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VERSUCH EINER THEORIE
PHONETISCHER ÄLTERNÄTIONEN,
CAPITEL AUS DER PSYCHOPHONETIK.
Von
J.^laudoüin de Courtenay.
33-
Af- "
STRASSBURG.
COMMIS.SIOXSVERI.AG VON KARL J. TRÜBXER,
1895.
Krakau (Krakow). riiiversitäts-Buchdruckerei. Geächäftsleiter A. >[. Kostevkiewicz.
?rinted in Gciijiaa
VORWORT.
In dem XX. Bande der von der Krakauer Akademie der
Wissenschaften herausgegebenen ^Rozprawy WydzicUa filolo-.
fficzneffo* (Abhandlungen der philologischen Classe), 1894, gr.
8°, S. 219 — 364, habe ich eine grössere Arbeit, ^Proha teorji
alternaci/j fonetycznych<^ (auch als Sonderabdruck erschienen),
veröffentUcht. Dem Reglement gemäss, sollte ich auch einen
kurzen, deutsch oder französisch verfassten, Auszug für den
>Anzeiger« {respective »Bulletin«) der Akademie liefern.
Da es mir aber notwendig schien, auch die Einzelheiten der
Darstellung und den Gang meiner Beweisführung, insbesondere
aber die von mir aufgestellten Formeln, den des Polnischen
nicht mächtigen Fachgenossen zugänglich zu machen, so musste
ich den maximalen Umfang eines solchen Rösume's bei weitem
überschreiten und anstatt eines kurzen Referats eigentlich eine
ausführliche deutsche Bearbeitung desselben Stoffes geben. Dessen-
ungeachtet wurde mein ganzes Manuscript Anfang JuU 1894 von
der Redaction des »Anzeigers« anstandslos angenommen, auf
Anordnung derselben bis zu Ende gesetzt, und von mir, unter
liebenswürdiger Mitwirkung des Herrn Cand. Mag. St. Rosznecki,
sorgfältig corrigiert; dann wurde beinahe die Hälfte des Salzes
mit der Pagination und mit den Überschriften des »Anzeigers<
versehen und meine deutsche Orthographie geändert und der-
— IV
jenigen des »Anzeigers* ülinlich geinafhl. Auf einmal aber wurde
mir Ende Oclober gesagt, dass eine solche umfangreiche Abhand-
lung in den »Anzeiger« (dessen einzelnes Heft vier Druckbogen
unter keiner Bedingung überschreiten dürfe und nur 40 Kreuzer
kostet) aufzunehmen geradezu unm()glich sei. Und es ist wirk-
lieb ein »Anzeiger« für eine Abhandlung, die so viel Mühe
gekostet, kein geeigneter Platz. Darum entschloss ich mich,
dieselbe in der Form eines besonderen Büchleins herauszugeben,
trotzdem dass damit eine mühselige, wenig erspriessliche und
zeilraubende Arbeit der Umwandlung des referierenden Stils in
einen direct darlegenden, der dritten Person in die erste, des Aus-
drucks »der Verfasser« in »ich«, ferner der Teilung in einzelne
Capitel u. s. w. verbunden war. Alles dieses musste ich an dem
schon fertigen Satze durchführen.
Die Entstehungsgeschichte dieses Schriflchens erklärt uns
gleichzeitig, warum ich meine Beispiele vorwiegend dem Polni-
schen entnehme und dieselben meist ohne Übersetzung anführe.
Wenn ich meine deutsche Bearbeitung ganz unabhängig von
ihrer polnischen Vorlage verfasst hätte und nicht gezwungen
wäre, blos ein Anzeiger-R^sumö in ein selbstständiges Werkchen
umzuwandeln, würde ich mich nach einer grösseren Auswahl
von Beispielen aus verschiedenen Sprachen umgesehen baben.
Ich glaube aber, dass auch meine polnischen Beispiele ganz
hinreichend sind und dass ein jeder im stände sein wird, die
allgemeinen Gesichtspunkte meiner Arbeit an jeder anderen
beliebigen Sprache zu prüfen.
Der Zusatz zum Titel, >Ein Capitel aus der Pst/cho-
phonetik'^, kUngt etwas prätentiös; ich wollte aber damit
nur zeigen, dass ich mich zu derjenigen Richtung in der Sprach-
wissenschaft bekenne, welche in allen sprachlichen Erscheinun-
gen in erster Reihe den psychischen Factor erblickt.
Einem Anfänger oder auch sonst einem an ähnliche Aus-
einandersetzungen nicht gewohnten Leser würde ich raten, die-
ses Büchlein nicht von Anfang his ans Ende ohne Unterbre-
chung, sondern viehnehr in folgender Reihenfolge durchzuneh-
men: Nach der »Erklärung und Definition einiger tennini tech-
nici* und »Erklärung von Zeichen und Abkürzungen« (S. 9 — 10)
gleich das Capitel I. (S. 11—22) aufmerksam durchzulesen,
dann das Capitel II. bei Seite zu lassen und zum Capitel III.
(S. 42 ff.) direct überzugehen und nach ihm vier folgende
Capitel, IV — VII. (S. 52 — 88), nacheinander durchzuarbeiten.
Nach dem Capitel VII. wolle man sich mit der Einleitung
(S. 1 — 9), nach derselben mit dem Capitel II. (S. 22 — 42; und
schliesslich mit dem Capitel VIII. (S. 89 — 122) bekannt machen.
J. B. de C.
Krakau (Krakow), im Januar 1895.
EINLEITUNG.
"^^orderhand gebe ich nur den ersten Teil meiner Arbeit.
Der andere Teil soll umfassen: 1) eine Analyse der Be-
dingungen , in welchen Alternationen enstehen , 2) eine Clas-
sification der Alternationen , ebensowohl zur Zeit ihrer Ent-
stehung, wie auch 3) während ihres Weiterbestehens, wo sie
sich blos auf dem Wege der Überlieferung und des sprach-
lich-socialen Verkehrs erhalten , 4) den Hinweis auf verschie-
dene Arten der Utilisation von Alternanten zu psychisch-sprach-
lichen Zwecken , 5) Bestimmung der Grenzen oder Limiten,
zu welchen die Alternationen während ihrer Bewegung nach
verschiedenen Richtungen gelangen können, 6/ Analyse ver-
schiedener Alternationsschichten , 7) Darstellung der Corres-
pondenzen (Entsprechungen) von Alternationen, d. h. derjeni-
gen Alternationen, welche sich in verschiedenen Sprachen
gegenseitig entsprechen. Ausserdem beabsichtige ich: 1) die
Alternationen des Altindischen, 2) diejenigen Alternationen
der arioeuropäischen (indogermanischen) Sprachen, welche ihren
Ursprung dem gemeinsamen arioeurop. Zustande verdanken,
3) die allen slavischen Sprachen gemeinsamen Alternationen
besonders darzustellen.
^
i)ie etymologische Verwandtschaft der Sprachlaute wurde
schon seit lange her, etwa seit der Zeit bemerkt, als man be-
gann, sieh mit den grararaatisehen, vorzugsweise aber mit den
phonetischen Fragen ernsthaft zu beschäftigen.
Am höchsten haben sich hier die indischen Grammatiker
erhoben . indem sie eine höchst feine Lehre einerseits über
„S a n d h i - Gesetze", anderseits aber über „G u n a -" und
„V r d d h i -" entwickelten. Es gebrach aber den indischen
Grammatikern am historischen Sinne , so dass sie weder die
stufenweise Entwickelung, noch das historische Nacheinander,
noch schliesslich die Chronologie im allgemeinen verstehen
konnten. Infolge dessen liegen die von ihnen gewonnenen Re-
sultate, so zu sagen, auf einer einzigen zeitlichen Fläche: al-
les geschieht dort gleichzeitig , als ob es weder Vergangenheit,
noch Gegenwart, noch Zukunft gäbe. Daher auch dieser rein
mechanische Charakter grammatischer Regeln: wir finden
dort ausgezeichnete Recepte für Bildung von allerlei gramma-
tischen Formen , würden aber umsonst eine rein wissenschaft-
liche Erklärung über Art und Weise der Entstehung dieser
Formen suchen.
Die Begriffe G u n a - und V r d d h i - sind in die euro-
päische Grammatik unter dem Namen Ablaut, Lautstei-
gerung od. ähnl. übergegangen , die Lehre von den phone-
tischen Veränderungen aber erreichte heutzutage eine hohe
Stufe der Vervollkommnung. Obwohl die europäischen Sprach-
forscher von den Ansichten der indischen sehr abhängig sind,
übertreffen sie doch dieselben dadurch, dass sie erstens in ihre
Forschungen den Begriff der Chronologie eingeführt haben und
ihn mehr oder weniger geschickt anwenden, zweitens aber
dass sie ihre Schlüsse auf eine viel breitere , „vergleichende"
Grundlage stützen, indem sie ihren Stoff aus dem Gebiete
vieler, nicht nur historisch verwandten, sondern auch einan-
der fremden Spi'achen schöpfen.
Nach den Resultaten der neuesten Lautlehre wird das
Verhältnis (die Beziehung) zwischen zwei verschiedenen, aber
— 3 —
etymologisch verwandten Lauten in ganz umgekehrter Ord-
nung aufgefasst, als es nach der Meinung früherer Sprachfor-
scher der Fall war: Dasjenige , was früher als das ursprüng-
liche galt , zeigte sich als das abgeleitete (secundäre), und um-
gekehrt. Ein besonders charakteristisches Beispiel dieser Verän-
derung der Anschauungen bildet die Beseitigung aus der Wissen-
schaft der sogenannten „Vocalsteigerung" und das Ersetzen der-
selljen durch das Verhältnis , welches in einer Schwächung des
stärkeren phonetischen Gebildes und im Schwunde eines ge-
wissen Teiles desselben besteht (F. d e S a u s s u r e, B r u g-
mann, ( ) s t h o f f , H ü b s c h m a n n und viele anderei.
Aber selbst in den neuesten sprachwissenschaftlichen
Werken werden die Alternationen als solche nur mittelbar
behandelt , denn auf dem ersten Plane steht ja noch immer
die Bestimmung phonetischer Veränderungen und die Fest-
stellung der historischen Priorität oder der Abgeleitheit des
betreffenden Sprachlautes. Ja noch mehr, es wird in diesen
Werken der Begriff selbst der Alternation oder des Neben-
einanders nicht genügend berücksichtigt. Eine der Arbeiten,
welche sich dem in der vorliegenden Abhandlung entwickel-
ten Begriffe der Alternation wohl am meisten nähern , da sie
vor allem die Thatsache der Alternation selbst constatieren, ist,
wie es scheint , Der Ablaut der Wurzelsilben im Litauischen
von August Leskien. Leipzig 1884. Der Ausdruck „Alter-
nation" aber, und zwar in dem von mir angenommenen Sinne,
kommt hie und da in modernen sprachwissenschaftlichen Wer-
ken vor. So spricht z. B. de S a u s s u r e (Memoire sur le
Systeme priinitif des royelles dans les langues indoeuropeen-
nes, Leipsick 1879. pg. 12): „Les langues italiques ont trop unifor-
mise la flexion verbale pour qu'on puisse s'attendre ä retrou-
ver chez elles 1' altern an ce des formes faibles et des formes
fortes".
Zu dem in der vorliegenden Abhandlung entwickelten Be-
griffe der Alter nation bin ich schon vor mehr als achtzehn
Jahren gekommen, nämlich zur Zeit, als ich meine Vorlesungen
über einzelne Parteien der vergleichenden Grammatik und der
1*
_ 4 _.
allgemeinen Sprachwissenschaft an der Universität Kasan und
an der dortigen Geistliehen Akademie eröffnete.
Die in den damals vorhandenen linguistischen Werken
übliche Behandlung phonetischer Unterschiede, welche in ei-
nem notwendigen Heraussuchen der „Übergänge" eines Sprach-
lautes in einen anderen , vor allem aber in der Feststellung
der „Lautgesetze" u. s. w. bestand, befriedigte mich nicht;
denn ich sah darin einerseits eine mangelhafte Berücksichti-
gung der Chronologie oder der Reihenfolge historischer Schich-
ten , andererseits aber eine ungenaue Formulierung der That-
sache selbst. Eine solche Thatsache aber ist in erster Reihe
das Nebeneinande r phonetisch verschiedener, aber ety-
mologisch verwandter Sprachlaute; und erst nach der Fest-
stellung der Thatsache soll man sich bemühen , ihre Ursache
zu entdecken.
Meine damaligen hierhergehörigen Ansichten habe ich
u. a. in „no;i,po6HaH nporpaiiiia jieKi;iH b 1876 — 1877 yi.
ro^y. KaaaHB, BapmaBa, 1878", pg. 56 — 61, 62 — 63, 85, in
„üo^poüHa^ nporpaMMa aeKaiii b 1877 — 1878 yi. ro/i,y.
KasaHb, Bapmasa, 1881", pg. 85, 86—88, 105—106, 145",
n „II31. ^leKuiii no .laTHHCKofi (IJoneTBKi. BopoHeact, 1893"
und sogar noch viel früher, in „Wechsel des s (s, s) mit ck
in der polnischen Sprache" (Beiträge zur vergl. Sprachforsch,
von Kuhn. VI. 221 — 222) (wo schon im J. 1868 diese Alter-
nation s ' ch „consonantische Steigerung, welche zur differen-
zierung der hedeutung benutzt wird'^ genannt wird), ausgespro-
chen oder blos in aller Kürze angedeutet. Meine diesbezügli-
chen Begriffe läuterten sich und präcisierten sich stufenweise.
In meinen russischen Vorlesungen wandte ich das russ. Wort
„Hepe^oBanie" (etwa Abwechslung) zur Bezeichnung des
Nebeneinanders in einer und derselben Sprache phonetisch ver-
schiedener und doch etymologisch verwandter Laute an.
Einer von meinen Kasaner Schülern, N. K r u s z e w-
s k i , welcher in seiner Habilitationsschrift „Ha6jiK);i,eHiii Ha/i,
Hd^KOTOpLIMH dfOHCTHHeCKHMH JIB.ieHiHMH, CBHSaHHBIMH C aKUCH-
Tvauiefi. Kasant. 1879" das in dem Rig-Veda vorkommende
— o —
Material zur Lehre über die durch den Einllusä der Accents
hervorgerufenen Ahernationen zusammengestellt hatte, gewann
eine klare und selbstständige Ansieht über ähnliche phone-
tische Erscheinungen und stellte dieselbe in der Einleitung
zu seiner Magisterschrift „K Bonpocy o ryn'fe. TIsc.i'fe^OBaHie
B oo.iacTH cTapocjiaBHHCKaro BOKajiHSMa. Oc. ott. h3 „PyccK.
<I>HjioJiorHqecKaro BicTHHKa." BapmaBa. 1881", wie auch in
der deutschen Bearbeitung dieser Einleitung. „ IJeher die Laut-
abweckslimg. Kasan 1881"^) in allgemeinen Umrissen dar.
Kruszevvski entwickelte die „Theorie" der Alternationen
bei weitem „philosophischer", inhaltsvoller und präciser, als ich
selbst es that, und zwar hauptsächlich infolge einer strengen
Anwendung der analytischen Methode; es lässt sich aber nicht
leugnen, dass Kr. blos eine andere, gediegenere Form dem
gegeben hat , was er von einem anderen erfahren hatte (Die-
ses bekannte auch Kr. selbst; s. „Ueber die Lautabwechslung"
Pg. !)•
An der von Kruszewski gegebenen Dar.stellungs weise der
Alternationentheorie wäre dies und jenes auszusetzen. Trotz aller
seiner Strenge und Zerlegungsmethode, liess Kr. doch manches
unbeaciitet, bestimmte die Grenzen zwischen den einzelnen Clas-
sen von Alternationen nicht genau genug, stellte solche angeblich
charakteristischen Merkmale einzelner Classen auf, welche als
charakteristisch gar nicht gelten konnten, dahingegen aber be-
merkte er andere Merkmale nicht, welche, als die für die gege-
bene Classe am meisten charakteristischen, in erster Reihe
erwähnt werden sollten. Dabei begieng Kr. hie und da einen
logischen Fehler, was aber alles, angesichts der Neuheit und
der Schwierigkeit des Gegenstandes, nicht Wunder nehmen
darf, besonders Avenn man erwägt, dass Kr. seine allgemeinen
*) Vgl. dazu die Kecensioii vcn Brugmann (Literar. Centralblatt,
1882, N. 12, pg. 401), wo jedenfalls die Behauptung nicht richtig ist, dass
„unter „Lautabwechslung" versteht der Verf. das, was man sonst ,,Laut'
Übergang" oder ..Lautwandel'" nennt',
- 6 -
Schlüsse vorzugsweise auf die Thatsachen aus dem beschränk-
ten Gebiete phonetischer Veränderungeti gestützt hatte, wel-
che durch die Palatalisation oder „Erweichung" der Conso-
nanten in der russischen Sprache hervorgerufen wurden.
Die Terminologie Kr.'s befriedigt nicht und kann heut-
zutage nicht beibehalten werden. Sonst gehören die beiden oben
erwähnten Schriften von Kruszewski , ebenso seine Magister-
schrift, wie auch seine Broschüre „Ueber die Lautabwechs-
lung", einer Zeit an, wo unter den Leuten, welche sich in
Kasan mit der Sprachwissenschaft beschäftigten, eine Nomen-
clatursucht, eine wahre Manie wütete, ganz neue und unge-
wöhnliche termini technici zu erfinden. Kruszewski
wusste in seinen Werken noch ein gewisses Mass in dieser
Hinsicht zu beobachten. Ungeheuere Dimensionen erreichte diese
Krankheit in meinen eigenen „H-feKOToptie oTfl^'kjihi „cpaB-
HBTe^iLHon rpaMMaTHKH" c.ioBHHCKHx JI3LIK0B. BapuiaBa
1881" (S.-A. aus dem „PyccKiö 4>HJiojror. B-fecTHiiK" V. 265 —
344), wo solche termini technici^ wie Cohaerenten,
Homogenen, Heterogenen, Monogenen und P o-
lygenen, Amorphität und secundäre Hete-
rogenität der ]\Iorpheme, amorphe Cor rela-
tive, Divergenz und anthropophonische Co-
haerenz, bewegliche Correlation und mor-
phologische Coincidenz, coincidente Corre-
lative, coexistente Correlative u. ä., beider
Leetüre dieses Schriftchens nur störend wirken können.
Aber, trotz dieser schrecklichen Anzahl von neu ge-
schmiedeten termini technici, findet man auch in dieser Schrift
einen gesunden Kern. Eine der bedeutendsten Neuerun-
gen (welche aber für mich selbst nichts neues darbot , da
ich dieselbe schon seit einigen Jahren in meinen Vorlesungen
entwickelte) war der Hinweis auf die Notwendigkeit, die ei-
gensprachigen Alternationen von den f r e m d-
sprachigen zu unterscheiden. Einen gewissen methodolo-
gischen Wert hatten auch: erstens die Unterscheidung der Be-
griffe Laut und Phonem^); zweitens , das Zusammen-
fassen der Begriffe Wurzel, Suffix, Praefix, En-
dung u. s. w. in einem gemeinsamen Namen , M o r-
p h e m ; drittens , die Unterscheidung der stufenweisen Zer-
gliederung der menschlichen Rede vom authropophonischen oder
physiologisch-akustischen und derjenigen vom morphologisch-
-semasiologischen Standpunkte aus; viertens, die Unterschei-
dung der stammhaften (primären) und abgeleiteten (secun-
dären) Alternationsglieder.
Fast gleichzeitig mit dieser Abhandlung erschien auch
meine andere Arbeit, „Otpbibkh h31> JieKn;in no (|)OHeTHK'fe
H >iop(|)o.ioriH pyccKaro üs&iKa, HHTaHHSixi. bi. 1880 — 1881
aKa/i,. ro;i,y bi> IlainepaT. KasancKOMt yHHBepciiTeT'fe. Ot^.
OTT. Hst „«I^H^iOriorHqecKHxi. SaHHcoKt". BopoHeact, 1882",
welche hauptsächlich einer Analyse der Divergenten der rus-
sischen Sprache gewidmet ist.
Der berühmte Orientalist, Dr. W. R a d 1 o f f (gegenwär-
tig Mitglied der Kais. Akademie der Wissenschaften in St.
Petersburg) ersetzt in seiner der Anwendung von Kruszew-
ski's Auseinandersetzungen auf die türkischen Sprachen ge-
widmeten Abhandlung „i^j'e Lautalter nation und ihre Bedeu-
tung für die Sprachentwickelung ^ belegt durch Beispiele aus den
Türksprachen (Abhandlungen des fünften internationalen Orien-
talisten - Congresses gehalten zu Berlin im September 1881.
Berlin 1882)" Aen ter minus „Lautabwechslung" durch L a u t-
a Iternation, die Alternationen der ersten Kategorie
nennt, ebenso wie ich, Laut-Divergenz, Divergen-
zen, Alternationen der zweiten Kategorie, d. h. , nach niei-
^) Indes unter dem Phonem verstand ich damals etwas anderes . als
ich es jetzt verstehe, und zwar verstand ich darunter diejenige Summe pho-
netischer Eigentümlichkeiten, welche bei den Vergleichungen , sei es im
Bereiche einer und derselben Sprache, sei es im Bereiche mehrerer ver-
wandten Sprachen, eine unteilbare Einheit dars^tellt. — Der Vorschlag, den
Namen Phonem, im Unterschiede von Laut, zu gebrauchen, rührt
von Kruszewski her.
- 8 —
tier jetzigen Terminologie traditionelle Alternationen , benennt
er Laut-Conipensation, conipensante Laute
(ein nicht ganz treffender Ausdruck), und schliesslich be-
schränkt er den Namen Oorrelation, Correlative,
wie es auch ich jetzt thue , blos auf die Alternationen der
dritten Kategorie.
In dem umlängst veröffentlichten Buche R. B r a n d t' s
„JleKuiH no HCTopHHecKOH rpaMMaTHRt pyccKaro üSLiKa, '^ih-
TaHHLiH PoMaHOMt EpaH;i,TOMt. BLinycKt 1. tX^oHeTHKa. Mo-
CKBa, 1892" finden wir auch ein Capitel, betitelt „"^epe/^o-
Banie seyKOBi." (Laut-Alternation). Aber Brandt versteht un-
ter diesem Namen augenscheinlich etwas anderes, als ich es
verstand und verstehe; denn er lässt auf den ersten Plan
nicht die Feststellung (Constatierung) der Thatsache des Ne-
beneinanders selbst hervortreten, sondern es handelt sich
bei ihm um die Erklärung phonetischer Veränderungen, die
er, je nach dem sie sich entweder jetzt vollziehen, oder sich
in der Vergangenheit vollzogen, in „Übergänge" (nepexoAw)
und „Substitutionen" (no^cTanoBKH) teilt. Prof Brandt hat
vollkommen recht, wenn er mich für eine Masse der von
mir in meinem „HiKOTopiiie 0T/i,'fejiLi cpaBHHTejiLHOH 4>0HeTH-
kh" neu geschmiedeten termini technici tadelt. Derselbe Tadel
aber betrifft auch ihn selbst. Er hat nämlich vielleicht über
hundert ganz neue grammatische termini technici erfunden,
welche das Lesen seiner Werke und Abhandlungen ungemein
erschweren , und welche vor den meinigen nur den Vor-
zug haben, dass sie nicht aus dem Stoffe der lateini-
schen Sprache, sondern aus dem nationalen Stoffe, aus
dem Stofi'e der russischen Sprache selbst geschöpft wurden.
Es ist aber ein sehr zweifelhafter Vorzug; denn ein lateini-
scher terminus technicus kann von allen Gelehrten Europa's
und Amerika's, ohne Unterschied der Nationalität, leicht ver-
standen werden , während ein unter der Wirkung purificato-
rischer Tendenzen entstandener ausschliesslich nationaler ter-
minus die Schwierigkeit gegenseitiger Verständigung nur er-
höht, was ja, besonders in unseren, von den internationalen
— 9 —
Antipathien durch und durch durchgesickerten Zeiten , wohl
nicht erwünscht sein kann.
Mein Versuch der Darötelhmg der Alternanten - Theorie
wird vielleicht keine Anerkennung linden. Es lässt aich aber
nicht leugnen, dass sich der Begriff selbst der Alteruation
und der Alternanten auf eine ungeheuere Masse phonetischer
Tbatsachen bezieht; denn es giebt wohl keinen Laut in kei-
ner Sprache, welcher in der Sprache isoliert da stände, ohne
einen anderen mit ihm alternierenden Laut, wie auch kein
Wort, auf welches die Lehre von den Lautalternationen kei-
ne Anwendung: fände.
Erklärung und Definition einiger termini.
Das Phonem = eine einheithche, der phonetischen Welt
angehörende Vorstellung , welche mittelst psychischer Ver-
schmelzung der durch die Aussprache eines und desselben
Lautes erhaltenen Eindrücke in der Seele entsteht := psychi-
scher Aequivalent des Sprachlautes. Mit der einheitlichen Vor-
stellung des Phonems verknüpft sich (associiert sich) eine ge-
wisse Summe einzelner anthropophonischer Vorstellungen, wel-
che einerseits Articulations- Vorstellungen, d. h. Vorstellungen
vollzogener oder in Vollziehung begriffener physiologischer
Articulationsarbeiten, anderererseits aber akustische Vorstel-
lungen , d. h. Vorstellungen gehörter oder im Gehörtwerden
begriffener Resultate jener physiologischer Arbeiten , sind.
Die Phonetik, als ein Ganzes, umfasst alle phonetischen
Thatsachen, ebenso anthropophonische Thatsachen, d. h. die auf
unsere Sinne, auf den Gefühlsinn (bei den physiologischen
Arbeiten) und auf den Gehörsinn (bei den durch diese Arbei-
ten hervorgerufenen Lauten), wirkenden Thatsachen, wie auch
psychophonetische Thatsachen, in welchen sich anthropophoni-
sche, sinnliche Thatsachen reflectieren (wiederspiegeln). Daher
zerfällt die Phonetik in zwei Teile, in einen anthropopho-
n i s c h e n und in einen psychop ho netischen Teil.
— 10 —
Morphem = jeder, mit dem selbstständisren psychi-
schen Leben versehene und von diesem Standpunkte (d. h.
von dem Standpunkte eines selbständigen psychischen Lebens)
aus weiter unteilbare Wortteil. Dieser Begriff umfasst also:
Wurzel {radix) , alle möglichen Affixe, wie Suffixe,
P r a e f i X e, als Exponenten syntaktischer Beziehungen dienen-
de Endungen, u. s. w.
Erklärung von Zeichen und Abkürzungen.
= . . . Gleichheit im mathematischen Sinne,
I . . . neben, eins kommt neben dem anderen vor,
II . . . Symbol der Alternation oder des Nebeneinanders,
Symbol der einsprachigen Entsprechung, Symbol der etymo-
logischen Verwandtschaft in den Grenzen einer und derselben •
Sprache.
^ . . . Symbol der Correspondenz , Symbol der mehr-
sprachigen Entsprechung, Symbol der etymologischen Ver-
wandtschaft in verschiedenen Sprachen.
- . . . Symbol des Überganges, Symbol des Wandels:
dasjenige, dessen optische Bezeichnung an der linken Seite
dieses Symbols steht, ist in dasjenige übergegangen, dessen
optische Bezeichnung an der rechten Seite dieses Symbols
steht.
^ . . . umgekehrtes Symbol, Symbol der Entstehung
dessen , was in der optischen Bezeichnung an der linken Seite
dieses Zeichens steht , aus demjenigen , was in der optischen
Bezeichnung an der rechten Seite dieses Zeichens steht.
X . . . Symbol des Mangels jegliches Zusammenhan-
ges von dem bezüglichen Stand punkte aus.
# . . . Symbol des Parallelismus.
* . . . vermutete, reconstruierte Form.
« » . . geleugnete, unmögliche oder erdachte Form.
11 -
I. CAPITEL.
Definition der Alternation und der Alternanten. Her-
leitiing des Begrifts der Alternation auf etyniologiscliem
und auf plionetischeui Wege. Ursprüngliche Ursache
jeder Alteruation.
In jeder Sprache, bei jedem sprechenden Individuum
bemerken wir den teihveisen phonetischen Unterschied ety-
mologisch identischer Morpheme, Mit anderen Worten: in je-
der Sprache, bei jedem sprechenden Individuum constatieren
wir den Unterschied der sich entsprechenden phonetischen
Stellen oder Teile in den etymologisch verwandten Morphe-
men. So haben wir z.B. in den polnischen Worten niog-e
! in o Ä - e s z zwei etymologisch verwandte Morpheme m o g -
und moz-, in welchen die Phoneme m und o gleich sind,
die dritten Phoneme aber, g und ,2, sich phonetisch unterein-
ander unterscheiden. Und eben solche, phonetisch verschiedene
Phoneme, welche aber zum Bestandteile etymologisch verwand-
ter, d. h. ihrem Ursprünge nach identischer, Morpheme gehö-
ren und im phonetischem Bau dieser Morpheme die sich ge-
genseitig entsprechenden Stellen (im gegebenen Falle z. B. die
3-e Stelle) einnehmen , nennen wir Alternanten und
ihre gegenseitige Beziehung zu einander — Alternation.
Ebenso constatieren wir in den wurzelhaften Morphe-
men der polnischen Worte mröz | mroz-u zwei deutliche
Alternationen: m (6) ii 0 und -s{-z)\\-z-. An der Verbindungs-
stelle des wurzelhaften und des formalen Morphems in den
polnischen plac-i-d |plac-e haben wir eine deutliche
Alternation: 6i \\ c. In den Hauptmorphemen der deutschen
lad-enjLas-t, Ver-lus-tiver-lor-en, Fros-tl
frier -en, geb-en|gab... können wir folgende deut-
liche Alternationen constatieren: \) d \\ s , ä [\ «, 2) s il r,
ü II ö, 3) s II r, ö 11 i (ie), 4) g \\g,, e \\ a, -b- \\ -p (b).
Streng genommen, können in allen ähnlichen Fällen als
alternierende Einheiten nicht Phoneme, sondern ganze Mor-
- 12 —
plieme gelten, da eben nur die Morplieme seniasiologi.scli un-
teilbare sprachliche Einheiten darstellen. Vom Standpunkte
also des der Sprache eigenen psychischen Lebens aus alternie-
ren untereinander ganze Morpheme und deren Verbindun-
gen : poln. ni 0 g - II m o z - , m r u s y m r o z - , p 1 a 6 - i - II ,
plac-; deutsch lad- || las-, lös- ]|lör-, fros- y frir-
gi e b - ij g a p . . . . Einen solchen phonetischen Unterschied
morphologisch verwandter Morpheme nennen wir phoneti-
sche Alternation derselben. [Daneben existiert auch se-
masiologische Alternation oder Bedeutungs-Alternation der
Morpheme und ganzer Worte.] Phonetische Alternation
ganzer Morpheme aber zerlegt sich in die Alternationen
einzelner Phoneme, als phonetischer Componenten derselben.
Wenn man also diesen Begriff auf Phoneme anwendet,
so werden phonetische Alternanten oder alter-
nierende Phoneme diejenigen Phoneme oder Laute
heissen, welche, trotzdem dass sie sich untereinander phone-
tisch unterscheiden, doch auf eine gemeinsame historische Her-
kunft hinweisen oder etymologisch verwandt sind.
Mit anderen Worten : Phonetische Alternan-
ten oder alternierende Phoneme heissen diejenigen
Phoneme oder Laute, welche zwar verschieden ausgesprochen
werden, aber sich auf eine gemeinsame historische Quelle zu-
rückführen lassen, d. h. von einem und demselben Phoneme
historisch herstammen.
Herleitung des Begriffs phonetischer Alternation und pho-
netischer Alternanten auf etymologischem Wege.
Die semasiologisch dominierenden Morpheme der slavi-
schen Worte poln. p r o s i - q | czech. p r a s - e | grruss. p a-
räs-önak (nopocenoK) | klruss, p o r o s - ä (nopoca) | serb.
p r ä s - a c (npacan;) | krain.-sloven. p r a s - c .... sind ety-
mologisch verwandt, weil sie sich auf eine gemeinsame histo-
rische Quelle, '^ p o r s -. zurückführen lassen. Diese gemein-
same historische Quelle aber, - p o r s -, kann mit den etymo-
- 1-i -
logisch verwandten Morphemen anderer arioeuropäischen Spra-
chen zusammengestellt werden: slav. * p o r s - | lit. p a r s-as
I lat. p o r c - u s | germ. * f a r h-. Ebenso slav. *v e z - { poln.
w i e z i - e | czech. v e z - e | grruss. v e z - 6 t (Be3-eT) j klrus.
V e z - e (Be3-e) | serb. v e z - e . . . } ij:: lit. v e z - rp germ,
* V i g - 4: lat. V e h- zf: gr. Fe/- 4: aind. v a h -, u. a.
