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Full text of "Victor Hugo's sämmtliche poetische werke"

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Victor Hugo's 


ſämmtliche poetiſche Werke, 


Deutſch 


von 


Zudwig Seeger. 


Hfuffgerf: 
Nieger'fhe Derlagsbuhhandlung. 
(Adolf Benedict.) 


1860, 


—— — 


Buchdruckerei der Riegerx'ihen Verlagohandlung in Stuttgart. 


Oden und Salladen. 


- — EEE | — - 


BURDACH 


Borrede. 





Die Geſchichte freut ſich Über Michel Ney, der aus einem 
Küfersfohn Marſchall von Frankreich, . und über Murat, der 
aus einem Stallfneht König geworben if. Die Dunkelheit 
ihres Ausgangspunkts gibt ihnen noch einen befondern An- 
fprud auf Achtung, und erhöht den Glanz des Ziels, das fie 
erreicht. Von allen Entwidlungen, die aus dem Schatten zum 
Lichte führen, ift die werdienftlichfte und die jchwierigite ficher 
die: wenn ein geborener Ariftolrat und Royalift zum Demokraten 
wird, 

Aus einem Schuppen in einen Palaſt auffteigen, it felten, 
und, wenn ihr wollt, jhön. Aus dem Irrthum zur Wahrheit 
auffteigen,, ift feltener und ſchoͤner. Bei der erften biefer beiden 
Erhebungen bat man bei jedem Schritt aufwärts Etwas ge 
wonnen, fein Lebenzglüd, feinen Einfluß, feinen Reichthum ver- 
mebrt. Bei der zweiten Erhebung findet das gerade Gegentheil 
ftatt. Bei diefem berben Kampf gegen Borurtheile, die man mit 
der Muttermilch eingefogen bat, bei der langfamen und mühe- 
vollen Erhebung vom Falſchen zum Wahren, die aus dem 
Leben des einzelnen Menſchen und aus der Entwidlung feines 
Selbftbewußtjeing gewiffermaßen ein verkleinertes Bild und 
Symbol des menſchlichen Fortfchritt3 überhaupt mat, hat man 


auf jeder Stufe tab wird fein moralijches Wachs⸗ 


thum mit einem materiellen Opfer bezahlen, irgend ein Inter⸗ 
efie im Stich laſſen, irgend eine Eitelleit ablegen, auf Guͤter 
und Ghren der Welt verzichten, fein Vermögen, feinen Herd, 
fein Leben auf3 Spiel ſetzen müſſen. Hat man dieſe Arbeit 
vollbracht, fo mag man mit einigem Stolz; darauf zurüdbliden. 
Und wenn es wahr ift, daß Murat mit Stolz feine Poſtillons⸗ 
peitiche neben feinem Scepter zeigen und fprechen konnte: „ba- 
mit hab’ ich angefangen,“ fo wird man mit noch begründeterem 
Stolze und mit befjerem Gewiſſen feine royaliſtiſchen Oden aus 
ber Kindheit und Jugend neben den demokratiihen Gedichten 
und Büchern des reifen Mannes zeigen dürfen. Diefer Stolz ift, 
follt ich meinen, erlaubt, zumal wenn man, oben auf der 
Leiter des Lichts angelangt, die Brofcription gefunden hat, und 
in der Lage iſt, dieſe Vorrede aus dem Eril zu datiren, 


Berfeg, Juli, 18883. 


8.9. 


1822. 


Die erfte Auflage diefer Oben (Juni 1832) war von 
folgenden Betrachtungen eingeleitet: 

„Die Beröffentlihung dieſes Buchs bat einen doppelten 
Zwed, einen literariſchen und einen politifchen. Der lestere if 
jedoch nad) des Dichters Dafürbalten nur eine Conjequenz des 
erften. Denn bie Geſchichte der Menjchheit zeigt ung feine 
Boefie, die nicht von der Höhe monarchiſcher Ideen und reli⸗ 
giöfer Glaubensanfichten herab ihr Urtheil empfinge. - 

Man könnte in der Anorbnung diefer Oden eine gewiſſe 
Eintbeilung bemerten ; methodifch durchgeführt ift fie nicht. Ber 
Berfafler war der Anſicht, die Bewegungen einer Seele feien 
nicht minder fruchtbar für die Boefie, als die Revolutionen in 
einem Reiche. " 

Das Gebiet der Poeſie kennt übrigens feine Grenzen. 
Hinter der realen Welt lebt eine ideale Welt, die in ihrem 
vollen Glanze vor das Auge derjenigen tritt, welche ſich durch 
ernftes Nachdenken daran gewöhnt haben, in den Dingen mehr 
zu ſehen, als nur die Dinge. Die jhönen Werte der Dichtkunſt 
jeder Sattung, jei es in gebundener oder ungebundener Form, 
weldye der Ruhm unferes Jahrhunderts find, haben eine früher 
kaum geabhnte Wahrheit enthüllt, daß die Boefie nicht in der 
Form der See, jondern in den een jelbit beſteht. Die 
Poeſie ift der innerfte Kern aller Dinge.” 

Es ift dem Dichter heute vielleicht geftattet,, dieſen wenigen 


20. 


Linien noch einige weitere Bemerkungen über den Gebanfen 
beizufügen, der ihn bei ver Compofition diefer Oden geleitet bat. 

Er ging von der Veberzeugung aus, jeber Schriftfteller, 
in welcher Sphäre fein Geift ſich bemegen mag, müſſe fich zur 
Hauptaufgabe machen, Gutes zu ftiften. Er boffte, feine ehren⸗ 
bafte Abficht werde ihm Verzeihung für das Gewagte diefer 
Verſuche auswirken. Und fo hat er e3 denn unternommen, 
einige der Haupterinnerungen unferer Epoche zu feiern, welde 
für die künftige Gejellichaft eine große Lehre fein Tönnen. Zur 
Berberrlihung feiner Greigniffe hat er die Form der Ode 
gewählt, weil dies die Form war, in welder vor Zeiten 
die Eingebungen der erften Dichter den erften Böllern em 
Schienen find. Die franzoͤſiſche Ode indeflen, Die man im All⸗ 
gemeinen der Kälte und Eintönigkeit befhuldigt, ſchien nicht 
ſehr geeignet zur Darftellung des Rührenden und Schredlichen, 
des Düftern und Glänzenden,, des Ungeheuren und Wun—⸗ 
detbaren, mas die letzten 30 Jahre unferer Geſchichte bieten. 
Beim Nachdenken über dieſes Hinderniß glaubte der Berfafler 
diefer Sammlung entdedt zu haben, daß der Grund dieſer 
Kälte nicht im Weſen der. Ode, fondern allein in der Form 
Tiege, welche ihr die lyriſchen Dichter bis jett gegeben haben. 
Die Urfahe diefer Monotonie fand er im Mißbrauch der 
Apoftrophen, der Ausrufungen, der Brojopopden und anderer 
gewaltſamer rhetorifher Figuren, mit denen man in der Ode 
förmlich verſchwenderiſch umging: Ermärmungsmittel, die 
allzubäufig angewandt, erfältend wirken, und ftatt zu ergreifen, 
betäuben. So dachte er denn, wenn er die Bewegung der 
Ode mehr in die Ideen, als in die Worte legte, wenn er 
überdieß die Compofition auf irgend einer, dem Gegenftand 
entfprehenden Grundidee aufbaute, deren Entwidlung fi in 
allen ihren heilen auf die Entwicklung des Ereigniffes ftüßte, 
das in der Ode fo erzählt werben müßte, daß an die Stelle der 


11 


verbrauchten und falfchen Farben, ver heidniſchen Mythologie, 
die neuen und wahren Farben ber hriftliden Theogonie geſetzt 
würden — unter diefen Bedingungen, dachte er, koͤnnte man 
der Ode etwas vom Snterefje des Drama’3 geben und fie 
überdies jene ernfte tröftende religiöfe Sprache Iprechen laſſen, 
deren eine alte Gefellihaft bedarf, die noch ganz taumelnd von 
den Saturnalien des Atheismus und der Anardie herkommt, 

Dies ift es, was der Verfaſſer dieſes Buchs wenigſtens 
verſucht hat, ohne daß er ſich übrigens ſchmeichelt, daß es 
ihm gelungen ſei. Dies iſt es aber auch, was er bei der 
erſten Auflage ſeiner Sammlung noch nicht ſagen konnte, aus 
Beſorgniß, die Darlegung ſeiner Ueberzeugungen möchte als 
Vertheidigung ſeiner Werke erſcheinen. Heute, wo ſeine 
Doeen die gefährliche Probe der ODeffentlichkeit beſtanden 
haben, kann er dem Leſer die Idee mittheilen, die ihn zu 
derſelben begeiſtert hat, und die er zu feiner Freude, wo nicht 
gebilligt, doch theilweife wenigſtens begriffen gejehen hat. Vor 
Allem aber bat er noch den Wunſch auszufprechen, man möge 
ihm nit die Anmaßung zufchreiben, als wollte er Bahn 
bredden und eine neue Gattung fchaffen. 

