgedehnt, als er es im sechzehnten, und noch
mehr im fünfzehnten Jahrhunderte war, wo selbst die Hemden der meisten Menschen
aus Wolle bestanden. Denn Leinwand war fiir den gemeinen Gebrauch noch so kost-
bar und selten in manchen Landern, dass z. B. die (jcmahlinn Carls VIL von Fraiik-
25*
jg6 III. luJiistric'le Prodiiclinn. §. 104. Wull' nnnmufarturcn.
reich damals die einzige Person in Frankreich gewesen seyn seil, die zwcy Hemden
von Leinwand gehabt habe aj. Der Gebrauch der Wolle ward beschränkt durch die
Verbreitung der Seide (s, oben §. 65), vornehmlich al)er durch die starke Einführung
der Baumwolle j und ihre Verarbeitung zu fast unzahligen Artikeln. Indessen sind die
WoUennianuflicturen in Europa auch noch gegenwärtig von ausgezeichneter Wichtig-
keit. Die meisten und besten sind unstreitig in England hj ^ Frankreich cj , den
Niederlanden und Deutschland. Zwar werden einzelne Arten derselben, zum Theil
mit trefflichem Erfolge, in verschiedenen andern Ländern betrieben; allein sie sind
bey weitem nicht hinlänglich zur Versorgung ilires eigenen Landes, oder stehen jenen
auch in manchen Arbeiten nach.
Die feinsten Tilcher und Casimire werden, theilsmanufacturmässig, theilshand-
werksmässig , verfertigt: in England, vornehmlich in den Provinzen Sommersetj TVdt^
Gloucester und Dorset; in Frankreich , besonders zu Paris (draps des Gobelins und
Julienne), Sedan j Louviers j Abbeville _, Chateauroux ., Elbeuf und Cahors ; in den
Niederlanden , und zwar in den südlichen Provinzen : zu Löwen ^ Lattich _, F^ervierSt
Hodimont wnA Limburg ; in den nörAYiclxen: zw LejdeUj Tilburg und Utrecht- in
Deutschland, vornehmlich in Oesterreiclis deutschen Provinzen, nahmenllich in AL'ih-
ren djj Böhmen ejj Schlesien f) und Kärnthen gj ; dann in Preussens deutschen Pro-
vinzen, nahmenllich in der l?io\hiz Niederrhein hjj in Scidesienijj BrandciihurgkJ
und Sachsen Ij ; ferner im Königreiche Sachsen mj und in verschiedenen Districtcn
von Schwaben mid Franken. Die schöne schwarze Farbe, die sonst dem französi-
schen Tuche von Sedan vor allein übrigen den Vorzug gab, hat man nun avich in
Cloucestershire in England, zu Lejden und Liittich in den Niederlanden und in
einigen deutschen Fabriken , z. B. zu Brunn in Mähren, Victring in Kärnthen u. s. w.
bereiten gelernt tmd zu solcher Vollkonmienheit gebracht, dass die schwarzen Tücher
dieser Länder von den französischen nicht zu unterscheiden sind. Das Scharlach der
französischen Gobelinstücher hat man indess noch nicht völlig nachmachen können,
obgleich Lejden und Gloucester ebenfalls geschätztes, scharlachrolhes Tuch liefern,
und zwar der letztere 0;t in solcher Menge, dass jährlich für mehr als i Mill. Pf. St.
davon ausgefülirt wird. Vorzüglich schöne weisse Tücher werden zu Namiest in Mäh-
ren und in Glouceslersliire verfertigt.
fl) S. GreUmanns Historisch-stalistischcs Handliuch a. a. O. S. i3q ff.
b) Der Werlh der sämmtlichon briuischon Wollenfabrication botragt 16 — 18 Mill. Pf. St.,
und die Zalil der Arbeiter in Wolle steigt auf 440)000 bis 5oo-,ooo Personen. Indessen sind
die Engländer in der Wollenfabrication zu abhängig vom ersten Product, das sie in bester
Qualität und grosser Quantitataus der Fremde, und nahinentlich auch aus Österreich, beziehen.
e) Es verarbeitet an roher Schafwolle jährlicii für 36 JMill. il. und erzeugt daraus für beynahe
go Mill. 11. Waare; an Veredlung fremder Wolle gewiimt es q Mill. fl.
d) Mähren, ßühinea und Schlesien sind der Hauptsitz der österreichischen Wollenmanufacfu-
ren. Erstere Pro^ inz aber liefert die meiste feine Waare in 5o Tuch- und Casimirfabriken ,
wovon auf Brunn allein i6 kommen. Feintücher aus Mähren treten in unmittelbare Con-
currenz mit den niederländischen und sächsischen, welche das englische Feintuch schon
grössten Theils von der Leipziger JMesse verdrängt haben. Auch gehen feine mährische Tü-
cher unter dem Nahmen und mit der Stickerey ürap de Louciers nach Italien. Doch liefert
Mähren noch weit mehr gröbere Waare durch die zahlreiclien Tuchmacher seiner Land-
III. ludii-frielle Production. §. io5- Wullenmannfaclnrcn. Forlscizun«. in«
slädle, im Ganzen 1 10,000 St. zu 47 Mill. fl. , walirend die Production an foincn Tiiclirrn
auf 20,000 St. zu 3 — 4 Mill. fl. , und an Casimiren auf 2o, 000 St. zu i,2oo,ooo fl. ge-
schätzt wird.
f) Es liefert durch seine zahlreichen Tuchmachermeister und in 25 förmlichen Tuchfabriken
mehr mittelfeine Waare. Am stärksten wird die Tuchmacherey zu Reichenberg betrieben.
Es sind daselbst zwey Fabriken und 900 Tuchmarhermeister, deren jeder zugleich Färber
ist, mit 600 Gesellen und 200 Lelirjungcn. Man kann annehmen, dass in den 10 Jahren
vor 1810 im Durchschnitte jährlich 40— 5o,ooo Stück Tücher verfertiget wurden, deren Ab-
sätze, ausser den österreichischen Provinzen, noch die Tüikej , Jlalie/ij Dculschland , die
Schweiz , Dänemark , Polen und Russland geöffnet \varen. Aber seit 1810 verloren die hie-
sigen Tuchmanufacturen durch die Einfuhrverbothe mehrerer der genannten Länder, bis
endlich beym eingelrelcnen Frieden einige dieser Absatzörter wieder geöffnet wurden. —
Die zu AU-Habendorf , nahe bey der Stadt Reichenberg , befindliche Berger sehe Tuchfabrik
liefert so gute und schöne Waaren , dass sie in jeder Hinsicht die Concurrcnz mit den nie-
derländischen Tüchern aushalten.
/) Es hat drey Feintuch- und Casimirfabrikeft , nahmenllirh zu Troppau , Teschen und Biclilz;
ausserdem noch sehr viele Tuchmacher. Im J. löog halle BieliLz deren goo , Schwarzwas-
ser 5oo , Teschen 200, Troppau i4o u. s. w.
g) Es besitzt zwey, durch ihre vorzügliche Einrichtung und Führung ausgezeichnete Fein-
luchfabriken, nahmentlich zu Viclring und Klagenfurl , deren Fabricate an die besten eng-
lischen und französischen Tücher sich reihen, und grossen Absatz in das Aualand haben.
Ä) Wo zu Aachen t Burt scheid ^ Slollberg, l\Ionljoie , Iingenbruch , Eupen , Malmedj , Düren
und Heinsberg die feinsten Tücher und Casimire in der preussischen Monarchie \erfertiget
werden. Zwey dieser Fabrikorte, nahmentlich Mo/iljoie und Eupen, haben jeder 5o Tuch-
fabriken, davon zu Monljoie 8 — 10, zu Eupen 20 grosse. An dem letzteren Orte wurden im
J. 1810 fabricirt: 7000 Stück feine Tücher, 48,000 St. sogenannte Serailtücher, i2,5oo St.
Casimire und 1800 St. Halbtücher.
1) Besonders zu Breslau , Goldberg, Grünberg , Göriilz und Laub an , welche beyde letztere Fa-
brikstädte eigentlich in dem preussischen Theile der Überlausitz liegen, der jetzt ein Be-
standtheil der Provinz Schlesien ist.
A) Vornehmlich zu Berlin, Brandenburg , Luckeni^-alde , ZülUchau , Crossen, Schwlehus und
Coltbiii.
l) Zu Magdeburg , Burg, Barby , Langensalze , Naumburg und Zeitz.
iri) Vornehmlich zu Krimmilschau , Penig, Rochlitz , Bautzen , Zittau u. 5, w.
§. io5-
Fortsetzung.
Wollene Tapeten oder Teppiclie mit Figuren von natürlicher Grösse nnd F;iiJ)e,
Gruppen aller Art, Landschaften u.di;!., die höchste Stufe der Weberkunsl, liefen i^a/Vj:
nocli innner von unvergleichbarer Schönheit unter dem Nahmen der Tapeten der Go~
belins aj ; nächst diesen werden die schönsten Tapeten zu Beanvaix in Frankreich,
zu Antwerpen j Oudenarde und Doür?iik in den Niederlanden, zu IFilton und Kid-
derminster in England und in der kaiserlichen Wollenzeugfahrik zu Linz in Öster-
reich oh der Enns verfertiget. Ausserdem verdienen hier eine nahmentliche Auszeich-
nung die tiirkiscJien Teppiche, und die von Peter dem Grossen 171g in St. Peters-
burg j nach dem Musler der Gobelins von französischen Meislern, angelegte Tapclea-
iq8 III. lüdustriflle Produclion. §. jo5. Wolleumanufacturcn. Foilsctzung.
nianufactur^ welche jetzt nur geborne Russen zu Arbeitern hat, aus deren Händen in
der vollkommensten aller Webereyen treiriiche Stücke hervorgehen. Gemeine Wollen-
tcppichc werden in Tjrol in Menge verfertigt, und fast in allen Hauptstädten unsers
Erdiheils von hausirenden Tyrolern angebothen; sonst aber wird dieser Wollenarli-
kcl auch zw Auerbach und Nördlingen in Baiern, in Russland luid in andern Län-
dern gewebt.
In der Fabrication der Sliawls ^ deren Gebrauch in Europa erst seit der franzö-
sisch-ägyptischen Expedition, also ungefähr seit dem Ende des letzten Jahrhunderts,
allgemeiner geworden, sind unerreichbar die Hindus \n Kaschemir und die Osmanen.
Von den türkischen kostet manches Stück über 400 Piaster; jene hingegen, die aus
Kaschemir konmien , und aus Haaren einer thihetanischen oder kaschemir selten
Ziegenart, nach andern aus tJiihetanischer Schafwolle, bereitet werden, sind für 10
— 12,000 Piaster kaum zu liaben. Sie übertreffen an Zartheit des Gewebes undAnmuth
der Farben alle iibrigcn, selbst die türkischen, obgleich auch diese zwey bis drey
Mal so gross, als die bey uns gewöhnlichen, und so fein sind, dass mau sie zwi-
schen zwey hohle Hände bringen kann. Indessen macht man sie seit mehreren Jahren
zu JSorwich in England, zu Rheims in Frankreich und zu Wien in Österreich, und
zwar an dem letzteren Orte so täuschend nach, dass die daselbst aus feiner inländi-
scher Wolle ver'i. .igten Shawls auf der Leipziger Michaclismesse 1818, wegen ihrer
grössern Ähnlichkeit mit den tiii-kischen _, den J^ranzösischeti und eng/ische?i \orgc-
zogen wurden.
Die meisten wollenen Zeuge von grosser Mannigfiiliigkeit werden in England ge-
webt, besonders in der Gegend von Haüifax in Yorkshire, zu Norwich in Norfolk-
shire, in einigen Gegenden von Lancashire und zix Kendal in Westmoreland, des-
gleichen in Frankreich , nahmeuilich in den eh eniahliiren Provinzen i^/rtf«r/e/vz_, Cliam-
pagne j, Dauphine _, Languedoc und AormandiCj in den Niederlanden, besonders
zu Brüssel und Doornik _, in Deutschland, vornehmlich in den Königreichen Sac/isen_,
Baiern j, JVürtemberg und Hanover _, im Mecklenburgischen _, in den prcussischen
Provinzen Sachsen j Schlesien und Brandenburg _, und in den österreichischen Pro-
vinzen Böhmen j Mähren _, Schlesien j Krain und Oesterreich ob der Enns j in wel-
cher letzteren Provinz die k. k. ^Vollenzeugflilirik zu Linz die grössie Anlage der Art
in Deutschland ist. Sie verarbeitet jährlich id)er 5ooo Ctr. ^\^olle, und beschäftigt im
Ganzen mehr als 22,000 Menschen, davon bloss in Linz und der Umgegend über 7000.
Auch hat diese Fabrik nicht nur hohe Vorzüge in der Farbe und Appretur, sondern
auch der feine Geschmack, die sorgsame Sortirimg der \Volle haben ihre Erzeugnisse
sogar auf der Leipziger Messe berühmt gemacht.
Die Strumpfwirkerey j und zwar häufig zugleich mit Anwendung auch auf an-
dere Kleidungsartikel, als Mützen _, 1 Festen, Handschuhe und Beinkleiderzeuge j
ist ein wichtiges Gewerbe in England, besonders zu Leicester _, Aottiiigham , Hinklcjj
Norwich nnd Kendal ^ dessgleichenzu^Z>e/Y/een in Schottland und zn fltri in Frank-
reich , so wie in mehreren deutschen Ländern , obgleich gegen ehemals sehr vermin*
den, doch noch ziemlich bedeutend in den Königreichen Sachsen j Bniern imd W ür-
temberg j, in den österreichischen Provinzen Böhmen, Mähren^ Oesterreich ob der
III. ludusliiclle l'roduction. § 106. Wolleaiiianufacturcn Foitseiiiiny. in,.
Enns und KraiHj in den preussisclien Provinzen Cleve-Befg _, Sclilesieii und Sachsen^
endlich in dem Grosshcrzogiluiine IFeimaVj wo die Stadt Jpokla bisher die grössle
Strunipfmaiiufaclur in Dctifschland , ja wohl in ganz Europa hatte, aus weleher noch
im Anlange dieses Jaliihunderts jahrlich, mit Inbegriff dessen, was von benachbarten
Dorfschaiten, als Product des \Vinters bey ruhender Feldarbeit, dazu geliefert ward,
gegen 53,000 Dutzend Paar Strümpfe versendet wurden. Allein im J. i8l2 halle die-
ser Industriezweig so abgenommen, dass von 273 Meislern mit 71 Gesellen nur noch
25,000 Dutzend wollene, halbwollene und l)aumwollene Strümpfe geliefert wurden.
— Vor dem letzten Viertel des iß. Jahrhunderts trug der grössere Theil von IMen-
schcn in Europa niu- Strümpfe, die aus geschnittenem Xew^e zusainiiieiigenäliet ^ und
bloss vornehmere Volksclassen mochten solche haben, die gestrickt waren, bis TVil-
liamLeCj Magister in Cambrigde ^ l58g die bewunderungswürdige, aus mehr als
driuhalb tausend Theilen zusammengesetzte, Maschine und Kunsl erfand, Strümpfe
zu wirken.
a) Eines PallastPS zu Paris, den Colbert unter Ludtvig XIV. im J. 1667 den Künsten crhaute,
und nach den Gebrüdern Giles und Jean Gobelin benannte. S. Beckmanns Anleitung zur
Technologie. 3. Aufl. S. 77.
§. 106.
Fortsetzung.
iS/^a/i/e«^ Wollenmanufacturen sind, wegen der vorlreflflichen Inlandischen WoUe
von vorzüglicher Güte 5 alleinlange nicht so ausgebreitet, als sie in Hinsicht der Men^e
imd Güte des Materials scyn sollten. Die Manufacturen zu Segovia und Guadala.xara
sind in ganz Spanien die einzigen, welche sehr feine Tücher und Casimire liefern.
Die königliche Wollenfabrik zu Guadalaxara webt kostbare, carmoisinroth gefärbte
Tücher, imter andern auch von f^igognewolle j die Elle zu 34 fl. Auch unterhält
man zu Mafif/vVieine Tapetenmanuftictur, deren Waaren denjenigen der Gobellinsma-
nufactur zu Paris an die Seite gesetzt zu werden verdienen. Die übrigen WoUenma-
nufacturen zu P'al/ddoädj Ponte^'edra j Alcantara_, Cordova und Sevilla _, so wie
in Catalonien j Jragonien u. s. w. verfertigen nur gewöhnliche Tücher und Zeu"c,
aber im Ganzen bey weitem nicht in hinreichender Menge fiir den innern Eedarl^ In
derselben Lage befinden sich auch Portugal j Italien j die Schweiz j Dänemark _,
Schweden j Norwegen ^ Russland aj ^ Polen ^ Galizienj Ungern j Siebenbürgen
und die osmaniscJien Provinzen, deren Wollenmanufactureu das inländische Bcdiui-
niss lange nicht befriedigen, obgleich die Landlcuie in den meisten dieser Lander
grossen Theils ihre unentbehrlichen Tücher und Zeuge selbst verfertigen ■ in llussJanU
faliriciren die Bäuerinnen im Dorfe Issa sogar geschmackvolle Teppiclie ^ in Kantens-
koje i^wj'.yr/ecAe« auf persische Art, und um Tjume die wollenen und seidenen, all-
gemein beliebten Leibbinden (kushoks).
Um die Wollenmanufacturen auf einen höheren Grad der ^ ollkommenhcit zu
bringen, hat man in England JFollenspinn- und J Hebemaschinen j welche das
Spinnen und Weben bloss durch leblose Kräfte (Wasser oder Dämpfe) verrichten,
luchscherinaschine/ij welche ohne menschliche Bejhülfe das Tuch scheren, und
200 III. IiiJiistiii-lle Producliun. §. 107. Ilutfabricalion.
noch so raanclie andere Maschine errichtcl, und zwar in solcher Menge, dass man das
Caniial, welches auf das Maschinwesen fiir Wolle allein verwendet isl, über 5 Mill.
Pf. Sl. rechnet. Nach dem Vorgani;;e Englands hat man solche Maschinen auch in an-
dern europäischen Staaten, nahmenllich inOesterrelchj Preussen j Fi-a/ikreic/iu. s.w.
niit gutem Erfolge eingeführt.
a) Wo die WoUcnmanufacturon sich, nach Hrn. r'. H^ichmann , ia drey Zweige theilen: in die
Ivronverpflichtcten und freycn Etablissements. Die crsteren zu Jekalerinoslaw und Irkutzk
erzeugen sehr feines Tuch ; die andern , 24 an der Zahl, lieferten im J. 1804 zusammen:
g3i,3i7 Arschin Tuch und Rirsey; sie haben die Verbindlichkeit, jährlich >on jedem an-
sässigen Arbeiter 80 , und von jedem ohne Land 4" Arschin Tuch und 40 Arschin Kirsey
zu liefern; die letztern oder freyen sind unbeschränkt, und nur durch häufige Tuchliefc-
rungscontracte mit der Regierung in Berührung. Seit 1810 iKsst sich die russische Regierung
sehr angelegen seyn , diesen Industriezweig empor zu bringen. Diejenigen Fabrikinhaber,
welche über 100,000 Arschin Tuch liefern, erhalten Verdienstmedaillen, und die, Avelchc
besondere Forlschrilte in dieser Fabrication zeigen, erhalten den Charakter von Manufactur-
Rälhen mit allen Prärogativen der Commerz-Rätlie. Endlich ist das Ministerium beauftragt,
für die Einführung besserer Maschinen und die Vervollkommnung derselben zu sorgen. S.
Merkanlilisclie Annalen. Jahrg. 1811. S. 8. Gleichwohl ward noch im J. 1817 eine Ordre
an die Tuchnianufacluren in lorkshirK erlassen, Tuch für die gesammtc russische Armee zu
liefern. S. Polil. Journ. 1817. Sept. S. 658.
§. loG.
II u t f a"b r i c a t i f> 11.
mite werden sowohl aus Schaf- und Vigognewolle, als auch aus Hasen-, Kamn-
»■lien-, Ziegen-, Kamehl-, Biber- und Fischotterhaaren gelllzt. Dieser Artikel wird fast
in allen eniopäischen Ländern fabricirtj im Grossen, als Stappelwaare aber nur in
England j Eraidaeichj in den JSiederlanden uiul in Deiitsahland. Die englischen
Filzhiite zeichnen sich vor andern hauptsächlich durch Feinheit, genaue Bearbeitung
vtnd Dauerhaftigkeit aus. Es werden jährlich im Ganzen gegen 4 Älill. Stück verfertiget,
wovon ein beträchtlicher Theil ausgelVihrt wird. — In FrankreicJi war die Ilatma-
clierey iiu i6. Jahrhunderle ein selir bedeutendes Gewerbe; auch verbreitete sich die-
ser Iiidnstriezweig von da aus diach die aiisge<vanderten Hugenotten in andere euro-
päische Länder. Allein eben diese Auswanderung, so wie die Nacheiferimg der Eng-
länder und anderer Nationen und die Revolution wirkten sichtbar auf den Verfall des-
selben aj. Indessen hob er sich seit dem Anfange dieses Jahrhunderts, besonders
in Paris j Lyon , Orleans und Marseille j wieder so sehr, dass er im J. 1812 ig,ooo
Arbeiter beschäftigte, und für 23 Mill. Fr. Fabricate schaffte. LjonaWem verfertiget
jährlich 1,400,000 Stück Hiite. In den Niederlanden befindet sich der HanjUsiiz der
lluiftbricaiion zu Eind]w\-'en ^ Brüssel luid Mechehij wo Hüte bis zur feinsten Sorte
und in grosser Menge gemacht und ausgeführt werden. — Noch ausgebreiteter ist die
Hutmacherey in Dentscfdand ; dabey liefern mehrere deutsche Siädte Hiite von sol-
cher Gute, als nur innner aus den besten Werkstätten der besagten Länder kommen
mögen. Vorzüglich blühet dieser Industriezweig in IVien bj und Prag; in Zittau
■und Bautzen i Lcv'.in und fFi>iperfurtJi; Casselj Hanau, und Fulda; Erlangen j
III. Iniliislriellc Produclion. ^. 108. Seidunmanufactuicn. 201
TVilrzhurg , Ehingen w. s. w. Die IViener Hiile finden ilirer Güte und Scliönlieit we-
gen grossen Absatz, iiicLt nur nacli Ungern und Siebenbürgen j%o\\Aq\:\\ auch nach
Italien j, Polen und Russhind; die zu Jf'ipperfurth in ungemein grosser Menge ver-
fertigten Malroscnlmte AVcrden seihst nacli England ^ Frankreich und Holland ver-
sendet. — Die rotliea Cardinalshüte wurden bisher in England gemacht, weil man
in Franki-eich dem Biherhaar keine so glänzende Farbe gehen konnte, als man ver-
langte. — Rothe Filzniützen zu den Turbanen der Türken werden in Frankreich
häufig, insonderheit zu Orleans j Marseille und a. a. O. verfertiget, und in Menge
nicht nur nach den levantischen Häfen, sondern auch nach der Nordkiiste von Afrika
versendet. — Fabriken zur Verfertigung urientalischer Kappen gibt es in Österreich,
nahmenthch zu IVien j, Linz j Brunn vmd Venedig. Die zu^Vien verfertigten Rappen
kommen in Hinsicht des Stoffes sowohl, als der schönen rothon Scliarlachfarl)e den
tunesischen sehr nahe, luid gehen sännntlich, wie die aus der Linzer, Briinner >uid
venetianischen Fabrik, nach der Tiirkcy.
a) Vergluichung des Zustandes der Hutmanufacturen, der G'arbereyen und SchwefelfaLrikoii
in Frankreich im J. 1789 und im J. i8o3; in dem Bulleiin de la Societe d'Encouragemetit
de l'iiidustrie etc. Erster Jahrg. Nr. IV. u. V.
i) Wo im J. i8i3 4 Hutfabricanten , 42 befugte Ilutmacher und 80 Hutinachermeister waren,
die mit ihren 5o4 Gesellen in 126 Werkstätten 3o2,4oo Stück Hüte (ganz Russland lieferte
im J. 1804, nach Hrn. c. IVichmann , in 74 Hutfabriken mit 678 Arbeitern nur 176,008
Stück Hüie) verfertigten, wozu g46)2oo St. Hasenbälge aus Böhmen j Mähren und an<lern
inländischen Provinzen, sehr\iele auch aus der Moldau und Walachey , verbraucht wur-
den , wo\on 100 St. 145 — i5o fl. WW. kosteten, ein sehr hoher Preis, da n^ch. Beckmann s
Angabe im J. 1787 hundert Hasenbälge in Böhmen nur 20 — 24 fl- gekostet hatten. Seit ei-
nigen Jahren befintlet sich in Wien eine Fabrik zur Verfertigung wasserdichter Männer-Filz-
hiiie. Diese Hüte , welche sich durch Feinheit und Leichtigkeit auszeichnen , sind dem
Wasser undurchdringlich, behalten, irfdem sie nicht durch Leim gesteift sind, lange Zeit
ihre Form , und das Abputzen mit einem nassen Schwämme , wodurch sie einen neuen,
Glanz erhalten , vertritt bcy ihnen die Stelle des Abbürstens.
§. 108.
S e i d e n m a n u f a c t u r e n.
Die Seidenmanufacturen wurden von Asien her zuerst nach Griechenland , von
da um die Mitte des 12. Jahrhunderts durch den V>.ön\i^ Roger üAch. Sicilien verpflanzt,
und bald weiter in Italien verbreitet. Sie waren in Messina ^ Palermo ^ Catania ^
JSeapelj CatanzarOj Florenz j Lucca ^ Bologna j Genua ^ f^enedigj Mailand ^ Tu-
rin und a. a. O. lange ungemein blühend, und versorgten das iU^rige Europa mit ihren
Erzeugnissen , bis die französischen über alle andern das Übergewicht erhielten. Seit-
dem sind die italienischen Seidenfabricate grössten Thefls von geringerem Belange,
ausgenommen die schönen Sammete von Genua (die noch immer die besten in Eu-
ropa sind), Mailand:, Vicenza^ Bologna, Florenz j, JS'eapel und Catanzaro ; die
berühmten seidenen Strümpfe von Tiuin , denen die von Brescia nicht viel nach-
geben; die schönen seidenen Halstücher von ^lailand und Vigevano; die aus Gold,
Silber und vielfarbiger Seide verfertigten, sehr gcsacluen Stojfc von Venedig; die
bunten seidenen TFaaren von Lucca ; die seidenen Bä/idci' von Padua und Brescia;
26
202 in. ludustrielle Produclioa. §. xo8. Seidenmanufacluieö.
der seidene Nähzwirn von Verona und Monleleone und die J einen Seidenwaaren
von Messina. — Spaniens SeidcnnianuracUiren, zur Zeit der Maaren so blühend,
kamen vom 16. Jahrliunderte an sehr in Vcrfal] , und hoben sich ei'st wieder seit der
Mitte des 18. Jahrhunderts. Sic sind jetzt der wichtigste Zweij,' des spanischen Kunst-
flcisses, zahh-eich in mehreren Städten, z. B. in Barcelona ^ Rens ^ Matal o „ Talii-
vera de In Reina_, Madrid j Toledo j Guadalaocara ^ Sevilla j Antecjuera j vorzüg-
licli aber in Videncia ^ wo allein gegen 4000 W^erkstidde im Gange sind, welche
20,000 Menschen beschäftigen. Im Ganzen gibt es in Spanien i8>000 Seidenweber-
stühle, welche dauerhafte, wenn gleich nicht immer geschmackvolle Arbeiten liefern.
— Eben so betreibt man in Portugal vonManufacturcn die Seidenfabriken am besten,
wozu wohl am meisten der Umstand beytragen mag, dass alle Einführe von Seiden-
waaren in der portugiesischen ^Monarchie verbothen ist. Es sind zu Lissabon j, Porto j,
Braganza luid Beja über 27,000 Älenschen mit der Verarbeitung der Seide beschäf-
tigt. — In Frankreich entstanden die Seidenmanuiacturen unter Heinrich IV., und
kamen unter Ludwig XIV. vorzüglich durch Colbert sehr in Flor, litten aber durch
die Vertreibung der Hugenotten ungemein, bis sie sich seit dem Utrechter Frieden
wieder so hoben, dass sie allen andern die Palme entrissen, und durch ihre Moden
ganz Europa von sich abhängig machten. Ihr Hauptsitz ist in Ljon j, Paris _, Tours j
Orleans und Nimes ; sonst blühen sie auch noch in Montpellier _, Marseille _, Toulon ^
yjmboise _, Toulouse j Nancj und a. a. O. Die Anzahl aller Werkstühle für Zeuge,
Bänder, Strümpfe, Taffet, Atlas, Sammet mid Stotle aller Art, belief sich im J. 1780
auf 68,000 niit 5oo,ooo Aibeitern. Während der Revolution gerieth auch dieser Indu-
striezweig so sehr in \erfall, dass unter andern in Lyon von 16,000 Werkstühlen kaum
4000 erhalten weiden koniiten; diese haben sich aber doch im J. 1812 schon wieder
auf ii,5oo, 1818 auf i3,000, 1820 auf mehr als 18,000 und 1821 gar auf 26,000 ver-
mehrt, die für 80 Mill. Fr. rohe Seide aus dem Auslantle zu einciu V\ erthe von i3o
INliU. Fr. verarbeiten. Lberhaupt nahm die Seidenfabricaton bereits unter der vorigen
llegierimg so beträchtlich zu, dass im J. 1812 für 70 Mill. Fr. Seidenwaaren aller Art
ausgeführt wurden. — In Grossbritannien j, in den Niederlanden _, in Deutschland
und der iS'c/nve/z sind die Seidenmanufacturen, gegen das Ende des 17. Jahrhunderts,
durch die Aufnahme französischer Fremdlinge (^Hejugie's) , theils neu entstanden, theils
mehr verbreitet und vervollkommnet wuiden. In Grossbritannien gewannen sie in
der Folge manche Verbesserungen, vornehmlich durch Errichtung mehrerer Seiden-
miuden nach italienischer Art, wovon die grösste zu Derby ist. In dieser Seidcimüdde
setzt ein Wasserrad viele tausend Haspel in Bewegung, so dass mit jedem Umdrehen
des Rades an g4,ooo Ellen Seide aligehaspelt und gezwirnt werden können, welches
in 24 Stunden 3l3 Mill. Ellen gibt. Der Hauptsitz der Seidenfabriken selbst ist in
England: zu Spittlcßelds bey London, zu Canterburj j Coventrj und Nottingham ;
in Schottland: zu JEdinburgh ^ Glasgow und Paislj. Im J. 1806 stieg die Anzahl der
Seidenarl)eiter in Grossbritannien auf 65, 000 Personen, und der Werlh der von ih-
nen gelieferten Fabricate betrug 2,700,000 Pf. St. Die Juiitischen Seidenwaaren sind
schwer und trelTüch gearbeitet, aber doch nicht so vollkomuien und mannigfaltig, als
die französischen, dabey sehr thcuer, weil Grossbiiltaiinien die Seide ganz jlUs der
III. Iiiduslrielle Proil icHon. §. 103. Seii'lenmanufactiiren. jo3
Fremde beziphon muss, nnct der Arboiislohn hoch ist. Viele cnghschc und die meisten
schottischen, einst Muhenden M.uuifaciuren vertauschten in den ncucrn Zeiten die
Seide mit der Baumwolle. — In den Niederlanden ist der Hanptsitz der Scidenma-
nufacturen zu HiKirlem , ü!j sie gleich sehr hcrabgekommen sind. Sie liefern unter
andern schöne Striunnfc, geschätzte schwarze Bänder und vortreßliches seidenes Bcu-
teltuch, gleich dem besten englischen. Ausserdem gibt es Seidenfabriken in Utrecht
und Brügg. — In Deutschland wird die Fabrication der seidenen Waaren ani stärk-
sten in den österreichisc':cn ajj preussischen hj und sächsischen cj Staaten betrie-
ben; sonst beschäftiget man sich mit der Verarbeitung der Seide auch noch zu Augs-
burg j, Tuttlingen _. Hanaus Olfcnbach^ Lübeck , Hamburg und a. a. O. TFien^ Ber-
lin , Eberfeld und Leipzig liefern seidene Zeuge und andere Seidenwaaren von so
schönem Desseins , dass sie den fianzösischcn an die Seite gesetzt zu werden verdie-
nen. Manche der deutschen Seidenmanufiicturcn haben theils durch die Messen, theils
ausser demselben einen ziemlich starken Absatz nach dem nördlichen und östlichen
Europa dj ; allein dieser scheint der Einführe der französischen Seidenwaaren noch
immer nicht das Gleichgewicht zu halten. — In der Schweiz blühet dieser Industrie-
zweig in den Cantonen Bern ^ Schaßhausen _, Appenzell ^ Thurgau _, Luzern j Genf_,
vorzüglich aber in den dinloncn Basel \m(\ Zürich. Ihre Seidenwaaren, hauptsäch-
lich im glatten und gekreppten Seidenflor, in Seiden-, Floret- vmd Ilalbscidenbän-
dcrn bestehend , haben einen starken auswärtigen Absatz. Die Stadt Basel allein
führte im Jahre i8l2 fnr 3 Millionen Gulden seidene Bänder aus. Fast alle Land-
leute in dem Canton Basel haben ihren Bandweberstuhl , und arbeiten in Zwi-
schenzeiten für die Kaufleute der Stadt, Avie der Landmann anderer Länder in Ne-
benstunden Leinwand oder anderes Gewebe liefert. Dem Bauer wird die Seide von
dem Baseler Kanfuianne und Fabricanten zugewogen, und diesem müssen die Bän-
der nach dem Gewichte wieder abgeliefert werden, deren Feinheit so hoch steigt,
dass i3o Ellen oft nur i Loth an Gewicht enthalten. In neueren Zeiten hat je-
doch der Absatz, vmd folglich auch die Fabrication dieser Waare abgenommen. —
Im osnianischen Reiche sind die wichtigsten Seidenmanufacturen zu Constantino-
pelj Salonichi _. Adrianopel _, Bursa j Aleppo und a. a, O. ej. Ihre Krepps und Ga-
zes, ihr Atlas, ihr Sammet Und ihre reichen seidenen Stoffe fanden von jeher Bey-
fall und grossen Absatz. Auch haben sie es im Färben der Seide sehr weit gebracht.
— Russland hatte, Hrn. v. Wichmana zufolge, bereits im J. 1804 328 Manufacluren
in Seide, wovon die meisten (248 ;in der Zahl) im Gouvernement iMoskau eriichtet
waren. Sie vei-arl)eiteten auf/i-joi Stühlen chinesische, persische, bucharische und
italienische Seide. Die Anzahl dci Arbeiter belief sich auf 8g53 Personen^ imd das
von ihnen gelieferte Product an Sammet, Chalons, seidenen Zeugen, Bändern und
Spitzen betrug 2,321,462 Arschin. Weim auch Russland fremder Seidenwaaren nicht
ganz entbehrt: so ist es doch schon in der Lage, solche im geringern Masse dem Aus-
lände abzimehmen. — Was endlich die Seidenmanufacturen in DalinatieUj Ungern _,
Galizien _, Dänemark und Schwellen betrifft: so ist der flauptslfz derselben zu Rfi-
gusUj Pesth ^ Lemberg j Kopenhagen und Slockhohn. In Schweden bei'.ahlteii im
J. 181J 664,000 Frauenzimmer eine Abgabe, weil sie seidene Zeuge trugen /^.
26"
204 ^'I- Industrielle ProJuctioD. §. log. Ledergarbereyen.
Aus den Coconslüiuteii macht mau künstliche Blumen zum Damcnpulz, welche
in Italien j, nahmenihch zu Genua _, Florenz ^ Rom und in anderen Städten in Menj^e
imd von voi'ziighchcr Schönheit verfertiget werden.
a) Wo der Hauptsitz der Verfertigung der Seidenzeuge, Taffete, Sammete , Hals- und Sack-
tücher, Flore, Bänder, Tapeten u. s. w.-, im Lande unier der Enns ist, nahnientiich zu
IVien , Penzing, Mödling , Gumpoldskirchen , Traiskirchen und Tf''icnevisch - JS'eusladl. Im J.
1811 beschäftigten die Seidenmanufacturen in ganz Osterreich unter der Enns 7435 Weber-
stiihle und 9866 Arbeiter. Nach dieser Provinz wird die Seidenueborey in den österreichisch-
deutschen Staaten am stärksten im südlichen Üjto^ betrieben , nahmentlich zu yila^ Trient ,
besonders aber zu und um Roceredo , wo man die grössten und meisten Seiden-Filatorien
und Seidenzeugfabriken findet. Ausserdem gibt es Seidenmanufacturcn zu Gürz, Laibach j
Klagenfurl j Grätz, Brunn, Prng u. s. w.
h) Im J. 1816 waren in der ganzen preussischen Monarchie, nach Hrn. Voigtel , über 6800
Seidenweberstühle im Gange. Davon kamen auf den Düsseldorfer Regierungsbezirk allein
4goo und aui Berlin 800. Die erheblichsten Soidenfabriken sind zu Barmen, Elberfeld , Cre-
feld , Colin und Mühlheini am Rheine in Gleve-Berg , zu Berlin und Polsdain in Brandi.'n-
burg, und zu Iserlohn und Schwelm in Westphalen.
c) Wo die vorzüglichsten Seidenmanufacturcn zu Leipzig und Chemnitz sind. In der erstem
Stadt allein waren im J. 1809 für seidene Strümpfe i2o Stühle, für Sammet und seidene
Zeuge igo Stühle in Bewegung.
ri) Die Elberfelder gedruckten seidenen Foulardsiücher sind auch ausser Europa berühmt, und
werden selbst den ostindischen vorgezogen. S. B. z. A. Z. 1822. S. 107.
e) Srio , das Paradies der Griechen, wo ebenfalls noch vor Kurzem die Scidcnmanufacluren
blühten , ist im Laufe dieses Jahres von den Türken gänzlich verwüstet worden.
f) S. Polit. Journ. 1818. März. S. 284.
§• log-
L e d c r g ä r b e r e y e n.
Die Kunst, die rohen Thicrhäule und Felle zu enthaaren und dergestalt zube-
reiten, dass sie zu verschiedenen Ahsichten weiter dauerhaft verarheilet werden kön-
nen, hcissst die Ledergärbet^ej. Dieses Geweihe ist ein Hauptzweig der Industrie in
Grossbritannien aj , Spanien _, Frankreich _, den Niederlanden j 6.ev Scliwciz ^ '\\\
Deutscliland j Ungern ^ Siebenbürgen ^ GallzleUj Russland und der Türkej.
■ In Bereitung der SaJJiam ans Ziegcnfellen sind unübertrefflich die Osnianen.
Ihre vorzü^'lichsten Fabriken in dieser Ledcrarl sind zu Constaniinopel , Salonlchl j
Larissa und Janina in der europäischen, und zu \ikosia aui'Cypern, zu Dlarbekir
und Orfa in der asiatischen Türkey bj. h.m'h. iix Marokko wird diese Lederart sehr
gut verfertiget , inid wahrscheinlich daher Maroquin genannt. — Eben so liefern
Constantinnpelj jSikosia^ Tokat j Diarbekir _, Sinjrna _, Aleppo „ Marokko, Tunis
und Tripolis den besten Corduan oder Cordovan aus Bockshäuten, eine dem Saf-
fian ähnliche Lederart, welcher letztere, auch häuilg unter jenem Nahmen im Handel,
vorzüglich im Levantischen vorkonmu. Indessen wird der Saffian und Corduan auch
in Spanien, Frankreich, England j Deutschlundj Ungern, Siebenbürgen , Galizlen,
der Bukowina und in Russland sehr gut gemacht. Gleichv^old wird zu den ungri-
hchcn Zlschmen (leichten Stiefehi) , bey dem Bauer ausgenommen, fast durchgängig der
III. ludustricUc l'iocluction. §. lOg. LccKrgarbereyen. 2o5
levantische Corduan yebrauclit, — Schagrin j Chagrin (cliagraiii) , ein sehr steifes ,
festes Leder, mit kleinen Erhelurngen, wie Körner, auf der Narhenseile, wird am
besten in der Tiivkcj und in Persien j weniger gut in Russland j meistens ans dem
Rücken der Pferdehäute, verfertiget. Es wird zu Scheiden, Futteralen, Uhrgehäusen
u. s. w. gehrauclit. In Frankreicli bereitet man Schagrin axis Zicgenfellen , denen man
anit heissen KupfcrpJatlen , die überall kleine Erhebiuigou haben, unler einer Presse
die körnigle Oberlläche gibt; man nennet es desshalb das nnäclite Scliagrin. — Die
berühmten russischen Jujten fJucJitenJ werden meistens von Rindviehhäuten ge-
tnacht und sind eine dem russischen Reiche eigenlhiindiche Lederart cj\ denn ausser
Russland hat die Juftengärberey beynahe nirgends festen Fuss gefasst. Die schönsten
Juften liefern Jctroslaw _, AvsamaSj Kostruma _, TFjiUka _, Kasan , Astrachan , Mos-
kau j TFologda j jSisIiegorod j Pskow mid IFladhnir. Das Iiauptingrcdicnz dabcy ist
das Biikcntheer (Doggut), wodurch die Geschmeidigkeit und der eigenthümlichc Ge-
ruch des Juftenlcders bewirket wird. Ausserdem lieiert Russland die meisten übrigen
Ledergattungen in grosser Menge und von vorzüglicher Güte, überiiaupt ist die Ge-
schicklichkeit und Lust zu Ailjciten dieser Art daselbst so sehr ausgebreitet, dass
sogar die Bauern in mehreren Dörfern sich mit Bereitimg des Saflians und anderer
Lederarten beschäftigen dj. — Das festeste und dauerhafteste Pfund- oder SoJd-
leder wird in England gemacht; nächst dem englischen behauptet da.^ Lattiche r- oder
sogenannte Lujker Sohllcdcr von Lüttich ^ Stablo „ Mastricht ej mid Malinedj ei-
nen vorzüglichen Rang; dann folget das von Bautzen j, Kaizenellenhogen „ IVien ,
GrütZj Brümij Pressburg^ Fünfkirchen^ UdinCj Busk (in Galizien), Moskau u. s. w.
— Das geschmeidigste und weichste Kalb le der j, als Oberleder zu Schuhen und Stie-
feln, -wird ebenfalls in England bereitet. Vorzüglich berühmt ist das SoutJiwai-ker
und Bristoler Kalbledei-. ]\Lan weiss daselbst das Leder zu den Schäften fshaftsj der
Stiefeln dllrch*^Valken so elastisch zu machen, dass es sich wie ein Strumpf nach dem
Fussc zieht. Doch ist diese Kunst der Engländer jetzt auch in Deutschland, nahment-
lich zu TFien^ Berlin und a. a. O. mit Glück nachgemacht worden. — VortrefFiiches
Gemsenleder liefert die Schweiz ^ nahmentlich das Haslithal im Canton Bern. — Das
geschätzteste Leder zu //««i/i-c/iwAe« wird in Schweden fj ^ Dänemark gj ^ Eng-
land hj _, Spanien, Frankreich _, Ltalien mid Deutschland _, nahmentlich in Tjrolijj
zu TFien und Erlangen verfertiget. Li Ltalien , Frankreich und Spanien bereitet
man auch parfümirtes Leder zu Handschuhen. — Der Verbrauch des Pergaments
ist in Europa nicht mehr sehr stark, daher auch die Pergämentniacher nicht zahlreich
zu seyn jjflcgen ; zu den vortheilhafieslen Arbeiten derselben gehört noch die Zube-
reitung der Trommelfelle aus Kalbfellen, und der Paukenfelle aus Ziegenfcllcn, be-
sonders in Frankreich , England _, den Niederlanden und Deutschland.
Die besten und schönsten Schuhe kommen von Paj'is j London j JFieii und TFar-
.3'c/jfl?t; vorzüglich gepriesene Sättel von Londonn. IFien; schöne mid geschmackvolle
Brieftaschen von London, fFien und Constantinopel ; letztere Stadt liefert auch sehr
künstlich vollendete Gürtel , Gewehrgehänge und Schabraken von Saflian mit den
gefälligsten Stickereyen von Goldfäden. Lederne Dosen endlich von bewunderungs-
würdiger Festigkeit, Feinheit und Durchsichtigkeit werden in England veifcrtiget.
So6 "" 'ITl. lujustriellc Produclinn. §. iio. Verschiodone andere Fabricale etc.
ä) Dor Werth (li;s im briltischcn Reiche verfertigton Leders ward im J. 1806 zu io,5oo,ooO
Pf. St. , lind die Zahl der dadurcli beschäftigten Arbeiter zu 24I181Ö Personen berechnet.
b) Die Osmanen erhalten von den D Mitsclien allein für Sadian jährlich 60,000 Piaster.
c) Der Nahms Jajl , oder in der vielfachen Z.ihl , Jiijli ^ bedeutet ein Paar, weil bey (h'r Zu-
richtung allemal zwey Häute zusammen genäht werden.
d) Puixsland zählte im J. 1814 i348 Lederfabriken, und erhielt schon im J. 1793 für Juflen
und andere Lederg*ltung-en 2,249,701 , für Stiefeln, PantofTeln und Pelzschuhe 10,626 Ru-
bel vom Auslande.
e) Das niederländische Lff/cr behauptet seine Ehre vor dem deutschen hauptsächlich durch die
Vorzüge der Borke, deren Lieferung für die Gärbereyen ein Gegenstand eines besondern
forstmässigen Betriebes in den Niederlanden ist. S. B. z. A. Z. 1816. Nr. n8.
/) Nahmentlich zu Landskrona , Malinö und Lund.
g) Die vorzügliche Weichheit und der angenehme Geruch, wodurch die dänischen , soge-
nannten Tianders sehen Handschuhe im In- und Auslande so sehr beliebt sind , erhalfen die-
se Handschuhe von der zur Zurichtung des Leders gebräuchlichen Lohe, woz.u allein die
Rinde der wilden Weide (salix caprea) angewendet wird.
A) Besonders zu fVorr.htster , wo sich an 10,000 Personen mit Verfertigung lederner Hand-
schuhe beschäftigen.
i) Die Trrolcr Handschuhe empfehlen sich durch ihre vorzügliche Weichheit und schone Gla-
sur. Die Tejeregger Bauern kaufen sie auf, und vertragen sie weit und breit.
§. 110.
Verschiedene andere Fabrica te aus Stoffen des Thierreichs.
Das Gewerbe der Seifensieder wird am stärksten in Russland j vorzüglich von
den Talaren in Kasan und Astrachan, getrieben. Es wird jähilich eine t^rossc Menge
Seife ans diesem Keichu nach mehreren europäischen Ländern ausgeflilirt. Aus St.
Petersburg gingen \iC)() Idoss nach England über 25,ooo Fässer. Die feinsten und
wohh-iechendsten Seifenarten aber werden in Italien^ Spanien ^ Frankreich ^ Eng-
land _, Amsterdam j, Triest und TVien verfertiget. Vorzüghcli Ijcrühnil ist die P'cne-
tianische j Alicuntische , Pariser imd Marseiller Seife. Sehr schöne und gute Seife
wird auch zu Debreczin in Ungern, jährhch über 7000 Ctr., mit Hülfe des minerali^
sehen Laugensalzcs, bereitet. — Das Gewerbe der Talglichterzieherey wird im Gros-
sen und für den allgemeinen Handel besonders in /?«.s5'Zr;«^/ und OeA^erretc/ij vornehm-
lich zu Triest j Cattaro imdPe/Wi-^o getrielicn. Russland führte imJ. i8o5für 396,413
Rubel Talglichter aus. Cattaro und Perasto versenden jährlicli 52o,ooo Pf. Talglich-
ter, und die Priester Unschlittkerzen gehen besonders nach Italien in grosser Menge.
— Die TFachshleichen , nebst der damit verbimdenen Verfertigung der IVachslicIi-
tcr sind heutiges Tages in Europa nicht mehr von dem Umflinge , den sie vor der
Reforniation hallen. Diese liat den Verbrauch der Wachslichler, so wie die Bicnen-
zvicht, welche ehemals die Klöster und Geisllichkeil Jjetreiben halfen, sehr vermin-
dert. Der in neuern Zeiten gestiegene Luxus ersetzt diesen A])gang bey weitem nicht.
Indessen sind die Wachsbleichen in Russland ^ Gcdizien ^ ungern^ vurnehmlich aber
in Holland, Fenedig , Triest ^ Wien , Hamburg, Celle, Cassel , Fulda, Offen-
bncli luid andern deutschen Gegenden, so wie die Versendung an ^Vachs luid Wachs-
liclilern, besonders aus Deutschland imd Holland , nach Süd- und Westeuropa noch
ni. luduslriuUe Ptoduclioa. §. ilü- Verschieilcne andere Fabiicule etc. SO7
immer sehr wichtig . — Die Bereitung des MethSj aus Honig und Wasser, ist besonders iu
Polen _, llusslondj Littliaueii j Preiissen ^ üiigeni ^ Scftweclen _, Norwegen und Dä-
nemai'k sehr gebrauchlich. — Die besten Pfeffer- oder Lebkuchen ^ aus einem Tei-
ge von Honig, Mehl und Gewürz, liefern IViorn j Dtinzigj Ni'wnberg , Erlangen ^
Rheims j Metz und Verdun. — Die hellesten, reinsten und zäheslen Darmsaiten j,
aus Schaf-, Ziegen- und Katzengedännen , zu Bcziehimg der Violinen, Harfen und
anderer musikalischer Instrumente, werden in Italien j besonders zu Rom j Florenz
und Neapel verfertigt. Ljon tuid Paris liefern sie gleichfalls vorzüglich gut. In
Deutschland werden die besten zu München, Nürnberg _, Augsburg und Neukir-
chen im Voigllande gemacht. — Die Bereilimg der GoldschlägerJ'ormen _, aus einem
Häutchen des Mastdarms der Ochsen, war sonst ein Geheimniss der Englander; jetzt
werden sie auch in ff^ien j Nürnberg j Hamburgs Breslau u. a. a. O. gemacht. Es
\\ ird in demselben das Gold und Silber zu dünnen Blättern geschlagen. Eine Form
besteht gewöhnlich aus 600 Blättern. — Viele und treffliche Federspulen werden in
Holland und Deutschland ^ nahmentlich zu Hamburg j Düsseldorf mid Neuss ap-
jirotirt; letztere Stadt bereitet allein wöchentlich 180,000, jährlich also g,36o,ooo
Schreibfedern, die roh aus Polen vmd andern Gegenden kommen. Auch in Tillen ist
mau in der Zurichtimg der Schreibfedern seit kurzer Zeil weiter gerückt, und man
kann sich allerdings mit den bessern inländischen Qualitäten zufiieden stellen. —
Vorzüglich gepriesene Mahlerpinsel liefern Münclien _, Lyon imd Amsterdam. —
Sehr geschätzter brauner oder Sepia-Tusch _, aus dem Safte des Kutlel- oder Tinlen-
iisches aj , wird in Italien,, FranJa-eich und England^ treffliches Indianischgelb ^
aus dem Urin der Kühe bj , in Italien und England bereitet. — TItran ^ ein flüssi-
ges Fett, wird entweder aus Walliischen imd Robben, wie z. B. in Holland \n\d Eng-
land ^ oder aus Häringcn, wie z. B. in Schweden und Norwegen ^ gesotten. — Mit
Verfertigung des Korullenschmuckes bescliäfliget man sich besonders in Genua , Li-
vornoj Neapel nnd Marseiile. Diese Städte versenden die meisten nach dem Orient
zur Zierde der Königskronen imd der Turbane der Türken , haben aber auch in Eu-
ropa einen beträchtlichen Absatz. — Die bcriihmtesten Käse endlich sind der soge-
nannte Edamer und der TcxeVsche aus HoUand , der sogenannte Limbarger von
Herve in Belgien, die englischen Käse von Cfiester und Cliedder ^ die Marschkäse
aus Holstein und Schleswig, der sogenannte PanneSankäse von Lodi und der Stra-^
chi/io hu Mailand ischen ; ferner die Schweizerkäse ^ wovon die vornehmsten Gattim-
gen siiid : der Enimenthaler- imd Saanenthalerkäse im Canton Bern, der Grüjers-
und der Futscherein- oder Kaschereinkäse ini Freyburgischen ; der Urserenkäse in
Uli, und der grüjie Schweizerkäse oder Schabzieger ^ der vorzüglich in den Canto-
nen Glarus and Appenzell ^ auch auf dem Juragehirge gemacht, und mit Salz, so
v.ie mit pulvcrisirlem Steinklee stark vermischt wird; endlich die fetten Gi-ojerkäse „
die auf den Alpen Forarlbergs erzeugt, und nicht selten für Schweizerkäse aus
Griijers gehalten werden, nfbst dem herrlichen Kräuterkäse ^ der im Riesengebir-
ge aus fetter, unabgerahmter Kuhmilch und verschiedenen aromatischen Bergkräu-
tern bereitet, und niclit nur in dem benachbarten tiefern Lande von Böhmen und
Picussisch-Schlesicn sehr gesucht, sondern selbst nach Polen und Russland ausge-
2o8 III. ludusUielle Productiou. §. iii. Eisen-, Stahl- und andeie Metaüfnbrikcn.
führt wird. Eine besonders ergiebige Quelle des Gewinnstes aber ist die Kaseaus-
fulire fiir die Holländer und die Schweizer. Jene lösen für ausgefubrle Käse (i33
Mdl. Pfunde) jährlich an 2 Mill. Pf. St., diese gegen 2 Mill. Franken. Bloss von dem
Griijerskäse gehen jährlich einige 3o,ooo Pfunde aus, und der Canton Bern bedarf
jährlich 100,000 Ctr. Salz zu der Bereitmag der Käse in seinem Gebiete. Die Schwei-
zerkäsc sind nicht nur sehr geschätzt wegen ihres gewürzhaften Geschmacks, sondern
auch sehr gesucht wegen ihrer lialtljarkeil gegen Fäiüniss. Man behauptet, dass der
gut gemachte feile Schweizerkäse sich an die 100 Jahre lang aufbewahren lasse.
a) Der Ruttel- oder Tintenfisch spritzt bekanntlich, um sich bey einem feindlichen Angriffe
unsichtbar zu machen , einen Saft aus, der seinen Umkreis verdunkelt. Die Italiener wissen
den Fisch zu fangen, bevor er sich seines Saftes entledigt. Alsdann gewinnen sie den Saft,
dörren ihn upd verhandeln ihn als Kaufmannswaare. Der Sepia-Tusch ist das beste Braun ,
was man kennt, und die Itali.2ner machen die besten braunen Handzeiclinungen damit. S.
H. A. L. Z. 1811. Nr. 3o6. S. 537.
i) Das Indianisch-Gelb wird in Italien aus dem Urin der Rühe gezogen, in der Jahreszeit,
wenn sie von einer gewissen Pflanze, Piaiirry von den Eingebornen genannt, fressen kön-
nen. Man kocht nähmlich den Urin, bis das Flüssige verflogen ist, und die Farbe sich in
einen Teig verdickt. Alsdann wird sie getrocknet, und in runden Ballen ausgeführt. Acker-
mann , ein Kunsthändler in London, weiss das Urinsalz herauszubringen, und producirt
dann die prächtigste Goldfarbe. S. II. A. L. Z. 1811. Nr. 3o6. S. 537.
c) Fabriken, welche Materialien aus dem Mineralreiche \ c r a r b e i t e n.
§. 111.
Eisen-, Stahl- und andere Me t a 1 1 f ab r i k e n.
Eisen- j Stalil- mid andere ISIetallfabriken ^ wie schon der grosse Reichthum
an Bergwerken und Äletallen in Europa überhaupt erwarten lässt, machen gleichfalls
einen höchst wichligen Zweig der europäischen Kunstgewerbe aus , dessen jälii lieber
Betrag in manchem Lande nach Millionen Gulden zu berechnen ist. Unter die Haupl-
sitze dieses Industriezweiges gehören Grosshritannien , Deutschland j Frankreich
und SchwedenmW. Norwegen ; im Range folgen Belgien j Spanien j Italien und liuss-
land; aber auch Holland j die Schweiz und die Tärkey zeichnen sich in einzelnen
Artikeln dieses Industriezweiges ans.
Die stärkste Eisenfabrication findet Statt iu Grossbritannien ; nächstdcm in
Frankreich j Deutscldand ^ Russlandj Schweden und Norwegen ; sonst aber gibt
es auch in Ungern ^ Siebenbürgen _, Galizien mid der Bukowina _, so wie in Spanien j
Italien und Belgien mehr oder weniger Eisenhammerwerke (vergl. §. 71.). Der soge-
nannte Oseiniind j d. h. ein durch besondere Bearbeitung zähe und stahlartig gemach-
tes Eisen , ist eine Erfindung der Schweden. Jetzt wird diese Eisengattung auch in
Deutschland j nahmenllich in der Grafschaft Mark j besonders zu Liidenscheid j Al-
tena und Kirspe fabricirt.
Die grösste Eisengieserej in Europa kommt zu Cnrron in Schottland vor. Diese
Fabrik beschäftigt an i5oo Menschen, und verzehrt im Durchschnitt wöcJicntlich ge-
gen 800 Tonnen Slemkohlen und 400 Tonnen Eisenstein und Erz. Man gicsst daselbs
lli. Iiidustrifllc ProJuclioii §. lil. Eisen- , Stahl- iiiiJ aütlere Metallfabrikeu. Ioq
Eisenwaaren von jeder Art, von den kleinsten, Artikeln bis auf Kanonen, deren in
manchem ncnein Jahre an 5ooo geliefert wnrden. Vornehmlich wird in dieser Werk-
stätte eine Art Kationen j^Tgosscn, die nach dem Eisenwerke den Nahmen Cdvronn-
deit l'idnen, mul jetzt auf Kriegsschiffen allgemein im Gehranche sind. Schön geformle
Eisenwaaren aber, und selbst bewnndernngswilrdig zarte Sachen von Eisen z. ß. Bü-
sten ^ Urnen _, Medaillons j KreutzcheUj Ulu'ketten. n. s. w. , giesst man in Preus-
slsch -Schlesien (zu deiwitz und Malnpane). Ausserdem werden Eisengusswaaren
vorzüglich verfertigt: in Brandenburg (besonders zu Br-rlin) , in Böhmen (l)csonders
zu Hnrzowitz) und Steyerinark (zu MitJ-ia Zell), in Schweden (zu Car/idal und Co-
thenburg) , in Hassland , Namitr j Frankreich nnA jEngland _, wo awcli Dawpfma-
sc/iinen für Mulden, Pumpen u. s. w. von 6 ')is zu 5o Pferdestärken, nahmenllich zu
Soho bey Biruiingbnm, zum \^erkauf gemaclit werden. ■
Die besten J^iscnbleche werden in England verfertigt. Sie sind ein Hauptausfuhr-
artikel, für ;vhoses Lan/J, worin andere Staaten , wegen VortreiTliehkeit der englischen
Walzwerke, nicht,, CQnQ\irriren können.. Doch liefern auch die Niederländen (^Lattich),
Schweden :,, 1* rankreich und manche dentsche Plätze , besonders in Kärnthen , Sach^
sen untl der Grafschaft Mark j, sehr geschätztes Eisenblech.
Der feinste /^rrt/if j sowohl aus Eisen als Stahl, wird fabricirt iw England j Erank-
reich und Deutschland j nahmenllich in der Provinz ff^estphalen (zu Altena ^ Lii-
densch.eid und Iserlohn) , in Baiern (zn J>iirnherg und. Schwabach) , und in Oester-
reicli unter der Enns (zu IVaidhofen an der Ips) , wo aus demselben die bekannten
Fischangeln yow einer solclien Feinheit verfertiget werdeji, dass 63l0 Stück nur \
Loth wiegen, das Loth alier fiir 26 'd. verkauft, und so der Ctr. Eisen bis zu 83,ooo
imd einige hundert Gulden verarbeitet werden soll. — In Schweden erfand man die
Kunst, das Eisen zu Laiin zu ziehen, imd in allerley Stoffe, wie Gold- und Silbcrlahn,
einzuwirken. — Auch werden aus Eisen- mid Stahldraht JVäh- j Steck-_, Spick- ^ Strick-
und Netznadeln in erstaunücher Menge und ^Vohlfeilheit gemacht, so dass der Han-
del mit denselben, und den von Messiugdrathe gemachten Nadeln, in manchem Fa-
brikorte allein nach mehreren hunderttauscriid GiUden zu berechnen ist. Am meisten
ist ihr geringer Preis zu bewundern, da doch eine jede Stecknadel 25nial, eine jede
Nälinadel 72mal durch die Hände verschiedener Arbeiter gehen muss, ehe sie in jene
des Handelsmannes gelanget. Am häufigsten und besten werden die Nadeln in Eng-
land _, FrtmkreicJi ^ Holland und Vcutsc/dand Q>csondevs zu. Aachen j, BurtscJieid
und Altena j Schwabach und JMirnbeigj Carlsbad und Ärtt/e/Zi///'^ nächst ^Viene-
risch-Neusladi) geaia^ht. Die berühmte Stecknadelfabrik des lim. Migeon zu Aachen
verfertiget allein täglich 3 MlU. Stecknadeln, deren Köpfe nicht auf die gewöhnliche
Art an den Schäften befestiget, sondern an dieselben angegossen sind. Dieses ge-
schieht mit eigenen Formen, in deren jeder sechszig Köpfe zugleich verfertiget wer-
den. Diese Operation, welche von acht- bis zwöKjährigen Mädchen verrichtet wird,
geht so schiaell, dass 180 Nadelnin einer Minute mit Köpfen versehen sind aj.
L'brigens hat die ^'eiwcndung des Eisens zu Gegenständen, wozu man sonst an-
derere Materialien l)enntzl, in keinem Lande eine solche Ausdehnung erreicht, wie
in England. Alan verfertiget nicht nur eiserne Fahrgleise und Dächer und ganze Häu-
27
210 III. ludustriulle PruJuction. §. il2. Eisen-, Stahl- u. andere lUetallfalir. Forlsctzimg.
ser von Eisen , sondern ancli eiserne Mühlen, Brücken, ScliifTe inid Masten. In Lon-
don hat man auch \ ersuche gemacht, die Strassen mit Gusseisen zu pflastern. Eiserne
Brücken gibt es jetzt auch in Faris.ln Deutschland werden eiserne Brücken in Preus-
§isch-Schlesien (zu Gleiwitz und Malapane) gegossen bj.
a) Über die Fabricalion der Stecknadeln mit angegossenen Köpfen zu Aachen. Von C. Kar-
marsch etc. ; im 2. Bde. der Jahrbücher des k. k. pol)t. Insl. S. 35i fl.
b) S. VoigteL a. a. O. S. 108.
§. 112.
Fortsetzung^.
Neben dem gewöhnhchen Stahle j sey es Gerbstahl oder Brennstahl, der nie in
allen seinen Theilen vollkommen gleichartig ist , wird in Europa auch Gussstahl be-
reitet, d. h. Stahl, welcher bey hinreichend hoher Temperatur mit Ausschluss der
Lull umgeschmolzen, und dann in eine Form ausgegossen worden ist, wodurch o.v eine
viel leinere Beschaffenheit erhält aj. Diese Stahlart, die vollkommenste unter allen
Stahlarten, ist eine Erfindung der Engländer, Der entschiedene Vorzug, den die
en"iischen Messe)schmieclarl)eiten und alle Stahlvvaaren überhaupt,, bey welchen Fein-
heit und Politur erfordert wird , seil einer Reihe von Jahren in und ausser Europa be-
haitplet hallen , rühit vorzüglich von dem Materiale , dem englisclien Gusstahle her.
Diese Ertindung der Engländer reitzte mehrere Deutsche j Franzosen ^ JSiederlän-
c?er und 6cAH'ei;:e/' zu Versuchen über die Stahlveretllung, um ähnliclien Gussstahl
hervorzubringen. Vorzüglich bestehen in Deutschland ^ nahmentlich in Clei'e-ßerg
(zu IVald) , Baiern (zu Schieissheim bey München) und Kärnthen (an der obern
Fellach bey Villach) Stahlwerke, wo Gussstahl erzeugt wird, der vom gewöhnlichen
Englischen nicht zu miterscheiden ist. In dem Gusssiaiilvverke an der obern Fellach
nächst Villach wird gegeuwäriig jede Menge von Gusssiahl und nach verschiedenen
Abstufungen von Härte und Schweissliarkeit verfertiget; und zu den im Handel ge-
bräuchlichen Stangen ausgereckt, zu Stahlblech ausgewalzt und zu Stahldrahl ausge-
zogen. Dieses Gusssiahlwerk erzeugt vier Sorten; sehr harten, harten, weichen und
sehr weichen Stahl. Diese gesanunten Stahlgattungen sind von guter Qualität, mid
geben dem englischen Gussstahle nichts nach , ja sie übertreffen ihn in gewisser Hin-
sicht. Die weicheren Arten des daselbst verfertigten Gussstahls nähmlich, als Nr. HL
und Nr. IV., sind vollkonunen schweissbnr. Durch difse Schweissbarl)eit erlangt der
-Gussstahl noch ein bedeutend erweitertes Feld seiner Anwendung. Der englische
■Gusssuihl lässt sich nicht, ohne zu viel Verlust inid Schwierigkeiten, mit Eisen zti-
sammcnschweissen. Ausserdem wird auch in IFien schweissliarer und unschweissba-
rer Gusssiahl verfertigt.
Diebesten Feilen werden in England^ besonders zu Prescottj Sheffield und
Birmingham j gemachl. Sie haben vor allen lilirigen grosse Vorzüge, sowohl iri An-
sehung ihres Hielies, als auch ihrer sonstigen Gestalt und ihrer Härte. Mit den eng-
lischen Feilen lässl sich selbst federharter Stahl gut feilen, wie dicss bey \ erfertigung
und Schärfung der Sägen erforderlich ist. Indessen werden auch in den Niederlan-
den (zu LütlicJi) , mid in einigen i^cü^cnAen Frankreichs tmd Deutsch/auds (z. B. zu
III. Inlustrielle Productiou, §. Ii2. Eisen-, SUliI- ii. andere Metallfabr. Foitsctzung. 211
'Steyer und JVdidhofai an der Ips im Erzlicrzogiliume Österreich), feine Feilen von
sehr "iiter QuaUüit verfertigt. Um mehrere geschickte Feilen-Fahricanten zu erhahcn,
' hat che österreichische V>.(i\giQr\\\\'^ im J. 1817 dem Fein-Fcilenfahrieanten, Wilhelm
Bock j zu Waidliofen an der Tps eine Unterstützung von 5ooo fl. WW. unter der Be-
dingung hewilhgl, dass er seclis ihm zuzuweisende eingeliorne Lehrlinge in der
Kunst der feinen Feilen-Fahrication vollständig und so wie er sie hesitzt^ zu unterrich-
ten hahe.
In Acr Messer- imd .S'c/ier^T/i-Fahricaiion, so wie in der Fahriration anderer stäh-
lerner Waaren, sind die Engländer el)enfälls sehr weit gekommen, hesonders zu Shef-
Jield (der grössten Messerfahrik in Europa), Soho und Birmingham _, wo einzelne Stü-
cke, an ^Vertli von 2^ Pcnce bis 8 Guineen, in 5oo verschiedenen Sorten, geliefert
werden. Ein Messer, das in dem GriOe 3o verschiedene Instrumente hat, ist nichts
Seltenes. Auch weiss keine Nation ihren Stahl waaren, besonders ihren Messern und
chirurgischen Instrumenten , ihren Grabsticheln und Stämpeln ^ einen so vorzi'igli-
chen Härtegrad zu geben , als die Engländer. Indessen werden auch in andern Län-
dern Europa's sehr gute JMesser, Scheren und andere stählerne Waaren verfertiget,
nahmentlich in Spanien (zu St. Ildefonso j Barcelona »ind Plasencia) , Frankreich
(zu Munlins j St. Flour j Tiders j, Langres, Nogent le Roy und St. Elienne) , Italien
(zu Brescia) , der Schweiz (zu Jarau) , in Deutschland (zu Solingen _, nach Sheffield
die grösste Messerfabrik in Europa, dann zu Tuttlingen, zu und um Stejer ^ zu
JVien j, zu Baden hey Wien und zu Carlsbad), den Niederlanden (zu Nnmur _, Her-
zogenbusch und Zwo II) , in Schweden (zu TFelwäg) und Russland (zu TidoL). In An-
sehung Adv J einem Stahlwaaren mnss zwar die Kunst der eben erwähnten Länder
im Allgemeinen der englischen Nctthcit noch meistens den Vorzug lassen; indessen
darf sich wenigstens die Arbeit aus einzelnen Französischen , Narnurer , Liitticher j
fViener j Böhmischen fJSixdorJer _, Prager luid Carhbader ) , Sächsischen , Bran-
denhurgischen imd andern deutschen Werkstätten mit jeder Englischen messen.
Die nKnsten Sichel ^ Sensen imd Strohmesser werden in England (besonders zu
und um Slieffield) und Deutschland (vornehmlich in Stejermark anA Cleve-Berg)
fabricirt. In und um Sheffield befinden sich an 26 Fabricanten für Sensen und Siroh-
messer, nebst 2.5 Fabricanten für Sicheln. Steiermark hat 3j Sensenfabriken, welche
jährlich bev einer Million Sensen, 3on,ooo Sicheln und 24,000 Strohmesser erzeugen, wo-
von ein bcträchilicher Tlicil in das Ausland geht. Das zu der preussischen Provinz Cleve-
Berg gehörige Dorf oder Städtchen Remscheid verfertigt jährlich an 400,000 Sensen,
und versendet davon jährlich an zwanzigerley Sorten nach Frankreich. Dagegen liefer-
te ganz Russland im J. 1804, Hrn. k'. Wich mann zu Folge, nur 11,820 Sensen.
Die Nägel fabrication wird unter andein vorzüglich in Norwegen j Krain und
Lüttich betrieben. In Noi-ivegen werden jährlich l^\ Mill. Stücke von der grossen xVrt
lind viele Lasten kleinere, in A'/'rt//i jährlich über 12,000 Clr. geliefert, und in Lüt-
tich Ijeschälugcl diese Fabrication an 12 — 14,000 Arbeiter, welche die verschieden-
sten Sorten (das Tausend Nägel von | bis 5o — 68 Pf. Gewicht) verfertigen.
a) Über die Verfertigung des Giissstahls ; von 7. Prechll ; im 1. Bde. der Jahrbücher des k. k.
polytechnischen Institutes. S. 17g S.
tu !II. Industrielle Produclion f ii3. Eisen-, Slalrl- u. andere M(t«llfaiir. Fnrtsctznng.
§. 11.3.
Fortsetzung.
Die \orzügl\chslen Gewehry^abrikeii s\nd , und zwar in England: zn Birmingham,
Londo?i j Sheffield imd Bi'idgeiiorth ; in Spanien: zw. Ejbas , Plasencia _, 0\>iedo
inid Barcelona; in Frankreich: zu Versailles j Tüll ^ Maubeuge ^ Charleville ,
St. Etienne j Strassburg und Metz ; in Italien: zu Turin ^ Brescia und Gurdone;
in der Schweiz: zu Aarau; in Deutschland, luid zwar in den österreicliisdi-deut-
^cAe« Provinzen : zu TV ien ^ Lilien feld , TVilhelmsburg _, Stejer ^ Ferlach bey Kla-
genfnrt und Carlsbad; in den preussiscli-deutschen Provinzen: zu Burg, Suhl j
Spandau und Potsdam; in Baiern : zu Amberg und Fortschan; in Würtemberg : zu
OberndorJ ; in Sachsen: zu Olbernhau; in Hanover : zu Herzberg ; in Chmhessen :
zu Sclimalkalden ; in Sachsen-Gotha : zu Blasien-Zella u. s. w. j in Ungern : zu Hra-
deck; in den Niederlanden: zu Lilttich und Utrecht; in Dänemark: zu Helsing'6r\.
Hellebeck j Friedrichswerk imd Aalborg; in Schweden: zu Söderham j Stockholm,
Oerebro j Norköping , J'önköping , Rönneby und Helsingborg ; in Rus.sland: zu Tu^
la , Sestrabek hey St. Petersburg und Twer ; in der Tiirkcy: zu Constantinopel ,
Sarajevo , Foiniza u. s. w. Berühmt sind besonders die Birminghamer , Versailler ,
Lütticher j Brescianer , Carlsbader und tiirkischen Gewehre. Sehr kostbare Ge-
wehre liefert Liittich ; einzelne Stücke fiir 3oo — 5oo Louisd'or. Durch eine treffliche
Einrichtung der Pistolen- und Flintenschlösser, unter andern solcher, deren Pfanne
stets wassersicher ist, haben sich die Englander verdient gemacht. Noch ausgezeich-
neter sind indessen ihre Sichei'heitsschliJsser , die das leider sonst so häufige Uughickj
welches durch die unwillkiirliche Sjiannung des Hahns erfolgt, ganz und gar verhin-
dern. Im J. i8l3 versah England den europäiscjien Coniineni mit 6,242,000 Flinten.
Die berühmtesten Degen~ und Säbelklingen sind die türkischen von üamask ,
imd die persischen von Kasbin , Nischabur luid Chorosan.' Sie sind sehr hart und
dennoch nicht spröde; denn man kann damit ohne Schaden Eisen zerhauen. Sie sind
meisten Tlieils flammig gearbeitet und mit goldenen Figuren ausgelegt. Es werden
dort Säbel gemacht, welche mit ihrer Montirung tausend Thaler und dariiber kosten.
In Europa haben die Solinger Degen- und Säbelklingen, besonders in Rücksicht ihrer
Dauer und Härtung , den Vorzug vor allen andern Fabricaten der Art. Das Vergolden
der Klingen ist dort ziun höchsten Gi-ad der Vollkommenheit gestiegen; die Fabrican-
ten bedienen sich einer Lackirung, womit sich in grössler Geschwindigkeit alle nur
erdenkliche Figuren und Züge auf den Klingen anbringen lassen. Es werden dort Sä-
bel gemacht, welche mit ihrer Montirung 100 — i5o fl. und darüber kosten. An cniem
völlig montirten Säbel arbeiten durchgehends g Personen von verschiedenem Fache.
Nach dieser Fabrik folgen die zu Suhl, Namur , Klingenthal (in- Frankreich), zu Fo~
ledo , Lumazza und St, Bartolomeo bey Brescia und zu Tala, deren Klingen den So-
lingischen niclit viel nachgeben. — Nicht minder berühmt sind die Solingischen Hap-
piere. Es werden, England ausgenommen, nicht leicht in irgend einem Theile Europa's
ein Paar Fechter gefunden, auf deren Rappieren nicht dci' Nähme Solingen elw^e-
graben stünde.
Iir. luduslrielle Production. §. 114. Elsen-, Stall!- u. andere Metallfabr. Fortsetz-iing. jij
K(inone?igiesserejeii sind, und zwar in England; zu TVollwich und jSew-Willey-
Furnagehcy ßrosley; in Schottland: -zu Carroii; in Portugal: zu ; in Spa-
nien: zu. Se^'iLla und Barcelona ; in Frankreich: zu. Paris ^ Doudj „ Sedarij Liege _,
St. Dizier an der IMarne, Toulotij Perpignan ^ Rochefort ^ Brest luid Metz; in Ita-
lien: zu Turin j f'enedign.s. w. ; in der Schweiz: zu Aarau; in Deutschland: zu
JVien j, Maria Zell j Berlin , Breslau, Dresden , Frejberg , Bamberg , LudwigS"
bürg j Mannheim , Cassel u. s. w. ; in den Niederlanden: zu Lattich j im Haag j zu
Amsterdam j ffoorn und Enkhuysen; in Dänemark: zu Friedrichs werk ; in Schwe-
den: zu Stockholm _. Finspang vuid Carlsdal; in Norwegen: zu Mons , nordwestlich
von Friedrichsstadt j in Fvussland: zu St. Petersburg _, Reval _, Petrosawodsk , Lipezk
und Cherson; m der Türkey: in der Vorstadt von Gonstantinopel, Fophana genannt.
Die meisten Kanonen zur Ausfuhre werden in Grossbritannien gegossen. Es hat in
den Jahren 1808 — l8i3 für Russland j Preussen _, Schweden j Spanien j Portugal
und das nördliche Deiitsculand 834 Kanonen geliefert.
Eine Harnisch fabrik , vielleicht die einzige in Eiu-opa , besteht zu Arboga in
Schweden.
§• 114-
Fortsetzung.
Kupferhämmer hes,ii7.en England _, Deutschland , Schweden , Russland und
Ungern vorzüglich viele; die vier ersteren Länder haben auch sehr viele Messingfa-
briken ; die stärkste Älessingfaljrication aber ist in England j besonders zu Birming~
A«/«j wo inani^her Fabricant lebt, welcher seinen Leuten an Arbeitslohn allein wö-
chentlich 1000 Pfund Sterling bezahlt, und zu Bristol ^ wo sich ein ungemein gros-
ses Messingwerk beiindct , dessen Messingdraht und geschlagenes Messing allein einen
sehr ausgebreiteten Handelszweig ausmacht; nächstdem in Deutschland , vornehmlich
zu Stolberg in der Gegend von Aachen, zu ISiirnberg j zu Acheiirain in Tyrol , zu
Nadelburg bcy ^Vieneriscb-Neustadt imd zu Rodewisch im voigtläiidischen Kreise in
Sachsen. Stolberg allein zählt 24 Messmgfabriken mit 800 Arbeitern , welche an
20,000 Ctr. Älessingwaaren aller Art erzeugen, und darunter an 40,000 Bund Mes-
singdraht, welcher zu dem feinsten in Europa gehört.
Kupferne Münzplatten jhis auf das Gepräge, werden unter andern in den Ku-
pferhännuern l)ey Olpe in dem preussischen Regierungsbezirke Arensberg verfertigt,
und sind schon in manchem Jahre 20 — 3o,ooo Pfunde derselben an ausländische
Münzstätten verkauft worden. Auch in Österreich unter der Enns und Ungern gibt
es einige Kupferhämmer, welche sich mit der Verfertigung der Münzschienen zu der
österreichischen Scheidemünze beschäftigen, besonders in dem letzteren Lande, wo
im J. 1802 zu Schmölnitz »nonatlich 4 — 5oo,ooo fl. Kupfermünze geprägt worden ist,
wozu monatlich bey 3ooo Ctr. Kupfer verwendet wurden.
l^ic silberplat/irte/i IFaa/e/i \\u\i\ei\ iu England zuerst verfertigt und in Eng-
land auch zu dem höchsten Grade d.-r Vollkommenheit geljracht. Noch immer ist
SheJJicld für diese vortreiriiche Waare der Haiiptort in ganz Europa, wo sie m 1000
verschiedenen Artikeln geliefert wird. Vom Jahre 1790 — 1798 , also in g Jahren, wur-
4l.i TU. luJustiieLle ProJuctioa. .§. 114. Eisen-, Stahl- u. andere Metalffabr. Fortsetzung.'
den iil)cr]ianpi aus ^/«g'Zrt/i^/ bloss an INIessing und plattirtcn Waaren 1,211,467 Ctr.
für mehr als 6 Mill. Pf. St. ausgeführt. An einigen Orten Frankreichs luid Deutsch-
lands , ])esonders zu TVleii , hat man jedoch die Kunst des Plattircns auf eine so aus-
gezeichnete Weise sich zu eigen gemacht, dass die deutschen und /ra?izösis(he/i
platt irten Waaren dreist mit den besten englischen wetteifern können.
Eben so war England das erste Land in Europa, wo die Verfertigung der Zrt-
cldvten m\A jnpanii'ten Blechwaaren in grösster Vollendung getrieben wurde. Indes-
sen hat man an einigen Orten Deutschlands , z. B. zu IVlen ^ Carlsbad , Dresden j
BrcLiinschweig j TJ'olfenbüttel ^ Coblenz u. s. w. , auch diesen Industriezweig mit
sehr viel Glück nachgeahmt. Lackirt werden diejenigen Blechwaaren genannt, bey
welchen bloss transparente oder zuglcicli gef;irl)te Firnisse auf das Metall gelegt sind,
um den Schein einer andern Farbe auf demselben hervorzubringen, oder auch nur,
um es vor Rost zu bewaliren; japanirt aber heissen diejenigen, deren Matcriale , sey
es Blech oder Pa])ier, mit dunklen Farben und Firnissen gegründet wird, und die
zuweilen auch noch mit Mahlereyen geziert werden.
Sehr geschmackvolle vuid trefflich vergoldete Bronzewaaren j, als: Uhrkästchen,
Leuchter, Figuren u. s. w. , liefern JVien luid Paris. Die Wiener Bronzewaaren gehen
meistens nach Polen und der Türkey. Li Russlaud befindet sich eine grosse Bronze-
fabrik zu St. Petersburg j die ebenfalls treffliche Arbeiten liefert.
Die besten Drahtsaiten j zu Beziehung der Claviere , Forte Piano's und anderer
Instrumente, werden in Deutschlandj nahmcntlich zu Nürnberg _, verfertigt. In Eng-
land und Frankreich \\2iX. vann dieses Fabricat, ungeachtet aller angestellten Versu-
che, bis jetzt noch nicht zur erforderlichen Härte und Elasticität ziehen können.
Leonische Draht- und Borden fabriketi j in welchen vergoldete oder versilberte
Kupferstangen zum feinsten Draht und Lahn gezogen, und daraus Tressen j Frnnzeii,
Borden j Futtern n. dgl. gemacht werden, gibt es vorzüglich viele in Frankreich ^
besonders zu Lyon (woher das sogenannte Leoner Gold wahrscheinlich seinen Nah-
men hat), und in Deutschland j vornehmlich zu und tun fVien j zu Prag ^ Nürn-
berg, Sclnvabach j Rotli ^ Leipzig ^ Frejberg an der Mulde j, Berlin j Magdeburg ,
Breslau j Colin und Hamburg j, welche ihre Fabricalc ihcils nach der Türkey, theils
nach Spanien, Portugal, Italien, Schweden u. s. w. versenden.
Die Verfertigung mathematischer j physikalischer untl optischer Instrumente
hat ihren llauptsilz in England, besonders zu London. Die dasigen Instrumenlenma-
chcr erzeugen Waaren , die in ganz Europa geschätzt werden. Indessen werden auch
in Deutschland (l)esonders zu München aj luid fFien), in Frankreich (besonders zu
Paris) und in der Schweiz (besonders zu Genf und Neufchatel) mathematische und
physikalische Instrumente verfertiget, die den besten englischen an die Seite gesetzt
zu werden verdienen, und zu München werden zugleich (in dem Frauenhofer und
Utzschneider sehen optischen Institute , das früher zu Benedictbeuern bestand) so
vortreffliche optische Instrumente aller Art verfertiget, dass sie die englischen weit
hinter sich lassen. Doch sind auch die zu Paris j Turin j TVien ^ Prag j Raitz (in
^lählcn) u. s. w. , verfertigten optischen Instrumente von grosser Vollkommenheit.
Ziuiiivaaren werden vorzüglich in England (zu Miuichester) und in Böhme/t
111. InJustiielle Productiou. §. ii5. Eisen-, StaM- u. aiiikr« Metullfabr. Furlsfl7niig. 2iü
(zti Carlsbad undi Schlackenwald) verfertigt. Sie sind scliön, äusserst gesclimackvoU
und in ihrer Neuheit dem Silherzeuge ganz ähnhch. Man erzeugt hier alle Gattungen
von Tafci- und Kaireh-Seiviccn, Tassen, Leuchter, Waschbecken u. s. w.
Sehr schöne Lettern für die Euchdruckcreyeu werden in Englajidj Frankreich,,
Italien j, Spanien y der Schweiz und Deutschland gegossen. In England ward tlie
Form der Buchstaben ungemein verbessert durch John ßaskerville ^ in Frankreich
■durch Fr. Amb. Didot und Charpelet ^ in Italien durch Bodonij in Spanien durch
Ibarva j in der Schweiz durch Haase und in Deutschland durch Breitkopf ^ Unger ^
Barth j Göschen j Degen und Strauss. In Holland haben die Schrifigicssereyen seit
ßo Jahren grosse Ruckschritte gemacht. Die vorziiglichsten derselben befinden sich zu
Haarlcm. Die Erlindung der Stereotjpen (stehende , unbewegliche Typen) schreibt
man gewöhnlich dem lurmin Didot zu, oluic der viel friihcren Versuche des ,/. van
der Mej in Holland bj zu erwälinen.
a) Wo das berühmte tneckaiiische JnslitiU von Rcichenbach zur Vorfertigung geometrischer und
astronomischer Instrumente nunmehr unter der Firma: Reichenbach und Eitel besteht. Rit-
ter von Reichenbach iiherliess im J. 1820 dem k. k. polytechnischen Institute in ff^ien eine
für dasselbe eigens ^on ihm \ erfertigte grosse Thcilscheibe , so wie alle seine zur Verferti-
gung geometrischer und astronomischer Instrumente erforderlichen Vorbereitungsmascliinen
und Phine , so, dass nunmehr die Reichenbucli scheu Kreise in Wien in derselben Vollkom-
meidieit verfertiget werden , als in München.
b) S. Gölting. gel. Anz. i8o3. St. 63. S. 629. In dem österreichischen Kaiserstaate, nahment-
iich zu Qjen in Ungern , befindet sicli ein Etablissement von Slereoljpen und SLcreolyp-
Ausgahen , die sich in Hinsicht der Reinheit und Schärfe der Lettern, dann der Schwärze
des Druckes ungemein auszeichnen. Die Art zu Stereotypiren, die daselbst angewendet wird,
ist in Gussmanier , deren Erfinder Jo/i/i Walls ist, der zu Ende des J. 181g aus New- York
in Nordamerika nach Wien kam, und hier ein Patent für seine Erfindungen von Stereotyp-
Platten in Gussraanier, der hierzu gehörigen Stereotyp-Plalten-Druckercy (Cylinder-Prcs-
scn) und zur Fabricalion einer verbesserten Druckfarbe nachsuchte, welches er auch für
sämmtliche k. k. Staaten erhielt. Die Didot'sche Art zu Stereotypiren, ist in Pressmanier
und in Frakreich noch üblich. S. Die Stereotypie im österreichischen Kaiserstaate etc. Von
A. RiUig V. Flainmenslern. Wien, 1822.
§. ii5.
F o r t s (• t z u n g.
Unter die Haupisitze der Gold- j Silber- und Galanterieai'beiten gehören vor-
nehmlich London j Paris j Ljon^ IVien^ ylugshurgj, Fenedig und Antwerpen; näclist
diesen Städten befinden sich die nioisten und geschicktesten Arbeiter in Gold und Sil-
ber zu Prag j Dresden j Berlin j, Pforzheim ^ Brüssel ^ Amsterdam,, Madrid ^ F'al-
ladolid j Genfj St. Pctersbaig j Moskau und Constantinopel. Li keiner der besa^-
Xen europäischen Städte aber diirl'te so viel Gold tuid Silber verarbeitet werden, als
zu jMejcico j der Hauptstadt von dem bisherigen spanischen Nordamerika. Li 5 Jahren
(1798 — 1802) wurden daselbst 1926 Mark Gold und i34,ooo Mark Silber verarbeitet.
Uljerhaupt ist der Luxus in Mexico so übertrieben, dass das Silber selbst zum Be-
schlagen der Pferde und Kiuschenräder verwendet wird aj. In i^anz P'ra/ikreich wcr-
<len jälirlich für g Mül. £1. BijoulcricNNaaren geliefert.
2l6 lir. Iiiilustuellc I'roHuclioD. §. ij5. Eisch- , btal.l- u. andere Bi'elallfabi. Fortstl/uag.
Die moislcn Uhren zur Ausfulirc werden vei fertigt: in England j ])eson(lcrs zu
London j Le^ej'/wol und Covcntry ;'\n Fninkreicli j, besonders zu Paris_, Cex wwd
Besnngon j avo sieh aucli eine Uln-maoheischulc Air 200 /.öylinge belindet; in der
^Schweiz zn Genf nnA im Neuenhufgisc/ie/i _, nahnienlüch zu Neitfcliatelj Locle j
Chan jede Fonds und im Tliale P^(d l'nivers; in Denlscldand , besonders zu Wien
und Berlin. Aus England i. 13. i,'('lien j.duJieli i3 — 14,000, aus Cenf3o — 40,000 Uli-
Yen in's Ausland. Im Jalirc 1787 wurden aus Genf \[-)o,ooo Uhren verschiekl. Nichts
gleicht aber an Umfang der Uhrmacherkiinst im NeiienhurgiscJien. Es fuhrt j dulich
an i3o,ooo Uhren, 1000 Stocknhrcn , 80^000 Kellen fiir dasGclrielie und fiir 5.öo,ooo
Livres Uhrenfournilurcn vmd Weikzeuge aus. In Hinsicht der äussern gefalligen Form^
Farben, Email u. dgl., haben die /rnnzöiisc/ien und schweizerischen Uhren, in An-
sehung der inneren Gi'ite die englischen und deutschen j besonders die Wieneriih-
ren j den Vorzug. Diese werden selbst von Franzosen und Engländern gesuchl. In der
Verfertigung künstlicher Uhren, Pendeln u. s. w. mit nmsikalischem Spiele, Bewegung
der Figuren und äusserst bewiuiderungswiirdigen Aufomalen haben es verschiedene
ungemein weit, keiner aljer weiter als die grossen mechanischen Kiinstler Jean und
Jacques Droz (Valerund Sohn) im JSenenbnrgisclien a,c]n'dic\\\, welche sich in neucin
Zeilen durch ihre Aulomale den grössten Ruf erwarben.
Die meisten Miinzstätten endlich ])efinden sich in Frankreich bj , Deutsch-
land cj und Rnssland dj ^ die grösste und reichste Münze aber in der Welt besteht
zu Mexico j mit so zahlreichen Maschinen, dass man, ohne ausserordentliche An-
strengung, binnen Einem Jahre 3o Mill. Piaster prägen kann. Noch im J. 1806 wur-
den daselbst für mehr als 24 IMill. Piaster gcmünztj seit dem iß. Jahrhunderle aber
üljcr 65oo iNIilk Gulden an Gold und Silber. Auf die höchste Stufe der Vollkommen-
heit wurde jedoch die Münzkunst durch Boulton hi England gebracht, in der von
ihm im J. 1788 zu So/10 j in der Nähe von Birmingham _, errichteten Miinzmühle ^
die mittelst einer Dampfmaschine 8 Pressen treibt, wovon jede in einer Minute 65
Pencestücke oder 97 Farthingsstücke prägen kann, so dass alle 8zusanmien jede Stun-
de entweder 3l,200 Pence, oder 46,560 Farlhings zu liefern im Stande sind. Zur Auf-
sicht dabey sind niu- Knaben von 12 — 14 Jahren nöthig. Da die Boulton Sehen Mün-
zen , die ganz vollkommen rund sind, inid allenthalben einen gleichen Durclimesser
haben, sich von allen übrigen gleich beym ersten Anblicke unterscheiden, imd die
Boulton' sehe Münzmühle äusserst kostbar ist: so sichert die Anwendung derselben
am besten gegen das Falschmünzen ej, so bisher in England sehr üblich war, imd >
zum Theil noch ist' fj. Birmingham halle mehrere Privalmünzstälten , wo Münzen
fremder Staaten mit geringerem Gehalte ausgeprägt und iiber Meer gesandt wurden j
aber jetzt ist dieser Erwerbszweig zum \ erbrechen erklärt, sobald der beeinirächligie
Staat klagt. Nach dem Gesetze darf nur im Tower j als der einzigen Münzstätte des
ganzen brittischcn Reiches , gemünzt werden.
a) S. Polit. Joiirn. 1811. May. S. 418. Vcrgl. H. A. L. Z. i8i2. Nr. C2. S. 491.
b) Zu Baronne , Bordeaux, Lille, LiihOfies , In Hoc/ielle , Ljon , Marseille, Nantes, Paris,
l'er/'igiuin , lioueii , Slrrtssbtirg und Tauloiise.
c) Zu JVie.n , Prag, Dresden, München, SluUgavl , Berlin, Breslau, Saaifeld , AUona , Neu-
iladl-ScImerin , Rostock u. s. w.
III. ludiistrlelJe Proclticlion. §. ii6. Faibcfabrilcn. 217
d) Zu St. Petersburg , Moskau, Kalharinenburg , Susun , Theodosia , am Flusse lael in der Nä-
he von Ratharincnburg und am Bache Dabka an der Kama. In den sechs letzteren Münz-
höfen werden bloss kupferne PilLinzen geprägt. S. jMeusel's Lehrbuch der Statistik a. a. O.
S. 371. — Die übrigen in Europa befindlichen Münzstätten sind, und z^var in Portugal:
zu Lissabon; in Spanien: zu Madrid , Secilla und Segoi'ia ; in Italien: zu Turin , Mailand,
Venedig u. s. w. : in Ungern: zu Kreinnitz , Nagybanya und Scliniölnitz , in welcher letz-
teren die kupfernen Münzen geprägt werden ; in Siebenbürgen : zu Carlsburg : in der Schweiz :
zu Genf \i. s. w. ; in den Niederlanden: zu Brüssel, Dortrecht und Hardertij-k; in Däne-
mark: zu Kopenhagen ; in Schweden: zu Stockholm ; in Norwegen: zu Kongsbcrg ; im os-
manischen Reiche: zu Conslantinnpel , Adrianopel und Kahira.
e) S. Poppe's Geist der cnglisclien Manufacturen. S. i3 — 14.
/) S. Archiv für Geographie u. s. w. von PVeyh. f. Hormayr. 1811. 76 — 77. S. 332.
§• 116.
Farbefabriken.
Der beste Grünspan wird in Frankreich j, besonders zu Montpellier j vorfeiiigi,
wegen der vorzüglich guten Eigenschaften der französischen TraiJjentrestern ; sonst
wird aber auch zu Fenedig j Wien j Triest u. s. w. guter Griinspan erzeugt; beson-
ders wird der krvstaihsirle Grünspan von Fenedig sehr geschützt. — Schmälte oder
Blaufarbe wird am meisten in Deutschland bereitet, nahmentlich in Sachsen j Böh-
men _, Oesterreich unter der Enns _, Chiirhessen _, Baden ^ im Halberstädtischeii und
einigen andern deutschen Liindern. Für die beste luid feinste wird die sächsische ge-
halten; nach dieser wird vorzüglich gepriesen die höhmische , die von Schlögelmiihl
im Lande unter der Einis, und die von Fossiim im südlichen Norwegen, wo das ein-
zige Blavi^flirbenwerk in ganz Skandinavien ist. Die Holländer j welche dieses Blau in
grosser Menge aus Deutschland beziehen , verfeinern es tmd vervielfältigen die Sor-
ten, verbrauchen selbst sehr viel davon aitf ihren Leinwandbleichen, führen aber auch
noch viel wieder aus, besonders nach China luad Japan. — So wie die Schmalleraf-
finericn der Hollander den ersten Rang in Europa haben, eben so sind ihre Zinnober-
fabriken die vorzüglichsten in unscrm Erdlheile. Auch in Idria wird guter Zinnol^er
verfertigt. — Schöne und dauerhafte grüne Emailjarbe aus Eisenchromerz wird in
Frankreich und Oesterreich j weit mehr als der inländische Bedarf erfordert, berei-
tet; sie ist für diese beyden Staaten ein nicht unbeträchtlicher Handelsartikel. — Das
ho.'AlQ Bley weiss YxQ^Qxxi. Fenedig va\(\. Klagenfurt , Aunn Nottingham (ui England),
Dortrecht und Jmsterdam, In den englischen Blcyweissfabriken sind Bleyweissinüh-
len eingefühi't, welche du''chaus das so gefäliilirhc Verstäuben dos Bleywcisscs ver-
hindern. — Mennig verfertigt man im Grossen in England j, Holland und Deutsch-
land _, nahmentlich zu Klagenfurt in Kärnthcn, zu Topschau in Sachsen und zu
Piollhofen in der Pfalz. — Endlich mit der Bereitung des künstlichen Berggrüns
beschäftigen sich mehrere Fabriken in luid tun TFien. Auch liefern sie eine vorzügli-
che Waare, welche in ganz Europa, besonders im Norden, in der Schweiz imd in
Italien starken Absatz findet. Inglcichen hat das in den chemischen Fabriken von Wien
imd dessen Uingebiuig verferligic Berlinerülau j Mineralgelb u. s. w. viele Vorzüge.
28
2i3 111. luJustrielle Productiou. §. 117. Glas- und SpiegelfabricatioD.
§. 117.
Glas- und Spiegel fabrication.
Glas j einst in Europa so selten, dass noch iim's Jaln- 1458 Aeneas Sylvias es
zvir grössten Pracht rechnete , die er in TVien fand , dass die meisten Häuser Glas-
fenster hatten aj , wird jetzt in unsenn Erdtheile in solcher Menge verfertigt, dass es
zu den gemeinsten Waaren gehört, ohgleich die Fenster der Iliittcn der Walachen
und anderer uncultivirten Nationen noch heutiges Tages anstatt des Glases , meistens
nur mit Blasenhäuten oder mit in 0hl getränktem Papier üherzogcn sind. Das meiste
Glas zur Ausführe wird in England^ Scliweden_, Novwei^en und im f^enetianiscIieHj
vornehmlich aher in Deutschland fabricirt, dessen Glas, insonderheit das böhmi-
sche _, zugleich an Güte, Weisse und Reinheit alles Glas in der Welt ühertrilTl, und
desshalb in und ausser Europa vorzi'iglich geschätzt wird. In den Jahren i8o3 und
1804, wo der böhmische Glashandel in seinem höchsten Flor, und weder durch
Kriege noch Verhoihe gehennnt war, gewann Böhmen durch diesen Industriezweig
eine Summe von 11,880,000 H. , nähmlich i,g8o,ooo fl. durch Fabrication des rohen
Glases, und g,noo,ooo durch Raflinirung, Handels- und Frachtgewinn bj. Bey den
widrigen Einflüssen unserer Zeiten hat dieser Verkehr zwar sehr gelitten, aber die
höhmischen Glasfal)riken (jetzt 66 an der Zahl mit 3540 Arbeitern) werden bestehen
und sich immerfort erhalten, theils durch eine eigene Art besonders dazu passenden
Kiessleines, theils durch den Rufeines besondern Gebeiumisses und der Geschick-
lichkeit der Arbeiter , theils durch die mächtigen Sleiiikohh-nniedcrlagen und die im-
mer allgemeiner werdende Benutzung dieses Brennmaterials , seitdem auch in Böli-
men der Ilolzmangel zum Theil eingerissen ist cj. In den neuesten Zeiten machte
Hr. Fv. V. Baader in der österreichischen Monarchie, als dem vorzüglichsten, Glas
producirenden Slaale , nahmentlich zu JSeuhaus im Lande-unlcr dei' Enns, Versu-
che, Glas mit Glauljersalz, statt der immer theurer werdenden Poltasche zu erzeugen,
und es gelang ihm durch ein chemisches Verfiihren, in welchem zwey Dritllheile der
Pottasche durch Glaubersalz ersetzt sind, mit Abkürzung der Schmelzzeit, also mit
Ersparung an Brennmaterial, ein schönes j dauerhaftes j, leiclitjlussiges j sehr har-
tes j besonders glänzendes _, aber leicht aquamaringefdrbtes Glas zu erzeugen, für
welche Erlindung Se. Majestät der Kaiser demselben, nach Überreichmig einer eige-
nen, seine Verfahrungsmethode beschreibenden Abhandhmg eine Belohnung von 12,000
Gulden WW. bewilligte dj. — Das Flintglas j eine durch vorzügliche Reinheil und
Helligkeit vor allen üljrigen sich auszeichnende Glasarl, wescnllich nothwendig zu
den achromatischen Fernröhren , ward sonst am besten in jEV/^/(^/«^ gemacht; jetzt
•w'ivdi es 'n\ Deutschland j nä\\n\cn\\\c\i zw München (vergl. §. ii5-)> ^'^^^ ^'^ grossen
Dimensionen und so vortrefllich verferligt , als es in England und Frankreich noch
nicht hervorgebracht worden. Indessen liefert auch Frankreich Objective von gros-
sen Durchmessern und von vorzüglicher BesclialTenheit.
Hieher gehören auch die Spiegel fahriken. Die vorzüglichsien in Europa sind;
bey St. Ildefonso in Spanien, zu Paris und St. Gobin in Frankreich, zu Leverpool j
Bristol luid London in England; zu Osei'ki bey Sl. Pelersbiug in Russland, zu ISeu-
III. lacJustrielle Production §. 118. TlionwsarenfaI)ricati m. 2in
/«««i- im Lande unter der Eiins, zu Burgstein in Böhmen und zu ISeustadt an dci-
Dossc in Brandenburg. Man kann an diesen Orten Spiegelgläser giessen , die -o , loo
und noch mehrere Zolle hoch sind. Der grösstc in der Spiegclfabrik hey St, Ilde-
fonso gegossene Spiegel mass 162 ' Höhe, g3' Breite und 1" Dicke ej. Die Pariser
Spiegelfahrik rühmt sich zwar 17' oder 204" lange Spiegel liefern zu können; sie hat aber
bisher nur Spiegel von 108" Höhe, 60" Breite und i" Dicke geliefert y^h Die Kronglas-
fabrik und Spicgclhütie zu Oserki bey St. Petersburg hat Spiegel von i58 — 168" Län-
ge und 87 — 8g" Breite gegossen. In der k. k. Spiegelfabrik zu JXeuluius werden in
einem Vierteljahre ])cy 45o,ooo Qiiadratzolle verfertiget, und darunter Spiegel von
120" Höhe und 60' Breite. Eben so liefert die Spiegelfabrik zu Neustadt an derDosse
Spiegel von 10 — 120" Höhe und von 8 — 60" Breite. In der Spiegclfabrik zu Bürgs teilt
■werden alle Gattungen Spiegel vom feiasten Glase von 18,* bis 70, "' Länge verfer-
tiget. Die Spiegelfabrik zu Murano bey Venedig liefert sein- reine Spiegelgläser, aber
grosse Spiegel macht man daselbst nicht mehr.
o) S. Berkmanns Anleitung zur Technologie. 3. Ausgabe. S. 324.
b) Der Glashandel in und um Hejde ; im Hesperus. i8i5. 5i. 64. Die böhmischen Glashänd-
ler errichteten in den vornehmslen Städten und Häfen Spaniens, Portugals, Frankreichs,
Italiens, Russlands und der Türkcy Depots, von denen die Glas\ crsendungen weiter nach
Amerika, Ost- und fVestindien und der /^.ei.'rt/ife .betrieben wurden.
c) S. Verbrauch der Steinkohlen in Bölimen ; im 2. Bde. der Jahrb. des k. k. polytechnischen
Institutes. S. 49 ff-
li) Über das Glasuesen und seine Vervollkommnung in den neuesten Zeiten, vorzüglich in
der österreichisclien Monarchie. Von Benjamin Scholz etc. ; im 2. Bde. der Jahrb. des k. k.
polytechnischen Institutes. S. i3o.
e) S. Funke's Naturgeschichte und Technologie. Bd. 3. Aufl. 4. S. 548.
/) Sarlori's Länder- und VölkernierkwUrdigkeiten des österreichischen Kaiserthumes. Thi. 1.
6. jo2. Vergl. Vaterländische Blätter für den österreichischen Kaiserstaat. 1810. Nr. 02,
und Funlie a. a. O.
§. 118.
T h o II w a a r c n f a b r i c a t i o n.
Porcellan j, das grösste Meisterstück der Töpferkunst, erfunden in Deutschland,
nahmenllich in Sachsen j von Freyherrn v. Bottger^ zu Anfange des achtzehnten Jahr-
hunderts, da noch keine europäische Nation anderes, als cAmei'/.ycÄe.y Porcellan kann-
te , wird jetzt nicht nur in Sachsen tmd andern deutschen Ländern, sondern auch
in Italien j Frankreich , Spanien , England j, Dänemark ^ Schweden und Russland
fiibricirt, so geheim man auch in Sachsen diese Kunst hielt (ein Oflicicr war Böttgers
beständiger Gesellschafter, der nie von seiner Seile gehen durfte) aj. Die meisten
Industrieanstalten der Art befinden sich. \n Frankreich j wo es deren nach Chaptal
60, und davon 21, nach andern gar 27 in Paris geben soll; nächsldem in Deutsch-
land ^ wo in etlichen zwanzig Fabriken Porcellan verfertiget wird. Durch die Schön-
heit der Masse imd die Feinheit der Bearbeitung zeichnet sicli noch immer vor allem
europäischen das chinesisclie Porcellan aus. Die Formen der Gefässc und die Mahle-
rey können aber unmöglich dem europäischen Gesclimacke entsprechen. In Europa
hat die älteste, im J. 1710 errichtete Fabrik, die Meissner j in Hinsicht der > ullkom-
28*
T,,, III. Induätrielle Production. §■ 118. Thonwaarenfabricatiou.
menlicit der Masse vor allen übrigen noch immer den Vorzug. Das Prodiict der TVie-
nerPorcellanfabrik, der zwcylcn in Europa nach dem Jahre ihrer Errichiung (i 718) ^J,
zeichnet sich, so wie das Berliner Porccllan, durch seine Dauerhaftigkeit imd durch
die Fähigkeil, Temperalurahwechsehmgcn zu ertragen, vor allem übrigen aus; daher
sieht man auch von keinem andern so viel Tafelgeschirr als von dem fFiener und Ber-
liner Porcellan. Das JranzösiscJie Porcellan empfiehlt sich dem Auge durch eine be-
sonders weisse Farbe und durch eine angenehme Durchscheiiibarkcil; allein es ist
dem Springen durch Temperaturwechsel sehr ausgesetzt, und daher mehr zu Vasen,
Prunkgefässen und andern Verzierungen, als zu Gefässen, die für den täglichen Ge-
brauch bestimmt sind, geeignet. Auch kann das französische Porcellan, nach Herrn
Beckniium j in einer Berliner Kciffehlasse zu grünem Glase geschmolzen werden. In
Hinsicht der geschmackvollen Form, so wie in Rücksicht der schönen Mahlerey, wird
die Porcellanfabrik in il/m.ye« von den, in der Hinsicht mit einander welleifernden
Fa]»riken in TVien j, Berlin., Severs mid Paris weit üb er troffen; in Ansehung der Ver-
goldung aber hat die TViener vor allen übrigen deii Vorzug. In England ^ wo das
schönste Steingut gemacht wird, verfertiget man nur sehr mittelmässiges Porccllan.
Eben so liefern Italien,, Spanien j, Dänemark j Schweden und Russland keine dem
deutschen nnd französischen Porcellan gleichkommende Waarc.
Noch grösser ist die IMengc der Majolica- oder Fayence- und Steingutfabriken
in Europa. Diecrsteren, besonders zahlreich in Italien _, Frankreichj Spanien^ En.g-
land j, in den JSiederlanden j in Deutschland j, Ungern und Russlaiid _, liefern aus
weisser feiner Erde verfertigte, und auf der Glasur kmistmässig bemahlte Gefdsse.
"S^orzüglich gute Töpferwaare dieser Art wird erzeugt zu Faenza und Mailand in Ita-
lien, obgleich jetzt weniger, als in der ersten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts;
ferner zu Delft und Lüttich in den Niederlanden, zu Etrurien in England, zu Alco-
ra in Spanien, zu P^al sur Meudon unweit Paris, zu Hotitsch in Ungern, zu Prag ^
TeinitZj, Proskau^ Offenbach und an andern deutschen Orten. — Das Steingut
wird aus kleingeslossenen und mit Pfeifcnthon vermischten Feuersteinen vcrferli-
"Ct. Das beste in der YV^eli ist das englischej bekannt unter dem Nahmen TFedgwoodj
der es erfunden, und durch Studium seines Handwerks (er war ein armer Töpfer aus
der CiTnhc\\:ih Sta ff ord) , der Chemie und antiker Modelle, hauptsächlich etruski-
scher Vasen luid anderer etruskischcr Gefässe cj , es in seiner Fabricalion zu einem
bewtniderungswiirdigen Grade der Vollkommenheit gebracht hatte. Es zeichnet sich
vor allen nachgemachten durch eine ausserordentliche Härte luid Festigkeit, durch
Feinheit, durch eine gescbmackvolle Form und durch Schönheit überhaupt aus. Die
ganze Gegend von den südöstlichen Glänzen der Pfalzgrafschaft Chester bis Lands-
End nennet man wegen ihrer vielen Steingulfabrikcn die Potlerie. Ihr Hauptsitz ist
zu Newcastlcj Etruria ^ Burslem ^ Derbj und Wörchester. Indessen hat man an
einigen Orten des Coniinents das englische Steingut mit sehr viel Glück nachgeahmt,
liesonders zu Severs in 'Frankreich, zu Delft in den Niederlanden, zu Ilolitsch in Un-
gern und zu TVien j Prag j Teinitz _, Frain ^ Colin j Berlin ^ PJieinsberg _, Bi'eslait
und an einigen andern Orten Deutschlands j wo auch nächst England die meisten
Steineutfahriken vorkojnmen.
III. Industrielle Producliou. §. Ii8. Tliouwaarcnfabrication. ' 221
InAjiseliung der \ eifertigung feinex- Töpferwaare_, nahm entlich yeme/' brauner
Gefässe _, zeichnet sich besonders die erhebhchc Töpferey zu Bunzlau in Preus-
sisch-Sclilesien aus, deren Arbeiten von Reisenden, die deutsche und ausscrdeutsche
Länder besucht Laben, als die ersten ihrer Art gepriesen werden. In Dänemark wer-
den zu Ripe sehr viele schwarze Gelasse verfertiget, die unter dem Nahmen Jiiter-
töpfe bekannt sind und ausgeführt werden. — Die Fabrication des steinernen Ge-
schirrs ist unter andern ein beträchtlicher Zweig der deutschen Töpferey, besonders
zu Bilin in Böhmen , in dem preussischen Regierungsbezirke von Coblenz imd im Her-
zogthume JSnssau in dem Disiricte, welcher das Kannenbäckerland heisst. Auch in
Ungern, nahmentlich zu Tiir im Hevescher Comitat werden sehr viele und dauerhafte
^Vasscrkrüge (Korsok) verfertiget, womit die ganze Gegend lun Debreczin, auf 17
Meilen im Umfange, verschen wird. — In Spanien und Frankreicli wird eine beson-
dere Art von irdenen Gefässen gemacht, welche, die Eigenschaft haben, dass sie das
Wasser erfrischen mid kühl erhalten, wenn man sie in den heissen Sominerlagen in
den Schatten oder in die Zugluft stellt oder hängt. In Spanien nennet man diese Ge-
fässe Bucaros j in Frankreich Hydroce'rames dj.
Schinehtiegel _, die zu den feuerfesten Töpferwaaren gehören, für Scheidekünst-
1er und Apotheker, werden in keinem europäischen Lande von so haltbarem AV'erthe
verfertiget, als in Deutschland j nahznentlich zu Hajnerzeli bey Passau, bisweilen
von der Grösse, dass sie 2000 Mark Silber fassen. Sie werden in grossen Ladmigen
nicht nur durch ^anz Europa ej , sondern auch nach Chinaj MejcicOj Peru und Chili
versendet. Ausserdem wird diese Töpfcrwaare auch zu Grossalmerode in Churhcs-
sen luid zu Ratuia mid Schönbiihel im Erzherzoglhume Österreich, jedoch nicht von
der Grösse, wie zu Hafnerzeil bey Passau, geliefert.
Irdene Tabakspfeifen von vorzüglicher Güte werden zu Gouda in Holland ge-
macJit aus einem Tliüne,,den man aus Colin und aus dem Lattich' sehen j, nachdem
ci vorher abgetrocknet ist, in Tonnen von 460 P- kommen lässt ; doch ist diese Fa-
biicalion gegenwärtig nicht mehr so beträchtlich, wie vor 5o — 60 Jahren, wo sie täg-
lich an 10,000, nach andern gar 16,000 Menschen, beschäftiget hatte. Die hiesigen
Pfeifen empfehlen sich besonders durch Stäike und Glätte. Ausserdeju werden auch
zu Zboroivskj in Preussisch-Schlesien , z\x Dresden _, Grimma und Leissnig in Sach-
sen, zu Grossalme/'ode in Churhessen , zu Hanover ^ Hameln und in andern deut-
schen Gegenden ungemein viele und zum Theil sehr gute irdene Tabakspfeifen fabri-
cirt. Die Grimmaer und Leissniger Pfeifenfaljriken lieferten allein im Jahre 1708
20^328,000 Stück ; zu Grossalmerode werden jährlich 1 Million Pfeifen verfertiget.
JNicht nünder verdient hier genannt zu w^erden die grosse Pfeifenbäckerey zu Debre-
czin in Ungern, wo aus einem rothen Tlione jährlich an 11 Millionen Pfeil'cnköpfe oder
Debrecziner Pipak gebrannt werden.