Alle derartigen Zusammenstellungen und Vergleichungen
der Morpheme und der diese Morpheme enthaltenden und
in verschiedenen Sprachen vorkommenden Worte beruhen
auf der Erkennung etymologischer Verwandtschaft jener
Morpheme. Die etymologische Verwandtschaft der Morpheme
aber stützt sich auf die Feststellung (Constatierung) einer-
seits deren semasiölogischer Ähnlichkeit (Bedeutungs-Ahnlich-
keit), andererseits aber deren teilweiser phonetischer Ähnlich-
keit. Die in solchen Fällen festgestellte (constatierte) phoneti-
sche Ähnlichkeit darf weder zufällig, noch willkürlich sein,
sondern muss sich in einer ganzen Reihe von Morphemen
wiederholen, welche, teilweise wenigstens, aus denselben Pho-
nemen bestehen. So berechtigt uns z. B. zur Erkennung der
etymologischen Verwandtschaft der Hauptmorpheme der oben
genannten verschiedenslavischen Worte prosi-§ 1 pras-e
|poros-a vor allem ihre semasiologische Ähnlichkeit
( — alle bedeuten «Ferkel» , «Eber», «Schwein» .... — ■),
dann aber, von der phonetischen Seite aus, Wiederholung voll-
kommen gleicher Entsprechungen in einer ganzen Reihe von
Wörtern {p; s mit verschiedenen Nuancen; ro 4: ra 4; oro . . .).
Ebenso beruht die etymologische Zusammenstellung verschie-
densprachiger Morpheme auf dem Grebiete arioeuropäischer
Sprachen im allgemeinen (z. B, *pors- 4: pars- it pork-
iji farh-..., *vez- 4: vez- i|: *vig- ip veh- zji Js/-
4: V a h - . , .) einerseits auf deren semasiölogischer xVhnlichkeit
und Zusammenhang, andererseits aber auf den sich in einer
ganzen Reihe etymologisch verwandter Worte regelmässig wie-
derholenden phonetischen Entsprechungen {pz\^i)z\:p:^f ,
s 4; s 4: ^ ip Ä . . . . , or 4: ar 4; or ip ar . . . . ; y iji u ip u 4: v
- U -
(J) . . . . , e 4: ö 4: i 4i e if: e (s) :t a. . . . , « dz ^ :i: ^ i A 4:
XztÄ....).
Auf Grund ähnlicher Zusammenstellungen und Verglei-
chungen sagen wir: es entspreche z. B. poln. ro dem czcchi-
sehen und südslavi.scheu rn und dem russischen oro\ es füh-
ren uns alle diese verschiedenslavischen Verbindungen auf die
urslavische Verbindung or; es haben alle diese verschieden-
slavischen Verbindungen, wie auch die auf Grund deren Zu-
sammenstellung vermutete urslavische Verbindung or ^ als
Correspondenten in anderen arioeurop. Sprachen, im Baltischen
(Lito-Lettischen) und im Germanischen ar, im Latein, or...;
es entspreche slav. s dem lit. s, germ. ä, lat. ^, u. s. w.
Es würde aber irrig sein, wenn wir einem ähnlichen
historisch-phonetischen Schlüsse eine absolute Giltigkeit zu-
schreiben wollten. Etymologisch verwandt sind in verschiede-
nen Sprachen nicht Phoneme, unabhängig von Morphemen,
sondern nur Morpheme, als einfachste, weiter unteilbare und
noch mit einem selbstständigen psychischen Leben versehene
semasiologische Teilchen der Worte. Wenn wir also von einer
Verwandtschaft des slav. z mit dem lit. z^ dem germ. ^, dem
lat. Ä, dem griech. /, dem aind. h reden, so denken wir da-
bei nicht an eine absolute Verwandtschaft dieser Phoneme, in
voller Unabhängigkeit von Morphemen, in denen sie vorkom-
men, sondern einzig und allein an eine relative Verwandt-
schaft dieser Phoneme in einer gewissen Gruppe von Morphe-
men (v e z - , 1 i z - a c , z i m - a . . .). In den Worten, wie
z^b, zn-ac, ziarno..., hat das Phonem z in anderen
arioeurop. Sprachen eine andere Verwandtschaft. Ebenso slav.
s 4: lit. S i{i germ. h 4: lat. und griech. k it aind. g in
*pors-§ (prosi-e...) u. a. ä., aber nicht in *sedmi,
Bebe, syn-, b o s -
Jedenfalls beruhen alle etymologischen Zusammenstellun-
gen und Vergleichungen der zu verschiedenen Sprachen ge-
hörenden Worte auf der Erkennung etymologischer Verwandt-
schaft der zu deren Bestände gehörenden Morpheme. Die ety-
mologische Verwandtschaft der Morpheme aber zerlegt sich in
- 1.^ ^
die etymologische Verwandtschaft einzehier Phoneme und de-
ren Verbindungen.
Diese Art etymologischer Verwandtschaft, d. h. der in
verschiedenen Sprachen stattfindenden Verwandtschaft, nennen
wir Correspondenz oder verschiedensp räch ige
Entsprechung. Aber neben dieser Verwandtschaft und
dieser Entsprechung haben wir noch eine einsprachige Ent-
sprechung, haben wir etymologische Verwandtschaft im Be-
reiche einer und derselben Sprache. Wenn verschiedene, aber
ähnliche, verschiedenen Sprachen angehörende Morpheme
(pros- I pras- | porös- \ *pors-} | pars|pork|
farh- als etymologisch verwandt erkannt wurden, so müssen
wir mit noch grösserem Rechte die in derselben Sprache vor-
kommenden dergleichen Morpheme (z. B. m o g- | m o z - , rod-
|rut, mroz-|mrus, plüt-|ples-....) für etymolo-
gisch verwandt erklären. Diese andere Art etymologischer
Verwandtschaft, d. h. etymologischer Verwandtschaft im Be-
reiche einer und derselben Sprache, nennen wir Alterna-
tion, Alternation im allgemeinen, und, wenn sie sich
speziell auf den phonetischen Bau der Morpheme bezieht,
phonetische Alternation.
Bei der Alternation, als tautoglosser etymologischer Ver-
wandtschaft, haben wir dieselben Träger der Sprache, haben
wir dieselben Mikrokosmen als Grundlagen des sprachlichen
Lebens. Die heteroglosse etymologische Verwandtschaft aber
oder Correspondenz (Entsprechung) beruht eben auf der Ver-
schiedenheit der sprachlichen Grundlage, auf der ethnologi-
schen Verschiedenheit der Träger der Sprache, genauer ge-
sagt, auf der Verschiedenheit der Träger einzelner Glieder
correspondenzieller Beziehung.
Wie bei Correspondenzen, so auch bei Alternationen
zerfällt die Entsprechung, die Übereinstimmung und die Ver-
schiedenheit der Morpheme in die Entsprechung, Übereinstim-
mung und Verschiedenheit der zu deren Bestände gehörenden
Phoneme [m o g - l! m o z - zerfällt in m \\m, o \\ o , g \\ z;
m r 0 z - II m r u s zerfällt in vi r ii m r, o i\ u, z w s . . .1.
Wie Correspondenzen, so bestellen auch Alternationeidi
darin, dass die, sei es sich correspondierenden , sei es unter-
einander alternierenden, Morpheme aus einer und derselben
historischen Quelle stammen.
Die bei den Correspondenzen gemachte Bemerkung, dass
sich eigentlich nicht einzelne Phoneme, sondern nur Morphe-
me correspondieren, und dass die Correspondenz der Phoneme
nur in so weit anzunehmen ist, als dieselben einen Bestandteil
einer gewissen Gruppe oder eines gewissen Typus von Mor-
phemen bilden (z. B. nicht jedes slav. o entspricht dem lat. o,
sondern nur das o einer gewissen Art), dieselbe Bemerkung
findet auch auf die Alternationen ihre volle Anwendung. So
alterniert z. B. nicht jedes z des Polnischen mit ^, sondern blos
das 2, welches zum Bestände solcher Morpheme gehört, mit denen
die das g enthaltenden Morpheme alternieren. Wenn aber die
Correspondenz der Phoneme einzig und allein von der Cor-
respondenz der Morpheme abhängig ist, so können wir dage-
gen bei den Alternationen auch rein phonetische Verzweigun-
gen eines Phonems constatieren, in voller Unabhängigkeit von
deren Zugehörigkeit zum Bestände dieses oder jenes Morphems.
Es sind die von mir so genannten allgemein p h o n e-
tischenDivergenten. So z.B. polnische 1.^. (y) h i^ (i) in den
Verbindungen p y, b y, m y, t y, dy..., c y, d z y, sy, ry...,
c z y, d z y, s z y, z y. . . . | p i, Ij i, m i . ., c i, d z i, s i, z i , . . ^
ki, g'i. c h'i . . . , ji .. ; in vollkommener Unabhängigkeit
von dem semasiologischen Werte dieser Lautgruppen. Ebenso
poln. e, II ^1 (p 6 5 b e . . . I p e , b e . . .) , « n 6' (s t, s p . . . | s c,
8 p . . .) , e II en II em \\en\\efi (§ s, § z , es, e z , e c h j § t, e d,
e c, e d z 1 e p, e b | e k, § g | § c, edz...).
Herleitung des Begriffs der Alternation auf phonetischem
Wege.
Fast in allen der Betrachtung phonetischer Fragen ge-
widmeten Werken und Abhandlungen finden wir Auseinander-
setzungen von dem „Übergänge" gewisser Laute in andere,
— 17 —
von der „Verwandlung" (od. „Wandel") gewisser Laute in
andere u. ä. So lesen wir z. B. in polnischen Grammatiken
von einem Übergange des h in cz in den Worten p i e c z - e,
r fj, e z - k a . . . , gleichsam von piek-e, rek-a..., des
§ in a in den Worten m f^ z, d a b . . . , gleichsam von m § ^ - a,
d e b u . . . Eine ähnliche Formulierung dieser Verhältnisse
ist fehlerhaft. Wer dieselbe anwendet, verwechselt eine will-
kürliche subjective Experiraentierung mit den sich objectiv
vollziehenden geschichtlichen Processen.
Und wirklieh können wir bei einem willkürlichen Ex-
perimentieren von einem gewissen Laute zu einem anderen
übergehen, indem wir, nach Bedürfnis, die entsprechenden
Thätigkeiten der Sprechorgane substituieren. So ist z. B.
nichts leichteres, als von b zu m zu übergehen, wenn man
nur die Nasenhöhlen mittelst Senkung des weichen Gaumens
öffnet, sonst aber die Art und Weise der Arbeit anderer Sprech-
organe gar nicht ändert. Ebenso kommt man z. B. von einem
„harten'^ (non-palatalen) p zu einem „weichen" (palatalen) p ,
von o zu M, von e zu o u. s. w. über. Auf diese Weise, indem
wir jedesmal nur je eine Eigentümlichkeit ändern, können wir
nach und nach von p zvl a fast durch alle anderen Laute über-
gehen : p — p — b' — b — m — n — d— z — z — s— s — x (ch) — h — g —
^'— Y'(h') [— ;] —i—e—o—u—y—a.
Was thuen wir aber eigentlich dabei? Wir ändern stu-
fenweise die Gruppen phonetischer Vorstellungen
und vollziehen dieselben, d. h. üben die diesen Vorstellungen
entsprechenden physiologischen Arbeiten aus. Wir brauchen
uns aber mit dieser stufenweisen Änderung je einer phone-
tischen Vorstellung nicht zu genieren. Wir können z. B. gleich
nach dem Zustandebringen eines p uns die Thätigkeiten der
Sprechorgane vorstellen, welche die Aussprache eines a be-
gleiten, und, nachdem wir dazu das Streben (die Tendenz)
zur Vollziehung, zur Hervorbringung der gedachten Arbeiten
hinzufügen, dieses a wirklich zu stände bringen. Und dann
haben wir das Recht zu sagen: „^ gieng in a über".
2
— 18 —
Was ist jedoch dabei eigentlicli geschelieu? Es fand da-
bei die Vertretung einer Griipf)e plionetischer Vorstellungen
dureh eine andere t^tatt , und die Vollziehung dieser beiden
Gruppen nacheinander giebt uns ein gewisses Recht zu sa-
gen: „p ging in a über", „x ging in y über". In der Wirk-
lichkeit aber folgten sieh nacheinander nur im Kopfe des Ex-
perimentators verschiedenartige, gleichsam in einem Kaleido-
skop wechselnde Associationen von Vorstellungen. Die Aus-
sprache der Laute nacheinander, im Einklang mit diesen Vor-
stellungsgruppen, begleitete diese letzteren nur zufällig oder
wenigstens nicht notwendig. Also schon hier „gieng" nicht eine
Aussprache in eine andere „über", sondern nur ein Gedaukeu-
bild löste ein anderes ab.
In der objectiv betrachteten und auf dem Wege histori-
scher Ent Wickelung entstandenen Sprache aber sind selbst sol-
che lautliche Veränderungen eine reine Fiction, geschweige
denn Wechsel in der Art von dem „Übergange'' des k in 02,
g in i, q in q . . . Es giebt weder Lautwechsel,
noch Lautgesetze und es kann auch solche
nicht geben, schon aus dem einfachen Grunde, dass die
menschliche Sprache im allgemeinen und die Sprachlaute ins-
besondere eine ununterbrochene Dauer weder haben , noch ha-
ben können. Ein ausgesprochenes Wort oder ein aus-
gesprochener Satz verschwindet sofort in demselben Augen-
blicke , wo er ausgesprochen wurde. Zwischen einer und einer
anderen , ihr folgenden, Aussprache giebt es keinen physischen
Zusammenhang. Das Verbindungsglied zwischen den einzelnen
Ausspracheacten . sei es eines gewissen Lautes , sei es eines
phonetischen Wortes , sei es endlich einer ganzen phoneti-
schen (d. h. gehörten und mit dem Ohre percipierten) Rede
bilden dabei Vorstellungen , Erinnerungsbilder^ und
während der Aussprache selbst werden diese Ermnerungsbil-
der zum Stimulus , zum Reiz , um die Sprechorgane in ange-
messener Weise in Bewegung zu setzen.
Dabei sind zwei Fälle möghch: Entweder erlauben die
in der Thätigkeit aussprechender Organe steckenden physiolo-
— 19 —
giscben Bedingungen die vom Gebirncentrura beabsiclitigte
Gruppe pbonatoriscber Arbeiten vollkommen auszutübren , oder
die genannten pbysiologiscben J '.edingungen erlauben es nicbt.
Im ersten Falle findet eine volkommene Übereinstimmung [z. B.
2a, ra, ar, ia . . . poln. raecb, jabtek .. ., rodu,
m r o z u , m § z a , w o d a . . .], im anderen Falle aber eine
Collision zwiscben der phonetischen Absicht (Intention) [z. B.
zta mit einem stimmhaften z und einsilbig, poln. r t e c mit
einem gewöhnlichen, stimmhaften r, atr, ika, mchu,
piekl, jabikü . . . . , rud (rodj mit -d^ m r u z
(m r ö z) mit -z. m j^ z mit z , w u d - k a (w ö d k a) mit -d-\
und deren Ausführung statt. In diesem letzteren Falle, im Fal-
le der Collision, zwingen uns unsere phonetischen Gewohnhei-
ten , wie auch allgemein-menschliche Bedingungen phonetischer
Verbindungen, die Aussprache der beabsichtigten Verbindun-
gen ein wenig zu ändern, und zwar: sta (mit s anst. z),
r t § c , atr (mit einem stimmlosen und in seiner Individua-
lität geschwächten /•),}ka, mchu, pieki,japiko ...,
r u t (mit geschwächtem i) , m r u s . m ;^ s , w u t - k a . . .
Ja noch mehr, selbst incnot, matka... können
wir ein solches reines , unabhängiges t , wie in c n o t a, m a-
t e k . . . keineswegs aussprechen und , dank den gegebenen
phonetischen Verbindungen und Bedingungen, substituieren wir
anstatt dessen ein anders ausgesprochenes, abgeschwächtes,
von dem Einflüsse folgender Laute abhängiges i.
Im Gegenteil, können wir die beabsichtigten «pieke»
anst. piecze oder «rakek», -^rakka» anst. raczck,
raczka ausgezeichnet aussprechen, und es wird dabei kein
„Übergang" von k in cz stattfinden.
Die Nichtübereinstimmung zwischen der phonetischen Ab-
sicht und deren Vollbringung beruht auf der Substitu-
tion einer möglichen Thütigkeit an stelle einer beabsichtigten
unmöglichen.
Eine solche Substitution kann zweierlei sein: 1) entwe-
tler ist die Vollbringunj,^ der auf die verwandten Worte und
^ So —
Formen gestützten Absicht oder Intention unraüg'lich , und
dann erfolgt die Substitution eines solchen möglichen Phonems,
welches zu dem beabsichtigten in Bezug auf seine phonetische
Verwandtschaft am nächsten steht [Beispiele oben]; 2) oder es
ist eine Substitution bei der Nachahmung fremder Aussprache,
d. h. wenn man dasjenige wiederholen will, was die anderen
sprechen. Dieses Letztere kommt vor: a) in der Kindersprache
und überhaupt bei der Nachahmung im Bereiche „eigener"
Sprache; h) bei der Entlehnung fremder Worte, deren Aus-
sprache wir notwendigerweise an unsere eigenen phonetischen
Gewohnheiten accomodieren [z. B. franz. s u r, von den Polen
öfters ausgesprochen s u r (s i u r)] .
In allen diesen Fällen beruht der Wandel oder der
„Übergang" darauf, dass die Vollbringung der Absicht nicht
entspricht.
Bei der Betrachtung von Altemationen und Alternanten
findet nur die erste Art der Substitution (Nr. 1) Anwendung.
Eine solche Substitution, d. h. die Substitution der mög-
lichen Aussprache an stelle der beabsichtigten bildet den ein-
zigen, in der Gegenwart (Jetztzeit) der Sprache möglichen
streng phonetischen Wandel , den einzigen phonetischen „Über-
gang". Dasjenige aber, was man gewöhnlich phonetischen
„Wandel", „Übergang" eines Lautes in einen anderen nennt,
ist, vom objeetiven Standpunkte aus, einzig und allein das
Nebeneinander oder die Alternatiou.
Ein solches Nebeneinander oder eine solche A 1-
ternation ist weder phonetischer Wandel in
der Jetztzeit, noch ein Nacheinander der hi-
storischen Reihenfolge. Sie ist einfach nur
Thatsachedes phonetischen Unterschiedes
zwischen den etymologisch identificierten
Morphemen. Diese Thatsache aber bleibt , was ihre Ur-
sache betrifft, vorderhand rätselhaft.
Wenn man heutzutage z. B. in den Worten p i e c z e,
r a c z k a u. ä. das c (cz) von k herleitet , so können wir mit
gleichem Rechte fragen, warum man in piek§, r§ka nicht
— 21 —
umgekehrt das Z; auf c zurückführt. Wir constatieren zwar
eine complicierte Alternation
^ {9)
6
in ciec, siec, niöc, strzec 1 ciek-§, 8iek-§, mog-e,
I strzeg-e,
I by-c, da-ö...;
03 würde aber ein Beweis schwachen Denkens und ein histo-
rischer Felder sein, auf Grund dessen behaupten zu wollen,
es sei c in c i e c, moc . . . aus h6 (oder gd) entstanden.
Mit einem Wort: phonetischer Lautwandel,
so wie er gewöhnlich aufgefasst wird, ist
reine Fiction, ist Täuschung; es existieren nur:
1) Substitutionen möglicher Thätigkei-
ten an stelle der beabsichtigten, es existieren
Nichtübereinstimmungen oder Collisionen
der phonetischen Vollbringung mit der pho-
netischen Absicht, und ausserdem
2) fertige phonetische Unterschiede oder A 1 1 e r n a t i o-
nen historischer Herkunft, Alternationen
von Morphemen und deren phonetischen
Componenten oder Phonemen.
Diese beiden Thatsachen stehen in einem engen Zusam-
menhange miteinander. Eine rege , dynamische Substitution
bedingt eine keimende, ursprüngliche phonetische Alternation;
die Alternationen aber, welche heutzutage gleichsam ohne Ursa-
che da stehen , lassen sich auf Substitutionen vergangener
Zeiten zurückführen.
Ursachen der Alternationen.
Wenn wir die gegebene Sprache irgend einer Sprachge-
nossenschaft in ihrem zeitlichen Nacheinander als etwas Dau-
erndes und Ununterbrochenes betrachten, so wird sich zeigen,
dass der ursprüngliche Antrieb (Impuls) zur Entstehung einer
Alternation immer rein phonetischer oder rein anthropophoni-
22 —
sclier Natur war. Wenn es sich aber um eine in dieser Hin-
sieht gemischte Sprachgenosseuschaft handelt, so müssen wir
uns genauer ausdrücken , und zwar : Der erste Antrieb war
wold immer anthropophoniseher Natur, aber er konnte gegeben
werden: 1) entweder, wie am häufigsten, im Schosge der be-
treffenden Sprachgenossenschaft selbst, 2) oder, viel seltener,
im Schosse einer verwandten Sprachgenossenschaft , von wel-
cher die gegebene Sprachgenossenschaft sei es die ganze Al-
ternation . sei es nur ein einzelnes Glied derselben entlehnt hat.
Entweder wirkt die ursprüngliche Ursache der Alterna-
tion noch in dem ins Auge gefasston, untersuchten Sprachzu-
stande , oder sie wirkte nur in der Vergangenheit und kann
blos auf Grund von Vermutungen und historischer Hypothe-
sen entdeckt werden.
II. CAPITEL.
Classification der Alternationen und Alternanten.
I. Classificationen der Alternationen vom Standpunkte ihrer
Causalität.
Als allgemeine complicierte Ursache des Entstehens und
Bestehens von Alternationen ist das gesellschaftliche Leben,
wie auch physische (anatomisch- physiologische) und psychische
Organisation der zum Bestände der Sprachgenossenschaft ge-
hörenden Individuen zu betrachten.
1. Classification der Alternationen vom Stand-
punkte der ]\Iöglichkeit, ihre anthropophoni-
sche Causalität in der gegebenen Zeit zu
bestimmen.
E nt weder sind alle Alternationen ohne Ausnahme
Resultate lebendiger anthropophoniseher Tendenzen und ausge-
bildetpr und immer sich Avied erholender anthropophoniseher Ge-
23
wohnheiten, oder sie sind es nicht. Von diesem Standpunkte
aus zerfallen alle Alternationen in zwei grosse Classen:
1) neophonetische,
2) nicht-neophonetische oder palaoophonetische
Alternationen.
Die Alternanten erster Art nennen wir Divergenten
und ihre gegenseitige Beziehung Divergenz, diejenigen
aber zweiter Art — nicht-Divergenten und ihre Be-
ziehung — nicht-Divergenz.
2. Classification der Alternationen vom Stand-
punkte der Möglichkeit, ihre psychische Ca-
usalität nachzuweisen.
Entweder associieren sich (verknüpfen sich) alle Al-
ternationen ohne Ausnahme mit den Vorstellungen gewisser psy-
chischer, sei es semasiologischer oder bedeutsamer, sei es mor-
phologischer oder sich auf den Sprachbau beziehender, Nuan-
cen (Schattierungen) , oder sie associieren sich nicht. Auf
dieser Unterscheidung beruht die Teilung der Alternanten in
1) psychophoneti^^che Alternanten oder C o r r e-
1 a t i v e,
2) nicht-psychophonetische Aiternanten oder
nicht-Correlative.
Die gegenseitige Beziehung zwischen den Correlativen
heisst Correlation, diejenige aber zwischen den nicht-
Correlativen — nicht-Correlation.
3. Die Classification der Alternationen vom
Standpunkte der Möglichkeit, ihre traditio-
nelle und überhaupt sociale Causalität zu
bestimmen.
Entweder bestehen alle Alternationen kraft Wie-
derholung und Nachahmung, also auch Überlieferung im
Laufe der Generationen , oder sie entstehen bei Individuen
unabhängig von diesem Factor.
21
Selbstverständlich erhalten sich alle palacophonetischen
Alternationen, so lang'c sie noch als Alti;rnation«n gelten kön-
nen , nur auf dem Wege der Überlieferung (Tradition) von
einen Gliedern der Spi-achgenossenschaft zu den andenin Glie-
dern derselben. Folglich wurzelt die solchen Alternationen ei-
gene Causalitüt im socialen Leben.
Divergenzen oder neophonetische Alternationen entstehen
und erhalten sich unabhängig von der Überlieferung und
vom sprachlichen Verkehr, obgleich es auch solche Divergen-
zen giebt , deren anthropophonischer Zusammenhang mit den
Bedingungen , von denen sie abhängen , gerade durch den
Factor der Überlieferung und des sprachlichen Verkehrs un-
terstützt wird.
Endlich erhält jedes Individuum Correlationen oder
psychophonetische Alternationen vor allem auf dem Wege
der Überlieferung und des sprachhchen Verkehrs, aber, nach-
dem es dieselben mit gewissen psychischen Unterschieden end-
giltig verknüpft hat, emancipiert es sie von dem Einflüsse
dieses socialen Factors.
4. Classification der Alternationen vom Stand-
punkte der Eigensprachigkeit (Autoglossi-
tät) oder Fremdsprachigkeit ihrer Quelle.
Entweder haben alle Alternationen ihre Quelle in
der ununterbrochenen historischen Fortdauer der betreffenden
Sprache , o d e r sie entstanden durch Entlehnung aus einer
fremden, nahe verwandten Sprache. Mit anderen Worten: Die
gegenwärtige oder frühere Ursache der Entstehung gewisser
Alternanten steckt entweder im Leben der betreffenden
Sprachgenossenschaft selbst , o d e r in ihren Beziehungen zu den
sprachlich verwandten Genossenschaften oder Literaturen.
Divergenzen können immer nur heimischer Herkunft sein,
denn ihr Unterschied hängt von der Aussprache durch diesel-
ben Individuen ab. Bei den traditionellen oder selbst bei den
psychophonetischen Altemationen (Correlationen) aber ist im
25
Gegenteil die Fremclsprachigkeit ihrer Herkunft möglich [poln.
Ä II 3 in biahy | blazen czecliischer Herkunft; russ. er || ra
in cMep;i,'fe'Ti. | CMpa^i» kirchcnslav. Herkuuft].
Vom Standpunkte der Jetztzeit der gegebenen Sprache
sind alle Alternationen selbstverständlich heimisch, eigenspra-
chig. Als fremdsprachig können sie nur dann betrachtet wer-
den, wenn wir nach ihrer Urquelle fragen.
Die Alternationen mit fremdsprachiger Quelle können
fremdsprachig sein : d) entweder vollständig, h)
oder nur zur Hälfte [z. B poln. ^ || ä in g a r d z i c | h a r-
d y, g a n i c | h a li b a; russ. olo || la in ro.iOBa | r»iaBa].
Mit Rücksicht auf ihre Herkunft, können Alternationeu
erster Art fremde einsprachige, diejenigen zweiter Art
aber — fremd-heimische zweisprachige genannt
werden.
5. Classification der Alternationen vom Stand-
punkte des Unterschiedes zwischen der in-
dividuellen und socialen Causalität.
Den Divergenzen und Correlationen ist eigentlich eine
individuelle oder höchstens collectiv-individuelle Causalität ei-
gen , den traditionellen oder palaeophonetischen Alternationen
aber — einzig und allein sociale Causalität.
Divergenzen haben individuelle oder collectiv-individuelle
Ursachen anthropophonischer Natur.
Correlationen haben individuelle oder collectiv-individuelle
Ursachen psychischer Natur.
Wenn die eigensprachigen traditionellen Alternationen
auf die dem Bereiche des socialen Lebens gehörende Causali-
tät zurückgeführt werden müssen, so ist um desto mehr den
fremdsprachigen Alternationen, zur Zeit ihrer Entstehung, die
sociale Causalität zuzuschreiben; und es umfasst dabei dieser
sociale Factor nicht eine, sondern zwei Sprachgenossen-
schaften,
— 20 -
6. Classification der Alternationen vom Stand-
punkte der Einfachheit oder Compliciertheit
der ihnen eigenen Causalität.
a) Alle Alternationen können entweder eine oder zwei
Ursachen haben.
Bios eine Ursache haben:
diejenigen Divergenzen, welche von der Tradition
nicht unterstützt werden ,
traditionelle Alternationen, welche weder
Divergenzen, noch Correlationen sind.
Es können zwei Ursachen gleichzeitig haben:
diejenigen Divergenzen, welche nicht nur von an-
thropophonischen Bedingungen, sondern auch vom spraclilichen
Verkehr abhängig sind, d. h. diejenigen Divergenzen, welche
das Uebergangsstadium von den Divergenzen im strengen
Sinne des Wortes zu den traditionellen Alternationen bilden;
traditionelle Alternationen, welche gleich-
zeitig Correlationen oder psychophonetische Alternationen sind.
Unmöglich ist die Verbindung der divergenzionellen oder
neophonetischen mit der correlativischen oder psychophoneti-
sehen Causalisät,
Die Verschiebung der Ursachen oder die Änderung der
Causalität in dem historischen Nacheinander kommt vor:
bei dem Übergange der Divergenzen in den Zustand
der traditionellen Alternationen ,
bei dem Übergange der fremdsprachigen Alternationen
in die Kategorie der traditionellen Altemationen ,
bei dem Übergange der traditionellen Alternationen in
den Zustand der Correlationen oder psycbophonetischen Alter-
nationen ,
bei dem Übergange der Correlationen in den Zustand
der traditionellen Alternationen.
b) Bei gewissen Alternationen ra u s s die Causalität ent-
weder einfach oder zusammengesetzt (complieiert) sein.
— 27 —
Es müssen nur eine Ursaciie haben:
reine Diver o^enzen oder ausschliesslich neophoneti-
sche, von dem Einflüsse der Tradition und des sprachlichen
Verkehrs im allgemeinen freie Alternationen,
rein traditionelle Alter nationen.
Auf zwei Ursachen müssen Correlationen zurück-
o-efiihrt werden, welche einerseits von der Tradition, anderer-
seits aber von dem individuell entwickelten psychophonetischen
Zusammenhange abhängig sind.
IL Classificationen der Alternationen vom Standpunkte des
Zusammenstosses oder der Collision verschiedener Stre-
bungen (Tendenzen).
1 . Collision der Tradition mit den individu-
ellen Bedürfnissen und Streb un gen.
Eine solche Collision ist bei denjenigen traditionellen
Alternationen notwendig, welche nicht gleichzeitig Correlatio-
nen sind. Bei den Correlationen aber ist eine solche Collision
unmöglich.
Es Hegt in der Natur der Sache, dass fertige Divergen-
zen jede Möglichkeit einer Collision zwischen den individuel-
len Bedürfnissen und Strebungen und zwischen der Tradition
ausschliessen. Jedoch zur Zeit des Keimens der Divergenzen
findet eine solche Collision statt, und die endgiltige Befesti-
gung der betreffenden Divergenz ist eben der unbewusst da-
vongetragene Sieg individueller Strebungen im Bereiche der
Sprachperipherien über die Tradition und über den Factor
des sprachlichen Verkehrs im allgemeinen.
Es sind aber solche Divergenzen möglich, bei denen
individuelle Tendenzen nicht nur der Tradition nicht wider-
sprechen, was sonst selbstverständlich ist, sondern, im Gegen-
teil^ von derselben unterstützt werden (z. B. s \\ s in poln.
kostka I kose). Dieses ist eben jener Übergangszustand
von der Divei'genz im strengen Sinne des Wortes zu einer
- 28 —
solchen traditioncUon Alternation . welche mit der Zeit zu
der eben berührten OoUision Anlass giebt.
Auf dem Gebiete traditioneller Alternationen unterstützt
die Tradition die Compliciertheit der Erscheinungen und belastet
das Gedächtnis, während aber die individuellen Strebungen
die Complication vereinfachen und die Arbeit desselben (des
Gedächtnisses) erleichtern.
Im Gegenteil wird bei der Entstehung der Divergenten
die Einfochheit und Einheitlichkeit von der Tradition ffeii'eben,
die individuellen Strebuiigen aber veranlassen die früher unbe-
kannten Unterschiede.
Endlich geben bei den Correlativen die Tradition und
die individuellen Strebungen Hand in llaud , es herrscht zwi-
schen ihnen eine vollkommene Eintracht , eine vollkommene
Harmonie.
2. Eine Collision individueller anthropopho-
nischer oder peripherisch -phonetischer mit
den individuellen central-psychischen Stre-
bungen
muss notwendigerweise bei den Divergenten erfolgen,
deren Unterschied darin besteht, dass einer von ihnen infolge
der Unmöglichkeit der Vollbi'ingung phonetischer Absicht sich
entwickelt. Bei anderen Arten der Alternationen aber kann
von einer ähnlichen Collision keine Rede sein.