Die fo eben ausgefprodhenen Gedanken gelten größten- 
theils und vorzugsweiſe won den hiſtoriſchen Stoffen, die in 
Diefer Sammlung behandelt find. Aber der Lefer wird auch 
ohne weitere Hindeutungen finden, daß die übrigen Bemer⸗ 
tungen auf biefelbe literariihe Tendenz und ein ähnliches 
Syſtem der Eompofition hinauslaufen. 

Der Berfafler bricht bier diefe einleitenden Betrachtungen 
ab, deren nähere Entwidlung einen ganzen Band erfordern, 
und der man body vielleicht feine Aufmerkſamkeit ſchenken würde. 
Man muß immer fpreden, als würde man gehört , fchreiben, 
ala würde man gelefen, und denten, als würde man begriffen. 

Detcember 1822. " 


132 


1842. 


Der Dichter diefer Oben bringt bier neue Belege für 
oder wider das von ihm bereits angebeutete Syftem der 
lyriſchen Compofition. Wenn er fie biemit ber PBrüfungsder 
Männer von Geihmad übergibt, jo geſchieht dies nicht ohne 
den hoͤchſten Grab von Mißtrauen gegen ſich jelbit. Denn wenn 
er auch feit an die Theorien glaubt, welde für ihn die Früchte 
gewifienhafter Studien und anhaltenden Nachdenkens find, fo 
bat er auf der andern Seite doch fehr menig Glauben an 
fein Talent. Er erſucht jomit erleuchtete Kritiler, das Urtheil, 
das fie ohne Zweifel mit guten Gründen gegen feine poetifchen 
Verſuche fällen werben, nicht auch auf feine literariihen Tol- 
trinen ausdehnen zu wollen. Iſt Ariftoteles nicht unſchuldig 
an den Tragödien des Abbe D’Aubignac? 

Der Tichter hat übrigens trog feiner Unberühmtheit be- 
reits den Schmerz gehabt, jeine literariihen Brincipien, die . 
er für untadelbaft hielt, verleumdet oder wenigſtens mißdentet 
zu ſehen. Das ift der Grund, ber ihn heute beftimmt, dieſer 
neuen Veröffentlihung durch eine einfache und aufrichtige Er⸗ 
Härung einen gewiſſen Halt zu geben, eine Erklärung, die 
ihn vor jevem Verdacht der Ketzerei in dem Streite, der das 
literariſche Publitum in zwei Lager theilt, vollitändig ficher 
ftellen fol. Es gibt zur Zeit in der Literatur wie im Staate 
zwei Parteien und ber poetifche Krieg fcheint mit eben jo großer 
Hartnädigleit und Leidenſchaft geführt zu werben, wie der 
fociale Krieg. Die beiden Heere jheinen ungebuldig und mehr 
darauf aus, ſich zu fchlagen, ala zu unterhandeln. Sie haben 
fi) einmal in den Kopf geſetzt, eine und dieſelbe Sprache nicht 
reden zu wollen. Die einzigen Worte, die fie Iprechen, find: 


i3 
nad innen das Loſungswort, nad außen das Kriegsgeſchrei. 
Das ift der Weg nicht, um fih zu verftändigen. 

Indeſſen haben fih doch mitten unter ven Schreiern ber 
beiden Heere aud einige Stimmen von Gewicht erhoben. 

Bermittler Haben fi mit verftändigen Worken zwischen 
beide Schlaͤchtlinien geitellt. Sie merben vielleicht die erften 
fein, die ala Opfer fallen; doch was liegt daran? ‚-Jhren 
Reihen „möchte der Berfafler dieſes Buchs gerne beigezählt 
werden, follte er fih auc dort beihämt fühlen müffen. Er 
wird, wenn nicht mit derjelben Autorität, jo doch in demfelben 
guten Blauben feine Anfichten verfedhten. Er ift dabei auf die 
jeltfamften Beſchuldigungen, auf die wunderlichſten Anklagen 
gefaßt. Bei der herrſchenden Verwirrung der Geifter fit die 
Gefahr des Sprechens noch größer, ala die des Schweigens. 
Aber wenn es fih darum handelt, zu belehren und belehrt 
zu werden, fo darf man nur nad der Pflicht und nicht nad) 
der Gefahr fragen, er ergibt ſich alfo im fein Schidfal. Ohne 
Bedenken wird er die gefürctetften Fragen in Angriff nehmen ; 
und, wie der.Heine Knabe von Theben, wird er fi) unter 
fteben , die Löwenhaut zu fchütteln. 

Um nun glei von vorn herein biefer unparteiifchen Er- 
örterung, in der er mehr Aufklärung ſucht, ala mitzutbeilen 
bat, einige Würde zu geben, fo erflärt er, daß er alle bie 
bergebradyten Kunftwöärter, welche ſich die Parteien gegenfeitig 
wie hohle Bälle zumerfen, dieſe Zeichen, die nichts bezeichnen, 
diefe Ausdrüde ohne. allen Ausvrud, daß er all die wagen 
Worte verwirft, mit denen ein Jeder den Begriff verbindet, 
der feinem Haß oder feinen Borurtheilen zufagt und melche als 
Gründe denjenigen dienen müflen, die überhaupt feine Gründe 
haben. In der Frage über die klaſſiſche“ und bie „ro- 
mantiihe Schule“ gefteht er feine vollſtändige Unwiſſenheit. 
Rad der Meinung einer geiftreihen Frau, die zuerft in Frank⸗ 


14 


veih das Wort „tomantifhe Literatur“ auͤsgeſprochen 
bat, würde dieſe Unterſcheidung fi auf die beiden 
Hauptweltalter beziehen: dasjenige, weldhes der 
Stiftung des Chriſtenthums vorangegangen und 
dasjenige, welches ihr nahgefolgt ift.* Würde man 
dieſe Erklärung buchftäblich verfteben, fo wäre das „verlorene 
Paradies" eine klaſſiſche Dihtung, und die Henrjade 
wäre ein romantiſches Werk, vo ſcheinen dieſe beigen von 
Frau von Staöl eingeführten Worte heutzutage in biefem 
Sinne nit genommen zu werben. 

Wie in allen Stüden, jo eriftirt auch in der Literatur nur 
das Gute und das Schlechte, dag Schöne und das Häßliche, 
das Wahre und das Falle. Nun ift aber — ohne hier Ber- 
oleihungen aufftellen zu wollen, welche nähere Erläuterungen 
und Beihränkungen erfordern würden — das Schöne — im 
weiteften Sinne des Worts — bei Shakſpeare ganz eben fo 
klaſſiſch (wenn klaſſiſch fo viel ift ala werth, ſtudirt zu werben), 
als das Schöne bei Racine; und das Falſche bei Voltaire 
it ganz eben fo romantiſch (mwehn romantiſch jo viel iſt 
wie ſchlecht), als das Falſche bei Calderon. Das ſind na- 
türlihe Wahrheiten, die eher Pleonasmen als Ariomen gleichen. 
Allein man muß oft fehr tief berabfteigen, um den Eigen- 
finn zu überzeugen und die Böswilligleit außer Faſſung zu 
bringen. 