Zu den gemeinsten, aber keineswegs unwichtigsten Thonfabriken gehören end-
lich noch die Ziegelbrennerejen _, wo der Thon in die zum Bauen gebräuchliche
Form, unter dem Nahmen Ziegel,, Backstein oder Brandstein ^ gebacken wird. Die
besten sind die holländischen , die ausserhalb Europa bis nach Amerika verführt wer-
den. Besonders zeichnen sich die unter dem Nahmen Klinker bekannten, zum AVas-
„21 III. ludustrielle Production. §. iig. Fabricatiou der Salze.
seibau so vortrefflichen Backsteine aus, die zu HaarUngen in Friesland gemacht wer-
den. ^Icrk-wiirdig ist auch die ausserordenthche Geschwindigkeit, mit der man iu
Holland den zuvor in Haufen geschlagenen imd getrocknelcn Schlamm in hölzerne For-
men formt. Man schlägt das tägliche Quantum eines in dem, wegen seiner Zicgelcyen
Lerühmlen Dorfe Gouwvackhcy Gouda arbeitenden Menschen auf io,000 mid meh-
rere Stinke an.
a) S. Historische Nachrichten iiher die königliche Porcellan-Manufactur zu Meissen , Tind de-
ren Stifter J. Fr. Freyherrn o. Böttger. Gesammelt von M. C. B. Kenzehnann etc. Meissen ,
1810. 8. Vergl. H. A. L. Z. 1810. Nr. 270. S. 254 ff- Vergl. Geschichte der ersten Einfüh-
rung und Nachahmung des chinesischen Porcellans in Europa; im i. Bde. der Jahrbücher
des k. k. polytechnischen Institutes. S. 2 18 ff.
b) Zur Säcularfeyer der k. k. Porcellan-Manufactur in Wien. Wien, 1818. Vergl. Geschichte
der Wiener Porcellan-Manufactur; im 1. Bde. der Jahrb. des k. k. polyt. Instit. S. 232 ff.
c) Dessvvegen nannte er seine Fabrik in der Grafschaft Stafford Etruria. Nach und nach brei-
tete sich seine Fabrik so sehr aus , dass die dazu gehörigen Gebäude einer kleinen Stadt
ähnlich sahen. Er selbst gelangle zu grossen Reichthümern. Jährlich lieferte er im Durch-
schnitt wenigstens für eine Million Pfund Sterliiige irdene Waaren. S. Poppe's Geist der eng-
lischen Manufacturen. S. 18 — 2o.
ri) S. H. A. L. Z. 1812. Nr. 261. S. Oiß.
e) Das Hauptmünzanit in IVien schmilzt seine Metallbeschirkuiigen oder sogenannte Münz-
güsse von g — 10 Ctr. Gewicht in Tiegeln von gegossenem Eisen in einem hierzu besonders
eingerichteten Schmelzofen; die kleineren Beträge werden jedoch ebenfalls in dn^Vi sogenann-
ten Passauer Tiegeln geschmolzen.
S- 119-
F a b r i r a t i o n der Salze.
Vom Koclisalzt s. oben §§. Ö" — 8q- In den Salzsiedcrejcn werden die miend-
lich kleinen, in dem Salzwasser oliv der Soole aufgelösten Salziheilchen g/vu/irtj
d. h. einander näher gebracht oder concenlrirt , und sie von einem Theile ihres über-
flüssigen Wassers beh-eyet. Dieses geschieht: hauptsächlich auf eine dreyfache Art:
1) dass man den Gehalt oder Grad der Soole durch Beymischung mehrerer Salzthei-
Ic verstärkt, wie z. B. auf dem norwegischen Salzwerke zu TFallöe ; 2) dass man die
in der Soole bcfindiichen Salzlheilchcn mittelst der Kälte (^Eisgradlritng) nöthigt,
näher zusammen zu treten, wie z.B. in den russischen Salzseen 3 5) dass man die wäs-
serigen Theile der Soole verflüchtigt, die Salztheilchen aber zurückhält. Dieses letz-
tere Verfahren ist die allgemeinste luid wichtigste Gradirungsart , luid man betreibt
sie hauptsächlich auf dreyfache Weise : a) dass man die Soole in grossen Behältern
ganz ruhig, niu- der Sonnenwärme ausgesetzt, stehen lässt (Sommergrad innig); ist
niu- für's südliche Europa geeignet; b) dass man die Soole einige IMale diuch Reiser
oder Dornen von der Höhe der dazu bestimmten Leckwerke oder Gradirhäuser her-
ab in Pfannen tröpfeln lässt {Tropf elgradiriing) oder die sogenannten Leckwerke);
die beste und gemeinste imter allen : c) dass man endlich die Soole in Pfannen der
Hitze des Feuers aussetzt; die kostspieligste und unanwendbarsie unter allen, wenn
die Süole nicht wenigstens neuugradig, luid das Fcuermaleriale noch obendrein wohl-
ill. ludustrielle ProJucliuu. ^. iig. Fjbrioatiou der Solze. jj3
feil ist. — Der Salpeter wird in Europa , Ungern _, Spunien und Italien ausgenom-
men (s. oben §. go) nur selten und sparsam gediegen oder natürlich gefimden, son-
dern der allermeiste wird durch besondere Vorrichtimgen aus einem Gemenge von
Erden und faulbaren Theilen gewonnen, wodurch das Salpetersauer erzeugt wird,
welches mau in den Salpetersiederejen durch Auslaugen erhält, mit feuerbeständi-
gem Laugensalz sättigt, und so durch Einsieden den Salpeter bereitet. Die meisten
Anstalicn tlcr Art befinden sich in Frankreich _, Oesterreichj Spanien j Grossbritan-
jueuj in den Niederlanden j der Schweiz j in Italien _, Schweden und Russland. In
Prenssen aj und einigen andern europäischen Staaten wird dieses Mitlelsalz nicht
genug zum Bedarf gesotten. Überhaupt ist die Salpotererzeugung in Europa, wegen
des Ungeheuern Verbrauchs zur Beieitimg des Schiesspulvers , des Scheidewassers
u. s. w. , bey weitem nicht hinreichend. Daher denn der ostindische natürliche Sal-
peter als Ballast von den Engländern in grosser xVlenge eingeführt wird. — Mit Holz-
kohlen mid Schwefel vermischt gibt der Salpeter das Scliiesspidver ^ auch vorzugs-
\\ eise Pulver genannt, welches in den bekannten Pulvermiilden bereitet wird bj ,
und ein wesentliches Element der Kraft des Staates ist. Die Sichcrsielhuig des nö-
thigon Bedarfs an diesem Kunslpioducte ist für Kriegsfidle ungemein wichtig. — Der
Alaun wild aus alaunhaltigen Mineialicn gewonnen, indem man diese in den ^/a/^zwer-
A'f/i auslaugt und die Piohlauge abdunstei und siedet. Der beste, unter dem Nahmen
des i-'6mischen bekannte Alaua kommt von Civita f^ecchia aus Italien, wo auch im J.
1408 die ersten Alaunsicdercyen in Euiopa entstanden. Nach dem römischen Alaun
folget in Ansehung der Güte der spanische luid ungrische j besonders der zu Mun-
katscJi erzeugte, der dem römischen nicht viel nachgibt. England j Deutschland ^
Schweden vnid Aorwegen liefern dieses Fabricat ebenfalls gut und häufig. — Der 77-
triol ist ein Salz, welches aus Schwefelsäure besteht, verbunden mit einem Me-
talle. Mit Kupfer gibt die Schwefelsäure den blauen oder cj prischen ^ mit Zink den
weissen j mit Kobalt den blassrosenrotherij und mit Eisen den grünen P^itriolj womit
alle schwarzen Faiben hervorgebracht werden. Alle diese Arten werden in eigenen
v\.nstalten, Vitriolsiederejen ^ aus verschiedenen Mineralien gewoimen. — Der Sal-
nüak ward ehemals IjIoss aus Aegjpten j wo er durch Sublimation aus Russ vom Ka-
mehlniist gewonnen wird, nach Deutschland imd andern europäischen Ländern ge-
])racht. Jetzt sind aber auch in Europa, nahmcntlich \n Deutschland^ Italien j Frank-
reich j Grossbritannien ^ Schweden und Paissland Salmiakfabriken. Er wird von vie-
len Künstlern, Färbern, Tabaksfabricanten, Metallarbeitern, auch in den A])Olheken,
in Menge gebraucht. — Endlich der Borax' kommt roh, oder vnircin imler dem Nah-
men Tmkal nws, Ostindien, wird am meisten in London _, Amsterdam mid P'encdig
raifuiirt, und häufig zum Zusamuicnschmclzen und Löthcn der Metalle, zu Eniail-
aii)eiien u. s. w. gebraucht.
o) S. rolgteVs Versucli emer Statistik des preussischen Staates. S. 117.
6) Traite de l'art de fabriquer la poudre ä canon , precede d'uii espose historique sur i'etablis-
senient du service des poudres et salpetres en France, acconipagne d'un recueil de quarante
plancfies aux trait. Par MM. Bottee et Fiijruidl etc. Paris, 1811. 4- Vergl. Göttiiig. gel.Anz.
St. 44 u. 45. i8x3.
2J4 III- Industrielle Production. §, 120. Beförderungsmittel des Kunstlleisses ete.
§. 120.
Beförderungsmittel des Kunstfleisses in den europäischen Staaten.
Die vorzüglichsten Mittel, welche zur Belebung und VervoUkoitimiiung des Kunst-
fleisses in deia europäischen Staaten iheils wirklich angewendet werden , iheils hie
und da in Anwendung zu bringen wären, sind:
1) Das Yerbolh der Einführe fremder Manufaclur- und Fabrikwaaren , wie es ur-
sprünglich in England geschah, iind nach dessen Vorgange auch in Frankreich ^
Oesterreich _, Russland und andern Staaten eingeführt wurde. Denn wenn das in sei-
nem Innern so liberale England mit einer Strenge gegen den Handel des Auslandes
vorgeht, welche nirgend ein Gegenstück findet: so fordert es vVohl das Interesse, ja
die Pflicht der übr)^;cn Staaten in einem hohen Grade , die inländischen Fabriken zu
schützen , und zu verhindern , dass mit ihnen nicht ein grosser Theil der National-
capitalien zu Grunde gehe. In demselben Verhältnisse, als das Prohibitivsystem an-
derwärts an Ausdehnung gewinnt und vervollkonunnet wird, bringt der Staat, der
das entgegengesetzte System befolgt, ausschliesslicher und beträchtlicher Opfer.
2) Da nun die Grundsätze dei- neuem Theorie mittelst der Herstellung einer all-
gemehien Handelsfreyheit sich in der wirklichen Welt, wie sie ist, nur als fromme
Wünsche darstellen: so ist der Enlschluss , aus Voruribell, Leichtsinn, Modesucht,
Anglo-Manie, nicht fremde Staatsbürger zu ernähren , und die eigenen darben zu las-
sen, tun so patriotischer und dringender. Daher verdient das Beyspicl der Berliner
SUidti>erord/ietenj die im J. 1817 einen patriotischen \erein zur Aufnahme der in-
ländischen Fabriken schlössen, auf dem festen Lande, vornehmlich in Deutschland j
überall Nachahnnmg. Sie verpflichteten sich kraft dieser Urkunde , gegenseitig ein Je-
der in seinem Kreise-dahin zu sehen , dass weder von ihm , noch von seinen Angehö-
rigen oder Bekannten und Freunden, irgend ein ausländisches Fabricat, möge es
zur Bekleidimg oder zum Ameublenient dienen, gebraucht, sondern das anzuschaffen-
de Bedürfnis» ledigliclt von inländischen Fabricanten genommen werde. Herrlich wä-
re es , w cnn hier die Grossen seihst mit gutem Beyspiele vorangingen !
3) Häufigere, ausgedehntere und gei'ibtere Anvv'endung vortrefflicher Maschinen,
womit man Zeit und Arbeit erspart, in Ländern, wo es an Menschenarmen fehlt. Nir-
gends sind so viele künstliche iMaschincu für Manufacturen erfunden und in Anwen-
dung gebracht worden, als in Grossbritaniden j Avohin ganz vorzüglich die Dampf-
maschinen gehören. Man hat berechnet , dass sie den Britten täglich 75,ooo Pf- Ster-
linge ersparen. Bloss durch so viele treffliche Maschinen sind die Engländer im Stan-
de , ihre Waaren, mit Ausnahme der Seidenwaaren , zu so ausserordentlich wohlfeilen
Preisen zu liefern. Indessen fängt man an in Grossbritannieji einzusehen, dass die
Anzahl der Kunstgelriebe zu sehr angewachsen , und man in der Entbehrung der
Menschenhände zu weit gegangen ist, welches selbst auf mehrere Gegenden des Gon-
tinents einen sehr nachtheiligen Einfluss hat. Die Schweiz ^ Schlesiens Gebirge, das
Erzgebirge,, Aev HarZj, beweisen durch die Himgergestalten ihrer Hütten, dass die Ma-
schinen der Engländer nicht allein in ihren eigenen Fabrikstädlen Elend verbreiten aj.
In Ländern, in denen die Bevölkerung so bedeutend ist, dass, sobald die Fabriken
III. Industrielle ProJuction. §. I20- Bifofd, riiD^siiiilUl ilcS Run- liUisSts ile. i2j
darniedcrliegcn , taitscud Iländc feycrn müssen, und die tmisieu grossen Besiiziingcn
nur einen gcjingcn üiufani' haben , sind Maschinen der lluiu der niensclihchcn Gc-
sellschafl. Sie hereiehern den Einzchien und stürzen Tansende ins Elend.
4) [I/ipartejische Schtiu- luid Slämpelgerüchte j oder stre?igc Gexverbspolizej j
wehdie dicFahricate mit Kenntniss und Gewissenhaftigkeit |)riiftc. Dadurch würden viele
Pftischereyen und Betriegereyen , die leider! nur gar zu oft in den grösseren europäi-
schen Fabrikslädlcn begangen werden, verhütet. Insonderheit würde einer Art, dicFa-
liriken zu ruiniren , vorgeheugt, welche die Juden in Ausübung bringen , wenn sie eine
Geldverlegenheit oder Mangel an Absatz der Fabrikwaarcn wahrnehmen, und den Fa-
bricantcn dahin bewegen, den Gehalt seiner Waare zu verringern. Etwas geringer au
Güte, ein wenig kürzer und schmäler und hiermit auch wohheiler, wird, wie sie ver-
sichern, den Absatz vermehren j denn sie beiheuein es aus Erfahrung zu wissen, dass
die meisten Käufer nicht sowohl daraufsehen, ob die Waare geringhaltiger, kürzer
imd schmäler, sondern ob sie wohlfeiler scy, als jede andere ihr ähnliche. Nach-
ahmungswürdig daher sind die in mehreren deutschen Ländern angeordneten Legge-
imd Schauanstalten j an die die Flachs- und WoUenw aaren , zur Sicherung des Cre-
diis, zur Vermessung gebracht werden müssen. In Genf besteht ein eigenes Gewähr-
leistungs-Bilveaa j, wodurch der gute Ruf der dortigen Uhren- und Juwclenfabriken-
erhalten wird, so wie der Stänipcl, womit jeder schwedische Eisenfabricant jede von
ihm verfertigte Waare bezeichnen muss , und die obrigkeitliche Beschau eines jeden
Stücks vor seiner Ausfulire die schwedischen Eisenwaaren in ihrem Credit erhalten.
5) Das in mehreren Staaten, z. B. in Grossbritannien j Oesterreich j Frankreich ^
lieslehende Sj Stern der Erfuidiingsprivilegien j dem zufolge demjenigen , welcher
eine, durch die vorläufige Untersuchung als neu und nützlich erkannte Erfindung
oder Verbesscrimg in irgend einem Zweige der technischen Künste macht, ein Pa-
tent oder Privilegium ertheilt wird, wodurcli ihm auf eine bestimmte Anzahl von Jah-
ren der ausschliessliche Genuss seiner Erfindimg oder Verbesserung gegen dem zuge-
sichert w ird , dass die Nation nach dieser Zeit vollständig in den Besitz dieser Erfin-
dung gesetzt werde. Dieses System ist ein mächtiger Sporn des Erfindimgsgeistes und
dadurch ein wirksames Beförderungsmittel des Aufschwungs der Nationalindusiric.
\ iele Erfindungen, die ausserdem theils gar nicht gemacht worden, theils nicht in
das praclische Leben übergegangen wären , sind durch das System der Erfindungs-
privilegien hervorgerufen oder erhalten worden. In Grossbritannien winden seit dem
J. 1676 — 181 5 38 10 Erfindungspatentc erlhedt, und davon 3266 einzig unter
Georgs III. Regierung; unter seinen sechs Vorgängern aber nur 544 ^J- ^^ Frank-
reich wurden im J. 1818 l52 und im J. i8ig i36 Patente auf neue Erfindungen oder
Verbesserungen ertheilt. In der (österreichischen Älonarchie, nahmentlich im lom-
bardisch-venetianiscJienls.öm<^vG\c\\e , werden ausserdem für die im Laufe jedes Jah-
res gemachten neuen und nützlichen Erfindungen im Gebiete des Gewcrbsfleisses Ki--
munterungspreise (goldene imd silberne) vertheilt.
6) Privatvereine j von reichen patriotischen Männern gestiftet, um Erfinder und
Verbessercr neuer nützlicher, wirklich anwendbar gefundener Maschinen und anderer
Einrichtungen, zu belohnen, und die Uixvermögenden nöthigenfalls durch Vorschüsse
29
220 in. ludustiiclle Production. §. 120. Bel'orderung^miltcl des Kunstfleisscs elc.
ZU unterstützen. Die Unterstützung des Erfinders muss jedoch, wenn die Aussichten
gut sind , und wenn man von dem Fleisse imd der Rechtschaffenheit des Erfinders
überzeugt ist, mit Nachdruck geschehen, ohne sogleich von den ersten misslun"enen
oder nicht ganz nacli Wunsch gehmgenen Versuchen abgeschreckt zu werden. Denn
auch das unzweifelhafteste und aufs Beste angefangene Unternehmen kann durch ir-
gend einen unglücklichen Zufall missrathcn. Solche patriotische Privatvereine gibt es
in England cj , Frankreich dj und Dänemark.
7) Zweckmässige Unterrichtsanstalten für die Künste des Gewerbsfleisses , als :
Industrieschulen _, Realschulen und technologische Institute _, wovon in der zwevten
Abthcihmg die Rede se^n wird.
8) Oejffentliche Austeilungen der im Lande verfertigten Fabrik- und Manufac-
lurwaaren, als Proben des inländischen Kunslfleisses, zu gewissen Zeiten des Jahres,
in der Hauptstadt oder in einem anderen Haujitorte des Landes. So geschieht es in
Wien j Paris j Kopenhagen und an einigen andern eurojiäischen Orten. Natürlich
muss diess ein kräftiger Sporn zur Vervollkommnimg aller Arbeiten seyn, weil jeder
Mann von Ehre der Waare, die er öffentlich ausstellen will, gewiss die möglichste
Vollendung geben wird.
g) Sorgfalt der Gewerbspolizey, dass der Fabricant, besonders der arme, wegen
Anschaffung der Materialien nie geängstiget sey, auch nie wegen des Absatzes der Fa-
bricaie in ^'^erlcgenheii komnie. In Dänemark schiessl das Institut des Manufactur-
waarenhandels den Fabricanten die nöihigen Summen vor, liefert ihnen die rohen
Materialien für billige Preise und erleichtert den Absatz an die Kaufleute. In England
werden die dürftigen Arbeiter von den Handlungscompagnien mit baren Vorschüssen
oder nüt rohen Materialien unterstützt j tmd zu Leeds ist stets offener Markt, wo in
der kürzesten Zeit sicherer Aljsalz der Waaren und eine Auswahl neuer Materialien
zu finden ist. Auch die oben erwähnten öffentlichen Ausstellungen der Fabricate tra-
gen viel zu dem j\Lsatzc bey.
10) Endlich Verbesserung des Zunftwesens in denjenigen Staaten, wo es noch
besteht, besonders durch Abschaffung der vielfältigen Handwerksmissbräuche.
a) S. Ergänzungsbl. z. J. A. L. Z. 1818. Nr. 56. S. 60. Vergl. Englands Industrie und die
meclianischon Erfindungen sind das Verderben des festen Landes. Dargestellt zur Beherzi-
gung für die Mäcliligoa und Reichen wegen der Aerdiensllosen Armen. St. Gallen, 1817. 8.
Veigl. Ergänzungsbl. z. A. L. Z. 1819. Nr. 1. S. 6 ff.
b) S. Darstellung der englischen Gesetzgebung über die Erfindungspri>ilegien (patenls of in-
fentio:i); von J. J. Prechil elc. ■, in dem 1. Bde. der Jahrbücher des k. k. polytechnischen
Institutes. S. 73 ff.
c) Wo unter andern zu London die Sociciy inslilufesd for ihe encouragement of aris , manw
fdclures and commerce schon seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts besteht, und im J.
i8o6 an Mitgliedern zählte: »270, die 2 Guiiieen , 23, die 3, und 11, die 5 jährlich bei-
trugen , was die bedeutende Summe ^ on 2564 Guineen ausmacht. Der Zweck , zu dem die*
se Beyträgc bestimmt sind, ist die Beförderung der Künste , der Manufacturcn und des Han-
dels ; jedoch nimmt die Gesellschaft diese Rubriken nicht nach einer ängstliclien Definition,
sondern sie befördert alles , was innerhalb des Umfangs der menschlichen Thätigkeit schön
und nützlich ist; auch auf Ackerbau , Forstwesen u. s. w. sind daher eine Menge Preise
ausgesetzt. Um von dem Erfolge ihrer Bemühungen auch die in den Grafschaften befindli-
IV. Conimcrc. Product. od Handel. § I2i. Witlitigk. d, Handels. §. I22. Unifang d. furop. Hjindels. »27
chcn Mitglieder zu unierrichten , gibt sie Transaciions heraus , in welchen von ihren Arbei-
ten Rechenschaft gegeben wird.
d) Wo zu Paris die Sociele d'encoutagement de i'induslrie seit i8o2 besteht, und 1804 bereits
1000 iMltglicder zählte. Der Zweck dieser Gesellschaft geht dahin, auf alle Wege zur Ver-
vollkoinmniing der Künste und Gewerbe wirksam zu soyn ; die Handgriffe und Verfahrungs-
arlen zu vereinfachen^, Kenntnisse und Gebrauch der besten ]Maschinen zu \ erbreiten , und
lilerdurch den Wachstlium des jNationalrcichthums zu befördern. In dieser Absicht gibt sie
Preisaufgaben, prüft neue Erfindungen, und belohnt solche nach Massgabe ihrer Gemein-
nützigkeit, lässt Älodelle von den besten Maschinen anfertigen, und stellt solche, so wie
die vorzüglichsten Kunsiproducte zur Nachahmung auf Nicht minder befördert sie den Un-
terricht durch Vorlesungen und durch eine zum Gebrauche sämmtliclier Mitglieder ofFen
stehende Büclursammlung. Um von dem Erfolge ihrer Bemühungen auch die in den Pro-
vinzen befindlichen Mitglieder zu unterrichten, l'asst sie Bulletins drucken, in welchen von
ihren Arbeiten genaue Rechenschaft gegeben wird.
IV. Commercielle Production oder Handel.
§. 121.
Wichtigkeit des Handels.
Nicht jedes Land bringt jedes Eizeugniss hervor, und nicht jedes Volk ist durch
Bedürfniss , Sitte oder Beschäftigung gleich aufgelegt zur Verarbeitung der Naturijro-
ducle. Hieraus entsteht ein gegenseitiger Mangel oder Überfluss, davon die Ausglei-
chung das Geschäft des Handels ausniacht. Dieses Gewerbe ist nicht nur die letzte
Quelle des Nationahvohlslandes, als Belebungsmiltel der Ur- und industriellen Pro-
duction, welche die Genusssmiltcl oder Güter gibt, sondern auch das einzige Mittel,
alle Theile der Erde mit einander in Verkehr und Verbindung zu bringen, und da-
her selbst fiir die Landes- und Geislescultur von äusserster Wichtigkeit.
§• 122.
Umfang des europäischen Handels.
Wenn die Europäer es scl^on in ihren Manufacturen und Fabriken , in der Man-
nigfaltigkeit, Vollkommenheit imd Schönheit ihrer Kunstproducte, allen übrigen Völ-
kern zuvorthun: so erhält diese ihre Überlegenheit durch ihren ausgebreiteten Handel
eine noch weit höhere Bedeutung. Sic handeln thcils unter sich, ilieils nach allen an-
dern Erdtheilen aj. Mit Hülfe des Compasses bj _, einer Erfindung der Italiener,
können sie sich in das weite offene Meer, ohne sich zu verirren, wagen und den Ort
ihrer Bestimmung sicher finden cj. Seit der eben bemerkten Vervollkommnung der
Schifffahrt können sie Reisen über die ganze Erde anstellen, und unternehmen sie
wirklich bis in die entferntesten Gegenden der Erde, bis dahin, wo die Natur sclljst
den Weg versperrt, theils aus Neugierde, mehrenthcils aber aus Handelsabsichlcn.
Keine einzige Nation in einem andern Erdtheile hat noch je eine Reise um die Welt
gemacht. Die Europäer sind es also, die durch ihre grosse Seefahrt und ihren Welt-
29-
2j8 IV. Comtnercidlo Produclion oder Handel. § 122. ümfsng des enrop. Ilaudrls.
liandel iiichl nur sich mit den Schätzen fremder Gegenden hcreichern^ und diesen
ihren Üherfluss zuführen , sondern auch diese Gegenden seihst durch Zwischenhan-
del aus der einen in die andere einander näher hringcn und mit einander hekannt ma-
chen. Sie haben sich nicht einmal mit dem blossen Handel begnügt, sondern, um
diese Schätze ganz zu besitzen und jene reichen Länder nach Gefallen zu benutzen ,
das Besitznehmungssj Stern erfunden, und einen Theil der übrigen Erde, der die
Grösse ihres Vaterlandes weit übersteigt, sich nüt Gewalt unterwürfig gemacht ; und
diess haben nicht nur Staaten, sondern sogar blosse Gesellschaften von Kaufleu-
ten gethan.
Den ausgcbreitetesten Handel in und ausser Europa treibt gegenwärtig Grossbri-
tannien; der grösste Theil des gesammten Wellhandels ist in Aen brittischen Wan-
den; vor den Britten waren die Holländer ^ vor diesen die Spanier vmd Portugiesen _,
und vor diesen die T^enetiatier im Besitze des Welihandt?ls. Die S]>anicr entdeckten
1^92 durch Cliristoph Columbus die neue Welt dj , und die Portugiesen 1407 durch
J^asco de Gama einen neuen Weg nach Ostindien. Dadurch änderte sich der ganze
Gang, wie die ganze Einrichtung des europäischen Welthandels, weil er aus Land-
handel, was er bis dahin, seinem wesentlichen Charakter nach, stets hatte bleiben
miissen, in Seehandel umgeschaffen ward. Eben daher aber bestimmte die geogra-
phische Lage der Länder ihre Wichtigkeit oder Unwichtigkeil für den Handel nach
einem ganz andern Maassstalie , da es in der Natur dieser Veränderung lag, dass in
Europa jetzt die westlichen Länder, statt deren am mittelländischen Meere, die Sitze
lies ^Vellhandels wurden ej.
Seit der Entdeckung von Amerika , wo der grosse europäische Seehandel aufzu-
blühen anfing, war keine einzige Epoche, in welcher derselbe so eingeschränkt gewe-
sen wäre, als er es seit 1806 bis i8l3 durch das sogenannte Continentalsjstenifjj
welches Napoleon Avm. britlischen Handelsmonopol entgegensetzte, geworden ist.
Nur noch ein unbedeutender Küstenhandel mittelst Licenzen gj war übrig; desto leb-
hafter war aber der Landhandel. Die Leipziger Schlacht waif das ganze Continental-
systcni umj aber auch der Dreyzack der mono])olisirendcn Engländer wurde seitdem
nur noch mehr befestigt, imd mannigfaltige Verhältnisse, welche auf jenem Systeme
beruhten und seine W irkungen waren , umssten imtergehen. Die ersten Fabriken
mussten still stehen. Der Fabricant verlor die Früchte seiner Anstrengung, der Kauf-
mann sein Capital und viele hundert Familien büsstcn ihr tägliches Brot ein.
fl) Mit Ausnahme der NordamprikaniM- und derBerberen schifft keine einzige aussereuro[)aisthfc
Nation nach Europa.
/)) Das wesentliche Stück dieses Instrumentes ist die auf einem Stifte schwebende M;ii,'iieliia-
del. Diese besitzt die Eigenschaft des Magnets, womit sie bestrichen ist, sich allezeit nach
einerley VVellgegend zu wenden.
c) Die Alten, die keinen andern Wegweiser hatten, als die Sonne und die Gestirne, welche
der Wechsel der Witterung so oft ihrem Auge entzog, durften sich nicht weit von den Kü-
sten entfernen.
d) Die jetzt nur durch einen MissgrifT des Neides den Nahmen eines Andern trägt, nähmlich
den des tmerico Vespucci. — Chrii.'opli Colonibo, über seinen Geburlsort und seine Fatnilie;
111 den Allgem. geogr. Ephem. Bd. 5i. S. ii2 iT. Vergl. Noch etwas über Columbus ; in der-
IV Cnmrnerci.^lle Pi i.luclion oder fl,ind<:l. §. 123. HentJel der Knrnpaer viac.ii der Osl.-,f-t , etr. 2^0
seihen Zritsrhrift. Bd. 02. S. 101 — io5. Der Nähme Colon in der bekannlen Giabsclirift die-
ses grossen Maanes :
A Castilia y a Leon
Nucfo Mundo Dio Colon
(d. h. den Königreichen Castilien und Leon scheiikle Colon die neue Welt) ist Llos^
eine poetische Liccriz, \on dem Reime erzwungen.
) S. Cromc's Abhandlung ühcr die Schicksale des Welthandels und der auswärtigen Colonien
der europäischen Staaten, von 1492 — 1810; in dem 4 i 5- und 7. Hefte des i>. Fahnenberg'-
schen Magazins fiir Handlung etc. 1811. Heidelberg.
/") Das Continentalsystem. Leipzig, l8i2. Es hatte zwey Tendenzen. Die erste ging dahin,
den Coloiiialhandel durch hohe Besteuerung aller Colonialproducte zu hemmen ; die zvveyte
hatte zum Gegenstande, den briltischen Alleinhandel zu bekämpfen und die englischen Fa-
bricate zu vernichten. Der König von Preussen war , ausser den Fürsten des (ehemaligen)
Rheinbundes, der erste Souverain , der den T &r\S. \on Trianon annahm, und Untersuchun-
gen gegen die Einführung englischer Fabricate \ erordnete. S. Polit. Journ. 1811. Jan. S. 2o.
•) Versuch einer Darstellung der Llcenzcn-Geschichte. Eine Bittschrift an die zum Wohl
Europa's verbündeten Monarchen, um Abstellung der Scekaperey. Von Georgias (ohne An-
gabe eines Verlegers und Druckortes) i8i4- Vergl. Leipz. L. Z. i8i5. 65. Nachdem man
sich durch willkührliche und widernatürliche Gebote und Verbote allen direclon und indi-
rectcn Verkehr abgeschnitten, und sich gleichsam aqua et igne im wörtlichen Sinne inter-
dicirt hatte: fühlte man bald, dass ein so arges, gewaltsames Zerreissen des natürlichen
Bandes, das Nationen an Nationen, und selbst den Feind an den Feind kettet, für jeden
Theil gleich verderblich sey, dass man durch strenge Aufrechthaltung der Interdiction, nicht
bloss nur den Feind zu Grunde richte, sondern auch sich selbst dem Unterg.inge aussetze;
daher gcrieth man auf den neuen Abweg der Licenzon.
A. Auswärtiger Handel der Europäer,
a) Seehandel derselben.
§• 125.
1) Handel der Europäer nach der Ostsee, dem m i t ! e 1 i ä n d i s cli e u ]M e c r e
u il e ] der L e \' a n t e und dem schwarzen 31 e e r e.
Unter den ciiro|i;iischpn Scehandelswegen ist der wichligsle aiit'der Ostsee j wo jähr-
lich, zur Friedenszeit, hiiüuiclischnilt 10,000 S«"lii Ob durch doiiiSw/zr/ hin tmd licr se-
geln, von denen die dänische Regierung den i1>'m/u/:;o/Z crhehl, ohne die 700 Schiffe, die
jahrlich durch den kleinen Bell gehen, und die g37 Schiffe^ die im J. lygo durch den
scjilcswig-holsteinischen Canal l'nhren, in Anschlag zu hringen aj. An diesem Handel
nehmen fast alle europäischen s(.'cfahrendcn Nationen Anlhcil , hesonders di(; Eiv^län-
der j Russen j Schweden und Dänen ^ dann die Holländer ^ Preussen und d'iefi-eyen
Hansestädte. Auch die Franzosen halben in der neuern Zeit einige Häfen an der Ost-
see zu besuchen angefangen, so wie jetzt mnnchinal auch die portugiesischen und
spanischen Schiffe nach der Ostsee segeln.
Nächst dem. Handel nach der Ostsee ist der Verkehr der Eitropäer am lebhafte'-
Sien nach dem mltlelländischen B'Ieere. In diesem geht ilite Schiffahrt nicht allein
nach den spanischen, fiunzösisclu-n imd italienischen Häfen , sondern auch nach der
23o IV. Commeicicllf Producliou oder HüikIcJ. ^ ii3. Haiidfl der Euoiiiäer iiacli der Levante, etc.
iiördÜclicu Küste yon y/frika _, nac]i dem Jrchipelagus und der Tui-kej jxmlcr dem
Nahmen des Handels nach der Levante. Dieses Wort zeigt üherhanpt gegen Osten
oder Älorgen gelegene Länder an, und die Europäer kommen darin iiberein, dass
.sie Länder, die am mittelländischen Meere liegen, darunter verstehen, deren Umfang
sie aher auf verschiedene Art Lcstinmacn. Die Italiener verstehen unter der Levante
alles Land, welches ihnen gegen Morgen am adriatischen Meere, Archipelagus und
mittelländischen Meere, von Dalmatien an, his zum Euj)hrat in Asien, und bis zitm
Nil in Afrika oder Ägypten liegt, die in diesem Striche gelegenen Inseln mit einge-
schlossen. Die Franzosen rechnen noch ausserdem Italien , imd die ganze nördliche
Küste von Afrika dazu; und die Holländer und Engländer \i^e^cn alle europäische,
asiatische und afrikanische Länder, welche das mittellänische Meer umgeben, die Le-
vante zu nennen. Ini engsten Sinne verstellt man unter der Levante das am Archipela-
gus und östlichen Theile des mittelländischen Meeres gelegene Land, ConstantinopeL
auf der einen und Alexandria in Ägypten auf der anderen Seile mit eingeschlossen,
ausser welchen Städten noch Smjrna ^ Aleppo und Saloniki fThessalonichJ voi-
nehmlich unter den Handelsstädten in der Levante berühmt sind.
Der levantische Handel ist für die meisten em-opäischen Länder sehr wichtig,
theils wegen des Absatzes ihrer Manufactur- und anderer Waaren in der Tiirkey,
tlieils wegen des Ankaufs vieler, zum Theil sehr kostbarer orientalischer Naturerzeug-
nisse. An diesem Handel nehmen den vorzüglichsten Antheil Oesterreich , Frank-
reichj Italien j England und die jonischen Inseln; nächstdem Schweden und Däne-
mark. Selbst zu Lande oder auf der^ixc und auf der Donau ist dieser Handel erheblich
für Oesterreich und Russland ^ so wie mlilcllliarer Weise durch Österreich für
Deutschlar.d und die Schweiz ^ obgleicli die Einführe aus der Türkey nach Öster-
reich, und durch Österreich nach Deutschland und der Schweiz (vorzüglich wegen
der vielen Baumwolle imd Seide, und wegen der grossen Menge von Tafelöhl, Katfeh
und einigen anderen levantischen Spezcreywaaren und Südfrüchten) die Ausfuhre da-
hin bey weitem übersteigt bj. Diese Handelseinlnisse wird durch die in Österreich
geprägten und in der Türkey beliebten Kaiserlhaler ausgeglichen, wodurch grosse
Wechsclgeschäfte in Wien veranlasst werden, die sich fast über ganz Europa ver-
breiten, indem die deutschen Zahlungen oft durch Abrechnung mit Engländern, Hol-
ländern, Franzosen und Italienern, die Forderungen in Deutschland und Zuhlimgen
nach der Türkey haben, getilget werden.
Nicht minder erheblich ist der russische Handel nach der Türkey, und zwar zu
Lande und zu Wasser auf dem schwarzen Meere. In altern Zeiten war dieses Meer
allen seefahrenden Nationen verschlossen. Erst im vorigen Jahrhundert ward den
österreichischen und russischen Kaufleulen durch Friedensschlüsse luid Handels-
tractate die frcyc Fahrt in's schwarze Meer, imd zwar auf ihren eigenen Schilfen be-
willigl cj , und dadurch ein neuer Zweig des levanlischcn Handels begründet. In dem
am 20. Jnn. i8o2 zwischen Frankreich und der Pforte geschlossenen Frieden ward
auch den Franzosen freye Schifffalu t auf dem besagten Meere zugestanden. Bald dar-
auf räumte die Pforte auch den Engländern diese Befugniss ein, und gegen Ende
des J. 1802 criheilte. Russland den Holländern^ Spaniern und Neapolitanern die
IV. Cüiamcre. Product. od. Handel. §. 123. Handel der EuropSer iincli dem srliwaricn Meere, etc. j3»
Erlaubniss, die russischen Hafen am schwarzen Meere zu hesuchca d). — Im J. i8o5
segckcn 900 Schiffe nach dem schwarzen Meere, davon 5oo nach Odessa ^ 200 nach
T'agativok und die übrigen nach Feodosia _, Eupatoria und Sewastopol; 8i5 gingen
in el)eu -dem Jahre l)cLadcn nach verschiedenen Plätzen zurück ej. Die vornehmsten
Ausfuhrartikel sind: Getreide, Mehl, Pelzwerk, Kaviar u. a. ni. ; die nahmhaftestcil
Einfuhrartikel: Wein, Südfrüchte, Syrup , Butter, Weihrauch u. a. m. Im J. 1816
gingen von Odessa über 2000 Kornschiffe nach dem schwarzen und minolländischca
Meere ah. — Da kraft des ersten Artikels der Präliminarien des russisch-türkisclicn
Friedens von Buhuresclit vom i6- (28-) May 1812 festgesetzt ^Morden ist, dass der
Pruthfluss von da, %vo er in die Moldau eintritt, bis zu seiner Einnuindung in die
Donau , von da aber das linke Ufer des letzlgedachten Stromes bis Kilia und dessen
Einmündung in das schwarze Meer die Gränze zwischen beydcn Mächten bilden soll :
so liat die Pforte dem ausschliesscnden Besitze der Donau und ihrer Mündung ent-
sagt, und dadurch aufgehört, alleinige Beherrschcrinn der Schifffahrt aus dersoll)eii
in das schwarze Meer zu seyn.
Übrigens ist der levantische Handel m^\\v passiv als activ, d. h. er wird mehr von
fremden Nationen als von den Türken selbst getrieben. Gleichwohl ha])on die Osma-
nen durch den Absatz der vielen kostbaren Naturerzeugnisse die Handelsbilanz für
sich. Auch fordert die osmanischc Regierung , um die ausw artigen Nationen sich zu
Freunden zu erhallen , von fremden Kaufleutcn nur 3 pr. C. Zoll, während sie sich
von ihren eigenen Unterthanen 8 — lO pi'- C. an Zöllen und Handelsabgaben entridi-
len lässt.
Aber sehr gefährlich für die Handlung der Europäer im Mittelmeere sind die
nordafrikanischen Staaten der Berijcrey, Ijcy denen Seeräulierey ein Haupigewerbe
ausmacht. Am 'gefährlichsten und frechsten sind die algierischen Corsareu j die iu)
J. 1817 selbst im Canal und in den nördlichezi Gewässern schwärmten, Handel und
Schifffahrt in Schrecken setzten, imd die Küsten mit der Verptlanzung der am Bord
ihrer Raubschiffe herrschenden Pest bedrohten. England, dessen natürliche Pflicht
es wäre, wie der Morning Chronicle sich ausdrückty^, die See von Seeräubern lein
zu erhalten, da es den Ocean von Gott zu Lehen empfangen hat! lässt die Sccräu-
lierey der Berberen bestehen, weil sie ihm, während es scllist von ihr unberührt
bleibt, zu Niedcrhaltung anderer Seemächte, besonders der italienischen, zweckdien-
lich scheint. Indessen hat Grossbritannien seinen Einfluss auf die Berberen neuerlich
in so fern geltend gemacht, dass der Dej von Algier am 3o. Aug. 1816 die Erkläruu"
von sich gegeben, dass im Falle eines künftigen Krieges mit irgend einer europäi-
schen Macht die Gefangenen auf keine Weise mehr zu Sclaven gemacht , sondern als
: Kriegsgefangene behandelt werden sollen, bis sie ausgewechselt werden können, wel-
^ eher Erklärung im October desselben Jahres säimntliche Staaten der Berberey bevgc-
treien sind gj.
a) Tableau de la mer baltique , considerce sous les rapports pliysiques et commerciaux avec
une carte , et de notices detaillees sur le mouvement general du commerce , sur los porls les
plus importants, sur les monnayes, poids et mesurcs ; par J. P. Calleau-Callei'illc. T. II. 8.
Paris , 1812. Vergl. Götting. gel. Anz. 1818. St. 34.
»32 IV. Corumerci.Üu Production oder HuiuIl], §. i2/| Fl^uidel u. AVesl- u. Osl-Afiika.
b) Am Endo tk's vorigen JahrhunJerls schälzte man die Ausfuhre der Runstproductc , Loson-
ders aus den deulschen Erbsiaaten des Hauses Osterreich in die Türkey im Durchsrhnillo
jährlich auf 6 Mill. Gulden: die Ausfuhre aus den türkischen Ländern in jene berechnete
man auf g Mill. Ü. S. F. Nicolai von der Handlung , den Manufacturen und Fabriken , und
überhaupt von der Nahrung und Industrie in Wien; in dessen Reisebeschreibüng. Bd. 4-
S. 097. Vergl. Patriot. Wochenblatt für Ungern. Januar 1804. S. 108— ii5.
c) S. Koch's Gem'ählde der Revolutionen in Europa. Bd. III. S. 27 , gS und i52. Bis zu Jo-
ieph'sll. Regierung durften die öslerreichischen Schiffe nur his H^idciin und Rusdschuck (ahren.
Hier mussten die Waaren auf türkische Schiffe geladen werden , die dann sofort in's schwarze
Meer gingen. Allein dieses Monopol >vard in Folge des 6. und 7. Artikels des, unter dem Nah-
men iSc/ifrf im J. 1784 zwischen dem k. k. Hofe und der osmanischen Pforte zum Vorlheile der
österreichischen Handlung geschlossenen Handlungs-Ein\ erständnisscs , dem der Passarowi-
t-er Friede vom J. 1718 zum Grunde liegt, aufgehoben, und steht nun den Österreichern
frcy , ilire Waaren auf eigenen oder fremden Schiffen, die nur nicht das Maass der russi-
schen Rauffahrtevschiffe überschreiten dürfen, in's schwarze Meer, und von da zurück zu
frachten. Merkwürdig für unsere Zeit ist insbesondere der XIX. Artikel des Passarouiizer
Vertrages , wornach die persischen Raufleule , n-elche durch die osmanisclien Gränzeii in
das k. k. Gebiet zu reisen verlangen , oder aus dem k. k. Reiche auf der Donau in die os-
manischen Granzen zu schiffen gedenken , nach einmal bezahlter Auflage (Refftie) von fünf
\on Hundert, zu keiner ^veitern Bezahlung angehalten werden sollen. S. Jahrbücher des
k. k. polytechn. Instit. Bd. 1. S. 574 ff- Vergl. B. f. Horinayrs Archi\ a. a. O. 28 u. 29. 1811.
(/) S. B'i'isc/iiiig's Vorbereitung etc. herausgegeben von Norrmann. Hamburg , i8o3. S. 107 ff.
e) S. Essai historique sur la commerce de la na\igation de la mer noire , ou voyages et entre-
prises pour etablir des rapporls commerciaux et maritimes entre les ports de la mer noire
et ceux de la mediterranee. Paris an XIII. i8o5. 8. Vergl. Götting. gel. Anz. i8o5. St. 164.
S. i633 ff.
/) S. Öslerr. Beob. i8i6. G. October.
g) S. Östi-rr. Beob. 1816. Nr. 129 u. 2go. Aber welche Bürgschaft haben die Seeräuber ge-
leistet, dass man sicher sey , die kriegsgefangenen Europäer nicht als Sclaven behandelt zu
sehen? — Über die Seeräuberey im Mitteimeere und ihre Vertilgung. Ein Völkerwunsch an
den erlauchten Congress zu Wien. Mit den nöthigen historischen und statistischen Erläute-
rungen. Von Fricdi; Uctrmanu. Lübeck, i8i5. Vergl. Österr. Beob. 1816. Nr. 148.
§• 124.
2) Ilanili'l der Europäer mit und nach den Rüsten von West- und Osl-
Afrika.
Ausser der nördliclicu Kiisle von Afrika, die der Icvaiuisclic Handel nmfasst, 1)C-
luchen die Europäer auch die Küsten von West- und Osiajvika. Der vorneliuiste
Artikel der Ausführe, besonders von der AVestkiiste, bestand bisher in Negersclaven.
Dieses schmähliche, die Menschheit entehrende Gewerbe ist zwar in Afrika , lieson-
dcrs im Innern des Landes, wo die kleinen und grossen Machthaber alle Arten von
Gewaltthätigkeiten imd Betrug gegen ihre eigenen Unlerthanen ausüben, tun sie zu
Sclaven niaclicn und verkaufen zu können, uralt; es gewann aber eine grössere Aus-
dehnung , seitdem die Europäer an den afrikanischen Küsten so viele tausend Ncge
einkauften, um das Bedürfniss an arbeilenden Handelt in ihren amerikanischen imd
westindischen Colonicn 7ai befriedigen. Die Portiuriescn brachten zuerst um die Mittei
JV. Cüiamerciclle Production oder Handel. §. iS/j. Haudel uach West- u. Ost-Aliika. ^53
tlcs i5.J'ili''liiindeils Neger nach Europa. Bald luachicn sie auch Vcrsuclie mit dem Ge-
hrauche dei'sclhon zum Anhau auf der Lisel St. 21ioinas und auf andern Inseln. Innner
süirkcr und cinträghcher ward dieser Ilandil, als auch die Spanier anfingen, Neger
ziun Anhau ihrer weit ausgedehnten amerikanischen Besitzungen zu hrauchcn, deren
Urhewühner sie grösstcn Theil ausgerottet halten. Den Spaniern folgten die ührigen
Europäer hey den Anlagen ihrer amerikanischen und westindischen Colonien. Bis auf
200 Medcn weit landeinwärts hrachten die Sldlihs oder Sclavenhändler die Neger
aus dem Innern von Afrika, an dessen West- und Ostküste zum Verkaufe an die Por-
tugiesen j Engländer j, Holländer ^ Franzosen tmd Dänen. Die Spanier triehen zwar
diesen Handel nie seihst 5 aher ihre Regierung schloss einen Pachtcoulract zur Ehi-
fiihrung einer hcsliinmten i\jiza]il von Sclaven mit Fremden, welclie der Gewinn da-
zu reilzle. Im hilligsten Anschlage wurden jährlich hloss von der Westküste nach
Westindien üher 104,000 Sclaven ausgeführt (von denen aher eigentlich nur ungefähr
•j'ö am Orte ihrer Bestimmung lehend ankamen , da sie in dem untersten Schiffsräume
wiefläringe zusammengepacktnothwendig verschmachten nmssten), ohne noch die un-
geheure Menge von Sclaven zu hegreifen, welche in den südamerikanischen und afri-
kanischen Colonien und durch ganz Asien verkauft wurden.
Die Stimme der Menschlichkeit, geweckt durch die fortschreitende Cultur der
Europäer, erhöh sich endlich gegen die Gräuel dieses Handels. Der <//i/i/^c7ie/i Regie-
rung gehührt der Ruhm , das erste ßeyspiel von Aljschaffung des Negerhandcls gege-
ben zu liahcn. Sie verordnete am 16. May 1792, dass er mit Ende des J. 1802 in den
dänischen Besitzungen aufliören sollte, und bestätigte 1804 dieses Verbolh. Aher auch
in Grossbritanniea ruhte man nicht, und seit dem 12- May 1788 fand die Saclie der
Neger an dem edlen Jfilberforce einen so hartnäckigen Verthcidiger im Parlamente,
dass er nach achtzehnjährigem, fast jährlich erneuerten Kampfe, lange von Fox und
selbst von Pitt j \ind zuletzt noch mehr durch den Einfluss der Umstände unterslüizt,
endlich den lo- Juny 1806 durchdrang. Um den aufgehobenen Sclavenhandel gegen
die Schleiclihändler noch wirksamer zu handhaben, ward durch ein Gesetz vom 14.
May 1811 jeder von brittischen Unterthancn getriebene Sclavenhandel für HocJwer-
rath gegen den Staat erklärt. Die Strafe besieht in Landesverweisung für höchstens
14 Jahre, oder in 3 bis 5jähriger öffentlicher Arbeit. Die brittische Regierung ging
noch weiter: sie bemühte sich auch andere Regierungen, wo nicht zur gänzlichen Ab-
schalfung , doch wenigstens zur Beschränkiuig des Sclaveiihandels ihrer Ünterthanen
zu bewegen. So erhielt sie unter andern durch den Bundesvertrag, den sie am ig. Febr.
1810 mit Portugal schloss, von dem damaligen Prinz-Regenten , nunmehrigen Könige
von Portugal, die Zusage, dass keinem Portugiesen erlaubt seyn sollte, den Negerhan-
del in irgend einem Theile von Afrika , welcher nicht zu den Staaten dos II uises
ßragatiza gehört, luid in welchem dieser Handel durch die Mächte Europas, die
sonst diesen Handel trieben, aufgegeben, worden ist ^ zu treiben bj. Ja! Grossbrilan-
nicn machte sich mit Frankreich durch einen besonderen Artikel des Pariser Friedens-
Tractates vom So- May 1814 sogar anheischig, auf dem Congresse zu Wien alles auf-
zubielhcn, alle christlichen Mächte zu allf,'emeiner Abschaffung des Sclavenhandels zu
vermögen cj. Don zufolge erklärten die bevoUniächligten iMinister der auf dem be-
3o
234 J^"^- Coiameroielle Pr. üLiiiion oiltr HainIiJ. §. ;25. Haudcl uauli Ostindien, Cfi na , e(d.
sagten Congressc vcrsaiiimelleii Mächte am 8- Feljr. i8l5> dass sie die allgcnioine Ab-
scliaffung des Sciavenhandels, einer Geisscl, welche so lange Zeit Afrika Ijctiiibte,
Europa erniedrigte und die Menschheit kränkte, als eine ihrer Aufmerksamkcil be-
sonders würdige, dem Geiste des Zeitalters und den edelmüthigen Grundsätzen
ihrer erlauchten Souveraine gemässe JNIaassregel betrachtend , von dem aufrichtigen
Verlangen beseelt sind, zur schleimigsten Ausführung dieser Maassrcgel durch alle ih-
nen zu Gebolhe stehenden Mittel beyzutragen.
c) S. Mi&cellen für die neueste Weltkuude. löii. Nr. 27 u. 28. S, 107 ff. und 111.
b) S. des Freyherni c. Horinayr Archi\ a. a. O. 1811. i4 u. i5. S. 68.
c) Lettre ä son Excellencc Monseigneur le Prince de Tallefrand Perigord , niinistre et secre-
taire d'etat de S. M. F. G. au departemcnt des affaires etrangeres , et son plenipotentiaire au
congres de Vieniie au Siijel de la traile des Negres , par M. Pf''ilberforce Ecuyer, membre
du Parlament britannique. Traduite de l'anglais. Oct. i8i4- 8. Vergl. Götting. gel. Anz.
i8i5. St. 160. S. 1587.
§• 125.
5) Handel der Europa er mit und nach Ostindien, China, Japan und
P e r s i e n.
Erheblich ist ferner der europäische Seehandel nach JUndostan , oder nach dem
sogenannten Ostindien aj. In altern Zeilen brachten die Araber und Saracenen die
indischen Waaren durch das rothe Meer nach Aegjpten bj j von da sie nach den
grossen Handelsstädten am tuitlclländischen Meere, Cairo u\\^ Alexandria _, versen-
det wurden. Hier bohlten sie die Venetinner j Genueser und andere italienische
Völker ab, und verhandelten sie in Italien und durch das übrige Europa mit grossem
Gewinne. Erst seit den grossen Entdeckungen der Europäer (s. §. i22-) wurde der
leichtere Weg durch den Ocean um das Vorgebirge der guten Hoffnung eingcfilhrt.
Der kunstreiche Fleiss der Einwohner, so wie der uuermessliche Productenreichlhuni
Ostindiens , hat dieses Land von jeher zum vornehmsten Sitze der Welthandlung ge-
macht. Daher sind alle seefahrenden Nationen auf den ostindischen Handel eifersiicjuig.
Von den Europäern sind gegenwärtig besonders die Engländer — vorzüglicli ihre
ostindische Handelsgesellschaft — im Besitze dieses Handels ; nach ihnen folgen die
Niederländer j auf diese die Fratizosen ^ imd alsdann die Vortugiesen j Spanier und
Dänen; selbst die Schweden schiffen dahui, ob sie gleich daselbst keine Colonieu
haben, so wie diic vereinigten Nordamerikaner j die kraft des Handelstractates vom
3. Jul. 1810 befugt sind, nach den vornehmsten Niederlassimgcn der brittischen Besi-
tzungen in Ostindien, nähmlich nacli Calcutta j Madras j Bombay und Prinz- Wal-
lesinsel zu schiffen, und mit denselben Handel zu treiben dj.
Der Secliandel der Europäer mit und nach China j das im weiten Verstände auch un-
ter Ostindien mit begriffen wird, ist auf den Hafen von Cr/,'?^o/t beschränkt. Bekanntlich
macht die briltisch-ostiadische Compagnie die meisten Geschäfte. Der Einkauf wird nach
denbis 1796 gemaehlen Ladungen im Durchschnitt, zu 3o — 40 MiU. Fr. berechnet, die
in Europa 65 — 72 Mill. einbrachten ej. Unter den Waaren, die ausgeführt werden ,
.teht der Thee oben an. Es n«hmen aber an dem chinesischen Handel auch die ]\ic-
TV. Com merciclle ProJucliou od 1 1 HiiultJ. 'J. j:0, i!aidil riHli OsliLcIim, Clin», utt. .255
t/erländer j J^Wtnzosen j Portugiesen ^ D(",iien_, Schweden und soii 1821 .niiHi die
O esterreich er fj Antheil. Besomlcis leidet der Handel der luighiiuler nach Cliiiin srit,
einigen Decennien darch die wachsende Concnrrenz der vereinigten JXordamcrika-
ner. y Ol- 1800 haue der nordamerikanische Handel nach China fast gar nicht hegon-
nen, nnd nnn machen die jährlichen Schiffsladungen 12,000 Tonnen ans. D< r ['ntcr-
schied ist im Ganzen 26 Proceni zum Vorlheil von Nordamerilia mid für einige Thee-
sorten 70 Proceni; der Zoll anf diesen Artikel ist g6 Procent in Grosshritannien und
in Nordamerika nur | Dollar; der amerikanische Kaufmann kann dalier das Pfund fast
seclismahl wohlfeiler verkaufen als der englische, aus welchem Grunde auch eine
grosse Quantität Theo jährlich in England aus Nordamerika ankommt, wo, wie man
herechnct , jährlich für 5 Mill. Pf. St. von diesem Artikel eingeführt wird. Bey allen
Plackercycn und Betriegereycn, welche die Chinesen sich gegen die Fremden erlau-
hcn, müssen diese auch noch fast alle Waaren mit Silher bezahlen gj.
Der Handel nach Japan j das hn weilen Sinne ebenfalls unter Ostindien mit be-
griffen wird, ist unter allen europäischen Mächten den Äo//ä«r/e/vz allein verstattet,
die ausser den Chinesen die einzigen Fremden sind, die seit der Vertreibung der
Portugiesen aus Japan, mit den Japanesen in Handelsverkehr stehen. Die mannigfalti-
gen Versuche der Engländer und Russen zur Eröffnung eines Handels nüt Japan
waren ohne Erfclg. Die Geschenke imd selbst der Brief dcj Kaisers Alexander nn
den Kaiser von Japan, welche der russische Gesandte im J. 1804 mitgebracht hatte ,
winden zurückgeschickt. Die Russen durften durchaus nichts kaufen ; dagegen wurde
ihnen Alles, was sie verlangten, und zwar immer von der besten Qualität, überdiess
auf zwey Älonathe Provision, unentgeltlich auf Kosten des Kaisers gegeben. Der hol-
ländische Handel nach Japan ist auf den einzigen Hafen vou ]\'angasackihcsc\\r'An\.\..
Es ist in Japan verbothen , die Ladung der holländischen Schiffe mit barem Gelde
7,u bezahlen; folglich' müssen die Vcrkänfci' Landesproducte in Tausch annehmen lij.
An dem Handel mit und nach Persien nehmen die Russen imd die Türken An-
theil; besonders sind die Russen in diesem Handel begünstiget. In dem Friedens- und
Freundschaftslractate vom i5. Sept. 1814 ^^^^ Pei-siens Beherrscher nicht nur in die
Ernennung russischer Consuln in den wichtigsten Städten seines Reichs und den
Handel mit und durch Persien nach Indien, gegen einen sehr geringen Transitzoll ge-
willigt, sondern dem russischen Reiche auch die aussscUiessliche Schifflahrt auf dem
caspischen Meere zugestanden tj, wodurch ^i'^/v;c//a7i an der Mündung der Wolga
sehr gewonnen hat.
a) In äheren Zeiten liiess Ostindien sclileclitweg Indien. Als aber Columbus eine westliche
Durchfahrt nach Indien versuchen wollte , indessen aber auf ein neues Land, Amerika, oder
eigentlich die mexicanischen Inseln, stiess , und diese, in der Meinung, er sey bereits in
Indien angekommen, auch Indien nannte; so hat dieser geographische Irrtlium Veranlas-
sung gegeben, das asiatische oder eigentliche Indien Ostindien, und die mexicanischen In-
seln von dem westlichen Vf ege , auf welchem Columbus gekommen war, H^cslindien zu
nennen. Von eben diesem geographisciien Irrtliume kommt auch der Nähme Antillen. Die
Geographen im i5. und im Anfange des 16. Jahrhunderts setzten auf ihren I^andkarlen
China, Japan und die Moliikken weit mehr gigen Amerika, und betrachteten die niexica-
3o*
|56 IV. C^nituerciflle ProJuclii'ii oJer Hancul. ^. I25. fl.indci ii;cli 0>liijJk'ii, C'i iaa , rtr.
nischen Inseln als einc^Ait \on Vorinseln, iniJ nannten s.ii.'.aiite illas ([la-nlas Ir,diae\ wor-
aus der verstümmelte Nähme Anlillen entstanden ist. Der Umfang und d'.<^ Bci'r.inzim" von
Ostindien wird übrigens verschiedentlich grnommen. S. Von dem Handel der europaiscli'^ii
'Völker nach Ostindien und China, und der Schädlichkeit desselben (ür Europa überhaupt;
in E. Toze's kleineren Schriften historischen und statistischen Inhalts, herausgegebi^n von
C. Fr. Faigl. Leipzig, 1791. S: i24 ff. Vergl. D. J. C. Fabrl's Handbuch der neuesten Geo-
graphie. Halle, 1819. Tbl. 2. S. 148.
6) Es ist merkwürdig , dass gerade in dem Augenblicke , wo die Engländer ncut; Versuche
zur Entdeckung einer nord»vestlichen Durchfahrt und eines neuen Seeweges nach Indien
und China machen , der unternehmende Pascha von Ägypten den alten Handelsweg über
das rothe Meer nach Indien wieder hergestellt hat. Die Waaren worden zuerst nach Suez
gebracht, und von dort über die Landenge nach Alexandria geführt. S. Polit. Journ. Febr.
1818. S. 110 ff.
c) S. Historische Skizze des brittisch-ostindischen Reichs und Handels in den Hauptperioden
seiner Vergrösserung ; in dem Polit. Journ. März, 1810. S. 217 ff. April. S. 347 ^- May.
S. 427 ff. — Das alte und neue Ostindien , eine vergleichende Beschreibung von ErnesU.
Gotha, 1812. Vergl. H. A. L. Z. i8i2. Nr. 45. S. 356.
d) S. Beyl. z. A. Z. 1816. Nr. 19.
e) In dem Werke „Reise nach Peking, Manila und Isle de France, in den Jahren 1781 —
1801 , \on Hrn. de Guig/i«s. Aus dem Französischen von K. L. M. Müller. 3. Thl. Leipzig,
i8io. Vergl. H. A. L. Z. Nr. 167 und 168. 1811." ist S. 2i5 enthalten ein Verzeichniss
der europäischen Compagnien, die nach China hatideln , der Importen und Exporten u. s. w.
Vergl. den zweyten Theil der ,, Reise um die Welt in der. Jahren ioo3, i8o4, i8o5 und
j 806 auf Befehl Sr. kaiserl. Majestät Alexander I. auf dcii Schiffen Nadesclida und Nevva
unter dem Commando d''s Capitäns von der kais. Marine, .4. J. c. Krase/i'.frrn, St. Peters-
burg, 1811. Virgl. H. A. L. Z. iBii. Nr. 127, 128 u. 129", wo die Nachrichten von
China von S. 29.5 — 382 reichen , und unter andern eine Übersicht des Handels der europäi-
schen Nationen mit China enthalten ist.
J") Am 27. August 1821 langte die k. k. Corvette Carolina mit einer Quecksilberladung glück-
lich zu Caräon an. S. Osterr. kaiserl. priv. W. Z. 1822. 93.
g) Die irillischen Gesandtschaften, welche in den Jahren 1792 und 1816 nach China in der
Absicht abgegangen waren , um für den englischen Handel grössere Begünstigungen , als an-
dere europäische Nationen erhalten konnten , auszuwirken , hatten dieses Land ^viede^ ver-
lassen müssen , ohne ihren Zweck erreicht zu haben. Die Ver-veigerung des ,,Ko-tou ," d. h.
der Ceremonie des Niederwerfens bey der feyerlichcn Audienz, soll die einzige Ursache ge-
wesen seyn , um welcher die briltischen Gesandtschaften ihren Ziveck verfehlten, so wie die
im J. i8o5 in ähnlicher Angelegenheit abgeordnete, fast aus 5oo Personen bestandene russi-
sche Gesandtschaft aus d<'mselben Grunde ihrem Zwecke nicht entsprochen haben soll, und
unverrichteter Sache wieder abziehen musste. Aber auch die 1794 in gleiche Absicht ab-
geordnete holländische Gesandtschaft war nicht glücklicher, ungrachtet sie sich nicht wei-
gerte , jene Ceremonie bey der Begrüssung des Kaisers zu beobachten. In Peking erschien
sie täglich vor Tagesanbruch in dem Pallaste, um dem Kaiser ihre Ehrfurcht nach Land.-s-
sltte dadurch zu bezeugen, dass sie auf den Kaien, mit dem Kopfe die Erde neunmal beiühvte!
S. Jen. A. L. Z. 181 1. Nr. 32. S. 202.
h) ÜTjer den Handel der Europäer nach Japan ; in den Miscellen aus der neuesten aur.ländi-
schen Literatur. 1817. Erstes Heft. Jena, 1817. S. i63 — 172. — Vergl. II. A. L, Z. 1811.
Nr. 19. , und 1819. Nr. 19.
i) S. Polit. Journ. 1818. März. S. 199.
iV. C.rvriorf. PriJuct. od. llAsdcl. ^V i:6. lliixle! natli Aaijula «. Ainlr»li'«- ^. ir;. Ij'orlsct/.i'.iij;. S31
S- 126.
4) Handel der Europäer mit und narli Amerika und Au« trauen.
Üherdiess haben die Europäer einen sehr vortheilhaften Aniheil an den Handcls-
spcculalionen iKieh yiinerika. So lange in diesem Erdiheilc bloss das Colnnidlsj sieni
Slatl iand , handelte jedes europaische Mullerland nur nach seinen Golonien^ tuid
schloss die andern europäischen Völker davon aus ; aber seitdem die meisten engli-
schen Colonien in Nordamerika einen Slaatcnbimd errichtet , und ihre Häfen allen
friedlichen Nationen geöffnet ha])cn, so treiben mehrere europäi.sciie Völker Handel
mit ihnen. Eben so ist seit 1814 der Handel nach Brasilien ganz frcy. Dagegen ist dei'
Handel nach Grönland nur den Dänen allein erlaubt, so wie der Konig der Nieder-
lande den Handel nach Surinam bloss seinen Unteithanen vorbehalten hat. Eben so
waren bisher von dem spanischen Amerika alle auswärtigen Nationen ausgeschlossen.
Gleichwohl waren zwey Dritttheile der Waaren , die nach dem spanischen Amerika
gingen, ausländische, welche der spanische Kaufmann ans der Fremde kommen liess,
um die Colonien damit zu versorgen. Er bczalilte sie dann nach einiger Zeit nut den
von dorther erhaltenen edlen Metallen und Retourladungen aj. Allein gegenwärtig
ist dieser Handel durch den Tnsurrectionskrieg fast ganz gehemmt. Denn die Etißliin-
der j Portugiesen und die vereinigten Nordamerikaner haljen sich neue Mäikie
im spanischen Amerika geöffnet, wo jetzt die Güter dieser Nationen in weit grösserem
Maasse und frey eingefdlirt werden, während sie zuvor nur sparsam und contrcbands-
wcise eingeführt wurden.
Endlich wird auch Australien von den Europäern, aber bisher nur von AcnEiig~
Hindern j Russen und Spaniern bj , dann von den ycrcmv^^iaw Nordamerikanern des
Handels wegen besucht.
a) Jährlich srgelte eine Kauffahrtc) Holte von 16 grossen Schiffen (;\ 1000 Tonnen) von Cadix
nach Amerika, untl kam in i^ Jahren von Vera-Cruz , dem Mittelpuncle des neuspanischen
Handels mit Europa und den Antillen, mit reichen Rctour-Ladungen zurück. Einzelne Re~
gislerschiff'e gingen noch besonders dahin ab. Es hat einzelne Jahre gegeben, wo für i3o
Mill. fl. europäische Waaren in den spanischen Colonien eingeführt wurden, und wo diese
für i5o Mill. fl. wieder nach Europa hinschickten, worunter 80 Mill. fl. an Wertli in edlen'-
Metallen waren. S. Crome a. a. O. S. 281.
6) S. Polit. Journ. 1818. April. S. 3iO.
§• 127.
Fortsetzung.
Am vortheilhafieslcn ist den Europäern der amerikanische ^ afrikanische und
Sndseehandel _, weil sie dabey vornehmlich ihre Kunsiproducte , sellist solche, die
von geringer Qualität sind, und desshalb in Europa keinen Al>satz finden, an Manu
bringen, und dafür Naturproducic eintauschen können. Hingegen in Ostindien ^ Ja-
pan und China müssen sie fast Alles, was sie kaufen, mit barem Gelde, imd in letz-
terem Lande vornehmlich mit Silber bczalden aJ. Auch nach Persien und der Türkejr
geht viel bares Geld durch den Handel. Die vielen Millionen Gold und Silber, wcl-
2JiB IV. Coiumcrc. Proiluct. od. H^iudel. ^. 128. Loiulli.indil ^. 1J9. Eiiifiiiailiktl iiac!.' Europa.
che bisher Amerika nach Europa schickte, ^vurden also durch den Handel nach Asien
grösslen Tlieils wieder versclilungen, objjleicli die Europäer, besonders die Englän-
der, seit einigen Jahren sich bestreben, ausser Silber, auch andere Tauschmiltcl in
diesem complicirlen Handel, der so viele Kräfte in Thätigkeit setzt, anzuwenden.
a) S. Tuze's kleinere Schriften a. a. O. S. 124 — ^i5ü. S. iSg lieisst es : Ncqiie eratexterno
commercio locus, ni Sinain. infinita quaedam leneret argenli cupidllas. Id praeferunt auro ,
et cum indidem effossum , tum e remolis regionibus Lllatum asidissim^e accumulaiU.
§. 128.
b) L a n d h a n d e f.
Z,u Ltuide treiben nur die Russen und Osmaneii j vornehndich die asiatischen j
Handel ausser Europa. Russlands Landhandel erstreckt sich nicht nur nach den be-
nachbarten europäischen Staaten , nahmentlich Schweden j Preussen , Oeslerreich
und der Tiirkey j sondern auch nach Asien, nahmentlich nach Persien j dem Kau-
kasus j, der Bucharej und Tatarej und nach China. Der Haupthandelsplatz fiir die-
sen uiiermesslichen Landhandel ist Moskau _, so wie St. Petersburg es für den rus-
sischen Seehandel ist. Der russische Landhandel nach Asien wird durch Kara\>anen
getrieben, so wie die asiatischen Osmancn mit den benachbarten Nationen, den Ara-
bern y\\\i\^Persern j, wegen der Unsicherheit der Landsirassen, durch Karavanen ban-
deln. Man Ijrauclii dabey zum Transporte der Waaren Kamehle. — Die Richtung des
für Russland nicht unbedeutenden TransiLohandels ist ebenfalls Asien. Im J. i8o5
wurden an europäischen Waaren nach Asien für 6,010,840 Rubel, luid wieder asiati-
sche Waaren nach Europa für 75,608 Ruh. durchgefiibrt ; die Rückfracht europäischer
Waaren nach Asien betrug in jenem Jahre 333-.570 Ruh.
^- 129.
Ei n fu li rart I kel aus andern E r d t !i e i 1 e n nach Europa.
Aus Asien hohlen die Europäer eine Älengc Gewürze und Apothekcrwaaren^
Färbestofle, besonders Indigo j dann Thee , KafTeh, Zucker, allerley Leder, Pelzwerk,
Baumwolle, Baumwollengarn, türkisches Garn, Mousselin, Nauquius, weisse baum-
wollene Tücher, viclerley Arten von Kattun, rohe Seide, seidene Zeuge und Schnupf-
tücher,, kostbare Shawls, Tapeten, Stoße uud Zeuge, die theils ganz aus Seide,
theils aus Mischungen von Seide, Baumwolle mid Bast oder Baiunrinde bestehen;
ferner Reis, Arak, Galläpfel, Elfenbein, Kamehlhaar, Kämelgarn , spanische Röhre;
endlich Gold, Kupfer, Zinn, Edelsteine, Perlen, Salpeter, Porcellan, lackirte ^Vaaren
und andere Artikel,
Aus Afrika bezieht Europa Menschen (obgleich jetzt nur durch Schleichhandel,
folglich bey weitem nicht mehr so viel, als im achtzehnten Jahrhundert), Alfen und
Papageyen, Flachs, Hanf, Getreide, Reis und Hidsenfrüchle, vortreffliche Weine
von Madera und Constaniia, Bauniöhl , Mandeln, Datteln, Feigen und Rosnicn , Wol-
le, Baumwolle, Gold in Stangen und Goidslaiib, Kupfer, EIfcnlieiu, Straussrcderu ,
IV. Il.inJe!. §. iüo. Ausfuhrarlikel Europa's. ^. i3i. Aiisgicicjiiiiip de.
2 ''9
Gummi , Salmiak, Seiicshlditer, Saüor, Honig, \Vachs, Draclicnbliil, IliiiUC, allcrioy
Leder, Zucker und andere Waaren.
Aus yJiiier-ika einjifangcn die Europäer Bau-, Tischler- und Färljcliolz, Schifls-
mastcn, Fische, Häute, Pelzwerk, Eiderdunen, Baumwolle, KalFch, Zucker, Kiim ,
Syrup, Kakao, Vanille, Indigo, Cochenille, Vigoguewolle , Wachs, Reis, in ucMu-rn
Zeilen auch Getreide und Mehl, Tahak, Ingwer, Piment oder Brasilienpfeffer, Fie-
berrinde, Sassaparille, peruvianischen Balsam, Gold, Silber, Pialina, Kupfer, Ei-
sen, Perlen, Diamanten und andere Edelsteine,
Aus Australien erhält Europa Kokosnüsse, Pisangs, Zucker, \ustem , Schildkrö-
ten, Producie vom \\ nllfischfang , Perlen luid andere Artikel.
S- l3o.
A u s f u h r a r 1 1 k c 1 aus Europa nach den andern li r il t li i' i 1 c n.
Dagegegen empfangen die andern Erdtheile sehr viele Artikel aus Eiuopa, vor-
nehmlich Kunstproducie , worunter selbst fertige Kleidungsstücke, als Schuhe, Slriim-
pfe, rothe und weisse wollene Mützen, sogar abgetragene Kleider gehören , wovon
unter andern ganze Schiffsladungen von London nach Spanisch- Südamerika gehen",
ferner Leinwand, Spitzen, Tressen, Zwirn, Papier, Spielzeug, Taschenuhren, liöl-
zerne Wanduhren , Brillen, Ferngläser, Glaswaaren , Spiegel, Schmelzliegel, Töpfcr-
waaren, Porcellnn, Schmälte, Bronzearbeiten, Tischler- und Wagncrarbeiien, Schiess-
pulver, Flinten, Pistolen mid Flintensteine; ferner Tuch, wollene, Jjaumvs'ollene und
seidene Zeuge, Branntwein, feine Litjucurs, Bier, Eisen-, Siahl- und andere Metall-
waaren, Korallen, Glasperlen und geschliffene Juwelen : endlich edle Metalle, vor-
nehmlich Silber (Asien), nebst Eisen, Kupfer, Bley, Zinn, Quecksilber, ^lincralv.as-
scr, westphälischcu Schinken, S])eik und anderen ^Vaareu.
S- i3i.
A u i g 1 ei c h u n g der Schuld Europa's für die Consumtion a u s s p ro u r o pU 1-
scher W a a r e n .
Unter den oben (§. 12g) angegebenen Waaren, welche Europa zur jährlichen
Consumtion aus den anderen Erdlheilen bezieht, sind unstreitig folgende 7 Artikel in
Ansehung ihrer Mensje und ihres Werthes die erheblichsten:
1) Zucker — 6,6i4;658 Ctr. ä 5o fl. CM.
nach andern j^ Mill. Clr. aj.
2) Kaßch = i,3i4,55o Ctr. i 66 fl. CM.
3) Thee =
4) Kakiio =
5) F/c/fer =
6) Baumwolle =
7) Indigo =
460,000 —
a
225
23o,ooo —
a
45
226,660 —
a
5o
g5o,ooo —
a
45
97,000 —
a
5oo
330,732,900 fl. CM.
86,760,300 n. CM.
101,200,000
io,35o,ooo
11,333,000
42,750,000 — —
48,500,000
die zusammen einen Werih von mehr als 63 1,000,000 fl. CM.
• 4o IV. CoiiirBerc. Product. od. HaiiJil. §. i52. H..ndcl der Europäer unter sitli.
haben, und mit den andei'ii Gewürzen, ausser Pfeffer, Specereyen, den andein Farbe-
stufTen, ausser Indifi,o, mit den sämnillichen Apolliekerwaaren, den Häuten, mit Taljak,
Beis, Diamanten, Perlen und so vielen andern Artikeln gewiss 700 Mill. fl. bcirni;cn ^_^.
Diese Schuld Europas für die jährliche Consumtion an die andern Erdtheile ward
bisher in Hinsicht au^ jiinerika ^ Jfiika und ./mtralien mit Waarentausch (s. §. 12-')
ausgeglichen, Avährend nach ^sieii vori/chmlich Gold und Silber gingen, welche bey-
de edle Metalle, besonders Silber^ nebst einer Ungeheuern Älenge anderer Waaren,
zur Ausgleichung hauptsächlich das spanische Amerika lieferte. Da nun durch den
Abfall der spanischen Colonien in Amerika von dem Mutterlande , durch die letztjäh-
rigen Unruhen und Kriege im europäischen und amerikanischen Spanien die Gold-
und Silberzufuhren sich verringerten cj , und zugleich der Absatz europäischer Waa-
ren nach Amerika sich sehr verminderte : so lässt sich die Geld- und Handelssluckung
(^•klären, die wir jetzt in Europa wahrnehmen und empfinden, und die mn so auffallender
hervorti-elen mnsste, je allgemeiner jener Abfall wurde. Sollte die gänzliche Einauci-
y)ation des spanischen Amerika erfolgen: so wird dieses Ercigniss eben so gewiss eine
t'olgcnrciche Umwälzimg in den industriellen , commerciellen und politischen Verhält-
nissen Europa's herboyführen, als eine solche im 16. Jahrhundert durch das Ein-
strömen der amerikanischen Schätze nach Europa ]>ewirket worden ist.
a) S. t>. Ziinmennann's Schrift: Über Westindien , dessen Colonialvvaaren und deren Surro-
gate. Yergl. H. A. L. Z. i8i2. Kr. 71. S. 564 ff- — Übersicht der ausländischen Culorrial
waaren und ihrei- inländischen Surrogate aus dem Pflanzenreiche. Von Dr. Fr. J. Bertuch elc
Weimar, i8i2. 8. Yergl. H. A. L. Z. 1812. Nr. igS, 194.
b) S. Andres Statistische Übersicht und Merkwürdigkeiten der europäisclien und aussereuro-
päischen Staaten. Prag, 1821. S. 11 — 15.
c^ Bemerkungen über die Abnahme des Geldes inEuropa; in derBeyl. z. A. Z. lo. Febr. 1821.
§. l3'2.
B. n a n d e 1 d e r E uro p ä e r un t er s 1 eh.
Die grosse JMannigfaltigkcil des Klima's in den europäisclien Ländern, die ^ er-
.-^i biedenheil des Bodens, der Naturjjroducte und der Fruchtbarkeit überhaupt; dann
der gross«' , in Ansehung des Kimstfleisses herrschende AI)stand imd [die daher ent-
springenden gegenseitigen Bedürfnisse machen den Handel zwischen den europäi-
sclien Staaten eben so nothwendig, als er wirkhch lebhaft ist. Diese Nothwendigkeit
und Lebhaftigkeit des Verkehrs wird um so einleuchtender, je mehr man auf den
Überfluss oder Mangel Rücksicht nimmt, der einige europäische Länder zu Verkäu-
fern , die anderen zu Käufern veranlasst und bestimmt. Und gehet man die vorher-
gehenden Abschnitte von der Ur- und industriellen Production mit einem Rückblicke
noch einmal durch : so wird man finden, dass Grossbritanme?i_, Frankreich^ Deutsch-
land , die Äiederlande j die Schweiz und Italien das üljrigc Europa vornelimlich
mit Kunsterzeugnissen versorgen, während llusslandj, Polen ^ Dänemark ^ Schwe-
den und A'orwegen j, so wie Ungern _, Galizien ^ Portugal ^ Spanien und die Z"«/--
kej den übrigen europäischen Ländern hauptsächlich Naturproduclc überlassen. Die
iiaii]Hniederlagen fiir Culonialwaareji aber shid London luid Amsterdam,, nächst
IV Commerc. Product. od. Handel. §. i35 Haiidelsbilauz. 241
diesen Lissaf>07i und Hamburg j, nach welclicr letzteren Handelsstadt allein schon
oft in einem einzigen Jahre 58,.5oo Fass Kaffch, 980,000 Ctr. Zucker u. s. w. einge-
führt worden sind, obgleich Deutscliland keine Colonien in anderen Erdtheilenl be-
sitzt. Dagegen ist Deutschland durch seine Lage, in der Mitte zwischen den fabrici-
rendcn Landern und jenen, welche die Productc dieser kunstfleissigen Länder (s. oben)
bedürfen , der Markt von Europa. Mittelst seiner Messen (zu Leipzig luid Frankfurt
a. M.) concentrirt sich der Austausch des Osten, Westen, Süden und IVorden von
Europa auf einen Punct.
§. l35.
* Handelsbilanz.
Die Vortheile der einzelnen Staaten aus dem Handel werden gewöhnhch l)erech-
net nach der Bilanz des Handels ^ worunter man die Einführe undAusfiihre in einem
Jahre versteht. "Wird aus einem Staate mehr aus- als eingefiihrt, so sagt man, der
Staat treibe einen Jctwhandelj im Gegentheile einen Passivhandel ; letzteren nen-
net man auch jenen Handel, den ein Volk treibt, das grössten Thcils durch Fremde
seine Producte versendet und seine Bedürfnisse erhält. Den Überschuss der Ausfuhre
über die Einfahre, oder der Einführe über die Ausfuhre, welcher mit barem Gelde
ausgeglichen wird, sieht man gewöhnlich als Gewinn oder Verlust an, obgleich diess
nicht in allen Fällen richtig ist. Denn erstens sind die Zollregister über die ein- und
ausgeführten Waaren gewöhnlich so mangelhaft und unvollständig, dass sich aus den-
selben mit keiner Sicherheit etwas schliesscn lässt. Dann beweisen Handelsbilanzen
an sich nichts gegen den Naiionalwohlstand derjenigen Nationen, welche mit mehr
Importen als Exporten erscheinen, weil der Staat, der Handel treibt, im Grunde nie
verliert, wohl aber gewinnt. Überdiess kann es oft vortheilhafter scyn, mit barem
Gelde, als mit Wa.iren zu bczalilen , wenn die Nation nur immer das Äquivalent erhält
und zwar in solchen Waaren , die für dieselbe nützlich sind, und dagegen W'aaren ab-
setzt, die inländische Natur- oder Kunstproducte sind. Man kann daher eigentlich
nur sagen: der N'ortheil vom Handel ist iür eine JNation grösser oder kleiner, je nach-
dem die Ausführe oder Einführe gegen frühere Jahre zu- oder al)ninmu; der Yortheil
einer Nation aus dem Handel ist grösser oder kleiner als der einer andern, Aveil sie
jährlich mehr aus- als einfahrt; man kann aber nicht behaupten, die andere Nation
verliere; sie gewinnt ebenfalls, nur ist ihr ^ ortheil nicht so gross. Eben so kann der
Vorlheil grösser seyn, wenn sie solche Producte einführt, die Anlass zu Verdienst
durch Arbeit geben. Man hat denmach bey der Handpisbilanz nicht sowohl zu fragen:
ob der Handel Geld in's Land bringe? sondern vielmehr, ob er gegen die früheren
Jahre zu- oder abnehme, und die Nationallteschäftigung vermehre oder vermindere?
dann wird man beurtheilen können , ob ein Volk im Handel gewinne oder verhere aj.
Man ihcilt in der Hinsicht die europäischen Staaten 1) in solche, die jährlich immer
gewinnen, die immer eine grössere Aus- als Einfahre haben; 2) in solche, die jähr-
lich immer verlieren, wo es umgekehrt i'^t; 5) endlich in solche, deren Handel im
Gleichgewichte steht, die eben so viel ausüihrea, als einführen, ohne am Ende ba-
24i IV. Couinierc. Product. od. Handel. §. i33. Handelsbilanz.
res Geld zu gewinnen oder zu verlieren. Dass diese Einllieilung keine richtige Basis
liabe, erliellcl aus dem Vorhergehenden.
Um die vornelmistcn Staaten Europa's in Ansehung ihrer Handelsbilanz kennen
zu lernen, mögen folgende Angaben von dem Werihe ihrer Aus- und Einführe zur
Vergleichtuig dienen.
Was die Handelsbilanz Gi'osshritanniens betrifft : so betrug die Ausfuhre dessel-
ben im J. 1790 l8,5l3,öOO Pf. St. (worunter für mehr als i3 Mill. Manufacturwaaren ,
ehedem nur 10 Mill.), und die Einführe 17,828,000 Pf. St. , folglich belief sich der
Überschuss der Ausfidire auf 685,ooo Pf. St. hi der Folge erschien eine beständige
Zunaluxie, besonders der Ausfuhre. So ward im J. 1800 die Ausfidire auf 41,100,000
Pf. St., die Einführe auf 3o Mill. angegeben; 1806 stieg die Ausfuhre auf ^3 Mill.,
1807 auf 47 Mill., 1817 auf 5l Mill., und 1818 machte die Ausfuhre englischer Ma-
nufacturwaaren nach dem europäischen Continent allein 35,3'25,ooo Pf. St , oder
353,25o,ooo Gonv. Gulden aus.
In Frankreich soll vor der Revolution in den Jahren 1784 — 1787 der Werth der
Einfidire jährlich 301,727,000 Liv., die Ausfuhre aber 554,423,000 Liv. , und 1788 letzte-
re gar 412 Mill. Liv. betragen haben. Darunter befanden sich 124 Miii. an französischen
Producten, i3i MiU. an französischen Fabrikwaaren , und 167 Mill. an Colonialwaaren.
Bis zum Anfang dieses Jahrhunderts nahm die Aus- und Einführe ab; beydes stieg
aber wieder; 1812 belief sich die Einführe auf 129,900,000, die Ausführe auf
142,200,000 fl. Indessen wird der auswärtige Handel dieses Reichs, vornehmlich der
See- und Colonialhandel , kaum mehr so blühend werden , als er um die Mitte des
vori^'en Jahrhunderts war, da durch die Scludd der Revolution die Marine und mit
ihr der See- luid Colonialhandel sehr gesunken ist.
In Russland betrug in 4 Jahren (1802 — 1800) die Ausfuhre 261,700,000 Rubel,
die Einführe 217,000,000 Ruh., folglich war das Plus der Ausfuhre über die Einfidire
in 4 Jahren = 44,700,000 Rub. Seitdem ist beydes fast ununterbrochen so bedeutend
«restiegen , dass im J. l8ig die Ausfuhre über 210 Mill. und die Einführe über 167
]\lill. betrug, foli,dich der Handelsgewinn dieses einzigen Jahres jenem vierjährigen
Überschusjc fast gleich kam, und die Zolleinnahme von der Ein- luid Ausfuhre sich
auf 39,793,340 Rub. belief. Dagegen fand eine so grosse Differenz in der russischen
Handclslnlanz noch nie Statt, wie im J. 1820, wo aus dem St. Petersburgerliafen
allein für io5,o85,920 R«b. Waaren ausgeführt, und für 180,388,897 Rnb. in densel-
ben eingeführt wurden , der Werth der Einführe also den der Ausfulire um mehr als
75 MiU. Rub. überstieg bj.
Die Einführe in die österreicJuscheii Staaten betrug im J. 179.6 25,8i6,334 ^- ■>
während die Ausfuhre sich auf 3o,826,59gll. belief; zehn Jahre später betrug die Ein-
führe 47,6l3,025 fl-, die Ausfuhre 27,712,947 iL Im Jahre 1807 war die Eirifidu-e =
44,669,050 11. , die Ausfuhre = 26,927,837 fl-, folglich wurde in dem besagten Jahre
um 17,741,000 fl. mehr eingeführt als ausgeführt. Nach einem dreyjährigen Durch-
schnitte von 1809 — 1811 beUef sich die Einführe auf 43,266,234 ß. , die Ausfuhre auf
31,268,372 11., folglich war das Plus der Einführe über die Ausfuhre = 11,997,862 A-
Gegenwärtig hat der österreichische Handel eine ganz andere Gestalt. Denn im J. 1807
IV. CiinTPci ulle Proilurtion oder Hancl.I. §. i34. Landstrassen uml Posten. Jjä
waren Mailand, VeneJiij, Dalinatifla und Tyrol keine Bcstandilicilc der östcrreiclii-
sclieiJ Monnrcliie , iiiivl der Wicnor Friede vom J. i8oq liatte dcr.scll>cn aucli das ge-
genwärlij^e Königreich lllyrien, Salzburg, einen Tlieil vom Lande ob der Euns und
einen Theil von Galizien entrissen. Da nun alle diese Länder mit dem Mutterstaate
wieder vereiniget wurden: so kann Österreich viele ActiXel^ weldie es vormals ein-
ftihren mussle, jetzt seiht ausfuhren, besonders Seide, wovon die Lombardie allein
jährlich für 3o — .52 Mill. Fr. (-=12 — 13 Mill. (]onv. Gulden) in's Ausland sendet; dann
Olivenöhl und andere Siidproducte, Seelische u.a.m. Überdiess können Böhmen,
MäJiren, dasErzhcrzogllium Österreich, Stcverinark u. s. w. einen grossen Theil ihrer
Manufactur- mid Fabrikerzeugnisse wieder nach Triest und Italien absetzen, wodurch
die Industrie jeuer Länder ein neues Leben gewonnen hat.
Nach einer in der preussischen .Staatszeitung enthaltenen Nachricht über den Ver-
kehr der preussischen Monarchie mit dem Auslande im Laufe des Jahres 1819 be-
trug die Ausfuhre an Hauplarlikelu (^V^olle, Flachs, Leinengarn und fertigen Fabrica-
ten , mit Ausnahme der zwev wichiigslen preussischen Ausfuhrartikel, des Getreides
und des Holzes) 17,480,285 Thlr. , die Einführe an llauptartikeln (Wein, rohem und
raffinirten Zucker, Kaöch, Tabak, Thee und Gewürzen) 17,063,802 Thlr., folglich
belief sich der Überschuss von Seite der Ausfuhre auf 426,583 Thlr. Der Zollbetrag
für die Durchfuhrartikel, deren Werth auf 22,748,353 Thlr. geschätzt ward, betrug
782,147 Tlih-.
a) S. Ökonomisch-politische Betrachtungen über die Handelsbilanz; von Joh. Zizius u. s. w.
Wien und Triest, 1811. 8. Vcrsl. H. A. L. Z. i8i2. Nr. 257.
b) S. Österr. BeobaclUcr. 18^1. Kr. 67.
B e f ö r d e r u n g s ni i l t e 1 des Handel s,
A. In Ansehung d e r C o m ni u n i r a t i (h1-
§. 134.
a) Z n L a n d e.
Landstrassen und Posten.
Zur Erleichterung der Reisenden und des Transports zu Lande dienea die Land-
strassen und Fasten. Jene sind jetzt in allen europäischen Staaten angelegt, und man
hört nicht auf, an der Anlage neuer Heerstrassen, so wie an der Verbesserung der al-
ten zu arbeiten. Allein in Rücksicht der Allgemeinheit und Güte derselben findet eine
grosse Verschiedenheit Statt. So steht z. B. das nördliche Deutschland in der Hinsicht
dem südlichen weit nach. Dänemark hat, nach Hni. Knnz aj _, eine einzige Haupt-
landstrasse, das weit grössere Spanien nur drev, das noch grössere europäische Russ-
tand nur vier Hatiptlandstrassen, und Portugid nach seinem nördlichen Theile kei-
ne einzige gute Strasse. Dagegen besitzt das brittische Reich neun, Franh-eich sieben
und Oesterreich sechs Hauptlandslrassen. In Ansehung der Güte behaupten unter al-
len europäischen Chausseen den ersten Rang die brittischenj, französischen und nie-
derländischen j, nach denen in der Hinsicht die süddeutschen folgen. Zu den glän-
3i*
liJ4 IV'. Corumercielle Production oder Handel. §. l34. Landstiassen üud Posten.
zcndslcn Anslaltcn der Art aber gehören die Kunslstrasscn über den grossen St. Bern-
hard bj j den Siinplon cj j von Chlavenna über den Splügen i\ac\\ Graubündten dj
und die Louiscnsstrasse (i'ia Ludovicea) von Carlstadt nach Fiiime ej. — ■ Vor*
llicile , die wir im Winter vermissen, genicsst man görade während des Winters im
hohen Norden. Die Kähc, und noch mehr der damit verbundene Schnee erleichtert
ausnehmend den Transport a\x( Schlitten ^ und eben desswegen werden die meisten
Jahrmärkte^ die wir im Sommer haben, in den nördlichen Ländern Europa's im Win-
ter gehallen. — Von den gewöhnliclien Landstrassen unterscheiden sich die Eisen-
bahnen oder Tl^ngengeleise von G«^^ewc7i (FronRailways oder Roads), eine der vielen
neuen glücklichen Erlindungen Englands. Es stehen solche vier Zoll über dem Erd-
boden, und sind auf der Oberfläche concav. Auf ihnen befmdet sich ein flaches Ge-
rüste mit Rädern, deren convexe Peripherie genau in die hohlen Eisenbahnen passt;
auf dieses Gerüste wird der Wagen gestellt und dann mit dem Gerüste fortbewegt.
Diese Fahrgeleise kosten nur das Drilltheil eines Canals, stören die Mühlen nicht, und
cui Pferd kann bey einem solchen Wege die Dienste von lo Pferden auf gewöhnlichen
Wegen verrichten fj. Sie sind seit 1801 in allen bedeutenden Fabriks- und Handels-
städten, so wie in den Steinkohlenbergwerken zu iVetvca^i/e angelegt , und man hat
angeüuigen, selbst in diesem reichen Lande, die Eisenbahnen den Canälen vorzuzie-
hen gj. Auch hat man in England j so wie in Frankreich j Oestericlchj Baiern
und andern Ländern , zur Schoniuig und wohlfeileren Unterhaltung guter Landstras-
sen, Räder mit breiten Felgen eingeführt hj, die leichter über den Weg hinrollen
und denselben weniger zerschneiden, als die mit schmalen Felgen versehenen, folglich
scharfen Räder.
Ausser dem Bedürfnisse guter Landstrassen sind zugleich g-^ife Posten _, d.i. ste-
hende Ansiallen, auf eine berfueme. sichere, geschwinde imd möglichst wohlfeile
Art reisende Personen, Geld und kleinere Frachtstücke zu Iransportiren, auch interes-
sircnde Nachrichten milzutheilen imd zu ei'halten, ein sehr wesentliclies Erfordei'-
niss, wie für den ganzen übrigen Menschheitsverkehr, so vorzüglich auch für den
Handel. Diese , in neuern Zeiten entstandene Eileichlerimg der Communication in
Eiuopa , hat, nebst der Erfindung der Druckerey und der EinAihruug ]iolilischer
Zeitungen, eine ganz neue Welt veranlasst, und erst rechte N'crljindung unter die
Menschheit in Europa gebracht. Im Ganzen belauft sich die Zahl aller europäischen
Postrouten _, nach Hrn. Siegmejer ij _, auf 5071, durch die man diesen Erdtheil von
einem Ende bis zum andern durschneiden kann. Billig tragen dicjcnigon, v. eiche sol-
<;he Anstalt benutzen, die Kosten derselben. Aber je geringer diese Kosten sind, je
schnellerund sicherer die Communication l)0\\irket wird, um so trefflicher ist diese
Anstalt. Finanzgewinn, am wenigsten directer , kann auf Seiten des Staates nie wahrer
wuhlverstandencr Haujitzweck der Postanstalt seyn. Als HeJjel dei' Nalionalproduclion
aller Gattung, mithin des Nationalreichthums, nuiss vielmehr die Post gebraucht wer-
den. Werden die Menschen durch erleichterte Communication ihätigcr, erluidsamer,
wohlhabender: so werden sie auch einträglicher für die Staatscassen. Nur nicht gera-
de unmittelbar, nicht geiade in der Postcasse muss der erhöhte Ertrag gesucht wer-
den. Übrigens vergrössert die Erhöhung des Postgeldes die Einnahme wirklich uiclit.^
IV. Commcrcielle Producliun oder Handel. §. iS.J. Laiidstrassen und Posten. 245
Denn die meisten Menschengeben bey wohlfeilerem Porto an jedem Tage lieber 1 Thir.
fiir i2> als bey tlieurem Porto 6 Groschen für einen einzigen Brief aus kj.
a) S. Desselben Versuch eines Handbuches der reinen Geographie als Grundlage zur höheren "
Militär-Geographie u. s. w. (Stuttgart und Tübingen, iöi2.), >vo die in der Schweiz, in
Italien, Spanien und Portugal, in Frankreich, Grossbritannien und Irland, in Dänemark,
Norwegen, Schweden, dem europäischen Russland, in Preussen, Warschau und Galizien,
endlich in Ungern und Siebenbürgen, der europäischen Türkey, in Illyrien und Deutscli-
laiifl \orkonimenden Hauptlandstrassen angegeben sind.
b) Diese denkwürdige Kunsstrasse hat unterirdische Felsenwcge , die in Granitmassen durch-
geführt sind.
c) Dieses Meisterstück der Strassenbaukunst führt mittelst \ieler Brücken über fürchterlich«»
Abgründe, und der Weg geht so sanft, dass die Erhöhung für den Reisenden auf die Toi-
se in der Regel nur 2 Zoll beträgt.
d) Diese , vermöge Übereinkunft zwischen der öslei-reichischen Regierung und dem Canton
Graubandien, durch erstere neu angelangte Strasse nimmt die Bewunderung der Reisenden
in Anspruch. Wo vordem ein mühsamer enger Weg , kaum für Saumrosse und Fussgänger
zugänglich, durch ein wildes und unwirthbares Thal führte, und die halsbrechenden Ab-
hänge nur mit Bangigkeit betreten, ja zu Zellen Wochen und Monate lang gar nicht be-
reiset werden konnten, da prangt nun eine der schönsten und solidesten Strassen, die ir-
gend eine Berggegend nur immer aufweisen kann.
e) Diese merkwürdige auf Kosten der königl. privilegirten urigrischen Canal- und SchiJJJahrts-
gesellschaft angelegte Strasse erhebt sich auf einer Länge von 17 Meilen von der Küste dos
Meeres über unwegsame Alpen zu einer Höhe von beynahc 0000 W. F. , überall mit so sanf-
tem Steigen, dass die Neigung der Bahn, selbst an den steilsten Orten, in der Länge einer
Wiener Klafter höchstens 3 — 4 Zoll beträgt , mithin das Fortbringen von 40 Ctrn. mit \ ier
guten Pferden, ohne irgendwo des Vorspanns oder der Radsperre zu bedürfen, möglich macht.
y) Die neuerlich in Bniern vorgeschlagenen Eisenbahnen sollen die englischen an der mecha-
nischen Vollkommenheit 2^mal , bey einem um die Hälfte geringeren Kostenaufwande , über-
treffen. Ein Pferd kann auf denselben mehr leisten, als 22 Pferde von derselben Stärke auf
'"' der besten Chaussee. ■
e) Zwey Abhandlungen über Frachlwagen und Strassen und über die Frage : ob und in wel-
chen Fällen der ßa.u schiffbarer Canäle Eisenwegen oder gemachten Strassen vorzuziehen
sey? Von Fr. Ritter v. ^Gevstncr. Prag, i8i3. Vergl. Blünchener A. L. Z. Winternionat ,
1819. S. 26 ff.
7i) Über den Nutzen der brcitfelgigon Räder an Fracht- und anderem schweren Fuhrwerke,
milbesonderer Rücksicht auf die Einführung derselben im Königreiche jBaiVr/i und in Deutsch-
land überhaupt. Von A. Scidichlegioll u. s. w. München, 1819.8. Vergl. IMünchenerA. L. Z.
VVeinmonat, 1819. Die breiten Räder sind für das Fuhrwerk nur auf solchen Strassen \or-
iheilliaft , welche sich schon in vortrefflichem Zustande befinden, und ganz trocken und eben
sind; auf jedem gcwöhidichen , rauhen, mit Sand, neuem Schotter, Schlamm oder Schnee
bedeckten Wege hingegen verursachen sie einen grösseren Widerstand als die schmalen
Wagenräder.
i) S. Desselben allgemeines Postreisebuch und vollständiger Meilenzeiger von Europa etc. Auch
unter dem vollständigen französischen Titel: Ilineraire di; TEurope ou indicafcnr de toules
les routes de posie, des larifs des offices de poste rcspetifs et des aulres frais, qui ont rap-
port sur les dificrcntes manieres ä vovager en cette parfie du monde. Halle undBerün, 1819
gr. 8. .Vergl. H. A. L. Z. 1819 Num. 107. S. 7. ff.
k) Lber Postanslaltei) nach ihrem Finanzprincip , und über diC Herrschraaxinien der Poslrc-
S46 IV. CommcreieUe Production oder Handel. §. i35. Seefahtt.
^icn. Eine staat^konomistische Parallele, diircli Haiiptzüge aus der Postpraxi« narhcewiesen.
Halle, 1817. Vergl. Jen. A; L. Z. 1818. Num. 2o*). — üab Postweseii in Deutsciilarid , wie.,
es war, ist und seyn köiinle. Von dem Staats- und Kabinetlsrathe Klübur. Erlangen, 18x1.
8. Vergl. Gölting. g. Anz. 1811. St. 2oo. S. iggS IT.
• §. i35.
b) Zu Wasser.
aa) Seefahrt.
Ungleich wichtiger ist die Communication zu Wasser mittelst der Sclüfffalirl _,
da sie nicht nitr die entferntesten Völker verbindet, sondern auch die Zuführe und
den Tausch der Waaren erleichtert, als das geschwindeste tind wohlfeilste Transport-
mittel zur Verminderung des Preises derselben beyträgt, und daher der mächtigste -
Hebel des Handels ist. Die Schifffahrt zerfallt 1) in die Seefahrt j 2) die Fiussfahrt
und 3) die künstliche Schifffahrt oder Canalfahrt.
1) Die Seejcthrt wird natürlich mit grösseren Schiffen betrieben, als die Fluss-
fahrt. Die Grösse derselben wird nach Tonnen oder Lasten j jede von 2 Tonnen, be-
stimmt, wobey man eine Tonne, eigentlich ein Gewicht von 20 Centnern, für einen
Raum von 42 Quadratschuh annimmt. Doch rechnet man in den nordischen Meeren
nach Tonnenlasten von 60 Ctr.^ und für Schiffe, die im Kornhandel dienen , nach Rog-
genlasten von 48 Ctr. Das Kauffahrteyscliiff gehört entweder dem Kaufinanne, der
es in seinen Geschäften braucht, folglich zugleich Eigner und Befrachter ist j oder
einem oder mehreren Rliedern j ruiter denen es in Parten vertheilt ist, die es aus-
rüsten, ihm einen Schiffer vorsetzen , es von einem oder melireren Kaufleulen ])eladen
und verschicken lassen, und den aus der Vermiethung oder Fiacht entspringenden
Gewinn unter sich iheilen. So wird dann das Schiff für seinen oder seine Eigner ein
Erwerbsmittel, und für die Befrachter ein Hülfsmittel ihrer Handlung. Geht das Schiff
nur aus einem Hafen desselben Landes in den andern : so treibt es Küsten fahrt.
Nimmt es in ausländischen Häfen Ladung nach ausländischen Häfen: so treibt es F/'öcA^-
fahrt oder Cabotage.
Die Brillen erlauben die Frachinihrt keiner fremden Nation. Ihre von Olivier
Cromwel i65l errichtete, und von Carlll. 1660 bestätigte Schijffahrts-Acte , die
als die Grundlage der Grösse ihrer Seemacht und ihres Wellhandels zu betrachten ist,
untersagt bey Strafe der Conliscation allen fremden Schilfen die Einfahrt in irgend ei-
nen Hafen Grossbritanniens , die mit andern Producten oder Kaufmannswaaren be-
laden sind, als diejenigen, die Erzeugnisse des Landes sind, dein das Schiff angehört,
und erlaubt selbst in diesem Falle keinem fremden Schiffe britlische Kunst- oder
Naturproducte als Retourgülcr zurückzunehmen. Auch der Brille selbst darf sich kei-
nes im Auslande gehauten und von ihm gekauften Schiffes bedienen. Sein Schiff muss
in England gebauet, der Schiffer, der Steuermann und |- der Besatzung müssen, Bril-
len seyn. \Venn Grossbritannien durch diese kühne Institution zunächst nur den Hollän-
dern schaden, und vorzüglich nur bezwecken wollte, zu seinem natürlichen Antheile
an der Kauffahrlcy zu gelangen: so hat sie doch im Verein mil den uncrmesslichen
IV. Commercielic Production oder Handel. ^. i55. Seefahrt. 24y
Fortschrillen seiner Handlung die Wirkung hcrvorgehracht, dass in unseren Tagen
die bvittlsche Flagge sich fast der ganzen Fvaditfahrt bcmiichiigel hat. Wenigstens
ist es gewiss, dass bcy der heuligen Lage der Dinge der grösstc Tiieil des europäi-
schen Handels durch sie betrieben wird.
Im J. i6gg wurde die Last aller Seeschiffe Europa's auf" 2 Mill. Tonnen berech-
net 5 davon besass Holland goo,ooo, England 5oo,ooo, Frankreich 110,000 und die
ijbrigen Nationen den Rest. Allein gegenwärtig ist die brittische Schifffahrt so gross,
dass ihr die Schifffahrt aller übrigen europäischen seefahrenden Nationen nicht gleich
kommt. Nach Hrn. Co/ijrw/io/i/z beschäftigt jetzt der briuische Seehandcl 28,061 Schiffe,
von 3,160,293 Tonnen Gehalt, mit i84,302 Mann besetzt. Im J. 1804 liefen in gross-
britannische Häfen ein. 21^725 Schiffe, von 2,271,921 Tonnen Gehalt, bemannt mit
154,299 Individuen : imtcr obigen waren nur 48o3 fremde Schiffe , von 687,077 Ton-
nen Gehalt mil 35,926 Mann.
Frankreich halte im J. 1791 — 4000 grosse Handelsschiffe, von 500,690 Tonnen
Gehall, mil 47,000 M. besetzt j mit Einschluss der kleinei-en von i5 — 5o Tonnen,
5 — 6000 Schiffe. Im J. 1801 liefen 3484 franz. Schiffe in Frankreichs Häfen ein, und
2g"'3 liefen aus, 6006 fremde Schiffe nicht mitgerechnet.
In sämmtliche russische Häfen liefen im J. i8o5 ein 5332 Schiffe und 5o58 liefen
wieder aus j darunter /7WjrwcÄe eingelaufene 53g
ausgelaufene 578
(
darunter englische eingelaufene iSog
ausgelaufene nqo
folglich T;berschus,s der englischen Schiffe
mehr eingelaufen 770
mehr ausgelaufen 6l2
Im J. 1819 stieg die Zahl der angekommenen Schiffe auf 480g, die der abgegangenen
auf 4786.
Durch den Sund passirlen im J. 1817 — l3,lo3 Schiffe (von der Nordsee 6708,
von der Ostsee 634.5) ; im J. 1818 nur i2,588, also 5i5 weniger. Seit 1796 ist die An-
zahl der Schiffe nicht so gross gewesen, als 1817'
!,• Holländische Schiffe gingen im J. l7go — 20og durch den Sund; im J. i^gö nur
Eines j 1797 und g8 gar keines; i8l5 wieder i6og- Aus den sämmtlichcn niederländi-
schen Hafen liefen aus im J. 1816 — 3ooo , iui J- 1818 — 38oo Schiffe.
Dänemark mit Norwegen zählte im J. 1800 — 237g Handelsschiffe, von i54,iir
Last Gehalt, mil 17,72g Seeleuicn beselzt. Seit der Zeit war die Fracht] ahrt in das
miitclländische Meer etwas gesunken, und die Zahl der Schiffe halle sich vermindert;
jetzt ist beydes wieder im Steigen.
Schweden besass im J. 1814 — 1100 Handelsschiffe, von 70,000 Last Gehall,
mit g770 M. besetzt. Der Gewinn an der Frachtfahrt im miitelländischen Meere trägt
jährlich über 3oo,ooo ß-thlr. für die Schweden ein, da ihre Flagge von den 13arl)arcs-
ken respectirt wird.
Die Zahl der preussischen Schiffe, welche im J. 1814 durch den Sund fuhren.
248 IV. Commerc. Produef. od, Handel. §. i36. Flussfahrt und Canalfalirt.
belief sich auf i354; davon hatte Königsberg 4g ^ Danzig g5j Stettin 121, ganz
Pommetii 3ll Schiffe in der See, ohne dife Schiffe der kleinen Häfen zii rechnen.
In Hamburg j das einen ausgebreiteten Handel mit mehr als 20O eigenen Schiffen
treibt, sind angekommen im J. 1818 — 1760, im J. l8ig — i5g3 Schiffe; darunter
waren englische im ersteren Jahre 602 , im letzteren Jahre 66o. Abgegangen sind wie-
der im J. 1818 — i54g, im J. 181g — 1200 Schiffe.
Oesterreich hatte im J. 1818 — 528 patentirte Kauffahrteyschiffe, von 120,443 Ton-
nen Gehalt, mit 683o Seeleuten und 236q Kanonen l)esetzt; mit Einschluss der Kü-
stenschiffe und Fischerfahrzeuge 4 — 5ooo Schiffe. Acht und vierzig neue Kauffahrtey-
schiffe sind neuerlich j^atentirt. Im J. 1820 liefen in den Freyhafen zu Triest an Schif-
fen, die lange Seereisen machten, 53g ein. Bcyläulig die Hälfte dieser Schiffe, nähm-
lich 205 , führten die östcrrcicbisclie Flagge ; unter den fremden Flaggen war die
englische die zahlreichste. Zur Küstenfahrt bestimmt, langten in demselben Jahre
2877 Schiffe au, luid zu demsell>en Zwecke segelten wieder 256i Schiffe al).
Zur stärkeren Aufnahme des Sechandeis, hat man einige Seehäfen zu Frcjhäfen
erklärt, wovon den ankommenden Schiffen und Waaren entweder nichts, oder nur
sehr wenig bezahlt, und allen Nationen , olme Unterschied des Ranges nnd der Reli-
gion , zu allen Zeiten im Frieden und Kriege der Handel verstaltet wird. Solche Frey-
häfen sind bey Marseille ^ Bajonne j Genua ^ Nizza _, Livorno ^ Civita vecchia j An-
conuj Messina j Triest ^ Fiume_, Ostende j, Emden j Marstrand, Odessa und die neu
errichteten spanischen Freyhäfen bey Cadix _, Alicante , Santander und Corunna j,
um den bey dem Abbruch der HülfscjueUen aus Amerika immer mehr sinkenden
Handel zu heben.
§. i36.
bb) Flussfahrt und cc) Canalfalirt.
2) Die Natur hat [allen Ländern Europa's i^/i^5i'.y^7V/.y.ye';i verliehen; aber sie hat
eine dieser Strassen weit brauchbarer geschaffen, wie die andere. Die Schwere des
Wassers ist, wie die Breite, die Tiefe und die Geschwindigkeit des Laufes der Flüsse,
«ehr verschieden. Der kleinere, aber trübe Main trägt vcrhältnissmässig mehr als der
Rhein j dessen Wasser hell und leicht ist; jedes /l/aj«,yc/u^ sinket bey seinem Ein-
tritte in den Rliein tiefer in den Strom. Die Scheide _, obgleich ein Küslenfltiss, ist
für Kriegsschiffe brauchbar bis weit über Antwerpen, ja selbst auf dem Medwaj j, ei-
nem Nebenflusse der Themse , sieht man mit Erstaunen Fregatten und Linienschiffe.
Dagegen ist der TajOj ob er gleich unter den Strömender pyrenäischen HalLinsel
die grösste Laufijahn hat, nach Hrn. Kunz j nicht schiffbar, und die übrigen Haupt-
flüssc dieser Halbinsel sind zur Schifffahrt nicht berpiem. Vor einem heraufgehenden
oder Bergschiffe auf dem Rlieine ziehen 10 — 12 Pferde 5ooo Ctr. ; dagtigen Jiedarf die
sehr beschwerliche Fahrt den Strom hinan oder im Gogentriebe auf der Donau bey
gewöhnlicher Höhe des Wassers auf 100 Ctr. ungefähr ein Pferd, folglich ziehen die
Pferde vor einem Bergschiffe auf dem Rheine f mehr, als die Pferde im Gegentriebe
auf der reissenden Donau, Die Theiss gestattet wegen ihrer Breite und ihrer, dem
Winde in grossen Strecken zugänglichen niedrigen Ufer den Gebrauch der Segel; da-
IV. Commerc. Producl. oder Handel. §. i56. Flussfahrt und Canalfahrt. 24g
gegen kann kein Donauschiff sich der Segel bedienen , da der Wind bcy den hohen
Ufern und den hikifigen Krünmmngen dieses Stromes nicht kann aufgefangen werden,
und könnte er auch aufgefangen werden, so erlauben die Inseln und Felsen nicht,
dass man ihn benutze. — Eben so werden die Vortheile der SchifTljarkeit in bedeu-
tendem Maasse geschwächt, theüs durch Untiefen und Sandbänke, wie z. B. bey der
Weser und dem Don,, theils durch IVasserßiUe ^ wie z. B. bey dem Dneper ^ der in
einer Strecke von 60 Wersten i3 Wasserfälle hat, iiber welche die ScliifTe nur bey
hohem Wasser gehen können. — Nicht minder hat die JXatur durch die Richtung der
Flüsse viele günstige Aussichten bald eröffnet, bald vereitelt. Keiner von allen Haupt-
flüssen Spaniens geht den Norden hinauf^ der Ebro ergiesst sich in das mittelländi-
sche Meer, und von den übrigen nur der Quadalqidvir auf spanischem Boden in
den allantischen Ocean. Dagegen versendet Deutschland seine Producte auf der Do-
nau nach dem schwarzen Meere, ^\\{ Act Elbe ^ dem 7tAe/«e vmd der Weser U7yc}a. der
Nordsee, und auf der Oder nach der Ostsee, so wie K\x Frankreich und Russland
nach allen Seiten hin der Absatz der Producte durch Flüsse erleichtert wird. — Auch
d«r Umstand ist für den Handel eines Staates wichtig, ob er im Besitze der Miindim-
gen seiner Hauptflü.sse sey oder nicht. Russland beherrschet, mit Ausnahme der
Weichsel j alle seine Ströme bis zu ihrem Ausflüsse, und ist jetzt (s. §. 123.) auch Be-
herrscher des linken Donauufers an der Mündung dieses Stromes; Frankreich be-
herrschet von seinen 6 Strömen 4, Spanien von seinen 6 Hauplflüssen 2, und Preus-
seji yon seinen 5 Strömen 2, wovon einer (die Oder) ganz auf preussischem Gebiete
als schiffljarer Strom seinen Lauf hat. Dagegen beherrschet Oesterreich die Mündung
nur von Einem seiner 6 Hauptflüsse, wovon einer (die Oder) nicht einmal schiffbar auf
österreichischem Boden ist, ob er gleich auf demselben entspringt.
Mit den natürlichen Schwierigkeiten der Flussfahrt vereinigen sich auch noch
politische, welche zur Folge haben, dass die Flüsse so manchem Lande bey weitent
nicht in dem Grade zu Gute kommen, als sie billig sollten, indem man den natürli-
chen Lauf derselben zum Besten des gemeinen Verkehrs nicht uuverkümmert lässt,
sondern mit so hohen Zöllen beschwert, dass sie mit den etwaigen Auslagen zum Be-
sten der Schifffahrt in keinem Verhältnisse stehen. Kein Land litt in dieser Hinsicht
bisher in dem Maasse, als Deutschland, dessen WasserzöUe auf der Elbe j der We-
ser ^ vornehmlich aber auf dem Rheine j sowohl der Zahl, als dem Betrage der He-
bungen nach, so übertrieben waren, dass sie schon im Mittelaller von England aus
als eine „mira insania Germarior «" vorgestclll wurden aj.