III. Classificationen der Alternationen vom Standpunkte
ihrer Genesis, vom Standpunkte ihrer Entfernung von der
causalen Quelle,
wobei man , streng genommen , nicht nur klare und deut-
liche, sondern auch einerseits keimende (embryonale), ande-
rerseits wieder Vergangenheits-Alternationen annimmt und be-
trachtet. Demgemäss sind zu unterscheiden: n) keimende, b)
lebendige, c) erloschene Alternationen.
^ 29 --
1. Classification der Alterna tionen vom Stand-
punkte ihrer Entfernung von der Quelle an-
thropop konischer Causalität.
Hier unterscheidet man folgende Entwickelungsstadien:
a) keimende, auf dem Boden individueller Strebungen
entstehende.
b) sich nicht nur individuell, sondern auch gesellschaftlich
(social) entwickelnde,
c) entwickelte und
d) befestigte ,
e) im Beseitigtvverden begriffene und stufenweise schwin-
dende Alternationen , Alternationen des Übergangszustandes,
f) erloschene , beseitigte Alternationen.
Die Stadien c und d werden hauptsächlich auf dem We-
ge der Tradition und des socialen Verkehrs im allgemeinen
bewahrt; die Stadien e und / aber entstehen infolge des Zu-
samraenstosses zwischen den individuellen und socialen Stre-
bungen, wobei die ersten die Oberhand gewinnen.
Die Stadien a und b sind Divergenzen oder neophoneti-
sche Alternationen, c, d und e — traditionelle oder psycho-
phonetische Alternationen, wobei als eine Abart des Stadiums
d Correlationen oder psychophonetische Alternationen erschei-
nen. Endlich lässt sich das Stadium f nur vom Standpunkte
der Vergangenheit unter den Begriff der Alternation subsu-
mieren; denn in sich selber besitzt es keine Merkmale, wel-
che dazu notwendig sind , um in einem gewissen phonetischen
Unterschiede die Alternation zu erkennen.
2. Classification derAlternationen vom Stand-
punkte ihrer Entfernung von der Quelle psy-
chischer Causalität.
Hier unterscheiden wir folgende Stadien:
a) Die erst zu erscheinen beginnenden Alternationen, Al-
ternationen, Avelche uns den Anfang der Nutzbarmachung
(Utilisation) palaeophonetischer Alternationen zur Schattierung
— 30 —
psychischer Unterschiede zeigen, Ahernationen mit den Uran-
fängen psychophtinetischer Associationen. Dieser Process der
Verknüpfung (Association) von Vorstellungen muss sich in
jedem zur gegebenen Sprachgenossenschaft gehörenden Indivi-
duum besonders vollziehen.
b) Befestigte, d. h. klare und deutliche Alternationen;
c) im Beseitigtwerden begriffene und stufenweise schwin-
dende,
d) beseitigte Alternationen.
Die drei letzten Stadien, 6, c^ d. werden von den Al-
ternationen unter Mitwirkung der beiden Factoren , und zwar
der individuellen Strebungen und des socialen Lebens, durch-
gemacht.
3. Classification der A 1 1 e r n a t i o n e u vom Stand-
punkte ihrer Entfernung von der in dem Ein-
flüsse einer verwandten Sprache wurzeln-
den Quelle.
Hier werden folgende Stadien unterschieden:
a) Der Process der Entlehnung fremdsprachiger Alterna-
tionen durch einzelne Individuen der gegebenen Sprachgenos-
senschaft selbst;
b) eine sich ebenso individuell , wie auch auf dem Wege
des gesellschaftlichen Verkehrs vollziehende vollständige An-
eignung sammt Entfernung von der eigentlichen Quelle;
c) endgiltige Befestigung fremdsprachiger Alternationen
in der betreffenden Sprache und Überlieferung derselben (die-
ser Alternationen) auf dem Wege der Tradition und des gesell-
schaftlichen Verkehrs im allgemeiueu.
Die schon befestigten Aiternationen dieser Kategorie un-
terliegen später denselben Veränderungen (Wandlungen) und
demselben Schwunde, wie die beiden anderen, oben genann-
ten — d. h. wie die vom Standpunkte ihrer Entfernung von
der Quelle sei es anthropophonischer, sei es psychischer Cau-
salität betrachteten — Kategorien (III. 1. und III. 2.).
-- 31 —
Anlässlic-h dieser Gru[)pe der Classificationen (III. 1 — 3)
sind W e n d e p u n k t e in dei- Sprachgeschichte hervorzuheben,
welche, wie in anderen Sphären des Sprachlebens, so auch auf
dem Gebiete der Alternationen zu constatieren sind. Als sicht-
bares Zeichen jeder solchen Veränderung in der Sprachge-
schichte erscheint uns immer eine neue Gruppierung phoneti-
scher Vorstellungen und peripherischer Arbeiten (d. h. der
Arbeiten im Bereiche der äusseren Sprechorgane) sauimt den
akustischen Resultaten dieser Arbeiten, welche sich von den
früheren mehr oder weniger unterscheiden.
Versuchen wir, die zur Entwickehmg wenigstens einiger
Alternationsarten führenden Veränderungen in Formeln zu fassen :
1) Die Formel für anthropophonische Veränderungen (wel-
che als Urheber neophonetischer Alternanten oder Divergenten,
in der Folge aber auch paläophonetischer oder traditioneller
Alternanten , als Nachkommen jener, betrachtet werden müs-
sen) sieht folgendermassen aus:
wo X irgend ein Ur-Phonem ,
(p eine beliebige historisch - phonetische Veränderung in
einer gewissen Richtung,
n den Coefficienten dieser Veränderung bezeichnet, wel-
cher ihre Abstufung in den Grenzen von 0 zu 1 zeigt.
n ist immer ein Bruch , und zwar ein variabler (verän-
derlicher) Bruch, in den Grenzen von 0 zu 1:
Wenn w = 0,
dann w(p = 0,
x-\-n<^ = X,
d. h. es fand noch keine Veränderung statt.
Wenn n=i,
dann no = <p,
folglich x-\-no = x-{-o,
d. h. die in einer gewissen Richtung sich bewegende Verän-
derung!: erreichte die äusserste Grenze oder den limes ihres
- 8ä -
stufenweison Waclistums iiiid kann in dieser Richtang nicht
mehr vorwärts gehen.
Zwischen 0 und 1 für die Grösse n , zwischen 0 und ^
für die Grösse wf, zwischen x und x-\-(^ für die Grösse x-\-n<p
ist eine unendliche Anzahl von Übergangszuständen möglich,
welche stufenweise Steigerung und Wachstum der betreffen-
den Veränderung darstellen.
Um von dem Begriffe einer einfachen phonetischen Ver-
änderung zum Begriffe der Spaltung des Phonems, welche die
Grundlage jeder Alternation bildet, zu gelangen , muss man
anstatt einer einfachen eine doppelte Grösse substituieren:
Anstatt <p substituieren wir 9', ^", welche phonetische
Veränderungen nach verschiedenen Richtungen hin, folglich
qualitativ verschiedene Grössen bezeichnen.
Um die Orientierung zu erleichtern, bezeichnen wir den
Coeffieienten n bei cp' durch n\ den Coefficienten n bei 9"
aber durch n".
Dann ergibt sich die Spaltung des x von sich selbst:
x-\-n'(o' — X
mit den limites x . . . . X\
x+n"'f=x"
mit den limites x . . . . X".
Auf diese Weiße haben wir eine fertige Alternation
(a;-l-w(p| ;| \x-\-n <p | = a? [ja;
mit den limites:
X \\ X — X
X\\x, x\\X",
X II X".
Selbstverständlich findet dasjenige, was sich auf n und
wrp im allgemeinen bezog, auch auf w', n" und no\ w"cp" seine
volle Anwendung.
Je nach dem, welche Werte wir dem Coefficienten n in
dem einen und dem andern Falle geben, erhalten wnr eine ganze
~- 33 —
Reihe der Werte für w''p' und ^"9", also auch für x-\-n''^' und
für a:-|-n"o", oder für x' und für :c'\ in folgenden limites:
n = 0, n'<p' =0, x ~x ^
n"=0, n"(p"=0, a'"=^,
x II a;" — a; || .r = 3" ,
d. h. es hat der alternationelle Wandel noch nicht begonnen
sich zu vollziehen oder er ist höchstens erst im Keimen begriffen.
n' =^ 1 , 7ir^' = (p', x-\-n (p'=.r+<p = X' ^
n"=Oj w"<p" = 0, x-\-n"(^"—x,
X II x"= X' II X,
d. h. ein Glied der Alternation erreichte schon in der Rich-
tung der bezüglichen Veränderung die äusserste Grenze seiner
Entwickelung , das andere Glied aber gleicht dem unveränder-
ten Ur-Phonem.
Wir können es auch umkehren^ indem wir n 9' x' für
n" <p" X'' und n" 9" x" für ti <p' x' substituieren.
Endlich
n— 1 , n'o^ ©', X + n'o^ x + <o'=X\
n" = l, n"<j^"—n^", X ■\-n"'^"=^x-{-^" = X" .
x' II x"= X' II X",
d. h. beide Alternationsglieder gelangten bis zur äussersten
Grenze in der Richtung der ihnen eigenen anthropophonischen
Veränderungen.
2) Wenn wir bei gewissen phonetischen Veränderungen
die psychische Hemmnis annehmen , dann erhält unsere all-
gemeine Formel folgende Gestalt:
a;-l-(/icp — wn|/),
wo bedeuten:
'I . . . psychische Hemmnis,
m . . . die Zahl der Fälle oder Gruppen der Fälle, auf
welche sich die Wirkung dieser Hemmnis er-
streckt. Dieses m ist , im Unterschiede von w,
kein Bruch, sondern immer eine ganze Zahl in
den Grenzen von 0 bis M.
3
— 34 —
3) Die Formel , welche die zur Utilisierung traditionellei'
Alternanten behufs Entwickelung von Correlativen führenden
psychischen Veränderungen ausdrückt, könnte etwa folgende
Gestalt annehmen:
[X'\\X"\ m^,
wo bedeuten :
X' II X" eine entwickelte und befestigte traditionelle Alter-
nation ,
J/ . . . eine gewisse psychische Beziehung zwischen den
Morphemen und Worten, in welchen diese Alternation vor-
kommt ,
m . . . den Coefficienten dieser Beziehung, welcher ihre
grössere oder geringere Kraft, ihre grössere oder geringere
Spannung ausdrückt.
Die Stellung des Ausdrucks twh hinter der Parenthese,
[ ] , bedeutet keineswegs eine mathematische Multiplicie-
ruug der Alternation, deren Symbol in der Parenthese steht,
sondern nur die Möglichkeit der Utilisierung dieser Alterna-
tion zu der mittelst m'h ausgedrückten psychischen Schat-
tierung.
Der obige Ausdruck, [X' \\ X"\m'ij, ist bei weitem nicht
so stabil (feststehend) und bestimmt , wie die die Formelske-
lette aus dem Bereiche der Alternationen anthropophonischer
Herkunft darstellenden Ausdrücke
a;-fw<p, {x-\-n(^') \\ {x + n"(p")=x' \\ x" .
Denn es spielen dabei in jeder Sprachgenossenschaft individu-
elle Unterschiede eine grosse Kolle. Ein jedes Individuum rauss
zur Färbung der Alternation X' || X' mit der psychischen
Schattierung m'h auf eigene Hand gelangen.
Daher begegnen wir nicht so sehr einer Gradation . als
vielmehr einem beständigen Schwanken , beständigen Oscillatio-
nen, welche jedoch, in gewissen Bedingungen des socialen
Verkehrs und auf gewisser Stufe der sprachlichen Ausbildung
der zu der gegebenen Sprachgenossenschaft gehörenden Indivi-
duen, sich aufs minimum reducieren lassen. Jedenfalls hat das
— 35 —
m in der angeführten Formel einen beweglichen Wert in den
Grenzen
0 .... 31,
wo M das maximum der Kraft, das maximum der psychischen
Spannung bezeichnet.
Wenn w = 0 ,
dann ist natürlich auch
m y = 0
und der ganze Ausdruck
[X'\\X"\m^ = X' II X".
IV. Classification phonetischer Alternanten und Alternatio-
nen vom Standpunkte der Art und Weise ihrer etymologi-
schen Verwandtschaft.
Die die alternierenden Paare bildenden Phoneme müssen
immer etymologisch verwandt sein, d. h. sie müssen von einem
einheitlichen Urphoneme stammen; diese Verwandtschaft aber
kann zweierlei Art sein :
a) entweder alternieren diese Phoneme in den etymolo-
gisch verwandten, folglich alternierenden Morphemen (z. B.
^ 11 z in den poln. m o g - j m o z - u. v. a.),
b) oder es alternieren die Phoneme als Componenten
ganzer Gruppen von Morphemen mit einem gewissen gleich-
massigen phonetischen Bau (z. B. poln. t {y) \\ e in den Ver-
ben wy-cin-a wy-zyn-a na-gin-a j roz-bier-a
wy-cier-a po-zer-a . . . ; poln. e || o in p i e k - e
ciek-^ strzeg-e grzeb-e | bior-§ wiod-e nios-Q
p 1 0 t - § . . . ; lat. i \\ e in col-lig-o con-tin-etab-
-ig-it af-fic-it . . . | con-fer-o at-ter-it im-
p e r - a t . . . ; got. i \\ e [r] . . .).
Vom Standpunkte des Grades der etymologischen Ver-
wandtschaft alternierender Phoneme unterscheiden sich diese
beiden Arten von Alternationen keineswegs qualitativ, sondern
nur quantitativ. Die morphologische Verwandtschaft der Mor-
3*
— 8() —
pheme, d. b. die auf ihre Zugehörigkeit zu den in einer ge-
wissen gegenseitigen Beziehung stehenden inor|)hülogischen
Katogorien gestützte Verwandtschaft ist ganz einfach das Resultat
einer Verallg<Mneinerung. Diese Verallgemeinerung aber stützt
sich auf die Zusammenstellung einer ganzen Reihe von Mor-
phemen, welche nicht nur in einer gewissen morphologischen
Beziehung zu einander stehen , sondern auch etymologisch ver-
wandt sind. So führt uns z. B. im Polnischen die Zusammen-
stellung:
erstens von
c i e k - 1
c i e c z -
s t r z e g -
s t r z e 2
-
g r z e b -
g r z e l'j -
■ • • • 5
zweitens
von
b i 0 r -
w i 0 d -
n i 0 s -
p lo t -
b i er z -
w i e d z
n i e s -
p 1 e c -
. . . . ,
drittens
von
c i e k
-
c i e c z-
t ok-
t 0 c z -
s
t r z e g -
s t r z e /- -
strog
- s t r 0 z-
g
r z e
b-
g r z e b' -
g r 0 b -
grob'- ,
viertens
endlich von
b i 0 r -
b i e r z -
b 0 r -
b or z -
w
i 0 d
- w i e d z -
w 0 d -
w 0 d z-
n i
0 s -
n i e s -
n 0 s-
n 0 s -
Pl
ot-
p 1 ec -
p ^"0 t-
p } 0 c - . .
zu einer Alternation , welche als Abstraction von allen diesen
betrachtet werden darf, und zwar zu der oben angeführten
Alternation
e\\o
in piek- bior-
ciek- wiod-
strzeg- I nios-
grzeb- Iplot-..,
— 37 —
In den neueren , von Brugraann und De Saus-
sure so glücklieb inaugurierten , historisch-phonetischen Ent-
deckungen auf dem Gebiete der arioeuropäischen Sprachen
erwies sich die Zusammenstellung der Morpheme vom Stand-
punkte ihrer morphologischen oder formalen Verwandtschaft,
also Feststellung der Alternationen von Phonemen gerade der
Art , wie e || o in p i e k- . . . . | b i o r- . . . . , höchst er-
spriesslich.
In einem engen Zusammenhange mit der Unterscheidung
von zwei Arten der Alternatiouen bezüglich des Verwandt-
schaftsgrades alternierender Phoneme befindet sich die Bestim-
mung verschiedener Richtungen, in welchen sich die morpho-
logische Assimilation der Morpheme, d. h. ihre aus psychi-
schen Gründen sich vollziehende Ausgleichung manifestiert.
Es sind vor allem zwei Richtungen:
a) die Richtung der Assimilation auf Grundlage ety-
mologischer Verwandtschaft;
b) diejenige auf Grundlage morphologischer oder struc-
tureller Verwandtschaft.
V. Classificationen phonetischer Alternationen vom Stand-
punkte der Einfachheit oder der Zusammengesetztheit (Com-
pliciertheit) der Zusammenstellungen.
1. Der Unterschied äquivalenter und nicht-
äquivalenter Phoneme.
Wenn ein Phonem einem Phoneme, wenn zwei Phoneme
zwei anderen Phonemen etymologisch entsprechen , dann ha-
ben wir ein ganz einfaches, ohne besondere Complicationen
dastehendes Verhältnis.
Wenn aber einem Phoneme zwei oder mehrere andere Pho-
neme entsprechen, dann haben wir eine Alternation von nicht-
-äquivalenten Phonemen.
Im Grunde genommen , wird eine ebensolche Alterna-
tion auch von der Alternation eines bestimmten Phonems mit
Null oder mit dem Mangel jeglichen Phonems gebildet,
— 38 —
Endlieb gibt es Fülle, in welcben wir ein gewisses Pbo-
neni nicht mit einem anderen Phoneme oder mit zwei oder
mit mehreren ganzen Phonemen, sondern nur mit einem Teile
eines anderen Phonems oder, wenn mit einem anderen Phone-
me, so doch in Verbindung mit einem Teile eines anderen
nachbarschaftlichen Phonems zusammenstellen müssen.
Alle diese Fälle erhalten wir aus der Formel
x\\^ z + nx"\,
indem wir für p und n verschiedene Werte substituieren.
Dabei bedeuten :
x' . . . . einen von den Altemanten,
P
^ z -{- nx" . . . . den anderen Alternanten ,
s
x\ x\ z . . . . ganze Phoneme,
V
— , n . . . . Coefficienten der ganzen Phoneme ^
n . . . . eine ganze Zahl: 0, 1, 2, 3 ... ,
v .
— . . . einen gewöhnlichen Bruch in den Grenzen von
s
0 bis 1,
s .... die Zahl, welche zeigt, in wie viel Teile oder
einfache Articulationen das Phonem z zerlegt wird , mit an-
dern Worten die Zahl . welche die Summe der als unteilbare
Einheiten betrachteten Teile oder Eigenschaften des Phonems
z ausdrückt,
p . . . . die in den Grenzen von 0 bis s sich bewegen-
de ganze Zahl.
Substituieren wir jetzt:
1) p = 0, w=l,
dann erhalten wir die einfachste Alternation:
x' II X
(z. B. poln. Ä II c, ^ II 2 . . .).
— 39 —
2)
p^O,
« = 2. 3
I
— ^ + '^^"\-\x'\\2x"
U' II 3 x"
3)
(z B. poln. c II 6i, dz \\ dzi ).
P- z + n v"\ =x II 0
(z. B. poln. e II 0 in s e n I s n - u . . .).
4)
p=l
n = l
p I , " 1
^3 + nx"\ = x' — z -\- x"
s s
(z. B. poln. o II 'e in t o k - il c i e k - . . .).
Der vollständigen Genauigkeit wegen sollte man den bei-
den Seiten der Formel dieselbe Gestalt geben, und zwar
P
z + n x'
P
rr z" + n"x"
mit der Bemerkung, dass man einzelne Glieder der Ausdrücke
auch umstellen darf. Dann erb alten wir folgende vier Möglich-
keiten :
P / , / / I \ P " , " "
IM
( . - p' ,
\ n X 4- ^-r z
s
,, z -{- n X }
L'x' +K^z\'\n"x"+P^
_^_ z' + n' x' n' x" + ^7-
(1)
(2)
(3)
(4).
— 40 —
Nun. wenn wir in dorn Falle (2) setzen:
n'=l, p' = s', «"=1, p" = s'\
erhalten wir:
{x+z')\\ (2"+a-")
(z. B. poln. ar \\ ro in w a r t - k i | w r o t - a . . . . ).
Wenn in dem Falle (1)
p' = l, w'=l, y = 0, w"=0,
dann [ 1 ]
{ — .' + .■[110
(z B. poln. 'e II 0 in b i e r z - e | b r - a c).
2. Classificiition der Alternationen mit Rück-
sicht auf die Anzahl ihrer Glieder.
Gewöhnlich haben wir nur je zwei Alternanten in einer
Alternation , als in der von dem Standpunkte einer einheitli-
chen Causälität betrachteten Beziehung. Es gibt aber, sonst
ziemlich seltene , Fälle , wo zum Bestände einer durch eine
einzige Ursache, durch ein einziges anthropophonisches Streben
(Tendenz) auf verschiedenen Stufen seiner Manifestation (Offen-
barung) beleuchteten Alternation drei und selbst vier Phoneme
gehören. Hier ist u. a. die grossrussische Divergenz der Vokale
in Abhängigkeit von dem Accente zu erwähnen [o || ä || yiäi)
ingöd- g6d-a|gäd-a|gyd-{ivöj pöt-gyd-a ...].
3. Classification der Alternationen vom Stand-
punkte der Einfachheit oder der Zusamraen-
gesetztheit der die alternierenden Phoneme
enthaltenden Morpheme.
Eine Reihe der durch die Angrenzungsassociation ver-
bundenen Morpheme wird einem einzigen Morpheme entgegen-
gestellt, d. h. entweder bleiben wir in den Grenzen einfacher
Morpheme, oder müssen die in zwei angrenzenden Morphemen
sich findenden Phoneme in Erwägung ziehen und vergleichen.
— 41 —
Beispiele erster Art wurden schon oben in Menge an-
gefiibrt; als Beispiel zweiter Art kann man polnische Alter-
nation
öl II c, dzi II dz
in pJac-ilplac-^. rodz-i|rodzQ nennen.
4 Classification der Alternationen vom Stand-
punlvte des Gegensatzes zwischen den einem
einfachen Worte eigenen Morphemen und
zwischen dem etymologischen Zusammenhan-
ge von Morphemen, die in verschiedenen Wor-
ten vorkommen.
Alle oben genannten Alternationen fanden in den einem
einfachen Worte eigenen Morphemen. Wenn wir aber ein Pho-
nem oder eine Verbindung von Phonemen finden wolleU; wel-
che z. B. mit dem auslautenden c des polnischen c i e c alter-
niert, müssen Avir zu der Zusannuenstellung von zwei jMorphe-
men Zuflucht nehmen , die in einer gegenseitigen Verbindung
nie auttreten. Es sind die Morpheme : 1) c i e k - , 2j -c der
Infinitive:
I c i e k -
c 1 e c -
- c .
Auf diese Weise erhalten wir die Alternation
il *-
" " .6.
Folglich unterscheiden wir zwei Arten von Alternationen
und Alternanten:
d) einfache, welche durch eine Vergleichung der Ver-
bindungen von Phonemen erhalten werden, die dem Bestände
eines einzigen Wortes vollständig angehören (z. B. poln.
[d£i\\ dz) ^ {di\\ dl))-
b) complicierte, wo, wenigstens auf einer Seite, die zwei
besonderen Worten eigenen Phoneme gestellt werden müssen
( „ r, k- . . ciek- . \
l z- ij. c , in c 1 e c . u. a. .
^ .1 -^ li -c J
— 42 —
5. Entgegen Stellung einfacher Alternationen,
einfacher a 1 1 e r n a t i o n e 1 1 e r Paare d e n A 1 1 e r-
n a t i o n e n von A 1 1 e r n a t i o n e n oder den Alter-
nationen a 1 t e r n a t i o n e 1 1 e r Beziehungen.
Einfache Alternationen erfordern hier keine nähere Er-
klärung. Als Beispiel von Alternationen der Alternationen kann
man anführen poln.
{i\\ö}\\{k\\c)
(plot-e I pleci-e) || {piek-§ | piecz-e),
in
{e
e)
II {o
in
p i 6 k-§ piecz-e
m
c 1 e c
c i e k -
n 1 o s - Q
plot-e
hj-6
n 1 e s 1- e |
pleci-e j
by-
Die Alternationen von Alternationen oder die Alterna-
tionen alternationeller Beziehungen stützen sich auf die alter-
nationelle Beziehung der Morpheme, welche nur formell oder
structurell verwandt sind.
Man könnte wohl noch viel mehr Standpunkte auf-
stellen , von denen sich die Alternationserscheinungen classi-
ficieren liessen. Ich begnüge mich aber vorderliand mit dem
in diesem Capitel dargestellten und gehe im folgenden zu
einer ausführlicheren Analyse wenigstens einiger Alternations-
classen.
III. CAPITEL.
Alternationen , betrachtet vom Standpunkte anthropo-
l)honischer Cau.salität. Analyse verschiedener Classen
und deren charakteristische Merkmale. Divergenzen.
Wie aus Obigem ersichtlich, existieren in jeder Spra-
che Spaltungen eines ursprünglich einheitlichen Phonems, wel-
43
die auf dem rein antliropopljonisclien Boden entstehen, unab-
hängig von ihrer Zugehörigkeit zum Bestände gewisser Mor-
plieme oder Morphenikategorien. So ist z. B. das ursprüngliche
Phonem k im Polnischen in /c, /c', c (cz), c gespaltet worden.
Ein besonderer, psychisch beschränkter Fall solcher rein pho-
netischen Spaltungen sind Spaltungen von Phonemen in den
etymologisch verwandten Morphemen , z. B. Spaltung von k
\x\k^ c, c in den Morphemen wilk- wilc- wilc- (wilk,
wilczysko, wilcy).
Es erfolgt oder es erfolgte wohl in beiden Fällen eine
Spaltung dessen, was eine psychische Einheit bildet oder bil-
dete. Aber ein gewisses Phonem , unabhängig von den mit
einer Bedeutung versehenen Morphemen betrachtet, bildet
etwas Einheitliches nur als phonetische Vorstellung, nur als
Erinnerungsbild , während die psychische Einheit eines als
Morphemcomponent betrachteten Phonems noch von dem ety-
mologischen Zusammenhange der Morpheme unterstützt wird.
Dabei ist ein sehr wichtiger Umstand zu berücksichtigen,
nämlich : Die Schlüsse, dass die heutzutage verschiedenen
Phoneme, — und zwar einfach verschiedene, ohne eine
sichtbare Veranlassung zu einem solchen Unterschiede, —
einmal e i n Phonem waren , können nur auf dem Wege der
Etymologie gemacht werden , d. h. auf dem Wege etymologi-
scher Zusammenstellungen und Vergleichungen, sei es im Be-
reiche einer und derselben Sprache [Alternationen] , sei es wie-
der im Bereiche zweier oder mehrerer Sprachen [Corresponden-
zen]. Wenn wir weder eine Alternation, noch eine Correspon-
denz aufweisen können, haben wir auch kein Recht, ein Pho-
nem von dem anderen herzuleiten.
Von der Spaltung eines gewissen Phonems in einige an-
dere, unabhängig von dem etymologischen Zusammenhange
der sie enthaltenden Morpheme, können wir nur dann reden,
wenn die diese Spaltung bedingenden Factoren vor unseren
Augen wirken, wenn in ihnen noch ein volles Leben pulsiert,
wenn man sie, so zu sagen, in flagranti ertappen kann.
_ 44 —
Die neophonetischen Einflüsse wirken ganz unabhängig
von dem etymologischen Zusammenhange. Wir dürfen also,
die in der Absicht gleichen und in der Vollbringung verschie-
denen Phoneme oder Laute ganz unabhängig von irgend
welchem etymologischen Zusammenhange zusammenstellen.
Hierher gehört z. B. die Spaltung polnischer „Nasalvo-
cale", je nach der Nachbarschaft, in q q \ qn (en) an (on) \
em (em) am (om) \ en (<?«) an (oü) \ qA ieü) an {on) \ e o.
Ebenso verhält es sich auch mit dem aind. a n u s v ä r a - .
Grossrnss. Voeale «, e, o, besonders a und e, haben
eine verschiedene Schattierung, je nach der Natur des folgen-
den Consonanten (Maxt , M-feai» , saKOHt . • . | MaTt , MCJifc,
KOHB . . . ).
Nhd. s klingt verschieden, je nach seiner Lage und
Nachbarschaft, u. s. w. u. s. w.
Eine solche vor unseren Augen sich vollziehende Spal-
tung eines psychisch einheitlichen Phonems in zwei oder mehrere
können wir Divergenz nennen , und sie wird in diesem
Falle rein anthropophonisch, rein phonetisch
sein, d. h. eine Divergenz der Phoneme selbst, unabhängig
von ihrer Zugehörigkeit zum Bestände verwandter Morpheme.
Wenn aber solche differenzierende Einflüsse in den ety-
mologisch (d. h. psychisch -historisch) verwandten Morphemen
stattfinden , dann erhalten wir eine phonetisch-etymo-
logische Divergenz, eine neophonetische Al-
ternation, eine uranfängliche Alternation der Morpheme
und der zu deren Bestände gehörenden Phoneme. Beispiele:
poln. s||/ [kostka I kose, czastka | czesc,
piosnka] piesn . . .];
poln. n II A (stimmloses w), l i| l (stimml. t) , r ^\ r (stiraml.
r) [piesni j piesn, jablek j jabiko, wiatru '
w i a t r . . .];
poln. /o (y) II i'i (*') [g ^ 0 w y, c n o t y . . . j p o s t a c i,
s o 1 i . . .1 ;
- 45 -
poln. - 1 - II -t (geschwächtes <) [c n o t a | c n 6 t . . . ] ;
„ en (en) \\ en {efi) [b§d§jbedzie.. .];
grruss. o \ o, , a || «,-, e || e-, [ßosa | boshti,, oaoa } oaoii,
STOT'B I 3TH . . .] ;
grruss. i.y (li) || ?', (nj [6ajii,'i , A'^^pti . . . . | Kopo.iH',
^apH' . . .];
grruss. 0 !| r? || // [rö;],^. rö^a | ro;i,a | ro;i,OBÖn nö.i-
roAa . . .];
nhd. -(5»- II -/? [G r a b e , Stabe . . . I G r a b. St a b...];
„ x^ {ch) II Xi (cÄ) [brach | bricht, Loch | Lö-
cher . . .].
Ebenso bei einer rein anthropophonischeii Divergenz, wie
auch bei der Alternationsdivergenz kann
a) entweder jedesmalige Substitution, jedesmalige
notwendige Anpassung (Aecoraodation) an die Bedingungen
der Aussprache,
h) oder, neben der Accomodation, auch die u n b e wu ss-
t e E r i n n e r u n g an die individuellen Eigentümlich-
keiten der gegebenen anthropophonischen Modification des psy-
chisch einheitlichen Phonems stattlinden.
Ln ersten Falle [a) haben wir die Thatsache der Nicht-
übereinstimmung der anthropophonischen Voilbringung mit
der Absicht, mit der Intention: wir wollen ein gewisses
Phonem mit allen seinen Eigentümlichkeiten aussprechen, und
unterdessen können wir nur eine Modification dieses Pho-
nems aussprechen, indem wir anstatt seiner gewissen gedach-
ten Eigentümlichkeiten irgend welche andere, in der Vollbrin-
gung mögliche Eigentümlichkeiten substituieren.
Den Beweis dafür liefert zuerst die Orthographie und
dann die häufigen Streitigkeiten, welchen Laut wir im be-
treffenden Falle hören. Bei den des Schreibens kundigen kann
das Hören auch durch die Orthographie beeinflusst werden.
Der Ausdruck z. B. „s wird wie s ausgesprochen" ist
gewissermassen gerechtfertigt: z stellt hier die gedachte psy-
•—46 — ■
chisdie Einlieit dar, .<? aber — deren Vollbringunn^ im ]')erci-
che der Spracliperipherien.
Als Beispiel des zweiten Falles (b). d. b. des Falles, wo
wir, neben der Acconiod;Uion und Substitution, aiicii einer
unbewussten Erinnerung an individuelle Eigentümliclikeiten
begegnen , können poln. *■ in kose, g o s c, p i e s n , p i e-
s n i . . . , Ä in spi (ausgespr. aucli s p i) dienen.
Diese unbewussten Erinnerungen an individuelle Eigen-
tinnlicbkeiten , insoweit sie in den etymologisch verwandten
Morphemen vorkommen , bilden ein Uebergangsglied von der
Kategorie der Divergenten zu derjenigen der traditionellen
Alternanten.
Die anthropophonische Spaltung eines psychisch einheit-
lichen Phonems , welche sei es den rein anthropophonischen,
sei es alternationellen Divergenten eigen sein kann, besteht
a) entweder wirklich in der Entwickelung verschiedener
Eigentümlichkeiten in einem Gliede des alternierenden Paares,
genauer gesagt, in der Substitution gewisser Eigentümlichkei-
ten anstatt anderer [- 6 \\ - d- in r a d | r a d a, - s \\ - z - in
m r ö z I m r o z u , r \\ r in w i a t r { w i a t r u , m \\ m in
m c h u I m e c h . . .],
b) oder aber blos in der Schwächung der Individualität
eines von den Gliedern des alternierenden Paares.