Man wird bier vielleiht die Einwendung machen: die 
beiden Barteilofungsmworte haben ja ohnedies feit einiger Seit 
die Bedeutung verändert und gewiffe Kritifer feien überein. 
gelommen, von nun an den Ehrennamen klaſſiſch jevem 
geiftigen Erzeugniß zu ertheilen, das in eine ber unferigen 
vorangegangene Spoche fällt, während fie für romantiſch 
ſpeciell nur diejenige Literatur erklären, welche mit bem neun- 

v De l’Allemagne, 


18 
zehnten, Jahrhundert heranwaͤchst und fi entfaltet, Che wir 


nun unterfuhen, in wie fern dieſe Literatur unferem Jahr⸗ 
hundert eigenthümlich iſt, entfteht die Frage, woburd fie dieſe 
erceptionelle Bezeihnung verdient oder ſich zugezogen, haben 
kann. Jede Literatur nimmt anerfanntermaßen mehr oder 
weniger ſcharf das Gepräge bes Himmels, der Sitten und ber 
Geſchichte des Volles an, deſſen Lebenzäußerung fie ift. Es 
gibt Daher eben. fo viele verſchiedene Literaturen, als es ver- 
ſchiedene Gejellichaften gibt. David, Homer, Virgil, Taſſo, 
Milton und Corneille, Männer, deren jeder Einzelne eine 
Poeſie und eine Nation repräfentirt, haben nicht? mit einander 
gemein, als das Genie, Jeder von ihnen bat in feinem Lande . 
und zu feiner Zeit den öffentlihen Gedanken ausgeſprochen 
und befruchtet. jeder von ihnen hat für feine fociale Sphäre 
eine Welt von Ideen und Empfindungen geichaffen, wie fie 
der Bewegung und der Ausdehnung diefer Sphäre entſprach. 
Barım fol man alfo unter einer vagen Geſammtbezeichnung 
Shöpfungen zufammen faffen, die zwar alle von einer Seele, 
der Wahrheit, belebt, aber in ihren Formen, Elementen und 
Gattungscharakteren dennod ſich unähnlih und oft im Wider- 
ſpruch mit einander find? Wie fommt man ferner zu gleicher 
Beit zu dem auffallenden Widerſpruch, einer andern Literatur 
— wiederum ein unvolllommener Ausdrud für eine noch nicht 
vollendete Epoche — die Ehre oder den Schimpf einer ebenfo 
vagen, als exclufiven Bezeihnung anzutbun, die fie von den 
ihr vorangegangenen Literaturen abſcheidet? — Als Tönnte fie 
gar nit gemogen werden, außer in der andern Schale der 
Wage. Als könnte fie nur auf der Nüdfeite des Buchs ge- 
Ihhrieben fein. Warum nennt ihr fie romantifh? Habt ihr 
in ihr etwa beutliche und innige Beziehungen zu der romanti«- 
ſchen ober romanischen Sprache entnedt? Nun dann erklärt 
ench, prüfen wir ben Werth dieſer Behauptung. Beweist zw 


16 
erft, daß fie begründet iſt. Ihr werdet dann immer noch zu 
beweifen haben, daß fie nicht bebeutungslos iſt. 

Man hütet fi heut zu Tage wohl, ſich in dieſer Pe⸗ 
ziehung in eine Discuffion einzulaffen, bei der nichts als ein 
„ridiculus mus“ herauskommen könnte. Man will das Wort 
romantisch in einem vagen phantaſtiſchen Halbdunkel laſſen, 
das den Schauer, den es einflößt, noch verdoppelt. Auch 
laſſen fih wirklich alle Bannftrahlen, die gegen berühmte 
Schriftfteller und Dichter der Gegenwart gefchleudert worden 
find und werden, auf folgende Argumentation zurüdführen : 
— „Bir verdammen die Literatur des neunzehnten Sabr- 
hunderts, weil fie romantiſch ift.” — Und warum ift fie 
somantifh? — „Weil fie die Literatur des neunzehnten 
Jahrhunderts iſt.“ — 

Man wagt es bier nad reiflicher Ueberlegung zu be 
baupten, daß die Logik eines folden Räfonnement3 denn Doch 
nit abfolut unwiderleglich erfcheint. 

Verlaſſen wir diefen Wortftreit, der nur für oberflächlicye 
Köpfe Intereſſe haben kann, deren lächerliches Geſchäft er iſt. 
Laſſen wir ruhig Rhetoren und Pädagogen in ernfter Proceffion 
Waſſer in das leere Faß tragen. Wünfchen wir all den armen, 
Iuftfhnappenden Sifipbuffen, die ohne Ruh und Raſt ihren 
Stein den Hügel hinauf rollen, guten langen Athem. 

Palus inamabilis unda 
Alligat, et novies Styx interfusa coörcet. 

Halten wir uns ftatt der Worte an die Sachen: denn der 
frivole Hader der Romantiker und ber Claſſiker ift im 
Grunde nur die Parodie einer wichtigen Diskuffion, die in dieſem 
Augenblide denkende Köpfe und ernfte Seelen beihäftigt. Geben 
‚wir von der Batrachomyomyomachie zur Jlias über, 
Hier können fi die Gegner doch zu verftändigen hoffen, denn 
ſie find fich ebenbürtig. Zwiſchen Ratten und Froͤſchen befteht 


17 


eine abfolute Unvertraͤglichteit, während zwiſchen Achill und 
Hektor das innige Wechſelverhãltmiß des Adels und der 
Groͤſe ſtattfindet. 

Offenbar arbeitet eine große, tiefe Bewegung im inneren 
der Literatur dieſes Jahrhunderts. Es gibt ausgezeichnete 
Männer, die darüber erftaunt find, und doch ift an der ganzen 
Sache lediglich nichts erftaunlicher, als eben ihre Ueberraſchung. 
In der Tat, wenn nach einer politiichen Revolution, welche 
bie Geſellſchaft in all ihren Gipfeln und in all ihren Wurzeln 
erfgüttert, welche an jeden Ruhm und an jede Ehrlofigleit die 
Hand gelegt, melde Alles geipalten und Alles mit einander 
vermifcht hatte, fo fehr, daß fie das Blutgerüft im Schatten 
des Lagerzeltes aufihlug und das Beil unter den Schuß des 
Schwertes ftellte; wenn, fage ich, nad) einer fo furdtbaren Auf- 
regung, bie feine Falte des menfchlihen Herzens unbewegt, 
nichts in der menſchlichen Ordnung der Dinge an feiner Stelle 
gelaffen hat; wenn nad einem fo wunderbaren Ereigniß im 
Beift und Charakter eines Volkes keine Aenderung zu Tage 
träte, hätte man nicht eben dann alle Urfache zu ftaunen, und 
a Staunen ohne Maß und Ziel?... Hier tritt ung ein fchein- 
barer und von Männern von Talent und Anfehen mit achtungs⸗ 
wertber Weberzeugung entwidelter Einwurf entgegen: gerade 
bewegen, fagen fie, meil diefe Titerarifhe Revolution 
das Refultat unjerer politifhen Revolution ift, beflagen 
wir ihren Zriumpb, verbammen wir ihre Werte. * 

Diefe Folgerung ſcheint mir nicht richtig. Die Literatur 
der Gegenwart kann theilmeife das Refultat der Revolution 
fein, ohne daß fie deßhalb der Ausdruck derjelben wäre. Die 

* Der Meberfeger erlaubt ſich Diejenigen , welche ſich für biefe hier etwas 
tinfeltig aufgefaßte Epoche ver franzöflihen Literaturgefchichte intereſſiren. 
auf die reichhaltigen Beiträge in der Einleitung und im proſalſchen Theil 


feines verdeutſchten Beranger (2. Aufl. Stuttgart, Frankh. Br. 1.) zu ver⸗ 
weifen. D. Ueber. 


B. Huge's ſammil. portifäge Werte, ZI, 8 


18 


Geſellſchaft, aus der die Renolution hervorgegangen war, hatte 
ihre Literatur, häßlich und abgeihmadt wie fie felbit. Dieſe 
Literatur und dieſe Gejelllhaft find zufammen geftorben unb 
werden nicht wieder aufleben. Sin den Inſtitutionen kehrt in 
jeder Beziehung die Ordnung zurüd; fie kehrt auch im Reich 
der Wiſſenſchaften zurück. Die Religion beiligt die Freiheit: 
wir haben Bürger. Der Glaube reinigt die Pbantafie: wir 
haben Dichter. Ueberall lehrt die Wahrheit zurüd, in den Sitten, 
in den Geſetzen, in den Künften. Die neue Literatur ift wahr, 
mag fie das Nefultat der Revolution fein, was liegt daran? 
St die Ernte darum meniger ſchoͤn, weil fie auf einem Vul⸗ 
lan gereift ift? Welche Beziehung findet ihr zwijchen der Lava, 
die euer Haus verzehrt bat, und dem Getreibelorn, das euch 
ernährt? 
Die größten Dichter der Welt find nad großen Öffentlichen 
Galamitäten gelommen. Ohne der heiligen Sänger zu gedenken, 
beren Begeifterung immer von vergangenem oder künftigem 
Unglüd ausgeht, fo ſehen wir Homer erſcheinen nach dem Fall 
von Troja und den Kataſtrophen von Argos; Virgil nad 
der Zeit des Triumvirats. In den Kampf zwifchen die Ouelfen 
und Shibellinen hineingeworfen, war Dante erft Verbannter 
geweſen, ehe er Dichter wurde. Milton träumte feinen Satan 
neben Erommell. Die Ermordung Heinrichs IV. ging dem 
Gorneille voran. Racine, Moliere, Boileau hatten 
noch an den Stürmen ber Fronde Theil genommen. Nad der 
franzöfiihen Revolution erhebt fih Chateaubriand, und das 
Verhaͤltniß ift gewahrt. 