Es ist daher offenbar ein vorzii Jicher Beweis der hohen Würdigung des europäi-
schen^ und besonders auch des deutschen National-Intcresscs , dass man, zur bessern
Bewirkung des Verkehrs der Völker, auf dem hohen Congresse zu Wien übereingc-
konnnen ist, nicht aUein die Schifffahrt auf den Flüssen, welche die Gebiete von meh-
reren Staaten durchströmen, frey zu erklären, sondern dass die hohen Länderbesi-
tzer sich auch , in Hinsicht des Uferbaiies und der Unterhaltimgskoslen der Schiff-
fidir' , dahin vereiniget haben, dass sowohl ein gleicher, gesclzhcher Tariff bestehe,
als auch die Ei-hebung der Gebühren, nach möglichster Verminderung der Erlie-
bimgs-Büreaus , auf eine völlig übereinstimmende Weise so geschehen solle, dass
32
200 IV. Ccmmerc. Protluct. oder Handel. § i36. Flussfilirt und CanalfaLrt.
ohne gemeinsame Übereinstimmung der uferLetlieiligten Landesfürsion niolii davon
abgewichen werden könne. Um diesen wohlihäligcn Bestimmungen der H.uiplschhiss-
acie des Wlener-Congresscs in Deutschland Genüge zu leisten, sind;, zur Regulirung
der SchiflTahrt auf der ii/Z'(? j der T feser und des Rheins^ besondere Scläfffalu-ts-
Commissioiien niedergesetzt worden. Die Eibe-Schifffahrts-Commission in Dresden
hat bei-eits im Laufe des Jahres 1821 ihre Arhpit mit dem besten Erfolge vollendet.
Den 28- Jiiny d- J- vvard daselbst die , in vielfältiger Beziehung höchst wichtige Elbe-
Schifff (ihr Is- Acte von den Bevollmächtigten der Ufer-Staaten: Oesterreich _, Preus-
seiij Sachsen j Hanov'cr_, Dänemark für Holstein und Lauenhiirg j Meckleiiburg-
Schwerin^ Anhalt-Bernburg ^ Anhalt-K'othen ^ Anhalt-Dessau und die/y-e/e Bun-
desstadt Hamburg ^ abgeschlossen und unterzeichnet, und den 12. Decembcr d. J.
ralificirt. Am 1. März 1822 trat diese denkwürdige Schifffahrts-Acte durch ein nach-
trägliches Übereinkommen wirklich in's Leben. In der Prager Zeitung Nr. 2 vom
4. Januar d. J. , ist eine skizzirte Darstelhmg der Vortheile dieser Acte, und der da-
durch bewirkten SchilTfahrts-Freyheit auf dem, für den Handel eines grossen Theils
von Deutschland so wichtigen Elbestrome enthalten, wodurch zunächst den Natur-
und Kunsterzeugnissen der östeneichischen Monarchie, und Böhmens insbesondere,
auf einer in seinem Schoossc entspringenden, für den vaterländischen Handel vorzüg-
lich bequemen, in Verbindung mit der Moldau das Land von der österreichischen bis
zur sächsischen Gränze durchströmenden Wasserstrassc ein bisher von allen Seiten
gehemmter Ausweg, sofort für das Grundeigenthum und den Gewerbfleiss, eine neue,
sehr fruchtbare Quelle zur Erhöhung seines Wohlstandes geöffnet worden ist. Alle
Blicke sind nun auf den Rhein und die Weser gerichtet.
Wegen frejer SchilTfahrt in den, zum ehemaligen Königreiche Polen ^ so wie es
im J. 1772 bestand, gehörigen Provinzen >vard im J. 1818, in Folge der Stipulationen
des Tractats vom 3- May (21. April) i8i5, ein Handelsvertrag zwischen der österrei-
chischen imd russisclten Regierung unterzeichnet ruid ratilicirt, so wie schon früher,
den 22» JMarz 181 7, eine ähnliche Übereinkunft zwischen Oesterreich und Preussen _,
hinsichtlich der polnischen Provinzen dieser Mächte^ unterzeichnet und ratificirt
wurde bj.
Auch in Italien sind Unterhandlungen über die freye SchiSTahrt auf dem Po
mit den Uferstaaten ^ welche dabey interessirt sind, im Werke.
Übrigens ist es natürlich, dass, da alle Flüsse sich in's Meer ergiessen, und ihre
Mündungen dadurch gewöhnlich weit und tief genug für Seeschiffe werden , an den
grösseren Flüssen die Flussfahrt mit der Seefahrt wechselt. Eben so natürlich sind die
auf dieser Stelle befuidhchen Seestädte von Allers her entstanden. Je länger der Lauf
des schiffbaren Flusses ist, desto grösser ist die Gegend, aus welcher die Seestadt
inländische ^V^aaren zu sich holen , und in welche sie die seewärts her zu ihr gelan-
genden Güior verthcilen kann. Noch vortheilhaficr ist es für diese, wenn die in den
Fluss, woran sie liegt, eintretende Meeresflulh demselben eine, freylich zweyraal im
Tage abwechselnde Tiefe gibt, mit welcher noch meilenweit herauf in's Land auch
grosse Seeschille bis zur Handelsstadt gelangen können. Dieses Glückes geniessen ia
Europa nur 4 Städte: London , Bordeaux j Antwerpen und Hamburg in einiger
IV. Coiiinierc. Pioducl. oder Handel. §. 137. Haudclsplül/e , Jalirnjarkle und Messen 25i
VoIlTioinmenheit. Andere, die es genossen, z. B. Bremen j Sevilhi ^ Nantes ^ Roueii„
liabon es daduicli zum Tlieil verloren , weil das Bett des Flusses durch den von oLeu
her heralidiessrnden Sand sich so sehr erhöht hat, dass die SchiH'e mehrere Meilen
untcrhall) der Handelsstadt in Vorhäfen bleiben miissen.
Wenn Fli'isse seicht sind, so können sie durch Auhiiumung des Bettes und durch
Schleusen, d.i. durch zwischen Holz oder Gemäuer angebrachte hölzerne Thiiren,
welche das Wasser stauen ^ d. i. aufhallen, schiffbar gemacht werden. Diess ist nun
zwar schon eine
3) künstliche Schijff^fahvt ; aber diese zeigt sich in weit grösserer Vollkom-
menheit, wenn man das Wasser zii Canälen benutzt, die man vermiLtclst der Fang-
schleusen mit doppelten Thüren in jeder Richtung leiten und befahren kann, und
wodurch ein schiffbarer Fluss mit dem andern, oder mit dem Meere, oder ein Theil
des Meeres mit einem andern, verbunden wird. Von den berühmtesten Anlagen der
Art war oben (s. §. 2i.) die Rede. Durch grosse und in einander greifende Canal-
Systeme aljer zeichnen sich aus: Grossbritannien j die Niederlande j Frankreich ^
OesterreicJäsch-ItalieUj Mussland und Preussen.
Die Dainp f boote j d. i. Fahrzeuge, die vermittelst der sich auf denselben befind-
lichen Dampfmaschinen auf den Flüssen und Canälen gehen , vermehren sich in Eng-
land, von Tag zu Tage. Auch in einigen Gegenden Frankreichs, Deutschlands und
Russlands kam die Dampf sclaß^ahrt in den neuesten„Zciten zur Ausführung,
a) S. GreUinann's historisch-stalistisches Handbuch von Deutschland a. a. O. S. i5q — 166
i") S. Jahrbücher des k. k. polytechnischen Institutes zu Wien B. a. S. 570 — 573.
B. In Rücksicht des W a a r e n u m s a t z e s,
g. 137.
.1) Handelsplätze, Jahrmärkte und Messen.
In verschiedenen Wohnplätzen der europäischen Länder beschäftiget sich ein
Haupttheil der Einwohner (Handelsstand) mit Verkauf und Austauschen von mannig-
falligen, aus der Nähe oder Ferne aufgesanimclten Naturproducten luid anderen Waa-
rcn ; dergleichen Orte nennet man Handelsstädte.
In manchen Handelsslädlcn konnnt zu bestinnnlen Zeiten, nnter j;owissen Privi-
legien, eine giössere Anzahl von inländischen nnd ausländischen Ivaufleulen und
Käufern, als auf den gewöhnlichen Wochen- und Jahrmärkten zusammen. Ein sol-
cher Hauptmarkt wird eine Messe genannt.
Die vorziiglichste Handelsstadt in und ausser Europa ist London an der Themse
In England. Dieser Stapelplatz des Welthandels bestreitet \ des g.nnzcn briltischen
Handels, und sieht auf ij — 14,000 Schilfen, und auf etwa 40,000 Wagen jährlich ein
bewegliches Eigcnthum von 120 Mill. Pf. St. zu- und abfuhren. Im J. l5go halten in
Londun die vier reichsten Kaulleutc nur ein Vermögen von 400 Pf- St. Das neue
Zollhaus daselbst ist 480 Fuss lang, 100 Fuss tief; das grössle Zimmer darin hat ei-
ne Länge von igo, und eine Breite von 76 Fuss. Es ist fiir 6.5o Z-üIll)eanUe luid loöo
ZoUbcdicule eingerichlcl. Ausser London sind die vornehmsten Handelsstädte inEng-
32*
252 IV. Commerc. Product. oder Handel. §. iSy. Haudcl.splatze , Jalirinärkte und Messen.
land: Leve.rpool (Liverpool) ^ Hüll iind Bristol; nächst diesen PovtsmoutJi j Ply~
moutlij Faiinontli^ Varmouthj Birmingham , Sheßleld., Manchester^ Leeds j, New-
castlcj Withehaven wwA. Bedford ; in Schottland: Edinburgh j Glasgow,, Leithy
Grenak ^ Perth ^ Dunder „ New-Aberdeen und Im'erness (llauptniaikiplaiz für die
Ijcrgschotlcn) ; in Iil.uid : Dublin (der Miilcipnnct des gesaniniten irlandischen Han-
dels), Londonderrjj TFatei-ford _, Belfast ^ Linerick und Cork (das Schlachthaus
der engliscJien Marine).
In Poitugal sind die wichtigsten Handelsstädte: Lissabon j, Oporto , Selubal
oder St. Ubes ni\A Furo. In den bcydcn ersten sind grosse englische Facloreyen. Eng-
land gewann bisher in inancheni Jalirc 5, 6 bis -j Mili. 11. und darüber bey dem Handel
mit Portugal, ohne Brasilien mit in Anscldag zu bringen.
In Spanien sind die erhcblichslcn Handelsstädte : CadiXj Malaga^ CartJiageiiaj
Alicajite j Barcelona j l'^aJencia und Corunna ; ferner Bilbao j St. Sebastian,, Se-
villa ^ Madrid j Segovia und Burgos. Cadix war bisher der grosse Stapelplatz des
amerikanischen Goldes und Silbers, so wie der europäischen Fabricatej aber kaum
der zehnte Thoil der Schiffe, die jährlich hier einliefen, waren spanische; denn Eng-
länder, Franzosen, Niederländer und Deutsche lieferten ihre für Amerika bestimmten
Waarcn an spanische Häuser in Cadix, die dann die weitere Versendung besorgten.
Auch haben fremde , vorzüglich englische und deutsche Handelshäuser hier ihre Eta-
blissements , und wohnen hier.
In Frankreich, und zwar in dessen nördlicher Hälfte, sind die bedeutendsten
Handelsstädte: Lille (Handclsstrasse nach den Niederlanden), Dünkirchen j, Hapre
de GracCj Caen^ Paris ^ Reuen j Strassburg (Handelsstrasse nach Deutschland und
dem östlichen Europa), Colniar ^ Dijon j Auxerre ^ Orleans j Brest wc^A. Nantes ^
welche letztere den grössten Antheil an dem fraiizösisch-amerikanischen Handel hat;
in Südfrankreich: Lyon (der Mittelpunct der Communication zwischen Spanien, Ita-
lien, der Schweiz und Deutschland), Bordeaux (der erste Weinhandhmgsplatz in
Eurojia), Marseille (der erste französische Handelsplatz nach der Levante, und der
nordairikanischen Küste) , Nismes oder Ninies (der liauptort für den französischen
Handel mit oiUcinellen medicinischen Püanzen und Pflanzen-Präparaten für Apothe-
ker); ferner Roch eil e j, Macoji ^ Sali/is j Montbrison j Clermont j Limoges j Angou-
le'ine , AgeUj .'erpignan (Handclsstrasse nach Spanien), Bajonne (tlandelsslrasse
nach Spanien), Toulouse ,, Cette , Grenohle , Flenne , Toulon , Grasse ^ Narbonne^
A\'ignon und Beaucaire ^ in welcher letzteren Handelsstadt die wichtigsten und am
meisten besuchten Messen in ganz Frankreich gehallen werden. Die Waaren jeder
Galtung werden hier aus allen Gegenden Frankreichs, aus Deutschland, der Schweiz,
Spanien und Italien herbeygeführt.
In Italien, und zwar in Ober-Ilalicn: Turin , Carmagnolaj ISizza _, Alessandi'ia^
Genua und Oiieglia ; ferner Mailand ^ Pavia ^ Lodi j Cremona j Brescia ^ Bergamo
(Ilauptstapelstadt für Seide und Wolle), Venedig (vor Entdeckung der Umfahrt um
die südliche Spitze Afrika's, der Hauptmarktplatz von Europa), feroruij Vlcenza ,
Bassano j Reggio mid Lucca; in Mittel-Italien: Florenz (der Mittelpunct des Land-
liandels von Toscana), Livorno (ein Hauptvereinigirngspunct der Levante mit den ita-
rV. Commerc. Prodnct. oder Handel. §. 137. Handelsplätze , Jahrmärkte und Messen. ^53
lienischen und andern, besojiders westeuropäischen Ländern, und ein Haupt])latz fiir
Straussfedernhandcl aus Algier, Tunis imd Alexandria) j Cevner ^/icona_, Sinigaglla
und Bologna; in Unler-Italien: Neapels, Salerno j Fasitano , Foggia (Hauplplatz
des neapolitanischen liandels), Manjreäonia ^ Baii_, Bavlettd ^ Gallipoli und Cosen-
zu; auf den anliegenden lasehi: Palermo (Miltelpunct der sicihanischcn llandhings-
und Gewerbsthäligkeil), Alicata (Niederlage aller Bedürfnisse fiir Malta), Messina
luid Cataida ; auf Sardinien: Cagliari (Hauplplatz des sardinischen Handels mit dem
Auslande) ; auf Malta : Valetta (Stapelplatz lur die verschiedenen Erzeugnisse und
Waaren der ])cnachhartcii Länder, auch Niederlage von englischen Golonial- und
Manufacturwaaren). Erheljliche Messen werden gehalten: zu Alessandria ^ Brescla .,
Bergamo j Sinigaglla j Salerno und Foggia.
In der Schweiz ; Basel (die vornehmste Schweizer-Handelsstadt und Hauptnie-
derlage der Einfuhr- und Ausfuhrartikel), ScliaffliauseUj St. Gallen (Haii^ythandels-
plalz der östlichen Schweiz) , Rorschach (der stärkste Kornmarkt der ganzen Schweiz,
durch die Zufuhr aus Deutschland über den Bodensee), Herisau (wo, so wie in
St. GaUen, die grössten Handelshäuser der östlichen Schweiz, und die grössten Äla-
gazine von Leinwand, Mousselin mid Baumwollenwaaren sind), Ziirichj Laceni (wich-
tiger Speditionsplatz von Zürich und Basel), Soloihurn (Hauptniederlage von Waa-
ren, welche aus einem Theile Frankreichs durch die Schweiz geführt werden), Chur
(Mittelpunct des Transitohandels zwischen Deutschland und Italien), Martinach (J^ie-
derlage der vom Genfersee über den St. Bernhard und rückwärts gehenden Waaren),
Genf und JSeufchatel.
In Deutschland: Leipzig _, Frankfurt am Main^ Braunschweig j Frankfurt au
der Oder j Naumburg und BotzeUj in wclclien Städten die wichtigsten Älesscn ge-
halten werden, die nicht bloss von Deutschen, sondern auch von Ausländern, und
manche darunter, besonders die zu Leipzig j von Fremden fast aus allen Ländern Eu-
ropa's, und selbst von Asiaten besucht werden. Besonders aber ist Leipzig j, nehm
Frankfurt a. d. Oder und Naumburg _, der Marktplatz für, aus Norden und Osten
sich einfindende Käufer, vornehmlich Russen, Polen und Griechen, so wie Botzen
hauptsächlich für Italiener, und Frankfurt am Main für Niederländer und Franzosen.
— Ausserdem sind noch von vorzüglicher Erheblichkeit, wegen ihres Speditioiis- ,
Wechsel- imd eigenen Waarenhandels : Augsburg _, Nürnberg j Wien und Prag _, so
wie Berlin j Breslau und Dresden. — Die erste aller See- und Handelsstädte in
Deutschland aber, so wie, nächst London und Amsterdam j auch die grösste in Eu-
ropa überhaupt, ist Hamburg ^ welche Staut ein Ilauptmarklplatz für gcsammte Welt-
Ilandelsgegcnständc ist, und zugleich mit zwey andern erheblichen See- und Handels-
plätzen, Lübeck inid Bremen j den Bund der ehemals berühnUen Hansa fortsetzt,
auch in Gemeinschaft dieser Städte mit verschiedenen Freyheiten noch jetzt in Eng-
land begünstiget ist. — Andere ebenfalls wichtige See- und Handelsorte Deutsch-
lands sind vornehmlich noch Triest am adriatischen Meere; Emden am Ausflusse der
Ems in den Dollart und die Nordsee; Altana bcy Hamburg an der Elbe, wnA. Slettiji^
Stralsund j Piostock imd JFismar _, sänmitlich an der Ostsee.
In der Monarchie der Niederlande und zwar in den nördlichen Provuizcn dersel-
254 ^V- Coraitierc. Product, oder Handel. §. löy IlaadelspläUe , Jahimärkte und Messen.
Len: Jmsterdam (noch im Anfange und um die Miite des achizehnieu Jahrhunderts
die erste, jetzt nach London die wichtigste Handelsstadt in Europa), Roftefdnm
(Ilauptniarkt für Flachs , Krapp und rothe Franzvveine) , Middelburg j Dortrecht
(Haiiptslapcl der grossen Rheinflösse), Lejdeti (Hauplsilz für den inlandischen ^Voll-
handel); Haarlem (vormals Hauptsitz eines famosen ßhunenhandels, und noch jetzt
Bhuuenahsatz in die entferntesten Gegenden) , Alkmaar (die grösste Käseniederlage
in ganz Holland) , JVimwegejij, Arnheim ^ Zwoli_, Grörängen u. a. m. ; in den südli-
chen Provinzen: Antwerpen (vor 200 Jahren die Königinn aller Handelsstädte in Eu-
ropa), Gentj Brüssel j Brügge^ Lattich w. a. m. Fast jede niederländische Sladl ist
ein Handelsplatz.
In Danemark: Kopenhagen (der Mittelpunct des ganzen dänischen Handels), Hel-
singöer (an der schmälsten Stelle des Sundes, der ZoUplatz ftir die zahlreichen , diu'ch
den Sund gehenden Schiffe, die hier anhalten und den Zoll hezahlen müssen , der
jährlich über 5oo,ooo Thlr. beträgt); ferner Odensee^ Njkiöping_, Aalborg j, TFi-
borg (jährliche Messe, Sclinapstag genannt), Aarhuus ^ Ringkiöping j Flensburg
imd l^üiiningen.
In Schweden ist das Geschäft der Handlung auf eine eigene Art unter die Städte
vertheilt. Zu dem Handel mit dem Auslande haben 28 Seestädte allein das Recht und
führen den Namen {der Stapelstädte. Diese betreiben den Handel mit dem Auslande
vermittelst eigener Schiffe. Die übrigen Städte, auch selbst solche , die an der See lie-
gen, hcissen Landstädte. Diese sind nur zum inländischen Handel berechtiget; sie
können inländische i^roducte, selbst in eigenen Schiffen, den Stapelstädten zuführen
imd ausländische von da abhohlen, um sie in den Provüizen zu verhandeln. Yen den
Stapclslädlen sind Stock/iolm imd Gotlieiiburg die ersten des Reichs, ruid den übri-
gen (Gefle , ISorrkoping _, Mai'strand _, Calmar _, Udewalla _, Halmstadt _, Malmöe,,
Laudskrona j, Helsinborg ^ Christiansstadt u. s. w.) im Geschäfte des Handels so
stark überlegen , dass die erstere ~ , die andere y\ des ganzen Handels in Händen
liat. — In Norwegen: Bergen (der Hauptstapelplatz für norwegische Producte und
Bedürfnisse aus der Fremde), Drontlwim (die zweyte norwegische Handelsstadt},
Christiania j Drammen j Friedrichshald und Christiansnnd.
InRiissland : St. Petersburg (die wichtigste Sechandelssladt des russischen Reichs),
Biga (nach St. Peters])nrg die vornehmste Seehandelsiadt in Russland), Bei'alj Liehaii
und ISarwa , sänmulich an der Ostsee; Arcliangel am weissen Meere (von allen Städ-
ten des Erdbodens unter dieser Breite die wichtigste Handelsstadt); Odessa (seit 1817
zugleich ein Freyhafen, für den Handel von Bessarabien und den russisch-polnischen
Provinzen imgemcin bequem), CAe/'i'o« (Stapelplatz für den Dneprhandel) j Eupatoria
(nissiscli Koslu\\), Sewastopol j Feodosia (die wichtigste Handelsstadt der Krimin,
vormals ein Markt der Sclavcn und jungen Tscherkasscrinnen), Taganrok _, sämnulich
am schwarzen und asowschen iVJeere; Astrachan am kaspischen Meere (wichtig als
Ilandclssladl mit Persien und Indien, und durch den Weg auf der Wolga auch fiir ei-
nen grossen Theil des europäischen Russlands); Ochotsk am ochotskischen Meere
(Stapelplatz des Handels mit Kamtschatka). — Unter den russischen Landstädten be-
hauptet Moskau als Handelsplatz den ersten Rang; die übrigen vorzüglicheren Land-
IV. Commerc. Prpcluct. oder Handel. §. lö;. Handclspliilze , Jalnniärkle «nd Messen. 255
liandelspläze sind: Twer j, jSischiiel-Nowgorod ^ Makarjew _, Tul(i„ Kaliiga j, Jaros-
laWj Orelj Kui'sk_, Smolensk ^ Kasans Saratow ^ Mo/ti/ew j, TidnviUj, Jfl^tlinei'
TVolotschok j Slobodsk _, Irkutzk ^ J(tkutzk_, Irbit , CatJuirinenburg ^ Ustjuli-JFelikij
Ovenbuvg und Kisljar oder Kislar. Fast jede russische Sladl hal ihre .Tahr- und ^Vo-
cheninärktc, welche letztere seihst in den russischen Dörfern, vornchndich zu Z?a'-
kowa an der Wolga und zu Pawlowa a:a. der Okka, so bedeutend sind, dass sie viele
Jahrmärkte üherlreffen. Die grösseren Städte besitzen nach dem Muster der orientali-
schen Bazars eigene Kaiißioje _, worin alle Arten von Esswaaren, Materialien und
Kunstproduclcn ausgelegt wei-dcn. Die merkwürdigsten darunter sind die zu Moskau
(vor dem Brande mit 4682 Buden), zu St. Petersburg mit 540 Gewölben, zu M^ikar-
jew mit goo, zu Irhii mit 5oo, und zu Astrachan mit io5 Buden. Die vvichiigsten
Messen werden gehalten zu Ii'bit und zu Nischnei-JSowgorod j nach welcher letzte-
ren Handelsstadt im J. 1817 auf kaiserliche Verfügung die berühmte Messe von Ma-
karjew verlegt wurde. Beyde Messen werden von Kaufleuten nicht nur aus den ent-
ferntesten Gegenden Piusslands, sondern auch aus den benachbarten Ländern be-
sucht. Auf der Messe zu Irbit im Gouvernement Perm, ward im J. 1806 ein Capital
von 6,287,000 Ruljel umgesetzt, mid der Wcrth der im J. i8i5 auf die Messe zu Ma-
karjew gebrachten Waarcn ward zu 3oo Mill. Rubeln angeschlagen; gleichwohl ward
die Messe in JSischnei-Nowgorod schon 1817 i«it loooBuden, mehr als zuvor in Ma-
karjew, eröffnet. — In Polen: JFarschau (seit 1816 eine freye Handelsstadt, mit ei-
ner grossen jährlichen Messe), Lublin (mit drey wichtigen jährlichen Messen) , Te-
respol und Kielce.
In Preussen . Dafizig (die erste Seehandelsstadt des preussischen Staates), El-
blng j Marienburg und Tliorn; ferner Königsberg j Pillaa und Meinet (mit einer
jährlichen Messe); in der Provinz Posen: Bromberg j Posen j Lissa und Ravioz.
In Galizien und der Bukowina: Brodj (frcye Handelsstadt, und Mittelpunct des
sehr bedeutenden Speditions- und Transitohandels zwischen Österreich und Russ-
land); Lemberg (nach Brody Haupthandelsplatz iii Galizien, mit wichtigen jährlichen
Messen, Contracte genannt); Podgorze (seit i8l5 freye Handelsstadt), Jaroslaw j
Krosno (Niederlage von ungrischen \Veinen) ; Czernowitz und Suczawa (Millelpimct
des Spedilionshandels zwischien der Moldau und Siebenbürgen).
Die frcye Stadt Krakau ist ein Stapelplatz von ungrischen, polnischen, gidizi-
schen und schlesischen Waaren , und treibt einen erheblichen Handel.
In Ungern: Pesth (Hauptplatz des ungrischen Handels, besonders durch die vier
ansehnlichen jährlichen Märkte) , Pressburg j Oedenburg (Hauptstapelplatz des nie-
derungrisciicn Schwernhandels nach Osterreich), Comorn j Raab j Maria-TJiercsien~
Stadt und JSeusatz ; ferner Debreczin (jährlich wichtiger Schwein- und Spcckmaikt),
Kaschau j Eperies j, Szegedin j GrosswardMn und Temeschwar; in Slavonicn : Es-
Sek; in Croatien und dem ungrischen Seeküstenlande: Jgram und Fiume (wiclitiger
Stapelplatz für den Aljsalz des ungrischen Productenreichthums) ; in Dalmatien
und den dazu gehörigen Districten : Zara j Spalato ^ Ragusa und Cattaro; in der
österreichischen Militärgi-änze : Carlstadt und Semlin (Ilauptniedcrlage von östcr-
1 eichischen und türkischen 'SV aarcn) j in Siebenbürgen ; Kronstadt (llanpihundcli-
256 IV. Commercielle Produclion oder Handel. §. i58. Maass und Gewicht.
platz von ganz Siebenbürgen, und Stapelort der zu Lande überRudschuck ankommen-
den levaniischen Waaren) ; Hermannstaclt (nächst Kronstadt die crhcbliclistc Han-
delsstadt in Siebenbürgen).
In der europäisrhen Türkey: Co«.yfrtWfmo/:»e/ (Hauplhandelsplatz für den Land-
und Seehandel der europäischen Türkey, wo sämmtUche Waaren ausgelegt werden
in den Bazars (Handelsgcwölben der Kaufleute und Fabricanten) , die einen Unge-
heuern Markt bilden j unter diesen auch ein Weibermcakt j mit Sclavinnen aus Geor-
gien, Tscherkassien , Ägypten und Habesch); ferner Jdrianopelj, Felibe oder P/ii-
lippopol j Gallipoli und Rndschuck an der Donau (Ins hierher gehen Reisende zu
Wasser imd setzen dann die Reise nach Constantinopel zu Lande f rl) ; dann WarJia
(Hauptstapelplalz des Handels der Bulgarey mit Constantinopel), Belgrad QA\\.lei^\\x\.c\.
des Handels zwischen der Türkey, Ungern und Deutschland), Salonichi (nächst Con-
stantinopel die vorzüglichste Niederlage fast von allen Handelswaaren der europäischen
Türkey , auch von deutschen und andern eurojiäischen Handelsartikeln , imterhält
Geld- und Wcchselhandel nach Wien und Smyrna) , Sseres (Hauptbaumwollenmarkf),
Janina (erhebliche Hiuidelsstadt, deren Einwohner einen ausgebreiteten Handel mit
Deutschland und Italien treiben); endlich Buhurescht ^ Jassj imd Galatz (vor dem
Aufstande der Griechen die erheblichsten Handelsstädte in der Walachey und Mol-
dau). — In der asiatischen Türkey : Ismir oder Svijrna (die reichste und wichtigste
Handelsstadt der Levante, Sammelplatz von Kaufleulen fast aus allen Weltgegenden),
Haleb oder Aleppo (Hauptniederlage von persischen , indischen imd türkischen Waa-
ren; von Bagdad und Basra kommen oft Karavanen hier an, vmd gehen von da nach
Constantinopel) ; Bursa flebhafter Kaiavanenhandel zwischen Syrien und Constantino-
pel) ; Akre (St. Jean d'Acre) Haupimarktplatz der syrischen Baumwolle), Diarbekir
(ein starker Waarenzug aus Ostindien und Persien geht hier durch), Bagdad
beträchtlicher Waarenzug aus dem persischen Meerbusen nach Constantinopel) ,
endlich Basra oder Bassora (Hauptstapelplatz aller Waaren, die aus Indien nach
Constantinopel u. s. w., und umgekehrt gehen). — In Ägypten: Kairo oder Kahira
(Miltclpuucl alles Handels zwischen der europäischen Türkey, Nordafrika, dem mit-
telländischen Meere, Arabien, Indien und Abyssinien); awsserdiGnx Alejcandria (Skan-
dcrikc), Raschid oder Rosette luid Damiat oder Damiette.
§. i38.
b) M a a s s u n d G e w 1 c h f .
Das Mittel, den Betrag der Dinge nach ihrer Grösse oder Me^ige zu bestimmen^
i^lMaass und Gewicht. Um in dieser Hinsicht jeder Bevortheilung im Handel und Wan-
del gesetzlich vorzubeugen, haben die Regierungen der europäischen Staaten, mit
Zuziehung der Mathematiker, dafür gesorget, diese für das gegenseitige Verkehr so
wesentlichen Bestimmungsmittel festzusetzen, die, wenn sie nicht vorher durch öfTcnt-
liches Ansehen der Staatsgewalt snnctionirt wären, alle Augenblicke Nachlhcil und
Schaden für den Einen oder Andern erzeugen würden. Daher unterliegen allenthalben
Maass imd Gewicht der öfTeutlichen Cimeniirungj und das grössere Zutrauen beym
IV. Commcrciellc ProJüclion- oder Handel, ^. löli. Maass uud Gewiclit. 257
Ein- nnd Austausch gcj^cnseillgcr BodüiTiiisse, ^A'c](■lles dadurcli eiziclel wird, nuis?^
den Vcrkelir der Staalsbüjger ungoniein cileicliiern. Besonders niuss dicss dann der
Fallscyn, wenn auch fiir die Gleichf'örniigjicit uud die geschickte Ablhcihmg des Maas-
«es und Gewichtes gesorget wird.
In dieser Hinsicht empfehlen sich die neuen französischen Maasse und Gewichte
durch Einfachlieit derEintheihing nach dem Decimalsjstem. Alle französische Maasse
und Gewiclite, so wie alle französische Münzen (s. §. i3g.), sind nach Zehnen gc-
tlieih undzusannnengcsetzt; auch ist ftir alle ^hiasse zur desto grösseren Beständigkeit
derselben ein gewisses Grundmaass festgesetzt. Dieses Griindmaass, als die Grundlage
des Systems, ist (\.a.s Metre j welches als die Eijihcildcs Langenmaasses angesehen wird.
Dieses Mclre ist der zehnniillionste Tlieil von dem Quadranten eines Erdmeridians,
oder der ioo,oooste Theil eines Erdgrades, deren nach der neuen Eintheiliuig 100
auf einen Quadranten gehen, anstatt der sonst üblichen go. Im rheinländischen Älaas-
se beträgt das Metre 3 Euss , 2 Zoll, 3 Linien. Die iibrigen Längenmaassc sind iheils
grösser, ihcils kleiner als das Metre; jene nehmen 10-, 100-, looofach zu, diese neh-
men ebenso ab. Jenen setzt man griechische Z-ahlwörter vor, diesen lateinische, als:
Älillimetrc = — '— j\lclre. Decametre =: 10 Metre.
Centimeirc = t-- — Ih^clometrc = 100 —
Decimetre =75 — Kilomelrc = 1000 —
Metre =1 — Myriameire = 10000 —
Das TMyriametre wird häniig als 'Wegmaass gebraucht. Es verbält sich ziu- geographi-
schen Meile wie 27 : 20 ; 20 Myrianietre machen 27 gcographisclie Meilen. — Jre ^
die Einheit beyniFIächenmaasse , enthält 100 Qnadralmetre, oder ist gleich einem Qua-
drat, dessen Seile 10 Metre beträgt; folglich ist ein Are gleich 7,o545 rheinländi-
iwihen Quadratrulhen. — Bey Körpermaassen, ziu- Ausmessung trockener und flüssiger
Dinge, ist die Einheil Aas Lilre _, d. i. ein Würfel, dessen Seite y^^ Metre (Stere ist ein
Würfel vom Metre), Das Lilre ist gleich 5oj462 Pariser Kubikzollen , um etwas grös-
ser als ein braunschweigisches Quartier. — Bey den Gewichten heisst die Einheit
Gramme j d. i. das Gewicht von einem 'Würfel Wasser, dessen Seite y§^ Metre. Die-
ses Gewicht beträgt 18,841 franz. Grains, oder 2o,83 holländische As, oder 28o,5
köllnisclie Richlpfennige. Die übrigen grösseren oder kleineren Abtheilungen des Flä-
chen- uud Körpermaasses, sowie des Gewichtes, werden auf gleiche Weise, wie
beym Längcnmaasse, durch Vorsclzung griecliischer oder lateinischer Zahlwörter be-
stinmit.
Da aber die ausschliessliche Anwendung des Decimalfusses dem Calcnl zwar sehr
günstig, nicht so aber dem täglichen Verkehr des Volkes, weil diese Einrichtung et-
was schwer zu verstehen ist: so ward im J. i8l2 den Kaiifleutcn in Frankreich ge-
staltet, neben den Decimal-Einlheilungen der Maasse und Gewichie, die sonst ge-
wöhnlichen Maasse und Gewichte zugleich zu gebrauchen. Da aber durch diese Dul-
dung im Detailhandel Missbräuchc und Betriegereyen vcraiJassl wurden : so wurden
im J. 1816 bey dem Detailhandel dieDecimal-Einlheilungcn der Maasse und Gewichte
aufgehoben, und die ausscidiessliche Anwcndiuig der sonst iildicbcn Maasse und Ge-
wichte dabey veroidnct. Der Decimulfuss wird also gegenwärtig einzig und ausschlics-
33
2'jö IV. C ^lumercicilc l'iuuuctiou jder Handel. §. i5y tield.
send J)cy allen öffenllichon Arbeiten, dem Handel im Groisen , uixj i« ■■»iloji Handcls-
und andern Verliägeu foiigebrauclit.
C . In Ansehung des G c I d u m s a l z e>
a) G e 1 d.
Die Seele des Handels ist das Geld ^ d. i. was allgemein gilt, wofiir in der Regel
beym Verkehr Alles gegeben imd cihallen wird. Dieses grosse ^Verkzeug des Handels
hat bey demsolljen zweyerley, fiir die Tauschenden nothwcndige Functionen zu ver-
richten : einmal die eines Werllunessers für die zu vertauschenden Güter oder Waa-
vcn vtnd dann die eines Ausgleichungs-Yehikels , oder einer allgemeinen Anweisung
auf alle in den Verkehr kommende Waaren aj. Der Werthmesser imd das Ausglei-
chun"S-^ ehikel können Ein vuid dasselbe seyn j aber es ist nicht schlechterdings nÖ-
ihi'f dass sie es seyen. Sie können Ein und dasselbe seyn , d. h. man kaim sicli die-
ses bcslinnnien Genussmiitels , welches zum Ausgleichungs-Vehikel angenommen ist,
bedienen, um damit auch den Tauschwerth der in den Verkehr kommenden Güter
zu messen. Aber dieses ist nicht unerlässlich nöthig. Der Werthmesser kann auch nur
ideal seyn. Man kann den Tauschwerth auch nur diuch eine willkührlichc ideale Be-
nennun« messen, und dieses ist wirldich öfters der Fall. So hat man in vielen euro-
päischen Staaten einen eingebildeten Werthmesser (Rec/iiiu/igsmünze) , der reel nicht
existirt, also auch kein Ausgleichungs- Vehikel seyn kann. Es existirt z. B. in England
kein Pfund Sterling, in Sachsen kein Reichsthaler, in Siiddeulschland kein rheini-
scher Gulden, in Spanien kein Reales de Vellon u. s. w. , und doch wird in England
der Werlh aller im Verkehr begriffenen Güter nach Pf St., in Sachsen nach Reichs-
thalern, in Süddeutschland nach Gulden, in Spanien nach Reales de Vellon u. s. w. ,
»emessen. Eine andere Bewandtniss hat es mit dem Ausgleichnugs-Vehikcl. Dieses
muss nolh'.vendig selbst ein Gut von wirklichem Werlhe seyn, da der Handel, seiner
Natur nach, nichts anders seyn kann, als der L'beigang des Bcjilzes eines Genussmit-
tels von emcm Besitzer zum andern bj.
Hier bieten sich nun die Metalle, und zwar die vorzugsweise sogenannten edlen
Metalle (Gold und Silber) wie von selbst dar, da sie in sich selbst einen gewissen
Werth als nutzbar für gewisse Zwecke haben. Eben desshalb wurden sie zum Aus-
<deichun"S-Veliikel von allen gebildeten Völkern angenommen, wodurch alle Schwie-
rigkeiten wegfielen, die bey allen andern Tausrhmilleln, wodurch man sich den
Tausch der Bedürfnisse erleichtern wollte, Slatt fanden, und der Tauschhandel fast
••änzlich verdrängt wurde. Findet er zuweilen noch dem Scheine nach Slatt, so wnd
doch der Überschlag in Gelde gemacht. Die Wilden allein, denen der Gebrauch des
Geldes unijekannl ist, kennen keinen andern Handel.
Wenn jene INIetalle in Stücken von besliminier Feinheit und Schwere , unel mit
besLimnilen Zeichen und Aufschrift (Gepräge) veraibcitet werden, welches, des all-
gemeinen Zuliauens wegen, die Regierungen der europäischen Staaten unter ihrer
Autorität und Gewfdulcistung bewerkstelligen lassen; so beissen sie Müu-en^ Zu den
IV. CunimercicUe Pioducüoii oJci- HuutJel. 5>. 139. GilJ. 259
Münzcii vom ^ev'm^stenWerthc, Scheidemü?tze?i _, deren Voihanclrnsoyn das Ver-
mögen eigentlich erst recht be'vvcglicli machte und den LcLcnsgenuss erweitert, wird
in den meisten europäischen Staaten auch Kupfer genommen cj. Die obrigkeithche
Bestinunung der Feinheit und Schwere (Korn und Schrot) der Münzen heisst dei
Müiizfuss. Er ist in den europäischen Staaten nicht oinerley, so wie die in dcuselbeit
gangbaren Münzsoi'tcn d), und das VerhäUniss zwischen Gold und Silber ej , leider!
sehr verschieden sind. Audi die Abtheilung des Geldes nach Sorten und kleinerer;
Stücken ist nicht allenthalben die zweckniässigsie zu einer leichten llcduction der ei-
nen Sorte auf die andere, oder zu einer leichten Ausgleiclumg gegenseitiger Verbind-
lichkeiten. Einen besondern Vorzug besitzt in dieser Hinsicht das neuere französische
Miinzsystem. In Frankreich ist nähmlich am 28. März iuo3 das Decimalsystem ein-
geführt worden, dem zu Folge die neueren Miinzstücke sich von einander jederzeit
um das Zehnfache luiterscheiden. Die Münzeinheit ist der Franc j welcher eine Sil-
bermünze (gleich 23| kr. CM.) ist, und sich in 100 Centimes oder 'in 10 Dncimes
theilt. Der Franc theilt sicli dann noch in halbe und viertel Francs. Die grösseren
Silbermünzen sind 2 Franken- und 5 Franken-Stücke (Thaler) ; endlich gibt es auch
■ Goldstücke zu 40, 20 und 10 Francs (do])pelte, einfache und halbe Louisd'or) ; durch-
aus im Gehalt von y'g- fem und y^ Beysatz.
ÜJjrigens ist in Europa zu allen Zeiten eine unerniesslichelMengc Geld ausgeprägt
worden; doch dürfte alles circulirende baare Geld in diesem Erdthcile schwerlich die
Summe von Öooo Mill. Gulden (nach Hrn. Hassel kaum die Summe von 2000 iMill. fl.)
erreichen, wovon die grössere Menge sich in Holland fj^ Deutschland und Frank-
reich befindet. Dagegen besitzt Grossbritannien unter allen europäischen Staaten,
Russland ausgenommen gj , verhältnissmässig die wenigste IMeiallmünze (nach eini-
gen nur 33 IMillionen hj , nach andern gar nur 24 iMiH. Pf. St. in Gold imd Silber) ;
aber nirgends ist der Umlauf lebhafter, als in diesem Slapelj)buze des Welthandels,
so lebhaft, dass bey dem grossen Credite und dem ausgebreiteten Banksvstenie , mit
Hülfe der Banknoten und Wechsel, durch gegenseitiges Ab- mid Zurechnen, Anwei-
sen und Ausgleichen der schiddigen Summen, jährlich für mehr als 5o,ooo Mill. Gul-
den Geldgeschäfte gemacht werden ij.
Von der klingende?! (metallenen, geprägten) Münze muss man das Papiergeld
unterscheiden, welches ebenfalls in sehr vielen europäischen Staaten zunr Tausch-
nüttel dienet. So ist in Österreich unter dem Nahmen der Einlösungs- und Anticipa-
tionsscheine j seit dem 1. July 1816 auch unter dem Nahmen der Banhwten ^ in lluss-
Innd unter dem Nahmen der FieicJisassiguationen j, in Schweden unter dem Nahmen
der Banko- und Feichsschrddenzcttelj in Dänemark unter dem Nahmen der Reichs-
bankzettel ^ in Preussen unter dem Nahmen der J)'eso7'Sche'7ie j in Sachsen unter dem
Naiimeu der Cas'senbillets ^ in den Niederlanden unter dem Nahmen der Sjndicats-
ßons kj j in Grossbritannien unter dem Nahmen der Banknoten und in Spanien unter
dem Nahmen der F^cttes reales — Geld repräsentirendes Papier im Umlaufe. Durch
dieses Surrogat des Metallgeldes wird der Verkehr, liesondcrs bey ausgebreitetem
Handel , ungemein erleichtert, der mittelst edler Metalle, wo nicht unmöglich ge-
maclii. doch in Ansf^hung der Versendung in gemünztem (ioJd luid Sil!>er äusserst
■ 55*
.'6o IV. ConimoroiLllo rfoduclloa oder Handel- §. iSg Geld.
oiscliwert, bedeulend koslspiolig gemacht, und mit grosser Gefahr unvcimcidhch ver-
knüpft seyu würde. Jedes Papier aLer, weh'hcs Metallgeld repräscnliren soll, kann
diess nur dann mit Erfolg bewirken, wenn die Ge\Yissheit der Reahsation existirt.
Diese Gewissheit nennt man Credit ^ der sich nur dann erzeugt, wenn das Papier
eine Gütermasse im Rücken hat, aus der jener Credit hervori^eht, und auf die er ha-
siri ist. Der Werth des Papiergeldes wird demnach? mittelbar aus dem Daseyn eines
Gutes von unmittelbarem Werthe abgeleitet , w lilircnd das Melallgekl die Garantie für
seinen Werth mit und in sich herumträgt, und in alle Hände liberhefert, worin es
ronlirt.
a) Auch kann das Geld als Lohn fronidcr Dienste und Arbeit gebraucht werden.
b) S. JNational-Okonomie. Von Jul. Gr. i>. Soden. B. II. S. 275. Vergi. Theorie des Geldes
und der Münzen von Dr. Carl Murhard. Altenburg und Leipzig. 8. Vergl. Jen. A. L. Z.
1818. JVr. 65.
c) Nur im osmanisuhen Reiche wird kein Kupfer vermünzt.
f/) S. Tafeln zur genauem Kenntniss aller wirklich geprägten Gold- und Silbermünzen älterer
und neuerer Zeit; mit Angabe 1) ihres Gewichtes nach der cöllnischen Mark roh und fein.;
2) ihres wirklichen Gehaltes; 3) ihres Werthos, in Pistolen zu 5 Thlr. , in Conventions-
oder 20 Guldenfuss und in preussischem Courant. Für Kaufleute und Münzliebhaber. Von
J. H. Gerhardt. Berlin, 1818. Vergl. Gotiing. gel. Anz. 1818. St. 164. S. i634. — J.C.NeU
lienUrechers Taschenbuch der neuesten Münz-, Maass- und Gewichtsverfassung aller Län»
der und Orter, ihrer Wechselarten, Usi , Respecttage, öfTentlichcn Banken, Messen und
anderer zur Handlung gehörigen Anstalten und Gegenstande. Von S. Ganz u. s, w. Pragj
i8i5. In diesem Werke ist der innere Werth der in den europäischen. Ländern vorkommen-
den Goldmünzen in k, k. Ducalen .\ 4f A- 1 und der Werth der Silbermünzen in Conven-
tionsfuss angegeben.
<;) Seitdem Brasilien so \ lel Gold gibt, ist dieses unter den europäischen Ländern am wohlfeilsten
in Portugal,, in dessen Münze es nur i37mal so theuer, als Silber angesetzt ist. Da Spanien
hingegen bisher so ungemein viel Silber aus seinen amerikanischen Bergwerken erhielt : so
ist das Gold in diesem Lande am theuersten , und i5^mal höher geschätzt als das Silber.
In den mittleren Staaten von Europa ist das Verhältniss des Goldes zum Silber wie 1 : 14-^
bis liij. In Asien hingegen, besonders in Ostindien und China, hat das Silber einen höhe-
ren Werth als in Europa, und das Verhältniss des Goldes zum Silber ist wie 1 ; 10. Ausser-
dem pflegt das Gold zur Rrlegszelt und bey schlechtem Wechselcourse gegen Silber im
Werthe zu steigen , well unter allen Waaren von Werth das Gold am leichtesten zu ver-
senden und zu transportiren ist.
/) Holland ist noch immer ein Centralpunct von Capltallen , die auf dem übrigen Contlnent
in dieser Masse nirgends anzutrefTen sind. Auch wird in Holland sehr viel für fremde Rech-
nung gemünzt, besonders holländische Ducaten (die bekannteste und gangbarste Münze auf
der Erde) und holländische LÖNvenlhaler , die in den Ländern an der Ostsee und In Polen
unentbehrliche Münzen , besonders für den Getreidehandel sind. Das Materiaie besorgen
cutweder die nordischen Kaufleute , die jene Münzen prägen lassen, oder die Holländer
liefern es auf Rechnung selbst. S. H. A. L. Z. i8i3. Nr. 144.
q) Zufolge der neuesten arithmetischen Übersicht dos russischen Geldwesens, von dem be-
rühmten Statistiker und Etatsrath Storch, besitzt llussland gegenwärtig 20 Mill. Rubel in
Gold und Silber und 25M1II. Rubel m Kupfer, die aber an wirklichem Werthe nur 6-^ Mill.
ausmachen. S. Osterr. Beob.- 1817. Nr. 107. S. 535. Vergl. Pollt. Journ. 1817. St. 6. S. 499-
li) S. H. A. L. Z. 1812. Nr. 201. S. i55. Gleichwohl sind von Carl's II. Regierung an bis
1811 iio,^55;56o Pf. Sl* an Gold- und Silbermünzen in Grossbritaunlen geprägt ■»vordcn ,
rv. CommercicUe Prodiiclion oder Handel. §. i40. Banken. iSi
wozu im J. 1818 neu geprägte Sovereignes und halbe Sovereignes für mehr als 2,rG2;425
Pf. St., und neu geprägte Silbermiinzcn (Kronen, halbe Kronen, S<liillinge und halbe
Schillinge) für 676,180 Pf. St. kamen. S. Österr. Beob. 1819 ]Nr. 7G. S. 370. Das Ver-
schwinden des baren Geldes aus Grossbritannien hat seinen Grund in dein Einschm 'Izen
der Goldstücke und anderer JNIünzcn , in der jährlichen haaren Ausgabe der ausser dem Rei-
che befmdlichen Engländer, die man über 2 Mill. Pf. St. berechnet, und in den grossen,
in England contrahirten fremden Anleihen, ohne jene Summen in Anschlag zu bringen ,.
die durch Handel und Kriege abfliessen.
i) S. Crome a. a. O. S. 349 — 35i.
.k) S. A. Z. 1820. Nr. a
§- l-lo.
b) B a u k e n.
Sic sind Anstalten, wodurch die Ann)cwalirung grosser Münzvorrätlin gosichort
und bare Auszalilungcn erleicliterl werden. Ihr Daseyn setzt bhdiendeii Kunsifhnss
luid ansgebreilclcn Handel voraus. Die ursprüngliche Veranlassung ihrer Eiiichtung
war die Unsicherheil der Aufbewahrung des Geldes in Privatcassen, das zu üntcrnch-
imungen nicht konnte verwendet werden. Bey sicheren Vorkehrungen zu Aufbewah-
rung von Geldvorrälhen durch Anstalten gegen Feuersgefahr und Diebstähle , die ent-
weder von Privatunternehmern, oder vom Staate selbst getroffen werden, sind jene
Anstalten überflüssig, welche einzelne Geldbesitzer zur Bewachung ihrer Gassen nö-
thig haben. Der Capitalist wird gern seinen Geldvorrath an einem Orte in Verwahrung
geben, der ihm hinlängliche Sicherheit gewährt. So entstanden die eigentliclicn De-
positen- oder ^tifbew-cihrinigs-Banken.
Mit dem Zwecke der AufbewaJirung wiu'den bald andere Vorthcile veibundcn.
Sobald einzelne Capitalisten ihre Münzvorräthe an einem sicheren Orte aufbewahren
können, wird es möglich und leicht ihunlich , dass Jeder, der eine bestinnnte Sunnne
Geldes in der Bank liegen hat, sich das bare Auszalden seiner Ausgaben crspp.ren
kann, wenn er die Summe, die er an einen andern bezahlen will, in dem Bankbuche
von seinem in der Bank liegenden Capital abschreiben lässt. Aber auch dcuijenigon,
an welchen die abgeschriebene Summe übertragen werden soll, kann die haare Em-
pfangnahme und eigene Aufbewahrung erspart werden, wenn sie ihm in dem Bank-
buche gut gescJiiieben wird. Solche Banken, bey weldien die Auszahlungen durch
blosses Ab- und Zuschreiben in dem Bankbuche geschehen, heissen Girobanken. Es
ist aber zvir Verhütung jedes Irrthums und Betrugs uncrlässlichc Bedingting, dass der
Übertrager seines Eigenthums den mit seiner Unterschrift versehenen Bankzettel, wo-
durch er seine Einwilligung zur Übertragung seines Eigenthums beurkundet, persön-
lich zur Bank bringe, oder einen Bevollmächtigten damit hinschicke, den er der
Bankdireclion selbst vorgestellt haben muss. Hat er noch keinen Bevollmächtigten die-
ser Art vorgestellt, mid wird er krank: so schickt die Bank einen ihrer beeideten
Beamten in das Haus, der dem Kranken ausser der schriftlichen aiich die mündliche
Einwilligung abnimmt. Dadurch wird der Gebrauch einer Girobank auf einen gewis-
sen Zirkel (Gir'-) von Handelsleuten beschränkt, welches auch der Grund ihrer Be-
neiuiiujg seyn mag. Die ei>sle Bank dieser Art wurde zu Fenedig im J. i582 errich-
1(52 IV. Commercielle Producliou oder KanJet. §. i4o. Banken.
let aj. In der Folge entstanden ähnliche Banken zu Amsterdam ^ Rotlerdmn j Hum-
burg , Altona j JSürnberg und Bremen.
Endlich wird das Geschäft einer Bank noch mehr erweitert, wenn sie denjeni-
gen, welche Geld hineinlegen, Zettel f Noten j SclieineJ auf die eingelegte Summe
gibt, die jedem Inhaber zahlbar bleiben. Dadurch erhalten diese Bankzettel einen Um-
lauf, wie baares Geld , und auch gleichen Werth , so lange man gewiss seyn kann ,
sie in der Bank bey der Zurückgabe haar in klingender Münze ausbezahlt zu bekom-
men. Diejenigen Personen, welche durch Einlagen zu runden und duichaus gleichen
Sununen die Bank fiuidiren, heissen Actionäre _, luid die Uikunden, welche sie zur
Bescheinigung der gemachten Einlage erhallen , heissen Bankactlen oder Actien
schlechtweg. Diese Bankactien muss man von den Bankzetleln oder Banknoten wohl
unterscheiden, so wie die Besitzer der Actien, welche die wahren Eigenthi'inier der
Bank sind , und aus den Vortheilen der Bank Interessen für ihre Actien erhallen, von
den Besitzern der Bankzettel, welche zwar Ansprüche an die Bank auf die Summe,
die sie cntlialicn, geben, alier keine Interesse tragen. Durch die freyc und leichte
Circulation der Zettel erstreckt sich der Einfluss einer solchen Bank über das ganze
Land, oft selbst über die Gränzen desselben hinaus. Banken mit dieser Einrichlung
nennet man Noten- oder Zettelbanken , wohl auch Circnlations- oder Assignations-
banken. Die erste Bank dieser Art wurde zu Genua schon im J. 1407 errichtet. Spä-
ter wurden ähnliche Einrichtungen in Schweden bj j, Grossbritannien cj ^ Preus-
sen dj j Spanien ej j Rnsslaiid fj _, Frankreich gj _, Dänemark hj und Oester-
leich ij getroffen. Manche Zettclbanken bcziclen noch andere Zwecke, z. B. sie es-
,contiren mit ihrer disponiblen Baarschaft sichere Wechsel oder andere kaufmännische
Effecte, oder benutzen ihre entbehrlichen Münzvorräthe als Ca]iilal zu verzinslichen
Dariehn gegen volle Sicherheit u. s. w. — Banken , welche zum Hauptzwecke haben ,
den Hypothekarcredil zu erleichtern, nennet man Leih.banken (Lombarden, montes
pietalis) kj.
ö) Durch die In^■as!on der französischen Armee 1797 ging die vcnel'ianisch.e^2cc^ zu Grunde.
/)) Die 1668 erirhtete Tieichsbank zu Stockholm, die zugleich eine Wechsel- und Leihhaiik
is!. Sie gibt Banknoten aus, nimmt Gelder zu niedrigen Zinsen auf, und leihet sie zu höhern,
auf sicheres Pfand, Gold und Silber, auch adelichc; Güter und andere liegende Gründe aus.
Im J. 1817 ist auch in Norwegen eine Nalionalbaiik errichtet worden.
«) Die englische Nalionalbaiik zu London, die grösste unter allen Zeltelbanken in Europa.
Sie wurde i6g4 imter Sanrtiön der Regierung von einer Gesellschaft Raufleute errichtet ,
um mit ihrem Fonds, welcher ursprünglich nur 1,200,000 Pf. St. betrug, aber nach und
nach erhöhet worden war, in Gold und Silber Handel zu treiben, Wechsel zu esconlircu,
und bis zum Belauf jener Summe ihre Noten circuliren zu lassen; solche aber zu jeder Zelt
auf Verlangen gegen baares Geld zu vertauschen. Diese letztere Function war jedoch die
Bank nicht immer im Stande zu erfüllen ; insonderheit wurde sie in dem letzten Jahrzehend
des 18. Jahrhunderts so bedrangt, Äletallzahlungen zu leisten, dass sie ihrem Verfalle nahe
>var, dem nur durch jene merk\vürdigc Parlamentsacte , die 1797 unter dem Nahmen der
Bank-lieslriclions-Bill bekannt gemacht wurde , vorgebeugt werden konnte , %vodurch die
Bank bis zum Abschluss eines aligemeinen Friedens ermächtiget wurde, ihre Zahlungen in
haarem Gelde zu sistiren, und Noten bis zu einem Pfund in Umlauf zu setzen. Die ausser-
ordentlichen Folgen di's franzosischen Revolutionskrieges, die Anhäufung der Nationalscliuld
IV. Coiumercielle Proclucliou oder Handel. §. 140. Banken. »63
durch die der Rcgii'ruiig von der Bank gomacliten Anleihen, der Einfluss, den ihre Noten
auf das IIandelsint«'resse des Landes liallen , veranlassten auch nach hergestelltem Frieden,
die Bank-Restrictions-Bill \on Jahr zu Jahr zu prolongiren, I)is sie endlich im Jahre 1819
aufgehoben wurde. Gegenwärtig ist der Zustand der Bank sehr günstig, und wird das Capi-
tal derselben auf 20 Mill. Pf. St. , nach andern gar auf nahe an 5o JVIill. Pf St. geschallt:
aber auch die Masse der von ihr in Umlauf gesetzten Banknoten ist in den letzten 2o Jahren
von i2 Mill. auf 28 Mill. Pf. St. augewachsen, und war mehrere Male 5o Mill. Pf. (S.
Andre's statistische Übersicht und Merkwürdigkeiten a. a. O. S. 2o — 22.) Ausser dieser
grossen Bank zu London belinden sich im Ijrittischen Reiche noch 4 privilegirte Banken ,
wovon 3 in Schottland und 1 in Irland ist ; ferner 7*2 Privatbanken zu Londen , 659 Land
banken in den Provinzialsliidten \on England, 72 Banken in Schotlland und 65 In Irland,
überhaupt 871 Bankanslalten.
d) Die fiöntglic/ie Bank zu Berlin seit 1765, welcher die Pro\ inzialbankcn zu Breslau , Königs-
bergs Elbing , Danzig , Slellin , Frankfurt an der Oder j Alagdeburg , Münster und Ciilln un-
tergeordnet sind. Diese Bank ist in das Haupt-Dcpositen-Disconto-romp/o/r und Lombard
eingetheilt. Sie ist ein Staatsinslitut , und hat durch die königliche Verordnung vom 3. Now
1817 eine neue Einrichtung erhalten.
e) Die St. Carlsbank zu Madrid, 1782 errichtet, 1790 in Verfall gerathen , aber seit 1795 wie-
der empor gekommen, durch die neueren Schicksale des Staates abermals gelähmt.
/) Die Reichsassignalionsbank zu St. Petersburg seit 1786; früher (1770) bloss Assignations-
und Zeltelbank ; unter ihrer Direction steht die Fabrik des halbseidenen weissen, rolhen
und blauen Papiers zu Zarskoe-Selo — mit dem bey derselben seit dem 18. Dec. 1797 er-
richteten Disconto- und Assecuranz-Comptoir ; dann die Reiclishypothekenhank zur Unterstü-
tzung des Adels seit 1797. Kaiser Alexander vereinigte dieselbe i8o2 mit der Leihbank für
den Adel und die Slädte. Ausserdem die Leihbank zu Slobodsk seit 1809. S. c. TVichmann
a. a. O. S. ißg.
g) Die Banque de France zu Paris, i8o3 errichtet, aber schon 1806 genöthigt, die Zahlung
ihrer Zettel über 3 Monathe lang auszusetzen. S. H. A. L. Z. i8i2. Nr. 23o. S. i5o. In der
Folge wurde ihr Zustand so günstig, dass sie im J. 1814 77 Mill. Fr. in Gold und Silber
in der Gasse, und nur für 24 Mill. Fr. Banknoten im Umlauf hatle. Im J. 1818 escontirtc
sie 726,888,778 Fr. mit einem Erlrage von 5,363,386 Fr.
h) Die Nationalbank zu Kopenhagen, die im J. 1818 an die Stelle der im J. i8i3 errichteten
Reichsbank trat, welche letztere wieder dazu bestimmt war, die andern Ansialten dieser
Art , welche bis dahin für verschiedene Provinzen existirt haben , zu ersetzen. Die Natio-
nalbank, welche unter Verwaltung ihrer eigenen Interessenschaft steht , und eine Oclroy
auf go Jalire hat, übernahm die sämmtlichen Acti\a und Passiva der bisherigen R.'^ichs-
l)ank , die ermächtiget war , Zettel bis zu einem Belauf von 46 Mill. Reichsbanklhaler in
Umlauf zu setzen. S. lutelligenzbl. der Leip. L. Z. i8i3. 235. S. 1874. Vergl. Polit. Jour.
i8i8. Aijg, S. 706 ff.
') Dil', prii'degirlc öslrncic/iische Xalioiialbank zu Wien seit 1816. Die Actieiieinlagen , die ur-
sprünglich auf 5o,ooo bestimmt waren (jede in 2000 fl. Einlösungsscheinen und in 200 fl.
Silber) , stiegen im Laufe des Jahres 1819 bis auf 5o,62i. Die Functionen der Bank
sind: 1) Das Zcttelwesen ; 2) das Escontogeschäft ; 3) das Depositen- und Leihgeschäft;
endlich 4) die Einlösung der- Einlösungs- und Anticipationsscheine , und , in Verbindung
damit, die Verwaltung des Tilgungsfonds, zur allmähligen Zurückführung des Geldumlau-
fes auf die Grundlage der Con\ entions-Münze. Zufolge einer, im J. 1820 gelieferten offi-
ciellen Berechnung wurden bey den sämmtlichen Verwechslungscassen der Bank (zu ff^ien,
frag, Brunn, Ofen, Leinberg , Linz, Grälz, Triest und Mailand) im Laufe des J. i8iy,
empfangen , und zwar ;
264 IV. Commerciell« Productiun oder Handel. §. i.'ii- Wechsel und Börsen.
Münze gpgon Noten 17 SiS.ßgS fl.
und Noten gegen Münze 7,3o8,7i5 —
somit vermehrten sich um 10,010,180 fl.
die Münzvorräthe der Anstalt durch das einzige Zettelwesen. Durch ihre sämmtlichen Func-
tionen aber hatte die Bank, im Laufe desselben Jahres, die so äusserst bedeutende Summe
\on 220,855274 fl 57 kr. verkehrt; folglich zur Beförderung des Geldumlaufes, so wie
zur Belebung des Handels und der Industrie sehr beygelragen. S. Vortrag des Gouverne'ürs
der privileglrten österreichischen Nalionalbank , Hrn. Joseph Grafen u. Dirlrichslein^Sr. k. k.
apostolischen Majestät wirklichen geheimen Rathes und Kämmerers , Ritter des goldenen
Vliesses u. s. w. an den löblichen Bank-Ausschuss , in seiner Versammlung vom 17. Jänner
1820. Wien. Aus der k. k. Hof- und Staats-Aerarial-Druckerey. 1820.
Ä) S. ßäsc/i's sämmthche Schriften über Banken und Münzwesen Hamburg, 1801. — E. Tli.
Hohler's historisch-politische Erläuterung über Bankanstalten überhaupt und über die östcr.-
rcichische Nalionalbank insbesondere. Wien , 1816.
S- 141-
c) Wechsel und Börsen.
Die Wechsel sind eine der wichtigsten Erfindungen nicht nur fiir die Handhmgj
sondern ancli fiir die allgemeine Bcrjuemlichkeit, vermöge deren man entweder einem
entfernten Gläubiger seine Schuld hczalden, oder von einem entfernten Schuldner
sich Zahlung verschaffen kann, ohne die Kosten und Gefahr der haaren Übersendung,
indem Gläubiger und Schiddner an dem einen Orte ihre Forderungen und Schulden^
die sie an einem andern Orte haben, gegen einander austauschen. Ein IVlenev z. B.
hat in ^ditgsburg 1000 fl. zn bezahlen, und zahlt diese einem seiner Älitbürger aus,
der in Jugsbiivg 1000 fl- zu fordern hat, gegen eine Anweisung an dieses Milbiirgers
Schiddner iji Aiigsbuig j nach welcher dieser seine schuldigen 1000 fl- nicht nach
' JVien übersenden , sondern in Augsburg dem Gläidjigcr des Erstem auszahlen soll.
Auf diesen Tausch oder Wechsel der Scludden gründet sich ohne Zweifel der Nähme.
Ein Wechsel ist demnach eine Anweisiuig auf eine gewisse Summe Geldes, welche
einer dem andern an einem Orte giljt, damit ein diitlcr einem vierten an einem andern
Orte sie auszahle.
Die Wechsel gehen einen erstaunlichen Vortheil in der Befördermig des Geldum-
laufes dadurch, dass sie iiidossirt _, d. i. mit Erhaltung ihres vollen strengen Hechtes
an iuiljeslinnnl)ar viele übergehen, und der Tausch der Schuld, aus welchem der
AVechscI ursprünglich entsteht, in einer grossen Weite lunher in derjenigen Zeit wie-
derhohlt werden kann, welche zwischen dem Tage der Ausstellung und dem Verfall-
tage verstreicht. Diess nennet man einen \Vechsel giriren lassen.
\Vegen der vielen verwickelten Fälle, die bevm Wechselhandel vorkönnnen, hat
fast jeder handelnde Staat sein U'echsclrecltL _, das darum so strenge ist, dass auf die
erste Einkhiginig eines Wechsels die Auspfuidung erkannt wird, weil das fiu- den
Wechsel enipfangene Geld die Bezahlung einer Schuld, und kein Darlchn ist. Ul)ri-
gens konnte der Gelirauch der Wechsel erst daini lebhaft und zuverläs.sig werden ,
als die zu einiger N'oilkonuuenhcit gelani^lc Einrichlung der PüstansiaU den llundols-
IV. Commerc. Product. od. Handel."-^. 141. lu hütksitlit dis tli.iiigen lutiuandcrwiikeus etc. 260
mann und Käufer eines Wechsels gewiss niacLle^ dass derselbe in einer gewissen Zeil
an den, der ihn bezahlen solle, gelangen werde aj.
In grösseren Handelsstädten hat man gewöhnlich Börsen _, d. i. gewisse Häuser.
wo die Kaufleule (meisten Tlieils gegen Mittag und Abend) zusamnienkoimiien, um
über alles, was ihr Geschäft betrifft, Unlerhandhmgen zu pflegen, und Verkehr mit
Wechseln, Geld uad Waaren zutreiben. In mehreren Handelsplätzen, z. B. Ln?i-
douj ylnisterdiuiij Rutterdam _, Antwerpen :, sind es die prächtigsten, Pallästen ähn-
lichen Gebäude.
a) Ubür dio Gescliiclite der Wechsel, den Erkenntnissgrund des Wecliselrechts , über die uu-
äcliten oder sogenannten trockenen Wechsel s. Bihc/i's nud Ebeling's Ilaiidliingsbibl. B. I.
— Biisc/r« Darstellung der Handlung. B. I Cap. 6. und die Zusätze dazu; ferner run Mar-
/e«« über den Ursprung dis Wechsolrechtes. Göltingen, 1797.
§• 142.
D. T n Rücksicht des t h ä t i g e n und nützlichen I n e i n a n d e i' \v i r k e n s der ver-
schiedenen Gewerbsclassen.
Wenn der Verkehr im Innern eines Landes immer mehr Ijelebt werden suU : so
nnrss der schädliche Egoisnms, der die verschiedenen Gewei'bsclassen von einander
trennt, beseitiget, und bey denselben ein wahrer Geiueingeist, ein thäiiges und nütz-
Hches Ineinanderwirken erwecket werden. Dieser Zweck kann durch die Vereinigung
der rechtlichsten und aufgeklärtesten Landwirthe, Fabricanten, Gewerbslcutc, Kauf-
leute und staatsw irthschafllich gebildeter Männer in Handelskammern am fiiglichsten
erreicht werden. Durch diese Vereine können nach und nach alte Vorurtheilc und
Missbräuche des Zunftgeistes, ohne plötzliche gewaltsame Zerstörungen verjährter Ge-
wohnheiten lieseitigt, alle interessanten Notizen über den Stand des Handels, der Fabri-
ken und INIanufaciuren gcsanunelt, sachverständige Ansichten iil>cr die Hindernisse,
welche ihre Enlwickelung und ihre Fortschritte hemmen, über die Mittel, ihren Flor
zu befördern , über die nützlichsten Einrichtimgen ün Handelsfaclie erlangt , imd den
verschiedenen Gewerbsclassen die Wege gebahnt werden , ihre Wünsche und Bedürf-
nisse, welche ihre Beschäftigungen betreffen, zur Kenntniss der Staatsverwaltung zu
bringen. Eine ähnliche, Ireflliehe Einrichtung besteht in Frankreich, den Niederlan-
den, in Neapel und im lombardisch-venctianisclien Königreiche aJ.
a) S. Jahrbücher des k. k. polytechnischen Institutes in Wien. B. \. S. 368.
§• 143.
IL. In Ansehung des auswärtigen Handels.
Alle die bisher erwähnten Einrichtungen und Anstalten, welche zur Belorderimg
d'.s Innern Handels getroffen sind , unterstützen zwar in gew isscr Hinsicht auch den
aics'.värtigen Handel. Indessen gibt es gewisse Hiilfsmittel , welche von den europäi-
schen Regierungen eigens zur ßefoixlerimg des auswärtigen Handels angewendet wer-
den. Hierher gehören :
1) Die Ilaiidelstractate j wodurch Nationen ;, die nicht im feindlichen Zustande
sich beiladen, oder den feindlichen Zustand enden, ihre Freiuidschaft zu Ijesicgehi
54
265 IV. Comuierc. Product. od. Haudel. §. i43. In AusehuDg des auswärtigen Handels.
beginnen. Seit dem i'trecfiter Frieden (iji5)hahon die mcislca europäischen Staats-
verträge j die Erleiciiterung des ^Verkehrs unter den Völkern dieses Erdlheils zum
Zwecke.
2) Die Cojisidate und Agentien auf fremden Handelsplätzen, d. i. die Anslcl-
liiüg solcher Personen, welche die Handelsleute und Schiffer ihrer Nation an dem Or-
te ihrer Anstellung beschützen, über dieselben die Gerichtsbarkeit ausüben,' auf die
Beobachtung der Handelsverträge wachen, und überhaupt das Interesse des Handels
•ihres Staates wahrnehmen, und darüber berichten. Russland z. B. hat an 34, Preus-
sen an 83, Fraukr-eich au f)5, und Österreich an 1 55 Handelsplätzen Consuln und
Agenten.
3) Die Unterstützung gewisser Gesellschaften ^ welche zum Bchufe des aus-
wärtigen Handels geschlossen werden. Diese sind vornehmlich von zweyerley Art:
a) Ilandlungs-Compagnien j d. i. Gesellschaften, welche sich in mehreren euro-
päischen Staaten imter obrigkeitlicher Avxtorität und Begünstigung durch eine öffent-
liche Acic, Oc^rq^ genannt, in der Absicht vereinigten, Handlungsgeschäfte von ei-
ner bcstimnUen Art und Grösse, mit dem von den Mitgliedern zusammengebrachten
Capital zu betreiben. Die Veranlassung dazu war die Ausdehmmg der Seefalu'ten der
Europäer in entfernte Gegenden, die sie nur mit grossen Schiffen und mit sehr kosty
baren Ladungen unternahmen. Die Unternehnumgen überstiegen daher die Kräfte
einzelner Kaufleute, und machten die Vereinigung mehrerer Fonds nothwendig. Be-
sonders finden solche Compagnien bey dem osti/idischen mid chiiiesisclien Handel
Statt. Sie besitzen in den entfernten Ländern theils blosse Handelslogen und Facto-
reyen j Gebäude, die ihnen zum Sitze der Comploirs und zur Niederlage ihrer ^V^aa-
ren dienen; theils aber die Herrschaft über Land und Leute, die sie sich durch Kauf
oder Krieg, oder Gründung von Colonien verschafft haben. Die älteste, mächtigste
und reichste Handelsgesellschaft in ganz Europa ist die im J. 1600 gestiftete englisch-
ostindische Comjjagnie _, welche ihre Operationen mit 72,000 Pf. St., in Acticn von
5o Pf. St. anfing, luid gegenwärtig au Territorialbesitz nicht weniger als 28 — 3o,ooo
geogr. QM. hat. Die Bevölkerung, über welche sie herrscht, ist 40 — 41 MIll. (nach
andern 60, nach noch andern gar 66 — joMill.) , von welchen sie ein jährliches Staals-
eiukommen von 17 Mill. Pf. St. bezieht. Ihre Militärmacht besteht aus i5o,ooo Mann,
wovon 118 Bataillons Infanterie und 16 Regimenter Cavallerie eingeborne Truppen
^Seapois) , und nur 3 Regimenter Artillerie Europäer sind. Ausserdem hat die Com-
pagnie in Indien ein brillantes Civil-Etablissemeut, Gouverneurs, Richter, Gesandte
an den indischen Höfen, Finanz- und andere Beamte aj. Dieses ungeheure und bey-
spiellose Ilandelsgebäude steht unter der unmittelbaren Leitung von 24 , in London
ansässigen Kaufleutcn, welche durch ein Besitzthum von 2000 Pf- St. in Actien der
Compagnie wahlfähig werden, und ihr Amt 4 Jahre verwalten. Jedes Jahr werden 6
erwählt. Das Directorium selbst steht (seit 1784) unter einer, von der Krone ernann-
ten Regierungs-Commissioti (Board of ControidJ in allen politischen und militäri-
schen Sachen. Alle Depeschen müssen vorher \on dieser gebilligt, und können von
ihr abgeändert ^^ erden; in Kriegs- und Friedenssachen handelt sie bloss fiir sich. Die
Besetzung dei hohen Stellen geschieht nicht ohne Besläiigung des Königs, die de«
IV. Commerc. ProJnct. od. HiinJcl. §.. i43. in Ansthung des auswUiiigeii Il.mdels. 267
Oberbefehlshabers hängt jjanz vou ihm ab. Auch das Recht der Entsolzung von jenen
Stellen gebührt dem Koxiige. In Indien selbst sind die übrigen Präsidentschaften der
Regierung von Calcutta untcrgeordnetj aber auch diese darf keinen Angriffskrieg oh-
ne Eilaubniss vom Hr.use anfangen. So ward das grosse Gebiet der Gompagnie aid
dem Conlincnt von Indien in lUioksichl seiner Beheri.schung unter die Regierung und
das Parlament des ^lulleilaudes gesetzt; der Handel blieb aber der Comjiagnie iibei-
lassen. Im J. 1814 ^varci ihr Freybrief durch eine Parlamenlsacte wieder auf 20 Jahre
bestätigt; doch blieb ihr nur der Allcinliandel nach imd von China j während der
Privathandel (privat trade) und die ficyc Schifffahrt nach allen. Häfen in ihren ostin-
discheu Besitzungen verstattet ward b ). Ausserdem bestehen in Grossbritannien noch
folgende Handelsgesellschaften: die .//rikanisclie ^ Sierra-Leojj.a- j Süclsee- j, Hiid-
sonsbaj-j Levantische_, Ostsee-^ Russische und Hambarger Gesellschaft. — Die übri-
gen in Europa bestehenden Ilandel.sgesellschaftcn sind, und zwar in Spanien: die
Philippinische oAct Mdnilische und die Havana-Gesellschaft; in den Niederlanden:
die (i8l5) gestiftete Handelsgesellschaft für den chinesischen Theehandel; die ehe-
mals reiche und mächtige ostindische Gompagnie ist aufgehoben, und der Handel
nach Ostindien (mit Ausnahme der Molucken und von Japan) frcy gegeben; in Däne-
mark: die königl. Asiatische Gesellschaft ; in Schweden: die Ostindische Handels-
gesellschaft; in Russland : die Russisch- Amerikanische Handelscompagnie. Sie be-
sitzt grosse Gomptoirs zu Irkutsk , Jakutsk, Ochotsk und Moskau, dann Gommissionen
in Kasan, Tonrsk und Kamtschatka. Von 1798 bis i8l8, also in 20 Jahren, führte sie
für mehr als 16 Müh Rubel Pelzwerk aus, und entrichtete allein an dem cliinesischen
Gränzorte Kiächta an 2^ INIill. Rubel für Zollgebühr; endlich in Deutschland: die
RheiniscJi-lf^estindische Compagnic zu Jiilherkld , die im J. 1821 die erste Ladung
Güter nach Port-aü-Pnnce auf St. Domingo verschiffte , und die Ausfuhre der deut-
schen Faliricate auch nach Neuspanien (Mexico) in Gang zu l)ringen sucht. Die Eng-
länder blickcu nicht irut Vergnügen auf diese Mitbewerbung der Manufaciuristen in
Deutschland.
h)Assecuranzgeselhchaftenj d. i. solche Gesellschaften, welche die Versiehe -
rmig (Assecuririxng) der Handelsleute gegen Gefahren eines zufälligen VfiUistes, be-
sonders auf ihren Seereisen , unter der Bedingung auf sich nehmen , dass ihnen ein
gewisses Procent von dem Wcrthe der versicherten Waaren jederzeit zu Guten kom-
me. Di^rglcichen Gesellschaften Ijestehen jetzt in allen europäischen Staaten, welche
einen etwas bedeutenden Sechandel treiben. Ganz besonders zeichnet sich in der Hin-
sicht Hamburg aus. Dieser kleine Freystaat zählte im J. i^go — 20 Assecuranzgesell-
sihaften, jede mit einem Capital von /^SojOOO — lj5oo,ooo Mark Banko ; ausser einer
grossen Anzahl Privat-Assccuradeiirs cj.
Die Assecuranzen haben einen giössen Einflnss auf die Handelsgeschäfte. Man-
clies derselben kann gar niciit fortgeführt werden , wenn die Assecuranzprämie zu hoch
steigt. Mancher Seeplatz muss seilte Schifffahrt in das mittelländische Meer aufgeben,
v>cnn er keinen Frieden mit den afrikanischen Raubstaaten hat, weil kein Assecura-
deur auf dessen Schiff zeichnen will. Eben dieser Umstand schlägt in Seekriegen die
Kauffahrt dei" kriegenden Nationen darnicdeij wenn sie nicht eine hinlängliche See.-
5-1 "*
268 IV- C^mmcrcielJe ProJucliou oilor Haiulcl. §. 144. Hiuileruissc des Handels.
macht hrbeii. um clurcli Coiivoyirung ihrer Sclüffe dem Versicherer Miith zu macii-cu,
noch feil er auf dieselljen zu zeichnen. Auch die Schifffahrt der neutralen Völker lei-
det sehr dadurch, so lange nicht die Regel des Seerechts: /^i'ej' Schiff ^ frey Gut _,
allgemein anerkannt wird, d. i. dass feindliches Gut in einem neutralen Schiffe nicht
gerau])Pi werden diirfe; wohl a])er neutrales Gut in einem feindlichen Schiffe, worin
es sich befindet, verfallen sey. Man nennet diese Regel des Scerechtes das Recht der
neutralen Flagge. Grosshritannien ist es insonderheit , das diesem Rechte hartnäckig
widerstrebt, und scheint ])ev jedem seiner Seekriege es zur Absicht zusetzen, den
übrigen im Frieden verlileibendcn ^ ölkern ihren Seehandel zu verleiden dj. Die Kai-
serinn Katharina 11. bewirkte wälirend des brittisch-amerikanischen Krieges im J.
1780 eine den Anmassungen Grossbritanniens entgegengesetzte bewaffnete 'Neutrali-
tät. Aber der Friede erfolgte zu schnell, als dass dieselbe zu einer dauerhaften Kraft
hätte gelangen können.
a) Im J. i8i4 bolicf sich die Zahl ihrür säninitlichcn Officiantcn auf 2oi,477i nähinlich im
Ci\"iHache i5,564; im Rriogsfache iGo,ooo , woruiUiM- 2o,ooo ILurop'aer; C)i5 in der Marine
und 25,000 Matrosen. Dieses Heer von Officianten , wovon die höheren mit orientalischer
Pracht leben, die ausserordentlichen Unlerschleife und Betriegereyen in der Administration^
und die. vielen in Indien geführten Kriege erklären den Zustand eines fortwährenden Defi-
cils , in dem sieh die Compagnie befind;'!. Dieses Deficit wird von Jahr zu Jahr durch neue
Anleihen gedeckt, und der Handel selbst grössten Theils mit geliehenem Gelde geführt. S.
Polit. Jour. 1819 Jul. S. 583.
b) Die ostindische Coinpagnitj; in der historischen Übersicht der neueren Politik und Staats-
verwaltung. B. 1. S. 225 — 235. R. 2. S. 67 — 88. — Darstellung des cnglisch-osiinilischen
und Privathandels, in Bezug auf die Mittel, die dänische Niederlassung in Ostindien Tran-
kebar in Aufnahme zu bringen, und auf eine den Hansestädten und den Araerikanerii
dahin zu eröfTiiendo Handelsfreyheit u. s. w. ; von dem Ivanmierralhe und Land^clireiber
Gloyer in Meldorf. Alloiia , 1819.
c) S. Polit. Jour. 1819. April. S. 3i2.
il) Handbuch über das p.ractische Seerecht dot Engländer und Franzosen, in Hinsicht auf da.s
von ihnen in Rriegszeiten angehaltene neutrale Eigenthuni , mit Rücksicht auf die englischen
Assccuranz-Grundsälze über diesen Gegenstand. Von Friedr. Joh. .Jacobsen u: s. w. Ham-
burg. 1. B. i8o3. 2. ß. 1804. gr. 8. Vergl. Neue AUg. D. Bibl. XCIV. B. S. 24—37. -^
Busch über das Bestreben der Volker neuerer Zeit, sich im Seehandel einander wehe zatluin.
Hamburg, 1798. 8.
§• 144-
Hindernisse des Handel».
Die vorziiglichstcn Hindernisse j, die den Fortschritten des Handels der europäi-
schen Völker entgegen stehen, sind: 1) die Beschwerlichkeit des Transportes in meh-
reren Ländern, nahmentlich in Spanien, Portugal, Sicilieu , Sardinien, Norddentsch-
land und Ungern. 2) Gewisse Provinzialverhältnisse, die in manchem Staate zwischen
dessen verschiedenen Bestandtheilcn keinen freyen Veikehr erlauben. In diesem Falle
I)clindet sic.li unter andern die österreichische Monarchie, deren weise und gerechte
Regierung l>ishcr nicht woiil einen freyen innern Verkehr zwischen den ungrischen
und den übrigen Erbländern ihres Reichs gestatten konnte, wenn nicht die grosse
Uniileichheit der Steuern und Abgaben in den besagten Provinzen zugleich andere
IV. Commerclclle Produclion oder Handel. 5. i4.i. Hindernisse des Ha»iduJs> 26c)
Modificatiöiien cilüelt. 3) Das herrschende Accisc- und Zollsystem, welches nicht
den Handelsm.'inn trifft , sondci'u den Cüiisumentcn , welcher dadurch auf eine rndi-
recte , drückende Art hestcuert, und zur C:pnlrehande gcreilzt wird , ohne dnss der
Staat durch sein angenommenes System das hinreichende Einkommen gewinnt aj.
4) Die Einführung der mancherley ^lonopolien , sie mögen nun von der Regierung
selbst, oder von Privatpersonen ausgeübt werden. 5) Das Geldwesen der einzelnen
Staaten. Fast ein jeder Staat hat seine eigenthümlichc llechnungsmiinze , dahey einen
eigenen Münzfuss und eigene Miinzsorlen l?J. Oft werden sogar Münzslückc, welche
denselben Nahnien führen , in verschiedenen Ländern, mit einem verschiedenen Ge-
halte an feinem Silber oder Gold, und also zu einem verschiedenen Piealwerlh aus-
geprägt. Besonders ist diese Verschiedenheil der INFünzen und der Grundsätze, wo-
nach dieselben verfertiget werden, in den verschiedenen (/e«^5'c/ie/i Bundesstaaten auf-
fallend. Es wird nähndich überhaupt in Deutschland in Golde nach einem vierfa-
chen cj,nnd in Sili)er nach einem sechsfachen Fusse dj gemünzt, und wenn man
diejenigen Münzuissc nnt in Anschlag bringt, welche verschiedeneu Handelspliitzen
v^u besonderen Beslimmimgen im Handel ausschliesslich eigen sind: so lässt sich die
Zahl der verschiedenen deutschen Münzfüssc in Silber auf 10 — 12 berechnen. Diese
iiedeutende Verschiedenheit im Geldwesen ist nun eine Beschwerde für den Handel,
indem sie Rechnungs-Verdriesslichkeiten und manche Verluste nach sich zieht, wel-
che zusammen sehr empfindlich seyn können. Endüch 6) die nicht minder grosse
Verschiedenheit der ?ilaasse mid Gewichte, wodurch der gegenseitige Verkehr eben-
falls sehr erschwert wird ej. Besonders ist diese Verschiedenheit in der Sc/nveiz be-
fremdend. Es gibt nähmlich in den gesaramten schweizerischen Cunlonen 1 1 verschie-
dene Fus-:maasse, 20 Arten von Flachenmaass, 60 abweichende Ellen, 87 besondere
G.-'lreidcmaasse, 81 Trinkmaasse, und 5o verschiedene Gewichte JJ.
Übrigens Ist die jetzt allgemein herrschende Klage über Stockung des Handels in
Europa eme natürliche Wirkung des Überganges vom zwanzigjährigen Kriege ztun
Frieden, der verminderte ]Nachfrage nach verschiedenen Artikeln hervorgebracht hat.
Diese Stockung ist um so emplindlicher, da der Verbrauch mehrerer Fabrik- und
Manufacturerzeugnisse im Kriege und durch den Krieg wirklich ungeheuer war, und
das Regellose, das in den meisten europäischen Jjändern die Consumtion in mehreren
Aitikeln angenommen halte, die Gowerbsinhaber auf Unternehmungen hinleitete, die
mit dem regelmässigen Gange der Dinge, den der zurückgekehrte Friede alluiählig
herbeyzufiihren strebt, durchaus unverträglich sind. Dazu kommt noch der wichtige
Umstand, dass die ^"öiker durch die langjährigen Kriege und die mancherley Anstren-
gungen, die ihnen diese nölhig machten, in dueni Wohlstände bedeutend ziuiickge-
kommen sind , dass sie also sich in ihren Verzehrangen überall einschränken müssen,
imd wirklich einschränken, und dass es erst dann wieder hesser werden kann, wenn
die Völker sich etwas erholt haben, und alles wieder mehr in sein nothwcndigcs na-
türliches Gleichgewicht g'ekouunen ist.
a) S. Jahrbücher des k. k. pol) teclinischcn Institutes in Wien. B. 1. S. 364.
b) S. GerharcCs Taschenwürterljurh der Reclinungsmünzen siinmitlicher Reiche , Länder nnd
Orte nach alphabetischer Ordnung. Leipzig, 1817. 8. — Busch über einen in Europa ein-
zuführenden allgemeinen Münzfuss ; in der HandlunsgbiLl. B. 2. St. 4. S. 5o5— 5i3.
j,^ lY. Commercielle ProJuction oder Handel. ^. l^i Hindernisse des Handels.
c) Nach dpm Duca/e;t- j Secen'nen- oder Sout^eraiad'or- , Pistolen- oder Louisd'or- und Goldgril-
denjuis. S. Grellmanns historisch-statistisches Handbuch von Deutschland u. s. w. S. 25i — 253.
<i) Nach dem Lübischen , Dänisch-Holsteinischen, Leipziger, Concentioiis- oder Zo Gulden- ,
dem Brandenburgischen oder Graumannischen und dem 24 Guldenfuss. S. Grellmann a. a. O.
S. 253 — 258.
f) S. iYeMfnirecAcr'i Taschenbuch der Münz-, Maass- und Gewichtskunde für Kaufleute, ii-.
Auflage, umgearbeitet von J. S. G. Otto. 8. Berlin, i8i5. — Verliandeling over volmaakie
Maaten en Gewigten , door J. H. i>an Swinden. II. Deelen. Amsterdam , 1802. gr. 8. Vergl.
Götling. gel. Anz. i8o3. 64. und 62. St. — Schüblers Vorschlag zueinerley Maass und Ge-
wicht durch ganz Europa, in dem Journal v. und 1'. Deutschland. 1792. St. 1. S, 55. ff.
jy S. Österr. Beob. 18x6. Nr. 228. S. i2o8.
Z w e y t e A b t li e i 1 u n g.
Die Bewohner, die Gcistescultur, die Vertlicidigungskiäftc und die Finanzen der
eiuopäisclien Staaten.
I. Bewohner der europäischen Staaten,
"Volksmenge.
IJic Volksznhl j d. i. die Summe der Gcsammtcinwohner eines Staates, ist das zwey-
^e llanptclciuont der Slaatskräfte eines Staates. Denn so wie der Flachenraiun, oder
das Land gleichsam die Unterlage eines Staates ist^ olme welche derselbe gar nicht
vorhanden seyn würde (s. i. Ahth. §. l^.)■. eben so kann man sich ein Staatsgebiet ver-
nünftiger Weise nnlicwohnt nicht denken. Das Land bedarf der INIenschen und ibrer
arbeitenden Hände, um dasjenige hervorzubringen, was die Einv,ohner gebrauchen.
Ohne Menschen ist das Staatsgebiet öde und leer, und ohne Anwendung von Men-
schenkräftcn auf die Naturkräfte ist kein Gcnuss für uns denkbar.
Vergleicht man Europa in Ansehung der Menge seiner Bewohner mit den iibri-
gen Erdlheilen : so wird es nur von ^isien an Volkszahl übertroffen ; den übrigen Erd-
iheilen hingegen ist es an Menschenmenge weit überlegen. Ganz genau kann man in-
dessen die Anzahl der in Europa lebenden Menschen nicht angeben, da Volkszählun-
gen theils nicht in allen Staaten eingeführt sind, tlieils sich hier und da, wie z. B. in
Rnsiiaiid ^ nicht auf alle Volksclassen erstrecken ; im osmanisclieu Reiche fehlt es
sogar noch an Geburts- und Sterbelisten. Die Angaben über die Anzahl der Bewoh-
ner Europa s sind daher sehr verschieden. Vor einigen Decennien schätzte man sie
auf i5o — 160 Millionen; jetzt berechnet man sie zu i83, 200 — 214 Älill. und dar-
über. Wie lässt sich nun die Anzahl aller Menschen hestimmen, welche auf der gan-
zen Erde verbreitet loben, da man sie nicht einmal von dem kleinsten, bekanntesten
und culliviricsten Erdlheile mit Genauigkeit weiss? Gleichwohl ist es geschehen; ei-
nige geben diese Zahl zu jooMill. , andere zvi gooMill., noch andere wieder anders an.
■ §. 2.
Classification der europäischen Staaten, nacli der^ Gcsichtspunctc ih-
rer Volkszahl.
Die Gcsammtzahl der Bewohner Europas von i88,3gi,774 Seelen, welche wir
hier als ein, auf die besten und neuesten Autoritäten gestütztes Datum annehmen, ist
unter die einzelnen Staaten sehr ungleich vertheilt. Diese Ungleichheit erstreckt sich
von 37,922,000, welche die grösste Seolenzahl von allen europäischen Staaten ist, hin-
ab bis 5546. Es können demnach die europäischen Staaten auch nach dem Gesichts-
puncte ihrer Volkszahl classilkirt werden.
2-2 I. Be-woliner dsr europ. Staaten. §. 3. Staaten der ersteu Rangordnung.
Den ersten Platz in dieser Bezieliiuig nehmen diejenigen Staaten ein, welche we-
nigstens lo Mill. Einwohner zählen; den zweyten diejenigen, deren Volkszahl zwar
nicht 10, jedoch wenigstens 3 MiU. heträgl^ den dritten diejenigen, deren Volksmen-
ge wenigstens i Mill. ausmacht; den vierten jene, die weniger als i Milk, aher doch
Avenigstcns 100,000 Seelen umfassen; den fiinften endUchjene, deren Volkszahl nicht
einmal loo-ooo Seelen enthält.
§. 3.
Staaten der ersten Rangordnung.
Dieser Classification zu Folge behaupten folgende Staaten die erste Rangordnung :
Einwohner.
A. Russland: s) in Enroi>a. mit 37,922,000
wovon auf Polen insbesondere 3,354,000 kommen.
b) In Asien mit 9,076,000
c) Li Amerika mit 800
zusaiimien 47,298,800 aj
ß. Frankreich: a) in Europa, in Folge der königl. Ordonnanz vom
16. Januar 1822 3o,465,291 bj
"wovon auf das Departement du ISord j als das am
• stärksten bevölkerte, 905,764, auf Corsica _, das die
geringste Bevölkerung liat, 180,348 fallen.
b) In Afrika 92,000
c) In Ostindien 5o,ooo
d) In Nordamerika 2,ooo
e) In Weslindien 123,169
f ) In Südamerika 35,5oo
zusammen 30,765,960
C. Der deutsche Bund nnx. 3o,i 63,488
An diesem mächtigen Ganzen, das in Verbindung der Stärke sei-
ner moi-alischcn Kraft, was immer fiiremcr grossen, alles über-
winden wollenden Nation, das erhabene Bild der grossen un-
überwindlichen, entgegen zu stellen vermag, wenn es Tun ei-
nem gemeinschaftlichen Interesse geleitet wird, nehmen, in
Folge der im J. 1819 beschlossenen Bundesmatrikel, insbe-
sondere Theil :
Einwohner. Einwohner.
x) Österreich . . . mit 9,482,224 cj 7) Holstein u. Lauenburg mit 36o,ooo
2) Preussen .... — 7,929,439 dj 8) Luxemburg .... — 255,628
3) Baiern — 3,56o,ooo 9) B^len — 1,000,000
4) Sachsen .... — 1,200,000 10) Chiuhessen .... — 567,868
5) Hanover .... — i,3o.5,35i n) Grossherzogih. Hessen — 6ig,5oo
6) Würlembcrg . .. — i,2y5,462 12) Sachs en-Vv eim:.r . . — 201,000
I. Bcwolincr der europ. Staateu. v>- 5. uSualen der ersten Rangordnung.
Eiuwdlincr.
Einwoliner.
mit 185,682 27) HulienzoUern-Hechingrn mit i4,5oo
— 54,400 28) llohcnzüllcrn-Sigmaiingca
— 29,706 2g) Liccluenstein .
— 80,012 3o) Waldcck ....
— 20g, 600 3i) Ilcuss , ältere Linie
— 358,000 32 — 34) Iv-cuss, jüngere I
— Jl,j6g 35) Lippe-Detmold
— 217,76g 36) Scliaumburg-Lippe
— 302,76g 37) Ilcssen-Hombnrg .
— 52,947 38) Frankfurt am Main
— 37,454 39) Lübeck ....
— 32,454 40) Bremen ....
45,117 41) ILimburg ....
53,937
35,56o
5,546
51,877
22,255
52,2o5
69,062
24,000
20,000
47,85o
40,65o
48,5oo
129,80»
Einwohner.
iS"! Sachsen-Gotha ....
14) Sachsen-Meinungen . .
15) Saclisen-Hildbiirghansen
16) Sachsen-Coburg-Saalfeld
17) Braunscliweig .
18) Mecklenburg-Schwerin
!()) Mccklcnburg-Strclilz .
20) Holstein-Oldenburg
21) Nassau
22) Anhalt-Dessau . . .
23) Anhalt-Bernburg . .
24) Anhalt-Kölhen .
25) Schwarzburg-Sondershausen
26) Schwarzburg-Piudolstadt —
D. Oesterreich mit 29,184,612
Von diesem Volksbestande der österr. Monarchie umflisst ;
a) das Land unter der Enns 1,076,746
b) das Land ob dcrEnns mit dem österr. Anlhei-
le an Salzburg . 773,5i8
c) Steyemiark gig,gi3
d) Illyrien 1,018,071
e) Tyrol mit Vils und Vorarlberg . . . • . . 717,542
f) Böhmen 3,275,866
g) Mähren mit Schlesien . l,74g,486
h) Galizien mit der Bukowina 3,76o,3ig
i) Ungern mit Croatien und Slavonien ungefähr 8,800,000 e )
k) Siebenbürgen gegen 1,664,800
1) Lombardey-Venedig 4,182,082
m) Dalmaticn mit Ragusa und Cattaro .... 3o5,67i
n) Die Militärgränze g4o,5g8
E. Das brlttische Reich: a) in Europa mit 18,078,694 fj
Von dieser Volksmasse enthält:
1) England mit Wales und den dazu gehörigen
Inseln lo,173,93o
2) Schottland 1,804,864
3) Irland .......
4) Malta mit Gozzo und Comino
5) Gil)ialtar
8) Helgoland ,
6,000,000 gj
g3,ooo
5,000
2,200
Fürtrag 18,078,69:!
55
274 I. Sevrohner der europ. Staaten, f 5. ßtaalen der ersten RaDgürdnuLt:.
Einwohner.
Übertrag 18^078,694
h) In Afrika 208,800
c) In Ostindien, und zwar:
aa) in den Besitzungen der Krone . . . 809,000
hin) in den Besitzungen der ostindisclien
Coni])agnie über 40,000,000 hj
d) In Nordamerika 546,000
e) In Wesündien 757,100
f) In Südamerika 205,000
■§) In Australien 26,000
zusammen 60,679,094
F. Preiissen mit 10,588,107 ij
Davon werden gerechnet:
1) auf den östlichen Theil des Staates .... 7,554,71g
2) auf den westhchen 2,g8i,852
3) auf Neufchatel 5l,586
G. SjHinien: a) in Europa niit lo,5oo,ooo A^
h) in Afrika — 191,000
c) in Asien _ i,733,ooo
d) in Nordamerika — 8,760,000
c) in Wesiiudien . . . . — l,l3l,ooo
f) in Südamerika ." . . — 5,73q,ooo
zusammen 28,044,000
a) Andere schlagen die gesammte russische Volkszahl jetzt auf 48 — 5o Mill. Menschen an,
S. Polit. Journ. 1817. Sept. S. 796. ff. — Nach GalleUi enthält das- ouropäische Russland al-
lein 45,611,700, nach andern gar 45 Mill. Seel&n. S. H. A. L. Z. 1819. Nr. 58. S. 469.
Diese Angaben scheinen jedoch viel zu gross zu sevn, da nach Hrn. Crome'« A'^erhältniss-
Rarte von Europa die Volkszahl des europäischen Russlaiids im J. 1818 54,5oo,ooo Men-
schen betrug, ob es gleich gewiss ist, dass es kein Reich in Europa gibt, in welchem die
Vermehrung der Einwohner so grosso Fortschritte macht, wie in dem russischen. Erstens
sind die meisten russischen Pro\inzen noch sehr volksleer; dabey gleichwohl grossen Thcils,
und nahmentlich in dem mittleren und südlichen Landstriche sehr fruchtbar. Beym Zusam-
mentreffen solcher Umstände nimmt die Volksmenge ungleich schneller zu , als diess in
\olkreichcn Ländern möglich ist. Dann hat die russische Nation, ■wie alle sla^ischen Völ-
ker , eine sehr starke Fortpflanzungskraft , die in Verbindung mit der geringen Sterblichkeit,
einen jährlichen Zuwachs von 4 — 5oo,ooo Seelen zur Folge hat. In fünf Jahren, von 1801
bis 1806, halte sich das russische Menschencapital durch den Überschuss der Geburten in
sich selbst um 2,665,877 vermehrt, und bey einer gleichen Progression dürfte sich dasselbe
in weniger als 70 Jahren verdoppelt haben.
b) In seiner glänzendsten Periode , \ om Ende des J. 1810 — i8i2 , zählte Frankreich j ohne
seine Colonien , 42 — 40 Mill. Menschen: im J. 1789 etwa 20 Mill. Ungeachtet des er-
staunlichen 3Ienschenverlusles während der Revolution und bey den äusserst menschenfres-
I. Bcwülinor der europ. J>l;uiteu. ^. 3. Slü-^teo tler ersten Raugorüiiung. 275
senilen Kriegen, uiiil Irolz der Veriingeruiigon di's Staates durch die Pariser Friiulonssclilussc
1814 und i8i5, geben doch die Franzosen dessen Volkszahl jetzt zu 3o Mill. imd darüber an.
c) Es gehört deninach fast -j der gesammtcn Volksmenge der österreicliischcn Monarchie zum
deutschen Bunde.
d) Es gehöi;cn demnach mehr als -^ der gesammten Volkszahl der prcussischcn Monarchie
zum deutschen Bunde.
e) Nach c. Csaploi'ics Angabe 8,749>8i2.
/) Öffentliche Biälter erw.ilmen einer im J. 1821 vorgenommenen Zählung, nach welcher die
Volksmenge Q(ossbritanniens 14 Mill. , die von Irland 6,5oo,ooo Seelen beträgt, von wel-
che» letzteren Summe beynahe fiinfthalb Mill. auf die Katholiken kommen , während die
Protestanten nicht zwey Mill. betragen. Die Bevölkerung im brittischcn Reiche hat sich in
den letzten zwanzig Jähren mehr" als in hundert Jaliren zuvor vermehrt.
g) Diese Angabe weicht \on den bisherigen Berechnungen ab , nach welchen Irlands Volks.-
zahl nur 454oo,ooo — '4,600,000 Seelen betragen soll; allein nach einer im J. 1814 von dep
Regierung in Irland a,ngfordneten. Volkszählung ergibt sich, dass diese Insel weit mehr, als
man bisher glaubte , Ein\vohnor hat. Manche Örter winimelri so sehr von Leuten, dass
Ein Einwohner auf einen Acre gerechnet werjden kann. Diese starke Volksvermehrung
schreibt Hr. Curwen der Vorliebe des irischen Volks zu den Kartoffeln zu, und ist des Da-
Rirlialtens , dass häufige und wohlfeile Lebensmittel keine so grosse Wohlthat sind, als \ie-
Ic sich cifibildcn , weil sie allen Sporn zur Anstrengung wegnehmen ; er meint, Handel und
Manufacturen dürften vielleicht den grossen Anwachs der Volksmenge in Irland hemmen ,
weil sie künstliche Bedürfnisse herbeyfiihren würden. S. Erganzungsbl. z. J. A. L. Z. 1818.
Nr. 56, S. 60. ■
K) Auch hiijr herrschet die grössle Verschiedenheit. Colquhoun schätzt alle dem briltischen
Zepter entweder unmittelbar 'oder mittelbar unterworfene Ein^vohner in Ostindien auf
40 Mill. ; Lord Casllereagh gab sie vor einigen Jähren in einer Rede im Parlament zu 60
IMill. an. S. GcJtting. gel. Anz. 1816. S. igo8. f. Zjmnie?-ma?m schlug sie noch früher, lange
\0T den neuen Erwerbungen d«r ostindischen Compagnie, nach le Goiix de Flaix, gar zu
66 — 70 Mill. an. S. H. A.. I>.. Z. i8ji. Nfr, 2o2. $. 66g. Wer kann aber mit einiger Zuver-
lässigkeit behaupten, diese oder Jene Angabe sey in der Wahrheit gegründet!'
(') Nach Gallelti 10,976,2.52.
k) Wie erstaunlich wenig, ruft r. Schlözer in seiner Theorie der Statistik S. 86 aus, für das
paradiesische Land! Ini römischen Zeitalter zählte Spanien 2o Mill. Einwohner; zu Ende
des 14. Jahrh; 16 Mill. ; zu Ende des i5. Jahrh. 14— i5 Mill. ; beym Tode Carl's II. 1700
nur 8 Mill., \velche Zahl durch den spanischen Succcssionskrieg auf6Mill. herabgeschmol-
zen war. S. Neue Leipz. L. Z. 1810. St. 28. Vergl. Crome a. a. O. S. 764. Das Ilaupihin-
derniss des stärkeren Anwachses der Volksmenge war das (nun abgeschaffte) h. 0.(llciuni ,
indem es eine unzählige Menge von Familien nöthigte, das Reich zu verlassen, die Ver-
treibung der Juden und Mauren beförderte, in drey Jahrhunderten mehr als 5o,ooo Men-
schen theils in Person, theils im Bildniss verbrennen Hess, über 2go,ooo zur Einsperrung
verurtheilte , und die Fortschritte der Wissenschaften und Künste, der Industrie und des
Handels zurückhielt. Hierzu der auf ungefähr 1 Mill. Menschen steigende Verlust, den Spa-
nien im J. 1804 durch Hungersnoth , Erdbeben und das gelbe Fieber (das auch neuerlich
(1821) schreckliche Verheerungm anrichtete) erlitt; der von i8o8 — i8i3 wülhende Krieg,
die gegenwärtige Re\olulion — werden nun wohl noch (wenn auch i'. Bourgoi/ig den Volks-
bestand dieses Reichs für das Jahr 1788 auf 11 Mill. , und IXehfues denselben für das Jahr
1808 auf 12 Mill. schätzte) io,5oo,ooo Seelen, wie wir oben Spaniens Volksmenge angege-
ben , vorhanden seyn ?
276 i- Bewohner der europ. Stdaleii, J. 4. StaaUu der zweyteu haogordnuiig,
§• 4.
Staaten der zwcyten Rangordnung.
£iuwo!aier.
A. Das osmanische Reich: a) in Europa mit etwa ....;. 8-000,000 nj
h) in Asien . ii,ogo,ooo b)
c) iu Afrika 3,5oo,ooo cj
zusammen 22,690,000
B. Bcyde SiciUen mit •...,.... 6, ■'66,000
Von diesem VolksLcslande rechnet man auf Neapel 4,081,000
auf SiciUen i,785;ooo
C Die Niederlande : a) in Europa mit . . . . . . ,. , . , , 5,266,000
Davon leben iu Holland ......... 2,01 7, iq5
in Belgien 3,249,841
wovon auf Luxemburg insbesondere 205,628 kommen.
b) In Afrika mit 10,000
c) In Asien 2,957,336
d) In Südamerika 3lo,ooo
c) In ^Vestindien 400,000
zusammen 8,583,336
D. Sardinien mit 3,974,476
An dieser YolkszaLl nehmen insbesondere Theil die Contiuen-
lalslaaten mit 3,454,476
die Insel Sardinien mit 52o,ooo
E. Portugal: a) in Europa mit 3,683,000
Davon kommen auf Portugal an sich 3,535,385
.(iif Algarvien 127,6l5
b) In Afrika mit ......' 467,400
c) In Asien mit , 108,800
d) In Südanrerika mit 3,ooo,ooo dj
zusammen 7,249,200
F. Baiern mit 3,56o,ooü
G. Der schwedische Staat: a) in Europa mit 3,44o,ooo
Davon rechnet man
auf Schweden an sich 2,5oo,ooo
auf Norwegen 940,000
b) in Weslindien 8,000
zusammen 3,448,000
a) Nach andern 9,7,6 Mill. Hr. Lindiier nimnU, als t'is Maximum der Volkszahl der euro-
päischen Türkey, gar nur 5,3go,900 Menschen an. Dagegen wird nach dem Verfassser der
Schrift: ,,Considerations sur la guerre entre ies Grecs el les Turcs jiar un Grec; ä Paris
1821 ," die Bevölkerung des osmanischen Reichs in Europa auf i2 MiU. geschätzt. Gewiss
i. Bewohner der europ. Staaleu. ^. 5. 6. Staaten der dritten — fünftcu Raligordiiung. S'ji
ist, dass das osmanisrhe Reich in allen seinen Getjenden in Ansehung seiner Grösse, sei-
nes milden Klima und seines fruchtbaren Bodens arm an Menschen ist, und dass es damit
immer schlimmer wird, woran hauptsächlich Schuld sind: Unsicherheit des Lebens und des
Vermögens, Vielweiberey , Castralion , Pest und gänzlicher Mangel an Sanifals- und IMedi-
cinalanstalten; hierzu der im J. 1821 ausgebrochcne Aufstand der Griechen , duich den
bereits mehrere osmanische Pro\inzen verheere!, und ent\ ölkert wurden
6) Nach andern 24 Mill. , g'jwlss zu viel.
c) Nach andern 2 — 5 Mill.
<0 Nach Galletli 4 MdL
.§. 5.
Staaten der dritten Rangordnung.
fiinwi'lincr.
A. Der Kirchenstaat mit 2,425,800
J3. Der dänische Staat: a) in Europa mit 1,746,950
Davon leben 1) in Dänemark an sich .... i,o53,45o
2) in Schleswig 279,000
3) in Holstein und Lauenbiirg . . 36o.ooo
4) auf Island 49^000
5) auf den Fiiroer-Insehi .... 5,5oo
h) hl Afrika • . . • 3,ooo
c) In Asien 5o,ooo
d) In Nordamerika 6,000
e) In Westindien 43, 000
„5. zusaumicn 1,848,900
C Die Schweiz mit 1,745,750
Davon komni-ii auf Bern als den grössten Canton . 297,600
auf Genf als den kleinsten . . . 44,000
I). Toscana mit 1, 264^000
Ausserdem geboren in diese Riduik noch vier deutsche Bundesstaaten:
E. Hanover; F. Wiirtemberg ; G. Sachsen und ü. Baden j, von denen, in Anse-
liung der Volksmenge (s. §. 3- C.) Hanover und Wiirtemberg vor Toscana ihren
IMntz einnehmen, Sachsen und Baden aber nach Toscana zu stehen konmica.
§•6.
Staaten der ^■ i e r I e n und fünften Rangordnung.
Die Staaten der vierten Ptangordimng sind : Einwohner.
\. Parma mit 583,ooo
B. Modena mit . . . ^ 370,000
Davon kommen auf Massa und Carrara 57,5oo
C. Die jonischen Inseln mit 187,000
D. Lucca • i57,5oo
Ausserdem gehör« ri in diese Classe noch g deutsche Bundesstaaten :
E. Churhessen; F. Grossherzogthum Hessen; G. Mecklenburg - Schiverin ;
ti. Nassau; I. Holstein- Oldenburg; K. Braunsclweig ; L. Sachsen - /Weimar;
2-8 1. Bewohner der europ. Staate^. §. 7. BevolkeroDg.
M. Sachsen- Gotha und N. Hamburgs von denen, in Ansehung der Volkszahl (s.
§. 3- C.) Chnilicsscn und Grossherzoijtluun Hessen vor Parma und Modcna^ Mecklcu-
Lurg-ScLwerin , Nassau j Holstein- Oldenburg, Braunschweig und Sachsen - Weimar
nach Parma und Modcna zu stehen kommen, Sachsen-Gotha aber nach den jonischen
Inseln, und Hamburg nach Lucca seine Stelle einnimmt.
Zu den Staaten der fünften Rangordnung rechnet man: Einwolmrr,
A. Kraknu mit 64,000
B. Siin ISluruiQ mit 7,000
Ausserdem gehören in diese Classe noch 2.5 deutsche ßimdesstaaten (s. §. 3. C.) ,
von denen 3 {Sachsen-Coburg-Saalfeldj Mecklenburg-Strelitz und Lippe-Detmold)
in Ansehung ihrer Volkszahl vor Krakau, ig {Sachsen-Meinungen _, Sc/uvarzburg-
Eudolstadt j, Anhalt-Dessau _, Waldeck ^ Bremen ^ Frankfurt a. M. ^ Schwarzburg-
Sondershausen _, Lübeck _, Anhalt-Bernburg j Hohenzollern-Sigmaringen ^ Anhidt-
Kotlien j Stchsen- Hihlhuighausen j ScliauTnburg- Lippe j, Reuss- Greiz „ Hessen-
llonliurg , Reuss-Schleiz ^ Hohenzollern-Hechingen j Lobenstein-Lobenstein und
Lubenslein-EbersdorfJ nach demselben Gesichtspuncte, nach Krakau, jedoch vor>
Sau ^lariuo zu stehen kommen, einer aber (nahnicnllich das Fürsteulhuui Liechten-
stein) nach San Marino seinen Platz einnimmt aj.
a) Aber der Fürst von LiechtenstFin besitzt an Tnittelbarnn Fürstcntbiimern und Hi^rrscbafton
in der österreichischen Monarchie ein Gebiet, welches manchen bedeutenden Staat aufwie-
gen dürfte. Es enthiilt 104 QM. , und zahh 24 Städte, 2 Vorstädte, 35 Marktflecken, 766
Dörfer, 29 Herrschaften, 46 Schlösser, 11 Klöster und 164 fürstliche Meiereyen mit
3245O00 Einwohnern.
Bevölkerung.
In Rücksicht der Bevölkerung j oder des Veihältnisses der Volksmenge zu dem
Flächeninhalte, weiihen zwar die einzelnen Staaten luisers Erdlhoils ausserordentlich
von einander al) , so, dass manche von den kleineren Staaten iiljer 6000 auf einer Qua-
dratmeile zählen aJ , Avährend andere grössere es kaum auf 2000 bringen, und in einigen
Staaten, wozu gerade die beyden grössten Reiche unsers Erdtheils (Russland und Schwe-
den mit i^orv/e gen) gehören, die Bevölkerung gar bis lief unter 1000 fällt. Die Bevölke-
rung in den einzelnen europäischen Staaten stehet demnach zu dem Flächeninhalte
derselben im lungekehrtcn Verhältnisse, d.h. je grösser die Bevölkerung, desto klei-
ner ist der von ihr besetzte Raum. Daher zähh ein kleineres Gebiet bcy dichterer Be-
völkerung eben so viel, oder wohl noch mehr Bewohner, als ein Gebiet von grösse-
rer Ausdehnung. Die Grösse des Staatsgebiets an sich ist folglich keineswegs die allei-
nige Ursache von dem Grade der BevöLkerimg eines Staates. Im Gegentheile deutet
inmier der grössere oder geringere Bevölkerungsstand eines Staates auf gewisse Vor-
züge oder Mängel des Klima's, des Bodens und der Cultur desselben, so wie der Ver-
fassung und Verwallmii^ hin 5 fast immer ist die Zu- oder Abnahme desselben das si-
chere Merkmahl des zu- oder abneluncnden VVohlstandes im Staate.
