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Full text of "Versuch einer Theorie phonetischer Alternationen; ein Capitel aus der Psychophonetik"

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University  of  Toronto 


http://www.archive.org/details/versucheinertheoOObaud 


VERSUCH  EINER  THEORIE 

PHONETISCHER  ÄLTERNÄTIONEN, 


CAPITEL  AUS  DER  PSYCHOPHONETIK. 


Von 


J.^laudoüin  de  Courtenay. 


33- 


Af-    " 


STRASSBURG. 

COMMIS.SIOXSVERI.AG     VON     KARL     J.     TRÜBXER, 

1895. 


Krakau  (Krakow).  riiiversitäts-Buchdruckerei.  Geächäftsleiter  A.  >[.  Kostevkiewicz. 


?rinted  in  Gciijiaa 


VORWORT. 


In  dem  XX.  Bande  der  von  der  Krakauer  Akademie  der 
Wissenschaften  herausgegebenen  ^Rozprawy  WydzicUa  filolo-. 
fficzneffo*  (Abhandlungen  der  philologischen  Classe),  1894,  gr. 
8°,  S.  219 — 364,  habe  ich  eine  grössere  Arbeit,  ^Proha  teorji 
alternaci/j  fonetycznych<^  (auch  als  Sonderabdruck  erschienen), 
veröffentUcht.  Dem  Reglement  gemäss,  sollte  ich  auch  einen 
kurzen,  deutsch  oder  französisch  verfassten,  Auszug  für  den 
>Anzeiger«  {respective  »Bulletin«)  der  Akademie  liefern. 
Da  es  mir  aber  notwendig  schien,  auch  die  Einzelheiten  der 
Darstellung  und  den  Gang  meiner  Beweisführung,  insbesondere 
aber  die  von  mir  aufgestellten  Formeln,  den  des  Polnischen 
nicht  mächtigen  Fachgenossen  zugänglich  zu  machen,  so  musste 
ich  den  maximalen  Umfang  eines  solchen  Rösume's  bei  weitem 
überschreiten  und  anstatt  eines  kurzen  Referats  eigentlich  eine 
ausführliche  deutsche  Bearbeitung  desselben  Stoffes  geben.  Dessen- 
ungeachtet wurde  mein  ganzes  Manuscript  Anfang  JuU  1894  von 
der  Redaction  des  »Anzeigers«  anstandslos  angenommen,  auf 
Anordnung  derselben  bis  zu  Ende  gesetzt,  und  von  mir,  unter 
liebenswürdiger  Mitwirkung  des  Herrn  Cand.  Mag.  St.  Rosznecki, 
sorgfältig  corrigiert;  dann  wurde  beinahe  die  Hälfte  des  Salzes 
mit  der  Pagination  und  mit  den  Überschriften  des  »Anzeigers< 
versehen  und  meine  deutsche  Orthographie  geändert  und  der- 


—       IV 


jenigen  des  »Anzeigers*  ülinlich  geinafhl.  Auf  einmal  aber  wurde 
mir  Ende  Oclober  gesagt,  dass  eine  solche  umfangreiche  Abhand- 
lung in  den  »Anzeiger«  (dessen  einzelnes  Heft  vier  Druckbogen 
unter  keiner  Bedingung  überschreiten  dürfe  und  nur  40  Kreuzer 
kostet)  aufzunehmen  geradezu  unm()glich  sei.  Und  es  ist  wirk- 
lieb ein  »Anzeiger«  für  eine  Abhandlung,  die  so  viel  Mühe 
gekostet,  kein  geeigneter  Platz.  Darum  entschloss  ich  mich, 
dieselbe  in  der  Form  eines  besonderen  Büchleins  herauszugeben, 
trotzdem  dass  damit  eine  mühselige,  wenig  erspriessliche  und 
zeilraubende  Arbeit  der  Umwandlung  des  referierenden  Stils  in 
einen  direct  darlegenden,  der  dritten  Person  in  die  erste,  des  Aus- 
drucks »der  Verfasser«  in  »ich«,  ferner  der  Teilung  in  einzelne 
Capitel  u.  s.  w.  verbunden  war.  Alles  dieses  musste  ich  an  dem 
schon  fertigen  Satze  durchführen. 

Die  Entstehungsgeschichte  dieses  Schriflchens  erklärt  uns 
gleichzeitig,  warum  ich  meine  Beispiele  vorwiegend  dem  Polni- 
schen entnehme  und  dieselben  meist  ohne  Übersetzung  anführe. 
Wenn  ich  meine  deutsche  Bearbeitung  ganz  unabhängig  von 
ihrer  polnischen  Vorlage  verfasst  hätte  und  nicht  gezwungen 
wäre,  blos  ein  Anzeiger-R^sumö  in  ein  selbstständiges  Werkchen 
umzuwandeln,  würde  ich  mich  nach  einer  grösseren  Auswahl 
von  Beispielen  aus  verschiedenen  Sprachen  umgesehen  baben. 
Ich  glaube  aber,  dass  auch  meine  polnischen  Beispiele  ganz 
hinreichend  sind  und  dass  ein  jeder  im  stände  sein  wird,  die 
allgemeinen  Gesichtspunkte  meiner  Arbeit  an  jeder  anderen 
beliebigen  Sprache  zu  prüfen. 

Der  Zusatz  zum  Titel,  >Ein  Capitel  aus  der  Pst/cho- 
phonetik'^,  kUngt  etwas  prätentiös;  ich  wollte  aber  damit 
nur  zeigen,  dass  ich  mich  zu  derjenigen  Richtung  in  der  Sprach- 
wissenschaft bekenne,  welche  in  allen  sprachlichen  Erscheinun- 
gen in  erster  Reihe  den  psychischen  Factor  erblickt. 

Einem  Anfänger  oder  auch  sonst  einem  an  ähnliche  Aus- 
einandersetzungen nicht  gewohnten  Leser  würde  ich  raten,  die- 


ses  Büchlein  nicht  von  Anfang  his  ans  Ende  ohne  Unterbre- 
chung, sondern  viehnehr  in  folgender  Reihenfolge  durchzuneh- 
men: Nach  der  »Erklärung  und  Definition  einiger  tennini  tech- 
nici*  und  »Erklärung  von  Zeichen  und  Abkürzungen«  (S.  9 — 10) 
gleich  das  Capitel  I.  (S.  11—22)  aufmerksam  durchzulesen, 
dann  das  Capitel  II.  bei  Seite  zu  lassen  und  zum  Capitel  III. 
(S.  42  ff.)  direct  überzugehen  und  nach  ihm  vier  folgende 
Capitel,  IV — VII.  (S.  52 — 88),  nacheinander  durchzuarbeiten. 
Nach  dem  Capitel  VII.  wolle  man  sich  mit  der  Einleitung 
(S.  1 — 9),  nach  derselben  mit  dem  Capitel  II.  (S.  22 — 42;  und 
schliesslich  mit  dem  Capitel  VIII.  (S.  89 — 122)  bekannt  machen. 

J.  B.  de  C. 

Krakau  (Krakow),  im  Januar  1895. 


EINLEITUNG. 

"^^orderhand  gebe  ich  nur  den  ersten  Teil  meiner  Arbeit. 
Der  andere  Teil  soll  umfassen:  1)  eine  Analyse  der  Be- 
dingungen ,  in  welchen  Alternationen  enstehen ,  2)  eine  Clas- 
sification der  Alternationen ,  ebensowohl  zur  Zeit  ihrer  Ent- 
stehung, wie  auch  3)  während  ihres  Weiterbestehens,  wo  sie 
sich  blos  auf  dem  Wege  der  Überlieferung  und  des  sprach- 
lich-socialen  Verkehrs  erhalten ,  4)  den  Hinweis  auf  verschie- 
dene Arten  der  Utilisation  von  Alternanten  zu  psychisch-sprach- 
lichen Zwecken ,  5)  Bestimmung  der  Grenzen  oder  Limiten, 
zu  welchen  die  Alternationen  während  ihrer  Bewegung  nach 
verschiedenen  Richtungen  gelangen  können,  6/  Analyse  ver- 
schiedener Alternationsschichten ,  7)  Darstellung  der  Corres- 
pondenzen  (Entsprechungen)  von  Alternationen,  d.  h.  derjeni- 
gen Alternationen,  welche  sich  in  verschiedenen  Sprachen 
gegenseitig  entsprechen.  Ausserdem  beabsichtige  ich:  1)  die 
Alternationen  des  Altindischen,  2)  diejenigen  Alternationen 
der  arioeuropäischen  (indogermanischen)  Sprachen,  welche  ihren 
Ursprung  dem  gemeinsamen  arioeurop.  Zustande  verdanken, 
3)  die  allen  slavischen  Sprachen  gemeinsamen  Alternationen 
besonders  darzustellen. 


^ 


i)ie  etymologische  Verwandtschaft  der  Sprachlaute  wurde 
schon  seit  lange  her,  etwa  seit  der  Zeit  bemerkt,  als  man  be- 
gann, sieh  mit  den  grararaatisehen,  vorzugsweise  aber  mit  den 
phonetischen  Fragen  ernsthaft  zu  beschäftigen. 

Am  höchsten  haben  sich  hier  die  indischen  Grammatiker 
erhoben .  indem  sie  eine  höchst  feine  Lehre  einerseits  über 
„S  a  n  d  h  i  -  Gesetze",  anderseits  aber  über  „G  u  n  a  -"  und 
„V  r  d  d  h  i -"  entwickelten.  Es  gebrach  aber  den  indischen 
Grammatikern  am  historischen  Sinne ,  so  dass  sie  weder  die 
stufenweise  Entwickelung,  noch  das  historische  Nacheinander, 
noch  schliesslich  die  Chronologie  im  allgemeinen  verstehen 
konnten.  Infolge  dessen  liegen  die  von  ihnen  gewonnenen  Re- 
sultate, so  zu  sagen,  auf  einer  einzigen  zeitlichen  Fläche:  al- 
les geschieht  dort  gleichzeitig ,  als  ob  es  weder  Vergangenheit, 
noch  Gegenwart,  noch  Zukunft  gäbe.  Daher  auch  dieser  rein 
mechanische  Charakter  grammatischer  Regeln:  wir  finden 
dort  ausgezeichnete  Recepte  für  Bildung  von  allerlei  gramma- 
tischen Formen ,  würden  aber  umsonst  eine  rein  wissenschaft- 
liche Erklärung  über  Art  und  Weise  der  Entstehung  dieser 
Formen  suchen. 

Die  Begriffe  G  u  n  a  -  und  V  r  d  d  h  i  -  sind  in  die  euro- 
päische Grammatik  unter  dem  Namen  Ablaut,  Lautstei- 
gerung od.  ähnl.  übergegangen ,  die  Lehre  von  den  phone- 
tischen Veränderungen  aber  erreichte  heutzutage  eine  hohe 
Stufe  der  Vervollkommnung.  Obwohl  die  europäischen  Sprach- 
forscher von  den  Ansichten  der  indischen  sehr  abhängig  sind, 
übertreffen  sie  doch  dieselben  dadurch,  dass  sie  erstens  in  ihre 
Forschungen  den  Begriff  der  Chronologie  eingeführt  haben  und 
ihn  mehr  oder  weniger  geschickt  anwenden,  zweitens  aber 
dass  sie  ihre  Schlüsse  auf  eine  viel  breitere ,  „vergleichende" 
Grundlage  stützen,  indem  sie  ihren  Stoff  aus  dem  Gebiete 
vieler,  nicht  nur  historisch  verwandten,  sondern  auch  einan- 
der fremden   Spi'achen  schöpfen. 

Nach  den  Resultaten  der  neuesten  Lautlehre  wird  das 
Verhältnis    (die    Beziehung)  zwischen  zwei  verschiedenen,  aber 


—     3     — 

etymologisch  verwandten  Lauten  in  ganz  umgekehrter  Ord- 
nung aufgefasst,  als  es  nach  der  Meinung  früherer  Sprachfor- 
scher der  Fall  war:  Dasjenige ,  was  früher  als  das  ursprüng- 
liche galt ,  zeigte  sich  als  das  abgeleitete  (secundäre),  und  um- 
gekehrt. Ein  besonders  charakteristisches  Beispiel  dieser  Verän- 
derung der  Anschauungen  bildet  die  Beseitigung  aus  der  Wissen- 
schaft der  sogenannten  „Vocalsteigerung"  und  das  Ersetzen  der- 
selljen  durch  das  Verhältnis ,  welches  in  einer  Schwächung  des 
stärkeren  phonetischen  Gebildes  und  im  Schwunde  eines  ge- 
wissen Teiles  desselben  besteht  (F.  d  e  S  a  u  s  s  u  r  e,  B  r  u  g- 
mann,    ( )  s  t  h  o  f  f ,    H  ü  b  s  c  h  m  a  n  n   und  viele  anderei. 

Aber  selbst  in  den  neuesten  sprachwissenschaftlichen 
Werken  werden  die  Alternationen  als  solche  nur  mittelbar 
behandelt ,  denn  auf  dem  ersten  Plane  steht  ja  noch  immer 
die  Bestimmung  phonetischer  Veränderungen  und  die  Fest- 
stellung der  historischen  Priorität  oder  der  Abgeleitheit  des 
betreffenden  Sprachlautes.  Ja  noch  mehr,  es  wird  in  diesen 
Werken  der  Begriff  selbst  der  Alternation  oder  des  Neben- 
einanders  nicht  genügend  berücksichtigt.  Eine  der  Arbeiten, 
welche  sich  dem  in  der  vorliegenden  Abhandlung  entwickel- 
ten Begriffe  der  Alternation  wohl  am  meisten  nähern ,  da  sie 
vor  allem  die  Thatsache  der  Alternation  selbst  constatieren,  ist, 
wie  es  scheint ,  Der  Ablaut  der  Wurzelsilben  im  Litauischen 
von  August  Leskien.  Leipzig  1884.  Der  Ausdruck  „Alter- 
nation" aber,  und  zwar  in  dem  von  mir  angenommenen  Sinne, 
kommt  hie  und  da  in  modernen  sprachwissenschaftlichen  Wer- 
ken vor.  So  spricht  z.  B.  de  S  a  u  s  s  u  r  e  (Memoire  sur  le 
Systeme  priinitif  des  royelles  dans  les  langues  indoeuropeen- 
nes,  Leipsick  1879.  pg.  12):  „Les  langues  italiques  ont  trop  unifor- 
mise  la  flexion  verbale  pour  qu'on  puisse  s'attendre  ä  retrou- 
ver  chez  elles  1' altern  an  ce  des  formes  faibles  et  des  formes 
fortes". 

Zu  dem  in  der  vorliegenden  Abhandlung  entwickelten  Be- 
griffe der  Alter  nation  bin  ich  schon  vor  mehr  als  achtzehn 
Jahren  gekommen,  nämlich  zur  Zeit,  als  ich  meine  Vorlesungen 
über  einzelne  Parteien  der  vergleichenden  Grammatik  und  der 

1* 


_  4  _. 

allgemeinen  Sprachwissenschaft  an  der  Universität  Kasan  und 
an  der  dortigen  Geistliehen  Akademie  eröffnete. 

Die  in  den  damals  vorhandenen  linguistischen  Werken 
übliche  Behandlung  phonetischer  Unterschiede,  welche  in  ei- 
nem notwendigen  Heraussuchen  der  „Übergänge"  eines  Sprach- 
lautes in  einen  anderen ,  vor  allem  aber  in  der  Feststellung 
der  „Lautgesetze"  u.  s.  w.  bestand,  befriedigte  mich  nicht; 
denn  ich  sah  darin  einerseits  eine  mangelhafte  Berücksichti- 
gung der  Chronologie  oder  der  Reihenfolge  historischer  Schich- 
ten ,  andererseits  aber  eine  ungenaue  Formulierung  der  That- 
sache  selbst.  Eine  solche  Thatsache  aber  ist  in  erster  Reihe 
das  Nebeneinande  r  phonetisch  verschiedener,  aber  ety- 
mologisch verwandter  Sprachlaute;  und  erst  nach  der  Fest- 
stellung der  Thatsache  soll  man  sich  bemühen ,  ihre  Ursache 
zu  entdecken. 

Meine  damaligen  hierhergehörigen  Ansichten  habe  ich 
u.  a.  in  „no;i,po6HaH  nporpaiiiia  jieKi;iH  b  1876  — 1877  yi. 
ro^y.  KaaaHB,  BapmaBa,  1878",  pg.  56  —  61,  62 — 63,  85,  in 
„üo^poüHa^  nporpaMMa  aeKaiii  b  1877  —  1878  yi.  ro/i,y. 
KasaHb,  Bapmasa,  1881",  pg.  85,  86—88,  105—106,  145", 
n  „II31.  ^leKuiii  no  .laTHHCKofi  (IJoneTBKi.  BopoHeact,  1893" 
und  sogar  noch  viel  früher,  in  „Wechsel  des  s  (s,  s)  mit  ck 
in  der  polnischen  Sprache"  (Beiträge  zur  vergl.  Sprachforsch, 
von  Kuhn.  VI.  221  —  222)  (wo  schon  im  J.  1868  diese  Alter- 
nation s  '  ch  „consonantische  Steigerung,  welche  zur  differen- 
zierung  der  hedeutung  benutzt  wird'^  genannt  wird),  ausgespro- 
chen oder  blos  in  aller  Kürze  angedeutet.  Meine  diesbezügli- 
chen Begriffe  läuterten  sich  und  präcisierten  sich  stufenweise. 
In  meinen  russischen  Vorlesungen  wandte  ich  das  russ.  Wort 
„Hepe^oBanie"  (etwa  Abwechslung)  zur  Bezeichnung  des 
Nebeneinanders  in  einer  und  derselben  Sprache  phonetisch  ver- 
schiedener und  doch  etymologisch  verwandter  Laute  an. 

Einer  von  meinen  Kasaner  Schülern,  N.  K  r  u  s  z  e  w- 
s  k  i ,  welcher  in  seiner    Habilitationsschrift   „Ha6jiK);i,eHiii   Ha/i, 

Hd^KOTOpLIMH  dfOHCTHHeCKHMH  JIB.ieHiHMH,    CBHSaHHBIMH  C  aKUCH- 

Tvauiefi.    Kasant.    1879"  das  in  dem  Rig-Veda  vorkommende 


—      o      — 

Material  zur  Lehre  über  die  durch  den  Einllusä  der  Accents 
hervorgerufenen  Ahernationen  zusammengestellt  hatte,  gewann 
eine  klare  und  selbstständige  Ansieht  über  ähnliche  phone- 
tische Erscheinungen  und  stellte  dieselbe  in  der  Einleitung 
zu  seiner  Magisterschrift  „K  Bonpocy  o  ryn'fe.  TIsc.i'fe^OBaHie 
B  oo.iacTH  cTapocjiaBHHCKaro  BOKajiHSMa.  Oc.  ott.  h3  „PyccK. 
<I>HjioJiorHqecKaro  BicTHHKa."  BapmaBa.  1881",  wie  auch  in 
der  deutschen  Bearbeitung  dieser  Einleitung.  „  IJeher  die  Laut- 
abweckslimg.    Kasan   1881"^)  in  allgemeinen  Umrissen  dar. 

Kruszevvski  entwickelte  die  „Theorie"  der  Alternationen 
bei  weitem  „philosophischer",  inhaltsvoller  und  präciser,  als  ich 
selbst  es  that,  und  zwar  hauptsächlich  infolge  einer  strengen 
Anwendung  der  analytischen  Methode;  es  lässt  sich  aber  nicht 
leugnen,  dass  Kr.  blos  eine  andere,  gediegenere  Form  dem 
gegeben  hat ,  was  er  von  einem  anderen  erfahren  hatte  (Die- 
ses bekannte  auch  Kr.  selbst;  s.   „Ueber  die  Lautabwechslung" 

Pg.  !)• 

An  der  von  Kruszewski  gegebenen  Dar.stellungs weise  der 
Alternationentheorie  wäre  dies  und  jenes  auszusetzen.  Trotz  aller 
seiner  Strenge  und  Zerlegungsmethode,  liess  Kr.  doch  manches 
unbeaciitet,  bestimmte  die  Grenzen  zwischen  den  einzelnen  Clas- 
sen  von  Alternationen  nicht  genau  genug,  stellte  solche  angeblich 
charakteristischen  Merkmale  einzelner  Classen  auf,  welche  als 
charakteristisch  gar  nicht  gelten  konnten,  dahingegen  aber  be- 
merkte er  andere  Merkmale  nicht,  welche,  als  die  für  die  gege- 
bene Classe  am  meisten  charakteristischen,  in  erster  Reihe 
erwähnt  werden  sollten.  Dabei  begieng  Kr.  hie  und  da  einen 
logischen  Fehler,  was  aber  alles,  angesichts  der  Neuheit  und 
der  Schwierigkeit  des  Gegenstandes,  nicht  Wunder  nehmen 
darf,  besonders  Avenn  man  erwägt,  dass  Kr.  seine  allgemeinen 


*)  Vgl.  dazu  die  Kecensioii  vcn  Brugmann  (Literar.  Centralblatt, 
1882,  N.  12,  pg.  401),  wo  jedenfalls  die  Behauptung  nicht  richtig  ist,  dass 
„unter  „Lautabwechslung"  versteht  der  Verf.  das,  was  man  sonst  ,,Laut' 
Übergang"  oder  ..Lautwandel'"  nennt', 


-     6     - 

Schlüsse  vorzugsweise  auf  die  Thatsachen  aus  dem  beschränk- 
ten Gebiete  phonetischer  Veränderungeti  gestützt  hatte,  wel- 
che durch  die  Palatalisation  oder  „Erweichung"  der  Conso- 
nanten  in  der  russischen  Sprache  hervorgerufen  wurden. 

Die  Terminologie  Kr.'s  befriedigt  nicht  und  kann  heut- 
zutage nicht  beibehalten  werden.  Sonst  gehören  die  beiden  oben 
erwähnten  Schriften  von  Kruszewski ,  ebenso  seine  Magister- 
schrift, wie  auch  seine  Broschüre  „Ueber  die  Lautabwechs- 
lung", einer  Zeit  an,  wo  unter  den  Leuten,  welche  sich  in 
Kasan  mit  der  Sprachwissenschaft  beschäftigten,  eine  Nomen- 
clatursucht,  eine  wahre  Manie  wütete,  ganz  neue  und  unge- 
wöhnliche termini  technici  zu  erfinden.  Kruszewski 
wusste  in  seinen  Werken  noch  ein  gewisses  Mass  in  dieser 
Hinsicht  zu  beobachten.  Ungeheuere  Dimensionen  erreichte  diese 
Krankheit  in  meinen  eigenen  „H-feKOToptie  oTfl^'kjihi  „cpaB- 
HBTe^iLHon  rpaMMaTHKH"  c.ioBHHCKHx  JI3LIK0B.  BapuiaBa 
1881"  (S.-A.  aus  dem  „PyccKiö  4>HJiojror.  B-fecTHiiK"  V.  265  — 
344),  wo  solche  termini  technici^  wie  Cohaerenten, 
Homogenen,  Heterogenen,  Monogenen  und  P  o- 
lygenen,  Amorphität  und  secundäre  Hete- 
rogenität  der  ]\Iorpheme,  amorphe  Cor  rela- 
tive, Divergenz  und  anthropophonische  Co- 
haerenz,  bewegliche  Correlation  und  mor- 
phologische Coincidenz,  coincidente  Corre- 
lative,  coexistente  Correlative  u.  ä.,  beider 
Leetüre  dieses  Schriftchens  nur  störend  wirken  können. 

Aber,  trotz  dieser  schrecklichen  Anzahl  von  neu  ge- 
schmiedeten termini  technici,  findet  man  auch  in  dieser  Schrift 
einen  gesunden  Kern.  Eine  der  bedeutendsten  Neuerun- 
gen (welche  aber  für  mich  selbst  nichts  neues  darbot ,  da 
ich  dieselbe  schon  seit  einigen  Jahren  in  meinen  Vorlesungen 
entwickelte)  war  der  Hinweis  auf  die  Notwendigkeit,  die  ei- 
gensprachigen Alternationen  von  den  f  r  e  m  d- 
sprachigen  zu  unterscheiden.  Einen  gewissen  methodolo- 
gischen Wert  hatten  auch:  erstens  die  Unterscheidung  der  Be- 


griffe  Laut  und  Phonem^);  zweitens ,  das  Zusammen- 
fassen der  Begriffe  Wurzel,  Suffix,  Praefix,  En- 
dung u.  s.  w.  in  einem  gemeinsamen  Namen ,  M  o  r- 
p  h  e  m ;  drittens ,  die  Unterscheidung  der  stufenweisen  Zer- 
gliederung der  menschlichen  Rede  vom  authropophonischen  oder 
physiologisch-akustischen  und  derjenigen  vom  morphologisch- 
-semasiologischen  Standpunkte  aus;  viertens,  die  Unterschei- 
dung der  stammhaften  (primären)  und  abgeleiteten  (secun- 
dären)  Alternationsglieder. 

Fast  gleichzeitig  mit  dieser  Abhandlung  erschien  auch 
meine  andere  Arbeit,  „Otpbibkh  h31>  JieKn;in  no  (|)OHeTHK'fe 
H  >iop(|)o.ioriH  pyccKaro  üs&iKa,  HHTaHHSixi.  bi.  1880 — 1881 
aKa/i,.    ro;i,y   bi>  IlainepaT.   KasancKOMt   yHHBepciiTeT'fe.    Ot^. 


OTT.  Hst  „«I^H^iOriorHqecKHxi.  SaHHcoKt".  BopoHeact,  1882", 
welche  hauptsächlich  einer  Analyse  der  Divergenten  der  rus- 
sischen Sprache  gewidmet  ist. 

Der  berühmte  Orientalist,  Dr.  W.  R  a  d  1  o  f  f  (gegenwär- 
tig Mitglied  der  Kais.  Akademie  der  Wissenschaften  in  St. 
Petersburg)  ersetzt  in  seiner  der  Anwendung  von  Kruszew- 
ski's  Auseinandersetzungen  auf  die  türkischen  Sprachen  ge- 
widmeten Abhandlung  „i^j'e  Lautalter nation  und  ihre  Bedeu- 
tung für  die  Sprachentwickelung ^  belegt  durch  Beispiele  aus  den 
Türksprachen  (Abhandlungen  des  fünften  internationalen  Orien- 
talisten -  Congresses  gehalten  zu  Berlin  im  September  1881. 
Berlin  1882)"  Aen  ter minus  „Lautabwechslung"  durch  L  a  u  t- 
a  Iternation,  die  Alternationen  der  ersten  Kategorie 
nennt,  ebenso  wie  ich,  Laut-Divergenz,  Divergen- 
zen,  Alternationen  der   zweiten  Kategorie,  d.  h. ,  nach   niei- 


^)  Indes  unter  dem  Phonem  verstand  ich  damals  etwas  anderes .  als 
ich  es  jetzt  verstehe,  und  zwar  verstand  ich  darunter  diejenige  Summe  pho- 
netischer Eigentümlichkeiten,  welche  bei  den  Vergleichungen ,  sei  es  im 
Bereiche  einer  und  derselben  Sprache,  sei  es  im  Bereiche  mehrerer  ver- 
wandten Sprachen,  eine  unteilbare  Einheit  dars^tellt.  —  Der  Vorschlag,  den 
Namen  Phonem,  im  Unterschiede  von  Laut,  zu  gebrauchen,  rührt 
von  Kruszewski  her. 


-      8     — 

tier  jetzigen  Terminologie  traditionelle  Alternationen ,  benennt 
er  Laut-Conipensation,  conipensante  Laute 
(ein  nicht  ganz  treffender  Ausdruck),  und  schliesslich  be- 
schränkt er  den  Namen  Oorrelation,  Correlative, 
wie  es  auch  ich  jetzt  thue ,  blos  auf  die  Alternationen  der 
dritten  Kategorie. 

In  dem  umlängst  veröffentlichten  Buche  R.  B  r  a  n  d  t'  s 
„JleKuiH  no  HCTopHHecKOH  rpaMMaTHRt  pyccKaro  üSLiKa,  '^ih- 
TaHHLiH  PoMaHOMt  EpaH;i,TOMt.  BLinycKt  1.  tX^oHeTHKa.  Mo- 
CKBa,  1892"  finden  wir  auch  ein  Capitel,  betitelt  „"^epe/^o- 
Banie  seyKOBi."  (Laut-Alternation).  Aber  Brandt  versteht  un- 
ter diesem  Namen  augenscheinlich  etwas  anderes,  als  ich  es 
verstand  und  verstehe;  denn  er  lässt  auf  den  ersten  Plan 
nicht  die  Feststellung  (Constatierung)  der  Thatsache  des  Ne- 
beneinanders  selbst  hervortreten,  sondern  es  handelt  sich 
bei  ihm  um  die  Erklärung  phonetischer  Veränderungen,  die 
er,  je  nach  dem  sie  sich  entweder  jetzt  vollziehen,  oder  sich 
in  der  Vergangenheit  vollzogen,  in  „Übergänge"  (nepexoAw) 
und  „Substitutionen"  (no^cTanoBKH)  teilt.  Prof  Brandt  hat 
vollkommen  recht,  wenn  er  mich  für  eine  Masse  der  von 
mir  in  meinem  „HiKOTopiiie  0T/i,'fejiLi  cpaBHHTejiLHOH  4>0HeTH- 
kh"  neu  geschmiedeten  termini  technici  tadelt.  Derselbe  Tadel 
aber  betrifft  auch  ihn  selbst.  Er  hat  nämlich  vielleicht  über 
hundert  ganz  neue  grammatische  termini  technici  erfunden, 
welche  das  Lesen  seiner  Werke  und  Abhandlungen  ungemein 
erschweren ,  und  welche  vor  den  meinigen  nur  den  Vor- 
zug haben,  dass  sie  nicht  aus  dem  Stoffe  der  lateini- 
schen Sprache,  sondern  aus  dem  nationalen  Stoffe,  aus 
dem  Stofi'e  der  russischen  Sprache  selbst  geschöpft  wurden. 
Es  ist  aber  ein  sehr  zweifelhafter  Vorzug;  denn  ein  lateini- 
scher terminus  technicus  kann  von  allen  Gelehrten  Europa's 
und  Amerika's,  ohne  Unterschied  der  Nationalität,  leicht  ver- 
standen werden ,  während  ein  unter  der  Wirkung  purificato- 
rischer  Tendenzen  entstandener  ausschliesslich  nationaler  ter- 
minus die  Schwierigkeit  gegenseitiger  Verständigung  nur  er- 
höht,   was  ja,    besonders  in  unseren,  von  den  internationalen 


—     9     — 

Antipathien  durch    und   durch   durchgesickerten  Zeiten ,    wohl 
nicht  erwünscht  sein  kann. 

Mein  Versuch  der  Darötelhmg  der  Alternanten  -  Theorie 
wird  vielleicht  keine  Anerkennung  linden.  Es  lässt  aich  aber 
nicht  leugnen,  dass  sich  der  Begriff  selbst  der  Alteruation 
und  der  Alternanten  auf  eine  ungeheuere  Masse  phonetischer 
Tbatsachen  bezieht;  denn  es  giebt  wohl  keinen  Laut  in  kei- 
ner Sprache,  welcher  in  der  Sprache  isoliert  da  stände,  ohne 
einen  anderen  mit  ihm  alternierenden  Laut,  wie  auch  kein 
Wort,  auf  welches  die  Lehre  von  den  Lautalternationen  kei- 
ne Anwendung:  fände. 


Erklärung  und  Definition  einiger  termini. 

Das  Phonem  =  eine  einheithche,  der  phonetischen  Welt 
angehörende  Vorstellung ,  welche  mittelst  psychischer  Ver- 
schmelzung der  durch  die  Aussprache  eines  und  desselben 
Lautes  erhaltenen  Eindrücke  in  der  Seele  entsteht  :=  psychi- 
scher Aequivalent  des  Sprachlautes.  Mit  der  einheitlichen  Vor- 
stellung des  Phonems  verknüpft  sich  (associiert  sich)  eine  ge- 
wisse Summe  einzelner  anthropophonischer  Vorstellungen,  wel- 
che einerseits  Articulations- Vorstellungen,  d.  h.  Vorstellungen 
vollzogener  oder  in  Vollziehung  begriffener  physiologischer 
Articulationsarbeiten,  anderererseits  aber  akustische  Vorstel- 
lungen ,  d.  h.  Vorstellungen  gehörter  oder  im  Gehörtwerden 
begriffener  Resultate  jener  physiologischer  Arbeiten ,   sind. 

Die  Phonetik,  als  ein  Ganzes,  umfasst  alle  phonetischen 
Thatsachen,  ebenso  anthropophonische  Thatsachen,  d.  h.  die  auf 
unsere  Sinne,  auf  den  Gefühlsinn  (bei  den  physiologischen 
Arbeiten)  und  auf  den  Gehörsinn  (bei  den  durch  diese  Arbei- 
ten hervorgerufenen  Lauten),  wirkenden  Thatsachen,  wie  auch 
psychophonetische  Thatsachen,  in  welchen  sich  anthropophoni- 
sche, sinnliche  Thatsachen  reflectieren  (wiederspiegeln).  Daher 
zerfällt  die  Phonetik  in  zwei  Teile,  in  einen  anthropopho- 
n  i  s  c  h  e  n  und  in  einen  psychop  ho  netischen  Teil. 


—     10    — 

Morphem  =  jeder,  mit  dem  selbstständisren  psychi- 
schen Leben  versehene  und  von  diesem  Standpunkte  (d.  h. 
von  dem  Standpunkte  eines  selbständigen  psychischen  Lebens) 
aus  weiter  unteilbare  Wortteil.  Dieser  Begriff  umfasst  also: 
Wurzel  {radix) ,  alle  möglichen  Affixe,  wie  Suffixe, 
P  r  a  e  f  i  X  e,  als  Exponenten  syntaktischer  Beziehungen  dienen- 
de Endungen,  u.  s.  w. 

Erklärung  von  Zeichen  und  Abkürzungen. 

=  .  .  .  Gleichheit  im  mathematischen  Sinne, 

I  .   .   .  neben,  eins  kommt  neben  dem  anderen  vor, 

II  .  .  .  Symbol  der  Alternation  oder  des  Nebeneinanders, 
Symbol  der  einsprachigen    Entsprechung,    Symbol  der  etymo- 
logischen Verwandtschaft  in  den  Grenzen  einer  und  derselben    • 
Sprache. 

^  .  .  .  Symbol  der  Correspondenz ,  Symbol  der  mehr- 
sprachigen Entsprechung,  Symbol  der  etymologischen  Ver- 
wandtschaft in  verschiedenen  Sprachen. 

-  .  .  .  Symbol  des  Überganges,  Symbol  des  Wandels: 
dasjenige,  dessen  optische  Bezeichnung  an  der  linken  Seite 
dieses  Symbols  steht,  ist  in  dasjenige  übergegangen,  dessen 
optische  Bezeichnung  an  der  rechten  Seite  dieses  Symbols 
steht. 

^  .  .  .  umgekehrtes  Symbol,  Symbol  der  Entstehung 
dessen  ,  was  in  der  optischen  Bezeichnung  an  der  linken  Seite 
dieses  Zeichens  steht ,  aus  demjenigen ,  was  in  der  optischen 
Bezeichnung  an  der  rechten  Seite  dieses  Zeichens  steht. 

X  .  .  .  Symbol  des  Mangels  jegliches  Zusammenhan- 
ges von  dem  bezüglichen  Stand  punkte  aus. 

#  .  .  .  Symbol  des  Parallelismus. 

*  .  .  .  vermutete,  reconstruierte  Form. 

«    »  .  .  geleugnete,  unmögliche  oder  erdachte  Form. 


11    - 


I.   CAPITEL. 

Definition  der  Alternation  und  der  Alternanten.  Her- 

leitiing  des  Begrifts  der  Alternation  auf  etyniologiscliem 

und  auf  plionetischeui   Wege.     Ursprüngliche  Ursache 

jeder  Alteruation. 

In  jeder  Sprache,  bei  jedem  sprechenden  Individuum 
bemerken  wir  den  teihveisen  phonetischen  Unterschied  ety- 
mologisch identischer  Morpheme,  Mit  anderen  Worten:  in  je- 
der Sprache,  bei  jedem  sprechenden  Individuum  constatieren 
wir  den  Unterschied  der  sich  entsprechenden  phonetischen 
Stellen  oder  Teile  in  den  etymologisch  verwandten  Morphe- 
men. So  haben  wir  z.B.  in  den  polnischen  Worten  niog-e 
!  in  o  Ä  -  e  s  z  zwei  etymologisch  verwandte  Morpheme  m  o  g  - 
und  moz-,  in  welchen  die  Phoneme  m  und  o  gleich  sind, 
die  dritten  Phoneme  aber,  g  und  ,2,  sich  phonetisch  unterein- 
ander unterscheiden.  Und  eben  solche,  phonetisch  verschiedene 
Phoneme,  welche  aber  zum  Bestandteile  etymologisch  verwand- 
ter, d.  h.  ihrem  Ursprünge  nach  identischer,  Morpheme  gehö- 
ren und  im  phonetischem  Bau  dieser  Morpheme  die  sich  ge- 
genseitig entsprechenden  Stellen  (im  gegebenen  Falle  z.  B.  die 
3-e  Stelle)  einnehmen ,  nennen  wir  Alternanten  und 
ihre  gegenseitige    Beziehung    zu  einander  —  Alternation. 

Ebenso  constatieren  wir  in  den  wurzelhaften  Morphe- 
men der  polnischen  Worte  mröz  |  mroz-u  zwei  deutliche 
Alternationen:  m  (6)  ii  0  und  -s{-z)\\-z-.  An  der  Verbindungs- 
stelle des  wurzelhaften  und  des  formalen  Morphems  in  den 
polnischen  plac-i-d  |plac-e  haben  wir  eine  deutliche 
Alternation:  6i  \\  c.  In  den  Hauptmorphemen  der  deutschen 
lad-enjLas-t,  Ver-lus-tiver-lor-en,  Fros-tl 
frier -en,  geb-en|gab...  können  wir  folgende  deut- 
liche Alternationen  constatieren:  \)  d  \\  s ,  ä  [\  «,  2)  s  il  r, 
ü  II  ö,  3)  s  II  r,     ö  11  i  (ie),     4)  g  \\g,,     e  \\  a,     -b-  \\  -p  (b). 

Streng  genommen,  können  in  allen  ähnlichen  Fällen  als 
alternierende  Einheiten    nicht    Phoneme,    sondern  ganze  Mor- 


-      12     — 

plieme  gelten,  da  eben  nur  die  Morplieme  seniasiologi.scli  un- 
teilbare sprachliche  Einheiten  darstellen.  Vom  Standpunkte 
also  des  der  Sprache  eigenen  psychischen  Lebens  aus  alternie- 
ren untereinander  ganze  Morpheme  und  deren  Verbindun- 
gen :  poln.  ni  0  g  -  II  m  o  z  - ,  m  r  u  s  y  m  r  o  z  - ,  p  1  a  6  -  i  -  II  , 
plac-;  deutsch  lad- ||  las-,  lös-  ]|lör-,  fros-  y  frir- 
gi  e  b  -  ij  g  a  p  .  .  .  .  Einen  solchen  phonetischen  Unterschied 
morphologisch  verwandter  Morpheme  nennen  wir  phoneti- 
sche Alternation  derselben.  [Daneben  existiert  auch  se- 
masiologische  Alternation  oder  Bedeutungs-Alternation  der 
Morpheme  und  ganzer  Worte.]  Phonetische  Alternation 
ganzer  Morpheme  aber  zerlegt  sich  in  die  Alternationen 
einzelner    Phoneme,    als  phonetischer   Componenten  derselben. 

Wenn  man  also  diesen  Begriff  auf  Phoneme  anwendet, 
so  werden  phonetische  Alternanten  oder  alter- 
nierende Phoneme  diejenigen  Phoneme  oder  Laute 
heissen,  welche,  trotzdem  dass  sie  sich  untereinander  phone- 
tisch unterscheiden,  doch  auf  eine  gemeinsame  historische  Her- 
kunft hinweisen  oder  etymologisch  verwandt  sind. 

Mit  anderen  Worten :  Phonetische  Alternan- 
ten oder  alternierende  Phoneme  heissen  diejenigen 
Phoneme  oder  Laute,  welche  zwar  verschieden  ausgesprochen 
werden,  aber  sich  auf  eine  gemeinsame  historische  Quelle  zu- 
rückführen lassen,  d.  h.  von  einem  und  demselben  Phoneme 
historisch  herstammen. 


Herleitung  des  Begriffs  phonetischer    Alternation   und  pho- 
netischer Alternanten    auf  etymologischem  Wege. 

Die  semasiologisch  dominierenden  Morpheme  der  slavi- 
schen  Worte  poln.  p  r  o  s  i  -  q  |  czech.  p  r  a  s  -  e  |  grruss.  p  a- 
räs-önak  (nopocenoK)  |  klruss,  p  o  r  o  s  -  ä  (nopoca)  |  serb. 
p  r  ä  s  -  a  c  (npacan;)  |  krain.-sloven.  p  r  a  s  -  c  ....  sind  ety- 
mologisch verwandt,  weil  sie  sich  auf  eine  gemeinsame  histo- 
rische Quelle,  '^  p  o  r  s  -.  zurückführen  lassen.  Diese  gemein- 
same historische   Quelle  aber,   -  p  o  r  s  -,  kann  mit  den  etymo- 


-  1-i  - 

logisch  verwandten  Morphemen  anderer  arioeuropäischen  Spra- 
chen zusammengestellt  werden:  slav.  *  p  o  r  s  -  |  lit.   p  a  r  s-as 

I  lat.  p  o  r  c  -  u  s  |  germ.  *  f  a  r  h-.  Ebenso  slav.  *v  e  z  -  {  poln. 
w  i  e  z  i  -  e  |  czech.  v  e  z  -  e  |  grruss.  v  e  z  -  6  t  (Be3-eT)  j  klrus. 
V  e  z  -  e  (Be3-e)  |  serb.  v  e  z  -  e  .  .  .  }  ij::  lit.  v  e  z  -  rp  germ, 
*  V  i  g  -  4:  lat.   V  e  h-  zf:  gr.   Fe/-  4:  aind.   v  a  h  -,   u.   a. 