Dir brauhen uns über diefe merkwürdige Verkettung 
zwiſchen den großen Spochen ber Bolitit und den ſchönen 
Epoden der Literatur nicht zu verwundern. In dem düftern 
ebrfurchtgebietenden Gang der Greigniffe, durch welche bie 
böbere Macht fi den Mächten bienieden kund gibt, in der 


19 


ewigen Sinheit ihrer Urſache, in dem feierlichen Einklang ihrer 
Wirkungen liegt etwas, was die Seele tief erſchüttert. Was 
es Edles und Unfterblies im Menſchen gibt, das ermacht 
plöglih beim lang aller diefer wunderbaren Stimmen, melde 
Gott verkündigen. Lange hört der Geist der Völker in andäd- 
tigem Schweigen von Kataſtrophe zu Kataſtrophe das gebeim- 
— Wort widerhallen, welches Zeugniß gibt in der Fin⸗ 
iß. 

Admonet et magna testatur vooo per umbras. ‘ 

Einige auserwaͤhlte Seelen erbauen und ftärten fi an diefem 
Bort. Donnert es nicht mehr in die Ereignifle hinein, fo bligt 
es doch aus ber Begeiſterung hervor, die ed erwedt. Denn dies 
üt der Weg, wie bimmlifhe Lehren fi durch Gefänge fort- 
pflanzen. Das ift die Sendung des Genies. Seine Auser- 
wählten find die Wächter, die ver Herr auf vie Thürme 
ju Jerufalem geftellet bat, und die nit ſchweigen 
follen, weder bei Tag noch bei Nacht. 

Tie gegenwärtige Literatur, wie fie Chateaubriand, 
bie Stasl und Lamennais heſchaffen haben, gehoͤrt alſo 
der Revolution nicht an. Wie die ſophiſtiſchen und zügellojen 
Ehriften von Boltaire, Diderot und Helvetius der 
anticipirte Ausdrud der focialen Neuerungen waren, welde 
auf dem abgelebten Boden des legten Jahrhunderts ſich ent⸗ 
widelten, ebenſo iſt die Literatur der Gegenwart, die man, 
auf der einen Seite mit fo viel Inſtinkt, auf der andern mit 
fo wenig Scharffinn angreift, der zum voraus ſchon gegebene 
Ausdprud der religiöfen und monarchiſchen Geſellſchaft, die 
obne Zweifel auß dem Schutt von fo viel-alten Trümmern 
und fo viel neuen Ruinen hervorgehen wird, Man muß es 
immer und immer wieder fagen: es ift nicht das Bedurfniß 
nad Neuigleiten, das die Geifter quält, fondern das Bebürf- 
niß nad) Wahrheit, und dieſes ift unermeplich, 


% 


Diefed Bedürfniß nah Wahrheit zu befriedigen, if, die 
Abficht der meiften hervorragenden Schrififteller unjerer Zeit. 
Der Geſchmact, — die Autorität in der Literatur, — bat 
ihnen die Lehre gegeben: daß ihre Werte wahr ihrem Inhalt 
nach, wahr aber auch in der Form fein müſſen. Und in diefer 
Beziehung haben fie die Poefie einen Schritt vorwärts ges 
bradt. Die Schriftfteller andexer Voͤller und anderer Beiten, 
jelbft die bemundernswürdigen Dichter des „großen Jahrhun⸗ 
derts“ haben in der Ausführung nur zu oft das Princip der 
Wahrheit vwergefien, von dem fie bei der Compofition ausge: 
gangen waren, In ihren Shönften Bartien begegnet man häufig 
Einzelheiten, die fih auf Sitten, Religionen oder Epochen be⸗ 
ziehen, die dem Stoffe ſelbſt nur zu fremd find. Die Uhr, die, 
zur großen Erheiterung Voltaire's, dem Sha keſpeare'ſchen 
Brutus die Stunde zeigt, in welder er Cäſar töbten foll, 
diefe Uhr, die demnach lange vor den Uhrmachern eriitirt hat, — 
wir finden fie wieder mitten in einer glänzenden Schilderung 
der mütbologifhen Götter, wo Boileau fie dem Saturn in 
die Hand gibt. Die Kanone, womit Calderon die Soldaten 
des Heraclius und Milton die Erzengel der Zinfterniß aud- 
rüftet, wird in der „Ode auf Namur“ abgefeuert durch „zehn. 
taufend ftarfe Alciden,“ welde dadurch die Wälle in die 
Höbe ſpringen“ lafien. In der That, wenn der Gejeßgeber auf 
dem Parnaß die Alciden Kanonen ſchießen läßt, fo kann 
der Satan Milton diefe anachroniſtiſche Kriegführung mit 
Fug und Recht für ehrlichen Krieg erklären, Wenn in einem 
noch etwas barbarifhen Seitalter der Literatur ein Pater Le 
moyne, — der Berfafer eines Gedichts auf den heiligen Lud⸗ 
wig, — die ſiciliſche Vesper duch bie Hörner der 
ſchwarzen Gumeniden anblafen läßt, fo zeigt uns dafür 
ein aufgellärtes Jahrhundert den Odendichter J. B. Rouſſeau, 
wie er (in feiner Ode an den Grafen de Luc, deren lyriſche 


21 


Bewegung fehr bemerfenswerth iſt) einen treuen Pro— 
pbeten bis zu den Göttern fendet, um das Schidfal 
zu befragen. Und wenn wir die Nereiden jehr lächerlich 
finden ; mit welhen CEamo&ns die Gefährten ve Gamſa's um- 
lagert, fo wünfchte man in dem berühmten „Rheinüber- 
gang“ von Boileau* ebenfalld andere Dinge zu ſehen, ala 
‚Kühterne Najaden,“ vie fliehen vor Louis, von Gottes 
Onaden König von Frankreich und Navarra, gefolgt von ſeinen 
Feldmarſchällen und Armeen. 

Derlei Citationen ließen ſich ins Unendliche verlaͤngern; 
aber es ſcheint nutzlos, noch weitere zu geben. Wenn ſolche 
Berfündigungen an der Wahrheit ſelbſt bei unſern beiten 
Shhriftftellern häufig vorlommen, fo muß man ſich hüten, 
ihnen ein Verbrechen daraus zu machen. Ohne Zweifel hätten 
fe ih darauf befhränten können, die reinen Formen der 
griechiſchen Gottheiten zu jtubiren, ohne ihnen ihre beidnifchen 
Attribute abzuborgen. Alf man in Rom einen Jupiter Olym- 
‚ pius ineinen Sankt Beter verwandeln wollte, begann man 
doch wenigftenz damit, dem Gebieter des Donners den Adler 
unter feinen Füßen wegzunehmen. Betrachtet man aber die 
unermeblichen Berbienfte, welche ſich unjere erften großen Dichter 
um Sprade und Riteratur erworben haben, jo beugt man ſich 

® Unbefangene werden Leit begreifen, warum wir bier fo häufig den 
Remen Bo tlea m’ nennen. Fehler gegen den Geſchmack, bei einem Mann von 
io geläntertem Geſchmack, haben etwas Auffallendes, Veberrafchendes , find 
aber chen deßhalb nur am fo Ichrreicher. Der Mangel an Wahrheit muß 
mad der Poeſie ſehr Feinpjeliges fein, da ex ſelbſt Boileau's Berfe verun- 
Neltet. Webelwollende Kritiker, welche vielleicht TRangel an Keſpekt vor einem 
oben Namen in jenen Auführungen erbliden, follen wiſſen, daß Niemand 
m der Hochachtung für diefen ausgezeichneten Geiſt weiter gebt, al der Ver⸗ 
iafer die jes Buchs. Boileam theilt ich mit unferem Racine in has, in 
ſelner Art einzige Verdienſt. die franzöffehe Sprache feſtgeſtellt zu Haben, 
was allein binzeichen würbe, — zu beweilen, daß auch er einen | d vie 
tiſhen Genius bee. 