Einen Staat indessen in den andern gerccluuH, und den Absland der volksleere-
ren Thcile durch die Fidie der andern ausgeglichcu : so kommen glciclrwohl im Gau-
I Bewolmei der europ. Slnaten. §. 7. Bevölkerung. 2;5
zcn auf eine Qiiadratmeile übei- i2i5 ^Jensohen , niilliin crscliciiH Europa auf «'iiicr
Bevölkoriinj^sstiifc, wo es von keinem andern Eidlheile übcrliolTon \\iid. Oliylciih
aber Europa vcrhälinissmässig der l)evölkerlste unter allen Erdllieilcn ist: so kann
man doch nicht sagen, dass es absolut zu viel Menschen zähle; man kann, mit Aus-
nahme einiger gebirgigen Landslrecken , z. B. des ThüiingerwaUles bjj des Sc/ns'ai'z-
waldes j der Schweiz cj u. s. w. , von keinem einzigen euro])'aischen Lande behaup-
ten, dass CS bereits auf die grösstmögliche Stufe der Bevölkerung gebracht worden
sey. Doch lehrt auch die Erfahrung, dass eine iuuner steigende Bevölkerung d^n
.Staat nicht geradezu beglücke. Es kommt nicht darauf an, dass viele, wenn gl.'ich
elende, menschliche Wesen vorhanden sind, sondern Menschen, denen im Durch-
schnitt leidlich wohl ist, welche die notliwendigslen Bedürfnisse nicht zu kümmerlich
befriedigen können. Nur eine durch die Masse der Nahrungs- und Fcuerungsmiltcl
bedingte Bevölkerung ist wünschenswerth , wenn nicht sonst Milliünen Hungers ster-
ben, und Arnuuh und Elend sich einfinden sollen. Es gibt eine Grunze für die Her-
vorbringungs- Fähigkeit eines Landstrichs , und folglich auch der auf dcmscllien
gewonnenen Erzeugnisse; es gibt demnach auch nothwendig eine Gränze der Bevöl-
kerung dj , obgleich wir eben nicht im Stande sind^ dieselbe genau, wenigstens nicht
allgemein , in Zahlen auzugeberu
Einw. auf 1 QM.
a) Genf z. B. hat 8800
Lucca 6870 — —
An diese schliesseii sich zu-
nächst an :
Die Niederlande mit 45^4 — — ■
Die ionischen Inseln ... — 4o65 — —
Dann folgen :
Modcna — 3go4 — —
Parma — 36i3 — —
Jf^ürleniberg
Sachsen
— 3576 — —
— 3529
— 35oo — —
— 5597
— 3576 — —
San Marino
Der Kirchenstaat . .
Sachsen-Golha ....
Kraiuiu — 3368
— 3326
— 53 10
— 5ll2
Beyde Sicilien
Das britlisc/ie Reich . . .
Sardinien
Der deutsche Bund im en
geren Sinne
Sachsen-fVeimar
Frankreich
Nassau
Toscana — 2967
Grossherzogthum Hessen. — 2896 —
Charhcsseii — 2835 —
— 0040 — —
— 3ooo — —
_ 2968
29G8
Eiaw. auf 1 QM.
Der deutsche Band im M-'eileren
Sinne mit 2664 -
Baiern — 253o ""i
Österreich ^ . . . — 2420 — —
Preussen — 2 1 0:1 — —
Die Schweiz — 2004 — — ■
Wenigrr als 2ooo Seelen
auf 1 QM. zahlen folg'::nde
Staaten :
Hanover
Portugal
Holstein-Oldenburg ....
Mecklenburg-Schwerin . .
Dänemark an sich
Spanien
Eine goringereBevöIkerung
als von 1000 Seelen auf 1
QM. haben folgende Staaten :
Die europäische Ti'uker — 867 — — ■
Das europüisclie Puissland ... — Öog — —
Das asiatische "Russland .... — 34 — — •
Das russische Reich in Euro-
pa und Asien — i36 — —
Der dänische Staat — 702 — —
Der schwedische Staat — 2i2 — —
Schweden an sich — 2^3 — —
Norwegen — i34 — —
— 1908 — —
— 19 .4
— 1814
— 1598
— i542
— 1243 — —
23o I- Bewohucr der europ. Staaten. §. ß. Mittel zur Erforschung der V-jIksmenge.
Di?sc Verschiedenheiten werden noch auffallender, wenn man Bestandtheilc der einzel-
nen Staaten oder Gegenden, welche nicht gerade vollkommene Staatsgebiete bilden, mit
einander vergleicht. So wohnen z. B. auf der Insel Malta mit Gozzo und Comino ii,625,
in dem französischen Departement du Nord 8086 ■, im Düsseldorf e7- Regierungsbezirke dei
preussischen Provinz Clcve-Berg 8109, in dem sogenannten Kiü.läiidchen zwischen Mäh-
ren und Schlesien 7918, im lombardisch-venellauischen Königreiche 5o58 , in Irland 4601 ,
in Engtand 3736, und dem russischen Gouvernemenf Moskwa 2800 auf einer Quadralmeile,
während in Schottland i243, auf Corsica ioi3, in Oeslerreichisnh-Dalmatieii ioo5, im Kös-
liner Ri-gierungsbezirke der preussischen Provinz Pommern 946, auf Island 34, im russi-
schen Gouvernemenl Archangel 18, in Finnmarken in Norwegen, dem nördlichsten Ijande
Europa's, 6, und im schwedischen Anlheile von Lappland gar nur 3 Menschen auf einem
gleich grossen Räume leben,
ü) Um der steigenden Bevölkerung im Herzogthume Sachsen-Goiha Einhalt zu ihun, verbie-
tet eine neuere Verordnung die Er\veilerung der alten, und den Anbau neuer Wohnungen
in den Orten des Thüringern-'alries S. Götting. gel. Anz. 1808. St. 11. S. 107.
c) In der Schweiz werden manche Districte so leicht übervölkert, wenn nicht ihre Fabrirate
auswärts gesucht werden , oder Missjahre die geringen Ernltm noch kärglicher machen. S.
Crome a. a. O. S. 27.
d) T. R. Mallhus Essai on the principle of population , or a riew of its past and present ef-
fccts on human happini'ss u. s. w. Bd. 2. Ausg. 3. London, 1806. von J. H. Hegewisch in'.«
Deutsche übersetzt, unter dem Titel: Versuch über die Bedingung und die Folgen der
Volksvermchrung. 2 Thie. Allona, 1807. 8. Vergl. Mallhus mod Crome, ellcr om Dan-
marks altfor Store Befo'kning. Aarsagen til den over haandlagendo Armod , samt om de
bedst anvcndelige Midier herinK)d. [Mallhus gegen Crome, oder über Dänemarks Über\öl-
kerung (?) , die Ursache der überhand nehmenden Armulh, nebst den anwendbarsten Mit-
teln dagegen.) Von F. C. Trrde. Kopenhagen , 1816. 8. S. Ergänzungsbl. zur Allg. L. Z.
Nr. 267. iBi8. Der Verfasser dieses Werkes wendet die van MalUnts vorgetragenen Grund-
sätze auf Dänemark an, und vertheidigt ihn, wie in der obgedachten Uit. Zeit, versichert
wird, mit überwiegenden Gründen gegen Crome's Äusserung'^n : ,,Uber die Grösse und Be-
völkerung der sämmtlichen europäischen Staaten."
*) Bey einem Flächeninhalte von 1407 QM. und einer Volksmenge von 3,56o,ooo Einwoh-
nern, wie. wir diese Elemente der baierischen Staalskräfte angenommen haben. Bey einem
Areal von i5oo QM. aber, wie andere Baierns Flächeninhalt angeben, würde dieses Reichs
Bevölkerung, bey einer Volksmenge von 3,56o,ooo Einwohnern , im Durchschniile freylich
nur 2070 Köpfe auf der QM. betragen.
§. ß-
Mittel zur Erforschung der Volksmenge.
Der Mittel j die VolLsmejii^e eines Landes oder einer Sladl zu erforschen, giLl
PS mehrere von sehr verscliiedencm ^Verlhe.
A. Alan zähh entweder die Wohnungen oder die Fatnilien, und rechnet auf jede
im Durchsclinilt eine gewisse Anzahl Personen, je nachdem der Augens<;hein zeigt,
dass sie stark oder schwach heselzt sind, etwa 4, 5 his 6; oder man schätzt die
Volksmenge nach Recruleuaushehungen zu 1 , 2 Recruten von einer gew issen Anzahl
Tuännlicher Individuen , oder nach der Anzahl der stevierpflichligen Köpfe , oder nach
der Consumlion der genicinsleu Lehensmitlei, des Brotes und des Salzes. Aber \\ie
I. Bewohner der «urop. Staaten. §. 8. Mittel zur Eiforsclmng der Volksmenge. 281
unzuverlässig sind diese und andere ähnliche Mittel, die Volkszahl grosser Städte und
ganzer Länder zu erfahren !
Ein hrauchhareres Mittel zu diesem Endzwecke sind:
B. Genau abgefasste und von mehreren Jahren gesammelte Ä7rc7<e7i//j'fe« ^ oder
jährliche Register über die Gehörnen, Gestorbenen und Getrauten. Die grosse Wich-
tigkeit rmd Niilzlichkeit derselben zeigt sich insonderheit darin, dass sie nicht allein
überhaupt das Urlheil i'iljer die Zu- oder Abnahme der Volksmenge begründen, son-
dern, wenn sie speciell das Geschlecht, das Aller, die verschiedenen Classen der Ein-
wohner, die Jahreszeiten, die Krankheiten, Unglücksfälle und andere Umstände an-
geben, auch sehr heilsame Aufschlüsse über die Bedingungen des Lebens und die
Ursachen des Todes gewähren. Sie sind es , denen die politische yirithinetik ihr D.a-
seyn verdankt. Zu dieser, für die Staatsverwaltung so nüizlichen Kennlniss le^leJoIui
Gvaunt j ein Tuchmacher in England, 1662 den ersten dauernden Grund. Er war es,
der in seinen Bemerkungen über Mortalitälslislen aj seinen Zeitgenossen das Geheim-
niss entdeckte , wie die Ordnung der Geburl und der Sterblichkeit unter den Men-
schen, und folglich auch ihre Zahl in einem gegebenen Lande oder einer Stadt be-
rechnet werden können , ob es gleich mehr als wahrscheinlich ist , dass schon die Rö-
mer die Theorie der Probahilität des Lebens gekannt haben bj. Durch Pettj j Hal-
lejj Short j Kerseboom _, Strujk j i'an Swieden _, Young _, Depnrcieux ^ Silssmilch
und Tf^argentin gewann die politische Arithmetik sowohl an Reichlhum als an System.
Die beydcn letzteren leisteten insonderheit viel, nälindich SiissinilcJi in seinem ^Ver-
ke: jjGöttliclie Ordnung in den Verändei-uugen, des menschlichen Geschlechtes j,
aus der Geburt _, dein Tode und der Fortpflanzung desselben erwiesen' cj _, vmd
Wargentin in den Abhandhmgen der königl. schwedischen Akademie der Wissen-
schaften. Indessen hat die Anwendimg der politischen Rechenkunst auf die Staatsver-
waltung mehr zur Ausbildung der Slaatenkunde und zur Beföi dcrung ihres Interesse
bcygctragcn , als durch den Vorrath immer noch zu wenig zuverlässiger Zahlen fiir
die nächsle Absicht dieser Berechnungen gewonnen ward.
Die durch wiederholte Bcobachlungcn bestätigten Verhältnisse der jährlich Ster-
benden und Gebürncn zu den Leidenden, der beyden Geschlechter gegen einander,
des Grades der Sterblichkeit nach Verschiedenheit des Lebcnsakers und der beyden
Geschlechter u. s. w. sind nun folgende :
1) In den grössten Städten stirbt jährlich von 26 Menschen einer, in grösseren von
28 einer, in kleinen von 32 einer, auf dem Lande aber nur von 40 oder 42, oder gar
nur von 48 einer, — In einem ganzen Lande (Städte, Flecken und Dörfer zusammen
genommen) stirbt von 32 oder 33, in einigen Ländern aber nur von 36 oder 37, und
ra. einigen, wohin vorzüglich die nordischen Länder gehören, nur von 40 Menschen
einer. \Venn man dcnmach von einem Orte oder Lande die Anzahl der jährliih Ster-
benden durch ^'crgleichung mehrerer Jahre mit einander dj weiss : so nmltiplicirt
man sie nach dem Unterschiede, den man unter den örtcrn und Ländern wahrninnnl,
mit einer von den obigen Zahlen , um die Sunuue der gcsammten Einwohner unge-
fähr zu berechnen.
2) In der Regel werden immer mehr JMe/ische/i geboren als sterlien, sonst
3Ü
Zjj2 I- iäewoliilcr der curop. Staaten. §. 8. Mittel zur Erforschung der Volksmenge.
müsste die Volksmenge all'^iilhalljcn abnehmen, und die ganze Ordnung bald gar aus-
sterben. Allein sie nimmt überall zu, wo es nielii zufällige und vorübergehende Ursa-
chen, z. B. Krieg, Epidemie, verhindern, jedoch nicht überall und inmier im glei-
chen Verhältnisse. Je geringer die Volkszahl mit Rücksicht auf die Fruchtbarkeit des
Landes ist, desto schnellei- vermehren sich die Meiischen; aber dieses Verhällniss der
Zunahme nimml ab, je grösser die Zahl der Bewohner wird, und es gUjt daher einen
Punct, wo die Vermehrung Null ist, welchen wir denn für die nati'u-liche Glänze
der Bevölkerung ansehen. In einigen Ländern hat man das Verhältniss der Geborneu
zu den Lebenden wie i zu 22 oder 23, in andern wie 1 zu 32 gefunden; im Mittel
möchte es also wie 1 zu 27 oder 28 stehen. \'on dieser Regel machen jedoch grosse
Städte eine Ausnahme, besonders wo Hoflialtungen sind, und in vornehmen Häusern
viele unverheirathete Bediente unlei hallen werden, auch viele andere ledige Leute
sind. In solchen Städten wird nach einer Mittelzahl auf 35 Lebende 1 geboren. —
Aus diesem allgemeinen jähilichen Ulierschusse der Gehörnen über die Sterbenden
lässt sich die sehr auffallende Erfahrung erklären, dass die Menschenzahl in Europa,
ungeachtet fünf und zwanzig jähriger Unrnhen , Verfolgungen und Kriege ej , und
ungeachtet einer bedeutenden Auswanderung fj nach fremden Erdtheilen, dennoch
in diesem Zeiträume zugenommen hat, und diese Zunahme ist um so grösser, da der
Anfang der Anstalten zu Einimpfung der Schutz- oder Kuhpocken (vaccine) gj eben
in diese Zeit fällt. Diese Vermehrimg fordert indessen mächtig auf, an Mittel zur Er-
nährung dieser grösseren Menschcnzahl zu denken. Der geistreiche englische Schrift-
steller J/a/iAi^.y hat hierüber ernste und beherzigungswerihe ^Vürte gesagt , imd ge-
zeigt, dass die Zunahme der Bevölkerung kein Glück sey, wenn man nicht im Stande
ist, sie zu ernähren.
5) Das Verhällniss der Knaben zu den Mädchen bey der Geburt ist nicht allent-
halben gleich. In Europa, und in den meisten Ländern der gemässigten und kalten
Zonen werden im Ganzen immer mehr Knaben als Mädchen geboren, nälimlich un-
gefähr io5o oder 21 Knaben gegen 1000 oder 20 Mädchen, so dass 4 — 5 Piocent auf
männlicher Seite ist. In andern Ländern hingegen, insbesondere der heissen Zone,
werden mehr Mädchen als Knaben geboren.
4) Die Slcrl)lichkeit ist nach Verschiedenheit des Lehensalters verschieden. Das
natiirliche Ziel des menschlichen Lebens ist ungeföhr sechsmal so lang , als die Zeit
von der Geburt bis zum Anfang der Mannbarkeil, der im Durchschnitt auf das lö- Jahr
fällt, folglich 80 — 90 Jahre. Es gibt zwar unter allen Völkern einzelne Menschen,
welche dieses Ziel weit überschreiton ; allein bey weitem die mehreslcn erreichen es
lange nicht, und werden durch Krankheilen und Zufälle aller Art, verschuldet hj und
unverschuldet, viel früher hingerafft. Am meisten trilfi dieses Loos 'die Kinder vom
zartesten Aller, von denen beynahe der vierte Theil gleich im ersten Jahre stirbt, über
zwey Fünftel nicht das sechste , und fast nur die Hälfte das zwanzigste Jahr erreicht.
Es leben näbmlich von einer Million Menschen, die geboren wird:
am Ende des islen Jahres nur noch 707,525
— — — loten — — — 55i,i22
— — — 20sten — — — 5o2,2itt
I, Bewoliner der eiirop. St.iatcn. i^S. 8. Mittel zur Erfoiscluing der Vüjksmeugc. - 203
am Ende des Sosten Jahres nur noch 438,1 83
— — — 4osten — — — 36(),4o4
— — — öosien — — — . , . , . 297,070
— — — 6osicn — — — 213,56-
— — — 70sien — — — 117,656
— — — 8osten — — — ...... 34,7o5
— — — gostcn — — — 3,83o
— — — loosien — — — 207
— — — lo5tcn — — — 16
— — — liolcn — — — o ij
Diese Theorie ist von grosser Wichtigkeit, indem sie die Grundlage für die Re-
gchi der Leihrenten, Tontinen, Witwcucassen und VersorgungsanstaUen aligiht.
5) Auch in Ansehimg der bejden Geschlechter ist die Mortahtät verschieden.
Sie sterben nicht nach eiiierley Maassgabe j die Sterblichkeit des männlichen Ge-
schlechts ist gi'össerj als die des weiblichen, wenn man eine Periode kj , die gefähr-
lich ist, bey dem letzteren ausnimmt. Gegen 27 Knaben sterben nur 25 Mädchen.
Der Übcrschuss der gcbornen Knaben ist also bald verschwunden. Wird nach einigen
Jahren nach der Mehrzahl der Knaben gefragt, so liegt sie im Grabe. Um die Zeit
der angehenden Mannbarkeit, oder um das i5. Lebensjahr ist das Gleichgewicht zwi-
schen beyden Geschlechtern beynahe hergestellt, und im 18. oder 20. Jahre ist das
Verhältniss schon umgekehrt. Da im ersten Lebensjahre mehr Knaben als Mädchen
sterben, da gewöhnlich mehr Frauen als Männer ein hohes Alter erreichen, da end-
lich dem männlichen Geschlcchte ein beiräcbilicher Theil durch Kriege und andere
lebensgefährliche Beschäftigungen, auch durch Auswanderungen in fremde Erdlhei-
le , entzogen wird : so findet man fast in allen europäischen Ländern ein merkliches
Übergewicht des weiblichen Geschlechts über das n)ännliche. Doch ist dieser Übcr-
schuss nicht hinlänglich, um die in diesen Ländern eingefiihrte Monogamie aufzuheben.
6) Endlich ist auch die Zahl der jährlich Getrauten zu den Lebenden sehr
verschieden. Li Russland z. B. heiratliet jährlich ein Paar unter g2 Personen 5 in
Preussen eins unter 94, in Schweden eins unter 120, in England eins unter 122 bis
123, in Norwegen eins von i3o, ini Canton TVaadt eins von 140 Personen 5 in gros-
sen Städten verhält sich die Zahl der jährlich Co]ndirten zu den Lebenden wie 1 : 160.
— Viele Jungfrauen müssen schon desshalb unvcrehlicht bleiben, da die Zahl dersel-
ben zwischen 18 und 24 Jahren bedeutend grösser ist, als die Zalil der jungen Män-
ner zwischen 24 und 3o Jahren (s. oben 5). Mit der Bevölkerung wächst aber auch
die Schwierigkeit, einen neuen Haushalt anzufangen, und das Hcirathen der Männer
wird dadurch insbesondere versjjälet; auch werden viele Männer dadurch genöthigt,
Witwen zvi hcirathen , mit welchen sie eine bereits eingerichtete Wirthschaft erhal-
ten. Aus beyden Gründen ninmit die Zahl der Frauenzimmer zu, welche unverehlicht
bleiben müssen. — Auf jede Ehe rechnet man im Durchschnitte vier Kinder, Am
fruchtbarsten scheinen die Ehen in Irland zu seyn. Die Lländer rechnen aiif eine
Ehe 10 — 12 Kinder3 '^^'^i' ^s nicht so hoch bringt, ist eine Ausnahme und erregt Be-
fremden IJ.
3G*
284. I- Bewohner der curop. Staaten, ij. 8. Mittel zur Erforschung der Volksmenge.
Da aber diese Vciliäl misse weder im Allgemeinen, noch a;ich , und zwar viel we-
niger, in einzelnen Gegenden oder Städten, nnveränderlicli sind, indem manclierley
Umstände ein örtliches Mehr oder Weniger mj liierbey veranlassen können: so lässt
sich auch durch Kirchenlisten die Volksmenge nicht wohl mit Zuverlässigkeit erfor-
schen, obgleich die wahrscheinlichen Folgerungen, wozu sie Anlass geben, von sehr
bedeutendem Werihc sind. Das einzige Mittel , das ganz hin bis zur Wahrheit fiihrt, ist
C. n'irküche Zählung (in Russland Ptevision ^ in Österreich und andern Staaten
Conscription genannt), wenn sie sich iiJjer alle Seelen erstreckt, regelmässig wieder-
holt, nnd auf eine vöüig befriedigende Art angestellt wird.
ö) Natural and political annotations upon the bills ofmortaüty. London, i6ü2.
b) De probabilitate vitae ejiisque usu forensi , commentatio, qua theoriam expectationis vitae
antiquitati vindical F. Aug. Schmelzer. Göttingae, 1787. 8.
e) Dritte verbesserte Auflage, Berlin 1762. 2 Th. (Dritter Theil , der Anmerkungon und Zu-
sätze enthält, von C. J. Baumann, Berlin 1776.) Dieser folgte die vierte , ebend. 1775. er-
schienene Auflage, und dieser die fünfte, ebend. 1788 herausgegebene Auflage. — Einen
Auszug aus dem Si'issmilchischen Werke, in veränderter Ordnung, lieferte L. A. G. Schra-
(/e/-. Gliickstadt , 1777.
ü) Man muss die Anzahl Aon 6 und mehreren Jahren sammeln, dieselbe addiren , und die
Summe mit der Anzahl der Jahre dividiren , so erhält man eine Mittelzahl , welche man
als die Summe der jährlich Sterbenden annehmen kann.
«) Im letzten Kriege war der Verlust an Blenschen nicht nur in Schlachten , sondern auch
durch Krankheiten gross. In und um Dresden ruhen 70,000 Franzosen; in Leipzig slarh^
zufolge der Lazarelhlistcn im J. i8i3 — 80,000 französische Soldaten an Wunden, Typhus
und anderen Krankheiten. Die ganze Strasse , welche die retirirende französische Armee
eingeschlagen hatte, wurde verpestet; überall längs ihres Weges bis über den Rhein brachen
Faulfieber aus. S. Ergänzungsbl. Z. J. A. L. Z. 1818. Nr. 61. S. 98. ff.
f) Man gibt die Zahl derjenigen, die sich während des obgedachten Zeitraumes, aus Schott'
land , Irland, Frankreich , der Schweiz, Dänemark , SiJnveden , Holland, vornehmlich aber
aus Deutschland in Nordamerika , dem vermeintlichen Lande des Glücks ß'ir Jedermann ,
eingefunden haben, auf 5 Mill. an, ungeachtet der verwerflicfien und einen Freystaat ent-
ehrenden Gesetze, welche die dürftigen Emwanderer zur Bezahlung ihrer Fracht mehrere
Jahre lang in Sclaven \erwandeln. — Zur Bevölkerung Brasiliens hat der König beyder
Sicilien im J. 1819 dem Könige von Portugal und Brasilien 2000 Galeerensclaven ab-
getreten.
g-) Die wohllhätige Entdeckung, und Einführung der Kuhpocken, die, wenn auch nicht abso-
lute, doch die möglichst grösste Sicherheit gegen eine der furchtbarsten Seuchen gewähren,
erscheint als eine Begebenheit, die nicht nur den Gang der Bevölkerung für alle Zukunft
in eine neue Richtung (iiähmlich in die der schnellen Zunahme der lolksmenge) versetzt,
sondern auch auf alle diejenigen öffentlichen Institute, \velche sich nach den Gesetzen der
Mortalität zu modificiren haben, einen unverkennbaren Einfluss hat. Renten-, Witwen-,
Tontinencassen , und was sonst noch für finanzielle Einrichtungen bestehen mögen, die
\oni Leben und Sterben der Theilnehmer abhängen, \venn sie nicht selbst der Gefahr, im
Laufe der Zeit zu Grunde gerichtet zu werden, entgegengehen wollen, bedürfen die ge-
naueste Kenntniss der wirklich bestehenden Mortalität. S. Analyse el Tableaux de l'influence
de la petite veröle sur la mortalite et de cette qu'un preservatif tcl que la \accine peut avoir
sur la population et la longexile. Par E. E. Dui'illard. Paris, 1806. 4- Vergl. Gölling gel.
Anz. i8o6. Sl. 145. — P'ür die Entdeckung der Schulzpocke erhielt Dr. Jenaer ^ om brilli-
schen Parlament im J. i8o2 — 10,000, und 1807 — 2o,ooo Pf , zusammen also 3o,ooo
I Bcwoimcr der europ. Staaten. §. g. In Rücksicht auf Ahstammiuig u. Sprache. 285
Pf. St. als Belohnung. S. H. A. L. Z. Nr. 3i. 1819. — Ob die Srhntzpocke Kuh- oder
Fferdppocke benannt weiden solle , s. österr. kaiserl. priv. W. Z. 1812. S. 180.
h) In dein preussischen Staate z. B. starben im J. 1817 — 306,728 INIcnschen , und z\var an
Krankheiten überliaupt 248,406, \vo\on-|, mit wenigen Ausnahmen, nielit aus organischen
Fehlern, sondern aus Blangel , Unvorsichtigkeit und zerstörenden Leidenscliaftin entstan-
den , oder doch durch diese tödtlich wurden, und hier ist es daher vornehmlich, wie Hr.
Hojfniann , Director des statistischen Bureaus in Berlin bemerkt, \vo Verfassung und Sitten,
Polizey und Menschlichkeit für die Erhaltung des Volkes zu wirken haben.
i) S. Jen. A. L. Z. 1811. Nr. 297. S.'59i.
A) Nahmlich zwischen dem 25sten und 45sten Lebensjahre, wo die Geburten imd deren Fol-
gen die Sterblichkeit der Frauen sehr ^ ermehren. In dem preussischen Staate z. B. starbea
im J. 1817 — 4045 Mütter bey der Geburt und im Kindbette.
0 S. Ergänzungsbl. z. Jen. A. L. Z. 1818. Nr. 56.
m) So stirbt z. B. in einigen Provinzen von Holland im Durchschnitt jährlich schon von 22
Menschen einer, während in vielen Provinzen des mittleren und nördlichen llusslunds nur
von 5o einer, ja in einigen Statthalterschaften sogar nur von 68 bis 7.*^ und 79 Li'bcnden
einer mit Tode abgeht. S. Crorne a. a. O. S. 5i. — Ein Beyspiel von einem ]Miss\ erhält-
nisse zwischen Männern und Frauen liefert unter andern iSt. Peler.ihurg , wo 2 Frauen auf
einen Mann kommen. S. Götting. gel. Anz. 1818. St. igS. S. ig45. Ein noch auffallenderes
Miss\erhältniss aber zwischen beyden Geschlechtern zeigt sich in Rom , wo gar 5 Weibs-
personen auf einen männlichen Kopf kommen sollen. S. Creme über die Grösse und Bevöl-
kerung der sämmtlichen europäischen Staaten. S. 371. — Dagegen bestand die Volksmenge
-der öslerreichischcn Mililürgränze im J. i8i4 aus 326,374 Männern und 324 536 Weibern,
eine bedeutende Überzahl des niännlirhen Geschlechts in einem Soidatcnlande während einer
Jiriegecischen Zeit! S. Ern. vaterl. Blätter für den österr. Kaiserstaat. x8i4. Jul. 55. S. 3^,6.
N a ti ona I versch i e d e n h e i t der Europäer.
§•9-
a) In Rücksicht auf Abstammung und Sprache.
Europas Bewohner stammen von Nationen ganz verschiedener Heflxunjt ab 5
diess beweisen ilire so sehr von einander unterschiedenen Spraclicn. Die Vorfahren
derselben wanderten nach vind nach von Asien ein, und zwar zunäclisl dem mittleren
oder /io/ie« ^i"ze?i., diesem Ursitze unsers Geschlechts und der Slamniarien unserer
Hauslhiere, so wie dem ürlande der Cullur, aus dem alles Gute und Grosse hervor-
gegangen. Diese Einwanderung geschah sehr tief in dem Ditnkcl der Vorzeit, wahr-
scheinlich auf einem zweyfachen Wege, theils yon Kleinasien herüber den Hellcspont
und die griechischen Inseln, theils aus den Gegenden am Kaukasus nördlich am ca-
spischen und schwarzen Meere, über die Wolga und den Don. Die Fiage, wann?
lasst sich nicht beantworten, kaum lässt sich die Zeit von den späteren Einwanderun-
gen bestimmt angeben. Die Nationen Europa's sind indessen keineswegs so vertheilt,
dass jede derselben einen eigenen Slaalsverein oder ein Volk bildete. Im Gegen ihcile
ist es der Fall, dass ein Staat, wie z. B, der österreichische j eben sowohl mehrere
Nationen ganz , oder doch theilweise in sich vereinigen kann , als eine Nation , w ie
z. B. die deutsche j mehrere Staaten oder Völker umfusst, Hauptnationett sind jetzt
l3 in Europa aj , nüUudich feilende;
jßS I.. Bewohner der europ. Staalcn. §. g. In Kücksiciit auf Aljslammung u. Sprache,
I) Die gei-manisclie j, begreifend alle an Herkunft, Spraclie und Sitten genau ver-
%Yandte Völkerschaften, welche in den frühesten Zeilen von der Donau in Siiden, bis
in den änsserstcn Norden, und von dem Rheine in Westen bis an und über die
^Vcichsel wohnten. Ihre S]irache ist nicht nur die reinste, sondern auch die bildsam-
ste inid reichste untei- den europaischen Sprachen. Ihre verschiedenen Zweige sind :
A. Die deutsche j oder nach härteren Mundarten, die teutsche Nation _, welche
sich nicht nur über alle jene Länder erstreckt, die in den deutschen Bund vereiniget
sind, sondern auch über die Schweiz und die Niederlande (mit Ausnalime einiger
kleiner Parzellen, welclve in der ersteren von Franzosen, Italienern und Churvsäl-
schen, in den letztern von Franzosen bewohnt sind), dann selbst über einen Theil
Frankreiclis (s. initen «) , Italiens (s. unten «), Ungerns hj j, Siehenbiu-gens cj ^
Galiziens dj _, Polens ej und Russlands J^J j übiigens aber durch ganz Europa zer-
streut sind. Im Ganzen mag dieser Erdtheil etwa 36 — 40 Mill. Deutsche zählen, deren
Sprache in zwey Haupldialecte zerfällt:
a) Den hölieren oder das Oberdeutsch mit den bcyden Ilanjitclassen, der svc-
i'isch-aleinannischen \n\Nes\.cn , und der longobardischen in Osten. Zu jener ge-
hört: die Schweiz j Elsass ^ Schwaben und der Ober- und Mittelrhein; zu dieser:
Baiern _, Oesterreich ob und vmter der Enns, und die übrigen Länder des ehemaligen
österreichischen Kreises, nebst den i3 Gemeinden im Veronesischcn, und den 7 Ge-
meinden im Vicentinischen {tredeci und sette communi^ an der südlichen Gränze
Tyrols. — An diese ächten Oberdeutschen schliessen sich, x\.^i\\ Adelung ^ noch die
vielen Deutschen mit ihren Mundarten an, welche in Böhmen, Mähren ^ Schlesien j
Ungern j Siebenbürgen ^ Galizie?i_, Polen,, Esthlaud ^ Ließand und Curland woh-
nen, und von dem 12. Jahrhmidert an zu verschiedenen Zeiten in diese Länder ein-
gewandert sind.
b) Das Niederdeutsch oder die niederdeutsche Hauptmunduj't ^ deren Töchter
sind: 1) üic. friesisdie \n Ost- und ^Vcstfriesland , Oldenbiug, Delmenhorst, Nieder-
münsler, Iloya, Diepholz mid Schleswig; jedoch nicht mehr in der Ausdehnung, wie
ohedem , da sie von der niederländischen und niedersächsischen grössten Tlieils ver-
drängt worden ist; 2) die niederländische mit ihren zwey Mundarten : der Jiolländi-
scheii in den nördlichen Provinzen der Niederlande , und der Jlämischen oder bra-
bantischen in den südlichen Provinzen Brabant imd Flandern; holländische Coloni-
slen sind die Jimiker, auf der kleinen, dicht bey Kopenhagen gelegenen Insel ^»ir/A;
3) die niedersäclisische oder plattdeutsche in den Ländern des ehemaligen westphä-
lisohen, nieder- imd obersächsischen Kreises, dann in Ost- und Westpreusseu. —
Aus der Vermischung des Oberdeutschen in» Siiden mit dem Niederdeutschen in Nor-
den entstand
Das Mitteldeutsch in Deutschlands mittleren Provinzen. Unter den mannigfalii-
gen miiieldcutschon ^Mundarten zeichnet sich durch grössere Ausbildimg der Meissni-
sche Dialcct aus, der seinen Sitz hauptsächlich zN^ischeu der Saale wwd Elbe ^ zu
Leipzig und in den ])enachj)arten Städten hat. Er ist die Grundlage
Des Uochdcnt seilen j, y>ie\iAies in Deutschland die allgeiuiineijiuher- und Schrift-
sprache, so wie diejenige ist, welche von gebildelercn Voiksclassen und Ständen ge-
I. Bewolmci- der eiitop. Staaten. §. g. In Rücksiclit auf Abstamnmng u. Sprache. 2S7
redet wird. Indessen wiid die dciUsclic Spraclic in Cur- und Liefland reiner und
^Yohlklini^ende^, als im Allgenicinen in Deulsehland scli)st gesprochen.
B. Die SkandiiKwier _, umfassend: a) die Dünen im eigenlliehen Dänemaik und
auf den riissisclien Inseln Worms und Rügen ; b) die Noiwegcr oder Normännei' in
Norwegen, auf Island und den Färöer-Inseln ; c) die Schweden in Schweden, Finn-
land vmd auf den russischen Inseln der Ostsee j in geringer Anzahl auch in Eslhland.
(In St. Petersburg allein gegen 2000-)
C. Die Engländer j verbreitet über den grössten Theil von England, d^s siidli-
^chc und östliche Schottland, die orkadischcn Inseln und einen Theil von Iilaiid. llire
Sprache, eine sehr ausgeartete germanische Tochter, ist die ausgebreitetstc Sprache
der comniercirenden ^\'elt.
II) Die römisch-lateinische Kdtion j oder vielmehr di"e Nachkommen deijenigen
deutschen Völker, welche sich nach der Völkerwanderung in den Provinzen des West-
römischen Reichs niedergelassen, und mit den Ureinwohnern und Römern amalga-
gamirt, aber die römisch-lateinische oder romanische SpracJie gj angenommen ha-
ben, die gegenwärtig in verschiedenen Mundarten von mehr als 6ü,5oO;000 Europäern
geredet wird. Dahin gehören :
A. Die Italiener j welche nicht nur alle italienischen Staaten, sondern auch Cor-
sica und den Canton Tessin (die italienische Schweiz) , nebst einem grossen Theile
des südlichen Tyrols und des Gouvernements von Triesft bewolmen. Ausserdem fin-
det man sie in Graubündten , auf de^ jonischen Inseln, in Dalmatien, Ungern, Wien
und andern grösseren Städten der österreichischen Monarchie, so wie in St. Pclers-
burs, Moskau und den vornehmsten Seestädten des schwarzen Meeres. Die italicni-
sehe Sprache hat mehrere Dialecle. Die entstelltesten imd rauhcsten sind der Berga-
maskische.. Genuesische _, Paduanische „ Bolognesische und FriauFsche (Furlano)
Dialect. Die südlichen Mundarten, zu welchen die Neapolitanische der Scliliissel i.vt,
^ind weicher, offener, voller und die meisten Wörter endigen auf Vocale. Die Schrift-
iind höhere Umgangssprache in ganz Italien aber ist die Florentinische oder Tosca-
nische , an die sich zunächst die Aussprache unter den gebildeten Glassen in Rom und
^e/ier/f^ anschlicsst, so wie die Corsische^lwwd-AxX. derselben näher ist, als die Dia-
lecte der übrigen italienischen Inseln , von denen sich insonderheit der Sardinische
auszeichnet.
B. Die Franzosen j welche nicht nur ganz Frankreich , ausser jenem Theile, wel-
cher von Deutschen _, Brejzads und Basken besetzt ist, sondern auch Savov en , Niz-
za und Monaco, die brittisch -normannischen Inseln, einen Theil der Schweiz, der
Niederlande und der prcussischen Provinz Niederrhein bewohnen, nebst den fran-
zösischen Rejugie's j die kurz vor, bey und nach der Anfliebung des Edicls von Nan-
tes i685 in verschiedene Gegenden Europa's geflüchtet, und den französischen Co-
lonisten j welche unter Maria Tlieresia aus Lothringen in Österreich eingewand'rt
sind, und sich theils im Banat und im Batscher Gomiiat , theils in Mähren (zu The-
resienfeld und Czeitsch auf der Herrschaft Göding) angesiedeil haben, ohne des nicht
unbedeutenden Aggregats der französischen Emigre's , Erzieherund Erzieherinnen,
Sprach- und Fechtmeister, Kajunierdiencr imd Kammer] ungfern in einigen europäi-
äßg I, Bewohner der europ. Staaten. §. c- In Rücksicht auf Abstammung u. Sprache.
sehen Staaten zu erwähnen. Die französische Sprache hat ebenfalls mehrere Dialecte, wie
den Provengalischeiij Limosiii sehen und G asconischen j den OrleanischeHj den gemei-
nen Parisischen und PLcardiscIien^ das Putois Lnrvain um Lüneville in Lolliringen, das
Boiii-guignon in Bourgogne , und das Lilttlchisch- Wallonische in den ehemals soge-
nannten französischen Niederlanden^ der widrigste unter allen französischen Dialec-
teUj ein Gemisch des Französischen, Niederländischen vmd Deutschen. Die allgemei-
ne Schrift- und ßüchersprache ist der Isle de France' sehe Dialect. — In ihrer hohen
Ausbildung, wozu Franz I. durch Errichtung einer Professur für die französische
Sprache, vorzüglich aber Richelieu durch Stiftung der Akademie der Vierziger {Aca-
äe'inie Frangaise oder yJcademie de Quarants) , dieses Oberhufgerichtes der franzö-
sischen Sprache und Literatur, den Grund legte , hatte sich die in Nordfrankreich
herrschende Sprache {langae d^oui) in dem goldenen Zeitalter Ludwigs JilY. über
ganz Europa verbreitet, nachdem sie längst in ganz Frankreich als die Sprache aller
Gebildeten geherrscht hatte , und eine Universalität errungen , wie keine andere le-
bende Sprache in Europa. Sie ist nicht nur die allgemeine diplomatische Sprache,
sondern auch vorzugsweise die Gesellschaftssprache des Adels und der sogenannten
grossen Welt hj. Aber eben durch diesen zu allgemeinen Gebrauch der französischen
S[irache haben alle übrigen europäischen Völker zu ihrem Nachllieilc sich in eine Art
Abhängigkeit von den Franzosen gesetzt, und ihre Selbstachtung gar sehr geschwächt,
ohne zu erwägen, dass Herrschaft der Sprache gewisser Maassen Herrschaft des Vol-
kes gründet,
C. Die v9/^ö/uVrj mit 3 Hauptmundarten : der catalonischen j, galicischen ^ und
der eigentlich spanischen oder castitischen j welche letztere seit Carl V. zur herr-
schenden Schrift- und Ge#Ilschaftssprache der höheren Stände in ganz Spanien ge-
worden ist. Wenige Sprachen haben ein so schönes Verhällniss der Vocalc zu den
Consonanten, und einen so weichen und doch so bedeutungsvollen und ernsten Aus-
druck. Am reinsten wird diese Mundart in und um Toledo gesprochen.
D. Die Portugiesen j deren Sprache eine Mischung von Castilisch und Franzö-
sisch j aber doch so verschieden von dem ersteren ist, dass man Bücher aus dem ei-
nen in das andere übeisetzt. Das Galicische nähert sich dem Portugiesischen selir ,
und ist ihm ursprünglich gleich.
E. T)\c Romaner j Rhätier oder Churwälschen, welche die Mehrzahl der Eirb-
■wohner Graubündlens ausmachen, mit 2 Hauptdialecten : 1) dem Rumonschen in den
Gegenden der Quellen des Piheins, d. i. im obern oder grauen Bunde j 2) dem Ladi-
nisclien in den Gegenden der Quellen des Inns, d. i. im Engadin. Geschieden durch
Alpen und Eis von der übrigen Welt, erlitt diese antiquissim lungaig da l aulta
i(/iv?ei/c?j die uralte Sprache von hohen Rhätien, wie sie sich nennt, wenig Änderungen.
F. Die Walachen j, mit 2 Hauptmundarten: 1) der Dacisch- oder Uiigriscli'-
JFalachischen diessseits der Donau, in der Moldau, Walachey, in Siebenbürgen,
der Bukowina, im Banat und in Oberungern; 2) der Tliracisch-JValachischen jen-
seits der Donau, in Thracicn, Macedonien luid Thessalien. Diese heissen bey den
Ungern und Serbon auch Zinzcwen; ein Spitznahme von ihrer gjärisircnden Ausspra-
che des iscli wie iz, z. B. zinz (fünf) statt tschintsch. Den i'.uUtuca IVcdach leiten
1. Bewohnfr der europ. Staaten. §. 9. In Rücksiclit auf Abstammung u. Sprache. 28g
einige von der slavischon Sprache her, in woUlur dcrsclhe Menschen bedeutet, die
eine mit der römischen oder itaUenischen verwandte Sprache reden , und sich als
Hirten auf den Gebirgen aufhaken ; vielleicht auch von dem alldeutschen Worte Jf'alclij
A. i. Wälscher, ein Mensch, der die wälsche (romanische) Spiachc spricht. Sie sellist
nennen sich Rumuni oder Ruma/iij und halten sich für Abkönnnhnge der alten Römer.
a) S. Mithridates , oder allgemeine Sprachenkunde , mit dem Vater Unser, als Sprarhprobe,
in beynahe 5oo Sprachen und Mundarten, von J. C. Adelung. 1. Thl. 1806. Berlin. 2.Thl. ,
grösslcn Tlieils aus Adelung's Papieren fortgesetzt und bearbeitet von Dr. Joh, Sei', rater ^
Prof. und Bibliothekar der Universität zu Halle. 180g. Vcrgl. Hall. A. L. Z. Nr. 2i2. 2i3.
214. 1809. 3. und 4. Thl. Berlin, 1816 und 1817. Vergl. Ergänzungsblätt. z. H. A. L. Z.
Nr. 71. 1816, und Nr. 1. 1818.
6) Nahmentlich die Zipser , TJ^ieselburger , Örfeniurg'er und Ei'ieniurgei' Gespannschaft, so wie die
mehrsten königl. Freystädte , besonders die Bergstädte und das Banal. Im Ganzen bewohnen
die Deutschen in Ungern, ausser den königlichen Freystädlen, 921 Marktflecken und Dörfer,
c) Nahmenllich das Land der Sachsen. Übrigens müssen sowohl in Siebenbürgen , als in Un-
gern die älteren deutschen Colonislon von den neuern unterschieden werden. Die Ankunft
der erstem fand schon im i2. , die der letztern im 18. Jahrhunderte Statt. Die ersteren wer-
den, nach Rohrer, in der Zips und Siebenbürgen Sachsen 1 die letzteren aber in Ungern
Schwaben j und in Siebenbürgen Landler genannt,
ti) Die Zahl der deutschen Pflanzdörfer in Galizien beläuft sich, nach Bredetzhy , auf 186,
die mit 2o,ooo Colonisten bevölkert sind. Der Pole nennt die deutschen Ansiedler Saabski,
so wie der Unger den neuern deutschen Coloniiten den Nahmen Schwaben beylegt , ob-
gleich die Anzahl der Rheinländer , welche nach Galizien und Ungern eingewandert sind,
gewiss eben so gross war , als jene der Schwaben.
«) Wo die Deutschen nur in den grösseren Städten als Gewerbtreibende wohnen.
f) Vorzüglich zahlreich sind die Deutschen in Kur-, Lief- und Eslhland , wo sie fast den gan-
zen Adel und den grössten Theil des Bürgerstandes ausmachen ; auch gibt es viele Deutsche
in St. Petersburg , Moskau, Astrachan , Saralow und andern Gegenden Russlands.
g) So wie die Römer ihre Herrschaft ausbreiteten , drangen sie den überwundenen Völkern
überall ihre Sprache auf Es war aber eigentlich nur die Romana ruslica , die verdoibene
Volkssprache (\ erschieden von der Classica oder Urbana, der Sprache der Gebildeten) ,
welche sich unter den Eroberten verbreitete, und in ihrem Munde noch mehr verdorben
wurde; denn es waren grössten Theils ungebildete Soldaten, welche die Sprache der Sie-
ger den Besiegten aufdrangen. Diese Sprache floss in der Folge mit der nicht völlig ver-
drängten Sprache der allen Einwohner zusammen , und bildete eine dritte. Bey der nach-
mahligen Niederlassung deutscher J'vlkerstämme in den Provinzen des weströmischen Reichs,
wozu in Spanien und Portugal noch Araber kamen , ward sie noch mehr vermischt und
umgewandelt. Daraus entstanden nun die obengedachten neueren, eigentlich romanischen
Sprachen. — Die lateinische Sprache ist unter die ausgestorbenen zu rechnen, hat sich aber
unter den Gelehrten erhallen , so ^vie sie die Sprache des römisch-katholischen Gottesdien-
stes und der päpstlichen Kanzelley, auch die Umgangssprache unter den Gebildeten in Un-
; gern, und die S(irache der Gesetze, der politischen Stellen und der Gerichtshöfe eben da-
selbst und in Siebenbürgen ist; im letzteren Lande correspondirt jedoch das königl. Guber-
nium nur mit fremden Stellen und den sächsischen Behörden lateinisch ; endlich war die
lateinische Sprache einst die allgemeine Staatssprache der europäischen Höfe, welche darin
die Fiiedcnsschlüsse und andere Staatsverlräge abfassen Messen; allein die Französische hat
sie schon seit langer Zeit aus dem Besitze dieses Vorzuges verdrängt,
/() S. Gölting. gel. Anz. i8i3. St. ii5. S. ii45.
57 ■
Jyo I. Bewoliuer der «uiop. Staalcu. >}. lo. In Rücksicht auf Abst.nmnmug a, Spr. Fortsetning.
§. lO.
F o r ,t s e t z u n g.
III) Die slmnsche Nation. Die Slavcn kamen vom schwarzen Meere her, imd.
besetzten Europa von Dahnalien an bis an das Eismeer, und von der ElLe bis an die
Wolga. Nach .-:/flfe/««g- isl der Nähme Slaven eine bloss allgemeine Benennung, und
bedeutet Menschen, Leute, Volk; Z?0(5'/'0iVi'Äj- hingegen leitet diesen Nahmen von
SlowOj Wort, Rede, Sprache, ab, und erklärt ihn durch ein Volk von Einer Sprache.
Dieser, über 5o Mill. Seelen starke Volksslamm zerfällt, der Spi'achc nach, in
zwey Hauptäste :
A. Den südöstlichen j B. den nordwestlichen. Zu jenem gehören:
1) Die Russen _, die östlichsten unter den heutigen Slaven, und die Russiiiakoi.
Diese wohnen im östlichen Galizicn, in der Bukowina und im nordöstlichen Ungern;
jene theilen sich: a) in die eigetitUchen Russen ^ oder Gross/ussen _, das Hauptvolk
des russischen Reichs; b) die Kusaken oder Kleinrussen j gesondert in zwey Ilaupl-
zweige : a) die Ukrainischen mil zwey Golonien: aa) den Charkowschen oder Slobo-
dischen (Bugischen) Kosaken; bb) den Tschernoinorischen {Czernomoj'skje _, d. i.
schwarzmeerigen), einem Überreste der Sttpofogef-Kosake/i j p) A\c Donischen Ko-
saken am Don, von Woronesch bis an das asow'sche Meer, die unter einem ^^^^rz-
nian noch einer Art republikanischer Verfassung geniessen. Von ihnen gingen meh-
rere Zweige aus, nähmlich : die Uralischen _, Sibirischen j Orenburgischen^ Gribens-
kischen und TFolgaischen Kosaken , die ihre regelmassigen Verfiissungcn grössten
Thcils dem gegenwärtigen Kaiser zu danken haben.
2) Die Sluveno-Serben j oder die sogenannten Illjrier j zum Theil, jedoch mehr
im verächtlichen Sinne, awcXx Raiz'en genannt. Dahingehören: a) die Serbier in Serf-
Vilajeti oder Servicn, mit ihren Colonicii in Slavonien, Croatien, Dalmatien und Süd-
ungern ; b) die j5oj«/«Ae/i in Boschnah-Ili oder Bosnien ; c) die Bulgaren in Bulga-
rien, ursprünglich Tataren, aber durch Annahme der Sprache imd Sitten der Serbicr
zu ächten Slaven umgewandelt; d) die Uskoken (Überläufer) in Krain und Dalmatien;
e) die sogenannten Morlaken j Meer-Walachen in Dalmatien, der Türkey und auf
den jonischen Inseln; f) che Montenegriner j, Bewohner des Schwarzgebirges {JSIontc-
iiegi'o) im Nordwesten Albaniens, seit 1798 von der osmanischen Pforte unabhängig,
luid unier russischen Schutz aj gestellt ; g) fUe östlichen Dalmatiner tmd die R.a-
gusaner.
3) Dio Slovenen. Dahin rechnet man : a) die TVendenj oder wie sie sich lieber
nennen, die fVinden m Krain, Friaul , Kärnthcn, Untersleyermark und Provinzial-
Croaticn, zwischen den Flüssen Isonzo, Drau und Sau; b) die Croaten: 1) im eigent-
lichen Croatien; 2) in Krain am Kulzflusse; 3) in Ungern an der Drau, im Szalader
und Schümegher Comitat, luid am Neusiedler See im Wicselbiu-ger und Üdcnburger
Comilalc; /,) im westlichen Dalmatien und in Istrien , wo sie aber meistens italicnisirt
sind; 5) ini Lande unter der Enns, auf dem Marchfelde und bey Ilegelsbrunn auf dem
rechten Donau-Ufer; 6) in Mähren auf den Herrschaften Dürnholz und Luudcnburg,
hier eigentlich Podluzaken genannt.
I. Bewohner der euiop. Staaten. §. lo- lu Ri'icksicht auf Abslammung u. Spr. Fortsetzung. 291
Zu dem norclwesllichen Aste gehören: 1) die Czeclien j, Tschechen oder Böh-
men j die wesiliclisten unter allen Slavcn, in Eöhnien, wo sie mehr als i der ganzen
Volksmenge ausmachen; dann in Mahren, wo sie hauptsächlich den Iglauerkreis , die
grössere Hälfte des Znaymer- , und einen Theil des Bri'innerkreises bewohnen^ ob-
gleich der Nähme <7;.ec7< den Mahren eigentlich nicht zukommt, und die ■Mähren sellist
ihre Sprache, die sich nur als Dialect von der Böhmischen unterscheidet, Alorawsky
Guzykj jnährische Sjirache, und nicht gern Czcsky Gazyk ^ böhmische Sprache,
nennen. — Stanunesverwandte der Czeclien sind: a) die Hannaken in Mähren, wo
sie den kleinsten, aber fruchtbarsten Raum in der Mitte des Landes, um die Städte
Ollmi'itz, Wischau und Kremsier^ die sogenannte Äi'^/i«« bewohnen ; b) die Slowa-
ken oder Slawakenj die ehrenvollen Reste des einst so mächtigen mihrischeri Reichs.
Zu diesen gehören: aa) die zahlreichen Slowaken im nordwestlichen Ungern, wo sie
sich iiber 21 Comitate ausbreiten, und in 12 derselben die alleinige oder doch vor-
herrsqhende Nation sind; bb) die Slowaken in Mähren, wo sie sich unterscheiden in
die eigentlichen Slowaken an der March, und in die sogenannten TValachen in den
Gebirgen des Hradischer und Prerauer Kreises. Die Heimath der ersteren lieisst die
Slowakej j die der letzteren die sogenannte Walachej.
2) Die Polen: a) in den; russischen Gouvernements Mohilew , Minsk, Witebsk,
Wilna, Grodno , Podolien, Volhynien und in Bialistock; dann in dem mit R.ussland
vereinigten Königreiche Polen; b) in der Republik Krakau; c) in Galizien und Üster-
reichi-sch-Schlcsien ; d) in Ost- und Westpreussen^ Posen und Preussisch-Schlesien,
nebst den Kassuben in Pommern'.
3) Die Serben in den beyden Lausitzen.
4) Die nördlichen JVenden in den liuiel)urgischen Amtern Danneberg, Lüclio
und Wustro , deren Sprache jedoch , da die Beamten unaufhörlich an der Ausrottung
derselben arbeiteten, nunmehr gänzlich aligcstorben ist. Die Einwohner reden jetzt
ein eben so verdorbenes Deutsch, als ehedem verdorbenes Wendisch.
Die Hauptdialecte der slavischcn Sprache sind also : Russisch^, Sloo.eno-Serbischj
Slowenisch j Böhmisch _, Polnisch und Lausitzisch. Jede derselben hat wieder mehre-
re Unterdialecte. Eine allgemeine Schrift- und Buchersprache, so wie es für die Deut-
schen das Hochdeutsche, für die Italiener das Florentinische, für die Franzosen das
Isle de France'sche, fiir die Spanier das Castilische ist, haben die Slaven bis jetzt
noch nicht, obgleich schon im neunten Jahrhundert die Sprache der Bibelübersetzung
Kjrill's und Method's auf dem AVege war, gemeinschaftliche Schrift- und Bücher-
sprache aller slavischen ^'ülkszweigc zu werden — wäre nicht das Schisma zwischen
Rom und Constantinopel ausgebrochen bj.
IV) J)'ic ßnnis che Nation j, deren Stamm sich in i3 Völkerschaften theilt, nähm-
lich die eigentlichen Finnen j die Lappen j Ungern j Esthen _, Lievenj 2'schereniis-
sen_, Tschuwaschen j Mordwinen^ TFotjäken_, Permier oder Permjäken, Surjünenj
IFognlen und Ostjaken. Davon leben: 1) die Ungern cj oder Magj-ai-en _, wie sie
sich selbst nennen, in Ungern und Siebenbürgen, wo sie grössten Theils die fettesten
und nahrhafieslcn Landesstrecken bewohnen. Man schätzt ihre Stärke auf ungefähr
4 Mill. Seelen. Zu ihnen gehören: a) die Cumanerj welche in Ungern theils in Klein-
2g2 I- Bewohner dir eurnn. Staaten. §. lo. In Rücksicht auf Abätaiuraung u. Spr. Fortsetzung.
Gumanien zwischen der Donau und Tlieiss , iheils in Gioss-Ciiraanien an der Körösch
wohnen; b) die Jazjger_, gleichfalls in Ungern zwischen der Donau und Thciss ; c) die
Szekler (Gränzhüler) in Siebenbürgf^n, wo sie in den Gränzgübirgen gegen die Mol-
dau wohnen. Die ungrische Sprache ist in Ungern und Siebenbürgen, nebst der latei-
nischen, die Sprache der Landlagsverhandlungen , in den siebenbürgischen Comitaten
und Szeklerstühlen auch die Dicasterial- und Gerichtssprache. Die Refornürten in Un-
gern tragen in ihren Gymnasien und CoUegien auch alle Wissenschaften ausschliess-
lich in dieser Sprache vor. Sie erhalt jetzt durch eigene Sprachforscher ilirer Nation
eine grössere Ausbildung, und von diesen sind auch die sicheren Beweise ihrer Ver-
wandtschaft oder wesentlichen Verschiedenheit von der finnischen Sprache zp er-
warten. Denn einige bestreiten noch immer die Verwandtschaft dieser beyden Spra-
chen. 2) Die Lappen oder Lapplätider im äussersten Norden von Russland, Schwe-
den und Norwegen. Sie selbst nennen sich Sabme-Ladzh ^ und ihr Land Saine~Ed-
nam; es gibt jetzt kaum 10,000, nach andern doch noch 16,400 Lappen. Schon lygg
zählte das schwedische Lappland nicht mehr als 5ll3 Lappen. Norwegen (in Finn-
marken) zählt etwa 3ooo, mid Russland höchstens looo- 3) Die übrigen Zweige der
finnischen Nation gehören bloss zu den Bewohnern des russischen Reichs. Davon le-
ben drey ganz in dem europäischen Russland, und zwar: a) die eigentlichen Finnen j
oder Suoma-Lainen (SumpfTj e wohner) , wie sie sich selbst nennen, in Finnland. Der
Russe heisst sie Tchuchonzü ^ schmutzige Leute. Eine Colonie der Finnen sind die
Quänerm Finnmarken, die durch Carl des XIL Kriege und der Russen Verwüslinigen
aus ihrem Vatcrlande vertrieben, sich in diese Polargegenden flüchteten (vergl. Abth.I.
§. 24. Note c). b) Die Esthen in Esthland, und einem Theile Lieflands. Ihr Nähme
ist germanischen Ursprungs, und bedeutet so viel als Ostländer, c) Die Lieven ^ jetzt
nur noch in geringen Überresten in Gurland am Angerschen Strande, und in Liefland
am Flusse Salis vorhanden. Ihre Sprache stirbt allmählich aus, da ihnen in lettischer
Sprache geprediget wird. Die Surjänen _, Mordwinen und Tschuwaschen wohnen
theils im enropäischcn , theils im asiatischen, die ff^ogulen _, Permier _, TVot jähen ^
Tschereinissen und Osfjäken aber ganz im asiatischen llussland.
a) Voyage liistorique et politique au Montenegro etc. Par M. le Colonel L. C. J'ialla de Som-
mieres. Paris, 1820. Tom. II. p. 17G.
b) Blick auf die slavischen Mundarten elc. ; in der W. A. L. Z. i8i3. Nr. 34 und 3.5.
c) Ungern oder Ungarn, oder gar Hungarn ? in den vaterländischen Blättern fiir den österr.
Raiserstaat. i8i5. n. S. 60. Vergl. Leipz. Llt. Zeit. In'.elligenzbl. i8i4- 245. S. 1964 ff.
Die Schreibart Unger , Ungern und Ungrisc.h ist etymologisch richtiger; denn in dem slavi-
schen Stammworle (die Nationalungern selbst nennen sich Magj-aren von jeher) kommt
kein a vor, das im Lateinischen Hungarus und Hungaria per euphoniam cingeschallet wur-
de; Unger , Ungern und Ungrisch hat die Analogie von Baier, Baiern und Bairisch für sich,
und der lange und allgemeinere Usus muss der etymologischen Ableitung, als einem höhe-
ren Sprachgesetze, und der Vereinigung bewährter Schriftsteller (z. B. eines <> Srldözer ,
Eichhorn, Grelliuanii , Mensel, <'. Schwartner , <•. Engel u. s. w.) weichen , zumal da schon
in den allen deutschen Chroniken die Schreibart Unger und Ungerland vorkommt, und in
einigen Provinzen von den Deutschen im gemeinen Leben fortwährend Unger, Ungern und
Ungrisch gesagt wird, z. B. in der Zipser Gespannschalt in Ungern.
I. Bewoliner der europ. Staaten. $. ii. In Rücksiclit auf Abstammung u. Spr. Fortsetzung. i()3
§• 11-
Fortsetzung.
V) Die lettische Nation. Zu derselben gehören : a) die eigentlichen Letten in
den russischen Gouvernements Liefland imd Gurland, und in Oslpreussenj h) die
preiissischen Litthauer ^ deren Sprache, das Preussisch-Litthauische j von der In-
ster bis nach Memel, geredet wird; c) die polnischen Litthauer oder Schamaiten ,
deren Sprache nur noch in einem TheileLitthaucns, nähmlich in Schamaiten, geredet
wird; in dem übrigen hat sie der polnischen Sprache weichen müssen; d) die alten
Preusseii j deren Sprache, das Alt-Pveussische j, vor der Ankunft des deutschen Oi'-
dens in allen den Ländern , welche nachmals unter dem Nahmen Ost- und Westpreus-
sen bekannt geworden sind, geredet, nach und nach aber von der deutschen Spra-
che ganz verdrängt ward. Der \cli\.(i Pveusse ^ der Preussisch sprechen konnte, starb
zu Ende des siebzehnten Jahrhunderts.
VI) Die Neilgriechen _, vor ihrem Aufstande nach einigen 2,022,000 , nach an-
dern über 4,000,000 Köpfe stark, wohnen theils im eigentlichen Griechenland, in
Morea , auf den Inseln des Archipelsund in andern Provinzen des osmanischen Reichs,
theils auf den jonischen Inseln als herrschendes Volk , theils in den russischen Gou-
vernements Tschernigew, J ekaterinoslaw , Chcrson und Taurien als Colonisten, theils
in Italien, Ungern, Siebenbürgen und andern österreichischen Provinzen als Kaufleute.
Ihre Sprache, das Neugriechische j ist eine Abart der so einflussreichen griechischci/
oder hellenisch-griechischen Sprache aj , die aber jetzt gewisser Massen unter die
ausgestorbenen zu rechnen ist, und nur von den Gelehrten erhalten wird. Am rein-
sten und wohlklingendsten wird das Neugriechische zu Athinia (sonst Athen) imd in
den Gegenden des Berges Athos gesprochen. Dagegen sprechen die Mainoten ein
ganz vorzüglich vcrdorl)cnes Griechisch.
TU) Die ttitarische Nation ^ welche sich von dem altaischen Gebirge an bis an
das caspische Meer, und in Norden dieses und des schwarzen Meere.s von der Donau
an bis tief in Sibirien erstreckt. Sie zerfallt in zwey Hauplzweige : a) in die südlichen
Tataren oder Tiirken ; b) die nördlichen Tataren, welche man gemeiniglich nur Ta-
taren schleclubin zu nennen pflegt. Zu jenen gehören unter andern die Osmanen j
welche als Spiiisslinge der Turkestaner ihren Nahmen von einem ilirer glücklichen
Hecrfiilirer , Osman oder Othinnn ^ erhielten, und den 2g. May i453 unter Moham-
med 11. durcli Eroberung von Constantinopel dem griechischen Kaiserthuine ein En-
de machten. Sie sind die Ilauptnation des von ihnen gegründeten osmanischen Reichs,
und unter allen türkischen Stämmen den Europäern leider am besten bekannt. Ihre
Sprache ist mit arabischen mid persischen Wörtern vermischt, und heisst daher Mu-
i'ella oder Mideinma j Buntsi-hecke , ein scheckiges Pferd. — Die nördlichen Tata-
ren sind, nach den Russen und Finnen, die zahlreichsten Einwohner des russischen
Reichs. Die meisten Zweige derselben leben im asiatischen Russland ; im europäi-
schen wohnen nur zum Tlieil die kasanischen Tataren und die J"scherkassc:i , gnnz
aljer die taurischen Tataren imd die Nogajer _, jene in Bessarabicn und Taurien,
diese in Cherson und Taurien.
2g4 1- Bewohner der europ. Staaten. §. ii. lu Pnicksiclit auf Abilanimung u. Spr. Foitsttzung,
VIII) Die Albanier j welche nicht nur Albanien bewohnen, sondern durch alle
benaclibarle Länder^ die jonischen Inseln, Dahnatien, Servien , Bidgaiicn, Romanien,
bis an die Thore von Constanlinopel zerstreut sind. Die Tiirken nennen sie Avnaut ^
sie selbst nennen sich Skipatar oder Skipitai: Zu denselben gehören auch die Cle-
inentiner in den zwey syrmischen Dörfern Herkofze und Nikinze, in der Gegend von
Milrovilz hj. Clementiner heissen sie von einem Anführer^ Clemens j der sie aus ih-
rem, von den Tiiiken unterdrückten ^'^aterlande in die Gebirge zwischen Servien und
Albanien führte, von wo sie lyjy nach Slavonien kamen. Ausserdem gibt es viele Al-
banier um Gclso und Reggio in Calabrien, und um Messina in Sicilien, wohin sie 1461
flohen, als die Tiirken die Küsten von Albanien eroberten.
IX) Die Basken j in denen sich die Spuren der Cantabrier j der ältesten Bewoh-
ner Spaniens^ erhielten, auf beyden Seiten der Pyrenäen in Spanien und Frankreich,
dort in Biscaya , Guipuscoa, Alava und Ober-Navarra, hier in Ünter-Navarra , Labour
imd Soul, im Ganzen 622,000 Köpfe stark. Die Spanier nennen dieses Volk Bascon-
gados und die Spradie Eascongacln oder Bascueiica. Bey den Franzosen heissen sie
Bnsques j und ihre Sprache la Basqiie. Sie selbst nennen sich Escualdiumc und ih-
re Sprache Euscara.
X) Die Iren oder Caledoniev j im grössten Tlieile von Irland, in Ilochschoit-
land und auf den Hebriden, Ersisch oder Gaelsch sprechend.
XI) Die Kjmfnren (Abkömmlinge der alten römischen Brilten), theils in Wales,
Cornwall, auf der Insel Man und in den sclioltischen Gebirgen von Gallo way, theils
in Nieder-Brelagne (Departement Finistcrre), wo sie sich von dem Lande ihrer Her-
kunft Bi'eyzads „ Brittcn, nennen.
XII) Die Malteser j Nachkommender Araber, auf Malta, Jiiil einem verdorbe-
nen arabischen Dialccte. Araber und Malteser verstehen sich einander. Bey Buona-
parte's Unternehnmng auf Ägypten dienten mehrere Malteser auf seiner Flotte als
Dolhnct scher.
XIII) Die Samojeden j, ein Polarvolk, an den Küsten des Eismeeres, wo sie sich
an die Lappen anschlicssen , und sich von dem weissen Meere in Europa bis an die
Lena in Sibirien erstrecken.
Ausser diesen drcyzehn Nationen loben in Europa zerstreut und ohne eigentliche
Nalionalsprache: 1) die y^/'nte/Vi'eA" in Russland, Österreich irnd der Türkey; 2) die
Juden j am zahlreichsten in den österreichischen, russischen, osmanischen und preus-
sischen Provinzen; nächst diesen vorzüglich in den deutschen Bundesstaaten, in Frank-
reich und in den Niederlanden; weniger zahlreich im biittischen Reiche, in den ita-
lienischen Staaten, auf den jonischen Inseln u. s. w. ; ihre gemeinübliche Sprache ist
ein abenteuerliches Gemisch , zusammengesetzt theils aus ihrer Muttersprache, theils
aus den Sprachen der Länder, in welchen sie sich aufhalten; 3) die Zigeuner j die
bald nach dem Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts in Europa zum \'orschein ka-
men. Sie sind jetzt am zahlreichsten in der Türkey und in den österreichischen Pro-
vinzen; nächst diesen vorzüglich in Spanien, Frankreich und Russland. Als Abkömm-
liniie einer verworfenen Art Menschen in Indien, der hindostanischcn Tschundala ^
und im hohen Grade utieinpfanglich für Givilisalion, sind sie noch immer die verach-
L Bewohner der euroji. Staaten. $. 12. lu Ri'uksiclit auf iliie koi|ictl. Eifjcnsi haften etc. jqö
tetste Meuschenclasse in Europa, wenn nicht etwa die, in den Thälern von Lüchon,
von ConuHcnges, der Provinz Bigorrc und der l^cydcn Navarra lebenden CagotSj de-
ren verpesteter Athem Abscheu , so wie ihr Äusseres Ekel und Verachlun'^ errcirt .
noch verworfener als die Lump en~ Zigeuner sind. Man lialt sie für Abkömmlinge von
Aussatzigen aus den Zeiten der Kreutzzügc. Sie sind durchgängig so verachtet, dass
kein Landesbewohuer Umgang mit ihnen hat, ja, dass ehedem die Geistlichen ihnen
die Sacra und ein ehrliches Begiabniss versagten. Wie ihre Vorfahren, diirfcn sie nur
Zimmerleute seyn , und müssen als solche die erste Plülfe bey einer ausbrechenden
Feuersbrunst leisten.
Unter dem allgemeinen Nahmen Franken versteht man die vielen Deutschen,
Franzosen, Britten, Italiener und andere Europäer, die sich des Handels wegen im
Gsmanischen Rei-che aufhalten.
a) Von dieser Sprache entwirft Adelung in seinem Mitliridates folgende» Bild ilirer Wichtig-
keit: ,, Die schönsten Blumen der Cultur des menschlichen Geistes, welche dieser jemals
getragen, sind in dieser Sprache erwachsen. Alle Wissenschaft, aller Geschmack geht von
; ihrer Pflege aus; sie hat sie dem MenschengeschJechte gegeben, und hat sie ihm erhalten,
bis dur<;li die Nacht der Unwissenheit, welche das erschlaffte oder rohe Ahenilland bedeck-
te, Funken des Lichts, durch Schriften der Griechen am Euphrat angefacht, ihren Schim-
mer über Spanien nach dem übrigen Europa zurückwarfen, und bis von Constantinopel ,
wo sich unter allen Stürmen bis zu seiner Eroberung durch die Türken, die Herrschalt der
griechischen Sprache erhalten hatte, ihre vertriebenen Kenner die Liebe zu den griechischen
Classikern nach Italien brachten, von wo dann die Wiederherstellung der Wissenschaften
beginnt, deren herrliche Früchte uns noch beglücken. Ein Zweig dieser Sprache {d\cPelas-
giar.lic) hatte einen Haupteinfluss auf das er^te Entstehen der Lateinischen, welche wiederum
die Mutter so vieler neueren Sprachen geworden, ist , und auch seine weitere Ausbildung
verdankt das Latein dem Griechischen."
b) Die Clementiner in Syrmien ; in Sarloris Länder- und Völkermerkwürdigkeiten u. s. \\.
Tbl. 4. S. 75—85.
c) S. Allgem. geogr. Ephem. Bd. 35. S. Sgo ff.
§. 12.
b) In Rücksicht auf ihre körperlichen Eigenschaften, Lebensdauer und
IN a t i o 11 a 1 - K r a n k h e i t e n.
Der Europäer gehört, mit dem Weslasiaten bis zum Obi und caspischen Meere,
zur Classc der ursprünglich If^eissen ^ oder zur kaukasischen Menschenart aj , wäh-
rend der Ost.isiat gelbbriiim oder olivenbraun, der Amerikaner kiipjerroth j der Süd-
iiidianer schwärzllchbrann und der Afrikaner scJiwar-z ist. Indessen findet selbst un-
ter den Europäern nach der Wirkung des Klima eine Verschiedenheit in Ansehung
der Farbe Statt. Gegen die blendende Weisse eines Dänen und Norwegers hat der
Lappe und Samojede eine gelbe, der Spanier, Portugiese, der Italiener, und selbst
der Croate eine braime Farbe. Die Farbe des Menschen ist indessen in statistischer
Beziehung von keiner Wichtigkeit, obgleich die Spanier, welche zuerst nach Amcii-
ka kamen, sich berechtigt hielten, die Amerikaner, wegen ihrei- kupferrothen Fuibe,
für. keine wahren Menschen anzusehen.
Sq6 I. Bewoliniir Jer europ. Staaten. §. ii. In Rücksiclit auf ihre körperl Eigenstliaften elc.
Das schönste Profil — nach dem classischen Urbilde des Schönen — trifft man
unter den Nongiiechcn, Italienern und Tscherkassierinnen an, und sogenannte En-
gelsphjsiognomlen findet man nirgends häufiger als in Dänemark und England. Da-
gegen unterscheiden sich die Lappen und Samojeden von den übrigen Bewohnern
unsers Erdlheils durch recht aufiällcnde Ziige, d\uch breite und flache Gesichter mit
stumpfen Nasen, strotzenden Wangen, kleinen und matten Augen, steifen und strup-
pigen Ilaaren, und selbst in Portugal sind regelmässige Gesichter selten, aber desto
häufiger dicke, fette, untersetzte und vierschrötige Körper, mit aufwärts gebogenen
Nasen und aufgeworfenen Lippen bj. Doch auch die Gesichtsbildmig ist in statisti-
scher Hinsicht kein wichtiger Gegenstand.
Wichtiger ist die Leibesgrösse j oder der TVuchs des Menschen, wegen des,
grössten Theils davon a])b äugenden natürlichen Maasses seiner körperlichen Kräfte,
(ra Durchschnitt erreicht der Europäer eine Höhe von 5 — 6 Fuss , und steht in der
Hinsicht nur dem Patagonier in Südamerika nach, obgleich nach Zeugnissen neue-
rer Reisenden die Patagonier keine Riesen-Nation, sondern nur wenig grösser als ge-
wöhnlich andere starke, wohlgewachsene Personen sind. Allein auch in xAnsehung der
Grösse gibt es Verschiedenheiten unter den Europäern. Vom grössten Schlage sind
die Germanen, besonders die Deutschen ^ Schweizer und Schweden j vornehmlich
die Dalekarle (Thalkerle), Schwedens Giganten; ferner die Slaven, besonders die
Slovaken j Croaten und Dalmatiner ; dann die Ungern j Lombarden^ jilbanier ^
Osmaneti und Tscherkassen. Klein und unansehnlich sind dagegen die Lappen und
Samojeden j die, gleich den Ostiaken, Esquimaux und Grönländern , nur 4 Fuss mes-
sen. Über den 65. Grad nördl. Breite, wo der Boden kaum eine Spanne aufthaut,
schrumT)ft der Mensch zusammen und wird klein.
In Ansehung der körperlichen Kraft und Stärke zeichnen sich die Bewohner
des gemässigten imd kalten Landstriches von Europa vortheilhaft vor jenen des südli-
chen imd arktischen aus. Doch findet man Beyspiele von ausserordentlicher Stärke auch
bey südUchen Nationen, z. B. den Arbcitsleuten der italienischen und spanischen
Seehäfen.
Nebst der Stärke ist auch die Abliärtung statistisch wichtig. Durch diese Eigen-
schaft unterscheidet sich vorzüglich der Russe. Das strenge Klima, das viele Baden,
nach welchem die Russen aus der grössten Hitze sich in die grösste Kälte wälzen,
härtet Leib und Seele der Nation so ab, dass der Russe zu einer völligen Fühllosig-
keil iacllnirt, und nur sehen krank ist. Dieser Eigenschaft verdankten die Russen im
J. 1812 vorztiglich ihren Sieg über die Franzosen, die den unerwarteten Grimm der
Elemente nicht zu ertragen vermochten. Dagegen übertreffen die Franzosen andere
Nationen an Gewandtheit und Leichtigkeit j Eigenschaften, denen sie ihre Fertigkeit
in köiuerlichen Übungen und den Flor ihrer Manufacturen, so wie zum Theil jene
ausserordcnüichen Resultate verdanken, welche ihre Armeen bis l8og herbeygeführt
hallen."'
Was die Lebensdauer der Europäer betrifft : so ist sie allerdings sehr bedeu-
tend , welches für eine Folge der öffentlichen Gesundheilspflege , vorzüglich aber des
von der Natur begünstigten Gesundheitszustandes der Bewolmer dieses Erdtheils an-
I. Bewohner Jcr europ. Staaten. §. 12. In Rücksiclit auf ihre koi[ierl. Eigenschaften etc. jöfc?
gesehen werden muss. Im Durchschnitt erreiclit von 10,000 Europäern Einer das'iU-
tcr von 100 Jahren, mul das Lebensalter manches Einzehien, besonders aus dem kal-
ten und ^enuis.sijncn Landstriche, steigt noch bedeutend höher. So haben z. B. in
Russlaiul. im J. iöo8 unter 891,652 Gestorbenen 3538 Menschen das gostc Jahr riber-
lebt; von g5 — 100 Jahren sind gestorben i3o6; von 100 — io5 Jahren: ig5; von io5
— 110: 82 u. s. w. Einer hat sogar das löoste Jahr erreicht ij. In Sc/wit/and gebar
einem 106 Jahre alt gewordenen Manne seine zweytc unbescholtene Frau noch nach
seinem gosten Jahre zwey Kinder dj.
An NationeUkrankheiten endlich , und zwar : am Weichselzopf oder TVlclitel-
zopf (kolton, plica polonica) , leidet sehr der Pole ej , am Scorbiit der Finne und
Walache/^, an der Krätze der Asturier, Bretagner und Pole, an der Badesjge
(Schuppenseuche, nordischem Aussatze) der Norweger imd Schwede gj , an der
Bvandblatter (in Ungern Pokolvar genannt) der Bewohner des südlichen ebenen Un-
gerns lij , imd der Cretinisinus mit seinen Schattirungen wird in Gebirgsländern häu-
figer, als in ebenen Gegenden angetroffen iJ. Vorzüglich herrschend ist er in der
Schweiz, in Savoyen, in Piemont, Kärnthen , Steyermark und Salzburg. Gewisse
Landschaften in Savoyen, Wallis und Graubündten sind dadurch auf ii'aurige Weise
berühmt geworden.
ö) Hr. BZumereiacA rechnet in seiner Abhandlung de generis humani varietate naliva , welche
er 1781 herausgab, zu der Classe der ursprünglich Weissen alle Europäer, selbst die Lapp-
länder mit eingeschlossen. Hie als Finnen, eine mit den Weissen gemeinschaftliche Ab-
kunft haben,
fc) S. Götting. gel. Anz. März 180g. S. 459 ff.
c) S. Allg. geogr. Ephem. Jänner 1811. S. 107 ff.
d) S. Allg. geogr. Ephem. Bd. 24. S. Sog.
e) S. Observations sur la Plique ; par A/. Bojer ; in dem Nouveau Bulletin des sciences,par la
societe philoniatique. Mars 1808. Nro. 6. S. 110 — ii2. Vergl. das Intelligenzbl. des Jour-
nals Rir die Chemie, Physik und Mineralogie etc. ; im 5. Bd. desselben Journals. S. i2i
— 123. — (Abhandlung) vom wahren endemischen Weichselzopf der Menschen, nähmlich
der Polen und der polnischen Juden; in J. H. G. Schlegei's Materialien fiir die Slaatsarze-
neywissenschaft und praktische Heilkunde. 5. und 6. Sammlung. Vergl. H. A. L. Z. Nr. 70.
März 1808. S. 558. — Neueste Ansicht des Weichselzopfes in seiner Grundursache. Ein
Beytrag zur Geschichte , Natur , Eigenschaft und Ileilart desselben in der Gegend \ on Kra-
kau. Von Th. E. Chronvy , Edlen f. Ruhnifeld etc. Freyberg, i8i3. Nach ScklegeVs Beob-
achtungen leidet in Polen im Durchschnitt der siebente Einwohner männlichen Geschlechts,
oder überhaupt etwa der vierzehnte Mensch am Weichselzopfe, und nach C/tromy , Edlen
c. Ruhnifeld , sterben an den Folgen dieser Sarmatischen Krankheit im Durchschnitte unier
25,000 Menschen jährlich 3o — 5o.
/) Nachrichten \om Scharbock , welcher im J. i8o3 in mehreren Gespannschaften von Ungern
beobachtet wurde, nebst Beyträgen zur Geschichte des brandigen Ausschlags, \velcher in
Ungern Pokolvar genannt wird. Von Fr. i>. Schraud etc. Pesfh , 1804. 8.
g) Morbus, quem Radesjge (Schuppenseuche) vocant, quinam sit, quanamque ratione ex
Scandinavia toHendus ? Commeutatio auct. Fried. Holst. Christiaiiiae. 8. Vergl. H. A. L. Z.
91. 1819.
Ä) S. Fr. V. Schraud's Nachrichten vom Scharbock a. a. O. — Der Tsömör, aus welchem aus-
ländische Ärzte eine eigene ungrische Krankheil machten, und das uiigrische Übel, das Zip-
38
2y8 I. Bcwoliuer der euiop. Staaten. ^. i3. Kach ihrem Naiionalcliarakter.
serferkel nannten, ist. nichts anders als ein fieberhaftes Übelbefinden , wobey alle Glieder
abgeschlagen scheinen, und das meistens aus Überladung des Magens herkommt, beson-
ders von fetten Fleischspeisen , wenn sie mit einer grossen Gierigkeit in Menge genossen ,
und viel Wasser darauf getrunken wird. Durch anhaltendes Fasten und hinlängliche Bewe-
gung vergeht es meistens von selbst.
i) Über die Ursachen des Cretinismus im Canton Aargau und in der Schweiz überhaupt; in
den Miscellen fiir die neueste Weltkunde. Nr. loi und io2. i8i4- — Traite du Goitre et
du Cretinisme precede d'un Discours sur l'influence de l'air humide sur l'entendement hu-
main ; par F. E. Fodere etc. Paris An VIII. 8. Vergl. Götting. gel. Anz. i8oi. S. 224 — 23o.
Der Verfasser behauptet, dass der Kropf jenen harten Zustand des Hirns bewirke, in wel-
chem der Cretinismus bestehe. — Der Cretinisnnis , philosophisch und medicinisch unter-
sucht. Von D. A. C. Iphofen. Dresden, 1817. gr. 8. Nach des Verfassers Beobachtungen
kommt nicht überall, wo Kröpfe endemisch herrschen, auch der Cretinismus vor, und auf
der andern Seite ist der Kropf ein zwar den Cretinismus sehr häufig begleitendes, aber kein
constanles Symptom desselben. — Der Nähme Cretinismus stammt von cretina, d. h. elen-
des Geschöpf; so werden die unglücklichen Opfer dieser Rranklieit in Graubündtcn ge-
nannt. In Savoyen werden die Crelins , diese verunstalteten, zum Theil bis zum tiefsten
Grade des Thierischen und Seelenlosen ausgearteten Menschen, Christiane (s. Crome a. a.
O. S. 626), in Salzburg Fexen j in Steyermark Drotleln , Dostehi, Tapeln oder Talken, und
in Kärntheii Garri , Dogger, Dosten, auch armes Hüscherle genannt. Übrigens gibt es sehr
verschiedene Grade der Cretins.
§• i3.
c) Nach ihrem Nationalcharakter.
Jede Naüon wird dui'cli ihre besondere Lage und Ctdttir zu einer gewissen Denk-
und Handkmgsart bestimmt, wodurch sie sich von andern Nationen unterscheidet,
die ihr also eigenthümUch ist, und ihren ISationalcltaraktei' ausmacht. Dieser Ge-
genstand ist einer der wichtigsten in der Statistik, wesenthch nothwendig zur Würdi-
gung der Einwohner eines Staates, besonders fiir den Staatsmann, den nvir eine rich-
tige Kenntniss der Beschaffenheit der Staatsangehörigen belehren kann, ob und wie
er als Lenker des Ganzen auf sie einwirken, was und wie viel er von ihnen zum Be-
sten des Staates erwarten kann. Auch hat der Charakter eines Volkes grossen Einfluss
auf seine politische Geschichte und Verfassung, so wie diese, nebst Klima und Erzie-
hung, wieder rückwärts auf den Charakter wirken. Aus den dahin gehörigen That-
saclien können aber in der Statistik nur solche ausgehoben werden, welche auf einen
Staat zu seinem Vortheile oder Nachtheile wirken, und die Grundzüge zu dem Ge-
mählde des Nationalcharakters ausmachen.
Ln Gegensatze der Asiaten, Afrikaner, Amerikaner und Südindier sind die Eu-
ropäer, im Ganzen genommen, am meisten cultivirt und aufgeklärt. Wie sehr verschie-
den sie aber hierin imter einander sind, wird folgende Charakteristik lehren.
1) Das Temperament der Deutschen hält, wie die Temperatur ihres Klima's,
das Mittel zwischen sanguinischer Flüchtigkeit und phlegmatischer Langsamkeit. Die-
se Mittelbewegung ihrer Lebensgeister stimmt sie zur Bescheidenheit im Umgange
und zti einem milden Ernst in ihrer ganzen Art zu seyn; zu einer Geduld und Be-
harrlichkeit in ihren Arbeiten, die man bey andern Nationen viel seltener findet, so
I. Bewoliner der europ. Staaten. §. i3. Nach ihrem ^'al^onalcllarakl^.■r. Sqq
■wie ZU einer gewissen naiüilichen Gutmütliigkeit nj , die, ausser einem leicht crrcg-
Laren Mitgefühle fiir Leid und Freude unserer Nebengeschöpfe , sich insbesondere
auch dadurch äussert, dass die Deutschen, selbst von Leidenschaft ergriffen , nicht
sobald zur äussersten Heftigkeit aufbrausen, auch sich unter allen civilisirien Völkern
am leichtesten und dauerhaftesten der Regierung, unter der sie sind, fugen, und am
meisten von Neucrungssuclit und Widersetzhchkeit gegen die eingeführte Ordnun«
entfernt sind, ob sie gleich ein tiefes und lebendiges Gefühl für Recht und Unrecht
haben. Ein alter Ruhm der Deutsclien ist Gastfreyhcit , Treue und gerader Sinn, ver-
bimden mit dem reitzbarsten Gefühle für Ehre. Wegen ihrer vielen Kriege — denn
Deutschland ist wegen seiner Lage der Hauplkriegsschauplatz Euro]>a's — sind sie
sehr geschickte und tapfere Soldaten. Die Talente ihres Geistes, die Tiefe ihrer For-
schungen, und die bey mehreren an das Wunderbare gränzende Abstractionsgabe be-
urkundet die Literatiu' luid die Geschichte der Erfmdungen. Sie lernen leicht Tmd
gut jede fremde Sprache, imd kennen unter allen Europäern das Ausland am besten.
Sie sind daher empfänglich für alles hemde Gute und gerechter in ihrem Urtheile dar-
über,'als jede andere Nation; werden aber auch darüber nicht selten unachtsam und
tmgerecht gegen das Einheimische; schätzen an dem Auslande zu viel, an sich zu we-
nig und ahmen das Fremde zu gern nach, weil ihnen der Stolz fehlt, ohne Nachah-
mung deutsch zu seyn bj. Aber indem die Deutschen nicht bloss Gegenstände des
Auslandes sich zueignen, sondern auch mit der grössten Gutmüthigkcit andern Völ-
kern, was sie bedürfen, gern wieder geben: werden solche allen Nationen des Erd-
balls um so brauclibarer und nützlicher, auf auswärtigen Regenten-Thronen eben so-
wohl, als im Kriege, auf Lehrkathedern , in technischen Werkstätten, im Bergbau
und in Nvitzbarmachung öder Ländereyen. Um so mehr ist der sittlichere , gebildetere
Deutsche Jllweltbür^er j ohne seine Pflicht gegen den Staat oder das Volk, dem er
angehört, zu vergessen c). Leetüre, Musik, Tanz und Schauspiel sind die in Deutscli-
l-and besonders gesuchten Vergnügungsarten. Die böse Neigung ziun übermässigen
Trünke, die man vormals den Deutschen vorwarf, hat sich fast ganz verloren , und es
ist eine Schande, unter ihnen betrunken zu seyn. Dagegen tadelt man an ihnen noch
immer die Rang- und Titelsucht. Übrigens sind Deutsche von Deutschen selbst nach
Ländern vuid Gegenden in vielen Stücken höchst verschieden. Der Norddeutsche un-
terscheidet sich im Ganzen von dem SüddeutscJien durch geringere Lebhaftinkeit des
Gefühls, schwächere Phantasie, grösseres Phlegma, weniger Witz und Genialität-
dagegen aber auch auf der andern Seite diu-ch grösseren Ernst, durch Genügsamkeil,
Verständigkeit imd grösseren Eifer für die Wissenschaften.
2) Die Hauptzüge des Charakters der Schweizer sind Fleiss, Treue und Redlich-
keit, Offenheit, Massigkeit, Gastfreyhcit und ausgezeichnete Tapferkeil, feste An-
hänglichkeit an ihre alten Gewohnheiten, Sitten, Verfassung, und daher rührende
Unbeugsamkeit, Freyheitsliebe, Liebe zum Vaterlande bis zum tödtlichen Heimweh,
Rehgiosität, und in Sprache, Lebensart, Kleidung, in dem geselligen Betragen, be-
sonders in dem öffentlichen Urtiieile eine Einfalt und Strenge , die man anderswo sel-
ten antrifft, obgleich in den Fabrikstädlen und den an Frankreich granzenden Gegen-
den schon Luxus und erschlaffende Verfeinerung eingerissen, und der bekannte Kilt-
5ö*
3oo I- BeTfolinnr der eiirop. Staaten. §. i3. Nach ihrem Natlonalcharaktcr.
gang eben nicht idUlisch unschuldig ist. Auch wirkt das sogenannte Reisslaufen der
Schweizer, oder die BereilwUiigkeit dersell)en in fremde Kriegsdienste zu treten, und
mehr noch die Rückkehr aus denselben in's Vaterland, nicht immer wohlthälig auf
ihren Charakter; daher es in der Schweiz verhältnissniässig mehr Duelle gibt, als an-
derswo. Von der so oft gerügten Prellerey der schweizerischen Gastwirthe iheilt Ilr.
Heinse mehrere Beyspiele mit dj. Stark an Geist sind die Schweizer zu allen Kün-
sten und Wissenschaften, die Scharfsinn imd Nachdenken erfordern, aufgelegt, und
einzelne Schweizer haben sich in allen Fachern der Gelehrsamkeit ausgezeichnet.
3) Die HolländfV sxndi kaltblütig bis zum Phlegmn , äusserst bedachtsam, und
nichts kann sie aus ihrer Fassung bringen, als die Gefahr ihrer Freyheit, die sie über
alles lieben. Dabey sind sie mehr zurückschreckend als anziehend. Aber ihr Herz ist
der edelsten Freiuidschaft fähig, und jener Gewinnsucht und Geldgierde ungeachtet,
die in ihnen schon bis zur Natur gewurzelt, Liebe zur Ordnung, Massigkeit, Arbeit-
samkeit und Sparsamkeit erzeugt, sind sie treu ihrem Worte und dienstfertig und
wohlihätig ohne Prahlerey. Reinlichkeit ist ihre erste Nationaltugend , die sie aufs
höchste treiben ej , wozu sie aber durch die Luft ihres Landes genölliiget wer-
den, um nicht in Moder zu ersticken. Nicht allein ihre Häuser luid Möbeln werden
äusserst rein gehalten, sondern auch die Strassen iii den Städten und Dörfern, die
Ställe, die Wirlhschaftsgerälhe imd das Vieh selbst. Ihr iniellectueller Charakter ist
philosophisch-praktisch; die rein speculativen Untersuchungen, die sie in ihrer Spra-
che Haavklovereyen (Haarklaubereyen) nennen , liegen ilinen zu weit jenseits des Ge-
biets des unmittelbaren Nutzens , in welches sie ihr politischer und nalionell-er Cha-
rakter gleich stark hinzieht. Der Boden ihres Landes verlangt niedrige Gebäude, und
der Mangel an Platz verwelu't ihnen grosse Anlagen; diess hat den holländischen Ge~
schmack erzeugt, der kleinlich und bunt, al)cr sauber und vollendet ist. Ein Naiio-
nalvergnügen ist die Bliunenliebliabei ej , die in Holland weiter geht als sonst irgend-
wo, und sogar einen nicht unhclrächllichen Handel veranlasst. — Die Belgier sind
ebenfalls gewerbsam, dabey sehr tapfer; a!)cr störrig , unruhig, immer nnt der beste-
henden Regierung im Streite liegend , imd nach Neuerungen trachtend jj , in Reli-
gionssachen unduldsam und in den südlichen Gegenden verfranzösirt. Daraus lässt sich
erklären , warum die Bewohner der nördlichen imd sudlichen Niederlande sich nicht
leicht und willig in die Verschmelzung zu Einem selbslständigen Staate finden, wozu
Lage; Nachbarschaft und gemeinschaftliches Interesse sie doch so lc!)haft auffordern.
4) Die Dänen sind bedächtig, in ihren Unternehmungen beharrlich, in Gefah-
ren herzhaft und entschlossen, d;ibey höflich, gefällig und gesellscJiafilich, gastfrey
und niildlhälig, patriotisch gestimmt, und sehr ergeben gegen ihren König. Ein ge-
wisses Phlegma, das mit ßemerkungskraft , Fassungskraft, ruhiger urid gründlicher
Beurtheihmg verbunden ist , scheint ihren Hauptcharakter auszumachen. Dagegen ta-
delt man an ihnen Liebe zur Gemächlichkeit, zur Pracht und zu ausländischen Sitten
und Modön , so wie Rang- und Titelsucht und Gleicbgiiltigkeit gegen das Leben. Die
Zahl der Sell)stmorde ist, nächst England, in keinem Laude Europa's so gross, wie
in Dänemark , vornehmlich in der Hauptstadt gj dieses Reichs. Die Dänen bediwfen
1. Bewoliaer der ciirop. Staaten. §. i3. Nach itiiem NationaIcl^a)faktel^ 3oi
ilir Klima don Appetit zum Essen, und der Gebrauch des Kornbranntweins ist in Dä-
nemark, so wie in Schweden, Norwegen nnd allen nordischen Landern, in allen ilaiis-
haltnni,'en allgemein, nnd selbst Frauenzinnner, besonders der etwas bejahrlere Thed,
schämen sich nicht eines massigen Genusses desselben.
5) Die Schweden sind munterer als ihre Nachbarn, die Dänen, doch ernsthaft
und zurückhallend, dabey treu, redlich, arbeitsam und sparsam. Hcn Ilniim sUcilba-
rer und tapferer Kriegsleute haben sie von jeher behaupiel. Ob sie gleich gerne rei-
sen und Ausländer nachahmen, so heben sie doch ihr Vaterland und ihre Freiheit. In
einem besonders hohen Grade herrscht freyer Sinn und Gemeingeisl im Tludlunde
(Dalecarlien). Ihren intellectuellen Charakter haben die Schweden durch Werke wis-
senschaftlichen Scharfsinnes genugsam beurkundet, um ihnen unter diren germani-
schen Brüdern nicht den unterstezx Rang anzuweisen. Aber sie haben auch ihie Feh-
ler; sie sind dem Tiunke ergeben, und lieben äussern Glanz, selbst auf ihren Sär-
gen hj. Den verfeinerten Theil des schwedischen Volkes, den man in Stockhobn Con-
centrin iindet, charakterisirt ein Wesen, welches Eiskälte, Misslrauen , Scidaidieit
und Tücke hinter sehr zuvorkommender Höflichkeit undFreiuidlichkeit verbirgt. Chi-
kanen, Cabalen und Intriguen gehören bey ihm, wie die schwedische Geschichte
lehrt, zur Tagesordnung, und nicht leicht hat ein Reich seine Regenten und Verfas-
sung öfter verändert als Schweden ij. Auch ist keine Stadt in Europa so reich
an geheimen Gesellschaften und Orden, wie Stockholm. — Die Norweger oAcr IS or-
niäiirter sind munter und rasch, offenherzig, bieder, muthig und streitbar, einfach
in Sitten, zufrieden mit wenigen Naturgeschenken und gastfrey; sie hallen sehr auf
ihr Vaterland und ihre Freyheit, sind aber stolz bis zur Verachtung anderer Natio-
nen. Als charakteristisch verdient ihr Hang ziun Salyrisiren und Komischen bemerkt
zu werden. Sie sind vorzügliche Schützen, und von der Natur zu mechanischen Kün-
sten geschickt, wie fast alle Bergbewohaer. Auch sind sie treflfliche Seefahrer. An der
norwegischen Scheerenküsle, Dänemark gegenüber , wohnen \ielleiclit die besten
Lothsen auf.der Welt; aber ihr Leben ist so gefahrvoll, dass ihre Frauen bisweilen
sechs- bis achlmahl sich verheiralhen kj.
6) Die Engländer unterscheiden sich von aftdern Nationen durch Freysinn, Ach-
tung für's Gesetz (die freilich nicht selten mit dem Kleben am Buchstaben des Gese-
tzes veibunden isl), Geringschätzung jeder Art von Gewalt, als solcher, besonders der
niiliiärischen , durch Gemeingeist und Anhänglichkeit an die alte Form; aber auch
durch Partevgeist, Stolz und Verachtung alles Ausländischen, grobes und trotziges
Betragen, Airoganz, Neigung ziun Sonderbaren und Hang zu Übertreibungen in poli-
tischen, religiösen und niorahschen Dingen. Versland esliefe und Genialität bilden ih-
ren intellectuellen Charakter. Menschlichkeit und edles Billigkeitsgefuhl bezeichnen
ihren moralisclien Charakter im Zustande der Ruhe; unlenkbare, alles übertreibende
Ilefiigkeit im Znslande gewaltsamer Empfindung. Sie sind nicht gesellig, nicht mit
Gclälligkeu ziivorkonnnenJ ; aber eine zutrauliche Bitte macht sie äusserst dienstfer-
tig; sie verlangen 7>uiiaiien und suchen es zu verdienen. Nur wo sie Nuth und Ge-
fahr sehen , l)edenken sie sich keinen Augenblick zu helfen. Trotz ihrer Ungesellig-
keit, besuchen sie, um des Staats-, noch mehr aber um des Handelsintercssc willen,
3o2 I. Bcvvoliner der europ. Staaten. §. i3. Nacli ilircm Kationalcliaralvter.
uniufhörlicli Clal)s- lui.l KaiFcliliaiiser, und können ihre geschäftigen Zusamm'^n-
künfie nicht ohne Tafell'reude besclihcssen. Sie geniessen gerne recht fette animali-
sche Speisen und starke Getränke, und essen niad trinken mehr als irgend eine Nation
in Europa. Allein dieser Genuss, verbunden mit der eigenen LuflljeschalTenheit des
Landes, und mit vielen andern, auf Geist und Gerflüth naclitheUig wirkenden Ursa-
chen , erzeugt diejenige englische Krankheit , welche die Brillen selbst the eiiglish
Maladj nennen, nähndich den in England einheimischen Wahnsinn, sich das Leljen
zu rauben IJ. Das Wohlleben ist hoy ihnen in allen Ständen gemein, und eine Folge
ihrer Reichthiimer mj , fiir deren Erwerbung sich ihre Thäligkeit um so lieber hin-
gibt, ihre ausgezeichnete Erfindungsgabe um so lebendiger zeigt, und ihr Specida-
tionsgeist um so luaternehmender ist, je mehr Geld und Güterbesitz ihnen zugleich
einen grossen Einfluss in die politische Verfassimg geben; daher die in England gang-
bare Phrase: „der Mann ist so und so viel Pfund werth" (he is worthj looo P-) , an-
statt: er ist so und so viel Pf. reich. Ihre Redlichkeit, mit ilirer Wahrheitsliebe ver-
bunden, macht sie leichtgläubig, und ihr politischer Charakter neugierig; daher ihre
vmgcheure Zeitungs- und Journal-Lesewulh, die alle Stände mit dem Gange der po-
litischen Wellhändel inid mit den tausenderley Gerüchten darüber stets bekannt macht.
Ihren Miith und ihre Tajiferkeit haben sie in unsern Tagen so herrlich erprobt , dass
dadurch Englands Militärruhm weit über alles, was man davon bisher erkannte, er-
hoben ward. Fast alle ihre National-Vergnügungen haben Bewegung und Stärkvmg
des Körpers zur Absicht. Hierzu gehören: das Boseln j wobey auf einem kurzen rei-
nen Rasen schwere Kugeln nach einem Ziele geworfen werden; die Ballspiele j von
welchen sie mehrere Arten haben, und grosse Freunde sind; das Springen, Ringen,
um die Welle laufen u. s. w. Das Wetten ist unter ihnen sehr gewöhnlich, und auch
dazu geben ihnen ihre Belustigungen Gelegenheit. Das Pferderennen ^ um desswU-
len sie die schnellsten Rennpferde auf der Erde ziehen; das Halmengefecht j wozu
man den stärksten und zornigsten Hähnen noch Sporne an die Beine befestigt; die
Ochsenhetzen , die nicht minder grausam als die spanischen Slicrgefechte sind, und
ihre Boxer von Profession, die sich mit Fäusten oft bis auf den Tod schlagen, sani-
eren ihre Neigimg zum Wetten noch nicht, und sie wetten über die unsinnigsten Ein-
fälle. Bessere Züge in ihrem Charakter sind ihre Religiosität, ihre Achtung fiir das
Talent, und ihre Geneigtheit, die Bcnüihungen geschickter Männer zu unterstützen
und zu belohnen, so wie ihre Neigung zimi Mitleid, zum Wohlthun und zur Men-
schenliebe, die sie selbst gegen Ausländer nj und INlissethäler zeigen. Gegen diese
guie Seite sucht jedoch sehr ab, ihre lief gewurzelte Intoleranz gegen die Katholiken
in Irland. Auch findet in England noch immer, obgleich nur selten und meistens un-
ter der niedrigsten Volksclasse , die l)arbarische Sitte Statt, dass Ehemänner ihre
Frauen mit einem Stricke um den Hals auf den öffentlichen Markt fiihren, und an-
dern feill)iclhen.
y) Die Schotten zeichneten sich ehedem durch die abstechendsten Sitten von den
Ennländern, ja von allen Nationen Europa's aus. Seit der Vereinigung ihres Reichs aber mit
En-land haben nur die nördlichen Bewohner des J^andes, d\c f/ochländer oder Berg-
schottejij ihre alten eiuflichen Sitten beybehallen; der ganze übrige Theil der Nation oder
I. Bewoliuor der curop. Sl-iatcn. §. i5. IN'acli ilircm NalicuaIc!:ariiUcr. 3o3
6\e Niederländer haben sich mehr der engUscheii An und Lebensweise genähert. Doch
haben die Engländer den Vorzug in demjenigen, was dem Leibe behaghch ist, die
Niederländer dagegen in dem, was den Geist biklot, besonders zeichnen sie sich
aus durch wissenschafthche Bildung in den Slaalsämiern , so wie in dem Heere durch
Sparsamkeit und Nüchternheit, und ü])erall durch ihr Zusammenhalten. Dabey sind
sie höflicher, gefälliger imd gastfreyer, kliiger und gewandter als die Engländer. —
Die HocJdänder oder ßergscliotlen sind ein biederes und rauibiges Berg- und Hir-
tenvolk, in geistiger Bildung zwar zurüAsichend, doch nicht roh, liebend die Dicht-
kunst, vorzüglich in Ossianischen Heldenliedein , den Tanz und die Musik im Gesang
und der nationeilen Sackpfeife, die an die Stelle der Ofsianischen Harfe trat; dabey
nationalstolz, religiös, freundlich und gastfrey. Ihre alle vaterländische Kleidung ist
auffallend oj. Ihre Fehler sind Aberglaube und Hang zum Trünke pj.
8) Die Irländer sind verständig, liölUch und dienstfertig, äusserst gastfrey, fröh-
lich, gesellig und mitibcilsam. Dabey sind sie sehr verschwiegen, neugierig und ver-
stehen zu scherzen, ohne anzüglich zu werden oder zu spotten. Al)er sie trinken
stark, lieben sehr das Spiel, luid sind so nachlässig und sorglos, dass sie den Werth
der edlen Zeit nicht zu kennen scheinen, und das Nöthige immer später als in an-
dern Ländern verrichten. Auch beschuldigt man sie einer zu Tumulten aufgelegten
Gemüthsart. Diese und andere Fehler, die man ihnen vorwirft, sind jedoch mehr
Folge des schmählichen Druckes, unter dem sie seufzen, als organisch, und eine
glücklichere Lage könnte den herrlichen Anlagen dieser Nation eine dem Staate vor-
theilhafiere Richtung geben. Es drückt die Irländer das Gefühl, dass andere dort ern-
ten , wo sie gesäet haben. Unsäglich ist die Armuth der irländischen Bauern (cot-
lievs). Sie wohnen in eleaden Hütten, haben fast gar kein Geräth, Hadern anstatt der
Kleider, und ihre Kinder sind entweder nackt oder zerlumpt: ihre Nahrung bloss
Kartoffeln, ohne alle Zuthat, nicht eimual Salz, höchstens haben sie Buttermilch ,
welche ihnen alles andere ersetzt q ). Im Ganzen ist der Charakter der Nation ach-
tungswürdig. Sie hat geistreiche und scharfsinnige Schriftsteller hervorgebracht , mid
von ihrer ausgezeichneten Tapferkeit zeugen der See- und Landdienst Grossbritan-
niens und fremder Reiche.
a) In den Erzählungen und Nachrichten der französischen Soldaten und Ausgewanderten
werden die Deutschen durchgängig als ein gutes, grossmiithiges und gastfreyes ^^olk ge-
schildert. S. Österr. Boob. i8i5. Nr. 5o. S. 277 , und 1816 Nr. 2g4. S. i558.
b) ,,Nie war," sagt ein acht deutscher Dichter zu seinem Vaterlande, „gegen das Ausland ein
anderes Land gerecht wie du! Sey nicht allzugerecht. Sie denken nicht edel genug, zu se-
hen, wie schön dein Fehler ist." Also Mangel an Nationalstolz wirft man den Deutschen
vor. S. Leipz. L. Z. i8i3. 3i. S. 241.
c) S. Kieler Blätter. 2. B. 1. H. Kiel 1816. S. 37. ff.
d) Reisen durch das südliche Deutschland und die Schweiz in den Jahren 1808 und 180g.
Mit Bemerkungen und Beyträgen zur Geschichte des Tages , von Gottlob Heinrich Heinse,
2. Bde. 8. Leipzig. Vergl. H. A. L. Z. i8i3. 107. 108. 10g.
e) Besonders Avird die Reinlichkeit in dem desshalb berühmten schönen und reichen Dorfe
Broek in der Provinz Holland übertrieben, dessen Einwohner in der Sorgfalt für die Rein-
lichkeit so weit gehen, dass sie die in ihre Häuser Eintretenden zwingen, ihre Sliefel oder
3o4 I. Bewolmer der europ. Staaten. §. 14. Nacli ihrem Naliooilcliaralitcr. Fottsetzuug.
Schuhe aus- und dardr Panloffcla anzuzieJicii , die vor jed.-r Thiire stehen. S. Österr. Beob.
1811. Nr. 299. Vergl. H. A. L. Z. 1808. Nr. 278. 6. 188. ff.
/) S. Pülit. Jour. Aug. 1816. S. 717 und Dec. 1816. S. 1071. ff.
g) Nach lim. Callisen entleibea sich in H'ypeiiha'^en jährlich gogen 100 Menschen, oder un-
ter looo Einwohnern wird jährhch Einer zum Selbstmörder. S. H. A. L. Z. 1811. Nr,
224. s. 845.
A) S. Geist und Charakter des | achtzehnten Jahrhunderts. Von D. Jeiilsch. Berlin , 1808
Th. 2. S. 3i8.
1} Über den Charakter des schwedischen Volks und Adels ; in dem Polit. Jour. 1818. März
i8i8. S. 23g ff. ; eigentlich S. 242 — 244.
k) S. Götting. gel. Anz. 1810. St. 161. S. 1608.
l) Dr. friedr, ßenj. Oslander über den Selbstmord, seine Ursachen, Arten, medicinisch-ge-
richtliche Untersuchung und ^die Mittel gegen denselben. Eine Schrift sowohl fiir Polizey-
und Justizbeamte, als für gerichtliche Ärzte und Wundärzte, für Psychologen und Volks-
lehrer. Hanover. gr. 8. Vergl. Götting. gel. Anz. i8i3. St. 54.
m) Aber diese Reichthiimei werden bey vielen auch die Quelle der Eitelkeit und Pracht, der
Verschwendung und verdorbener Sitten. Der Hang zum Wohlleben erstreckt sich sogar auf
die geringsten Volksclassen , die selbst in theuern Zeiten bey der gewohnten Lebensart be-
harren , welches sie durch die Armentaxen auszuführen im Stande sind. Aber eben die sy-
stematische, fortdauernde Unterstützung gibt Aussichten, welche die Armuth selbst zum
Erwerbmittel machen, und veranlasst daher eine immer fortschreitende Vermehrung der
Hülfsbedürftigen. In der That! es gibt, neben einer grossen Anzahl von Privatpersonen ,
welche ein Vornaögen oder Einkommen besitzen, das in andern Ländern höchst selten, in
vielen gar nicht anzutreffen ist, in keinem Lande verhältnissmässig so viel Arme und Bett-
ler, Diebe und Gauner, als in England. S. Allg. geogr. Ephem. B. 22. S. 8.3.
n) Zu Unterstützung der, in Folge der Kriegsbegebenheiten vom J. i8i3, Verarmten wurde
aus England bloss nach Deutschland , besonders nach Hamburg , eine Summe von 195,000
Pf. St. gesendet.
o) Die schottländischen Beintrachten ; in Archenholz ens Minerva. Bd. 1. für das Jahr 1807.
S. 186 — 192.
p) Man fragte einen Bergschotten , was ihn am meisten glücklich machen könnte ? Die Ant-
^vort war: a kirk o' sneesin an a well o' whisky : ,,eine Kirche \o\\ Tabak und ein Brunnen
voll Whisky" oder dortigen Branntweins. Und was noch ausserdem ? inair sneesin an tnair
whisky: „mehr Tabak und mehr Whisky. S. Geist und Charakter des achtzehnten Jahrhun-
derts a. a. O. S. 218.
i,) S. Ergänzungsbl. z. J. A. L. Z. 1818. Nr. 56. Vergl. Österr. Beob. i8i5. Nr. 24. S. i34.
§• 14-
Fortsetzung.
g) Die Italiener sind leLIiaft und reitzljar, mit viel Phantasie begabt und talent-
voll, mitnler, fröhlich, gefallig, dienstfertig nnd mitleidig gegen Arme und Ungliick-
liche; aber in allen ihren leidenschaftlichen Äusserungen äusserst heftig, in die ge-
wallsainsten Pantomimen , in Wuth und Wahnsinn ausartend ; dabey verschlagen, rach-
süchtig aj und dem Aberglauben ergeben. So wie die Franzosen im Conversations-
Geschniack vorzüglich sind, so sind es die Italiener im Kunstgeschmack 5 auch haben
sie euie gewisse, in andern Ländern seltene Ehrfurcht vor Kunstwerken, tuid niiss-
haudeln sie nie. Dabey haben sie in vielen Künsten tmd in dem Handel wichtige Er-
l. buwuhuer dei euro|>.' Stuulen. §. I4. iVach il;rein JNatioudlcharatter. Fortsetzung. "oj
fiiidiingen gemaclu , die von ilireiii Scharfsinne zeiii^en. Die Lotterien und das Loito
gehören jedoch nicht zu ihren heilsamen Erfindungen. Die Vornehmen lieben den
Glanz und in die Augen fallende Pracht j aber in dem Innern Hauswesen sind sie de-
sto ökonomischer und unreinlicher. Grosse und kostbare Gastmähler fallen bey ihnen
seilen vor; sie sind massig luid nüchtern, ob sie gleich Wein genug haben. Der Vor-
wurf der Faulheit trifft sie nicht. Denn Italien wird nur desswegcn der Garten von
Eurnpa genannt, weil es so schön angebaut ist; wo dieser Anbau fehlt, ist Italien
eben so gut eine Wiisto , als jedes andere Land. Ihrer Betriebsamkeit wegen trifft man
die Italiener zahlreich in andern Ländern an, wo sie oft als kleine Hausirer, deren
ganzes Waarenlager in einem Kasten besteht, anfangen, und als reiche Kaufleutc en-
digen. Das bekannte dolce far niente gilt nur von den grossen Städten, wo, wie
überall, eine grosse Menge Miissiggänger sind. Die Lazzaroni in Neapel sind mit der
arbeilenden ärmeren Classe jeder grossen Stadt zu vergleichen, die zu keinem be-
stimmten Geschäfte angelernt, alles thun, was sich ihnen darbietet; sie sind die Last-
träger von Neapel. Desto gegfündelcr aber ist folgende schlimme Seite: das Messer-
ziehen, oft einer Kleinigkeit wegen hj , besonders in Rom und Neapel; die Banditen,
Räuber und Diebe, welche seit so vielen Jahren die Strassen und das Land, vornehm-
lich im Neapolitanischen und im Kirchenstaate, unsicher machen; das Durchhclfen
und Schützen der Verbrecher ; die Spielsucht, besonders in Neapel, wo selbst die
ersten Herzoge Spielwirthe sind cj u. s. w. Diess sind indessen nur allgemeine Züge
von dem Charakter der italienischen Nation, woljey in den verschiedenen Ländern
und Staaten mannigfaltige Abslufiingen und Verschiedenheilen Statt finden. Besonders
machen die Süditaliener und die Bewoliner der norditalienischen Länder zwey
merkliche Schattirungen. Während jene feig sind, und sich durch einen schärferen
Zug von Verschlagenheit, auch durch grösseren Ungestüm in den. Ausbrüchen ihrer
Leidenschaften auszeichnen, und sogar im scheinbaren Zustande der Ruhe, alles, was
sie sprechen , mit Geberden begleiten , ist diesen mehr Muth und Herzhafiigkeit, mehr
Offenheit und Ruhe eigen. — Zu den vorzüglichsten Vergnügimgsarten der Italiener
gehören: die ländlichen Vergnügungen [l^Hlagiatnra), Schauspiele, besonders Opern,
Lust- luid Possenspiele; Redouten oder maskirle Tänze, deren eigentliches Vaterland
Venedig ist; das Carneval , eine in ihrer Art einzige Vei"gnügung, die in einer, Wo-
chen lang Tag und Nacht fortgesetzten, Mummerey besteht, wobey Herren und Be-
diente, Kutscher, Pferde und Maulesel maskirt erscheinen; die Wettspiele, z. B. die
Regatte oder das Weltrennen mit Gondeln in Venedig, das Weltrennen mit Pferden
in Rom und Florenz; die Ballonspiele, ein Lielilingsspiel der Italiener, besonders des
Adels, das von ganzen Gesellschaften bis zu fünfzig Personen gespielt wird; die Im-
provisalori, oder die Redner und Dichter aus dem Stegreife, welche letztere über ein
ihnen gegebenes Thema italienische Verse zu 600 in dem besten Zusammenhange ma-
chen; endlich Musik. Ganz Italien ist musikalisch; auf die Kranken soll die Musik dort
zu Lande, wie die italienischen Ärzte behaupten, mit einer besondem Kraft wirken,
wie sie es bey keiner andcrij Nation ihut ; seihst die Thiere sollen daselbst liel)er ar-
beiten, wenn sie mit wohlklingenden harmonischen Glöckchen und Zimbeln behangen
sind. — Die Lebensart der Italiener weicht von der deutschen sehr ab. Wegen der
39
5o6 I. Bewoliuer der europ. Staattu. §, 14. Nach ilirem Nationalcljarakter. Fortsetzung.
starKen Hitze am Tage bringen sie den Mittag mit Schlafen, und die Mittcrnaclu mif.