Alle  derartigen  Zusammenstellungen  und  Vergleichungen 
der  Morpheme  und  der  diese  Morpheme  enthaltenden  und 
in  verschiedenen  Sprachen  vorkommenden  Worte  beruhen 
auf  der  Erkennung  etymologischer  Verwandtschaft  jener 
Morpheme.  Die  etymologische  Verwandtschaft  der  Morpheme 
aber  stützt  sich  auf  die  Feststellung  (Constatierung)  einer- 
seits deren  semasiölogischer  Ähnlichkeit  (Bedeutungs-Ahnlich- 
keit),  andererseits  aber  deren  teilweiser  phonetischer  Ähnlich- 
keit. Die  in  solchen  Fällen  festgestellte  (constatierte)  phoneti- 
sche Ähnlichkeit  darf  weder  zufällig,  noch  willkürlich  sein, 
sondern  muss  sich  in  einer  ganzen  Reihe  von  Morphemen 
wiederholen,  welche,  teilweise  wenigstens,  aus  denselben  Pho- 
nemen bestehen.  So  berechtigt  uns  z.  B.  zur  Erkennung  der 
etymologischen  Verwandtschaft  der  Hauptmorpheme  der  oben 
genannten    verschiedenslavischen    Worte    prosi-§  1  pras-e 

|poros-a vor  allem  ihre  semasiologische  Ähnlichkeit 

( —  alle  bedeuten  «Ferkel»  ,  «Eber»,  «Schwein»  ....  — ■), 
dann  aber,  von  der  phonetischen  Seite  aus,  Wiederholung  voll- 
kommen gleicher  Entsprechungen  in  einer  ganzen  Reihe  von 
Wörtern  {p;  s  mit  verschiedenen  Nuancen;  ro  4:  ra  4;  oro  . . .). 
Ebenso  beruht  die  etymologische  Zusammenstellung  verschie- 
densprachiger Morpheme  auf  dem  Grebiete  arioeuropäischer 
Sprachen  im  allgemeinen  (z.  B,  *pors-  4:  pars-  it  pork- 
iji  farh-...,  *vez-  4:  vez-  i|:  *vig-  ip  veh-  zji  Js/- 
4:  V  a  h  - .  ,  .)  einerseits  auf  deren  semasiölogischer  xVhnlichkeit 
und  Zusammenhang,  andererseits  aber  auf  den  sich  in  einer 
ganzen  Reihe  etymologisch  verwandter  Worte  regelmässig  wie- 
derholenden phonetischen  Entsprechungen    {pz\^i)z\:p:^f , 

s  4;  s  4:  ^  ip  Ä  .  .  .  .  ,     or  4:  ar  4;  or  ip  ar  .  .  .  . ;     y  iji  u  ip  u  4:  v 


-    U    - 

(J) . . .  .  ,    e  4:  ö  4:  i  4i  e  if:  e  (s)  :t  a.  .  .  . ,    «  dz  ^  :i:  ^  i  A  4: 

XztÄ....). 

Auf  Grund  ähnlicher  Zusammenstellungen  und  Verglei- 
chungen  sagen  wir:  es  entspreche  z.  B.  poln.  ro  dem  czcchi- 
sehen  und  südslavi.scheu  rn  und  dem  russischen  oro\  es  füh- 
ren uns  alle  diese  verschiedenslavischen  Verbindungen  auf  die 
urslavische  Verbindung  or;  es  haben  alle  diese  verschieden- 
slavischen Verbindungen,  wie  auch  die  auf  Grund  deren  Zu- 
sammenstellung vermutete  urslavische  Verbindung  or  ^  als 
Correspondenten  in  anderen  arioeurop.  Sprachen,  im  Baltischen 
(Lito-Lettischen)  und  im  Germanischen  ar,  im  Latein,  or...; 
es  entspreche  slav.  s  dem  lit.  s,  germ.  ä,  lat.  ^,  u.  s.  w. 

Es  würde  aber  irrig  sein,  wenn  wir  einem  ähnlichen 
historisch-phonetischen  Schlüsse  eine  absolute  Giltigkeit  zu- 
schreiben wollten.  Etymologisch  verwandt  sind  in  verschiede- 
nen Sprachen  nicht  Phoneme,  unabhängig  von  Morphemen, 
sondern  nur  Morpheme,  als  einfachste,  weiter  unteilbare  und 
noch  mit  einem  selbstständigen  psychischen  Leben  versehene 
semasiologische  Teilchen  der  Worte.  Wenn  wir  also  von  einer 
Verwandtschaft  des  slav.  z  mit  dem  lit.  z^  dem  germ.  ^,  dem 
lat.  Ä,  dem  griech.  /,  dem  aind.  h  reden,  so  denken  wir  da- 
bei nicht  an  eine  absolute  Verwandtschaft  dieser  Phoneme,  in 
voller  Unabhängigkeit  von  Morphemen,  in  denen  sie  vorkom- 
men, sondern  einzig  und  allein  an  eine  relative  Verwandt- 
schaft dieser  Phoneme  in  einer  gewissen  Gruppe  von  Morphe- 
men (v  e  z  - ,  1  i  z  -  a  c  ,  z  i  m  -  a  .  .  .).  In  den  Worten,  wie 
z^b,  zn-ac,  ziarno...,  hat  das  Phonem  z  in  anderen 
arioeurop.  Sprachen  eine  andere  Verwandtschaft.  Ebenso  slav. 
s  4:  lit.  S  i{i  germ.  h  4:  lat.  und  griech.  k  it  aind.  g  in 
*pors-§  (prosi-e...)  u.  a.  ä.,  aber  nicht  in  *sedmi, 
Bebe,  syn-,  b  o  s  - 

Jedenfalls  beruhen  alle  etymologischen  Zusammenstellun- 
gen und  Vergleichungen  der  zu  verschiedenen  Sprachen  ge- 
hörenden Worte  auf  der  Erkennung  etymologischer  Verwandt- 
schaft der  zu  deren  Bestände  gehörenden  Morpheme.  Die  ety- 
mologische Verwandtschaft  der  Morpheme  aber  zerlegt  sich  in 


-   1.^  ^ 

die  etymologische  Verwandtschaft  einzehier  Phoneme  und  de- 
ren Verbindungen. 

Diese  Art  etymologischer  Verwandtschaft,  d.  h.  der  in 
verschiedenen  Sprachen  stattfindenden  Verwandtschaft,  nennen 
wir  Correspondenz  oder  verschiedensp  räch  ige 
Entsprechung.  Aber  neben  dieser  Verwandtschaft  und 
dieser  Entsprechung  haben  wir  noch  eine  einsprachige  Ent- 
sprechung, haben  wir  etymologische  Verwandtschaft  im  Be- 
reiche einer  und  derselben  Sprache.  Wenn  verschiedene,  aber 
ähnliche,  verschiedenen  Sprachen  angehörende  Morpheme 
(pros-  I  pras-  |  porös-  \  *pors-}  |  pars|pork| 
farh-  als  etymologisch  verwandt  erkannt  wurden,  so  müssen 
wir  mit  noch  grösserem  Rechte  die  in  derselben  Sprache  vor- 
kommenden dergleichen  Morpheme  (z.  B.  m  o  g-  |  m  o  z  - ,  rod- 
|rut,  mroz-|mrus,  plüt-|ples-....)  für  etymolo- 
gisch verwandt  erklären.  Diese  andere  Art  etymologischer 
Verwandtschaft,  d.  h.  etymologischer  Verwandtschaft  im  Be- 
reiche einer  und  derselben  Sprache,  nennen  wir  Alterna- 
tion, Alternation  im  allgemeinen,  und,  wenn  sie  sich 
speziell  auf  den  phonetischen  Bau  der  Morpheme  bezieht, 
phonetische    Alternation. 

Bei  der  Alternation,  als  tautoglosser  etymologischer  Ver- 
wandtschaft, haben  wir  dieselben  Träger  der  Sprache,  haben 
wir  dieselben  Mikrokosmen  als  Grundlagen  des  sprachlichen 
Lebens.  Die  heteroglosse  etymologische  Verwandtschaft  aber 
oder  Correspondenz  (Entsprechung)  beruht  eben  auf  der  Ver- 
schiedenheit der  sprachlichen  Grundlage,  auf  der  ethnologi- 
schen Verschiedenheit  der  Träger  der  Sprache,  genauer  ge- 
sagt, auf  der  Verschiedenheit  der  Träger  einzelner  Glieder 
correspondenzieller   Beziehung. 

Wie  bei  Correspondenzen,  so  auch  bei  Alternationen 
zerfällt  die  Entsprechung,  die  Übereinstimmung  und  die  Ver- 
schiedenheit der  Morpheme  in  die  Entsprechung,  Übereinstim- 
mung und  Verschiedenheit  der  zu  deren  Bestände  gehörenden 
Phoneme  [m  o  g  -  l!  m  o  z  -  zerfällt  in  m  \\m,  o  \\  o ,  g  \\  z; 
m  r  0  z  -  II  m  r  u  s  zerfällt  in    vi  r  ii  m  r,  o  i\  u,  z  w  s  .  .  .1. 


Wie  Correspondenzen,  so  bestellen  auch  Alternationeidi 
darin,  dass  die,  sei  es  sich  correspondierenden ,  sei  es  unter- 
einander alternierenden,  Morpheme  aus  einer  und  derselben 
historischen  Quelle  stammen. 

Die  bei  den  Correspondenzen  gemachte  Bemerkung,  dass 
sich  eigentlich  nicht  einzelne  Phoneme,  sondern  nur  Morphe- 
me correspondieren,  und  dass  die  Correspondenz  der  Phoneme 
nur  in  so  weit  anzunehmen  ist,  als  dieselben  einen  Bestandteil 
einer  gewissen  Gruppe  oder  eines  gewissen  Typus  von  Mor- 
phemen bilden  (z.  B.  nicht  jedes  slav.  o  entspricht  dem  lat.  o, 
sondern  nur  das  o  einer  gewissen  Art),  dieselbe  Bemerkung 
findet  auch  auf  die  Alternationen  ihre  volle  Anwendung.  So 
alterniert  z.  B.  nicht  jedes  z  des  Polnischen  mit  ^,  sondern  blos 
das  2,  welches  zum  Bestände  solcher  Morpheme  gehört,  mit  denen 
die  das  g  enthaltenden  Morpheme  alternieren.  Wenn  aber  die 
Correspondenz  der  Phoneme  einzig  und  allein  von  der  Cor- 
respondenz der  Morpheme  abhängig  ist,  so  können  wir  dage- 
gen bei  den  Alternationen  auch  rein  phonetische  Verzweigun- 
gen eines  Phonems  constatieren,  in  voller  Unabhängigkeit  von 
deren  Zugehörigkeit  zum  Bestände  dieses  oder  jenes  Morphems. 
Es  sind  die  von  mir  so  genannten  allgemein  p  h  o  n  e- 
tischenDivergenten.  So  z.B.  polnische  1.^.  (y)  h  i^  (i)  in  den 
Verbindungen  p  y,  b  y,  m  y,  t  y,  dy...,  c  y,  d  z  y,  sy,  ry..., 
c  z  y,  d  z  y,  s  z  y,  z  y.  .  . .  |  p  i,  Ij  i,  m  i .  .,  c  i,  d  z  i,  s  i,  z  i , . .  ^ 
ki,  g'i.  c  h'i . . . ,  ji  ..  ;  in  vollkommener  Unabhängigkeit 
von  dem  semasiologischen  Werte  dieser  Lautgruppen.  Ebenso 
poln.  e,  II  ^1  (p  6  5  b  e  .  . .  I  p  e ,  b  e  .  . .) ,  «  n  6'  (s  t,  s  p  .  . .  |  s  c, 
8  p  . .  .) ,  e  II  en  II  em  \\en\\efi  (§  s,  §  z ,  es,  e  z ,  e  c  h  j  §  t,  e  d, 
e  c,    e  d  z  1  e  p,    e  b  |  e  k,    §  g  |  §  c,    edz...). 

Herleitung  des  Begriffs  der  Alternation  auf  phonetischem 

Wege. 

Fast  in  allen  der  Betrachtung  phonetischer  Fragen  ge- 
widmeten Werken  und  Abhandlungen  finden  wir  Auseinander- 
setzungen   von    dem  „Übergänge"    gewisser  Laute    in  andere, 


—     17    — 

von  der  „Verwandlung"  (od.  „Wandel")  gewisser  Laute  in 
andere  u.  ä.  So  lesen  wir  z.  B.  in  polnischen  Grammatiken 
von  einem  Übergange  des  h  in  cz  in  den  Worten  p  i  e  c  z  -  e, 
r  fj,  e  z  -  k  a  .  .  .  ,  gleichsam  von  piek-e,  rek-a...,  des 
§  in  a  in  den  Worten  m  f^  z,  d  a  b  . . . ,  gleichsam  von  m  §  ^  -  a, 
d  e  b  u  .  .  .  Eine  ähnliche  Formulierung  dieser  Verhältnisse 
ist  fehlerhaft.  Wer  dieselbe  anwendet,  verwechselt  eine  will- 
kürliche subjective  Experiraentierung  mit  den  sich  objectiv 
vollziehenden  geschichtlichen  Processen. 

Und  wirklieh  können  wir  bei  einem  willkürlichen  Ex- 
perimentieren von  einem  gewissen  Laute  zu  einem  anderen 
übergehen,  indem  wir,  nach  Bedürfnis,  die  entsprechenden 
Thätigkeiten  der  Sprechorgane  substituieren.  So  ist  z.  B. 
nichts  leichteres,  als  von  b  zu  m  zu  übergehen,  wenn  man 
nur  die  Nasenhöhlen  mittelst  Senkung  des  weichen  Gaumens 
öffnet,  sonst  aber  die  Art  und  Weise  der  Arbeit  anderer  Sprech- 
organe gar  nicht  ändert.  Ebenso  kommt  man  z.  B.  von  einem 
„harten'^  (non-palatalen)  p  zu  einem  „weichen"  (palatalen)  p  , 
von  o  zu  M,  von  e  zu  o  u.  s.  w.  über.  Auf  diese  Weise,  indem 
wir  jedesmal  nur  je  eine  Eigentümlichkeit  ändern,  können  wir 
nach  und  nach  von  p  zvl  a  fast  durch  alle  anderen  Laute  über- 
gehen :  p — p —  b'  —  b — m — n —  d—  z — z — s—  s — x  (ch)  — h — g — 
^'— Y'(h')  [— ;]  —i—e—o—u—y—a. 

Was  thuen  wir  aber  eigentlich  dabei?  Wir  ändern  stu- 
fenweise die  Gruppen  phonetischer  Vorstellungen 
und  vollziehen  dieselben,  d.  h.  üben  die  diesen  Vorstellungen 
entsprechenden  physiologischen  Arbeiten  aus.  Wir  brauchen 
uns  aber  mit  dieser  stufenweisen  Änderung  je  einer  phone- 
tischen Vorstellung  nicht  zu  genieren.  Wir  können  z.  B.  gleich 
nach  dem  Zustandebringen  eines  p  uns  die  Thätigkeiten  der 
Sprechorgane  vorstellen,  welche  die  Aussprache  eines  a  be- 
gleiten, und,  nachdem  wir  dazu  das  Streben  (die  Tendenz) 
zur  Vollziehung,  zur  Hervorbringung  der  gedachten  Arbeiten 
hinzufügen,  dieses  a  wirklich  zu  stände  bringen.  Und  dann 
haben  wir  das  Recht  zu  sagen:   „^  gieng  in  a  über". 

2 


—     18     — 

Was  ist  jedoch  dabei  eigentlicli  geschelieu?  Es  fand  da- 
bei die  Vertretung  einer  Griipf)e  plionetischer  Vorstellungen 
dureh  eine  andere  t^tatt ,  und  die  Vollziehung  dieser  beiden 
Gruppen  nacheinander  giebt  uns  ein  gewisses  Recht  zu  sa- 
gen: „p  ging  in  a  über",  „x  ging  in  y  über".  In  der  Wirk- 
lichkeit aber  folgten  sieh  nacheinander  nur  im  Kopfe  des  Ex- 
perimentators verschiedenartige,  gleichsam  in  einem  Kaleido- 
skop wechselnde  Associationen  von  Vorstellungen.  Die  Aus- 
sprache der  Laute  nacheinander,  im  Einklang  mit  diesen  Vor- 
stellungsgruppen, begleitete  diese  letzteren  nur  zufällig  oder 
wenigstens  nicht  notwendig.  Also  schon  hier  „gieng"  nicht  eine 
Aussprache  in  eine  andere  „über",  sondern  nur  ein  Gedaukeu- 
bild  löste  ein  anderes  ab. 

In  der  objectiv  betrachteten  und  auf  dem  Wege  histori- 
scher Ent Wickelung  entstandenen  Sprache  aber  sind  selbst  sol- 
che lautliche  Veränderungen  eine  reine  Fiction,  geschweige 
denn  Wechsel  in  der  Art  von  dem  „Übergange''  des  k  in  02, 
g  in  i,  q  in  q  .  .  .  Es  giebt  weder  Lautwechsel, 
noch  Lautgesetze  und  es  kann  auch  solche 
nicht  geben,  schon  aus  dem  einfachen  Grunde,  dass  die 
menschliche  Sprache  im  allgemeinen  und  die  Sprachlaute  ins- 
besondere eine  ununterbrochene  Dauer  weder  haben ,  noch  ha- 
ben können.  Ein  ausgesprochenes  Wort  oder  ein  aus- 
gesprochener Satz  verschwindet  sofort  in  demselben  Augen- 
blicke ,  wo  er  ausgesprochen  wurde.  Zwischen  einer  und  einer 
anderen ,  ihr  folgenden,  Aussprache  giebt  es  keinen  physischen 
Zusammenhang.  Das  Verbindungsglied  zwischen  den  einzelnen 
Ausspracheacten .  sei  es  eines  gewissen  Lautes ,  sei  es  eines 
phonetischen  Wortes ,  sei  es  endlich  einer  ganzen  phoneti- 
schen (d.  h.  gehörten  und  mit  dem  Ohre  percipierten)  Rede 
bilden  dabei  Vorstellungen ,  Erinnerungsbilder^  und 
während  der  Aussprache  selbst  werden  diese  Ermnerungsbil- 
der  zum  Stimulus ,  zum  Reiz ,  um  die  Sprechorgane  in  ange- 
messener Weise  in  Bewegung  zu  setzen. 

Dabei  sind  zwei  Fälle  möghch:  Entweder  erlauben  die 
in  der  Thätigkeit   aussprechender  Organe  steckenden  physiolo- 


—     19     — 

giscben  Bedingungen  die  vom  Gebirncentrura  beabsiclitigte 
Gruppe  pbonatoriscber  Arbeiten  vollkommen  auszutübren  ,  oder 
die  genannten  pbysiologiscben  J '.edingungen  erlauben  es  nicbt. 
Im  ersten  Falle  findet  eine  volkommene  Übereinstimmung  [z.  B. 
2a,  ra,  ar,  ia  .  .  .  poln.  raecb,  jabtek  ..  .,  rodu, 
m  r  o  z  u ,  m  §  z  a ,  w  o  d  a  .  .  .],  im  anderen  Falle  aber  eine 
Collision  zwiscben  der  phonetischen  Absicht  (Intention)  [z.  B. 
zta  mit  einem  stimmhaften  z  und  einsilbig,  poln.  r  t  e  c  mit 
einem  gewöhnlichen,  stimmhaften  r,  atr,  ika,  mchu, 
piekl,  jabikü  .  .  .  .  ,  rud  (rodj  mit  -d^  m  r  u  z 
(m  r  ö  z)  mit  -z.  m  j^  z  mit  z ,  w  u  d  -  k  a  (w  ö  d  k  a)  mit  -d-\ 
und  deren  Ausführung  statt.  In  diesem  letzteren  Falle,  im  Fal- 
le der  Collision,  zwingen  uns  unsere  phonetischen  Gewohnhei- 
ten ,  wie  auch  allgemein-menschliche  Bedingungen  phonetischer 
Verbindungen,  die  Aussprache  der  beabsichtigten  Verbindun- 
gen ein  wenig  zu  ändern,  und  zwar:  sta  (mit  s  anst.  z), 
r  t  §  c ,  atr  (mit  einem  stimmlosen  und  in  seiner  Individua- 
lität geschwächten  /•),}ka,  mchu,  pieki,japiko ..., 
r  u  t  (mit  geschwächtem  i) ,  m  r  u  s .  m  ;^  s  ,    w  u  t  -  k  a  .  .  . 

Ja  noch  mehr,  selbst  incnot,  matka...  können 
wir  ein  solches  reines ,  unabhängiges  t ,  wie  in  c  n  o  t  a,  m  a- 
t  e  k  .  .  .  keineswegs  aussprechen  und ,  dank  den  gegebenen 
phonetischen  Verbindungen  und  Bedingungen,  substituieren  wir 
anstatt  dessen  ein  anders  ausgesprochenes,  abgeschwächtes, 
von  dem  Einflüsse  folgender  Laute  abhängiges  i. 

Im  Gegenteil,  können  wir  die  beabsichtigten  «pieke» 
anst.  piecze  oder  «rakek»,  -^rakka»  anst.  raczck, 
raczka  ausgezeichnet  aussprechen,  und  es  wird  dabei  kein 
„Übergang"  von  k  in  cz  stattfinden. 

Die  Nichtübereinstimmung  zwischen  der  phonetischen  Ab- 
sicht und  deren  Vollbringung  beruht  auf  der  Substitu- 
tion einer  möglichen  Thütigkeit  an  stelle  einer  beabsichtigten 
unmöglichen. 

Eine  solche  Substitution  kann  zweierlei  sein:  1)  entwe- 
tler  ist  die   Vollbringunj,^    der    auf  die    verwandten   Worte  und 


^    So    — 

Formen  gestützten  Absicht  oder  Intention  unraüg'lich ,  und 
dann  erfolgt  die  Substitution  eines  solchen  möglichen  Phonems, 
welches  zu  dem  beabsichtigten  in  Bezug  auf  seine  phonetische 
Verwandtschaft  am  nächsten  steht  [Beispiele  oben];  2)  oder  es 
ist  eine  Substitution  bei  der  Nachahmung  fremder  Aussprache, 
d.  h.  wenn  man  dasjenige  wiederholen  will,  was  die  anderen 
sprechen.  Dieses  Letztere  kommt  vor:  a)  in  der  Kindersprache 
und  überhaupt  bei  der  Nachahmung  im  Bereiche  „eigener" 
Sprache;  h)  bei  der  Entlehnung  fremder  Worte,  deren  Aus- 
sprache wir  notwendigerweise  an  unsere  eigenen  phonetischen 
Gewohnheiten  accomodieren  [z.  B.  franz.  s  u  r,  von  den  Polen 
öfters  ausgesprochen  s  u  r  (s  i  u  r)] . 

In  allen  diesen  Fällen  beruht  der  Wandel  oder  der 
„Übergang"  darauf,  dass  die  Vollbringung  der  Absicht  nicht 
entspricht. 

Bei  der  Betrachtung  von  Altemationen  und  Alternanten 
findet   nur  die  erste  Art  der  Substitution  (Nr.  1)  Anwendung. 

Eine  solche  Substitution,  d.  h.  die  Substitution  der  mög- 
lichen Aussprache  an  stelle  der  beabsichtigten  bildet  den  ein- 
zigen, in  der  Gegenwart  (Jetztzeit)  der  Sprache  möglichen 
streng  phonetischen  Wandel ,  den  einzigen  phonetischen  „Über- 
gang". Dasjenige  aber,  was  man  gewöhnlich  phonetischen 
„Wandel",  „Übergang"  eines  Lautes  in  einen  anderen  nennt, 
ist,  vom  objeetiven  Standpunkte  aus,  einzig  und  allein  das 
Nebeneinander  oder  die  Alternatiou. 

Ein  solches  Nebeneinander  oder  eine  solche  A  1- 
ternation  ist  weder  phonetischer  Wandel  in 
der  Jetztzeit,  noch  ein  Nacheinander  der  hi- 
storischen Reihenfolge.  Sie  ist  einfach  nur 
Thatsachedes  phonetischen  Unterschiedes 
zwischen  den  etymologisch  identificierten 
Morphemen.  Diese  Thatsache  aber  bleibt ,  was  ihre  Ur- 
sache betrifft,  vorderhand  rätselhaft. 

Wenn  man  heutzutage  z.  B.  in  den  Worten  p  i  e  c  z  e, 
r  a  c  z  k  a  u.  ä.  das  c  (cz)  von  k  herleitet ,  so  können  wir  mit 
gleichem  Rechte  fragen,   warum  man  in  piek§,  r§ka  nicht 


—     21     — 

umgekehrt    das   Z;  auf  c  zurückführt.     Wir   constatieren   zwar 
eine  complicierte  Alternation 

^  {9) 
6 

in  ciec,    siec,    niöc,   strzec  1  ciek-§,      8iek-§,      mog-e, 

I  strzeg-e, 
I  by-c,  da-ö...; 
03  würde  aber  ein  Beweis  schwachen  Denkens  und  ein  histo- 
rischer Felder  sein,  auf  Grund  dessen  behaupten  zu  wollen, 
es  sei  c  in  c  i  e  c,  moc  .  .  .  aus  h6  (oder  gd)  entstanden. 
Mit  einem  Wort:  phonetischer  Lautwandel, 
so  wie  er  gewöhnlich  aufgefasst  wird,  ist 
reine    Fiction,    ist    Täuschung;   es  existieren  nur: 

1)  Substitutionen  möglicher  Thätigkei- 
ten  an  stelle  der  beabsichtigten,  es  existieren 
Nichtübereinstimmungen  oder  Collisionen 
der  phonetischen  Vollbringung  mit  der  pho- 
netischen   Absicht,  und  ausserdem 

2)  fertige  phonetische  Unterschiede  oder  A  1 1  e  r  n  a  t  i  o- 
nen  historischer  Herkunft,  Alternationen 
von  Morphemen  und  deren  phonetischen 
Componenten     oder  Phonemen. 

Diese  beiden  Thatsachen  stehen  in  einem  engen  Zusam- 
menhange miteinander.  Eine  rege ,  dynamische  Substitution 
bedingt  eine  keimende,  ursprüngliche  phonetische  Alternation; 
die  Alternationen  aber,  welche  heutzutage  gleichsam  ohne  Ursa- 
che da  stehen ,  lassen  sich  auf  Substitutionen  vergangener 
Zeiten  zurückführen. 


Ursachen  der  Alternationen. 

Wenn  wir  die  gegebene  Sprache  irgend  einer  Sprachge- 
nossenschaft in  ihrem  zeitlichen  Nacheinander  als  etwas  Dau- 
erndes und  Ununterbrochenes  betrachten,  so  wird  sich  zeigen, 
dass  der  ursprüngliche  Antrieb  (Impuls)  zur  Entstehung  einer 
Alternation  immer  rein  phonetischer    oder    rein  anthropophoni- 


22     — 

sclier  Natur  war.  Wenn  es  sich  aber  um  eine  in  dieser  Hin- 
sieht gemischte  Sprachgenosseuschaft  handelt,  so  müssen  wir 
uns  genauer  ausdrücken ,  und  zwar :  Der  erste  Antrieb  war 
wold  immer  anthropophoniseher  Natur,  aber  er  konnte  gegeben 
werden:  1)  entweder,  wie  am  häufigsten,  im  Schosge  der  be- 
treffenden Sprachgenossenschaft  selbst,  2)  oder,  viel  seltener, 
im  Schosse  einer  verwandten  Sprachgenossenschaft ,  von  wel- 
cher die  gegebene  Sprachgenossenschaft  sei  es  die  ganze  Al- 
ternation .  sei  es  nur  ein  einzelnes  Glied  derselben  entlehnt  hat. 
Entweder  wirkt  die  ursprüngliche  Ursache  der  Alterna- 
tion noch  in  dem  ins  Auge  gefasston,  untersuchten  Sprachzu- 
stande ,  oder  sie  wirkte  nur  in  der  Vergangenheit  und  kann 
blos  auf  Grund  von  Vermutungen  und  historischer  Hypothe- 
sen entdeckt  werden. 


II.    CAPITEL. 
Classification  der  Alternationen  und  Alternanten. 

I.    Classificationen  der  Alternationen  vom  Standpunkte  ihrer 

Causalität. 

Als  allgemeine  complicierte  Ursache  des  Entstehens  und 
Bestehens  von  Alternationen  ist  das  gesellschaftliche  Leben, 
wie  auch  physische  (anatomisch- physiologische)  und  psychische 
Organisation  der  zum  Bestände  der  Sprachgenossenschaft  ge- 
hörenden Individuen  zu  betrachten. 

1.    Classification  der  Alternationen  vom  Stand- 
punkte der  ]\Iöglichkeit,  ihre  anthropophoni- 
sche     Causalität    in    der     gegebenen    Zeit    zu 
bestimmen. 

E  nt weder  sind  alle  Alternationen  ohne  Ausnahme 
Resultate  lebendiger  anthropophoniseher  Tendenzen  und  ausge- 
bildetpr  und  immer  sich  Avied erholender  anthropophoniseher  Ge- 


23 


wohnheiten,  oder  sie  sind  es  nicht.  Von  diesem  Standpunkte 
aus  zerfallen  alle  Alternationen  in  zwei  grosse  Classen: 

1)  neophonetische, 

2)  nicht-neophonetische  oder  palaoophonetische 
Alternationen. 

Die  Alternanten  erster  Art  nennen  wir  Divergenten 
und  ihre  gegenseitige  Beziehung  Divergenz,  diejenigen 
aber  zweiter  Art  —  nicht-Divergenten  und  ihre  Be- 
ziehung —  nicht-Divergenz. 

2.  Classification  der  Alternationen  vom  Stand- 
punkte der  Möglichkeit,    ihre    psychische  Ca- 

usalität    nachzuweisen. 

Entweder  associieren  sich  (verknüpfen  sich)  alle  Al- 
ternationen ohne  Ausnahme  mit  den  Vorstellungen  gewisser  psy- 
chischer, sei  es  semasiologischer  oder  bedeutsamer,  sei  es  mor- 
phologischer oder  sich  auf  den  Sprachbau  beziehender,  Nuan- 
cen (Schattierungen) ,  oder  sie  associieren  sich  nicht.  Auf 
dieser  Unterscheidung  beruht    die   Teilung  der  Alternanten    in 

1)  psychophoneti^^che  Alternanten  oder  C  o  r  r  e- 
1  a  t  i  v  e, 

2)  nicht-psychophonetische  Aiternanten  oder 
nicht-Correlative. 

Die  gegenseitige  Beziehung  zwischen  den  Correlativen 
heisst  Correlation,  diejenige  aber  zwischen  den  nicht- 
Correlativen  —  nicht-Correlation. 

3.  Die  Classification  der  Alternationen  vom 
Standpunkte  der  Möglichkeit,  ihre  traditio- 
nelle   und    überhaupt   sociale    Causalität    zu 

bestimmen. 

Entweder  bestehen  alle  Alternationen  kraft  Wie- 
derholung und  Nachahmung,  also  auch  Überlieferung  im 
Laufe  der  Generationen ,  oder  sie  entstehen  bei  Individuen 
unabhängig  von  diesem  Factor. 


21 


Selbstverständlich  erhalten  sich  alle  palacophonetischen 
Alternationen,  so  lang'c  sie  noch  als  Alti;rnation«n  gelten  kön- 
nen ,  nur  auf  dem  Wege  der  Überlieferung  (Tradition)  von 
einen  Gliedern  der  Spi-achgenossenschaft  zu  den  andenin  Glie- 
dern derselben.  Folglich  wurzelt  die  solchen  Alternationen  ei- 
gene Causalitüt  im  socialen  Leben. 

Divergenzen  oder  neophonetische  Alternationen  entstehen 
und  erhalten  sich  unabhängig  von  der  Überlieferung  und 
vom  sprachlichen  Verkehr,  obgleich  es  auch  solche  Divergen- 
zen giebt ,  deren  anthropophonischer  Zusammenhang  mit  den 
Bedingungen ,  von  denen  sie  abhängen ,  gerade  durch  den 
Factor  der  Überlieferung  und  des  sprachlichen  Verkehrs  un- 
terstützt wird. 

Endlich  erhält  jedes  Individuum  Correlationen  oder 
psychophonetische  Alternationen  vor  allem  auf  dem  Wege 
der  Überlieferung  und  des  sprachhchen  Verkehrs,  aber,  nach- 
dem es  dieselben  mit  gewissen  psychischen  Unterschieden  end- 
giltig  verknüpft  hat,  emancipiert  es  sie  von  dem  Einflüsse 
dieses  socialen  Factors. 

4.  Classification    der  Alternationen  vom  Stand- 
punkte   der    Eigensprachigkeit   (Autoglossi- 
tät)  oder  Fremdsprachigkeit  ihrer  Quelle. 

Entweder  haben  alle  Alternationen  ihre  Quelle  in 
der  ununterbrochenen  historischen  Fortdauer  der  betreffenden 
Sprache  ,  o  d  e  r  sie  entstanden  durch  Entlehnung  aus  einer 
fremden,  nahe  verwandten  Sprache.  Mit  anderen  Worten:  Die 
gegenwärtige  oder  frühere  Ursache  der  Entstehung  gewisser 
Alternanten  steckt  entweder  im  Leben  der  betreffenden 
Sprachgenossenschaft  selbst ,  o  d  e  r  in  ihren  Beziehungen  zu  den 
sprachlich  verwandten  Genossenschaften  oder  Literaturen. 

Divergenzen  können  immer  nur  heimischer  Herkunft  sein, 
denn  ihr  Unterschied  hängt  von  der  Aussprache  durch  diesel- 
ben Individuen  ab.  Bei  den  traditionellen  oder  selbst  bei  den 
psychophonetischen    Altemationen    (Correlationen)   aber  ist   im 


25 


Gegenteil  die  Fremclsprachigkeit  ihrer  Herkunft  möglich  [poln. 
Ä  II  3  in  biahy  |  blazen  czecliischer  Herkunft;  russ.  er  ||  ra 
in  cMep;i,'fe'Ti.  |  CMpa^i»  kirchcnslav.  Herkuuft]. 

Vom  Standpunkte  der  Jetztzeit  der  gegebenen  Sprache 
sind  alle  Alternationen  selbstverständlich  heimisch,  eigenspra- 
chig.  Als  fremdsprachig  können  sie  nur  dann  betrachtet  wer- 
den, wenn  wir  nach  ihrer  Urquelle  fragen. 

Die  Alternationen  mit  fremdsprachiger  Quelle  können 
fremdsprachig  sein :  d)  entweder  vollständig,  h) 
oder  nur  zur  Hälfte  [z.  B  poln.  ^  ||  ä  in  g  a  r  d  z  i  c  |  h  a  r- 
d  y,  g  a  n  i  c  |  h  a  li  b  a;    russ.  olo  ||  la  in  ro.iOBa  |  r»iaBa]. 

Mit  Rücksicht  auf  ihre  Herkunft,  können  Alternationeu 
erster  Art  fremde  einsprachige,  diejenigen  zweiter  Art 
aber  —  fremd-heimische  zweisprachige  genannt 
werden. 

5.  Classification  der  Alternationen  vom  Stand- 
punkte   des    Unterschiedes    zwischen    der    in- 
dividuellen   und    socialen    Causalität. 

Den  Divergenzen  und  Correlationen  ist  eigentlich  eine 
individuelle  oder  höchstens  collectiv-individuelle  Causalität  ei- 
gen ,  den  traditionellen  oder  palaeophonetischen  Alternationen 
aber  —  einzig  und  allein  sociale  Causalität. 

Divergenzen  haben  individuelle  oder  collectiv-individuelle 
Ursachen  anthropophonischer  Natur. 

Correlationen  haben  individuelle  oder  collectiv-individuelle 
Ursachen  psychischer  Natur. 

Wenn  die  eigensprachigen  traditionellen  Alternationen 
auf  die  dem  Bereiche  des  socialen  Lebens  gehörende  Causali- 
tät zurückgeführt  werden  müssen,  so  ist  um  desto  mehr  den 
fremdsprachigen  Alternationen,  zur  Zeit  ihrer  Entstehung,  die 
sociale  Causalität  zuzuschreiben;  und  es  umfasst  dabei  dieser 
sociale  Factor  nicht  eine,  sondern  zwei  Sprachgenossen- 
schaften, 


—     20     - 

6.    Classification  der  Alternationen  vom  Stand- 
punkte der  Einfachheit  oder  Compliciertheit 
der    ihnen    eigenen     Causalität. 

a)  Alle  Alternationen  können  entweder  eine  oder  zwei 
Ursachen  haben. 

Bios  eine  Ursache  haben: 

diejenigen  Divergenzen,  welche  von  der  Tradition 
nicht  unterstützt  werden , 

traditionelle  Alternationen,  welche  weder 
Divergenzen,  noch  Correlationen   sind. 

Es  können  zwei  Ursachen  gleichzeitig  haben: 

diejenigen  Divergenzen,  welche  nicht  nur  von  an- 
thropophonischen  Bedingungen,  sondern  auch  vom  spraclilichen 
Verkehr  abhängig  sind,  d.  h.  diejenigen  Divergenzen,  welche 
das  Uebergangsstadium  von  den  Divergenzen  im  strengen 
Sinne   des  Wortes   zu    den  traditionellen  Alternationen  bilden; 

traditionelle  Alternationen,  welche  gleich- 
zeitig Correlationen  oder  psychophonetische  Alternationen  sind. 

Unmöglich  ist  die  Verbindung  der  divergenzionellen  oder 
neophonetischen  mit  der  correlativischen  oder  psychophoneti- 
sehen  Causalisät, 

Die  Verschiebung  der  Ursachen  oder  die  Änderung  der 
Causalität  in  dem  historischen  Nacheinander  kommt  vor: 

bei  dem  Übergange  der  Divergenzen  in  den  Zustand 
der  traditionellen  Alternationen , 

bei  dem  Übergange  der  fremdsprachigen  Alternationen 
in  die  Kategorie  der  traditionellen  Altemationen , 

bei  dem  Übergange  der  traditionellen  Alternationen  in 
den  Zustand  der  Correlationen  oder  psycbophonetischen  Alter- 
nationen , 

bei  dem  Übergange  der  Correlationen  in  den  Zustand 
der  traditionellen  Alternationen. 

b)  Bei  gewissen  Alternationen  ra  u  s  s  die  Causalität  ent- 
weder einfach  oder  zusammengesetzt  (complieiert)  sein. 


—     27     — 

Es  müssen  nur  eine  Ursaciie  haben: 

reine  Diver  o^enzen  oder  ausschliesslich  neophoneti- 
sche, von  dem  Einflüsse  der  Tradition  und  des  sprachlichen 
Verkehrs  im  allgemeinen  freie  Alternationen, 

rein  traditionelle    Alter  nationen. 

Auf  zwei  Ursachen  müssen  Correlationen  zurück- 
o-efiihrt  werden,  welche  einerseits  von  der  Tradition,  anderer- 
seits  aber  von  dem  individuell  entwickelten  psychophonetischen 
Zusammenhange  abhängig  sind. 

IL    Classificationen  der  Alternationen  vom  Standpunkte  des 
Zusammenstosses    oder    der    Collision    verschiedener    Stre- 
bungen (Tendenzen). 

1 .   Collision    der   Tradition  mit   den  individu- 
ellen   Bedürfnissen  und  Streb  un  gen. 

Eine  solche  Collision  ist  bei  denjenigen  traditionellen 
Alternationen  notwendig,  welche  nicht  gleichzeitig  Correlatio- 
nen sind.  Bei  den  Correlationen  aber  ist  eine  solche  Collision 
unmöglich. 

Es  Hegt  in  der  Natur  der  Sache,  dass  fertige  Divergen- 
zen jede  Möglichkeit  einer  Collision  zwischen  den  individuel- 
len Bedürfnissen  und  Strebungen  und  zwischen  der  Tradition 
ausschliessen.  Jedoch  zur  Zeit  des  Keimens  der  Divergenzen 
findet  eine  solche  Collision  statt,  und  die  endgiltige  Befesti- 
gung der  betreffenden  Divergenz  ist  eben  der  unbewusst  da- 
vongetragene Sieg  individueller  Strebungen  im  Bereiche  der 
Sprachperipherien  über  die  Tradition  und  über  den  Factor 
des  sprachlichen  Verkehrs  im  allgemeinen. 

Es  sind  aber  solche  Divergenzen  möglich,  bei  denen 
individuelle  Tendenzen  nicht  nur  der  Tradition  nicht  wider- 
sprechen,  was  sonst  selbstverständlich  ist,  sondern,  im  Gegen- 
teil^ von  derselben  unterstützt  werden  (z.  B.  s  \\  s  in  poln. 
kostka  I  kose).  Dieses  ist  eben  jener  Übergangszustand 
von  der  Divei'genz   im   strengen    Sinne    des   Wortes   zu    einer 


-     28     — 

solchen  traditioncUon  Alternation .  welche  mit  der  Zeit  zu 
der  eben  berührten  OoUision  Anlass  giebt. 

Auf  dem  Gebiete  traditioneller  Alternationen  unterstützt 
die  Tradition  die  Compliciertheit  der  Erscheinungen  und  belastet 
das  Gedächtnis,  während  aber  die  individuellen  Strebungen 
die  Complication  vereinfachen  und  die  Arbeit  desselben  (des 
Gedächtnisses)  erleichtern. 

Im  Gegenteil  wird  bei  der  Entstehung  der  Divergenten 
die  Einfochheit  und  Einheitlichkeit  von  der  Tradition  ffeii'eben, 
die  individuellen  Strebuiigen  aber  veranlassen  die  früher  unbe- 
kannten Unterschiede. 

Endlich  geben  bei  den  Correlativen  die  Tradition  und 
die  individuellen  Strebungen  Hand  in  llaud ,  es  herrscht  zwi- 
schen ihnen  eine  vollkommene  Eintracht ,  eine  vollkommene 
Harmonie. 

2.  Eine  Collision  individueller  anthropopho- 
nischer  oder  peripherisch -phonetischer  mit 
den  individuellen  central-psychischen   Stre- 
bungen 

muss  notwendigerweise  bei  den  Divergenten  erfolgen, 
deren  Unterschied  darin  besteht,  dass  einer  von  ihnen  infolge 
der  Unmöglichkeit  der  Vollbi'ingung  phonetischer  Absicht  sich 
entwickelt.  Bei  anderen  Arten  der  Alternationen  aber  kann 
von    einer   ähnlichen    Collision  keine  Rede  sein. 