[4 


22 


gerne vor ihrem Genius und fühlt nicht die Kraft in fi, ihnen 
Geihmadiofigleit vorzuwerfen. Es ift dies gewiß ein höchſt 
bedauerlider Mangel gemefen, weil er in Frankreich ein falſches 
Genre, das ſcholaſtiſche Genre, eingeführt bat, das fidh 
zum klaſſiſchen ebenfo verhält, wie Aberglauben und Fana⸗ 
tismus zur Religion, und das heutzutage nur noch durch die 
ebrenwerthe Autorität berühmter Meifter, bei denen es unglüd- 
licher Weile Vorbilder findet, den Triumph der wahren Poefle 
aufhalten Tann. Wir haben oben einige, unter ſich ganz aleiche, 
Beilpiele von diefem falſchen Geihmad mitgetbeilt, die wir bei 
den entgegengejegteften Schriftftellern zugleich gefammelt haben, 
bei Solden, die von den Scholaftitern Klaffiter genannt, 
und bei Solden, die von ihnen unter die Romantiker ge- 
rechnet werden. Wir glauben dadurd gezeigt zu haben, daß, 
wenn Galderon aus allzu großer Unwiſſenheit bat fündigen 
können, Boileau dur allzu große Gelehrſamkeit zu Fall kom⸗ 
men konnte, und daß man beim Studium der Schriften Boi«- 
leau’3 die Sprachregeln des Kritikers* gewiflenbaft befolgen, 

° Betonen wir diefen Bunft ganz befonders, um fchwerbörigen Renten 
jeden Borwand zu Mißverſtändniſſen zu nehmen. Wenn es uhylid und bid⸗ 
weilen nothwendig if, gewiſſe abgerifiene Sprachwendungen aufzufriichen, 
alte Ausprüde wieber hervorzuſuchen, und vielleicht aucd den Berfud zu 
machen, der Schönheit unferer Bersbilbung durch die Fülle der Veremaßes 
uud bie Reinheit des Reims wieber aufzubelfen,, fo fann man doch nicht aft 
genug wiederholen, daß hier der Geiſt der Beruolllommnung fi Halt ge⸗ 
bieten muß. Zebe Neuerung, die der Ratur unferer Proſodie und dem Bei 
ver Sprache zumwiber iR, muß als ein Mttentat auf bie erſten Principien 
des Geſchmackt bezeichnet werben. 

Nach einer fo offenen Eıflärung wird ed ohne Zweifel gefiattet fein, dem 
Hdperkritikern bier zu bemerfen, daß das wahre Talent mit Kecht 
Die Begel als vie Bronze betrachtet, vie ed nie Aberichreiten darf, nicht 
aber ald den Pfad, auf bem eb immer fortgehen muß. Sie führt den Ge⸗ 
danken fortwährend zu feinem einzigen Mittelpunktt, dem Schönen, Ju. 
ruck, aber fie engt ihn wicht ein. Die Regeln find in der Literatur, was 
Die Geſetze in der Moral: fe können nicht Ullee vorautfchen. Man wird 


[4 


23 


vor der Nachahmung ber falfchen Farben aber, deren fi) der 
Dichter zuweilen bedient, ſich forafältig hüten muß. 

Bemerten wir aud das noch im Vorbeigehen: wenn die 
Literatur des großen Jahrhunderts des großen Ludwig dag, 
Chriſtenthum angerufen bätte, anftatt bie heidniſchen Götter 
anzubeten; wenn diefe Dichter den Dichtern der älteften Zeit 
geglihen hätten, wenn fie Priefter gewejen wären, welche Ihre 
Religion, ihre Heimath und deren Größe befungen haben, den 
ſophiſtiſchen Boltrinen des legten Jahrhundert? wäre der 
Triumph ungleich ſchwerer geworben, vielleicht unmöglich. Bei 
den erften Angriffen der Neuerer hätten Religion und Moral 
in das Heiligthum der Literatur, in ven Schuß fo vieler großen 
Männer fi geflüchtet, Der Geſchmack der Nation, der daran. 
gewöhnt ift, die Ideen der Religion und der Poeſie nicht zu 
trennen, hätte jeden Berfuch irrreligiöfer Poefie zurüdgeftoßen, 
md diefe Monftrofität als eine ebenfo wohl Literarifche als 
ſociale Tempelihänbung gebrandmarft. 

Wer kann berechnen, wohin die Philoſophie gelangt 
wäre, wenn die Sache Gottes, durd die Tugend vergeblich 
vertheidigt, einen Fürjprecher an dem Genius gefunden hätte?... 
Aber Frankreich hat dieſes Glück nicht gehabt; feine nationalen 
Dichter waren faft lauter heidniſche Dichter, und unfere Lite- 
tatur war vielmehr der Ausdruck einer idololatrifhen und de- 
mokratiſchen Geſellſchaft, als einer hriftlihen und monarchiſchen. 
Auch kamen die Philofophen in weniger als einem Jahrhundert 
dahin, eine Religion, die in den Geiltern nicht war, auch aus 
den Herzen zu vertreiben, 

Niemand als tugendhaft achten, weil er in feinem Werhalten ſich auf bie 
Beobachtung des Geſetzbucht befchränft hat. Man wird Niemand als großen 
Dichter ehren, der Ach damit begnügt, nad den Regeln zu ſchreiben. Die 
Sittlichkeit IR fein Refultat der Gefege, jondern der Religion und der Tugend. 


Die Literatur lebt nicht won dem Beichmad allein, fie muß durch bie Roeſſe 
belebt und durch den Denius defruchtet werben, 


24 


Das Unheil, das ‘die Sophiften angerichtet, wieber gut zu 
maden, dies ift die Hauptaufgabe, die ſich ein Dichter heutigen 
Tages ftellen muß. Er muß wie eine Feuerſäule vor den Völ⸗ 
fern hergeben und ihnen den Weg zeigen. Er muß fie zurück⸗ 
ühren zu den großen Grundfägen der Ordnung, der Sittlich⸗ 
feit und der Ehre, und damit fein Einfluß ihnen angenehin 
jei, müflen alle Fibern des menſchlichen Herzens unter feinen 
Fingern zittern wie.die Saiten einer Leier. Er wird nie der 
Wiederhall irgend eines Wortes fein, es fei denn das Wort 
Gottes, er wird fi immer an das erinnern, was feine Vor⸗ 
Hänger nur zu ojt vergeſſen haben, daß auch er eine Religion 
und ein Vaterland bat. Seine Geſänge werden nit müde. 
werben, die Heldenthaten und die Unglüdsfälle feines Lande, 
den ftrengen Ernſt und die heiligen Entzüdungen jeines Aultus 
zu feiern, damit feine Vorfahren und jeine Zeitgenoflen einigen 
Gewinn von feinem Genie .und von feinem Herzen haben, und 
damit in der Zulunft andere Völker nicht von ihm jagen mögen: 
„Der fang in einem barbarifhen Lande.” - 

In qua scribebat, barbara terra fuit, 

Gebruar 1824, 
— — 


1826. 


Bon Anfaug an alaubte der Verſjaſſer dieſer lyriſchen 
Dichtungen die verſchiedenen Arten derſelben durch eine ſcharf 
gezogene Eintheilung von einander trennen zu müſſen. 

Auch jetzt noch begreift er unter dem Titel: Oden jede 
rein relig:öje Eingebung, jede rein antike Studie, jede Bears 
beitung eines gleichzeitigen Creigniffes oder perfönlider Ein 
drüde. Die Dichtungen, die er Balladen betitelt, find ganz 
andern Charalters. Es find Skizzen einer launenbaften Gattung: 





Gemälde, Träume, Scenen, Erzählungen, abergläubifche Les 
genden und Bollsjagen. Er machte mit diejen Dichtungen den 
Berfuh, eine Idee von dem zu geben, was die Gedichte der 
erften Troubabours des Mittelalters fein mochten, jener chrilt- 
lihen Rhapſoden, die nichts auf der Welt beſaßen, als ihr 
Schwert und ihre Laute, von Schloß zu Schloß wanderten und 
die Gaftfreundihaft mit ihren Gejängen vergulten. 

Wenn der Ausdrud nit zu anmaßend Hänge, fo würde 
der Dichter, um feine Gedanken zu ergänzen, jagen: ‚er habe 
in die Dden mehr von feiner Seele, in die Balladen mehr 
von feiner Phantafie hinein gelegt. 