In dieser Hinsicht muss man die das Zum vorscheinkom-
men aller individuellen Eigentümlichkeiten des gegebenen Pho-
nems begünstigenden Lagen von den dasselbe in irgend welcher
Weise hemmenden unterscheiden. So ist z. B. die Lage des t
in tA. stsi dem Erscheinen seiner individuellen Eigentümlich-
keiten günstig, während in a ^ ein solches Erscheinen gehemmt
wird. Ebenso r in r a , r y d z , a r im Gegensatz zu r d a ,
rdza..., ^in /igacim Gegensatz zu /gnac, m, rii in
m y, m i g a c im Gegensatz zu m gl a., »i g n i e . . .
Die irgend einer Divergenz eigene Causalität kann ent-
weder allgemein menschlich, oder nur ethnologisch, d. h. ört-
lich und zeitlich bedingt, sein. Mit anderen Worten:
— 47 —
Coinbinatoriscli - anthropoplionisclie Veränderungen , i\ie
den ersten Anlass zur Spaltung eines Phonems geben , voll-
ziehen sich
1) entAveder unter dem Einflüsse stätig . man kann sa-
e:en , ewio- wirkender Ursachen .
2) oder unter dem Einflüsse von den nur vorübergehend,
nur zu einer gewissen Zeit wirkenden Ursachen, unter dem
Einflüsse von Bedingungen , welche nur einer gewissen Sprach-
genossenschaft in einer gewissen Periode ihres sprachlichen
Lebens eigen sind.
Wenn man diese Gruppe vorübergehender Ursachen
vom Standpunkte einer gewissen, streng bestimmten Epoche
betrachtet, so wirken sie a) entweder in der Jetztzeit, in der
Gegenwart . b) oder nur in der Vergangenheit dieser Epoche.
Ebenso bei der rein anthropophonischen , wie auch bei
der alternationellen Divergenz sind zu unterscheiden:
1) phonetische Gewohnheiten, z. B. jede Silbe
mit einem Consonanten zu beginnen, was uns u. a. die sogen.
„Einschiebung des Consonanten zur Vermeidung des hiatus^
erklärt,
2) Accomodation, behufs Erleichterung der Aus-
sprache.
Diese letztere
rt) ist entweder not w endig und ausnahmslos,
wenn man gehörig ausspricht (z. B. Divergenz verschiedener
tinta.\tr\t\\ts\tn\sit\&nt . . . , Alternation des d
in dn o \ d en . . .) ,
h) oder reduciert sich zu den schwachen anthropopho-
nischen Strebungen, welche durch die „prohibitive Analogie",
d. h. durch das Streben nach phonetischer Ausgleichung ver-
schiedener in ihrer psychischen Einheit gefühlter i\Iorpheme,
paralysiert werden.
Merkmale der Divergenz.
1. Das erste und hauptsächlichste Merkmal jeder Diver-
genz kann foigendermassen formuliert werden:
48
Die mit einander alternierenden Ei;:^en-
t ü 111 1 i c h k e i t e n der Aussprache sind nicht
individuelle und u n a b h ä n «• i g e E i g e n t ü m-
lichkeiten an thropo phonischer Varietäten
(Modificationen) des betreffenden Phonems
oder der betreffenden phunetischen Stelle
des Morphems, sondern sie sind nur c o in b i n a-
torisch bedingt, d. h. sie hängen von der Verbindung
mit anderen Phonemen und von den Bedingungen der anthro-
pophonischen Umgebung im allgemeinen ab.
Bezeichnen wir:
das sich verändernde Phonem mit x,
eine Moditication desselben mit x\
eine andere Modification mit x'\
Verbindungs-Bedingungen im allgemeinen mit . . y,
phonetische Bedingungen, in denen das Phonem x',
als eine von den Modificationen des Phonems x, erscheint, mit ?/',
Bedingungen, in denen das Phonem x" , als eine
andere Modification des Phonems x , erscheint , mit . . . y"
und schliesslich die Abhängigkeit mit /;
dann können wir das genannte Merkmal folgendermassen
ausdrücken :
d. h. X ist „Function" des ?/,
wobei selbstverständlich das Wort „Function" in dem ma-
thematischen Sinne genommen wird, obgleich, mit Rücksicht
auf die Verschiedenheit des Untersuchungsgegenstandes selbst,
wie auch auf den Mangel der jedem mathematischen functio-
nellen Zusammenhange eigenen Continuität, wir dieses VV^ort
„Function" hier nur cum grano salis , d. h. mit dem nötigen
Vorbehalt, gebrauchen dürfen.
Diese Abhängigkeit des x von y können wir genauer
so ausdrücken :
X - fiy) ,
oder x' . . . y' \\ x" . . . y'\
— 49 —
11 X \\ X
oder auch r m ' r >n
[y ] [y]'
(1. h. das von den Bedingungen y' abhängige Phonenn x' al-
terniert mit dem von den Bedingungen y" abhängigen Pho-
neme x" .
Anders :
X' II x" # y' II y",
d. h. die Alternation der Phoneme x\ x'\ welche blos Modi-
ficationcn des Phonems x sind , geht parallel zu der Alterna-
tion phonetischer Bedingungen, y\ y'\ von denen eben jene
Phoneme , x', x'\ als Varietäten des Phonems x , abhängen.
Ein besonderer Fall:
entweder x' — x ^ y = 2/?
oder x"=x, y" =y^
d. h. dieses Phonem {— x) verändert sich gar nicht, die an-
thropophonischen Bedingungen aber bleiben auch unverändert
(=y), was eben die Erhaltung ursprünglicher Eigentümlich-
keiten des Phonems begünstigt.
Mit diesem ersten charakteristischen Merkmale der Di-
vergenz oder der mit der anthropophonischen Causalität be-
gabten Alternation bleiben in einem engen Zusammenhange
zwei andere Merkmale:
2. Unmittelbare Bestimmbarkeit undVor-
handensein anthropo phonischer Ursachen
der Alternation.
3. Allgeraeinheit und anthropophonische
Notwendigkeit der Alternation.
D- h. : eine solche Alternation
a) kommt ausnahmslos in allen Worten und phonetischen
Verbindungen der betreffenden Sprache vor, welche das be-
treffende Phonem enthalten;
h) sie steht in einem causalen Zusammenhange mit der
Alternation der Bedingungen anthropophonischer Natur:
4
— 50 —
x' ist eng verbunden mit ?/',
* 77 n 71 f) y \
Vorbindiini^'cn x' . . . y",
oder x" . . . y'
sind unmöglich.
4. Eine ähnliche Alternation, d. h. Di-
vergenz, ist unabhängig von den psychi-
schen (m o r p li o 1 o g i s c h e n oder s e m a s i o 1 o g i-
sehen) Einflüssen. Sie findet nicht in den
syntaktisch und morphologiscli geglieder-
ten, sondern einzig und allein in den ausge-
sprochenen P li 0 n e m e o ra p 1 0 X e n , im Gebiete
der S p r a c h p e r i p h e r i e n statt.
5. Da die Eigentümlichkeiten der Pho-
neme x' ^ x" nicht ihre psychisch individuelle, gedachte, im
Gehirncentruin autbewahrte Eigentümlichkeiten , sondern nur
von den Aussprachebedingungen, y\ y'\ a b-
hängige Variablen sind, und da eine solche
A 1 1 e r n a t i 0 n von den psychischen Einflüs-
sen unabhängig ist, so braucht man diese
anthropophonischen Schattierungen des ab-
hängigen Phonems gar nicht zu merken.
Diese Schattierungen werden durch die peripherischen Aus-
sprachebedingungen von selbst gegeben. Es wird aber dadurch
die Möglichkeit des Bemerkens und des Merkens jener Schat-
tierungen keineswegs ausgeschlossen, und dann wird dieses Mer-
ken zum Uebergangsgliede zu der Kategorie traditioneller Al-
ternaiionen.
Es sind noch ausserdem im Bereiche der Divergenzen
oder neophonetischer Alternationen verschiedene Grade und
Varietäten zu unterscheiden, und zwar:
a) keimende Alternationen, welche entweder
mit Hülfe einer, so zu sagen, mikroskopischen Untersuchung
entdeckt oder nur als Postulat angenommen werden 5
— 51 -
Z») Alternationen mit den schon ohne vSchwierig-
keit bestimmbaren Folgen, welche aber unbewusst,
(1. h. im Zustande des unendlich kleinen Bewusstseins , noch
nicht percipiert werden , und die allein mittelst Steigerung,
mittelst Vergrösserung des Bewusstseins entdeckt werden kön-
nen [z. B. poln. m \\ m in m e c h | m c h u , r || ?• in P i o-
t r a I P i o t r, ^ II < in k o t a | k o t ; grruss. a \\ a in 6paTa |
öpaT'li]. Hier haben wir eine psychisch einheitliche Quelle des
Phonems neben seiner rein anthropophonischen Spaltung.
c) Alternationen, welche nicht nur bewusst, son-
dern auch unbewusst percipiert werden, welche also,
einerseits, schon mit der Spaltung (Entzweiung, Bifurcation)
der psychischen Quelle verbunden , andererseits aber schon
von der Tradition gewissermassen unterstützt werden [z. B.
poln. - b - \\ - p m Ih SL \ l eh, p (p,) \\ p in k u p i e c | k u p-
c a . . . ; grruss. t \\ d in cnaTaTB | CBa;i,&6a . . .].
Bei der Beurteilung, ob eine gewisse Alternation zur
Classe b , oder zur Classe c gehört, können uns als Kriterium
entsprechende Thatsachen der Sprache und des Schrifttums
dienen [dieses letztere selbstverständlich nur in den Schrift-
sprachen und bei den der Schrift kundigen Individuen]. So
gehört z. B. poln. b \\ p in tba | leb zur Classe c, weil sich ein
lepek lin let; ebenso gehören zu derselben Klasse C grruss. d \\ t
in 6y/i;oK | 6y/i,Ka, wenn öyTOHHHK, t \\ d in CBaTaTB | CBa/i,i>6a,
weil CBa^eÖHLiH. Die poln. Schreibung t c h u t c h n a c be-
weist , dass d \\ t in dech oddech[tchu tchn^c auch
zur Cl. c gehört. Für polnische Kinder, welche w r u s e k^
(wruszek) anst. wruzek (wrözek) [Gen. pl.j sagen, gehört
die Alternation z \\ s in w r 6 z - y c (wahrsagen) | w r 6 z - k a
(Wahrsagerin) ebenfalls zur Cl. c, oder sie hat sich, eigentlich
gesagt, noch nicht in der Sprache dieser Kinder festgestellt.
Selbstverständlich existiert unter den soeben aufgezähl-
ten drei Classen in jeder Sprache eine ganze lleihe Über-
gangszustände und Oscillationen oder Schwankungen , sei es
nach dieser, sei es nach jener Seite.
4*
- 52 -
IV. CAPITEL.
Correlatioiu'ii oder psycliophonetische Alternutionen.
Correlation heisst eine solche alteruationelle Beziehung
von Phonemen , bei welcher mit der phonetischen Unterschei-
dung sich irgend ein psychischer Unterschied der Formen
und Worte, d. li. irgend ein morphologischer oder seraasiolo-
gischer Unterschied , verknüpft (associiert).
Eigentlich gesagt, alternieren dabei nicht einfache Pho-
neme (Laute) , sondern ganze Morpheme oder selbst ganze
Worte.
Auf dieser Stufe der Entwickelung alternationeller Be-
ziehungen spielen homogene (d. h. von einem einstmal einheit-
lichen Phoneme stammende) Phoneme, als bewegliche Corre-
lative, in der Morphologie ebensolche Rolle, wie bewegliche
wortbildende Morpheme (Affixe), d. h. wie Prae-
fise, Suffixe, Endungen u. ä. Sie — diese beweglichen Correla-
tive — bilden hier einen notwendigen integrierenden Bestandteil
gewisser beweglicher homogener Morpheme. Wie Suffixe, Prae-
fixe u. ä., ebenso dienen auch Correlative zur Unterscheidung
gewisser morphologischer Kategorien.
vSo wird z. B. im Polnischen , wie auch in anderen sla-
vischen Sprachen , eine gewisse Classe von verha denominativa
noch heutzutage dadurch lebendig gebildet, dass man das
Suffix i an den Primärstamm hinzufügt , dessen letzter Con-
sonant so aussehen muss, Avie der Consonant, welcher infolge
einer spontanen Degeneration des in der ersten Palatalisations-
periode der slavischen Sprachen [wenigstens inbetreflF der Hin-
terlingualen k^ (/, ch] palatalisierten Consonanten sich histo-
risch entwickelt hatte [brud-|brudz-i-c, lup- |l^up-
-i-c^ tok-|toc-y-c, trwog- | trwoz-y-ö . . . .j.
Das Merkmal des Locativs polnischer Substantiva ist u.
a. nicht nur die Endung e , sondern auch die Verwandlung
des letzten Stammconsonanten in einen Consonanten, welcher
— 53 —
sich auf dem Wege spontaner Degeneration aus einem pala-
taliöierten und mit seiner Palatalisation in die zweite Palatali-
sationsperiode der slavischen Sprachen ( — wenigstens bei den
Hinterlingualen /c, g, ch — ) reichenden Consonanten [n a r o d z-e,
wol-e, bof-e, strac-e, r§c-e, wödc-e, nodz-e,
s t r u d z - e . . .] entwickelt hatte.
Andere Beispiele:
in der polnischen Conjugation 1. s. nios-e (n i o s - e),
plüt-e, gn-e,bior-e,piek-e,mog-e. . . | 3. s,
nies-e, plec-e, gn-e, bieir-e, piec-e, moz-e... ;
ebenfalls in der poln. Conjug. 3. s. [2. s. , 1. — 2. pl.]
(1 u IJ i , m 6 w i , w o 1 i , r a n i , t w o f y, t o c y, t r w o /. y^
s u s y, } nosi, wozi, äwieci, chodzi | 1. s. [3. pl,]
{ 1 u r> - e , m ö w - e , wol-e, r a n - e , t w o f - e , t o c - e,
trwoz-e, sus-e,) nose, woz-e, swiec-e, chodz-e...
nosi-, wozi-, swieci-, chodzi- |nos-enie
no8-ony, woz-eniewoz-ony, swiec-enie swiec-
-ony, chodz-enie chodz-ony . . .;
einfache Verba einerseits , durafÄva und iterativa ander-
seits : zwar pali-c czyni-c trudzi-c | pal-a-c
-czyn-a-ö -trudz-a-c ...., aber stroi-c to-
cy-c trwozy-c chodzi-c ranozy-cl-straj-a-c
tac-a-c -trwaz-a-c chadz-a-c -mnaz-a-c und
g nies-e ples-c mies-c lec-e-c siedz-e-c |
gniat-a-c p)at-a-c miat-a-c lat-a-c siad-
-a - c . . . ;
dieselbe Verbalbeziehung im Grossrussischen: öpoc-a-Tt
ÖpäC-tIBa-TB , KOJI-Ö-TB | Ka^-BIBa-TB , CTpOH-TB | - CTpO - HBa - TB
(CTpä-HBa-TB), npÖHH-TB | -npÖH-HBa-TB, .IK)6h'-TB j -.llbÖJI-HBa-TB,
;i;o»i6h'-tb | ;i;äj[6.i-HBa-TB; xo/I,h'-tb ■ xaac-HBa-TB, hoch'-tb ' nam-
-HBa-TB , 3ano;i;63pH-TB j 3ano;i,63p-HBa-TB (3ano;i,a3p-HBa-TB) . . . ;
Nora. pl. ra. der polnischen Nomina hat in Verbindung
mit der Endung -i (-y) auch einen Schlussconsonanten, wel-
cher durch die spontane Degeneration eines von der Pahitali-
sation afticierten Consonanten [bei den Hinterlingualen einer
Palatalisation zweiter Periode] [c h 1 o p - i, k a c - i . . . , s i 1 li - i.
54 —
r u-
m i 1 - i . . . . Av i 1 c - y, |) t a c - y . . . , w i e 1 c - y, d
d z - y . . . , s z 1 - i. c h o d z i 1 - i. d a 1 - i . . .] entstanden ist.
In einer gewissen Classe von Substantiven m. und n.
des Neuchochdeutsehen wird der Plural nicht nur durch die
Anfügung einer Endung e od. er, sondern auch durch eine
Verwandlung des nicht -palatalen Stammvocals in einen pala-
talen („Umlaut") gebildet: Wolf. Dorf, Grab, Loch,
W u r m I W ü 1 f e , D ü r f e r, G r ä b e r, L ö c h e r, W ü r-
m e r . . .
Einige abgeleitete Namen des Altiudischen werden gleich-
zeitig durch Hinzufügung des Suffixes -ya - und durch eine
correlativische Verwandlung des einfachen Voeals des staram-
haften Morpliems in die zweite Stufe seiner „Steigerung"
(v r d d h i -) gebildet : käunteya-, säubhagya-, väi-
rya-, pärthava- .... von kunti-, subhaga-^
vira-, prthivi- . . . .
Bekanntlich verleihen dem Worte gewisse Affixe oder
untergeordnete Morpheme (Suffixe, Praefixe) eine Nuance der
Ungeschlachtheit , der Abstraction u. ä. Ahnliche Nuancen
werden dem Worte auch durch eine gewisse correlativische
Beziehung der Morpheme verliehen. So im Poln. die Correla-
tion X {ch) \\ s in wloch-y kluch-y|wJos-y klus-
- k i . . . , im Russ. ra la \\ oro olo^ sc M\c z in rpaa:;i;a-
hh'h 1 ropoacaHHH, rjraBa | ro.iOBä, npeEpan^äxB I Bopo^aTB...;
im Französischen Ä;||sincau3e|chose... [obgleich in
diesem letzten Falle von einer wirklichen, vom Volke lebhaft
gefühlten Correlation kaum die Rede sein kann].
Die sogenannte , ebenso dem arioeuropäischen Urzustän-
de, wie auch allen besonderen arioeuropäischen Sprachen in
älterem Stadium ihrer Entwiekelung eigene, „Stammabstufung"
ist an eine correlativische Alternation der Phoneme eng ge-
bunden, wobei ein Glied des alternierenden Paares die Null
des Phonems, d. h. sein vollkommener Mangel, zu sein pflegt:
X :io.
— 55 —
Diese „Stamniabstufung" kann entweder noch lebendig,
beweglich, oder, in betreff ihrer Lebendigkeit und Beweglich-
keit, im Absterbestadium begriffen sein.
Hieher gehören auch die sogenannten „Infixe", welche
sich besonders üppig in den semitischen Sprachen entwickelt
hatten.
Als Beweis der Lebendigkeit einer correlativischen Be-
ziehung im Bereiche der Altemationen dient die Möglichkeit
der Übertragung auf andere Worte, die Möglichkeit der Bil-
dung neuer alternationellen Paare , besonders in solchen Fäl-
len , wo auf dem Wege einfacher phonetischer Wandlungen
nichts ähnliches erscheinen könnte. So ist die mit der Bezie-
hung polnischer Deininutiva und einfacher Substantiva verbun-
dene Cori'elation
c II c [cz)
ganz lebendig und beweglich , denn , nachdem sie sich phone-
tisch in solchen Worten entwickelt hatte, wo ebenso c fcz)^
wie auch c aus der Palatalisation des h in verschiedenen Pe-
rioden des Sprachlebens entstanden, wird sie jetzt auch auf
solche Worte übertragen , wo c nicht einem h , sondern einem
t\ seinen Ursprung verdankt. Li den Woi-ten d o n i c a, m i ed-
nica, krynica. lica, s^once, kupiecjdonicz-
ka^ miedniczka, kryniczka, liczka, sl'onecz-
k 0 . k u p c z y k . . . . entstand die Correlation c || c {cz)
auf rein phonetischem Wege, ganz so, wie die Correlationen
k il c. g II I, x{ch) II s (sz) in r§ka [ r^czka, noga ] nöz-
ka, m u c h a I m u s z k a . . . Aber in solchen correlativi-
schen Paai'en , wie s w i e c a | s w i e c z ka . . . , hat sich
die Correlation c i| c auf dem Wege morphologischer Assimi-
lation („Analogie") eingenistet.
Der frühere Nom. pl. der polnischen Pronomina posses-
siva nasz-y, wasz-y wurde jetzt durch nas-i was-i
ersetzt, weil der Consonant s als charakteristisches j\[erkmal
gerade dieses Casus von den Stämmen mit dem Schlusscon-
sonanten s , s [sz) oder x (ch) gefühlt wird .- n a s | n a s - i . . .
— 56 —
Die Irühere DLiniimtivfünn von poln. g r o s z , a r k u s z
klang groszyk, arkuszyk (wie bis jetzt in einigen Tei-
len des polnischen Sprachgebietes, z. B. in Litauen, in Ukra-
ine u. s. Av.) , jetzt aber wiu-de sie durch a r k u s i k , g r o-
s i k . . . , mit einem unmittelbar palatalen .^, vertreten. [Da-
mit vergleiche man die „Palatalisation", welche in der Kin-
dersi)rache die Rolle eines Exponenten der Liebkosung und
Zärtlichkeit spielt.]
Im Altindischen waren die unter dem allgemeinen Na-
men „guna-" gefassten Alternationen der Vocale in frühe-
ren Zeiten meistenteils correlativisch , d. h. morphologisch be-
weglich ; in der Periode aber, aus welcher die indischen Litera-
turdenkmäler stammen, befand sich diese Beweglichkeit min-
destens in einem Übergangsstadium zur psychischen Unbe-
weglichkeit ausschliesslich traditioneller Alternanten. Im Ge-
genteil bildete die sogen, v r d d h i - die Beziehung einer le-
*■ o
bendigen, beweglichen, tibertragbaren Correlation.
CoiTelationen sind immer nichts weiter, als nur ein
Übergangsstadium von den einfachen traditionellen Alterna-
tionen zu den ebenso einfachen traditionellen Alternationen.
Die Correlation entsteht nur infolge einer Utilisierung alter-
nationeller Unterschiede zu psychischen Zwecken , und diese
Utilisierung kann sich zwar in einer Reihe von Generatio-
nen wiederholen , schliesslich aber hört sie auf, und gleich-
zeitig mit ihrem Aufhören muss die betreffende psychophone-
tische Alternation oder Correlation zu einer gewöhnlichen tra-
ditionellen Alternation werden. Diesen allgemeinen Satz
wollen wir mit einzelnen Beispielen beleuchten.
So war z. B. die poln. Alternation 0 || i (n || in) in
pn-§pn-e|p'in-a, -cn-§-cn-e | -cyn-a, tn-e
tn-e[-cin-a.... früher eine bewegliche Correlation, wie
es vor allem ihre Übertragung auf gn-e gn-e|gin-a...
beweist; jetzt aber befindet sie sich mindestens in einem
Übergangszustande zur völligen psychischen Unbeweglichkeit,
ähnlich wie andere ihr verwandte Alternationen [ct-§ cc-el
— 57 —
cyt-a, st-a-c|syt-a-ö, tk-a-c|tyk-a-c, br-a-d|
l'j e r - a - c].
Zu derselben Kategorie rudimentärer psychophonetischer
Alternationen gehören auch poln. o || u (o) in c h o d - u b o r -
-u stol-u grod-u I chöd bor stol gröd...;
'e 'q \\ e q in cez-ki caz-a | t§g-i ws-t^z-ka; M|]0
insucli-ylsch-na-e... ;
nhd. / (e) II <2 in b i n d - e ] b a n d , e s s - e | aß . . . ,
in . b i n d - e I , ,
an ^"^ ^^ band I ge-bund-en . . .
Wir dürfen auch vermuten , dass selb.st die poln. Al-
ternation o II e in bior-e nios-e wioz-e | bierz-e
n i e 8 i- e w i e z i - e . . . im Zusammenhange mit der Formen-
beziehung einstmal gefühlt wurde , d. h. dass sie eine Cor-
relation , wenn auch von einer kurzen historischen Dauer, war.
Jetzt gibt es hier selbstverständlich keine Spur einer Correla-
tivität; denn sonst würde das Streben nach der Stammausglei-
chung (Uniformierung des Stammes) und nach der Vertretung
der Formen bior-e, nios-e, wioz-e... durch b i e r - e,
nies-e, wiez-e . . . unmöglich sein.
Es kommen in der Sprachgeschichte auch Fälle vor, wo
eine gewisse Correlation nur scheinbar schwindet, während
sie eigentlich nur ihr Aussehen ändert und unter eine andere
Correlation von breiterem Umfange untergeordnet (subsumiert)
wird. Ein interessantes Beispiel einer solchen Verwandlung lie-
fert uns das Grossrussische.
Die der Schriftsprache eigene Alternation
k II c
in dem Praesens der Verba pi e k • i\ (ncKy) ti e k - ü (TeKy)
bi e r; e g - ü (öepery) s tj e r; e g - li (cTepery) . . . | pi e c - 6 t
(neiCTii) tj e c - ö t (Te^eTi.) b. e r; e z - ö t (öepeaccTt) s t; e -
rj e z - ö t (cTepeaceTt) . . . wurde in der Umgangssprache sehr
vieler Teile des grossrussischen ethnographischen Gebietes
durch eine andere Alternation,
— 58 -
k II Ic,
Pi e k - ü b, e r, e g - ü . . . | p; e k; - 6 t Ijj e T; e g; - ö t . . . ,
vertreten , nach dem Muster einer ganzen Reihe anderer Al-
ternationen dieser Art :
b II ^,, t\\t,, d\\d,, s I! s,., z II 2,, r \\ r,, n || w, . . .
[in den Formen g r; e b - ii (rpeoN' ) p Ij e t - ü (n.icTy) V; e d - ü
(Be;],y) Hj e s - u (necy) V; e z - ü (ßesy) b; e r - ü (öepy) g n - ü
(rny) . . . | g T; e b; - 6 t (rpoöeTt) p 1; e tj - ö t (n^exeTT.) V; e d-
-6 t (Be;i,eTi>) n; e Sj - ö t (neceTt) V; e z, - 6 t (BeseTt) b; e r; - ö t
(oepeTt) g nj - 6 t (rneTt) ....].
welche alle sich auf eine einzige allgemeine Correlation
zurückführen lassen :
PO II PY
{wo bedeuten:
P . . . Palatalität, „Erweichung",
0 . . . Mangel. Abhandensein [im gegebenen Falle der
Palatalität] ,
Y . . . Vorhandensein [im gegebenen Falle der Palata-
lität]).
Wenn mann diesen Process der Vertretung der Alter-
nation k \\ c ^ g \\ z durch die Alternation k \\ k;. g ii g; nur
oberflächlich betrachtete - könnte man schliessen , dass hier nur
ganz einfach der Schwund der Correlation oder der psychopho-
netischen Alternationen stattgefunden hat. Es würde dies jedoch
ein falscher Schluss sein. Von dem Schwunde dieser Correla-
tion könnte man nur dann sprechen, wenn anstatt der Paare
k \- k,, g j! g; die Paare k •\k^ 9 W 9 entstanden wären, d. h. wenn
in allen Formen des Praesens ganz einfach eine vollständige
Ausgleichung (Uniformierung) durchgeführt würde, üann aber
müsste dasselbe auch mit den anderen Consonanten geschehen,
d. h. es müssten nicht nur Formen «pick-öt», «tiCk-öt»,
«bi e Ti e g - ö t>.« s t; e r; e g - 6 t» . . . , sondern auch« g v.q b-
-öt». «pliCt-ot», «Vi e d - ö t> , «nies-6t>, «ViCz-öt»,
— 59 —
«bi e r - 6 t» , «gn-6t» . . . entstehen. Unterdessen verhält
es sich hier ganz anders , und die Entwickelung der Formen
Pi e kj - 6 t , ti e ki - ö t, b, e r; e g; - ö t , s t; e Tj e g; - ö t . . . .
beweist gerade eine grosse Lebendigkeit der Correlation
PO I! PY in dem Praesens dieses Typus der Verba.
Charakteristische Merkmale der Correlation und der Cor-
relative.
1. Vom Standpunkte der anthropophonischen Causalität :
Die alternierenden Eigentümlichkeiten haf-
ten an den betreffenden Aussprachestellen
oder an den betreffenden Phonemen indi-
viduell, selbstständig, unabhängig.
2. I m gegebenen Zustande der Sprache
kann als Ursache der Alternation von pho-
netischer Seite nur Tradition (Überliefe-
rung), n u r s o c i a 1 e r Verkehr, nur „w s m s" be-
trachtet werden. Wir haben von unserer Umgebung
und von unseren Vorfahren gelernt, so und so zu sprechen,
und eine solche Erklärung genügt vollkommen.
3. Die anthropophonischen Ursachen der
Alternation, ihr anthropophonischer cau-
saler Zusammenhang liegen in der Vergan-
genheit der Sprache und können blos mit
Hülfe historisch-linguistischer Forschun-
gen entdeckt werden. Einstmal wirkte hier eine an-
thropophonische Ursache , später aber hörte sie auf zu wirken
und jetzt wirkt sie schon gar nicht.
[Diese drei ersten charakteristischen ]\Ierkmale sind den
Correlativen mit den einfachen traditionellen Alternanten ge-
meinsam.]
4. Infolge einer sich stets wiederholen-
den Association von Vorstellungen entwi-
ckelte sich ein gewisser functioneller psy-
chopho netischer Zusammenhang einer jeden
— ßO —
solchen Alternation mit psych iscLen Schat-
tierungen, sei es mit Form Schattierungen,
mit morphologischen Schattierungen, sei
es Av i e d e r mit B e d e u t u n g s s c h a 1 1 i e r u n g e n,
mit semasiologischen Schattierungen.
Bezeichnen wir:
das Phonem im allgemeinen mit a;,
psychische Causalität im allgemeinen mit ... ^|/,
die in einem Correlationszusammenhange stehen-
den Phoneme mit x\ x'\
die mit der Correlation verbundenen psj'chisehen
Schattierungen mit ■}', J;",
die Abhängigkeit im allgemeinen mit .... f\
dann können wir die correlativische Abhängigkeit so
ausdrücken :
genauer
x' II x"=f{^' II f )•
Anderseits, je nach dem die durch die Correlation unter-
schiedene psychische Schattierung endoglotter, inwendigsprach-
licher, morphologischer (a: u.' || a"), oder aber exoglotter, au-
sser sprachlich er, semasiologischer {r:: a' \\ q") Natur ist, zerfällt
die soeben angeführte Formel in zwei:
a) X =f{\j)
oder X' \\x"^f{^:\\'^r);
b) x = f{c)
oder x' \\ x" = /(<?' 11 o").
Wir sehen also, dass Correlative oder psychophonetische
Alternanten immer einer Verschiedenheit gewisser psychischer
Schattierungen entsprechen. Anthropophonische Schattierungen
und Unterschiede werden hier immer von den psychischen,
sei es morphologischen , sei es semasiologischen , Schattierun-
gen und Unterschieden begleitet.
— 61 —
5. Es folgt aus dem obigen, dass den Corre-
lativen eine psychische, entweder morpho-
logische oder semasiologische, Allgemein-
heit und Aiisnahmslosigkeit eigen ist.
Eine gewisse Correlation erstreckt sich ohne Ausnahme
auf alle Wörter gewisser Kategorie, z. B. in der Conjugation
aller Verba von einem gewissen Typus, in der Decli-
nation aller Nomina von einem gewissen Typus, auf
einem gewissen Gebiete der Wortbildung u. s. w.
6. Eine grössere oder geringei-e Ver-
wandtschaft alternierender Phoneme ist da-
bei ganz g 1 e i c h g i 1 1 i g. Es möge sich nur eine psy-
chophonetlsche Association zwischen den Vorstellungen gewis-
ser anthropophonischer Arbeiten und zwischen den Vorstellun-
gen gewisser psychischen Schattierungen, es möge sich nur
die Proportion
X : x" = d/' : ^"
befestigen, und dieses genügt vollkommen.
7. Die scheinbar phonetischen Wand-
lungen, welche sich auf dem Gebiete von
Correlationen vollziehen, stellen in der
Regel nicht eine Abstufung (Gradation), nicht
ein Vorrücken in einer gewissen anthropo-
p h 0 n i s c h e n Richtung dar, sondern nur ge-
wöhnlieh vom anthropophonischen Stand-
punkte aus ganz unverständliche und selbst
sehr oft dem allgemeinen Gange historisch-
phonetischer Wandlungen widersprechen-
de Sprünge.