III.     Classificationen     der    Alternationen    vom    Standpunkte 

ihrer  Genesis,  vom  Standpunkte  ihrer  Entfernung  von  der 

causalen  Quelle, 

wobei  man ,  streng  genommen ,  nicht  nur  klare  und  deut- 
liche, sondern  auch  einerseits  keimende  (embryonale),  ande- 
rerseits wieder  Vergangenheits-Alternationen  annimmt  und  be- 
trachtet. Demgemäss  sind  zu  unterscheiden:  n)  keimende,  b) 
lebendige,   c)  erloschene  Alternationen. 


^     29     -- 

1.  Classification  der  Alterna  tionen  vom  Stand- 
punkte ihrer  Entfernung    von  der    Quelle    an- 

thropop  konischer    Causalität. 

Hier  unterscheidet   man   folgende   Entwickelungsstadien: 

a)  keimende,  auf  dem  Boden  individueller  Strebungen 
entstehende. 

b)  sich  nicht  nur  individuell,  sondern  auch  gesellschaftlich 
(social)  entwickelnde, 

c)  entwickelte  und 

d)  befestigte , 

e)  im  Beseitigtvverden  begriffene  und  stufenweise  schwin- 
dende  Alternationen ,    Alternationen    des    Übergangszustandes, 

f)  erloschene ,  beseitigte  Alternationen. 

Die  Stadien  c  und  d  werden  hauptsächlich  auf  dem  We- 
ge der  Tradition  und  des  socialen  Verkehrs  im  allgemeinen 
bewahrt;  die  Stadien  e  und  /  aber  entstehen  infolge  des  Zu- 
samraenstosses  zwischen  den  individuellen  und  socialen  Stre- 
bungen, wobei  die  ersten  die  Oberhand  gewinnen. 

Die  Stadien  a  und  b  sind  Divergenzen  oder  neophoneti- 
sche  Alternationen,  c,  d  und  e  —  traditionelle  oder  psycho- 
phonetische  Alternationen,  wobei  als  eine  Abart  des  Stadiums 
d  Correlationen  oder  psychophonetische  Alternationen  erschei- 
nen. Endlich  lässt  sich  das  Stadium  f  nur  vom  Standpunkte 
der  Vergangenheit  unter  den  Begriff  der  Alternation  subsu- 
mieren; denn  in  sich  selber  besitzt  es  keine  Merkmale,  wel- 
che dazu  notwendig  sind ,  um  in  einem  gewissen  phonetischen 
Unterschiede  die  Alternation  zu  erkennen. 

2.  Classification  derAlternationen  vom  Stand- 
punkte   ihrer   Entfernung  von    der  Quelle    psy- 
chischer   Causalität. 

Hier  unterscheiden  wir  folgende  Stadien: 

a)  Die  erst  zu  erscheinen  beginnenden  Alternationen,  Al- 
ternationen, Avelche  uns  den  Anfang  der  Nutzbarmachung 
(Utilisation)  palaeophonetischer    Alternationen  zur  Schattierung 


—     30     — 

psychischer  Unterschiede  zeigen,  Ahernationen  mit  den  Uran- 
fängen psychophtinetischer  Associationen.  Dieser  Process  der 
Verknüpfung  (Association)  von  Vorstellungen  muss  sich  in 
jedem  zur  gegebenen  Sprachgenossenschaft  gehörenden  Indivi- 
duum besonders  vollziehen. 

b)  Befestigte,  d.  h.   klare  und  deutliche  Alternationen; 

c)  im  Beseitigtwerden  begriffene  und  stufenweise  schwin- 
dende, 

d)  beseitigte  Alternationen. 

Die  drei  letzten  Stadien,  6,  c^  d.  werden  von  den  Al- 
ternationen unter  Mitwirkung  der  beiden  Factoren ,  und  zwar 
der  individuellen  Strebungen  und  des  socialen  Lebens,  durch- 
gemacht. 

3.  Classification  der  A  1 1  e  r  n  a  t  i  o  n  e  u  vom  Stand- 
punkte ihrer  Entfernung  von  der  in  dem   Ein- 
flüsse    einer     verwandten    Sprache    wurzeln- 
den   Quelle. 
Hier  werden  folgende  Stadien  unterschieden: 

a)  Der  Process  der  Entlehnung  fremdsprachiger  Alterna- 
tionen durch  einzelne  Individuen  der  gegebenen  Sprachgenos- 
senschaft selbst; 

b)  eine  sich  ebenso  individuell ,  wie  auch  auf  dem  Wege 
des  gesellschaftlichen  Verkehrs  vollziehende  vollständige  An- 
eignung sammt  Entfernung  von  der  eigentlichen  Quelle; 

c)  endgiltige  Befestigung  fremdsprachiger  Alternationen 
in  der  betreffenden  Sprache  und  Überlieferung  derselben  (die- 
ser Alternationen)  auf  dem  Wege  der  Tradition  und  des  gesell- 
schaftlichen Verkehrs  im  allgemeiueu. 

Die  schon  befestigten  Aiternationen  dieser  Kategorie  un- 
terliegen später  denselben  Veränderungen  (Wandlungen)  und 
demselben  Schwunde,  wie  die  beiden  anderen,  oben  genann- 
ten —  d.  h.  wie  die  vom  Standpunkte  ihrer  Entfernung  von 
der  Quelle  sei  es  anthropophonischer,  sei  es  psychischer  Cau- 
salität  betrachteten  —  Kategorien  (III.    1.  und  III.  2.). 


--    31     — 

Anlässlic-h  dieser  Gru[)pe  der  Classificationen  (III.  1 — 3) 
sind  W  e  n  d  e  p  u  n  k  t  e  in  dei-  Sprachgeschichte  hervorzuheben, 
welche,  wie  in  anderen  Sphären  des  Sprachlebens,  so  auch  auf 
dem  Gebiete  der  Alternationen  zu  constatieren  sind.  Als  sicht- 
bares Zeichen  jeder  solchen  Veränderung  in  der  Sprachge- 
schichte erscheint  uns  immer  eine  neue  Gruppierung  phoneti- 
scher Vorstellungen  und  peripherischer  Arbeiten  (d.  h.  der 
Arbeiten  im  Bereiche  der  äusseren  Sprechorgane)  sauimt  den 
akustischen  Resultaten  dieser  Arbeiten,  welche  sich  von  den 
früheren  mehr  oder  weniger  unterscheiden. 

Versuchen  wir,  die  zur  Entwickehmg  wenigstens  einiger 
Alternationsarten  führenden  Veränderungen  in  Formeln  zu  fassen : 

1)  Die  Formel  für  anthropophonische  Veränderungen  (wel- 
che als  Urheber  neophonetischer  Alternanten  oder  Divergenten, 
in  der  Folge  aber  auch  paläophonetischer  oder  traditioneller 
Alternanten ,  als  Nachkommen  jener,  betrachtet  werden  müs- 
sen) sieht  folgendermassen  aus: 

wo     X  irgend  ein  Ur-Phonem  , 

(p  eine  beliebige  historisch  -  phonetische  Veränderung  in 
einer  gewissen  Richtung, 

n  den  Coefficienten  dieser  Veränderung  bezeichnet,  wel- 
cher ihre  Abstufung  in  den  Grenzen  von  0  zu   1   zeigt. 

n  ist  immer  ein  Bruch ,  und  zwar  ein  variabler  (verän- 
derlicher) Bruch,  in  den  Grenzen  von  0  zu   1: 

Wenn  w  =  0, 

dann  w(p  =  0, 

x-\-n<^  =  X, 

d.  h.  es  fand  noch  keine  Veränderung  statt. 

Wenn  n=i, 

dann  no  =  <p, 

folglich        x-\-no  =  x-{-o, 

d.  h.  die  in  einer  gewissen    Richtung    sich    bewegende  Verän- 
derung!: erreichte    die    äusserste    Grenze   oder    den    limes    ihres 


-    8ä    - 

stufenweison  Waclistums  iiiid    kann    in    dieser   Richtang    nicht 
mehr  vorwärts  gehen. 

Zwischen  0  und  1  für  die  Grösse  n  ,  zwischen  0  und  ^ 
für  die  Grösse  wf,  zwischen  x  und  x-\-(^  für  die  Grösse  x-\-n<p 
ist  eine  unendliche  Anzahl  von  Übergangszuständen  möglich, 
welche  stufenweise  Steigerung  und  Wachstum  der  betreffen- 
den Veränderung  darstellen. 

Um  von  dem  Begriffe  einer  einfachen  phonetischen  Ver- 
änderung zum  Begriffe  der  Spaltung  des  Phonems,  welche  die 
Grundlage  jeder  Alternation  bildet,  zu  gelangen ,  muss  man 
anstatt  einer  einfachen  eine  doppelte  Grösse  substituieren: 

Anstatt  <p  substituieren  wir  9',  ^",  welche  phonetische 
Veränderungen  nach  verschiedenen  Richtungen  hin,  folglich 
qualitativ  verschiedene  Grössen  bezeichnen. 

Um  die  Orientierung  zu  erleichtern,  bezeichnen  wir  den 
Coeffieienten  n  bei  cp'  durch  n\  den  Coefficienten  n  bei  9" 
aber  durch  n". 

Dann  ergibt  sich  die    Spaltung    des  x   von    sich   selbst: 
x-\-n'(o'  —  X 

mit  den  limites  x   .  .  .  .  X\ 
x+n"'f=x" 

mit  den  limites  x  .  .  .  .  X". 
Auf  diese  Weiße  haben  wir  eine  fertige  Alternation 
(a;-l-w(p|  ;|  \x-\-n  <p  |  =  a?  [ja; 
mit  den  limites: 

X  \\  X  —  X 

X\\x,      x\\X", 
X  II  X". 

Selbstverständlich  findet  dasjenige,  was  sich  auf  n  und 
wrp  im  allgemeinen  bezog,  auch  auf  w',  n"  und  no\  w"cp"  seine 
volle  Anwendung. 

Je  nach  dem,  welche  Werte  wir  dem  Coefficienten  n  in 
dem  einen  und  dem  andern  Falle  geben,  erhalten  wnr  eine  ganze 


~-     33     — 

Reihe  der  Werte  für  w''p'  und  ^"9",  also  auch  für  x-\-n''^'  und 
für  a:-|-n"o",  oder  für  x'  und  für  :c'\  in  folgenden   limites: 

n  =  0,         n'<p'  =0,         x  ~x ^ 

n"=0,         n"(p"=0,          a'"=^, 

x  II  a;"  —  a;  ||  .r  =  3" , 

d.  h.  es  hat  der  alternationelle  Wandel  noch  nicht  begonnen 
sich  zu  vollziehen  oder  er  ist  höchstens  erst  im  Keimen  begriffen. 

n'  =^  1  ,      7ir^'  =  (p',      x-\-n  (p'=.r+<p  =  X' ^ 
n"=Oj     w"<p"  =  0,     x-\-n"(^"—x, 
X  II  x"=  X'  II  X, 

d.  h.  ein  Glied  der  Alternation  erreichte  schon  in  der  Rich- 
tung der  bezüglichen  Veränderung  die  äusserste  Grenze  seiner 
Entwickelung ,  das  andere  Glied  aber  gleicht  dem  unveränder- 
ten Ur-Phonem. 

Wir  können  es  auch  umkehren^    indem  wir  n   9'  x'  für 
n"  <p"  X''  und  n"  9"  x"  für  ti   <p'  x'  substituieren. 
Endlich 

n—  1 ,       n'o^  ©',       X  +  n'o^  x  +  <o'=X\ 
n"  =  l,     n"<j^"—n^",     X  ■\-n"'^"=^x-{-^"  =  X" . 
x'  II  x"=  X'  II  X", 

d.  h.  beide  Alternationsglieder  gelangten  bis  zur  äussersten 
Grenze  in  der  Richtung  der  ihnen  eigenen  anthropophonischen 
Veränderungen. 

2)  Wenn  wir  bei  gewissen  phonetischen  Veränderungen 
die  psychische  Hemmnis  annehmen ,  dann  erhält  unsere  all- 
gemeine Formel  folgende  Gestalt: 

a;-l-(/icp  —  wn|/), 
wo  bedeuten: 

'I  .  .  .  psychische  Hemmnis, 

m  .  .  .  die  Zahl  der  Fälle  oder  Gruppen  der  Fälle,  auf 
welche  sich  die  Wirkung  dieser  Hemmnis  er- 
streckt. Dieses  m  ist ,  im  Unterschiede  von  w, 
kein  Bruch,  sondern  immer  eine  ganze  Zahl  in 
den  Grenzen  von  0  bis  M. 

3 


—     34     — 

3)  Die  Formel ,  welche  die  zur  Utilisierung  traditionellei' 
Alternanten  behufs  Entwickelung  von  Correlativen  führenden 
psychischen  Veränderungen  ausdrückt,  könnte  etwa  folgende 
Gestalt  annehmen: 

[X'\\X"\  m^, 
wo  bedeuten : 

X'  II  X"  eine  entwickelte  und  befestigte  traditionelle  Alter- 
nation , 

J/  .  .  .  eine  gewisse  psychische  Beziehung  zwischen  den 
Morphemen  und  Worten,  in  welchen  diese  Alternation  vor- 
kommt , 

m  .  .  .  den  Coefficienten  dieser  Beziehung,  welcher  ihre 
grössere  oder  geringere  Kraft,  ihre  grössere  oder  geringere 
Spannung  ausdrückt. 

Die  Stellung  des  Ausdrucks  twh  hinter  der  Parenthese, 
[  ] ,    bedeutet   keineswegs   eine  mathematische  Multiplicie- 

ruug  der  Alternation,  deren  Symbol  in  der  Parenthese  steht, 
sondern  nur  die  Möglichkeit  der  Utilisierung  dieser  Alterna- 
tion zu  der  mittelst  m'h  ausgedrückten  psychischen  Schat- 
tierung. 

Der  obige  Ausdruck,  [X'  \\  X"\m'ij,  ist  bei  weitem  nicht 
so  stabil  (feststehend)  und  bestimmt ,  wie  die  die  Formelske- 
lette aus  dem  Bereiche  der  Alternationen  anthropophonischer 
Herkunft  darstellenden  Ausdrücke 

a;-fw<p,     {x-\-n(^')  \\  {x  +  n"(p")=x'  \\  x" . 
Denn  es  spielen  dabei  in  jeder  Sprachgenossenschaft  individu- 
elle Unterschiede  eine  grosse  Kolle.  Ein  jedes  Individuum  rauss 
zur    Färbung    der   Alternation    X'  ||  X'    mit   der    psychischen 
Schattierung  m'h  auf  eigene  Hand  gelangen. 

Daher  begegnen  wir  nicht  so  sehr  einer  Gradation  .  als 
vielmehr  einem  beständigen  Schwanken  ,  beständigen  Oscillatio- 
nen,  welche  jedoch,  in  gewissen  Bedingungen  des  socialen 
Verkehrs  und  auf  gewisser  Stufe  der  sprachlichen  Ausbildung 
der  zu  der  gegebenen  Sprachgenossenschaft  gehörenden  Indivi- 
duen, sich  aufs  minimum  reducieren  lassen.  Jedenfalls  hat  das 


—    35    — 

m  in  der  angeführten   Formel  einen  beweglichen  Wert  in  den 
Grenzen 

0  ....  31, 

wo  M  das  maximum  der  Kraft,  das  maximum  der  psychischen 
Spannung  bezeichnet. 

Wenn  w  =  0 , 

dann  ist  natürlich  auch 

m  y  =  0 
und  der  ganze  Ausdruck 

[X'\\X"\m^  =  X'  II  X". 

IV.   Classification  phonetischer  Alternanten  und  Alternatio- 
nen vom  Standpunkte  der  Art  und  Weise  ihrer  etymologi- 
schen Verwandtschaft. 

Die  die  alternierenden  Paare  bildenden  Phoneme  müssen 
immer  etymologisch  verwandt  sein,  d.  h.  sie  müssen  von  einem 
einheitlichen  Urphoneme  stammen;  diese  Verwandtschaft  aber 
kann  zweierlei  Art  sein  : 

a)  entweder  alternieren  diese  Phoneme  in  den  etymolo- 
gisch verwandten,  folglich  alternierenden  Morphemen  (z.  B. 
^  11  z  in  den  poln.  m  o  g  -  j  m  o  z  -  u.  v.  a.), 

b)  oder  es  alternieren  die  Phoneme  als  Componenten 
ganzer  Gruppen  von  Morphemen  mit  einem  gewissen  gleich- 
massigen  phonetischen  Bau  (z.  B.  poln.  t  {y)  \\  e  in  den  Ver- 
ben wy-cin-a  wy-zyn-a  na-gin-a  j  roz-bier-a 
wy-cier-a  po-zer-a  .  .  .  ;  poln.  e  ||  o  in  p  i  e  k  -  e 
ciek-^  strzeg-e  grzeb-e  |  bior-§  wiod-e  nios-Q 
p  1  0  t  -  §  .  .  .  ;  lat.  i  \\  e  in  col-lig-o  con-tin-etab- 
-ig-it  af-fic-it  .  .  .  |  con-fer-o  at-ter-it  im- 
p  e  r  -  a  t  .  .   .   ;  got.  i  \\  e  [r]  .  .  .). 

Vom  Standpunkte  des  Grades  der  etymologischen  Ver- 
wandtschaft alternierender  Phoneme  unterscheiden  sich  diese 
beiden  Arten  von  Alternationen  keineswegs  qualitativ,  sondern 
nur  quantitativ.    Die  morphologische  Verwandtschaft  der  Mor- 

3* 


—     8()     — 

pheme,  d.  b.  die  auf  ihre  Zugehörigkeit  zu  den  in  einer  ge- 
wissen gegenseitigen  Beziehung  stehenden  inor|)hülogischen 
Katogorien  gestützte  Verwandtschaft  ist  ganz  einfach  das  Resultat 
einer  Verallg<Mneinerung.  Diese  Verallgemeinerung  aber  stützt 
sich  auf  die  Zusammenstellung  einer  ganzen  Reihe  von  Mor- 
phemen, welche  nicht  nur  in  einer  gewissen  morphologischen 
Beziehung  zu  einander  stehen ,  sondern  auch  etymologisch  ver- 
wandt sind.  So  führt  uns  z.  B.  im  Polnischen  die  Zusammen- 
stellung: 


erstens  von 

c  i  e  k  -         1 

c  i  e  c  z  - 

s  t  r  z  e  g  - 

s  t  r  z  e  2 

- 

g  r  z  e  b  - 

g  r  z  e  l'j  - 

■    •     •     •     5 

zweitens 

von 

b  i  0  r  - 
w  i  0  d  - 
n  i  0  s  - 
p  lo  t  - 

b  i  er  z - 
w  i  e  d  z 
n  i  e  s  - 
p  1  e  c  - 

.     .     .     .     , 

drittens 

von 

c  i  e  k 

- 

c  i  e  c  z- 

t  ok- 

t  0  c  z  - 

s 

t  r  z  e  g  - 

s  t  r  z  e  /-  - 

strog 

-    s  t r  0  z- 

g 

r  z  e 

b- 

g  r  z  e  b'  - 

g  r  0  b  - 

grob'-  , 

viertens 

endlich  von 

b  i  0  r  - 

b  i  e  r  z  - 

b  0  r  - 

b  or  z  - 

w 

i  0  d 

-  w  i  e  d  z  - 

w  0  d  - 

w  0  d  z- 

n  i 

0  s  - 

n  i  e  s  - 

n  0  s- 

n  0  s  - 

Pl 

ot- 

p  1  ec  - 

p  ^"0  t- 

p  }  0  c  -  .   . 

zu  einer  Alternation ,  welche  als  Abstraction  von  allen  diesen 
betrachtet  werden  darf,  und  zwar  zu  der  oben  angeführten 
Alternation 

e\\o 
in  piek-  bior- 

ciek-  wiod- 

strzeg-    I  nios- 
grzeb-     Iplot-.., 


—     37     — 

In  den  neueren ,  von  Brugraann  und  De  Saus- 
sure so  glücklieb  inaugurierten ,  historisch-phonetischen  Ent- 
deckungen auf  dem  Gebiete  der  arioeuropäischen  Sprachen 
erwies  sich  die  Zusammenstellung  der  Morpheme  vom  Stand- 
punkte ihrer  morphologischen  oder  formalen  Verwandtschaft, 
also  Feststellung  der  Alternationen  von  Phonemen  gerade  der 
Art ,  wie  e  ||  o  in  p  i  e  k-  .  .  .  .  |  b  i  o  r-  .  .  .  .  ,  höchst  er- 
spriesslich. 

In  einem  engen  Zusammenhange  mit  der  Unterscheidung 
von  zwei  Arten  der  Alternatiouen  bezüglich  des  Verwandt- 
schaftsgrades alternierender  Phoneme  befindet  sich  die  Bestim- 
mung verschiedener  Richtungen,  in  welchen  sich  die  morpho- 
logische Assimilation  der  Morpheme,  d.  h.  ihre  aus  psychi- 
schen Gründen  sich  vollziehende  Ausgleichung  manifestiert. 
Es  sind  vor  allem  zwei  Richtungen: 

a)  die  Richtung  der  Assimilation  auf  Grundlage  ety- 
mologischer Verwandtschaft; 

b)  diejenige  auf  Grundlage  morphologischer  oder  struc- 
tureller  Verwandtschaft. 

V.  Classificationen  phonetischer  Alternationen  vom   Stand- 
punkte der  Einfachheit  oder  der  Zusammengesetztheit  (Com- 
pliciertheit)  der  Zusammenstellungen. 

1.  Der  Unterschied   äquivalenter  und   nicht- 
äquivalenter   Phoneme. 

Wenn  ein  Phonem  einem  Phoneme,  wenn  zwei  Phoneme 
zwei  anderen  Phonemen  etymologisch  entsprechen ,  dann  ha- 
ben wir  ein  ganz  einfaches,  ohne  besondere  Complicationen 
dastehendes  Verhältnis. 

Wenn  aber  einem  Phoneme  zwei  oder  mehrere  andere  Pho- 
neme entsprechen,  dann  haben  wir  eine  Alternation  von  nicht- 
-äquivalenten  Phonemen. 

Im  Grunde  genommen ,  wird  eine  ebensolche  Alterna- 
tion auch  von  der  Alternation  eines  bestimmten  Phonems  mit 
Null  oder  mit  dem  Mangel  jeglichen  Phonems  gebildet, 


—     38     — 

Endlieb  gibt  es  Fülle,  in  welcben  wir  ein  gewisses  Pbo- 
neni  nicht  mit  einem  anderen  Phoneme  oder  mit  zwei  oder 
mit  mehreren  ganzen  Phonemen,  sondern  nur  mit  einem  Teile 
eines  anderen  Phonems  oder,  wenn  mit  einem  anderen  Phone- 
me, so  doch  in  Verbindung  mit  einem  Teile  eines  anderen 
nachbarschaftlichen  Phonems  zusammenstellen  müssen. 

Alle  diese  Fälle  erhalten  wir  aus  der  Formel 

x\\^  z  +  nx"\, 

indem  wir  für  p  und  n  verschiedene  Werte   substituieren. 

Dabei  bedeuten : 

x'  .  .  .   .  einen  von  den  Altemanten, 

P 

^  z  -{-  nx"  .  .  .  .  den  anderen  Alternanten , 

s 

x\  x\  z  .  .  .  .  ganze  Phoneme, 

V 

— ,  n  .  .  .  .  Coefficienten  der  ganzen  Phoneme  ^ 

n  .  .  .   .  eine  ganze  Zahl:  0,   1,  2,  3  ...   , 

v  . 

—  .   .  .  einen  gewöhnlichen  Bruch   in   den   Grenzen  von 
s 

0  bis   1, 

s  ....  die  Zahl,  welche  zeigt,  in  wie  viel  Teile  oder 
einfache  Articulationen  das  Phonem  z  zerlegt  wird ,  mit  an- 
dern Worten  die  Zahl .  welche  die  Summe  der  als  unteilbare 
Einheiten  betrachteten  Teile  oder  Eigenschaften  des  Phonems 
z  ausdrückt, 

p  .  .  .  .  die  in  den  Grenzen  von  0  bis  s  sich  bewegen- 
de ganze  Zahl. 

Substituieren  wir  jetzt: 

1)  p  =  0,  w=l, 

dann  erhalten  wir  die  einfachste  Alternation: 

x'  II  X 
(z.  B.  poln.  Ä  II  c,     ^  II  2  .  .  .). 


—     39     — 


2) 


p^O, 


«  =  2.  3 


I 

—  ^  +  '^^"\-\x'\\2x" 


U'  II  3  x" 


3) 


(z  B.  poln.  c  II  6i,     dz  \\  dzi ). 

P-  z  +  n  v"\  =x  II  0 
(z.  B.  poln.  e  II  0  in  s  e  n  I  s  n  -  u  .  .  .). 


4) 


p=l 


n  =  l 


p  I         ,  "  1 

^3  +  nx"\  =  x'    —  z  -\-  x" 
s  s 

(z.  B.  poln.  o  II  'e  in  t  o  k  -  il  c  i  e  k  -  .  .   .). 

Der  vollständigen  Genauigkeit  wegen  sollte  man  den  bei- 
den Seiten  der  Formel  dieselbe  Gestalt  geben,  und  zwar 


P 


z  +  n  x' 


P 


rr  z"  +  n"x" 


mit  der  Bemerkung,  dass  man  einzelne  Glieder  der  Ausdrücke 
auch  umstellen  darf.  Dann  erb  alten  wir  folgende  vier  Möglich- 
keiten : 


P       /    ,       /     /  I      \  P        "  ,      "    " 


IM 


(  .  -      p'  , 

\  n  X    4-  ^-r  z 
s 


,,  z     -{-  n  X      } 


L'x'   +K^z\'\n"x"+P^ 
_^_  z'  +  n'  x'  n'  x"  +  ^7- 


(1) 
(2) 

(3) 
(4). 


—     40     — 

Nun.  wenn  wir  in  dorn  Falle  (2)  setzen: 
n'=l,     p'  =  s',     «"=1,     p"  =  s'\ 

erhalten  wir: 

{x+z')\\  (2"+a-") 

(z.  B.   poln.  ar  \\  ro  in  w  a  r  t  -  k  i  |  w  r  o  t  -  a  .  .   .   . ). 
Wenn  in  dem  Falle  (1) 

p'  =  l,     w'=l,    y  =  0,     w"=0, 

dann  [    1  ] 

{  —  .'  +  .■[110 

(z    B.  poln.  'e  II  0    in    b  i  e  r  z  -  e  |  b  r  -  a  c). 

2.  Classificiition  der   Alternationen  mit  Rück- 

sicht auf  die    Anzahl    ihrer    Glieder. 

Gewöhnlich  haben  wir  nur  je  zwei  Alternanten  in  einer 
Alternation ,  als  in  der  von  dem  Standpunkte  einer  einheitli- 
chen Causälität  betrachteten  Beziehung.  Es  gibt  aber,  sonst 
ziemlich  seltene ,  Fälle ,  wo  zum  Bestände  einer  durch  eine 
einzige  Ursache,  durch  ein  einziges  anthropophonisches  Streben 
(Tendenz)  auf  verschiedenen  Stufen  seiner  Manifestation  (Offen- 
barung) beleuchteten  Alternation  drei  und  selbst  vier  Phoneme 
gehören.  Hier  ist  u.  a.  die  grossrussische  Divergenz  der  Vokale 
in  Abhängigkeit  von  dem  Accente  zu  erwähnen  [o  ||  ä  ||  yiäi) 
ingöd-     g6d-a|gäd-a|gyd-{ivöj    pöt-gyd-a ...]. 

3.  Classification  der  Alternationen  vom  Stand- 
punkte der  Einfachheit  oder  der  Zusamraen- 
gesetztheit  der    die  alternierenden    Phoneme 

enthaltenden    Morpheme. 

Eine  Reihe  der  durch  die  Angrenzungsassociation  ver- 
bundenen Morpheme  wird  einem  einzigen  Morpheme  entgegen- 
gestellt, d.  h.  entweder  bleiben  wir  in  den  Grenzen  einfacher 
Morpheme,  oder  müssen  die  in  zwei  angrenzenden  Morphemen 
sich  findenden  Phoneme  in  Erwägung  ziehen  und  vergleichen. 


—     41     — 

Beispiele  erster  Art  wurden  schon  oben  in  Menge  an- 
gefiibrt;  als  Beispiel  zweiter  Art  kann  man  polnische  Alter- 
nation 

öl  II  c,  dzi  II  dz 

in  pJac-ilplac-^.     rodz-i|rodzQ    nennen. 

4  Classification  der  Alternationen  vom  Stand- 
punlvte  des  Gegensatzes  zwischen  den  einem 
einfachen  Worte  eigenen  Morphemen  und 
zwischen  dem  etymologischen  Zusammenhan- 
ge von  Morphemen,  die  in  verschiedenen  Wor- 
ten   vorkommen. 

Alle  oben  genannten  Alternationen  fanden  in  den  einem 
einfachen  Worte  eigenen  Morphemen.  Wenn  wir  aber  ein  Pho- 
nem oder  eine  Verbindung  von  Phonemen  finden  wolleU;  wel- 
che z.  B.  mit  dem  auslautenden  c  des  polnischen  c  i  e  c  alter- 
niert, müssen  Avir  zu  der  Zusannuenstellung  von  zwei  jMorphe- 
men  Zuflucht  nehmen  ,  die  in  einer  gegenseitigen  Verbindung 
nie  auttreten.  Es  sind  die  Morpheme :  1)  c  i  e  k  -  ,  2j  -c  der 
Infinitive: 

I    c  i  e  k  - 
c  1  e  c  - 

-  c  . 

Auf  diese  Weise  erhalten  wir  die  Alternation 

il  *- 

"    "        .6. 

Folglich  unterscheiden  wir  zwei  Arten  von  Alternationen 
und  Alternanten: 

d)  einfache,  welche  durch  eine  Vergleichung  der  Ver- 
bindungen von  Phonemen  erhalten  werden,  die  dem  Bestände 
eines  einzigen  Wortes  vollständig  angehören  (z.  B.  poln. 
[d£i\\  dz)  ^  {di\\  dl))- 

b)  complicierte,  wo,  wenigstens  auf  einer  Seite,  die  zwei 
besonderen  Worten    eigenen    Phoneme    gestellt  werden  müssen 

( „    r,  k-       .        .  ciek-  .     \ 

l  z-   ij.  c  ,     in  c  1  e  c  .    u.   a.       . 

^  .1     -^  li  -c  J 


—     42     — 

5.   Entgegen  Stellung  einfacher  Alternationen, 
einfacher    a  1 1  e  r  n  a  t  i  o  n  e  1 1  e  r    Paare    d  e  n  A  1 1  e  r- 
n  a  t  i  o  n  e  n    von   A  1 1  e  r  n  a  t  i  o  n  e  n    oder  den  Alter- 
nationen   a  1  t  e  r  n  a  t  i  o  n  e  1 1  e  r    Beziehungen. 

Einfache  Alternationen  erfordern  hier  keine  nähere  Er- 
klärung. Als  Beispiel  von  Alternationen  der  Alternationen  kann 
man  anführen  poln. 

{i\\ö}\\{k\\c) 

(plot-e  I  pleci-e)  ||  {piek-§  |  piecz-e), 


in 


{e 


e) 


II  {o 


in 


p  i  6  k-§  piecz-e 


m 


c  1  e  c 


c  i  e  k  - 


n  1  o  s  -  Q 
plot-e 


hj-6 


n 1 e  s  1-  e  | 
pleci-e  j 


by- 


Die  Alternationen  von  Alternationen  oder  die  Alterna- 
tionen alternationeller  Beziehungen  stützen  sich  auf  die  alter- 
nationelle  Beziehung  der  Morpheme,  welche  nur  formell  oder 
structurell  verwandt  sind. 

Man  könnte  wohl  noch  viel  mehr  Standpunkte  auf- 
stellen ,  von  denen  sich  die  Alternationserscheinungen  classi- 
ficieren  liessen.  Ich  begnüge  mich  aber  vorderliand  mit  dem 
in  diesem  Capitel  dargestellten  und  gehe  im  folgenden  zu 
einer  ausführlicheren  Analyse  wenigstens  einiger  Alternations- 
classen. 


III.    CAPITEL. 

Alternationen ,  betrachtet  vom  Standpunkte   anthropo- 

l)honischer  Cau.salität.  Analyse   verschiedener  Classen 

und  deren  charakteristische  Merkmale.  Divergenzen. 

Wie  aus    Obigem    ersichtlich,   existieren    in    jeder    Spra- 
che Spaltungen  eines  ursprünglich  einheitlichen  Phonems,  wel- 


43 


die  auf  dem  rein  antliropopljonisclien  Boden  entstehen,  unab- 
hängig von  ihrer  Zugehörigkeit  zum  Bestände  gewisser  Mor- 
plieme  oder  Morphenikategorien.  So  ist  z.  B.  das  ursprüngliche 
Phonem  k  im  Polnischen  in  /c,  /c',  c  (cz),  c  gespaltet  worden. 
Ein  besonderer,  psychisch  beschränkter  Fall  solcher  rein  pho- 
netischen Spaltungen  sind  Spaltungen  von  Phonemen  in  den 
etymologisch  verwandten  Morphemen ,  z.  B.  Spaltung  von  k 
\x\k^  c,  c  in  den  Morphemen  wilk-  wilc-  wilc-  (wilk, 
wilczysko,  wilcy). 

Es  erfolgt  oder  es  erfolgte  wohl  in  beiden  Fällen  eine 
Spaltung  dessen,  was  eine  psychische  Einheit  bildet  oder  bil- 
dete. Aber  ein  gewisses  Phonem ,  unabhängig  von  den  mit 
einer  Bedeutung  versehenen  Morphemen  betrachtet,  bildet 
etwas  Einheitliches  nur  als  phonetische  Vorstellung,  nur  als 
Erinnerungsbild ,  während  die  psychische  Einheit  eines  als 
Morphemcomponent  betrachteten  Phonems  noch  von  dem  ety- 
mologischen Zusammenhange   der   Morpheme   unterstützt  wird. 

Dabei  ist  ein  sehr  wichtiger  Umstand  zu  berücksichtigen, 
nämlich :  Die  Schlüsse,  dass  die  heutzutage  verschiedenen 
Phoneme,  —  und  zwar  einfach  verschiedene,  ohne  eine 
sichtbare  Veranlassung  zu  einem  solchen  Unterschiede,  — 
einmal  e  i  n  Phonem  waren ,  können  nur  auf  dem  Wege  der 
Etymologie  gemacht  werden  ,  d.  h.  auf  dem  Wege  etymologi- 
scher Zusammenstellungen  und  Vergleichungen,  sei  es  im  Be- 
reiche einer  und  derselben  Sprache  [Alternationen] ,  sei  es  wie- 
der im  Bereiche  zweier  oder  mehrerer  Sprachen  [Corresponden- 
zen].  Wenn  wir  weder  eine  Alternation,  noch  eine  Correspon- 
denz  aufweisen  können,  haben  wir  auch  kein  Recht,  ein  Pho- 
nem von  dem  anderen  herzuleiten. 

Von  der  Spaltung  eines  gewissen  Phonems  in  einige  an- 
dere, unabhängig  von  dem  etymologischen  Zusammenhange 
der  sie  enthaltenden  Morpheme,  können  wir  nur  dann  reden, 
wenn  die  diese  Spaltung  bedingenden  Factoren  vor  unseren 
Augen  wirken,  wenn  in  ihnen  noch  ein  volles  Leben  pulsiert, 
wenn  man  sie,  so  zu  sagen,  in  flagranti  ertappen  kann. 


_     44     — 

Die  neophonetischen  Einflüsse  wirken  ganz  unabhängig 
von  dem  etymologischen  Zusammenhange.  Wir  dürfen  also, 
die  in  der  Absicht  gleichen  und  in  der  Vollbringung  verschie- 
denen Phoneme  oder  Laute  ganz  unabhängig  von  irgend 
welchem  etymologischen  Zusammenhange  zusammenstellen. 

Hierher  gehört  z.  B.  die  Spaltung  polnischer  „Nasalvo- 
cale",  je  nach  der  Nachbarschaft,  in  q  q  \  qn  (en)  an  (on)  \ 
em  (em)  am  (om)  \  en  (<?«)  an  (oü)  \  qA  ieü)  an  {on)  \  e  o. 
Ebenso  verhält  es  sich  auch  mit  dem  aind.  a  n  u  s  v  ä  r  a  -  . 

Grossrnss.  Voeale  «,  e,  o,  besonders  a  und  e,  haben 
eine  verschiedene  Schattierung,  je  nach  der  Natur  des  folgen- 
den Consonanten  (Maxt ,  M-feai» ,  saKOHt  .  •  .  |  MaTt ,  MCJifc, 
KOHB    .    .    .   ). 

Nhd.  s  klingt  verschieden,  je  nach  seiner  Lage  und 
Nachbarschaft,  u.  s.  w.  u.  s.  w. 

Eine  solche  vor  unseren  Augen  sich  vollziehende  Spal- 
tung eines  psychisch  einheitlichen  Phonems  in  zwei  oder  mehrere 
können  wir  Divergenz  nennen ,  und  sie  wird  in  diesem 
Falle  rein  anthropophonisch,  rein  phonetisch 
sein,  d.  h.  eine  Divergenz  der  Phoneme  selbst,  unabhängig 
von  ihrer  Zugehörigkeit  zum   Bestände  verwandter  Morpheme. 

Wenn  aber  solche  differenzierende  Einflüsse  in  den  ety- 
mologisch (d.  h.  psychisch -historisch)  verwandten  Morphemen 
stattfinden ,  dann  erhalten  wir  eine  phonetisch-etymo- 
logische Divergenz,  eine  neophonetische  Al- 
ternation, eine  uranfängliche  Alternation  der  Morpheme 
und  der  zu  deren    Bestände   gehörenden    Phoneme.     Beispiele: 

poln.  s||/  [kostka  I  kose,  czastka  |  czesc, 
piosnka]  piesn  .  .  .]; 

poln.  n  II  A  (stimmloses  w),  l  i|  l   (stimml.  t) ,    r  ^\  r  (stiraml. 

r)     [piesni    j    piesn,    jablek    j   jabiko,     wiatru   ' 
w  i  a  t  r  .   .   .]; 

poln.  /o  (y)  II  i'i  (*')  [g  ^  0  w  y,  c  n  o  t  y  .  .  .  j  p  o  s  t  a  c  i, 
s  o  1  i  .   .  .1 ; 


-    45    - 

poln.  - 1  -  II  -t  (geschwächtes  <)  [c  n  o  t  a  |  c  n  6  t  .   .   . ] ; 

„      en  (en)  \\  en  {efi)  [b§d§jbedzie..   .]; 
grruss.  o  \  o, ,    a  ||  «,-,    e  ||  e-,  [ßosa  |  boshti,,    oaoa  }  oaoii, 

STOT'B    I   3TH    .    .    .] ; 

grruss.  i.y  (li)  ||  ?',  (nj  [6ajii,'i ,  A'^^pti  .  .  .  .  |  Kopo.iH', 
^apH'  .  .   .]; 

grruss.  0  !|  r?  ||  //  [rö;],^.  rö^a  |  ro;i,a  |  ro;i,OBÖn  nö.i- 
roAa  .  .  .]; 

nhd.  -(5»-  II  -/?  [G  r  a  b  e ,  Stabe  .   .  .  I  G  r  a  b.  St  a  b...]; 

„     x^  {ch)  II  Xi  (cÄ)    [brach  |  bricht,    Loch  |  Lö- 
cher .  .  .]. 

Ebenso  bei  einer  rein  anthropophonischeii  Divergenz,  wie 
auch  bei  der  Alternationsdivergenz  kann 

a)  entweder  jedesmalige  Substitution,  jedesmalige 
notwendige  Anpassung  (Aecoraodation)  an  die  Bedingungen 
der  Aussprache, 

h)  oder,  neben  der  Accomodation,  auch  die  u  n  b  e  wu  ss- 
t  e  E  r  i  n  n  e  r  u  n  g  an  die  individuellen  Eigentümlich- 
keiten der  gegebenen  anthropophonischen  Modification  des  psy- 
chisch einheitlichen  Phonems  stattlinden. 

Ln  ersten  Falle  [a)  haben  wir  die  Thatsache  der  Nicht- 
übereinstimmung der  anthropophonischen  Voilbringung  mit 
der  Absicht,  mit  der  Intention:  wir  wollen  ein  gewisses 
Phonem  mit  allen  seinen  Eigentümlichkeiten  aussprechen,  und 
unterdessen  können  wir  nur  eine  Modification  dieses  Pho- 
nems aussprechen,  indem  wir  anstatt  seiner  gewissen  gedach- 
ten Eigentümlichkeiten  irgend  welche  andere,  in  der  Vollbrin- 
gung mögliche  Eigentümlichkeiten  substituieren. 

Den  Beweis  dafür  liefert  zuerst  die  Orthographie  und 
dann  die  häufigen  Streitigkeiten,  welchen  Laut  wir  im  be- 
treffenden Falle  hören.  Bei  den  des  Schreibens  kundigen  kann 
das  Hören  auch  durch  die  Orthographie  beeinflusst  werden. 

Der  Ausdruck  z.  B.  „s  wird  wie  s  ausgesprochen"  ist 
gewissermassen    gerechtfertigt:    z  stellt  hier  die  gedachte  psy- 


•—46     — ■ 

chisdie  Einlieit  dar,  .<?  aber  —  deren   Vollbringunn^    im    ]')erci- 
che  der  Spracliperipherien. 

Als  Beispiel  des  zweiten  Falles  (b).  d.  b.  des  Falles,  wo 
wir,  neben  der  Acconiod;Uion  und  Substitution,  aiicii  einer 
unbewussten  Erinnerung  an  individuelle  Eigentümliclikeiten 
begegnen  ,  können  poln.  *■  in  kose,  g  o  s  c,  p  i  e  s  n  ,  p  i  e- 
s  n  i  .  .  .  ,   Ä  in    spi    (ausgespr.   aucli  s  p  i)  dienen. 

Diese  unbewussten  Erinnerungen  an  individuelle  Eigen- 
tinnlicbkeiten  ,  insoweit  sie  in  den  etymologisch  verwandten 
Morphemen  vorkommen  ,  bilden  ein  Uebergangsglied  von  der 
Kategorie  der  Divergenten  zu  derjenigen  der  traditionellen 
Alternanten. 