Sm Uebrigen legt er auf diefe Glaffifilationen nicht mebr 
Werth als fie verdienen. Biele Leute, deren Anſicht Gewicht 
bat, baben behauptet, feine Oden feien gar feine Oben. 
But. Viele Anderen werden obne Zmeifel, und zwar mit ebenfo 
viel Grund behaupten: feine Ballapen feien gar feine Bal- 
laden. Aub gut. Gebe man ihnen irgend welchen andern Titel, 
wie er auch lauten mag, der Berfafler unterjchreibt ihn zum 
voraus, 

Bei diefer Gelegenheit wirb derſelbe, jedoch mit gänzlicher 
Beifeitlafjung feiner eigenen fo unvolllommenen und unvoll- 
Händigen Werke, jo kühn fein, einige gemagte Bemerkungen 
ju maden. 

Man hört jeden Tag, wenn von literarifchen Grzeugnifien 
die Rede ift, von der Würde diefer Gattung, von den con: 
ventionellen Regeln jener, von ven Örenzen dieſer, von 
den Licenzen jener Gattung jpredhen: die Tragoödie ver- 
bietet, was der Roman erlaubt; das Lied bulvet, was bie 
Ode unterfagt u. |. w. Der Berfafler hat das Unglüd, von 
alle dem nidht3 zu verfteben; er ſucht darin Sachen und findet _ 
zur Worte ; ihm fcheint das, was wirklich ſchoͤn und wahr iſt, 
überall fchön und wahr zu fein; was in einem Roman bra- 


20 


matiſch iſt, iſt auch auf der Buͤhne dramatiſch, was in einem 
Eouplet lyriſch iſt, wird auch in einer Strophe lyriſch ſein; 
und endlich und immer wird es nur eine richtige Unterſchei⸗ 
dung bei geiftigen Erzeugniffen geben, und die ift: gut ober 
ſchlecht. Der Gedanke ift ein jungfräulicher fruchtbarer, Boden, 
defien Erzeugniffe frei wachſen wollen, fo zu fagen aufs Ge- 
rathewohl, ohne fi) einreihben und in den Rabatten in gerader 
Linie auffellen zu kaflen, mie die Blumen in einem Hafliidhen 
Garten von Lendtre oder wie die Blumen der Sprache in einem 
Compendium der Rhetorik. 

Man darf indeß nicht glauben, diefe Freiheit führe zur 
Unoronung ; gerade das Gegentheil. Entwideln wir unfere 
Idee. Man vergleihe einen Augenblid den königlichen Garten 
von Berfailles, fhön geebnet , Schön bejchnitten, Schön gekehrt, 
fhön zugeftugt, ſchön mit Sand beftreut, voll: von Heinen 
Kaskaden, Heinen Baffins, einen Bosquets, von Tritonen 
aus Bronze, welche höchjit ceremoniell auf Dceanen fi tummeln, 
die man um ſchweres Geld aus der Seite gepumpt bat, von 
marmornen Faunen, welde Dryaden den Hof maden, die 
allegorisch eingeſchloſſen find in einer Menge koniſcher Tarus-, 
cylindriſcher Lorbeer⸗, ſphäriſcher Orangen⸗, elliptiiher Myrthen⸗ 
und anderer Bäume, deren natürliche Geſtalt, ohne Zweifel, 
weil fie zu trivial erſchien, durch die Scheere des Gaärtners gra⸗ 
ziös corrigirt wurde; man vergleiche dieſen vielgerühmten 
Garten mit einem Urwald.der neuen Welt, mit ſeinen Rieſen⸗ 
bäumen, feinen hohen Gräfern, feiner unergründliden Vege⸗ 
tation , mit feinen taufendfarbigen Vögeln, feinen weiten Laub⸗ 
ballen, wo E chatten und Licht nur auf grünem Grunde fpielen, 
mit feinen wilden Sarmonien, feinen großen Fluͤſſen, welche 
ganze Blumeninfeln mit fih führen und feinen unermeßlihen 
Katarakten, auf melden ſich Regenbögen wiegen. — Wir fragen 
nicht: wo ift die Pracht? wo ift die Größe? wo ift die Schön- 


97 


beit? jondern einfach: wo ift die Orbnung ? wo ift die Unord⸗ 
nung ? — Dort eingezwängte oder von ihrem Lauf abgelentte 
Gewäfler, die nur, um ftill zu ſtehen, aus verfteinerten @öttern 
bervorfpringen; Bäume aus ihrem natürlihen Boden ver- 
pflanzt, ihrem Klima entriffen, felbft ihrer natürlihen Geftalt, 
ihrer Früchte beraubt und gezwungen, fich der grotesfen Laune 
ber Echeere und der Schnur zu unterwerfen; kurz, überall die 
natürliche Ordnung durchbrochen, verlehrt, umgeftürzt, zerftört, 
Hier dagegen gehorcht Alles einem unwanbelbaren Geſetze; ein 
Gott ſcheint in Allem zu leben. Die Maflertropfen folgen ihrem 
Gefäll und bilden lüffe, die zu Meeren werden; die verſchie⸗ 
denen Samen wählen fi ihren Boden und erzeugen einen 
Bald. Jede Pflanze, jede Staude, jeder Baum keimt in feiner 
Jahrszeit, wächst an feinem Ort, trägt feine Frucht und ftirbt 
zu feiner Zeit. Selbit das Unkraut ift bier ſchön. Wir fragen 
noch einmal: Wo ift die Ordnung? 

Mäblet jet, entweder die Meifterwerle der Gartenkunſt, 
oder das Werl der Natur, das conventionell Schöne oder das, 
was ohne Regel ſchön iſt, ein Stüd künftliche Literatur oder 
originale Poeſie. 

Man wird und einmenden: der jungfräulide Wald ver- 
berge in jeiner pradtvollen Einſamkeit taufend gefährlihe 
Thiere, während die ſchlammigen Baſſins des franzöfifchen 
Gartens höchſtens einige einfältige Thiere bergen. Tas fit gewiß 
ein Ungläd; aber Eins ins Andere gerechnet, jo wollen wir 
doch lieber ein Krolodil ala eine KHröte, Die Barbarei Shake⸗ 
fpeare’3 zieben wir der Abgefhmadtbeit Campiſtrons vor. 

Sehr wichtig ift es, feftzuftellen, daß in der Literatur wie 
in der Politik die Ordnung fi) wunderbar gut mit ber Frei- 
beit verträgt, ja die Ordnung ift das Nefultat der Freiheit ; 
übrigen? muß man ſich wohl hüten, Ordnung und Regelmäßig- 
keit mit einander zu verwechſeln. Die Negelmäßigteit bezieht 


ſich nur auf die äußere Form; die Ordnung geht aus dem 
Weſen der Dinge felbft hervor, aus der verftändigen Anord- 
nung der inneren Elemente eines Gegenftandes. Die Regel- 
mäßigfeit ift eine materielle und rein menſchliche Combination ; 
die Ordnung ift fo zu fagen göttlich. Diefe beiden ihrem Wejen 
nad) fo verſchiedenen Eigenſchaften kommen häufig eine ohne 
die andere vor, Ein gothiſches Münſter zeigt in feiner naiven 
Unregelmäßigleit eine beimundernsmwürdige Ordnung ; uniere 
modernen franzöfifchen Gebäude, auf welche man die griechiſche 
oder römifhe Architektur jo linkiſch angewandt bat, ftellen 
nur eine regelmäßige Unordnung dar. Ein gewöhnlicher Menſch 
wird immer ein regelmäßiges Werk zu Stande bringen lönnen; 
nur große Geifter verfteben es, eine Compofition zu orbnen. 
Der Schöpfer, der von feiner Höhe berabfiebt, oronet; der 
Nachahmer, der genau zufieht, regelt: der Erſtere verfährt nad 
dem Gefeg feiner Natur, der Lebtere nah den Borfchriften 
feiner Schule. Die Kunſt ift für den Einen eine Infpiration, 
für den Andern iſt fie nur eine Kenntniß. Um mit zwei Worten 
Alles zu jagen und. ohne zu widerfprehen, wenn man nad 
diefer Bemerkung die beiden Literaturen, bie fogenannte Elafe 
ſiſche und romantifche, beurtheilt: die Regelmäßigkeit ift 
der Geihmad der Mittelmäßigleit, die Ordnung ift der Ge 
ſchmack des Genies. 