Erholungen, Spaziergängen, Schauspielen u. dgl. , zu. — Eine ihnen fast aiisschhes-
send eigcnthiimliche Sitte ist das Cicisbeatj oder die Gcvvolmheit, dass Frauen mit
Einwilligmig ihrer Männer von Cicisbeen begleitet werden 3 nur am grünen Donners-
tage und am Charfreytage muss der Cicisbe, jetzt gewöhnlich Cavaiieve servente ge-
nannt, den Arm seiner Donna dem Ehemanne überlassen dj. Diese Sitte, die oft das
häusliche Glück zerstört, und dem Cavaliere servente viel kostet, hat jedoch in den
neuesten Zeiten merklich abgenommen.
10) Die F/Yi/zzoi-e« sind sehr beweghch ej , nmnter und geistreich, offen, ge-
sprächig, höflich, zuvoikommend und angenehm im Umgange j aber auch eitel, ruhm-
redig, von sich selbst äusserst eingenomnrcn, selbst bis zur Beleidigung y^, leichtsin-
nig und unbeständig. Schnellern Wechsel und raschere Übergänge entgegengesetzter
Empfindungen und Denkarten in grossen und kleinen Dingen gibt es nicht, als in ei-
ner französischen Seele. In diesem Augenblicke emplindsam bis zu Thränen, im an-
dern grausam bis zur Barbareyj heute unehdlich ergeben gegen ihren König, morgen
seine Mörder g'^'. Stets nach neuem Genüsse des Lebens ringend, den Vergnügnngen
und Zerstreuungen, so wie den Künsten des Gefallens so einzig liiildigend , lieben sie
in Hinsicht auf die Formen luid Modificationen der Gegenstände dieser kleinen Lei-
denschaften unaufhörlichen Wechsel, d. i. Mode, und nicht nur Kleider, auch Sit-
ten, Art zu denken und sich auszudrücken, Grundsätze und Maximen sind bey den
Franzosen immerwährenden Veränderungen unterworfen. Dabey sind sie zum ^Vi-
tzeln, Spotten und Persifliren gar sehr geneigt, obgleich Anekdoten und Bonmots
bey ihnen sehr gefährliche WaflTen sind, und sie nichts so sehr scheuen, als das Preis-
geben an Spott und Lächerlichkeit. Gewandt, und mit Selbstvertrauen ausgerüsiet,
unternehmen sie alles mit Leichtigkeit, und führen das Meiste mit Siclierheit ans;
aber über kleine Bedenklichkeiten hinweggcholjen, sind sie weniger gewissenhaft im
Treu- und Worthalten, und spotten der deutschen Redlichkeit. Ln hohen Ehrgefüh-
le übertreffen sie andere Nationen, und ein Schlag ist ihnen eine entehrende Hand-
lung. In diesem Zuge ihres Nationalcharakters hegt die moralische Triebfeder, wel-
che die französischen Soldaten in Bewegung setzt, und auf sie um so heftiger wirkt,
je mehr sie Phantom der erhitzten Phantasie ist. Mit Verachtung des Le])ens stürzen
sie sich scherzend und lachend in Gefahr, und fechten mit Slandhafiigkcit, wo sie
sich schmeicheln können , bemerkt zu ■werden. Die Franzosen haben mehr Anlage zu
Künsten und schönen Wissenschaften , als zum tiefsijinigen Studium der höheren
Kenntnisse IiJ (einige ihrer Mathematiker und Chemiker ausgenonmien), und ihr Ge-
schmack ist mehr zum Hübschen, Zierlichen und Niedlichen, als zum Grossen und
Schönen gestimmt. Sie machen sich viel mit Kleinigkeiten und mit den Aussenseiten
der Dinge zu schaffen. Daher sind sie zu Erfindungen des Litxus und mannigfaltigen
Uml>ildmigcn geschickt. Der ältere Franzose von Erziehung und Bildung vereinigt den
richtigsten Geschmack und die feinste Lebensart mit Gründlichkeit, Gefühl und
wahrer Menschenliebe.
11) Die Spanier sind im Ganzen einer Seits edeldenkend, patriotisch gesinnt, zu-
v-erlässig in Haltung des gegebenen Wortes, bey den üjipigsien Naturproductcn doch
i. Uewofiner der curop. Staaten. §. 14. Kach iliicai IMatioüalcharakttn'. Foilsetxuny "„j-
sehr massig in i'aror Lebensart, besilzcu feines Ehrgefiilil und viel persönliche T;ipfei-
kcit. Nichts thiin sie ohne reife Überlegung, und was sie einmal beschlossen haben,
fuhren sie mil Standhafiigkeit aus. Anderer Seits zeigen sie in ihrem Betragen einen
grenzenlosen National- und Famllienstolz, und eine andern Nationen auffallende Ernst-
haftigkeit und Feyerlichkeit (die spanische Grandezza). Allein eben dieses tiefe Ge-
fiihl ihrer Würde war es, das in unsern Tagen jene ungeheuren Anstrengungen be-
wirkte, durchweiche Spanien zuerst den Nationen des europäischen Continents das
grosse Beyspiel eines kräftigen, xuiliesirgbaren Widerstandes gegen den Alles ver-
schlingenden Despotismus gab. Trotz ihrer Grandezza können die Sj^anier freundlich
luid leutselig, ja selir aufgeräumt seyn, singen und tanzen. Das Land ertönt fast über-
all von Gesängen und Guilarren, und der Zaubertanz Fandango macht fast joden
Spanier zum Tänzer. Aber zur Arbeil diinkt sich der Spanier a.n. vornehm, imd die
Menge der Landstreicher ist in diesem Lande so gross, dass Ortiz sie in vierzig Clas-
sen theilt ij. Dabey lernen die Spanier nicht gern von Fremden, reisen nicht, um
andere Völker kennen zulernen, bleiben in Wissenschaften weit zurück, sind un-
reinlich, rachgierig und wüthend eifersüchtig, unduldsam, brgott imd abergläiAisch,
von romantischer Stimmung des Geistes, wie das Stiergefecht, und grausam, wie das
ehemalige Auto da Fe' und das Verfahren gegen die Amerikaner und die Niederländer
Leweiset. Sie halten steif über alte Gebräuche und Gewohnheiten, wozu besonders
die auszeichnende Nationaltracht gehört. Doch haben sie in der neuern Zeit in man-
chen Stücken nachgegeben, uiid die Pariser Moden finden, trotz den strengsten Ver-
bothen, immer noch Eingang. Die Spanier sind aber unter einander selbst nach Ver-
schiedenheit der Provinzen sehr verschieden, und mehr als in irgend einem andern
Lande hat sich in Spanien der Provinzial-, ja selbst der Localgeist erhalten.
12) Die Portugiesen besitzen grössten Theils dieselben guteu und bösen Eigen-
schaften, wodurch sich ihre Nachbarn, die iS^pß/i/er^; von andern Nationen unterschei-
den; nur smd sie wohlthätiger und höflicher als die Spanier; selbst die Bettler nen-
nen sich unter einander Signor (Sen/ior) , und wenn zwey Handwerker in ein Haus
oder Zimmer gehen, machen sie erst lange Coniplimente, wer zuerst hinein gehen
soll, vuid Jeder will dem andern den Vorzug lassen. Dagegen sind die Portugiesen
noch eifersüchtiger und rachgieriger, als die Spanier. Die Meuchelmorde sind in Por-
tugal so häufig, dass jährlich zwey Schiffe mit Meuchelmördern befrachtet nach Mo-
zambique gehen A:J. Auch der Müssiggang und der Hang zurBetteley unter demgemei-
ncn Volke ist in Portugal grösser als in Spanien, imd die Unreinlichkeit wird wohl in
keiner europäischen Hauptstadt so weit getrieben, als in Lissabon IJ. Dabey setzen
sich die Portugiesen viel lieber auf dem Meere allen Geiahren und Müliseligkeilcn
aus, als sie hinter dem WebcrsLuhle sitzen, oder den Pflug lenken, und sind so eitel
und ruhmredig, dass selbst ihre Geschichtschreiljer prahlen, wenn sie von ihren
Kriegsthaten sprechen. Abergläubisch und bigott sind sie, wie die Spanier, und die
beliebtesten öffentlichen Ergelzlichkeiten sind in Portugal, eben so wie in Spanien,
die Stiergefechte. Doch sind sie hier nicht so gefährlich, wie in Spanien, weil die
Stiere Kugeln auf den Spitzen der Hörner haben. Ilir Lieblingstanz ist, eben so wie
in Spanien, der Fandango, und ihr Lieblingsinstrument die Guilarre^
3o8 J. Bewohner der euiop. Staaten. §. i i. Kacli ilirein NAtiou.ilcharakter. Fortsetzung.
l3) Die TValadien sind schlau, vcischlosseii, hintcrlislig und gednldlg; dabey
eigensinnig, rachsüchtig und faul. Mit der Arbeitsscheue verbinden .sie noch den Hang
zur Dieberey, besonders rauben sie gern Vieh mj. Abergläubisch im höchsten Grade,
stossen sie dennoch bey der geringfügigsten Gelegenheit die fürchterlichsten Flüche
aus. Die Unwissenheit, Rohheit und Gewinnsucht des grössten Tlieils ihrer Geist-
en
lichkeit, welche in der Dummheit des gemeinen Mannes eine ergiebige Quelle ihres
Vortheils findet , tragen dazu bey , dieselbe noch zu verstärken nj. Ihre frühe Mann-
barkeit, ihre Massigkeit vmd Genügsamkeit, verbunden mit ihrem Hange zur sinnli-
chen Lust, befördern sehr ihre Vermehrung. Im 17. oder 18. Jahre nimmt sich der
Walache ein Weib , welches oft kaum i3 zählt, und ist mit emigen und jo Jahi-cn
häufig schon Grossvater. Die meisten Walachcn treiben Viehzucht , besonders Schaf-
zucht; nur wenige legen sich auf den Feldbau, und überlassen alle Arbeit und die
Besorgung ihres Hauswesens ihren bey weitem fleissigern und giitmuthigern Weibern,
die mit ihren Feilschaften auf dem Kopfe und dem Spinnrocken in der Hand spinnend
zu Markte geben.
a) Vornehmlich in Sardinien und Corsica, wo die letzte Ermahnung eines Sterbenden ist, dass
seine Rinder dieses oder jenes erlittene Unrecht ja nicht ungerärht lassen sollen. S. Polit.
Jour. 1818. März. S. 2i5.
6) Z. B. wegen einer verweigerten Blume , wegen Verriickung einer Kugel beym Kcgelspiele.
S. Österr. Beob. 1814. Nr. 189. S. ioo5.
c) S. Ergänzungsbl. z. A. L. Z. 1809. Nr. g. S. 68.
ri) S. Götting. gel. Anz. 1809. St. 174. S. 1731.
e) Vorzüglich die Gascogner , welche die leicht beweglichsten Bewohner Frankreichs, \iclleicht
der Welt sind. Von der Heftigkeit derselben in Ton und Bewegung, beym kleinsten Aulass,
kann sich , wie in den Ergänzungsbl. z. A. L. Z. 1818. Nr. 70. S. 554- versichert wird, kein
Nordländer einen Begriff machen , der nicht Augenzeuge war. Wenn man mehrere von ih-
■ nen über irgend eine Angelegenheit mit einander sprechen sieht , sey es im Bösen oder Gu-
ten : so muss man joden Augenblick erwarten , Mord und Todtschlag entstehen zu sehen ,
und ehe man es sich versieht, stiebt unvermuthet Alles mit lautem Gelächter plötzlich
aus einander.
J") Wovon die Götting. gel. Anz. i8i5. St. 29. ein neues Beyspiel liefern; es wird nähmlich
S. 288. gesagt : Hr. Graf Monlgaillard suche in seiner Schrift : „De la Restauration de la
Monarchie des Bourbons et du retour ä l'ordre. Paris 1814" sonnenklar zu erweisen , dass
die Fran'osen nie besiegt worden , ja nie hallen besiegt ii^erden können , dass sie vielmehr nur
die Güte gehabt, die AUiivten aufzunehmen , i>on denen ja, hätte die grosse Nation nur gctfoUt.
kein Mann wieder über den Rhein entkommen wäre. Ohe jam satis est !
g) Nach der verlornen Schlacht bey Moni St. Jean, heisst es im österr. Beob. i8i5. Nr. 191.
S. 1043 , verliessen ßuonaparten aus alter gewohnter Charakterlosigkeit seine ergebensten
Schreyer , und sprachen schon wieder de ce bon Roi, und betheuerten : dans Ic fand de
nolre coeur nous acons toujours ele Rojalistes.
h) Daher erfinden die Franzosen auch wenig; beaibeiten aber die Erfindungen anderer Natio-
nen sehr glücklich.
(') S. Leipz. L. Z. ]8i4- 224. S. 1790.
k) S. Allg. geogr. Ephem. B. 3i. S. 386. Eine Vorsteherinn einer Erzichungsansialt brachte
35 Rinder um, um den kleinen Nachlass derselben zu erhalten. Als man sie bey der 36.
Mordthat ertappte , entliess man sie mit einer ernstlichen Wainung ! S. Götting. gel. Anz.
I. Bewoliiifi Jtr euKip Staaten. <>. i5. PJacli iliiera Natioilalciiaraktei . l'"urtäeUiiug. 3oo
1808. St. 167. S. i566. Im J. 1821 rechnete man in Portugal auf jeden Monath gegen 24
Mordthaten. S. Österr. kaiserl. priv. W. Z. 1822. 77.
l) Im Jahre 1799 gab es daselbst noch Gassen, die nie gekehrt wurden. Man schüttete bey
Tage und boy Nacht alle Arten von Unreinigkeiten auf die Strassen , und keiner war \or
den ekelhaftesten Beschmutzungen sicher, der Morgens und Abends zwischen 10 — n Uhr
in der Stadt umherging. Todte Katzen und Hunde, ja selbst Pferde und Maulesel, lagen,
wie in den Städten des Morgenlandes, umher, und wurden eine Beute der herrenlosen
Hunde, deren Anzahl man auf 80,000 schätzte. S. GÖlting. gel. Anz. 1808. St. 157. S. i566.
m) In drey Jaliren (1801 — i8o3) betrug der Schaden des von den Walachen geraubten Viehes
in der Bukowina allein 381,716 fl. S. Vater!. Blät. für den österreichischen Kaiserstaat. 1808.
35. S. 283.
n) S. Vaterl. Blät. a. a. O. 1811. 85.
§. i5.
Fortsetzung.
14) Die SlaK'en sind mehr sanguiniscb-mvinter, als melancholisch-ernst, mehr
roh durch ihre Sitten, als bösartig von Geniüih, und keineswegs ohne treffliche An-
lagen ?.u Künsten und Wissenschaften, obgleich Meiners die slavischen Völker, so
"vsie die mongolischen, sanmit und sonders für unfähig erklärt, die höchste Stufe der
mcnschliclien Culiur zu erreichen ! Besonders zeichnen sich aus die Czechen oder
Böhmen, als die cuhivirtesten unter den Slaven, durch ein ungemeines Talent fiir
Musik, ein vorzüglich gutes Gedächtnissund viel natürlichen Versland. Die Tonkunst,
Philologie und Mathematik aj scheinen bey ihnen zu Hause zu seyn. Aber auch die
übrigen Zweige der Slaven lieben Musik, lernen mit Leichtigkeit fremde Sprachen,
und sind fähig, in dem Gebiete ernster Wissenschafte a, welche ein angestrengtes
Nachdenken erfordern , schnelle und grosse Fortschritte zu machen. Bekannt ist auch
das Talent der Polen und Russen zur Älimik, so uie die Anlage der erstei-n zur Tanz-
kunst, der letzteren zur Schauspielkunst, besonders zur komischen Darstellung. Ein
Hauptzug des slavischen Charakters ist Frohsbin ; ohne Gesang und Tanz lebt der Sla-
ve nicht. Dabey treibt er Trödel, Handel und Schilffahrt mit Neigimg, ist genügsam,
gesellig, gastfrey , und ein muthiger, treuer Soldat. Vorzüglich zeichnet sich aus der
Russe durch Unerschrockenheit und Standlial'tigkeit im Feuer bj , so wie durch Fä~
higkcit. Kälte und Hitze, Hunger und Durst, und jedes Ungemach zu ertragen. Un-
geachtet der vorzüglichen Anlagen des Slaven zum wahren Erdbürger, welcher Ei-
genschaft bereits Herder in seinen Ideen ziu- Philosophie der Geschichte der Mensch-
heil Gerechtigkeit hat widerfahren lassen, liebt der Slavc sein Vaterland, imd vcr-
lässt es nicht so leicht, wieder Deutsche. Seine grössten Fehler sind: Sinnlichkeit,
Unmässigkeil in hitzigen Getränken und starker Aberglaube, bey einigen Zweigen
säuische Unreinlichkcit, niedrige Kriecherey und Hang zurBelriegcrey und Diebercy,
beydes aber weniger Eigenheit des Slavismus als Folge der Leibeigenschaft, worin
dieses Volk von jeher lebte, und zum Theil noch lebt.
i5) Die Ungern sind gerade, offen, ohne Winkelzüge, von reiner, unvcrkün-
stelter Naliu", grossmüthig, sehr tapfer und überaus gastfrey cj; aber auch sehr stolz
und eilel, der Ai'beit nicht hold, und ihren Vorurtheilen eigensinnig treu. Ilir nuui-
5io I. Bewohner der eiirop. Staaten. §. 16. Nach ihrem >fatir)Ualcharakter. Fortsetzung.
tercs und feuriges Temperament verräth der ganze Bau , ihre Nationalkleidung , die
gespannt und knapp an den Körper scliliesst, ihr rascher Gang, ilire geschwinde
Sprache, ihr heftiger Tanz und ihre schnellen Entschlüsse, so wie ihr Jähzorn, Auf-
brausen und Leichtsinn. Sie besitzen viel natürliche Anlage und Empfänglichkeit fiir
den schönen Dienst der Musen und Grazien ; auch haben mehrere ungrischo Gelehr-
te mit dazu bevgetragen, die Fortschritte der Wisseusclnfieniui AUgciucinen für ganz
Europa zu befördern, so wie ein hoher Grad von Aifklarung und Verfeinerung viele
aus den höheren Ständen verehrungswürdig macht. — Nächst den Ungern haben
luiter den Völkern von finnischer Abkunft den grösslen politischen Werth die eigent-
lichen Finnen. Sie sind arbeitsam, unerschrocken, standhaft, tapfer und gaslfreyj
alier eigensinnig, hier und da imrcinlich , und dem Trünke und Aberglauben crgelien.
Dagegen sind die Lappen nicht nur schmutzig, alicrgläubisch und mit Fesligkeil an
ihre Gebräurhe haltend, ob sie gleich die Taufe angiMiomiuen haben, sondern auch
trä^e, misstrauisch d) und so mulhlos, dass sie zu Kriegsdiensten gar nicht können
gebraucht werden; dabey aber doch munter und gutmüthig. Die meisten leben unter
Zelten und führen ein nomadisches Leben. Die Männer besorgen die Küche. —
J}\e Esthen und Lieven siud ebenfalls ein schmutziges, dabey dürftiges und armseli-
ges Volk, in welchem gewohnte Leil>eigenschaft alle Thäligkeil, selbst die Sehnsucht
nach einem besseren Leben erstickt hat.
a) Das Artillerie- und Geniecorps der österreichischen Arm?e verdankt, wie Hr. Rohrer im
zwcyten Theile seines Versuches über die slavischen Bewohner der österr. Monarchie S. 62
versichert , den bölimisrhen Erbländern seine geschicktesten Praktiker in der Boinbardier-
kunst, in der Mappenzeichnung , in der Feldbefestigung, im Festuhgsbau und Feslungs-
krlege.
h) Napoleon soll von den Russen, als er ihre Unerschrockcnheit und Slandhafligkeit imFeuor
gesehen, gesagt haben: „Das sind Bollwerke, die man niederreisscn muss" (ce sont des Las-
lioiis quil laut dcmolir). S. Polit. Journ. 1806. Januar. S. 43.
c) Mit einiger Bekanntschaft , sagt Hr. Gr. i', Hojfmnnnsegg , wäre nichts leichter, als ein Jahr
und länger in Ungern umsonst zu leben und zu reisen; und noch dazu würde diess , anstatt
aufzufallen, denen, auf deren Kosten es geschähe, eine wahre Gefälligkeit seyn. — Auch
die von den siebenbürgisihcn Herrschaften auf ihren Landsitzen ausgeübte Gastfreyheit ist
musterhaft. Nicht nur Bekannte, auch Fremde können dort unangerneldet einsprechen, und
sind sicher, freundschaftliche Aufnalime zu (inden. S. Vaterl. Bl. für den österr. Kaiser-
staat. 1811. 5i. S. i83.
d) Sein Blisstrauen ist so gross, dass er auf jeden Annähernden, den er durch das Gebüsch
nicht sogleich erkennt, schiesst, aus Furcht, von demselben angegriffen und geplündert
zu werden
§• 16.
Fortsetzung.
j6) Die Basken zeichnen sich durch einen offenen, fröhlichen Charakter ans,
ToU von Redlichkeit, Gulmiuhigkeit, Gastfreyheit und Freyheitsliebe; dabey sind sie
kriegerisch, arbeitsam und die Bande des Ehestandes sehr in Ehren hallend. Sie se-
hen sich alle, wie die Jsturiernwd Gtäticier^ als Edelleute an, imd werden auch
in den öffentlichen Acten der Regierung dafiir anerkannt.
I. Bewohner der enro[). Staaten. ^. i5. Nach ilirem Nationalcharakter, f otlsetzung. 3it
17) Die ^Ibanier oder ^niiuite/i sind iheils Hirten und Ackersleute, theils in
verschiedenen Künsten und Gewerben geübt, wegen ihrer Thäligkeil, Ausdauer und
Geschickhchkeit, auch wegen ihres kriegerischen Muths und ihrer gebietenden Stu-
turin allen osmanischen Provinzen geschätzt j daher vom Drinofluss und vom adriati-
sehen und jonischen Meere an bis zumEuphrat in Asien, und bis zum Nil in Ägypten,
Leibgarde und Soldaten der osmanischen Paschas.
18) Die Griechen fJVeugfiechenJ j Nachkommen einer alten, geistreichen, in
so vielen Rücksichten um die Menschheit hoch vcrdienleii und achtungswürdigeu Na-
tion, sind lebhaft, gewandt, thätig, gesellschaftlich, und von der Natur mit vielen
Anlagen ausgestattet, besonders zeichnen sie sich aus durch Witz, und die Gabe,
Alles leicht zu verstehen und zu begreifen. An Keiuitnissen gehen sie den Türken,
ihren militärischen Gebietern, weit vor, besonders in Rücksicht der Schifffahrlskunde.
Die Gefährten dieser guten Eigenschaften sind alier auch ungemein viel Leiclilsinn ,
Falschheit, List imd liänkesucht. Hang zur Betriegcrcy und zum Lügen, verbunden
mit der Fertigkeit, alle Heiligen zu Zeugen ihrer Wahrhaftigkeil anzurufen, utld ihre
Ehrlichkeit zu betheuern. Dabey sind sie geitzig, eigennützig und abergläubisch, hoch-
müthig auf der einen, und kriechend auf der andern Seite. Doch wie verschieden sind
nicht die Griechen unter einander: die Macedoniev ^ Thessalier ^ Akarmaniev und
Aetolierj die ßäotier _, Athener j Arkadier _, Messenier j Mainotten u. s. \\. Verschie-
den von allen diesen Griechen sind die Bewohner der Inseln des Archipelagus, die
auch unter einander sehr abweichen. Noch jetzt unterscheiden sich die Athener von
den übrigen Griechen durch ihre Artigkeit und ihr zuvorkoinmendcs , gastfreundliches
Betragen, ob sie gleich ihrer Verschlagenheit wegen, verrufen sind aj. Selbst die
Türken in Athen haben etwas von ihrer Rohheit abgelegt j sie sind höflicher, gefälli-
ger und gesprächiger j als in andern Gegenden.
ig) Die Türken haben noch ganz asiatische Sitten luid Gebräuche. Ihre lange
und weite Kleidung crhe])t ihren ansehnlichen Körperbau. Das vornehmste Stück
derselben und zugleich das Unterscheidungszeichen der verschiedenen Stände, ist der
Turban j oder der tiukische Bund. Sie sitzen mit kreuzweis untergeschlagenen Bei-
nen, essen und schlafen, wie alle Morgenländer, auf dem Fussboden, der mit Tep-
pichen und Matratzen , und an den Wänden herum nüt Polstern (Sopha) belegt ist.
Sie leben in der Vielweiberey , beherrschen das weibliche Gescblecht tyrannisch,
binden sich selbst an keine eheliche Treue, bestrafen aber die Untreue ihrer Weiber,
die beständig in den Harems versleckt bleiben, und den Eiuopäern seilen zu Gesich-
te kommen, sehr hart ÄJ ; gegen Reisende, Arme und Kranke sind sie jedoch sehr
gutthätig, wie ihre Hane (öfifcntliche Wirlbshäuser) , ihre Brunnen an den Landslras-
sen, ihie Brücken und Hospitäler, die sie häufig bauen lassen und stiften, beweisen. Selbst
ihre Sclaven , besonders die geschiclilen , hallen sie sehr gut. Auch rühmt man an ih-
nen Massigkeit; doch übertreten sie oft die Gebolhe des Korans in Anschiuig des
Schweineilcisches, der Fische mit Schuppen, und besonders des AVciues, wozu Ur-
nen die griechischen Wirthshäuser die beste Gelegeubeit geben. Sie sind ernsthaft
und stille; dabey st,olz bis, zur Verachtung anderer Nationen c J , grändich und iräge.
Besonders haben sie eine starke Abneigung g'gen die Geschäfte des Ackerljaucs; lie-
ijj 1. Bewohn-i- der eurojj, 6taateji, §. 17. Nach ihrem Nationalcharaktei. FoiUeliuiig.
Jjen , ausser dem Reileii imJ den Promenaden nach den Gräbern ihrer Freunde, kei-
ne körperhchen Bewegungen, halten das Tanzen den Männern für unanständig, spie-
len dagegen gern Schach , sind grosse Liebhaber von Bbimen und Opium, und die
stärksten Tabakraucher und Kaffehtrinkcr in Europa. Bey allem iluen Phlegma besi-
tzen sie doch viel Reitzbarkeit, und ihre Wulh, wenn sie einmal rege gemacht ist,
bricht fürchterlich los. Es felilt ihnen weder an Verstand noch an Geschicklichkeit j
sie nehmen aber theils aus religiösen Grundsätzen , theils aus Vorurtheil mid Stolz ,
von andern Nationen keine Verbcsserungen an, und bleiben daher immer auf dem
Puncte stehen, wo sie sind dj. Ihren starken Aberglauben Ijeiu'kundet die bcj Urnen
zur Staatswissenschafl erhobene Astrologie. Ihr Glaube an Prädestination macht sie im
Kriege lun so tapferer und unerschrockener, da sie mit diesem Glauben die gewisse
Hoffnung des Paradieses für den, der fällt, verbinden. Doch sind sie die furchtbaren
Erbfeinde der Christen nicht mehr, die sie im i5. und 16. Jahrhunderte waren. Der
gemeine Türke ist ehrlich; aber mit Unrecht schreibt man der Pforte strenge Red-
lichkeit zu. Denn Elias Abescki spricht von einer Sammlung Gesetze imter dem N.ah-
men Kitnb Adai_, die den Bruch der Verträge mit nichtislamitischen Völkern gestat-
tet , wenn es dem Reiche Nutzen bringt ej. Zu dieser durch Gesetze bezeichneten
Treulosigkeit der osmanischen Regierung gesellen sich noch die Verkäuflichkeit der
öffentlichen Ämter, die Bestechlichkeit in Administrations- und Justizsachen , und die
Erpressungen aller Art, die sich die Beamten, besonders in den Provinzen erlauben.
Aber auch der gemeine Türke ist habsüchtig; er nimmt gern Geschenke, und nicht
leicht thut er etwas umsonst.
a) Daher das Sprichwort: Gott behüte uns vor den Griechen von Athen, den Juden von
Salonichi und den Türken von Negropont.
b) Der Grosswesir Muslapha Bairaktar Hess 100 Beyschläferinnen des Suhans Selim III. ohne
Umstände ersäufen. S. Göiting. gel. Anz. 1816. St. 1. S. 7.
c) So z. B. nennen die Türken die Vorstadt Pera , wo man fast gar keine Türken, sondern
lauter Europäer in ihrer gewöhnlichen Kleidung sieht, das Schweinequartier. S. Götting.
gel Anz. 1816. St. 1. S. 17.
d) Daher empörten sich die Janitscharen 1806 gegen die neue Disciplin und Exercirkunst
nach europäischer Art (Nizami-Gedid) , wodurch Stlim HI. das abgenutzte türkische Mili-
tärsystem reformiren wollte.
e) S. Jen. A. L. Z. 1811 Jan. S. 94. ff. Vergl. des osmanischen Reichs Staatsverfassung und
Staatsverwallung dargestellt von J. c, Hammer. Th. 2. S. 327 — 329.
§• 17-
Fortsetzung.
20) Die Armenier smd. industriös, sparsam und massig; aber geitzig und ver-
schmitzt. Ihre Beschäftigimgen bestehen grössten Theils im Handel und der Saffian-
"ärberey; hier und da, wie z. B. in Ungern, sind sie die grössten Landpächter (aren-
datores pvnediorum) und ^'iehhändler.
21) Die Juden sind arbeitsscheu, besonders vor solchen Arbeiten, die (wie z. B.
der Ackerbau) eine ausdauernde körperliche Anstrengung erfordern. Ihre vornebmsten
Erwerbszweige sind: das Branntweinhrennen imd das Branntweinschenken, der Han-
I. Btwoliner der curop, SUateii. §. 18. iNacli ihrer Religion. 3i.3
tlel mit rohen Nulurprodiicten , Lcsondeis mit Wolle und Getreid(3, der Geld- und
Wechselliandcl, das Klcidcrsclileppcn der armem Juden in den SlUdlen und dasllau-
siren auf den Dörfern , wobey sie nicht einzeln für sich, sondern als j^eschlosseiic Ge-
sellschad wirken , inid die Fähigkeit hesilzen ^ Gesetze zueludiren, luul den christ-
lichen Biiryern die Mittel zum Erwerh zu erschweren^ und die Nah)ungs\vcü;e ahza-
schneiden. In dieser Verbindung ruid Fidiigkcit liegen für sie \ehikel, sich Uuterslii-
tzung zu verscliaffcn , die jedem andern Menschen entgeht, und jedes Geschäft, das
irgend eine Beziehung aufHandel und Wandel hat, in ein Monopolium zu verwandeln,
ohne dazu eines Privilegiums zu hediufen. Daher lindet man häufig unter den Juden
Männer, die durch Handel und Geldgeschäfte in kurzer Zeit Tonnen Goldes erwer-
ben. Zu diesen Erwerljsinittehi gesellen sich — und das ist das grösste Übel von al-
len — ihre von den unsrigen ganz verschiedenen Begriffe von Ehre und Scliandc, oder
ihre Gleichgültigkeit gegen das: quen dira-t-OJi? Daher die Übervordicilung und
der Betrug, worauf ihr Handelsgcist hinausläuft; daher ihr Hehlen und Theilnehmen
an jedem Betrug und Unlerschleif. Dabey sind sie äusserst abergläubisch und verzeh-
ren verhällnissmässig zu wenig, da ihnen der Reilz fehlt zu Allem, was das Leben an-
genehm und fröhlich machen kann, ftidessen passt dieses Bild nicht auf alle Juden j
in einigen Ländern haben sie sich mehr oder weniger Lil)cr dasselbe gehoben, begün-
stigt durch die ihnen verliehenen bürgerlichen Rechte. Es gibt luitcr ihnen allerdings
rechtliche Männer, und einzelne Juden haben sich in neuern Zeiten als Gelehrte,
Philosophen, Künstler oder Ärzte hervorgethan.
22) Die Zigeuner endlich leben noch grossen Theils unsiät, ohne Dach und Fach,
und sind im höchsten Grade schnuUzig und fanl ; daljey äusserst furchtsam und aus-
schweifend im Genüsse hitziger Getränke. Sie nähren sich von der Geige, dem Schmie-
dehammer, dem Goldwäschen, Wahrsagen, der Betriegcrey, Diebcrey und Belteley.
d) Nach ihrer Religion.
In Europa sind zwey het'i'schende oder Hauptrellgiojiejt : die cJirisLliche und
moluimmeddiiische. Die christliche ist am weitesten ausgebreitet und in vier Kirchen
vertheilt: 1) die katholische j die in die röinisch-hciÜioUsclie j griecJdsch-katholisclie
und cij-me/iisch-katholische zcri'iilh; 2) die evangelisch-lutlierisclie j 3) die evange-
lisch-veformirte j, wozu auch die jjreshjtei'ia/tisc/ie in Schottland, und die Episcopal-
oder englische Kirche gehört; 4) die griecJiische. Die unter Nr. 2) und Nr. 3) genann-
ten werden auch unter dem gemeinschafdicheu Nalunen der prolestantisclien Kirche
begriffen aj.
Ausser diesen herrschenden clxrisllichcn Kirchen gil>t es in Europa noch mehrere
abweichende kleinere Kirchen oder Seelen, wovon die fValdenser j, die böhmischen
oder miüirischen Brüder j die Herrnliuter oder evangelische Brüdergemeinde „ die
Independenteii oder Con^rcgationalisteUj die ^rminianer oder Remonstr unten ^ die
Mennvniten oder TViedertäufer ^ die Unitarler oder Socinianer j die Quäcker oder
Zitterer j die Schwenhftldianerj die Methodisten^, ^\e Schwedenbor glancr oder die
Mitglieder der Kirche des neuen Jerusalems j die Gichtellanerj die uiiicj- dem Nah-
40
3i4 I Bewoliucr der europ. Staaten. § jö. Nach iljrer Religion.
men Christo Sdcrum bekannte Seele, und die sogenannten neuen Separatisten zu
der occiclentalisc/ien oder lateinischen _, die Armenier oder armenischen Chrisleu
aber , dann die Raskolniken oder Staroobriadtzi mit den Pliitipponen oder Lippo-
wanern j und die Duhoborzen zwo orientalischen oder griechischen Kirche gehören.
Die mohammedanische Rehgion ist die herrschende in der europaischen Türkey.
Gediddct wird sie zu Livorno und in einigen Gegenden des russischen Pieiclies bj.
Die y7a/<\yc/ie Rehgion wird in den meisten europäischen Staaten gcdiddetj nur
nicht in Spanien und Norwegen cj.
Von der heidnisclien Rehgion findet man nur unter den Lappen und Samojeden
geringe Überbhnbsel. Desto ausgebreiteter ist das Ileidenthum in den übiigcn Erd-
ihcilen. Es hat zahlreiche Anliänger nicht nur in Asien, Afrika und Amerika, sondern
war auch bisher auf den zahllosen Inseln luid in den unermesslichen Gebieten des
südliclicn Occans , in Siidindicn oder Australien fast ganz allein ausgebreitet. Allein
nach den neuesten britlischcn Mlssions-Bcrichtcn findet die christliche Religion in
Australien (zu Port-Jakson und auf den nahe liegenden Inseln der Südsec, vornehm-
lich auf Otaheite und den Sandwichinselu) immer mehr Anhänger. Audi in Indien und
China vermehrt sich die Anzahl der Chrisleu voll Tag zu Tag, ungeachtet der Verfol-
gungen, denen die Missionare in diesen Gegenden, vornehmlich in China, ausgesetzt sind.
Unter den Anbetern eines Einigen Gottes ist, nach Hrn. Stäudlin j die molinm-
medanische Religion oder der Islamismus viel weiter ausgebreitet, als das Christen-
thum j und dieses wieder mehr als das Judenthinn. Wenn das Christenihuni in Eu-
ropa und Amerika weiter ausgebreitcl ist, und sich auch in dem letzten Erdtheile gar
keine i1/oir/e7?n'«.? (INIusclmanner) finden: so ist der niohammedanische Glaube desto
weiter in Asien und Afrika verbreitet. — Vergleicht man die llauptparteyen der christ-
lichen Religion in Ansehimg der Zahl mit einander: so sind die abendländischen Chri-
sten zahlreicher als die niorgenländischen, die Katholiken zalilreicher als die Luthe-
raner, und die Lutheraner zahlreicher als die Reformirlen. Genau lässt sich die Zahl
der verschiedenen Religionsverwandlen nicht bestimmen j denn man hat darüber iheils
gar keine Zählungen angestellt, theils aber sind auch die Zähhuigen nicht genau und
befriedigend. Es lässt sich also hier überhaupt nur das Verhältniss dos Mehr oder
Weniger in der Anzahl der verschiedenen Religionsgenossen in Europa angeben. Gleich-
wohl hat Hr. Gräberg de Hemsö es versucht, nicht nur die Einwohner Europa's,
sondern auch die der übrigen Erdtheile (er nimmt die Menschenzahl auf unserer Er-
de zu 686 Mill. an) nach ihren Religionen aufzuzählen, und zwar:
Christen 236 Mill.
als Katholiken in Europa . . . . . qo ^lill.
ausser Europa . . . . . 3o —
Griechen . . . . . . «72 —
Prolestanten . . . . . . «44 —
Juden 4— 5 Mill.
Mohammedaner . . . . . . . • • . 120 —
Heiden ........... 325 —
zusammen 686 Mill. dj
1. Bewohner cUr europ. Staaten. ^, 18. Nach ibrer Religion. 3i)
Nach Hrn. Hassel leben in Europa, dem ciycnilichcn Wohnsitze, wenn auch
nicht der Wiege des Christenlhunis :
Christen , . . . . 172,432,500 Indiv.
Davon kommen auf die Ilauptparteyen, und zwar
auf die Kalhohkcn .... 98,229,100
— — Lutheraner .... 22,200,000
— — Reforniirten mit Einschhiss der
Presliyterianer mid Episcopalen . ig,6g8,.5oo
auf die Griechen .... 3i,656,goo
zusammen 171,764,500
Den Rest von .... 668,000
ergänzen die verschiedenen Secten.
Mohammedaner- ........ 3,607,000 Indiv.
Juden 1,179,500 —
Heiden .......... 2,100 —
Broughton theik in seinem historischen Lexicon aller Religionen die bekannten
Lander der Erde in 3o gleiche Theile, und nimmt an, dass die Christen davon 5,
die Mohammedaner 6, und die Heiden ig besitzen.
Ist aber auch das Christenlhum nicht die ausgebrcitetste Religion auf der Erde:
so ist doch der P^orziig desselben vor allen til)rigen Religionen entschieden. Es zeich-
net sich dadurch vor denselben aus, dass es nicht als Werk der Politik oder Legisla-
tion, sondern durch innere Kraft in die Welt eingedrungen ist, und sich geltend ge-
macht hat. Mit ihm verschwanden , wie Herder in seinen Ideen zur Philosophie der
Geschichte der Menschheit J>emerket, überall, woliin es kam, die Vorurlheile der
einzelnen besonderen National-Gottesdienste voll Stolz und Aberglauben, wodurch
die vielfachen Bande des Handels, der Künste vuid Wissenschaften, welche die Völ-
ker vereinigten, so oft wieder zerrissen und die allgemeinen Fortschrille der Humani-
tät gehemmt wurden. Mit dem Cbristcnlhume fmgen erst allgemeine grosse Fortschrit-
te der Humanität an, indem es alle Völker ein gemeinschaftliches höchstes AVesen ver-
ehren, und sich als Brüder achten lehrt, brüderliche Eintracht und Verzeihung, thä-
tige Hülfe gegen die Nothleidcnden und Armen, kurz, jede Pflicht der Menschheit
zum gemeinschaftlichen Bande seiner Anhänger macht, dass es demnach ein ächter
Bund der Freundschaft und Briuieiliebe ist. Es gründet den ganzen Religionsverein
auf Lehre, Unterricht, Menschenhülfe , gegenseitige Besserung oder moralische Bil-
dung, mit zwey. sehr einfachen und zwecLnässigen heiligen Gebräuchen, der Auf-
nahme in die Gesellschaft durch die Taufe, und der steten Erneuerung des schönen
Freundschaftsbundes durch das heilige Abendmahl. Diese so zu den edelsten Zwe-
cken verbündete Gemeinde soll dem Staate, als der göttlichen Ordnung, untergeord-
net seyn, nicht herrschen oder am R'^gimcut Theil nehmen, nur von geistlichen \or-
sleliern und Lehiern geleilet oder regiert werden, die die Gemüther der Menschen
beruJügen, friedlich und einlräcblig erhalten, ihre Fehler mit Ernst und Liebe bes-
sern, und so durch Halb Ansehen, Lehre und Beyspiel zum Himmel fiibren sollen.
40*
5i6 I. Bewolmer der europ. Staaten. ^. 19. lu AuseLuug ihrer Wohnplatze.
Durcli das Chi islcndium ward insonderlieil die Mild ihätigkeit und Theiliiahmo an den
Unfällen und Leiden anderer rege j _^es veranlasste zuerst die milden Stiftungen zur
Versorgung der Armen , und derer, die zur Arbeit unfäLig sind. Keine positive Reli-
gion erkannte vom Anfange an die innigste Verbindung zwischen Gottesverehrung und
Armenverpilogung Jrellcr r.nd deullichcr, als die christliche. In jedem Lande, in wel-
ches das Licht des Christcnthums nicht gedrungen ist, ist auch der Zustand des weib-
lichen Geschlechts stets beklagenswerth gewesen ej. Endlich ist es auch die christ-
liche Religion , der wir bey der Regierung ein gewisses Staatsrecht, und im Kriege
ein gewisses Völkerrecht verdanken. Denn sie ist es, die den R.egenten unsers Erd-
tlieils ihre erhabene Bestimnuing erst recht deutlich gemacht, so wie es eine Wirkung
des Christenlhumcs ist, dass heut zu Tage bcv uns der Sieger im Kriege, wenn er
sich nicht selbst vcr])lendet, den Besiegten jene so wichtigen Stücke lässt, Leben und
Güter, Gesetze, Freyheit und Religion y^.
a) In welchen Staaten Europa's diese oder jene Kirche der christlichen Religion die allein
erlaubte, oder herrschende, oder Staatsrcligion sey, oder mit den übrigen christlichen Kir-
chen gleiche Rechte geniesse , oder nur geduldet sey, da\on habe ich, so wie von den
Rechten der verschiedenen geduldeten Religionsgenosscn , in meinem Werke: „Vergleichen-
de Darstellung der Staatsverfassung der europäischen IMonarchien und Republiken S. 368 ff."
gehandelt. Hier ist nur von der Anzahl der verschiedenen Religionsgenosscn, und von dem
Vorzüge der christlichen Religion vor allen übrigen Religionen, die Rede.
b) S, Dieselbe vergleichende Darstellung etr, S. 440 — 448.
f) S. Dieselbe vergleichende Darstellung otc. S. 44() — 461, wo die sehr ungleiche Lage der
Juden in den europäischen Staaten besdirieben ist.
</) S. Allg. geogr. Ephem. i8i3. Juny. S. 164. Vergl. Pollt. Jour. 1818. April. S. 578 , wo
nach englischen Berechnungen die ganze Bevölkerung der Erde auf 707 Millionen angeben
vvird , unter denen sich 397,600,000 Monotheisten befinden , und die übrigen Folylliei-
steii sind.
e) Man denke z. B. an die Verachtung des weiblichen Geschlechts bey den Türken , und an
das unmenschliche Trauerspiel äi'T Aufopferung der If'^eiber auf den Scheiterhaufen, nach
dem Absterben ihrer Männer, bey den Hindus (in den brittischen Besitzungen neuerlich
möglichst erschwert).
f) S. Montesquieu de l'esprlt des loix. L. XXIV. eh. 3. Die Wirkung des Christenlbunis auf
den Zustand der Völker in Europa; von Tj-gc Rolhe. Th. i. u. 2.
§• ig-
•s) In Ansehung ihrer W o h n p 1 ä t z e.
Die Europäer wohnen theils in Stiidten und Marktflecken als Bürger, theils auf
dem Lande in Dörfern _, Weilern imd zerstreuten ITöfen als Laiidleutc ; nur die
Jjappcn und Samojedeir wohnen in pvramidalischen, mit Baiunritide oder Häuten be-
deckten Stangenjnrten öder imtcr Zelten; die Samojeden im Winter auch in Hoh-
len unter der Erde, gleich den Zigeunern, die wie Nomaden auch unterm Zelte leben.
Die Städte sind von sehr verschiedener Grösse luid Beschaffenheit. Die Grösse
derselben kann entwedernach dem Umfange und Flächeninhalte, den sie einnehmen,
oder nach der Anzahl der Häuser und Einwohner bestimmt werden a). Eine Stadt
kann in Ansehunir anderer Städte el)en desselben Landes gross sevn und L'cnannt wer-
I. Bfw.liner der eiirop, Staatu-D. ^. ig. lu Aii;chuDg ilircr Wohiiplat/.«. S17
dciij die, wenn sie mil Städten anderer Länder verglichen wird , nur klein ist. Viele
europäische Städte halben keine tausend Einwohner j ja die Stadt llammerfest im
nördlichsten Thcile von Finnmarken zählte im J. 1806 noch keine g Häuser und ilne
Bevölkerung üherstieg nicht 40 Menschen ^J ; dagegen sind mehrere mit einigen hun-
dert tausend bevölkert, und Eine (nahmenllich London) zälilt gar über i Million See-
len in 160,000 Häusern. Überhaupt gibt es gar zu grosse Städte, sehr grosse Städte,
grosse Städte, mittelmässig grosse Städte, kleine Städte, Städtchen und kleine Städt-
chen. Die zu grossen Städte sind etwas Herrliches in einem Staate , die Ccntralpuncle
menschlicher Thätigkeit, die grossen Werkstätten für Kunst und Wissenschaft, über-
haupt ein treffliches Mittel für das Menschengeschlecht zu dessen Vervollkommnung j
aber auch schädlich, weil sie die Brennpuncle der Unsitllichkeit , die Sitze der
Sterblichkeit imd die Depots des Vermögens eines Staates sind, welches grösslen
Theils in denselben zusammenüiesst , und also andern Gegenden und Örtcrn des
Staates entzogen wird cj.
Einige Städte sind regelmässig, mit breiten, geraden, einander in rechten Win-
keln durchschneidenden, wohlgepllasterten, reinen, und des IV'achts durch Laternen
erleuchteten Gassen, wohlgebauten steinernen Häusern, grossen Plätzen und ange-
nehmen Spatzieigängenj andere haben enge, krumme, winklichc, schlecht oder gar
nicht gepflasteite, schmutzige, nicht erleuchtete Gassen, und kleine, hölzerne, ohne
Kunst mid Geschmack gebaute Häuser. Eine Stadt ist schön in Ansehung anderer
eben desselben Landes, aber nicht iu Ansehung gewisser Städte anderer Länder, auch
nicht in Absicht auf die Regehi der wahren Schönheit. Viele Städte haben schöne Ge-
bäude und Thcile , aber wenige sind durchgängig schön.
Eben so sind die europäischen Staaten in Ansehung der jM^enge der Städte sehr
verschieden. Li einigen ist sie gross, in and-ern mjltelmässig, imd in andern sehr ge-
ring. Die verhähnissmässig grösste Anzahl Städte findet man in Deutschland, Frank-
reich, Italien, England und den Niederlanden j die verhähnissmässig geringste in Un-
gern, Norwegen, Schweden und Russland. Während in Russland -^ dj , in Schweden
etwas mehr als -i ej , in Norwegen kaimi /^ fj und in Ungern gar nur y^ der ganzen
Volksmenge gj in den Städten lebt (ein besonders für den Landnwnn sehr nachthei-
hges Verhältniss) : vejhalten sich in Frankreich die Städter zu den Landlcuten wie
1 : 4i- hj , in Deutschland wie 1 : 3 ij , und in England übersteigt die Bevölkerung des
flachen Landes jene in den Städten und Marktflecken gar nur um J., ein, wie ein Re-
censent in den Götling. gel. Anz. St. 192. S. 190g mit Recht bemerkt, beyspiclloses
Verhältniss in einem so grossen Lande, woraus manches der neuem so fühlbar gewor-
denen Gebi-echen erklärlich ist. Die in der ncucrn Zeit stets zugenommene Unsitllich-
keit des grossen Haufens in England, so wie die grosse Anzahl der Armen, wird be-
sonders durch die in den grossen Städten zusammengepresste Älenge gemeiner freyrr
Arbeiter veranlasst.
Die meisten Dörfer findet man in Deutschland, Frankreich, Italien, England,
Russland und den Niederlanden, die schönsten in Nordholland, die grössteu aber in
Neapel und Ungern. In den ebenen südlichen Gegenden dieses Landes sieht mau Du-
tzende von Dörfern, die wohl an 6 — 10,000 Menschen zählen; Eiues (nahiucutlich
oi8 I. Bewohner der europ. Slaaten. §. 19. Iq Ansehung ihrer Wohnplätze.
Csaha^ im Bckeschcr Comitat) hat gar nahe an 14,000 Einwohner. Noch vofkreicher
ist das Dorf Turre del Greco im Neapohtanischen; es zählt 15^,760 Einwohner. Afra-
gohi ehcndaselbst hat 12,674 und Bosco 10,738 Einwohner.
Im Ganzen gibt es in Europa, mit Ausnahme des osmanischen Reichs, -wo man
über die Zahl der Wohnplätze keine Angaben hat, nach Hrn. Hassel kj 8186 Städte /y»,
10,084 Marktflecken und 549,799 Dörfer und sonstige Wohnörtcr. Von den 8186^'^"^-
teii kommen
auf Frankreich 1204
— Russlaud 1121
— Preussen 1021
— das brittische Reich .... g8o
— Österreich 8gg
— heyde Sicilien 676
— die Niederlande 5io
— Baiern 22g
— Spanien 144
— Sachsen 137
— Würtemberg l3o
— den schwedischen Staat . . . 110
— Baden 108
— die Schweiz io3
— den dänischen Staat . . . . 100
' — Sardinien gg
— den Kirchenstaat go
— Hanover . 73
— Hessen 64
-r- Churhessen 62
— Mecklenburg-Schwerin ... 41
— Toscana 36
-:— Sachsen- Weimar 305
— Nassau 3o
Von den 10,084 Marktflecken fallen
•luf Spanien 435l
— Österreich 21 13
— Frankreich 800
; — Portugal 647
— Baiern 39g
— das britiische Reich .... 3oo
— Preussen 2g2
— den Kirchenstaat 212
— Toscana l35
— Wurtcmbcrg 128
— Hanover 121
auf Portugal .
— Sachsen-Gotha .
— Waldeck ...
— Braimschweig
— Sachsen-Coburg
— Mecklenburg-Strelitz
— Holstein-Oldenburg
— Modena ....
— Anhalt-Dessau .
— Schwarzburg-Rudolstadt
— Anhalt-Bernburg .
— Reuss, jüngere Linie
— Sachsen-Meinungen
— Lippe-Detmold
— Jonien ....
— Parma
— Schwarzburg-Sondershausen
— Sachsen-Hildhurghausen
— die übrigen eilf kleineren deut-
schen Bundesstaaten
— die übrigen drey kleineren
lienischen Slaaten
— Krakau
21
14^
14
12
10
10
9
8
8
7
7
6
6
6
6
5
5
5
23
4
2
if die Schweiz io5
den schwedischen Staat
Modena
Hessen
den dänischen Staat .
Baden
Nassau
Parma
Ciiurhessen ....
Sachsen
Jonien
66
61
56
3?
36
55
32
29
27
20
I. Bewolmer der europ. Staaten. ^. ig. Iq Ansehung ilirei Woliuplätze.
auf Braiinschwcig
— Holstein-Oldenburg . . .
— Sachsen-Meinungen .
— Saclisen-Gotha
— Schwarzburg-Sondersliausen
— Mecklenburg-Schwerin .
14
lo
lO
8^
7
7
auf Hohenzollern-Signiaringen . .
— Sachson-Weunar
— Sachsen-Coburg
— auf die i'ibrigcn i8 kleineren deut-
schen Bundesstaaten , .
Slg
7
6i-
6
3i
An den 649,799 Dörfern und sonstigen Wohnörtern nehmen die einzelnen euro-
päischen Staaten insbesondere Theil :
Russland . mit 201,000 Holstein-Oldenburg ... —
. . — 776
— l5o,5oo Sachscn-Gotha — 688
— 7 7, 967 Mcclilenburg-Sckwerin . . — 621
— 56,704. Braunschweig — 401
— 31,369 Modena — 400
— 12,549 Sachsen-Weimar .... — 386
— 7,400 Sachsen-Coburg .... — 356
— 6,010 Jonien — 556
— 5,095 Lucca — 2go
— 4,232 Mecklenburg-Slrelilz . . — 219
— 4,000 Reuss, jüngere Linie ... — 187
— 5,607 Schwarzburg-Rudolstadt . — i55
— 3,555 Waldeck — i5o
— 3,5oo Lippe-Detmold .... — 145
— 3,384 Sachsen-Meinungen ... — 142
— 2,688 Sachsen-Hildburghausen . — 114
— 2,523 Anhalt-Dessau ...... — 100
— 2,427 die übrigen i3 kleineren dcut-
— 1,814 sehen Bundesstaaten . — 710
— 1,520 die übrigen 2 kleineren italie-
— 8l5 nischen Staaten ... — 41
— 806 Krakau — 77
a) Auf diesem UntPrschiede beruhet, wie Büsching bemerket, die Entscheidung der Streitfra-
ge: oh London grösser sey, als Paris ? oder ob Paris grösser sey , als London? Nach der ersten
Art der Bestimmung der Grösse hat Paris, und nach der zwe) ten , London den Vorzug.
b) S. Monathliche Correspondenz zur Beförderung der Erd- und Himmelskunde 1810. Jul.
S. 145. ff.
c) S. Bemerkungen über die grossen Städte; in der von Archenholz herausgegebenen Zeit-
schrift Minerva. 1804. B. 3. S. 186 iT. Vergl. Götting. gel. Anz. 1818. St. 14. S. i34.
d) S. (>. IVichmanns Darstellung der russischen Monarchie. S. 188. An dem ungeheuren We-
ge von Irkulzic nach Toms/c in Russisch-Asien — fast i45o Wersten — sind nur drey Städte
gelegen.
e) S. Cromc a. a. O. S. 97. — /) S. Crome n. a. O. S. io5. — g) S. t>. Schwarlner a. a. O.
S. 164. — h) S. Croiiie a. a. O. S. 200. — i) S. Crome a. a. O. S. 2oo.
k) S. die seinem Lehrburhe der Slalistik der europäischen Staaten für höhere Lchranst.ilten
etc. ^(Weimar , 1822) beygegebene Tabelle, wo jedoch die Zahl der Marklücckeu ia Russ-
Frankreich
Österreich . .
Preussen .
Baiern
Spanien . . ,
die Schweitz
Dünemark
Hanover . . .
Sardinien
Portugal .
die Niederlande
Würtemjjerg
der Kirchenstaat
Sachsen
Toscana . .
Schweden . .
Baden . . .
Hessen . . .
Churhesscn .
Parma ....
Nassau
520 I. Bewohner Jer europ. Staaten. §. 20. ia Anseliung ihrer Woliuplätze. Fortsetzung.
land , boydcn Sicilicn , den Niederlanden und in Sardinien , dann die Zalil der Dörfer und
sonstigen Wolinörter im britlischen Reiche und in beyden Sicilien nicht angegeben sind.
Z) Ein Verzeichniss von 1370 Städten, nach Häuser- und Menschenzahl, nebst Angabe der
Länder und Provinzen, findet man in dem Taschenbuche Rronos für das Jahr j8i6. —
Europäisclies Panorama, oder Abbildung und Beschreibung merkwürdiger Haupt- und Re-
sidenzstädte, Avichliger Handelsplätze und anderer berühmter Orte in Europa. Nach den
besten, neuesten und vcrlässlichsten Quellen bearbeitet von J. ÖliUn^cr. Wien, 1822.
§. 20.
Fortsetzung. ,
Die europäischen Städte- Kolosse folgen sich, nacli der Zahl ihrer Einwohner,
in nachstehender Ordnung: Einwohner.
London ............ 1,225,700 nj
im Jahre iSjy nicht völlig ....... 43,000
Paris 7i5,5g5 bj
Constantinopel (Istambor), nach i^airtj vor dem Aufstande der Griechen 400,000 cj
nach CannabicJi ..... 5oo,ooo
nach Galletti ..... 600,000
nach Andre'ossj ..... 63o,000
nach Lüdecke (mit InhegrifF einiger be-
naclihartcr Orte, die man als Vorstädte
Constanlinopels amiimmt) . . . 1,000,000
Neapel 334,ooo
St. Petersburg 271,000 dj
nach andern ...... 3oo,ooo
TFien 240,000
Lissabon (Lisboa) ' 240,000
nach andern . . . < . . . 235,ooo
nach noch andern ..... 3o8,ooo
Moskwa oder Moskau j vor dem Brande ej , nach Stein, im Winter 400,000
im Summer 3oo,000
nach Fcd>rij im Winter 3oo,ooo
im Sommer 200,000
gegcnwäilig nach Gidletti . . 200,000
nach Cannabicli . . 260,000
Dublin 197,000
Amsterdam . . • 'i- ' 193,100
Berlin 192,646
Palermo 180,000
Madrid ............ 170,000
Piom (in Hinsicht J.js Architekturstyls, die erste Stadt in Italien, so
■wie in Europa) ......... 140,000 fj
■während der Jahre 1796 — i8l4 war Roms Bevölkerung von
160,000 auf go,000 gesunken.
I. Bewohner der eur.ip. Staaten. §. 20. lu An^eFiuDt; ihrer \Vi)lin|iIät7,c. Furlsotiung. 3ll
Einwohner.
Mciiland 104,000
Lyon ............ t i3o,ooo
Marseille 118^000
Manchester 110,000
im Jahre i65o nur ........ 27,000
p^enedig 109,779
Hamburg- 106,920
Valencia 106,000
Edinburgh niil Leith ......... io3,ooo
PFarschausJ • ]oo,3oo
Glasgow 100,000
Bordeaux 100,000
Kopenhagen 100,000
Adrianopel . , . . . . 100,000
a) Eine Bevölkerung, die keine Stadt der Weh hat, ausser Pekings der Hauptstadt von Chi-
na, wo nach dem Berichte des Lords Macarlnej' über 2 Millionen Einwohner eczäh-
let werden.
b) Im April 1814 waren in Parlft über i,2oo,ooo Menschen angehäuft. In Folge einer könlgl.
Verordnung vom 9. Jul. i8i5 nahmen die Plätze , Strassen und Brücken der Stadt Paris
die Nahmen wieder an, welche sie am 1. Januar 1790 getragen haben, und jede diesen
zurviderlaufende Inschrift wurde ausgelöscht. Die ehemalige Brücke \on Auslcrlilz führt da-
her wieder den Nahmen: Pont du Jardin du Roi , und die ehemalige Brücke von Jena den
Nahmen: Pont des Invalides. S. Osterr. Beob. i8i5. Nr. 209. S. 1140. — Über das Über-
gewicht der Hauptstadt Paris über die Provinzen; in dem Polit. Jour. 181 1. Nov. S.
993 — lOOO.
c) Die Häuser in Constantinopel sind meistens nur aus Holz; höchstens mit Fachwerk gebaut-
daher die Türken bey Feuersbrünsten sehr grosse Gleichgültigkeit zeigen. S. H. A. L. Z.
1811. Nr. 245. S. 76.
d) Die meisten Strassen in St. Petersburg sind 70 Fuss breit und darüber , die engsten sind
breiter als die breitesten in Wien, nähmlich /^2 Fuss. Im J. 1814 zählte es 7683 Häuser.
Darunter waren 2356 steinerne Gebäude, alle übrigen waren noch von Holz. S. Ergän-
zungsbl. z. H. A. L. Z. 1818. Nr. 44. S. 346.
«) Versuch einer Darstellung der Verbrennung und Plünderung Moskwa s durch die Franzosen
im SepteraBer i8i2; von einem Augenzeugen. Mit Kupfern und einem kleinen Plane. St. Pe-
tersburg, i8i3. Vergl. Gölting. gel. Anz. 1817. 146. St. Der Haiiptbrand Mo.skK^a'.s dauerte
von Abend des 2. Sept. i8i2, nachdem Napoleon Nachmittr.i;s — zum ersten Male in sei-
nem Lebeu ohne alle ihm sonst in ähnlichen Fällen \viderfahrne Ehrenbezeigung — einge-
rückt war, sechs Tage anlialtend im Zusammenhi- fort; späterhin unterbrochen und spo-
radiscii in einzelnen noch verschonten Quartieren, bis zum lo. October, wo die Franzo-
sen sich entfernten. Die Anzahl der abgebrannten numerirten , meistens nach dortiger Bau-
art von einander gesonderten Höfe beträgt gegen 9000. Weil indess jede Nummer fast ohne
Ausnahme vier, fünf und mehr einzelne Gebäude begreift; so lässt sich die Tolalsumme
der abgebrannten Häuser mit Einschluss von Kirchen, Capellen {^uden , Speicln-rn , Gar-
ten'räusern , Badstuben, Ställen u. s. w. auf wenigstens 33 — 40,000 anschlagen. Von 3i
Apotheken blieben nur 3, so dass es bald an Arzeney für die imgiürklichen , in der Schlacht
bey Borodino verwundeten Krieger beider Parteyen fehlte. Die ersten wahren Uis.iclien des
41
322 I. Bewoliuei Jei- turop, Staaten. §. 21. In .Ansehiui'; ilacr Wolinplatzc. Fortsetzung.
Brandes lagen — in zufällig sich vereinigenden Umsländen, denen ähnlich , welche im alten
Rom eintraten , als dasselbe vom römischen Heere und den meisten Einwohnern verlassen,
durch die Gallier eingenommen und geplündert wurde , wo sie gleichen Effect , wie in
Äloskwa, hatten. Es ist also ein grosser Irrthum , wenn man die Anziindung Mosk>va's für
ein heroisches Opfer hält, das von den Russen zur Rettung des Vaterlandes gebracht sey.
Moskwa's Verbrennung, die Napoleons Verderben herbeyfiihrte, war nicht, wie einige da-
für hielten (S. Historische Übersicht der neuen Politik und Staatsverwallung. Aus dem
Englischen übersetzt, mit Anmerkungen. Von S. H. Spicker. B. 1. das Jahr i8i2. Berlin,
i8i5. S. 149 S. Vergl. Russlands glorreiche Selbstaufopferung zur Rettung der Menschheit:
Leipzig, 1814.), Folge eines Planes der Russen , oder der ursprünglichen Absicht Napo-
leons , sondern ein Werk des höhern Verhängnisses , zur Befreyung Europa's aus den Ban-
den seines Verheerers. — Nach mehreren Nachrichten aus Moskau ersteht diese Stadt, wie
ein Phönix , schöner als jemals , aus ihrer Asche.
/) Das vorzüglichste Hinderniss der stärkern Bevölkerung iRo/)i5 ist die grosse Sterblichkeit ,
nicht nur wegen der Bösartigkeit der Luft, sondern auch desswegen , weil der schädliche
Gebrauch herrscht, die Todten in den Kirchen zu begraben. In grosse Gruben %verden
die Leichname geworfen , ohne Särge , weil die Armen sich derselben wegen des Holzman-
gels von Neuem bedienen, und jene werden, wenn sie gefüllt sind, vermauert, um nach 5o
Jahren zu gleichem Gebrauche wieder geöffnet zu werden. Daher Todtengeruch die heiligen
Stätten erfüllt. S. J. A. L. Z. 1818. Nr. 11. S. 86.
g) Es ist theils sehr schön , theils sehr hässlich gebaut. Man findet in den Hauptstrassen viele
steinerne und schöne Gebäude, auch Palläste, liingegen in den entlegenen Strassen noch
viele hölzerne, mit Schindeln und selbst mit Stroh gedeckte Häuser. S. Caiuiabichs Lehr-
buch der Geographie. Sondershausen 1817. S. 410.
§• 21.
Fortsetzung.
Die volkreidisten der übrijjen cm opaisclien Städte und Marlflcckeii sind, und zwar:
1) In der österreichischen Monarchie.
Eiuwohuer. Einwohner.
Prag 79,606 Szegedin . . 3o,i53
Pestk 47,200 nach andern .... 27;2g5
Padua 46,60g f^'icenza 3o,o25
Lemberg 4i,85o Brunn 27,100
nach andern . . . . öOjOOO Cremona 25,825
Verona 4ij5oo Kronstadt 25,ooo
nach andern .... 5o,ooo nach andern .... 5o,ooo
Debreczin 39)717 Mantua 24j775
nach andern .... 40,000 Ketskemet (der grösste Markiflc-
Triest 36,ooo ckcn in Ungern, so wie in der
Pressburg 35;o55 ganzen ösierr. Monarchie) . 24,616
Grätz 34,000 nach andern über . . 3i,3oo
Ofen 32,000 Bergamo 24>ooo
nach andern .... 28,5oo Schemnitz 23,ooo
Brcscia 3i^o5o M. Theresiensludt 22jOOO
I. Bewohnfr der europ. Staateu. §. 21. In Anseliung ihrer Wol)0jilal7,e. Fortsetiung. 3j3
Eiuwoliner. • Eiiiw.liuor.
Pai'ia 2lj5oo M"5'Äo/c3 (Marktflecken in Ungern) i5,5oo
jBrodj 21,000 Salzburg i3,o5o
Chioggia 20,6oo Nyiregjhaza (Mklfl. in Ungern) . i5j,ooo
Zoinbor 18,776 Teinesvdr 12,665
Stuhiweisseiiburg l8,6gi Oedenburg 12,525
El lau 18,000 Roveredo 12,000
Lodi 17,800 Nagy -Korbs (Mkt/l. in Ungern) . 13,621
Udine ijjiyö Jasz-Berenj (Mktfl. in Ungern) . i3,5qi
Neusatz i6,663 Kascliau 11,960
Linz 16,475 Carlsburg 11,275
Herrmannstadt 16,000 Szathmär-Nemethi u 200
i5e/ieA' (iMkül. in Ungern) . . . 1^,800 Ollmütz 11,000
Clausenburg 14,025 Iglau io,g5o
Trient l4,5oo Gran 10,700
Ti-rviso 14,200 Innsbruck io,25o
Raab 13,698 Jgram 10,000
nucli andern .... 16,118 Komorn 10,000
2) lu der preussischen Monarchie.
Breslau 78,i35 Elberfeld 16,970
Königsberg 63,869 Stralsund 16,869
Colin 56,420 Trier i5,3i8
Danzig 53,818 Halberstadt 14,718
Magdeburg 36,677 Brandenburg 12, -^62
Jachen 33,620 Wesel i2,io5
Düsseldorf 26,655 Quedlinburg 22 026
Stettin 25,847 ^'^isse 11,897
Potsdam 24,970 Tilsit 11,668
Posen 24,598 Glügau . . . . • ll,i83
Halle 23,873 Coblenz 11,171
Erfurt 2l,33i Bonn lo,565
Barmen 19j472 Brieg 10,5^7
Elbing 19,469 Thorn 10,4^0
Münster 17^9^2 Aordhausen io,5')8
Frankfurt i6,o56 Eupen 10,184
3) In Deutschland j ohne Oslerreich und Prcussen, und zwar:
a) In Baiern: Ansbach 12,849
München 60,024 Fürth 12, -705
Augsburg 29,470 Baireuth ll,i5S
Nürnberg 26,743 1>) In Sachsen :
Begensburg 18,843 Dresden 4n.o-'4
Bamberg 16,397 nacli andern .... 55, 000
TFurzburg 1 5,533 Leipzig 5 -,000
41*
5s4 ^' Bewohner der eurjp. Slaaten. §. Ji, In Auscliung ihrer Wohiiplätze. Fortsetzung.
Einwohner. Einwohner.
Chemnitz i2,ooo t) In Sacfisen-Gothn :
Bautzen ll,5oo Gotha 11,800
c) In Hanover: Altenhnrg 10,200
Ilauover 24,000 V) h\ dun (jc\neUn\ dev freyen Städte:
Emden 11,000 Frankfurt a.mM'Ma 42,800
Hildesheim 10,64g Bremen 36,ooo
Göttingen . 10,400 Lübeck 20,000
Lüneburg 10,o3g zu Anfang des ig. Jalirhun-
d) In fFürtemberg: derls noch ül)er 3o,ooo
Stuttgart 26,016 m) Residenzstädte unter 10,000 Ein-
Ulm 11,027 "woliner zä]ilend :
Ausserdem 8 Städte über . . . 5,ooo Dessau g,220
c) In Baden : IFeimar 8,673
Mannheim 21, .525 Coburg 8,164
Carlsruhe i6,o38 Greitz (Rcuss-, allere Linie) . . 6,200
FrejbuT'g 10,748 Köthen 5,5oo
f) In Churhessen: Oldenburg 5, 200
Cassel ig, 000 Bernburg 4,85o
Ilauau 12,000 Schleitz (Kcuss- , jüngere Linie) . 4,600
Fulda 7,400 Neustrelitz 4,5oo
Schmalkalden 5,3oo Rudolstadt 4,100
g) Im Grossherzoglhume Hessen : Hildburghausen 3,5oo
Mainz ." 26,400 Sondershausen 3,ioo
Darmstadt l5,54o Homburg 2,g6o
Olf'enbach g,ooo Zo/.>e/i.y<e//i (Reuss-, jimgcre Linie) 2,700
Gicsen 6,000 Hechingen 2,600
li) In Mecklenburg-Schwerin : Detmold 2,670
Rostock l4,3oo JFedbuig (Nassau-) 2,170
Schwerin 10,000 Bückeburg (Scliaumbuig-Lippe-) 2,060
i) In Braunschweig : Jrolsen (VValdeck) 1,400
Braunschweig 2g,g5o Ebersdorf (Keixss-, ]\ms,evc'\Am.p) 1,070
Wolfenbüttel 7,000 Siegmaringen 780
4) In der Schweiz.
Genf 22,o56 Herisau (IMktfl.) 7,000
Basel 16,200 Frejburg 6,871
Bern i3,ooo Schaffhausen 5,5oo
Zürich^ io,3oo ISeue/iburg 5, 100
Lausanne 10,000 Luzern 5,ooo
St. Gallen f),ooo
5) In Itidien j olinc das lombardiscli-vcnetianische Königreich, und zwar:
a) In Sardinien: Genua Qci supcv'n,<) ..... 76,000
Tui-in . 88,600 Cßgäß/'t 36jOOO
I. Bewohuer der europ. Staaten, §. 21. In Anseluing ilirer Wulinplatze. FortSEtziing. 525
Einwohner. Einwnliner.
Alessnndria • .. . . 3o,2i6 Jncona 29,800
Sassnvi 3o,ooo Raveiuia 23,q33
Moiidoi'i 21,557 Ferrava 23,638
Ast'i 21,225 Fermo 19,678
JKizzn 19^645 Faenza i8,332
Ciineo i6,5oo Rimini 17,468
VerceUi 16,162 Forli l5,526
Casale l6,i5l Mncerata 15,087
J^igevano i5,4oo Foligno i5,oo2
Novara 14,662 Faiio 14,673
Fossano 14,000 Cesena 14,672
Chamberj I2,ooo Benevento 13,928
Cherasco 11,166 Pesaro 1 5,586
Sdvoiia 10,664 ^^ilerbo 12,588
Racconighi io,536 Urbino 1 1,582
Sa/uzzo io,i5o Bagna-Cavallo 10,669
Pinerulo • • • 10,086 h) In der Republik i'rr« A/^rmo ;
Chieri 10,060 S. Marino 5,5oo
Voghera lo,023 \)\r^ bejden SlcUien ^nw^ 7.\yAx:
b) In Parma: aa) Im Königreiche Neapel:
Parma 28,5oo Lecce 20,000
Piacenza i5,ooo Foggia i9,5oo
Guastalla 5,5oo Bart i8,g37
c) In Morletia : Taranto 18,000
Modena 19,555 J^'^^rleLta 18,000
rxeggio i3,3oo ^^^ö'o iG^'^oo
]^ T T\i Gaeta l4)8i2
d) In Massa : _
Trani lOjSoo
Massa ....... ^ . 0,826 . , - ,^„
^, ^ Aversa iJ,^oo
Larrara 8,45o «, .
'^ Matera 12,400
e) In Zmcc^; Jvellino . .i2,3oo
Z»,cc« (in dustriosa) 17,160 Catanzaro 11,464
f) In Toscnna: Sularno io,65o
i^/o?r«z (la bclla) 75,2o5 bi)) Im Königreiche ÄCiVit?« :
Lh'orno (das Paradies der Juden) 5o,54g Catmna 46,000
Slena 24,000 nach andern .... 60,000
l^i^'^f^ 17,000 Messina 45,ooo
Pisloja 10,000 nach andern .... 70,000
Prato 10,000 Trapaui 24,33o
\0 Im Kirchenstaate : Marsala 20,600
Bologna 63,420 Celatanisetta 1 5,62 7
Perugia 3o,ooo Girgcnti i5,ooo
326 I, Bewohner Jer europ. Staaten. §. 21. In Ansehung ihrer Wohnplätie. Fortselznng.
Ein-wolincT. Einwohner.
Siragosa i5,ooo Tdcosia 12^064
(in allen Zeilen 1,200,000) Licata 11,280
Tennini • l4>l5o 1^) Auf der Insel Malta:
Lipari . . . , 12,485 Frz/ef^e (ohne die Fremden) . . 3o,ooo
6) In der jonischen Republik.
Zante 19,040 Jmakuld 5,5oo
Corfu i5,665 Likuri 5,ooo
7) In Frankreich.
a) In Nord/rankreich : Dijon . . .21,612
Ronen 86,972 Dieppe 20,000
]Santes 77>226 St. Omer 20,000
Lille 61 ,5oo 1)) In Südfrankreicli :
Strassburg 4g,o56 Toulouse 62,000
Orleans 42,65l ISismes 41.195
Metz 42,137 Montpellier . ....... 34,000
Amiens 41,200 Clennont 3i,5oo
Caen 36,234 Besangon 28,5oo
Jngers 34,ooo Touloti 26,170
Rheims 31,779 Montauban 25,232
JSancj 3o,532 Jvignon 23,8oo
Troyes . 3o,ooo Tours . 23, 100
Rennes 29,668 Aix •. . . . 21,960
Brest 26,000 Grenoble 20,664
Dünkirchen 24,178 Limnge 2o,255
Fersailles 23,i66 Arles 2o,i5i
8) In Spanien.
Sevilla go,ooo Reus ♦ . . . 5o,ooo
Cadiz 70,000 Palma 29,629
Granada 66,660 Carthagena . 29,000
Malaga 52,376 Eccija 28,176
Bai^celona hat gegenwänig noch . 40,000 Jaen 27,600
l4,ooosindim J. 1821 an denFol- Toledo ♦ . 26,000
gen des gelben Fiebers geslorben, Mataro 26^000
und 80,000 sind ausgewanderi. Santjago 21,334
Saragossa ■. 40,000 Ferrol ......... 20,000
Murcia 35,ooo Orihuela 20,000
Cordova 35,ooo Ronda 20,000
Valladolid 3o,ooo Alicante 20jOOO
q) In Portugal.
Porto oder Oporto 64,000 Coimbra . i5,ooo
nach andern .... 74,000 Setuval 12,000
Braga 18,048 Evora i2jOOO
Elvas 16,000
I. Bewohner der europ. Staaten. §. 21. lu Ansehung ilirer Wohnplälze. fortseUung. Slj
lo) Im brittischen Reiche ^ und zwar:
a) In England: Einwohner. h) In Schottland. Einwohner,
Lei'erpool ........ g5,ooo Paislej- 36,722
jßirmüigham 86;000 Dunden 3o,g8g
Bristol 76,433 Jberdeen 22,000
Pljtnouth 65,ooo Perth 17,000
nach andern .... 56,o6o vi , ; j
r j ^ c) In Irland.
Leeds . 62,000 ^
Portsmouth 40,600 Cork go,ooo
Hall 3g,48o Limerick 60,000
Bath . . . . . . . . . . 38,43g JFaterJoi'd 35,ooo
JSorwich 5i,'zbQ Belfast 3o,ooo
Scheffield . . .' 36,ooo Kilkenny 17,000
JSewcastl 3.5,711 Newry . i5,ooo
Piottiugham ....... 34,363 Galwaj i5,ooo
Leicester . 23,146 Dundalk ....,,.,. i5,ooo
Shields ......... 20,000
11) In den Niederlanden.
a) In den nördlichen Provinzen : 1>) In den südlichen Provinzen :
Rotterdam ........ 55,ooo Brüssel 76,000
nach andern .... 5g,ooo Gent 60,700
Haag 44,000 Antwerpen 60,000
Utrecht ......... 34,880 i'^i i6- Jahrhundert . . , 200,000
Lejden 3o,700 Lüttich 47,000
Groningen . 27,800 Brügge 34^245
Ilaarlem '. 21,200 Löwen 26,400
Dortrecht ........ 18,000 Doornik 23,256
Lenwarden 17,000 Mons < 20,000
Middelbnrg i3,200 Mecheln 20,000
JSiinwegen i3,ooo Rlast rieht ........ 18,400
Zwolle i3,ooo jSamur i6,i65
Detft i5,ooo Ypern ......... i5,2gi
Gondu ......... 12,000 Curtrjk ......... 14,000
12) In der dünischen Monarchie.
Jltona 24,522 Alborg 6,600
L'lensbnrg ........ 16,000 Oderisee 6,000
Schleswig 7,800 Aarlunis 6,000
Kiel 7,000 Glückstadt . . . , 5,200
i3) In der schwedischen Monarchie.
Stockholm 73,000 Bergen (Norwegen) 18,111
nach andern .... 80,000 Carlskrona li,goo
Golhenburg 21,800 Cliristiania (Norwegen) , . . 11,000
52<i I. Bcwuliuer der europ. Staaten. §. 21. lu Anseljung iLrer Wohnplälze. Furlsetzung.
Eiuwoliner. Einwnliner.
Norrköpiiig 9,5oo Ceße 5,6oo
Drontheim (Norwegen) .... 8,100 Mcdewe 5,000
Drammen (Norwegen) .... 6,000
IZ,) In dem russischen Reiche und dem damit vcrcinigtea Königreiche Polen.
Kiew 40,000 ^bo 12,200
Odessa 55,5oo Kisläv 12,000
1796 nur i5,ooo Smülensk 12,000
Riget 3o,ooo JSischegorod i2,coo
Astrachan ^0,000 Toropez i2,oco
Kronstadt 3o,ooo Sumj 12,000
Tnla 3o,ooo Nachitscliewan 12,000
TFilna , 25,ooo Elisabethgrad 12,000
Kaluga 26,000 Koslow ii,5oo
Bender 25,ooo Wologda 11,000
Jaroslaw 24,000 Mitau 11,000
Twer 20,000 TViasma 11,000
Kursk 20,000 üstjug-TFeliki 11,000
Orel 20,000 Nowgorod 10,780
Akmetscliet 20,000 Lublin (Polen) ...'.... io,3oo
Orenburg 20,000 Pskow 10,000
ßieshin 16,000 Tschernigow 10,000
Mohilew ' . . . . 16,000 Pnltawa 10,000
Wltehsk 1 5,000 Cherson 10,000
Reval ] 5,000 Kasimow 10,000
Tambow i5,ooo Putiwl 10,000
TVoronesch i5,ooo Korotscha ........ 10,000
Charkow i5,ooo Tschngujew 10,000
Tsclierkask l5,ooo Archangelsk 10,000
Nikolajew i5,ooo Jkkicniuuin 10,000
Achtjrka 12,800
]5) I'i dem GcLiete Aev frej en Stadt Krakau.
Krakau 27,000
lö^l In der earopäisc/ien Tiirkej j vor der liisiinoclion der Griechen.
Saloniki 70,000 Seres 3o,ooo
SaiYijevo (Eosna Seraj) .... 65, 000 Jassy 27,5oo
Bukurescht 60,000 IFiddin 25,ooo
Sophia 46,000 Lurissa (Jcnischehr) .... 25,ooo
Hydra 40,000 Sistow 21,000
Ixusdschuck 3o,ooo Silistria 20,000
Janina 3o,ooo Schunina 20,000
Philipopel (Fchlieli) 3o,ooo Eskisagra 20,000
Belgrad 5o,ooo Kastorea ........ 18,000
1. Bewohner der europ. Staaten. ^. 22. In Rückaiclil ilnir Gcwerlie od. Bescliäftigungen. 329
Eiuvvolmer. Einwoliuer.
GaUipoli 17,000 Zwortiik (Tsvornik) i4;,ooo
Warna i6;000 Tripolizza 12,000
]\egropünte 16,000 Babatag 10,000
Mistra 16,000 Nikopoli 10,000
Skiitnri 16,000 JÜien (Aihiniah) 10,000
Baujaluha i5,ooo Lhuidla iO;Ooo
Candia i5,ooo
§• 22.
f) In Rücksicht ihrer Gewerbe oder Beschäftigungen.
In Ansehung ihrer Gewerbe endheh werden die Ein\vohner Europa's in drcy
Hauptclasscn geschieden :
Die erste, die prodiicii'encle Cl^sse , umfasst alle diejenigen Geschäfte, welche
die Gewinnung der Productc der Erde in ihrer naliirlichcn Gestalt ziun Zwecke ha-
ben , sie mögen nun in dieser Gestalt consimiirt werden oder nicht. Dahin gehört der
eigentliche Landbauer und Gärtner _, der TVinzer j der Förster und Waldbaiier ^
der HirtSj der Fischer und der Jäger ^ der Steinhauer und der Bergmann. Dasje-
nige, was sie zur menschlichen Nahrung, Kleidung, Wohnung und zu anderem Bchu-
fe liefern, sind Nalurproducte _, die iheils in der Gestalt, in welcher sie gewonnen,
auch verzehrt \\ erden, iheils aber eine weitere Behandhmg erfordern, um sie zum
Gebrauche geschickt zu machen. Die Iclzlcren heisscn in dieser Hinsicht rolie Mate-
rialien, Übrigens ist diese Classc, obgleich in Riicksicht der. Arbeit die ärmste an
Verschiedenheit /der Zweige, und die einfachste, doch an Individuen bey weitem die
zahlreichste, uijd durcli ihr Gewerbe an das offene Land gehalten.
Die zwcyte Classe , die verarbeitende oder veredelnde j begreift alle diejenigen
Gewerbe, welche den Nalurproduclen durch eine mechanische Behandlung ihre na-
türliche Geslnh nehmen, mehrere, wenn es nöthig ist, zusammensetzen, und so ver-
änderte Producte liefern, die man , um sie von jenen zu unterscheiden, Kunstpro-
ducte nennet. Diese Classe umfasst eine unendliclie Mannigfaltigkeit von Arbeiten ,
obgleicli eine geringere Zahl von Arbeitern, als die vorige. Die Arbeiter heissen Hand-
werker ^ Manufacturisten und Fabrikanten (vergl. Abth. I. §. 92-), und nehmen ih-
re Wohnsitze gewöhnlich in den Städten.
Die dritte Classe, die handelnde j besteht aus denjenigen, welche sich mit dem
Vertriebe der von andern erzeugten und verfertigten Waaren beschäftigen, diese mö-
gen imn Producte der JNatur oder der Kunst scyn. Dahin gehören 1) alle diejenigen,
v/elche Waaren einkaufen, um sie mit Gewiim wieder zu verkaufen, nähmlich die
Kaußeute _, die K?-ämer und die Höcker ; 2) diejenigen, welche den Transport der
Waaren besorgen, als die SpediieuT'S j die Schijfer und Fuhrleute; 3) diejenigen,
welche zwischen dem Käufer und Verkäufer in die Mitte treten, und beyden das Ge-
schäft erleichtern, die Mäkler oder Senscde. Diese Classc, an Individuen von allen
die schwächste, ist sowohl zur Beqiundiclikeit, als zum stärkern Vertriebe der Waa-
42
33j II. Geistcscultur. §. 23. Notliwendigktit der Verschiedeuh. dti BilduugsausUUeu iu einem Staate elo.
ren; und dadurcL zum allyemeiuen Wohlstände und zur Ycrbindüng entfeinter Län-
der von grosser \\ iclxtigkcit.
Wie verscliioden die einzelnen europäischen Länder und Staaten in Ansehiuig
dieser drey Hauplclasscn der bürgerhchen Gewerbe sind, ob luid welche Classen sie
vereinigen, lehren die Abschnitte IL, IIl. und IV. der ersten Abiheilung dieses Werko.
Von diesen drey Hauptclassen der Gewerbe, deren Grundlage die Producte der
Erde sind, unterscheiden sich einige andere , die auf der gcsellschafLlichen Ordnung
beruhen. Der Staat hat zu seinen niannigfahigcn Geschäften eine Menge Arbeiter von
ganz verschiedener Art nöthig ; vom ersten Älinisler bis zum KanzeHeydicner heral*.
Alle diese, die ihre Arbeiten dem Staate widmen, nuissen aiicli vom Staate unterhal-
ten werden. Die innere Ruhe und die äussere Sicherheit erfordert eine militärische
Macht. Die öffentliche Übung in der Religion und der Unterricht in derselben sowohl
als in Sprachen, Künsten und Wissenschaften bedarf vieler Männer, die "sich die nö-
thigen Kenntnisse crworljen haben, und sich diesen Geschäften ganz widmen, daher sie
auch von denselben leben müssen. Diese grosse Classe der StaafsiUener oder Besol-
deten empfängt seine Mitglieder aus allen Ständen und allen Gewerbsclasseu , und
gibt ein sehr nützliches Triebrad des Geldumlaufs ab. Geniossen die Slaatsdiener gleich
grossen Theils ein reichliches Auskonnnen durch den rcichliclicn Lohn ihrer Dienste :
so veriheilen sie doch denselben wieder unter das Volk, und insonderheit unter die
producirende und verarbeitende Volksclasse.
Eine allgemeine Classe, welche allen übrigen ohne Unterschied zur Hand geht,
machen die ^ragelöhner ^ welche bald im Felde, bakl in der Werkstatt, bald im Waa-
rcnlager alle Arbeilen übernehmen, die bloss körperliche Kräfte verlangen, ohne be-
sondere Kenntnisse und Fertigkeiloia vorauszusetzen, tind die JJ^eiisthotlien oder das
Gesinde _, welches zur ^"»eisönlichen Bedienung und zu den gewülmlichon liiiuslirhen
Geschäften gehalten wird.
II, G e i s t e s c u 1 t u r.
§. 23.
Notliweudigkeit der Verse liiedenlieit ;der Bildungsau stalten in einem
Staate, und Verliältniss, in \velchem sie zu demselben stehen.
Wenn BlldungsanstaUen im Staate überhaupt dazu bcstintint sind , einem jeden
zu dem Grade von Ausbildung zu verhelfen, dessen er zu seiner Bestinunimg als
Mensch und Bürger bedarf : so folget auch, dass diese unter sich selbst eben so ver-
schieden seyn müssen, als die Bestimnuingen der Menschen und Bürger verschieden
sind, welche ihnen entweder durch die Natur, oder durch die Umstände und Ver-
hältnisse angewiesen sind. Hievon nun die Anwendung gemacht auf die europäischen
Staaten, so ergibt sicli das beseligende Resultat, dass dieselben sowolil ?;um ersten
Unterricht der Jungen Menschheit, als auch zur Aufrechthaltung und weiteren Bcföi-
dcruug höherer Kennini'jse, Wissenschaften und Künste, die mannigfaltigsten Einrieb-
II. Geislüsciiltur. f. 24. Vülksscli:iluG. 53/
lungen und x\nstalten aufzuweisen hahen, und damit boy weitem besser versorgt sind,
als die Staaten ausser Europa. Das Verliältniss aber, in welchem Bildungsanstalten
und Staat gegen einander sich befinden, besieht darin, dass jene für diesen noihwen-
dige Mittel sind, zur vollständigen Erreiclumg seiner gesammten Zwecke, der Staat
aber für die Bildungsanstaltcn eine äussere Bedingung, unter welcher allein ihre, auf"
die Entwickelung und Ausbildung der natürlichen Anlagen, Fähigkeiten und Neigun-
gen der Staatsbürger gericJitcte Thätigkeit volle Wirkung gewinnen kann aj.
a) Der Staat und die Scl]ulc ; oder Politik und Pädagogik in ihrem gegenseitigen Verhält-
nisse zur Begründung einer Slaatspädagogik , dargestellt \on ff, T. /Cr«^' etc. Leipzig,
i8io. gr. 8.
I. Allgemeine Bildungs an stalten.
§• 24.
A. Volksschulen.
Die P\)lksschulen sind diejenigen Lehranstalten, in welchen der Grund zu jeder
weitem Bildung gelegt wird, indem durch dieselben fiir den Unterricht der ersten
Jugend gesorget wird, und also den jungen Staatsbürgern die ersten und nolhwcndig-
sten Kenntnisse mitgctheilt werden. In Österreich werden sie Trk'icd- und Haupt-
schulen aJ , in Frankreich Primairschulen ^ in den Niederlanden £'/(?/«e/i/«/".y(;/t«/<?//j
in Preussen Dorf- und Landschulen ^ in Russland Pfarr- oder Kirclispielsschulen
und Kreisschulen genannt. Vorzügliche Aufmerksamkeit auf diese Galtung von Schu-
len wird gerichtet in Österreich bj , Preussen, Baiern cj , Würtembcrg, Baden,
Nassau V/J, Sachsen', den grossherzoglich- und herzoglich-sächsischen und in andern
deutschen Staaten, dessgleichen in Dänemark ej , Schottland y^, in den Niederlanden
und in Toscana j weniger in den übrigen Ländern und Staaten gj , vollends in Eng-
land, dessen Regierung sich um den Yolksunterrichl eigentlich gar nicht bekümmert,
da sie weder Fonds für die Volksschulen ausgeworfen, noch die Gcisllichen, wie es
doch sonst in christlichen Staaten gewöhnlich ist, angewiesen, deu Kindern einen
besliuunten katechetischen Unterricht zu erlheilen lij. Es fehlt zwar nicht an Pcn-
sionsanstalten _, Sonntags- ^ Frej- und Armenschulen; diese Bildmigsanstalien aber
sind iheils von hochherzigen Patrioten gestiftet, llieils Privatunlcrnchnuingcn, und
der Volksmenge so wenig angemessen, dass man noch im J. 1821 die Anzahl der oh-
ne allen Unterricht bleibenden Kinder in Zon<^/o/2 allein auf 40,000 schätzte; in ganz
England aber mö"en irewiss ? der Kinder sich im Stande völliger Unwissenheit be-
0004 o
baden.
In den brillischen Volksschulen wird jetzt mei.stens nach der Bell- Lancastcr'-
schen Methode gelehrt. Nach dieser Lchrart unterrichtet der Lehrer nur die, im Le-
sen, Schreiben und andern Fertigkeiten, am weitesten fortgeschrittenen Schüler be-
sonders. Diese aber sind zugleich seine Unterlehrer bey den Ablhcihingcn derjenigen,
welche noch nicht so weit vorgerückt sind, aber ihnen am nächsten stehen, und die
von diesen Unlerrichleten sind wieder Unlcrlehrer von Abiheilungen derer, welche
noch liefer in den ersten Anfängen stehen. Diese Einrichtung des gegenseitigen Un-
terriclus j von dem brillischeu Geistlichen Jiidreas Bell in Ostindien 1790 erfunden,
42'
33* II- Geistescuhur. j. 24. Volksschulen.
und von dein Qiüickcr Joseph Lancastcr ijCjB auf europäischen ßodon, und zwar in
eine Ainienschidc zu London verpflanzt ^ ist jeizi niclit nur in As'n ii und Europa ,
sondern auch in Amerika ^ und selbst an den Kiislen Afrika s und Neuhollunds ver-
breitet tj. In Europa ist sie nicht nur in England j Schottland und Irland oingi'
führt, sondern von England aus auch nach Portugal ^ Spunien_, Frankreichs ItalieUj
der Schweiz j den JSiederlandeti j Schweden ^ Polen und Riisslandj, überhaupt nach
allen jenen Ländern verpflanzt worden , mo entweder Mangel an Schulen zur Bildung
der Jugend war, oder wo das Volksschulwcsen als Privatsache denen überlassen wur-
de, die sich damit befassen wollten. Die Bell -Lancaster sehen Schulen sind nur
Noth- und Armenschulen j die das grosse Problem lösen sollen, wie bey dem Man-
gel an Volksschulen mit dem geringsten Köstenaufvvande die verwahrlosten Kinder ge-
sammelt und in den nothwendigsten Gegenständen unterrichtet werden können. Da-
her konnte diese Lehrmethode in Deutschland und Dänemark keinen Eingang lin-
den, da gerade diese Länder es sind, deren Einwohner schon lange nicht mehr sol-
cher Nothschulen bedurften, und der Volksunierricht unter ihnen schon fridier einen
weil höhern Grad der Vollkommenheil erreicht hat AJ. . ,. . ;i.
Obgleich übrigens Eun^pa sich den Ruhm des glänzeuden Prädicats ,.Welt der
Cultur" erstrebt hat: so gibt es doch liie und da nicht nur einzelne Individuen, son-
dern auch ganze Gemeinden, wo, wie im Mittelalter, nur die Geistlichen lesen und
schreiben können IJ. bnn -\''
a) Von denen diejenigen Normal- oder Musler-Haupfschulen genannt -werden, die den übrigen
zum Muster dienen sollen. Dergleichen gibt es in der ganzen österreiclilschen Monarchie 34,
wovon auf Ungern und Siebenbürgen (in diesen Erblandern scholae tJernacidae primariae
genannt) 19 konunen.
/>) Wo, in Folge der tabellarischen Übersicht des Zustandcs der Volksschulen lür das J. i8ig,
in Böiniien , Mähren , Schlesien und Galizien , dann in Österreich ob und unter der Enns ,
Steyermark, Kärnthen , Tyrol und Vorarlberg, Illyrien und dem Küstenlande 9217 Pfar-
ren , i6o Hauptschulen und 9025 Trivialschulen gezählt werden ; es gibt also in den besag-
ten Pro\inzeu der österreichischen Monarchie Pfarren , die mehr als eine Trii'ialxchule ha-
ben. Die Zahl der schulfähigen Rinder von 6 — 12 Jahren war 1,485,536, wo^on 940,713
die Schule wirklich besuchten.
c) Wo im J. 1B19 5ooo Volksschulen vorhanden waren.
d) Wo es 825 Volksschulen gibt.
e) Wo mehr als Oooo Dorfschulen für die Volksbildung sorgen.
f) Wo in jedem Kirchspiele eine eigene Schule besteht, und man überhaupt für Unterricht
weit mehr empfänglich ist, als in England und Irland.
g) In Eussland z. B. waren, nach f. If'ichma/m, bis zum Jahre i8o5 nur erst 56 Pfarrschu-
len und 80 Kreisschulen eröffnet. Und doch soll jedes Kirchspiel oder zwey zusammen eine
Pfarrschule haben, und in jeder Kreisstadt wenigstens eine Kreisschule se\n. Ihre Zahl ist
etatsmässig auf 5ii gesetzt; es werden aber jetzt kaum 100 bestehen. Im Jahre i8i3 betrug
die Anzahl aller Schüler der Pfarr- und Kreisschulen, die der Gymnasial-Schüler mit be-
griffen, im ganzen russischen Reiche nicht mehr rIs 41,712 Individuen. S. Intelligenzbl.
der L. L. Z. 63. i8i3. Eine in der That äusserst geringe Zahl im Verhällniss der ganzen
Volksmenge des russischen Reichs! Diese Thatsache ist wohl der sprechendste Beweis da-
von, ^\•ie langsam die Volksbildung in einem Staate, wo theils noch Nomaden und Halb-
nomaden in wildem Aufwüchse, theils erst angehende Ackerbauern, roh erwachsen, le-
n. Geistes. iiUur. §. 25. Bürgerschuleu , ludiistrie- und SouiiUigsscl.uIen. ,i,ö5
ben , zur i^rwiinsrhtcn Vollkommenheit reift. Selbst die Bildung der eigenilirhon russischen
Nation , die höheren Stände aii.«»enommen , ist kaum begonnen , und es fehlt zur allgemei-
nem \ i-rbrcitung der Volksbildung, so wie der bürgerlichen und gelehrten , noch zu sehr
an deni nölhigen Personale , von dem die Bildung ausgehen kann, man muss es npch aus-
wärts suchen. Daher sind Staalsämter und gelehrte Anstalten häufiger als irgendwo mit
Fremden besetzt. — In Franknicli sind von 44,000 Gemeinden mehr als25,ooo ohneS<:hu-
len , und mehr als die Hälfte der schulfähigen Jugend kann bis jetzt noch nicht die Schulen
besuchen. In Paris selbst war bisher noch nicht hinlänglich für den Unterricht aller schulfä-
higen Kinder gesorget. Die Menge derselben betrug im Jahre 1819 90,718, also ungefähr
den siebenten Theil der Bevölkerung; aber alle Anfangsschulen dor Hauptstadt enthielten
noch, nicht über 2.5, 000 Rinder. — In Scliireden und Norwegen sind viele Kirchspiele und
Bezirke phne Schulen ; allein ^on der Regierung angestellte Schullehrer reisen herum und
versammelrx bald, hier bald da für einige Zeit die Jugend zum Unterricht. — In mehreren
Cantonen der Äc'/üi-ejz werden im Sommer gewöhnlich gar keine Landschulen gehalten, und
im Herbst wird oft erst darüber beralhsclilagt , ob sie im Winter wieder angefangen wer-
den sollen.
/() S. Geist und Charakter des 18. Jahrhunderts : v. D. Jenisch. Tli. II. S. 194.
1) S. Umriss von der Veibreitnng des gegenseitigen Unterrichts in den Volksschulen der fünf
Welltheile. Von dem Herausgeber der Überlieferungen zur Gesrliichte unserer Zeit. Jahrg.
1822. April-Heft. Aarau..
k) S. Beantwortung der Frage : Sind Bell-Lancaster'sche Schulen in den k. k. österreichischen
,i , Staaten anwendbar und Bedürfniss? Von J. M. Leonhard , k. k. österreichischem Regie-
rungsrathe , Domscholaster und Oberaufseher der deutschen Schulen in Wien. Wien. 1820. 8.
T) Wie z. B. im Caiiton Tcssin in der Schweiz. S. Ergänzungibl. z. H. A. L. Z. i8i2. Nr.
^g. S. 228. — In der englischen Manufacturstadt Manchesier wurden binnen 6 Jahren 9756
Ehen geschlossen , von denen kein Theil seinen Nahmen in das Kirchenbuch einschreiben
konnte. S. Österr. Beob. 1816. Nr. 176. S. 928.
B. G'e'w e rb s s ch u 1 e n , oder Bildungsanstalten zur Vermehrung desNatio-
n al-R e i ch t h u m s oder der Production überhaupt.
5- 2.3.
.1) Bürgerschulen (niedere undhöhere oder Realschulen), Industrie- und
S o n 11 1 a g s s c h u 1 e n.
Unter Bürgerschulen werden solclie Unlcnichtsaiistalten verstanden, wo die Ju-
gend des Mittelstandes anfeinem andern Wege, als den der classisclien Literatur,
zur Hui7ianitat gebildet, und zugleich fiir das gewerbliche Leben überhaupt vorberei-
tet wird. Man untersclieidet'aa) niedere und bb) höhere Bürgerschulen.
aa) Jene sind fiir die niederen Bürgerclassen, aus denen iheils die Classe der
dienenden Personen, iheils die der Handwerker hervorgeht, bestimmt. Ein zweck-
mässiges Mittel fiir die Allermeisten, die aus diesen nicdern Bürgerschulen in Piensle
oder zu Handwerken übergehen, sich fortzubilden, oder auch nur das Erlernte im
Andenken und in der Übung zu erhalten, auch der Rohheit und dem Müssiggange der
Handwerkslehrlinge an Sonn- und Feyertagen zu steuern , sind die Sonn- und Frjcr-
tags- oder TViederhnhlungsschulen. Sie entstanden 1785 in England. Die Veranlas-
sung zu ihrer Errichtung war, die äusserst beschränkte Bildung der Classe der dorli-
334. ^'- Geistesculliir §. iS. Bürgerliche SinetialacliuIeD etc.
cen gemeinen Manufaclnrarbeiter. Die zur Hanianisirung dieses verwahrlosten Thoils
der biiiüschcn Nation bestehende Societät in London hat in den fünfzehn Jahren seit
ihrer Gründung bis i8oi in den verschiedenen Grafscliaften Englands 1774 solr.lier
Schulen unterstützt, worin 172,148 Schüler sich befanden. Es wurden unter sie ver-
iheilt: i5l,g62 Bnchstal)irbücher ^ 35;,8o2 neue Testamente und 6336 Bibeln aj.
Nach dem Vorgange der englischen Sonntagsschulen sind ähnliche Bildungsanstaltcii
auch in Oesterieich bj _, Preussen ^ JSaienij Dänemark und andern europäischen
Staaten eingefidirt worden. — Die Industrieschalen _, bestimmt, um die Jugend der
niindein Classcn, in Städten sowohl als auf dem Lande, früh an Arbeitsamkeit und
nützliche Thätigkeit zu gewöhnen, und ihr durch frühe Gewöhnung an einfache Hand-
arbeiten, Leichtigkeit hn Arbeiten zu verschaffen, sind ein dem österreichischen Kai-
serstaate ursprünglich zugehörendes Institut. Gegründet in Böhmen im J. ij-jQ cj ,
durch den edlen Normalschul -Oberaufseher, nachherigen Bischof zu Leutmeritz,
Kindermann v. Schulstein j haben sie sich von dort nicht nur über die meisten übri-
gen Provinzen Österreichs dj , sondern auch über Preussen^ Baiern ^ Sachsen ,. Ma-
növer j Braunschweig und andere deutsche Gegenden, so wie über die Schweiz,
verbreitet. '
bb) Die höheren Bin gerschulen sind für die gebildeteren Stände, für die zahl-
reiche Classe wohlhabender Einwohner in bedeutenden Städten, für den Stand der
Manufacturisten, Handelsleute, Civilbediente, R^entirer und Okonomeü bestinnnt.
Mau nennet dergleichen Schulen Realschulen ^ weil sie sich nicht bloss mit Sprach-,
sondern auch mit Sachkenntnissen (Realien) beschäftigen. Es bestehen dergleichen
Schulen in OesterreicJi ej _, Preussen_, Baiern JJ ^ Sachsen und andern Staaten.
a) S. Minerva von Archenholz. B. I. i8o2. S. 507 ff.
b) Es bestanden im J. 1819 in Böhmen, Mähren, Schlesien und GalizieUj dann in Oster-
reich ob und unter der Enns , Steiermark, Rärnthen , Tyrol und Vorarlberg, Illyrien und
dem Riislenlande 7176 Sonntags- oder Wiederhohlungsschulen.
c") S. Schulverbesserimg in dem Königreiche Böhmen, durch Einrichtung der Industrleclassen
in denselben; in der von D. J. G. Kri\nilz herausgegebenen ökonomisch-technologischen
Eiicyklopädie. Th. 62. S. 119 — 145. Da die Industrieschulen in Göfliiigen erst im J. 1784
eingelührl wurden : so ist die erste Idee dazu nicht daselbst entstanden. Vergl. Ausführliche
Nachrichten über Böhmen. Salzburg, 1794 S. i2ö — 123.
d) Es \varen imj. 181g in den oben erwäliuten österreichischen Provinzen 46^ Industrieschu-
len vorhanden.
f) Zu Triest , Lemberg und Brodj , letztere für Juden.
/) Wo man zwischen IXealschulen und Benlinsliluten unterscheidet ; jene sind den nie-
deren, diese den höheren Burgerschulen ähnlich und zu Nürnberg und Augsburg befindlich.
§. 26.
b) Bürgerliche Specialschulen odei- höhere technische Bildungsansta ne iif
Zu dieser Galtung von Schulen gehören: ;.> bir'
aa) Die ökonomischen Institute oder Ackerbauschulen : , 1, i-
1) In Österreich: zu P'ösendorJ ^ Krumau (in Böhmen), Keszthelj (das l)crühm-
le Georgicon) , St. MikloSi, Szarvas und Ungrisch-Jltenburg ^ worimtcr die iheore-
II. GoisU'Scultur. §. 2S. Bürgerliche Speeialscliulon ctc 355
lisch-piakiischcu ökonomischen Inslituto zu Keszthelf und Ungriscli-Jlteiibnrg den
grössten Umfang liaben. Die Arealausdehnung des erstem' bell ägt, nach dem (Irund-
hnche, c)85 Joch, das Joch zu 1200 Quadralklaflei aj ; der Uhungskrcis des letzleiii
ist eine Herrschaft, die i3 QM. Grund und Boden hat.
2) In Prcussen: die Ackevhausclude zu Mögelin hey ßerhn , deren Stifter der
allgemein geschätzte Restaurator der Landwirthschaft , Albrecht Tluier _, ist.
3) In Baiern: die landwiTthschaftlichc Anstalt zu Schieissheim, und die ökono-
niischc Mustevanstalt hey T'Feihciistcphini nächst Freysing.
4) In Würtemherg: die hindwivthschdftliche Schule zu Hohenheim ^ womit ein
landwirthschaftlicher Verein verlnmdcn ist.
5) In Nassau: d'xe limdwirthschitfilichc ScJiule zu Idstein j womit gleichfalls ein
landwirthschaftlicher Verein verbunden ist.
6) In der Schweiz: die berühmten v. Fellenhergisclien landwirthschnftlichen
Musteranstnllen_, mit Armen- , Erziehungs- und Industrieschulen zu Hofwyl 1>J.
7) In Frankreich : die Ackcrbaitschiden zu Ljon^ Perpigiiati , AI fort und Metz.
8) In Spanien: die Lehrstellen für den Ackerbau in den Hauptstädten von Ga-
licien , Leon, Estremadura, Andalusien und Castilien.
9) In Russland: die Ackerbauschide zu TForaiiowa j im Gouvernement Moskau,
bb) Die Forstschulen in Österreich (zu Maria Brunn nächst Wien, zu Eisensladt,
Keszthely, Ilradck in Ungern, und auf den böhmischen Herrscbaften Brandeis und Gra-
tzen) , Prcussen (zuBciHn), Sachsen (zu Tliarand), Baiern (zu München und Aschaffea-
burg\ Würtemherg (zu Stuttgart), Baden (zu Carlsruhe), Churhessen (zu Fulda), in den
Hessen-Homburgischen Landen (zu Homburg vor der Höhe bey Frankfurt a. M.), in
Sachsen- Weimar (zu Ruhla), Sachsen-Meinungen (zu Drcyssigacker) , in dem dänischen
Staate (zu Kiel) , und in Russland (zu Zarskoje-Selo und in den Wäldern von Kahiga).
cc) Die Schuferschulen in Frankreich (zu Rambouillet und Alfort).
dd) Die berühmten Bergwerks-Akademien zu Schemnitz (in Ungern) und Frey-
berg (in Sachsen) , die Bergschulen in Preiissen , das Berg- und Hiltten-EleK'en-
Institut zti München, die Bergwerksschtde zu Klausthal (in Hanover), die Berg-
werksschule zu St. Etjenne (in Frankreich) , das Bergwerks-Seminariuin zu Kongs-
berg (in Norwegen;, das Bei'giVerks-Cadettencorps zu St. Petersburg, und die .ße^g--
iverksschule zu Katharinenburg (im asiatischen Russland).
ee) Die Handwerksschulen in Frankreich (zu Ghalons sur Marne u. a. a. O.), in
der Schweiz (im Canton Zürich), in Russland (zu St. Petersburg und Tschcrnigow an
der Dcsna) und in Dänemark, wo zu Kopenhagen eine eigene Gesellschaft zur Vered-
lung des Handweiksslandes sich gebildet hat, unter deren Leitung folgende fünf Lehr-
anstalten stehen: 1) zur Beförderung einer allgemeinen höhern Geistescullur ; 2) für
die däuische Orthographie ; 3) für die Elementar-Matheniatik ; 4) für die mechanischen
Wissenschaften, und 5) für die technische Chemie — so weit ihre Lehren Air Hand-
werker und Künstler ein vorzügliches Interesse haben. Zu diesen Lehranstalten haben
alle Kopenhagener Handwerker und Künstler, Meisler und Gesellen unenlgeltlichcn
Zugang.
ff) Die Handelsschulen in Deutschland (zu Hamburg, die Malter aller ähiUichen
.i5ü II. Geistescultur. ^. 27. Polytechnische lustitute.
liisdlute in IJeutscLland, zu Lübeck, Cretold , Klbeifekl, Düsseldorf, Errurl, Haiio-
vei-, Braiiascliwci^', Manheini, Nürnberg u. a. O.), Spanien (zu Saragossa), Portugal
(zu Lissabon) , Russland (zu St, Petersburg, Moskau und Odessa (Conunerz-G>inna-
sium) , und in Norwegen (zu Cbristiania).
gg) Die Sc/i[f/JaJirtsschulen in Denlscbland (zu Triest , Lübeck und Bremen) ,
Frankreich (wo es deren vor dem Jahre 1814 45 gaJj> nähmlich 3o niedere und i5
liöhere , letztere zu Toulon, Marseille, Cette, Bayonne , Bordeaux, .Pvochefort, Nan-
tes, L Orient, Brest, Sl. INlalo, le Havre, Dünkirchen, Caen (Antwerpen und Ostende),
S])anien (wo es deren 17 gibt), Grosslji'itannien (wo in den meisten grossen Seestäd-
ten nauliscbc Schulen sind), den Niederlanden (zu Amsterdam und a. a. O., beson-
ders in den Seeküstcn-Landschallen), in Dänemark (zu Kopenhagen, wo die Naviga-
tionsschule mit der Schifferzunft vereiniget ist), Schweden (zu Stockhohn und Carli-
krona) und in Russland (zu Cholmogory, Riga und Irkutzk). Hieher gehören auch die
Piloten- oder Steuermannsschulen in Spanien (zu Cadix, Sevilla u. s. w.) und Russ-
land (zu Kronstadt, Nikolajew, Odessa und Archangel). In Holland trifft man in eini-
gen Seeküstenlandschaften Schulen, in welchen reine und angewandte Mathematik,
vorzüglich in Hinsicht auf Steuermannskunst, Schiffbau, Älaschinenlehre vorgetragen
wird. Selbst Candidaten für Lehrerstellen an einzelnen Dorfschiden werden, vor ihrer
Anstellung, in Geometrie, Algebra, Steuermannskunsl, so wie in Erdkunde geprüft.
hh) Die Bauschulen j als: die Bauakademie zu Berlin, womit die Baugewerks-
schule veibundcn ist cj ; die architektonischen Schulen zu Carlsruhe und Frank-
furt a. M.; die TVasserbauschule zu München 5 die Schule für den Briicken- und
Strasserdiau (ecole des ponts et chausse'es) in Frankreich 5 die Schiffbauschule (e'cole
des Ingenieurs des vaisseaux) eben daselbst; die Schiffbauschulen zu St. Petersburg
und Nikolajew, nebst dem lijdraulischen lustitute zu St. Petersburg, zur Bildung
eines Ingenieurcorps der Strassencommunication.
ii) Endlich die A«/2i^- und Zeichnenschulen^ die fast in den meisten europäischen
Staaten vorkommen, und den Zweck haben, dem Talente für bildende Künste über-
haupt, besonders aber unter den Handwerkern und Mantifacturisten eine Gelegenheit
zur Übung zu verschaffen.
a) Von der jetzigen Beschaffenheit des Geoigicons zu Ivesztliely , und den Mitteln , dasselbe
dem Zwecke landsvirthschaftlicher Institute überhaupt näher zu bringen etc. \on G. C. Rumy.
Ödcnburg 4. Vergl. Götting. gel! Anz. i8i5. St. i33. S. iSig ff.
b) DiT Bericht an den Landammann und an die Tagsalzung der 19 verbündeten Stände der
Schweiz übe'r die landwirthschaftlichen Anstalten des Hrn. E. FeHnnbcvg zu Hofwyl ; a. d.
Fr. Zürich , 1808. 8.
c) Unter der Aufsicht der Bauakademie stehen die Bauschulen in den Pro\ inzen , unter welchen
die zu Breslau die vorzüglichste ist.
S- 27.
c) Polytechnische Institute.