Die  anthropophonische  Spaltung  eines  psychisch  einheit- 
lichen Phonems ,  welche  sei  es  den  rein  anthropophonischen, 
sei  es  alternationellen   Divergenten  eigen  sein  kann,  besteht 

a)  entweder  wirklich  in  der  Entwickelung  verschiedener 
Eigentümlichkeiten  in  einem  Gliede  des  alternierenden  Paares, 
genauer  gesagt,  in  der  Substitution  gewisser  Eigentümlichkei- 
ten   anstatt    anderer    [-  6  \\  -  d-    in    r  a  d  |  r  a  d  a,    -  s  \\  -  z  -    in 

m  r  ö  z    I    m  r  o  z  u  ,    r  \\  r    in    w  i  a  t  r  {  w  i  a  t  r  u  ,    m  \\  m    in 

m  c  h  u  I  m  e  c  h   .   .  .], 

b)  oder  aber  blos  in  der  Schwächung  der  Individualität 
eines  von  den  Gliedern  des  alternierenden  Paares. 

In  dieser  Hinsicht  muss  man  die  das  Zum  vorscheinkom- 
men aller  individuellen  Eigentümlichkeiten  des  gegebenen  Pho- 
nems begünstigenden  Lagen  von  den  dasselbe  in  irgend  welcher 
Weise  hemmenden  unterscheiden.  So  ist  z.  B.  die  Lage  des  t 
in  tA.  stsi  dem  Erscheinen  seiner  individuellen  Eigentümlich- 
keiten günstig,  während  in  a  ^  ein  solches  Erscheinen  gehemmt 
wird.  Ebenso  r  in  r  a  ,  r  y  d  z  ,  a  r  im  Gegensatz  zu  r  d  a , 
rdza...,  ^in  /igacim  Gegensatz  zu  /gnac,  m,  rii  in 
m  y,    m  i  g  a  c  im  Gegensatz  zu  m  gl  a.,    »i  g  n  i  e  .   .  . 

Die  irgend  einer  Divergenz  eigene  Causalität  kann  ent- 
weder allgemein  menschlich,  oder  nur  ethnologisch,  d.  h.  ört- 
lich und  zeitlich  bedingt,  sein.  Mit  anderen  Worten: 


—    47     — 

Coinbinatoriscli  -  anthropoplionisclie  Veränderungen  ,  i\ie 
den  ersten  Anlass  zur  Spaltung  eines  Phonems  geben ,  voll- 
ziehen sich 

1)  entAveder  unter  dem  Einflüsse  stätig .  man  kann  sa- 
e:en  ,  ewio-  wirkender  Ursachen  . 

2)  oder  unter  dem  Einflüsse  von  den  nur  vorübergehend, 
nur  zu  einer  gewissen  Zeit  wirkenden  Ursachen,  unter  dem 
Einflüsse  von  Bedingungen  ,  welche  nur  einer  gewissen  Sprach- 
genossenschaft in  einer  gewissen  Periode  ihres  sprachlichen 
Lebens  eigen  sind. 

Wenn  man  diese  Gruppe  vorübergehender  Ursachen 
vom  Standpunkte  einer  gewissen,  streng  bestimmten  Epoche 
betrachtet,  so  wirken  sie  a)  entweder  in  der  Jetztzeit,  in  der 
Gegenwart .    b)  oder  nur  in  der  Vergangenheit  dieser  Epoche. 

Ebenso  bei  der  rein  anthropophonischen ,  wie  auch  bei 
der  alternationellen  Divergenz  sind  zu  unterscheiden: 

1)  phonetische  Gewohnheiten,  z.  B.  jede  Silbe 
mit  einem  Consonanten  zu  beginnen,  was  uns  u.  a.  die  sogen. 
„Einschiebung  des  Consonanten  zur  Vermeidung  des  hiatus^ 
erklärt, 

2)  Accomodation,  behufs  Erleichterung  der  Aus- 
sprache. 

Diese  letztere 

rt)  ist  entweder  not  w  endig  und  ausnahmslos, 
wenn  man  gehörig  ausspricht  (z.  B.  Divergenz  verschiedener 
tinta.\tr\t\\ts\tn\sit\&nt  .  .  .  ,  Alternation  des  d 
in  dn  o  \  d  en  .  .  .) , 

h)  oder  reduciert  sich  zu  den  schwachen  anthropopho- 
nischen Strebungen,  welche  durch  die  „prohibitive  Analogie", 
d.  h.  durch  das  Streben  nach  phonetischer  Ausgleichung  ver- 
schiedener in  ihrer  psychischen  Einheit  gefühlter  i\Iorpheme, 
paralysiert  werden. 

Merkmale  der  Divergenz. 
1.  Das  erste  und  hauptsächlichste  Merkmal  jeder  Diver- 
genz kann  foigendermassen  formuliert  werden: 


48 


Die  mit  einander  alternierenden  Ei;:^en- 
t  ü  111  1  i  c  h  k  e  i  t  e  n  der  Aussprache  sind  nicht 
individuelle  und  u  n  a  b  h  ä  n  «•  i  g  e  E  i  g  e  n  t  ü  m- 
lichkeiten  an  thropo  phonischer  Varietäten 
(Modificationen)  des  betreffenden  Phonems 
oder  der  betreffenden  phunetischen  Stelle 
des  Morphems,  sondern  sie  sind  nur  c  o  in  b  i  n  a- 
torisch  bedingt,  d.  h.  sie  hängen  von  der  Verbindung 
mit  anderen  Phonemen  und  von  den  Bedingungen  der  anthro- 
pophonischen  Umgebung  im  allgemeinen  ab. 
Bezeichnen  wir: 

das  sich  verändernde  Phonem  mit x, 

eine  Moditication  desselben  mit x\ 

eine  andere  Modification   mit x'\ 

Verbindungs-Bedingungen  im  allgemeinen  mit       .     .     y, 
phonetische  Bedingungen,  in  denen    das  Phonem   x', 
als  eine  von  den  Modificationen  des  Phonems  x,  erscheint,  mit     ?/', 

Bedingungen,    in    denen    das    Phonem  x" ,   als  eine 
andere  Modification   des  Phonems  x ,  erscheint ,  mit  .     .     .     y" 

und  schliesslich  die  Abhängigkeit  mit /; 

dann  können  wir  das    genannte  Merkmal    folgendermassen 
ausdrücken : 

d.  h.  X  ist  „Function"  des  ?/, 
wobei  selbstverständlich  das  Wort  „Function"  in  dem  ma- 
thematischen Sinne  genommen  wird,  obgleich,  mit  Rücksicht 
auf  die  Verschiedenheit  des  Untersuchungsgegenstandes  selbst, 
wie  auch  auf  den  Mangel  der  jedem  mathematischen  functio- 
nellen  Zusammenhange  eigenen  Continuität,  wir  dieses  VV^ort 
„Function"  hier  nur  cum  grano  salis ,  d.  h.  mit  dem  nötigen 
Vorbehalt,  gebrauchen  dürfen. 

Diese    Abhängigkeit    des    x    von    y  können  wir  genauer 
so  ausdrücken : 

X  -  fiy) , 

oder  x'  .  .   .  y'  \\  x"  .  .  .  y'\ 


—    49     — 

11  X      \\    X 

oder  auch  r   m    '  r  >n 

[y  ]    [y]' 

(1.  h.  das  von  den  Bedingungen  y'  abhängige  Phonenn  x'  al- 
terniert mit  dem  von  den  Bedingungen  y"  abhängigen  Pho- 
neme x" . 

Anders : 

X'  II  x"  #  y'  II  y", 

d.  h.  die  Alternation  der  Phoneme  x\  x'\  welche  blos  Modi- 
ficationcn  des  Phonems  x  sind ,  geht  parallel  zu  der  Alterna- 
tion phonetischer  Bedingungen,  y\  y'\  von  denen  eben  jene 
Phoneme ,    x',  x'\    als  Varietäten    des  Phonems  x ,    abhängen. 

Ein  besonderer  Fall: 
entweder  x'  —  x  ^     y  =  2/? 

oder  x"=x,     y"  =y^ 

d.  h.  dieses  Phonem  {— x)  verändert  sich  gar  nicht,  die  an- 
thropophonischen  Bedingungen  aber  bleiben  auch  unverändert 
(=y),  was  eben  die  Erhaltung  ursprünglicher  Eigentümlich- 
keiten des  Phonems  begünstigt. 

Mit  diesem  ersten  charakteristischen  Merkmale  der  Di- 
vergenz oder  der  mit  der  anthropophonischen  Causalität  be- 
gabten Alternation  bleiben  in  einem  engen  Zusammenhange 
zwei  andere  Merkmale: 

2.  Unmittelbare  Bestimmbarkeit  undVor- 
handensein  anthropo phonischer  Ursachen 
der    Alternation. 

3.  Allgeraeinheit  und  anthropophonische 
Notwendigkeit    der    Alternation. 

D-  h. :  eine  solche  Alternation 

a)  kommt  ausnahmslos  in  allen  Worten  und  phonetischen 
Verbindungen  der  betreffenden  Sprache  vor,  welche  das  be- 
treffende Phonem  enthalten; 

h)  sie  steht  in  einem  causalen  Zusammenhange  mit  der 
Alternation  der  Bedingungen  anthropophonischer  Natur: 

4 


—     50     — 

x'  ist  eng  verbunden   mit  ?/', 

*       77       n  71  f)      y    \ 

Vorbindiini^'cn  x'    .  .  .  y", 

oder      x"  .  .  .    y' 
sind  unmöglich. 

4.  Eine  ähnliche  Alternation,  d.  h.  Di- 
vergenz, ist  unabhängig  von  den  psychi- 
schen (m  o  r  p  li  o  1  o  g  i  s  c  h  e  n  oder  s  e  m  a  s  i  o  1  o  g  i- 
sehen)  Einflüssen.  Sie  findet  nicht  in  den 
syntaktisch  und  morphologiscli  geglieder- 
ten, sondern  einzig  und  allein  in  den  ausge- 
sprochenen P  li  0  n  e  m  e  o  ra  p  1  0  X  e  n ,  im  Gebiete 
der    S  p  r  a  c  h  p  e  r  i  p  h  e  r  i  e  n    statt. 

5.  Da  die  Eigentümlichkeiten  der  Pho- 
neme x' ^  x"  nicht  ihre  psychisch  individuelle,  gedachte,  im 
Gehirncentruin  autbewahrte  Eigentümlichkeiten ,  sondern  nur 
von  den  Aussprachebedingungen,  y\  y'\  a  b- 
hängige  Variablen  sind,  und  da  eine  solche 
A  1 1  e  r  n  a  t  i  0  n  von  den  psychischen  Einflüs- 
sen unabhängig  ist,  so  braucht  man  diese 
anthropophonischen  Schattierungen  des  ab- 
hängigen Phonems  gar  nicht  zu  merken. 
Diese  Schattierungen  werden  durch  die  peripherischen  Aus- 
sprachebedingungen von  selbst  gegeben.  Es  wird  aber  dadurch 
die  Möglichkeit  des  Bemerkens  und  des  Merkens  jener  Schat- 
tierungen keineswegs  ausgeschlossen,  und  dann  wird  dieses  Mer- 
ken zum  Uebergangsgliede  zu  der  Kategorie  traditioneller  Al- 
ternaiionen. 

Es  sind  noch  ausserdem  im  Bereiche  der  Divergenzen 
oder  neophonetischer  Alternationen  verschiedene  Grade  und 
Varietäten  zu  unterscheiden,  und  zwar: 

a)  keimende  Alternationen,  welche  entweder 
mit  Hülfe  einer,  so  zu  sagen,  mikroskopischen  Untersuchung 
entdeckt  oder  nur  als  Postulat  angenommen  werden  5 


—     51     - 

Z»)  Alternationen  mit  den  schon  ohne  vSchwierig- 
keit  bestimmbaren  Folgen,  welche  aber  unbewusst, 
(1.  h.  im  Zustande  des  unendlich  kleinen  Bewusstseins ,  noch 
nicht  percipiert  werden ,  und  die  allein  mittelst  Steigerung, 
mittelst  Vergrösserung  des  Bewusstseins  entdeckt  werden  kön- 
nen [z.  B.  poln.  m  \\  m  in  m  e  c  h  |  m  c  h  u  ,  r  ||  ?•  in  P  i  o- 
t  r  a  I  P  i  o  t  r,  ^  II  <  in  k  o  t  a  |  k  o  t ;  grruss.  a  \\  a  in  6paTa  | 
öpaT'li].  Hier  haben  wir  eine  psychisch  einheitliche  Quelle  des 
Phonems  neben  seiner  rein  anthropophonischen  Spaltung. 

c)  Alternationen,  welche  nicht  nur  bewusst,  son- 
dern auch  unbewusst  percipiert  werden,  welche  also, 
einerseits,  schon  mit  der  Spaltung  (Entzweiung,  Bifurcation) 
der  psychischen  Quelle  verbunden ,  andererseits  aber  schon 
von  der  Tradition  gewissermassen  unterstützt  werden  [z.  B. 
poln.  -  b  -  \\  -  p  m  Ih  SL  \  l  eh,  p  (p,)  \\  p  in  k  u  p  i  e  c  |  k  u  p- 
c  a  .  .  .    ;  grruss.  t  \\  d  in  cnaTaTB  |  CBa;i,&6a  .  .   .]. 

Bei  der  Beurteilung,  ob  eine  gewisse  Alternation  zur 
Classe  b ,  oder  zur  Classe  c  gehört,  können  uns  als  Kriterium 
entsprechende  Thatsachen  der  Sprache  und  des  Schrifttums 
dienen  [dieses  letztere  selbstverständlich  nur  in  den  Schrift- 
sprachen und  bei  den  der  Schrift  kundigen  Individuen].  So 
gehört  z.  B.  poln.  b  \\  p  in  tba  |  leb  zur  Classe  c,  weil  sich  ein 
lepek  lin  let;  ebenso  gehören  zu  derselben  Klasse  C  grruss.  d  \\  t 
in  6y/i;oK  |  6y/i,Ka,  wenn  öyTOHHHK,  t  \\  d  in  CBaTaTB  |  CBa/i,i>6a, 
weil  CBa^eÖHLiH.  Die  poln.  Schreibung  t  c  h  u  t  c  h  n  a  c  be- 
weist ,  dass  d  \\  t  in  dech  oddech[tchu  tchn^c  auch 
zur  Cl.  c  gehört.  Für  polnische  Kinder,  welche  w  r  u  s  e  k^ 
(wruszek)  anst.  wruzek  (wrözek)  [Gen.  pl.j  sagen,  gehört 
die  Alternation  z  \\  s  in  w  r  6  z  -  y  c  (wahrsagen)  |  w  r  6  z  -  k  a 
(Wahrsagerin)  ebenfalls  zur  Cl.  c,  oder  sie  hat  sich,  eigentlich 
gesagt,  noch  nicht  in  der  Sprache  dieser  Kinder  festgestellt. 

Selbstverständlich  existiert  unter  den  soeben  aufgezähl- 
ten drei  Classen  in  jeder  Sprache  eine  ganze  lleihe  Über- 
gangszustände  und  Oscillationen  oder  Schwankungen ,  sei  es 
nach  dieser,  sei  es  nach  jener  Seite. 

4* 


-    52    - 

IV.    CAPITEL. 
Correlatioiu'ii  oder  psycliophonetische  Alternutionen. 

Correlation  heisst  eine  solche  alteruationelle  Beziehung 
von  Phonemen ,  bei  welcher  mit  der  phonetischen  Unterschei- 
dung sich  irgend  ein  psychischer  Unterschied  der  Formen 
und  Worte,  d.  li.  irgend  ein  morphologischer  oder  seraasiolo- 
gischer  Unterschied  ,  verknüpft  (associiert). 

Eigentlich  gesagt,  alternieren  dabei  nicht  einfache  Pho- 
neme (Laute) ,  sondern  ganze  Morpheme  oder  selbst  ganze 
Worte. 

Auf  dieser  Stufe  der  Entwickelung  alternationeller  Be- 
ziehungen spielen  homogene  (d.  h.  von  einem  einstmal  einheit- 
lichen Phoneme  stammende)  Phoneme,  als  bewegliche  Corre- 
lative,  in  der  Morphologie  ebensolche  Rolle,  wie  bewegliche 
wortbildende  Morpheme  (Affixe),  d.  h.  wie  Prae- 
fise,  Suffixe,  Endungen  u.  ä.  Sie — diese  beweglichen  Correla- 
tive  —  bilden  hier  einen  notwendigen  integrierenden  Bestandteil 
gewisser  beweglicher  homogener  Morpheme.  Wie  Suffixe,  Prae- 
fixe  u.  ä.,  ebenso  dienen  auch  Correlative  zur  Unterscheidung 
gewisser  morphologischer  Kategorien. 

vSo  wird  z.  B.  im  Polnischen ,  wie  auch  in  anderen  sla- 
vischen  Sprachen ,  eine  gewisse  Classe  von  verha  denominativa 
noch  heutzutage  dadurch  lebendig  gebildet,  dass  man  das 
Suffix  i  an  den  Primärstamm  hinzufügt ,  dessen  letzter  Con- 
sonant  so  aussehen  muss,  Avie  der  Consonant,  welcher  infolge 
einer  spontanen  Degeneration  des  in  der  ersten  Palatalisations- 
periode  der  slavischen  Sprachen  [wenigstens  inbetreflF  der  Hin- 
terlingualen k^  (/,  ch]  palatalisierten  Consonanten  sich  histo- 
risch entwickelt  hatte  [brud-|brudz-i-c,  lup-  |l^up- 
-i-c^    tok-|toc-y-c,    trwog-   |    trwoz-y-ö  .  .  .  .j. 

Das  Merkmal  des  Locativs  polnischer  Substantiva  ist  u. 
a.  nicht  nur  die  Endung  e ,  sondern  auch  die  Verwandlung 
des  letzten  Stammconsonanten    in    einen  Consonanten,  welcher 


—     53     — 

sich  auf  dem  Wege  spontaner  Degeneration  aus  einem  pala- 
taliöierten  und  mit  seiner  Palatalisation  in  die  zweite  Palatali- 
sationsperiode  der  slavischen  Sprachen  ( —  wenigstens  bei  den 
Hinterlingualen  /c,  g,  ch  — )  reichenden  Consonanten  [n  a  r  o  d  z-e, 
wol-e,  bof-e,  strac-e,  r§c-e,  wödc-e,  nodz-e, 
s  t  r  u  d  z  -  e  .  .  .]  entwickelt   hatte. 

Andere  Beispiele: 

in  der  polnischen  Conjugation  1.  s.  nios-e  (n  i  o  s  -  e), 
plüt-e,  gn-e,bior-e,piek-e,mog-e.  .  .  |  3.  s, 
nies-e,  plec-e,  gn-e,  bieir-e,  piec-e,  moz-e...  ; 

ebenfalls  in  der  poln.  Conjug.  3.  s.  [2.  s. ,  1. —  2.  pl.] 
(1  u  IJ  i ,  m  6  w  i ,  w  o  1  i ,  r  a  n  i ,  t  w  o  f  y,  t  o  c  y,  t  r  w  o  /.  y^ 
s  u  s  y, }  nosi,  wozi,  äwieci,  chodzi  |  1.  s.  [3.  pl,] 
{  1  u  r>  -  e ,  m  ö  w  -  e ,  wol-e,  r  a  n  -  e  ,  t  w  o  f  -  e  ,  t  o  c  -  e, 
trwoz-e,  sus-e,)  nose,  woz-e,  swiec-e,  chodz-e... 

nosi-,  wozi-,  swieci-,  chodzi-  |nos-enie 
no8-ony,  woz-eniewoz-ony,  swiec-enie  swiec- 
-ony,    chodz-enie  chodz-ony  .  .   .; 

einfache  Verba  einerseits ,  durafÄva  und  iterativa  ander- 
seits :  zwar  pali-c  czyni-c  trudzi-c  |  pal-a-c 
-czyn-a-ö  -trudz-a-c  ....,  aber  stroi-c  to- 
cy-c  trwozy-c  chodzi-c  ranozy-cl-straj-a-c 
tac-a-c  -trwaz-a-c  chadz-a-c  -mnaz-a-c  und 
g nies-e  ples-c  mies-c  lec-e-c  siedz-e-c  | 
gniat-a-c  p)at-a-c  miat-a-c  lat-a-c  siad- 
-a - c  .   .  .  ; 

dieselbe  Verbalbeziehung  im  Grossrussischen:  öpoc-a-Tt 

ÖpäC-tIBa-TB  ,  KOJI-Ö-TB  |  Ka^-BIBa-TB  ,  CTpOH-TB  |  -  CTpO  -  HBa  -  TB 
(CTpä-HBa-TB),  npÖHH-TB   |   -npÖH-HBa-TB,  .IK)6h'-TB  j  -.llbÖJI-HBa-TB, 

;i;o»i6h'-tb  |  ;i;äj[6.i-HBa-TB;  xo/I,h'-tb  ■  xaac-HBa-TB,  hoch'-tb  '  nam- 
-HBa-TB ,  3ano;i;63pH-TB  j  3ano;i,63p-HBa-TB  (3ano;i,a3p-HBa-TB) .  .  . ; 
Nora.  pl.  ra.  der  polnischen  Nomina  hat  in  Verbindung 
mit  der  Endung  -i  (-y)  auch  einen  Schlussconsonanten,  wel- 
cher durch  die  spontane  Degeneration  eines  von  der  Pahitali- 
sation  afticierten  Consonanten  [bei  den  Hinterlingualen  einer 
Palatalisation  zweiter  Periode]   [c  h  1  o  p  -  i,  k  a  c  -  i  .  .  . ,  s  i  1  li  -  i. 


54     — 


r  u- 


m  i  1  -  i  .  .  .   .    Av  i  1  c  -  y,     |)  t  a  c  -  y  .  .  .  ,    w  i  e  1  c  -  y,    d 
d  z  -  y  .   .  .   ,  s  z  1  -  i.  c  h  o  d  z  i  1  -  i.  d  a  1  -  i .  .  .]  entstanden  ist. 

In  einer  gewissen  Classe  von  Substantiven  m.  und  n. 
des  Neuchochdeutsehen  wird  der  Plural  nicht  nur  durch  die 
Anfügung  einer  Endung  e  od.  er,  sondern  auch  durch  eine 
Verwandlung  des  nicht -palatalen  Stammvocals  in  einen  pala- 
talen  („Umlaut")  gebildet:  Wolf.  Dorf,  Grab,  Loch, 
W  u  r  m  I  W  ü  1  f  e ,  D  ü  r  f  e  r,  G  r  ä  b  e  r,  L  ö  c  h  e  r,  W  ü  r- 
m  e  r  .   .   . 

Einige  abgeleitete  Namen  des  Altiudischen  werden  gleich- 
zeitig durch  Hinzufügung  des  Suffixes  -ya  -  und  durch  eine 
correlativische  Verwandlung  des  einfachen  Voeals  des  staram- 
haften  Morpliems  in  die  zweite  Stufe  seiner  „Steigerung" 
(v  r  d  d  h  i  -)  gebildet :  käunteya-,  säubhagya-,  väi- 
rya-,  pärthava-  ....  von  kunti-,  subhaga-^ 
vira-,    prthivi-  .  .  .  . 

Bekanntlich  verleihen  dem  Worte  gewisse  Affixe  oder 
untergeordnete  Morpheme  (Suffixe,  Praefixe)  eine  Nuance  der 
Ungeschlachtheit ,  der  Abstraction  u.  ä.  Ahnliche  Nuancen 
werden  dem  Worte  auch  durch  eine  gewisse  correlativische 
Beziehung  der  Morpheme  verliehen.  So  im  Poln.  die  Correla- 
tion  X  {ch)  \\  s  in  wloch-y  kluch-y|wJos-y  klus- 
-  k  i  .  .  .  ,  im  Russ.  ra  la  \\  oro  olo^  sc  M\c  z  in  rpaa:;i;a- 
hh'h  1  ropoacaHHH,  rjraBa  |  ro.iOBä,  npeEpan^äxB  I  Bopo^aTB...; 
im  Französischen  Ä;||sincau3e|chose...  [obgleich  in 
diesem  letzten  Falle  von  einer  wirklichen,  vom  Volke  lebhaft 
gefühlten  Correlation  kaum    die  Rede  sein   kann]. 

Die  sogenannte ,  ebenso  dem  arioeuropäischen  Urzustän- 
de, wie  auch  allen  besonderen  arioeuropäischen  Sprachen  in 
älterem  Stadium  ihrer  Entwiekelung  eigene,  „Stammabstufung" 
ist  an  eine  correlativische  Alternation  der  Phoneme  eng  ge- 
bunden, wobei  ein  Glied  des  alternierenden  Paares  die  Null 
des  Phonems,  d.  h.  sein  vollkommener  Mangel,  zu  sein  pflegt: 

X  :io. 


—    55     — 

Diese  „Stamniabstufung"  kann  entweder  noch  lebendig, 
beweglich,  oder,  in  betreff  ihrer  Lebendigkeit  und  Beweglich- 
keit, im  Absterbestadium  begriffen  sein. 

Hieher  gehören  auch  die  sogenannten  „Infixe",  welche 
sich  besonders  üppig  in  den  semitischen  Sprachen  entwickelt 
hatten. 

Als  Beweis  der  Lebendigkeit  einer  correlativischen  Be- 
ziehung im  Bereiche  der  Altemationen  dient  die  Möglichkeit 
der  Übertragung  auf  andere  Worte,  die  Möglichkeit  der  Bil- 
dung neuer  alternationellen  Paare ,  besonders  in  solchen  Fäl- 
len ,  wo  auf  dem  Wege  einfacher  phonetischer  Wandlungen 
nichts  ähnliches  erscheinen  könnte.  So  ist  die  mit  der  Bezie- 
hung polnischer  Deininutiva  und  einfacher  Substantiva  verbun- 
dene Cori'elation 

c  II  c  [cz) 

ganz  lebendig  und  beweglich ,  denn ,  nachdem  sie  sich  phone- 
tisch in  solchen  Worten  entwickelt  hatte,  wo  ebenso  c  fcz)^ 
wie  auch  c  aus  der  Palatalisation  des  h  in  verschiedenen  Pe- 
rioden des  Sprachlebens  entstanden,  wird  sie  jetzt  auch  auf 
solche  Worte  übertragen ,  wo  c  nicht  einem  h ,  sondern  einem 
t\  seinen  Ursprung  verdankt.  Li  den  Woi-ten  d  o  n  i  c  a,  m  i  ed- 
nica,  krynica.  lica,  s^once,  kupiecjdonicz- 
ka^  miedniczka,  kryniczka,  liczka,  sl'onecz- 
k  0  .  k  u  p  c  z  y  k  .  .  .  .  entstand  die  Correlation  c  ||  c  {cz) 
auf  rein  phonetischem  Wege,  ganz  so,  wie  die  Correlationen 
k  il  c.  g  II  I,  x{ch)  II  s  (sz)  in  r§ka  [  r^czka,  noga  ]  nöz- 
ka,  m  u  c  h  a  I  m  u  s  z  k  a  .  .  .  Aber  in  solchen  correlativi- 
schen Paai'en  ,  wie  s  w  i  e  c  a  |  s  w  i  e  c  z  ka  .  .  .  ,  hat  sich 
die  Correlation  c  i|  c  auf  dem  Wege  morphologischer  Assimi- 
lation („Analogie")  eingenistet. 

Der  frühere  Nom.  pl.  der  polnischen  Pronomina  posses- 
siva  nasz-y,  wasz-y  wurde  jetzt  durch  nas-i  was-i 
ersetzt,  weil  der  Consonant  s  als  charakteristisches  j\[erkmal 
gerade  dieses  Casus  von  den  Stämmen  mit  dem  Schlusscon- 
sonanten  s ,  s  [sz)  oder   x  (ch)  gefühlt  wird  .-    n  a  s  |  n  a  s  -  i  .  .  . 


—     56     — 

Die  Irühere  DLiniimtivfünn  von  poln.  g  r  o  s  z ,  a  r  k  u  s  z 
klang  groszyk,  arkuszyk  (wie  bis  jetzt  in  einigen  Tei- 
len des  polnischen  Sprachgebietes,  z.  B.  in  Litauen,  in  Ukra- 
ine u.  s.  Av.) ,  jetzt  aber  wiu-de  sie  durch  a  r  k  u  s  i  k  ,  g  r  o- 
s  i  k  .  .  .  ,  mit  einem  unmittelbar  palatalen  .^,  vertreten.  [Da- 
mit vergleiche  man  die  „Palatalisation",  welche  in  der  Kin- 
dersi)rache  die  Rolle  eines  Exponenten  der  Liebkosung  und 
Zärtlichkeit  spielt.] 

Im  Altindischen  waren  die  unter  dem  allgemeinen  Na- 
men „guna-"  gefassten  Alternationen  der  Vocale  in  frühe- 
ren Zeiten  meistenteils  correlativisch ,  d.  h.  morphologisch  be- 
weglich ;  in  der  Periode  aber,  aus  welcher  die  indischen  Litera- 
turdenkmäler stammen,  befand  sich  diese  Beweglichkeit  min- 
destens in  einem  Übergangsstadium  zur  psychischen  Unbe- 
weglichkeit  ausschliesslich  traditioneller  Alternanten.  Im  Ge- 
genteil bildete  die  sogen,   v  r  d  d  h  i  -    die   Beziehung  einer  le- 

*■  o 

bendigen,  beweglichen,  tibertragbaren  Correlation. 

CoiTelationen  sind  immer  nichts  weiter,  als  nur  ein 
Übergangsstadium  von  den  einfachen  traditionellen  Alterna- 
tionen zu  den  ebenso  einfachen  traditionellen  Alternationen. 
Die  Correlation  entsteht  nur  infolge  einer  Utilisierung  alter- 
nationeller  Unterschiede  zu  psychischen  Zwecken ,  und  diese 
Utilisierung  kann  sich  zwar  in  einer  Reihe  von  Generatio- 
nen wiederholen ,  schliesslich  aber  hört  sie  auf,  und  gleich- 
zeitig mit  ihrem  Aufhören  muss  die  betreffende  psychophone- 
tische  Alternation  oder  Correlation  zu  einer  gewöhnlichen  tra- 
ditionellen Alternation  werden.  Diesen  allgemeinen  Satz 
wollen  wir  mit  einzelnen  Beispielen  beleuchten. 

So  war  z.  B.  die  poln.  Alternation  0  ||  i  (n  ||  in)  in 
pn-§pn-e|p'in-a,  -cn-§-cn-e  |  -cyn-a,  tn-e 
tn-e[-cin-a....  früher  eine  bewegliche  Correlation,  wie 
es  vor  allem  ihre  Übertragung  auf  gn-e  gn-e|gin-a... 
beweist;  jetzt  aber  befindet  sie  sich  mindestens  in  einem 
Übergangszustande  zur  völligen  psychischen  Unbeweglichkeit, 
ähnlich   wie  andere  ihr  verwandte  Alternationen  [ct-§   cc-el 


—    57     — 

cyt-a,  st-a-c|syt-a-ö,  tk-a-c|tyk-a-c,  br-a-d| 
l'j  e  r  -  a  -  c]. 

Zu  derselben  Kategorie  rudimentärer  psychophonetischer 
Alternationen  gehören  auch  poln.  o  ||  u  (o)  in  c  h  o  d  -  u  b  o  r  - 
-u  stol-u  grod-u  I  chöd  bor  stol  gröd...; 
'e  'q  \\  e  q  in  cez-ki  caz-a  |  t§g-i  ws-t^z-ka;  M|]0 
insucli-ylsch-na-e...    ; 

nhd.  /  (e)  II  <2  in  b  i  n  d  -  e  ]  b  a  n  d ,    e  s  s  -  e  |  aß  .  .  .  , 

in  .      b  i  n  d  -  e  I  ,  , 

an    ^"^    ^^    band      I    ge-bund-en  .   .   . 

Wir  dürfen  auch  vermuten ,  dass  selb.st  die  poln.  Al- 
ternation o  II  e  in  bior-e  nios-e  wioz-e  |  bierz-e 
n  i  e  8  i-  e  w  i  e  z  i  -  e  .  .  .  im  Zusammenhange  mit  der  Formen- 
beziehung einstmal  gefühlt  wurde ,  d.  h.  dass  sie  eine  Cor- 
relation ,  wenn  auch  von  einer  kurzen  historischen  Dauer,  war. 
Jetzt  gibt  es  hier  selbstverständlich  keine  Spur  einer  Correla- 
tivität;  denn  sonst  würde  das  Streben  nach  der  Stammausglei- 
chung (Uniformierung  des  Stammes)  und  nach  der  Vertretung 
der  Formen  bior-e,  nios-e,  wioz-e...  durch  b  i  e  r  -  e, 
nies-e,    wiez-e  .   .  .  unmöglich  sein. 

Es  kommen  in  der  Sprachgeschichte  auch  Fälle  vor,  wo 
eine  gewisse  Correlation  nur  scheinbar  schwindet,  während 
sie  eigentlich  nur  ihr  Aussehen  ändert  und  unter  eine  andere 
Correlation  von  breiterem  Umfange  untergeordnet  (subsumiert) 
wird.  Ein  interessantes  Beispiel  einer  solchen  Verwandlung  lie- 
fert uns  das  Grossrussische. 

Die  der  Schriftsprache  eigene  Alternation 
k  II  c 

in  dem  Praesens  der  Verba  pi  e  k  •  i\  (ncKy)  ti  e  k  -  ü  (TeKy) 
bi  e  r;  e  g  -  ü  (öepery)  s  tj  e  r;  e  g  -  li  (cTepery)  .  .  .  |  pi  e  c  -  6  t 
(neiCTii)  tj  e  c  -  ö  t  (Te^eTi.)  b.  e  r;  e  z  -  ö  t  (öepeaccTt)  s  t;  e  - 
rj  e  z  -  ö  t  (cTepeaceTt)  .  .  .  wurde  in  der  Umgangssprache  sehr 
vieler  Teile  des  grossrussischen  ethnographischen  Gebietes 
durch  eine  andere  Alternation, 


—     58     - 
k  II  Ic, 

Pi  e  k  -  ü  b,  e  r,  e  g  -  ü  .  .  .  |  p;  e  k;  -  6  t  Ijj  e  T;  e  g;  -  ö  t  .  .  .  , 
vertreten ,  nach  dem  Muster  einer  ganzen  Reihe  anderer  Al- 
ternationen dieser  Art : 

b  II  ^,,      t\\t,,     d\\d,,     s  I!  s,.,     z  II  2,,      r  \\  r,,     n  ||  w,  .   .   . 

[in  den  Formen  g  r;  e  b  -  ii  (rpeoN' )  p  Ij  e  t  -  ü  (n.icTy)  V;  e  d  -  ü 
(Be;],y)  Hj  e  s  -  u  (necy)  V;  e  z  -  ü  (ßesy)  b;  e  r  -  ü  (öepy)  g  n  -  ü 
(rny)  .  .  .  |  g  T;  e  b;  -  6  t  (rpoöeTt)  p  1;  e  tj  -  ö  t  (n^exeTT.)  V;  e  d- 
-6  t  (Be;i,eTi>)  n;  e  Sj  -  ö  t  (neceTt)  V;  e  z,  -  6  t  (BeseTt)  b;  e  r;  -  ö  t 
(oepeTt)  g  nj  -  6  t  (rneTt)  ....]. 

welche  alle  sich  auf  eine  einzige  allgemeine  Correlation 
zurückführen  lassen : 

PO  II  PY 
{wo  bedeuten: 

P  .   .   .  Palatalität,   „Erweichung", 

0  .  .  .  Mangel.  Abhandensein  [im  gegebenen  Falle  der 
Palatalität] , 

Y  .  .  .  Vorhandensein  [im  gegebenen  Falle  der  Palata- 
lität]). 

Wenn  mann  diesen  Process  der  Vertretung  der  Alter- 
nation k  \\  c  ^  g  \\  z  durch  die  Alternation  k  \\  k;.  g  ii  g;  nur 
oberflächlich  betrachtete  -  könnte  man  schliessen ,  dass  hier  nur 
ganz  einfach  der  Schwund  der  Correlation  oder  der  psychopho- 
netischen  Alternationen  stattgefunden  hat.  Es  würde  dies  jedoch 
ein  falscher  Schluss  sein.  Von  dem  Schwunde  dieser  Correla- 
tion könnte  man  nur  dann  sprechen,  wenn  anstatt  der  Paare 
k  \-  k,,  g  j!  g;  die  Paare  k  •\k^  9  W  9  entstanden  wären,  d.  h.  wenn 
in  allen  Formen  des  Praesens  ganz  einfach  eine  vollständige 
Ausgleichung  (Uniformierung)  durchgeführt  würde,  üann  aber 
müsste  dasselbe  auch  mit  den  anderen  Consonanten  geschehen, 
d.  h.  es  müssten  nicht  nur  Formen  «pick-öt»,  «tiCk-öt», 
«bi  e  Ti  e  g  -  ö  t>.«  s  t;  e  r;  e  g  -  6  t»  .  .  .  ,  sondern  auch«  g  v.q  b- 
-öt».    «pliCt-ot»,    «Vi  e  d  -  ö  t> ,    «nies-6t>,    «ViCz-öt», 


—     59     — 

«bi  e  r  -  6  t»  ,  «gn-6t»  .  .  .  entstehen.  Unterdessen  verhält 
es  sich  hier  ganz  anders ,  und  die  Entwickelung  der  Formen 
Pi  e  kj  -  6  t ,  ti  e  ki  -  ö  t,  b,  e  r;  e  g;  -  ö  t ,  s  t;  e  Tj  e  g;  -  ö  t  .  .  .  . 
beweist  gerade  eine  grosse  Lebendigkeit  der  Correlation 
PO  I!  PY    in  dem  Praesens  dieses  Typus  der  Verba. 

Charakteristische    Merkmale   der  Correlation    und  der  Cor- 

relative. 

1.  Vom  Standpunkte  der  anthropophonischen  Causalität : 
Die  alternierenden  Eigentümlichkeiten  haf- 
ten an  den  betreffenden  Aussprachestellen 
oder  an  den  betreffenden  Phonemen  indi- 
viduell,   selbstständig,    unabhängig. 

2.  I  m  gegebenen  Zustande  der  Sprache 
kann  als  Ursache  der  Alternation  von  pho- 
netischer Seite  nur  Tradition  (Überliefe- 
rung), n  u  r  s  o  c  i  a  1  e  r  Verkehr,  nur  „w  s  m  s"  be- 
trachtet werden.  Wir  haben  von  unserer  Umgebung 
und  von  unseren  Vorfahren  gelernt,  so  und  so  zu  sprechen, 
und  eine  solche  Erklärung  genügt  vollkommen. 

3.  Die  anthropophonischen  Ursachen  der 
Alternation,  ihr  anthropophonischer  cau- 
saler  Zusammenhang  liegen  in  der  Vergan- 
genheit der  Sprache  und  können  blos  mit 
Hülfe  historisch-linguistischer  Forschun- 
gen entdeckt  werden.  Einstmal  wirkte  hier  eine  an- 
thropophonische  Ursache ,  später  aber  hörte  sie  auf  zu  wirken 
und  jetzt  wirkt  sie  schon  gar  nicht. 

[Diese  drei  ersten  charakteristischen  ]\Ierkmale  sind  den 
Correlativen  mit  den  einfachen  traditionellen  Alternanten  ge- 
meinsam.] 

4.  Infolge  einer  sich  stets  wiederholen- 
den Association  von  Vorstellungen  entwi- 
ckelte sich  ein  gewisser  functioneller  psy- 
chopho  netischer  Zusammenhang  einer  jeden 


—     ßO     — 

solchen  Alternation  mit  psych  iscLen  Schat- 
tierungen, sei  es  mit  Form  Schattierungen, 
mit  morphologischen  Schattierungen,  sei 
es  Av  i  e  d  e  r  mit  B  e  d  e  u  t  u  n  g  s  s  c  h  a  1 1  i  e  r  u  n  g  e  n, 
mit    semasiologischen    Schattierungen. 

Bezeichnen  wir: 

das  Phonem  im  allgemeinen  mit a;, 

psychische  Causalität  im  allgemeinen  mit    ...  ^|/, 
die  in  einem    Correlationszusammenhange   stehen- 
den Phoneme  mit x\  x'\ 

die  mit  der  Correlation  verbundenen  psj'chisehen 

Schattierungen  mit        ■}',  J;", 

die  Abhängigkeit  im  allgemeinen  mit     ....  f\ 

dann     können     wir     die     correlativische    Abhängigkeit    so 
ausdrücken  : 

genauer 

x'  II  x"=f{^'  II  f  )• 

Anderseits,  je  nach  dem  die  durch  die  Correlation  unter- 
schiedene psychische  Schattierung  endoglotter,  inwendigsprach- 
licher, morphologischer  (a:  u.'  ||  a"),  oder  aber  exoglotter,  au- 
sser sprachlich  er,  semasiologischer  {r::  a'  \\  q")  Natur  ist,  zerfällt 
die  soeben  angeführte  Formel  in  zwei: 

a)  X  =f{\j) 

oder      X'  \\x"^f{^:\\'^r); 

b)  x  =  f{c) 

oder     x'  \\  x"  =  /(<?'  11  o"). 

Wir  sehen  also,  dass  Correlative  oder  psychophonetische 
Alternanten  immer  einer  Verschiedenheit  gewisser  psychischer 
Schattierungen  entsprechen.  Anthropophonische  Schattierungen 
und  Unterschiede  werden  hier  immer  von  den  psychischen, 
sei  es  morphologischen ,  sei  es  semasiologischen ,  Schattierun- 
gen und  Unterschieden  begleitet. 


—     61     — 

5.  Es  folgt  aus  dem  obigen,  dass  den  Corre- 
lativen  eine  psychische,  entweder  morpho- 
logische oder  semasiologische,  Allgemein- 
heit   und    Aiisnahmslosigkeit    eigen    ist. 

Eine  gewisse  Correlation  erstreckt  sich  ohne  Ausnahme 
auf  alle  Wörter  gewisser  Kategorie,  z.  B.  in  der  Conjugation 
aller  Verba  von  einem  gewissen  Typus,  in  der  Decli- 
nation  aller  Nomina  von  einem  gewissen  Typus,  auf 
einem  gewissen   Gebiete  der  Wortbildung  u.  s.  w. 

6.  Eine  grössere  oder  geringei-e  Ver- 
wandtschaft alternierender  Phoneme  ist  da- 
bei ganz  g  1  e  i  c  h  g  i  1 1  i  g.  Es  möge  sich  nur  eine  psy- 
chophonetlsche  Association  zwischen  den  Vorstellungen  gewis- 
ser anthropophonischer  Arbeiten  und  zwischen  den  Vorstellun- 
gen gewisser  psychischen  Schattierungen,  es  möge  sich  nur 
die  Proportion 

X  :  x"  =  d/' :  ^" 

befestigen,  und  dieses  genügt  vollkommen. 