Eines von den am meisten eclatanten Beispielen dieser
Art bietet uns die oben angeführte Vertretung grossrussischer
PiCC-öt, bjCriez-öt... durch p; e k; - 6 t , bi e rj e g; - 6 t ...
oder die Entstehung der Imperative grruss. p; e k; - i (hckh),
bi e rj e gi - i (öeperw) , p o m o g; - i (noMorH) .... anstatt der
früheren pi e c - i (neun) , b^ e rj e z - i (öepesa) , p o m o z - 1
- 62 —
(noM03H) ■ . . , poln. piecz, p o m 6 i . . . anst. der frühe-
ren * p i e c - (p i e c - y) , '• p o m ö d z - (p o ni o d z - y) . . .
8. Weder bei den Divergenten , noch bei den traditio-
nellen Alternanten kann von einer Übertragung der alterna-
tionellen Beziehung, kann von Neubildungen nach einem ge-
wissen Typus die Rede sein. Das charakteristische Merkmal
der Correlative dagegen ist gerade diese Möglichkeit der
Entstehung von Neubildungen nach einem
gewissen Typus, ist die Möglichkeit der
Übertragung einer fertigen co r relativ i-
schen Bejiiehung auf neue Worte, ist die
Möglichkeit einer unaufhörlichen Recon-
struction der Beziehung.
Diese Übertragbarkeit der correlativischen Beziehung
kann
a) entweder im Bereiche von Wortgruppen esines gewis-
sen Typus (semasiologische , lexicalische Übertragbarkeit),
b) oder im Bereiche morphologischer Kategorien statt-
finden.
9. [Das aus der Verallgemeinerung ei-
ner ganzen Reihe von Cor relativen entstan-
dene Merkmal.] Bei den Divergenten konnten gewisse
allgemeinmenschliche oausale Beziehungen stattfinden. B e i
den Cor relativen ist allein die Befähigung,
correlativische Beziehungen zu bilden, all-
gemeinmenschlich; die Einzelheiten aber
tragen immer an sich einen zeitlichen und
örtlichen Charakter.
10. [Das Merkmal genetischer Seite, das
Merkmal, welches die Entstehungsweise der
Correlative bei den einzelnen Individuen
charakterisiert.] Zu den Divergenten gelangt jedes
Individuum der betreffenden Sprachgenossenschaft von sich
selbst, gelangt auf einmal, gelangt auf dem Wege unmittel-
barer rein physiologischer Accomodation. Zur E n t w i c k e-
lung der Correlative aber gelangt jedes In-
— 63 —
dividuum nach und nach, es gelangt stufen-
weise, je nach der Häufung und Befestigung
psychophonetisc her Associationen in seiner
Seele.
Dabei sind die Correlationen, welche sich aus den eigen-
sprachigen traditionellen Alternationen allein entwickelt hat-
ten, von solchen zu untt-rscheiden, in denen wenigstens ein
Glied aus einer andern verwandten Sprache entlehnt warde.
Die Correlationen, in denen ein Grlied dem heimischen
Boden von Haus aus gehörte, das andere Glied aber entlehnt
ist, haben gewöhnlich eine semasiologische Aufgabe, d. h. sie
schattieren verschiedene Bedeutungsiiiodificationen. Das ent-
lehnte Alternationsglied hat vorwiegend eine abstractere, eine
erhabenere, eine mehr literarische, mehr feierliche Bedeutung,
während dem heimischen Gliede eine concretere , eine mehr
alltägliche, eine gemeinere Bedeutung eigen ist. So z. B.
j)oln. h ;\ g in h a n b a j g a n i c , h a r d y | g a r-
d z i c . . . .
[insoweit hier überhaupt von einer entwickelten Correlation die
Rede sein kann] ;
grruss. ra \\ oro^ ta ;| ofo, re \\ ere , le (| olo, ra- jj ro-,
sc ii c , ül li z , 0 il 0 in rpayZi; rpaac;i,aHÜH | r6po;i, ropoacä-
HHH, r.iaBa raäsHtiii j roaoBÜ roJiOBHOH, npe;i,0K | nepe^ÖK,
n.TiiH nvltallTt I nOJiÖH nO.lOHIlTB, päS-yM | pOS-BICK, päEHLIÖ I
poBHtifi, pao päöcKiii I pöÖKÜi poöfTB, ocB'fenj;äTi> npocB-fe-
menie | CB-feqä npocB'b'gHBaTB. ^yac;i,BiH | Myacöii, poac;i,<nTB |
poacäTB . . . . ;
franz. k \\ s m cause \ chose, caniculaire | chien,
c a m p ] c h a m p . . . . [insoweit hier überhaupt von einer
entwickelten, lebendigen Correlation die Rede sein kann].
Als ein höchst seltenes Beispiel der Entstehung einer
correlativischen oder psychophonetischen Alternation unter dem
Einflüsse des Bewusstseins und der Willkür auf die gespro-
chene Sprache habe ich mir fol^ienden Fall verzeichnet:
— 64 —
icK war nälimlicli selbst Zeuge , wie in einer slovenisclien
Volksseliule in der Provinz Gürz im Karstgebierge die Kinder
vom Lehrer gezwungen wurden, nicht nur beim Lesen, son-
dern auch beim Erzälilen das der loealen Mundart (wie sonst
fast allen slovenisclien Mundarten) eigene consonantische u (u)
im Wort- und Silbenauslaute, in Ueberstimmung mit der
Schrift, durch / zu ersetzen, folglich dal, bil, prosil...
anst. (lau, b i u , p r 6 s i u . . . . auszusprechen. Da aber
in derselben Mundart im An- und Inlaute ein mit dem polni-
schen, russischen und litauischen gleichlautendes l existiert,
welches t der Lehrer selbst aussprach und den Kindern aus-
zusprechen erlaubte, so begann in der Schulsprache dieser Kin-
der eine correlativische Alternation -i-\\-l^ anst. der der
Haussprache derselben Kinder eigenen Correlation - ^- |i -m,
sich allmählich zu entwickeln, d. h. es entstanden Paare d ä-
Ja I dal, bila| bil, prosiJa | prosil, delala | de-
t a 1 . . . anst. dala|dau, biia|biu, prosiiajprö-
siu, delaiald^Jau...
Selbstverständlich konnte eine auf eine so künstliche
Weise eingeimpfte Correlation nur eine kurze Dauer haben
und wich mit der Zeit der allgemeinherrschenden gewöhnlichen
Correlation -i- \\ - w. Aber jemand, der nur diese Kinder ge-
hört hätte und mit den Eigentümlichkeiten der loealen Mund-
art nicht bekannt wäre, könnte daraus schliessen, dass
eine solche Correlation, -t-\\-l^ in der gegebenen Ortschaft
wirklich herrschte. Es lässi sich auch nicht leugnen, dass,
wenn in einer Reihe von einigen Generationen die Kinder von
den Lehrern zu einer solchen Aussprache , - l anst. -m , ge-
zwungen wären, sich die Alternation -t-\\-l endgiltig ein-
wurzeln und historische Thatsache der Sprache werden könnte.
Schliesslich sind noch verschiedene, mit ihrem Anfang
in die verschiedenen Perioden des Sprachlebens reichende
Alternationsschichten zu erwähnen, welche abwechselnd die
Rolle psychisch beweglicher, psychophonetischer Alternationen
oder Correlationen gespielt haben. So haben wir z. B. im Polni-
- 65 —
sehen mehrere Hauptsehichteu solcher Alternationen: a) gemein-
sam arioeuropäischer Herkunft, b) gemeinsam slavischer Her-
kunft, c) correlativische Alternationen neuerer Herkunft, ent-
standen während der abgesonderten historischen Entwickelung
der polnischen Sprache und teilweise bis heutzutage mit dem
deutlichen psychischen Leben pulsierend.
Mit der Zeit verlieren die CoiTsIationen ihre psychopho-
netische Geltung und kehren in den Zustand gewöhnlicher
traditioneller Alternationen zurück. Solche rudimentäre Cor-
relationen könnte man mit den erloschenen Vulkanen ver-
gleichen.
Dem „analytischen", d. h. durch eine decentralisierende
Tendenz auf dem Gebiete der Morphologie charakterisierten
Zustande der Sprachen sind morphologische Correlationen
fremd.
V. CAPITEL.
Traditionelle Alternationeii.
In Anwendung nicht nur auf die Alternationen, sondern
auch auf alle anderen Manifestationen des SprachlebenS; müssen
ebenso phonetische, wie auch psychische Ursachen der Er-
scheinungen zu gleicher Zeit social sein, denn sie sind nicht
indiv^iduell phonetisch, nicht inaividuell psychisch, sondern nur
c 0 1 1 e c t i V - phonetisch, nur co 1 1 e c ti v - psychisch. Trotzdem
ist ihr „socialer" Charakter eine untergeordnete Sache; denn
sie bestehen nicht in einer einfachen Nachahmung und Wie-
derholung , sondern . einerseits , in den Eigentümlichkeiten
der psychischen Organisation , andererseits aber in den psy-
chischen Bedürfnissen eines jeden zur betreffenden Sprachge-
nossenschaft gehörenden Individuums insbesondere.
Obgleich also ebenso Divergenten, wie auch Correlative
auch vom Standpunkte der traditionellen und socialen Causa-
lität zu betrachten sind, so bleiben doch als ihre charakteri-
— 66 —
stischen Merkmale: bei den Div^er<i;enten — antliropophonisehe,
bei den Correlativen aber — psychische Oausalität. Unterdes-
sen kann bei den rein traditionellen Altemanten einzig und
allein von der traditionellen und socialen Causalität die Re-
de sein.
Wie oben erwähnt, ist die ursprüngliclie Ursache des
Hervorkommens aller Alternanten ohne Ausnahme immer nur
anthropophonischer Natur. Es folgt daraus, dass rein traditio-
nelle Alternanten nie ursprünglich sein können, sondern in
dem historischen Nacheinander immer nur eine Fortsetzung
neophonetiseher Alternanten oder Divergenten sind . deren an-
thropophonische Ursache . als lebendiger Faktor, schon erlo-
schen ist. da sie blos in der Vergangenheit wirkte.
Es müssen also folglich alle traditionellen Alternationen
zu gleicher Zeit paläophonetisch sein.
Diesen sonst leicht verständlichen Satz wollen wir mit
einigen Beispielen beleuchten.
Poln. r 6 d | r o d - u , wo -t {d) \\ -d- neophonetische
Alternation oder Divergenz, u (o) \\ o aber traditionelle oder
paläophonetische Alternation ist;
mröz I mroz-u mit der Divergenz -s (z) |j -z- und
traditioneller Alternation u (o) 1| o;
m^^ I m§z-a: Divergenz -s (i) || -i-, traditionelle Alter-
nation a 11 e;
plot-e|ples-c:o||e und t \\ s — beide traditionelle
Alternationen ;
ptaci-|piac-e, rodzi-|rodz-§: eine einzige,
und zwar traditionelle Alternation , dt \\ c , dzi \\ dz.
Nhd. geb-en | gab: zwei Divergenzen , g; II g und
-b- II -p (b), und eine traditionelle Alternation, e ü a;
lad-en | Las-t: zwei traditionelle Alternationen,
ä II ä, d \\ s [d als clusiUs, s als spirans)^ und eine Divergenz,
d II s [wenn man diese Phoneme vom anderen Standpunkte be-
trachtet, nämlich d als stimmhaft oder media, s aber als stimmlos];
Fros-t I frier-en, Ver-lus-t | ver-lier-en
ver-lor-en: traditionelle Alternation s \\ r.
— 67 —
Fros-t I frier-en: traditionelle Alternation ö || i (te) ,
Ver-lu8-t I ver-lor-en: traditionelle Alternation
u II o,
ver-lier-en | Ver-lus-t ver-lor-en: tradi-
tionelle Alternation i (le) \\
Aind. nämn- | näma: traditionelle Alternation n \\ a.
Vom Standpunkte der Anzahl historischer Evolutionen
aus, welclie von den gegenwärtigen traditionellen Alternatio-
nen im Verlaufe von Jahrhunderten durchgemacht wurden,
kann man sie alle (d. h. traditionelle Alterationen) in zwei
grosse Gruppen teilen:
1) Einige von ihnen haben sich direkt aus den Diver-
genzen entwickelt, d. h. sie sind Fortsetzung von Divergen-
zen oder neophonetischen Alternationen, welche, nachdem sie
ihre lebendige anthropophonische Ursache verloren hatten, eo
ipso in die Reihe paläophonetischer oder traditioneller Alter-
nationen übergegangen sind;
2) andere wieder haben eine viel reichere Vergangenheit:
eine ursprüngliche Divergenz wurde einstmal zur traditionellen
Alternation , darauf wurde diese traditionelle Alternation zum
Ausdrucke gewisser psychischer Schattierungen utilisiert, d.h.
sie wurde zur Correlation, bis endlich ihre Association mit
psychischen Schattierungen nach einer gewissen Zeit verges-
sen wurde , so dass die gegebene Alternation aus dem Corre-
lationszustande in den Zustand einer einfachen traditionellen
Alternation zurückgekehrt ist.
1) Beispiele traditioneller oder paläophonetischer Alter-
nationen , welche direkt von den neophonetischen Alternatio-
nen oder Divergenzen stammen:
a) Die durch eine palatalisierende oder dispalatalisieren-
de Accomodation , d. h. durch „Erweichung" oder „Verhär-
tung", einstmal hervorgerufenen Alternationen:
poln. s II X {ckj [azed-ljchodz-i . . .],
— 68 —
J||<[ciek- ciec|tok; cie^-ki ciaz-a|t§g-i
w8-t^z-ka . . .],
b \\ b' [br-ac] bior-e bierz-e . . .],
o \\ e [bior-§ | bierz-e, nios-§ | niesi-e . . .],
o II c [s w i a t I 8 w i e c - i . . . ].
b) Die u. a. dem Lateinischen , einigen germanischen
Sprachgebieten, dann dem Tschuwaschischen eigene Alter-
nation
s II r.
c) Alternation eines bestimmten Phonems mit Null oder
mit dem Mangel jeghchen Phonems; z. B. poln. e || 0 [pies |
ps-a, sen | sn-u...], 0 [br-ac | bierz-e
b i o r- § . . .1.
2) Beispiele traditioneller Alternationen , in deren Ver-
gangenheit drei Evolutionen da liegen: von den Divergenten zu
traditionellen Alternanten , von den traditionellen Alternanten
zu Correlativen , von Correlativen wieder zu traditionellen Al-
ternanten:
Die allen arioeuropäischen Sprachen eigene Altemation
e II o ,
welche einige Zeit u. a. den Unterschied zwischen den primä-
ren Verben und zwischen den Nomina eines gewissen Typus
charakterisierte
■ ß !
[bis heutzutage z. B. im Polnischen in der Gestalt ,e , ' o:
grzebi-e grzeb-§ | grob-, ciecz-e ciek-§ | tok-,
wlecz-e wlok-e|wiok-, pleci-e p 1 o t- § | p 1^ o t -...].
Alternationen des Polnischen und der anderen slavischen
Sprachen in der Art 0 || «' , 0 \\ y [p n - § j p i n - a , c z t - e |
czyt-a.,., tk-a|tyk-a, tch-n§|dych-a...].
Polnische Alternation o || w (o) [c h o d - j c h 6 d . , .].
Alternationen des Neuhochdeutschen in der Conjugation
der sogenannten „starken" Verba, z. B. t*, e || a [b i n d - e |
69
1 Gl'
band, geb-e|gab....], '^ u,o
i , e \ (m er
un.
an ' ar
[bind-e band|ge-bund-en, werf-e warfjge-
w o r f - e n . . .].
Wenn wir wieder jenen höchst wichtigen Umstand in
Erwägung ziehen, dass zu den der betreffenden Sprachgenos-
senschaft eigenen Correlationen jedes Individuum für sich, auf
eigene Hand , durch eigene Arbeit gelangen muss , dann aber,
dass in einigen Individuen das Gefühl der Correlation ganz
unentwickelt bleiben kann , so ergiebt sich , dass alle jene
im IV. Capitel erwähnten correlativischen oder psychopho-
netischen Correlationen für diese Individuen ihres correlativi-
schen Charakters entblösst sein oder, mit anderen Worten, zur
Kategorie reiner traditioneller Alternationen gehören können.
Es mögen bedeuten:
X . . . ein Phonem im allgemeinen ,
x' II x" . . . eine Alternation der Phoneme im allge-
meinen ,
T . . . den Factor der Tradition und des socialen Ver-
kehrs i),
^j/ . . . den psychischen Factor im allgemeinen,
(]^' II (!/"... Alternation der mit der Phonemenalternation
associierten (verbundenen) psychischen Schattierungen;
dann wird die Correlativenforrael folgende Gestalt anneh-
men:
x' II x" = fmTz-^fn{^' II f'),
wo die Coeffizienten m und n einen veränderlichen Wert ha-
ben , je nach der Stärke des betreffenden Factors, je nach
der Stufe der Einprägung ins Gedächtnis sei es der einfa-
chen Association mit den betreffenden Worten [bei mr:] , sei
^) Es ist wohl ganz überflüssig zu bemerken, dass dieses Symbol tc
mit dem in der Mathematik g-ebrauchten und das Verhältnis der Kreisperi-
pherie zum Durchmesser ausdrückenden tt nichts geraein hat.
— 70 -
es der Association mit der Alternatinn psycljisclier Schattie-
rungen [bei /i('i/ li 'J/'OJ-
Die Grenzen {limües) der veränderlichen Werte sind:
0 und N . . . . bei n ,
0 und J/ .... bei m ,
wo N, M das maximum der Stärkesteigerung bedeuten. Es
sind also eigentlich
n = qU^,
m = QTn".
Nun , wenn wir annehmen , dass bei dem betreffenden
Individuum
^(^'llf) = 0,
so erhalten wir
x' II x" —fm-K,
d. h. anstatt einer Correlation erhalten wir eine einfache
traditionelle Alternation.
Merkmale traditioneller Alternationen.
1. Die alternierenden Eigentümlichkei-
ten haften an den betreffenden Ausspra-
chestellen, d. h. an den betreffenden Phonemen,
individuell, selbstständig, unabhängig.
Wenn bei den Divergenten die Abhängigkeit von ihren
Ursachen mit der Formel
X \\w" = fn(<p' II <p")
und bei den Correlativen mit der Formel
x' II x"=^fm'-\-fn{'Y II J;")
ausgedrückt werden kann , so darf bei den traditionellen Al-
ternanten blos von
x' II x" = fm-n:
die Rede sein.
— 71 —
2. Man sieht also, dass im gegebenen Zustan-
de der Sprache nur Tradition (Überliefe"
r u n g-) , nur socialer Verkehr, nur ^us u s^ als
Ursache der Alternation betrachtet werden
können. Wir haben von unserer Umgebnng und von
unseren Vorfahren gelernt , so und so zu sprechen , und eine
solche Erklärung genügt vollkommen. Wir k ö n n e n k ei-
ne individuelle Veranlassung zur Bewah-
rung der betreffenden Alternation auf-
w e i s e n.
3. Die anthropophonischen Ursachen der
Alter uation, ihr anthropophonischer causa-
1er Zusammenhang liegen in der Vergan-
genheit der Sprache und können blos mit
Hülfe historisch-linguistischer Forschun-
gen entdeckt werden. Einstmal wirkte hier eine an-
thropophonische Ursache, jetzt aber hörte sie auf zu wirken.
Diese drei ersten Merkmale sind den einfachen traditio-
nellen Alternanten mit den Correlativen gemeinsam.
4. Psychische Associationen, auf die sich
die E r h a 1 1 u n g tr a d i t i o n e 1 1 e r AI t er n a t i o n e n
stützt, befinden sich in einer ununterbro-
chenen Collision mit den Bestrebungen nach
der Beseitigung der weder durch die indi-
viduellen anthropophonischen Tendenzen,
noch durch die individuellen psychischen
Bedürfnisse gerechtfertigten phonetischen
Unterschiede. Eine solche Collision führt entweder zur
Entstehung einer correlativischen Bedeutung in der betreffen-
den traditionellen Alternation , d. h. zur Vertretung des Zu-
sammenhanges
x' II x" = fm-K
durch den Zusammenhang
— 72 —
oder zur Entwickelung einer festen Tendenz nach Beseitiguno^-
der Unterschiede, nach Ausgleichung (Unitormierung) , d. h.
nach der Substituierung in der Alternation
X II x"
sei es des x anstatt x'\ sei es, umgekehrt, des x" anstatt x ,
was jedenfalls
x' ='x" ergiebt.
VI. CAPITEL.
Fremdsprachige, d. h. unter dem Einflüsse einer anderen
Sprache entstandene Alternationen.
Die Correspondenzen oder die Form entsprechun gen in
verschiedenen Sprachen haben -keine einheitlichen Träger, ha-
ben keine einheitlichen psychischen Substrate , mit Ausnahme
etwa des besonderen Falles, wo eine und dieselbe Person bei-
de Sprachen spricht, auf deren Correspondenzen wir unsere
Aufmerksamkeit lenken. Es ist aber auch möglich , dass selbst
ohne diese Bedingung, d. h. ohne die Bedingung des Gespro-
chenwerdens durch eine und dieselbe Person, die Correspon-
denz zu einer lebendigen , d. h. nicht nur historischen , son-
dern zugleich psychophonetischen , wird. — Dieses findet bei
der Entlehnung aus den Xachbarsprachen statt , welche in ei-
ner nahen historischen Verwandtschaft mit der betreffenden
entlehnenden Sprache stehen. So z. B. bei der Entlehnung aus
den russischen Mundarten in die polnischen und umgekehrt,
aus den slavischen Mundarten ins Litauische und umgekehrt,
aus den altitalischen Dialekten in die lateinische Sprache
und umgekehrt , u. s. w. — Dasselbe kommt auch dann
vor, wenn von einer geographischen Nachbarschaft keine
Rede sein kann, dafür aber eine literarische, eine culturelle
Nachbarschaft existiert. Hieher gehören z. B. die Entlehnun-
gen aus dem Lateinischen ins Französische und in die anderen
— 73 —
romanischen Sprachen, dann die Entlehnungen aus dem Kir-
chenslavisc'hen ins Russiselie und in die anderen slavischen
Sprachen , u. ä.
Auf diese Weise entsteht eine lebendige , von den spre-
chenden gefühlte phonetische Entsprechung oder Correspondenz.
Wenn aber eine sich stätig wiederholende Art und Wei-
se der Entlehnung aus einer Sprache in die andere ein lel)en-
diges Correspondenz- oder Entsprechungsgefühl entwickeln
kann , so sind auch möghch :
a) die Entlehnung aus einer nah verwandten Sprache
der ihr eigenen paläophonetischen Alteruationen ,
b) die Entstehung einer lebendigen Beziehung etymolo-
gischer Verwandtschaft zwischen gewissen Morphemen in ihrer
heimischen Form und zwischen denselben Morphemen in ihrer
entlehnten Form; eine solche Beziehung könnte man Cor-
respondenz-Alternation (Entsprechungs - Nebenein-
ander) nennen.
Selbstverständlich pflegen derartige Entlehnungen und
gegenseitiger Austausch nur zwischen den nah verwandten
Sprachen stattzufinden , wie zwischen dem Polnischen und
Czechischen, dem Polnischen und Kleinrussischen, dem Ser-
bischen und Bulgarischen , dem Russischen und Kirchenslavi-
schen, dem Französischen und LateinischeUj dem Lateinischen
und anderen altitalischcn Dialekten, u. s. w. Denn ohne diese
Bedingung einer nahen Verwandtschaft kann es in zwei Spra-
chen keine genügende Anzahl von den eine stätige etymologi-
sche oder phonetisch-psychische Entsprechung zeigenden Mor-
phemen geben, eine Anzahl, welche genügt, um, im Falle der
Entlehnungen aus einer Sprache in eine andere, in der entleh-
nenden Sprachgenossenschaft das Gefühl einer durchgehenden
Entsprechung zu entwickeln, und ein solches Gefühl ist für
die Erkennung irgendwelcher Alternation unbedingt nötig.
Als Beispiel einer inbetreff ihrer Herkunft ganz fremd-
sprachigen Alternation, d. h. einer solchen Alternation, deren
beide Glieder aus einer fremden Sprache entlehnt wurden,
kann die polnische, aus dem Czechischen entlehnte, Alternation
— 74 —
Ä II z [in b 1 a h - y ] b i a z - e u . . .J dieuen. Als Beispiele der
in dieser Hinsicht gemischten Alternationen aber, d. h. solcher,
deren ein Glied auf drni heimischen Boden emporwuchs, das
andere aber entlehnt wurde, können angeführt werden: poln.
^ II h [g a n - i c I h a 11 - h a , g a r d z - i c | h a r d - y, b I o g - i '
blah-y . . .], poln. lo \ ta [b I o g - i | biah-y blaz-
- e n . . .] , lat. J 1! /" [r u b - e r | r u f - u s . . .] , franz. S \\ k
[chose] cause, champ|camp . . .] und andere der-
artige üoubletten , welche teils vom Volke selbst in ihrem
etymologischen Zusammenhange gefühlt , teils aber nur durch
eine auf denselben bewerkstelligte C oueentrierung der, vom
wissenschaftlichen Denken gelenkten, theoretischen Aufmerk-
samkeit entdeckt werden.
Verschiedenartige, infolge einer Entlehnung entstandene
Alteniationen kann man ausgezeichnet au der nissischen Schrift-
sprache studieren, denn diese Sprache unterlag in einer ziem-
lich langen Zeit einem starken Einflüsse des Kirehenslavischen
und folglich verdankt sie dem Kirehenslavischen auch eine
bedeutende Anzahl von Alternationen.
In Übereinstimmung mit dem oben Gesagten sind vor
allem zwei Hauptkategorien derartiger im Russischen vorkom-
mender Alternationen zu unterscheiden:
1) Alternationen vollständig kirchenslavischer Herkunft,
2) gemischte, halb kirchenslavische, halb russische Alter-
nationen.
Die Alternationen der zweiten Kategorie sind viel zahlrei-
cher, als die der ersten. Ausserdem kann, mit Rücksicht auf
die phonetische Identität eines Gliedes einer in ihrer Herkunft
vollständig kirehenslavischen Alternation mit dem entsprechen-
den Gliede einer heimischen, rein russischen Alternation, oft-
mals Zweifel entstehen, ob eine gewisse Alternation ihrer Her-
kunft nach als eine rein kirchenslavische, oder als eine ge-
mischte zu betrachten sei.
Beispiele von vollständig aus dem Kirehenslavischen ent-
lehnten russischen Alternationen :
— 75 —
d) ti II sc^ dl II zd in o-CB'feTn'-TB | o-CB-fem-äxB; po-
^h'-tb I poac;i,-aTi, ....
Die entsprechenden heimischen Ahernationen sind ti ü c,
di II z in CB'feTH'-Tb j CßiiH-y, po;i,n'-TB | poac-aTL ....
In beiden Alternationsarten sind die ersten Glieder voll-
kommen gleich, die zweiten aber veröchieden. Rein russische
sc, zd sind auf eine andere Weise entstanden und bilden Glie-
der von anderartigen Alternationen: sk || sc [hck äxb | n'n];-eT,
niiCK- I HHn^-n'T . . .] , sti || sc [nycTn'-Tt | nym; y, cbhcth't |
CBHn^-y.. .]; zlduzd^ zd 'i zid [ac^-aTB | o-acH;i;-aTB . . .,
Bpaac;i;-a ^ Bpa'iKB/i,-a . . .].
Zur Kategorie der aus dem Kirchennlavischeu entlehnten
Alternationen gehören auch . .sc in nnT-aTB | nH'-n];a, K.ie-
BCT-äTB I KJieB^m-eT , . . , tvi II scvV in y-MepTBa'-TB | y-Mepn],B.z[-
-H TB . . . , sfri II !<cr in H3-ocTpn -TB I H3-on];p-H TB ... , ^ za
in HacAHB-enie, ' , BGaeiejr-'b'HHBm...^)
1) Dabei ist der Mangel eines Parallelismus zwischen sc und zd
auffallend. —Warum nicht entweder st, wie M. oder zdz, wie .yc?— Es ist
nicht schwer darauf zu antworten. In den kirchenslavlschen Denkmälern
gab es ein Abkürzungszeichen m anst iut. Rieses, als ein einfacher Buch-
stabe aussehendes, Zeichen wurde als .sc in solchen Worten ausgesprochen,
in denen dieses .?c auf dem heimischen Boden der russischen Sprache ohne
den kirchenshivischeu Einöuss entstanden ist, d. h. in den Worten, wie
nym-y, n'm-eT. nnm-n t ... Es war nichts natürlicheres, als dass man die-
selbe Aussprache auch auf die aus den kirchenslavischen Denkmälern direkt
entlehnten Worte mit dem Buchstaben ||j^ also auf die Worte in der Art
von ocBtn;äTb, npocBtu;eHie, coBpaiuaii., npeKpau;aTb, nii'ma, yniep-
me.Tia'Tb... und nicht cocBtiUTäxb», «npoci;tmTeHiei>.... erstreckt hatte,
trotzdem dass diese zweite Aussprache, mit St, dem Kirchenslavischen selbst
eigen war. Etwas anders verhält es sich mit zif. In den kirchenslavischen
Denkmälern fand man kein Abkürzungszeichen anst. jk^,, '° ^^^ ^^^ ^°°
m anst. lux und es ist darum keinem Küssen eingefallen, die Wörter
poacflaTb, povKAecTBÖ, orpaJK^äTb, yötsK^aTb, uac^iiBeHie, BOSK^ent'H-
HblH .... anders als mit zd auszusprechen.
— 76 —
b) sk II st in ü.iiiCK {6jmcKi>) \ ÖJiHCT-a'Tt ÖJiecT-'b'TL ....
c) er II ra in Meps-KÜi | Mpa3, cMep/i,-'fe'Ti> | CMpa^i,, Bepx-
-■fe'TL I BpaT-a BpaT-n'TB Bpain;-äTb . . .
l'e II ia in B.ieK-y B^eqt -B»ieK-aTi> j B.ia^-H'xt ö6-^aK-o....
Als Beispiele gemischter Alternationen des Russischen,
d. h. solcher Alternationen, in denen ein Glied sich auf dem
heimischen Boden entwickelt hatte, das andere aber aus dem
Kirchenslavischen entlehnt wurde, können wir folgende Alter-
nationen anführen:
^) 9 li y ('0 ^^ g 0 8 p o d' i n (rocno^HHt) | y o s p ö d'
(rocn6/i,B : Pocno;],!, Bori.), g o s u d a f (rocy;i;api> : mh'jioctm-
BBifi rocy^apt) | y o s u d ä f (rocy/i,äpfc), b o g a t y j (6orä-
TLifi) I b ö Y a (Bora) ....
Daraus darf nicht geschlossen werden, dass im Kirchen-
slavischen selbst auch y [ä, d. h. stimmhaftes x (ch) oder spi-
rantisches g] ausgesprochen wurde. Im Gegenteil, da den
Slaven der Balkanhalbinsel das g eigen ist und die kirchen-
slavische Schriftsprache auf der Balkanhalbinsel ihren Anfang
nahm, so müssen wir annehmen, dass auch dieser Sprache die
Aussprache g eigen war. Aber die kirchenslavische Sprache
drang durch Kijew und überhaupt durch Kleinrussland nach
Grossrussland hinein, und die kleinrussischen Geistlichen und
Gelehrten haben dem Kirchenslavischen eben in diesem Punkte
ihre eigene Aussprache aufgedrängt, d. h. sie üengen an, den
Buchstaben r als y (h) auszusprechen. Nun begann die von
der geistlichen Akademie zu Kijew und von dem damaligen
Centrum der Orthodoxie sanctionierte Aussprache als eine mu-
sterhafte und für ganz Russland, sowohl für Kleinrussland,
wie auch für Grossrussland, obligatorische zu gelten. Darum
pflegen die russischen orthodoxen Geistlichen beim Lesen y
beständig auszusprechen; darum auch haftet diese Aussprache
an den aus dem Kirchenslavischen ins Russische entlehnten
und als solche gefühlten Worten.