Puljtechnische Institute ^ oder Cemi-al-Bildungsanstaltcn zur Vermelining dt;r
Produciion überhaupt, gibt es in .Europa bis jetzt erst drcy, nähndich 1 zu Paris j
1 zu fpien und 1 zu Prasr. ,
II. Geistcscultur. §. 27, Pol)lccIiiiIsche Iiistilule SS;
Die poljtechnische Schule zw Paris ist eine Bildiingsansiall fiir jcjie öftl-iilliclien
Dienste, %v eiche die Anwendung nialhematisclicr, pliysikalist^her und chemisclier
Kenntnisse und zeichnender Künste erfordern. Sie begreift eine bestimmte Anzahl von
Zöglingen, welche nach einer Prüfung aus den niederen Theilcn der Mathematik in
dieselbe aufgenommen werden, und darin mit Kost und Wohnung untergebracht sind,
und unter einer, in ähnlichen Erziehungshäusern gewühnlichen Üisciplinar-Aiifsicht
stehen. Niedere und höhere reine Mathematik, Physik, Chemie, Mechanik, Geodä-
sie, Baukunst und Zeichnen sind die Lehrgegenstände dieser Anstalt. Die Zöglinge
erhallen bcy ihrem Austritte aus der Anstalt theils als Militär- und Civil-lngenieius
und Olliciere, theils «Is Ingenieurs bey den Land-, Wasser-, Strassen- und ßriicken-
hau-Büreau's , theils bey dem Bergwesen ihre Anstellung , zum Theil auch bey dem
Lehramte, so wie einige der ausgezeichnetsten französischen Mathematiker, Physiker
und Chemiker dieser Sclude ihre Bildung verdanken.
Das von den böhmischen Ständen gestiftete luid 180G eröffnete technische lu-
5ii7/ii zu Prag hat zum Zwecke , die mannigfaltigen Nalionalgcwerbe, vorzitglich die
Leinen-, Wollen- und Baimiwollenmanufacturen, die Glas- und Eisenfabriken durch
wissenschaftlichen Unterricht zu befördern. Die Lehrgegenstände sind : reine Mathe-
matik, Geodäsie, Mechanik, Chemie, Buchhaltung und Baukunst mit dem Zeichnen.
An Sonn- und Feyertagen wird der Unterricht im Zeichnen, sowohl fiir die Geome-
trie und Mechanik, als auch fiir die Baukunst, insbesondere fdr alle Handwerker in
Prag, welche diese Anstalt nicht besuchen und dieser Kenntniss bediirfen, gegeben.
Weit umfassender und voUsiändiger als die beyden vorangehenden technischen
Institute ist das, von Sr. k. k. jetzt regierenden IMajer.lät im J. i8t5, unter der Lei-
tung des Dircctors Preclitlj mit wahrhaft kaiserlicher Munilicenz errichtete poljlech-
jiische Institut zu Wien. Es besteht in einer drcyfachen Eigenschaft: als Lehi-anstalt,
als technisches Conservatoriura , als Verein zur Beförderung der National-Industrie.
Dieser letzlere Thed wird erst gegenwärtig organisirt. Als Lehranstalt besteht das
Institut aus drey Abtheilungen: 1) der Realschule j, 2) der commerciellen /IbtJieilungj
3) der technischen Abtheilung. Die Realschule ist sowohl die Vorbereitungsschulc hir
die beyden höheren Abiheilungen, als auch eine Anstalt fiir eine mittlere bürgerliclur
Ausbildung überhaupt. Sie lehrt Religion, deutsche Sprachlehre und Geschäflsstyl ,
Schönschreiben, Elementar-Mathematik, Naturgeschichte, Weltgeschichte und Geo-
graphie, Manufacturzeichnimg, geometrische und architektonische Zeichnimg, fran-
zösische und italienische Sprache. — An der commerciellen Abtheilung werden ge-
lehrt: die Buchhaltung, die Mcrcantilrcchnung, der Handclsgeschäflsstyl, das Han-
dels- mid Wechselrechl , die Handelsgeographie luid llandelsgeschichte, nebst der
Waarenkunde. — An der technischen Abtheili;ng werden vorgetragen: die reine Ele-
mentar-Mathematik (für solche, welche die Reabchule nicht frequenlirt habeu), die
reine höhere Mathematik, die Physik, die allgemeine technische Chemie, die spe-
cielle technische Chenüc, die Technologie, die Mechanik, die praktische Geometrie,
die Land- und Wasserbaukuust, sammt dem zu diesen Fächern gehörigen Zeichnen.
— Als technologisches Cünservatorium enthält das polyterhnische Institut verschiede-
ne Samudungcn, welche theils zum anschaulichen 'Vortrage der Lehrfächer, iheils zur
45
358 II. Geisicscultur. § s8. IViedeie Gelehrleuscliultn : I'idcigogieii , Gjnjujöien, etc.
öffentlichcu Ausstellung uud Benutzung dienen. Diese sind: eine Sammlung der Fa-
briksprodücle, welche ein liistorisclies Tablcau der Nalional-Industrie darstellt, in-
dem sie Musterstiicke aus allen Zweigen der inländischen Go\Yerbsinduslrie enthält;
eine Modellensammlung für die Mechanik imd den Wasser- imd Brückenl)au; ein
Laboratorium der allgemeinen technischen Chemie und eine damit verbundene Pia-
paraten-Sannnlung ; em physikalisches Cabinet; eine Samndung geodätischer Instru-
mente; eine Sammhmg für die Waarenkunde, eine Bibliothek, nebst einer mechani-
schen und mathematischen Werkstätte. — Die Lehrcurse sind öffentlich, und ausser
einer Immatriculinmgs-Gebühr, welclie fiir die Bereicherung der Bibliothek verwen-
det wird , unentgeltlich. Die Anzahl der Schüler beläuft sich auf 7 — 800- Die Schü-
ler, welche ihren Unterricht an dieser Anstalt genossen haben, treten tbeils zur Aus-
übung verschiedener technischer Geschäfte inrchemischen oder mechanischen Fache
in das bürgerliche Leben id) er, theils finden sie in den Handlungs-Comptoirs ihre
Anstellung; theils werden sie für öffentliche Dienste in den Land-, ^Vasscj-, Stras-
sen- und Brückenbau-Büreau's , bey der Landesvermessung u. s. w. angestellt.
C. G e l e li r t e n s c li u 1 e n , oder B i ! d u n n; s a n s t a 1 ( p n für das Administrative und
Erhaltende des Staates.
§. 28.
a) Niedere.
In den niederen Gelelirtensclinlen beginnt die eigentliche wissenschaftliche Bil-
dung, indem durch die Bearbeitung der gelehrten Sprachen und des classischen Stu-
diums die ersten Htdfsmittel derselben vorbereitet, und zugleich die Anfangsgründe
anderer Wisscnschai'ten beygebracht werden, deren weitere Ausfiilirung den höheren
Gelehrlenschiden zugewiesen ist. Die anderweitigen Nahmen, welche soK'lic Anstal-
ten in den europäischen Staaten führen, sind lateinische Schulen j Gtvunniatical-
schulen j Pädagogien j Progjninasien und Gjmnasien j welche letztere in Gymna-
sien schleclitweg, und in ArcJiigj-mnasien oder akademische Gymnasien sich thei-
len. Die Secondär-Schule/i in Frankreich sind den lateinischen Schulen in Deutsch-
land ähnlich, und die Collegien in Frankreich, Spanien, in den Niederlanden und
andern Staaten sind ungefähr das, was die Gymnasien in Deutschland, Russland, der
Schweiz und in andern Ländern. Die meisten niederen Gelehrtenschiden konmien
vor in Österreich (218) aj , Preussen (14.6) bj , und Deutschland (i34) cj ohne
Osterreich und Preussen. Von den königlichen Collegien in Frankreich, deren 100
seyn sollen , sind erst 36 organisirt, und in Russland sollen etatsmässig 5/ Gymnasien
seyn; i8o.5 waren aber, nach v. TP^ichniann j erst 26 vorhanden. — In den etigli-
sclien Grammav Schools (Grammaticalschulen), worunter die vorziiglichsten die Schu-
le von ff'eslmünster und die Schule \on Eton bey Windsor sind, wird ])loss Latein
und Griechisch, und sonst weiter nichts in den öffentlichen vier täglichen Stunden
betrieben. Al)er wohl vorbereitet muss in diesen jeder Schüler ohne Unterschied des
Standes erscbeinen, besonders wird das Gcdächtniss stark geübt, und aui Erlernung
der Metrik gesehen. Alles Übrige, Mathematik, Nalurlehre, Naturgeschichte, Geo-
II. Gc'istescultur. §. 2y Holitro GLlclirtenscliulen , UiiiveisUätea. 33g
grapliitij Gescliiclilc und andere Gei^onsüindo , die sonst noch in den Gymnasien und
Pädagogien des Fcsllandcs öfiTenllicIi gelehrt weiden, mnss durch Privat unlcrrichl und
Privatlieiss erlernt werden, auf dessen Weckung, Erhaltung und Beförderung i\lier-
]iau|)t der Hauptzweck der Meiiiüde geht. Die Mittel, deren die Scholarcheu sich da-
zu im Nothfalle hedienen, sind freyiich etwas hart, und von den auf dem Fcsllande,
Lcsonders in Deutschland, gewöhnlichen, sehr verschieden. Sie sind: gehotencs jMc-
moriren oft his zu 5oo und mehr Versen aus Homer und andern Glassikern innerhalb
48 Stunden; Arrest mit Hunger und Diust; endlich das Birkenreis, das his zum ig.
Jahre, oder his zum Austritt aus der Schule in drey Schuh hohen, starken Ruthen
noch geboten, und mit unerbiullcher Strenge angewendet wird. Bekannt ist es in
England, dass der grosse Fox während seines letzten Schidjahres in Eton , in seinem
l8. Jahre, diese letztere Strafe noch erleiden musste, obgleich man schon damals von
seinem Geiste und hohen Kenntnissen die günstigsten Erwartimgen hegte , imd er
eines grossen Lords und Staatsmannes Lieblingssohn war. Merkwürdig ist hicbey ,
dass der Headmaster oder Rector dieses schöne Amt mit eigener Hand versieht, so
wie auch, dass grössten Tjieils die Schtddelinquenten von den Aussprüchen eines aus
den iMitschülcrn zusanuneugesetzlcn GescJiworncngerichts , oder von einer Jury, ihre
Strafurtheile empfangen.
«) Nähmlich , nach dem Hof- und Staatsschematismus für das Jahr 1821 ■, 188 römisch-katho-
lische Gymnasien, 2 griechisch-katholische (zu Burzacz in Galizien und zu Blasondorf in
Siebenbürgen), 16 lulherische (10 in Ungern, 5 in Siebenbürgen und eines in Schlesien), 10
rcformirte (6 in Ungern und 4 in Sieboidiürgen) , 2 unitarische (zu Thorda und Szekely-
Reresztur in Siebenbürgen).
A) Worunter das Berlinisch-Röllnisrhe Gymnasium zu Berlin, das Pädagogium zu Pl'orta
und das Leopoldinische Gymnasium zu Breslau sich besonders auszeichnen.
c) Da\on kommen auf Hanover 26, auf Baiern 19 (nebst mehreren Progymnasien), auf Sach-
sen 14 Gymnasien und 2 Pädagogien (FUrstcnschulen zu Meissen und Grimma), auf Baden
i3 Gymnasien nebst mehreren niederen lateinischen Schulen u. s. w.
ä) S. H. A. L. Z. i8iq. Nr. cjo. Frey und keck wächst der junge Engländer in seinem väter-
lichen Hause auf, und bringt schon von diesem die Grundfarbe in das Gemähide seines
weitern politischen und Privatlebens mit. Rein lästiger Zwang hemmet seine Lebhaftigkeit
und sein wildes Wesen, nichts hindert die Entwickelung seiner Anlagen und Neigungen.
Daher die Unbändigkeit der englischen Jugend , welche die meisten Altern auf der Insel
zwingt, ihre etwas herangewachsenen Rinder aus dem Hause zu entfernen, und sie den
Pensionsanstalten und den Granimar Schools zur Zähmung zu übergeben , weil sie ihr äl-
Icrliches Ansehen zu schwach fiihlen.
b) Höhere Gelehrtenschulen.
§. 2g.
aa) Universitäten.
Die höheren Gelehrtenschulen sind zur Vollendung oder weitem Ausführung
des wissenschaftlichen Unterrichts, folglich für diejenigen. Schüler hestinmit, die sich
dem Studium einer Berufswissenschaft widmen wollen. Hiehcr gehören zuvörderst die
3io II. Geistescultur. §. 2g. Uuivcrsiläten.
UnwersltaietVj vorziigsweise Hochschulen gcnannl. Sie sind alldiiiflisscndo , auf all-
gemeine Bildung aljz\^ eckende Anstalten, und nach ihrer ursprlinglichen Einrichtung
in Facultäten abgetheilt. Die Facidtäten sind zuerst auf der llni\ ersität zu Paris ent-
standen. Als die Anstalt der Facultäten zu Paris, Bologna und auf anderen Universi-
lälen eingeführt wurde : so überliessen die Lehrer anderer Wiiscnscliafien der theo-
Zog /ixAe/j Faculiät ganz freywillig die erste Stelle a). Im ]5. und i6. Jahrhunderte
wurde die Faculläten-Ordnung : die theologische _, juridischi' j medicinische mid pJii-
losophische FaculUil für die älteste, natürlichste und schicklichste gehallen. Die An-
stak der Facultäten hat Beziehung auf den Staat. Das innere Heil des Staates erfordert,
dass Rcligions- und Sittenlehrer, Rechtsgelehrle und Ärzte zu ihrer Wissenschaft und
Kunst üi der Jugend gebildet und unterrichtet werden, und diess Geschäft hat der
Staat den höheren, d. i. den drey ersteren Facidtäten aufgetragen, während die vier-
te oder philoso])hische Facultat sich mit den Vorbercitungswissenschaften zu den drey
ersteren zu beschäftigen hat. Es haben jedoch nicht alle Universitäten 4 Facultäten j
die Hochschulen zu Paris bj _, Strassbnrg _, Heidelberg cj j Warschau dj und an-
dere haben 5; die Universität zu Christiania ej hat gar 8 Facultäten; dagegen haben
wieder andere nur 3, wie z. B. die Universität zu PaviUj und die Universität zu Mün-
ster fj hat gar nur 2 Faculiätcn. — Die Gesellschaften, welche Facultäten heissen,
sind mit dem Befugnisse (Facullät) begabt, Wissenschaften öfTcntlich zu lehren, Can-
didatcn zu prüfen, gültige Zeugnisse von ihrer Geschicklichkeit auszustellen, Docto-
ren zu creiren, und über wichtige und schwierige Gegenstände Gutachten zu gel)on.
Es gibt gegenwärtig in den europäischen Staaten, nachdem in Deutschland _,
Italien^ Frankreich und Spanien n\c\iTei-c Universitäten aufgehoben worden, über-
haupt noch g8 Hochschulen. W^as ihre verhältnissmässige Yertheiliuig durch die ge-
saniniten europäischen Staaten betrifft, so sind deren
\I in Oestci'reicJi j nähmlich: zu Wien, Prag, Lemberg, Pcsth, Pavia und
Päd na.
^ n in Preussen: zw Berlin, Hailc, Breslau, Königsberg, Greifswalde, Bonn imd
Münster, welche letztere nur aus 2 Facultäten besteht (einer röinisch-katho-
lisch-theologisclien und einer pJiilosophischen Facidtät), zunächst zur Bildung
von Lehrern an Kirchen und Schulen. Die theologische Facultat zu Breslau
und Bonn besteht aus einem katholischen und evangelischen Theile. Mit der
Hallischen Universität ist durch das k. Decret vom 12. April 1817 die Univer-
sität zn TVittenberg wnicT dem Nahmen der Halle-TVittenbergischen Universi-
tät vereiniget worden.
X.U in den rein deutschen Bundesstaaten , nähmlich:
3 in Baiern: zu Landshut, Würzbiug und Erlangen.
1 in Sachsen : zu Leipzig.
1 in Haiiover: zu Göttingen. Diese Universität ist auch zur Landesuniversitäi
der Herzogihümcr Braunschweig und Nassau erklärt, zu welchem Ende hie-
her eine Anzahl braunschweigischcr und nassauischer Frevtische verlegt ist.
1, in U'iirtemberg : zw TvAnw^en. Die im J. 1812 unter dem Nahmen einer Art-
tholisch-theologischen Unii'ersität zu Ellvvaugcn eiuichtele Lehranstalt (der
II. Geistcscultur §. 29. Uuirersitateu. Sil
es gänzlich an einer philosophischen FacuUäl fehlte) isl seit 1817 mit florT.aii-
desuniversiiät Tiibingou in der Eigcnschal'i einer katholischen Fucidtät j uud
mit den Rechten und Verhältnissen der andern Facultätcn vereinigt.
2 in Baden: zu Hcidclherg und Freyhurg,
1 in Chiirhessen : zu Marhurg,
1 im Grossherzogthume /Jessen: zu Giessen.
1 in Mechlenbiu'g-Scliwerin : zu Rostock.
1 in Sachsen-JVeimar: die Gcsaniml-Universität Jena. Im J. i8l6 ist zwischen
den SacJisen-Ernestini selten Hänsern ein neuer Vertrag ül)er die his dahin
von allen gemeinschaftlich regierte Universität Jena abgcsclilossen worden,
durch welchen die luimittelbare Regierung der Universiiät in die Hände von
Sachsen- (Veiinnr-ElsenachwnASachsen-Gotha gelegt, und somit ein schnel-
leres , kräftigeres Einwirken möglich gemacht worden ist.
I in der Schweiz : zu Basel.
XVI in den italienischen Staaten, ohne Österreichisch-Italien , nähmlich 4 in Sar-
dinien: zu Tvu'in, Genua, Cagliari und Sassari; 1 in Parma: zu Parma j 1 in
Modena: zu Modenä; 1 in Lucca: zu Lucca; 3 in Toscana: zu Florenz, Pi-
sa und Siena ; 3 im Kirchenstaate: die Sapienza zu Rom, die zu Bologna und
die zu Perugia ; 3 in bejden Sicilien : zu Neapel , Palermo und Catania.
X^T^I in Frankreich ^ nähmlich: zu Paris, xlngers, Rennes, Caen, Douai , Nancy,
Strasshurg, Bcsancon, Grenol)le, Aix , Montpellier, Toulouse, Bordeaux, Poi-
tiers, Bourgcs , Clermont und Dijon, von denen jedoch bis jetzt nur zwey (die
zu Paris und die zu Strasshurg) vollständig eingerichtet sindj die übrigen sind
entweder blosse Rechts- und medicinische Schulen, oder haben doch nur noch
eine oder die andere Facultät nebenbey.
XI in Spanien. Bis 1807 hatte es 22 Universitäten j da wurden ii aufgehoben, und
es blieben nur 11, die ihren Sitz haben: zu Sal.amanca, Alcala , Valladolid,
Sevilla, Granada, Valencia, Saragossa, Hucsca, Gervera, St. Jago di Compo-
stella und Oviedo.
I in Portugal : zu Coimbra.
VII in dem brittischen Reiche ., nähmlich:
2 in Etigland: zu Oxford und Cambridge, deren Besuch nur Mitgliedern der
bischöflichen Kirche offen steht j doch haben die Katholiken 5 Collegien, wo-
von das berühmteste das von Stonehurl bey Preston.
', \n Schottland: zu Edinburgh, Glasgow, St. Andreas und Aherdeen, überall
nur für Presbyterianer; doch haben die Katholiken im Hochlande ein Colle-
gium zu Scallan , und zu Nord-Morar ein akademisches Institut.
1 in Irland: zu Dublin, um- den Episcopalcn geöffnet j doch haben die Katholi-
ken daselbst mehrere Collegien.
VI in Acn Niederlanden j nähmlich:
3 in den nördlichen Provinzen: zu Leyden, Utreclit und Groningen.
3 in den südlichen Provinzen: zu Gent, Lüttich und Löwen.
II in dem dänischen Staate : zu Kopenhagen und Kiel.
oql II. Geistescultur. ^. 3o. üniTcrsitäten. FortscUiing.
in in dem schwedischen Staate : zu Upsala , Lund und Christiama (lei7.lcre in Noi-
■wcgcn).
VIII in Bussland und dem damit vereinigten Königreiche Polen: zuMoskau^, St. Pe-
tersburg, VVilna, Dorpat, Charkow, Kasan (mit einem migeheuren Bezirke
von mehi- als i5o,ooo QM.), Abo und Warschau.
I in dem Gebiete der frejen Stadt Krakau: zu Krakau.
a) De facultate theologica in Universitatibus literariis. Göttingen, 1809. Von Dr. Stäudlin.
4. Ein Pfingst-Pr^gramm. Vergl. Götting. gel. Anz. 1809. Jun. S. 969 ff.
b) Nalimlich die racultäten der Gottesgelehrlheit , des Rcchls , der Heilkunde, der strengen
Wissenschaften und der schönen Wissenschaften. Eben so die Universität zu Sirassburg.
e) Nähmlirh die theologische, die juridische , die medicinisrhe , die staatswiithschaftliche und
philosophische Facuhät.
d) INahmlich die theologische, die juridische und staatswirthschaftHche , die mediciiiischc ,
die philosophische Facultät und die Facultät der freyen Künste und Wissenschaften.
e) S. H. A. L. Z. 1812. Nr. 178. S. 585.
/) S. VoigleVs Versuch einer Statistik des preussischen Staates. S. i35.
§. 3o.
Fortsetzung.
In England haben die HochschiJen eine von den deutschen Universitäten ganz
abweichende Einrichtung. Sie sind zugleich Pcn-sionsanslaltcn, in mehrere CoUcgien
vuid Hallen getheilt, und tragen noch den Zuschnitt der alten Klostererziehung, ohne
von den neueren Fortschritten der Pädagogik Notiz zu nehmen. Der Unterricht ist
hier äusserst einseitig und unvollständig. Man lehrt bloss Philologie, Philosophie und
Mathematik. Dem Theologen gibt man nur die besten Bücher über diese Wissen-
schaft in die Hand , und lässt ihn auf diese Art sich selbst entwickeln. Für andere
Wissenschaften sind zwar Lehrer mit reichen Besoldungen angestellt, aber sie geben
selten Vorlesungen über dieselben. Für die Uechiswissenschaft und Arzeneykunde
hat man indessen zu London und an andern Orten Specialschulen.
Auf den deutsc/ien Universitäten hingegen umfasst der Unterricht alle Wissen-
schaften und ihre Theile, auch die lebenden Sprachen, und entspricht daher dem
Geiste des wissenschaftlichen Encyklopädismus , welcher den vielfach zusammenge-
setzten Verhältnissen unsers Gulturlebcns allein nur scheint angemessen zu sc) n. Frey-
lich artet , wie Hr. i\/efA/2rt»ime/' bemerket, das Bestreben nach vielseitiger Bildung
nicht selten in die Tendenz nach Vielwisserey aus , ohne anderer Gebrechen in ein-
zelnen Theilen der Verfassung der deutschen, und zwar voi-ziigsweise der protestafi-
tischen Universitäten zu erwähnen ttj.
Was die Frequenz der Universitäten in den europäischen Staaten betrifft : so er-
freuet sich zwar heutiges Tages keine derselben einer so beträchtlichen Anzabl .Stu-
dierender, als ehemals die Universitäten zu Bologna und Paris j, wo bey noch man-
gelnder Concurrenz hoher Schulen anderswo, ausser den Inländern, noch Tausende
fremder Lehrlinge in einem einzigen Lehrsaale sich einfanden. Indessen zählen doch
einige deutsche, britiische und andere Universitäten auch jetzt noch, Trotz des herr-
II. Geistescultur. ^. 3o. üuiversilaten. Fortselzung. 345
seilenden Geldmangels, über looo hj , die zu Edinburgh gar über 2000 Sludiercnde,
worunter auf den deutschen Universitäten auswärtige Jüngli/ige fast aus allen euro-
päischen Ländern sich in grosser Anzahl finden.
In Ansehung der Zahl der Vorlesungen an den Universitäten findet in den cu-
rojiäisclien Staaten eine grosse Verschiedenheit Statt. Während an den deutschen
Universitäten der halbjährige Ciirsns go — l3o Stunden enlhäk, und an der Universi-
läi zu Göttingen schon um 6 Uhr Morgens Vorlesungen gegeben werden cj : dauern
an den sc/iwedischen Universitäten die öffentlichen Vorlesungen vom Monat Februar
fiis Juny hin, und vom Octoher bis gegen 8 Tage vor Weihnachten, so, dass also, bey
den mehr als halbjährigen Ferien, das ganze Jahr hindurch kaum g6 Vorlesungen gc-
lialten weiden dj , imd an den englischen Universitäten verriclitcn die Professoren
ibr Amt so nachlässig, dass mancher in einem ganzen Jahre nicht mehr, als 3 oder
4 Stunden liest. Was also die Studierenden lernen, das lernen sie von den Privatlch-
rern (Tutors), deren in jedem Collegio gemeiniglich zwey sind, ein mathematischer
und ein philosophischer ej.
a) S. GrWZnian^'ihistorisch-slatistischos Handbuch von Deutschland a. a. O. S. 3oo. — Vorgl.
J. C. HolPiauer Übnr die Perioden der Erziehung, besonders zur Gränzbeslinimutig des
Unterrichts auf Universitäten und den nächst höheren Schulen , mit ausführbaren Vorschlä-
gen zur Verbesserung der erstem. Leipz. ,1800. 8. — f'illers Coup d'oeil sur les universites
et ic mode d'inslruction publique de I'Allemagne proteslante etc. Cassel 1800. — Titlmanni
de rebus acadeniicis epistola. Lips. 1808. — Gelegentliche Gedanken über Universitäten
in deutschem Sinne, nebst einem Anhange über eine neu zu errichtende. Von Scklejernta-
cher. Berlin 1808. — Auch ein Paar Worte zu dem Tagesgespräche über Universitäten, und
beyläufig ein Wort iür die Uni\ersilät Frankfurt an der Oder. Von J. C. F. Meisler. Frankf,
«. d. O. 1809. — Über die Idee der Universitäten. Vorlesungen \on Heinrich Steffens. Ber-
lin, 1809 — Über das deutsche Studentenwesen ; in dem Polit. Jour. Jan. 1818. S 8g ff. —
J. C. G. Jörg Aphoristische Winke zur richtigen Beurtheilung deutscher Universitäten. 8.
Leipzig , 1819. Ebe/iders. Über die 4 Facultäten in den Universitäten Deutschlands. 8.
Leipz. 181g.
6) So zählte z. B. die Universität zu O.vford i8i5 5 ioi5 Sluflcnfen.
nach andern i5oo — ■ — •
die zu Upsala 1819 i586
— — GöLüngen 1821 i3o5
^vorunter 678 Ausländer
— — Dublin 1819 1209
— — JVicii 1817 1 io3
— — Berlin 1819 101 1
Weniger als 1000, jedoch mehr als 5oo Studirendc zählen dieUni\crsitäten zu Leipzig (988),
Pesth (812), Prag (789), Halle (74-5), Tübingen (735), Cambridge (Ü66) , Pavia (648),
Landshut (640), Jona (634), Heidelberg (6o3) , Glasgow (6o3) , Kopenhagen (678), Lund
(5i6) u. s. Vf. Die geringste Anzahl besitzen die Universitäten zu Basel (87 Slud.) und zu
Greifswalde (65 Stud.).
c) S. Götting gel. Anz. i8i3. St. 5o.
d) S. den neuen deutschen Merkur etc. vom J. 1809. B. 1. S. igS. An der Universität zu
Upsala werden -die öffentlichen Vorlesungen im Winter in ungelicitzten Hörsaalen gehalten.
Hr. ca/i Meermami wohnte einer Vorlesung bey. Eingeliüllt in einem Wolfspelz und mit
344 H- Geistesciiltiir. §. 3i. Gelehrte Mittelschulen. §. 32. Gelehrte Specialschulen elc.
dem Hut auf dem Kopfe las der Hr. Professor von scineru Hefte die Begebenheiten von
1667 — 1C68 ab. 3o — 40 Studenten waren anwesend, \on denen indess doch einige wenige
Herz genug hallen , das Nachschreiben zu versuchen. S. Götfing. gel. Anz. 1806. St.
111. S. logg.
e) S. Tozes Einleitung in die allgemeine und besondere europäische Staalskunde. Aufl. 4-
B. 1. S. 499-
§• 3i.
bb) Mittelschulen zwischen Universitäi:en und Gymnasien.!
Die Mittelschulen zwischen Universitäten und Gymnasien iinlerscheiden sich von
den Hochschulen darin, dass sie weder mit dem Befugnisse, akademische V\ iirden
zvi erlheilcn, hegaht, noch für das erschöpfende Stuchum der \Vissenschaflon be-
stimmt sind, obgleich einige derselben sich mit den wesentlichen Gegenständen aller
4 Facultäten beschäftigen. Hieher gehören : i) die Ljcäen in Österreich (fiir KathoU-
kcn : zu. Linz, Salzburg, Grätz, Klagenfurt, Olmütz, Mailand, Bergamo, Brescta,
Mantua, Crcniona, Como , Venedig, Verona, Vicenza, Udine, Laibach, Innsbruck,
Et lau und Klausenburg; für nichtunirte Griechen: zu Carlowilz ; fiir Lutheraner (zu
Pressburg, Ödcnburg und Käsniark) ; in ßaiern (zu München, Bamberg, Regensburg,
Amberg, Dillingen, WiuzJjiirg, Aschaffenburg, Speyer und Zsicybrücken); in Baden
(zu Gai'lsriüie, Baden, Mannheim und Conslanz); in Churhessen (zu Cassel und Fulda)
und in andern deutschen Bundesstaaten j dann in Neapel (zu Salerno, Bari, Aquila
und Catanzaro) und in Polen (in allen Hauptstädten der Woiwodschaften und noch ei-
nigen andern Städten) ; 2) die Dlstvictual-Akademien in Croatien und Ungern (zu
Agram , Kaschau , Grosswardein , Pressburg und Raab) , und die Akademien in Ha-
uover (zu Lingen) und der Schweiz (zu Zürich, Born, Lausanne und a. a. O.) ; 3) die
Athenäen in den Niederlanden (zu Amsterdam, Harderwyk, Francker und Dcveater) ;
4) endlich das lutherische Districtanl-Collegium in Ungern (zu Eperics) , die rejor-
mirten Collegien in JJngern (zu Debreczin, Saros-Patak und Papa) und Siebenbür-
gen (zu Nagy-Enyed, Klausenburg, Maros-Vasärhely und Udvarhely), nebst dem imi-
larischen Collegium in l^ebeiihürgeu (zu Klausenburg).
§. 32.
ec) Gelehrte S p c ci a 1 s ch u 1 e n oder Lehranstalten fiir Beflissene der ein-
zelnen Facuitätssludien.
1) Für Theologen: die zahlreichen Seminarien in den katholischen und prote-
stantischen Staaten, wozu in Österreich noch kommen für Katholiken: die höhere
Bildungsanstalt für Weltpriester zum h. Augustin zu Wien, das Pazmun sehe Col-
legium (ein Gencralseminarium für theologische Zöglinge aus allen Diöcesen des Kö-
nigreichs Ungern) ebenfalls zu Wien, das allgemeine Seminarium zu Peslh, und die
Klosterstudien oder theologischen Hauslelirunstidten bey den Stiftern und Klöstern;
für Prolestanten: das theologische Studium für beydc Confessionen zu Wien. Für
die Griechiscli-Unirtcn besieht das Ruthenische General-Seminarium zu Lcaiberg,
und für die Gricchisch-Nichlunirteu das Seminarium zu Carlowitz. — In England
II. Gfistescultiir. §. 52. GeleljiU Sjucialschulcu elc, 545
heissen die Spccialschulen für Tlicologcn Collcgien _, deren 5 ^u London sind, und
in Pieusscn werden die besondern LeLranstallcn fiir katholisclic Gcislliclic Akade-
mien genannt, die zii Kulm, BraunsLerg, Mlinsicr, Paderborn, Düsseldorf^ Colin
und Trier errichtet sind. — In Russland bestehen für den griechischen Cultus, als
i den herrschenden, 4 geistliche Akademien j 36 Eparchial- Semiiiarien j und
nach Hassel 18, nach v. IVichmann n5 kleinere Sc/inlerij nach dem IntoUigonzhlat-
le der Jen. A. L. Z. 1811. Nr. 67 aber 1000 geistliche Kreisschulen. Die Akademien
sind die Alexander-Newsky'sche zu St. Petersburg, die zu Kiew, Moskau und Kasan.
Die Alcxander-Newsky'sclie Akademie zu St. Petersburg hat zum Zwecke, Professo-
ren für die drey andern geistliehen Akademien zu bilden. Die armenische Gcistlich-
ieit studiert im Kloster zu Nachitschewan : die lutherische eines Theils auf den grie-
chischen Gymnasien , andere auf der Universität zn Dorpat; die katholische in den
-GoUegien zu Minsk, Polozk u. s. v/., welche jetzt nicht mehr von Jesuiten versehen
werden, auf dem Generalseminariuni zu Wilna, luid auf der Akademie zu Olyka.
2) Für Juristen : a) die 16 Inns of Court oder Rechtsschulen zu London ; ])) das
praktische Reclitsinstitut zu St. Petersburg, dessen Zweck ist, junge Leute, die be-
reits auf Universitäten absolvirt haben, zu gerichllichen Amtern näher vorzubereilen ;
c) das sogenannte Prislaldenm zu Keszthcly in Ungern, oder die mit dem dasigcn
Georgicon verbundene Lehranstalt", wo sich künftige Juslitiarien — oder — wie man
sie hier zu Lande nennt, Fiscale, bilden können.
3) YüT Mediciner: a) in Österreich: 1) die medicinisch-chirtirgisclie Josephs-
Akademie zu Wien; 2) die medicinisch-chiriirgische Schule zu Linz; 3) die 71iier-
nrzneyschulen zu Wien, Linz, Pesili und Mailand; 4) die Lehrinstitute für Hebam-
??ie7i zu Mailand, Triest , Zara und Czerno\Ailz. — b) In Preussen : 1) cKßmedici-
nisch-chirurgische Militär-Akadeinie zu Berlin ; 2) die f-^eterinärscliul^ ebenda-
selbst, nebst den. Heb ummenschulen zu Königsberg, Lüben, Breslau und a. a. O. —
c) In den rein deutschen Bundesstaaten: 1) die Schulen für Landärzte und Chi-
rurgen zu München, Bamberg, Hanovcr, Cassel, Braunschvveig, Lübeck imd a.a.O.;
2) die medicinische Schule zu Mainz; 3) die Veterinärschiden zu München, Würz-
burg, Tidjiugen, Carlsruhe, Dresden imd Ilanover, nebst den Hebammen schulen zu
München, Würzburg, Bamberg, Dresden, Leipzig, Hanovcr, Götlingen, Casselu. s.w.
— d) In Italien: die Thierarzenej schulen zu Turin und Modena. — e) In Frank-
reich: 1) die medicinischen Schulen zu Paris, MonipeLlier und Strassburg;- 2) die
P^eterinürschulen zu Lyon undAlfort; 3) das unter dem Nahmen College et e'cole
gratuite de Pharmacie bekannte Institut. — f) In Spanien: Die medicinische Schu-
le zu Madrid. — g) In England : 1) die medicinischen Schulen zu London vmd a.a.O.;
2) das pneumatische Institut inr Physiologie und Medicin zu Bristol. — h) In Däne-
mark: 1) die cldrurgische Akademie und das chirurgische Collegium zu Kopenha-
gen; 2) die Veterinärschule eben daselbst; 3) das Gehurtsstift chc.n daselbst; es
begreift das eigentliche Gehurtsstift, eine Lehranstalt für Geburtshelt'er beyderley Ge-
schlechts, und ein Pflegestift für verlassene Kinder in sich. — i)In Russland: 1) die me-
dicinisch-chirurgische Akademie zu St. Petersburg; 2) die Thieravznejschulen eben
daselbst^ dann zu Äloskau imd Lubny im Gouvernement Pollawa ; 3) das Hcbam-
5^li II. GL-istescultur. §. 33. Pflanisclnika zur Bildung künftiger Lclirt-r.
meninstitut zu Sl. Petersburg, und das EntbuidutigsinstUiit mit dem Klinikum zu
Bialistock.
/,) Für H'örer der Plnloscipliic: die philosophischen Lehranstalten in der ustcr-
reicliisclien Monarchie (zu Krems, Kremsmünster, Briix, Bndweis, Leutomisclil, Pil-
sen, Brunn, NikolsLurg, Przemysl, Gzernowitz, Mailand, Görz , Trient, Sleinaman-
gcr und Szegedin).
§. 33.
Pflanzschulen zur Bildung künftiger Lehrer,
Zur Bildung künftiger Lehrer ^\hi es in den europäisclion Staaten, jedoch nicht
in allen aj , nach Verschiedenheit der allgemeinen Lehranstalten, auch verschiedene
Bildungs- und Vorliereilungsansialten oder Pßanzschiden, Hieher gehören : i) die
Landschullehrer-Seminarien in Dänemark , Preussen , Baiern , Würtemberg , Hano-
ver, Baden , Churhessen, Grosshcrzogthum Hessen, Sachsen-Weimar und den mei-
sten übrigen deutschen Bundesstaaten, wo hie und da, wie z. B. in dem Lehrersemi-
nariimi zu Hildburghausen, die Lehrer nach Pestalozzis Methode instruirt werden.
— In der Schweiz, nahmentlich in den Cantouen St. Gallen und Zürich, bestehen
Musterschulen j, in welchen niclit nur angehende Landschullehrer gebildet, sondern
auch die einer weitern Ausbildung bedürftigen Schulmeister noch einmal imterrichtet
werden, und das lierühmte Pestalozzi' sehe Lehrinstitut zu Yvcrdim im CantonWaadt
ist theils eine Erziehungsanstalt für die Jugend, theils eine Bildungsschule für Leh-
rer und Lehrerinnen. — In der österreichischen Monarchie werden die angehenden
Lehrer der Trivialschulen in den Hauptschulen, und die Lehrer der Hauptschulen in
den Nor^l- oder Muster-Hauptschulcn gebildet imd geprüft. Zur Bildung tauglicher
Lehrer für die zahlreiche serbische, walachische und griechische Jugend des nicht-
unirten Ritus in Ungern, Slavonicn und Croaiien bestehen 2 Präparanden oder Vor-
bereitungsschulcn , nähmlicii eine für die sogenannten Illyrier zu Zombor, und die
andere fiu- die Walachen zu Alt-Arad. — In liusskiail bestehen zur Bildung der Volks-
lehrer die pi'id(fgogisch<m Institute zu St. Petersl)uig , zu Kisljar und an den Univer-
sitäten. — Mehrere derTjcsagten Pflanzschulcn werden jedoch wahrscheinlich ihren
Zweck, gute Schullehrer zu bilden, erst alsdann erreichen, wann der Schullehrer
nicht mehr darben wird. Denn nebst tüchtiger Bildung ist auch anständiger Gehalt
der Männer, welche die atifltlühende Jugend eines Volkes bilden sollen, ein Angel-
punri in dem öffentlichen Uiiierrichls- und Erziehungswesen. Es gibt hie und da
Schvdlehrer, die umgeätzt (der Reihe nach in den Häusern beköstiget) werden müs-
sen bj , Schullehrer, die zugleich Nachtwächter, Feldhüter und Botenläufer cj, Kü-
sterund Bedienten der Pfarrer sind, imd eine Menge kleinlicher Knechisdienste dj
thun müssen. — 2) Seminarien für gelehrte Schulen. In der österreichischen Mo-
narchie wurden im Jahre 1811 eigene Pflanzschulen künftiger Lehrer für die Gymna-
sial-, dann die theologischen, juridisch-politischen und philosophischen Lehranstal-
ten errichtet. Zur Bildung künftiger Professorei} für die verschieilfnen Zweige der
Heilkund'^ , ihrer Hülfswissenschaften , der Wundarzeneykunst luul der Entbinchmgs-
kunst, besianden schon früher organisirle Pflanzschiden. Die auf diese Art ajigcsleii-
JI. Geistescaltur. §. 34' Bilduiigs- und EriiehungsansUllen für besondere Zwecke elc. 54^
teil und den Professoren zngelheilicn Individuen licissen Adjuncten ^ Assistenten,
Prosectoren und Prakticanteti j und geniessen einen Gehalt von 3 — 400 fl. Doch
dauern alle erwähnten Anslcllnngen der Regel nach nur 2 Jahre, nach deren \ erlauf
ein neues Individuum ernannt werden nuiss ej. — Eben so bestehen an mehreren
deutschen Universitäten, z. B. zu Leipzig, Halle, Berlin, Breslau u. s. w. , pliilologi-
sclie Scminarien j die recht eigcnllich auf Bilduni; künftiger Lehrer in Gyumasieu
und lateinischen Schulen berechnet sind. — In Frankreich ward im J. 1809 in der
l'anser Vorstadt St. Jaque ein Institut fiir das gesanmUe Schulwesen unter dem Nah-
men einer e'coLe normale desline'e a former des Professeurs erricliiety^', und zur
Bildung künftiger Lehrer an den Collcgien und Specialschulen insbesondere ist das
zu Paris befindliche Collegium von P'rankreich (collegc de France) bestimmt. — In
llussland haben die oben erwähnten pädagogischen Institute auch den Z\\eck, künf-
tige Lehrer für die (jynmasien zu bilden.
. , la) So gibt es z. B. 111 Schweden kein einziges Scliullehrerscminarium. S. HasseVs Lclitbucli
der Statistik der europäischen Staaten u. s. w. Weimar , 1822. S. 446-
h) S. Jen. Allg. L. Z. 1809. Jul. JNr. i54. S. 22.
c) S. H. A. L. Z. l8ll>^>. 76. S. 604. Vergl. J. A. L. Z. 181g. Nr. 225. S. ^5■^7> ff.
d) S. 2. Heft des, 2. Bandes der siebenbürgisciien Pro\ inzialblatter. S. 177. Vergl. Erganzungsbl.
z. A. L. Z. 1809. Nr. 32. S. 253.
e) S. Vaterl. Blat. für den Österr. Raiserstaat. i8n. io3.
/) S. Geist der Zeit etc. von K. J. jredeldnd etc. 2. Jahrg. S. 87.
§• 34-
II. B i 1 d u n g s- und E r z i e li u n g s a n s t a 1 1 0 n für besondere Zwecke od er Stän-
de und C lassen von Einwohnern.
A. Für Jdeliche : a) in Osterreich: 1) die k. k. Theresianische Ritterakademie
zu Wien, der Bildung adelicher Jugend zu wichtigen Staatsämtern gewidmet; ein
treffliches Institut, aus dem sehr geschickte Geschäftsmänner hervorgehen; 2) die ade-
lichen Convicte zu Wien (das gräflich Löwenburgische) , zu Kremsmünstcr , Kaschau,
Grosswardein, Agram imd Klausenburg, und die 6 Seminaria studiosorum in Sie-
benbürgen. — b) In Russland: 1) das Zj'CrtM/n zu Zarskoe-Selo , für die Bildimg ade-
lichcr Jugend zu wichtigen Staatsämtern bestimmt, und gleiche Rechte mit den Uni-
versitäten geniessend; 2) das Pagencorps zu St. Petersburg; 3) die Schule für die
Grusischen Edeüeute zu Tiflis ; 4) die Ritterschulen zu Grodno , Ostrog und Twcr ;
K) die Rittcrakademie zu Reval; 6) die adcliche Pensionsanstalt zu Moskau. — c) Die
Ritterakademien zw Dresden, Ilanover (Georgianum) , Lünelnirg, Soröe (in Däne-
mark), Parma, Modena , Calania, Salamanca und Li:i5a])on {collegio real dos nobles).
B. Für Unadeliche: das k. k. Stadtconvict zu Wien, luid die Convicte zu Krems,
Seilenstetten, Molk imd Grätz. Vom grössten Umfange ist das k. k. Stadtconvict. Es
begreift in sich folgende Studierende: a) Gymnasialschider, b) Philosophen, c) Juri-
.sten und d) Theologen. Diese werden in einer veihällnissinässigen Zahl von den Diö-
cesan-Biäch(Sfen aus den Provinzen der Monarchie gesendet, und die Ordinarien ha-
].-en dn ausfallenden Betia" für sie zu bezahlen. Sie sind bestimmt, zu würdigonPro-
34Ö II. Geistiscullur. §. 34 Bilduiigs- und Erzieliaugsanstalten für besondere Zwecke etc.
fessorcn und Katecheten gebildet zn weiden, dalicr auch mehrere von ihnen das theo-
logische Doctorai nehmen. Mediciner befinden sich wegen ihrer, mit der Ordnung
des Hauses unverträglichen, Studienstunden nicht im Convicte, sondern es wird ih-
nen der, dem Convicts-Zöglinge jedes Älahl ge])ül)rende , Betrag auf die Hand gege-
ben, gegen dem, dass sie sich bey der Convicis-Direction über den ordentlichen Fort-
gang in ihren Studien ausweisen.
G. Fiir Soldaten (s. Verlheidigungskräfte §. 54).
D. Für Ovientallsten : die Akademie der orientalischen Sprachen zu Wien, ein
Lebrinslitut für künftige Diplomaten, Consuln und Dollmetscher, besonders bey der
k. k. Gesandtschaft in Constantinopel und in den levanlischcn Seehäfen oder in den
Gränzprovinzen. Diesem verdienstvollen Institute hat Österreich viele gelehrte Orien-
talisten und Schriftsteller zu danken.
E. Für Translateurs: das griechische Corps zu Si. Pelersbiu-g, für Zöglinge
griechischer, albanischer und anderer Aljkunfi, die in einem Alter von 12 — 16 Jah-
ren aufgenommen , und zu Translatein-s gebilib^t werden.
F. Das ständische Joanneun zu Grätz in Steyermaik, eine Zusammenstellung
der kostbarsten Schätze für Naturkunde, Technologie und Geschichte dieses Landes,
gestiftet von Sr. k. k. Hoheit, dem Erzherzoge Johann, zur Bildung der steyermärki-
schen Jugend und zur Belebung des Fleisses und der Liduslrie der Bewohner Steyer-
niarks, mit Hörsälen für naturhistorische, astronomische und andere Yorlesimgen, und
einer Bibliothek, wo dem Freunde der Literatur besonders die grosse Anzahl der
Journale, die jäliilich gehalten werden, willkommen ist.
G. Die Demidüw sehe Schule der höheren Wissenschaften zu Jaroslaw in Russ-
land, die in gleichem Range und gleichen Vorrechten mit den Universitäten steht,
und das Besborodkd sclie Gjmnasium der höheren Wissenschaften zu Neshin eben-
falls in Russland.
H. Das berühmte Collegium Carolinum zu Braunschweig, aus welchem vorzüg-
liclie Männer jedes Standes, gebildete Kaufleute, Ökonomen, Gelehrte, Krieger und
Staatsuiänner hervorgehen.
L Das Athenäum ftir die JSeugriechen zu München.
K. Das Institut zum Unterrichte der langen Lappen zuDroniheim in Norwegen.
L. Das Collegium de propaganda fide für Missionäre zur Bekehrung der Hei-
den, das deutsche Collegium ^ das Collegium der Griechen und Lehranstalten für
Knaben aus allerley Völkern aus mehreren Erdtheilen, sämmtlich zu Rom.
M. Das vereinigte irländisch-englisch- und schottische Collegium für Katholiken
von genannten Nationen zu Paris.
N. Das Collegium der Herrnhuter zu Niesky in Preussen.
O. Die Judenschulen zu Prag, wo ausser einer Hanptschule und Mädchenschule
der Israeliten auch ein Lehrinstitut der Moral für IsraeUten besteht j dann die Ju-
denschidcn zu Berlin, Grossglogau, Breslau, Dessau, Wolfenbültel , Frankfurt a. AI.,
Fürth und a. a. O. Deutschlands aj. In Galizien zählten die Juden im J. i8o5 6g Kna-
ben- und 2 Mädchenschulen. Wo die österreichischen Juden keine eigene Schulen
haben, müssen sie ihie Kinder bey Strafe des doppellen Schulgeldes in die christli-
i II. Giisfcsriilhir. ■J. 34. Bildungs- uud Erzicliungsanslallcn für besondere Zwecke etc. 545
clien Schulen schicken. Zur Erreichung einer höhern Siulichkeil und Geistoscuhur
luiter den Juden in den österreicliisrhen Staaten ist das rehgiös-niorahschc Lchilnich
Bne-Zion , dessen Verfasser, Hr. Herz Hoinberg , \on Sr. INIajosiiii dem Kaiser mit
1000 fl. helohnet wurde, in allen israeUiischen Schiden Österreichs zum öffeuüichen
Unterricht eingeführt bj.
P. Die Thealerschule zu St. Pctershurg.
Q. TVeibliclie Lelir- und Erziehungsanstalten: a) in Österreich (wo fiu- die
Bildung dieser so wichtigen Hälfte des menschlichen Geschlechts sehr gut gesorgei
ist): 1) das Cwil-Mädchenpen^ionat zu Wien, von Kaiser Joseph II. der P>ildung
weiblicher Jugend zum Lehramte gewidmet. Die Mädchen bleiben ungefähr 8 Jahre
im Pensionat, und sind dann bestimmt, als Gouvernanten in Privathäusern, oder als
Lehrerinnen in öfTenllichen Mädchenschulen einzutreten; 2) das Erziehungs-Instilub
für Oflicierstöchter zu Herrnais bcy Wien; 3) A\.e Sciuden der englischen Fräulein (zu
St. Polten, Krems, Prag, Brixen, Meran, Roveredo und Pesth) ; 4) die Schulen der
Ursulinerinnen (zu Wien, Linz, Grätz, Klagenfurt, Prag, Kutieuberg, Brunn, 011-
mütz, Laibach, Laak, Innsbruck, Bruneck, Pressburg, Tyrnau, Kaschau , Grosswar-
dein und Hermannstailt; 5) die Schulen der Benedictinerinnen zu Lemberg, Sta-
nionlek und Przemysl; 6) die Schulen der Ciarisserinnen zu Alt-Sandez und der
barmherzigen Schwestern zu Lemberg, Przeworsk, Zalosze, Mariampol und Roz-
dol; 7) die Schulen der Notre - Damen zii Pressburg, -der armenischen Kloster-
frauen zu Lemberg, der Servitinnen zu Arco, der Tertianerinnen zu Botzen, Kal-
deru und Brixen, und der Doininicanerinnen zu Altenstadt und Lienz, nebst ^bCol-
legien für die weiblit-hc Jugend in der Lombardie und Venedig, wovon 6 von den
Frauen Satesianerinneu besorget werden, so wie dieSalesianer-Nonnen auch zuWien
ein Institut für Fräulein vom höheren Adel haben. Im J. i8ig waren in Böhmen,
Mähren, Schlesien, dem Lande ob und unter der Enns, in Steyermark, Kärnihen,
Tyrol, Vorarlberg, Illyrien und dem Küstenlande , im Ganzen 465 Mädchenschulen.
— b) In Frankreich : die grossen Erzieliungshäuser zu St. Denis und Ecouen , für
die Erziehung der Töchter bestimmt, deren Väter sich dem Dienste des Staates ge-
widmet haben. — c) In Russland: vorzi'iglich das ^veibli che Erziehungshaus z\i St. Pe-
tersburg mit einer Ijesondern Classe, die von der Kaiserinn IMutter Majestät gestiftet
mid bestimmt ist zur Bildung junger Mädchen, welche ihr künftiges Fortkommen als
Erzicherinnen suchen, nebst mehreren andern weiblichen Erziehungsanstalten und
Töchterschulen. — d) In Baiern: das Erzieliungsinstitut für Töchter aus den höhe-
ren Ständen zu München, mit 3o Frey«tellen für Töchter von Officieren und adeli-
chen Familien, deren Väter sich im Staatsdienste ausgezeichnet haben. — c) In Ila-
nover: die Uni\>ersitäts-T6cJitcrschule zu Götiingen, eine Anstalt für Töchter der
gebildeten Stände der Stadt (nicht bloss von Universitätsverwandicn). — In clor
Schweiz: die Töchterschulen zu Zürich, Olsberg und im Frauenkloster bey Zug,
nebst der Arbeitsschule für anne Mädchen zu Zürich u. s. w.
R. Die Taubstummeninstitule in Deutscldand (zu Wien, Linz, Prag, Frey^ing,
Gmünd, Carlsruhe und StaufTon, zu Leipzig, Berlin und Kiel), Ungern (zu Waitzen),
Italien (zu Mailand, Genua luid Neapel), Frankreich (zu Parios), Spanien (zu Madrid),
33o n. Geislescultur. §. 34- Bildungs- und Erzlehungsanstidten für besondere Zwecke etc.
England (zu London), den Niederlanden (zu Groningen), in Preussca (zu Königs-
Lcrg) , Dänemark (zu Kopenhagen) und in Russland (zu Ronianowa im Gouvernement
Volhynien). Für JVlidiren und Schlesien ist die Errichtung eines Taubsltunmen- und
Blinden-Institutes im Werke begriffen. Das Vaterland der Erfindung des Taubstum-
men Unterrichts ist in so fern Spanien, als Pedro de Poncet ein Bencdictinermönch
in Spanien im Kloster S. Salvadore d'Ogna, der i584 starb, diesen Unterricht zuerst
systematisch behandelt hat, und als in Spanien die ersten Nachrichten von der Aus-
übung dieser Kunst im Druck erschienen sind. Aber die Spanier haben diese Erfindung
vernachlässigt, M'ovon jetzt die Ehre ihren NacJibarn gebührt; denn der Abbe de
l'Epe'e und seine treflhchen Nachfolger haben ihre Methode nicht nach den Lehisä-
tzen des spanischen Mönchs vervoUkomnuiet. Genau genonmien gebührt aber die Eh-
re der Erfindung, wenigstens der ersten ^ wenn gleich nur unvoUkommnen , Erfindung
den Deutschen, indem sowohl Rudolph ylgricola _, der schon im 1 5- Jahrhundertc
lebte, ids Joachim Pasche j der löyS starb ^ Deutsche waren, und auf diese Kunst
sich verstanden cj.
S. Die Blindeniitstilute in Deutschland (zu Wien, Prag, Dresden luid Berlin),
in der Schweiz (zu Zürich), in Frankreich (zu Paris), England (zu London und Lc-
verpool), den Niederlanden (zu Amsterdam), in Dänemark (zu Kopenhagen) luid in
Preusseu (zu Königsberg), Das erste Blindeninstitut in Europa entstand zu Paris durch
den Bürger f'aLeiitin Ihiuj. Den Gedanken zur Errichtung einer solchen Anstalt hat
ihnr , wie er in seinem „Essai sur l'e'ducation des a^'eiigles j, iinprime par les enfans
aveugles _, Paris 1786" gesteht, die Bekanntschaft mit dem ihres Gesichtes beraubten
Fräidein Paradies aus Wien an die Hand gegelien, welche sich damals zu Paris auf-
hielt, um Proben ihres musicalischcn Talents af>zulegen. Die Künsllerinn war nüt ei-
nem , von dem berühmten Kempelen für sie theils erfundenen , theils angegebenen
Geräihe ausgerüstet, welches berechnet war, ihr für das Gebrechen der Augen durch
den Sinn der Betastung zu einigem Ersätze zu verhelfen. Es bestand nicht nur in ei-
ner Rechentafel und in Landkarten, um Zahlen und die Lage der Länder, Städte,
Flüsse u. s. w. fi'xr die Belastung wahrnehmbar zu machen, sondern auch in einer klei-
nen, zur Aufhewahrung in der Tasche eingerichlelcn Druckerey, um durch erhabene
Schriflzeichen der Betastung ihre Gedanken darzustellen dj. Wenn die Finger den
Blinden nicht Auskunft geben , so berühren sie mit der Z-ungenspitze, und die Farben
erkennen sie mitunter am Geschmack ej.
T. Die Waisenhäuser (wo älternlose Kinder zu lüirgeilichen Geschäften, Hand-
werken und Künsten vorbereitet werden) zu Wien, Prag, Mailand, Brescia, Crcmo-
na, Casalmaggiove , Bergamo, Venedig, Hermannstadt, St. Petersburg, Charkow,
Königsbergs Merseburg, Glaucha (in Preussisch-Sachsen), London, Golhenburg und
a. a. Ol icn.
U. Endlich Pensionsanstalten _, fast in allen Hauptstädten imd an andern Orten
der euro|)äischen Staaten, besonders zahlreich inLondon, wo es deren, nach iSc/io/'c/zj
über 6000 gibt. Nur Schade, dass man die Prival-Erziehungsanstallen nicht selten als
kaufmännische Spcculalion betrachten muss, bey welchen man durch Charlalanerie
das ersetzt, was au Solidität abgeht. Die berühinlestcn Anstalten der Art sind das
II. Geislcsciiltur. §. 35. Gelehrte GcscUscliaftcn und polylcclinisclic Veri^ine, öji
Salzmannisclie Erzichvingsinslitut zu Schnepfenthal im Sachsen- Golhaischcn , und
das Pestalozzi sclie Erziehungsinstitut zu Yverdun im Canton Waadl.
a) Nachrichten \ on den jüdischen Schulen in Wolfenbiittel , Frankfurt a. M. , Berlin und
Dessau; in der Zeitschrift Sulamilli w. s. w. im 2. B. des i. Jahrg. S. 4»- 6i- »3». und 1 43.
b) S. Intelligenzb. d. J. A. L. Z. i8ii. Nr. 23. S. i8o ff.
c) S. Ergänzungsbl. z. A. L. Z. i8io. Nr. 8g. S. 707 ff.
d) S. Inteiligenzbl. der Annalen d. Lit. und R. u. s. w. 1804. J"«. S. i85 ff.
e) S. Götting. gel. Anz. 1818. St. 106. S. io56.
Anstalten zur Erweiterung und Vervollkommnung wissenschaftlicher
und technischer Kenntnisse, so wie zur höheren Ausbildung der Künste.
S- 35.
A) Gelehrte Gesellschaften und polytechnische Vereine.
Die gelehrten Gesellschaften und pol.) technischen Vereine haben nicht sowohl
den Zweck, den schon vorhandenen Reichthum wissenschafthcher und technisclicr
Kenntnisse durch Lehre und Unterricht weiter zu verbreiten, als vielmehr das wis-
senschaftliche und technische Gebiet theils überhaupt, theils im Einzelnen diu'cU
neue Elitdeckungen und durch Aussetzung von Preisen zu erweitern, und von ih-
ren Bemühungen zum Theil diuch öffentliche Schriften Rechenschaft zu geben. Der-
gleichen gelehrte Gesellschaften und tccbuische Vereine sind in Europa sehr zahl-
reich, besonders in Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien, Grossbritannien, den
Niederlanden , der Schweiz und in Dänemark. Zu den vornehmsten gehören :
a) In Deutschland: i) die Akademien der Wissenschaften zu Berlin, München
und Erfurt; die Societät der JVissen Schäften zu Göttingen; die Gesellschaften der
Wissenschaften zu Prag und Görlitz ; die Gesellschaft der TTissenschaften und
Kiinste zu Breslau; 2) die Akademien der JSaturfoiscIier zu Bonn (die älteste in
Deutschland) und Erlangen; die Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin;
die natur forschenden Gesellschaften zu Halle und Jena 5 die Gesellschaft zur Be-
förderung der gesummten Natui'wissenschaften zu Marburg ; die Societät für die
gesammte Mineralogie zu Jena; die TVetterauische Gesellschaft für die gesammte
J^aturkunde zu Hanau; die vaterländische Gesellschaft der Arzte und Naturforscher
Schwabens, vuid die botanische Gesellschaft zu Regensburg; 3) die Landwirth-
Schafts-Gesellschaft in Wien (die 10 Mitglieder aus dem durchlauchtigsten Erzhau-
se zählt); die pati'iotisch-ökonomische Gesellschaft in Böhmen; die Gesellschaft
zur Beförderung des Ackerbaues j der Natur- und Landeskunde in Mähren und
Schlesien; die Landwirtliscliaftsgesellschaft in Sieyerm:x\\; die Gesellschaften zur
Beförderung des Ackerbaues und der Künste in Kärnthcn und Krain; die Gesell-
schaft des Ackerbaues ^ der Künste und des Handels in Gürz ; die Landwirlli-
schafts-Societätcn zu Celle und Leipzig ; die Märkiscli-ökonomische Gesellschaft
zu Potsdam; die W^estplialische zull.^min; die ökonomisch-patriotische Gesellschaft
zu Breslau; die landwii-thschaftlichen Vereine in Baiern, Würlomberg imd Baden;
die Weinbaugesellscha ften in Sachsen und zu Linz (am Niederrhein) und die Bie-
nengesellschajt in der Lausitz ; 4) die Saclisen-Gotliaisclie und Meinung'sche Socie-
552 II- Gcistoscultur. §. 35. Gelehrte GescUschaften und polyiechnische Vereine.
tat der Forst- und Jagdhunde zu Dreyssigackcr; 5) die Gesellschaft jiir Deutsch-
lands ältere Geschichtskunde zu Frankfurt a. M. , und die Gesellschaft der Alter-
thi'nner zu Cassel; 6) die medicinisch-phjsikalische luid kameralistiscJi-ökonomi-
sche Gesellschaft zu Nürnberg, und die phjsisch-mediciräsche Gesellschaft zu Er-
langen; 7) die phdologische Gesellschaf t zu Leipzig, und die Gesellschaf t für deut-
sche Sprache zu Berlin; 8) das Cabinet der Minerva zu Triest und die gelehrte
Gesellschaft zu Pioveredo (academia degli Agiati); g) endlich die Gesellschaft zur
Beföi'derung nützlicher Künste und Gewerbe zu ILnnhurg, die Gesellscliaft zur Be-
förderung der nützlichen Künste und ihrer Hülfswissenscliaften zu Frankfurt a. M.;
der polytechnische Verein in Baiern, und der Verein ziw Beförderung^ des Ge-
werbjleisses in Preussen. Die Stelle einer noch innner \crmissten geographischen Ge-
sellschaft vertritt das, um Erdkunde besonders verdiente Landes-Industrie-Comp-
toir und geographische Institut zu Weimar.
b) In der Schweiz : 1) diiG Helvetischen Gesellschaften zu Basel und ZolTingen;
2) die medicinisc/ien Gesellschaften zu Zürich, Bern und Genf, luid die Gesell-
schajt Aargauischer Aerzte zu Lenzburg; j) die Gesellschaft für vaterländische
Geschichte und Politik zu Zürich ; 4) die ökonomische luid naturhistofisclie Gesell-
schaft zu Bern, und die ökonomisclien Gesellschaften zu Frcyburg, Lausanne u. s. w.;^
5) die Gesellschaft für Naturwissenschaften zu Genf; 6) die Nacheiferungsge-
sellschaft zu Yevay (im Canton Waadt) ; 7) endlich die Iselinische Gesellschaft
zur Beförderimg de.s Guten und Nützlichen im Canton Basel.
c) In Italien, vmd zwar aa) in Sardinien: 1) die yJkademien der TVissenschaften
und des Ackerbaues zu Turin; 2) die Akademie der Arkadier und drcy andere ge-
lehrte Gesellschaften zu Genua; blj) in der Lombardie und Venedig: 1) das itulieid-
sche Institut der TVissenschaften und Künste, in vier Sectionen (z.u Mailand, Ve-
nedig, Padua und Verona); 2) die Akademie der TVissenschaften und Künste zu
Padtia ; 3) (^10. Athenäen für TT^issenschaften w/?rf Ä^MH.yis zu Brescia imd Bergamo;
4) die Athenäen zu Venedig imd Treviso ; 5) die Akademie der TVissenschaften
genannt de Concordi j ?.\\ Rovigo; 6) die gelehrten medicinischen Gesellschaften zu
Venedig tuid Padua; 7) die Akademie des Ackerbaues zu Udine; 8) die Akademie
des Ackerbaues _, des Handels und der Künste zu Verona u. a. m. cc) In Lucca: die
Akademie der TVissenschaften zu Lucca; dd) in Toscana: 1) die phjsikalisch-me-
diciinsche Gesellschaft zu Pisa; 2) die academia della crusca zu Florenz, die zum
Zwecke hat, die italienische Sprache zu verbessern, luid dieselbe von schlechten Wör-
tern (gleichsam der Kleye, welche auf italienisch crusca heisst) zu reinigen; ee) im
Kirchenstaate: 1) die Akademien für die Geographie und Geschichte j für die Kir~
chengeschicJite j fiir die römischen Alter thiuner j, für die Concilien , für die Liturgie
oder alten Kirchengebräuche u. s. w. , sämmtlich zu Piom; 2) die Akademie der TT'is-
senschaften zu Bologna , womit die academia clementina bonarum artium vereinigt
ist; ff) in beyden Sicilien: 1) die Bourbonische Societät zu Neapel, aus den Akade-
mien von Herkulanum für die Allerthumskunde, dann der Wissenschaften und Kün-
ste zusanuuengesetzt; 2^ die erneuerte Akademie der Aetnaer zu Catania.
]I. Gelslescultur. <>. 35. Gtklnte Gestllsclurten und polytcclinisclie Vereine. 355
d) Auf den jonischen Inseln: die Societät des Ackerbaues und der liulustrie
ZM Corfu.
c) Li Frankreich: i) das königliclie Institut zu Paris, in 4 Akademien gelhcill :
a) acadcniie francaise; ß) acadcniic des inscriplicns el helles leltres 5 y) acadeniic des
Sciences 3 h) acadcmie des bcaux arlsj 2) die AckerbnugeseUschaft zu Paris; 3) die
anakreontische Gesellschall zu Grenohle ; 4) die Socieüil zur Untersuchung des in-
nern Afrika zu Marseille; 5) die Akademie des jeux Fioreaux zu Toulouse; 6) die
Societe de Pliannacie zu Paris; 7) die Gesellschaft der Statistik seil 1804 eben da-
selbst; 8) die geographische Gesellschaft seit 1821 eben daselbst; g) die Societät zur
Belebung der JSntioncd-Iiidustrie ehen iXr^scXhsX.-, io) endlich mehrere Socie'te's d'e'mn-
/flf/o«j mehrere naturhistorische, slaatswirlhschaflliihe , iiicdicinische und chirurgi-
sche Gesellschaften, Ijesonders aber viele Gesellschaften, welche die Beförderung der
schönen AVissenschafien zum Zwecke haben.
f) In Spanien: 1) die Akademien der IFissenschaften zu Madrid, Sevilbi, Val-
ladolid, Valencia und Bareellona; 2) die medicinischen Akademien zu IMadrid iintl
Valencia; 3) das chirurgische Coliegium zu Madrid; 4) die Akademien der sparn-
schen Sprache _, der Geschichte j, des spanischen Rechts und Staatsrechts _, des ca-
nonischen und Civilrechts , die lateinische Akademie , sämmtlich zu Madrid ; 5) die
geographische Gesellschaft zu Valladolid; 6) endlich eine Menge okonoinisclier und
patriotischer Gesellschaften.
g) In Portugal: 1) die Akademie der TFissetischaften zu Lissabon, mit der auch
die ehemalige Akademie der portugiesischen Geschichte vei'bunden ist; 2) die Akade-
mie der Wissenschaften zu Thomar; 3) die sociedade real maritima j militar e
geograßca zu Lissabon , und 5) die ökonomischen Gesellschaften zu Saniarcm und
Ponte de Lima.
h) Im brittischen Rcielic: 1) die Gesellschaft der TFi^senscliaften zu London
seit 164.5 und i663 , die Stammmutier aller europäischen Institute dieser Art; 2) die
Gesellschaften der Jlissenschaften zu Edinburgh und Dublin; 3) die Gesellschaf-
ten der ältertlmmsjorscher zu London und Edinburgh; 4) die Societät für JSatur-
geschichte zu 'London; 5) die Societät für Chemie eben daselbst; 6) die Linnelsche
Gesellschaft zu Edinburgh; 7) die medicinischen Societäten zu London, Edinburgh
und Colchester; 8) die philosophischen und medicinischen zu Manchester, Lcverpool
nnd Edinburgh; g) die mineralogische Gesellschaft zu London; 10) die Gesellschaft
zur Entdeckung des Innern von Afrika zu London; 11) die Palästinnl geseUscha f t
zur Kennlniss der Geographie und Naturgeschichte von Palästina und Syrien zu Lon-
don ; 12)' die Gesellschaft zur Verbesserung der Schiffbauknnde eben daselbst ; i3) die
Gesellschaften zur Beförderung der Künste _, der Manufacturen und des Han-
dels zu London, Balh und Dublin; 14) eine Menge ökonomischer Gesellschaften;
l5) die Bienengesellscliaft zu Exeter ; 16) endlich die Gesellschaft des Gartenbaues
(thc Horlicullural society) zu London seil 1804, der nicht bloss aus allen Gegenden
von England, sondern aiu'h aus dem Auslande, z. B. aus Frankreich und den jXieder-
landen, Früchte und Geviächse zur Beurlhcihmg mitgclhcilt 'Acidcn.
45
I
354 II. GeistcscuUur. >,>. 35. Gt-lelirte Gesell, elKiflcn iiiui poljteclmiscIiL- Viroiue.
i) In den Niederlanden : i) das Institut der TVissenscJinften und schönen Kün-
ste zu Amsierdam^ in 4 Classen gclhcill; 2) die Akudemie der TVissenschaften und
schönen Künste zu Brüssel 3 3) die Gesellschaft der Ulssensclinften zu Haailem;
4) die Gesellschaft der NaturgeschicJtte und Literatur im Haag; 5) die Gesell-
schaft der schönen Künste und Literatur zu Gent; 6) das Insiitut Felix meritis zu
Amsterdam; 7) die Gesellschaft tot ent i>ant allgemeen ^ die in jeder der nördliclien
Provinzen Seclionen hat; im Ganzen zälilt man in den verschi-'Jenen niedciländischcn
Städten 72 gelehrte Gesellschaften.
k) In Dänemari : 1) die Gesellschii/'t der fflssenschaften ziiKoponln^'^cn; 2) die
Gesellschaft zur Beförderung der schönen Tf^issenschaften und des Geschmacks eben
daselhst; 5) die Gesellschaft fiir dänische Geschichte und Sprache ehen daselbst;
4) die skandinavische Literaturgesellschaft ehcxi daselbst; 5) die Classensche Li-
teralurgesellschafi eben daselbst; 6) die mcdlcinische Gesellschaft eben daselbst;
7) die Gesellschaft zur Beförderung der Veterinärwissrnschafteu eben daselbst;
8) A\e Liuidliaushcdtungsgesellschaft ebendaselbst; g) die Gesellschaft zur Beför-
derung des irdändischen Fleisses eben daselbst; 10) die isländische Landau fklä-
riingsgesellsclia f t u. a. m.
1) In dem schwedischen Staate, und zwar aa) in Schweden an sich: 1) die Aka-
demie der Jf'issenschaften zu Slückholm; 2) die zu Upsala ; 5) die der Geschichte
und der Altertliümer zu Stockholm; 4) die schwedische Akademie ^ die sich mit
der Cullur der schwedischen Sprache, Beredsamkeit und Dichlkiuisl beschäfiigl ;
5) die Akademie der Wissenschaf tbn und frejen Künste zu Gothenburg; 6) das
Collegium medicum und die mit ihm vereinigte chirurgische Societät zu Stockholm;
7) die Akademie der Kriegswissenschaften eben daselbst, von der beynahe alle Of-
ficierc der Armee und Flotte Mitglieder sind; 8) o.\e phjsiographisclte Gc^fiWschah
zu Lund; g) die skandinavische Gesellschaft zu Stockholm; 10) die Ackerbauakade-
mie eben daselbst, und einige andere Ackerbaugesellschafien. — bb) In Norwegen:
1) die Gesellschaft der Wissenschaften zu Drontheim, vielleicht die nördlichste hi
der Welt; 2) die Gesellschaft fiir Norwegens Wollt zw Chrisliania, mit welcher die
topographische Gesellschaft, die patriotische Gesellschaft zu Aggerhnus luid eine Men-
ge ökonomischer Gesellschaften in Verbindung stehen.
m) In Piussland und Polen: 1) die Akademie der irissenschafteu zu St. Peters-
burg; 2) die Akademie für russische Sprache eben daselbst; 5) die Gesellschaft fai-
russische Sprache undAlterthümer zu Moskau; 4) die Gesellschaft für die gesamm-
et Mineralogie zw St. Petersburg; 5) die fieye ökonomisclie Societät ebendaselbst ;
6) die liefläridische ökonomische Soc'iciÄi; 7) die philotechnische Societät zu Char-
kow; 8) endlich die Gesellschaft der Freunde de;- JJlssenschaften zu Warschan.
n) In Preussen: 1) d\e Gesellschaft für deutsche Sprache zu Königsberg; 2) die
ostpreussische phjsikalisch-ökonomische Gesellschaft eben daselbst.
o) In Siebenbürgen: 1) die G.'sellschaft zur Cultur der ungrisdien Sprache und
Literatur; 2) die philohislorische Gesellschaft zur Herausgabe siebenbürgischer Scrip-
tornni und zur Bearbeitung der LandcsirRschiclite.
JI. Geislt^cuUur. §. 36. KunslyrsilUchafteu. 305
§. 36.
B) K II 11 s i g e s e I 1 s c li a ( t e M.
a) Für bildende Künste.
Als Aiislalten zur höheren Avisljilduiig zeichnender oder hililetulcr Künste beste-
hen (\\e Akademien in Deutschland (zu Wien, München, Dresden, Berlin, Weimar,
Cassel u. s. w.) , Italien (zu Turin, Genua, Mailand aj , Venedig, Verona, Parma,
Florenz, Rom bj u. s. w.) , Frankreich (zu Paris, die acade'niie royal des heaux arls ,
als die vierte Classe des königl. Inslituls), Spanien (zu Madrid, Valencia und Sara-
j^ossa) , Grosshriiannien (zu London und Glasj^ow), den ^Niederlanden (zu Ainsterdani,
Briissel, Gent und Antwerjjen), in Dänemark (zuKojienhageii), Schweden (zu Stock-
holm) und Russland (?.u St. Petersburg). Die meisten dieser Kunstgesellscliaften sind
7^^^Q'lc\l Kitnstschaten j deren Umfang jedoch nicht allenlhalben gleich isl. So uiu-
fasst z. B. die Akademie der Künste zu Berlin nicht zugleich die Baukunst, sondern
für diesen Kunstzweig ist daselbst eine besondere Bauakademie cj angelegt 5 dage-
gen vereiniget die Akademie der Künste zu Wien alle Zweige der bildenden Künste
in der umfassendsten Bedeutung, und führt hiernach den Nahmen Akademie der
vcieiiügten bildenden Künste. Sie enthält folgende vier liauptaljiheihuigen oder Schu-
len: 1) die Schule Acv Mahler _, der Bildhauer _, der Kupferstecher und der Mosaik;
2) die Schule dcv Arc/ntektuj' ; 5) die Schule der Gravierkunsl ^ und 4) die Schule
der Anwendung der Kunst auf Manufacturen. — An mehreren der besagten Aka-
demien der Künste haben die Schüler, welche das akademische Zeugniss einer ausge-
zeichneten (ieschicklichkeit und Verwendung erhalten, Anspruch auf die für sie be-
stimmten Stiftunf;sscipendien ; auch werden sie durch die ihnen vom Staate ertheil-
ten Pensinnen in den Stand gesetzt, ihren Kunstgeschmack auf Reisen oder im Aus-
lande weiter auszubilden. Ausserdem finden hie und da, um unter den akademischen
Schülern einen rühmliclien ^Velleifer rege zu machen, PreisaustheUungen Sinti , und
werden, um (his Publinun in Stand zu setzen, den Stufengang der vaterländischen
Kunst zu bcuriheilen, das Verdienst der Akademien um die Aufnahme deiselbeu zu .
würdigen, den Flciss und das Talent der Künstler aufzumuntern, und ausgezeichne-
ten Künstlern Gelegenheit, sich bekannt zu machen, zu \ erscliaffen , an mehreren
Orten von den Akjidemien cier Künste von Zeit zu Zeit Kuiistausstellungen veran-
staltet. Zu Prag besteht als höhere Anstalt für die bildenden Künste die Privatgesell-
schaft patriotischer Kunstfreunde.
b) F ü !■ M 11 s i k.
Als Anslalteu zur höheren Ausbildung der Tonkunst bestehen : 1) die f^ereine oder
Conservatorien zu Rom, Neapel, Mailand, Wien, Prag, Innsbruck, Gräiz und Pa-
ris, an welchem letzteren Orte ausserdem eine Schule für Musik hey der grossen Oper
errichtet ist; 2) die Pliilarmonischen Institute zu Venedig und Laibach; 3) die musi-
kalischen Akademien zu Stockholm (mit einer Singschiilc), PVankfurt a. M. luid Ber-
lin (die Zelier'sche Singakademie) ; /,) endlich die Gesellschaft der Musikfreunde
des (Jsierreichischeii Kaiserstaates zu Wien.
45*
5GÖ II. Geislescultur. ^. 3;. Buchhandel.
a) Wo auch eine Schule für Mosaikarbeiter isf
6) Wo auch die St. Pelevsschulen fiir die mosaischen [Arbeiter merkwürdig sind. In diesen
Schulen werden die Gemähide der grössten Meister cöpirt und auf dauerhafteste Weise d^i-
Nachvvelt aufbehalten. Unter der Aufsicht eines geschickten Chemisten werden Gla>~!ifte
von allen Farben gegossen , aus welchen die mosaischen Gemählde bestehen.
c) S. roiglefs Versuch einer Statistik des preussischen Staates S. i4o.
Anstalten zur Verbreitung der Schriften.
a) Buchhandel.
Keines Landes Buchliandel ist znr leichten Vei^bveitung aller Schrijteii so
zweckmässig und musterhaft eingerichtet, als Deutschlands Bilchervevkehr. Der
deutsche Buchhändler, einzelne Ausnahmen abgerechnet, scliiänkt sich nicht Lloss
auf Bücher, die er selbst verlegt fKevlagsJinndclJ, ein, sondern nimiai auch von
andern, und überlässt an diese, durch Tausch oder Verkauf gegen gewisse ProceiUe
( SovtimentshandelJ , was jeder für gangbar in seinen Gegenden erachtet. Zu dem
Ende kommt nic!it nur nieist jeder mit den», was er Neues hat, an einem gemein-
schaftlichen Markt platze zusammen, welches zu Leipzig gescliieht, zur Zeit der Mes-
sen , Ostern und Micliaelis (im Ganzen erscheinen jährlich an 3oo Buchhändler ,
iheils in eigener Person, theils durch ihre wohlunterrichteten Stellvertreter), sondern
steht auch ausserdem mit seinen Genossen in beständigem Briefwechsel und Verkehr,
^'on den zu einer jedesmaligen Messe neu vorhandenen Schriften in ganz Deutschland
wird überdiess ein allgemeines Verzcichidss gedruckt, das zur Kenntniss eines jeden
bringt, was irgend seine Absichten intcressircn mag, und nebenher auch gleichsam
als Barometer dient, den Geist und Grad der deutschen Schriftstellcrey zu zeigen.
Dagegen ist der Zustand des Buchhandels in Grossbritannien^ Frankreich j Ita-
lien _, den ISiederlanden und andern Ländern sehr mangelhaft , da in denselben jeder
IjLichhändler nur mit seinem Verlage oder den Bücher« handelt , welche ihm ein
Schriftsteller in Cominission gegeben, von denen er aber selten nur ein Vcrzeichniss
gedruckt hat; noch weniger steht er mit den übrigen Buchhändlern des Landes in
einer dauerhaften Verbindung. Li einigen Ländern, wie z. B. in Norwegen ^ fehlt
es gar an eigenlliclien Buchhändlern; die wenigen Bücherverkäufer, welche man dort
lindet, sind zugleich Buchdrucker, oder sie treiben auch ein anderes Gewerbe neben
jenem aj. Auch in Spanien bildet, nach Hrn. Eichhorn^ der Buchhandel keinen eige-
nen Stand, sondern Buchhändler, Buchdrucker und Buchbinder sind meistens in Ei-
ner Person vereinigt.
Neben den unverkennbaren Vortheilen , die iibrigens der deulsche Buchhandel,
erwähnter Maassen, durch seinen wechselseitigen, über alle Provinzen Deutschlands
sich erstreckenden Zusammenhang, der Literatur imd Geistescultur gewährt, unter-
liegt er jedoch in mehreren deutschen Bundesstaaten dem Nachdrucke ^ einem Ge-
Ijrechen, das von detn Buchhandel fast eines jeden andern I.,andes entfernt ist hj , und
dessen Auflicbimg, in Gemässheit des i8- Aitikels der deutschen Bundosacle, zu er-
warten steht.
II. Gcistcscultur. §. 33. Litorarisclu- Zeil.siliiifU'u. 557
Die ineislen Bnchhaiiillungcn sind iii Giossljrilannicn (es zälilt 4000 Biuliliäiullcr,
Antiquare und Biicherverlfiher) , FiankrcicL (wo im J. i8i3 i332 liiiclihandiungeu
und davon allein zu Paris 577 waren) und Deutschland (wo man allein zu Wi^'u 27,
zu Berlin 38, zu Leipzig 46 , zu Frankfurt a. M. 17 und zu Nürnberg 12 Bucliliaiid-
lui.'gen zählt). Dagegen hat das grosse Schweden nur 32, das noch grössere Russland
ehenfalls 32, Ungern 12, Polen 10 und Galizien 2-
In welchen Ländern Europa's die Biichdruckcrkiuist zu einer hohen Vollkom-
menheit gediehen, ist oben (s. L Abth. §. 114.) gesagt worden. Hier ist nur noch
diess nachzutragen , dass der sinnreiche Erfinder der neuen Bnclulrnckermiischine
in London, die in Einer Stunde goo Abdriu^ko auf bcyden Seiten des Bogens zugleich
fertigt, ein Deutscher, nahmenilich aus Eislcbcn in Thüringen ist cj , und dass ehe-
dem die Corvectoren meistens ausgesuchte und mit den berühmtesten Männern der
Zeit in Verbindung stehende Gelehrte waren, die sich sogar durch einen Schwur
verbindlich machen mussten, keinen Druckfehler stehen zulassen; daher die hcVrli-
clien correcten Ausgaben der früheren Druckereyen dj. Was indessen den Auflagen
der jetzigen Druckereyen an Correctheit abgeht, das ersetzen sie durch den Sinn für
das, was die gute Form und ein gcfiilUges Aeussere eines Buches ausmacht, der in
England sowohl als in Frankreich so allgemein verbreitet ist, und seit einigen Decen-
nien auch in Deutschland und andern Ländern Etuopa's immer allgemeiner wird. Was
aber den Einband betrifft, so verwendet man in keinem Lande mehr Geschmack und
Pracht darauf, als in England, und merkwürdig ist es, dass die Kunst des prächli-
gen Ein!)indens in London sich fast ausschliesslich im Besitz von doutschen Buch-
bindern befindet. Die vorzüglichsten Bände sind entweder Saffian oder Juftcn"; die
Kunst besteht im Marmorireu und Verzieren. Es gibt ia England Einbände , die 3o
Pfund Sterling kosten.
a) S. Österr. Beob. 1816. Nr. 171. S. 900.
b) Ausser Deutschland wird der Bücher-Nachdruck nur noch in einigen Städten Italiens ge-
duldet und beschützt. S. Österr. kaiserl. privileg. W. Z. i8i4- 357. >*• i424.
c) S. Österr. Beob. 1816. Nr. io2. S. 548.
d) Über die frühesten universalhistorischen Folgen der Erfindung der Burhdrur kerkunst. Von
J. C. Frerh. con Areün etc. München, 1808. gr. 4. Vergl. Jen. A. L. Z. 1810. JVr. Öy.
§. 38.
!)) Literarische Zeitschriften.
Sie sind .solche periodische Schriften, die die neu erschienenen Schriften ange-
ben und windigen, auch andere interessante literarische Notizen enthalten. Die mei-
sten Zeitschriften der Art erscheinen in Deulschlaiul , nahmcntlich zu Halle (wo die
erste Literaturzeitung Deutschlands ausgegeben vsird), zu Göltingen, Jena, Leipzig,
Wien, München u. s. w. Sonst komnien literarische Zeilschriften noch heraus : in
Grossbritannien, Dänemark (die Literaturzeitung zu Kopenhagen) und in Russland (zu
Moskau eine russische und zu Wilna eine polnische Lileraturzeitung). In Reccnsionen
und kleihcn anonymen Aufsätzen leisten viele Gelehrte oft weit mehr, als in grossen,
unter ihrem Nahmen herausgegebenen Schriften.
558 II. Geistesculiur. §. 39- Einrichtungen für einzelne Wissenschaften.
§• 39.
Einrichtungen für einzelne Wis.sensc haften.
1) Botanische Gärten. Die leiclilialiigslen sind: zu Kew, Malniaison, Paris (le
Jardin des Plantes), Scliönbrnnn^ Eisenstadt und Madrid, aus welchem letzteren die
geschicktesten Botaniker ausgegangen sind , welche die Botanik des europäischen und
amerikanischen Spanien musterhaft beschrieben haben. Nächst diesen sind die vur-
ziigiichstcn Pflanzengärten zu Leydcn, Utrecht, Lissabon, Edinbiugh und Chcisea
(wo der grosse botanische Garten der Londoner Apotheker ist); ingleichen zu Mar-
seüle, Montpellier, Turin, Padua, Pavia, Wien, Prag, München, Landshut, Wmz-
burg, Heidelberg, Berlin, Halle, Belvedere bey Weimar und Götlingcn; ferner zu
Pesth, Krakau, Moskait , Gorinka bey Moskau, Dorpat, Gatschina und Pawlowsk un-
Aveit St. Petersburg, zu Abo, Kopenhagen und der durch Z//z«e' weliberührate Pflan-
zengartcn zu Upsala aj ; ansehnliche auch zu Königsberg (in Preussen), Breslau, Je-
na, Kiel, Stockholm und a. a. O. — Um die Ehre, den ersten botanischen Garten
besessen zu haben, streitet Pisa mit Padua, wo die Universität fiir die Botanik schon
i533 einen Garten angelegt halte bj. — Unter den noch seltenen Gärten fiir Acker-
baukunde sind besonders geachtet die ökonomischen Gärten zu Göttingen, Heidel-
berg, Gicsen , Pavia und im k. k. Theresianum zu Wien, welcher letztere sich um di.",
Verbreitung der exotischen Getrcidcartcn in der österreichischen Monarchie sehr ver-
dient gemacht hat.
2) Ster/twcuic/i. Die vorzüglichsten sind: zuGreenwich, Slough bey Windsor cj,
zu Dublin und die erst in diesem Jahre erbaute, reich ausgestattete zu Cambridge;
ferner die Sternw'arte mit dem Längenbüreau zu Paris, die zu Marseille, die auf dem
Seclierge bey Gotha, zu Götlingcn, Berlin, Breslau, Königsberg, Mimchen, Wien,
Prag, Kremsmi'insler und auf dem St. Gerards- oder sogenannten Blocksberge nächst
Ofen ; ingleichcn die Sternwarte Brera zu Mailand (als integrircndcr Bestandiheil der
Universität zu Pavia), die zu Padua, Marlia bey Lucca, Turin, Rom, Neapel und Pa-
lermo; endlich die zu Madrid, Cadix, Lissabon , Amsterdam, Kopenhagen, Upsala,
St. Petersburg , Moskau, Dorpat, Wilna, Abo, Nicolajew und Warschau.
3) Chemische Laboratorien. Die vorzügUchsten: zu Paris , Lyon tuid Montpel-
lier; dann zu London, Oxford und Edin])urgh; ingleichen zu Wien, Prag, München,
Leipzig, Berlin, Halle, Erfurt, Pavia, Kopenhagen, St. Petersburg und Dorpat. Die
Pariser chemischen Laboratorien haben vor denen auf den deutschen und andern
Universitäten den Vorzug, dass dabcy besondere Präparateurs angestellt sind, de-
nen ausschliessliclt die Zubereitungen zu allen den von den Piofessoren in den ^ or-
lesungen sowohl, als auch ausser densel'jcn, anzustellenden Experimenten und Unter-
suchungen , so wie die Bereitung der Reagenlien obliegt.
l^) Mediciniscli- und chirurgisch-klinische Institute. Die meisten und vorziig-
lichston: zu Wien (wo id)erhaupt das medicinischc Studium, als eine in ihrer Art ein-
zige Central-Anstalt besteht), London (wo üist in allen Sladtthcilen klinische Anstal-
ten sind, mit unenigeltliclier Ertheilimg nicdicinischer Gutachten), Paris (besonders
11. Geistcsdillur. §. 40. Hülfsmittel fiir Künste, für wisscrisrlinfll. n. trclui. R.iinln .i5y
für \Viindärzlo), Berlin und Göttingen; ingleichen zu Älontpellier, Pavia, Paclua,
Prag, Würzburg, Edinburgh, Kopenhagen, St, Petersburg und Dorpat.
5) ^anatomische Tlieiitev. Diebesten an den unter 4) genannten Orten, dann
zu Lcyden und Utrecht. Das erste anatomische Theater wurde zu Padua angelegt.
6) Endlich aiKitomisch- physiologische JVachspriipavate. Die lehrreichsten
Sainnihuigen davon: zu Florenz und Wien (in der nicdicinisch-chirur^ischcn Joscphs-
Akadcniie).
u) J.inncs Monument in der Domkircliü zu Upsala .•
C a r o Z o A Li n ?i e.
Bolaaicorum Prinripi. Ainici et DiscipuU.
MDCCXCVII.
6) S. /',i(;A/ii;rH'i Geschichte der Literatur B. 2. Abth. 2. S. 691. Vergl. Schalles., J. A. , Grund-
riss einer Geschichte und Literatur der Botanik, von Th.Eresius bis auf die neuesten Zeiten,
nebst einer Geschichte der botanischen Gärten. Wien , 1817. gr. 8.
r"). Wo die Sternwarte des berühmten astronom. Forschers und Entdeckers , Herscheh (eines
Deutschen) ist, mit einem 60,000 pfundigen Teleskop, ^velches mit einer Hand regiert \vird.
§• 40-
H ü 1 f s m i 1 1 e 1 für Künste, so wie für w i s s e n s c h af 1 1 i c li e 11 n d t e c h n i s c h e
Kenntnisse.
Die hauptsächlichsten Hülfsmittel für gelehrte und lechnisclic Kenntnisse, so
wie für Kihiste, sind öffentliche Bibliotheken aj j, Naturaliensammlungen bj j phj-
sikalisrli-matliematische Cabinete cjj, Münz- und Aniiken-Cabinete dj _, Antiqui-
täten-Ctdnnete ej j, McLSchinen- und Modellensammlungen fj j, Fabiiksproducten-
Cabinete gj ^ Gemähldegalleiien !tj j Statuensammlungen ij j Kupferstichsamm-
lungen kj u. s. w. , Sammlungen, die man zuweilen unter dem Nahmen der Museen
mit einander vereinigt IJ. Man findet sie aber gewöhnlich nur in Haupt- und Resi-
denzstädten, so wie bey gelehrten und technischen Bildnngsanstalten und Kunstschu-
len. Es gibt jedoch in den euro]iäischcn Ländern aucli Privatpersonen, auf deren
Landsitzen man sehr ansehnliche und kostliare Bildiotheken, Kunst- und Naturalicn-
sntnmlungeu , Gemälildegallerien n. s. av. , findet.
a) Die vorzüglichsten Archive des menschlichen Wissens in Europa sind, und zwar:
I. in Osterreich : 1) die k. k. Hofbibliolhek zu Wien, nahe an 3oo,ooo Bände, öooolncu-
nabeln und i2 — i5,ooo seltene Handschriften enlhaltend, nebst einer der vollständigsten
Sammlungen \on Landkarten, Kupferstichen, Porträts und Miniaturgemäblden ; 2) die
fVibliotlieken der Universitäten , Lycäen , Districtual-Akademien und Gymnasien, \vorunter
die zu Wien mit i3o,ooo, die zu Prag mit i2o,ooo, die zu Giätz mit 60,000, die zu
Padua mit 52,ooo, die zu Pestli mit 5o,ooo, die zu Ollmütz mit 5o,ooo , die zu Pavia
mit 33,000, die des katholischen G)mnasiums zu Teschen mit i2,ooo Bänden u. s. w. ;
3) die St. Marcusbibliolhek zu Venedig mit i5o,ooo B. , und die Ambvosianisclie Bibliothek
zu Mailand mit 90,000 B. und i5,ooo Handschriften; 4) «be Bibliothek der k. k. T/iere-
sianischen Eiller- Akademie mit 45,ooo B. (ohne die zalilreiciien kleineren Schriften) , und
die der medininisch-chiriigischeii Josep/is- Akademie mit 40,000 B. ; 5) die Szechcnj'sche He^m-
Colarbibliothek zu Pesth , und die Ossoliiiskysche Nalionalbibliol/tek zu Lcmberg ; 6) die 3
Siebenbürgischen: a) die Telekische zu Maros-Vasarhely , b) diu Ballhj-anische zu Carlsburg,
36o II Geistescultur. §. 40 Hulfsmiltcl clc. Bibliotheken.
die Bruckenlhalische zu Hermannstadt; 7) die Sladtbiblioiliek zu Triest; 8) die Bibliotheken
der Stifte und Klöster, worin die Bücherkenner manche Seltenlieit finden, und worunter
mehrere sehr zahheich sind; 9) die merkwürdige Bibliothek des k. k. Hofkriegsraths-Archivs
zu Wien und einige Reginients-Bibliotheken ; 10) endlich mehrere reiche Büchersammlun-
gen der österreichischen Grossen, eine musikalische Bibliothek zu Wien (die einzige in
Europa) von 600 Banden und 7000 Compositionen von mehr als 700 Tonkünstlern; und 14
Leihbibliotheken.
II. In Preussen : 1) die königl. Bibliolhck zu Berlin mit 160,000 B. ; 2) die der Akade-
mie der Wissenschaften ebend. mit 3o,ooo B. ; 3) die Universitätsbibliothek zu Breslau
mit 100,000 B. , die der übrigen Uni\ersitäten, die verschiedenen Schul- und städtischen
Bibliotheken, Leihbibliotheken und Lesegesellschafts-Bibliotheken.
III. In den rein deulschen Bundesstaaten, und zwar: 1) in Baiern: a) die königl. Cen-
tralbibliolhtk zu München, mit der dasigen königl. Akademie der Wissenschaften verbun-
den, 400,000 Bände und eine grosse Anzahl seltener Manuscripte enthaltend, worunter
sich 3oo orientalische, 25o hebräische, 58o griechische und beyläufig 8000 lateinische, fran-
zösische, italienische und deutsche befinden; b) die Bibliotheken zu Landshut (mehr als
"100,000 B),, zu Erlangen (100,000 B. , seit der Vereinigung der aufgelösten Altdorfer Uni-
versität) und zu Würzburg (3o,ooo Bände). — 2) In Sachsen : a) die königl. Bibliothek zu
Dresden mit 25o,ooo Bänden, 4000 Handschriften und 100,000 Dissertationen: b) die
Bibliotheken zu Leipzig und bey den Gymnasien und Fürstenschulen. — 3) In Hano^er
die Uiiit>er>:iläls-Bibliolhek zu Göttingen durch den Schatz an neuen Werken, vorzüglich
englischen, durch Auswahl und gemeinnützige Brauchbarkeit, die erste in Deutschland,
mit last 3oo,ooo Bänden, 5ooo Handschriften und 110,000 Dissertationen, womit zugleich
eine der vollständigsten Sammlungen \on Landkarten und Kupferstichen verbunden ist. —
4) In Würtemberg : a) die königl. Hqfbibliothek zu Stuttgart mit 200,000 Bänden, darunter
eine aus 12,000 Bänden bestehende Bibelsammlung; b) die Bibliotheken zu Tübingen und
bey (Jen Gymnasien. — 5) In Baden: a) die grossherzogl. Hofbibliolhek zu Carlsruhe mit
70,000 Bänden: b) die Bibliotheken zu Heidelberg (5o,ooo B.) , Freyburg r2o,ooo B.) , bey
den Lycäen u. s. w. — 6) In Churhessen : a) die churjüntliche Hofbibliolhek zu Cassel
mit 90,000 Bänden; b) die Bibliotheken zu ÄFarburg (55, 000 B.) , bey den Lycäen und Pä-
dagogien. — Im Grossherzogthume Hessen : a) iWe giossherzogl. Hqfbibliothek zu DäTmsla.dl .,
mit 90,000 Bänden; b) die Bibliotheken zu Mainz (go,ooo B.) und Giessen (2o,ooo B.). —
8) In Sachsen-Weimar: a) die Bibliothek zu Weimar, mit 110,000 Bänden und die grcs;,-
herzogl. Mililärbibliothek ebend. ; b) die Bibliothek zu Jena, mit 3o,ooo Bänden. — g) In
Saclisen-Gotha : die Landesbibliothek und die jetzt damit vereinigte herzogl. Privatbiblio-
tlick , zusammen von 80,000 Bänden. — 10) In Sachsen-Coburg-Saalfeld : die herzogl. Bi-
bliothek zu Coburg von 25, 000 Bänden. — 11) In Bfaunschweig : a) die Landesbibliothek
zu Wolfenbültel mit mehr als 200,000 Bänden, 4000 Handschriften und 100,000 Disserta-
tionen; b) ansehnliche Privatbibliotheken. — i2) In Meklenburg-Schwerin : die Universi-
täls-Bibliothek zu Rostock mit 3o,ooo Bänden. — i3) Endlich die Sladtbibliotliekca zu
Frankfurt a. M. (160,000 B.) und Hamburg (80,000 B.) , nebst der Coinmerzbibliothek zu
Hamburg von 20,000 Bänden. Im Ganzen zählen 44 der grösseren Bibliotheken Deutsch-
lands 3-5i2,ooo Bände, ohne Handschriften, Dissertationen u. dgl.
IV. In der Schweiz: die Bibliotheken zu Zürich, Bern, Lucern, Basel, Sololhurn ,
Schaflhausen , St. Gallen , Aarau , Genf u. s. w. , worunter die zu Genf, von 401O00 Bän-
den, die zahlreichste ist; die grössere zu Basel, wo deren zwey sind, enthält 27,000 Bände.
V. In Italien, ausser den bey Österreich (s. oben I.) erwähnten Bibliotheken, 1) die kö-
nigliche und die UniversitUtsbildiothek zu Turin (lelztere von 60,000 B.), nebst den 4 üffent-
i
II. lrfistesci\Ihii . §. 40. HüU'snilUil für Kliustc clc. 36l
liclicn BibliolhckL'n zu Genua. — 2) J)\c Bibliothek zu Parma, mit 4>ivöoo B. und <llo zu
Piacenza, mit 3o,ooo B. — 3) Dio Bibliothek zu JVIcxk'iia, mit öo,ooo und die zu Reggio ,
mit 00,000 B. — 4) Die Biljllolhok zu Lucca. — 5) Die <]rey üirenllM hcii Bil)liothtkcn zu
rioreiiz, mit 200,000 B. , dii- zu Pisa, mit 60,000 15, , die zu Siena und a. a. Ü. — ü) Die
falicanische BihliolUck zu Pioui , mit iGo,ooo B. und di(! Univcrsiläls-Bibliolhek zu Bo-
logna, mit i5o,ooo B. — tj) Endiieh die Bibliothek des koniglielien Miueuins Bourbon zu
Neapel, mit 80,000 B. , und die J5il)liollii'ken bey diu Uni\ersitäten zu Neapel, Salerno ,
Palermo und Catania.
VI. In Frankreich: 1) die königl. Bibliothek zu Pai is (nn<h der H. A. L. Z. 181g. Nr. 99.
S. 799.), mit 800,000 Bänden, worunter Öo, 000 Hand.schriftcn (nach dem polit. Jour. 1810.
Jul. S. 695 ff.), mit 35o,ooo B. gedruckter Bücher und ungefähr derselben Anzahl von zu-
sammen gebundenen Dissertationen, Tractaten, einzelnen Abhandlungen u. dgl. , ausser
5o,ooo Manuscriplen ; 2) die Bibliothek des Grafen <■•. Aviois , von i5o,ooo B. und 5ooo
Handschriften ebendaselbst; 3) die l'ibliolhek \oii Si. Geiiofcca ebend. , von 1 lo.ooo B. und
2000 Handschrillen; 4) die Bibliothek Alazarine ebend., von 92,000 B. und 1000 Hand-
schriften; 5) die Bibliothek zu Lyon, mit 106,000 B. ; 6) die zu Bordeaux, mit loö.oooB.
Die Anzahl der öffentlichen Bibliotheken in den 86 Departements belauft sich auf 274, wo-
von 4o allein zu Paris. Die Anzahl der Bände in denjenigen öffentlichen Bibliotheken, die
man kennt, beträgt 3,345;287 Bücher, \vo\on allein i,i2.5,347 ^^ Paris. S. H. A. L. Z.
1819. N. 99. S. 799.
VII. In Spanien , 1) die königl. Bibliotheken zu Madrid und im Escorial , jene mit
i3o,ooo B. und 2000 Handschriften, diese mit 6000 arabischen und orientalischen j\Ia-
nuscripten; 2) die Bibliotheken hcy den Uni\ ersitäien ; 3) diejenigen der Herzoge von Alba
und Mediua Sidoniazu Madrid; 4) endlich diejenige des Klosters Mafra, von 5o, 000 Bänden.
VIII. In Portugal: 1) die königl. Bibliothek zu Lissabon, mit 80,000 Bänden; 2) die
Universitätsbibliothek zu Coimbra, mit 60,000 Bänden.
IX. Im briliischen Reiche: 1) die königl. und Collonische Bibliothek im briffischen Mu-
seum zu Ijondon , mit 200,000 Bänden und 00,000 Manuscripten , 2) die der drey königl.
Societäten der Wissenschaften; 3) die der Universität zu Oxford oder die Bodleyschc ., mit
i3o,ooo B. , die der Universität zu Cambridge , mit 100.000 B. und die der übrigen Univer-
sitäten: 4) die Jchocalen-Bibliothek im Parlamentshause zu Edinburgh (die stärkste in der
deutschen Literatur), mit 120,000 B.; die Bibliothek der medicinischen Gesellschaft zu Lon-
don , mit 00 — 40,000 B. ; 6) endlich mehrere Stadtbibliotheken , auch ansehnliche Pri-
vatbibliotheken, worunter die der Lords Landsdon' und Spencer, und die des Herrn Bank.i
sich auszeichnen.
X. In den Niederlanden: die Bibliothek zu Gent, mit 110,000, die zu Brüssel, mit
80,000 und die zu Leyden mit 4o,ooo Bänden und 10,000 Manuscripten.
XI. In dem dänischen Staate: 1) die königl. BibliolheÄ- zu Kopenhagen, mit 260,000,
nach andern, mit 5oo,ooo Bänden; 2) die Universitätsbibliothek ebend. , mit 40,000, nach
andern, mit 80,000 B. ; 3) die Classen.iclie Bibliothek ebend. , mit 25, 000 B. ; 4) die Uni-
versitätsbibliothek zu Kiel , mit 3(>,ooo Bänden.
XII. In Schweden: i) diu königl. Bibliothek zu Stockholm, mit 40,000 B. : 2) die Bi-
bliothek zu Lund mit 40,000, die zu Upsala , mit 35,ooo B. ; die Bibliothek d<r Akademie
der Wissenschaften zu Stockholm.
XIII. In Russland und Polen: 1) die kaiserliche Bibliothek in dei" Hermitage zu St. Pe-
tersburg, nach Hassel, mit 80,000 , nach Galleiti , mit 3oo,ooo B. ; 2) die allgemeine kaiserl.
(ehemahls Zaiuskische) Bibliothek ebend. , mit der Diibrouski.tchen Manuscriptensammlung :
3) die Bibliothek der Akademie der Wissenschaften ebend.,, mit 100,000 B. , worunteroooo
4Ö
■362 II. C'istesciillur. §. 41. AufsiclilsaiistalUii uLer öficuüiclie Scliriltc;n.
chinesische; 4) die Bibliotheken der Univfisitäten , vorzügüdi zu Moskau; 5) die Biblio-
thek des Alexander Newski-Klosters ; 6) eiidiich mehrere ansehnliche Privaibibliotheken ,
worunter die derFiirsten Jussupow , Rasumoii-skj und Czarlorjski, und die der Gral'en Stro-
ganow und Tscheremel ew sich auszeichnen.
b) Die vollständigsten: zu Wien, Berlin, Dresden, Miiiirhen , Paris, Madrid, Lissabon,
London, Edinburgh, Kopenhagen und St. Petersburg; ingleichon zu Pavia , Pesth , Prag,
Göltingen, Würzburg, Stullgart, Carlsruhe, Leyden u. s. vv.
c) Die vorzüglichsten: zu Wien, München, Paris und London, inglciclien zu Utrecht, Cas-
sel , Carlsrulie u. a. a. O.
d) Die reichhaltigsten: zu Wien und Gotha; nächst diesen zu München, Berlin, Dresden,
Göttingen und Carlsruhe , ingleiclien zu Pesth, Paris, Rom, Palermo, Lissabon, in den
Niederlanden and zu St. Petersburg.
e) Die merkwürdigsten: zu Charlotlenburg , München, Dresden, Gotha, Pesth, Florenz,
Neapel, Paris, Madrid und Lissabon.
/) Vorzüglich sind hierin: Stockholm, Utrecht, Carlsruhe, München, Göttingen und Paris,
das eine der \ ollständigsten Maschinen- und Modellensaniiiilungen (\ on 2o,ooo Modellen
und Maschinen aller Art) besitzt.
g) Das erste und bis jetzt vielleicht das einzige Fabriksproducten-Cabinet in Europa, befindet
sich bey dem polytechnischen Institute zu Wien (s. oben §. 27.).
h) Die berühmtesten und prächtigsten: zu Rom und Florenz; die schatzbarsten nächst diesen
zu Wien, Dresden, Sans-Souci , Berlin, Potsdam, München (mit welcher Bildergallerie die
^on Mannheim und Düsseldorf vereiniget sind), Schleissheini , Prag und Cassel , ingleichen
zu Paris, Lyon, Bordeaux, Madrid, S. Ildefonso, Buen Retiro , London, in den Nieder-
landen , zu Kopenhagen , St. Petersburg und Zarskoe Zelo.
i) Von den berühmtesten Meistern zu Rom und Florenz ; vorzügliche auch zu S. Ildefonso ,
Paris u. s. w. Das Museum zu Paris hat seit i8i5 aufgehört , der einzige Vereinigungspunct
der edelsten Gemähide, Statuen und anderer Runkstwerke zu seyn , da die meisten Kunst-
werke, welche in Deutschland ^ Itailen , Spanien und den Niededandcn ein Raub der Revo-
lutionskriege geworden , und nach Frankreich geführt worden ^varcn , durch die siegrei-
chen Waffen der Alliirten wieder ihren rechtmässigen Eigenthümern verschafft worden
sind. Indessen ist es bekannt, dass nur das Merkwürdigste in die Lou^ regailerie kam, und
dass der in Deutschland schlimm bekannt gewordene Künstenenlführer Denan zu London
ein Gemählde- Bureau angelegt hatte, was ihm grosses Geld eintrug, und welches die ver-
gebliche Nachfrage nach manchem entführten Gemähide in Paris erklärbar machen dürfti>.
kj Zu den reichsten und \orzüglichstcn gehören: die zu Dresden, München, Wien u. s. w. :
an dein letzleren Orte besonders die von Weiland Si^ königl. Hoheit, dem Herzoge Albert
von Sachsen-Teschen hinterlassene Kunstsammlung. Sie enthält über 3oo, 000 Kupferstiche ,
von den rohen Anfängen der Kunst bis zu den classischsten Werken , so wie an 82,000 Por-
träts, und über 40,000 Handzeichnungen.
l) Wie z. B. das brillische Museum zu London , das königl. Museum zu Paris , das Muaeuni
Bourbon zu Neapel , oder die Nalionalniuseen zu Grälz (das Joanneum), Peslh, Prag, Brunn
(Franzensmuseum), Troppau, Triest und Herrmannstadt, diese interessanten literarischen
und industriösen Sammeipuncte, auf denen der Blick aller Freunde des Gemeinnützigen und
Schönen freudig verweilen kann.
§• 41-
Aufsichtsanstalten über öffentliche Schriften.
Da, ]i3i:h des französi.schcn Depulirten v. Bonald richtiger Ansicht, die edlen
Erzeugnisse des menschlichen Geistes, wegen ilu-cs unverkennbaren Einflusses auf
11. Gciitfscullur. §.41. Aufsiclitsansliiltini ülici rtü'eutliche Schriften. 563
das Volk, eine öÜ'enlliclie, eine polilisclic Macht sind, wie die der Waffen, wie die der
Gesetze, IriegOiischer sogar als die Maclu der Waffen, furchtLarcr als die Macht der Ge-
setze : so müssen sie nolhwendig der höchsten Macht im Staate untergeordnet seyn, und
diese isi verpflichtet, den rechtmässigen Gebrauch derselben zu begünstigen und zu
beschützen , den Missbraucli aber zu verliindern oder zu strafen ; sie hat das Recht ,
den Schriftstellern, deren Berufes ist, die Menschen zum Denken, zum Wollen, zum
Handeln anzufiihren, von ihrer Seite einige Bedingungen vorzuschreiben, zu verlan-
gen, dass sie ihr, wenn nicht dienen, docli wenigstens nicht schaden, dass sie die ih-
rer Obhut anverlraulcn grossen Güter der Gesellschaft, die Religion, die Sittlichkeit,
die obrigkeitliche Würde , die bestehende Staatsverfassung imdStaatsvcrwaltimg, den
guten Nahmen der Staatsbürger und die freundschaftlichen Verhältnisse mit auswärti-
gen Staaten mit Achtung behandeln. Die Freyheit zu schreiben , kann demnach nicht
unbeschränkt, sondern sie muss vielmehr durch Gesetze geregelt seyn, so wie sie es
in den verschiedenen europäischen Staaten auch wirklich ist, nur nüt dem Unter-
schiede, dass in den meisten Staaten unsersErdtheils diese Gesetze vorbeugend ^ dorn
Mlsshvaiiche steuernd j in den übrigen aber strafend ^ d. i. auf gericluliclie Verfol-
gung und Bestrafung der im Wege des Druckes bereits verwirUichten Missbräuche
und Vergehungeji abzweckend sind, oder dass in jenen eine Censur besteht aj , wel-
che zu beurtheilen hat, ob Manuscripte zu öffentlichem Drucke geeignet seyen oder
nicht, und ob der öffentliche Verkauf von auswärts gedruckten und eingeführten Schrif-
ten zu gestatten sey oder nicht, in diesen die Presse zwar frey ist, aber P^erf asser ,
Drucker und Verleger der Druckschrift verantwortlich sind hj. Indessen ist die
Presse in einigen der letztgedachten Staaten nicht völlig unbeschränkt und frey. So
dürfen z. B. im örittischen Reiche, ohne Erlaubniss der Krone, Bibeln, liturgische
Schriften der anglikanischen Kirche , Statuten , Gesetze und Rechtsbücher nicht ge-
druckt werden, und 1798 veranlassten die Umtriebe geheimer Vereine die Verord-
nung, dass die Drucker und Herausgeber von Zeitungen und von Zeitschriften über
Stiiatssachen sich bey den Stämpclstcuerämtern nennen sollen. Im folgenden Jahre wtir-
den alle Drucker verpflichtet, ihre Nahmen, Wohnorte und Pressen den Friedens-
richtern anzuzeigen, und sich auf dem ersten und letzten Blatt ihrer Druckschrificn
zu nennen, bey Strafe von 20 Pf- St. Eben so besieht in Baiern j dessen neue Verfas-
sungsurkunde im IV. Titel aussagt, „dass die Freyheit der Presse nach dem beson-
ders hierüber erlassenen Edicte gesichert sey," eine Censur für alle politische Zei-
tungen und periodische Schriften politischen oder statistischen Inhalts.
a) fia-hmenilich in Öslerreich , Preussen , Dänemark , Russland ^ den s'äinmüichen italienischen
Staaten, und di'n s&TnTaxWchtn deutschen Bandesslaalen, obgleich in einigen der letzteren ,
wie z. B. in Baiern , l-Veimar u. s. \v. , die Freyheit der Presse durch Grundgesetze ausge-
sprochen ist. Denn durch das in der deutschen Bundesversammlung >om 2o. Sept. 181g auf
5 Jahre einslinimig verabredete Pressgesetz ist für sämmiliche Bundesstaaten unter andern
festgesetzt worden, dass, so lange als dieser Beschluss in Kraft bleiben wird, Schriften,
die in Form täglicher Blätter, oder Heftweise ersclieinen , dessgleichen solche, die nicht
über 20 Bogen im Druck sind , in keinem deutschen Bundesstaate ohne Yorwissen und vor-
gängige Genehmhallung der Landesbehörden zum Druck befördert ^verden dürfen. Sclirif-
ten, die nicht in eine der hier uahnihaft gemachten Classen gehören, werden fernerhin nach
364 JI- tleislescultur. j. 42' Zustaud der Wiaicuschaflcu imd Kuu^te iu £ui j|i<i. ♦>
den in den einzelnen Bundesstaaten erlassenen oder zu erlassenden Gesetzen behandelt.
Wenn dergleichen Schriften aber irgend einem Bundesstaate Anlass zur Klage geben: so soll
diese Klage im Nahmen der Regierung ^ all welche sie gerichtet ist, nach den in den ein-
zelnen Bundesstaaten bestehenden Formen gegen die Verfasser oder Verleger der dadurch
betroffenen Schrill erledigt werden. Alle in Deutschland erscheinende Druckschriften , sie
mögen unter den ]!estimmungen dieses Beschlusses begrifl'en seyn oder nicht, müssen mit
dem Nahmen des Verlegers, in so ferne sie zur Classe der Zeilunyou oder Zeitschriften ge-
hören , auch mit dem Nahmen des Redacteurs versehen seyn.