7.  Die  scheinbar  phonetischen  Wand- 
lungen, welche  sich  auf  dem  Gebiete  von 
Correlationen  vollziehen,  stellen  in  der 
Regel  nicht  eine  Abstufung  (Gradation),  nicht 
ein  Vorrücken  in  einer  gewissen  anthropo- 
p  h  0  n  i  s  c  h  e  n  Richtung  dar,  sondern  nur  ge- 
wöhnlieh vom  anthropophonischen  Stand- 
punkte aus  ganz  unverständliche  und  selbst 
sehr  oft  dem  allgemeinen  Gange  historisch- 
phonetischer  Wandlungen  widersprechen- 
de   Sprünge. 

Eines  von  den  am  meisten  eclatanten  Beispielen  dieser 
Art  bietet  uns  die  oben  angeführte  Vertretung  grossrussischer 
PiCC-öt,  bjCriez-öt...  durch  p;  e  k;  -  6  t ,  bi  e  rj  e  g;  -  6  t ... 
oder  die  Entstehung  der  Imperative  grruss.  p;  e  k;  -  i  (hckh), 
bi  e  rj  e  gi  -  i  (öeperw) ,  p  o  m  o  g;  -  i  (noMorH)  ....  anstatt  der 
früheren    pi  e  c  -  i    (neun) ,     b^  e  rj  e  z  -  i    (öepesa) ,     p  o  m  o  z  - 1 


-     62     — 

(noM03H)  ■  .  .  ,  poln.  piecz,    p  o  m  6  i  .  .  .    anst.  der  frühe- 
ren   *  p  i  e  c  -    (p  i  e  c  -  y) ,    '•  p  o  m  ö  d  z  -    (p  o  ni  o  d  z  -  y)  .   .  . 

8.  Weder  bei  den  Divergenten ,  noch  bei  den  traditio- 
nellen Alternanten  kann  von  einer  Übertragung  der  alterna- 
tionellen  Beziehung,  kann  von  Neubildungen  nach  einem  ge- 
wissen Typus  die  Rede  sein.  Das  charakteristische  Merkmal 
der  Correlative  dagegen  ist  gerade  diese  Möglichkeit  der 
Entstehung  von  Neubildungen  nach  einem 
gewissen  Typus,  ist  die  Möglichkeit  der 
Übertragung  einer  fertigen  co  r  relativ  i- 
schen  Bejiiehung  auf  neue  Worte,  ist  die 
Möglichkeit  einer  unaufhörlichen  Recon- 
struction    der    Beziehung. 

Diese  Übertragbarkeit  der  correlativischen  Beziehung 
kann 

a)  entweder  im  Bereiche  von  Wortgruppen  esines  gewis- 
sen Typus  (semasiologische ,  lexicalische  Übertragbarkeit), 

b)  oder  im  Bereiche  morphologischer  Kategorien  statt- 
finden. 

9.  [Das  aus  der  Verallgemeinerung  ei- 
ner ganzen  Reihe  von  Cor  relativen  entstan- 
dene Merkmal.]  Bei  den  Divergenten  konnten  gewisse 
allgemeinmenschliche  oausale  Beziehungen  stattfinden.  B  e  i 
den  Cor  relativen  ist  allein  die  Befähigung, 
correlativische  Beziehungen  zu  bilden,  all- 
gemeinmenschlich;  die  Einzelheiten  aber 
tragen  immer  an  sich  einen  zeitlichen  und 
örtlichen    Charakter. 

10.  [Das  Merkmal  genetischer  Seite,  das 
Merkmal,  welches  die  Entstehungsweise  der 
Correlative  bei  den  einzelnen  Individuen 
charakterisiert.]  Zu  den  Divergenten  gelangt  jedes 
Individuum  der  betreffenden  Sprachgenossenschaft  von  sich 
selbst,  gelangt  auf  einmal,  gelangt  auf  dem  Wege  unmittel- 
barer rein  physiologischer  Accomodation.  Zur  E  n  t  w  i  c  k  e- 
lung   der     Correlative    aber    gelangt  jedes    In- 


—     63     — 

dividuum  nach  und  nach,  es  gelangt  stufen- 
weise, je  nach  der  Häufung  und  Befestigung 
psychophonetisc  her  Associationen  in  seiner 
Seele. 

Dabei  sind  die  Correlationen,  welche  sich  aus  den  eigen- 
sprachigen traditionellen  Alternationen  allein  entwickelt  hat- 
ten, von  solchen  zu  untt-rscheiden,  in  denen  wenigstens  ein 
Glied  aus  einer  andern  verwandten  Sprache  entlehnt  warde. 

Die  Correlationen,  in  denen  ein  Grlied  dem  heimischen 
Boden  von  Haus  aus  gehörte,  das  andere  Glied  aber  entlehnt 
ist,  haben  gewöhnlich  eine  semasiologische  Aufgabe,  d.  h.  sie 
schattieren  verschiedene  Bedeutungsiiiodificationen.  Das  ent- 
lehnte Alternationsglied  hat  vorwiegend  eine  abstractere,  eine 
erhabenere,  eine  mehr  literarische,  mehr  feierliche  Bedeutung, 
während  dem  heimischen  Gliede  eine  concretere ,  eine  mehr 
alltägliche,  eine  gemeinere  Bedeutung  eigen  ist.  So  z.  B. 

j)oln.  h  ;\  g  in  h  a  n  b  a  j  g  a  n  i  c ,  h  a  r  d  y  |  g  a  r- 
d  z  i  c  .  .  .  . 

[insoweit  hier  überhaupt  von  einer  entwickelten  Correlation  die 
Rede  sein  kann] ; 

grruss.  ra  \\  oro^  ta  ;|  ofo,  re  \\  ere ,  le  (|  olo,  ra-  jj  ro-, 
sc  ii  c ,  ül  li  z ,  0  il  0  in  rpayZi;  rpaac;i,aHÜH  |  r6po;i,  ropoacä- 
HHH,    r.iaBa   raäsHtiii  j  roaoBÜ    roJiOBHOH,    npe;i,0K  |  nepe^ÖK, 

n.TiiH    nvltallTt   I    nOJiÖH    nO.lOHIlTB,    päS-yM   |    pOS-BICK,  päEHLIÖ  I 

poBHtifi,  pao  päöcKiii  I  pöÖKÜi  poöfTB,  ocB'fenj;äTi>  npocB-fe- 
menie  |  CB-feqä  npocB'b'gHBaTB.  ^yac;i,BiH  |  Myacöii,  poac;i,<nTB  | 
poacäTB  .  .  .  . ; 

franz.  k  \\  s  m  cause  \  chose,  caniculaire  |  chien, 
c  a  m  p  ]  c  h  a  m  p  .  .  .  .  [insoweit  hier  überhaupt  von  einer 
entwickelten,  lebendigen  Correlation  die  Rede  sein  kann]. 

Als  ein  höchst  seltenes  Beispiel  der  Entstehung  einer 
correlativischen  oder  psychophonetischen  Alternation  unter  dem 
Einflüsse  des  Bewusstseins  und  der  Willkür  auf  die  gespro- 
chene Sprache  habe  ich  mir  fol^ienden  Fall  verzeichnet: 


—     64     — 

icK  war  nälimlicli  selbst  Zeuge ,  wie  in  einer  slovenisclien 
Volksseliule  in  der  Provinz  Gürz  im  Karstgebierge  die  Kinder 
vom  Lehrer  gezwungen  wurden,  nicht  nur  beim  Lesen,  son- 
dern auch  beim  Erzälilen  das  der  loealen  Mundart  (wie  sonst 
fast  allen  slovenisclien  Mundarten)  eigene  consonantische  u  (u) 
im  Wort-  und  Silbenauslaute,  in  Ueberstimmung  mit  der 
Schrift,  durch  /  zu  ersetzen,  folglich  dal,  bil,  prosil... 
anst.  (lau,  b  i  u  ,  p  r  6  s  i  u  .  .  .  .  auszusprechen.  Da  aber 
in  derselben  Mundart  im  An-  und  Inlaute  ein  mit  dem  polni- 
schen, russischen  und  litauischen  gleichlautendes  l  existiert, 
welches  t  der  Lehrer  selbst  aussprach  und  den  Kindern  aus- 
zusprechen erlaubte,  so  begann  in  der  Schulsprache  dieser  Kin- 
der eine  correlativische  Alternation  -i-\\-l^  anst.  der  der 
Haussprache  derselben  Kinder  eigenen  Correlation  -  ^- |i  -m, 
sich  allmählich  zu  entwickeln,  d.  h.  es  entstanden  Paare  d  ä- 
Ja  I  dal,  bila|  bil,  prosiJa  |  prosil,  delala  |  de- 
t  a  1  .  .  .  anst.  dala|dau,  biia|biu,  prosiiajprö- 
siu,    delaiald^Jau... 

Selbstverständlich  konnte  eine  auf  eine  so  künstliche 
Weise  eingeimpfte  Correlation  nur  eine  kurze  Dauer  haben 
und  wich  mit  der  Zeit  der  allgemeinherrschenden  gewöhnlichen 
Correlation  -i-  \\  -  w.  Aber  jemand,  der  nur  diese  Kinder  ge- 
hört hätte  und  mit  den  Eigentümlichkeiten  der  loealen  Mund- 
art nicht  bekannt  wäre,  könnte  daraus  schliessen,  dass 
eine  solche  Correlation,  -t-\\-l^  in  der  gegebenen  Ortschaft 
wirklich  herrschte.  Es  lässi  sich  auch  nicht  leugnen,  dass, 
wenn  in  einer  Reihe  von  einigen  Generationen  die  Kinder  von 
den  Lehrern  zu  einer  solchen  Aussprache ,  -  l  anst.  -m  ,  ge- 
zwungen wären,  sich  die  Alternation  -t-\\-l  endgiltig  ein- 
wurzeln und  historische  Thatsache  der  Sprache  werden  könnte. 

Schliesslich  sind  noch  verschiedene,  mit  ihrem  Anfang 
in  die  verschiedenen  Perioden  des  Sprachlebens  reichende 
Alternationsschichten  zu  erwähnen,  welche  abwechselnd  die 
Rolle  psychisch  beweglicher,  psychophonetischer  Alternationen 
oder  Correlationen  gespielt  haben.  So  haben  wir  z.   B.  im  Polni- 


-     65     — 

sehen  mehrere  Hauptsehichteu  solcher  Alternationen:  a)  gemein- 
sam arioeuropäischer  Herkunft,  b)  gemeinsam  slavischer  Her- 
kunft, c)  correlativische  Alternationen  neuerer  Herkunft,  ent- 
standen während  der  abgesonderten  historischen  Entwickelung 
der  polnischen  Sprache  und  teilweise  bis  heutzutage  mit  dem 
deutlichen  psychischen  Leben  pulsierend. 

Mit  der  Zeit  verlieren  die  CoiTsIationen  ihre  psychopho- 
netische  Geltung  und  kehren  in  den  Zustand  gewöhnlicher 
traditioneller  Alternationen  zurück.  Solche  rudimentäre  Cor- 
relationen  könnte  man  mit  den  erloschenen  Vulkanen  ver- 
gleichen. 

Dem  „analytischen",  d.  h.  durch  eine  decentralisierende 
Tendenz  auf  dem  Gebiete  der  Morphologie  charakterisierten 
Zustande  der  Sprachen  sind  morphologische  Correlationen 
fremd. 


V.    CAPITEL. 
Traditionelle  Alternationeii. 

In  Anwendung  nicht  nur  auf  die  Alternationen,  sondern 
auch  auf  alle  anderen  Manifestationen  des  SprachlebenS;  müssen 
ebenso  phonetische,  wie  auch  psychische  Ursachen  der  Er- 
scheinungen zu  gleicher  Zeit  social  sein,  denn  sie  sind  nicht 
indiv^iduell  phonetisch,  nicht  inaividuell  psychisch,  sondern  nur 
c  0  1 1  e  c  t  i  V  -  phonetisch,  nur  co  1 1  e  c  ti  v  -  psychisch.  Trotzdem 
ist  ihr  „socialer"  Charakter  eine  untergeordnete  Sache;  denn 
sie  bestehen  nicht  in  einer  einfachen  Nachahmung  und  Wie- 
derholung ,  sondern .  einerseits ,  in  den  Eigentümlichkeiten 
der  psychischen  Organisation ,  andererseits  aber  in  den  psy- 
chischen Bedürfnissen  eines  jeden  zur  betreffenden  Sprachge- 
nossenschaft gehörenden  Individuums  insbesondere. 

Obgleich  also  ebenso  Divergenten,  wie  auch  Correlative 
auch  vom  Standpunkte  der  traditionellen  und  socialen  Causa- 
lität  zu  betrachten  sind,    so    bleiben  doch  als  ihre  charakteri- 


—     66     — 

stischen  Merkmale:  bei  den  Div^er<i;enten — antliropophonisehe, 
bei  den  Correlativen  aber  —  psychische  Oausalität.  Unterdes- 
sen kann  bei  den  rein  traditionellen  Altemanten  einzig  und 
allein  von  der  traditionellen  und  socialen  Causalität  die  Re- 
de sein. 

Wie  oben  erwähnt,  ist  die  ursprüngliclie  Ursache  des 
Hervorkommens  aller  Alternanten  ohne  Ausnahme  immer  nur 
anthropophonischer  Natur.  Es  folgt  daraus,  dass  rein  traditio- 
nelle Alternanten  nie  ursprünglich  sein  können,  sondern  in 
dem  historischen  Nacheinander  immer  nur  eine  Fortsetzung 
neophonetiseher  Alternanten  oder  Divergenten  sind  .  deren  an- 
thropophonische  Ursache  .  als  lebendiger  Faktor,  schon  erlo- 
schen ist.  da  sie  blos  in  der  Vergangenheit  wirkte. 

Es  müssen  also  folglich  alle  traditionellen  Alternationen 
zu  gleicher  Zeit  paläophonetisch  sein. 

Diesen  sonst  leicht  verständlichen  Satz  wollen  wir  mit 
einigen  Beispielen  beleuchten. 

Poln.  r  6  d  |  r  o  d  -  u  ,  wo  -t  {d)  \\  -d-  neophonetische 
Alternation  oder  Divergenz,  u  (o)  \\  o  aber  traditionelle  oder 
paläophonetische  Alternation  ist; 

mröz  I  mroz-u  mit  der  Divergenz  -s  (z)  |j  -z-  und 
traditioneller  Alternation  u    (o)  1|  o; 

m^^  I  m§z-a:  Divergenz  -s  (i)  ||  -i-,  traditionelle  Alter- 
nation a  11  e; 

plot-e|ples-c:o||e  und  t  \\  s  —  beide  traditionelle 
Alternationen ; 

ptaci-|piac-e,  rodzi-|rodz-§:  eine  einzige, 
und  zwar  traditionelle  Alternation  ,  dt  \\  c ,    dzi  \\  dz. 

Nhd.  geb-en  |  gab:  zwei  Divergenzen ,  g;  II  g  und 
-b-  II  -p  (b),  und  eine  traditionelle  Alternation,  e  ü  a; 

lad-en  |  Las-t:  zwei  traditionelle  Alternationen, 
ä  II  ä,  d  \\  s  [d  als  clusiUs,  s  als  spirans)^  und  eine  Divergenz, 
d  II  s  [wenn  man  diese  Phoneme  vom  anderen  Standpunkte  be- 
trachtet, nämlich  d  als  stimmhaft  oder  media,  s  aber  als  stimmlos]; 

Fros-t  I  frier-en,  Ver-lus-t  |  ver-lier-en 
ver-lor-en:    traditionelle  Alternation  s  \\  r. 


—     67     — 

Fros-t  I  frier-en:  traditionelle  Alternation  ö  ||  i  (te) , 
Ver-lu8-t  I  ver-lor-en:     traditionelle    Alternation 
u  II  o, 

ver-lier-en    |    Ver-lus-t    ver-lor-en:    tradi- 

tionelle  Alternation  i  (le)  \\ 

Aind.  nämn-  |  näma:    traditionelle   Alternation    n  \\  a. 

Vom  Standpunkte  der  Anzahl  historischer  Evolutionen 
aus,  welclie  von  den  gegenwärtigen  traditionellen  Alternatio- 
nen im  Verlaufe  von  Jahrhunderten  durchgemacht  wurden, 
kann  man  sie  alle  (d.  h.  traditionelle  Alterationen)  in  zwei 
grosse  Gruppen  teilen: 

1)  Einige  von  ihnen  haben  sich  direkt  aus  den  Diver- 
genzen entwickelt,  d.  h.  sie  sind  Fortsetzung  von  Divergen- 
zen oder  neophonetischen  Alternationen,  welche,  nachdem  sie 
ihre  lebendige  anthropophonische  Ursache  verloren  hatten,  eo 
ipso  in  die  Reihe  paläophonetischer  oder  traditioneller  Alter- 
nationen übergegangen  sind; 

2)  andere  wieder  haben  eine  viel  reichere  Vergangenheit: 
eine  ursprüngliche  Divergenz  wurde  einstmal  zur  traditionellen 
Alternation  ,  darauf  wurde  diese  traditionelle  Alternation  zum 
Ausdrucke  gewisser  psychischer  Schattierungen  utilisiert,  d.h. 
sie  wurde  zur  Correlation,  bis  endlich  ihre  Association  mit 
psychischen  Schattierungen  nach  einer  gewissen  Zeit  verges- 
sen wurde ,  so  dass  die  gegebene  Alternation  aus  dem  Corre- 
lationszustande  in  den  Zustand  einer  einfachen  traditionellen 
Alternation  zurückgekehrt  ist. 

1)  Beispiele  traditioneller  oder  paläophonetischer  Alter- 
nationen ,  welche  direkt  von  den  neophonetischen  Alternatio- 
nen oder  Divergenzen  stammen: 

a)  Die  durch  eine  palatalisierende    oder   dispalatalisieren- 
de  Accomodation ,    d.    h.  durch    „Erweichung"    oder  „Verhär- 
tung", einstmal  hervorgerufenen  Alternationen: 
poln.  s  II  X  {ckj  [azed-ljchodz-i  .  .  .], 


—    68    — 

J||<[ciek-  ciec|tok;  cie^-ki  ciaz-a|t§g-i 
w8-t^z-ka  .  .  .], 

b  \\  b'  [br-ac]  bior-e    bierz-e  .  .   .], 

o  \\  e  [bior-§  |  bierz-e,    nios-§  |  niesi-e  .  .  .], 

o  II  c  [s  w  i  a  t  I  8  w  i  e  c  -  i  .  .   .  ]. 

b)  Die  u.  a.  dem  Lateinischen ,  einigen  germanischen 
Sprachgebieten,  dann  dem  Tschuwaschischen  eigene  Alter- 
nation 

s  II  r. 

c)  Alternation  eines  bestimmten  Phonems  mit  Null  oder 
mit  dem  Mangel  jeghchen  Phonems;  z.  B.  poln.  e  ||  0  [pies  | 

ps-a,    sen    |   sn-u...],     0  [br-ac    |    bierz-e 

b  i  o  r-  §  .   .  .1. 

2)  Beispiele  traditioneller  Alternationen ,  in  deren  Ver- 
gangenheit drei  Evolutionen  da  liegen:  von  den  Divergenten  zu 
traditionellen  Alternanten ,  von  den  traditionellen  Alternanten 
zu  Correlativen ,  von  Correlativen  wieder  zu  traditionellen  Al- 
ternanten: 

Die   allen    arioeuropäischen    Sprachen   eigene  Altemation 

e  II  o , 

welche  einige  Zeit  u.  a.  den  Unterschied  zwischen  den  primä- 
ren Verben  und  zwischen  den  Nomina  eines  gewissen  Typus 
charakterisierte 

■  ß     ! 

[bis    heutzutage  z.  B.  im  Polnischen  in    der  Gestalt  ,e  ,    '       o: 

grzebi-e  grzeb-§  |  grob-,  ciecz-e  ciek-§  |  tok-, 
wlecz-e  wlok-e|wiok-,  pleci-e  p  1  o  t- §  |  p  1^  o  t -...]. 

Alternationen  des  Polnischen  und  der  anderen  slavischen 
Sprachen  in  der  Art  0  ||  «' ,  0  \\  y  [p  n  -  §  j  p  i  n  -  a ,  c  z  t  -  e  | 
czyt-a.,.,    tk-a|tyk-a,    tch-n§|dych-a...]. 

Polnische  Alternation  o  ||  w  (o)  [c  h  o  d  -  j  c  h  6  d  .  ,  .]. 

Alternationen  des  Neuhochdeutschen  in  der  Conjugation 
der    sogenannten  „starken"  Verba,    z.  B.  t*,  e  ||  a  [b  i  n  d  -  e  | 


69 


1       Gl' 

band,    geb-e|gab....],    '^       u,o 


i ,  e  \  (m  er 

un. 
an         '    ar 


[bind-e  band|ge-bund-en,  werf-e  warfjge- 
w  o  r  f  -  e  n  .  .  .]. 

Wenn  wir  wieder  jenen  höchst  wichtigen  Umstand  in 
Erwägung  ziehen,  dass  zu  den  der  betreffenden  Sprachgenos- 
senschaft eigenen  Correlationen  jedes  Individuum  für  sich,  auf 
eigene  Hand ,  durch  eigene  Arbeit  gelangen  muss ,  dann  aber, 
dass  in  einigen  Individuen  das  Gefühl  der  Correlation  ganz 
unentwickelt  bleiben  kann ,  so  ergiebt  sich ,  dass  alle  jene 
im  IV.  Capitel  erwähnten  correlativischen  oder  psychopho- 
netischen  Correlationen  für  diese  Individuen  ihres  correlativi- 
schen Charakters  entblösst  sein  oder,  mit  anderen  Worten,  zur 
Kategorie  reiner  traditioneller    Alternationen    gehören    können. 

Es  mögen  bedeuten: 

X  .  .  .  ein  Phonem  im  allgemeinen , 
x'  II  x"   .  .  .    eine    Alternation    der    Phoneme    im    allge- 
meinen , 

T  .  .  .  den  Factor  der  Tradition  und  des  socialen  Ver- 
kehrs i), 

^j/  .  .  .  den  psychischen  Factor  im  allgemeinen, 
(]^'  II  (!/"...  Alternation  der  mit  der  Phonemenalternation 
associierten  (verbundenen)  psychischen  Schattierungen; 

dann  wird    die  Correlativenforrael  folgende  Gestalt  anneh- 
men: 

x'  II  x"  =  fmTz-^fn{^'  II  f'), 

wo  die  Coeffizienten  m  und  n  einen  veränderlichen  Wert  ha- 
ben ,  je  nach  der  Stärke  des  betreffenden  Factors,  je  nach 
der  Stufe  der  Einprägung  ins  Gedächtnis  sei  es  der  einfa- 
chen Association  mit    den    betreffenden    Worten  [bei  mr:] ,    sei 


^)  Es  ist  wohl  ganz  überflüssig  zu  bemerken,  dass  dieses  Symbol  tc 
mit  dem  in  der  Mathematik  g-ebrauchten  und  das  Verhältnis  der  Kreisperi- 
pherie zum  Durchmesser  ausdrückenden  tt  nichts  geraein  hat. 


—     70     - 

es    der   Association   mit    der    Alternatinn    psycljisclier    Schattie- 
rungen [bei  /i('i/  li  'J/'OJ- 

Die  Grenzen  {limües)  der  veränderlichen  Werte  sind: 

0  und  N  .  .  .  .  bei  n , 
0  und  J/  ....  bei  m , 

wo  N,  M  das   maximum   der   Stärkesteigerung    bedeuten.     Es 
sind  also  eigentlich 

n  =  qU^, 

m  =  QTn". 

Nun ,  wenn  wir  annehmen ,  dass  bei  dem  betreffenden 
Individuum 

^(^'llf)  =  0, 

so  erhalten  wir 

x'  II  x"  —fm-K, 

d.  h.  anstatt  einer  Correlation  erhalten  wir  eine  einfache 
traditionelle  Alternation. 

Merkmale    traditioneller  Alternationen. 

1.  Die  alternierenden  Eigentümlichkei- 
ten haften  an  den  betreffenden  Ausspra- 
chestellen, d.  h.  an  den  betreffenden  Phonemen, 
individuell,    selbstständig,    unabhängig. 

Wenn  bei  den  Divergenten  die  Abhängigkeit  von  ihren 
Ursachen  mit  der  Formel 

X  \\w"  =  fn(<p'  II  <p") 

und  bei  den  Correlativen  mit  der  Formel 

x'  II  x"=^fm'-\-fn{'Y  II  J;") 

ausgedrückt  werden  kann ,    so    darf  bei  den  traditionellen  Al- 
ternanten blos  von 

x'  II  x"  =  fm-n: 

die  Rede  sein. 


—     71     — 

2.  Man  sieht  also,  dass  im  gegebenen  Zustan- 
de der  Sprache  nur  Tradition  (Überliefe" 
r  u  n  g-) ,  nur  socialer  Verkehr,  nur  ^us  u  s^  als 
Ursache  der  Alternation  betrachtet  werden 
können.  Wir  haben  von  unserer  Umgebnng  und  von 
unseren  Vorfahren  gelernt ,  so  und  so  zu  sprechen ,  und  eine 
solche  Erklärung  genügt  vollkommen.  Wir  k  ö  n  n  e  n  k  ei- 
ne individuelle  Veranlassung  zur  Bewah- 
rung der  betreffenden  Alternation  auf- 
w  e  i  s  e  n. 

3.  Die  anthropophonischen  Ursachen  der 
Alter  uation,  ihr  anthropophonischer  causa- 
1er  Zusammenhang  liegen  in  der  Vergan- 
genheit der  Sprache  und  können  blos  mit 
Hülfe  historisch-linguistischer  Forschun- 
gen entdeckt  werden.  Einstmal  wirkte  hier  eine  an- 
thropophonische    Ursache,    jetzt  aber  hörte  sie  auf  zu  wirken. 

Diese  drei  ersten  Merkmale  sind  den  einfachen  traditio- 
nellen Alternanten  mit  den  Correlativen  gemeinsam. 

4.  Psychische  Associationen,  auf  die  sich 
die  E r h a 1 1 u n g  tr a  d  i  t i o n e 1 1  e r  AI t er n a t i o n e n 
stützt,  befinden  sich  in  einer  ununterbro- 
chenen Collision  mit  den  Bestrebungen  nach 
der  Beseitigung  der  weder  durch  die  indi- 
viduellen anthropophonischen  Tendenzen, 
noch  durch  die  individuellen  psychischen 
Bedürfnisse  gerechtfertigten  phonetischen 
Unterschiede.  Eine  solche  Collision  führt  entweder  zur 
Entstehung  einer  correlativischen  Bedeutung  in  der  betreffen- 
den traditionellen  Alternation  ,  d.  h.  zur  Vertretung  des  Zu- 
sammenhanges 

x'  II  x"  =  fm-K 
durch  den  Zusammenhang 


—     72     — 

oder  zur  Entwickelung  einer  festen  Tendenz  nach  Beseitiguno^- 
der  Unterschiede,  nach  Ausgleichung  (Unitormierung) ,  d.  h. 
nach  der  Substituierung  in  der  Alternation 

X   II  x" 

sei  es  des  x    anstatt  x'\  sei  es,  umgekehrt,   des  x"   anstatt   x , 
was  jedenfalls 

x' ='x"  ergiebt. 


VI.   CAPITEL. 

Fremdsprachige,  d.  h.  unter  dem  Einflüsse  einer  anderen 
Sprache  entstandene  Alternationen. 

Die  Correspondenzen  oder  die  Form entsprechun  gen  in 
verschiedenen  Sprachen  haben  -keine  einheitlichen  Träger,  ha- 
ben keine  einheitlichen  psychischen  Substrate ,  mit  Ausnahme 
etwa  des  besonderen  Falles,  wo  eine  und  dieselbe  Person  bei- 
de Sprachen  spricht,  auf  deren  Correspondenzen  wir  unsere 
Aufmerksamkeit  lenken.  Es  ist  aber  auch  möglich ,  dass  selbst 
ohne  diese  Bedingung,  d.  h.  ohne  die  Bedingung  des  Gespro- 
chenwerdens durch  eine  und  dieselbe  Person,  die  Correspon- 
denz  zu  einer  lebendigen ,  d.  h.  nicht  nur  historischen ,  son- 
dern zugleich  psychophonetischen ,  wird.  —  Dieses  findet  bei 
der  Entlehnung  aus  den  Xachbarsprachen  statt ,  welche  in  ei- 
ner nahen  historischen  Verwandtschaft  mit  der  betreffenden 
entlehnenden  Sprache  stehen.  So  z.  B.  bei  der  Entlehnung  aus 
den  russischen  Mundarten  in  die  polnischen  und  umgekehrt, 
aus  den  slavischen  Mundarten  ins  Litauische  und  umgekehrt, 
aus  den  altitalischen  Dialekten  in  die  lateinische  Sprache 
und  umgekehrt ,  u.  s.  w.  —  Dasselbe  kommt  auch  dann 
vor,  wenn  von  einer  geographischen  Nachbarschaft  keine 
Rede  sein  kann,  dafür  aber  eine  literarische,  eine  culturelle 
Nachbarschaft  existiert.  Hieher  gehören  z.  B.  die  Entlehnun- 
gen aus  dem  Lateinischen  ins  Französische  und  in  die  anderen 


—     73     — 

romanischen  Sprachen,  dann  die  Entlehnungen  aus  dem  Kir- 
chenslavisc'hen  ins  Russiselie  und  in  die  anderen  slavischen 
Sprachen ,  u.  ä. 

Auf  diese  Weise  entsteht  eine  lebendige ,  von  den  spre- 
chenden gefühlte  phonetische  Entsprechung  oder  Correspondenz. 

Wenn  aber  eine  sich  stätig  wiederholende  Art  und  Wei- 
se der  Entlehnung  aus  einer  Sprache  in  die  andere  ein  lel)en- 
diges  Correspondenz-  oder  Entsprechungsgefühl  entwickeln 
kann ,  so  sind  auch  möghch : 

a)  die  Entlehnung  aus  einer  nah  verwandten  Sprache 
der  ihr  eigenen  paläophonetischen  Alteruationen , 

b)  die  Entstehung  einer  lebendigen  Beziehung  etymolo- 
gischer Verwandtschaft  zwischen  gewissen  Morphemen  in  ihrer 
heimischen  Form  und  zwischen  denselben  Morphemen  in  ihrer 
entlehnten  Form;  eine  solche  Beziehung  könnte  man  Cor- 
respondenz-Alternation  (Entsprechungs  -  Nebenein- 
ander) nennen. 

Selbstverständlich  pflegen  derartige  Entlehnungen  und 
gegenseitiger  Austausch  nur  zwischen  den  nah  verwandten 
Sprachen  stattzufinden ,  wie  zwischen  dem  Polnischen  und 
Czechischen,  dem  Polnischen  und  Kleinrussischen,  dem  Ser- 
bischen und  Bulgarischen  ,  dem  Russischen  und  Kirchenslavi- 
schen,  dem  Französischen  und  LateinischeUj  dem  Lateinischen 
und  anderen  altitalischcn  Dialekten,  u.  s.  w.  Denn  ohne  diese 
Bedingung  einer  nahen  Verwandtschaft  kann  es  in  zwei  Spra- 
chen keine  genügende  Anzahl  von  den  eine  stätige  etymologi- 
sche oder  phonetisch-psychische  Entsprechung  zeigenden  Mor- 
phemen geben,  eine  Anzahl,  welche  genügt,  um,  im  Falle  der 
Entlehnungen  aus  einer  Sprache  in  eine  andere,  in  der  entleh- 
nenden Sprachgenossenschaft  das  Gefühl  einer  durchgehenden 
Entsprechung  zu  entwickeln,  und  ein  solches  Gefühl  ist  für 
die  Erkennung  irgendwelcher  Alternation  unbedingt  nötig. 

Als  Beispiel  einer  inbetreff  ihrer  Herkunft  ganz  fremd- 
sprachigen Alternation,  d.  h.  einer  solchen  Alternation,  deren 
beide  Glieder  aus  einer  fremden  Sprache  entlehnt  wurden, 
kann  die  polnische,  aus  dem  Czechischen  entlehnte,  Alternation 


—     74     — 

Ä  II  z  [in  b  1  a  h  -  y  ]  b  i  a  z  -  e  u  .  .  .J  dieuen.  Als  Beispiele  der 
in  dieser  Hinsicht  gemischten  Alternationen  aber,  d.  h.  solcher, 
deren  ein  Glied  auf  drni  heimischen  Boden  emporwuchs,  das 
andere  aber  entlehnt  wurde,  können  angeführt  werden:  poln. 
^  II  h  [g  a  n  -  i  c  I  h  a  11  -  h  a ,  g  a  r  d  z  -  i  c  |  h  a  r  d  -  y,  b  I  o  g  -  i  ' 
blah-y  .  .  .],  poln.  lo  \  ta  [b  I  o  g  -  i  |  biah-y  blaz- 
-  e  n  .  .  .] ,  lat.  J  1!  /"  [r  u  b  -  e  r  |  r  u  f  -  u  s  .  .  .] ,  franz.  S  \\  k 
[chose]  cause,  champ|camp  .  .  .]  und  andere  der- 
artige üoubletten ,  welche  teils  vom  Volke  selbst  in  ihrem 
etymologischen  Zusammenhange  gefühlt  ,  teils  aber  nur  durch 
eine  auf  denselben  bewerkstelligte  C oueentrierung  der,  vom 
wissenschaftlichen  Denken  gelenkten,  theoretischen  Aufmerk- 
samkeit entdeckt  werden. 

Verschiedenartige,  infolge  einer  Entlehnung  entstandene 
Alteniationen  kann  man  ausgezeichnet  au  der  nissischen  Schrift- 
sprache studieren,  denn  diese  Sprache  unterlag  in  einer  ziem- 
lich langen  Zeit  einem  starken  Einflüsse  des  Kirehenslavischen 
und  folglich  verdankt  sie  dem  Kirehenslavischen  auch  eine 
bedeutende  Anzahl  von  Alternationen. 

In  Übereinstimmung  mit  dem  oben  Gesagten  sind  vor 
allem  zwei  Hauptkategorien  derartiger  im  Russischen  vorkom- 
mender Alternationen  zu  unterscheiden: 

1)  Alternationen   vollständig    kirchenslavischer  Herkunft, 

2)  gemischte,  halb  kirchenslavische,  halb  russische  Alter- 
nationen. 

Die  Alternationen  der  zweiten  Kategorie  sind  viel  zahlrei- 
cher, als  die  der  ersten.  Ausserdem  kann,  mit  Rücksicht  auf 
die  phonetische  Identität  eines  Gliedes  einer  in  ihrer  Herkunft 
vollständig  kirehenslavischen  Alternation  mit  dem  entsprechen- 
den Gliede  einer  heimischen,  rein  russischen  Alternation,  oft- 
mals Zweifel  entstehen,  ob  eine  gewisse  Alternation  ihrer  Her- 
kunft nach  als  eine  rein  kirchenslavische,  oder  als  eine  ge- 
mischte zu  betrachten  sei. 

Beispiele  von  vollständig  aus  dem  Kirehenslavischen  ent- 
lehnten russischen  Alternationen : 


—     75     — 

d)  ti  II  sc^  dl  II  zd  in  o-CB'feTn'-TB  |  o-CB-fem-äxB;  po- 
^h'-tb  I  poac;i,-aTi, .... 

Die  entsprechenden  heimischen  Ahernationen  sind  ti  ü  c, 
di  II   z   in    CB'feTH'-Tb  j  CßiiH-y,     po;i,n'-TB  |  poac-aTL  .... 

In  beiden  Alternationsarten  sind  die  ersten  Glieder  voll- 
kommen gleich,  die  zweiten  aber  veröchieden.  Rein  russische 
sc,  zd  sind  auf  eine  andere  Weise  entstanden  und  bilden  Glie- 
der von  anderartigen  Alternationen:  sk  ||  sc  [hck  äxb  |  n'n];-eT, 
niiCK-  I  HHn^-n'T . . .] ,  sti  ||  sc  [nycTn'-Tt  |  nym;  y,  cbhcth't  | 
CBHn^-y.. .];  zlduzd^  zd  'i  zid  [ac^-aTB  |  o-acH;i;-aTB  .  .  ., 
Bpaac;i;-a  ^  Bpa'iKB/i,-a . . .]. 

Zur  Kategorie  der  aus  dem  Kirchennlavischeu  entlehnten 

Alternationen  gehören  auch  .  .sc  in  nnT-aTB  |  nH'-n];a,  K.ie- 
BCT-äTB  I  KJieB^m-eT , . . ,  tvi  II  scvV  in  y-MepTBa'-TB  |  y-Mepn],B.z[- 
-H  TB  . . . ,  sfri  II  !<cr  in  H3-ocTpn  -TB  I  H3-on];p-H  TB ... ,  ^       za 

in  HacAHB-enie,       '  ,  BGaeiejr-'b'HHBm...^) 


1)  Dabei  ist  der  Mangel  eines  Parallelismus  zwischen  sc  und  zd 
auffallend.  —Warum  nicht  entweder  st,  wie  M.  oder  zdz,  wie  .yc?— Es  ist 
nicht  schwer  darauf  zu  antworten.  In  den  kirchenslavlschen  Denkmälern 
gab  es  ein  Abkürzungszeichen  m  anst  iut.  Rieses,  als  ein  einfacher  Buch- 
stabe aussehendes,  Zeichen  wurde  als  .sc  in  solchen  Worten  ausgesprochen, 
in  denen  dieses  .?c  auf  dem  heimischen  Boden  der  russischen  Sprache  ohne 
den  kirchenshivischeu  Einöuss  entstanden  ist,  d.  h.  in  den  Worten,  wie 
nym-y,  n'm-eT.  nnm-n  t  ...  Es  war  nichts  natürlicheres,  als  dass  man  die- 
selbe Aussprache  auch  auf  die  aus  den  kirchenslavischen  Denkmälern  direkt 
entlehnten  Worte  mit  dem  Buchstaben  ||j^  also  auf  die  Worte  in  der  Art 
von  ocBtn;äTb,  npocBtu;eHie,  coBpaiuaii.,  npeKpau;aTb,  nii'ma,  yniep- 
me.Tia'Tb...  und  nicht  cocBtiUTäxb»,  «npoci;tmTeHiei>....  erstreckt  hatte, 
trotzdem  dass  diese  zweite  Aussprache,  mit  St,  dem  Kirchenslavischen  selbst 
eigen  war.  Etwas  anders  verhält  es  sich  mit  zif.  In  den  kirchenslavischen 
Denkmälern  fand  man  kein  Abkürzungszeichen  anst.  jk^,,  '°  ^^^  ^^^  ^°° 
m  anst.  lux  und  es  ist  darum  keinem  Küssen  eingefallen,  die  Wörter 
poacflaTb,  povKAecTBÖ,  orpaJK^äTb,  yötsK^aTb,  uac^iiBeHie,  BOSK^ent'H- 
HblH ....     anders    als    mit   zd  auszusprechen. 


—     76     — 

b)  sk  II  st  in  ü.iiiCK  {6jmcKi>)  \  ÖJiHCT-a'Tt  ÖJiecT-'b'TL .... 

c)  er  II  ra  in  Meps-KÜi  |  Mpa3,  cMep/i,-'fe'Ti>  |  CMpa^i,,  Bepx- 
-■fe'TL  I  BpaT-a  BpaT-n'TB  Bpain;-äTb  . . . 

l'e  II  ia  in  B.ieK-y  B^eqt  -B»ieK-aTi>  j  B.ia^-H'xt  ö6-^aK-o.... 

Als  Beispiele  gemischter  Alternationen  des  Russischen, 
d.  h.  solcher  Alternationen,  in  denen  ein  Glied  sich  auf  dem 
heimischen  Boden  entwickelt  hatte,  das  andere  aber  aus  dem 
Kirchenslavischen  entlehnt  wurde,  können  wir  folgende  Alter- 
nationen anführen: 

^)  9  li  y  ('0  ^^  g  0  8  p  o  d'  i  n  (rocno^HHt)  |  y  o  s  p  ö  d' 
(rocn6/i,B  :  Pocno;],!,  Bori.),  g  o  s  u  d  a  f  (rocy;i;api> :  mh'jioctm- 
BBifi  rocy^apt)  |  y  o  s  u  d  ä  f  (rocy/i,äpfc),  b  o  g  a  t  y  j  (6orä- 
TLifi)  I  b  ö  Y  a  (Bora) .... 

Daraus  darf  nicht  geschlossen  werden,  dass  im  Kirchen- 
slavischen selbst  auch  y  [ä,  d.  h.  stimmhaftes  x  (ch)  oder  spi- 
rantisches g]  ausgesprochen  wurde.  Im  Gegenteil,  da  den 
Slaven  der  Balkanhalbinsel  das  g  eigen  ist  und  die  kirchen- 
slavische  Schriftsprache  auf  der  Balkanhalbinsel  ihren  Anfang 
nahm,  so  müssen  wir  annehmen,  dass  auch  dieser  Sprache  die 
Aussprache  g  eigen  war.  Aber  die  kirchenslavische  Sprache 
drang  durch  Kijew  und  überhaupt  durch  Kleinrussland  nach 
Grossrussland  hinein,  und  die  kleinrussischen  Geistlichen  und 
Gelehrten  haben  dem  Kirchenslavischen  eben  in  diesem  Punkte 
ihre  eigene  Aussprache  aufgedrängt,  d.  h.  sie  üengen  an,  den 
Buchstaben  r  als  y  (h)  auszusprechen.  Nun  begann  die  von 
der  geistlichen  Akademie  zu  Kijew  und  von  dem  damaligen 
Centrum  der  Orthodoxie  sanctionierte  Aussprache  als  eine  mu- 
sterhafte und  für  ganz  Russland,  sowohl  für  Kleinrussland, 
wie  auch  für  Grossrussland,  obligatorische  zu  gelten.  Darum 
pflegen  die  russischen  orthodoxen  Geistlichen  beim  Lesen  y 
beständig  auszusprechen;  darum  auch  haftet  diese  Aussprache 
an  den  aus  dem  Kirchenslavischen  ins  Russische  entlehnten 
und  als  solche  gefühlten  Worten. 