Selbstverständlich kann von dieser Alternation, g \\ y, nur
in der Aussprache derjenigen Grossrussen die Rede sein, in
deren Muttersprache das g vorkommt. Wo aber, wie z. B. in
— 77 —
Weissrussland und in vielen anderen Teilen des gi'ossrussisclien
Sprachgebietes, das y {h) einzig und allein ausgesprochen wird,
dort ist von dieser Alternation keine Spur zu entdecken.
b) 6 \\ d in solchen Fällen, wo sich auf dem heimischen
Boden des Grossrussischen ein 6 entwickeln musste, und wo,
nur dank dem Einflüsse der Schrift und dem Wunsehe, die
einzelnen Buchstaben in Übereinstimmung mit ihrem alpha-
betischen Namen auszusprechen, in den dem Kirchenslavischen
entlehnten Worten e ausgesprochen wird, was zur Entstehung
der Alternation 6 \\ e Anlass gab [6 rein russischer, d aber kir-
chenslavisclier Herkunft]. Z. B, :
in den wurzelhaften Morphemen: neö-o | neo-o, o ,zi,eac-a |
o-Ä63K;i,-a, McpT-BLifi I c-MepT-HLiö, Meps-HjTB ] Mep3-KiH, na-
nepcT-OKt I nepcTt . . . ;
in den Suffixen: -6z- \\ -dz- [rpaö-eac na^-esK.... | MHT-esK
na^-eac ....], -6v-a \\ ev-a [Eigenn. Kopoji-eBa | Kopoji-eBa . . .],
-onn- II -enn- [no^T-eHH-tm coBepm-oHH-LiH ocBiinii-oHH-BiH
B.iK)6.i-eHH-BiH .... I no^T-eHH-LiH coBepm-eHH-Liii npeocBHm;-
-eHH-6in HesaÖB-eHH-Liii ....], -6 \\ -4 -e [t'jo \\ -t'1jd^ -fijö -eAjo
-'Aje -eAje-. SKHTte-ö&iTte | 3KH-Tie ÖLi-Ti^, Bpa-HLe acpa-nte
j[ra-HBe j naca-Hie nocia-nie saKiZra-Hie, BBe/i,-eHi.e (dialekt.) |
I BBe;i,-eHie HB^i-enie Boanec-enie B03;i,BH'ac-eHie . . .].
In diesem letzten Falle, -6 || -e -e [-t'Jö \\ t'/je\ -fijd -e/ijö \
■'Aje -d/ije], erschien das -ö auf dem russischen Boden nicht infolge
eines phonetischen Processes, sondern nur durch eine morpho-
logische Assimilation („Analogie") an die anderen Substantiva
desselben Typus. In allen anderen Fällen aber entwickelte
sich das russische -o- aus einem kurzen, dem gemeinsamslavi-
schen e od. 1 entsprechenden e vor den „harten" oder nieht-
-palatalen Consonanten.
c) c II sc, z II zd:
in den Wurzeln: CB'feq-ä | o-CB-fen^-aTb, BopoH-aTt | Bpam;-
-aTb , poac-aTt | posK^-aTt , xoMC-y | xo5K/i,-eHie , qyac-ön
I Hyac;i,-i>iö . . .
in den Suffiven: -uc- -ac- \ -usc- -asc-: ^peM-yq-iii hjiob-
-yn-iö nax-yu-ifi KHn-yq-in | fl^pemji-iom^-m n^&iB-ymi-iH khh-
— 7ft —
-n'm-iü..., rop in'ti-ii[ Ko.T-To''i-iir boii-io'h ii'i | KiKi-wm-iü bcuh'-
-rom-in . . . , rop H'q-ift sHC-HH-iü CTO-H'q-iir ] rop-H'm-iä BHC-a'in;-
-in CTO-^'m-iii . . .
d) -oro- II -ra-, -olo- || 7a-, -ere- |i -re-, -olo {-ele-) || -/e-,
rö- I' ra- : BopoT- n spaT-, ropo^- i| rpa;i,-, Hopoa- n Hpae-, cto-
poH- II CTpaH- , nopox- i; npax- . . . . , rojiOB- n r.ziaB- , mojio^- h
MJia;i,- , BO.ioK- i; B.iaK- , co^o^- II cjia^- , 6epeM- n 6peM-,
6eper- h 6per-, Bepe^i;- n Bpe^-, cepe;i,- n cpe^-, nepe/i,- n npe;i,-,
nepe- h npe- , Mepe;i,- h -^pe^- , bojiok- h BaeK- , mojiok- n
M.ieK- j noJioH- 11 n.iiiH- . . . . , pao- h po6- . poB- n pas- , po3- n
pas-, pocT- 11 pacT ....
e) 0 11 o in c-6op j co-66p, b ro.iOB'b' (im Kopfe) b tasl-
B-fe' (im Capitel) | bo r.iaBt' (an der Spitze)
Die gemischten Alternationen konnten sicli kraft des
D^.kprocesses gebildet baben^ weicher an die mathematische
Schkissfolgerung erinnert : „zwei einer dritten Grösse
gleiclien Grössen sind untereinander gleich^'
oder „zwei einer dritten Grösse ähnlichen
Grössen sind einander ähnlic h".
Stellen wir z. B. eine auf dem heimischen Boden ent-
standene grossrussische Alternation ti \\ c [väröti- (sopoTH-) h vy-
räc-ii (BOpoH-y) . . . .] und die Alternation kirchenslavischer Her-
kunft; fi II sc [syvrät'i- (coBpaTH-j | syvräsc-ü (conpanty) .-..],
zusammen. In diesen beiden Alternationen haben wir ein ge-
meinsames GHed, ti, mit welchem in der heimischen Alterna-
tion c, in der fremdsprachigen aber sc alterniert. Wenn wir
die oben angeführte mathematische Schlussfolgerung nachah-
min, können wir sagen : Zwei psychophonetische
Grössen (d. h. zwei Phoneme oder zwei Pho-
nemengruppen), welche mit einer dritten al-
ternieren, alternieren auch untereinander.
Im gegebenen Falle erhalten wir die zweisprachige Alternation
c II sc, und wirklich findet diese Alternation im Grossrussischen
eine ausgedehnte Anwendung.
Aus dem Obigen ist ersichtlich, dass, vom Standpunkte
der Geschichte interethnischer Beziehungen, die paläophone-
i
— 79 —
tischen, sei os einfach traditionelle, sei es korrelativische. d.
h. psvchisch bewegliche. Alternationen von zweierlei Art sein
können :
1) Einige von ihnen lassen sich durch die Entwiokelung
der betreffenden Sprache selbst, unabhängig von fremden Ein-
flüssen erklären Solche Alternationen entwickelten sich auf
dem heimischen Boden, dank der sprachlichen Thätigkeit der
betreffenden Sprachgenos^^enschaft.
2) Andere wieder entstanden infolge des Einflusses einer
fremden Sprachgenossenschaft, d. h. infolge der Entlehnung
aus einer anderen nah verwandten Sprache einer ganzen Ka-
tegorie von Wörtern, welche die zur gewissen Alternation ge-
hörenden Phoneme enthalten.
Hier sind zwei Wege möglich: aj entweder mündlicher
Verkehr, bj oder der Einfluss eines fremden Schrifttums.
Die unter dem fremden Einflüsse entstandenen Alterna-
tionen können von zweierlei Art sein : 1) entweder wurde die
ganze Alternation, d. h. ihre beiden Seiten (Glieder) entlehnt,
2) oder nur eine Seite wurde entlehnt, die andere aber ist
heimisch.
In der in betreff der Alternationen einheitlichen Sprach-
genossenschaft entstanden alle ihr eigenen Alternationen in-
folge eines ursprünglichen anthropophonischen Impulses im
Schosse derselben Sprache. Anders verhält es sich in der in
dieser Hinsicht gemischten Sprachgenossenschaft. Hier kann
es, was den ursprünglichen anthropophonischen Impuls betrifft,
1) einsprachige, 2) zweisprachige Alternationen geben. Ein-
sprachige Allernationen konnten mit ihren beiden Seiten (Glie-
dern) a) entweder in der eigenen Sprache, b) oder in der
fremden Sprache, aus welcher sie entlehnt wurden, enstanden
sein. Anders gesagt, es kann folgende Alternationen geben :
1) einsprachige heimische oder eigensprachige,
2) einsprachige fremde oder fremdsprachige.
8) zweisprachige oder eigenfremdsprachige.
Nur bei den ersten kann gefragt werden , ob ihre ur-
sprüngliche anthropophonische Ursache noeh im gegebenen
— 80 -
Zustande der Sprache wirke, oder ob sie blos in der Veigan-
genbeit gewirkt habe. Wo wir aber mit der Fremdspracbig-
keit zu tbun haben, ist eine ähnliche Frage vollkommen ausge-
schlossen.
Sowohl paläophonetische eigensprachige, als auch fremd-
sprachige Alternationen können
1) entweder eine rein traditionelle Causalität haben,
2) oder auch zugleich zu psychischen, sei es morpholo-
gischen, sei es semasiologischen , Zwecken utilisiert sein.
Charakteristische Merkniale fremdsprachiger Alternationen.
1., 2., 3. Die drei ersten charakteristischen Merkmale
sind dieselben , wie bei den traditionellen Alternationen und
bei den Correlationen. Dazu gehören noch das 4. und 5.
Merkmal :
4. Die ursprünglichen a n t h r o p o p h o n i-
schen Ursachen des Übergangs eines einst-
mal einheitlichen Phonems in den Zustand
der keimenden (embryonalen) und dann auch der
sichtbaren neophonetischen Alternation oder
Divergenz, wie auch die anthropophonischen
Ursachen der weiteren Umgestaltung der Di-
vergenz in eine traditionelle Alternation sind
nicht bei der betreffenden Sprachgenossen-
schaft, sondern entweder gänzlich bei einer
von den verwandten Sprachgenossenschaften
(nämlich bei derjenigen Sprachgenossenschaft, von welcher die
betreffende Alternation entlehnt wurde) , oder zur Hälf-
te bei der betreffenden entlehnenden, zur
Hälfte aber bei derjenigen Sprachgenossen-
schaft zu suchen, von welcher eins von den
Alternationsgliedern entlehnt wurde. So ent-
standen z. B. die russischen Alternationen di || zd , ti \\ sc
nicht auf dem russischen Sprachgebiete selbst, sondern auf
der Balkanhalbinsel, bei den dortigen Slaven; die russ. AI-
I
— 81 —
ternationen z \ zd, c \\ sc aber wurzeln mit einem ihrer Glieder
in der Vergangenheit der russischen Sprache selbst und mit
dem anderen Gliede in der Vergangenheit der Slaven der
Balkanhalbinsel , — denn eben auf diesem Sprachgebiete hat
sich die kirchenslavische Sprache ursprünglich gebildet.
5. Die, sei es gänzlich, sei es nur zur
Hälfte, entlehnten Alternationen können in
ihren anthropophonischen Ursachen nicht
erklärt werden. Was aber ihre neophoneti-
sche Seite betrifft, so unterliegen die eine ent-
lehnte Altei-nation bildenden Phoneme den
heimischen Forderungen der betreffenden
Epoche. Die „Lautgesetze" der betreifenden Epoche sind ebenso
für die urheimischen, wie auch für die naturalisierten oder ent-
lehnten Phoneme und Alternationen gleichmässig obligatorisch.
Das 4. charakteristische Merkmal traditioneller Alterna-
tionen ist nur denjenigen entlehnten Alternationen eigen, wel-
che im Bereiche rein traditioneller Alternationen geblieben sind,
ohne für die psychischen Zwecke utilisiert zu werden. Hat
aber eine solche Utilisierung stattgefunden , dann sind auch
den entlehnten Alternationen die für die Correlationen oder
psychophonetischen Alternationen charakteristischen Merkmale
4., 5., 6., 7., 8., 9. und 10. eigen.
VII. CAPITEL.
Keimende (embryonale) Alternationen.
Wie in der Natur im allgemeinen, so sollen wir auch in
der Sprache makroskopische, d. h. sofort ohne grosse Sclnvie-
rigkeiten bemerkbare, Erscheinungen von den mikroskopi-
schen, d. h. nur bei besonderer Anstrengung der Aufmerk-
samkeit bemerkbaren , unterscheiden.
Dieser Unterschied der „Makroskopität" und „Mikro-
skopität" bezieht sich gleichmässig auf die untersuchten Grö-
ssen selbst, wie auch auf die zwischen ihnen vorkommenden
6
— 82 —
Unterschiede. Im ersten Falle können die Grössen selbst, z.
B. gewisse Körper, gewisse Eindrücke, gewisse Vorstellungen,
entweder gleich sichtbar, makroskopisch sein, oder erst nach dem
Gebrauche gewisser vergrössernder Mittel der Wahrnehmung
zugänglich werden. Im zweiten Falle aber kann der Unter-
schied zwischen beiden zu vergleichenden Grössen entweder auf
den ersten Blick klar und sichtbar, oder auch scheinbar ver-
schwindend, unendlich klein sein und erst nach dem Gebrauche
vergrössernder Instrumente, oder wenigstens nach der gehö-
rigen Verdichtung und Anstrengung der Aufmerksamkeit, in
die Augen springen.
Aus diesem Grunde müssen wir neben den klaren
und leicht bestimmbaren A 1 t e r n a t i o n e n auch
Alter nationen mit minimalen Unterschieden,
keimende A 1 1 e r n a t i o n e n annehmen.
Selbstverständlich soll es sich dabei nicht um die Be-
friedigung einer einfachen Neugier oder um eine zwecklose
Übung des Unterscheidungsvermögens handeln , sondern um
die Feststellung der Uranfäuge der Wirkung anthropopho-
nischer Causalität. In eben diesen Stadien sehen wir den
ursprünglichen Einfluss verschiedener, das Keimen der Unter-
schiede verursachender phonetischer Bedingungen, und jene
Unterschiede, indem sie sich stufenweise vergrössern, führen
endlich zur Spaltung in zwei oder mehrere deutlich unter
einander sich unterscheidenden Grössen, zur Spaltung dessen,
was einstmal einheitlich war.
Gestützt auf die Erforschung anderer, schon fertige Resul-
tate des Einflusses verschiedener anthropophonischer Bedin-
gungen enthaltender. Sprachzustände, soll man seine Auf-
merksamkeit auf ähnliche Bedingungen in dem zu untersu-
chenden Zustande der betreffenden Sprache lenken, wenn
auch auf den ersten Bhck keine bemerkbaren Unterschiede
durch diese Bedingungen hervorgerufen werden.
AVenn ein solches Nachdenken und Constatieren (Fest-
stellen) keimender Alternationen sonst keinen anderen Nu-
tzen brächte, so sollte es doch schon aus dem Grunde nicht
— 83 —
gering geschätzt werden, dass es auf die Möglichkeit der
Wandlungen (Änderungen) liin weist und eine Aufforderung
zu den mikroskopisch-linguistischen, rein objeetiven Forschun-
gen in sich enthält, avo wir nicht mehr subjectiven, durch
die Erscheinungen auf unsere unhewaftneten Sinne gemachten
Eindrücken ti'auen , sondern zu den pliysischen, akustisch und
optisch objeetiven, Apparaten Zuflucht nehmen.
Hier kann man allerdings ganz unabhängig von der ety-
mologischen Verwandtschaft der die betreffenden i^honeme ent-
haltenden Morpheme die Factoren anthropophonischer Verän-
derungen untersuchen und die Keime der P h o n e m - D i v er-
ffenzen bestimmen. Es soll sich dabei nur darum handeln,
dass divergierende Phoneme in phonetischen Worten oder
schlechthin in irgendwelchen phonetischen Verbindungen der
betreffenden Sprache ausgesprochen werden , ohne Rücksicht
auf die Bedeutung dieser Verbindungen. So ist z. B. die kei-
mende Divergenz des Phonems k in den Verbindungen ka i
ke 1 ki I ko ku \ kq \ ke I kr (kraj) | kl (klasc) | kl (kl^cj
^.s (k r z y w y) I ä;ä (k s o b i e) | k/h (k m i n) | M (k n i a z) |
kt (k t o) I kp (kpi 6.) . . . ganz unabhängig von der Bedeu-
tung der diese Verbindungen enthaltenden Morpheme und
Worte. Ebenso befindet sich die keimende Divergenz des
Phonems a in den Verbindungen ka \ in | pa [ — diese Divergenz
beruht darauf, dass von dem Organe des vorangehenden con-
sonantisehen Phonems der Unterschied des Anfangs der Her-
vorbringung dieses Vokals a abhängig ist — ] in keinem Zusam-
menhange mit der Bedeutung.
Hieher gehört auch der keimende Unterschied der schein-
bar identischen Phoneme, je nach dem sie im Anlaute, im
Auslaute oder im Inlaute vorkommen [j;- i| -a; |1 -a^-] ; je nach
dem sie von einer stärkeren Exspiration (Accent) begleitet,
oder nicht begleitet werden: je nach dem sie in einer auto-
phthongischen , oder symphthongischen Stellung [u j [a]u,
i I [a\i . . . , d. h. M II M, i\\ i . . ) vorkommen, u. ä.
Wenn es sich aber um eine Betrachtung derartiger Di-
vergenzen vom Standpunkte der Alternation handelt, dann
6*
84
dürfen wir nur verwandte Morpheme zusammenstellen. In
dn-o|den-ko ist das Phonem d scheinbar identisch. In-
dessen wird es in jedem dieser Worte verschiedenartig aus-
gesprochen. Der articulationelle Hauptmoment, der Moment
der Pause, der Moment des Verschlusses der dieses Phonem
in der Mundhöhle localisicrenden Organe ist zwar in einem
und im andern Worte gleichartig; aber der Übergang zum
folgenden Phoneme ist verschieden, und folglich ist die Aus-
sprache des scheinbar identischen Phonems d in d n o und
d e n k o in jedem dieser Fälle nicht nur mit verschiedenem
akustischen Effekte, sondern auch mit verschiedenen Gruppen
physiologischer Arbeiten verbunden.
In den poln. Worten r 6 d | r o d - ü , m r ö z | m r o z u,
m%z I m eia haben wir, neben den klaren, deutlichen, bestimm-
baren traditionellen oder paläophonetischen Alternationen u[6) \\ o,
a II e , und neben den klaren , deutlichen , bestimmbaren
neophonetischen Alternationen oder Divergenzen -t (-d) \\ -d-,
-s {-z) II -2!-, -s {-£) II -z-, noch folgende keimende neophone-
tische Alternationen: a) r[ö dj || r[odu], m] ?-[6z] || m]r[ozu],
h) wi[^z] II ??i[eza] , c) [rö]^ || [ro]6?[u] , [mr6]s || [mro]2;[u], [m^]s j;
[m§]i[a] ....
{Diese letzte Gruppe keimender Alteruationen, -t \\ -d-^
-s II -z- , -s II -z- , bedarf einer näheren Erklärung. Ihre For-
mulierung betrifft weder den Unterschied in der Thätigkeit
der Stimmbänder des Kehlkopfs, noch den Unterschied zwi-
schen Schwächung der Individualität in -^, -s, -s und Erhal-
tung dieser Individualität in -d- , -z-^ -i-, — beides gehört ja
zur Kategorie sichtbarer Divergenzen, — sondern berücksich-
tigt nur den möglichen Einfluss vorangehender Vocale , einer-
seits u (o), a, andererseits o, e, auf die Natur der betreffenden
Consonanten}.
Ebenso in den poln. kos | k o s a haben wir zwei kei-
mende Alternationen: -o[sj y -o[sa] , [-o]s || [-o]s[a].
Die Zusammenstellung der poln. t e n | t e m j t e | t e-
mu I tego I temi [ teraz gibt uns Anlass zur Constatie-
rung von keimenden Altemationen : e |i <? [t e n tem | te t e-
— 85 -
g 0 t e m u t e m i t e r a z] , e II e [t e n [ t e m] , e || e [t e |
tegotemu temi teraz], ejle [tego teraz|terau
temi], e||e[toraz|tego temu temi], el|e[temi|
temu tego teraz].
Poln, t\\ t . . .: ten \ tR \ to \ ty ch \ fsi, \ tq,
n 11 w , . . : t e w I t e w ojciec | t e w sad | t e n pies | t e w
kraj ... 5
o||o:ton|toiiitoniatonie,
A\]4:ton\toni...,
n 1} '/i \\ A: t o n i | t o m* e | toni'f].,
m \\ in: ?« o r z e | m o r s k i | m ö r z ,
o \\ o: morze|morski,
r \\ r: m o ?*.s k i | m o r s k a,
§ (rz) II z {rz \\ m o rz e | ra o rs a.
Behufs Constatiernng keimender Altemationen , können
wir z. B. noeli folgende poln. Worte zusammenstellen:
stöp|stopa |stopy|stop^| 3topie|stopa-
ra i . . . ,
skat| skalkaj skaJa|skale|skal|skaH |
skalisty . . . ,
kraj j kraju | krajem | ten kraj . . . ,
zmywa|zbywa|zdaje . . . ,
zmyc 1 zmyj | zmywa I zmyje | zmywac | zmy-
waniejwyrayc . . . ,
znac I poznac { znamy | znacie | znam | znaj |
znaja|znany| znak | znaku|znacz|znaczyc|
znakiem|znami§|znamienia . . . ,
wieniec | wienea | wienczy | wiencz | u-
w i e n c z I w i a n e k I w i e li c z c^ I w i e n c e m . . . ,
swieca | swiat|swiatl:o|swiatetko|^wie-
cic I swiatu | swiec | swieczka . . .
In den grossrussischen g 6 d a (ro;i;a) | g ä d a (ro;i;a) ha-
ben wir keimende Alternationen g || g und d \\ d^ weil diese
Consonanten sich bald mit einem accentuierten (ictierten),
bald mit einem unaecentuierten (nicht ictierten) Vokale der-
selben Silbe verbinden.
— m —
Kurz und gut, es bezieht sich diese Auffassiiuji; auf
eiue ungeheuere Menge plionetischer Thatsacbcn , denn man
darf sicher sagen, es gebe wolil in keiner Sprache keine ein-
zige Gruppe etymologisch verwandter Worte , in welcher man
nicht eine ganze Reihe derartiger keimenden Alternationen
aufweisen könnte, d. h. es gebe wohl kein einziges Phonem
in keiner Sprache, welches sich immer in denselben anthropho-
nischen Bedingungen befände.
Diese keimenden Altei-nationen halten wir für Alterna-
tionen mit unbemerkbaren Unterschieden der sie bildenden
Phoneme. Diese Unterschiede betrachten wir also gewöhnlich
als unendlich klein, so dass wir sie mit 0 bezeichnen dürfen:
d{x'— x") = 0
[avo d den Unterschied und x', a-" irgend ein beliebiges Pho-
nem in verschiedenen anthropophonischen Bedingungen be-
zeichnen, welche — diese Bedingungen — wieder mit der
Zeit eine allmähliche Spaltung dieses Phonems in zwei oder
mehr voraussetzen lassen].
Aber schon die Thatsache selbst , dass ein Pho-
nem zum Bestände von Wörtern gehört, wel-
che bald anthropophonische Unterschiede,
Unterschiede der phonetischen Verbindung oder des phoneti-
schen Baues (z. B. Unterschiede im Verhältnisse zur Wort-
accentuation) , bald wieder psychische (semasio-
logische oder morphologische) Unterschie-
de aufweisen, bildet zwischen den schein-
bar gleichen Phonemen einen Unterschied,
welcher mit der Zeit zu einem bemerkba-
ren Unterschiede werden kann.
So kann z. B. der anthropophonische Unterschied a \\ a
in den poln. Worten matka | macierz [wo ein a in ge-
schlossener Silbe und vor einem nichtpalalalen Consonanten,
das andere a aber in offener Silbe und vor einem palatalen
Consonanten vorkommt] mit der Zeit zu einer Umgestaltung
(Degeneration) dieses a nach zwei verschiedenen Richtungen
— 87 -
führen, z. B. zu einer Verwandlung des a in m a c i c r z in
einem Vokal aus der Kategorie e.
In Voraussehung einer ähnlichen Eventualität ist auch
die Möglichkeit einer Alternation m \\ vi in m a t k a | ni a-
c i e r z anzunehmen , denn m vor a findet sich in anderen
anthropophonischen Bedingungen, als m vor jenem, als histo-
rische Fortsetzung des Vokals a in m a c i e r z vorausgesetz-
ten e.
Auf ähnliche Weise kann der Unterschied anthropophoni-
scher Bedingungen für den Vokal a in m a t k a j m a t e c z-
k a [das eine in geschlossener, das andere in offener Silbe] mit
der Zeit eine Veranlassung zur Spaltung dieses a in zwei
sichtbar verschiedene Phoneme geben.
Andererseits darf es nicht vergessen werden , dass auch
infolge der Wirkung psychischer Factoren jedes zum
Bestände des Morphems mat- im Worte matka gehören-
de Phonem anderen Wandlungen unterliegen kann, als das
mit ihm identische Phonem desselben Morphems im W^orte
m a t e c z k a. Das Wort mateczka (Mütterchen) ist ein
deminutives Kosewort , das Wort matka (Mutter) aber ist
nicht-deminutiv, nicht liebkosend (nicht hypokoristisch). Es ist
also klar, dass ea für das Morphem mat- und deren Phoneme
m...a...t andere Bedingungen in einem Worte und andere
wieder in dem anderen Worte giebt.
Aber die möglichen, infolge dieser psychischen Unter-
schiede entstehenden Veränderungen der Phoneme können, vom
Standpunkte ihrer Causalität, nicht für anthropophonisch ge-
halten werden, und folglich lassen sich unter den Begriff ei-
ner, sei es keimenden, sei es bestimmten, Alternation nicht
subsumieren.
Nichtsdestoweniger bleibt es Thatsache, dass jedes Pho-
nem (Laut) verschiedenartigen Einflüssen unterliegt, je nachdem
es entweder als ein einfacher Laut^ oder als phonetischer Be-
standteil einer morphologischen Einheit betrachtet wird. In ähn-
licher Weise unterliegt jeder Mensch anderen Einflüssen als phy-
sisches Individuum, anderen aber als Glied einer Familie, einer
— 88 —
Gesellschaft, eines Staates u. s. w. Jeder Körper wieder unter-
liegt dem Einflüsse einerseits physischer, andererseits aber che-
mischer Bedingungen, u. s. w.
In den keimenden Alternationen sind zwei Stufen der
von jedesmaligen Verbindungen des Pho-
nems abhängigen Unterschiede anzunehmen:
1) Wirklich keimende oder vielmehr erst mög-
liche Altemationen , mit dem Unterschiede von Phonemen
gleich Null (0). So bietet z. B. s \\ s in poln. kos | k o s a ei-
nen Unterschied 0, wenigstens für das Gehör und für die mit
optischen und akustischen Apparaten nicht bewaffnete Per-
ception.
2) Altemationen , welche sich schon bemerken und
bestimmen lassen. Den Unterschied der Phoneme können
wir hier mit a-0 bezeichnen, d. h. ihn als einen zwar be-
stimmbaren, aber sehr kleinen Unterschied, mit dem limes 0,
betrachten.
Trotzdem betreten wir eigentlich schon hier das Gebiet
der bestimmten Divergenten.
Jedenfalls können zur Kategorie der keimenden Altema-
tionen nur Alternationen mit den für die minimale , unbewuss-
te Perception verschwindenden und nur mit Hilfe einer An-
strengung der bewussten Aufmerksamkeit entdeckbaren Pho-
nemunterschieden zugezählt werden.
In der historischen Entwickelungskette bilden diese Al-
ternationen ein Vermittelungsglied zwischen den keimenden
Altemationen j)ar excellence und zwischen den schon durch die
minimale Perception bestimmbaren neophonetischen Altematio-
nen oder Divergenzen.
Als Beweis der Wirkung der minimalen Perception die-
nen die „analogischen" Gebilde in der Art von poln. «z wusa>,
anst. z wozu (vom Wagen herab), entstanden unter dem
Einflüsse der Formen in der Art von w u s (w 6 z) (Wagen)
nicht nur in der Sprache der Kinder, sondern auch in derje-
nigen der Erwachsenen.
- 89 —
VIII. CAPITEL.
Gegenseitiger genetischer Znsammenhang verschiede-
ner Alternationsclassen. Stufen weiser Übergang einer
Classe in eine andere.
Kehmen wir z. B. ein Paar polnischer etymologisch na-
her Worte : plot-e ] pleci-e (ausgesprochen heutzutage
plot-e I plec-e) (ich flechte j er flicht). Die zum Bestände
dieser Worte gehörenden Phonem^ gruppieren sich zu folgen-
den Altemationen:
l[o] II ^[e] . . . keimende Alternation ,
\t]e II [6]e . . . neophonetische Alternation oder Divergenz,
o II e . . . paläophonetische oder traditionelle Alternation,
t \\ d . . . psychophonetische Alternation oder Correlation.
Der gegenwärtige Alterna tionszustand dieser Worte hat
sich aus den anderen vorhergehenden Zuständen entwickelt,
in denen sich die zum Bestände dieser Worte gehörenden Pho-
neme zu anderen Alternationen gruppierten. Auf Grund histo-
risch-vergleichender Forschungen haben wir das Recht, etwa
folgende Reihenfolge der Alternationszustände anzunehmen,
von der arioeuropäischen Periode an bis an unsere Tage:
1) *p 1 e t- o - I *p 1 e t- e - .
Diesem Zustande waren nur keimende Altemationen,
^[o] l| t[e] , e[to] II e[ta] , eigen, wo t und e sich embryonal
ganz in derselben Weise spalteten, wie in allen anderen an-
thropophonischen Verbindungen eto \ ete , ohne jeglichen ety-
mologischen Zusammenhang.
2) *p 1 e t, - 0 - I *p 1 e ti - e -
mit der neophonetischen Alternation oder Divergenz f„ |l <,
und mit der keimenden Alternation e [t„] || e [t;].
3) *p l Co t„ - 0 - I p 1 Ci t; - e -
mit zwei Divergenzen, t„ ii ^,, e^ ii e,,
oder aber: *ple<,t- | *ple, t'-
mit der traditionellen Alternation t ii t'
und mit der Divergenz e„ li e,.
— 90 —
In dieser Periode crfolo-t überhaii|)t allmüldiehe Häufung
(Cinnulierung) von Wirkungen anthropophonisclicr Tendenzen.
Es ist zugleich die Periode individueller Schwankungen (Oscil-
lationen), wo ein Individuum noch, dem alten Brauche gemäss,
die Alternation plet- il p 1 e t'- erhalten, das andere aber den
kräftigen anthropophonischen Tendenzen Folge leisten und in
seiner individuellen Sprache eine neue Alternation p 1 o t - |[
plet- bieten kann. Ja noch mehr, von einem und demsel-
ben Individuum kiinnen wir ein Mal plet-, das andere Mal
aber plot- hören, d. h. ein Mal die Alternation plet- '|
plet'-, das andere Mal aber plot- ii plet'- constatieren.
Eine wichtige Rolle spielt dabei die Kindersprache der betref-
fenden Sprachgenossenschaft.
4) Schon befestigtes
*p 1 o t- II *pl et'-
( ^ p 1 o t - II p 1 e c -)
mit den paläophonetischen oder traditionellen Alternationen
t \\ i' { --' t \\ d) ^ 0 \\ e , und mit der keimend(^n (embryonalen)
Alternation l[o] || l\e\.
5) Der Zustand der Collision zwischen dem Gefühle der
Einheit des Morphems und zwischen dem Eindrucke von der
äusseren Gestallt desselben. Als Folge davon beginnt die Ten-
denz zur Beseitigung äusserer Unterschiede, zur Uniformierung
der phonetischen Gestalt der in ihrer psychischen Einheitlich-
keit gefühlten Morpheme zum Vorschein zu kommen, oder es
findet die Utilisierung phonetischer Unterschiede zu psychischen
Zwecken statt, d. h. es tritt ein solcher Znstand ein, wo die
phonetische Spaltung sich mit der psychischen Spaltung asso-
ciiert.
In unserem Falle associiert sich die phonetische Alterna-
tion t II ö mit der Alternation gewisser Verbalformen, p lot-§
plot-a I pleci-e pleci-esz pleci-eray pleci-
-ecie; zum Teil associiert sich mit dieser psychischen Alter-
nation von Verbalformen auch die andere phonetische Alter-
nation, o Ii e, obgleich ihr psychischer Charakter viel schwächer
I
91
ist, so dass sehr oft die Tendenz zur Fonnausg'k'icluing, d. h.
der Gebrauch der Formen p 1 e t e p 1 e t o anst. p 1 o t e
(p 1 0 t §), p I o t o (p 1 o t ^) zu bemerken ist.
Sehen wir uns die Geschichte einze]n<-r Alternationen in
den Morphemen p 1 o t - | pl e c - an.
Nehmen wir die Alternation
t\\ d.
Im 1-en Stadium war sie embryonal (keimend), t[o]
t[e], dann im 2-en Stadium wurde sie Divergenz, ^[o] |i t,[e]'^
im 3-en Studium vollzieht sich der Übergang aus dem Diver-
genzzustande in den Zustand paläophonetischer Alternation,
t II i; ^^ t \\ t' [ti bezeichnet ein t mit der von der Nachbarschaft
mit folgendem palatalen Phoneme abliängigen Palatalität, t' aber
dasselbe Phonem t, doch mit einer unabhängig, individuell in
ihm steckenden Palatalität]. In 4en Stadium steigert sich die
PalataUtät, so dass endlich eine Spaltung des ursprünglichen
Phonems in zwei, t \\ t\ erfolgt, und das t' verwandelt sich
mit der Zeit in d. Im 5-en Stadium wird die traditionelle Al-
ternation t II t' (— t II d) zur Correlation, und dieser Charakter
ist ihr bis auf den heutig'en Tag eigen.