Es verfteht ſich von felbft, daß die Freiheit nie in Anarchie 
ausarten darf, daß die Originalität unter allen Umständen 
nicht der Sncorrektheit zum Vorwand dienen darf. Gerade je 
fühner die Conception eines literarifchen Werkes ift, defto tadel- 
Iojer muß die Ausführung fein. Wenn du auf andere Art, als 
die Andern, Recht haben willft, mußt du zehnmal mebr Recht 
baben, als fie. Ze mehr man die Rhetorik verachtet,, deſto befier 
ſteht e3 Einem an, die Grammatik in Ehren zu halten. Man darf 
ben Ariftoteles nur enttbronen, wenn man den Baugelas 








29 


zur Herrſchaft bringen will, Man muß Boil eau's „Art pod« 
tique“ achten, wenn nicht ihrer Principien, fo doch ihres 
Styls wegen. Ein Schriftiteller,, dem die Nachwelt nicht ganz 
aleichgultig iſt, wird unablaͤſſig bemüht fein, feine Sprache zu 
reinigen, obne den eigenthümlichen Charalter zu vermwifchen, 
durch welchen feine Ausbrudsweife die Individualität feines 
Geiſtes offenbart. Im Uebrigen ift Neuerungsſucht nur eine 
traurige Hülfgquelle für die Impotenz. Sprachfehler bilden 
niemals einen Gedanken, und der Styl ift wie ein Kryſtall: 
jeine Reinheit macht feinen Glanz aus, ' 

Der Berfafier diefer Sammlung wird wielleiht an einem 
‘andern Ort des Weiteren ausführen, was er bier nur ange- 
deutet hat. Es fei ihm ſchließlich nur noch die Bemerkung er- 
laubt, daß der Geift der Nachahmung, durch Andere ald-das 
Heil der Schulen empfohlen, ihm immer als eine Kunft-Kala- 
mität. erichienen ift, Und er würbe die Nachahmung, welde 
fh den fogenannten romantiſchen Schriftitellern an die 
Ferien beftet, eben fo ftreng verurtbeilen, wie diejenige, welche 
fh den fogenannten Klaſſikern anbängt. Wer einen ro- 
mantifhen Dichter nahahmt, mwirb nothiwendiger Weile 
klaſſiſch, eben weil er nachahmt.“ Ihr mögt ein Echo Ra- 
ci ne's oder ein Refler Shalefpeare's ſein, immer ſeid ihr eben 
ein Echo und ein Reflex. Wenn ihr es auch dahin bringt, einen 
Mann von Genie genau zu kopiren, ſeine Originalität wird 
euch immer fehlen, nämlich fein Genie. Bewundern wir die 
großen Meiſter. Ahmen wir fie nicht nah. Machen wir es an⸗ 
ders, als fie. Glüdt es uns, um fo befier. Mißglückt der Ver⸗ 
juch, was liegt daran? 

Es gibt Gewäfier, welche, wenn ihr eine Blunte, eine 
Frucht, einen Vogel hineintaucht, euch biefelben nach einiger 

° Diefe Worte find Hier in der halbverſtandenen, nit genau befinirten 
Bedeutung genommen, bie man Ihnen- im gewöhnlichen Sehen beifegt. 


30 


Beit mit einer diden Steinkrufte umkleidet zurüdgeben, unter 
der man allerdings ihre urfprünglide Form noch erräth ; aber 
der Duft, der Wohlgeihmad, das Leben ift verfhwunden. Die 
pedantiihen Lehren, die ſcholaſtiſchen Borurtbeile, das an- 
ftedende Gift der Routine, die Nachahmungsſucht bringen die 
jelbe Wirkung bervor. Wenn ihr eure natürlihen Anlagen 
darein hüllet, wird eure Phantafie, euer Gedanke fih daraus 
nicht wieder hervor arbeiten. Was ihr noch daraus hervorzieht, 
wird vielleicht no einen Anfchein von Geift, Talent, Genie 
haben , aber e8 wird verfteinert fein. 

Dürfte man den Schriftitellern glauben, die fi rühmen, 
Klaffiler zu fein, jo würde fi Jeder von der Bahn des 
Wahren und des Schönen verirren, der nicht fllaviih den 
Fußſtapfen feiner Vorgänger folgt. Irrthum über Irrthum! 
Diefe Schriftfteller verwechfeln die Bahn zur Kunft mit der 
Kunft; fie nehmen das Geleife für den Weg. 

Der Dichter fol nur Ein Mufter haben, die Natur, er 
braudt nur einen Führer, die Wahrheit, Er fol nicht mit dem 
ſchreiben, was ſchon gejchrieben ift, fondern mit feiner Seele 
und mit feinem Herzen. Von allen Büchern, die den Menfchen 
durch die Hände geben, braucht er nur zwei zu ftudiren: den 
Homer und die Bibel, Dieje beiden ehrwürdigen Bücher näm- 
lich find die Allererften , ihrer Entftehungszeit und ihrem Wertbe 
nad, fie find faſt ebenfo alt, wie die Welt, fie find felbft zwei 
Welten für den Gedanken. Man findet in ihnen, fo zu fagen, 
die ganze Schöpfung wieder, unter einem doppelten Gefichts- 
puntt betradtet, im Homer dur das Genie des Menschen, 
in der Bibel durch den Geift Gottes, 

Dltober , 1826. 


Oden. 


Erſtes Bud. 


1818 — 1822. 


Vox elamabat in des:rto. 


Der Bichter in Beiten der Bevsiution. 


Beh. erben, ohne meinen Köcher 
Zu leeren, ohne die Seſetzeſchmierer 
Und Henfer zu durchbohten, zu zermalmen , 
In ihren Roth zu treten! ..,, 


Anders Choͤnier, Jamben. 


— — — 


Erſte Ode. 


„fForttreibt der Wind, der rauhe Scherge, 
Die Eichel, die vom Aſte fiel. 

Als Eiche peitiht er fie am Berge, 

Er peitſcht im Meere fie ala Kiel, 

So, Züngling, peitſcht des Schidjald Ruthe 
Auch uns, Drum fchließ’ in tollem Muthe 
Dein und der Welt Leid nicht ins Herz.“ 


Wie? Selbſtiſch foll ich, fühllos zagen, 
Und, taub für meiner Brüder Schrein, 
Nichts, Nichts in dieſen Schredenstagen 
Empfinden, als die eigne Bein? 

Berbannter felbft aus freiem Willen 

Auf Erden, Thränen fucht zu ſtillen 

Der Dichter, jedem Leid gefellt. 

B, Huget fümmil, yortifte Beste, IL — 


34 


Die Leier hoch ala Wehr erh 
Stürzt er ſich in der Völker Toben, 
Wie Orpheus in die Unterwelt. 


„Der Hölle Schreden bat beſchworen 
Für Augenblide Orpheus’ Ton: 

Doch du fingft in Verbrecherohren 

Die Hymne vom Gewiſſen, Sohn! 

So blendet Stolz dir die Gedanken? 
Du trittft ala Richter in die Schranten, 
Und fehlteft in der Kämpfer Reihn? 
Cenſor im Flaum der erften Jugend, 
Laß, eh’ du prablit mit deiner Tugend, 
Erft älter deine Unſchuld ſein.“ 


Denn das Verbrechen, ohne Buße, 

Zum Python jhwillt, und ſchnaubt wie toll, 
Dann zur Erinnys wird die Mufe, 

Und nad dem Köcher greift Apoll. 

Dem Gotte, dem ich mich ergeben, 

Bertrau’ ich, was mein junges Leben, 

Mein reines, auch bedrohen Tann. 

Stil folg’ ih meinem Stern befliflen; 

Das Segel wird vom Sturm zerrifien, 

Doch rettet es den Steuermann. 


„Die Menſchen taumeln bin zum Schlunde: 
Du fingft fie nit zurüd vom Grab, 
Warum, indeß manch bolde Stunde 

Dir lächelt, vennft du mit hinab? 

Kannft du die Kette deiner Lage 
Zerbrechen, ohne daß — o frage 


Dich wohl! — das Herz auch Andern bricht? 
Geh, ſpare Deines Lebens Babe. 

Haft du denn keine Mutter, Anabe? 

Kennft, Dichter, du die Liebe nicht ?* 


Das ich geliebt, kann nicht verderben, 
Auf ſchlägt die Flamme, bimmelmwärts. 
Ber lieben kann, der kann auch fterben, 
Denn reine Liebe dehnt das Herz. 