6) Nahmentlich in Grossbritannien, Frankreich, in den NiederlamiLii , Scliv 'ilen , Norwe-
gen , Spanien und Portugal.
Zustand der Wissenschaften und Künste.
§• 42-
A. In Europa überhaupt.
Durch einen gemässigten Himmelsstrich, welcher die Enlwickelung jeder Art
menschlicher Anlagen befördert; durch massige Friichlbaikeit des Bodens, vveklie
zum erfindsamen Nachdenken auffordert; diuch seine grosse Seefahrt und seinen
Welthandel, durch seine wichtigen Erfindungen, vornehmlich durch die Erfindung
der Buchdruckerkunst, die den europjiischen Dcnkgeisl am schnellsten und kräftig-
sten beflügelt ; durch seine zahlreichen und guten Bildungsanstallen und Iliilfsniittel
ftir Künste, so wie für wissenschaftliche und technische Kenntnisse; endlich durch
dit segensreichen Einflüsse der allgemein verbreiteten Religion des Chris lenlhmns —
begünstigt, ist Europa der Hauptsitz der Wissenschaften und Künste auf der Er-
de, und geht als sorgsame Pflegerinn bcyder, allen übri/ea Erdtheilcn voran, ob-
elcich wir die Keime der Cultur jeder Art menschlicher Aiiiai'en im Orient aufsuchen
müssen. Es gibt, niit Ausnahme der Osmanen, kein selbslsiandiges Volk in Europa,
welches nicht mit mehiercm oder minderem Eifer imd Glücke dem Genius der Wis-
senschaften und Künste huldigte, wenn gleich die Völker von germanischer imd rö-
mischer Abkunft es sind, unter denen er sich vorzugsweise niedergelassen hat, und
sich von da zu den andern Volksslämmen einladen lässt.
§• 43.
B. I II den einzelnen Ländern und Staaten insbesondere.
1) Als eine Folge der mehreren Residenzen in Deutschland ^ und der Aielen
überall zerstreuten Schulen und Universitäten, sind auch gelehrte Kenntnisse und Wis-
senschaften verhältnissmässig mehr, als in irgend einem andern Lande verbreitet, so
wie anderer Seits die der deutschen Wissenschaft eigene Gründlichkeit und Vielseitig-
keit ihren Grund darin haben, dass keine der Nationen Eiiropa's ausdauernden Fleiss
und genialische Geisteskraft bey dem An])au der Wissenschaften in dem Maasse ver-
bindet, wie die deutsclie.
In der P/älosophie haben die Deutschen aus den metaphysischen Speculalionen
eine eigenihümliche tmd liefe Wissenschaft, TriiTiscendeiital-Philosophie genannt,
iJ. licisii'si ullur §. 43- Zustanil der VVjsseuäLli. u. Kiinste in Jon «iiizduen Ländir». 555
Lcrsoi'güailjeiici, welche ganz neuen Systemen der Logik, der Sittenlehre, der na-
türlichen Rechtswissenschaft, der oljerslen Griuidsälze der Natiirlehre, zur Grund-
lage dient, liu Gebiete der Erziehung und des Utitenidits glänzen sie nicht minder
als Entdecker. In keinem Lande Jiat man iilier diese so heilige Angelegenheit des
Menschen so viel gedacht, gcschriol)en, versucht, und die Grundsätze der verbesser-
ten Lehr- und Erziehungsmethode iheils in Philantropien und Pensionsanslaltcn, iheils
;>uch in öffentlichen Schiden, mit so gl iicklicliem Erfolge angewendet, wie in Deutsch-
land. In Aev MaÜieiniLtik hat die dcuische Nation von jeiier Männer geliefert, und
liefen sie noch, welche den ersten Genies in dieser ^Visscnschaft gegenüber zu ste-
hen nicht erröthen dürfen. Sie hat lichiige luid tiefdenkende Physiker j und gründ-
liche imd fleissige Arbeiter in der Naturgeschichte ; besonders hat die Kunde der
unorgnnisirten JSatur in neuern Zeiten die rühmlichsten Fortschritte in Deutsch-
land gemacht, und die Geognosie ist eine herrliche Frucht deutschen Studiums. Die
Cltemie hat ihre äch^e Gestalt, nächst den Franzosen, den Deutschen zu danken. Sie
halben in allen Thcilen der Arzeneykunde mit einem feinen Beubachtungsgeisle ge-
arbeitet und mannigfache Auflilärungen verbreitet. Der Iheologie widmen sie sich mit
solchem Fleiss, Scharfsinn und Glück, dass sie andern Nationen wenig zu thun übrig
lassen , und diese von ihnen nur lernen können. Keine Nation stellt eine solche Men-
ge trei^ichcv jinistischer Schriften jeder Gattung, keine aber am allerwenigsten ciu
österreichisches Gesetzbuch über f^erhrechen und schwere Polizej-Uebertretuti-
gen auf, welches gewisser Maassen als Norm aller künlilgen Strafgesetze angesehen
werden kann rtj. Li wissenschaftlichen Ujuorsuchungcn über Landbau j Technolo-
gie _, staatswirtlischaftliclte Oekonomie und I/andlungswissenschaft haben die
Deittschen den Brillen und Franzosen, von denen sie hier allerdings zuerst lernten,
glücklich nachgeeifert. Sie zählen seit einiger Zeit auch classische Geschichtschrei-
ber in ihrer Mitte , welche in Darstellungsgabe und ächter historischer Kunst mit den
berühmten der andern Nationen wetteifern. Aber ein Werk, das die Geschichte des
politischen Lebens der europäischen Staaten mit so liefforschendem philosophischen
Geiste, welcher in dem Spittlerscheii Entwürfe der Staatengeschichte so herrlich
glänzt, entwickelte, haben weder Brillen, noch Franzosen, noch Italiener aufzuwei-
sen; auch hat keine Nation sich so verdient um Geographie und Statistik gemacht,
als die deutsche. Sie besitzt sehr geschickte Forscher in den todten Sprachen , lernt
leicht und gut die lebenden Sprachen y und behauptet imter allen gebildeten Nationen
vorzüglich den Ruhm , für Erhaltung und Erweitermig der Biicherkunde und Litera-
tur nicht nur mit Sammlerflciss und Genauigkeit, sondern au.ch mit Einsicht und Zweck-
mässigkeit zu ai heilen, und zwar in dem ganzen Umfange sowohl, als in einzelnen
ThcUcn , während die Brillen imd Franzosen die fremde Literatur nur wie eine imbe-
deulende Nebensache ansehen, mid kaum wissen, was in der gelehrten Republik vor-
gefallen ist. Die Muttersprache hingegen hat man erst in den letzten Zeilen des vori-
gen Jahrhunderts zu bearbeiten angefangen. Erst seitdem trat auch die deutsche schö-
ne Schriftstellerey in die Blülhe ihres glänzendsten Zeilraums ein, der in den letzten
dreyssig Jahren des 18. Jahrhunderts erfolgte, und so reich an vortrefflichen dichte-
rischen und prosaischen Werken war, dass keine Nation in einer so kurzen Zeil so
366 n. Geistescultur. $. 43. Zustand der Wissenscli. u. Künste in den einzelnen Ländern.
viel in der scliönen Schriftstellerkunst geleistet liat, als die deutsclie. Iin Ganzen aLer
hat der Deutsche in der Dichtkunst , wie in der Prosa, das Schwere, das Ernstere
trclcistct; das Leichtere , das Spielende, zwar nicht ganz vernachlässigt, aber doch
kärglicher behandelt. In der Tonkunst hat deutsches Genie sich rühmlich, bis zum
Welleifer mit den grossen Tonmeistern Italiens, verherrlicht, und die Schauspielkunst
hat sich unter den Deutschen so ausgebildet, dass sie sich mit jeder andern europäischen
Nation messen können. Nur ist es zu beklagen, dass Schillers genialische Werke den
deutschen Biihnen die grossen Spectakelsliicke aufdrangen, wodmch im Ganzen die
Kunst und der Genuss der Kunstfretmde verloren hat. Die bildenden Künste ^ Mah-
ler-, Bildhauer-, Kupferstecher- und Baukunst^ haben trefTliche Meister unter den
Deutschen gehabt, haben sie zum Theil noch, und die Lithographie (Steindruckerey),
ein wichtiges Surrogat der Kupfcrstecherkiuist, erfunden von einem Böhmen (^Alojs
Sennefelder') hi Älimchen, wird an mehreren Orten Deutschlands um so mehr mit
El folge cidlivirt, da man die praclische Anwendbarkeit derselben fiir Gegenstände des
gewöhnlichen Lebens, vorzüglich zur Erleichterung der Geschäfte in Kanzelleyen,
vollkommen anerkannt hat, — Im J. i8l2 stieg die Anzahl der bloss öffentlich genann-
ten Schriftsteller in Deutschland auf i2,5oo bj. Wie gross sein literarischer Verkehr
sey, davon zeugt der Markt von Leipzig, auf welchem 1800: Jgßg, 1801: 4o45, 1802:
4707, l8o3: 4280, 1810: 3708 und 1820: 4698 literarische Producte neu ausgegeben
wurden. Die Zahl der Lesegesellschaflcn in Deutschland, gibt man auf 10,000 an,
welche meistens pülitischc Pamphlets und Zeitschriften, von denen seit 1817 5o neue
erschienen, lesen cj.
2) Die Schweiz hat jederzeit vortreffliche Dichter und berühmte Gelehrte fast
in alleil Fächern des menschlichen Wissens (vorzüglich in der Philosophie _, Mathe-
matik j Naturgeschichte j Arzenejkunde _, Theologie und Historie) , doch mit Aus-
nahme der Jurisprudenz, hervorgebracht. Auch haben Scliweizer-Gelehrte die deut-
sche Sprache im vorigen Jahrhundert mit ausldlden helfen. Nicht minder rühmt sicJi
Helveiicn der merkwürdigsten neuern Erschcimmgen im Gebieihe des Erziehungs-
wesens imd der Landwirtlischaft „ ohne jedoch den Ridmi zu haben, die Wiege der
Grundsätze der verbesserten Erziehungsmethode und der höhern Ökonomie zu seyn.
Aber nicht bloss zu den Wissenschaften haben die Schweizer grosse Anlagen, sondern
auch viel Kunstsinn herrscht unter ilinen. Als Medailleuis und Steinschneider, als Ku-
pferstecher und Mahler, besonders als Laudschaftsinahler, wie auch als Tonkünstler,
zeichnen sich viele ndmivoll aus.
3) In Holland blühen die Wissenschaften weit stärker als in Belgien , doch nicht
mehr so herrlich, als im 17. Jahrlumdertj indessen stehen sie immer noch in ei-
nem gewissen Flor, und haben viele V^erehrer und Anbauer, besonders die Philolo-
gie.In der Mathematik^ Physik _, Naturgeschichte^ Geographie und practischen
Philosophie thun sich die Holländer sehr hervor. Um das römische Recht und das
Staatsrecht haben sie sich mehr verdient gemacht, als um das vaterländische; aber
die vaterländische Geschichte haben sie mit vielseitiger Sorgfalt bearbeitet. In der
Medicinj besonders der j4natomie ^ haben sie Meister der ersten Grösse hervorge-
bracht. lUier ihre meisten Theologen sind steife llypcrorihodoxen, von liefer exege-
II. Ge'slcsculliir. §. 43. Zustand der WissL-iisc]]. u. Künste ia den einzelnen Ländern. 367
tischer Gelclirsamkcit , ohne unl)efnngeiien Forschgeist. In der Dichtkunst tmd Kan-
zelberedsamkelt haben sie irefFIiche Muster aufzuweisen. Von den bildenden Künsten
ist die MaJilerej in den Niederlanden immer am ghickhchslen cidiivilt worden, und
Holland wie Belgien besitzt seine eigene Schule (die HoUändisclie und Flandrische).
Duell hat Holland auch ircffüclie Kupferstecher j, Stnmpclsclineider _, Fonnstecher ,
LtaidkartenzeicJiner und Baumeister ^ besonders TVdsscrbaumeister.
4) In Dünemark stehen die Wissenscliafien in mehr als niiitelniiissigem Flor. In
der Pnesie j Philologie _, GcscJiichte j Jltertliumskunde ^ Mathematik j, ISaturge-
schichte , Oekonomie , Arzeneykunde und Theologie zeichnen sich die Dänen rühm-
lich aus. Selbst das arme Island wies bisher achtungswiirdige Gelehrte und Schriflstcl- '
1er auf, und hat sie noch, besonders Dichter und Geschichtschreiber. Das Studium'
der alten Sprachen ist daselbt allgemein verbreitet, welches hauptsächlich durch die
Fürsorge der Geistlichen l)e\virket wird. Aber auch an Anlage zu deia bildend(!n Kün-
sten fehlt es den Dänen nicht, noch auch an trefflichen Künstlern selbst. Der Däne
Thorwiddsen ist einer der grössten Bildhauer der neuern Zeit. — Im J. 1O17 wurden
in Dänemark wöchenllich g2,qoo St. und jährlich 4,85o,8oo St. Zeitungen gedruckt r/J.
Eine sehr bedeutende IMenge für ein so kleines Reich.
5) In Scinveden sind die Wissenschaften hauptsächlich im 18. Jahrhundert mit
grossem Eifer und glücklichem Erfolge bearbeitet worden, vorzüglich Naturgescluch-
te j, Phjsik j Chemie j Oekonomie _, Technologie ^ politische j^rithmetik ^ Geschich-
te _, PJiilologie und jJlfertliumsknnde. Botanik wird noch gegenwärtig von den schwe-
dischen Naturforschern , diesen enthusiastischen Anliäugcrn ihres Vaters Linnc j vor-
züglich geliebt und cidtivirtj weniger wird von ihnen Zoologie bearbeitet, aber auch
noch jetzt mit grösserem Eifer Entomologie als irgend ein anderer Zweig der Zoolo-
gie ; unverhältnissmässig wenig dagegen Mineralogie j obgleich der ausgebreitete Berg-
bau dieses Landes, und die ausgezeichneten INIineralogen , die es in fridieren Zeiten
besass, ztim eifrigsten Studium dieser Wissenschaft auffordern sollten. — O])gloich
Schwedens Klima der Entuickelung des Künstlersgenies nicht giinstig ist : so hat es
doch , nach /<?wwc/i j einen der berühmtesten neuern Bildhauer (^inhmcns Sörgef)
in seinem Schoosse hervorgebracht. Dichter und Prosaisten hat es mehrere aufzuzei-
gen, welche den Geschmack der Nation beurkundet haben, und ihr als classisch gel-
ten können.
6) Die Britten beschränken ihr Studium auf wenigere Gegenstände, und sind der
Polyhistorie u:id dem Encyclopädismus nicht hold , wie der Deutsche sich durch Lieb-
haberey für bevdc auszeichnet. Daher thut sich die biittische Literatur weniger durch
Umfang, als durcli eine gewisse Originalität hervor. In der Philosphie sind Psycholo-
gie, Anthropologie, praclische Sillenlchre luid ästhetische Kritik die Gegenstände
ihrer gelungensten Bearbeitung. In der Mathematik und Physik hat Grossbrilannieiir
einige der grössten Genies hervorgebracht, die diu-ch Entdeckungen, Beobachtungen
und Combinationen sehr vieles zur Umstaltung dieser Wissenschaften beygetragen ha-
ben. In der Cliemie eifern die Britten den Franzosen und Deutschen mit gliickHchcni
Erfolge nach • allein in der Naturgeschichte sind ihre Fortschritte nicht bedeutend.
Dagegen gebiihrl ihnen in der Arzenejkande und Chirurgie ein ausgezcichetcr Rang,
368 II. Gcistescullur. §. 43. Zustnnd der Wissonsch. ii. Kiiuste iu deu L-intclnen Läiidcru.
Die Geschichte haLen sie mit Kritik, psychologischem Sclxarfblicke und äclit philoso-
phischem Pragmatismus heaibeitet, und keine Nation hat so viele und so treffliche
Werke über die Geschichte des Vaterlandes aufzuweisen. Zur Erweiterung der
Länder- und Fölkerkunde haben sie thätiger, als irgend eine andere Nation heygetra-
gen j aber Geographie und Statistik, als vollständige Wissenschaften, haben sie nie
betrieben. Dagegen ist ihre Literatur reich an gehaltvollen Schriften iiher Staats-
wij-thscha/t j Handelswissens}iaft_, Oekonomie und Technologie, worauf die Brit-
tcn zuerst ihre Einsichten und Erfahrungen aus der Mathematik, Physik und Chemie
mit glücklichem Erfolge angewendet, und haltbare Theorien darüber aufgestellt ha-
ben. Um so karger ist die britlische Jurisprudenz mit Gaben fiir die Wissenschaft,
besonders in naturrechtlichen Untersuchungen , weniger in der vaterländischen Rcclits-
wissenschaft. In dem Gebiete der Theologie ist die Schriftstellerey sehr freymüthig;
es gibt unter den brittischen Gottesgelehrten vortreffliche Exegeten und gründliche
Verlheidiger der christlichen Religion. Das Studium der classischen Literatur ist in
die ganze höhere Cultur mid das practische Lelicn der Britten verwebt; Lords, Ofli-
eiere, Advocaten , Ärzte, Kaufleute lesen den Euripidcs und Thucydides in der Ur-
sprache, und im Parlanu-nt hört man nicht s.elten eine Stelle aus einem lateinischen
Dichter oder Geschichtschreiber citiren. Ihre Sprache haben sie mit grossem Eifer ,
und Glück liearbeitet. Ihre Dichter behaupten einen vorzüglichen Rang. Das Trauer-
spiel, das Epos, das Lehrgedicht und die Satyre sind die Gedichtarten, worin sie
glänzen. In der schönen Prosa haben ihre Schriftsteller einen hohen Grad der VoU-
konunenheit erreicht, und ihre Redner im Parlamente sowohl, als auf der Kanzel
und dem Richtersluhle stehen in der gesammten neuen Literatur fast ohne Nebenbuh-
ler da. In der Kunst haben sich die Britten dayeücn bisher immer noch mehr als
grossmülhige Belohner luid Ermunlerer auswärtiger Genies, denn als eigene Meister
gezeigt; bloss in der Schauspielkunst und der ÄupJ'erstecherkunst _, besonders der
Scltwarzkunst und dem Landkartensticlie j ihun sie sich rühmlich hervor , und in
der Caricatuneiclvuaig sind sie einzig, imd in der schönen Gartenkunst uns Mu-
ster geworden. Aber weder Britanniens Bildhauer , noch Maid er , noch ArcIvLekten
haben sich einen vorzüglichen Original - Charakter erstrebt, noch auch überhaupt
viele Kunstwerke aufgestellt, welche denen der grossen Meister ihrer Gattung gleich
kamen. Jiie Musik ist zwar eine Lieblingsbeschäfiigung aller Brilten ; aber eigentliche
Virtuosen nnd Tonsetzer von Bedeutung hatten sie nie, wenn gleich ihre Universitä-
ten auch Doctorcn der Musik creiren. — Jährlich crscheiiien im brittischen Reiche
-»oo— 800 neue Werke, dann 5oo— i5oo neue Auflagen, und ausserdem looo — l5oo
kleine Bücher für Schulen und Volksbelehrung. — In keinem Lande Eiuopa's werden
so viele Zeitungen gedruckt und gelesen, als in Grossbritannien. Im J. 1821 crschie-
•-*nen im ganzen Reiche 280 Zeitungen (davon allein zu London 57, im übrigen Eng-
]and i3u), die über 6 Mill. Gulden eintrugen und 1800 iMenschen ernährten; von den
bedeutendsten werden 5ooo— 6000 Exemplare aufgelegt, und in den sechs ersten
Monaten von i8i4 wurden 12,567,798 Blätter gestämpelt, welches der Krone i83,28o
Pf. St. = i,832,8oo fl. eintrug. Ausser den Zeitungen kommen zu London noch 46
Monatschriften heraus, und andere periodische Blätter zu Edinburgh und Dublin ej.
II. Gfistescultui. §. 44. Ziistancl Jfi "Wisscusch. u. KuuäIo in d. einz. Lüml. Foi ls< Iznii!,'. 36q
■ «) S. Gi'isl der nouosten österroicblsclien Strafgpselzgebiing in don Valcrl. Bliit. für den üster-
reicliiscIiiMi Kalscrstaat. Nr. ^5. und 46. 1808. ; aus dem Archive für die Gesolzgi'huiig und
Reform des juristischen Sludiums, von N. T. Gönner. B. 1. H. 1. Landshut, i8ü8.
b) S. Ergänzungsbl. z. A. L. Z. i8i2. Nr. iJ3. S. io58.
c) S. Polit. Jour. 1817. Jul. S. 6o5.
d) S. den Correspondenten \. und f. Deutschland. 1817. Nr. 190. S. 807.
e) S. Hassel's Lehrbuch der Statistik a. a, O. S. 476.
§• 44.
Fortsetzung.
7) In Italien tjlüiizte d-as schöne Licht der Wi.ssenschaftcn schon zu einer Zeil,
als noch der grösste Theil Europa's in Finsterniss gehidh war. VorzügHcli Jiliihtcn sie
von 1460 — l65o. Mit Ausnahme der Philosophie und Theologie ist Ijeyuahe keine
einsie Wissenschaft, welche nicht aus jener Zeit herühnite Nahmen aufzuweisen hätte.
Besonders war Italien der fast allgemeine Lehrer der iMnthemdtik _, Fhjsi/< _, MecJui-
nik und Astronomie ^ so wie der JSaturgeschichte , der Medicinj der Geschichte
und Alterthiimskunde. Die Diplomatie oder neuere Politik und die Statistik fanden
in diesem Lande (jene in Rom j diese in f^enedig) ihre Entstehung, ohgleich nicht
ihre wissenschaftliche Aushildung. Auch wurden in Venedig seit- 1536 die ersten fort-
laufenden Zeitungen geschriehen aj. Classische Darstellung, zuerst in der lateini-
schen dann in der Muttersprache, war das allgemeine Bestreben aller LitcratorcM, so
dass die schöne Uteratur (Poesie und Prosa) der Italiener aus jenen Jahrhunderlen
das vielleicht noch unühcrtroffcnc Musler für .nlle ihre Nachbarn geworden ist. Ehen
so sind vuid bleiben die Italicner in Aenbildeiideii Künsten _, in derMaLlorey, derBild-
haueikunst, der Mosaik und Archileclur , unerreichbare Meisler, so wie ihnen der
Schöpferruhm gebührt, dass die ncu-eurojiäische Tonkunst sich seihst, tuid ohne Mu-
ster der Allen, geschaffen. Reich an mimischen Anlagen, kann es ihnen an Schauspie-
lern nicht fehlen ; nur arten diese zu leicht in Butfonerien aus. Auch machen die mi-
mischen Anlagen, verljunden mit einem feinen, Ijiegsamen und geschmeidigen Körper,
den Italiener zu einem voizüglichcn Tiinzer. Allein seit der Mitte des ly. Jahrhunderts
stehen die \\ issenschalten in Italien nicht mehr so im Flor, wie in der oben erwähn-
ten glänzenden Periode. Indessen haben einige vorzügliche Männer daselbst herrliche
Werke im Gebiete der Nalurlehre', Naturgeschichte, Medicin, Staatswissenschaft und
Geographie auch in neueren Zeiten geliefert. Noch besser erhält sich die Kunst, be-
sonders zu Rom j tier vorzüglichsten Pflanzschule und dem Vereinigungspuncie fiir
die ganze cuhivirte Welt, wo sich die Künstler aller Nationen znsammeniinden, und
ihre höhere Bildung vorbereiten.
8) Die Franzosen haben im Gebiete der AVissenschaft im Ganzen nüt ausge- ^
zeichnelem Ruhme gearbeitet , obgleich man selbst in sehr vortrefnichen wissenschaft-
lichen Werken derselben durch den Mangel an gründlichem Forschgeiste und aus-
harrendem Fleisse oft unangenehm überrascht wird. In der Philosophie haben sie sich
immer nur auf das Practische beschränkt, und mehr der P.sychologic und Moral, als
der Metaphysik gehuldigt ;• aber die i1/af//emrtf/A' hat das französische Genie mit sei-
3;n II. Gcisteicuitur. ^. 44- Zustand der Wis5euäcli. u. Künste in d. einx. Liiud. Fol!set^uug.
nein oigonthüoiliclien Scharfsinn ergriffen, und grosse und fruchi])are Tlieoricn darin
aulgostelh. In der Phjsik, Chemie , NaturgescidcJite und Chirurgie hat Frankreich
eine Menge grosser Männer hervorgebracht , deren Nahmen in diesen Wissenschaften
Zinn Theii sehr glänzende Epoclien liezeichnen ; aber der grossen Aerzte hat es we-
niger geslelk, als man es von dem so nkannigfaUig erprobten Beobaclilungsgeisle der
Nation erwarten sollte. Ihre Juristen waren ehedem gelehrter und fleissiger, als jetzt j
besonders scheint die neue französische Jurisprudenz das Natur- und allgemeine Staats-
und Völkerrecht zu vernachlässigen (diese natürlichen Rechtswissenschaften sind sogar
aus dem unter Nnpoleon eingefiihrten Studienplane ausgelassen worden), und das
neue französische bürgerliche Gesetzbuch ist bey weitem nicht so vollkommen, dass
die Deutschen, am wenigsten aber wir Oesterreicher _, Ursache hätten , neidisch
auf dasselbe zu blicken. Eben so stehen die französischen Schriftsteller im Gebiete der
Theologie j vornehnilich der Exegese nn^ der Dogmatik j den Deutschen weit nach.
Dagegen darf sich in Riicksicht der IMenge gründlicher technologischer und politi-
scher Schriften die Literatur keiner andern Nation mit der französischen messen^ und
in der theoretischen Bearbeitung praciischer Gegenstände des Ackei'haues _, des Han-
dels und der Finanzen stellt sie Werke auf, die mit den Englischen dieser Gattung
wetteifern. Von d^n französischen Geschichtschrei/jern gehören viele gleichfalls, we-
gen ihres philosophischen Geistes und ihrer Weltkenntniss , unter die ersten ihreiArt,
wenige aber wegen ihrer Genauigkeit, Zuverlässigkeit und Ünparteylichkeit. Die Diplo-
matie hat ihnen sehr viel zu danken (sie setzen dieselbe in den ersten Rang der nützli-
chen Wissenschaften) , weniger die Geographie und Statistik. ÜKer den Verfäll des
Studiums der Literatur und Bücherkunde klagen selbst französische Schriftsteller,
und lassen dem Vorzuge deutscher Gelehrsamkeit alle Gerechtigkeit widerfähren. Da-
gegen zeichnen sich die Franzosen durch wissenschaftliche Behandlung der Kriegs-
kunst ., durch Zuriickfiihriing derselben auf ein vollständiges System aus. Keine Nation
hat so viel zur Ausbildung ihrer Sprache gethan , als die französische, so wie keine
Nation eine grössere Menge treiriichcr Prosaisten aufzuweisen hat, als die französi-
sche. Auch waren ihre schönen Schriftsteller niclii nur die gelesensten , sondern
auch die einflussreichsten in Europa. Ihre Kanzelredner in altern, ihre Staats- und
Gerichtsredner in nettem Zeiten behaupten einen ausgezeichneten Rang. In der Dicht-
kunst if^i die leichte, witzige, ironische Gattung das eigentliche Feld der Franzosen,
keineswegs a1)er das Epos, das Trauerspiel tmd überhaupt die ernstern Gattungen
derselben. Es fehlt den Franzosen an einer eigentliche!! Dichtersprache, als welche
ohne kühne Worlstelhmgen , olnie neue Wortzusammensetzungen, und ohne einen
Rcichlhiun au sinnhch- stark zeichnenden Worten nicht Statt finden kann. In der
Musik und den bildenden Künsten stehen sie allerdings ihren südlichen Nachbarn
knach; doch haben die französischen Mahler des 17. imd i8- Jahrhunderts eine ei-
gene Schide gebildet, in deren Fussstapfeu die neuern Künstler nicht ohne R.uhm
fortschreiten j in der Kupferstecherkunst welteifern sie mit den Engländern, in der
Lifngrapliie mit den Deutschen, in der Schauspielkunst mit beyden; ntu- werden sie
durch ihre Lebhaftigkeit nicht selten zu Übertreibungen in der Darstellung hingeris-
sen. In den gymnastischen Küustcn (vornehndich der Tanzkunst) gehen sie allen
II. Geistescultur. §. 44. Zustand der YVisscnscIi. u. KiuisU in d. ein». Liind. torlielzuug. 371
Nationen voran. — Chtiptal schiilzl die Zahl der iähilicli in Fiankieicli gedrnckien
Werke anf 3ogo Bände. Im J. 1817 waren 3256 Werke erschienen, worunter 2 i2 poe-
tische, 227 pohlische, i53 staaiswirlhschaflhche , 55 laclische n. s. w. Ln J. 1821
■wurden in Paris allein ausgegeben 11 Zeitungen, 3 Intelligenzblaltcr, 10 periodische
Schriften, 3 Modejournale und 83 wissenschahliche Journale.
q) Spaniens Literatur halte bisher mit grossen Hindernissen zu kiiinpCen. Der
starke Einfluss der Geisiiichkeii, die Gewall der Inquisition und die Strenge einer
sechsfachen Censur hemmten die l-c seficyheit und den zur fruchtbaren Erweiteriuig
des gelehrten Wissens unumgänglich nolhigen Unlersuchungsgeist. Besonders koiuilen
aus diesen Griuiden die Philosophie, die Theologie, das kritische Siudiuui der Biljel,
die Kirchengeschichie und das kanonische Recht nicht gedeihen. Chemie, Physik
und Mathematik sind , nach Mensel ^ in Spanien, so zu sagen, noch neue Wissen-
schaften; aber in der Beredsanikeil, und vorzüglich in der Poesie, zeichneu sich die
Spanier aus, und in den Fächern der Naturgeschichte, besonders der Botanik, in der
Arzeneykunde luid Chirurgie, der Reihlsgclehrsanikeit, dci' Philologie, besonders in
so fern sich dieselbe auf die IMuiicisjirache bezieht, und der vaterländischen Geschich-
te arbeiten sie nicht ohne Ruiun luid Gluck. Da nach den 1820 eingetretenen >'er-
änderungen die Presse frey , und die Inquisition abgescliafft ist: so kann man die Er-
wartung hegen, dass die Spanier in Zukunft auch in den übrigen Fächern des gelehr-
ten Wissens grössere Fortschritte machen werden. Gegenwärtig fehlt noch viel, dass
sie in der wissenschafdichcn Gullur ihren Nachbarn, den Franzosen, oder den Brit-
ten und Deutschen, gleich kommen sollten, ja in einigen Stücken stehen sie hinler
sich selbst in ihrer bhilicnden Periode (von i5oo — 1600) zurück. Von den bilden-
den Künsten blühen Mahlerey und Baukunst am meisten. An irefTlichen Tänzern
fehlt es den Spaniern nicht ; alier grosse Tvnmeistcr sind unter ihnen noch nicht auf-
gestanden,'und schlechtere Schauspielei' gibt es nicht als die spanischen. — Mit
Ausnahme der politischen Pamphlets, Flugschriften, Zeitungen und Journale, er-
scheinen in Spanien Jährlich kaum 100 wissenschaftliche Werke. Autorschaft ist da-
selbst kein Gewerbe, und die Schriftsteller sind seltener Gelehrte von Profession, als
Geschäftsmänner, die entweder ein Lieblingsfach nebenher bearbeiten, oder die in
ihrem Amte gesammelten Kenntnisse in Schriflen mittheilen.
10) Portugals Literatur halte bisher mit ähnlichen Hindernissen, wie die spa-
nische, zu ringen. Daher konnte die Gelehrsamkeit daselbst nicht emporkonunen , ob
es gleich der Nation keineswegs an natürlicher Geschicklichkeit fehlt. Diess beweiset
das goldene ZeitaFier Einaniiels des Grossen j wo besonders das Studium der alten
Literatur j Poesie j Geschichte j Mathematik j Schifj^falirtskunde und Geographie
ciddvirt wurden. Die zwcy leizlern Fächer bereicherlen die Portugiesen in dicsei' Pe-
riode mit einzeluen Werken, die, nach Hrn. Eichlwrn ^ noch jetzt einen dankbaren
Gebrauch verdienen. Aber Philosophie und Theologie, so wie Jurisprudenz wurden
schon damals vernachlässigt , imd gegenwärtig ist systematische Philosophie den Por-
tugiesen ganz unbekannt, da sie, seit Pombals Minislevschaft, aus allen Lehranstal-
ten, selbst aus Cuimbra ^ verbannt ist bj. In neuern Zeilen hat Portugal einige wis-
scnscliafüichc SN eike über Botanik j JSationaLökononäe und einige andere Fächer zu
47*
3-2 11. Gt'isteacultur. ^. 45- Zustand der Wisscusch. u. Künste, in d. eiuz. Land. Fortsetzung.
liefern angefangen. ^Vas der Portugiese in Sachen der Kunst leisten kann , sieht man
aus der Bildsdiüe Josephs des Ersten zu Pferde, von Bronze, welche auf einem schö-
nen frcven Platze in Lissabon aufgestellt ist, und. aus der Wasserleitung von Lissabon,
einem dei- piächligslen Werke der neueren Baukunst. Meister in der Mahlerey hat
er gleichfalls einige ireffÜche. — Die Censur und die Liquisition sind seit 1821 auf-
gehoben. Seit 1822 erscheinen, ausser den Ephenieiidcs naulicas de Lisboa, den
Ephemerides naulicas de Coimbra , vuid dem Almanache de Lisboa, lö Zeitschritien.
fl) S. Leipz. L. Z. i8i3. 2. S. 10.
6} S. Eidihoriis Geschichte der Lileralur olc. B. 2. Abth. 2. S. 829 ff.
§• 45-
Fortsetzung.
11) /i«j>i/(7»(i? hat in \ ergleichuug mit andern Staaten bis in das letzte Viertel
des 18. Jahrlumdcrts im Gebiete der Wissenschaften wenig geleistet j seitdem aber
gcscliehen stärkere Fortschritte. In der Dichtkunst ^ Geschichte j Geographie _, Stti-
tislih und Länderkunde ^ so wie in der Naturgeschichte _, Phjsik und Mathematik
ilum sich die Russen jetzt am stärksten hervor. Auch in der Philologie _, Chemie und
Gesetzkunde haben sie einige gute Schriftsteller aufzuweisen, und selbst in der Phi-
losophie und im Naturreclite haben sich russische Gelehrte versucht (in jener Lub-
kin j in diesem Solotznitzkj). Alier die übrigen Fächer des menschlichen ^Vissens
sind noch ziemlich unbearbeitet. Ausländer, besonders Deutsche uud Franzosen, wie
auch das Reisen junger Russen zu fremden Lehranstalten, haben das Meiste zum bes-
sern Flor der Wissenschaften beygetragen. In welchem Verhältnisse die Verbreitimg
wissenschaftlicher Bildung in Russland steigt, mag das einzige Beyspiel der Zahl in
russischer Sprache geschriebener Werke zeigen: bis 1787 Tec\\nc\.G Backmeister de-
ren 4000 j wnd das Doppelte (8000) sollte 181g die Nationalliteratur besitzen. Doch
liefert der Russe noch immer mehr Übersetzungen, als Oiiginalwerke. Im J. 1821 zählte
man in ganz Russland 34q lebende Schriftsteller , die meisten aus dem Adel, ein Acht-
theil aus der Geistlichkeit. St. Petersburg ist der Sitz der ausserrussisch^n Gelehr-
samkeit, Moskau dagegen der Stapelplatz der russischen Gelehrsamkeit, Wo auch die
russische Sprache am n instcn und zierlichsten gesprochen wird. Ausser den Haupt-
städten besitzen auch mehrere Provinzialstädte ihre Zeitungen und Journale; über-
haupt komnuMi 20 periodische Scjuifien lieraus. — Die auch jetzt weit mehr, als je,
gepflegten bildenden Künste werden nicht nur von Ausländern, sondern auch von
Russen, rühmlich bearbeitet mid ausgeübt, besonders zu St. Petersburg und Moskau.
Die Musik ist eine Lieblingsbeschäftigung aller Piussen ; doch erreichen sie darin ihre
Muster t'ht, bloss russische /irrg-rf- oder i/o7'«7?j«,y//i (cineErlindung seit 1767 und nur
durch Leibeigene möglich) ist bisher noch immer ihr ausschliessliches Kiuisteigenthuni.
12) Die pohlische Sprache bildete sich unter der Ägide der Sigisniunde und des
Stanislaus .'jngustus zur Schriftsprache des ehemaligen Königreichs Polen , und stieg
zu ein^r wirklichen Bliithe empor, wie sie, die Sprache der Czechen oder ßöhujen
ausgenonmien, keine luiter den slavischen Sprachen erreicht hat. Als Franz I., König
II. Geistescnltiir. §. 46. ZusUnd der Wisseusch. u. Kiiuslc in d. ein?. L.-iixI. rorlsiUiinj«. ')-'>
von Fi-ankreicli, Zeitgenosse des poluisclicn Stgisinu/uls 1. , sich ])estrcbl.c, aus gesit-
teten Ländern Wissenschaften in das scinigc zu verpflanzen, halte Polen schon seine
vorlrcinichen Schriftsteller. ^Viihrcnd der grössere Theil der europäischen Nationen
ihre eigenen Schriftsteller der damaligen Zeit kaum verstehen kann, und sich ihre
spätem Schriftsteller bestrebt haben, ihre Sprache dadurch zu vervollkonunnen , dass
sie von der Sprache ihrer Ahnen abwichen: so werden die polnischen bessern Schrift-
steller desto vollkommener, je mehr sie den alten Schriftsiellern ihrer Sprache nahe
kommen aj. Durch die in den höheren Ständen als Umgangssprache angenommene
französische, und als Geschäftssprache eingeführte lateinische Sprache aber ist die
polnische Sprache und Literatur in den spätem Zeiten so gesunken, dass man endlich
die Nolhwendigkeit einsah, 1801 eine gelebrte Gesellschaft zu Warschau zu crrichteii ,
deren Endzweck ist, nicht nur die alten Überbleibsel der polnischen Sprache zu ret-
ten , sondern auch die Vervollkommnmig derselben und aller Wissenschaften im Lan-
de, so viel möglich, zu befördern. Nene Originalwerke sind indessen in Polen noch
immer eine Seltenheit j häufiger sieht man dagegen Ül)ersetzungen. Sogar die Schul-
bücher sind grösstenThcils Umarbeitungen oder Nachabniungen ausländisclier ^VerkeÄJ.
13) Die Gnltiu- der bohinisclien Sprache machte schon unter luid nach Carl. IV.
{folglich noch früher als die der polnischen Sprache) sehr grosse Fortschritte , und
in der böhmischen Literatur war, wie Hr. v. Schwartuer bemerkt, um die Zeit der
Gostnitzer Synode, schon alles helle, als es in Deutschland , und auch in Frankreich
nur erst zvi dämmern anfing. Vorzüglich blühte sie im 16. Jahrliundert. Daher bilden
sich böhmische Schriftsteller von Geschmack im Schreiben nach den besten Schriften
des erwähnten Jahrhiuiderts, besonders nach den unter dem Kaiser Rridolph IL
(1576 — 1612), welches der glänzendste Zcittheil der i)öhmischcn Sprache war. Der
Fürst der jetzt lebenden slavischen Gelehrten und Schriftsteller ist ein Böhme; er
heisst Dobrowskj.
In den neuesten Zeiten hat auch die serbische Sprache einige Gelehrte gefiin-
den, welche ihr als Buch ersp räche einen Rang zu behaupten suchen cj.
Im Jahre 1818 erschienen in der österreichischen Monarchie, ausser zwcy slavi-
schen Joiu-nalen, eine böhmische, eine polnische und eine serbische Zeitung.
a) S. Götting. gel. Anz. i8o3. St. 47. S. 468 fr.
b) S. IntL'Uigcnzbl. d. L. L. Z. i8i3. 3. S. 2i.
c) Beiträge zur Übersicht der serbischen Literatur in dem iJiterr. Kaiserstaate ; in den vaterl.
Bl. a. a. O. 1811. 95. S. 573 fr.
§. 46.
Fortsetzung.
14) Die Ungern eifern den culiivirtcslen Völkern Europa's in hterarischer Hin-
sicht, besonders seil den letzten drey Jahrzehenden, mit rühmlichem Erfolge nach,
und man sieht mit Vergnügen, wie die deutsche Literatur sich auch unter ihnen im-
mer mehr emporhebt, und die Prodnctivität derselben zunimmt, trotz dem in ihrctn
Vaterlande erwachten Eifer für eine Nationalliteratur (die magyarische). Es ist beyna-
he kein Feld des mensolillchen Wissens , das sie bis jclzt nicht bearbeitet hätten. Die
Fächer, in welchen sie sich vorzüglich bemerkbar gemacht haben, smd: schöne Li-
374 JI- Geisfescultur. §. 4;. Zustand der Wissensch. u. Künste in d. ehn. Land. Fortsotzving.
teratur, Pliilologie , Nalurgeschichle (besonders Botanik), Ökonomie, Physik, Meteo-
rologie, Mathematik und Astronomie, Geschichte, Diplomatik, Numismatik, Geogra-
phie lind Statistik, so wie Arzeneyknndc , Rechtswissenschaft, ungrisches Staats- und
Piivatrecht. Auch in der Theologie, in Eibauungsschriften , in der Alterihumskundc ,
Chemie, Technologie, Ilandlungs-, Polizey- und Erziehungswissenschaft haben sie ei-
nige gute Schriftsteller aufzuweisen. Besonders zeichnet die Bewohner Ungerns vor
andern Nationen Euro])a's der Umstand aus, dass hey ihnen fast jeder Gebildete nicht
Eine Sprache allein, sondern drey, vier Landessprachen versteht, liest, spricht und
schreibt. Zur Beförderung der Ausbildung der ungrischen Sprache wird, in Folge
einer im J. i8l5 zu Stande gekonnnenen Stiftung, jährlich nicht nur eine Preisfrage
über die Cultnr und Beschaffenheit derselben gegen einen Preis von loo fl- ausge-
schrieben, sondern auch demjenigen wird ein Prämium von 400 fl- zu Theil, der in
der Zwischenzeit von einer Preisvertheilung zur andern das beste Werk in ungrischer
Sprache geliefert hat. In Pesth leben die meisten Schriftsteller (an der Zahl i54). Im
Jahre 1818 erschienen in Ungern und Siebenbürgen 4 Zeitungen und 3 Zeitschriften,
wozu im J. 1819 noch eine neue Zeitschrift, mit der Aufschrift: Paiinonia j kam.
Die gelehrten Mitarbeiter der seit 1817 zu Pesth unter dem Titel : Tudomänjos
Gjüjleme'nj (gelehrte Sammlungen), herausgegel)ene Zeitschrift, bilden, wie Herr
Schanis sich ausdrückt, den stillen Verein einer gelehrten Gesellschaft, woran es den
Ungern in der Wirklichkeit noch felilt. Eine besondere Erscheinung in der ungri-
schen Literatur ist, dass in Ungern jälirhch über i5o,000 Kalender in ungrischer Spra-
che gedruckt, und von den Buchhändlern und Buchdruckern und Buchbindern glück-
lich angebracht werden. — Was die bildenden KÜ72Ste heuifft: so besitzt Ungern zuPesth.
einen rühmlich bekannten Bildhauer (Nahmens Dii?tniskj), einige glückliche Porträt-,
Miniatur- und Hislorienmahler, und einige vorzügliche Kupferstecher. Auch haben sich
einige Toukünstler zu Pesth durch Conipositionea bekannt gemacht.
§• 47-
Fortsetzung.
l5) Die Osmanen endlich stehen auf einer sehr niedrigen Stufe der Cultur. In
den Wissenschaften sind selljst diejenigen , die sich ihres künftigen Standes wegen
denselben widmen müssen, sehr weit zurück. Es gibt indessen im Reiche Abc-Schu-
len (Mektebs) und CoUegien (Medresses) , in welchen verschiedene wissenschaftliche
Fächer nach einem zusammenhängenden Plane betrieben werden. Die Schüler der
Medresses heissen Sofia oder 3Inid und DaniscJunende (Studenten), die Professoren
Muderris j, welche die Pflanzschule der Ulema •i , d. i. des Richter- und Priesterstan-
des oder der Rechts- und Goltesgelehrten bilden. Ihre Ilauptstudien betreffen den
Koran (die Quelle ihrer ganzen Religionswissenschaft, Moral, Gesetzgebung und Po-
litik), die arabische Sprache (das wichtigste Mittel zum Lesen des Koraufi), die Re-
chenkunde, Messkunde, Erdbeschreibung (worin Plolomäus noch immer ihr \Vegwei-
ser ist), Physik und Naturgeschichte (nach Aristoteles), Alchymie und Astrologie,
welcher letzteren sie sich mit desto grösserem Eifer widmen, da sie eine Staatswissen-
schaft ist, mid der erste llofastrolugc (^Miinedschjim-BaSLhi) jederzeit in Staatsgc-
II. Gcistesculhir. §.. 4y. Zustand der Wissen ■ich. it. Künsif in <] ein/.. L.'iiifl. Forlsnlzun;. Z-Ü
.scliaftcu um Ralh gefragt wird aj. Ihre Philosophie, als Iliilfsiniitel zur Anslegunir
des Korans, ist scholastische Spitzfindiiikeit. Das Feld der Geschichte wird nur in so
weit cultivirt, dass die von der Regierung angestellten Hisloriographen die Slaatsnicrk-
würdigkeiten aufzeichnen müssen. Nautik studieren sie erst in der neuern Zeit. Ihre
Ärzte sind meist nur elende Empiriker , und zugleich Chirurgen und Apotheker. Sie
hahen noch Mondenjahre, die sie mit dem 22- Jnly 622 nach Chr. Geb., dem Tage
der Hedsclira oder der Flucht Mohammeds von Mecca nach Medinah, ihrer Ära, an-
fangen. Da die meisten Biicjier geschriehen werden, so haben sie eine grosse Menge
(nach einigen an 20,000, nach andern an 40,000) Schreiber, und beweisen darin
Kunst. Die im 18. Jahrb. gemachten Versuche, ßiichcr zu drucken ^ waren von kei-
nem Gedeihen; doch werden seit 1810 zu Skutnri,, am Canale von Constanlinopel ,
wieder Bücher gedruckt bj. An Hülfsanstalten sind in der Hauptstadt nach einigeix
20, nach andern 35 öffenlhche Bibliotheken, die aber keineswegs als Beförderungs-
mittel der Wissenschaften zu betrachten sind, da keine über 2000 Manuscripie ent-
hält, ihr innerer Gehalt noch wenig aufgeklärt, und ihre Benutzung zum Tlieil er-
Bcliwert, zum Theil von den Türken gar nicht gesucht ist. Die lileiarischen Schätze,
die im Seraj sich befuulen sollen , sind noch unaufgeschlossen. Die einzige türkische
Zeitung ist der zu Smyrna gedruckte spectateuv orieiital. — Den bildenden Künsten
ist in der Tiiikey keine Aussicht zu ihrer Aufnahme geößhet, da die mohammedani-
sche Religion die Abbildung menschlicher Formen untersagt, und allen Bildern und
Gemählden feind ist- Docli liefert ihre Baukunst zum Theil schöne, von geschmack-
vollen ausländisch efl Reisenden geschätzte Werke. Dagegen ist ihre Musik äusserst
unharmonisch, und ihre Instrumente lärmend und geschmacklos. — Die GriecJien
zeichneten sich in der neuern Zeit durch ihr Streben nach wissenschafilicher Bildun";
o
ans. Mehrere derselben holten aus Italien, Frankreich, vorzüglich aber aus Deutsch-
land, wo sie mit Ruhm imd Nutzen die Universitäten besuchten, ihre Bildung, und
strebten dann, ihrem Vaterlande nützlich zu werden. Überall bildeten sich in den
Städten des europäischen und asiatischen Griechenlands sowohl Gesellschaften zur
Bildung der Nation, als gute Unterrichtsanstallen, wo nach sehr wohl durchdachten
Planen zur Erlernung von Sprachen und Wissenschaften und zur Aneignung edler
Gesinnungen Unterricht erihcilt ward; vorzüglich ward, doch ohne Mathematik, Na-
turwissenschaft, Geschichte luid Gcograpliie zu ver?)nchlässigen , das Studium der
altgriechischen classischen Literatur in diesen Schulen i.w Pergamum ^ Smjrnaj Cldo
o^cr Scio j Scdoni-chi j, Junina _, yltlien j Constaniinepel , Bukuvescht u. s. w. , sehr
lebhaft betrieben, um den edcln Geist wieder zu wecken, der ihre Vorfahren für Va-
terland, Tugend und feinere Geistesbildung enlflanunte. Auf dem Berge Athos ward
ausserdem eine Lehranstalt für die Theologie errichtet. Allein diese BildiuigsanstnJten
sind jetzt sämmtlich zu Grunde gegangen. — In Aqx Ionischen Republik, wo die Neu-
griechen das herrschende Volk sind, bestehen zwcy höhere Unterrichtsanstallen zu
Corfu und Zante; al)er die projcctirte Universität zu Illiaka ist noch nicht zu Stan-
de gekommen. Die Cefalonicr studieren häufig ausser Landes die Arzcneykunde ; da-
her fast in jeder türkischen Stadt em Arzt aus Ccfalonien lebt. — In Wien, wo der
Grieche ganze Gemeinden von Landsleuten und sonstige Glaubensverwaudle an-
3^5 Hl- Vcrtlieidigungskrafte. >§. 48. Kriegsmacht. §. 4g. Arten der Truppen.
liifTi, Lestelit eine eigene griechische Biichdruckerey, und erscheint eine griechische
Zeitung.
«) Nur an solchen Tagen, welche von den Astrologen dazu bestimmt worden sind, wagt
man es , den Grund zu einem öffentlichen Gebäude zu legen , ein Kriegsschiff vom Sta-
pel zu lassen , die Stelle eines Grosswesirs zu besetzen u. s. w. S. Muradgea d'Ossons
Tableau T. I. p. 4i6.
b) Übersicht der in Constantinopel gedruckten Werke ; im Intelligcnzbl. z. W. A. L. Z. i8i3. Nr. 4,
in. Vertlieidigungskräfte.
§. 48.
Kriegsmacht.
Ein Staat hedarf, nicht nur zur Erhakung der Ruhe und Sicherheit im Innern ,
sondern hauptsächhch zum Schutze gegen auswärtige Feinde einer bewaffneten Macht,
welche- den Nahmen Aer Kriegsmacht führt, und entweder Landmacht oder See-
macht ist, je nachdem sie zu Lande oder zu ^Nasser fiu- die Sicherheit und Ruhe
sorgt. Von ihrer Kriegszucht nennet man Staateia, die stark genug sind, ihre Unab-
hängigkeil zu veriheidigen, selbst Mächte ^ und je nachdem ein Staat zu Lande oder
zur See vorzüghchc Streitkräfte besitzt, nennet man ihn auch eine Land- oder
Seemacht.
A. L a n d m a c h t.
§• 49-
Arten der Truppen.
Zur Landmacht gehört, nach Abschaffimg der Lehnmihz aj , ein stehendes, un-
ausgesetzt streitfertiges Heer, eine Armee ^ welche aus vielen kleinen Haufen unter
besondern Befehlsha]>ern zusammengesetzt, und dem Oberbefehle eines Feldherrn
oder des Regenten unmittelbar imtcrworfen ist. Die auf europäischen Fuss eingerich-
teten Kriegsiieere sind der eingcfiihrtcn Kriegskunst gemäss organisirt. Sie bestehen
iiähmhch aus dreycrh-j Truppen oder TVaffengattnngen: Infanterie j, Cavallerie
und Artillerie. Die Infanterie oder das Fussvolk ist in Regimenter, jedes Regiment
in Bataillons und Compagnicn getheiltj die Cavallerie oder Reiterej eben so in Re-
gimenter, diese in Divisionen und Escadrons. Aus R^egimeniern werden Brigaden, aus
Brigaden Divisionen, und aus Divisionen Armeerorps (die grössten Heeresabthcihm-
geu) gebildet. Jede Waffengattung besieht aus Truppen von verschiedener Ausrü-
.stung luid Bestimmung, nälmilich die Infanterie aus Grenadieren, Musketieren oder
FLiseliercn und Jägern j die Cavallerie aus Kürassieren, Carabinieren und Dragonern
. (schweren R.eitern) , dann aus Chevauxlcgcrs , Chasseurs, Husaren und Uhlanen oder
Lancicrs (leichten Reitern). Die Compagnieji und Escadrons werden von Unter- und
Oberoffizieren, die Bataillons von Slabsolliziercn, die Regimenter von Obersten, und
III. Veithcidiijungskräftc. §. ^g. Arten der Truppen. 577
die Corps und andern ALdieiluni^cn der Armeen von Generalen cominandirt. Die Ar-
tillerie, licsteliend aus Bonibardiers und Kanoniers zur Bedienung,' des Geschützes,
v>ird auf gleiche Art abgelheilt, und ist hey einigen Armeen zum Tlieil beritten. Doch
versteht man unter Artillerie das grobe Geschütz selbst, welches theils Feldgeschütz,
theils Belagerungsgeschütz ist hj. Dazu kommen noch die besondern Corps , als : der
Generalquartiermeisterstab, die Ingenieurs, Mincius und Sappeurs, die Pionnicrs,
die Pontonniers , das Militär-Fuhrwesen , die Invaliden n. s. w.
Als Hülfsanslalt zur Sicherung eines Landes hat man in den europäischen Staaten
Resei i'en „ Landwehre _, Landmiliz _, Natiotialgarderi j bewaffnete Bürger u. s. w.
In einigen europäischen Staaten ist der Soldat zugleich Landmann oder Bauer.
Dahin gehören :
1) Die Gränzer oder Bewohner der österreichischen Militärgränze (s. Abih. I.
S. 7). Die Gränztruppcn sind im'Fiieden und im Kriege, in und ausser dem Lande zur
Leistung sämmllicher Militärdienste , luid zur Unterhaltung der Gränzanstaltcn, wo-
durch die Türken und die Pest zugleich von dem österreichischen Staate a])gchahen
werden, verpflichtet. Die liegenden Griinde, welche die Gränzer für diese Obliegen-
heit geniessen, sind , kraft des Gränz-Reglements vom --.August 1807, für Militär-
lehen erklärt, aufweiche dem Besitzer mit Vorbehalt des dem Landesfürsten zuste-
henden Obereigcnthums dasbeständige erbliche Nntzeigenlhum zukoumu. Jedes Gränz-
haus muss seine enrolirten Dienstniäinicr , so oft sie auf den Cordon in die Tschardn-
keii (Wachihültcn) gegen, die Türkey oder in Rogiincnlsdiensle ausrücken, selbst ver-
pflegen, imd ihnen den nölhigen Proviant mitgeben. Werden die Gränzer im Exer-
cirlagcr zusammengezogen , oder ausser ihrem Regimentsbezirke commandiit, so
kommen sie in Ärarial-Yerpllegung. Ausserdem nuiss jedes Gränzhaus die für die En-
rolirten nölhige Hausmonlur auf eigene Kosten anschaficji. Das Ärarium gibt jährlich
ein Paar ungrische Schuhe, die Armatur, Munition und das Lederwerk, und beym
Ausrücken ins Feld die ärarische Älontur. Jedes Gränzregiment hat zu seinem Com-
mandanlen einen Obersten, dem, so wie den Hauptleuien als Compagnie- oder Be-
zirks-Conmiandanten, zur eigentlichen Führung der Ökonomie ein besonders dazu ge-
bildeter Okonomie-Oflicier als Referent und Rathgeber an die Seite gegeben ist.
2) Die Nationaltruppen oder die sogenannten eingetheilten Soldaten in Schwe-
den. Sie sind im ganzen Lande vertheilt , und werden von ihm gestellt, gekleidet und
unterhalten. Jeder Soldat erhält ein kleines Maus mit einem Viehstalle, eine Wiese,
Weideplätze, etwas Holz, ein urbares Ackerland, einiges Geld und Kleidung, die er
ausser dem Dienste trägt. Die Regimentskleider, so wie die Waffen, gibt die Krone
her, aber nur alle 10 Jahre, weil die Soldaten sie nur zur Zeit der Musterung oder
bey ausserordentlichen Gelegenheiten tragen. Sännntliche OlFiciere, vom Anführer bis
zum UnterofTicicr, empfangen anstatt des Soldes, Bostellen j d, i. kleine hcrrso.liaflli-
che, von allen Abgaben bcfreyte Güter, die sie cnl\^eder selbst benutzen oder ver-
pachten können. Der Adel stellt und unterhält nur das unter dem Nahmen der Adels^
/"rt/i/ze bekannte Cavallericregiment allein ; die übrigen Truppen, Cavallerie. und In-
fanterie, stellt vuid unterhält der Adel mit den Laudlculcn ohne Unterschied. Jährlich
48
3^8 III- VerlheiJigungskrSfte. ^. ig. Arten der Truppen.
werden sie hcy einer Musterung im Sommer, wo sie mehrere Wochen Lager hahon ,
iu den \Vanrcn geiilit. Zum Ersatz eines jeden Mannes mnss ein anderer bereit gehal-
ten werden ; diese Ergiinzinigsmannschafi heisst die fVaT'gernitigs-^Iansknp.
3) Die Militär-Colonisten in Russland, eine im Werke begriffene Einrichtung
des russischen Kriegswesens, nach welcher Russlands Slreilkräfte grössten Theils auf
einem gewissen, ausschliesslich militärischen Terrain verlheilt und angesiedelt wer-
den, welcher ihr Vaterland, Wohnort, ihr Eigcnthum und ihr Werbbezirk zugleich
seyn soll. Diese militärische Zone soll Russland in ihrer ganzen Breite, vom balli-
schen bis zum schwaizcn Meere durchsclineidcn. Die ^Vichtigkeit dieses riesenhaften
Unternehmens stellt sich folgender Maassen dar: Bis mm nnissten zurBddung und Er-
gänzung des Heeres aus allen , auf einer Obeifläche von mehr als 345,000 Quadrat-
nieilcn ausgedehnten Gouvernements, die Recruten herbcygcschaft't werden. Natür-
hch ti'afen sie spät , ungewiss , tmgleich, ermüdet, auf den Samiuclplätzen ein, und
erreichten die Regimenter meistens erst dann, wenn man ihrer nicht mehr bedurfte.
Nun aber wird bey der Infanterie ein Bataillon, und bcy der Gavallerie die siebente
Escadron mit den Stamm^- -wohnern der oben besagten militärischen Zone verschmol-
zen, luid zu Ansiedlern umgewandelt. Dadurch erhalten die colonisirtcn Regimenter
auf einer vcrhällnissn)ässig geringen Entfernung geregelte Depots, aus welchen ihnen,
niclu wie sonst, tmgeschickte Bauern aus den entferntesten Gouvernements, sondern
seit Jahren abgerichtete fertige Soldaten, — nicht einzelne Recruten, sondern ganze
Compagnien und Escadrons auf kürzerem Wege nachrücken können. Nun wird es dem
ungeheueren Reiche möglich, mit seiner ganzen Kraft auf einen Punct hinzuwirken,
und ein unglücklicher Schlag wird von ihm weit weniger empfunden, kann weit ge-
schwinder ausgeglichen werden c).
d) Auf das Lehnsystem war das Ivriegssystem des Mittelalters gebaut. Bcym Aufgebot des
Ijehnsherrn diente der Vasall mit dem ihm zum Lehn hingegebenen Gute; erstellte die
Reisigen und Kiiegsleule auf eigene Kosten in's Feld, und sorgte selbst für ihre Verpfle-
gung. In diesem Systeme hing der Lehnsherr mehr vom Vasallen , als der Vasall vom
Lehnsherrn ab, und borgte jener mehr von diesem, als dieser von jenem seinen Glanz.
Dieses System wurde seit der Erfindung des Schiesspulvers , oder vielmehr seit der Anwen-
dung desselben im Kriege durch die LiiiRihrung des ordentlich besoldeten und immer ste-
henden Soldaten unwiederbringlich gestürzt. Denn die Anwendung des Feuergewehrs hat
das Kriegfiihren zu einer der schwersten Wissenschaften, und durch das Studium, welche.«
seitdem das Kriegswesen erfordert, dringend nolhwend.g gemacht, aas den Kriegern einen
eigenen Stand zu bilden.
A) Die erwähnten drey Waffengattungen müssen nach allen Kräften ihr Möglichstes beytra-
gen , dass die Schlacht gewonnen werde. Das Terrain allein und die verschiedenen Mo-
mente in der Schlacht, entscheiden, welche von diesen drey Waffengattungen das IVIeiste
zum Siege beytragen soll. Diesem zu Folge haben wir Beyspiele , dass selbst die Artillerie
mehrmalen , so zu sagen, Schlachten geliefert, und allein entschieden hat, obwohl die
Theorie der Tactik sie bloss als Hülfs- und Vorbcreilungswaffe zur eigentlichen Schlacht
anerkennt,
c) S. Die Militär-Colonisirung in Russland; in der österreichischen militärischen Zeitschrift;
Jahrg. 1819. Heft 5. S. 5io— 322.
IIJ. Vivtlieicligungskräftc. §. 5o. Starke der Armeen. 379
§. 5o.
Stärke der Armeen.
Die Stärke der stehenden Heere wird nach der Trnppenzahl gemessen. Ver-
gleicht man in der Hinsicht die statistischen ^Verke seit Achetiwall und Bäsching :
so dringt sich das Rcsuhat auf, dass sich die stehenden Heere der europäischen Staa-
ten fast allenthaUjen jjcdcutend vermehrt haben.
Für ganz Europa wird der MiHtärstand nach authentischen Angaben gegenwärtig
auf ein Friedens-Etabhsscnient von nahe an 2,350jOOO, und auf einen Kriegs-Etat von
3j6o8jOOO Mann geschätzt.
Das stärkste stehende Landhccr häU jetzt Russland _, dann Oestcrreicli _, Pretis-
sen und .Ft'cinhreiclt ; an diese Staaten schhcssen sich in der Hinsicht zunächst an :
der deutsche Bund j Grossbritaujüen und das osnianische Reich j wie aus l'olgender
Üijcrsichl der Stärke der europäisclicn Heere zu ersehen ist.
I. Russlands Heer zähhe mit dem polnischen im J. 181g i,o3q,iij Mann aj. Da-
von kommen a) auf die russische Armee 989,117 M., und zwar: 1) Infanterie 6i3,722
M. , in 189 Reg. und 565 Bat.; 2) Cavallerie 118,141 M., in y6 Reg- und 565 Escadr. 5
3) Artillerie 47,088 ^I-, in 5o Bat. imd i65 Comp. ; 4) Extracorps 27,632 M. , in 1 Reg.,
11 Bat., 8 Escadr, und 07 Comp.; 5) incgidäre Cavallerie io5,534 M., in 210 Reg-
und io55 Escadr., und 6) Garnison 77,000 M. , in ig Reg. luid 58 Bat., darunter ist
aber auch die kaiserliche Garde begriffen, die i8ig ein Corps von 48,863 Köpfen, in
28 Bat., 62 Escadr., 2 Brigaden oder 10 Comp. Artill. mit einem Parke von 60 Kano-
nen und 2 Extrabataillons, ausmachte; b) auf die polnische Armee, die von der russi-
schen ganz getrennt ist, 5o,ooo M. , nähndich 3o,ooo Infanterie und 20,000 Cavallerie,
worunter 12,000 M. königl. Garde; allein diese Zahl war (März 1822) noch nicht
vollzählig.
II. Das österreichische Heer beträgt im gegenwärtigen Friedensstande gegen
270,000 M. , nähmlich: 1) an Infanterie: lgo,ooo M. , in 63 Linien-Infanlerie-Reg. ,
20 Grenadier-Bat. , 17 National-Gränz-Infanterie-Reg. , 1 Czaikisten-Bat. , 1 Tyroler
Jäger-Reg. , 12 Jäger-ßat. und 5 Garnisons-Bat. ; 2) an Cavallerie: 38,384 M. , in 8
Reg. Kürassiere, 6 Reg. Dragoner, 7 Reg. Chevauxlegers , 12 Reg. Husaren und4Reg.
Uhlanen ; 3) an Artillerie: 17,800 M., in 1 Bombardiercorps, 5 Reg. Feldartillerie, i
Artillerie-Feld-Zeugamt, luid In einer in 14 Districtc vertheilten Garnisons-Arlillerie ;
4) an Genie: 2348 jM., in 1 Ingenieur-, 1 Mineur- und 1 Sappeurcorps , und 5) an
besondern Corps: 2l,45o M., in dem Generalquartiermeisterstabe, dem Feuerwerks-
Gorps, dem Pionniercorps, dem Pontonnier-Bataillon, den 5 Garnisons-Bataillons, dea
7 Gränzcordons, der lombardischen Gensd'armerie , die ein Regiment Linien-Reiterey
bildet, dem Invaliden- und dem Fuhrwesenscorps. InKriegszeiteu kann die Stärke die-
ses Heeres durch die Reserve oder Ergänzungsmannschaft in den deutsch-galizisch-
italienischen Staaten, die jährlich eine Zeitlang in den Waffen geübt werden, durch
die Landwehr in eben diesen Provinzen, und durch die adeliche Insurreclion in den
ungrischen Ländern auf 7— 800,000 Mann gebracht werden.
lU. Das /^z-ewi-i-iVcAe Heer ist gegenwärtig ohne Landwehr i65;OOo Mann stark,
4Ö*
38o III. Vertheidigungskiaft«. §. 5l. Stärke der Armeen. ForUetzuug.
und zwar; i) köniyl. Garden: i7,go8 M-, in 2 Infanterie-, 2 Grenadierreg., 1 Garde-
jäger-nnd 1 Gardcschiitzenbat. , wozu noch 4 Gardelandwchr- und 4 Grenadierland-
wehrbalail. kommen, dann an Cavalleric: 1 Reg. Garde du Corps, 1 Garde-Dragoner-,
1 Garde-Husaren-, lind 1 Garde-Uhlanenrcg. , 1 Brigade von 16 Comp. Arlilleric, 1
Pionnierabtlieilung, 2 GarnisonsLat. und 2 Invalidencomp.; 2) Linieninfanierie : 104,712
M. , in 36 Infanteriereg., 2 Jäger- und 2 Schiitzenbat. und 16 Garnisonsbat.; 3) Caval-
Icvie : ig,i32 M. , in 8 Kürassier-, 4 Dragoner-, 12 Husaren- und 8 Uhlancnreg. •
4) Artillerie und Genie: 15,718 M. , in 18 Arlilleriebrigaden, 3 Ingcnieurbrigaden nnd
8 Pionnicrabtbeilungcn, mid 5) besondere Corps, als das reitende Feldjägercorps, die
Gensd'ainicrie, der Siab, die Invaliden u. s. w. — 7,53o AI- In Kriegszeiten wird die
Stärke dieses Heeres durch die Landwehr auf 624,248 M. gebracht. Die Landwehr
zerfällt a) in die Landwehr des ersten Aufgebots = 179,624 M. , in 5l Reg. und 102
Bat.; b) die des zweyten Aufgebots, gleichfalls 179,624 M. stark, in 5l Reg- und 102
Bat. Bey ausbrechendem Kriege rückt die Landwehr des ersten Aufgebots mit der
stehenden Armee in's Feld, und wird gleich dieser verwendet, wodurch das stehende
Heer auf 344,624 Mann gebracht wird. Zum Landstufm gehören: 1) alle Männer bis
zum 5o. Jahre, die nicht im stehenden Heere, oder in der Landwehr angestellt sind;
2) alle Männer, die aus der Landwehre ausgetreten sind; 3) alle rüstigen Jünglinge,
vom 17. bis ziim 20. Jahre.
IV. Das französische Heer ist, nach dem Friedcnsfussc, auf 160,466 Mann ge-
setzt bj , nähmlich 1) königliche Garde: 17,781 M., in 10,800 Fussgardcn, 6784 Gar-
decavallcrie und 1197 Gardcarlillerie ; 2) Infanterie: 92,000 M. , in 86 Deparlemental-
Legionen, die im J. i8l5 an die Stelle der aufgehobenen Inlanterieregimenter getre-
ten sind cj;3) Cavallerie: 25, 000 IM-, in 2 Carabinier-, 12 Kürassier-, i5 Dragoner-,
6 Lancier-, i5Chass;'ur- und 7 Husarenregimentern; 4) Artillerie: 8l36 M., in 8 Reg-
zu Fuss und 4 Reg. zu Pfenle; 5) Genie: 2049 M. ; 6) Gensd'armerie : i5,5oo M. (wo-
von i5oo für Paris allein), nebst 70 Compagnii'U Veteranen, ig5 Mann Militär-Equi-
pagen u. s. w. Die Nalionalgarde soll 63o,oOü, nach andern gar i,5oo,ooo Mann be-
tragen dj.
a) Gleichwohl ist die russische Landmacht nicht so stark als die chinesische , welche , nach
Macarlnej , aus 1 Million Soldaten zu Fuss, und 800,000 Mann zu Pferde bestehen soll.
Andere geben die Slarke des chinesischen Heeres geringer an. Fächer, Regenschirm in Rei-
he und Glied; auch müssen die chinesischen Soldaten vor den Mandarinen aufdie Knie fallen.
b) Im Jahre i8n hatte Frankreich 800,000 Mann unter den Waffen.
c) S. Österr. Beob. i8i5. Nr. 253. S. 1264.
d) S. Polii. Journ. Janner, 1818. S. /f4-
§• 5i.
Fortsetzung.
y. Das Heer des deutschen Bundes bildet sich aus den Contingcnten der deut-
schen Bundesstaaten. Die Stärke dieser Gontingente ist nach der Bevölkerung der
Bundesstaaten (von 100 Köpfen 1 Mann) berechnet, wie sie 1819 bestand (s. Abth. H.
§. 5)- Das gesaiimiie Bundesheer besteht aus 3oi,637 M., worunter 222,11g M.Linien-
III. VerÜieidigungskräftc. ^. 5i. Stärke der Ainiceu. Forlsrlziciig, 5ßi
Infanterie, 11,694 Jäger, 43,090 M. Cavalleric, 21,717 M. Arlillcric und 5oi7 Pionniers
vuid Pontonnicrs. Für den Kriegsfiiss hat man 1 l Pioc. deiBcvölkcninji; nnj^^riiommcn,
wornacli das Heer im Kriege i5o,8l5 Streiter starker, mithin 452,4.52 Mann zahlen
würde. Das Bundesheer theill sich in 10 Armeecorps. Die drey ersten hildel Öster-
reich mit 94,822, die drey folgenden Preussen mit 79,234, das siebente Baiern mit
35,600 M., das achte, welches 3 1,835 Streiter zählt, Würtemherg mit i3,g55, Ba-
den mit 10,000, Hessen mit 6iq5, Hessen-Hom])urg mit 200, hcyde Hohcnzollcrn mii
5oi, die Stadt Frankfurt mit 47g, und Liechtenstein mit 55 Mann; das neunte, wel-
ches 3i,73o Mann stark ist, das Königreich Sachsen mit 12,000, die vier sächsischen
Herzoglhümer mit 3498, die drey Anhalte mit 1224, Churhessen mit 5679, Luxem-
burg mit 2556, Nassau mit 3o28, Sachsen- Weimar mit 2010, die beyden Schwarz-
hurge mit 990, und die beyden Reusse mit 745 Mann, und zu dem zehnten, welclies
28,866 Krieger zählt, stossen Hanover mit i3,o54, Holstein und Lauenburg mit 36oo.
Braunschweig mit 2096, beyde Mecklenburg mit 4298, 01denl)urg mit 2178, VVa'I-
deck mit 519, beyde Lip])e mit g3l , und die drey Hansestädte LiJbeck, Bremen und
HambuTg mit 2180 Mann. Die eigentliche Stärke des stehenden Heeres der vornehm-
sten deutschen Bundesstaaten, ohne Österreich und Preussen, ist, und zwar: Baicrns:
60;,ooo M., Würtembergs: 16,824 M., Sachsens: i3,3o7 M., Hanovers: 12,970 M.,
Badens: 10,979, Ghurhessens : 9359, Hessens: 8000, Mecklenburg-Schwerins: 3400,
Sachsen - Gotha's : 1875 j Sachsen - Weimars : 1800, Nassau's: 1688 (nach andern:
3ooo), Oldenburgs: i65o, Braunschwcigs: i5oo, und Hamljurgs: io5o Mann. Fast in
allen deutschen Bundesstaaten ist die Landwehr organisiit, wozu in euiigeu, wie z.B.
in Baiern, Würtemherg u. s. w. , noch die Reserve konnnt.
YL Das brittische Heer betrug im J. 1821 104,167 IMann , nähinlich: ,5412 IMmn
Garde, 68,767 M. Infanterie, 14,116 M. Cavalleric und 15,872 jNL Artillerie und Ma-
rine-Soldaten, in 3 Regimentern Fussgarde, 10 Reg. Reitergarden, 104 Reg- Füseli-
rem, 20 Dragoner- und 4 Husarenregimentern, und 1 Artillerieregiment. Die Miliz
betrug 76,0,50 M. , die Yeomanry und Volontair-Infanterie 66,34o M. , die Veteranen
10,000 M. Im J. 1822 wurde das Landheer, ausser den Truppen in Ostindien, auf
68,812 Mann reducirt. Der grössere Theil dieser Truppen steht, mit Ausnahme der
Garden , in den Colonicn.
VII. Das stehende , wirklich unterhaltene Heer der Osmanen belauft sich luige-
fähr auf 95,400 Mann, nähndich : a) 40,000 Janilscharen (Jenjitsclieri) aj , eine Gat-
tung Infanterie, in 196 Ortah's oder Odah's vertheilt; b) 3o,000 Mann Cavalleric, als:
12,000 ^l- Sipahi's und ungefähr 18,000 Dsclijebehdschiy ^ eine At von Kürassiers;
c) l5,40o Mann Artillerie, und zwar: i5,ooo T/ioptschjf oderKanon'icrs und 400 A^;m-
i^/7'af/i"c/yj' oder Bombardiers, und d) 10,000 sonstige Truppen, als Mineiirs, Waf-
fenschmiede, Artilleriefuhrwesen u. s. w. Im Jahre 1816 hat man aufs neue angefan-
gen, ein Corps Truppen auf curopäisch-nnlitärischen Fuss zu setzen, das aber gros-
sen Theils aus zusanmiengelaufenem Gesindel bestehen soll, und keine grosse Fort-
schritte in der Kriegskunst macht. — Diejenigen, die nicht beständig auf den Beinen
sind, sondern nur in Kriegszeiten Dienste thrm , sind: 1) die Inhaber der TuiKir-L.iii-
derejen oder Kriegslehen. Sie machen bey weitem den grösseren Thcil der SipulUs
38i in. Verlheidigungskräl'le. §. 5i, Starke der Armeen. FortseUung.
aus, und tlieilen sich in die Zaims ^ die von ihren Kriegslehen ein Einkommen von
20 — 100,000 Asper, und die Tiinnrioien _, welche ein Einkommen von 6 — 19,999
A.sper ziehen. Für jede öooo Asper Einkiinfle muss der Be.sitzer eines sok-.hcn Lehens
einen Reiter gerüstet in's Feld stellen. Das ganze Corps, welches durch sie aufge-
bracht wird , heläuft sich wenigstens auf i3o,ooo Mannj 2) die Seradkidj _, welche
jeder Pascha aus seinem Amtsbezirke auf seine Kosten werben muss, und die eine
grosse Zahl ausmachen. Unter diesen befinden sich auch die Serradsche _, die das Ge-
päcke bewachen müssen , und zugleich zu einem Ileservecorps dienen , und die Segh-
ban j eine Reiterey, welche dieselbe Bestimmung hat; 3) die freiwilligen Reiter, die
im Kriege ohne Sold dienen, um sich dadurch den Weg zur Erlangung eines Kriegs-
lehens zu bahnen ; 4) dieHülfstruppen, die von den Tribuiländern zur Zeit des Krieges
aufgebracht werden müssen. Übrigens lässt sich zuverlässig nicht bestimmen, wie gross
die Zahl der Truppen im osmanischen Reiche sey. Von 106,000 steigen die Schriftsteller
stufenweise bis auf 400,000 Mann hinauf. Wie gross aber inuiier die Zahl seyn mag, so
ist doch die militärische Macht der Pforte ei"enllicli nicht von grosser Bedeutuni; ,
o o o ■
der Soldat zwar persönlich tapfer, aber durchaus ohne europäische Disciplin. Dabev
kann niemand dem Soldaten von der Nationalmiliz seine Entfernung von der Armee
verwehren, wenn er vom 23. April bis zum 26- October gedient hat.
YIII. Die 5'yUrt/yii'c/ie Landmacht beträgt 65,683 Mann, nähmlich: a) königl. Gar-
de: 4353 Mann, in 1 Compag. Hellebardirer, der* Leibgarde und 2 Reg. Infanterie j
b) Lifantcrie: 44,000 Mann, in 37 Linicninfanlericregimentern und 12 Jäger-Bataillons j
c) Cavallcric: ii,55o Mann, in 14 Reg. schwere Gavallerie i:nd q Reg. leichte Caval-
leriej d) Artillerie: 6000 Mann, bestehend aus 5 Reg. zu Fuss, 5 Escadr. zu Pferde,
64 Comp. Veteranen, 5 Bat. Train , dabey Geniecorps, und i Rliiicur- und 1 Ponlon-
nierregimenl. In Kriegszeiten wird die Stärke dieses Heeres durch die Miliz aiif das
Doppelle gebracht.
IX. Das schwedische Heer besteht aus 53,557 Manu, nähmlich: 1) in Schwe-
den: a) aus io,53l Mann geworbener Truppen (5goo -M. Infanterie, 1175 M. Gavalle-
rie und 5456 iM. Aitillerie) , b) aus 3i,oj6 M. eiiigelhcilier Truppen, als: 35o5 M.
cingctheiller Gavallerie, 24,144 M. eingrihrilicn Fussvdks, und 3387 ^^- ^"^^^^ einge-
ihciliej 2) in Norwegen: 12,000 Mann, nähmlich: 9642 M. Infanlcrie , 1070 M. Gaval-
lerie, und 1288 M. Artillerie. Dazu kommen nun noch die Reserven luul Landwehren
— in Schweden 83,568, in Norwegen 10,000 Mann, womit die 5täike des Heeres auf
146,935 Mann gebracht wird.
X. Die niederländische Landmacht beläuft sich auf 60,000 Mann. Die Infanterie
besieht aus 12 Bat. Linientruppen, 17. Bat. Depot, 5 Bat. Jäger, 4 Reg. Schweizer,
1 Reg. Nas.sauer und 1 Jägerregiment, die Gavallerie aus 4 Divisionen Kürassiere, 2 Reg.
Dragoner und 2 H<^g. Husaren, die Aitillerie und das Genie aus 6 Direclioncn, wozu
noch 9 Gonip. Marechausse'e, 5i Bat. Miliz und i5 Bai. Infanterie, 1 Reg. Husaren
und 1 Bat. Artillerie für die Golonien konmien.
XJ. Das Heer des Königreichs hejder Sicdien war vor der neuesten Revohttion
(im July 1820), ohne die Reserve von 865o Mann, 5o,200 ^ianu stark, nähmlich 4000
M. Gaiden^ 42,000 M. Lijuiea-InfanieriC; 2000 M. Gavallerie, und 2200 M. Artillerie 3
IIi. Vcrtlifidigungskräfte. §. 5l. Stärke der Anufcn. FortscfT.iing. öM
dabey die Nalioiialiniliz des Festlandes aus i5 {^Ci^- , hi Bai. und 4g6 Comp., der In-
sel aus etwa 8000 Mann. Nach wicdeihergcstelllcr Ordnung der Dinye ward die Ar-
mee, weil sie an' den neuesten Ereij^uissen hauplsäclilicli Schidd war, tjanz aufj^clöset,
und 42,000 Üslcneicher übernahmen den Schulz des Reichs. Ein könif^l. Decret vom
1. July 1821 , "welches diesell)e neu organisirt, gibt zwar ihre Bcslandlheile folgender
Maassen an : 12 Corps königl. Ilaustrnppon ; 7 Liniencorps (jedes zu drcy Regimenter) j
7 Corps Reserve; 3 ständische Corps; und ein Landes-Gencralstab , lässt aber ihre
Stärke noch unlteslimmt.
XII. Das dänische Heer beträgt seit i8l5 38,82g Mann, nähmlich: Infanteri«;
3l,026, Cavallerie 33o2, Artillerie 4433, Genie 21 nnd Generalstab 47 Mann. Ausser-
dem ist eine Nationahniliz von 59,000 Mann vorhanden. Bis l8og betrug der Stand
der dänischen Armee gegen 108,000 Mann.
Xni. Das portugiesische Heer soU auf dem Papiere 34 — 56,ooo Mann betragen ;
1821 aber waren nur 21,416 Mann vollzählig, wovon i536 in Brasilien standen. Dazu
kommt noch eine Landmiliz, die aus 74 Regimentern, jedes zu 700 Mann, mithin im
Ganzen aiis 5i,8oo Mann besteht.
XJV. Die Streitkräfte, welclic die verbündeten Caiitone der Schweiz zu Hause
hallen, sind ganz unbedeutend. Das Contingent zimi Kriegsdienst aber, das jeder Can-
lon, zu Folge der Bundesacte von 1814, stellt, ist nach dem Verhältnisse von 2 Mann
auf 100 Seelen Bevölkerung bestimmt, und beträgt zusajumen 33,708 Mann, nähmlich
Zürich 3700, Bern 5824, Lucern 1734, Uri 256, Schwyz 602, Unterwaiden 382,
Glarus 482, />ug 25o, Frcyljurg 1240, Solothurn qo4, Basel gi8, Schaffliausrn 466,
Appenzell 972,81, Gallen 263o, Graubündten 1600? Aargau 2410, Thurgau i520,
Tessin 1804, Waadt 2964, Wallis 1280, Neuenburg g6o , nnd Genf 880 ^lann. Die
verschiedenen Waffengattungen des Conlingcnts sind nach dem Beschlüsse der Tag-
satznng: Artillerie, 32 Comp. — 2272? Sappeurs, 2 Comp. — 142 , Pontonniers,
I Comp. — 71 , Train, 1400, leichte Cavallerie, 17 Comp. — 1088, Scharfschützen,
10 Comp. — 1000, Infanterie, 204 Comp. — 25,199? Jäger, 20 Comp. — 2000, und
Bataillonsstab 586 Mann. Jeder erwachsene Schweizer ist Soldat. Die waffenfähige
Mannschaft wird in den ersten Bundesauszug von 33,758, in die Bimdesrescrve von
33,758 Mann , nnd in die Land\\ ehr eingclheilt.
XV. Die snrdinische Armee ist gegenwärtig sehr vermindert. Im J. 1790 bestand
sie aus 36,ig2 Mann, und wurde i8l5 bis auf 70,000 Mann gebracht; im J. 1817
aber wurde sie bis auf 16,000 Mann herabgesetzt, und ist gewiss jetzt um nichts stär-
ker, da Österreich, nach der Convention vom 24. July 1821, den Schutz des Reichs
übernommen hat. Doch ist eine zahlreiche Reserve und Landwehr vorhanden.
XVI. Das päpstliche Mililär ist gegenwärtig gioo Mann stark, die aus folgenden
Waffen bestehen: 8 Bat. Linientruppen, jedes zu 800 M. , 2 Bat. leichten Fussvolks,
jedes zu 600 M. , 1 Reg. Cavallerie zu 600 M. , 1 Artilleriecorps zu 400 M., 1 Bat. Ve-
teranen zu 400 M. , 1 Generalstab und 1 Stab für die Festungen. Auch besteht ein
Corps Carabiniers, das die Stelle einer Gensd'armerie vertritt.
XVII. Das Militär der übrigen euro])äischen Staaten beträgt, und zwar: Tosra-
na's: 3ooo, Parmas: i320, Modcnas: i3oo, Lucca^s: 800 und S. Marino s-.j^o— 00
384 in. Veillicidiguugslrättc. §. 5j. Auflinngung und Erganzunf; der Manusclialr.
Mann. Ausserdem isl in den vier ersteren Staaten eine Landwehr organisirt, und in
San Marino bildet die yanze waffenfähige Mannschaft eine Art Mihz, welche bereit
ist, sobald die Sluringlocke geläutet wird ; indessen ist man nicht mehr so misslraitisch
gegen Fremde wie vormals, wo die Thurmwächter läuten musslen, wenn sich drey
bewaffnete Manner zu Fuss oder zu Pferde der Stadt näherten. — Auf den jonischen
Inseln unterhalten die Brilten eine Macht von etwa 6400 Mann, worunter 4 Regimen-
ter Eingeborne. — Die freye Stadt Krakau endlich hält, ausser der Sladtmiliz und
einer Gensd'armerie von 40 Mann, kein Militär.
Übrigens ist das Vcrhältniss der Infanterie, Cavallcrie und Artillerie, an Mann-
schaft und Mörsern und Kanonen, oder die Organisation der Armee, nicht in allen
Staaten gleich; und weit noch abweichender ist das Verhäluiiss der Officiere und Ge-
raeinen gegen einander.
d) Ausser ihnen finden sich aber in allen Provinzen , besonders in den grösseren Gränzstäd-
ten, Janitscharen , ungefähr i5o,ooo M. , Bürger, die sich diesen Titel geben oder anwer-
ben lassen, um von willkührlichen Behandlungen der Pascha's frey zu bleiben, keinen Sold
erhalten , Dienste leisten , wenn ihre Stadt belagert wird , und sich nur zum Thcil beym
allgemeinen Aufgebote der Armee stellen.
§. 52.
Aufbringung und, Ergänzung der Mannschaft.
Die Mannschaft fiir das stehende Heer wird in den europäischen Staaten entwe-
der AuTch freiwillige Anwerbung oder durch Aushebung (Recrutirung) aufgebracht
luid ergänzt. Diese letztere Art ist die gewöhnliche, und zu deren Behufe sind die
Länder in gewisse Werb- oder Recrutirungsbezirke oder Militärcantone abgethcilt,
und die Conscriptionen (oder Seelenbeschreibungen) eingefnhrt, mittelst welcher der
Stand der Bevölkerung idjerhaupt, und insbesondere jener der waffenfcüiigen Mann-
schaft aufgenommen wird. Die meisten Werbungen fiir fremde Kriegsdienste gesche-
hen in der Schweiz, wo jeder einzelne Canton das Recht hat, ]\iilitär-GapilLilalionen
mit auswärtigen Staaten zu schliessen aj. Frankreich j Spanien ^ Grossbritannien
und die Niederlande haben Schwcizer-RegimenLer in Sold; dem letzteren Staate hilft
auch Nassau mit 2000 Mann aus. — Von wie vielen Köpfen einer Soldat seyn könne,
ohne dass der Wohlstand der Nation im Ganzen leide , lässt sich nicht im Allgemeinen
bestimmen. Montesquieu glaubt, von hundert Individuen könne man Eines zum Mi-
litär ausheben ; aber die Erfahrung hat dieses Yerhällniss nicht bestätigt; besonders
ward es in den neuesten Zeiten fast allenthalben überschritten. Die geographische La-
ge, die Nachbarn und das einmal angenommene System eines jeden Staates, oder
auch eine gewisse vorübergehende Notliwendigkeit, entscheiden hier oft mehr, als
die Zahl der Köpfe. — Die Dienstzeit des Soldaten ist sehr verschieden. Der franzö-
sische Soldat z.. B. muss 4 , der preussische 5, der spanische 6, der brillischc 7 , der
prlnischc 10, der dänische 12, der österreichische 14 im d der russische Soldat 25
Jalire dienen.
a) Von Ludwig XI. an bis zu Ludti^ig XIV. lieferten die Schweizer den Franzosen 1,110,798
Mann, und dafür zahlte Frankreich i,i4G;faüö,623 Livres. S. Den Coirespond. vonund^lür
Deutschland. 1817.
in. VeitljoidiguugskrViflc. §. 53. Unterhaltung Ucs Müll. §. 54. UnlerricMs- u. Erikhungsanst. 385
Unterhaltung und Verpflejjiing des MilitUrs.
Die Soldaten bekommen i) einen fcslgesclztcn Geldgeliak (Sold, Gage, Tracta-
inent oder Löhnung bey Unleioflicieren und Gemoinrn imd allen, die ihnen gleich zu
hallen sind) 5 2) Montur; 3) Quartier; 4) Servis (Holz und Licht); 5) Proviant, wel-
cher in Friedenszeitcn gewöhnlich nur in Brot])ürlioncn besteht; 6) Armatur; 7) die
Cavallcristen ausserdem Pferde und Fourage in Ralionen. Den grössten Sold bekom-
men die brittisc/ien Soldaten. Ein Gemeiner empfangt täglich einen Schilling (28 kr.
i Pf. in Convcntionsgold) , und wenn er 34 Jahre gedient hat, 1 Schill, o Ponces c/ J ;
die tägliche Brotpoitinn besteht in 2 Pfmid Pirot. Dagegen erhält ein gemeiner russi-
scher Musquctier jährlich an Sold nur g RvÜjcI 5o Kopeken, oder täglich 2^ Kope-
ken (1 Kopeke = 1 Kreuzer); an Proviant empfängt der russische Soldat 3 Tschet-
vs crt Roggenmehl und <2^ Tschetwert Grütze bj. — Ein Gemeiner von den österrei-
chischen Musquetiers empiängt in den deutschen und italienischen Erbiändern täg-
lich 5 Kreuzer, nebst einem Fleischbeylrage, und in den italienischen Erljliuidcrn
auch einen Gemüsebeytrag; in Ungern, Siebenbürgen und Galizien täglich 4 Kreu-
zer; die tägliche Brotportion beträgt in allen österreichischen Provinzen 2 Pf- — Ein
Gemeiner von Acn französischen Musquetiers empfängt täglich 3o Cenlimeti , oder
5 kr. 2 Pf. Conventionsgeld cj , ausserdem täglich 1 t Pf. Brot dj. — Die ökonomi-
sche Lage des preussischen Soldaten betreffend , so ist sie jetzt ganz verändert ; diess
zeigt schon der einzige Umstand, dass zu seiner Kleidung, die sonst mit 5 Ellen Tuch
besorgt war (er war in enge frostige Jäckchen gcpressl), nun 14 erforderlich sind. Der
Sold der ganzen Armee ist erhöht ej. — Ein gemeiner Janilschar empfängt bey sei-
ner ersten Einschreibung täglich 6 Asper, oder 4 Kreuzer 2 Pf. Sold, der aber nach
Alaassgabe der Länge seiner Dienstjahre und seines Wohlverhallens \ns auf i5 Asper,
oder 11 kr. 1 Pf. erhöhet werden kann. Denen, die wiiklich in den Odah s wohnen,
gibt der Sultan ausserdem täglich freye Kost. Im Felde besteht ihr bestes Gericht, be-
sonders vor einem Angriffe, in einer tüchtigen Schüssel Reis und Schöpsenfleisch;
diess nennen sie Pillaii; niemals wollen sie anderes, als frisch gcbackenes Brot essen.
e) S. Brcdow's Chronik des ig. Jahrhunderts. 1808. S. 16.
h) S. i>. Wirlimann a. a. O. Tafel XVIII. zu S. 354. ■
c) S. Bredoiv a. a. O. i8o5. S. 76Ö S.
ä) S. Polit. Journ. Dec. 1816. S. 1072.
e) S. Polit. Journ. Sept. 1818. S. 843. Vergl. II. A. L. Z. 1808. Nr. 3oo. S. 366 und A. Z.
1809. -Nr. 2G3.
§• 54.
Unterrichts- und Erzieliungsanstalten.
1) In Österreich: a) die A". k. I/igenieur-^knelemie zu Wien ; b) die Jx.k.Militür-
Jkademie zu Wiener-Neustadt; c) das Militäi-Eijuitations-Institut eben daselbst;
d) das militärisch- geograplnsclie Institut zu Mailand; e) die Marien- Luisen- Akade-
mie zu Waitzen; f) die Cadetten-Compagnien zu Ollmütz und Grälz; g) die Artille-
rieschulen und h) die Regiments-Erziehungshäuser, als: ao) das M diliij--E>ziehiings-
386 III. Vcrtlifidigungstrafte. j. 54- Liiii-riichts- und Erzicliurigsanst:ilun.
haus ZU Mailand, fiir ojo Söhne der obligaten Mannschaft vom Feldwebel und Wacht-
meister abwärts, von den 8 Lombardisch- V enelianischen National-Regiuicnicrn, wel-
che kein eigenes Erziehungshaus haben ; blj) die isolirten Rcgiinents-Knaben-Erzie-
hungshäiiser in den Provinzen. Solche zählt die Armee 5i. In jedem befinden sich
48 Zöglinge, welche in der Regel gleichfalls aus den Söhnen der obligaten Manu-
schaft vom Feldwebel und Wachtmeister abwärts gcvvdhlet werden. Die mährischen
Landslände haben im J. 1808 in den mährischen Regimenis-Knaben-Erziehungshäu-
sern 28 Plätze für Söhne von Landwehrmännern gestiftet, die jedoch gegenwärtig nur
nach Maassgabe der Siiftungsfonds-Einkünfte besetzt werden.
2) In Preussen: a) die allgemeine Kriegsschule zu Berlin 5 b) die vereinigte j4r-
tillerie- und Ingenieui schule eben daselbst j c) das Militär-Reitunlerj-icJits-Institut
ebendaselbst; d) die Schulen des Cexdette/icorps zu CaiIui , Potsdam und Berlin; e) die
Divisionsscladen. — Als militärische Priifungsanstailen sind zu betrachten; a) die
Ober-Militiir-Examinations-Coinmission zu Bcilin ; b) die Artillerie- Prüf ungs-
Comniission für Artillerie-Premiers-Lieutenants ; c) d\a\Prüfungs-Commlssioji für
Ingenieur-Capitains der ersten Classe; d) die JExaminatiofis-Commission für Porte^
Epe'e-Fähnriche hej den Brigaden.
3) In den rein deutschen Bundesstaaten, und zwar: a) in Baiern: 1) die Militär^
nnd Artillerie-Akademie zu München ; 2) die Cadettenschide ebendaselbst 3 b) in
Sachsen: 1) die Ingenieur- und Artitlericschule zu Dresden, vereinigt imter dem
Nahmen: Militär-Akademie; 2) das Cadettencorps ebendaselbst; c) in Baden: die
Ingeideurschule und die Militärschule zu Carlsrahe; d) in Hessen: die Kriegs- und
Artillcrieschule zu Darmsladt; e) in ßraunschweig: das Militärwaisenhaus zu Braun-
schweig. In Würtemberg ist die Cadettenanstalt, nach Hock , aufgehoben worden.
4) In der Schweiz: a) die Militär - Akademie zu Bern; b) die Militärschule
zu Thun.
5) In den italienischen Staaten, und zwar: a) in Sai'dijiieu: die im J. i8l6<Jrrich-
^c\.e Kriegsschule ; \i) mhey den SxcWven: 1) dna Mditär-Collegium zu Neapel, zur
Bildung der Olliciere voni Genie, der Artillerie und des Generalstabes ; 2) die Mditär-
Akademie ebendaselbst, zur Bildung geschickter Olliciere für die Regimenter; 3) die
Militärschule ebendaselbst , um die Uuterofiiciere und Soldaten zu unterrichten , und
Zöglinge für die Akademie zu bilden.
6) In Frankreich: a) die Ingcnieursclnde zu'^leii , \erein\'^l mit der Minirschu-
le und der Artillerieschule zu Chalous ; b) die Artillerieschulen in den Städten , wo
Artillerie-Regimenter in Garnison liegen; c) die Militärschulen zu la Fleche und Saint
Cyr; d) die Cavallerieschulen zu St. Germain en Laye und zu Saumiu-, welche letz-
tere zum Zwecke hat , Lehrer für alle Truppen zu Pferde zu bilden.
7) In Spanien: a) die IngenieurscJiulen zu Zamora, Segovia, Alcala de Henares
und Barcelona; b) die Fortificationsschule zu Carthngena; c) die Cavallerieschutc
zu Ocanna.
8) In Portugal : die Akademie der Artillerie und Fortification zu Lissabon.
g) In Grossbrilannien : die Militärakademien zu London und Woolwich.
10; In dl n Niederlanden: a) die Artillerie- wnd Ingenieurschulen zu Amster-
ni. Veitheidigiingskräfte. §. 55. Dlsciplin und Geübtheit der Soldaten. 367
dam und Dollt;'-!)) die Militärakademie zn Antweipenj c) die Militär schule zu
Hondsliolrcdyk, in der Nähe vom Haag.
11) In dem dänisdien Siaaic : a) dio Landcadtttenakademie zu Kopenhagen;
b) die ^rti/lerieschule ebendaselbst j c) die Lehranslallen fiir junge Krieger zu KieJ
und Rendsburg.
12) In dem schwedischen Staate : a) die Kriegsakademie zu Cailsberg; b) die
Oskarschiile für Sohlateiiknabcn ; c) das Cadetteninstitiit zu Christiania.
13) In Ruj.j.iand und Polen: 1) die drey CadeUencorps ^ wovon zwey zu St. Pe-
tersburg, luid eines zu Kaslronia, von ungefähr 4000 jmigen Leuten; 2) die Solda-
tensclinlen in den Gouvernements, eine sehr umfassende Anstalt, welche im J. 1818
46,000 Zöglinge zählte aj ; 3) die Artillerieschule zu St. Petersburg ; 4) das Militär-
waisenhaus ehend?k&e\hst; 5) die Reserve-Escadronenhcy denCavallericregimeniern;
6) die Cadettenschule imd die Militärakademie zu Warschau.
14) Im osmanischcn Reiche: die mathematische Schule zu Skiilari , zu deren
Besuche sowohl die Bombardiere als die Minengräber gehalten sind , die einzige Ein-
richtiuig , welche gleichsam die Stelle einer Ingenieur-Akademie im osmanischcn Rei-
che vertritt.
a) S. Ostcrreichischo militUrisdio Zeitschrift. 181g. Heft. i2. S. 264.
Disciplin und Geübtheit der Soldaten.
Die Hanptpflicht der Soldaten besteht in unbedingtem Gehorsam und strenger
Sid)ordination. Ohne diese Eigenschaften und ohne eine, unten auf die mannigfaltigste
Art gctheille Autorität, die aber oben straff angezogen in Einer I^and zusammenläuft,
kann jener i-egelmässige Gang in ^en Unternehnuuigcn nicht erhalten werden , der
dem Siege gebietet. Auch der höchste Grad von Tapferkeil muss ohne den unbeding-
ten Gehorsam oft sogar beym Angriffe sehr verderblich werden, und noch nachthei-
liger sind die Folgen bey einer Niederlage. In letztem Falle ist dann gewöhnlich alles
ohne Picttung verloren. Durch Mangel an Subordination, besonders wenn vom Rück-
zuge, oder vom Stürmen eines festen Platzes die Rede ist, zeichnen sich die britti-
schen Soldaten avts aJ , die auch sonst sehr insolent sind b) , und der Hang zu Meu-
tereyen ist den Janitscharen eigenth.nmlich, ein äusserst widerspenstiges, seine Vor-
rechte missbrauchendes Corps, das selten zur Hälfte in's Feld zu bringen ist. — Der
Soldat gebraucht Hände und Füsse im Kriege. Jene lernt er bald und leicht gebrau-
chen; die Füsse aber, worauf das mehrste ankommt, weil Bewegimgen und Wendun-
gen auf unscrn Schlachtfeldern das meiste entscheiden, erst nacli vielen Schwierig-
keiten und nach Übuneen gebrauchen , die anhaltend und in Gesellschaft von mehre-
ren Hunderten und Tausenden angestellt werden müssen. Zweckmässige Beförde-
rungsmittel der KriegsüLungen sind die Inspectionen über alle Arten von Truppen,
die Revuen und Manoeuvres. Die besten Soldaten sind die, welche am besten in den
Waffen geübt smd, am besten zu gehorchen wissen, und geschickte imd erfahrne
Generale haben ; auch die Jjesten Soldaten nützen nichts, weuu sie von schlechten
Gciicialeu coumiandirt werdcii..
49"^
388 111. Vcitlieidiguugskräfte. §. 56. Beloliiiiiin;eii und StrafcQ. §. 5;. Fesluugcu etc.
a) S. Erganzungsbl. z. A. L. Z. i8i8. Nr. 7. S. 52.
6) S. Lueder über Nationalindustrie und Staats wirtlischaft. Tlieil 3. S. i2i. Vergl. Ostorr.
Beobachter. 1814. Nr. 336.
§. 56.
Belohnungen und Strafen.
Das iiälitürisehe Verdienst wird in den europäischen Staaten ernmntert und Le-
lohnt: durch ^i^ancement _, Regiments-P^erlei/iiingerij Militär-Orden für Officiete,
durch mit Zulagen verhimdene Eltren-MedaiUen für Uutcroißciere und Gemeine ,
durch Commandanten-Plätze fiir verdiente Siahsofliciere, Pensionirung und Civil-
Bedienungen. In Russlund erliaUen die Soldaten und Unterofficiere auch JEhrenßin-
ten j die Oilicierc EhrendegeUj mit der Umschrift: fiir Dienst und Tapferkeit, ver-
diente Generale Ehrenzusätze zu den Familiennahmeu, nach dem Beyspiele der Rö-
mer; in Preussen werden verdiente Gencr.ile durch Bildsäulen belohnt; im osmani-r
sehen Rciclie sind vorzüglich Rosssclnveife (Tugg) die .Belohnungszeichen der Wesi-
re, Paschen und Bege. Fiir verunglückte und zum Dienste untauglich gewordene Krie-
ger, ihre Witwen und Waisen, sind in jedem Staate Invalidenhäuser und andere
militärische P^ersorgungsanstalten errichtet. In keinem Staate ist die Aufmimterung
bey den Soldaten so schlecht, als im Kirchenstaate j iheils wegen der geringen Ach-
tung, in der hier der Mililärstand steht, iheils wegen der Hoffnungslosigkeit eines
Avancements unter einer Heirschaft, die nie Krieg fidirt, theils wegen der Unterord-
nung des Kriegsdepartements unter Prälaten, die nichts davon verstehen, nicht das
Beyspiül der Thätigkeit und des Muthes geben können aj. In Grossbritannien ist
der grössern Aufmui»terung Jjey den Landtruppen der Umstand im Wege , dass die
Officiersstellcn vom Oberstlieutenant bis zum Fälinrich verkäuflich sind. Nur wenn
der Officier blciln oder stirbt, oder durch Unheil und Recht seiner Stelle entsetzt
wird, fällt dem Könige sie heim, um sie zu vergeben. — Die in den europäischen
Staaten eingeführten Militärstrafen sind sehr verschieden; in Frankreich z. B. Ar-
rest, Verweisung auf die Galeeren, Fortjagen und Infhm-Erklären; in Oesterreich:
Arrest, Cassation, Stocksireiche luad Spitzruthenlaiifcn; in Preussen sind Siockschlä-
ge und Gassenlaufen abgeschafft, dafür aber ist der Lattenarrest (eine wahre Tortur)
eingeführt (der Straffällige kommt nähmlich, gapz bis aivfs Beinkleid imd Ilenid aus-
gezogen, auf eine bestinmite Zeit in eine Kammer, deren Fussboden und Wände aus
dreykantigcn Latten bestehen) ; in Russlnnd: Arrest, die Knut, die Batoggen ; die Ja-
nilscharenbckoniinen Ruthenstreiche auf den Bauch, dieSipahis auf dieFusssohleu. s. w.
a) S. Andres statistische Übersicht und Merkwürdigkeiten (Ilt europäischen und aussercuro-
pUischen Staaten. Prag, 1821. S. i:78.
§• 57.
Festungen und andere Milit;i ranstalten.
Zu den ordentlichen Anstalten des militärischen Vcrtheidignnt^ssystems gehören
vorzüglich Festungen ^ d. i, feste Plätze zum Schulze gegen feindliche Einfälle und
^Atr Aufbewahrung der Kricgsgeräthe. Am häufigsten fuiden sich solche feste Plätze
III. Verthtidigniigskrafte. §. Sy. Festungen und anilcTe Mililäranstiltcn. 383
in den Niederlanden _, vornelinilicli in den nördliehen Provinzen , und in Frankreich,
besonders in dessen nordwestlichem Tlieile, ol)j,'leich die dreyf'aclic Fesnuif^siinie
dieses Staates, die sich vom Oherrhein bis zur Nordsee erstreckt, durch die Abtre-
tung wichliirer Plätze an Deutschland und die Niederlande einiire Andcrunifcn erlilteu
hat. Nächst Frankreich und den Niederlanden sind die meisten Festungen in Spanien,
besonders in Calalonien , der östlichsten Gränzprovinz ; dann in ftalieii j voinehndich
in dessen nördlichem Theile; in der Tilrkey , wo die meisten Festungen in Bosnien
liegen; in Russland _, besonders an der Ostsee und gegen die Tiirkeyj in Ungern^
das einige und zwanzig befestigte Plätze zählt j endlich in Deutschland, wo die mei-
sten Festungen im Brandenhurgischen liegc^, theils am westlichen Ufer der Oder un-
mittelbar, theils in einiger Entfernung davon. Dagegen sind die Schweiz und England
von Festungen fast ganz entblösst. Beyden Ländern stehen andere Mittel zu Gebote^
einem Feinde den Zugang zu erschweren. Jenem die Gebirge , diesem das Wasser
und seine F'lotten. — Zu den stärksten, diuch Natur luid Kunst befestigten Plätzen
in Europa gehören: i) Gibraltar , an der davon benannten Meerenge, die erste Fel-
senfestung in Europa, auf drey Seiton von Wasser umgeben, seit 1704 iu den Hän-
den der Engländer, ein mächtiger Stülzpunct in militärischer und merkantilischer Hin-
sicht; von der Seile des Mitlelmeeres, wo der Berg am steilsten und 14 bis i5oo Fuss
hoch ist, ganz unersteigbar, nach der entgegengesetzten Seite, wo die Abdachung
sich unvermerkt neigt, mit Vertheidigungsmilteln gleichsam bedeckt und unvergess-
lich in der Kriegsgeschichte dnrch Elliot _, der die schwimmenden Batterien der Spa-
nier durch glidiende Kugeln, die ein deutscher Nagclschmied angegeben hatte, vom
Felsen hervmter vernichtete aj. 2) Gaeta ^ in Unteritalien, 8 Meilen von Neapel. Sie
liegt am AJjhange eines Vorgebirges dicht am Meere, auf einer Halbinsel , wodurch der
Busen von Gaeta gebildet ist, und hängt mit dem festen Lande durch eine Etdzunge
zusammen. Ihre steinigen Umgebungen verstalteu keine Eröffnung der Laufgräben.
Man nennt sie das kleine Gibraltar. 3) Luxemburg in den belgischen Niederlanden.
Sie liegt auf einem hoheuFelsen, imdkann des felsigen Terrains wegen nicht auf eine regel-
mässige Art belagert werden. Sie ist zu einer deutschen Bundesfestung erklärt. Die
wichtigsten der übrigen europäischen Feslungen sind, und zwar: 1) in den Nieder-
landen: P'liessitigen j, Briel , ffeusden j, Nimwegen ^ Zwoll , Koevorden j Herzogen-
busch,, Breda und Bergen op Zoom (erbaut von dem berühmten Cohorn j dem Er-
finder der Granaten), dann Mastrichtj Antwerpen , Ostende ^ Nieuport j Gruve j
MeniUj. Marienburg nnA Philippei'ille bj. — 2) In Frankreich : Strassburg , Metz ,
J^alenciennes , Lille, Besangon , Arras , Grenoble j, Clierbourg , Brest, Rochefort,
Bayonne (Errmduiigsorl der Bayonnets) , Pcrpignan und Tuidon. — 5) In Spanien;
Barcelona j Figueras , Turragona , Lerida , Gerona , Tortosa , Ferrol , Sara-
gossa , Pampelor.a j St. Sebastian , Astorga , Ciudnd Rodrigo , Bad.ijoZj Cadioc
und Carthagena. — 4) In Itahen, und zwar: a) in Oberilalien: Mantua , Bergamo,
Pizzighetone , Verona, Peschlera , Legnago , Palma nova, Osopo und Venedig,
eine durch ihre natürliche Lage starke Festung; dann Alessandria , Stradella, Bo-
ghera , Tortona , Cusale , Fercelli \\\\AGeaua]\\) in Mitielitalien: Civita Vecchia,
.S. Leo bcy Urbino und d'iQ Engelsburg zu Rom; c) auf Sicilien: Sj rakus ; d) auf Mal-
3go in. Vertheidigungskräfte. §. 58. Arten der SchifTe. . '
ta: Valetta. — 5) In Deutschland und zwar: a) im Rheingebiete: Mainz j Landau ,
Wesel j, Coblenz j, Ehrenbre'itstein und Marienberg oder Frauenberg hey Würz-
burg, die beyden erstem sind zu deutsclien Bundesfestungen cj erklärt; ß) im El-
begcbicie : Magdeburg :, Torgau j, Königstein j Theresienstadt (ein Meisterstück
der neuen Kricgsbaukunsl), KöniggrätZj Josep/istadt (ehedeni ein Dorf vmler dem
Nahmen Plcss), i^/v/^ und Spandau ; y) im Odergebiete: Stettin^ Cilstrin_, Grossglo-
gau und Cosel j dann GlatZj Silberberg j Neisse und Schweidnitz; b) im Donau-
gebiete: OllmütZj Ku/stein und Oberhaus hey Passau. — 6) In Ungern und Slavo-
aien: Cornorn _, Ofen ^ Munkacs j, Leopoldstadt , Jradj Temeswar j Peterwardeinj
JSssek und Seinlin. — 7) I" der europäischen Türkey: Belgrad j IFiddin^ Brahi-
low CBridlaJ und die Dardanellen j die beyden Caslells , welche die unter dem
ISahmen Hellespont bekannte Meerenge decken. Sie liegen beyde au der Spitze von
Europa und Asien, einander gegenüber. — 8) In Russland und Polen: Kronstadt j
Helsingfors _, Sweaborg„ Lowisa,, Riga^ Kamenez-Podolsk ^ Assow _, Gotschin^
Bender j Ismail ^ Zamosc und Modlin. — 9) InPreussen: PillaUj Memelj Grau-
deiiz und Danzig. — 10) In Dänemark: Kopenhagen j Kronenburg bey Helsingör,
Korsöer j Njborg j Fridericia und Fricdriclisort. — 11) In Schweden: Gothen-
burg , Marsti'aiul j Landscmnaj Helsinborg,, Carlscrona und Christianstadt. JVax-
holm imd Friedrichsburg beschützen den Hafen von Slockhobn. Die Festungen Nor-
wegens sind, nach Hrn. Hassel ^ jetzt sämmtlich geschleift. — Von den zur Feldaus-
rüstung dienenden Anstalten, als: Gewehrfabriken ^ Kanonengiesserejen und Pul-
vermühlen war oben (s. Abth. L §§. ii3 und ng) die Rede.
o) S. Versuch eines Handbuchs der reinen Geographie als Grundlage zur höhern Militär-Geo-
graphie. Von Ferd. Kun:. etc. Stuttgart und Tübingen, i8i2. S. 54 ff. ^
b) Nebst der so beträchtlichen Zahl der Festungen hat das Königreich der Niederlande auch
eine eben so bedeutende Menge von Schanzen, davon die meisten in den Moorgegenden
des nordöstlichen Winkels der nördlichen Provinzen angelegt sind. Ausser den Festungen
und Schanzen sichert auch, zumahl in Holland, die Leichtigkeit, das Land unter Wasser
zu setzen , den Staat gegen feindliche Einfälle.
c) Ausser den drey deutschen Bundesfestungen Mainz, Landau und Luxemburg soll, nach öf-
fentlichen Nachrichten, noch eine vi(?rte am Oberrhein angelegt werden, um das südliche
Deutschland mit möglichster Kraft zu sichern , zu welchem Zwecke eine eigene Suumie aus
der französischen Contribution ausgeschieden worden ist.
B. Seemacht.
§. 53.
Arten der Schiffe.