Nehmen wir wieder die Alternation
Im 1-en Stadium war sie höchstens embryonal und blieb
als solche auch im 2-en Stadium. Im 3-en Stadium geht diese
Alternation au.s dem embryonalen Zustande in den Zustand der
Divergenz über, d. h. e\t] || elf] ^ o[t] || e[t']. — Im 4-en
Stadium wird diese Divergenz zu paläophonetischer oder tra-
ditioneller Alternation. — Endlich, sei es im 4-en, sei es im
5-en Stadium , wird diese Alternation o || e gewissermassen zu
einer psychophonetischen oder zur Correlation; heutzutage
aber ist sie schon , wie es scheint , aus diesem Zustande aus-
getreten und wurde wieder zu einer traditionellen Alternation,
welche, infolge der Tendenz nach Ausgleichung der phoneti-
schen Gestalt der als identisch oder mindestens etymologisch
— 92 —
sehr iicahe verwandt gefühlten Morpheme, alhnühhch besei-
tigt wird.
Was die embryonale Alternation
^[o] II l[e]
betrifft, so wurde dieselbe zu einer solchen wahrscheinlich
schon im 3-en oder spätestens im 4-en Stadium , aber bis
jetzt verliess sie ihren embryonalen Zustand noch nicht.
Diese allmähliche Entwickelung könnte man auch an
einer ganzen Masse anderer Beispiele zeigen.
Indem wir uns auf die aus der Untersuchung einer
ganzen Reihe von Alternationen in ihrer historischen Entwicke-
lung gezogenen Schlüsse stützen, können wir unsere Beobach-
tungen in zwei Richtungen verallgemeinern:
a) zuerst geben wir eine allgemeine Übersicht geneti-
scher Entwickelung von Alternationen in der Sprachgeschichte
(in der Geschichte der Stammessprache) ;
b) darauf sehen wir uns näher an , wie ein ähnlicher
Process in den einzelnen Gliedern der Sprachgenossenschaft
zu Stande kommt, d. h. wir betrachten vom Standpunkte
der Alternationen die individuelle Sprache, vor allem aber die
Kindersprache.
I. Historisches Nacheinander verschiedener Alternationszu-
stände in der Stammesprache (in der Sprache einer gan-
zen Sprachgenossenschaft).
Alle Alternationen verdanken ihren Ursprung einer Spal-
tung von Einheit in Vielheit infolge besonderer Umstände und
allgemeiner Ursachen.
Die ursprüngliche Ursache jeder Alternation (Ursprüngliche
Veranlassung zu jeder Alternation) ist immer in verschiedenen
anthropophonischen Bedingungen zu suchen, Avelche verschie-
denen Verbindungen eines ursprünglich einheitlichen Phonems
eigen sind.
Infolge anthropophonischer Unterschiede, welche einem
in den Zustand embryonaler (keimender) Alternation übergehen-
f
— 93 -
den Phoneme eigen sind, entstehen in den sich aus diesem
Phoneme entwickelnden Alternantenembryonen minimale Un-
terschiede, minimal ebenso nach ihren eigenen, objectiv be-
trachteten Dimensionen, wie auch nach der Stärke der durch
dieselben auf Glieder der betreffenden Sprachgenossenschaf't
gemachten Eindrücke , — ■ und , w^e bekannt , hängt von der
Stärke des Eindrucks auch die grössere oder geringere Stärke
des zu merkenden Bildes ab.
Später^ in dem historischen Nacheinander, hört jenes Mi-
nimale auf, minimal zu sein; minimale Unterschiede wachsen,
steigern sich, werden beim ersten Blick sichtbar.
Diese Steigerung und dieses Wachsen der Unterschiede
geschieht anfangs unter dem Einflüsse der.selben Bedingungen,
welche den ersten Impuls (Antrieb) zum Hervortreten minima-
ler Unterschiede gegeben hatten , aber dieses nur bis zu einer
gewissen Zeit; denn später fangen die einmal afticierten, ein-
mal mit einer gewissen, ihnen früher fremden Eigentümlichkeit
angesteckten Phoneme an, sich von sich selbst, spontan in ei-
ner gewissen Richtung zu verwandeln. Auf diese Weise tre-
ten spätere spontane Wandlungen an stelle ursprünglicher
combinatorischer, und eine abhängige neophonetische Alterna-
tion oder Divergenz wird zu einer anthropophonisch unabhän-
gigen , palaeophouetischen , traditionellen Alternation.
Aber neben dieser Möglichkeit der Entwickelung , neben
der Möglichkeit , welche darin besteht , dass die unter dem
Einflüsse verschiedener Umgebungsbedingungen entstandenen
embryonalen , minimalen Unterschiede sich vergrössern und
schliesslich individuell werden , existiert auch eine andere Mög-
lichkeit, die Möglichkeit des Schwindens minimaler Unter-
schiede , und zwar gleichzeitig mit dem Aufliören der Wir-
kung von den diese Unterschiede veranlassenden Bedingungen.
Es ist also für die Beseitigung neophonetischer, sei es
embryonaler, sei es schon deutlich divergenten, Alternationen
das Aufhören des causalen Zusammenhanges zwischen den
Unterschieden anthropophonischer Verzweigungen (Modificatio-
nen) des betreffenden Phonems und zwischen verschiedenen
— 1)4 —
diese Uutersebiede veraiilassf.ndeii l'ediiiouiiffen vollkommen
genügend. In weiterer Folge aber kann die Beseitigung einer
neopbonetischen Alternatinn auf zweifacbe Weise vollzogen
werden :
1) Entweder sind anibiopoplioniscbe Unterscbiede der
mit einander alternierenden Moditicationen des betreffenden
Urpbonems ganz abbängig von dem antbropopboniseben Ein-
flüsse betreftender Bedingungen, in sieb selbst aber besitzen
sie nicbts Individuelles und prägen sieb dem Gedäcbtnisse
auf dem Wege der Tradition (Überlieferung) und des sprach-
lichen Verkehrs im allgemeinen nicht im mindesten ein;
2) oder es entwickelte sieh neben der Abhängigkeit von
den Bedingungen anthropophonischer Umgebung bis zu einem
gewissen Grade auch eine individuelle Unabhängigkeit der auf
diese Weise erworbenen Eigentümlichkeiten und eo ipso Über-
tragung dieser Eigentümlichkeiten auf dem Wege der Tradi-
tion und des sprachlichen Verkehrs im allgemeinen. Das be-
treffende Phonem unterlag einer so starken anlhropophonischen
Affection, dass die auf diese Weise entstandene Eigentümlich-
keit sich unserer Perception als etwas ganz Unabhängiges und
Selbstständiges aufdrängt.
1) Im ersten Falle sehwinden gleich mit dem Authören
der Abhängigkeit , mit dem Aufhören des functionalen Zu-
sammenhanges auch anthropophonisehe Unterschiede der Va-
rietäten (Moditicationen, Verzweigungen) des betreffenden Pho-
nems und diese embryonalen Varietäten kehren zur absoluten
Einheitlichkeit zurück. Mit der Beseitigung von Ursachen
schwinden auch ihre Folgen.
2) In dem anderen Falle aber beseitigt das Aufhören der
Abhängigkeit von anthropophonischen Bedingungen die durch
eine anthropophonisehe Accomodation erworbenen Eigentümlich-
keiten nocli nicht; im Gegenteil, vermöge der schon befestigten
Individualität dieser erworbenen Eigentümlichkeiten, werden diese
Eigentümlichkeiten, nachdem sie aufgehört hatten functionell
abhängig zu sein, zu ausschliesslich individuellen, so dass sie
einerseits objectiv wachsen und sich steigern, andererseits aber
— 95 —
immer stärkeren Eindruck maclien und t^ich immer mehr dem
Gedächtnisse einprägen. Auf diese Weise werden diese einst-
mal durch anthropophonische Accomodation entwickelten und
erworbenen Eigentümlichkeiten der Phoneme zu individuellen,
unabhängigen Eigentilmliehkeiten eines gewissen phonetischen
Teiles gewisser ^lorpheme in gewissen Worten.
Dieses unbewusste Merken individueller Eigentümlichkei-
ten, insoweit es in den etymologisch verwandten Morphemen
stattfindet, wird zum Übergangsgliede von der Kategorie der
Divergenten zu derjenigen traditioneller Alternanten.
Und so betreten wir das Gebiet traditioneller Alterna-
tionen, welche sich durch den sprachlichen Verkehr einzel-
ner Glieder der betreffenden Sprachgenossenschaft erhalten.
Aber, obgleich die Tradition eine Kraft ist, welche die von
den früheren Generationen überlieferten alternationellen Un-
terschiede aufrecht erhält, so reicht sie doch nicht aus, um
vom Standpunkte individueller Bedürfnisse diese Unterschiede
in ihrer Causalität zu begründen. Und gerade auf diesem Bo-
den entwickelt sich in einzelnen Individuen und später selbst
in allen zur betreffenden Sprachgenossenschaft gehörenden In-
dividuen das Gefühl des Mangels (der Abwesenheit) eines rai-
son d'etre. und es liegt in der Natur der Sache, dass ein
solches Gefühl in eine Collision mit der Tradition treten
nmss.
Dessenungeachtet werden die um ihr individuelles rai-
son d'etre gekommenen Unterschiede alternierender Phoneme
durch zwei Ursachen aufrecht erhalten:
1) Psychische Ursache, bestehend darin, dass jene indi-
viduell nicht gerechtfertigten Unterschiede sich dem Gedächt-
nisse nicht typisch, sondern eben individuell einprägen. Die-
ses findet bei den sehr oft gebrauchten, par excellence alitäg-
lichen Worten statt. Solche sind z. B. Verba in der Art von
sein, essen, wissen, geben..., Substantiva wie
Vater, Mutter...., Augen, Ohren, Hände,
F ü s s e . . . , Pronomina wie ich, mir. . . , du, dir...
2) Sociologiscbe Ursache: Die Erhaltung der indivifluell
nicht begründeten Unterschiede erleichtert gegenseitige Ver-
ständigung ebenso der Zeitgenossen, wie auch der früheren
und späteren Generationen. Hier tritt die Tradition als con-
sen^ativer, die betreflfende Sprachgenossensehaft in sprachlicher
Einheit erhaltender Factor auf.
Wenn aber das individuelle Bedürfnis, die weder an-
thropophonisch, noch psychisch berechtigten Unterschiede, d.
h. die Alternationen, welche weder Divergenz, noch Correla-
tion sind, zu beseitigen, über die einfache Tradition die Ober-
hand gewinnt, dann erfolgt eine Beseitigung überflüssiger tra-
ditioneller Unterschiede, und diese Beseitigung kann auf drei-
fache Weise geschehen :
1) Das Gefühl des etymologischen Zusammenhanges der
die alternierenden Phoneme enthaltenden Morpheme veranlasst
eine phonetische Assimilation dieser Morpheme, d. h. die Uni-
formierung (Ausgleichung) ihrer phonetischen Gestalt. Es ge-
schieht aber in der W^eise , dass eine von den Modificationen
des betreffenden Morphems, welche eins von den alternieren-
den Phonemen enthält, herrschend wird und sich auch auf sol-
che Fälle ausdehnt, wo wir eine andere Modification dessel-
ben Morphems, mit einem anderen alternierenden Phoneme,
haben. So z. B. poln.
po-syt-ac I po-sei ^ po-sel-ac | po-sel
(senden | Gesandte),
(od-dych-ac | od-dech ^ od-dech-ac (dia-
lektisch) i od-dech (athmen | Athmen)),
gtech-nac | gtuch-y ^ gtuch-n^c | gluch-y
(taub werden | taub),
dzwek I dzwiecz-ec --■- dzwiek | dzwi§-
c z e c (Klang | klingen). . . ;
im Russischen umgekehrt:
3ByK I SBHiiäTB ^ 3ByK ] SByqaTB . . . ;
dann können wir noch eine teilweise Ausgleichung im
Poln anführen :
— 97
u- b i 6r
u-bier-ac
u-b 6r
u-bier-ac
u - b i 0 r - u
u - b 0 r - u
z - b i 6 r
z - b i e r - a c
z - b ö r
z - b i e r - a c
z - b i 0 r - u
z-bor-u
vgl. damit z -
30 1', po-bor, na-bör, w
y - b ö r . . .
- b or u . . .
2) Es verliert sieb das Gefühl des etymologischen Zu-
sammenhanges der Worte , in denen die die alternierenden
Phoneme enthaltenden Morpheme vorkommen, und dieses be-
wirkt eine lexikalische Differenzierung, so dass das Paar
früher etymologisch verwandter Worte zu einem Paare ver-
schiedener, etymologisch sich ganz fremder, d. h. von den
sprechenden Individuen in ihrem etymologischen Zusammen-
hange nicht gefühlter Worte wird; — dadurch wird der
Wortschatz der betreffenden Sprache bereichert. Solche sind
z. B.
poln. cze^-cxk ^ s a - c k§s, russ. qac-TBXKyc-äTB
(Teil 1 beissen),
poln. po-cz^-tek -czyn-ac -czn-§><koni-ec;
russ. Ha-^a-jioXKOH-en; (Anfang | Ende),
poln. p o - k ö j > <s po-cz y-wac (Ruhe j ruhen) . . .,
„ bod- § xbad-am(steche, stosse | erforsche) . . .,
„ wierci-ecXwart-ki> < w ars-twa X
w r z e c i - o n oXw rot- a> <p o-wröt po-wrot-u
(drehen, bohren | sich drehend, behend | Schichte j Spindel |
Thor I Rückkeher) . . .,
poln. w o d z - i c><w a d - a (fübren ] üble Gewohnheit,
Gebrechen) . . . ,
poln. po-czetXczeä-cX czy t-acXza-c-ny
(Zahl I Ehre | lesen | ehrwürdig) • . . ,
poln. ciag-nacXt§g-iXws-taz-ka (ziehen (
tüchtig I Band) . . . ,
Selbst i e s - (j e s - 1 . . .)Xs - (s - a) (ist | sind), c h o d z -
-icXszed-t sz-la (gehen | gieng) . . . sind heutzu-
tage in phonetischer Beziehung zwei verschiedene Wurzeln,
7
— 98 —
welche blos kraft semasiologischer Association in ilircm Zusam-
menhange erhalten werden.
Die Verwickelung alternationeller Beziehungen des betref-
fenden Morphems begünstigt seine Mischung mit anderen Mor-
phemen, begünstigt seine Attraction durch eine andere etymo-
logische Morphemengru})pe. Hieher gehören z. B. poln.
od-po-czn-§| od-po-cz^-ö | od-po-czyn-
-e k . . . , entstanden aus od-po-czy-n§ | od-po-czy-
-nii-c I od-po-czy-n-ek (werde ausruhen j ausruhen } Ru-
he) . . . und attrahiert (angezogen), wenigstens phonetisch-mor-
phologisch, durch den Beziehungstypus za-czn-e po-czn-ei
-czii-cj-czyn-ac| za-czyn-, roz-czyn- (werde an-
fangen ( anfingen | Anfang, Ferment ....)....,
rzn-ac|rzn-§| -rzyn-ac . . . , entstanden aus
fz-nac (rzz-nac)|fz-ne | rzez-ac {^ rzaz-ac)
(schneiden I schneide . . .) und attrahiert durch zj^-c ^ in -
-ac i zn-§ ) zyn-ac(mit der Sichel schneiden, ernten) . . .
3) Das dritte Mittel endlich, die um ihr individuelles
raison d'etre gekommenen alternationellon Unterschiede zu be-
seitigen , ist Utilisierung dieser Unterschiede zu psychischen
Zwecken , d. h. zu einer Verknüpfung (Association) plioneti-
scher Schattierungen (Nuancen) mit morphologischen, respective
semasiologischen. Auf diese Weise entstehen psychopho-
netische Alternationen oder Correlationen,
zu denen jedes zur betreffenden Sprachgenossenschaft gehö-
rende Individuum auf dem Wege der Cumulierung und
Verallgemeinerung einzelner Associationen selbstständig, auf ei-
gene Hand, mit eigener psychischer Arbeit gelangen muss.
Unabhängig vom subjectiven Gefühle können in der
Sprache Typen von traditionell überlieferten und semasiolo-
gisch auf eine beständige und gleichartige Weise unterschie-
denen Formen existieren; z. B. im Poln. nog-a r§k-a|
nöz-ka r^cz-ka ..., pi-c gni-c | poj-ic gnoj-
-ic. . . , tok- bok-l tocz-yc bocz-yc sie . . . ,
po-mog-§ chodz-^ mocz-e robi-§ po-mag-am
chadz-am macz-am rabi-am , gniot-e miot-§j
— 99 —
gniat-am miat-am . . . . , sl'-ac tk-adjsyi-a(^
tyk-ac . . . , u-br-ac wy-pr-ac|u-bier-ac w y •
pier-ac. . . , u-mrz-ec wy-prz-ec wy-trz-ec|
u-mier-ac wy-pier-ac wy-cier-ac . . .
Nun , wenn sich in der Seele des sprechenden Indivi-
duums ein fester Zusammenhang, eine feste Association zwi-
schen der Beziehung des phonetischen Baues derartiger Worte
und derjenigen ihrer Bedeutuiigsschattierungen gebildet hat,
dann verwandelt sich eo ipso die traditionelle Alternation in
eine Correlation, und das betreffende Individuum bereichert
dadurch den Vorrat seiner psychophonetischen , zur morpholo-
gischen und semasiologischen Schattierung dienenden Mittel.
Aber trotz aller dieser sich stets wiederholenden Bemüh-
ungen, die nicht rationellen, d. h. weder anthropophonisch,
noch psychisch berechtigten, phonetischen Unterschiede zu be-
seitigen , kann doch in der Sprache ein bedeutender und nu-
merisch starker Niederschlag eben solcher Unterschiede übrig
bleiben . welche ganz einfach traditionell , ohne den Bedeu-
tungszusamraenhang zwischen den einzelnen Varietäten irgend
wie zu erschüttern , überliefert werden , d. h. ein Nieder-
schlag von Unterschieden , welche die Grundlage paläophone-
tischer oder traditioneller Alternationen bilden. Es genügt hier
auf poln. sen | snu, dzien | dni-a, wiedzi-e | wiod-ej
wiod-l I wies-c | wy-wod-u | wy-wöd | wodz-e |
w 0 d z - i I w ö d z 1 w ö d z . . . , s - m i e r - c | m a r - 1 w y |
-mor-u |-mör| u-mier-a . . . , br-ac | -bier-acj
bierz-e| wy-bor-u [ wy-bör | wy-borz-e . . . ,
wrzeci-ono I po-wrot-u | po-wrot | wröc-e |
wröc-i I wrac-a | wierc-i | wart-ki hinzu-
weisen.
Dieser Niederschlag vermindert sieh einerseits beständig
infolge der oben angedeuteten Wandlungen nach drei Richtun-
gen, andererseits aber erfährt er einen beständigen Zuwachs
durch den Übergang in die Kategorie traditioneller Alterna-
tionen nicht nur gewesener Divergenzen, sondern auch gewe-
sener Correlationen.
7*
— 100 —
Das Bestreben, die durch eine individuelle Causalität
nicht berechtigten Unterschiede zu beseitigen , erstreckt sich
auf beide Gruppen traditioneller Alternationen, d. h. ebenso
auf die Gruppe divergcnzioneller, wie auch auf diejenige cor-
relativischer Herkunft. Aber, wenn die zAibeseitigenden Alter-
nationen zur zweiten Gruppe gehören, d. h. wenn sie den ihnen
früher eigenen psychophonetischen Zusammenhang eingebüsst
hatten, folglich Alternationen mit erloschener psychischer
Causalität sind , dann kann nur von zwei ersten Beseiti-
gungsweisen die Rede sein, d. h. entweder von der pho-
netischen Assimilation der Morpheme , von der Ausgleichung
(Uniformierung) ihrer phonetischen Gestalt, oder vom Verluste
des Gefühls des etymologischen Zusammenhanges der Worte
mit den alternierende Phoneme enthaltenden Morphemen. Die
dritte Art und Weise, d. h. Wiederbelebung des psychopho-
netischen Charakters traditioneller Alternationen correlativi-
scher Herkunft, kommt wohl ungemein selten vor.
Es können also traditionelle Alternationen, vom Stand-
punkte ihrer Herkunft , zweierlei Art sein :
1) paläophonetische Alternationen, mit
erloschener anthropophonischer Causalität ,
2) paläopsychische Alternationen, mit
erloschener psychophonetischer Causalität.
Schhesslich können die einen , wie die anderen mit
der Zeit
entweder mittelst Ausgleichung der die betreffenden Pho-
neme enthaltenden Morpheme beseitigt werden
(bald x II x" ^ x II x!,
bald wieder x \\ x" ^ x" || cc"),
oder aber den alternationelleu Charakter vollkommen ver-
lieren und, infolge der Spaltung von den früher nur phonetische
Modificationen (Varietäten) eines Grundmorphems darstellen-
den Morphemen in zwei besondere , im etymologischen Zu-
sammenhange nicht mehr gefühlte Morpheme ; in die Katego-
rie überlebender (rudimentärer) Alternationen übergehen
— 101 —
ix' II x" -- x' X x").
Da wir hier aber fortwährend mit dem lebendigen Ge-
fühle des psychischen Wertes (der psychischen Geltung) pho-
netischer Erscheinungen zu thun haben, und da dieses Ge-
fühl , als von den individuellen Eigentümlichkeiten aller Glie-
der der betreftenden Sprachgenossenschaft abhängig, bald
schwächer, bald stärker wird, so müssen wir eine ganze Scala
zweifelhafter Übergangszustände annehmen, welche an eine
dem Erlöschen nahe Lampe erinnern, deren Flamme bald er-
lischt, bald wieder sich sehen lässt.
Aus diesem Meere einer unzähligen Masse zweifelhafter
Übergangszustände ragen drei deutliche Alternationsclassen
empor, deren Besprechung die Capitel 3 , 4 und 5 gewid-
met sind :
traditionelle Alternationen, welchen eine
Causalität von rein socialem Charakter (Überlieferung und
Verkehr) eigen ist; sie sind entweder ^paläo phonetisch , oder
paläopsychisch (welche sich schliesslich auch auf paläopho-
netische zurückführen lassen) (5-es Capitel);
neophonetische Alternationen oder D i-
vergenzen, gekennzeichnet durch die Anwesenheit einer
individuell anthropophonischen Causalität, im Unterschiede von
dem den zwei anderen Classen eigenen Mangel dieser Causa-
lität (8-es Capitel) ;
psychophonetische Alternationen oder
Correlationen, mit einer individuell psychischen Ursa-
che , im Gegensatz zu dem den zwei anderen Classen eigenen
Mangel einer solchen Ursache (4-es Capitel).
Vom Standpunkte ihres historischen Nacheinanders in
der Sprachgeschichte sind diese Classen in folgender Reihen-
folge aufzuzählen:
1) Divergenzen, mit dem lebendigen physiologi-
schen Factor, mit einem individuell-anthropophonischen Zu-
sammenhangC; mit der noch erhaltenen ursprünglichen Causa-
lität aller Alternationen ;
— 102 —
•»=/(?)
aj'lia:"==/((p'li9")
x' .... c^' \\ x" ... . <p".
[Beispiele: d \\ t in wod-a | w6d-ka (Wasser | Brannt-
wein), s\\z in pros- id [ proz- ba (bitten | Bitte), i., {y) || «\
(i) in s } 0 m - y | z i e m - i (des Strohes | der Erde) . . .]
2) P a 1 ü o p h 0 n e t i s c h e oder traditionelle
Alternationen, mit dem beständig wirkenden socia-
len Factor, mit dem collectiv-soeialen causalen Zusammen-
bange, mit der beseitigten ursprünglichen anthropophonischen
Causalität aller Alternationen:
x = f{jz)
a^'l,x-"=/(7r).
[Beispiele : J9 n /', t\\c, ar \\er in n a - p a r s t - e k | p i e r s c i - e li
(Fingerhut | Ring), t w.l^o \\e in c z o 1 - o | c z e 1 - e (Stirn | an
der Stirn) . . . .]
3) C 0 r r e 1 a t i 0 n e n , mit dem lebendigen psychischen
Factor, mit dem individuell-psychischen causalen Zusammen-
hange, mit der secundär entwickelten psychischen Causalität:
od . . . .^' \\x" . . . . ^" .
[Beispiele : o \\a in chodz-ic| chadz-ac (gehen | pfle-
gen zu gehen), t r w o z -y - c | t r w a z - a c (Schrecken ein-
jagen I pflegen Schrecken einzujagen) . . . . , 5 n cA in w J o s |
w.J och (Haar | plumpes Haar) , klus-ki | kluch-y
(Klösschen | grosse, plumpe Klösschen) . . .]
Vom Staudpunkte des Bodens, auf welchem sich die ur-
sprüngliche, in der betreff"enden Epoche des Sprachlebens schon
beseitigte, anthropophonische Causalität entwickelt hatte, zer-
fallen traditionelle Alternationen in zwei Classen:
a) eigen sprachige, entwickelt auf dem heimischen
Boden der betrefi"enden Sprachgenossenschaft,
h) fremdsprachige, entstanden unter dem Einflüsse
einer anderen Sprachgenossenschaft, auf dem Wege sei es des
internationalen sprachlichen Verkehrs, sei es des Schrifttums.
— 103 -
Vom Standpunkte dos Übergan f^cs vom frülif^ren Alter-
nationszustande zu dem gegenwärtigen unterscheiden wir in
den traditionellen Alternationen zwei Classen :
d) einige von ihnen entwickelten sich direkt aus den
Divergenzen,
h) die anderen aber bilden eine Fortsetzung von C o r-
relationen-, sie sind aus der Kategorie der Correlationen
in diejenige der traditionellen Alternationen als die ihrer psy-
chischen Function schon entledigten Gebilde übergegangen.
In den Ex-Alternationen (d. h. in den jedes Alterna-
tionscharakters entledigten Alternationen) können wir 3 Clas-
sen unterscheiden :
a) einige stammen unmittelbar von den Divergenzen;
b) andere haben, bevor sie beseitigt wurden, blos zwei
deutliche alternationelle Evolutionen durchgemacht: Divergen-
zen und traditionelle Alternationen;
c) wiederum andere haben vor ihrem Schwunde ganze
vier deutliche Evolutionen durchgemacht : Divergenzen, tradi-
tionelle Alternationen, Correlationen in Verbindung mit der
Tradition und schliesslich wieder rein traditionelle Alternationen.
In den Correlationen können wir vor allem zwei Haupt-
stufen der Spannung ihres psychischen Charakters
unterscheiden :
auf einer, höheren Stufe ist d i e A s s o c i a t i o n pho-
netischer Varietäten (Modificationen) mit psychi-
schen Nuancen (Schattierungen) wirksam (activ) und
schöpferisch, d. h. sie ermöglicht die Bildung neuer
Alternationspaare nach einem gewissen lebendigen Typus [z.B.
o II a in den poln, Verben nos-i-c| nasz-ac (tragen |
pflegen zu tragen) ....];
auf der zweiten, niederen Stufe aber existiert zwar die
Association phonetischer Varietäten mit psychischen Nuancen,
aber sie ist nicht stark genug, um die Entstehung von Neu-
bildungen nach dem gegebenen Typus zu ermöglichen ; es ist
also die Stufe der psychophonetischen Schwäche
— 104 -
und Passivität [z. B. : i \\oj in p i - c g n i - c | p o j - i 6
gnoj-ic (trinken, faulen ) trinken lassen, faulen lassen)....].
Zwischen diesen zwei Stufen giebt es eine ganze Reibe
von Übergangszuständen.
Wir haben oben gesehen, dass der den einfachen tradi-
tionellen Alternationen eigene traditionelle Charakter sich in
stäter Collision mit der Tendenz nach Beseitigung phoneti-
scher, weder physiologisch, noch psychisch gerechtfertigter
Unterschiede befindet, und dass, im Falle der Oberhand-
nahrae seitens dieser individuellen Tendenzen, entweder jene
traditionellen Alternationen einen psychophonetischen Charakter
annehmen und zu Correlationen werden, oder eine phonetische
Ausgleichung des alternierenden Paares erfolgt.
Es können jedoch ähnliche Collisionen auch im Bereiche
der Correlationen stattfinden. So lässt sich z. B. in der russi-
schen Correlation k^\ c in solchen Verben , wie ncK-y TOJiK-y
I ne^-em TOJi^-em (backe, stosse | bäckst, stösst) .... gleich-
sam eine Collision wahrnehmen, welche schliesslich zur Um-
wandlung jener Correlation k \\ c in eine neue, k \\ k' [ncK-y
TOJiK-y I neK-em TOJiK-em....], führt.
Wenn man die alternierenden Phoneme, k \\ c, als unteil-
bare Ganze betrachten wollte, müsste man behaupten, es gäbe
hier keine Collision und es dürfe die Correlation k \\ c, welche
ein in sich geschlossenes Ganzes bildet, sich nicht umwandeln,
sondern solle so bleiben wie sie ist, bis endlich ihr psychophone-
tischer Charakter schwindet, um einer einfachen Tradition zu wei-
chen. Aber, wenn wir die Phoneme in ihre Artieulationscom-
ponenten zerlegen und diesen verbalen Typus von einem brei-
teren Standpunkte betrachten, so wird der Schluss unvermeid-
lich, dass die Correlation k \\ c die Harmonie des Typus ver-
letzt, und dass nur die Alternation k \\ k' ihr Genüge leistet,
weil sie vollkommen auf dieselbe Art gebildet ist, wie die ande-
ren partiellen Alternationen, b \\ 5'(rpe6 j | rpeö-eT...), d \\ d' (ne^-y
I Be;i, ÖT...), s II / (nec-y | Hec-ex...) u. s. w., welche sich unter
eine allgemeine Alternation,
PO II PY
— 105 —
(wo PO den Mangel an Palatalität oder die „Härte" des Con-
sonanten, PY aber das Vorhandensein der Palatalität oder die
„Weichheit" des Consonanten bezeichnet), subsumieren lassen.
Diese Vei'allgemeinerung russischer Correlationen auf dem
Gebiete des oben genannten verbalen Typus vollzieht sieh eben
jetzt in verschiedenen grossrussischen Dialekten. Viel früher
aber vollzog sie sich z. B. in den Adjectiven possessiven,
welche vorzugsweise die Function von patronymica und dann
auch der Zunamen erfüllen, in der Art von cvkhh ctm, Cjk-hh,
CooaK-HH, K6mK-HH, CHna'r-HH, Mvx-hh ... , wo die alte Corre-
lation, k y r, g \\z, x \\S (cyK-a | cyq-HH, Cunn'r a | Cnnü'sK-HH,
Myx-a I Mym-HH ....). einer neuen, k\\k\ g\\g\ x\\x\ gewichen
ist, nach dem Muster einer ganzen Menge anderer partieller
Alternationen desselben allgemeinen Typus, h \\ 5, d y d\ s \\ s
[pti'6-a Pli'ü-hh, Mapy;i;-a j Mapy;i;-HH, HjiaKc-a ! ÜJiaKc-HH ....].
Wir sehen hier, wie die Correlativität immer weitere
Kreise beschreibt, wie partielle Correlationen von denjenigen
mit einem allgemeineren Charakter verschlungen werden, wie
diese Verallgemeinerung von Correlationen ihr Gewicht und
ihre Spannkraft stärkt.
Da es aber nichts Ewiges im Bereiche von Formen giebt,
und da die entstandenen Formen einmal schwinden müs-
sen, so findet dasselbe auch auf die Correlationen seine volle
Anwendung, mögen dieselben noch so deutlich und noch so
mächtig sein. Nachdem sie ganze Reihen partieller Correla-
tionen verschlungen und dieselben sich assimiliert und dadurch
die höchste Stufe ihrer Macht und Deutlichkeit (Bestimmtheit)
erreicht hatten , n)üssen diese allgemeinen Correlationen mit
der Zeit ihre Kraft stufenweise einbüssen und endlich ihren
psychophonetischen Charakter vollkommen verlieren und in
den Zustand des Traditionellen übergehen, d. h. zu einfachen
traditionellen Alternationen werden, um einmal endgiltig zu
verschwinden und in dem grossen Sanimelhaufen von Ex-
Alternationen oder erloschenen Alternationen zu zergehen.
106
II. Die Entstehung der Alternationen in der individuellen
Sprache, besonders aber in der Kindersprache.