Selbstverständlich  kann  von  dieser  Alternation,  g  \\  y,  nur 
in  der  Aussprache  derjenigen  Grossrussen  die  Rede  sein,  in 
deren  Muttersprache  das  g  vorkommt.    Wo  aber,  wie  z.  B.  in 


—     77     — 

Weissrussland  und  in  vielen  anderen  Teilen  des  gi'ossrussisclien 
Sprachgebietes,  das  y  {h)  einzig  und  allein  ausgesprochen  wird, 
dort  ist  von  dieser  Alternation  keine   Spur  zu  entdecken. 

b)  6  \\  d  in  solchen  Fällen,  wo  sich  auf  dem  heimischen 
Boden  des  Grossrussischen  ein  6  entwickeln  musste,  und  wo, 
nur  dank  dem  Einflüsse  der  Schrift  und  dem  Wunsehe,  die 
einzelnen  Buchstaben  in  Übereinstimmung  mit  ihrem  alpha- 
betischen Namen  auszusprechen,  in  den  dem  Kirchenslavischen 
entlehnten  Worten  e  ausgesprochen  wird,  was  zur  Entstehung 
der  Alternation  6  \\  e  Anlass  gab  [6  rein  russischer,  d  aber  kir- 
chenslavisclier  Herkunft].  Z.  B, : 

in  den  wurzelhaften  Morphemen:  neö-o  |  neo-o,  o  ,zi,eac-a  | 
o-Ä63K;i,-a,  McpT-BLifi  I  c-MepT-HLiö,  Meps-HjTB  ]  Mep3-KiH,  na- 
nepcT-OKt  I  nepcTt . .  . ; 

in  den  Suffixen:  -6z-  \\  -dz-  [rpaö-eac  na^-esK....  |  MHT-esK 
na^-eac ....],  -6v-a  \\  ev-a  [Eigenn.  Kopoji-eBa  |  Kopoji-eBa  . . .], 
-onn-  II  -enn-  [no^T-eHH-tm  coBepm-oHH-LiH  ocBiinii-oHH-BiH 
B.iK)6.i-eHH-BiH ....  I  no^T-eHH-LiH  coBepm-eHH-Liii  npeocBHm;- 
-eHH-6in  HesaÖB-eHH-Liii ....],  -6  \\  -4  -e  [t'jo  \\  -t'1jd^  -fijö  -eAjo 
-'Aje  -eAje-.  SKHTte-ö&iTte  |  3KH-Tie  ÖLi-Ti^,  Bpa-HLe  acpa-nte 
j[ra-HBe  j  naca-Hie  nocia-nie  saKiZra-Hie,  BBe/i,-eHi.e  (dialekt.)  | 
I  BBe;i,-eHie  HB^i-enie  Boanec-enie  B03;i,BH'ac-eHie  .  .  .]. 

In  diesem  letzten  Falle,  -6  ||  -e  -e  [-t'Jö  \\  t'/je\  -fijd  -e/ijö  \ 
■'Aje  -d/ije],  erschien  das  -ö  auf  dem  russischen  Boden  nicht  infolge 
eines  phonetischen  Processes,  sondern  nur  durch  eine  morpho- 
logische Assimilation  („Analogie")  an  die  anderen  Substantiva 
desselben  Typus.  In  allen  anderen  Fällen  aber  entwickelte 
sich  das  russische  -o-  aus  einem  kurzen,  dem  gemeinsamslavi- 
schen  e  od.  1  entsprechenden  e  vor  den  „harten"  oder  nieht- 
-palatalen  Consonanten. 

c)  c  II  sc,     z  II  zd: 

in  den  Wurzeln:  CB'feq-ä  |  o-CB-fen^-aTb,  BopoH-aTt  |  Bpam;- 
-aTb  ,  poac-aTt  |  posK^-aTt ,  xoMC-y  |  xo5K/i,-eHie  ,  qyac-ön 
I  Hyac;i,-i>iö  .  . . 

in  den  Suffiven:  -uc-  -ac-  \  -usc-  -asc-:  ^peM-yq-iii  hjiob- 
-yn-iö    nax-yu-ifi    KHn-yq-in  |  fl^pemji-iom^-m    n^&iB-ymi-iH    khh- 


—    7ft    — 

-n'm-iü...,  rop  in'ti-ii[  Ko.T-To''i-iir  boii-io'h  ii'i  |  KiKi-wm-iü  bcuh'- 
-rom-in . . . ,  rop  H'q-ift  sHC-HH-iü  CTO-H'q-iir  ]  rop-H'm-iä  BHC-a'in;- 
-in  CTO-^'m-iii  . .  . 

d)  -oro-  II  -ra-,  -olo-  ||  7a-,  -ere-  |i  -re-,  -olo  {-ele-)  ||  -/e-, 
rö-  I'  ra- :  BopoT-  n  spaT-,  ropo^-  i|  rpa;i,-,  Hopoa-  n  Hpae-,  cto- 
poH-  II  CTpaH-  ,     nopox-  i;  npax-  . .  . .  ,    rojiOB-  n  r.ziaB-  ,    mojio^-  h 

MJia;i,-  ,      BO.ioK-  i;  B.iaK- ,      co^o^-  II  cjia^- ,      6epeM-  n  6peM-, 

6eper-  h  6per-,     Bepe^i;-  n  Bpe^-,     cepe;i,-  n  cpe^-,     nepe/i,-  n  npe;i,-, 

nepe-  h  npe- ,     Mepe;i,-  h  -^pe^- ,      bojiok-  h  BaeK-  ,      mojiok-  n 

M.ieK-  j     noJioH-  11  n.iiiH- . . . . ,     pao-  h  po6- .     poB-  n  pas- ,     po3-  n 
pas-,     pocT- 11  pacT .... 

e)  0  11  o  in  c-6op  j  co-66p,  b  ro.iOB'b'  (im  Kopfe)  b  tasl- 
B-fe'  (im  Capitel)  |  bo  r.iaBt'  (an  der  Spitze) 

Die  gemischten  Alternationen  konnten  sicli  kraft  des 
D^.kprocesses  gebildet  baben^  weicher  an  die  mathematische 
Schkissfolgerung  erinnert :  „zwei  einer  dritten  Grösse 
gleiclien  Grössen  sind  untereinander  gleich^' 
oder  „zwei  einer  dritten  Grösse  ähnlichen 
Grössen   sind  einander  ähnlic  h". 

Stellen  wir  z.  B.  eine  auf  dem  heimischen  Boden  ent- 
standene grossrussische  Alternation  ti  \\  c  [väröti-  (sopoTH-)  h  vy- 
räc-ii  (BOpoH-y) . . . .]  und  die  Alternation  kirchenslavischer  Her- 
kunft; fi  II  sc  [syvrät'i-  (coBpaTH-j  |  syvräsc-ü  (conpanty)  .-..], 
zusammen.  In  diesen  beiden  Alternationen  haben  wir  ein  ge- 
meinsames GHed,  ti,  mit  welchem  in  der  heimischen  Alterna- 
tion c,  in  der  fremdsprachigen  aber  sc  alterniert.  Wenn  wir 
die  oben  angeführte  mathematische  Schlussfolgerung  nachah- 
min,  können  wir  sagen :  Zwei  psychophonetische 
Grössen  (d.  h.  zwei  Phoneme  oder  zwei  Pho- 
nemengruppen), welche  mit  einer  dritten  al- 
ternieren, alternieren  auch  untereinander. 
Im  gegebenen  Falle  erhalten  wir  die  zweisprachige  Alternation 
c  II  sc,  und  wirklich  findet  diese  Alternation  im  Grossrussischen 
eine  ausgedehnte  Anwendung. 

Aus  dem  Obigen  ist  ersichtlich,  dass,  vom  Standpunkte 
der  Geschichte    interethnischer    Beziehungen,     die   paläophone- 


i 


—     79     — 

tischen,  sei  os  einfach  traditionelle,  sei  es  korrelativische.  d. 
h.  psvchisch  bewegliche.  Alternationen  von  zweierlei  Art  sein 
können : 

1)  Einige  von  ihnen  lassen  sich  durch  die  Entwiokelung 
der  betreffenden  Sprache  selbst,  unabhängig  von  fremden  Ein- 
flüssen erklären  Solche  Alternationen  entwickelten  sich  auf 
dem  heimischen  Boden,  dank  der  sprachlichen  Thätigkeit  der 
betreffenden  Sprachgenos^^enschaft. 

2)  Andere  wieder  entstanden  infolge  des  Einflusses  einer 
fremden  Sprachgenossenschaft,  d.  h.  infolge  der  Entlehnung 
aus  einer  anderen  nah  verwandten  Sprache  einer  ganzen  Ka- 
tegorie von  Wörtern,  welche  die  zur  gewissen  Alternation  ge- 
hörenden Phoneme  enthalten. 

Hier  sind  zwei  Wege  möglich:  aj  entweder  mündlicher 
Verkehr,  bj  oder  der  Einfluss  eines  fremden  Schrifttums. 

Die  unter  dem  fremden  Einflüsse  entstandenen  Alterna- 
tionen können  von  zweierlei  Art  sein :  1)  entweder  wurde  die 
ganze  Alternation,  d.  h.  ihre  beiden  Seiten  (Glieder)  entlehnt, 
2)  oder  nur  eine  Seite  wurde  entlehnt,  die  andere  aber  ist 
heimisch. 

In  der  in  betreff  der  Alternationen  einheitlichen  Sprach- 
genossenschaft entstanden  alle  ihr  eigenen  Alternationen  in- 
folge eines  ursprünglichen  anthropophonischen  Impulses  im 
Schosse  derselben  Sprache.  Anders  verhält  es  sich  in  der  in 
dieser  Hinsicht  gemischten  Sprachgenossenschaft.  Hier  kann 
es,  was  den  ursprünglichen  anthropophonischen  Impuls  betrifft, 
1)  einsprachige,  2)  zweisprachige  Alternationen  geben.  Ein- 
sprachige Allernationen  konnten  mit  ihren  beiden  Seiten  (Glie- 
dern) a)  entweder  in  der  eigenen  Sprache,  b)  oder  in  der 
fremden  Sprache,  aus  welcher  sie  entlehnt  wurden,  enstanden 
sein.  Anders  gesagt,  es  kann  folgende  Alternationen  geben  : 

1)  einsprachige  heimische  oder  eigensprachige, 

2)  einsprachige  fremde  oder  fremdsprachige. 
8)  zweisprachige  oder  eigenfremdsprachige. 

Nur  bei  den  ersten  kann  gefragt  werden ,  ob  ihre  ur- 
sprüngliche   anthropophonische    Ursache    noeh    im    gegebenen 


—     80     - 

Zustande  der  Sprache  wirke,  oder  ob  sie  blos  in  der  Veigan- 
genbeit  gewirkt  habe.  Wo  wir  aber  mit  der  Fremdspracbig- 
keit  zu  tbun  haben,  ist  eine  ähnliche  Frage  vollkommen  ausge- 
schlossen. 

Sowohl  paläophonetische  eigensprachige,  als  auch  fremd- 
sprachige Alternationen  können 

1)  entweder  eine  rein  traditionelle  Causalität  haben, 

2)  oder  auch  zugleich  zu  psychischen,  sei  es  morpholo- 
gischen, sei  es  semasiologischen ,  Zwecken  utilisiert  sein. 

Charakteristische  Merkniale  fremdsprachiger  Alternationen. 

1.,  2.,  3.  Die  drei  ersten  charakteristischen  Merkmale 
sind  dieselben ,  wie  bei  den  traditionellen  Alternationen  und 
bei  den  Correlationen.  Dazu  gehören  noch  das  4.  und  5. 
Merkmal : 

4.  Die  ursprünglichen  a  n  t  h  r  o  p  o  p  h  o  n  i- 
schen  Ursachen  des  Übergangs  eines  einst- 
mal einheitlichen  Phonems  in  den  Zustand 
der  keimenden  (embryonalen)  und  dann  auch  der 
sichtbaren  neophonetischen  Alternation  oder 
Divergenz,  wie  auch  die  anthropophonischen 
Ursachen  der  weiteren  Umgestaltung  der  Di- 
vergenz in  eine  traditionelle  Alternation  sind 
nicht  bei  der  betreffenden  Sprachgenossen- 
schaft, sondern  entweder  gänzlich  bei  einer 
von  den  verwandten  Sprachgenossenschaften 
(nämlich  bei  derjenigen  Sprachgenossenschaft,  von  welcher  die 
betreffende  Alternation  entlehnt  wurde) ,  oder  zur  Hälf- 
te bei  der  betreffenden  entlehnenden,  zur 
Hälfte  aber  bei  derjenigen  Sprachgenossen- 
schaft zu  suchen,  von  welcher  eins  von  den 
Alternationsgliedern  entlehnt  wurde.  So  ent- 
standen z.  B.  die  russischen  Alternationen  di  ||  zd ,  ti  \\  sc 
nicht  auf  dem  russischen  Sprachgebiete  selbst,  sondern  auf 
der    Balkanhalbinsel,    bei  den   dortigen    Slaven;    die  russ.    AI- 


I 


—     81     — 

ternationen  z  \  zd,  c  \\  sc  aber  wurzeln  mit  einem  ihrer  Glieder 
in  der  Vergangenheit  der  russischen  Sprache  selbst  und  mit 
dem  anderen  Gliede  in  der  Vergangenheit  der  Slaven  der 
Balkanhalbinsel ,  —  denn  eben  auf  diesem  Sprachgebiete  hat 
sich  die  kirchenslavische  Sprache  ursprünglich  gebildet. 

5.  Die,  sei  es  gänzlich,  sei  es  nur  zur 
Hälfte,  entlehnten  Alternationen  können  in 
ihren  anthropophonischen  Ursachen  nicht 
erklärt  werden.  Was  aber  ihre  neophoneti- 
sche Seite  betrifft,  so  unterliegen  die  eine  ent- 
lehnte Altei-nation  bildenden  Phoneme  den 
heimischen  Forderungen  der  betreffenden 
Epoche.  Die  „Lautgesetze"  der  betreifenden  Epoche  sind  ebenso 
für  die  urheimischen,  wie  auch  für  die  naturalisierten  oder  ent- 
lehnten Phoneme  und  Alternationen  gleichmässig  obligatorisch. 

Das  4.  charakteristische  Merkmal  traditioneller  Alterna- 
tionen ist  nur  denjenigen  entlehnten  Alternationen  eigen,  wel- 
che im  Bereiche  rein  traditioneller  Alternationen  geblieben  sind, 
ohne  für  die  psychischen  Zwecke  utilisiert  zu  werden.  Hat 
aber  eine  solche  Utilisierung  stattgefunden ,  dann  sind  auch 
den  entlehnten  Alternationen  die  für  die  Correlationen  oder 
psychophonetischen  Alternationen  charakteristischen  Merkmale 
4.,  5.,  6.,  7.,  8.,  9.  und  10.  eigen. 


VII.  CAPITEL. 
Keimende  (embryonale)  Alternationen. 

Wie  in  der  Natur  im  allgemeinen,  so  sollen  wir  auch  in 
der  Sprache  makroskopische,  d.  h.  sofort  ohne  grosse  Sclnvie- 
rigkeiten  bemerkbare,  Erscheinungen  von  den  mikroskopi- 
schen, d.  h.  nur  bei  besonderer  Anstrengung  der  Aufmerk- 
samkeit bemerkbaren ,  unterscheiden. 

Dieser  Unterschied  der  „Makroskopität"  und  „Mikro- 
skopität"  bezieht  sich  gleichmässig  auf  die  untersuchten  Grö- 
ssen selbst,  wie    auch   auf  die   zwischen  ihnen  vorkommenden 

6 


—     82     — 

Unterschiede.  Im  ersten  Falle  können  die  Grössen  selbst,  z. 
B.  gewisse  Körper,  gewisse  Eindrücke,  gewisse  Vorstellungen, 
entweder  gleich  sichtbar,  makroskopisch  sein,  oder  erst  nach  dem 
Gebrauche  gewisser  vergrössernder  Mittel  der  Wahrnehmung 
zugänglich  werden.  Im  zweiten  Falle  aber  kann  der  Unter- 
schied zwischen  beiden  zu  vergleichenden  Grössen  entweder  auf 
den  ersten  Blick  klar  und  sichtbar,  oder  auch  scheinbar  ver- 
schwindend, unendlich  klein  sein  und  erst  nach  dem  Gebrauche 
vergrössernder  Instrumente,  oder  wenigstens  nach  der  gehö- 
rigen Verdichtung  und  Anstrengung  der  Aufmerksamkeit,  in 
die  Augen  springen. 

Aus  diesem  Grunde  müssen  wir  neben  den  klaren 
und  leicht  bestimmbaren  A 1  t  e  r  n  a  t  i  o  n  e  n  auch 
Alter  nationen  mit  minimalen  Unterschieden, 
keimende    A  1 1  e  r  n  a  t  i  o  n  e  n    annehmen. 

Selbstverständlich  soll  es  sich  dabei  nicht  um  die  Be- 
friedigung einer  einfachen  Neugier  oder  um  eine  zwecklose 
Übung  des  Unterscheidungsvermögens  handeln ,  sondern  um 
die  Feststellung  der  Uranfäuge  der  Wirkung  anthropopho- 
nischer  Causalität.  In  eben  diesen  Stadien  sehen  wir  den 
ursprünglichen  Einfluss  verschiedener,  das  Keimen  der  Unter- 
schiede verursachender  phonetischer  Bedingungen,  und  jene 
Unterschiede,  indem  sie  sich  stufenweise  vergrössern,  führen 
endlich  zur  Spaltung  in  zwei  oder  mehrere  deutlich  unter 
einander  sich  unterscheidenden  Grössen,  zur  Spaltung  dessen, 
was  einstmal  einheitlich  war. 

Gestützt  auf  die  Erforschung  anderer,  schon  fertige  Resul- 
tate des  Einflusses  verschiedener  anthropophonischer  Bedin- 
gungen enthaltender.  Sprachzustände,  soll  man  seine  Auf- 
merksamkeit auf  ähnliche  Bedingungen  in  dem  zu  untersu- 
chenden Zustande  der  betreffenden  Sprache  lenken,  wenn 
auch  auf  den  ersten  Bhck  keine  bemerkbaren  Unterschiede 
durch  diese  Bedingungen  hervorgerufen  werden. 

AVenn  ein  solches  Nachdenken  und  Constatieren  (Fest- 
stellen) keimender  Alternationen  sonst  keinen  anderen  Nu- 
tzen brächte,    so  sollte  es    doch  schon  aus  dem  Grunde  nicht 


—     83     — 

gering  geschätzt  werden,  dass  es  auf  die  Möglichkeit  der 
Wandlungen  (Änderungen)  liin weist  und  eine  Aufforderung 
zu  den  mikroskopisch-linguistischen,  rein  objeetiven  Forschun- 
gen in  sich  enthält,  avo  wir  nicht  mehr  subjectiven,  durch 
die  Erscheinungen  auf  unsere  unhewaftneten  Sinne  gemachten 
Eindrücken  ti'auen  ,  sondern  zu  den  pliysischen,  akustisch  und 
optisch  objeetiven,   Apparaten  Zuflucht  nehmen. 

Hier  kann  man  allerdings  ganz  unabhängig  von  der  ety- 
mologischen Verwandtschaft  der  die  betreffenden  i^honeme  ent- 
haltenden Morpheme  die  Factoren  anthropophonischer  Verän- 
derungen untersuchen  und  die  Keime  der  P  h o  n  e  m  -  D  i  v er- 
ffenzen  bestimmen.  Es  soll  sich  dabei  nur  darum  handeln, 
dass  divergierende  Phoneme  in  phonetischen  Worten  oder 
schlechthin  in  irgendwelchen  phonetischen  Verbindungen  der 
betreffenden  Sprache  ausgesprochen  werden ,  ohne  Rücksicht 
auf  die  Bedeutung  dieser  Verbindungen.  So  ist  z.  B.  die  kei- 
mende Divergenz  des  Phonems  k  in  den  Verbindungen  ka  i 
ke  1  ki  I  ko  ku  \  kq  \  ke  I  kr  (kraj)  |  kl  (klasc)  |  kl  (kl^cj 
^.s  (k  r  z  y  w  y)  I  ä;ä  (k  s  o  b  i  e)  |  k/h  (k  m  i  n)  |  M  (k  n  i  a  z)  | 
kt  (k  t  o)  I  kp  (kpi  6.)  .  .  .  ganz  unabhängig  von  der  Bedeu- 
tung der  diese  Verbindungen  enthaltenden  Morpheme  und 
Worte.  Ebenso  befindet  sich  die  keimende  Divergenz  des 
Phonems  a  in  den  Verbindungen  ka  \  in  |  pa  [ —  diese  Divergenz 
beruht  darauf,  dass  von  dem  Organe  des  vorangehenden  con- 
sonantisehen  Phonems  der  Unterschied  des  Anfangs  der  Her- 
vorbringung dieses  Vokals  a  abhängig  ist  — ]  in  keinem  Zusam- 
menhange mit  der  Bedeutung. 

Hieher  gehört  auch  der  keimende  Unterschied  der  schein- 
bar identischen  Phoneme,  je  nach  dem  sie  im  Anlaute,  im 
Auslaute  oder  im  Inlaute  vorkommen  [j;- i| -a;  |1 -a^-] ;  je  nach 
dem  sie  von  einer  stärkeren  Exspiration  (Accent)  begleitet, 
oder  nicht  begleitet  werden:  je  nach  dem  sie  in  einer  auto- 
phthongischen ,  oder  symphthongischen  Stellung  [u  j  [a]u, 
i  I  [a\i  .  .  .   ,    d.  h.  M  II  M,    i\\  i  .  .   )  vorkommen,   u.  ä. 

Wenn  es  sich  aber  um  eine  Betrachtung  derartiger  Di- 
vergenzen   vom    Standpunkte    der    Alternation    handelt,    dann 

6* 


84 


dürfen  wir  nur  verwandte  Morpheme  zusammenstellen.  In 
dn-o|den-ko  ist  das  Phonem  d  scheinbar  identisch.  In- 
dessen wird  es  in  jedem  dieser  Worte  verschiedenartig  aus- 
gesprochen. Der  articulationelle  Hauptmoment,  der  Moment 
der  Pause,  der  Moment  des  Verschlusses  der  dieses  Phonem 
in  der  Mundhöhle  localisicrenden  Organe  ist  zwar  in  einem 
und  im  andern  Worte  gleichartig;  aber  der  Übergang  zum 
folgenden  Phoneme  ist  verschieden,  und  folglich  ist  die  Aus- 
sprache des  scheinbar  identischen  Phonems  d  in  d  n  o  und 
d  e  n  k  o  in  jedem  dieser  Fälle  nicht  nur  mit  verschiedenem 
akustischen  Effekte,  sondern  auch  mit  verschiedenen  Gruppen 
physiologischer  Arbeiten  verbunden. 

In  den  poln.  Worten  r  6  d  |  r  o  d  -  ü ,  m  r  ö  z  |  m  r  o  z  u, 
m%z  I  m  eia  haben  wir,  neben  den  klaren,  deutlichen,  bestimm- 
baren traditionellen  oder  paläophonetischen  Alternationen  u[6)  \\  o, 
a  II  e ,  und  neben  den  klaren ,  deutlichen ,  bestimmbaren 
neophonetischen  Alternationen  oder  Divergenzen  -t  (-d)  \\  -d-, 
-s  {-z)  II  -2!-,  -s  {-£)  II  -z-,  noch  folgende  keimende  neophone- 
tische Alternationen:  a)  r[ö  dj  ||  r[odu],  m]  ?-[6z]  ||  m]r[ozu], 
h)  wi[^z]  II  ??i[eza] ,  c)  [rö]^  ||  [ro]6?[u] ,  [mr6]s  ||  [mro]2;[u],  [m^]s  j; 
[m§]i[a]  .... 

{Diese  letzte  Gruppe  keimender  Alteruationen,  -t  \\  -d-^ 
-s  II  -z- ,  -s  II  -z- ,  bedarf  einer  näheren  Erklärung.  Ihre  For- 
mulierung betrifft  weder  den  Unterschied  in  der  Thätigkeit 
der  Stimmbänder  des  Kehlkopfs,  noch  den  Unterschied  zwi- 
schen Schwächung  der  Individualität  in  -^,  -s,  -s  und  Erhal- 
tung dieser  Individualität  in  -d- ,  -z-^  -i-,  —  beides  gehört  ja 
zur  Kategorie  sichtbarer  Divergenzen,  —  sondern  berücksich- 
tigt nur  den  möglichen  Einfluss  vorangehender  Vocale ,  einer- 
seits u  (o),  a,  andererseits  o,  e,  auf  die  Natur  der  betreffenden 
Consonanten}. 

Ebenso  in  den  poln.  kos  |  k  o  s  a  haben  wir  zwei  kei- 
mende Alternationen:  -o[sj  y  -o[sa] ,    [-o]s  ||  [-o]s[a]. 

Die  Zusammenstellung  der  poln.  t  e  n  |  t  e  m  j  t  e  |  t  e- 
mu  I  tego  I  temi  [  teraz  gibt  uns  Anlass  zur  Constatie- 
rung  von  keimenden  Altemationen :  e  |i  <?  [t  e  n    tem  |  te    t  e- 


—    85    - 

g  0  t  e  m  u  t  e  m  i  t  e  r  a  z] ,  e  II  e  [t  e  n  [  t  e  m] ,  e  ||  e  [t  e  | 
tegotemu  temi  teraz],  ejle  [tego  teraz|terau 
temi],  e||e[toraz|tego  temu  temi],  el|e[temi| 
temu    tego    teraz]. 

Poln,  t\\  t  .  .  .:  ten  \  tR  \  to  \  ty  ch  \  fsi,  \  tq, 

n  11  w  ,  .  . :  t  e  w  I  t  e  w  ojciec  |  t  e  w  sad  |  t  e  n  pies  |  t  e  w 
kraj  ...  5 

o||o:ton|toiiitoniatonie, 

A\]4:ton\toni..., 

n  1}  '/i  \\  A:    t  o  n  i  |  t  o  m*  e  |  toni'f]., 

m  \\  in:    ?«  o  r  z  e  |  m  o  r  s  k  i  |  m  ö  r  z  , 

o  \\  o:    morze|morski, 

r  \\  r:    m  o  ?*.s  k  i  |  m  o  r  s  k  a, 

§  (rz)  II  z  {rz  \\    m  o  rz  e  |  ra  o  rs  a. 

Behufs  Constatiernng  keimender  Altemationen ,  können 
wir  z.  B.  noeli  folgende  poln.  Worte  zusammenstellen: 

stöp|stopa  |stopy|stop^|  3topie|stopa- 
ra  i  .   .  .  , 

skat|  skalkaj  skaJa|skale|skal|skaH  | 
skalisty  .   .   .  , 

kraj  j  kraju  |  krajem  |  ten    kraj  .  .  .  , 

zmywa|zbywa|zdaje  .  .  .  , 

zmyc  1  zmyj  |  zmywa  I  zmyje  |  zmywac  |  zmy- 
waniejwyrayc  .  .   .  , 

znac  I  poznac  {  znamy  |  znacie  |  znam  |  znaj  | 
znaja|znany|  znak  |  znaku|znacz|znaczyc| 
znakiem|znami§|znamienia . . . , 

wieniec  |  wienea  |  wienczy  |  wiencz  |  u- 
w  i  e  n  c  z  I  w  i  a  n  e  k  I  w  i  e  li  c  z  c^  I  w  i  e  n  c  e  m   .   .  .  , 

swieca  |  swiat|swiatl:o|swiatetko|^wie- 
cic  I  swiatu  |  swiec  |  swieczka  .  .  . 

In  den  grossrussischen  g  6  d  a  (ro;i;a)  |  g  ä  d  a  (ro;i;a)  ha- 
ben wir  keimende  Alternationen  g  ||  g  und  d  \\  d^  weil  diese 
Consonanten  sich  bald  mit  einem  accentuierten  (ictierten), 
bald  mit  einem  unaecentuierten  (nicht  ictierten)  Vokale  der- 
selben Silbe  verbinden. 


—  m  — 

Kurz  und  gut,  es  bezieht  sich  diese  Auffassiiuji;  auf 
eiue  ungeheuere  Menge  plionetischer  Thatsacbcn ,  denn  man 
darf  sicher  sagen,  es  gebe  wolil  in  keiner  Sprache  keine  ein- 
zige Gruppe  etymologisch  verwandter  Worte ,  in  welcher  man 
nicht  eine  ganze  Reihe  derartiger  keimenden  Alternationen 
aufweisen  könnte,  d.  h.  es  gebe  wohl  kein  einziges  Phonem 
in  keiner  Sprache,  welches  sich  immer  in  denselben  anthropho- 
nischen  Bedingungen  befände. 

Diese  keimenden  Altei-nationen  halten  wir  für  Alterna- 
tionen mit  unbemerkbaren  Unterschieden  der  sie  bildenden 
Phoneme.  Diese  Unterschiede  betrachten  wir  also  gewöhnlich 
als  unendlich  klein,  so  dass  wir  sie  mit  0  bezeichnen  dürfen: 

d{x'—  x")  =  0 

[avo  d  den  Unterschied  und  x',  a-"  irgend  ein  beliebiges  Pho- 
nem in  verschiedenen  anthropophonischen  Bedingungen  be- 
zeichnen, welche  —  diese  Bedingungen  —  wieder  mit  der 
Zeit  eine  allmähliche  Spaltung  dieses  Phonems  in  zwei  oder 
mehr  voraussetzen  lassen]. 

Aber  schon  die  Thatsache  selbst ,  dass  ein  Pho- 
nem zum  Bestände  von  Wörtern  gehört,  wel- 
che bald  anthropophonische  Unterschiede, 
Unterschiede  der  phonetischen  Verbindung  oder  des  phoneti- 
schen Baues  (z.  B.  Unterschiede  im  Verhältnisse  zur  Wort- 
accentuation) ,  bald  wieder  psychische  (semasio- 
logische  oder  morphologische)  Unterschie- 
de aufweisen,  bildet  zwischen  den  schein- 
bar gleichen  Phonemen  einen  Unterschied, 
welcher  mit  der  Zeit  zu  einem  bemerkba- 
ren   Unterschiede    werden    kann. 

So  kann  z.  B.  der  anthropophonische  Unterschied  a  \\  a 
in  den  poln.  Worten  matka  |  macierz  [wo  ein  a  in  ge- 
schlossener Silbe  und  vor  einem  nichtpalalalen  Consonanten, 
das  andere  a  aber  in  offener  Silbe  und  vor  einem  palatalen 
Consonanten  vorkommt]  mit  der  Zeit  zu  einer  Umgestaltung 
(Degeneration)  dieses  a    nach  zwei   verschiedenen    Richtungen 


—     87     - 

führen,  z.  B.  zu    einer    Verwandlung    des  a  in    m  a  c  i  c  r  z  in 
einem  Vokal  aus  der  Kategorie  e. 

In  Voraussehung  einer  ähnlichen  Eventualität  ist  auch 
die  Möglichkeit  einer  Alternation  m  \\  vi  in  m  a  t  k  a  |  ni  a- 
c  i  e  r  z  anzunehmen ,  denn  m  vor  a  findet  sich  in  anderen 
anthropophonischen  Bedingungen,  als  m  vor  jenem,  als  histo- 
rische Fortsetzung  des  Vokals  a  in  m  a  c  i  e  r  z  vorausgesetz- 
ten e. 

Auf  ähnliche  Weise  kann  der  Unterschied  anthropophoni- 
scher  Bedingungen  für  den  Vokal  a  in  m  a  t  k  a  j  m  a  t  e  c  z- 
k  a  [das  eine  in  geschlossener,  das  andere  in  offener  Silbe]  mit 
der  Zeit  eine  Veranlassung  zur  Spaltung  dieses  a  in  zwei 
sichtbar  verschiedene  Phoneme  geben. 

Andererseits  darf  es  nicht  vergessen  werden  ,  dass  auch 
infolge  der  Wirkung  psychischer  Factoren  jedes  zum 
Bestände  des  Morphems  mat-  im  Worte  matka  gehören- 
de Phonem  anderen  Wandlungen  unterliegen  kann,  als  das 
mit  ihm  identische  Phonem  desselben  Morphems  im  W^orte 
m  a  t  e  c  z  k  a.  Das  Wort  mateczka  (Mütterchen)  ist  ein 
deminutives  Kosewort ,  das  Wort  matka  (Mutter)  aber  ist 
nicht-deminutiv,  nicht  liebkosend  (nicht  hypokoristisch).  Es  ist 
also  klar,  dass  ea  für  das  Morphem  mat-  und  deren  Phoneme 
m...a...t  andere  Bedingungen  in  einem  Worte  und  andere 
wieder  in  dem  anderen  Worte  giebt. 

Aber  die  möglichen,  infolge  dieser  psychischen  Unter- 
schiede entstehenden  Veränderungen  der  Phoneme  können,  vom 
Standpunkte  ihrer  Causalität,  nicht  für  anthropophonisch  ge- 
halten werden,  und  folglich  lassen  sich  unter  den  Begriff  ei- 
ner, sei  es  keimenden,  sei  es  bestimmten,  Alternation  nicht 
subsumieren. 

Nichtsdestoweniger  bleibt  es  Thatsache,  dass  jedes  Pho- 
nem (Laut)  verschiedenartigen  Einflüssen  unterliegt,  je  nachdem 
es  entweder  als  ein  einfacher  Laut^  oder  als  phonetischer  Be- 
standteil einer  morphologischen  Einheit  betrachtet  wird.  In  ähn- 
licher Weise  unterliegt  jeder  Mensch  anderen  Einflüssen  als  phy- 
sisches Individuum,  anderen  aber  als  Glied  einer  Familie,  einer 


—     88     — 

Gesellschaft,  eines  Staates  u.  s.  w.  Jeder  Körper  wieder  unter- 
liegt dem  Einflüsse  einerseits  physischer,  andererseits  aber  che- 
mischer Bedingungen,  u.  s.  w. 

In  den  keimenden  Alternationen  sind  zwei  Stufen  der 
von  jedesmaligen  Verbindungen  des  Pho- 
nems   abhängigen    Unterschiede  anzunehmen: 

1)  Wirklich  keimende  oder  vielmehr  erst  mög- 
liche Altemationen ,  mit  dem  Unterschiede  von  Phonemen 
gleich  Null  (0).  So  bietet  z.  B.  s  \\  s  in  poln.  kos  |  k  o  s  a  ei- 
nen Unterschied  0,  wenigstens  für  das  Gehör  und  für  die  mit 
optischen  und  akustischen  Apparaten  nicht  bewaffnete  Per- 
ception. 

2)  Altemationen ,  welche  sich  schon  bemerken  und 
bestimmen  lassen.  Den  Unterschied  der  Phoneme  können 
wir  hier  mit  a-0  bezeichnen,  d.  h.  ihn  als  einen  zwar  be- 
stimmbaren, aber  sehr  kleinen  Unterschied,  mit  dem  limes  0, 
betrachten. 

Trotzdem  betreten  wir  eigentlich  schon  hier  das  Gebiet 
der  bestimmten  Divergenten. 

Jedenfalls  können  zur  Kategorie  der  keimenden  Altema- 
tionen nur  Alternationen  mit  den  für  die  minimale ,  unbewuss- 
te  Perception  verschwindenden  und  nur  mit  Hilfe  einer  An- 
strengung der  bewussten  Aufmerksamkeit  entdeckbaren  Pho- 
nemunterschieden zugezählt  werden. 

In  der  historischen  Entwickelungskette  bilden  diese  Al- 
ternationen ein  Vermittelungsglied  zwischen  den  keimenden 
Altemationen  j)ar  excellence  und  zwischen  den  schon  durch  die 
minimale  Perception  bestimmbaren  neophonetischen  Altematio- 
nen oder  Divergenzen. 

Als  Beweis  der  Wirkung  der  minimalen  Perception  die- 
nen die  „analogischen"  Gebilde  in  der  Art  von  poln.  «z  wusa>, 
anst.  z  wozu  (vom  Wagen  herab),  entstanden  unter  dem 
Einflüsse  der  Formen  in  der  Art  von  w  u  s  (w  6  z)  (Wagen) 
nicht  nur  in  der  Sprache  der  Kinder,  sondern  auch  in  derje- 
nigen der  Erwachsenen. 


-     89     — 


VIII.  CAPITEL. 

Gegenseitiger   genetischer  Znsammenhang   verschiede- 
ner Alternationsclassen.    Stufen  weiser  Übergang  einer 
Classe  in  eine  andere. 

Kehmen  wir  z.  B.  ein  Paar  polnischer  etymologisch  na- 
her Worte :  plot-e  ]  pleci-e  (ausgesprochen  heutzutage 
plot-e  I  plec-e)  (ich  flechte  j  er  flicht).  Die  zum  Bestände 
dieser  Worte  gehörenden  Phonem^  gruppieren  sich  zu  folgen- 
den Altemationen: 

l[o]  II  ^[e]  .   .  .  keimende  Alternation , 
\t]e  II  [6]e  .  .  .  neophonetische  Alternation  oder  Divergenz, 
o  II  e  .   .  .  paläophonetische  oder  traditionelle  Alternation, 
t  \\  d  .  .  .  psychophonetische  Alternation  oder  Correlation. 
Der  gegenwärtige   Alterna tionszustand   dieser  Worte  hat 
sich    aus   den    anderen    vorhergehenden    Zuständen    entwickelt, 
in  denen  sich  die  zum  Bestände  dieser  Worte  gehörenden  Pho- 
neme zu  anderen  Alternationen  gruppierten.  Auf  Grund  histo- 
risch-vergleichender  Forschungen   haben    wir   das  Recht,  etwa 
folgende    Reihenfolge    der    Alternationszustände    anzunehmen, 
von  der  arioeuropäischen  Periode  an  bis  an  unsere  Tage: 

1)  *p  1  e  t-  o  -  I  *p  1  e  t-  e  -  . 

Diesem  Zustande  waren  nur  keimende  Altemationen, 
^[o]  l|  t[e]  ,  e[to]  II  e[ta]  ,  eigen,  wo  t  und  e  sich  embryonal 
ganz  in  derselben  Weise  spalteten,  wie  in  allen  anderen  an- 
thropophonischen  Verbindungen  eto  \  ete ,  ohne  jeglichen  ety- 
mologischen Zusammenhang. 

2)  *p  1  e  t,  -  0  -  I  *p  1  e  ti  -  e  - 

mit  der  neophonetischen  Alternation  oder  Divergenz  f„  |l  <, 
und  mit  der  keimenden  Alternation  e  [t„]  ||  e  [t;]. 

3)  *p  l  Co  t„  -  0  -  I  p  1  Ci  t;  -  e  - 

mit  zwei  Divergenzen,     t„  ii  ^,,     e^  ii  e,, 

oder  aber:  *ple<,t-  |  *ple,  t'- 
mit  der  traditionellen  Alternation  t  ii  t' 
und  mit  der  Divergenz  e„  li  e,. 


—     90     — 

In  dieser  Periode  crfolo-t  überhaii|)t  allmüldiehe  Häufung 
(Cinnulierung)  von  Wirkungen  anthropophonisclicr  Tendenzen. 
Es  ist  zugleich  die  Periode  individueller  Schwankungen  (Oscil- 
lationen),  wo  ein  Individuum  noch,  dem  alten  Brauche  gemäss, 
die  Alternation  plet-  il  p  1  e  t'-  erhalten,  das  andere  aber  den 
kräftigen  anthropophonischen  Tendenzen  Folge  leisten  und  in 
seiner  individuellen  Sprache  eine  neue  Alternation  p  1  o  t  -  |[ 
plet-  bieten  kann.  Ja  noch  mehr,  von  einem  und  demsel- 
ben Individuum  kiinnen  wir  ein  Mal  plet-,  das  andere  Mal 
aber  plot-  hören,  d.  h.  ein  Mal  die  Alternation  plet-  '| 
plet'-,  das  andere  Mal  aber  plot-  ii  plet'-  constatieren. 
Eine  wichtige  Rolle  spielt  dabei  die  Kindersprache  der  betref- 
fenden Sprachgenossenschaft. 

4)  Schon  befestigtes 

*p  1  o  t-  II  *pl  et'- 
(  ^  p  1  o  t  -  II  p  1  e  c  -) 

mit  den  paläophonetischen  oder  traditionellen  Alternationen 
t  \\  i'  {  --'  t  \\  d)  ^  0  \\  e ,  und  mit  der  keimend(^n  (embryonalen) 
Alternation  l[o]  ||  l\e\. 

5)  Der  Zustand  der  Collision  zwischen  dem  Gefühle  der 
Einheit  des  Morphems  und  zwischen  dem  Eindrucke  von  der 
äusseren  Gestallt  desselben.  Als  Folge  davon  beginnt  die  Ten- 
denz zur  Beseitigung  äusserer  Unterschiede,  zur  Uniformierung 
der  phonetischen  Gestalt  der  in  ihrer  psychischen  Einheitlich- 
keit gefühlten  Morpheme  zum  Vorschein  zu  kommen,  oder  es 
findet  die  Utilisierung  phonetischer  Unterschiede  zu  psychischen 
Zwecken  statt,  d.  h.  es  tritt  ein  solcher  Znstand  ein,  wo  die 
phonetische  Spaltung  sich  mit  der  psychischen  Spaltung  asso- 
ciiert. 

In  unserem  Falle  associiert  sich  die  phonetische  Alterna- 
tion t  II  ö  mit  der  Alternation  gewisser  Verbalformen,  p  lot-§ 
plot-a  I  pleci-e  pleci-esz  pleci-eray  pleci- 
-ecie;  zum  Teil  associiert  sich  mit  dieser  psychischen  Alter- 
nation von  Verbalformen  auch  die  andere  phonetische  Alter- 
nation, o  Ii  e,  obgleich  ihr  psychischer  Charakter  viel  schwächer 


I 


91 


ist,  so  dass  sehr  oft  die  Tendenz  zur  Fonnausg'k'icluing,  d.  h. 
der  Gebrauch  der  Formen  p  1  e  t  e  p  1  e  t  o  anst.  p  1  o  t  e 
(p  1  0  t  §),  p  I  o  t  o    (p  1  o  t  ^)  zu  bemerken  ist. 

Sehen  wir  uns  die  Geschichte  einze]n<-r  Alternationen  in 
den  Morphemen  p  1  o  t  -  |  pl  e  c  -  an. 
Nehmen  wir  die  Alternation 

t\\  d. 