Einige an das Meer gräuzende Staaten haben theils zu ihrer Vertheidigtuig, iheils
zur Sicherheit ihres Handels und ihrer Schifffahrt eine Seemacht nölhig. Sie besieht
aus Schiffen, die Orlogs- oder Kriegsschiffe heissen, und Kanonen und Equipage j
d. i. Besatzung fiihrcn, welche theils aus Matrosen, theils ausSeesoldalen (Marinen) rtj
besteht. Man theilt die Kriegsschiffe auf europäischen Fuss ein in Liniensüiiße ^ Fre-
gatten und kleinere Fahrzeuge. Die Linienschiffe heissen so, weil sie ihrer Grösse
wegen bey einer Seeschlacht in die Linie oder Schlachtordnung gestellt werden , luad
III. Vcrtlicicligiingskrifte. §. Sg. Starke der Seeinaolil 3gi
tragen zum wenigsten 5o Kanonen, nebst einer Besatzung von 23o — 800 Mann. Die
Schiffe von go Kanonen und darüber licissen insbesondere Drejdecker j weil sie drey
^''erdccke iiber einander haben, folghch auch eine dreyfache Reihe von Kanonen füh-
ren. Die übrigen liaben nur zwcy A erdecke. Die grössten Linienschiffe waren bisher
immer nur von 120, höchstens 1 24 Kanonen j doch wurden in der neuern Zeil in Grossbri-
tannien auch Linienschiffe von i3o Kanonen gebaut. — Die Fregatten führen ge-
wöhnhch 20 — 40 Kanonen, mit einer Besatzimg von 60 — 200 Mann , und hal)en nur
ein Verdeck, sind daher auch viel niedriger, leichler und schneller. Sie stehen in
Schlachten hinter der Linie, um die Signale der Admiralschiffe , wodurch die ganze
Flotte conniiundut wird, zu wiederholen, und stark beschädigte Schiffe aus der Linie
zu zielicn. Ausserdem werden sie zum Beobachten imd Auskundschaften, zum Verfol-
gen der feindlichen Kapgr und Kauffarilieyschiffe mid zu andern Unternehmungen
gebraucht. Ähnliche Dienste verrichten auch die kleinem Kriegsschiffe ^ die unter
20 Kanonen führen, und deren es mehrere Arten unter verschiedenen Nahmen gibt,
tds: Brigantinen j, Schaluppen ^ Kutter j Con<etten ^ Schebecken j Schooncr^ Shops
u. a. In Grossbritannien nimmt man wohl auch zwischen den Linienschiffen und den
Fregatten noch die Abtheilung der Fünfzigkanonensclüffe an, und versteht unter
denselben diejenigen Kriegsschiffe, welche mit 5o — 40 Kanonen besetzt sind. Die Ru-
derjalirzeuge _, unter denen die Galeeren und Gallioten die grössten sind , haben
einen ganz andern Bau und eigne Einrichtung , um sich zugleich der Ruder und Segel
bedienen, und auch in engen und seichten Gewässern fortkommen izu können. Sie
sind nur noch im baltischen und mittelländischeu Meere gebräuchlich. Die Bombar-
diergallioten sind schwimmende Mörserbatterien, lun Festungen von der See aus zu
bombardieren. — Eine grössere Anzahl von Kriegsschiffen nennt man eine Flotte _, eine
kleinere eine Flotille oder ein Geschwader- (Escadre). Die grösseren Kriegschiffe wer-
den von Capitains y die kleineren von Lieutenants commandirt, die Flotten von Ad-
miralen, die gewöhnlich von drcyfachem Range sind: Adinirale , J^iceadmirale luid
Contreadniirale. Die türkisclie Flotte hat zum obersten Befehlshaber den Caputhan-
Pascha j nach dem erst die Admirale folgen.
a) Die Türken nennen ihre Matrosen und Seetruppen Lecenli , wahrscheinlich nach dem Nah-
men Leoaniin , welchen die Italiener allen Rüstenbevvohnern von Griechenland und dem
Archipelagus geben , ^voller denn auch die meisten dieser Leveati gebürtig sind.
§• 59.
Stärke der Seemacht.
Die Stärke der Seemacht der verschiedenen europäischen Staaten wird nach
der Zahl und den Arten der Kriegsschiffe, diese aber werden nach der Sunnne und
Beschaffenheit der darauf befindlichen Kanonen gemessen, da es bey einer Seemacht
weit mehr auf die Menge und Verschiedenheit der Schiffe und Kanonen , als auf ei-
gentliches Handgemenge der Truppen ankommt. Daher denn die Zahl der Seetrup-
pen mit jener der Landtruppen in Europa um so weniger in Vergleichiuig kommen
kann, da die meisten Staaten von Europa ihrer Lage nach zurUnterhalltuig einer See-
macht gar nicht geeignet sind.
392 111. Vertheitligungskräfle. ^J. ög. Starke doi- Seemacht.
Unier allen Staaten von Europa unterhält Grossbvitannien die meisten Kriegs-
schilFej seine Seemacht ist wirklich so gross, dass ihr die Marine aller ührigcn euro-
päischen Staaten zusammen genommen, nicht gleich kommt. Am nächsten steht ihr
die Seemacht von Itnssland nnd Prankreich : dann folüet die von den NiederUui-
den :, Schweden j Spc.nien ^ Portugal und dem osnianischen Reiche; endlich kommt
die von Dänemark ^ Oesterreich j beyden Sicilienj Sardinien imd dem Kirchenstaa-
te j, wie aus nachstehenden Angahen zu ersehen ist.
A) Grossbritanniens SeemAcht hestand im J. i8l3 aus 25o Linienschiffen, 26
Scliid'en von 5o — 44 Kanonen, 263 Fregatten, 144 Sloops imd Jachten, 11 Bondion-
schiffen, 210 Briggs, 43 Klittern, gy Schoonern und .andern kleinen Fahrzeugen, im
Ganzen 1044 Kriegsschiffen mit 26,qoo Kanonen und 145,000 Malrosen. Im J. 1820
waren in Commission gesetzt, d. i. zum wirklichen Dienste ausgerüstet: 161 Linicn-
schiff"e, 34 Schiffe von 5o — 44 Kanonen, i55 Fregatten, i83 Briggs und i5o Jachten
und kleinere Fahrzeuge, üherhaupt 663 Kriegsschiffe, etwa die Hälfte derjenigen, die
in den hrittischen Häfen vorhanden sind aj. Die Flotte ist unter 3 Escadren, der ro-
then, weissen und hlaucn Flagge, vertheilt.
B) Bussland hatte im J. i8l3 eine Seemacht von 28g Segeln (worunter 32 Li-
nienschiffe und 18 Fregatten), mit 4348 Kanonen und 32,046 Mann Besatzung. Im J.
181g hestand die russische Seemacht aus jo Linienschiffen, 18 Fregatten, 6 Kuttern,
7 Briggs , 54 Schoonern, 20 Galeeren, 20 schwinnncnden Batterien, 121 Kanonier-
höien u. s. w. , zusammen aus mehr als 3oo Segeln mit 5ooo Kanonen, und einer Be-
mannung von 33,000 Matrosen , gooo Seesoldalen und 3ooo Seeartilleristen. Die Flot-
te theilt sich in drey Divisionen: in die von der weissen, rothen und hlauen Flagge.
Jedo Division hesteht aus der Linienflotte in der Ostsee und im schwarzen Meere, und
aus der Ruderflottc in der Ostsee und im schwarzen Meere. Ausserdem noch eine
Floiillc auf dem caspischen Meere und eine Flolille im ochotzkisehen Meere.
C) Frankreiclis Seemacht zählte im J. 1821 : 58 Linienschiffe , 3g Fregatten und
28q geringere Fahrzeuge, als Kutter, Sloops, Briggs, K.inonierhötc u. s. w., in al-
lem 38g Schiffe mit 11,000 Matrosen. Sie ist unter fünf Commando's: Brest, Lorient,
Toulun, Rochefort und Cherhourg vertheilt, wo sich auch die fünf SeeartiUcrieparks
befinden.
D) Die Niederlande unterhielten im J. 1821 : 16 Linienschiffe, 16 Fregatten und
45 sonstige Kriegsfahrzeuge, im Ganzen -7 Segel. Es gal) aber eine Zeit, yvo Hollands
Marine sich in weil besserem Zustande befind; i652 halte Tromp 52, IFassenaer
mehr als 100, und 1672 Ruiter 43 Linienschiffe unter seinen Befehlen.
i. E) Die .fc/uvef/ijrc/ie Seemacht besteht aus Aqv Kriegsßotte {Oer\oq^s-Y\oll.a) und
der Skäienßotte (Skärens-Flotta) , d. i. derjcuigen , welche zwischen den Klippen
und Inseln an den Küsten gebraucht wird. Jene zäldt 40 Segel (worunter 12 Linien-
schiffe und 8 Fregatten) mit 1243 Kanonen, diese 264 Segel mit 1436 Kanonen. Zu
bc\denFiulteu gehören 56g4 Matrosen und 25,73q Mann Scesoldaten, nähmlicli 10,704
stehende Truj)pen und i3,o35 Reserve. Ausserdem besteht eine sogenannte Flutte
der Armee j, die für die Unterstützung der Operationen der Landarmee, besonders
bey Verihcidigung der Skären oder Schceren bestimmt ist;, luul aus 60 flachen Fahr-
III. Yertlicidiguneskrafte. §. 5q. Siiirko Jer Seemaclit. ögö
zeugen besteht. — Norwegen unterhält bloss eine Sluirenflolle von 126 ScliifTen mit
564 Kanonen.
F. Die i^pr/zuic/je Seemaclit ist tief gesunken; im J. 1796 zählte sie 72 Linien-
schiffe, und noch im J. 1808 überhaupt 288 Segel, woninter zj2 Linienschiffe und 3o
Fregatten waren; im J. 1821 aber waren nicht mehr als 12 Linienschiffe, ig Fregat-
ten und einige 3o kleinere Fahrzeuge dienstfähig, die unter die drey Scedeparlements
zu Cadix, Ferrol und Cartliagcna verlhcilt waren. Im J. 1817 überliessen die Russen
den Spaniern 5 Linienschiffe und 3 Fregatten von Fichlcidiolz.
G) Die türkische Marine bestand vor der Katastrophe hcy Scio (ig. Juny 1822)
aus i5 Linienschiffen, i5 Fregatten und ungefähr 60 Galeeren und kleineren Fahrzeu-
gen, zusanmicn aus go Segeln; gegenwärtig zählt sie nur noch 70 Schiffe. In Kriegs-
zeilen wird sie durcii Fahrzeuge aus Ägypten inrd den Staaten der Berbercy verstärkt.
Die Osmanen sind schlechte Seeleute.
II) Portugals Seemacht zählte im J. 1817: 10 Linienschiffe, 14 Fregatten imd
40 sonstige Kriegsfahrzeuge, wovon q Linienschiffe und 12 Fregatten theils in Brasi-
lien , iheils in den übrigen Colonien waren. Gegenwärtig besteht die ganze dienstfähi-
ge Marine aus 38 Segeln, worunter 4 Linienschiffe und 8 Fregatten. In Ausbesserung
liegen auf den Werften: 5 Fregatten, 5 Corvettcn und 1 Brigg.
I) Die dänuche Marine zählt gegenwärtig 3 Linienschiffe, 6 Fregatten, 5 Briggs
und 86 Kanonieiliöte, wozu noch einige andere Kriegsfahrzeuge kommen , zusammen
n)ii 58o Kanonen. Iin J. 1806 bestand sie aus 20 Linienschiffen , 16 Fregatten, gBiiggs,
1 Schooner, 17 Königsböten, 8 Söliings- oder Lotsenböten, 12 Kanonierböten,
6 Kanonierschaluppen und 5 Kanonenjollen. Die ganze Anzahl der Kanonen, die Zahl
der Kanonen der schwinunendenDefension, der schwimmenden Batterie und der festen
Defension bey Kopenhagen schon mit eingeschlossen, betrug 2382, der Carronaden
il02 , der Haubizen 222 und der i5opfnndigen Mörser 5.
K) Oesterreichs Marine, deren (>ommando in Venedig ist, besteht aus 4 Linien-
schiffen, 8 Frf galen, 1 Corvelte, 6 Briggs, 6 Goeletten oder Schooners und 20 Kano-
nierschaluppen, zusammen 45 Segeln. Es gehören dazu 1 Marine-Genie-Corps, 1 Arse-
nal, 1 Marine-Artillerie- Corps, 1 Malrosen-Kanonier-Corps und ein Marine-Infanlerie-
Balaillon. Ausserdem unlcrhält Österreich eine FlolUle auf der Donau, deren Stabsquar-
tier zu Tiud ist. Sie besieht aus 33 Czaikcn.
L) Die Seemacht bejder Sicilien bestand 1820 aus 3 Linienschiffen, 5 Fregatten,
4 Gorvetten imd 234 kleineren Fahrzeugen; allein davon waren bloss g6 Schiffe dienst-
fähig, 73 reparaturfähig, und lagen auf den Werften, der Rest völlig unbrauchbar.
M) Sardinien hat 4 Linienschiffe und 4 Fregatten zu Genua; zu YillaFranca und
Cagliari sind 3 Schooner und einige Galeeren slalionirl.
N) Die päpstliche Flotille im Hafen von Civita Vecchia endlich besteht aus 2
Fregatten und einigen kleineren Kriegsfahrzeugen.
Auf dem Aachiier Congresse wurde die gesamnue europäische IMarine auf 462 Li-
nienschiffe, 370 Fiegallen und io32 kleinere Kriegsschiffe angegeben, zu deren Be-
mannung gegen 1 Million Menschen erfordert werden bj.
5o
jgi irt VortheidigungstrafU'. i. üg. ijtiuke der Seci.u\i.lil.
o) Scala der briUischen Marine; in Archenholz' ens Minerva. 1801. B. o. S. 3-5. fl.
Touuon. Seeleute.
Die Kriegsflotte, welche die Röniginn Elisabeth im J. i588 gegen die •'i^''-<.>ti ■' ■.
unüberwindliche spanische Armade ausschickte, enthielt an Toniieülast*^'^ ' ''
und Besatzung . ; 3i,983 15I272
Als Wilhelm III. im J. 1686 den Thron bestieg , war die Grösse der
brittischen Kriegsmarine 101,002
Im J. 1704, zwey Jahre nachdem die Koniginn Anna den Thron be-
stiegen hafte 104,745 41,000
Als Georg II. im J. 1727 zur Regierung kam 170,862
Beym Regierungsantritte Georgs III. 1760 3oO;4i6
Im J. 1800 790,960 i3o,ooo
Die brittische Marine ist also unter der Regierung Georgs III. mit 490,454 Tonnen und
89,000 Seeleuten vermehrt worden.
Der Zuwachs der brittischen Marine seit dem J. 1773 — 1808 erhellet aus folgender An-
gabe ihres Personals:
Am 1. Janncr 1773. Am i. Jiinner 1Ö08.
Admiral der Flotte 1 1
Admirals der weissen Flagge ... 2 14
— blauen — ... 6 ]5
— rothcn — ... o 18
Vicoadmirals der rothen Flagge 3 16
— weissen — 5 j5
— blauen — 5 . . . .' 24
Contreadmirals der rothen — 4 11
— weissen — 3 18
— blauen — 4 29
Capitäns — — — 327 700
Commandeurs — — — i2o 4gq
Lieutenants — — — 932 2900
Summe 1412 4260
S. Allg. geogr. Ephem. B. 26. S. 110.
Bis zum J. 1800 haben die Britfen den Franzosen 45 Lienionschiffc und 270 Fregatten
und Schaluppen, den Holländern 20 Linienschiffe und 64 Fregatten und Schaluppen, den
Spaniern 8 Linienschiffe und 67 Fregatten und Schaluppen genommen. S. Minerva a. a. O.
B. 3. 1801. S. 282 ff. Im J. 1807 ging bey dem Überfslle von Kopenhagen auch der grössle
Theil der dänischen Kriegsschiffe in die Gewalt der Britten über , nähmlich : 18 Linien-
schiffe , i5 Fregatten , 6 Briggs und 25 Kanonenböte , zusammen 64 Segel mit 1992 Kano-
nen, deren Baukosten man, ohne Takelwerk und Kanonen , auf 7,134,000 fl. schätzte. S.
Meusel's Lehrbuch der Statistik. 4. Ausg. Leipz. 1817. S. 456. Bey jenem Überfalle winden
die verheerenden Congrei^eschen Brandraketen von den Engländern gebraucht , und als ein
neues Experiment probirt. Man beschreibt diese Brandraketen als mit Haken versehen , wo-
durch sie an die Gebäude angeklammert werden , und auf diese Art weit gefährlicher und
verheerender als Bomben sind. Es gibt nach dem Maasstabe der Entfernungen 3 Grade in
dieser neuen Waffe; der stärkste sclüessl beynahe eine Stunde weit; das darüber geschüttete
Wasser vermehrt nur die Heftigkeit der Flamme.
b) S. Polit. Jüur. Fehl-. 1819. S. 126 ff.
III. Yertlieidigniigbkräftc. * 60. M-.riat--AnstaUcji. SgS
Marinc-A.'nsialtcn.
Die Scomaclu erfordert i^rosse Auslalten: befesligte Iläfeiij wo die Scliiffe in Si-
«hcrheit liegen können, Werlte zum Baii; Docken zur Kalfaierung oder Ausbesseruni;
der Schiffe, Arsenale oder Seezeugliäuser und Mai,Mzine aj , Schiffbau-, Schifffahrls-
Hud Steuermanns.schulenZ>J, See-Cadellcn-Inslilulc cj , Hospiüilcr fia- kranke und des,
Dienstes unfähige Seeleute, Anstalten nni die zur Bemannung der Flotte uolhigc An-
zahl Matrosen aufzvdjriugen dj , die kein Staat iinnier vollzählig unterhält. Denn im
Frieden liegt die Flotte abgetakelt im Hafen, und nur bey Kriegsgefahr wird sie aus-
gerüstet, d. i. sie empfängt Segel und Tauwerk, Anker vmd Kanonen, Munition, Pro-
viant und Equipage. Die Materialien zum Schiffbau, als Bauholz, Masten, Eisen, Ku-
pfer, Hanf zu Segeltiichern und Tauen, Theer imd Pech , welche nicht alle See-
mächte in hinreichender SIenge, wenige in Überfluss haben ej ,' geben Gelegru-
heit zu einem wichiigen Handel. Die Seemacht erfordert verhältnissmässig weit grös-
seren Aufwand, als die Landmacht. Der Bau und die Ausrüstung der Schiffe fj, die
Unterhaltung der Malrosen und Secsoldaten g-J, und der oben angeführten Marine-
Anstalten erfordern ungeheure Summen.
a) Die besten, grössten und am stärksten befestigten Kriegshäfen in Europa sind, und zwar
in Grossbritaimien : zu Portsniüuth (dem Contralpuncte der brittischen Marine) und Ply-
mulh , dann zu Deplford, Woolwicb , Schcerness , Cbalain , Hüll und Berwik; in Portu-
gal: zu Lissabon, in Spanien: zuCadix (der erste spanische Rriegshafen) , Ferrol und Gar-
thagena; in Frankreich: zu Brest (Hauptstandplalz der französischen Marine) , Rochefürt,
Toulon und Clierbourg; in Italien: zu Venedig, Genua, Civitaveccliia, Neapel u. s. w. ; in.
den Niederlanden: der Helder, Antwerpen, Vliessingen und Helvötsluys; in Dänemark:
zu Ropenbagun, wo gewöhnlich die ganze dänische Flotte Hegt; in Schweden : zu Carls-
ci-ona , wo die Hauptflotte verwahrt wird;, die Skärenflotte liegt zu Stockholm, Gothenburg
und CarlsCrona ; in Russland : zu Kronstadt (dem Haupthafen der OslseefloUe) , Roggers-
■ Holm (dem Hafen der Riulerflotte auf der Insel Rotka) , Achtiar oder Sewastopol und Ni-
kolajew (den Hauptniederlagen der russischen Marine am schwarzen Meere). Die eben an-
geführten Rriegshafen sind grössten Tbeils auch mit Schiffswerften , Docken und Arsenalen
versehen. Das erste Arsenal in Europa ist zu Venedig. Es nimmt eine ganze, mit hohen
Mauern umgebene Insel ein. Voij. den Fianzosen bis a,i^f;die Nägel ausgeplündert, ist es jetzt
wieder mit den p.öthigen Bedürfnissen des Seekrieges und Schiffbaues ausgerüstet. E.'^ ent-
hält 16 Werfte zum Schiffbau.
b) S. Abth. II. §. 24- — c) Solche Institute befinden sich zu Portsmouth , Plvmoulli und
Woolwicb, zu Lissabon, Cadix , Ferrol und Carlhagena, zu Amsterdam, Delft und im
Haag, zu Ronenhagen, Carlscrona- Carlsberg und St. Petersburg. In Venedig ist die Er-
richtung eines Marliie-CadclUa-CoLlegiums im Werke begruTen.
, c) Die B.emannung der Kriegsschiffe geschieht auf verschiedene Art. In l\uxi<dand z. B. , so
wie ifi Scliwedei) und Dänemark , werden die Matrosen und Seesoldaten aus den Seebezirken
ausgehoben. In Frankreich werden sie durch das Loos aus der jungen JVIannscliaft der dem
Seewesen zugelheilten Districte erwählt. In Grossbrilannien werden sie iherts geworben ge-
gen ein ansehnliches Handgeld , theils mit Gewalt weggenommen , oder wie man es zu nen-
nen ^{h^s,V , gepresst , ohne dass die Nation es für einen Eingriff in ilire Freyheit iiäll , woid
eingedünk, dass der Staat dein Dienste zur See seine Grosse zu danken hat.
3q6 IV. Finanzen. §. 61. Quellen der SUalseiukünitc.
d) Russland z. B. üefort Alles, was zur Vollendung und Ausrüstung seiner Flotten gehört,
von vorzüglicher Güte; aber das wesentlichste Material, daueriialtes Schiffbauliolz , fängt
ihm in den grossen und besuchtesten Forsten schon an zu mangeln. Dagegen wird Portugal
mit vortrefflichem Schiffbauholz in Überfluss aus Brasilien verschen: aber das Eisen-, Ru-
pfer-, Segel- und Tauwerk muss von Fremden erkauft werden, und Holland liefert nicht
Ein Materiale für den Schiffbau in einigem Yorralhe.
e) In Grossbrilaniiien z. B. kostet der Bau und die Ausrüstung eines Schiffes von 100 Kanonen
ungefähr 60,000 Pf. St. , nach andern gar 80,000 Pf St. In Hussland betragen die Kosten
eines Kriegsschiffes von 64 Kanonen und Eichenholz in St. Petersburg 100,000 Rubel , eines
eben solchen von Lerchenholz in Archangel 60,000 Rubel.
y) Den höchsten Sold empfängt das Persona'Ider brittischen Marine. In Kriegszeiten erhält
der Admiral von der rofhen Flagge täglich 5 Pf. Sf. , jeder' andere Admiral 3 Pf 10 Schill.,
ein Viceadmiral 2 Pf 10 Schill, und ein Gontreadmiral 1 Pf 16 Schill., jeder Matrose aber
monathlich 4 P'- S. Wenn nun zur Bemannung einer Flotte von 70 Linienschiffen 40,000
Seeleute gehören: so kann man, leicht berechnen, wie kostbar die Unterhaltung einer Flotte
sey. In Russland empfängt ein Admiral jährlich 36oo , ein Viceadmiral 2i6o, ein Gontread-
miral 1800 Rubel, ein Matrose von der ersten Classe i2, von der zweyten Classe n Rubel
5o Kopeken.
IV
n z e n.
§• 61.
Quellen der Staatseinkünfte.
Die europäischen Staaten müssen , als Staaten cultivirter Völker , viele ausga-
ben machen , um dasjenige bewerkstelligen ziiköniien, was sowohl zui- Behauptung
ihrer politischen Selbstständigkeit, als zur Erreichung ihres geistigen luid physibchcn
Wohls erforderlich ist. Sie müssen also auch isiV/A^/zyic haben, auf deren Bliihen und Ge-
deihen beynahe Alles ankommt: die Sicherheit und Kraft des Staates, das Gliick der
Unterlhanen, der Ridim und das Ansehen des Regenten. Daher machen die Einsich-
ten in die Behandlung der Slaatseinkimfte , der Grundlage des gesellschaftlichen Ge-
bäudes, vielleicht den 4iülzlichsieh und wesentlichste^ Theil der Kenntnisse eines voll-
endeten Staatsmannes aus. Die Einkünfte werden in den europäischen Staaten auf
mancherley Wegen erhalten, fliessen aber oidenllicher Weise aus 5 Quellen:
l. Domain en _, Landgüter, welche in dieser Rücksicht Ä/o/i- oder Kammergüter _.
s.\ich Staatsgüler hoÄs&nn , und. oft ganze Amier ausmachen. Sie sind ein Eigcnlhiun
des Staates, mid waren in allen Zeilen die einzige Quelle von Staatseinkünften, ni-
sonderheit zum Unterhalte des Regenten bestimmt aj. In Gj-ossbritannien sind die
Domainen sehr unbedeutend bj , da der grösste Theil derselben vor, zu und nach
CromweU's Zeilen veränssert, und dem Könige von der Nation eine bestimmte Sum-
me, die man die Eiimahme der Ci^illiste neiint, aus der Schälzkaiumer bewilliget
wurde. Desto beträchtlicher sind die Domainen in andeicn Staaten , besonders m Spa-
nien cj ^ Portugal^ Russland dj , Oesterreich ej j Pieusseii fj _, Hanover gj ^
IV. Finanzen. §. 86. Quellen der Staatscinlimlle. 3q,
Baiern hj j Tf'ürtemberg ij u. s. w. — Von den Doraainen unlersclieideu sich die
Patrimonialgütev j welche ein Regent durch Erhschafl, Kauf oder Schenkung er-
langt; und über die er nach Belieben vcifiigen kann. Er pflcg't sie nicht von der Kam-
mer, sondern von einem besonders dazu verordneten Ajnte verwallen zu lassen, und
sie fuhion auch den Nahmen der Ch ntoul gilter ^ welcher aber auch zuweilen solchen
wiiklichen Domainen beygelegt wird , deren Einkünfte zu den eigenen Handausgaben
des Regenten bestimmt sind.
II. i^e'^^i/fV/ij oder Einkünfte von Rechten über solclie Gegenstände, die sich
der Staat vorbehalten hat, um sie so zu J^enutzen, wie es das allgemeine Wohl erfor-
dert, und kein Privateigenthümer ihun könnte oder würde. Sie sind nicht in allen
europäisclien Staaten gleich, und werden hier und da sehr weit ausgedehnt. Derglei-
chen sind : i) das Strassenregal ^ bestehend aus dem Zoll- oder MdiitlirechtekJ und
dem Geleitsi-echte ; 2) das Postregal iJ ; 3) das JFasserregid; 4) das Jagd- und das
Fiwstregal; 5) das Bergwerks- und das Salzregal mj ; 6) das Münzregal nj ; 7) end-
lich erklärt der Staat zuweilen noch irgend ein Natur- oder Kunstproduct, das einen
lioJien Ertrag verspricht, für ein Regale, und treibt Alleinhandel damit, oder verpach-
tet es. Am drückendsten sind dergleichen Staatsmonopole , wenn die Producle der
Nation durch Zwangsgesetze aufgedrungen werden.
a) Über die vortheilhafteste Benutzung und den Verkauf der Domainen. Ein staatswirlhstliaft-
lichor Versuch \on G. fVolineil. Berlin, 1811. 8. Vergl. H. A. L. Z. Kr. 23i. i8i-2. S. i56fr.
b) Der Ertrag derselben beläuft sieh nur auf 1,4271614 fl.
c) Es besitzt für mehr als 1100 Mill. fl. Staatsgüter.
d) Wo die Zabl der Kronbauern inännlidien Geschlechts, die gleichsam die kaiserlichen Do-
mainen ausmach<;n , nach der Revision voa 1785 über 456741OOO Individuen betrug. Der Er-
trag derselben besteht hauptsächlich im Obrok , d. i. einpr Geldabgabe, die die Kronbauern,
nähmlich 3 — 5 Rubel von jeder männlichen Seele zahlen müssen. Nach dem Ukas ^on i8io
müssen die Rronhauern ausser dieser und der Kopfsteuerabgabe, nach der Fruchtbarkeit
des Gouvernements, noch 2 — 3 Rubel entrichten. Im J. 1792 brachte der Obrok von den
Rronhauern 11,680,000 Rubel ein.
c) Wo sich die Staatsgüter im J. 1800 der Zahl nach auf 1001 beliefen. Ihr Capitalwerth ward
auf 3oo Mill. fl. geschätzt. Jetzt sind \iele davon veräussert. Iftdess mag diese Rubrik noch
immer 5 — 7 Mill. (nach andern 14 Mill.) ertragen. Ein ansehnlicher Tlieil der aus den auf-
gehobenen Klöstern entstandenen Staatsgüter ist zur Fundirung des Studien- und Kirclien-
vvesens bestimmt.
f) Wo die Domainen und Forsten zu den Staatseinkünften über 8,406,000 fl. beitragen.
g) Wo der Ertrag der Domainen sich auf 5 — 6 Mill. fl. beläuft.
h) Wo die Domainen jährlich 2,6443oo fl. abwerfen.
i) Wo die Domainen jährlich ein Einkommen von 2,721,900 fl. gewähren.
k) Im J. 1804 wurden im Innern Frankreichs die ehemals schweren Chaussee- und Weggel-
der aufgehoben , so , dass jetzt nur Gränzmauthen , zur grossen Bequemliclikeit der Re. sen-
den und dcb Innern Verkehrs , gezahlt werden. Als Ersatz für die im Innern Frankreichs
aufge.hobenen Mauthen wurden die sogenannten cirvils reunis eingeführt. Diese droits reusis
umfassen die Abgaben von Wein und andern Getränken , die Regle der ausschliessi-nden
Tabaksfabrication, die Abgaben von Fuhrvverken , von Spielkarlen nnd gesloclienrn Musi-
kalien, die gestämpelt werden müssen, von Gold- und Silberarbeiten, von der unicrn SlIuü-
fahrt , von Canälcn und Salz.
398 IV. Finanzen. §. 62. Quellen der Slaatseinkünfte. Forisetiuug.
T) Die grosste Einnahme gewähren die Posten in Grossbritanuien und Frankreich. Dort be-
trug im J. 1819 der Ertrag der Briefposten allein 14,160,000 fl. ; fahrende Posten sind da-
selbst ein Privatinslitiit. In Frankreich warfen die Posten im J. 1819 22,460,000 und im J
1821 24,3io,ooo Franken ab. DasBrieljporto in Paris allein betrug im J. 1807 über 3,g37, 000
Fr. Dagegen belief sich der Ertrag der Posten in Preussen im J. 1821 nur auf 1,200,000 fl.
m) In Preussen macht das Salzregal einen Gegenstand von 6,700,000 fl. , in Russland von i5
Mill. Rubel , in Österreich von i5— 16 Mill. fl.
/)) Es trug unter andern in Frankreich im J. 1808 900,000 Franken ein. Dagegen zieht Gross-
brilannien aus seinem Münzrechte nicht nur gar keinen Gewinn für die Staatscasse, son-
dern opfert auch noch jährlich eine beträchtliche Summe auf, um jedes Mal alle abgeschlif-
fenen Münz.en durch gehaltreichere zu ersetzen.
§. 62.
Fortsetzung.
IIL Wenn die vorgenannten Quellen zur Deckung des Staatsbedarfs nicht zureichen^
•wie es jetzt der Fall in allen europäischen Staaten ist: so muss der Staat den Uiiler-
thanen Beyträge an äussern Gütern auflegen, und diese sind allerdings verpflichtet,
von ihren Einkünften oder ihrem Gewinne einen verliältnissniässigen Theil dem Staate,
der ihre Person, ihr Eigenthum und ihr Gewerlie schützt, abzugeben. Dieser Staals-
antheil an dem Nationalvermögen wird mit dem allgemeinen Nahmen der Steuern oder
Abgaben aj belegt. Diese dritte Quelle der Staatseinkünfte gewährt jetzt allenthalben
die beträchtlichste Staatseinnahme, und ist desto ergiebiger, je mehr der Ackerhau,
die Älanufacturen und der Handel in einem Staate bliUien, und je volli- und gehlrei-
eher er dadurch wird.
In älteren Zeiten wurden diese Abgaben in Naturallicf eräugen gefordert; aus-
serdem wurden die Staatsbediüfnisse durch unlielohnte Dienste gedeckt. Seit der Um-
wandhmg des staalswirthschaftlichen Wesens in Europa durch die allgemeinere Ver-
breitung des Geldes (s. 1. Abth. §. 6g. Note 1) werden diese Abgaben fast durchge-
hends in Geld gefordert, und die AVirthschaft des Staates hat sich sonach auch fast
durchgehends in eine Geldwirthschaft verwandelt. Nur in einigen Staaten und Län-
dern bestehen noch ordentliche AJjgaben an Naturalien hj. Sonst werden nur für
ausserordentliche Fälle, etwa für die Fälle eines Krieges, zur Deckung eines augen-
blicklichen Bedürfnisses , Lieferungen an Naturalien und sonstige Naluralverpllcgung
der Truppen gefordert.
Die in den europäischen Staaten in's practische Leben üliergegangenen /^^ß/^cu-
oder Steuersysteme sind entweder: a) die directen (viehnehr bestimmten, auf einem
Gegenstande haftenden) , oder b) die indirecten (zufälligen , von Ereignissen abhän-
gigen) Auflagen, die entweder von beslinunten einzelnen Producten, oder vom Staats-
bürger nur in gewissen, von der Finauzgesetzgebung bestimmten Fallen erhoben
W,pr.den.
! Zu der ersten Hauptclasse der Abgaben gehören : 1) die Grundsteuer (Contribution,
Landtxixe); welche entweder vom reinen oderBrulto-Ertratre der Grundslücke jeder Art
■ 1 • 1 -
eulnchlcl wird cj. Sie ist die allgemeinste der directen Abgaben und zwar hi den
IV. Finanzen. §. 62. (^in-Utu der Staatseinkiiiifte. Foilscl/.un». ^o^
europäischen Staaten des festen Liiidos die Hauptsteucr, iil Grosslnitannicn aber nuv
jyelicnsteucr , da dort die Macht des Staates, seine Flolle und Armee, so wie seiuK
Schuld, haiiptsächHcL auf den Erlraij derjAccise und der Zölle beruhet dj. Ilierhci"
i»eliöroi im weilen Sinne auch die Steuer von Häusern j Tliürcn _, Fenstern ej und
Schornsteinen. — 2) Die Mohiliarsteicer j welche von allem beweglichen Vermögen,
<iHcn Geräthschaften erhoben wird. Sie besteht unter andern in Frankreich unA den
Niederlanden. — 3) Die f^ermögetis- oder Einkommenssteuer j, welche vom reinen
Einkommen der Staatsl>ürger entrichtet wird. Sie tindel unter andern Stall in Oester-
reichs deutschen, galizischen und iialienischcn Provinzen, wo sie cigenllich Classen-
steuer\i(iis.sx., in Würteniberg nnA Russland j, in welchem letzteren Staate bloss die
Kaufleutc derselben unterworfen sind; dagegen sie seil 1807 von den Rekruteugeldcrn
frey sind. In Grossbritannien ward die 1806 bewilligte Eiukonuneuslaxe 1817 abge-
schafft. Diese Steuer setzt Patriotismus voraus , wenn sie für den Staat ergiebig seyn
soll, und dieses ist sie nur dann, wenn sich der Staat auf die gewissenhafte Angabe
der Büger von ihrem Vermögcnsslande verlassen kann. — 4) Die Gewcrbssleuer
(Patenlsteuer), welcher die verschiedenen Classcn der Handwerker, .Fabricanten und
Handelsleute, so wie andere Gcwerbsgaitungen, welche eine Dienstleistung, oder die
Überlassimg einer Sache zu einer zeitlichen Nulzniessung zum Gegenstande haben,
mitcrliegen, imd mit welcher in einigen Staaten, wie z. B. in Frankreich ^ Preussen
u. s. w. eine allgemeine Gewerbsfrevheil verbunden ist; nur muss jede Person für die
Ausübung ihres Gewerbes einen Gewerbsschein (Patent) lösen. — 5) Die Personal-
steuer (Kopfsteuer), welche der Untertban für seine Existenz im Staate bezahlt. In
Preussen z. B. nmss sie von jedem Landbewohner, der das 12., in Oesterreichs deut-
schen, galizischen und italienischen Provinzen \on jedem Städter und Landbewohner,
der das i5. Jahr erreicht hat, entrichtet werden. In Russland wird die Kopfsteuer
(Podusclmoja Dengi d. i. Seelengeld) von den Bauern ^und Bürgern für jedes männli-
che Individuum, und zwar seit 1810 von den Bauern mit 2, von den Bürgern mit 5
Rubeln bozaldt. In Baiern wird unter dem Nahmen: Famitien-Schutzgeld eine allge-
meine Personalauflage von jedem Familienobcrhaupte oder selbslstiindigon erwerben-
den Individuum nach 12 Classen erhoben. Die erste Classe zahlt jährhch Familien-
steuer 10 kr., die zwölfte jährhch 12 ^- fj- In der Tiirkey unterhegen der Kopf-
steuer (Charadsch) alle Raajas, d. i. alle Nichtmohammedaner (sie mögen Christen
oder Juden seyn) von ihrem i5. Jahre an. Die Besteuerten der ersten Classe haben
jetzt 16, die der zweyten Classe 8 nnd die der niedrigsten 4 Piaster zu entrichten.
Hierher kann auch die Taxe gerechnet werden, welche in Grossbritannien von un-
verheiralhcten jMannspersonen entrichtet wird.
Die zwcyle Hauptclasse der Steuern, oder die indirecten Auflagen sind eben so
beträchtlich durch ihre Masse, als mannigfaltig durch ihren Gegenstand und die Art
ihrer Erhebung. Zu ihrem weilen Gebiete gehören vornelunlich : 1) die Ferbrauchs-
oder Consumtionssteuern. Sie liegen auf Getränken , Esswaaren und andern ^Vaaren
und heissen Accise ^ oder Licent , Aufschlag, Inipost ^ 7V/::- und Unigeld u. s. av,
— 2) Die Lu xus steuern , oder Auflagen auf luxuriösen Aufwand, z. B. auf die Haltung
von Bedienten und llausoiliciercn, von Kutschen, Chaisen mid bedeckten Wagen aller
4oo IV Finanzen. §. 62. Quellen der Staatseinkünfte. Fort.set-iung.
Art, von Reit- und Kiitschp forden, enlbelii liehen Hunden hj n. s. w. — 3) Die Stäm-
pe/rt/yg-rt/^p« j deren gewöhnliche Gegenstande sind: Papier zu Urkunden, VVeehsel-
bricfe, Ilandlungsbücher, Spielkarten, Kalender, Zeltnng^en und Intelligenzhlätter ,
liier und da auch Stärke, Haarpuder u. s. w. — 4) Die Evbsteuer und die Abfahvts-
geJder. — 5) Die Einvegistfirungsgebühi'en j denen , wie z. ß. in Frankreich ^ alle
gerichtlichen und aiissergerichthchen Acte, Kauf von unbeweglichen Gütern u. s.w.
unterworfen sind,
IV. Gewisse Rechte der obersteii Gewalt^ welche zufällige Einkünfte aljwcrfen,
z. B. die Oljerlehnsherrlichkeit des Staates über die Lehngiiterj das Heimfallsrechlj
die Ausübung der Justiz durch Gerichtssporteln , Geldstrafen und Confiscationenj die
Er;heihing und Bestätigung der Privilegien, ertheilte Ämter, Titel und Würden,
Siandeserhöhungen und andere Gnadenbezeigungen sind flist immer mit Abgaben oder
Taxen verknüpft.
V. Endlich gewisse gewirmbringende Anstalten,, als: Ärarialfabriken , Banken ,
Handels-Compagnien und Lotterien, besonders das Lottospiel, nebst den Spielhäusern
in Paris, die jetzt von der Regierung an einen Unternehmer für 6,526,fioo Franken
jähilich verpachtet sind.
c) In Grossbritannien werden die Abgaben Taxen (taxes) genannt, und in permanente (ein für
allemahl bewilligte) und solche Taxen abgetheilt, welche von dem Parlami-nt nach dem
Maasse der Staatsbedürfnisse nur von Zeil zu Zeit bewilliget werdon. Zu jenen gehören: die
Zölle, die Accise, die Stämpelgebühren , die Briefpost, die Landtaxe, die Taxen von Hau-
sern, Fenstern, Wagen, Pferden, Pferdehändlern, Hunden, Bedienten u. s. w. Die Gasse,
in welche die sämmtlichen permanenten Staatseinkünfte fliessen , und aus welcluT zunächst
die Zinsen der fundirten Staatsschuld, dann die übrigen permanenten Staatsausgaben (Civil-
Liste u. s. {.) bestritten werden, heisst der consolidirtc Fonds , welcher der Nahmensälmlich-
keit wegen, von Fremden oft mit dem Theile der englischen Slaalsschuldscheine, welche
die consoUdirten 3 Procenl-Fonds helssen , verwechselt wird, ob er gleich mit diesen durch-
aus nichts gemein hat.
b) In Bussland z. B. muss der Rron- und Privatbauer zum Unterhalte der Armeen , Truppen
und Pferde Quantitäten an Getreide, Mehl, Grütze, Heu und Stroh in die Magazine und
Canlonnirungen liefern , die zu stellenden Rekruten mit dem Nöthigen bey der Ablieferung
ausstatten , zum Bau neuer Anlagen die nöthigen Handwerker stellen , Handarbeiten und
Fuhren entweder ganz unentgeltlich, oder für geringe Preise leisten; daher hat das russische
Reich in Vergleich mit andern Staaten in Ansehung der Ausgaben grosse Vorlheile, da es
durch jene Maassregeln jährlich beträchtliche Summen erspart. Der Tribut von den Noma-
den , Jagd- und Fischervölkern Sibiriens wird vornehmlich in Pelzwaaren entrichtet.
c) In Frankreich z. B. ist bey der Grundsteuer der reine Ertrag, in Baiern der Brulto-Ertrag
als Basis angenommen. S. System der directen Steuern in Frankreich. Nach dem Französi-
schen von Delaurcns. Herausgegäben von Carl r/uin. Zweyte Auflage. 1819. 8. Vergl. Münche-
ncr A. L. Z. Lenzmonat, 1820. S. i58 fT. — Die Grundlage einer gleichen und gerecht-n
Verlheilung der Grundsteuer, richtiger Naturallieferunycu und aller zweckmässigen , auf Pro-
duction hinwirkenden Verordnungen, ist die Aufstellung eines genauen Katasters , unstreitig
die grösste unil kostspieligste statistische Unternehmung, welche in irgend einem Staate be-
gonnen werden kann, und vielleicht das schwierig.ste Geschäft der ganzen Verwaltung. Be-
kanntlich besieht diese Operation aus zwey Haupltheilen : der .-iusmessung und der Schätzung
des Grundeigenlhums. Jene lehrt uns die Grosse, diese den Worth der Länder kennen, zwey
IV. l'iiianzen. § 62. Quellen der Sl.i.itsciiikünfte. Fortsetzung. 40l
vvcsentlicho Bc(iingungGn zur Erkonntniss vom rcinon Erlrage, >ve!chcr allein slruorL.tr ist .
Soll aber durch diese Unti rsucliung den Fi lilcrn der ungleichen Steuerrepartilion abgrliolfen
werden : so muss die Vermessung und Srhälzung nicht nach ganzen Massen von verschiede-
nen Gütergattungon, wie man dieses Geschäft im J. 1800 in Frankreich zu hefreiben anfing,
sondern nach einzelnen Fthhtncken geschehen, wodurch allein in das Besleuerungswosen völ-
lige Gerechtigkeit für alle gi^bracht werden kann. Nach dieser Basis wird das Cataslrirungs-
geschäft seit i8oö in Frankreich betrieben Die Ausfdiirungskosten dieser Parcellar- Vermes-
sung von ganz Frankreich schlug man vorläufig auf i.5o Mill. Franken an. Über das Catastor
von Benzenberg. Erstes Buch. Geschichte des Catasters. Zwe) tes Buch. Verfertigung des Ca-
tasters. Bonn, 1818. 8. Vergl. Jen. A. L. Z. Nr. i4''. i4t- i45. 146- iSirj. — In dem üsler-
reicliischen Kaiserstaate ward ein allgemeines Calaster durdi das allerhöchste Patent vom
28. Dec. 1817 decretirt; indessen ward in dem Erzheizoglliiime Österreich 181g ein Grund-
steuer-Provisorium eingeführt, das so lange in Wirksamkeit bleiben wird, bis durch das all-
gemeine Catastcr die bleibende Einrichtung erfolgen kann. — Eine ähnliche Einiiclitung ist
auch in andern Staaten, nahmenllich in Baiern, tVüriember^ , im Kirchenstaate u. s. w. , in
der Ausführung begriffen.
d) So war im J. 1818 der Ertrag der Accise 22, 166,082 Pf. St. und der Zölle iO;5.i8,i85 PI.
St.; die Landtaxe oder die Grundsteuer aber warf in demselben Jahre nur i,i54,g2ü Pf. St.
ab. Dagegen betrug die Grundsteuer in Frankreich im J. 1819 168,167,652 Franken, Zusatz-
Centime 88,575,4 )5 Fr. , zusammen 256,743,o<35 Fr. ; . in Osterreich wirft die Grundsteuer
jährlich 3i — 32 INlill. G. n. ab, wovon auf die Bürger und Bauern in Ungern 5 Mill., in
Siebenbürgen 1,659,^49 fi- kommen; in Preussen belief sich der Ertrag der Grundsteuer im
.T. 1821 auf f),526,ouo Rthlr. , in den Niederlanden im J. 1820 auf 16,028,160 fl. ; in beyden
Sicilien im J. 1820 auf 7,400,805 Ducati; in Baiern im J. 1819 auf5,94o,23o (1. u. s. w.
e) Eine Folge der Feiislerlaxe in England ist das doppelt hässliche Ansehen der Hauser, we-
gen der vielen zugemauerten oder mit Bretern vernagelten Fenster, indem für jedes nicht ge-
blendete Fenster , gross oder klein, eine Abgabe von i5 Schillingen bezahlt werden muss.
S. H. A. L. Z. Nr. 144. 1810. S. 2o5.
f) S. Statistische Übersicht der Merkwürdigkeiten der europäischen und aussereuropäisclien Staa-
ten etc., von C. C. Andre a. a. O. S. 87 fF.
g) S. Osterr. Beob. Nr. ■Ö34. i8i6. Die Franken, die unter dem Schutze eines Gesandten, Re-
sidenten oder Consuln stehen , sind für sich selbst und ihre Diener — wenn letztere auch
geborne Unterlhanen des Sultans sind — vom Kopfgelde frey.
h) So ist z. B. in Preussen, in Folge des königl. Edicts vom 28. Oct. 1810, auf jeden der oben
besagten Gegenstände eine Luxussteuer gelegt. Von jedem männlichen Bedienten, llausliof-
meister, Koch, Kunslg^irtner , Kutscher u. s.w., werden jährlich 6 Rthlr. gezahlt. Einen
weiblichen Dien.'-lholhen kann jede Famlhe halten, ohne Abgabe zu entrichten; für den zwey-
ten aber werden jährlich 2 Rthlr. gezahlt. Von jedem Reit- oder Rutschpferde werden jähr-
lich 6 Rthlr. , für jede Kutsche, halbe Chaise und jeden bedeckten Wagen jährlich 5 — 8
Rthlr. entrichtet, je nachdem diese Wagi-n zwey- oder \ierräderig sind. Von jedem IJunde
irgend einer Art, der bevm Eintritt des Sieueijahres schon 4 Monate alt ist, wird entrich-
tet 1 Rthlr. Ausgenommen sind Hlrlenhunde, Hunde, welche Personen ihres Ge\veibes we-
gen hallen müssen, und Hunde, welche Personen bäuerlichen Standes zur Bewachung ihrer
Hofe halten. Es finden bey allen diesen Sätzen Steigerungen Statt; nur die Hundelaxe wird
nicht gesteigert. Indessen scheint die Luxussteucr in Preussen nicht mehr zu bestehen, da
sie weder in dem Budget für das J. iC2i , noch in /''c>/i;/f /".■>■ Versuch einer Statislik des prcus-
sischen Staates vorkommt.
4o2 VI. Finanzen. §. 63. Rangordnung der cuiop. Staaten in RücksicliL iluei- Einkmilte.
§• 63.
Rangordnung der europäischen Staaten in Rücksicht ihrer Einkünfte.
Die Summe der Einkünfte ^ so wie den Betrag der Ausgaben und Schulden der
europäischen Staaten anzugeben, ist eine sehr missUche und schwierige Unterneh-
mung. Es bcniiihcn sich zwar die Statistiker, die Einkünfte, Ausgaben und Schulden
von allen europäischen Staaten zu berechnen, sie zusanmien zu siunniiren und Haii[)t-
resultate daraus zu ziehen; allein wie wenig genau und vollsläudig diese Angaben scyu
können, erheilet wohl daraus, weil sie meistens auf zu fragmentarische und zu w'e-
nig zuverlässige Nachrichten gebauet sind. Nur in den Republiken und in den Re-
piäscnlativstaaten, wo der Repräsentation der Staatsbürger ein ordentliches Budget
d. i. ein Verzeichniss von den verschiedenen Zweigen das öffentlichen Einkommens
sowohl, als von den verschiedenen öfTenllichen Bedürfnissen mit Auszeichnung der zur
Bestreitung dersell)en erforderlichen einzelnen Theilsmnuien vorgelegt wird, ist es
möglich, zuverlässige Nachrichten über die öffentlichen Einkünfte, Ausgaben und
Schulden zu erhalten, obgleich selbst in Ansehung dieser Staaten nicht selten Man-
ches , was von den Finanzen derselben öffentlich bekannt gemacht wird , zweifelhaft
und dunkel ist, wovon besonders Frankreich unter der Buonaparte' sehen Regierung
Beweise gegeben hat aj. Bey den übrigen Staaten können die Data von den Finanzen
nur nach wahrscheinlichen Berechnungen geliefert werden, da ausser den Personen,
die am Ruder der Staatsgeschäftc sitzen, dieselben niemand anzugeben weiss, ob-
gleich selbst dieses nicht allenthalben der FxiU zu seyn scheint. So sagt Mensel in der
vierten Ausgabe seines Leiubuches der Statistik S. 4o3 ii^ Hinsicht der rnssisc/ien
Staatseinkünfte: „Genau kann man sie selbst in Russland nicht angeben, nicht einmal
im Reichsschatzmeisteramle." Man dai f sich daher nicht wundern , wenn die Angaben
von den Einkünften der europäischen Staaten in den statistischen Schriften sehr von
einander abweichen , rmd wenn Länder wegen solcher unrichtigen und übertriebenen
Daten in Kriegszeiten vom Feinde hart mitgenommen werden bj.
Zur Bestätigung der Bemerkung, dass es grosse Varianten in Hinsicht auf die Be-
stimmung der ÖfTenllichen Einnahme der eiuopäischen Staaten gebe, mag n.ichstehen-
de Übersicht der Einkünfie der einzelnen europäischen Staaten nach den Angaben
zweyer rühmlich bekannter Statistiker, deren Werke 1822 erschienen, hier Platz finden.
Nach Galletä cj. Nach Hassel dj.
Nalinien der Staaten. Einkünfte in Conv. Gulden. Einkiinftc in Couv. Gulden.
Brittisches Reich 436,5oo,ooo 629,789,000 ej
Frankreich 2g3,3oo,ooo 343,62g,oo5
Deutsche-Bund mit Österreichs imdPreus-
sens deutschen Provinzen .... 2o6,5oo,ooo 206,782,880 fj
Osterreich 1^5,000,000 I25,ooo,ooo
nach andern , 160,000,000 gj
Russland mit Polen il8,3oo,ooo 177,080,000 Z'^'
Deutscher Bund , ohne Österreichs und
Preussens deutsche Provinzen . . 98,600,000 96,283,880
IV. Finanieu. §. 63. hangorJuung der curop. Staaten in fiueksicht
Nach Galletti.
Nahmen der Staaten. Eiukiiufte iu Conv. Guldei
Dazu tragen bcy:
ßaiern 3o,6oOjOOO
Hanover 10,000,000
Sachsen iO;Ooo,ooo
Wiirtemberg 9,350,000
Hesscndaiinsladl 6,000,000
Eadcn 5,278,000
Ilessen-Cassel 4?ooo,ooo
Holstein-Lauenburg 2,85o,ooo
Mecklenburg-Schwerin 2,25o,uoo
Braunschweig 2,25o,ooo
Luxemburg 1,800,000
Nassau i,55o,ooo
Weimar l,5oo,ooo
Hamburg l,5oo,ooo
Gotha 1,320,000
Holstein-Oldenburg l,2oo,ooo
Frankfurt a. M 800,000
Anhalt-Dessau 710,000
Coburg 5oo,ooo
Mecklcnburg-Strclitz . 45o,ooo
Anhalt-Bernburg 45o,ooo
Lippe-Dctniold 400,000
Bremen 400,000
Lübeck .^ 400,000
Waldeck 400,000
Reuss , jüngere Linie 35o,ooo
Meinungen 325,ooo
Schwarzburg-Sondershausen ..... 3oo,ooo
Hohenzollcrn-Sigmaringen ...... 240,000
Anhalt-Köthcn 23o,ooo
Schwarzburg-Rudolstadt 220,000
Lippe-S<"hauniburg 2l5,000
Hildburghauscn 200,000
Hcsscn-Humburg .200,000
Reuss , ältere Linie l3o,000
HohenzoUern-Hechingen . , 8o,ooO
Liechtenstein 3o,ooo
Niederlande 79^00,000
Prcusscn 75,000,000
Spanien 72;000,ooo
ilircr Eink'unlte
Nach IJussel.
4o3
Einkünfte in C"
üuldi 1).
3o,258,i53
8,162,275
11,000,000
8,357,046
4,997^092
7,890,834 u
3,900,000
2,200,000
2,5oo,ooo
2,800,000
i,5oo,ooo
i,o5o,ooo
i,5oo,ooo
i,5oo,ooo
750,000
710,000
600,000
425,000
45o,ooo
480,000
400,000
375,000
400,000
370,000
325,000
200,000
3oo,ooo
320,000
222,480
21 5,000
175,000
200,000
i3o,ooo
120,000
i,5oo,ooo A./
54,280,000
75,000,000
55,039,418
5i*
4o4 I^'^- Fiiiaii2'.ii- §■ 63- Raiigorclnuiig der europ. Stadien in Rucksiclit ihrer- Eiuküni'lc.
Nach Galletti. Nach Hassel.
INaliracn der Staaten. Einkünfte iu Couv. GulJeu. Einküufte in Conv. Gulden.
Osmanischcs Reich 40,000,000 4o,45o,5oü IJ
Beycle Sicilien 00,000,000 01, 655,1 55
Saidinieii 21,600,000 25,946,5oo
Poriiigal 20,000,000 33,000,000
Schweden mit Norwegen ...<... i5,5oo,ooo i3,4io,837
Dänematk 10,200,000 10,000,000
Kirchenstaat 7,5oo,ooo 8,000,000 mj
Toscana . . . . • 5;000,ooo 5,5oo,ooo"
iModena l,75o,ooo i,5oo,ooo
Painia l,5oo^ooo 1,875,000
Jonien 1,000,000 1,200,000
Lucca 6uo,ooo 700,000
Krakan 277000 333,120
Hclvelien 120,000 «J
San Marino ÖOjOOO
a) S. 'Rredoivs Chronik des ig. Jahrhunderts. iöo4. S. 2oi ff.
b) Diese traurige Erfahrung hat unter andern das ehemalige Erzstift Salzburg im J. 1800 ge-
macht. Es wurde ihm die ungeheure, den wahren Ertrag seiner Einkünfte «eil übersteigen-
de Contribulion von 6 Mill. Li\res von dem französischen Obergeiieral Moreau auferlegt ,
welche Summe nach solchen unrichtigen statistischen Daten berechnet und bestimmt wor-
den war. S. des Reichs-Freyherrn c. Bleul Sammlung d('r geographisch-statistischen und hie-
rarchisch-publicistischen Beiträge über das vormalige Erzslift und nunmehrige Ilerzoglhum
Salzburg. Salzburg, 180Ü. S.oo ff. Ich kann nicht umhin, aus dieser gehaltvollen Schrift
S. 3i ff. folgende behcrzigungswerthe Stelle hier anzurLilir(;n : ,,Eine uiigliickliche Folge hier-
von ist es dann , dass der Werth , welchen die Publiciliit an i!nd für sich unstreitig iiat, von
vielen ganz verkannt wird. Anstalt den erlittenen ScJiaden nur den Fehlern und Irrthiitnern
zuzuschreiben, welche manchmal in öffentlichen Schriften aufgenommen werden, wird sol-
cher der Publicitiit selbst zur Last gelegt, da doch im Grunde genommen dieselbe keinem
grösseren Vorwurf ausgesetzt ist , als jede, aucli die beste Sache, nähmlich dass ein übler
Gebrauch davon gemacht werden kann. In der That scheint mir kaum ein Fall denkbar zu
seyn , wie es zumal in einem mittleren oder kleineren Staate nützlich söyn könnte, die
Wahrheit zu unterdrücken, oder seine eigentlichen Rraflc und Ressourcen zu verheimlichen.
Denn auch selbst ein grosserer Credit, welchen man liierdurrh erhalten willj ist dem Staa-
te schädlich, wenn er auf grössere Kräfte, als das Land vvirklich hat, gebauel wird."
ä) J. G. A. Gallftli's Allgemeine Weltkunde oder geographisch-statistisch- historische Über-
sicht aller liänder etc. Fünfte Auflage , nach dem neuesten Zustande umgearbeitet und
vermehrt von C. Reiclianl. Mit fünf und zwanzig General- und Si)ccialkarlen. Pesth u. Wien,
1822. S. ilj.
d) S. die seinem Lehrbuche der Statistik der europäischen Staaten (Weimar 1822) beygcfügte
Tabelle. Dieses Tableau Nveicht jedoch in mehreren Daten von den Angaben ab, die der
Verfasser in dem Texte des Ijehrbuchs aufgestellt hat. So ist z. B, das Einkommen Russlands
mit Polen (aber ohne Naturalien) in dem Texte des Lehrbuchs zu i2o Mill., in der Tabel-
le zu 177,080,000 (1., die Einnahme Portugals in detn Texte des Lehrbuchs zu 20,7(^7.500,
in der Tabelle zu 33,ooojOOo fl. , die Einnahme lianovers in dem Texte zu 11 — i2 Mill.?
IV. Fiuanzcn. §. 64- BeytrUgc jedes Einzelnen zu den Slaatsciiikiinftc«. t^ui
in der Tabelle zu 8,162,275 fl. , das Einkommen Schwedens und iSo^^vl>gens in dem Text«
zu i6,o2g,cjOi , in der Tabelle zu i5, 410,837 fl. angegeben.
ö) Aussei den Taxen, welche diese Staafscinnahnie abwerfen, müssen die Engländer noch
jähilich mehr als 8 Mill. Pi'. Sr. , oder 80 Mill. C. fl. (169.5 nur 665,ooo , 1713 i,556,8o4,
iöo5 4,267,000 Pf. Sr.) zur Versorgung der Armen beysteuern; sie müssen den Zehnten und
andere Abgaben an die Gastlichkeit und die Kirche entrichten , die Landslrassen , Canälc
u. dgl. ans eigenen Mitlein unterhalten.
/) In dem polit. Journ. Juny j8i8. S. 486 werden die Einkünfte der sämmtllchen deutschen
Bundesstaaten auf 2oi,3^"g,o84 Conv. fl. angeschlagen,
g) In dem polit. Journ. Dec. lÖig. S. lOÖi werden die ösUrreichischen Staatseinkünfte zu 162
Mill. C. fl. angegeben.
h) Nach Mensel wurden die russischen Staatseinkünfte im J. 1811 auf 2i5 Mill. Rubel, oder
nach dem damaligen Werthe des Rubels , auf ungefähr iio3Iill. C. fl. berechnet, die gegen-
wärtig \vohl bis auf i56 Mill. fl. gestiegen seyn mögen, da die Einkünfte von Polen auf i2
Mill. fl. (nach andern auf 8,000,000 fl ) angegeben werden.
i) Nach dem Budget für i8;-f beträgt Badens Staatseinnahme g,i85,288 fl.
/■) So \vird das Einkommen des Fürsten f. Liechlenslein aus seinen sämmtlichen unmittelbaren
und mittelbaren Besitzungen in der oben erwähnten Tabelle angegeben; allein das eigentli-
che sou\eraine FUrstenihum Ijiechtenstein bringt seinem Herrn kaum 3o,ooo fl. ein.
/) Andere schlagen die Einkünfte des osmanischen fieichs auf 90,660 Beutel zu 5oo Piaster,
folglich 45iö.5o,ooo Piaster an ; noch andere geben nur 20 Mill. Piaster an; dieses gilt aber
nur von der eigentlichen Staatscasse oder Min (Reichsschalz) , die gemeiniglich in schlechten
Umständen ist. Von ihr ist gmz \erschieden die Kaisercasse oder der Prl\alschalz des Sul-
tans (Chasine), in den die Abgaben Ägyptens und aller zinspflichtigen Staaten, so wie die
Zi.'lälligen Einkünfte fliessen , die von Einziehung der Güter gefallener Grossen, \on Ver-
ändeiungen der Ämter und von Erbsch;<flen kommen, da der Padischah natürliclier Erbe
seiner Slaatsdiener ist. Diese Gasse ist ungemein reich, wiewohl die Vorstellungen von an-
gelüliten Sälen und unendlichen Schätzen übertrieben sind.
fr) V'or drr französischen Revolution — meinen andere — betrugen die päpstlichen Einkünfte
8 — 9 Mill. Scudi; jetzt schwerlich den dritten Theil, da uie Zuflüsse vom Ausland, \vegen
Verarmung und Enlwöhnung der Gläubigen, nicht mehr so gross sind.
«) Als Gesammteinkünfte hat die Schweiz keine Staatseinkünfte; zu den gemeirisclialllichcii
Ausgaben in ausserordentlichen Fällen sind die Geldbeyträge der Canlone nach ihrer Bevöl-
kerung ausgemessen , und betragen zusammen 54450"5 Sch\vcizer Franken. Dazu contribui-
ren Zürich 7 4,000 , Bern 104,080, Lucern 26.010, Üri n8o, Schwyz 3oi2, Unterwaiden
1910, Glarus i6i5, Zug i25o, Freyburg i8.,6oo, Solothurn i3;56o, Basel 22,950, Schafl"-
hausen932o. Appenzell 9220, St. Gallen 39,45o , Graubündten i2,ooo, Aargau 48,200,
Thurgau 22.800, Tessin 18,040, Waadt 5r),23o , Wallis 9Ö00, Neuenburg 24>ooo und Genf
22,000 Franken. Zu Bestreitung der Rriegskosten besteht eine gemeineidgenossensche Gasse,
deren Gehalt bis auf den Betrag eines doppelten Geldcontingenis anwachsen kann. Zu Bil-
dung dieser Ivriegscasse ist eine Eiiigangsgeliülir auf Waarcn gelegt, die nicht zu den nolh-
uendigsten Bedürfmssen gehören.
§■ 64.
Berechnung des Beytragss eines jeden einzelnen Individuums in den euro-
päischen Staaten zu den Einkünften derselben.
Hr. ^/'ojne versuclite es zubercchnon, wie viele Gulden von den StaalsciMki'inf-
ten in jedem eiiropäisclien Staate im Durchschnilt auf jeden einzelnen Kopf zu
rechnen sejn dürften. Nach ihm zahlt zu dem Staalsciakominen jeder
4o6 IV. Finanzen. $. 65. Arten der Erhebung der Staatseinkünfte.
i) Briite 23^ Rh. fl. i3) Lucchcse 5i Rh. H.
o) iViedeiiänder .... 12I — — 14) Jonier öi
5) Franzose g — — i5) Osmane 4i — —
4) Marinese 87 16) PäpsUiche 4i
5) Deutsche . . . . . . -jj 17) Schwede 4i
6) Russe -jj; — — 18) Toscanese 4i — —
7) Däne 67 — — ig) Parmese 4 — —
8) Porlngiese 6j 20) Sicilier 3rr
g) Picusse 6 — — 21) Krakauer 3f
10) Spanier 5
11) Sardinier 5'
12) Österreicher
— — 22) Modenese 3
— — 23) Schweizer 27
5t
Jeder Europäer etwa . . . 8j — —
Allein diese Berechnung ist nicht zuverlässig, weil sie nur auf dem Verhältnisse
der Bevölkerung zu derStaatseinnahine beruhet, und auf den Ertrag der hier und da be-
deutenden Domaincn und Regalien, so wie auf den Ertrag der Colonien bey den See-
mächten, keine Rücksicht nimmt. Schon desswegen muss auf den Kopf ein geringerer
Sleuerheylrag fallen, als angesetzt Wdrden ist. Auch dürfte sich das Auffallende jener
vergleichenden Angaben wohl sehr mindern, wenn man auf den Preis der nolhwcn-
digsten l^ebensmiilel in den verschiedenen Ländern, und auf den Stand des gewöhn-
lichen Arbeitsverdienstes eines gemeinen Mannes sieht. Nimmt man z. B. an , dass in
England der gewöhnliche Tagelohn eines gemeinen Arbeiters auf 3 — 4 Schillinge oder
1 fl. 3g kr. bis 2 f. 12 kr. steht, wälirend dieser Lohn in Deutschland gewöhnlich nur
zu 3o bis 56 kr. angenommen werden kann : so stehen sich der Engländer und der
Deutsche, lioiz aller scheinbaren Ungleichheit in der Belastung, doch so ziendich
gleich; dem Engländer kosten seine 23| Gulden jährlich etwa 12 — 15 Arbeitstage,
imd bevnahe ganz dasselbe kosten dem Deutschen seine ji Gulden.
§. 65.
Arten der Erhebung der Staatseinkünfte.
Die Erhebung der öffentlichen Einkünfte geschieht entweder im Wege der eige-
nen Verwaltung fRegieJ oder der T^erpachtung. Bey dem Selbstverwaltungs- oder
Regiesjsteme ist die Erhebung der Einnahme unter einer Menge von Beamten, je
nach den verschiedenen Rubriken der Auflagen, vcrihcilt. Das Heer von Steuer-, Ac-
tis-, Zoll- und andern Einnehmern verschlinL't einen "rossen Theil der Einkünfte, er-
' ÖD
höht das Staalsbcdürfniss, also den Slaatsanihcil an dem ISatioualvermögen, und ver-
mindert folglich das Nationalvermögen. In Giossbvltannitn z. B. rechnet man die
Zahl der zu llerbevschaffung der Steuern angeslelUcn Individuen auf 11 — 12,000,
und die Eiliebnngskosten selbst auf 12,411,000 Cunv. Gidden. In Franhveich schlägt
in;:n die Zahl der bey den droits reunis angestellien Beamten allein auf nicht weniger,
ids 2i,3ooKöpfe an. Im J. 181g wurden beym französischen Tabaksgefälle beynahe
3^ Fr. an Kosten erfordert, um 1 Fr. an Aligaben zu beziehen. Denn der Tabakver-
kauf brachte in demselben Jahre deuStaaiscassen einen reinen Ertragyon42,oo3,3oo Fr.
IV. Finanzen, f. 65. UuteiscI. zwischen dem Hau.shallc Jis Privatmannes ii. d.ni St.nat.sl).inslialts. 40-:
ein , während die Brullo-EinnaLnie 145 Millionen Ijctrng. Dai^ej^cn vemündert das
V^erpachtungssj Stern zwar die Ei liehungskoslcn , also die Masse der Anflogen scllist;
allein man tadeil die Härte, mit der die Pächter gewöhnlieh die Auflagen heytreibi'n ^
und die Erpressnngen , die sie sich dabey crlanhen. Ühiigens werden die Einkünfte
eines Staates nach folgenden Grundsätzen berechnet: die volle Einnahme, wie sie ein-
geht, bestimmt den Begriff der Brutto-Elnnahme. Der Begritl'von reiner C)A.ov Nefto-
Einnahme ist doppelt. Im engeren Sinne versieht man unier Nello-Einnahmc die Re-
venuen eines Produclions-Ohjects, nachdem davon sämmtliche Elalsausgaben , mit-
hin nicht nur die Perceplions- und Administralionskosten, sondern auch die sonstigen
etatsmässigcn Ausgaben, die auf diesen Fonds haften, abgezogen sind , so dass das
Übrigbleibende alsdann zur weitem Disposition des Landesherrn verbleibt j im weite-
ren Sinne aber begreift Netto die gesammte Einnahme, wenn bloss die Perceplions-
koslen in Abzug gebracht w erden.
§. 66.
Grundsatz des Unterschiedes zwischen dem Haushalte des Privatmannes
und dem Staatshaushalte.
Bekanntlich befolget mau beym Slaalshaashalle ein entgegengesetztes ^ erfahren
von dem in Privathaushaltungen. Der Privatmann muss von seiner Einnahme ausgehen;
nur darnach darf er seine Ausgaben einrichten. Beym Staate ist es umgekehrt. Hier
wird das Einkommen nach der Ausgabe bestimmt, und die Bestimmung des Betrags
des erstem vorangesetzt. Es fragt sich hier zuvörderst, was der Staat durchaus bedarf?
Dass dem so seyn müsse, liegt in der Nalur der Dinge, und wird niemanden auffal-
len, der das Wesen und den eigenthümlichen Charakter des öffenllichen Hauslialis
kennt. Obgleich den Finanzhehörden kluge Sparsamkeit und Schonung der Unlerlha-
nen anbefohlen wird : so sieht sich der Staat dennoch oft in solche unvorhergesehene
Umstände versetzt, dass er von den Unterthanen neue und grössere Opfer noilige-
drungen fordern muss. Diese Opfer dürfen jedoch den wahren Ertrag der Einkünfte
der Unterthanen nicht in dem Grade übersteigen, dass diese in Gefähr kommen könn-
ten, darüber zu Grunde zu gehen. Denn das erste Augenmerk der Regierung bey al-
len finanziellen Operationen und Calculalionen muss auf die Bcylragsfähigkeil der ün-
terlhanen gerichtet seyn.
§- 67.
Staatsbedürfnisse; Gegenstände des Aufwandes.
Die Alisgaben aller monarchischen Staaten werden diuch 1) den Aufwand des
Hofes; 2) den Aufwand des Staates verursacht. Jener besieht in dem Unterhalte des
Regenten , seiner Familie und seines Hofstaates , auf eine der Würde des Staates und
dem Umfange des Aalionalvermögens angemessene Weise. Dieser (der Aufwand des
Staates), der auch in den Republiken Stall findet, zerfällt m den Aufwand:
a) Für die höchsten und die nntergcordnelcn Behörden und Beamten der inne-
ren E.egierung, der Justiz, der Pulizey und der Finanzen.
h) Für die Staatspensionen und die Zinsen der öffentlichen Schtüd.
4o& IV, Finanzen. §. 67. Staatsbediurnisse: Gegenstände des Aufwandes.
c) Für die allgemeinen Staalsanstalten. als: fdr den Cultns, für Erziehung und
Unterricht, Wissenschaft und Kunst, innere Sicherheit, Gesundheit und Wohlthä-
tigkeit, Cultur und Industrie^ Wasser-, Brücken-, Canal- und Strassenhau, für da*
Steuer- Caiasler n. s. av.
d) Für die äussere Sicherheit: Land- und Seemacht (Armeen und Flotten).
e) Endlich für die auswärtigen Angelegenheiten und das diplomatische Corps
^diplomatischer Aufwand).
Unter diesen Gegenständen des öffenlhchen Aufwandes nehmen die Kosten für
Aei\ Militär-Etat in den mehresten Staaten Eiuopa's den vierten oder dritten, in
manchen die Hälfte, und verhunden mit dem Aufwände für den Marine-Etat hey den
Seemächten, üher zwey Drittheile der gesammten Einkünfte weg. Nächst diesem Auf-
wände verschlingen die lästigeu Zinsen der Staatsschuld in den meisten Staaten un-
sers Erdlhcüs den grössten Theil des Slaatseinkoaunens; nur ia Grosshritannien , als
dem allerverschuldetsten, aher auch dem allerreichsten europäischen Staate, über-
steigt der Aufwand auf die Interessen der Staatsschuld die Ausgaben für den See- und
Militär-Etat aj.
Zum Glück führt gerade der stärkste Aufwand der europäischen Staaten die Sum-
men schnell und höchst voriheilhaft zu den Unlerthanen zurück. Seitdem wir unsern
Kriegern den Sold in l)arem Golde reichen, wurde der Stand derselben zu einem
höchst nützlichen Triebrade in der Circulation. Er bewirkt und unterhält eine zweyfa-
che Arbeit. ^Vir müssen arbeiten, um unsere Krieger bezahlen zu können; wir arbei-
ten aber auch, um unsern Kriegern das Geld wieder abnehmen zu können, was wir
Urnen gereicht haben. Wir geben ihnen ein Auskommen, und erhalten von ihnen ein
Auskonmien , w as der Krieger nicht giljt, dem sein Unterhalt in Naturalien gereicht wird.
ü) So erforderten die Zinsen der briltischen Staatsscliuld im J. 181B 290 Mil!., die Reduction
der Schuld i4oMill. , die Flotte kostete dagegen in demselben Jaiirc nur 645750,000 , und
die Armee 96 Mill. Gulden: die Ci\illiste betrug 11,916,000, und die sonstigen Ausgaben
94vi54.ooo fl. , zusammen erforderten die britlischen Slaatsausgaben im J. 1818 697,100,000,
und im J. 1821 582 Mill. 210, noo fl. ; sie übersteigen meistens die Einnahme.
In Frankreich betrug das Budget der Ausgaben, so wie es in der Sitzung der Deputirten
am 22. Jan. 1820 \orgelegt worden, 739, 71::, 760 Franken. Davon waren angesetzt:
für die Ci\il!iste (mit g IMiU. für die Prif.zen) 04,000,000 Fr.
consolldirtc Schuld und die Amortisalionscasse . . . 228,34i)O0O —
— — Leibrenten 1 i,5oo,ooo —
— — Slaalspensionen *) 67,000,000 —
— — Zinsen für Caulionen 8,000,000 —
— das Jusiizministerium 18,000,000 —
-- — Minisleriuin des Äussern 8,000,000 —
— — Ministerium des Innern io4j340)Ooo —
— — Rriegsininisterium i84)70o,ooo —
— — Marinenn'nisterium /ibiQOOiOoo —
— — Finanzministerium ii5,i8i)55o —
Im Jahre 181g bciiefsich die Gesammtausgabe auf 874.5g5.g75, im J. 1821 auf 682,021,745,
und im J. 1822 auf 8go.ooo,o33 Franken oder 543 Mill. 6.'g,ooo fl.
*i Die den Mit-lledoi-n der Depulirtenkammer mitgellieilte Liste der Slaalspensionen, die bis zum 1. September 1817
be\in liönigliclien Sclialae angewiesen waren, liillle nicht weniger als lü Quartbande, jeder von buo Seiten. Die
Zahl der Pcnsiünirten bclief sieli auf 190,205 ludividucu. Siehe Oestcrr. bcuh. INr. 340. 1817. S. »777.
IV rm.ni/iii. f. 67. Staalftl)edürfniss<- : Gegrn>liindc (ks Aufwandes. 419
In Spanien, wo das erste Biulgi't im J. 1817 bekannt gemacht wurde , belnif^en die Gc-
sammtausgaben für das Finanzjabr 18^-^ 701,802,304 Realen oder 70,180,230 (1. (woruiilei
jedücb die Zinsen für die grosse Slaatsscliuid fclden). Da\ün komen :
auf den königlirhen Haus.- und Hofbalt 44,090,000 Realen.
— das Ministerium (b's Äussern 12,000,000 —
Ministerium des Innern 8,4it>,375 —
— — Ministerium der überseeischen Provinzen i,3G8,235 —
Justizministerium i i,i3i,i 10 —
— — Finanzministerium i73,3r)i,6Dr) —
Kriegsministerium 355,45o,gif7 —
Märineministerium 96,000,000 —
Für das Finanzjahr 1822 waren die spanischen Staatsausgaben aul 86i,5yi,64J Realen oder
86,169,164 fl. veranschlagt.
Das Budget der Ausgaben in den Niederlanden, für das J. i8i6 belief sich auf die Summe
\on 82 Mill. H. Da\on waren angesetzt:
für die CiviUiste 2,600,000 fl.
— — obern SlaatscoUegicn 1,220,000 —
— das Departement des Sta.itssecretarials 33o,ooo —
■ — — Dept. der aus\värtigen Angeleg»>fiheiti'n 890,000 —
Dept. der Justiz 4,000,000 —
Dept. des Innern 2,5oo,ooo —
— — Dept. des reformirten und andern Cultus i,3io,ooo —
Dept. des katholischen Cultus 1,000,000 —
Dept. des öß'enllichen Unterrichts , 1,000,000 —
Dept. der Finanzen und öffentlichen Schulden 23,5oo,ooo — •
— — Dept. der Marine 6,i5o,ooo —
— — Dept. des Krieges 29,000,000 —
— — Dept des Waterstaates (Wasserstaates), d. h. der Deiche, Dämme,
Schleussen , Can'ale und andern öffentlichen Arbeiten 5, 000, 000 —
Dept. der Colonien und des Handels 2,55o,ooo —
Unvorhergesehene Ausgaben 65o,ooo —
Im J. 1817 betrugen die Gesammtausgaben des Königreichs der iSiederlande 73,400,000,
1818 74,000,000, 1819 72,703,344, 1820 71,867,588 fl.
Den Bedarf des russischen Staatshaushalts im J. 1811 berechnete Hr. t>. VFichmann aui 2'i\
Mill. Rubel. Davon fielen
auf den Etat des Kaiierhauses über 10 Mill. Rubel.
— — Civilelat gegen 11 — —
— — Etat des Ministeriums des Innern über 2i-^ — —
— — Etat des Ministeriums der Volksaufklärung gegen 2 — —
— — Etat der übrigen Ministerien über i3^ — —
— — Etat der Wassercommunication über i — —
— — Etat des Heeres und der Flotte g^g^'n 127 — —
— — Etat der Gou\ernemcntsverwa!tung über i5 — —
— — Etat der diplomatischen Verhandlungen über 2 — —
— — Etat der Geistlichkeit ". über 2 — _ u s. w.
Die Ausgaben Schwedens erforderten 1818 4,430,369 B, Thlr. oder 9.691,432 C. fl. Da-
von kamen auf den Huf :'65,859, auf den Civilctat 554,167, auf das Militär und die Flot-
te 2,471,049, auf ^jchranstaltea und Künste i6,452 , auf milde Stiftungen und Pensionen
4lo IV. Finaii7.cn. §. 67. Staatsbedurfnisse ; Gegeusia'icle düs Aufvvjudca.
49,o32 , auf Ackerbau, Gewerbe und Handel 100,000, auf Reichstagskosten 5o;00o B. Thlr.
u. s. \v. An den vorigen König, Gasiao IV., zalilt die Nation jährlich 3o,5oo Rthlr. , und
36, 166 Rthlr. bezieht derselbe aus seinen Prix algük'rn in Schweden. — Der StaalsbedarfiYor-
wegens belief sich nach dem Budget für das J. 1B17 auf 1,45-, 100 Spec. Thlr., worin die
Civilli^te mit 1 20,000 Spec. Thlr. berechnet ist. Im J. 1818 betrugen die Ausgaben Norwe-
gens 1,597,270 Spec. Thlr. oder 3,4io,ü57 C. fl.
Der Bedarf des /)ra<ss/5c/(en Staatshaushalts für 1821 ist folgendergcstalt bestimmt: 1) für
das Staatskanzellariat und die höchsten Cenlralbehörden i5o;825 : 2) für das Ministerinni der
auswärtigen Angelegenheiten und das diplomatische Corps 900,000 ; 3) für das Ministerium
des Cuitiis und öffentlichen Unterrichts 3..ooo,ooo; 4) für das Ministerium der Justiz i,6in,5oo;
5) für das Ministerium des Innern 3,400,900; 6) für das Ministerium der Gewerbe und des
Handels 2,36i,5oo; 7) für das Ministerium des Kriegs 34,2o6,45o ; 8) für das Ministerium
der Finanzen 408, i5o; 0) für das Ministeriimi des Schatzes i,639,o55; in) für die Staats-
schuld i5,2i4,.'ioü; 11) für Pensionen 4,o5o,ooo; i2) für die Provinztalcollegien 3, 760, 000 ;
i3) für die Landgestüte 240,000, und 14) für Ausfälle 2,65f),ooo, zusammen 76 Mill. fl. ,
worunter jedoch die Rubrik Civilliste mit 3,760,000 fl. fehlt. S. Hassel's Lehrbuch der Sta-
tistik der europaischen Staaten a. a. O. S. 107.
Nach dem Budget von Baiern für das Jahr 187I belief sich der Slaatsaufwand dieses Kö-
nigreichs auf 54 ■969,187 fl. Davon betrug der Au&vand 1) für den königl. Haus- und Hof-
halt und die Appanagen 2,745,000; 2) für die Staatsschuld, und zwar; für die Verzinsung,
die Pensionen aus der Säcularisation und Mediatisalion u. s. w. 7,366,987; 3) für Passiv-
Verzeichnisse, Nachlässe und ruhende Gefälle 844,400; 4) für den Staatsrath 78,400; 5) für
das Slaatsministcrium des Hauses und des Äussern 692,000 ; 6) für das Staatsministerium der
Justiz 1,844.000; 7) für das Slaatsministerium des Innern 1,420,400; 8} für das Staatsmini-
sterium der Finanzen 996,500 ;'g) für den Militär-Etat (das Staatsniinisterium der Armee,
die Gensd'armerie und das topographische Bureau) 8,700,000; 10) für allgemeine (theils zum
Ressort des Staatsministeriuins des Innern , theils zum Ressort des Staatsministeriums der
Finanzen gehörige) Staatsanstallcn 4,o(j5,2oo ; 11) für Landbauten 1,020,000; i2) für Staals-
pensioneii 4)456, 5oo , und i3)j'für Haupt-Picscrvcfonds 760,000 fl. S. Ausserordentl. Beylage
z. A. Z. Nr. 1. 1820.
Nach dem Budget von IVüilemberg für das Jalir i8',JJ betrugen die Staatsausgaben dieses
Ivönigrelchs ii, 212, 544 ü- Davon sind aufgeführt: 1) liir den königl. Haus- und Hofhält,
dieAppanagen und das Witthum 1,171,186 ; 2) für die Staatsschuld 2,027,282 ;3) für Staatspen-
sionen 657,201 ; 4) für das Staalssecretariat und den Geheimen-Rath 79,064 ; 5) für das Mi-
nisterium des Äussern 279.639; 6) für das Justiz-Departement 420,585; 7) für das Depart.
des Innern 461,507; 8) für das Depart. des Kriegswesens 2,226,983 ; cj) für das Finanz-Depart.
682,280; 10) für Wasser-, Strassen- und Landbau 776,555; 11) für Reservefonds 260,000:
12) für Verwaitiings- und Regiekosten 2,ogi,362, und i3) für temporäre Stellen 98,910 fl.
S. Ausserordentl. Beyl. z. Allg. Z. Nr. 1. 1820.
Nach dem Budget \on Baden für das Jahr iS^^ betrug der Staatsaufwand dieses Grossher-
zogthumcs 9,186,288 fl. Daxon fielen unter andern auf das grossherzogliche Haus und den
Hofstaat 1,180,862, auf den Militäretat 1,700,000, und auf die Verzinsung der Staatsschuld
987,160 fl. S. Ausserordentl. Be)l. z. Allg. Z. Nr. 1. 1820.
Die Ausgaben der Republik Krakau betrugen 1821 532,;62-fl. oder i,332,48o poln. fl. J)a-
von kamen unter andern auf den Senat 508,479, auf die Ranzleyspesen 14,687, auf die Ge-
richte i38,2oo, die Universität 4o3,453, auf die Miliz und Gensd'armerie 147,643, auf die
Zinsen 4100, auf die Wohllhätlgkeitsanstalten 53,oÜ2 , auf die Gefängnisse 40,746, auf die
Beleuchtung und Reinigung der Hauptstadt 5o,ooo poln. fl. u. s. w.
rV. riiiaii7.en. f 68. .Sfa;il.ss( iiuldcn. All
§. 68.
Staatsschulden.
Der Aufwand atif dcnlMilildr- und Alarino-Elal ist scLuu im Friodeu in den euro-
päischen Staaten (s. Ablh. II. §. 67.) sehr gross; im Kriege aber steigt derselbe so
in's Ungeheure, dass, naeh der jetzigen Art Krieg zu führen, kein Staat im Stande
ist, die Kosten aus den gewöhnhchen Einkünften zu b-estreiten , oder sogleich durch
Erhöhung der allen Abgaljen , oder durch Auflegung neuer aufzubringen; besonders
erlaubten die in unsern Tagen mit so grosser Anstrengung geführten Kriege den Re-
gierungen nicht, sicii auf die ausserordentlichen Auflagen zubescliränken, da es einer
Seils immer einer gewissen Zeit bedarf, che der Ertrag der erhölielen oder neuen
Abgaben aus den entfernlcn, wie aus den nähern Provinzen in die Gasse des Staates
fliesst, andererseits die kritischen Augenblicke, die Zeit, wo der ganze Vorlheil von
der aufgebrachten Summe gezogen werden könnte, oft schon verschwunden ist, wenn
erst die Einsammlung in den entfernlcn Theilen des Reichs beginnt. Die Regierungen
sahen sich vielmehr durch die dringenden Bedürfnisse des Augenblicks in die Nolh-
wcadigkeit versetzt, auf andern Wegen für die Vermehrung des öfTentliehen Einkom-
mens zu sorgen. Sie iiuiciiten GebrnucJi vom Credit j indem sie sich von den Geld-
reichen des In- oder auch des Auslandes Gelder datieilieii liessen , oder sie schallten
sich selbst eine Art Einkommen dadurch, dass sie Papiergeld ^ als Stellvertreter der
Metallmünze in Umlauf setzten, und damit wie mit barem Gelde ihre Bedürfnisse be-
strillen aj. Daher zwey Hauptarten von öffentlichen Schulden in den europäischen
Staaten : verzinsliche Schuld und Papiergeld.
Gegenwartig hat jeder grosse, und auch die meisten der kleineren Staaten Schul-
den. Der giössle Theil von Europa ist verschuldet, liald auf die eine, bald auf die an-
dere der erwähnten Arten, bald auf beydc zugleich. Der allerverschuldelste Siaat aber
ist unstreitig Grossbritannien l>) ^ da es nicht nur eine belrächllichc Landmacht, son-
dern auch die grösste Seeniaclit unterhält, auch in unsern Tagen zur Behauptung sei-
ner Unabhängigkeil, so wie zur Behauptung der Unabhängigkeit von ganz Europa Sub-
sidien cj galj, und überhaupt xVnslrengungcn machen und ausgeben musslc dj , wie
nie zuvor. JXächst Grossbritannien leiden am meisten an der Last ihrer Schulden /vv////l-
reich ej ^ die Niederlande JJj Spanien gj _, Oesterreich hj _, Preussen ij und
Rnssland kj.
a) Frankreich, Österreich , Spanien, Rnssland, Dänemark, Schweden, Norwegen und Gross-
brUannien .^llul diejenigen Slaalen , wcirlie in neueren Zeiten das Papiergeld am meisten be-
nutzt haben. Diese zvveyte Art, von dem Credit Gebrauch zu machen, unterscheidet sich
von jener erstem darin, dass dabey der Staat keine Zinsen zu zahlen liat , und dass daher
das Papiergehl als die am wenigsten kostbare Ressource zu Bestreitung ausserordentlichen
Aufwandes betrachtet werden, freylich aber auch, dass dasselbe durch Übertreibung im höch-
sten Grade verderblich \verden kann, ohne die Gefahr der Nachahmung und Verfälschung
desselben in Anschlag zu bringen. Die französischen Assignaten sind durch ihre ungemessene
Vermehrung (man gab ihren Betrag zu 45,5öi,4ii,6iÖ Livres an) zu einer solchen Werlhlo-
sigkcit herabgesunken, dass im J. 1796, als die Mandaten eingeführt wurden . ein Ijouisd'or
(24 Liv.) 2Ö,8oo Li\. in Assignaten galt. — Diese Erfahrung hat sich auch in O-iicrreich be»
2 IV. Fiuanzeu. ^. 68 SlaalsscIiuMLU.
währt, wo die Bancozcllel , die in den eisten Zeiten und bis ifÖ"] -, selbst der Melallmünze
vorgezogen worden waren, durch ihre progrebsi\c Vermehrung (von i2 Blill. (1 (im J. 17G2)
bis auf die in dein allerhöchsten Patente vom 20, Febr. i8ii aiigegebent' Summe \on 1060
Miil. 798,-53 fl.) einen so tiefen Stand (Cours; erhielten, dass am 2. July 1811 ein Gulden
Wiener-Bancozettel kaum noch 5-7 Kreuzer Ct^nentionsgeld galt. (S. Über.sichf der neuesten
Geschichte der Wiener ßancozettel; in den Allg. geogr. Ephem. 1611. Bd. 35. S. 48Ö— 4g2).
— Eben so -wuchs iV\e Summe der russischen ßankassii^nalionen , deren Betrag anTangs 100
Mill. Rilbel war, durch fortschreitende Vermehrung im J. 1810, nach y. IV ichmann , auf
etwa 570 Mill., im J. i8i3, nach <'. Siovch , auf 577 Mill. an , und schon im Dec. 1808 galt,
nacli KnJJ'ka , der Rubel in Banknoten nicht mehi als i2 Groschen sächsisch. — In Spanien,
dessen Zeiii>lmasse man auf 740,579,202 fl. in vales reales angibt, stehen diese so tief unter
dem Nennwerlhe, dass sie im J. 1819 84 — Ö8 Proc. verloren, so wie die in Norwegen cir-
culirenden Bankzeltel (gegen 20 Mill. Speciestlialer) so tief gesunken sind, dass sie , nach Cre-
me , zu 4i , nach Hassel aber kaum zu i5 Proc. des Nennwerihs umlaufen. — Will ein Staat,
der im Drange der Umstände Papiergeld schafft, sich \ or so gefahilichen Schritten sichert^ :
so ist es kein hinreichendes Mittel, für eine hinlängliche Roalisationscasse zu sorgen, da ei-
ne solche durch gar zu viele Zufälle erschöpft werden kann , sondern das Pajjiergeld noch
ausserdem durch eine solide Basis zu sichern , so dass jeder Inhaber eines Zettels sich \ ersi-
cliert hallen köi:ne, der Realwerth sey in irgend einem festen Gegenstande \on Werth vor-
handen , der ihm für sein repräsentirendes Zeichen vollkommene Bürgschaft leiste.
b) Auf Befehl des Unterhauses ist am Schlüsse des Jahres 1819 ein Bericht über den gesamm-
ten Bc\au( der Jundirten Schuld von Grossbritannien , mit InLcgriflder österreichischen und
portugiesischen Anleihen, wie dieselbe am 1. Febr. oder 5. Jan. in jedem Jahre, \on 178G
bis 1819 einschliesslich war, gediuckt worden. Der Gesammtbelauf der uneingelösten Schuld
oder des unbezahlten Capitals im J. 1786 war 258,23i,248 Pf., wovon die ganze Belastung
io,3o2,4<>2 Pf. betrug. In den Friedensjahren bis 1795 sank die Schuld allmählich herab, und
betrug noch 227,1^89,148 Pf. Seiulem stieg sie schnell und fortwährend, und am 5. Jan. •819
betrug die Gesammtsumme der fuiidirten Schuld von Grossbritannien und Irland i,i8x,5o2,3f)a
Pf. St. oder ii,8i3,o23,62o C. fl. , wovon eingelöst 389,607,049 Pf, uneingelöst 791,867,315
Pf. Der sinkende Fonds betrug i5,8i5,0oo Pf., und die gesammle Belastung mit Einschluss
desselben 45,749,296 Pf. St. S. Allg. Z. Nr. 17. 1820. Nach einer in der Beylage z. Allg. Z.
Nr. io2. 1820 gelieferten Übersirlit der fundirten britfisciien Staatsschuld aber, mit Inbegriff
der österreichischen und portugiesischen Anleihen, belief sich der Gesammtbetrag derselben
am 5. Jan. 1819 auf 1,176.421,729 Pf. St., wovon unbezahltes Capilal 794,999,803, abbezahl-
tes bis zum 5. April 1813 3^)1,421,926 Pf. St. , und zwar durch den Tilgungsfonds 355. 911), 835
Pf., durch Landtaxen-Vei kauf 25,002,093 Pf. Der Tilgungsfonds betrug i5,q63,848 Pf., und
die ganze Belastung mit Einschluss desselben 45,9g3.,o5ti Pf. St. — Eine Schuld heisst /tin~
dirl , wenn in dem consoÜdirten Fonds (s. Abth. II. §. 62. Note a) eine eigene Taxe zur
Bezahlung der Zinsen dieser Schuld angewiesen ist; iinfundirl oder schwebend, so lange diess
nicht geschehen ist Zu dieser Art von öfTentlicher Schuld gehören vorzüglich die Ea:chei/iicr-
oder Schaizkanvnerscheine und ISapy-Scheine oder Scheine der Flottencassc, die zwar auch
Interessen geben, die das Parlament jährlich bewilligt, aber ohne dazu einen beständigen
Fonds angewiesen zu haben. Diese Scheine, deren Betrag sich im J. 1817 auf 5o Mill. Pf.
St. belief, können, da der Nähme des Gläubigers nicht darin genannt ist, ohne schriftliche
Abtretung durch blosse Einhändigung auf jeden übertragen werden, und circuliren daher
als Papiergeld. — Die fundirten Schulden sind von dreyerley Art: 1) Ja/i/re/iie/i (Annuities),
(1. i. Anleihen unter der Bedingung, dass eine bestimmle Anzahl Jahre hindurch dem Gläu-
biger eine bestitnmte (natürlich höhere als die gewöhnlichen Zinsen) Rente anstatt der Zin-
sen und des Capitals gegi;ben werde, die dann nach Ablauf der bestimmten Zeit zugleich
JV. Finn.17.011. f 68. Sl<<..l.,s.l,ul<lr,i. 4,3
tnit «lern (japltal ltHscIu. 2) Lebens- odiir Leibrenten , entweder auf einzelne licben , oder
aufLoosc von Leben; im ersten Fülle erspart der Staat mit dem Absterben eines jeden ein-
zelnen Annuitanten . was seine Annuität betrug; im letzten Falle, bev Toniinen , niuss der
Sijat die volle Summe zalilen , bis der letzte Anniiitant stirbt. 3) \y\^ immerwährende Zinsen,
ite/ienJe Capilalicn {Pt'rpdmüi's) , d.i. Scbnlden, xvelcbc als Anlellieii aufgenommen, und
regelmässig verzinset werden, nur dass der Gläubiger sein Capital nicht lainciigen , wobl aber
seine F.irderung (Stock) veräussern kann. Diese Art fundirter Scliulden macbt bey weitem
den grösslen Tlieil der brlttischen Staatsschuld aus. Da die Inhaber der Stocks nur 3 Procent
Interesse ziehen , sie nicht zurückfordern können , und doch oft ihres Geldes bedürftig sind,
oder höhere Zinsen wünschen: so sind diese Stocks ein Handelsartikel geworden, und stei-
gen und fallen im Preise. — Sinnlich dargestellt ist die Grösse der brluisc.hen Staatsschuld
im 4. Bande der Minerva von Archcnholz. i8o2, S. 184 ff • ? unfl in C. C. Andrejs statistischer
UliiTsicht und Merkwürdigkeiten der eurojiäischen und aussereuropäischen Staaten a. a. O.
S. 243 ff. Nimtnt man dieselbe in Pfundnoten, und nur zu 700 Mill. Pf. St. an, so würde
sie eine Oberfläche von 45i6 QM. bedecken, und in Guineen , eine an die andere goreihel ,
10,521 Meilen ."168 Ruthen weit reichen. Wollte ein Mensch <liese Schuld zählen, und täg-
lich, den Sonntag mit eingerechnet, zwölf Stunden z'j dem Zalilgeschäfte anwenden: so
\\ürde er, wenn er jede Minute 100 Guineen zählte, 27 Jahre, G Monate, i5 Tage und (i
Stunden brauchen, bezahlte er sie aber aus Bosheit in englischen Penny's, so würde es6(;4i
Jahre, 7 Monate, 14 Tage dauern, dergestalt, dass, liätte rnan am Schöpfungstage ange-
f.ingen, und bis heute fortgefahren, so blieb noch auf 1 i3i Jahre Arbeit zu thun. Wollte
man diese Schuld auf Rarren fortschaffen, jeden mit 2eoo Pf beladen, so bedürfte man
7401 Rarren, wenn man in Gold zahlte, und 5,25o,ooo , wenn in Rupfer. So unermesslich
ahei die brittische Staatsschuld auch ist; so sind die Gläubiger (nach einigen 17,000, nach
andern 25,ooo an der Zahl) doch meistens brittische Unteillianen; was Ausländern gehört,
ist verhältnissmässig ganz unbedeutend. Am 5. April 1807 berechnete man den Gesatnmtbe-
trag ;\lles dessen, was die Ausländer in englischen Fonds besar.sen . nur auf 34i658,795 Pf.
St. oder 346,587,930 fl.
') Nach einem officiellen Verzeichnisse hat Grossbritannien in 21 Jahren, nähmlich \on 1790
bis zu Ende des Jahres 1814, zusammen 461289,461 Pf St. Subsidien bezahlt, nähmlich:
an Osterreich ii,o5i,547, an Portugal g, 435,355, an Schweden 8,8ib,4ii, an Russland
5,275,158, an Spanien 5,100,477, an Preussen 3,375,663, an Sicilien 2,616,666, an Manö-
ver 2,280,107, an Hessen-Cassel 1,271,107, an Sardinien 592,000, an Baiern 501,017, an
den Prinzen \ on Oranien 22o,ooc, an Frankreich 200,000, an Dänemark 121.917, an Ba-
den 26,990, an Braunschweig 25;o86,und an Marocco 16,271 Pf St. für das Contingent, wel-
ches Maroccoim ägyptischen Rriego gegen Frankreich stellte. S. Ost. Beob. Nr. 161. i8i5. S. 871.
d) Man hat ausgerechnet, dass der Rrieg gegen Frankreich seit i793Grossbritaniiien 2000 Mill.
Pf. St. gekostet hat, wovon 976,798,202 Pf. St. durch Anleihen, der Überrest durch Abga-
ben aufgebracht wurde. S. Öslerr. Beob. Nr. i2i. 1817. S. 626.
fl) ^\e französische Staatsschuld wurde für das Jahr 1821 auf i,263, 222,600 fl. oder 0466 Mill.
Franken angegeben. Die Gesammtsumme der Ausgaben, welche Frankreich in Folge der
kurzen Wiedererscheinung Buonaparle's auf den französischen Thron tractatenmässig an Un-
terhaltungskosten für die alliirten Armeen und an Kriegsronlributionen an die verbündeten
Mächte bestreiten inussto, stieg auf 2000 Mill. Fr. (s. Öslerr. Beob. Nr. 70. 1816. S. 58i ff.),
ohne die Reclawationen verschiedener europäischer Staaten und deren Unlerthanen in An-
schlag zu bringen , welche ein Capital von 240,800,000 Fr. in Inscriptionen , oder eine Ren-
te von 12.040,000 Fr. ausmachen, die vom 22. März iöi8 zu laufen anfing. Um diese Zali-
liMigen leisten zu können, mussle die französische Regierung in England, Deutschland und
den Niederlanden Anleihen machen.
4»4 IV. Finauzcu. §. 68. Sta^itsschulJcu.
j) Die niederländischen Staatsschulden , welche grössten Theils auf Holland haften , betragen ,
nach Crome, 1,675,466,816 fl. Sie theilen sich in: 1) die aufgeschobene Schuld, wofür kei-
ne Zinsen bezahlt werden = i,i3i,ooo,i37 ß- i 2) die ac/iVe Staatsschuld , wofür Zinsen ent-
richtet werden = 610,000,000, und 3) die belgische , von Österreich übertragene, und von
Belgien übernommene Staatsschuld =:34-466,679 fl. Holland war, bey dem jälwlichen Deficit
in seinen Finanzen, schon lange vor der Revolution mit Schulden belastet. Schon 1776 sol-
len sie sich auf 967 Mill. fl. belaufen haben.
g) Die spanische Staatsschuld wurde beym Ausbruche des Insurrectionskiicges auf 7194 Mill.
266,909 Realen , oder 1720 Mill. Fr. angegeben (s. Götting. gel. Anz. 1814. St. 104. S. iSSy),
welche Schuldenmasse bis zum J. 1817 auf 11,157 ^I'"- 609,406 Realen, oder 2 Mdliarden
789,409,851 Fr. angewachsen ist, wovon die conslitutirle Schuld sich auf 6904 Mill. 662,886
Realen (1 Milliarde 47^'i65,72i Fr.), deren jährliche Zinsen uß Millionen 573,391 Realen
(48,843,346 Fr.) betragen, und die schwebende Schuld ohne Interessen aufD2Ö2 Mill. 976,020
Realen (1 Milliarde 3i3,244,i3o Fr.) beläuft. S. Polit. Journ. 1818. Febr. S. i23. Im Jahre
1821 ward die spanische Staatsschuld auf 12,000 Mill. Realen angegeben, ohne die drey
neuen fremden Anlehen, die auf Spanien lasten. S. Allg. Z. 1821. Nr. 196. Die Finanzen
sind in diesem Staate jetzt so zerrüttet, dass, öffentlichen Nachrichten zufolge, die Truppen
dem drückendsten Mangel ausgesetzt sind, und die Staatsbeamten und Magistrate Monate
und Jahre vorüber gehen sehen, ohne ihre ungenügenden Besoldungen (nach dem neuen Fi-
nanzplane vom 3o. März 1817 soll keine Besoldung der Staatsdiener über 5ooo fl. steigen) zu
erhalten. S. Polit. Journ. 1817. S. 702. Diese Finanznoth entstand überhaupt grössten Theils
aus Fehlgriffen in der Verwaltung; denn die letzten Regenten waren beynahe alle sehr sparsam.
/>.) Österreich hat, um einem, aus dem allgemeinen Systeme des politischen Gleichgewichts mit
kühner Übermacht.hervorgetretenen Staate sichere Schranken zu setzen, während eines23jähri-
gen Kampfes unter allen europäischen Staaten die grössten Opfer an Militärkräften gebracht,
und unter allen Continental-Staaten den grössten Aufwand an Finanzkräften gemacht. Es befrem-
det uns daher nicht, wenn die öffentlichen Schulden dieses Staates sich im Jahre i8i6aufi346
Mill. fl. beliefen, wovon 696Mill. verzinsliche (und zwar 488MIII. alte und 2o8Mill. neue, seit liSiö
entstandene) Schuld war, das übrige (nähmlich 65o Mill.) in Papiergeld (Einlösungs- und An-
licipationsscheinen) bestand. Von diesemPaplergelde waren bis 23.Si'pt. 1822 4o9Mill. durchEin-
lösung aus dem Urnlaufe gezogen und öffentlich vertilgt, und von der \erzinslichen Staatsschuld
waren vom ».März 1817 bis Ende Febr. 1821 80,104,292 d. abgetragen. Und seitdem wird mit
der Einlösung des Papiergeldes , so wie mit der Einlösung der öffentlichen Obligationen, oder
der Abtragung der verzinslichen Staatsschuld fortgefahren, so dass alle Staatspapiere nach ihrer
Beschaffenheit zu i5 — 40 und mehr pCt. steigen. S. ^/«(/(e's Statist. Übers, etc. a.a. O.S.47 — 56.
7) Die preussische Staatsschuld schlägt J'oiglel zu 180 Mill Thaler an. Nach dem Polit. Journ.
1818. S. 527 ff. beträgt sie i4o Mill. Thaler, wovon 2o Mill. schwebende Schuld. Hassel
gibt sie, mit Einschluss der sächsischen Schuld und der Tresorscheine, auf 287,101,101 ,
Ga/Ze»t auf 325,000,000 , und das Oppositionsblatt auf 400 Mill. 11. an. S. Ergänzun^sbl. z.
A. L. Z. 1818. Nr. 297. S. 673 ff. Nach Crome beträgt sie über 400 Mill. fl.
k) Die russische Staatsschuld gibt Crome zu 600, Gallelli zu 1000 Mill. Rubel, wovon der
grösste Theil jedoch in Papiergeld besteht, an. Nach Hassel beträgt sie 227 Mill. 5o5,475 fl.
Sie zerfällt in drey Bestandtheile: Schulden auf Termine, laufende Schulden und holländi-
sche Schuld, welche letztere am i3. Sept. 1817 sich bey Eröffnung der Amortlsalions-Gasse
auf 5o,6oo,ooo belief, und bis zum i3. Jan. 1820 um 1 Mill. vermindert war.
Die Staatsschulden der- übrigen europ. Staaten werden zu folgenden Beträgen angegeben :
Kirchenstaat 245, 000, 000 C. fl. Portugal 84,000,000 C.fl.
Dänemark 120,000,000 — nach andern l2o,ooo,ooo —
Baiern 1 00,752,658 — ohne das circulirende Papiergeld.
IV. Fnanxcii. §. (ig. Millel , dii- Fordcningin di r !JU'il!>yl'iiibigcr zu befiiedigfii.
4i5
Bejde Sicilicii 70,000,000 C. fl.
Osinanisches Reich bü, 666, 000 —
Sardiniefi 60,000,0110 —
Toscana 46,5oo,ooo —
Schiiieäen 34,4i2,o3i —
Sac.'i.ien 32,33o,256 —
Hanoi'er 3o,ooo,ooo —
Würtemberg i(),g54,3i8 —
nach andern 2(),gi3,5o4 —
Hamburg i3,5oo,ooo —
^Jeckhnbuvg-Sclnverin . . i2,ooo,ooo —
Hessen-Barmstadl ij,288,i54 —
Baden 10,539,168 —
nach andern 16,000,000 —
Nonirgen 8,760,000 —
Braunsc/in-eig 7,000,000 —
JS^assau 6,000,000 —
Churliessen 4'!5oo,ooo —
Sac/isen-ff^cimar 4i5oo,ooo —
Bremen 4i5oo,ooo —
nach andern i,5oo,ooo —
Parma 4,000,000 —
Die übrigen Staaten haben theils keine
nicht bekannt.
Sachsen-Gotha
Frankfurt a. M ;
Lübeck
Anhall-Kölhen
TValdeck
Heli>elien
Sachsen-Cuburg
B.CUSS , jüngere Linie
Sachsen-Ilildlnirghausen
nach andern
Modcna.
IIoJicnzoUern-Hecliingen
Anhall-Deisau
Li/ipe-Detmold
Sachacn-Meinungen
SchnJarzburg-Budohladl
Schii-arzbwg-Sündershaiiien . .
Anhalt -Bernburg
Beuss , ältere Linie
}\fecklcnburg-Slrelitz
Krakaii
oder 100,000 poln. Gulden.
Schulden, theils ist der Betrag
3,000,000 C. fl.
3,000,000 —
3,000,000 — .
i,6üo,ooo —
i,5oo,ooo —
1,200,000 —
1, 000,000 —
1,000,000 —
905,820 —
700,000 —
800,000 —
700,000 —
600,000 —
5oo,ooo —
5oo,ooo —
5oo,ooo —
3oo,boo —
5oo,ooo —
3oo,ooo —
200,000 —
25,000 — ■
ihrer Schulden
§• 69.
Mittel, die Forderungen der Staats gläubiger allmählich zu befriedigen.
Veniiitlclst des Sclmklenmacheiis halien sicli die europäischen Völker die Millel
und das Vermögen ihrer Nachkomnxenschaft gleichsam zugeeignet, denErlrägen kiinl-
liger Zcilränme vorgegriffen, und dadurch ihre gegenwärtige Kraft auf das wunder-
barste vermehrt' dergestalt, dass sie ohne dieses Mittel, wohl nicht im Besitze ihrer
Unahliängigkeit wären (5. §. 68). Aber wenn die Schulden, welche die europäischen
Staatengemacht, auf der einen Seile denselJien erspricssliche Dienste geleistet, dro-
hen sie ilmcn dagegen nicht durch ihre Grösse Gefahr und Zerrüttung, und welches
sind die Mittel, wodurcli man ihren üliermässigen Zuwachs in Schranken zu halten
sucht? Diese Frage deulct auf die Bemühungen hin, welche man gegenwärtig fast in
allen verschuldeten Staaten wahrnimmt, das öffentliche Schuldenwesen zu regidircn,
und den Credit zu erhalten. Man bestrebt sich, die öffentliche Einnahme so zu er-
weitern, dass nacli Bestreitung der übrigen Staatsbcdürfnissc auch noch etwas er-
übrigt, um damit die Fonlcrunücn der Slaats"läubi<;cr allmählich zu befriedigen. Zu
diesem Behufe wird an öffentlichem Aufwände gespart, werden Domainen veräussert
oder verpachtet , die Zinsen herabgesetzt, wo möglich höhere Auflagen ausgeschrie-
ben, oder die ausserordentlichen Abgaben in ordentliche verwandelt, und durch die-
.se und andere zweckmässige Mittel sogenaimte sinkende Fonds (Tilgungs- oder Anior-
lisations-Fonds) begründet, wodiiich die Staatsschulden nach und nach zum Sinken
gebracht und getilget werden aj. Vereiniget sich mit dieser weisen "N'erwaltuiig der
4i6 IV. Finanztu. .J. 6g. Mittel, diu Foidcriiugen der Staatsgläubiger zu befriedigen.
Finanzen endlich auch noch sorgfältige Vcinieidimg aller Kriege, die nicht unum-
gänglich nothwcndig sind: so darf man sich wohl der frohen Hoffnung hingeben, die
überspannten Staalskcäfle bald in das Geleise ihrer natürlichen Wirksajukcit zunick-
geselzt, und die Staatsausgaben wieder auf denjenigen Fuss gebracht zu sehen, t.hnc
welchen der alle Wohlstand des Staates nicht zurückkehren kann.
u) Der erste Tilgun^sstocJi: (Sinking Fund) ward in Grossbrilannten eingeführt, wo man unter
der Regierung Georgs I. auf eine bestimmte und kunstmässige Verfahrungsart , die Schulden
abzutragen, verfiel. Ergründete sich auf einen gewissen Überfluss der Abgaben, und auf
Herabsetzung der Zinsen der Staatsschuld , indem man den Unterschied zu jenem Zwecke
bestimmte. Man hatte den Grundsatz angenommen , das» der Tilgungsfonds immer unver-
letzt bleiben, d. h. zu keiner andern Absicht als zu der Lösung der Staatsschuld, je vorwen-
det werden sollte. Aber man halte nicht die Festigkeit, bey dem löblichen Vorsatze zu be-
harren. Die Folge davon war unvermeidlich, dass die Wirkungen des Sinking Funds unbe-
deutend wurden, und sie blieben es bis 1786, in welchem Jahre der Plan zu dem gegen-
wärtigen Tilgungsfonds, dem Heiliglhum der Nation, von dem berühmten politischen Arith-
metiker Dr. Price entworfen, und von dem grossen Pilt zur Ausfuhrung gebracht worden
war. Nach jenem Plane wurden jährlich 1 Mill. von den Einkünften in den Tilgungsftnds
gelegt, und zum Ankauf von Stocks verwendet. Ausserdem wurde er vermehrt duicb die er-
sparten Zinsen der abgetragenen Schuld und den Ertrag der Leibrenten abgestorbener Per-
sonen. Im J. 1792 erhielt der Tilgungsschatz eine ansehnliche Verstärkung dadurch, dass
ein iweylei- gestiftet wurde, womit er zusammen wirken sollte. Die Quellen des letztern be-
standen in dem Abzüge von 1 Procent von der Summe jeder neu gemachten Geldanleihe. Er
vormehrte-slch , wie der allere, durch die ersparten Zinsen der eingelösten Summen, und
man reehriete darauf, dass auf diese Weise jede gemachte Schuldanleihe vermittelst des ihr
zugehörigen Til;.^ungsstocks in 45 Jahren abgezahlt werden könnte. Diesem Tilgungsstock
ähnlich ward auch ein Tilgungsfonds für die langen Leibrenten oder Jahrgelder , d. h. sol-
che, die über 45 Jahre hinausgehen, gebildet. Im J. 1803 vereinigteman alle Sinking Funds,
und machte Einen gemeinnchaflUchen Tilgungsschalz (a General Sinking Fund) daraus. S.
Götting. gel. Anz. 1818. S. 838. Er betrug im J. 1819 i5,^)3,848 Pf St., und das durch
denselben von 1786 bis zum 5. April 181g abbezahlte Capital boläult sich auf 3.55,gi9,83o
Pf St. (s. §. 68. Note 6), obgleich die Umstände es nicht immer erlaubtem, ihn bloss zur
Abtragung der Slaatsschidd zu verwenden. — Nach dem Bc) spiele Grossbrilanniens ward
eine ähnliche Anstalt zur allmähligen Abtragung der Staatsschulden auch in andern Staaten
eingeführt. So besteht z. B. in Österreich, Preussen luid B.\iern ein Tilguiigsfunds , in Russ-
land, Frankreich und Baden eine /l/norlisalions-Caase , in Würlemberg ein Amorlisalions-
Inslilid u. s. w. Der in Osterreich seit 1817 bestehende allgemeine Tilgungsfonds hat die
zweyfache Bestimmung: die neue Staatsschuld (s. §.68, Note /;) vermittelst coursmässiger Ein-
lösung der in Conv. M. verzinslichen Obligationen, deren Interessen ihm sofort zu Gute
kommen, allmählich abzutragen ; dann zur Tilgung <ler allen, in Serien eingetheiltcu \er-
zinslichen Staatsschuld vermittelst der zu diesem Endzwecke ihm aus dem Staatsschätze zu-
gewiesenen jährlichen Tilgungs-Quota von 2 Mill. fl. G. M. , einen gleichen Capitals-Betr ag
einzulösen und öffentlich zu vertilgen. Das ganze, durch diese beyden Tilgungs-Operationen
in dem Zeiträume vorn i. März 1(317 ^'^ Ende Febr. 1821 getilgte Schuldcapital beläuft sich
auf 8o,ioj,2g2 fl. S. Österr. Beob. Juny 1821. — Über sinkende Fonds j in dem Polit. Journ.
1818. Febr. S. i54 fi. Der Verfasser dieses Aufsatzes macht die Bemerkung, dass der sin-
kende Fonds (Sinking Fund; eigentlich senkender Fonds heissen sollte , weil er nicht selbst
sinkt, sondern die Staatsschuld zum Sinken brlmrt.
T-mr;mn-t . j.rir»rm^.T
i
^'^ £isin£,er, Joseph Constantin
^^0 Vergleichende Jarstellung
354-
PLEASE DO NOT REMOVE
CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET
UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY
A*.
=^-^..'»'Ä*'» '."■ "z" *>/
1;.-
^iS"^^^-
äi^
-^^
*ljlÄ
i'v .
A
1 ••T'^"^
W'r
>.f^*^
' ^
l
?;? „
^y
f * *^\S
»■'iL: >^ *
^.'/^^f