Die S|»rache kann nicht geerbt werden; geerbt werden
nur erstens die Fähigkeit eine Sprache zu erwerben im allge-
meinen und dann Neigungen zu gewissen bestimmten liichtiingen
der im Sprachbau sich vollziehenden Wandlungen. Die Erb-
lichkeit ist ein biologischer Faktor, während dagegen zur Spra-
che jedes Individuum auf dem Wege des gesellschaftlichen
Verkehrs gelangt. Trotzdem muss man gerade zur Erblichkeit
seine Zuflucht nehmen, um die Stätigkeit historischer, sich in
der Sprache vollziehender Veränderungen zu erklären , und
zwar folgendermassen:
Die am weitesten gehenden, die radicalsten Wandlungen
(Veränderungen) vollziehen sich jederzeit in der Kindersprache
der betreffenden Sprachgenossenschaft. Am weitesten gehen
hier phonetische Wandlungen, am weitesten Formausgleichung
u. s. w. Später ziehen sich die Kinder zum sprachlichen Zu-
stande der Erwachsenen nach und nach zurück, aber ein ge-
wisser Teil der in ihrer Kindersprache vollzogenen Wandlun-
gen kann auch künftighin in ihrer individuellen Sprache blei-
ben, und, was am wichtigsten ist, gehen die Neigungen zu
solchen Wandlungen, obgleich sie bei späterer Generation ge-
wöhnlich wieder von sich selbst, spontan enstehen, auch auf dem
Wege der Erblichkeit zu derselben über. Indem sie sich in
einer Reihe von Generationen cumulieren oder anhäufen und
erstarken, werden diese Wandlungen schliesslich so mächtig,
dass sie sich in der Sprache endgiltig befestigen.
Bei der Alternation handelt es sich in erster Reihe um
die Häufung oder Cumulierung phonetischer Tendenzen auf
dem Wege der Erblichkeit und um ein allmähliches Mächtiger-
werden derselben.
Da jedes Individuum einzeln, für sich, mit eigener Ar-
beit zur Sprache gelangt, so müssen auch Alternationen von
jedem Individuum selbstständig entwickelt werden.
107
Während der allmäliliclien Aneignung der Sprache
macht jedes Kind auch verschiedene Stadien durch : An-
fangs versteht es gar nichts; darauf fängt es an, die Spra-
che der Umgebung zu verstehen, aber es vermag noch nicht
selbst zu sprechen, d. h. es befindet sich in einem Zustande
der Audition und der passiven sprachlichen Perception; end-
lich beginnt es selbst zu sprechen, beginnt selbst sprachlich
thätig zu sein, und zwar nicht nur durch Audition und Per-
ception. sondern auch durch Phonation. SelbstverständHch bil-
det die, einmal in Bewegung geratene, sprachliche Cerebra-
tion oder das sprachliche Denken eine stätige Grundlage beim
Erlangen der individuellen Sprache.
Nun kann in den ersten Anfängen dieses Processes,
wo das Kind erst anfängt, die Sprache der Umgebung ein
wenig zu verstehen^ noch von keinen Alternationeu die Rede
sein. Die Alternationen entwickeln sich erst später. Je-
denfalls können wir die Paare von Phonemen, welche zum
Bestände der von dem betreffenden Kinde schon verstandenen
Morpheme und Worte gehören und in der Sprache der Um-
gebung die alternationellen Paare bilden, vom Standpunkte
dieses Kindes embryonale oder keimende (anfängli-
che) Alternationen nennen.
Auf derjenigen Stufe, wo die Kinder noch nicht ange-
fangen haben, die betreffende Sprache zu sprechen, aber sich
schon über ihre Eigentümlichkeiten Rechenschaft ablegen
und sie in den ihrem eigenen Geiste zugänglichen Grenzen
verstehen, d. h. wo diese Kinder sich in einem Zustande der
schon entwickelten Audition und Perception, aber noch ohne
Phonation, befinden, auf einer solchen Stufe kann natürlich
von den neophonetischen Alternationen oder Divergenzen keine
Rede sein, da dieselben von der eigenen , persönlichen
Aussprache abhängen. Ob dann schon Correlationen oder psy-
chophonetische Alternationen vorhanden sind, das hängt von
der Individualität des betreffi nden Kindes, von dessen grösse-
ren oder geringeren psychischen Beweglichkeit und Lebhaf-
tigkeit ab. Jedenfalls existieren in den allerersten Anfängen
— lOR —
dieser Entwickeluiigsstufe die Correlationen keineswegs, und
sie müssen sich erst ausbilden, sie müssen sich aus den traditio-
nellen Alternationen vermöge erforderlicher Associationen ent-
wickeln. Die einfachen traditionellen Alternationen aber existie-
ren augenscheinlich in der Sprache des Kindes auf der Stufe der
Audition und Perception; denn die Unterscheidung phonetischer
Modificationen (Varietäten) der in ihrem etj^mologischen Zu-
sammenhange gefühlten Morpheme entwickelt sich ja auf ein
Mal von selbst. Darum machen dann auch deutliche Unter-
schiede der Divergenten oder neophonetischer Alternanten ei-
iien bestimmten Eindruck und prägen sich dem Gedächtnisse
mit der ihnen eigenen traditionellen Seite ein. So z. B., bevor
das Kind anfängt, durch seine eigene Aussprache die Diver-
g- iiz (^ II t in den poln. broda | brödka (Bart | Bärtchen)
u ä zu Stande zu bringen, l)emerkt es schon früher den anthro-
pophcnifchen Unterschied zwischen der Volll)ringung des einen
und des anderen Phonems. Und eben auf diese Weise gesellt
sich zu den neophonetischen Alternationen oder Divergenzen
auch das traditionelle Element, d. h. es verwandelt sich in
der Stammessprache (in der Sprache der ganzen Sprachgenos-
senschaft) die Abhängigkeit
.^'„^•"^/(o'iio")
in diejenige
:r',ir"=/(o'ii9")+/(-)-
Wenn das Kind anfängt, schon selbst zu sprechen, in-
dem es die Sprache der Umgebung nachahmt, empftingt es
von dieser Umgebung auch die ihr eigenen Alternationen.
Neophonetische Alternationen oder Divergenzen enstehen auch
unabhängig von der Nachahmung, unabhängig von dem sprach-
lich socialen Verkehre; denn die Notwendigkeit ihrer Entste-
hung liegt ja einerseits in dem Baue der Sprechorgane, an-
dererseits aber in den auf dem Wege der Erblichkeit erwor-
benen Tendenzen. Dabei sind individuelle Schwankungen mög-
lich: einige Kinder entwickeln Divergenzen in weit stärke-
rem Grade, als die anderen. Es ist jedoch allen Kindern die
Tendenz zur Eutwickelung von Divergenzen in viel höherem
109
Masse eigen, als es in der Sprache der Erwachsenen, in der
Normalsprache der betreffenden Sprachgenossenschaft stattfin-
det. Was in der letzten noch im embryonalen Zustande schlum-
mert, das kann in der Kindersprache deutliche, beim ersten
Blick bemerkbare Dimensionen erreichen. Verschiedene in den
Verbindungen eines einheitlichen Phonems steckende Bedin-
gungen führen hier rasch zu bestimn)ten Resultaten bei der
Spaltung dieses Phonems in zwei oder mehrere; die vorhande-
nen anthropophonischen Ursachen wirken in der Kinderspra-
che viel stärker, als in der Sprache der Erwachsenen, und
veranlassen auch viel leichter die diesen Ursachen entspre-
chenden Wirkungen.
Kurz um, es überholen die Kinder, wie in betreff der
phonetischen und morphologischen Seite der Sprache über-
haupt, so auch im Bereiche der Alternationen, die normale
Entwickelung der Sprache, indem sie solche Erscheinungen
voraussagen , welche mit der Zeit zur festen Eigentümlichkeit
der ganzen Stammessprache werden sollen.
Jedenfalls besitzt die Kindersprache viel mehr neopho-
netische Alternationen oder Divergenzen, als es mit der nor-
malen Stamraessprache der Fall ist. Was wieder die Correla-
tionen oder psychophonetischen Alternationen betrifft, so be-
sitzt deren die Kindersprache weniger, als die normale Stam-
messprache. Man darf aber nicht die in so hohem Grade
der Kindersprache eigene Correlation vergessen, welche in der
Alternierung palataler Consonanten mit den nichtpalatah n,
behufs Unterscheidung der Liebkosung von der Nicht-Lieb-
kosung, besteht: PY n PO {d' \\ d, s\\ s, l' \\i. . .).
Je nach dem sich die Kindersprache der Sprache der
erwachsenen Umgebung nähert, tritt auch das Kind im Be-
reiche der Alternationen zurück, indem es die zu weit nach
vorn zu vorgerückten Varietäten (Modificationen) verliert, und
z. B. den Zustand der deutlichen Divergenz durch denjenigen
der embryonalen Alternation ersetzt, u. s. w.
— HO —
Kachdem wir uns die Art und Weise der Entstehung
und Umgestaltung verschiedener Alteruationszustände in der
Kindersprache etwas uülier, obgleich auch nur zieuilich unge-
nau, angeselien haben, wollen wir noch einmal
das historische Nacheinander verschiedener Alternations-
zustände und den Übergang eines Zustandes in einen an-
deren in der Sprache einer ganzen Sprachgenossenschaft,
diesmal aber nur in aller Kürze, nur schematisch, in Ta-
feln und Formeln darstellen.
I. Divergenzen: erstrecken sich auf die ganze Sprache,
entstehen aber spontan, „von sich selbst", auf dem We-
ge anthropophoni scher Accomodation. Einer jeden Pe-
riode des Sprachlebeus sind andere Divergenzen eigen,
obgleich es auch allgemeinmensehliche , ewige Diver-
genzen giebt.
II. Correlationen entstehen aus traditionellen Altemationen.
III. Traditionelle Alternationen entstehen entweder aus den
einsprachigen Divergenzen^ oder aus den fremdsprachi-
gen traditionellen Alternationen.
Eigensprachige (heimische) Fremdsprachige Altenia-
Divergenzen tionen
Traditionelle Alternationen
entweder o^chen in den Cor- oder bleiben als traditionelle
relationszustand über.
Correlationen.
Alternationen.
i
entweder blei- oder treten aus dem Correlationszustande her-
ben als Cor- aus und werden wieder zu traditionellen Al-
relationen, ternationen.
II — III. Die Phoncmc, in denen traditionelle Altemationen^
einfach traditionelle, sowie auch traditionell-psychopho-
uetische (Correlationen) — zum Ausdrucke gelangen, raus-
- 111 -
sen sich gleichzeitig den divergenziouellen oder anthropo-
phonischen Forderungen der betreffenden Periode des
Sprachlebens fügen.
Geschichte der Alternationen, ausgedrückt in Formeln,
genauer gesagt, in Formelskeletten.
Es mögen bedeuten:
X . . . das Phonem im allgemeinen,
x\ x" . . . verschiedene Varietäten eines ursprünglich
einheitlichen Phonems, oder durch verschiedene Nuancen (Schat-
tierungen) sich untereinander unterscheidende, alternierende
Phoneme,
/. . . Abhängigkeit, causalen Zusammenhang,
F... die höchste Stufe der Abhängigkeits-Steigerung,
d . . . veränderlichen (variablen) phonetischen Unterschied
alternierender Phoneme,
A . . . einen gewissen constanten (stätigen) oder bestimm-
ten Unterschied alternierender Phoneme,
\ . . . ein Wort mit alternierendem Phoneme im allge-
meinen,
>/, X" . . . Worte, zu deren Bestandteile die alternieren-
den Phoneme gehören,
]j. . . . das Morphem mit dem alternierenden Phoneme im
allgemeinen;
jj/, ]j1' . . . Varietäten (Modificat'onen) des einheitlichen
Morphems, alternierende Phoneme enthaltend,
V, v', v" . . . andere Morpheme desselben Wortes,
<p . . . anthroponische Causalität, anthropophonische Be-
dingungen im allgemeinen,
<p', (p" . . . verschiedene anthropophonische Bedingungen,
von denen Divergenz oder ncophonetische Alternation abhängt,
'i/ . . . psychische Causalität im allgemeinen , psychische
Nuance (Schattierung) im allgemeinen, Bedeutung,
']J , 'i^" . . . verschiedene psychische Nuancen, an der Cor-
relation oder psychophonetischen Alternation haftend,
- 11^ -
ff . . . Tradition (Überlieferung) und sprachlicb-socialen
Verkehr im allgemeinen,
n... eine gewisse bestimmte Steigerung der Tradition
und des spracblich-socialen Verkehrs im allgemeinen,
II . . . Alternation im allgemeinen,
>< ... Beseitigung der Alternation, Mangel der Alter-
nation,
gende,
Übergang, Wandel des Vorangehenden ins Fol-
Richtung.
Mit Hülfe dieser Zeichen
a) nimmt das Formelskelett für Divergenz die Gestalt
x'\\X"=f{<f'\\0"),
x' . . . o' II x" . . . 9" an ;
b) das Formelskelett für Correlation sieht so aus :
^-/{■^),
x'\\x"=f{'l'^^f),
x' . . . 'l' 11 x" . . . d/" ;
c) endlich nimmt das Formelskelett für traditionelle Al-
ternationen folgende Gestalt an :
x'\\x"=f[l'^il"),
x' . . . 1' \\ x" . . . a".
Der gegenseitige genetische Zusammenhang einzelner
Alterna tionsclassen aber, wie auch ihr historisches Nacheinan-
der lassen sich folgendermassen ausdrücken *) :
*) Dabei werden fremdsprachige Altemationen bei seite gelassen. Es ist
aber nicht schwer, diese Lücke auszufüllen. Fremdsprachige Alternationen
entwickeln sich in der fremden Sprache auf ganz dieselbe Weise, wie ei-
gensprachige (heimische) Altemationen in der Sprache selbst, deren Analyse
uns beschäftigt : sie beginnen dort mit dem embryonalen Zustande, gehen erst
in den Zustand der Divergenz, darauf in denjenigen des Traditionellen über,
welches zuerst einfach und später (in einigen Fällen) mit der Correlativität
— 113 —
1) Im embryonalen Zustande
X' ,1 X" = f (9' II 9"),
wobei
d{x'—x") = 0,
aber 0 mit einer Tendenz zum Wacbsen, zum Mächtigerwer-
den, 0, welche in der Kindersprache eine bestimmte Grösse,
A, annimmt:
d{x'—x") = ^.
2) Aus diesem Zustande sind zwei Auswege möglich:
entweder
9' |i9" -^ ?'><?",
d. h. es büssen anthropophonische Bedingungen das Vermögen
ein , eine Alternation veranlassen zu können , und in solchem
Falle erlischt die embryonale Alternation im Keime (im Em-
bryo) :
x' II x" ^ x;
4) oder aber
a''M'=/(?'il?")
wächst , wird mächtiger und befestigt sich , so dass
d{x' — x") =A
auf dem ganzen Gebiete der betreffenden Sprache, in der Spra-
che der ganzen Spracligenossenschaft , bei allen diebetreffen-
de Sprache redenden Individuen Anwendung findet. Es ist der
Zustand reiner Divergenz oder neophonetischer Alternation.
oder mit dem psychophonetischen Charakter verbunden ist. In einem von
diesen letzten Zuständen, d. h. entweder in dem Zustande des einfach Tra-
ditionellen , oder in demjenigen der Correlativität , werden sie von der
Sprache entlehnt, deren Alternationen wir In dem gfegebenen Augenblicke
betrachten, und diese Sprache verfährt mit ihnen auf die ihr eigene Weise.
Endlich ist die Entstehung einer fremdeigensprachigen Altemation möglich,
wo ein Glied aus der fremden Sprache entlehnt, ein anderes aber auf dem
heimischen Boden gewachsen ist; aber auch auf solche Alternation findet
dasjenige, was sogleich entwickelt werden wird, seine volle Anwendung.
8
— tu —
4) l3ieser Zustand
verändert sich nach und nach in
^'11 :»" = /'(?' II ?")+/(-),
wo
- = o «. n,
d. h. wo die Kraft der Tradition zwischen Null, 0, und einer
gewissen bestiiDmten Spannung, D, schwankt; den Umes
der Schwäcliung der Tradition bildet hier 0.
Wir haben hier augenscheinlich mit einem schwanken-
den Zustande zu thun , wo für gewisse Individuen die betref-
fende Alternation rein neophonetisch oder anthropophonisch ist,
x' )^x'=f ((p' I! o'),
bei anderen Individuen erhält sie schon auch das Merkmal
des Traditionellen ,
^'l|a:"=/(9'll9")-f/(n),
bei den anderen endlich schwankt sie zwischen dem einen
und dem anderen , indem sie bald
x \\x" =f {r^' \\^"),
bald wieder x' || x" =f (o' || o")-f /(:r) ist,
Avo TT einen variablen, bald wachsenden (zunehmenden), bald
abnehmenden Wert hat.
5) Endlich setzt sich der Zustand
X' \\x"^f{^' II (p") + /(7:),
wo 77 = 11,
fest, d. h. es entsteht eine Divergenz oder neophonetische Al-
ternation, welche zugleich auch von der Tradition und von
dem sprachlich-socialen Verkehr im allgemeinen unterstützt
wird.
6) Aber
/('/ II ?")
fängt an schwächer zu werden und in den Zustand der Schwan-
kung, der Oscillation zwischen F und 0 überzugehen, wo F
— 115 —
die höchste Stufe der Abhängigkeitssteigerung und 0 vollkom-
menen Schwund der Abhängigkeit bezeichnet:
In solchen Umständen bewahrt bald die betreffende Alter-
nation beide Charaktere, sowohl den anthropophonischen oder
neophonetischen , als auch den traditionellen, bald wieder ver-
liert sie den ersten von ihnen, indem sie sich mit dem letzteren,
dem traditionellen, begnügt. Mit anderen Worten: die betreffen-
de Alternation erscheint bald als anthropophonisch-traditionelle,
als traditionelle Divergenz , bald als einfache traditionelle Al-
ternation, indem sie zwischen den Zuständen
^ II a:"=/(9 II 'f")+/(^)
und X II x" =^ f{Tz)
schwankt.
7) Zuletzt wird endgiltig bei allen Individuen der be-
treffenden Sprachgenossenschaft
/(9'||o") = 0,
d. h. die anthropophonische Abhängigkeit der betreffenden
Alternation reduciert sich zu Null (0), schwindet. Und dann
£c'lia;" = y(7r).
Da aber der Factor der Tradition und des sprachlich-
socialen Verkehrs im allgemeinen (hier mit ~ bezeichnet) ein
einheitlicher und , als solcher, ein unteilbarer Begriff ist , so
können wir nur durch Substituieren irgend eines Aequivalenten,
welcher sich in die untereinander alternierenden Teile zerle-
gen lässt, erklären , dass die phonetische Alternation erhalten
wird. Ein solcher zerlegbarer Aequivalent ist Association mit
den Formen oder Worten, zu deren Bestände die alternieren-
den Phoneme gehören, so dass - gerade diese A^aQciation be-
zeichnen und
sich in
— llß -
/(VllV)
verwandeln wird.
Und 80 erbalten wir
X \\x' =/(V|i V).
Da aber gewöbnUcb
\ = [J. + V,
so zerlegt sieb folglich
V II X'
in
K + V II p/'+v",
und
a:'iia;"=/(X' II V)
verwandelt sieb in
X II a;"=/({A'+v' |i t^-"4-v")-
8) Von diesem Alternationszustande fübren drei Wege in
drei verschiedenen Richtungen:
Entweder verleihen in den vereinzelten Formen, bei den
nicht-typischen Alternationen die zugefügten Morpheme v', v"
den Ganzen
ein ganz besonderes Gepräge, so dass diese Ganzen anfangen,
als vollkommen verschiedene Worte gefühlt zu werden, und
x ii£c"=/((y/+v' II [x"+v")
sich ganz einfach in
xXx' !7/-l-v'><a"-|-v",
{xV) + v'><a"(a;")+v"
verwandelt, was augenscheinlich zur Bereicherung des Wort-
schatzes der betreffenden Sprache führt
[z. B. poln. k a s - a c (beissen)> <c z e s - c (Teil) , c e - n - a
(Prei3)><czy-t-ac (lesen), w-styd (Seham)><studz-ic
(kalt machen) , nhd. b - a n g - e> <e n g ].
9) Oder wieder gewinnt die den beiden die alternierenden
Phoneme enthaltenden Varietäten eigene Bedeutungs-Einheit-
— 117 —
lichkeit, y, die Oberband über die Alternation von Vorstel-
lungen besonderer pbonetischer Gestalten
oder [^-'+^' II F'"+^"5
und dieser Sieg der psychischen Einheitlichkeit 'l über die
Spaltung
muss eine Tendenz nach Beseitigung alternationeller Unter-
schiede durch Assimilation hervorrufen. Mit anderen Worten:
die Einheitlichkeit der den beiden Varietäten des Morphems
[I., ebenso der Varietät [7/, Avie auch der Varietät [>.",
eigenen Bedeutung überwiegt die Verschiedenheit, welche dem
Worte durch andere sich mit diesen Varietäten verbindenden
Morpheme ,
v' II v",
verliehen wird , so dass der Unterschied zwischen y.' und a",
wie auch zwischen x' und x" jedes raison d'etre, jede psychi-
sche Berechtigung verliert , und
y/ 11 [X"^ y..
Da aber in ty/ das x' und in y'' das x" enthalten ist, so selbst-
verständlich auch
X' II x" ^ X
(genauer :
oder
y.'wy/' =^ y: II y:=y.',
X 11 x" ^X' 11 X = X',
y! 11 y." ^ y." \\ y!' =. y.'\
x' \\X"^X^' \\Xf'= x'\
was schliesslich auf eins herauskommt) ,
d. h. es erfolgt, auf dem Wege morphologisch -phonetischer
Assimilation, eine phonetische Ausgleichung phonetisch diffe-
renzierter Morpheme überhaupt, und insbesondere eine Aus-
— 118 —
gleichung alternierender Plioneine, welclie zum Bestände die-
ser Morpheme gehören.
[Pohl, czoi-o I czel-e^czoJ-o | czol-e (Stirn),
sian-o | sieni-e^sian-o j siani-e (Heu),
bior-Q j bierz-e^bier-§ (nehme) | bierz-e
(nimmt),
gluch-y I giech-nac-igi'uch-y (taub) | gl u c h -
- n a c (taub werden),
dzwek I dzwiecz-ec ^- dzwi§k (Klang)
I dzwiecz-ec (klingen) J
10) Oder endlich associiert sich stätig der den Ver-
bindungen
d. h. [a'+v'] 'V „ [a" + v"J ■:",
eigene psychische Unterschied
^' II ^"
mit dem Unterschiede
x' 11 x'\
und infolge dessen erhalten wir die Correlation
a;'„:r" = /([f;/+v']'i;',|[a"+v"]'}"),
und dieses zerlegt sich in
X' II x"=f{^:^^' ,1 {x"+v")+f ('1' 11 '/) ,
wo a;' 11 x" ebenso /(y/+v' n p,"+v"),
wie auch /(-y h (L") ist.
1 1) Da zur Ent Wickelung
a^'i,aj"=/(y,i^")
jedes Individuum selbstständig, mit eigenen Ki'äften gelangen
muss, da infolge dessen dieser Zusammenhang
x',ia;"=/(yil'r)
sich in einem Zustande beständiger Schwankung befindet, so
dass wir dem Ausdrucke
/(V lif)
eine veränderliche Geltung mit den limitea 0 (Null) und F^
— 119 —
/(^'iif) = 0^i^
[wo F die höchste Steigerungsstufe dieser Abhängigkeit be-
zeichnet],
zuschreiben müssen, da ferner in den Anfängen des Hervor-
kommens dieser Abhängigkeit,
dieselbe noch schwächer, näher überhaupt der Null , als der
Grösse F, ist, und in der Fulge in einer Reihe von Genera-
tionen wächst (zunimmt) und schliesslich den Culrainations-
punkt , F, erreicht ,
da aber die soeben erwähnte Schwankung nie aufhört,
und da in solchen Bedingungen jener causale Zusam-
menhang , nachdem er den Culminationspuukt erreicht hat,
rückwärts umkehren und mit der Zeit nach und nach schwä-
cher werden muss,
so verwandelt sich schliesslich
/(-y II ^") in 0,
und der Zusammenhang
X' „ a;"=/(t;;-f V' I, p."+v")-f /-('l' II ^")
kehrt zum früheren Zusammenhange einer einfachen traditio-
nellen Alternation ,
^'llic" = /(|/+v',|f;/'+v"),
oder, allgemeiner ausgedrückt,
X' II x"==f{T:).
12) Ein solcher Zusammenhang muss mit der Zeit einen
von den oben gezeigten Wegen gehen, welche von den tradi-
tionellen Alternationen betreten werden , d. h. sich entweder in
oder wieder in
X' II x' = x\
respective x" \\ x" = x"^
verwandeln.
i^io
t)er dritte Weg, d. h. eine Rückkelir zu dem Zusam-
meuliange
cc'„a:"=/(<L'i,^"),
ist schon unmöglicli.
Der erste Weg, d. h. der in der Formel
p;(x')+v'><{./'(a;")+v"
ausgedrückte Schwund des alternationellen Zusammenhanges,
bildet einen Übergang zu dem Zustande einer überlebenden
(rudimentären) Alternation, zu dem Zustande einer Ex-Alterna-
tion : Es sind zwar die phonetischen Unterschiede erhalten wor-
den, aber der alternationelle Charakter dieser Unterschiede,
ihr etymologischer Zusammenhang hat aufgehört zu existieren.
Der zweite Weg aber, d, h. die Beseitigung phonetischer
Unterschiede mittelst Assimilation, die Beseitigung, deren Re-
sultat sich in der Gestalt
II I
X II £C = iC ,
respectwe x" \\ x" = x" ^
ausdrückt, gleicht einer endgiltigen Verwischung jeglicher
Spur des alternationellen Charakters.
Ein ähnliches Schicksal steht mit der Zeit Alternationen
jeder Art bevor, nur dass ihr Schwund in verschiedenen Sta-
dien ihrer Entwickelung erfolgen kann. Wie Menschen und
andere lebende Wesen in verschiedenem Alter zugrunde
gehen können, vom embryonalen Zustande angefangen bis
in's vorgerückte Greisenalter hinein, ebenso können alternatio-
nelle Beziehungen in verschiedenen Stadien ihrer Entwicke-
lung schwinden. Aber es pflegt in verschiedenen Stadien eine
verschiedene Art und Weise der Beseitigung vorzukommen;
wenigstens kann man bemerken, dass in den ersten Anfängen
die Mamiigfaltigkeit der Beseitigungswege geringer ist, als
später.
Ebenso embryonale Alternationen, wie auch Divergen-
zen, d. h. jedes traditionellen Charakters bare anthropophoni-
sche Alternationen, können nur auf eine einzige Art und Weise
beseitigt werden:
- 121 -
a:'iia;"=/((p'ii9")
— x\\x = X.
Die traditioiiellen oder paläophoiietischen Alteniationen
aber, — mögen dieselben aus den neophonetischen Alterna-
tionen oder Divergenzen, selbstverständlich durch das Ver-
mittelungsglied der Divergenz im Zusammenhange mit dem
Traditionellen, entstanden sein, oder hinter sich eine viel rei-
chere Geschichte haben, d. h. das Durchmachen der Stadien
der einfachen Divergenz, der mit dem Traditionellen verbun-
denen Divergenz^ des einfach Traditionellen, des mit dem cor-
relativischen oder psychophonetischen Charakter verbundenen
Traditionellen und schliesslich des zurückgekehrten einfach
Traditionellen, — solche Alternationen pflegen auf beide oben
genannten Weisen beseitigt zu werden, ebenso mittelst
wie auch mittelst
x' \\x" =^x\
respective x' \\ x" n. x" ,
wobei die zweite Weise eine Mannigfaltigkeit bietet: entwe-
der x' schwindet und x' bleibt, oder umgekehrt schwindet x
und bleibt x" .
Wir sehen also, dass der Mephistopheles-Spruch
alles ^ was entsteht^
ist wert^ dass es zugrunde geht
auch auf die Alternationen seine volle Anwendung findet.
Wenn aber die einstmal entstandenen Alternationen ohne jeden
Ersatz nur zugrunde giengen , würde die Sprache zuletzt der-
selben vollständig beraubt werden. Indessen bemerken wir
in keiner Periode des Sprachlebens einen absoluten Mangel
an Alternationen. Wie ist dieses zu erklären ?
Die Erklärung schöpfen wir aus dem Gebiete unserer
Beobachtung.
122
Während die früher entstandenen Alternationen , nach-
dem sie eine gewisse Reihe von Evolutionen durchgemacht
haben , schliesslich zugrunde gehen , trocknen die Entsteh-
ungsquellen neuer Alternationen nie aus. Infolge dessen findet
eine unaufhörliche Arbeit der Reconstruction alternationeller
Beziehungen statt, als deren Resultat immer neue Alternations-
schichten zum Vorschein kommen.
In jedem Spraehzustande erfolgen irgend welche anthro-
pophonische Veränderungen, irgend welche Accomodationen
der Phoneme an die anthropophonischen Bedingungen , und
darauf gehen die Wirkungen dieser Accomodationen von Ge-
schlecht zu Geschlecht auf dem Wege der Tradition, der
Überlieferung über, bis endlich die Wirkungen der in den
vorhergehenden Perioden vollzogenen Arbeiten durch neue
Wandlungen beseitigt werden.
Berichtigungen.
Seite.
Anstatt:
Lies:
22
3 V. u.
Entweder sind alle Alter-
Alle Alternationen ohne
nationen olme
Ausnah-
Ausnahme sind ent-
me
weder
66
3 V. 0.
bei den rein
bei den rein
„
4 T. u.
vom anderen
von einem anderen
Ott
U V. 0.
Correlationen für
diese
Altemationen fni diese
71t
ft V. u.
CS kann folgende
kann es folgende
108
13—14 V. 0.
Diver-g nz
Diver-genz
n
lä „ „
u ä
u. ä.
109
3 V. 0.
in der letzten
in der letzteren
INHALTSÜBERSICHT.
Seite
Vorwort HI
Einleitung 1
Erklärung und Definition einiger termini 9
Erklärung von Zeichen und Abkürzungen 10
I. CAPITEL. Definition der Alternation und der Alternanten.
Herleitnng des Begriffs der Alternation auf etymolo-
gischem und auf phonetischem Wege. Ursprüngliche
Ursache jeder Alternation 11
Herleitung des Begiüffs phonetischer Alternation und phonetischer
Alternanten auf etymologischem Wege 12
Herleitung des Begriffs der Alternation auf phonetischem Wege . 16
Ursachen der Alternationen 21
II. CAPITEL. Classification der Alternatiouen und Alternanten 22
I. Classificationen der Alternationen vom Standpunkte ihrer Cau-
salität 22
II. Classificationen der Alternationen vom Standpunkte des Zusam-
menstosses oder der CoUision verschiedener Strebungen (Ten-
denzen) 27
III. Classificationen der Alternationen vom Standpunkte ihrer Ge-
nesis, vom Standpunkte ihrer Entfernung von der causalen
Quelle 28
Wendepunkte in der Geschichte vrtn Alternationon und die
darauf bezüglichen Formeln 31
IV. Classification phonetischer Alternanten und Alternationen vom
Standpunkte der Art und Weise ihrer etymologischen Ver-
wandtschaft 35
V. Classificationen phonetischer Altornationen vom Standpunkte
der Einfachheit oder der Zusammengesetztheit (Compliciert-
heit) der Zusammenstellungen 37
- 124 —
Seite
III. CAPITEL. Alternatioiien, betrachtet vom Standpunkte
anthropophonischer Causalität. Analyse verschiedener
Chissen und deren charakteristische 3Ierkniale. Diver-
genzen 42
Merkmale der Divergenz 47
Verschiedene Grade und Yarietüten neophonetischer Alternationen 50
IV. CAPITEL. Correlationen oder psychophonetische Alterna-
tionen 52
Charakteristische Merkmale der Correlation und der Correlative . 59
Eigensprachige und fremdsprachige Correlationen 63
Unter dem Einflüsse des Bewustseins und der Willkiihr entstehende
Correlationen 63
Verschiedene Schichten von Correlationen 64
V. CAPITEL. Traditionelle Alternationen 65
Merkmale traditioneller Alternationen 70
VI. CAPITEL. Fremdsprachige, d. h. unter dem Einflüsse
einer anderen Sprache entstandene Alternationen ... 72
Charakteristische Merkmale fremdsprachiger Alternationen ... 80
VII. CAPITEL. Keimende (embryonale) Alternationen. ... 81
VIU. CAPITEL. Gegenseitiger Zusammenhang verschiedener
Alternationsclassen. Stufenweiser Übergang einer Classe
in eine andere 89
I. Historisches Nacheinander verschiedener Alternationszustände
in der Stammessprache (in der Sprache einer ganzen Sprach-
genossenschaft) 92
II. Die Enstehung der Alternationen in der individuellen Sprache,
besonders aber in der Kindersprache 106
Tafeln und Formeln, welche das historische Nacheinander ver-
schiedener Alternationszustände und den' Übergang eines Zu-
standes in einen anderen in der Sprache einer ganzen Sprach-
genossenschaft darstellen sollen 110
Geschichte der Alternationen, ausgedrückt in Formeln .... 111
Schluss 121
Berichtigungen 122
-»-^5e>_c-
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