Im  1-en  Stadium  war  sie  embryonal  (keimend),  t[o] 
t[e],  dann  im  2-en  Stadium  wurde  sie  Divergenz,  ^[o]  |i  t,[e]'^ 
im  3-en  Studium  vollzieht  sich  der  Übergang  aus  dem  Diver- 
genzzustande in  den  Zustand  paläophonetischer  Alternation, 
t  II  i;  ^^  t  \\  t'  [ti  bezeichnet  ein  t  mit  der  von  der  Nachbarschaft 
mit  folgendem  palatalen  Phoneme  abliängigen  Palatalität,  t'  aber 
dasselbe  Phonem  t,  doch  mit  einer  unabhängig,  individuell  in 
ihm  steckenden  Palatalität].  In  4en  Stadium  steigert  sich  die 
PalataUtät,  so  dass  endlich  eine  Spaltung  des  ursprünglichen 
Phonems  in  zwei,  t  \\  t\  erfolgt,  und  das  t'  verwandelt  sich 
mit  der  Zeit  in  d.  Im  5-en  Stadium  wird  die  traditionelle  Al- 
ternation t  II  t'  (—  t  II  d)  zur  Correlation,  und  dieser  Charakter 
ist  ihr  bis  auf  den  heutig'en  Tag  eigen. 

Nehmen  wir  wieder  die  Alternation 


Im  1-en  Stadium  war  sie  höchstens  embryonal  und  blieb 
als  solche  auch  im  2-en  Stadium.  Im  3-en  Stadium  geht  diese 
Alternation  au.s  dem  embryonalen  Zustande  in  den  Zustand  der 
Divergenz  über,  d.  h.  e\t]  ||  elf]  ^  o[t]  ||  e[t'].  —  Im  4-en 
Stadium  wird  diese  Divergenz  zu  paläophonetischer  oder  tra- 
ditioneller Alternation.  —  Endlich,  sei  es  im  4-en,  sei  es  im 
5-en  Stadium ,  wird  diese  Alternation  o  ||  e  gewissermassen  zu 
einer  psychophonetischen  oder  zur  Correlation;  heutzutage 
aber  ist  sie  schon  ,  wie  es  scheint ,  aus  diesem  Zustande  aus- 
getreten und  wurde  wieder  zu  einer  traditionellen  Alternation, 
welche,  infolge  der  Tendenz  nach  Ausgleichung  der  phoneti- 
schen Gestalt  der    als    identisch  oder  mindestens   etymologisch 


—     92     — 

sehr  iicahe  verwandt  gefühlten  Morpheme,  alhnühhch  besei- 
tigt wird. 

Was  die  embryonale  Alternation 

^[o]  II  l[e] 

betrifft,  so  wurde  dieselbe  zu  einer  solchen  wahrscheinlich 
schon  im  3-en  oder  spätestens  im  4-en  Stadium ,  aber  bis 
jetzt  verliess  sie  ihren  embryonalen  Zustand  noch  nicht. 

Diese  allmähliche  Entwickelung  könnte  man  auch  an 
einer  ganzen  Masse  anderer  Beispiele  zeigen. 

Indem  wir  uns  auf  die  aus  der  Untersuchung  einer 
ganzen  Reihe  von  Alternationen  in  ihrer  historischen  Entwicke- 
lung gezogenen  Schlüsse  stützen,  können  wir  unsere  Beobach- 
tungen in  zwei  Richtungen  verallgemeinern: 

a)  zuerst  geben  wir  eine  allgemeine  Übersicht  geneti- 
scher Entwickelung  von  Alternationen  in  der  Sprachgeschichte 
(in  der  Geschichte  der  Stammessprache) ; 

b)  darauf  sehen  wir  uns  näher  an ,  wie  ein  ähnlicher 
Process  in  den  einzelnen  Gliedern  der  Sprachgenossenschaft 
zu  Stande  kommt,  d.  h.  wir  betrachten  vom  Standpunkte 
der  Alternationen  die  individuelle  Sprache,  vor  allem  aber  die 
Kindersprache. 

I.  Historisches  Nacheinander  verschiedener  Alternationszu- 
stände    in    der   Stammesprache    (in  der  Sprache  einer  gan- 
zen Sprachgenossenschaft). 

Alle  Alternationen  verdanken  ihren  Ursprung  einer  Spal- 
tung von  Einheit  in  Vielheit  infolge  besonderer  Umstände  und 
allgemeiner  Ursachen. 

Die  ursprüngliche  Ursache  jeder  Alternation  (Ursprüngliche 
Veranlassung  zu  jeder  Alternation)  ist  immer  in  verschiedenen 
anthropophonischen  Bedingungen  zu  suchen,  Avelche  verschie- 
denen Verbindungen  eines  ursprünglich  einheitlichen  Phonems 
eigen  sind. 

Infolge  anthropophonischer  Unterschiede,  welche  einem 
in  den  Zustand  embryonaler  (keimender)  Alternation  übergehen- 


f 


—    93     - 

den  Phoneme  eigen  sind,  entstehen  in  den  sich  aus  diesem 
Phoneme  entwickelnden  Alternantenembryonen  minimale  Un- 
terschiede, minimal  ebenso  nach  ihren  eigenen,  objectiv  be- 
trachteten Dimensionen,  wie  auch  nach  der  Stärke  der  durch 
dieselben  auf  Glieder  der  betreffenden  Sprachgenossenschaf't 
gemachten  Eindrücke ,  — ■  und ,  w^e  bekannt ,  hängt  von  der 
Stärke  des  Eindrucks  auch  die  grössere  oder  geringere  Stärke 
des  zu  merkenden  Bildes  ab. 

Später^  in  dem  historischen  Nacheinander,  hört  jenes  Mi- 
nimale auf,  minimal  zu  sein;  minimale  Unterschiede  wachsen, 
steigern  sich,   werden  beim  ersten  Blick  sichtbar. 

Diese  Steigerung  und  dieses  Wachsen  der  Unterschiede 
geschieht  anfangs  unter  dem  Einflüsse  der.selben  Bedingungen, 
welche  den  ersten  Impuls  (Antrieb)  zum  Hervortreten  minima- 
ler Unterschiede  gegeben  hatten ,  aber  dieses  nur  bis  zu  einer 
gewissen  Zeit;  denn  später  fangen  die  einmal  afticierten,  ein- 
mal mit  einer  gewissen,  ihnen  früher  fremden  Eigentümlichkeit 
angesteckten  Phoneme  an,  sich  von  sich  selbst,  spontan  in  ei- 
ner gewissen  Richtung  zu  verwandeln.  Auf  diese  Weise  tre- 
ten spätere  spontane  Wandlungen  an  stelle  ursprünglicher 
combinatorischer,  und  eine  abhängige  neophonetische  Alterna- 
tion oder  Divergenz  wird  zu  einer  anthropophonisch  unabhän- 
gigen ,  palaeophouetischen ,  traditionellen  Alternation. 

Aber  neben  dieser  Möglichkeit  der  Entwickelung ,  neben 
der  Möglichkeit ,  welche  darin  besteht ,  dass  die  unter  dem 
Einflüsse  verschiedener  Umgebungsbedingungen  entstandenen 
embryonalen ,  minimalen  Unterschiede  sich  vergrössern  und 
schliesslich  individuell  werden ,  existiert  auch  eine  andere  Mög- 
lichkeit, die  Möglichkeit  des  Schwindens  minimaler  Unter- 
schiede ,  und  zwar  gleichzeitig  mit  dem  Aufliören  der  Wir- 
kung von  den  diese  Unterschiede  veranlassenden  Bedingungen. 

Es  ist  also  für  die  Beseitigung  neophonetischer,  sei  es 
embryonaler,  sei  es  schon  deutlich  divergenten,  Alternationen 
das  Aufhören  des  causalen  Zusammenhanges  zwischen  den 
Unterschieden  anthropophonischer  Verzweigungen  (Modificatio- 
nen)    des    betreffenden   Phonems    und    zwischen    verschiedenen 


—     1)4     — 

diese  Uutersebiede  veraiilassf.ndeii  l'ediiiouiiffen  vollkommen 
genügend.  In  weiterer  Folge  aber  kann  die  Beseitigung  einer 
neopbonetischen  Alternatinn  auf  zweifacbe  Weise  vollzogen 
werden : 

1)  Entweder  sind  anibiopoplioniscbe  Unterscbiede  der 
mit  einander  alternierenden  Moditicationen  des  betreffenden 
Urpbonems  ganz  abbängig  von  dem  antbropopboniseben  Ein- 
flüsse betreftender  Bedingungen,  in  sieb  selbst  aber  besitzen 
sie  nicbts  Individuelles  und  prägen  sieb  dem  Gedäcbtnisse 
auf  dem  Wege  der  Tradition  (Überlieferung)  und  des  sprach- 
lichen Verkehrs  im  allgemeinen  nicht  im  mindesten  ein; 

2)  oder  es  entwickelte  sieh  neben  der  Abhängigkeit  von 
den  Bedingungen  anthropophonischer  Umgebung  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  auch  eine  individuelle  Unabhängigkeit  der  auf 
diese  Weise  erworbenen  Eigentümlichkeiten  und  eo  ipso  Über- 
tragung dieser  Eigentümlichkeiten  auf  dem  Wege  der  Tradi- 
tion und  des  sprachlichen  Verkehrs  im  allgemeinen.  Das  be- 
treffende Phonem  unterlag  einer  so  starken  anlhropophonischen 
Affection,  dass  die  auf  diese  Weise  entstandene  Eigentümlich- 
keit  sich  unserer  Perception  als  etwas  ganz  Unabhängiges  und 
Selbstständiges  aufdrängt. 

1)  Im  ersten  Falle  sehwinden  gleich  mit  dem  Authören 
der  Abhängigkeit ,  mit  dem  Aufhören  des  functionalen  Zu- 
sammenhanges auch  anthropophonisehe  Unterschiede  der  Va- 
rietäten (Moditicationen,  Verzweigungen)  des  betreffenden  Pho- 
nems und  diese  embryonalen  Varietäten  kehren  zur  absoluten 
Einheitlichkeit  zurück.  Mit  der  Beseitigung  von  Ursachen 
schwinden  auch  ihre  Folgen. 

2)  In  dem  anderen  Falle  aber  beseitigt  das  Aufhören  der 
Abhängigkeit  von  anthropophonischen  Bedingungen  die  durch 
eine  anthropophonisehe  Accomodation  erworbenen  Eigentümlich- 
keiten nocli  nicht;  im  Gegenteil,  vermöge  der  schon  befestigten 
Individualität  dieser  erworbenen  Eigentümlichkeiten,  werden  diese 
Eigentümlichkeiten,  nachdem  sie  aufgehört  hatten  functionell 
abhängig  zu  sein,  zu  ausschliesslich  individuellen,  so  dass  sie 
einerseits  objectiv  wachsen  und  sich  steigern,  andererseits  aber 


—     95    — 

immer  stärkeren  Eindruck  maclien  und  t^ich  immer  mehr  dem 
Gedächtnisse  einprägen.  Auf  diese  Weise  werden  diese  einst- 
mal durch  anthropophonische  Accomodation  entwickelten  und 
erworbenen  Eigentümlichkeiten  der  Phoneme  zu  individuellen, 
unabhängigen  Eigentilmliehkeiten  eines  gewissen  phonetischen 
Teiles  gewisser  ^lorpheme  in  gewissen  Worten. 

Dieses  unbewusste  Merken  individueller  Eigentümlichkei- 
ten, insoweit  es  in  den  etymologisch  verwandten  Morphemen 
stattfindet,  wird  zum  Übergangsgliede  von  der  Kategorie  der 
Divergenten  zu  derjenigen  traditioneller  Alternanten. 

Und  so  betreten  wir  das  Gebiet  traditioneller  Alterna- 
tionen, welche  sich  durch  den  sprachlichen  Verkehr  einzel- 
ner Glieder  der  betreffenden  Sprachgenossenschaft  erhalten. 
Aber,  obgleich  die  Tradition  eine  Kraft  ist,  welche  die  von 
den  früheren  Generationen  überlieferten  alternationellen  Un- 
terschiede aufrecht  erhält,  so  reicht  sie  doch  nicht  aus,  um 
vom  Standpunkte  individueller  Bedürfnisse  diese  Unterschiede 
in  ihrer  Causalität  zu  begründen.  Und  gerade  auf  diesem  Bo- 
den entwickelt  sich  in  einzelnen  Individuen  und  später  selbst 
in  allen  zur  betreffenden  Sprachgenossenschaft  gehörenden  In- 
dividuen das  Gefühl  des  Mangels  (der  Abwesenheit)  eines  rai- 
son d'etre.  und  es  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  dass  ein 
solches  Gefühl  in  eine  Collision  mit  der  Tradition  treten 
nmss. 

Dessenungeachtet  werden  die  um  ihr  individuelles  rai- 
son d'etre  gekommenen  Unterschiede  alternierender  Phoneme 
durch  zwei  Ursachen  aufrecht  erhalten: 

1)  Psychische  Ursache,  bestehend  darin,  dass  jene  indi- 
viduell nicht  gerechtfertigten  Unterschiede  sich  dem  Gedächt- 
nisse nicht  typisch,  sondern  eben  individuell  einprägen.  Die- 
ses findet  bei  den  sehr  oft  gebrauchten,  par  excellence  alitäg- 
lichen Worten  statt.  Solche  sind  z.  B.  Verba  in  der  Art  von 
sein,  essen,  wissen,  geben...,  Substantiva  wie 
Vater,  Mutter....,  Augen,  Ohren,  Hände, 
F  ü  s  s  e  .  .   .   ,  Pronomina  wie  ich,  mir.  .   .  ,  du,   dir... 


2)  Sociologiscbe  Ursache:  Die  Erhaltung  der  indivifluell 
nicht  begründeten  Unterschiede  erleichtert  gegenseitige  Ver- 
ständigung ebenso  der  Zeitgenossen,  wie  auch  der  früheren 
und  späteren  Generationen.  Hier  tritt  die  Tradition  als  con- 
sen^ativer,  die  betreflfende  Sprachgenossensehaft  in  sprachlicher 
Einheit  erhaltender  Factor  auf. 

Wenn  aber  das  individuelle  Bedürfnis,  die  weder  an- 
thropophonisch,  noch  psychisch  berechtigten  Unterschiede,  d. 
h.  die  Alternationen,  welche  weder  Divergenz,  noch  Correla- 
tion  sind,  zu  beseitigen,  über  die  einfache  Tradition  die  Ober- 
hand gewinnt,  dann  erfolgt  eine  Beseitigung  überflüssiger  tra- 
ditioneller Unterschiede,  und  diese  Beseitigung  kann  auf  drei- 
fache Weise  geschehen  : 

1)  Das  Gefühl  des  etymologischen  Zusammenhanges  der 
die  alternierenden  Phoneme  enthaltenden  Morpheme  veranlasst 
eine  phonetische  Assimilation  dieser  Morpheme,  d.  h.  die  Uni- 
formierung (Ausgleichung)  ihrer  phonetischen  Gestalt.  Es  ge- 
schieht aber  in  der  W^eise ,  dass  eine  von  den  Modificationen 
des  betreffenden  Morphems,  welche  eins  von  den  alternieren- 
den Phonemen  enthält,  herrschend  wird  und  sich  auch  auf  sol- 
che Fälle  ausdehnt,  wo  wir  eine  andere  Modification  dessel- 
ben Morphems,  mit  einem  anderen  alternierenden  Phoneme, 
haben.  So  z.  B.  poln. 

po-syt-ac  I  po-sei  ^  po-sel-ac  |  po-sel 
(senden  |  Gesandte), 

(od-dych-ac  |  od-dech  ^  od-dech-ac  (dia- 
lektisch) i  od-dech  (athmen  |  Athmen)), 

gtech-nac  |  gtuch-y  ^  gtuch-n^c  |  gluch-y 

(taub  werden  |  taub), 

dzwek  I  dzwiecz-ec  --■-  dzwiek  |  dzwi§- 
c  z  e  c  (Klang  |  klingen).  .   . ; 

im  Russischen  umgekehrt: 

3ByK  I  SBHiiäTB  ^  3ByK  ]  SByqaTB  .   .  .  ; 

dann  können  wir  noch  eine  teilweise  Ausgleichung  im 
Poln    anführen : 


—     97 


u- b  i  6r 

u-bier-ac 

u-b  6r 

u-bier-ac 

u  -  b  i  0  r  -  u 

u  -  b  0  r  -  u 

z  -  b  i  6  r 

z  -  b  i  e  r  -  a  c 

z  -  b  ö  r 

z  -  b  i  e  r  -  a  c 

z  -  b  i  0  r  -  u 

z-bor-u 

vgl.    damit    z  - 

30  1',    po-bor,    na-bör,    w 

y  -  b  ö  r  .  .   . 

- b  or  u  .   .  . 

2)  Es  verliert  sieb  das  Gefühl  des  etymologischen  Zu- 
sammenhanges der  Worte ,  in  denen  die  die  alternierenden 
Phoneme  enthaltenden  Morpheme  vorkommen,  und  dieses  be- 
wirkt eine  lexikalische  Differenzierung,  so  dass  das  Paar 
früher  etymologisch  verwandter  Worte  zu  einem  Paare  ver- 
schiedener, etymologisch  sich  ganz  fremder,  d.  h.  von  den 
sprechenden  Individuen  in  ihrem  etymologischen  Zusammen- 
hange nicht  gefühlter  Worte  wird;  —  dadurch  wird  der 
Wortschatz  der  betreffenden  Sprache  bereichert.  Solche  sind 
z.  B. 

poln.  cze^-cxk  ^  s  a  -  c  k§s,  russ.  qac-TBXKyc-äTB 
(Teil  1  beissen), 

poln.  po-cz^-tek  -czyn-ac  -czn-§><koni-ec; 
russ.  Ha-^a-jioXKOH-en;    (Anfang  |  Ende), 

poln.  p  o  -  k  ö  j  >  <s  po-cz  y-wac  (Ruhe  j  ruhen)  .  .  ., 

„     bod- §  xbad-am(steche,  stosse  |  erforsche)   .  .  ., 

„     wierci-ecXwart-ki>  <  w  ars-twa  X 

w  r  z  e  c  i  -  o  n  oXw  rot-  a>  <p  o-wröt      po-wrot-u 

(drehen,    bohren  |  sich     drehend,    behend  |  Schichte  j  Spindel  | 

Thor  I  Rückkeher)  . . ., 

poln.  w  o  d  z  -  i  c><w  a  d  -  a  (fübren  ]  üble  Gewohnheit, 
Gebrechen)  .  .   .  , 

poln.  po-czetXczeä-cX  czy  t-acXza-c-ny 
(Zahl  I  Ehre  |  lesen  |  ehrwürdig)  •  .  .  , 

poln.  ciag-nacXt§g-iXws-taz-ka  (ziehen  ( 
tüchtig  I  Band)  .  .  .  , 

Selbst  i  e  s  -  (j  e  s  - 1  .  .  .)Xs  -  (s  -  a)  (ist  |  sind),  c  h  o  d  z  - 
-icXszed-t  sz-la  (gehen  |  gieng) .  .  .  sind  heutzu- 
tage   in   phonetischer   Beziehung    zwei    verschiedene    Wurzeln, 

7 


—     98     — 

welche  blos  kraft  semasiologischer  Association  in  ilircm  Zusam- 
menhange erhalten  werden. 

Die  Verwickelung  alternationeller  Beziehungen  des  betref- 
fenden Morphems  begünstigt  seine  Mischung  mit  anderen  Mor- 
phemen, begünstigt  seine  Attraction  durch  eine  andere  etymo- 
logische Morphemengru})pe.  Hieher  gehören  z.  B.  poln. 

od-po-czn-§|  od-po-cz^-ö  |  od-po-czyn- 
-e  k  .  .  .  ,  entstanden  aus  od-po-czy-n§  |  od-po-czy- 
-nii-c  I  od-po-czy-n-ek  (werde  ausruhen  j  ausruhen  }  Ru- 
he) .  .  .  und  attrahiert  (angezogen),  wenigstens  phonetisch-mor- 
phologisch, durch  den  Beziehungstypus  za-czn-e  po-czn-ei 
-czii-cj-czyn-ac|  za-czyn-,  roz-czyn-  (werde  an- 
fangen (  anfingen  |  Anfang,  Ferment ....)...., 

rzn-ac|rzn-§|  -rzyn-ac  .  .  .  ,  entstanden  aus 
fz-nac  (rzz-nac)|fz-ne  |  rzez-ac  {^  rzaz-ac) 
(schneiden  I  schneide  .  .  .)  und  attrahiert  durch  zj^-c  ^  in  - 
-ac  i  zn-§  )  zyn-ac(mit  der  Sichel  schneiden,  ernten)  .  .  . 

3)  Das  dritte  Mittel  endlich,  die  um  ihr  individuelles 
raison  d'etre  gekommenen  alternationellon  Unterschiede  zu  be- 
seitigen ,  ist  Utilisierung  dieser  Unterschiede  zu  psychischen 
Zwecken ,  d.  h.  zu  einer  Verknüpfung  (Association)  plioneti- 
scher  Schattierungen  (Nuancen)  mit  morphologischen,  respective 
semasiologischen.  Auf  diese  Weise  entstehen  psychopho- 
netische  Alternationen  oder  Correlationen, 
zu  denen  jedes  zur  betreffenden  Sprachgenossenschaft  gehö- 
rende Individuum  auf  dem  Wege  der  Cumulierung  und 
Verallgemeinerung  einzelner  Associationen  selbstständig,  auf  ei- 
gene Hand,  mit  eigener  psychischer  Arbeit  gelangen  muss. 

Unabhängig  vom  subjectiven  Gefühle  können  in  der 
Sprache  Typen  von  traditionell  überlieferten  und  semasiolo- 
gisch  auf  eine  beständige  und  gleichartige  Weise  unterschie- 
denen Formen  existieren;  z.  B.  im  Poln.  nog-a  r§k-a| 
nöz-ka  r^cz-ka  ...,  pi-c  gni-c  |  poj-ic  gnoj- 
-ic.  .  .  ,  tok-  bok-l  tocz-yc  bocz-yc  sie  .  .  .  , 
po-mog-§  chodz-^  mocz-e  robi-§  po-mag-am 
chadz-am    macz-am    rabi-am ,  gniot-e  miot-§j 


—     99     — 

gniat-am  miat-am  .  .  .  .  ,  sl'-ac  tk-adjsyi-a(^ 
tyk-ac  .  .  .  ,  u-br-ac  wy-pr-ac|u-bier-ac  w  y  • 
pier-ac.  .  .  ,  u-mrz-ec  wy-prz-ec  wy-trz-ec| 
u-mier-ac    wy-pier-ac    wy-cier-ac  .   .   . 

Nun ,  wenn  sich  in  der  Seele  des  sprechenden  Indivi- 
duums ein  fester  Zusammenhang,  eine  feste  Association  zwi- 
schen der  Beziehung  des  phonetischen  Baues  derartiger  Worte 
und  derjenigen  ihrer  Bedeutuiigsschattierungen  gebildet  hat, 
dann  verwandelt  sich  eo  ipso  die  traditionelle  Alternation  in 
eine  Correlation,  und  das  betreffende  Individuum  bereichert 
dadurch  den  Vorrat  seiner  psychophonetischen ,  zur  morpholo- 
gischen und  semasiologischen  Schattierung  dienenden  Mittel. 

Aber  trotz  aller  dieser  sich  stets  wiederholenden  Bemüh- 
ungen, die  nicht  rationellen,  d.  h.  weder  anthropophonisch, 
noch  psychisch  berechtigten,  phonetischen  Unterschiede  zu  be- 
seitigen ,  kann  doch  in  der  Sprache  ein  bedeutender  und  nu- 
merisch starker  Niederschlag  eben  solcher  Unterschiede  übrig 
bleiben .  welche  ganz  einfach  traditionell ,  ohne  den  Bedeu- 
tungszusamraenhang  zwischen  den  einzelnen  Varietäten  irgend 
wie  zu  erschüttern ,  überliefert  werden ,  d.  h.  ein  Nieder- 
schlag von  Unterschieden ,  welche  die  Grundlage  paläophone- 
tischer  oder  traditioneller  Alternationen  bilden.  Es  genügt  hier 
auf  poln.  sen  |  snu,  dzien  |  dni-a,  wiedzi-e  |  wiod-ej 
wiod-l  I  wies-c  |  wy-wod-u  |  wy-wöd  |  wodz-e  | 
w  0  d  z  -  i  I  w  ö  d  z  1  w  ö  d  z  .  .  .  ,  s  -  m  i  e  r  -  c  |  m  a  r  - 1  w  y  | 
-mor-u  |-mör|  u-mier-a  .  .  .  ,  br-ac  |  -bier-acj 
bierz-e|  wy-bor-u  [  wy-bör  |  wy-borz-e  .  .  .  , 
wrzeci-ono  I  po-wrot-u  |  po-wrot  |  wröc-e  | 
wröc-i  I  wrac-a  |  wierc-i  |  wart-ki hinzu- 
weisen. 

Dieser  Niederschlag  vermindert  sieh  einerseits  beständig 
infolge  der  oben  angedeuteten  Wandlungen  nach  drei  Richtun- 
gen, andererseits  aber  erfährt  er  einen  beständigen  Zuwachs 
durch  den  Übergang  in  die  Kategorie  traditioneller  Alterna- 
tionen nicht  nur  gewesener  Divergenzen,  sondern  auch  gewe- 
sener Correlationen. 

7* 


—    100    — 

Das  Bestreben,  die  durch  eine  individuelle  Causalität 
nicht  berechtigten  Unterschiede  zu  beseitigen ,  erstreckt  sich 
auf  beide  Gruppen  traditioneller  Alternationen,  d.  h.  ebenso 
auf  die  Gruppe  divergcnzioneller,  wie  auch  auf  diejenige  cor- 
relativischer  Herkunft.  Aber,  wenn  die  zAibeseitigenden  Alter- 
nationen zur  zweiten  Gruppe  gehören,  d.  h.  wenn  sie  den  ihnen 
früher  eigenen  psychophonetischen  Zusammenhang  eingebüsst 
hatten,  folglich  Alternationen  mit  erloschener  psychischer 
Causalität  sind ,  dann  kann  nur  von  zwei  ersten  Beseiti- 
gungsweisen die  Rede  sein,  d.  h.  entweder  von  der  pho- 
netischen Assimilation  der  Morpheme ,  von  der  Ausgleichung 
(Uniformierung)  ihrer  phonetischen  Gestalt,  oder  vom  Verluste 
des  Gefühls  des  etymologischen  Zusammenhanges  der  Worte 
mit  den  alternierende  Phoneme  enthaltenden  Morphemen.  Die 
dritte  Art  und  Weise,  d.  h.  Wiederbelebung  des  psychopho- 
netischen Charakters  traditioneller  Alternationen  correlativi- 
scher  Herkunft,  kommt  wohl  ungemein  selten  vor. 

Es  können  also  traditionelle  Alternationen,  vom  Stand- 
punkte ihrer  Herkunft ,  zweierlei  Art  sein : 

1)  paläophonetische  Alternationen,  mit 
erloschener  anthropophonischer  Causalität , 

2)  paläopsychische  Alternationen,  mit 
erloschener  psychophonetischer  Causalität. 

Schhesslich  können  die  einen ,  wie  die  anderen  mit 
der  Zeit 

entweder  mittelst  Ausgleichung  der  die  betreffenden  Pho- 
neme enthaltenden  Morpheme  beseitigt  werden 

(bald  x  II  x"  ^  x   II  x!, 

bald  wieder        x  \\  x"  ^  x"  ||  cc"), 

oder  aber  den  alternationelleu  Charakter  vollkommen  ver- 
lieren und,  infolge  der  Spaltung  von  den  früher  nur  phonetische 
Modificationen  (Varietäten)  eines  Grundmorphems  darstellen- 
den Morphemen  in  zwei  besondere ,  im  etymologischen  Zu- 
sammenhange nicht  mehr  gefühlte  Morpheme ;  in  die  Katego- 
rie überlebender  (rudimentärer)  Alternationen  übergehen 


—    101    — 

ix'  II  x"  --   x'  X  x"). 

Da  wir  hier  aber  fortwährend  mit  dem  lebendigen  Ge- 
fühle des  psychischen  Wertes  (der  psychischen  Geltung)  pho- 
netischer Erscheinungen  zu  thun  haben,  und  da  dieses  Ge- 
fühl ,  als  von  den  individuellen  Eigentümlichkeiten  aller  Glie- 
der der  betreftenden  Sprachgenossenschaft  abhängig,  bald 
schwächer,  bald  stärker  wird,  so  müssen  wir  eine  ganze  Scala 
zweifelhafter  Übergangszustände  annehmen,  welche  an  eine 
dem  Erlöschen  nahe  Lampe  erinnern,  deren  Flamme  bald  er- 
lischt, bald  wieder  sich  sehen  lässt. 

Aus  diesem  Meere  einer  unzähligen  Masse  zweifelhafter 
Übergangszustände  ragen  drei  deutliche  Alternationsclassen 
empor,  deren  Besprechung  die  Capitel  3 ,  4  und  5  gewid- 
met sind : 

traditionelle  Alternationen,  welchen  eine 
Causalität  von  rein  socialem  Charakter  (Überlieferung  und 
Verkehr)  eigen  ist;  sie  sind  entweder  ^paläo phonetisch ,  oder 
paläopsychisch  (welche  sich  schliesslich  auch  auf  paläopho- 
netische  zurückführen  lassen)  (5-es  Capitel); 

neophonetische  Alternationen  oder  D  i- 
vergenzen,  gekennzeichnet  durch  die  Anwesenheit  einer 
individuell  anthropophonischen  Causalität,  im  Unterschiede  von 
dem  den  zwei  anderen  Classen  eigenen  Mangel  dieser  Causa- 
lität (8-es  Capitel) ; 

psychophonetische  Alternationen  oder 
Correlationen,  mit  einer  individuell  psychischen  Ursa- 
che ,  im  Gegensatz  zu  dem  den  zwei  anderen  Classen  eigenen 
Mangel  einer  solchen  Ursache  (4-es  Capitel). 

Vom  Standpunkte  ihres  historischen  Nacheinanders  in 
der  Sprachgeschichte  sind  diese  Classen  in  folgender  Reihen- 
folge aufzuzählen: 

1)  Divergenzen,  mit  dem  lebendigen  physiologi- 
schen Factor,  mit  einem  individuell-anthropophonischen  Zu- 
sammenhangC;  mit  der  noch  erhaltenen  ursprünglichen  Causa- 
lität aller  Alternationen ; 


—    102    — 

•»=/(?) 
aj'lia:"==/((p'li9") 
x'  ....  c^'  \\  x"  ...  .  <p". 
[Beispiele:   d  \\  t    in    wod-a   |  w6d-ka      (Wasser  |  Brannt- 
wein), s\\z  in  pros-  id  [  proz-  ba  (bitten  |  Bitte),  i.,  {y)  ||  «\ 
(i)  in  s  }  0  m  -  y  |  z  i  e  m  -  i    (des  Strohes  |  der  Erde) .  .  .] 

2)  P  a  1  ü  o  p  h  0  n  e  t  i  s  c  h  e  oder  traditionelle 
Alternationen,  mit  dem  beständig  wirkenden  socia- 
len Factor,  mit  dem  collectiv-soeialen  causalen  Zusammen- 
bange, mit  der  beseitigten  ursprünglichen  anthropophonischen 
Causalität  aller  Alternationen: 

x  =  f{jz) 

a^'l,x-"=/(7r). 

[Beispiele :  J9  n  /',  t\\c,  ar  \\er  in    n  a  -  p  a  r  s  t  -  e  k  |  p  i  e  r  s  c  i  -  e  li 

(Fingerhut  |  Ring),  t  w.l^o   \\e  in  c  z  o  1  -  o  |  c  z  e  1  -  e    (Stirn  |  an 

der  Stirn) .  .  .  .] 

3)  C  0  r  r  e  1  a  t  i  0  n  e  n ,  mit  dem  lebendigen  psychischen 
Factor,  mit  dem  individuell-psychischen  causalen  Zusammen- 
hange,   mit  der   secundär  entwickelten  psychischen  Causalität: 

od  .  .  .  .^'  \\x"  .  .  .  .  ^" . 
[Beispiele :  o  \\a  in  chodz-ic|  chadz-ac  (gehen  |  pfle- 
gen zu  gehen),  t  r  w  o  z  -y  -  c  |  t  r  w  a  z  -  a  c  (Schrecken  ein- 
jagen I  pflegen  Schrecken  einzujagen)  .  .  .  .  ,  5  n  cA  in  w  J  o  s  | 
w.J  och  (Haar  |  plumpes  Haar) ,  klus-ki  |  kluch-y 
(Klösschen  |  grosse,  plumpe  Klösschen) .  .  .] 

Vom  Staudpunkte  des  Bodens,  auf  welchem  sich  die  ur- 
sprüngliche, in  der  betreff"enden  Epoche  des  Sprachlebens  schon 
beseitigte,  anthropophonische  Causalität  entwickelt  hatte,  zer- 
fallen traditionelle  Alternationen  in  zwei  Classen: 

a)  eigen  sprachige,  entwickelt  auf  dem  heimischen 
Boden  der  betrefi"enden  Sprachgenossenschaft, 

h)  fremdsprachige,  entstanden  unter  dem  Einflüsse 
einer  anderen  Sprachgenossenschaft,  auf  dem  Wege  sei  es  des 
internationalen   sprachlichen  Verkehrs,   sei  es  des  Schrifttums. 


—    103    - 

Vom  Standpunkte  dos  Übergan f^cs  vom  frülif^ren  Alter- 
nationszustande  zu  dem  gegenwärtigen  unterscheiden  wir  in 
den  traditionellen  Alternationen  zwei  Classen  : 

d)  einige  von  ihnen  entwickelten  sich  direkt  aus  den 
Divergenzen, 

h)  die  anderen  aber  bilden  eine  Fortsetzung  von  C  o  r- 
relationen-,  sie  sind  aus  der  Kategorie  der  Correlationen 
in  diejenige  der  traditionellen  Alternationen  als  die  ihrer  psy- 
chischen  Function  schon  entledigten  Gebilde  übergegangen. 

In  den  Ex-Alternationen  (d.  h.  in  den  jedes  Alterna- 
tionscharakters entledigten  Alternationen)  können  wir  3  Clas- 
sen unterscheiden : 

a)  einige  stammen  unmittelbar  von  den  Divergenzen; 

b)  andere  haben,  bevor  sie  beseitigt  wurden,  blos  zwei 
deutliche  alternationelle  Evolutionen  durchgemacht:  Divergen- 
zen und  traditionelle  Alternationen; 

c)  wiederum  andere  haben  vor  ihrem  Schwunde  ganze 
vier  deutliche  Evolutionen  durchgemacht :  Divergenzen,  tradi- 
tionelle Alternationen,  Correlationen  in  Verbindung  mit  der 
Tradition  und  schliesslich  wieder  rein  traditionelle  Alternationen. 

In  den  Correlationen  können  wir  vor  allem  zwei  Haupt- 
stufen der  Spannung  ihres  psychischen  Charakters 
unterscheiden : 

auf  einer,  höheren  Stufe  ist  d  i  e  A  s  s  o  c  i  a  t  i  o  n  pho- 
netischer Varietäten  (Modificationen)  mit  psychi- 
schen Nuancen  (Schattierungen)  wirksam  (activ)  und 
schöpferisch,  d.  h.  sie  ermöglicht  die  Bildung  neuer 
Alternationspaare  nach  einem  gewissen  lebendigen  Typus  [z.B. 
o  II  a  in  den  poln,  Verben  nos-i-c|  nasz-ac  (tragen  | 
pflegen  zu  tragen) ....]; 

auf  der  zweiten,  niederen  Stufe  aber  existiert  zwar  die 
Association  phonetischer  Varietäten  mit  psychischen  Nuancen, 
aber  sie  ist  nicht  stark  genug,  um  die  Entstehung  von  Neu- 
bildungen nach  dem  gegebenen  Typus  zu  ermöglichen ;  es  ist 
also  die  Stufe  der  psychophonetischen  Schwäche 


—    104    - 

und  Passivität  [z.  B. :  i  \\oj  in  p  i  -  c  g  n  i  -  c  |  p  o  j  -  i  6 
gnoj-ic  (trinken,  faulen  )  trinken  lassen,  faulen  lassen)....]. 

Zwischen  diesen  zwei  Stufen  giebt  es  eine  ganze  Reibe 
von  Übergangszuständen. 

Wir  haben  oben  gesehen,  dass  der  den  einfachen  tradi- 
tionellen Alternationen  eigene  traditionelle  Charakter  sich  in 
stäter  Collision  mit  der  Tendenz  nach  Beseitigung  phoneti- 
scher, weder  physiologisch,  noch  psychisch  gerechtfertigter 
Unterschiede  befindet,  und  dass,  im  Falle  der  Oberhand- 
nahrae  seitens  dieser  individuellen  Tendenzen,  entweder  jene 
traditionellen  Alternationen  einen  psychophonetischen  Charakter 
annehmen  und  zu  Correlationen  werden,  oder  eine  phonetische 
Ausgleichung  des  alternierenden  Paares  erfolgt. 

Es  können  jedoch  ähnliche  Collisionen  auch  im  Bereiche 
der  Correlationen  stattfinden.  So  lässt  sich  z.  B.  in  der  russi- 
schen Correlation  k^\  c  in  solchen  Verben ,  wie  ncK-y  TOJiK-y 
I  ne^-em  TOJi^-em  (backe,  stosse  |  bäckst,  stösst)  ....  gleich- 
sam eine  Collision  wahrnehmen,  welche  schliesslich  zur  Um- 
wandlung jener  Correlation  k  \\  c  in  eine  neue,  k  \\  k'  [ncK-y 
TOJiK-y  I  neK-em  TOJiK-em....],  führt. 

Wenn  man  die  alternierenden  Phoneme,  k  \\  c,  als  unteil- 
bare Ganze  betrachten  wollte,  müsste  man  behaupten,  es  gäbe 
hier  keine  Collision  und  es  dürfe  die  Correlation  k  \\  c,  welche 
ein  in  sich  geschlossenes  Ganzes  bildet,  sich  nicht  umwandeln, 
sondern  solle  so  bleiben  wie  sie  ist,  bis  endlich  ihr  psychophone- 
tischer  Charakter  schwindet,  um  einer  einfachen  Tradition  zu  wei- 
chen. Aber,  wenn  wir  die  Phoneme  in  ihre  Artieulationscom- 
ponenten  zerlegen  und  diesen  verbalen  Typus  von  einem  brei- 
teren Standpunkte  betrachten,  so  wird  der  Schluss  unvermeid- 
lich, dass  die  Correlation  k  \\  c  die  Harmonie  des  Typus  ver- 
letzt, und  dass  nur  die  Alternation  k  \\  k'  ihr  Genüge  leistet, 
weil  sie  vollkommen  auf  dieselbe  Art  gebildet  ist,  wie  die  ande- 
ren partiellen  Alternationen,  b  \\  5'(rpe6  j  |  rpeö-eT...),  d  \\  d'  (ne^-y 
I  Be;i,  ÖT...),  s  II  /  (nec-y  |  Hec-ex...)  u.  s.  w.,  welche  sich  unter 
eine  allgemeine  Alternation, 

PO  II  PY 


—    105    — 

(wo  PO  den  Mangel  an  Palatalität  oder  die  „Härte"  des  Con- 
sonanten,  PY  aber  das  Vorhandensein  der  Palatalität  oder  die 
„Weichheit"   des  Consonanten  bezeichnet),  subsumieren  lassen. 

Diese  Vei'allgemeinerung  russischer  Correlationen  auf  dem 
Gebiete  des  oben  genannten  verbalen  Typus  vollzieht  sieh  eben 
jetzt  in  verschiedenen  grossrussischen  Dialekten.  Viel  früher 
aber  vollzog  sie  sich  z.  B.  in  den  Adjectiven  possessiven, 
welche  vorzugsweise  die  Function  von  patronymica  und  dann 
auch  der  Zunamen  erfüllen,  in  der  Art  von  cvkhh  ctm,  Cjk-hh, 
CooaK-HH,  K6mK-HH,  CHna'r-HH,  Mvx-hh  ... ,  wo  die  alte  Corre- 
lation,  k  y  r,  g  \\z,  x  \\S  (cyK-a  |  cyq-HH,  Cunn'r  a  |  Cnnü'sK-HH, 
Myx-a  I  Mym-HH  ....).  einer  neuen,  k\\k\  g\\g\  x\\x\  gewichen 
ist,  nach  dem  Muster  einer  ganzen  Menge  anderer  partieller 
Alternationen  desselben  allgemeinen  Typus,  h  \\  5,  d  y  d\  s  \\  s 
[pti'6-a    Pli'ü-hh,  Mapy;i;-a  j  Mapy;i;-HH,  HjiaKc-a  !  ÜJiaKc-HH  ....]. 

Wir  sehen  hier,  wie  die  Correlativität  immer  weitere 
Kreise  beschreibt,  wie  partielle  Correlationen  von  denjenigen 
mit  einem  allgemeineren  Charakter  verschlungen  werden,  wie 
diese  Verallgemeinerung  von  Correlationen  ihr  Gewicht  und 
ihre  Spannkraft  stärkt. 

Da  es  aber  nichts  Ewiges  im  Bereiche  von  Formen  giebt, 
und  da  die  entstandenen  Formen  einmal  schwinden  müs- 
sen, so  findet  dasselbe  auch  auf  die  Correlationen  seine  volle 
Anwendung,  mögen  dieselben  noch  so  deutlich  und  noch  so 
mächtig  sein.  Nachdem  sie  ganze  Reihen  partieller  Correla- 
tionen verschlungen  und  dieselben  sich  assimiliert  und  dadurch 
die  höchste  Stufe  ihrer  Macht  und  Deutlichkeit  (Bestimmtheit) 
erreicht  hatten ,  n)üssen  diese  allgemeinen  Correlationen  mit 
der  Zeit  ihre  Kraft  stufenweise  einbüssen  und  endlich  ihren 
psychophonetischen  Charakter  vollkommen  verlieren  und  in 
den  Zustand  des  Traditionellen  übergehen,  d.  h.  zu  einfachen 
traditionellen  Alternationen  werden,  um  einmal  endgiltig  zu 
verschwinden  und  in  dem  grossen  Sanimelhaufen  von  Ex- 
Alternationen    oder    erloschenen  Alternationen  zu  zergehen. 


106 


II.     Die  Entstehung  der  Alternationen  in  der  individuellen 
Sprache,  besonders  aber  in  der  Kindersprache. 

Die  S|»rache  kann  nicht  geerbt  werden;  geerbt  werden 
nur  erstens  die  Fähigkeit  eine  Sprache  zu  erwerben  im  allge- 
meinen und  dann  Neigungen  zu  gewissen  bestimmten  liichtiingen 
der  im  Sprachbau  sich  vollziehenden  Wandlungen.  Die  Erb- 
lichkeit ist  ein  biologischer  Faktor,  während  dagegen  zur  Spra- 
che jedes  Individuum  auf  dem  Wege  des  gesellschaftlichen 
Verkehrs  gelangt.  Trotzdem  muss  man  gerade  zur  Erblichkeit 
seine  Zuflucht  nehmen,  um  die  Stätigkeit  historischer,  sich  in 
der  Sprache  vollziehender  Veränderungen  zu  erklären ,  und 
zwar  folgendermassen: 

Die  am  weitesten  gehenden,  die  radicalsten  Wandlungen 
(Veränderungen)  vollziehen  sich  jederzeit  in  der  Kindersprache 
der  betreffenden  Sprachgenossenschaft.  Am  weitesten  gehen 
hier  phonetische  Wandlungen,  am  weitesten  Formausgleichung 
u.  s.  w.  Später  ziehen  sich  die  Kinder  zum  sprachlichen  Zu- 
stande der  Erwachsenen  nach  und  nach  zurück,  aber  ein  ge- 
wisser Teil  der  in  ihrer  Kindersprache  vollzogenen  Wandlun- 
gen kann  auch  künftighin  in  ihrer  individuellen  Sprache  blei- 
ben, und,  was  am  wichtigsten  ist,  gehen  die  Neigungen  zu 
solchen  Wandlungen,  obgleich  sie  bei  späterer  Generation  ge- 
wöhnlich wieder  von  sich  selbst,  spontan  enstehen,  auch  auf  dem 
Wege  der  Erblichkeit  zu  derselben  über.  Indem  sie  sich  in 
einer  Reihe  von  Generationen  cumulieren  oder  anhäufen  und 
erstarken,  werden  diese  Wandlungen  schliesslich  so  mächtig, 
dass  sie  sich  in  der  Sprache  endgiltig  befestigen. 

Bei  der  Alternation  handelt  es  sich  in  erster  Reihe  um 
die  Häufung  oder  Cumulierung  phonetischer  Tendenzen  auf 
dem  Wege  der  Erblichkeit  und  um  ein  allmähliches  Mächtiger- 
werden derselben. 

Da  jedes  Individuum  einzeln,  für  sich,  mit  eigener  Ar- 
beit zur  Sprache  gelangt,  so  müssen  auch  Alternationen  von 
jedem  Individuum  selbstständig  entwickelt  werden. 


107 


Während  der  allmäliliclien  Aneignung  der  Sprache 
macht  jedes  Kind  auch  verschiedene  Stadien  durch :  An- 
fangs versteht  es  gar  nichts;  darauf  fängt  es  an,  die  Spra- 
che der  Umgebung  zu  verstehen,  aber  es  vermag  noch  nicht 
selbst  zu  sprechen,  d.  h.  es  befindet  sich  in  einem  Zustande 
der  Audition  und  der  passiven  sprachlichen  Perception;  end- 
lich beginnt  es  selbst  zu  sprechen,  beginnt  selbst  sprachlich 
thätig  zu  sein,  und  zwar  nicht  nur  durch  Audition  und  Per- 
ception. sondern  auch  durch  Phonation.  SelbstverständHch  bil- 
det die,  einmal  in  Bewegung  geratene,  sprachliche  Cerebra- 
tion  oder  das  sprachliche  Denken  eine  stätige  Grundlage  beim 
Erlangen  der  individuellen  Sprache. 

Nun  kann  in  den  ersten  Anfängen  dieses  Processes, 
wo  das  Kind  erst  anfängt,  die  Sprache  der  Umgebung  ein 
wenig  zu  verstehen^  noch  von  keinen  Alternationeu  die  Rede 
sein.  Die  Alternationen  entwickeln  sich  erst  später.  Je- 
denfalls können  wir  die  Paare  von  Phonemen,  welche  zum 
Bestände  der  von  dem  betreffenden  Kinde  schon  verstandenen 
Morpheme  und  Worte  gehören  und  in  der  Sprache  der  Um- 
gebung die  alternationellen  Paare  bilden,  vom  Standpunkte 
dieses  Kindes  embryonale  oder  keimende  (anfängli- 
che) Alternationen  nennen. 

Auf  derjenigen  Stufe,  wo  die  Kinder  noch  nicht  ange- 
fangen haben,  die  betreffende  Sprache  zu  sprechen,  aber  sich 
schon  über  ihre  Eigentümlichkeiten  Rechenschaft  ablegen 
und  sie  in  den  ihrem  eigenen  Geiste  zugänglichen  Grenzen 
verstehen,  d.  h.  wo  diese  Kinder  sich  in  einem  Zustande  der 
schon  entwickelten  Audition  und  Perception,  aber  noch  ohne 
Phonation,  befinden,  auf  einer  solchen  Stufe  kann  natürlich 
von  den  neophonetischen  Alternationen  oder  Divergenzen  keine 
Rede  sein,  da  dieselben  von  der  eigenen ,  persönlichen 
Aussprache  abhängen.  Ob  dann  schon  Correlationen  oder  psy- 
chophonetische  Alternationen  vorhanden  sind,  das  hängt  von 
der  Individualität  des  betreffi  nden  Kindes,  von  dessen  grösse- 
ren oder  geringeren  psychischen  Beweglichkeit  und  Lebhaf- 
tigkeit  ab.    Jedenfalls  existieren  in   den   allerersten  Anfängen 


—    lOR    — 

dieser  Entwickeluiigsstufe  die  Correlationen  keineswegs,  und 
sie  müssen  sich  erst  ausbilden,  sie  müssen  sich  aus  den  traditio- 
nellen Alternationen  vermöge  erforderlicher  Associationen  ent- 
wickeln. Die  einfachen  traditionellen  Alternationen  aber  existie- 
ren augenscheinlich  in  der  Sprache  des  Kindes  auf  der  Stufe  der 
Audition  und  Perception;  denn  die  Unterscheidung  phonetischer 
Modificationen  (Varietäten)  der  in  ihrem  etj^mologischen  Zu- 
sammenhange gefühlten  Morpheme  entwickelt  sich  ja  auf  ein 
Mal  von  selbst.  Darum  machen  dann  auch  deutliche  Unter- 
schiede der  Divergenten  oder  neophonetischer  Alternanten  ei- 
iien  bestimmten  Eindruck  und  prägen  sich  dem  Gedächtnisse 
mit  der  ihnen  eigenen  traditionellen  Seite  ein.  So  z.  B.,  bevor 
das  Kind  anfängt,  durch  seine  eigene  Aussprache  die  Diver- 
g-  iiz  (^  II  t  in  den  poln.  broda  |  brödka  (Bart  |  Bärtchen) 
u  ä  zu  Stande  zu  bringen,  l)emerkt  es  schon  früher  den  anthro- 
pophcnifchen  Unterschied  zwischen  der  Volll)ringung  des  einen 
und  des  anderen  Phonems.  Und  eben  auf  diese  Weise  gesellt 
sich  zu  den  neophonetischen  Alternationen  oder  Divergenzen 
auch  das  traditionelle  Element,  d.  h.  es  verwandelt  sich  in 
der  Stammessprache  (in  der  Sprache  der  ganzen  Sprachgenos- 
senschaft) die  Abhängigkeit 

.^'„^•"^/(o'iio") 
in  diejenige 

:r',ir"=/(o'ii9")+/(-)- 
Wenn  das  Kind  anfängt,  schon  selbst  zu  sprechen,  in- 
dem es  die  Sprache  der  Umgebung  nachahmt,  empftingt  es 
von  dieser  Umgebung  auch  die  ihr  eigenen  Alternationen. 
Neophonetische  Alternationen  oder  Divergenzen  enstehen  auch 
unabhängig  von  der  Nachahmung,  unabhängig  von  dem  sprach- 
lich socialen  Verkehre;  denn  die  Notwendigkeit  ihrer  Entste- 
hung liegt  ja  einerseits  in  dem  Baue  der  Sprechorgane,  an- 
dererseits aber  in  den  auf  dem  Wege  der  Erblichkeit  erwor- 
benen Tendenzen.  Dabei  sind  individuelle  Schwankungen  mög- 
lich: einige  Kinder  entwickeln  Divergenzen  in  weit  stärke- 
rem Grade,  als  die  anderen.  Es  ist  jedoch  allen  Kindern  die 
Tendenz  zur  Eutwickelung   von  Divergenzen  in  viel  höherem 


109 


Masse  eigen,  als  es  in  der  Sprache  der  Erwachsenen,  in  der 
Normalsprache  der  betreffenden  Sprachgenossenschaft  stattfin- 
det. Was  in  der  letzten  noch  im  embryonalen  Zustande  schlum- 
mert, das  kann  in  der  Kindersprache  deutliche,  beim  ersten 
Blick  bemerkbare  Dimensionen  erreichen.  Verschiedene  in  den 
Verbindungen  eines  einheitlichen  Phonems  steckende  Bedin- 
gungen führen  hier  rasch  zu  bestimn)ten  Resultaten  bei  der 
Spaltung  dieses  Phonems  in  zwei  oder  mehrere;  die  vorhande- 
nen anthropophonischen  Ursachen  wirken  in  der  Kinderspra- 
che viel  stärker,  als  in  der  Sprache  der  Erwachsenen,  und 
veranlassen  auch  viel  leichter  die  diesen  Ursachen  entspre- 
chenden Wirkungen. 

Kurz  um,  es  überholen  die  Kinder,  wie  in  betreff  der 
phonetischen  und  morphologischen  Seite  der  Sprache  über- 
haupt, so  auch  im  Bereiche  der  Alternationen,  die  normale 
Entwickelung  der  Sprache,  indem  sie  solche  Erscheinungen 
voraussagen ,  welche  mit  der  Zeit  zur  festen  Eigentümlichkeit 
der  ganzen  Stammessprache  werden  sollen. 

Jedenfalls  besitzt  die  Kindersprache  viel  mehr  neopho- 
netische Alternationen  oder  Divergenzen,  als  es  mit  der  nor- 
malen Stamraessprache  der  Fall  ist.  Was  wieder  die  Correla- 
tionen  oder  psychophonetischen  Alternationen  betrifft,  so  be- 
sitzt deren  die  Kindersprache  weniger,  als  die  normale  Stam- 
messprache. Man  darf  aber  nicht  die  in  so  hohem  Grade 
der  Kindersprache  eigene  Correlation  vergessen,  welche  in  der 
Alternierung  palataler  Consonanten  mit  den  nichtpalatah  n, 
behufs  Unterscheidung  der  Liebkosung  von  der  Nicht-Lieb- 
kosung, besteht:  PY  n  PO  {d'  \\  d,  s\\  s,  l'  \\i. . .). 

Je  nach  dem  sich  die  Kindersprache  der  Sprache  der 
erwachsenen  Umgebung  nähert,  tritt  auch  das  Kind  im  Be- 
reiche der  Alternationen  zurück,  indem  es  die  zu  weit  nach 
vorn  zu  vorgerückten  Varietäten  (Modificationen)  verliert,  und 
z.  B.  den  Zustand  der  deutlichen  Divergenz  durch  denjenigen 
der  embryonalen  Alternation  ersetzt,  u.  s.  w. 


—    HO    — 

Kachdem  wir  uns  die  Art  und  Weise  der  Entstehung 
und  Umgestaltung  verschiedener  Alteruationszustände  in  der 
Kindersprache  etwas  uülier,  obgleich  auch  nur  zieuilich  unge- 
nau, angeselien  haben,  wollen  wir  noch  einmal 

das  historische  Nacheinander  verschiedener  Alternations- 
zustände  und  den  Übergang  eines  Zustandes  in  einen  an- 
deren  in    der   Sprache   einer   ganzen  Sprachgenossenschaft, 

diesmal  aber  nur  in  aller  Kürze,  nur  schematisch,  in  Ta- 
feln und  Formeln   darstellen. 

I.  Divergenzen:    erstrecken    sich  auf   die    ganze     Sprache, 
entstehen  aber  spontan,  „von  sich  selbst",   auf  dem  We- 
ge  anthropophoni scher  Accomodation.     Einer    jeden  Pe- 
riode  des  Sprachlebeus    sind  andere  Divergenzen  eigen, 
obgleich    es    auch    allgemeinmensehliche ,    ewige    Diver- 
genzen giebt. 
II.  Correlationen   entstehen    aus  traditionellen  Altemationen. 
III.   Traditionelle    Alternationen    entstehen  entweder  aus  den 
einsprachigen   Divergenzen^    oder  aus  den   fremdsprachi- 
gen traditionellen  Alternationen. 
Eigensprachige  (heimische)        Fremdsprachige  Altenia- 
Divergenzen  tionen 

Traditionelle   Alternationen 
entweder  o^chen  in  den  Cor-  oder  bleiben  als  traditionelle 


relationszustand  über. 
Correlationen. 


Alternationen. 


i 

entweder  blei-    oder  treten  aus  dem  Correlationszustande  her- 
ben   als    Cor-    aus   und   werden   wieder   zu    traditionellen  Al- 
relationen,  ternationen. 

II — III.  Die  Phoncmc,  in  denen  traditionelle  Altemationen^ 
einfach  traditionelle,  sowie  auch  traditionell-psychopho- 
uetische  (Correlationen)  —  zum  Ausdrucke  gelangen,  raus- 


-  111  - 

sen  sich  gleichzeitig  den  divergenziouellen  oder  anthropo- 
phonischen  Forderungen  der  betreffenden  Periode  des 
Sprachlebens  fügen. 

Geschichte  der  Alternationen,  ausgedrückt  in  Formeln, 

genauer  gesagt,  in  Formelskeletten. 

Es  mögen  bedeuten: 

X .  .  .  das  Phonem  im  allgemeinen, 

x\  x" . .  .  verschiedene  Varietäten  eines  ursprünglich 
einheitlichen  Phonems,  oder  durch  verschiedene  Nuancen  (Schat- 
tierungen) sich  untereinander  unterscheidende,  alternierende 
Phoneme, 

/.  .  .  Abhängigkeit,  causalen  Zusammenhang, 

F...  die  höchste  Stufe  der  Abhängigkeits-Steigerung, 

d  .  .  .  veränderlichen  (variablen)  phonetischen  Unterschied 
alternierender  Phoneme, 

A  . .  .  einen  gewissen  constanten  (stätigen)  oder  bestimm- 
ten Unterschied  alternierender  Phoneme, 

\ . .  .  ein  Wort  mit  alternierendem  Phoneme  im  allge- 
meinen, 

>/,  X"  .  .  .  Worte,  zu  deren  Bestandteile  die  alternieren- 
den Phoneme  gehören, 

]j. .  .  .  das  Morphem  mit  dem  alternierenden  Phoneme  im 
allgemeinen; 

jj/,  ]j1'  .  .  .  Varietäten  (Modificat'onen)  des  einheitlichen 
Morphems,  alternierende  Phoneme  enthaltend, 

V,  v',  v"  .  .  .  andere  Morpheme  desselben  Wortes, 

<p  .  .  .  anthroponische  Causalität,  anthropophonische  Be- 
dingungen im  allgemeinen, 

<p',  (p"  .  .  .  verschiedene  anthropophonische  Bedingungen, 
von  denen  Divergenz  oder  ncophonetische  Alternation  abhängt, 

'i/  .  .  .  psychische  Causalität  im  allgemeinen ,  psychische 
Nuance  (Schattierung)  im  allgemeinen,  Bedeutung, 

']J ,  'i^"  .  .  .  verschiedene  psychische  Nuancen,  an  der  Cor- 
relation  oder  psychophonetischen  Alternation  haftend, 


-  11^  - 

ff .  .  .    Tradition    (Überlieferung)    und    sprachlicb-socialen 
Verkehr  im  allgemeinen, 

n...  eine   gewisse  bestimmte    Steigerung   der  Tradition 
und  des  spracblich-socialen  Verkehrs  im  allgemeinen, 
II  .  . .   Alternation  im  allgemeinen, 

><  ...  Beseitigung  der  Alternation,  Mangel  der  Alter- 


nation, 
gende, 


Übergang,    Wandel    des    Vorangehenden    ins   Fol- 
Richtung. 


Mit  Hülfe  dieser  Zeichen 

a)  nimmt  das  Formelskelett  für  Divergenz  die  Gestalt 

x'\\X"=f{<f'\\0"), 

x' .  .  .  o'  II  x"  .  .  .  9"  an ; 

b)  das  Formelskelett  für  Correlation  sieht  so  aus : 

^-/{■^), 
x'\\x"=f{'l'^^f), 

x'  .  .  .  'l'  11  x"  .  .  .  d/" ; 

c)  endlich  nimmt  das  Formelskelett   für  traditionelle  Al- 
ternationen folgende  Gestalt  an : 

x'\\x"=f[l'^il"), 

x'  .  .  .  1'  \\  x"  . .  .  a". 
Der    gegenseitige    genetische    Zusammenhang    einzelner 
Alterna tionsclassen  aber,  wie  auch  ihr  historisches  Nacheinan- 
der lassen  sich  folgendermassen  ausdrücken  *) : 


*)  Dabei  werden  fremdsprachige  Altemationen  bei  seite  gelassen.  Es  ist 
aber  nicht  schwer,  diese  Lücke  auszufüllen.  Fremdsprachige  Alternationen 
entwickeln  sich  in  der  fremden  Sprache  auf  ganz  dieselbe  Weise,  wie  ei- 
gensprachige (heimische)  Altemationen  in  der  Sprache  selbst,  deren  Analyse 
uns  beschäftigt :  sie  beginnen  dort  mit  dem  embryonalen  Zustande,  gehen  erst 
in  den  Zustand  der  Divergenz,  darauf  in  denjenigen  des  Traditionellen  über, 
welches  zuerst  einfach  und  später  (in  einigen  Fällen)  mit  der  Correlativität 


—    113   — 

1)  Im  embryonalen  Zustande 

X'  ,1  X"  =  f  (9'  II  9"), 
wobei 

d{x'—x")  =  0, 
aber  0  mit  einer  Tendenz  zum  Wacbsen,    zum  Mächtigerwer- 
den,   0,    welche  in  der  Kindersprache  eine  bestimmte  Grösse, 
A,  annimmt: 

d{x'—x")   =   ^. 

2)  Aus  diesem   Zustande  sind  zwei  Auswege  möglich: 
entweder 

9'  |i9"  -^  ?'><?", 

d.  h.  es  büssen  anthropophonische  Bedingungen  das  Vermögen 
ein ,  eine  Alternation  veranlassen  zu  können ,  und  in  solchem 
Falle  erlischt  die  embryonale  Alternation  im  Keime  (im  Em- 
bryo) : 

x'  II  x"  ^  x; 

4)  oder  aber 

a''M'=/(?'il?") 
wächst ,  wird  mächtiger  und  befestigt  sich ,  so  dass 

d{x'  —  x")  =A 
auf  dem  ganzen  Gebiete  der  betreffenden  Sprache,  in  der  Spra- 
che der    ganzen    Spracligenossenschaft ,  bei  allen  diebetreffen- 
de Sprache  redenden  Individuen  Anwendung  findet.  Es  ist  der 
Zustand  reiner  Divergenz  oder  neophonetischer  Alternation. 


oder  mit  dem  psychophonetischen  Charakter  verbunden  ist.  In  einem  von 
diesen  letzten  Zuständen,  d.  h.  entweder  in  dem  Zustande  des  einfach  Tra- 
ditionellen ,  oder  in  demjenigen  der  Correlativität  ,  werden  sie  von  der 
Sprache  entlehnt,  deren  Alternationen  wir  In  dem  gfegebenen  Augenblicke 
betrachten,  und  diese  Sprache  verfährt  mit  ihnen  auf  die  ihr  eigene  Weise. 
Endlich  ist  die  Entstehung  einer  fremdeigensprachigen  Altemation  möglich, 
wo  ein  Glied  aus  der  fremden  Sprache  entlehnt,  ein  anderes  aber  auf  dem 
heimischen  Boden  gewachsen  ist;  aber  auch  auf  solche  Alternation  findet 
dasjenige,     was  sogleich    entwickelt    werden    wird,     seine  volle  Anwendung. 

8 


—  tu  — 

4)  l3ieser  Zustand 

verändert  sich  nach  und  nach  in 

^'11  :»"  =  /'(?' II  ?")+/(-), 
wo 

-  =  o  «.  n, 

d.  h.  wo  die  Kraft  der  Tradition  zwischen  Null,  0,  und  einer 
gewissen  bestiiDmten  Spannung,  D,  schwankt;  den  Umes 
der  Schwäcliung  der  Tradition  bildet  hier  0. 

Wir  haben  hier  augenscheinlich  mit  einem  schwanken- 
den Zustande  zu  thun ,  wo  für  gewisse  Individuen  die  betref- 
fende Alternation  rein  neophonetisch  oder  anthropophonisch  ist, 

x'  )^x'=f  ((p'  I!  o'), 

bei  anderen  Individuen  erhält  sie  schon  auch  das  Merkmal 
des  Traditionellen , 

^'l|a:"=/(9'll9")-f/(n), 

bei  den  anderen  endlich  schwankt  sie  zwischen  dem  einen 
und  dem  anderen ,  indem  sie  bald 

x   \\x"  =f  {r^'  \\^"), 
bald  wieder       x'  ||  x"  =f  (o'  ||  o")-f /(:r)     ist, 

Avo  TT  einen  variablen,  bald  wachsenden  (zunehmenden),  bald 
abnehmenden  Wert  hat. 

5)  Endlich  setzt  sich  der  Zustand 

X'  \\x"^f{^'   II  (p")  +  /(7:), 
wo       77  =  11, 

fest,  d.  h.  es  entsteht  eine  Divergenz  oder  neophonetische  Al- 
ternation, welche  zugleich  auch  von  der  Tradition  und  von 
dem  sprachlich-socialen  Verkehr  im  allgemeinen  unterstützt 
wird. 

6)  Aber 

/('/  II  ?") 
fängt  an  schwächer  zu  werden  und  in  den  Zustand  der  Schwan- 
kung,  der  Oscillation  zwischen  F  und   0  überzugehen,  wo   F 


—    115    — 

die  höchste  Stufe  der  Abhängigkeitssteigerung  und  0  vollkom- 
menen Schwund  der  Abhängigkeit  bezeichnet: 

In  solchen  Umständen  bewahrt  bald  die  betreffende  Alter- 
nation beide  Charaktere,  sowohl  den  anthropophonischen  oder 
neophonetischen ,  als  auch  den  traditionellen,  bald  wieder  ver- 
liert sie  den  ersten  von  ihnen,  indem  sie  sich  mit  dem  letzteren, 
dem  traditionellen,  begnügt.  Mit  anderen  Worten:  die  betreffen- 
de Alternation  erscheint  bald  als  anthropophonisch-traditionelle, 
als  traditionelle  Divergenz ,  bald  als  einfache  traditionelle  Al- 
ternation, indem  sie  zwischen  den  Zuständen 

^  II  a:"=/(9  II  'f")+/(^) 
und         X  II  x"  =^  f{Tz) 

schwankt. 

7)  Zuletzt  wird  endgiltig  bei  allen  Individuen  der  be- 
treffenden Sprachgenossenschaft 

/(9'||o")  =  0, 

d.    h.    die    anthropophonische    Abhängigkeit    der    betreffenden 
Alternation  reduciert  sich  zu  Null  (0),    schwindet.    Und  dann 

£c'lia;"  =  y(7r). 

Da  aber  der  Factor  der  Tradition  und  des  sprachlich- 
socialen  Verkehrs  im  allgemeinen  (hier  mit  ~  bezeichnet)  ein 
einheitlicher  und ,  als  solcher,  ein  unteilbarer  Begriff  ist ,  so 
können  wir  nur  durch  Substituieren  irgend  eines  Aequivalenten, 
welcher  sich  in  die  untereinander  alternierenden  Teile  zerle- 
gen lässt,  erklären ,  dass  die  phonetische  Alternation  erhalten 
wird.  Ein  solcher  zerlegbarer  Aequivalent  ist  Association  mit 
den  Formen  oder  Worten,  zu  deren  Bestände  die  alternieren- 
den Phoneme  gehören,  so  dass  -  gerade  diese  A^aQciation  be- 
zeichnen und 

sich  in 


—  llß  - 

/(VllV) 

verwandeln  wird. 

Und  80  erbalten  wir 

X  \\x'  =/(V|i  V). 

Da  aber  gewöbnUcb 

\  =  [J.  +  V, 

so  zerlegt  sieb  folglich 

V  II X' 
in 

K  +  V  II  p/'+v", 
und 

a:'iia;"=/(X' II  V) 
verwandelt  sieb  in 

X  II  a;"=/({A'+v'  |i  t^-"4-v")- 

8)  Von  diesem  Alternationszustande  fübren  drei  Wege  in 
drei  verschiedenen  Richtungen: 

Entweder  verleihen  in  den  vereinzelten  Formen,  bei  den 
nicht-typischen  Alternationen  die  zugefügten  Morpheme  v',  v" 
den  Ganzen 

ein  ganz  besonderes  Gepräge,  so  dass  diese  Ganzen  anfangen, 
als  vollkommen  verschiedene  Worte  gefühlt   zu  werden,    und 

x  ii£c"=/((y/+v'  II  [x"+v") 

sich  ganz  einfach  in 

xXx' !7/-l-v'><a"-|-v", 

{xV)  +  v'><a"(a;")+v" 

verwandelt,  was  augenscheinlich  zur  Bereicherung  des  Wort- 
schatzes der  betreffenden  Sprache  führt 

[z.  B.  poln.  k  a  s  -  a  c  (beissen)>  <c  z  e  s  -  c  (Teil) ,  c  e  -  n  -  a 
(Prei3)><czy-t-ac  (lesen),  w-styd  (Seham)><studz-ic 
(kalt  machen) ,    nhd.  b  -  a  n  g  -  e>  <e  n  g ]. 

9)  Oder  wieder  gewinnt  die  den  beiden  die  alternierenden 
Phoneme  enthaltenden   Varietäten    eigene   Bedeutungs-Einheit- 


—    117    — 

lichkeit,  y,  die  Oberband  über  die  Alternation  von  Vorstel- 
lungen besonderer  pbonetischer  Gestalten 

oder  [^-'+^'  II  F'"+^"5 

und  dieser  Sieg  der  psychischen  Einheitlichkeit  'l  über  die 
Spaltung 

muss  eine  Tendenz  nach  Beseitigung  alternationeller  Unter- 
schiede durch  Assimilation  hervorrufen.  Mit  anderen  Worten: 
die  Einheitlichkeit  der  den  beiden  Varietäten  des  Morphems 
[I.,  ebenso  der  Varietät  [7/,  Avie  auch  der  Varietät  [>.", 

eigenen  Bedeutung  überwiegt  die  Verschiedenheit,  welche  dem 
Worte  durch  andere  sich  mit  diesen  Varietäten  verbindenden 
Morpheme , 

v'  II  v", 

verliehen  wird ,  so  dass  der  Unterschied  zwischen  y.'  und  a", 
wie  auch  zwischen  x'  und  x"  jedes  raison  d'etre,  jede  psychi- 
sche Berechtigung  verliert ,  und 

y/  11  [X"^  y.. 

Da  aber  in  ty/  das  x'  und  in  y''  das  x"  enthalten  ist,  so  selbst- 
verständlich auch 

X'  II  x"  ^  X 


(genauer : 


oder 


y.'wy/'  =^  y:  II  y:=y.', 
X  11  x"  ^X'  11  X  =  X', 

y!  11  y."  ^  y."  \\  y!' =.  y.'\ 
x'  \\X"^X^'  \\Xf'=  x'\ 

was  schliesslich  auf  eins  herauskommt) , 

d.  h.  es  erfolgt,  auf  dem  Wege  morphologisch -phonetischer 
Assimilation,  eine  phonetische  Ausgleichung  phonetisch  diffe- 
renzierter Morpheme    überhaupt,    und    insbesondere  eine  Aus- 


—    118    — 

gleichung  alternierender  Plioneine,    welclie  zum  Bestände  die- 
ser Morpheme  gehören. 
[Pohl,  czoi-o  I  czel-e^czoJ-o  |  czol-e    (Stirn), 

sian-o  |  sieni-e^sian-o  j  siani-e  (Heu), 

bior-Q    j    bierz-e^bier-§    (nehme)    |    bierz-e 
(nimmt), 

gluch-y  I  giech-nac-igi'uch-y  (taub)  |  gl  u  c  h  - 
-  n  a  c  (taub  werden), 

dzwek      I      dzwiecz-ec    ^-    dzwi§k     (Klang) 
I  dzwiecz-ec  (klingen) J 

10)  Oder    endlich    associiert    sich    stätig    der    den    Ver- 
bindungen 

d.   h.  [a'+v']  'V  „  [a"  +  v"J  ■:", 

eigene  psychische  Unterschied 

^'  II  ^" 
mit  dem  Unterschiede 

x'  11  x'\ 

und  infolge  dessen  erhalten  wir  die  Correlation 

a;'„:r"  =  /([f;/+v']'i;',|[a"+v"]'}"), 
und  dieses  zerlegt  sich  in 

X'  II  x"=f{^:^^'  ,1  {x"+v")+f  ('1'  11 '/) , 

wo  a;' 11  x"     ebenso    /(y/+v' n  p,"+v"), 

wie  auch  /(-y  h  (L")  ist. 

1 1)  Da  zur  Ent Wickelung 

a^'i,aj"=/(y,i^") 

jedes  Individuum  selbstständig,  mit  eigenen  Ki'äften  gelangen 
muss,  da  infolge  dessen  dieser  Zusammenhang 

x',ia;"=/(yil'r) 
sich  in  einem   Zustande  beständiger  Schwankung  befindet,    so 
dass  wir  dem  Ausdrucke 

/(V  lif) 
eine  veränderliche    Geltung    mit    den    limitea  0    (Null)  und  F^ 


—    119    — 

/(^'iif)  =  0^i^ 

[wo  F  die  höchste  Steigerungsstufe  dieser  Abhängigkeit  be- 
zeichnet], 

zuschreiben  müssen,  da  ferner  in  den  Anfängen  des  Hervor- 
kommens dieser  Abhängigkeit, 

dieselbe  noch  schwächer,  näher  überhaupt  der  Null ,  als  der 
Grösse  F,  ist,  und  in  der  Fulge  in  einer  Reihe  von  Genera- 
tionen wächst  (zunimmt)  und  schliesslich  den  Culrainations- 
punkt ,  F,  erreicht , 

da  aber  die    soeben   erwähnte    Schwankung    nie  aufhört, 
und  da    in    solchen    Bedingungen  jener   causale    Zusam- 
menhang ,    nachdem    er    den    Culminationspuukt    erreicht    hat, 
rückwärts  umkehren  und  mit  der  Zeit  nach  und  nach  schwä- 
cher werden  muss, 

so  verwandelt  sich  schliesslich 

/(-y  II  ^")  in  0, 
und  der  Zusammenhang 

X'  „  a;"=/(t;;-f  V'  I,  p."+v")-f /-('l'  II  ^") 

kehrt  zum  früheren  Zusammenhange  einer  einfachen  traditio- 
nellen Alternation  , 

^'llic"  =  /(|/+v',|f;/'+v"), 

oder,  allgemeiner  ausgedrückt, 

X'  II  x"==f{T:). 

12)  Ein  solcher  Zusammenhang  muss  mit  der  Zeit  einen 
von  den  oben  gezeigten  Wegen  gehen,  welche  von  den  tradi- 
tionellen Alternationen   betreten  werden ,  d.  h.  sich  entweder  in 

oder  wieder  in 

X'  II  x'  =  x\ 
respective  x"  \\  x"  =  x"^ 

verwandeln. 


i^io 


t)er   dritte    Weg,    d.  h.    eine  Rückkelir  zu   dem  Zusam- 

meuliange 

cc'„a:"=/(<L'i,^"), 
ist  schon  unmöglicli. 

Der  erste  Weg,  d.  h.  der  in  der  Formel 

p;(x')+v'><{./'(a;")+v" 

ausgedrückte  Schwund  des  alternationellen  Zusammenhanges, 
bildet  einen  Übergang  zu  dem  Zustande  einer  überlebenden 
(rudimentären)  Alternation,  zu  dem  Zustande  einer  Ex-Alterna- 
tion :  Es  sind  zwar  die  phonetischen  Unterschiede  erhalten  wor- 
den, aber  der  alternationelle  Charakter  dieser  Unterschiede, 
ihr  etymologischer  Zusammenhang  hat  aufgehört  zu  existieren. 
Der  zweite  Weg  aber,  d,  h.  die  Beseitigung  phonetischer 
Unterschiede  mittelst  Assimilation,  die  Beseitigung,  deren  Re- 
sultat sich  in  der  Gestalt 

II        I 

X   II  £C  =    iC , 

respectwe  x"  \\  x"  =  x" ^ 

ausdrückt,  gleicht  einer  endgiltigen  Verwischung  jeglicher 
Spur  des  alternationellen  Charakters. 

Ein  ähnliches  Schicksal  steht  mit  der  Zeit  Alternationen 
jeder  Art  bevor,  nur  dass  ihr  Schwund  in  verschiedenen  Sta- 
dien ihrer  Entwickelung  erfolgen  kann.  Wie  Menschen  und 
andere  lebende  Wesen  in  verschiedenem  Alter  zugrunde 
gehen  können,  vom  embryonalen  Zustande  angefangen  bis 
in's  vorgerückte  Greisenalter  hinein,  ebenso  können  alternatio- 
nelle Beziehungen  in  verschiedenen  Stadien  ihrer  Entwicke- 
lung schwinden.  Aber  es  pflegt  in  verschiedenen  Stadien  eine 
verschiedene  Art  und  Weise  der  Beseitigung  vorzukommen; 
wenigstens  kann  man  bemerken,  dass  in  den  ersten  Anfängen 
die  Mamiigfaltigkeit  der  Beseitigungswege  geringer  ist,  als 
später. 

Ebenso  embryonale  Alternationen,  wie  auch  Divergen- 
zen, d.  h.  jedes  traditionellen  Charakters  bare  anthropophoni- 
sche  Alternationen,  können  nur  auf  eine  einzige  Art  und  Weise 
beseitigt  werden: 


-    121    - 

a:'iia;"=/((p'ii9") 
—  x\\x   =  X. 

Die  traditioiiellen  oder  paläophoiietischen  Alteniationen 
aber,  —  mögen  dieselben  aus  den  neophonetischen  Alterna- 
tionen oder  Divergenzen,  selbstverständlich  durch  das  Ver- 
mittelungsglied  der  Divergenz  im  Zusammenhange  mit  dem 
Traditionellen,  entstanden  sein,  oder  hinter  sich  eine  viel  rei- 
chere Geschichte  haben,  d.  h.  das  Durchmachen  der  Stadien 
der  einfachen  Divergenz,  der  mit  dem  Traditionellen  verbun- 
denen Divergenz^  des  einfach  Traditionellen,  des  mit  dem  cor- 
relativischen  oder  psychophonetischen  Charakter  verbundenen 
Traditionellen  und  schliesslich  des  zurückgekehrten  einfach 
Traditionellen,  —  solche  Alternationen  pflegen  auf  beide  oben 
genannten  Weisen  beseitigt  zu  werden,  ebenso  mittelst 

wie  auch  mittelst 

x'  \\x"  =^x\ 
respective  x'  \\  x"  n.  x" , 

wobei  die  zweite  Weise  eine  Mannigfaltigkeit  bietet:  entwe- 
der x'  schwindet  und  x'  bleibt,  oder  umgekehrt  schwindet  x 
und  bleibt  x" . 

Wir  sehen  also,  dass  der  Mephistopheles-Spruch 

alles ^  was  entsteht^ 

ist  wert^  dass  es  zugrunde  geht 

auch  auf  die  Alternationen  seine  volle  Anwendung  findet. 
Wenn  aber  die  einstmal  entstandenen  Alternationen  ohne  jeden 
Ersatz  nur  zugrunde  giengen ,  würde  die  Sprache  zuletzt  der- 
selben vollständig  beraubt  werden.  Indessen  bemerken  wir 
in  keiner  Periode  des  Sprachlebens  einen  absoluten  Mangel 
an  Alternationen.  Wie  ist  dieses  zu  erklären  ? 

Die  Erklärung  schöpfen  wir  aus  dem  Gebiete  unserer 
Beobachtung. 


122 


Während  die  früher  entstandenen  Alternationen ,  nach- 
dem sie  eine  gewisse  Reihe  von  Evolutionen  durchgemacht 
haben ,  schliesslich  zugrunde  gehen ,  trocknen  die  Entsteh- 
ungsquellen neuer  Alternationen  nie  aus.  Infolge  dessen  findet 
eine  unaufhörliche  Arbeit  der  Reconstruction  alternationeller 
Beziehungen  statt,  als  deren  Resultat  immer  neue  Alternations- 
schichten  zum  Vorschein  kommen. 

In  jedem  Spraehzustande  erfolgen  irgend  welche  anthro- 
pophonische  Veränderungen,  irgend  welche  Accomodationen 
der  Phoneme  an  die  anthropophonischen  Bedingungen ,  und 
darauf  gehen  die  Wirkungen  dieser  Accomodationen  von  Ge- 
schlecht zu  Geschlecht  auf  dem  Wege  der  Tradition,  der 
Überlieferung  über,  bis  endlich  die  Wirkungen  der  in  den 
vorhergehenden  Perioden  vollzogenen  Arbeiten  durch  neue 
Wandlungen  beseitigt  werden. 


Berichtigungen. 


Seite. 


Anstatt: 


Lies: 


22 

3  V.  u. 

Entweder  sind  alle  Alter- 

Alle   Alternationen  ohne 

nationen    olme 

Ausnah- 

Ausnahme    sind    ent- 

me 

weder 

66 

3  V.   0. 

bei  den  rein 

bei  den  rein 

„ 

4   T.    u. 

vom  anderen 

von  einem  anderen 

Ott 

U  V.  0. 

Correlationen  für 

diese 

Altemationen  fni  diese 

71t 

ft   V.    u. 

CS  kann  folgende 

kann  es  folgende 

108 

13—14  V.  0. 

Diver-g  nz 

Diver-genz 

n 

lä            „     „ 

u  ä 

u.  ä. 

109 

3  V.  0. 

in  der  letzten 

in  der  letzteren 

INHALTSÜBERSICHT. 

Seite 

Vorwort HI 

Einleitung 1 

Erklärung  und  Definition  einiger  termini 9 

Erklärung  von  Zeichen  und  Abkürzungen 10 

I.  CAPITEL.     Definition  der  Alternation  und  der  Alternanten. 

Herleitnng   des   Begriffs  der   Alternation    auf  etymolo- 
gischem   und   auf   phonetischem    Wege.    Ursprüngliche 

Ursache  jeder  Alternation 11 

Herleitung  des  Begiüffs  phonetischer  Alternation  und  phonetischer 

Alternanten  auf  etymologischem  Wege 12 

Herleitung  des  Begriffs  der  Alternation    auf  phonetischem  Wege    .       16 
Ursachen    der    Alternationen 21 

II.  CAPITEL.     Classification  der  Alternatiouen  und  Alternanten       22 

I.  Classificationen   der  Alternationen  vom   Standpunkte   ihrer   Cau- 

salität 22 

II.  Classificationen  der  Alternationen  vom  Standpunkte  des  Zusam- 
menstosses  oder  der  CoUision  verschiedener  Strebungen  (Ten- 
denzen)   27 

III.  Classificationen  der  Alternationen  vom  Standpunkte  ihrer  Ge- 
nesis, vom  Standpunkte  ihrer  Entfernung  von  der  causalen 
Quelle 28 

Wendepunkte    in    der  Geschichte    vrtn    Alternationon    und    die 

darauf  bezüglichen   Formeln 31 

IV.  Classification  phonetischer  Alternanten  und  Alternationen  vom 
Standpunkte  der  Art  und  Weise  ihrer  etymologischen  Ver- 
wandtschaft     35 

V.  Classificationen  phonetischer  Altornationen  vom  Standpunkte 
der  Einfachheit  oder  der  Zusammengesetztheit  (Compliciert- 
heit)  der  Zusammenstellungen 37 


-    124   — 

Seite 

III.  CAPITEL.     Alternatioiien,    betrachtet    vom    Standpunkte 

anthropophonischer  Causalität.  Analyse  verschiedener 
Chissen  und  deren  charakteristische  3Ierkniale.  Diver- 
genzen        42 

Merkmale  der  Divergenz 47 

Verschiedene  Grade   und  Yarietüten  neophonetischer  Alternationen       50 

IV.  CAPITEL.    Correlationen  oder  psychophonetische  Alterna- 

tionen    52 

Charakteristische  Merkmale  der  Correlation  und  der  Correlative    .  59 

Eigensprachige  und  fremdsprachige   Correlationen 63 

Unter  dem  Einflüsse  des  Bewustseins  und  der  Willkiihr  entstehende 

Correlationen 63 

Verschiedene  Schichten  von  Correlationen 64 

V.  CAPITEL.     Traditionelle   Alternationen 65 

Merkmale  traditioneller  Alternationen 70 

VI.  CAPITEL.      Fremdsprachige,    d.    h.     unter    dem    Einflüsse 

einer  anderen  Sprache  entstandene  Alternationen  ...  72 

Charakteristische    Merkmale  fremdsprachiger  Alternationen  ...  80 

VII.  CAPITEL.     Keimende  (embryonale)  Alternationen.     ...  81 
VIU.    CAPITEL.     Gegenseitiger    Zusammenhang    verschiedener 

Alternationsclassen.  Stufenweiser  Übergang  einer  Classe 

in  eine  andere 89 

I.  Historisches  Nacheinander  verschiedener  Alternationszustände 
in  der  Stammessprache  (in  der  Sprache  einer  ganzen  Sprach- 
genossenschaft)     92 

II.  Die  Enstehung  der  Alternationen  in  der  individuellen  Sprache, 
besonders  aber  in  der  Kindersprache 106 

Tafeln  und  Formeln,  welche  das  historische  Nacheinander  ver- 
schiedener Alternationszustände  und  den'  Übergang  eines  Zu- 
standes  in  einen  anderen  in  der  Sprache  einer  ganzen  Sprach- 
genossenschaft darstellen  sollen 110 

Geschichte  der  Alternationen,  ausgedrückt  in  Formeln     ....     111 
Schluss 121 

Berichtigungen       122 


-»-^5e>_c- 


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