Der Dichter wird, mo Freuler toben, " 
Die unterbrüdten Dulver loben, . 
Er preist und wählt der Helden Theil. 

Er weiht, den Märtyrern zur Feier, 

Ten blut’gen Opfern feine Leier, 

Und feinen Hals dem Henterbeil, 


„Einft, jagt man, in vergangnen Tagen, 
Bo Eins Poet war und Bropket, 

Bußt’ er der Welt voraus zu jagen, 

Bas in dem Bud der Sterne ſteht. 

Doch du, was rühmft du dich zu willen? — 
Du Iebft wie fie in Finſterniſſen, 

Der Himmel nachtet wollenſchwer. 

Zur Leier der Prophet, wo findet 

Sich der? Die Mufe, ſtumm, erblindet, 
Weiß von der Zukunft längft nichts mehr.” 


Kühn trogt, als ob Gott felbft ihm riefe, 
Der Dichter jedem künft'gen Graus; 
Indem er in des Abgrunds Tiefe 
Hinabftürzt, mißt er ſelbſt fie aus, 

Zum Opfer weiß ex ſich erleſen, 


3 


Weiß, daß gejühnt das Glüd des Bäfen 
Nur dur die Unſchuld wird nor Gott. 
Er fühlt fi fterbend freier, ftärfer ; 

Es wird zum Tempel ihm der Kerler, 
Zum Dreifuß wird ihm das Schaffot. 


„Wärſt Du im Land der Abbafiden, 
Wo wollenrein des Himmel glübt, 
Geboren, wo in jüßem Frieden 

Die Alod und Myrte blüht! 

Dort ohne Thränen, ohne Qualen 
Sieht der Poet ven Morgen ftrablen 
Und rojenrotb des Himmels Trift. 
Und heil’ge Tauben bringen füße 
Botſchaft den Jungfraum, Liebesgrüße 
In wunderbarer Blumenfchrift.” 


Gin Andrer mag dem Martyrihume 

Vorziehn die würbeloje Ruh’! 

Mein Herz gehört allein dem Ruhme, 

Der fällt dem Glücklichen nicht zu. 

Es bebt im Sturm die Halcyone 

Und fürchtet für die Wellenfrone, 

Auf der fie gern ſich ſchwimmend wiegt; 

Indeß der YAar, der Sohn der Stürme, 

Die Nebelmänd’ und Woltenthürme 

Durchbrechend, in die Sonne fliegt. 
Mir; 1821. 





Die Bender. 


Ave, Oaesar, moriturs te salutant. 





Zweite Dde, 


L 


„Wer unter uns, wenn er ein Todtendenkmal fegte, 
Fand weinend einen Freund nicht ftehn an einem Sarg? 
Bär Giner, dem ſich nicht das Aug’ am Hügel negte, 
Der Gattin oder Bruder barg?” . 
So über Frankreichs Leid und böfe Jammertage 
Eriholl der heil’gen Mufe Klage: 
„Zum offnen Himmel lenkt den Blick!“ — 
So rief uns, über Rom hinſchwebend und Palmyra, 
Das Gluͤck des Märtgrers laut preifend jene Lyra 
Und laut der Wüfte ftilles Glück. 


Sie hielt den Zwingherrn vor all ihre Schuld mit Strenge, 
Den Renelojen rief fie zu ein donnernd: „Wehl“ 
Sie fang: „Der Opfer hat Frankreich gehabt die Menge, 
Doch Märtyrer nur die Vendée!“ 
— Unfelige Bends6e, wer heilte deine Wunden ? 
Gehſt, mit dem Lorbeerkranz ummwunden, 
Du unjern Kriegern ftolz voran ? 
Benn Ehr’ und Treue nit bloß Schemen find, ich bitte: — 
In welchem Schloffe wohnt — ftatt in zerftörter Hütte — 
Dein ritterliber Bauersmann? 


Denkſt du der Tage noch, mo über beine Erde 

Ein Blutſtrom fi ergoß und Elend auf die Flur, 

Wo keinen andern Stqub zertrat der Huf der Pferde, 
ALS deiner Städte Aſche nur! 

Eie riefen, als ihr Schwert umfonft zur blut'gen Lache 
Dein Land gemadıt, in blinder Rache 
Die Hölle jelbft, dich zu bedrohn. 

Und über das Gefild binflog des Nauches Welle: 

Bor diefem Meer von Glut ift — der lebend'gen Hölle — 
Dein Heer zum erften Mal geflobn. 


I. 


Es trat in jener Zeit am oͤden Loire⸗Strande 
Bufammen, Stamm für Stamm, die Königsrächerſchaar, 
Ein opferftolzes Voll, das keine Thraͤne kannte, 
Als um den Thron und den Altar, 
Es waren Greiſe, Frau'n und Kinder; aus den Flammen 
Gerettet gingen fie zufammen 
Mit wenig Tapfern dort hinab. 
Die Heimath ging im Bug felbft mit, die heimathlofe, 
Sie ließen hinter fih ein Land, in deilen Schoofe 
63 Leichen nur und Henler gab. 


Sn diefem Augenbiid, als wie vom Himmelsthrone 
Geſendet, trat ein Greis, ein Prieſter, vor's Geficht 
Der Schaar, ein Heiliger, der von der Martyrirone 
Mit edlen, frommen Kämpfern ſpricht. 
Und er verlündet ernit und ruhig künft'ge Schmerzen, 
Indeß in feinem kühlen Herzen 
Grinnrung alter Zeit erwacht. 


* 3 


Gr offenbart ihr Loos den Helden dieſer Fehden; 
Der Zukunft Stimme klingt hervor aus feinen Reben 
Bon der Bergangenheit mit Macht: “ 


DL 


Jenſeits des Jordan bat der Herr nah vierzig Jahren 

Den Kindern Ifſrasl verheißen einft ein Land, 

Rah wenig Tagen ſchon verheißt er Curen Schaaren 
Den Himmel ſelbſt jenſeits am Strand. 

Der Fluß wird länger nicht dich, irrend Häuflein, ſchauen; 
Euch bettet Gott auf blut’gen Auen 
Im fernen Lande, weil Ihr glaubt. 

Raum aufgegangen, weh, muß Euer Stern enteilen: 

Doch Simfon fhüttelte und warf im Tod die Säulen 
Rod den Philiftern auf das Haupt. 


Ya, Eure Heldenihaar wird fiegend untergeben, 
Und fommt’3 zur Strafe nit, zur Rache kommt es fon: 
Gie werben jenes Heer, das ftolge, fliehen ſehen, 
Bor welchem einft die Fremden flohn. 
Ihr fallt nit Alle dur das Schwert von Tapfern; Biele 
Im mörberiihen Boot zum Spiele | 
Wirft bin die Hinterlift der Flut. 
Mit Knochen fchleppen fi die Andern, ihren Todten 
Ein Blägchen fuchen fie in einem fernen Boden, 
Bewahrt vor der Lebend'gen Wuth. 


Dich, junger Führer, Held und Sieger, ſeh' id ragen 

Bei Mortagne und Saumur im heißen Pulverdampf; 

Nuhm wirft dem ſchlechten Mann du leihn, dem dich zu fhlagen 
Bergdnnt ift in ruhmlojem Kampf. 


40 


Nur Wen’ge merken, ad, von unfern Brüdern ſchauen 
Nach langem Kampf der Heimath Auen, 
Den Pla, wo eiwft geraudt ihr Herd, 

Am Nagel hängt die Wehr, und jeder zehrt vom Ruhme 

Der Tage, die verraufcht, und harrt der Lilienblume, 
Die mehr ihm, ala der Lorbeer, werth. 


VBendse, mein edles Land, wie Schwer mußt du bezahlen 
Die Rückehr deiner Herrn, mein armes Vaterland. 
Eh’ ihm die Blum’ entiprießt, wird noch zu zweien Malen 
Dein Blut befeuchten diefen Strand. 
Doch wenn Europa einit vereint in fpäten Tagen 
Den Baum der Tyrannei wird ſchlagen 
Mit feinen Schoſſen allzumal, 
Und jeder König rühmt, wie body fein Kriegöheer rage, — 
Der AUllerchriftlichite legt rubig in die Wage 
Dann der Bretagne roft’gen Stahl. 


D Gott! und wenn verrauſcht einft find die trunfnen Tage, 

Web, und fie bieten dem vergefinen wunden Mann, 

— Mit Shnödem Hohn für ihn in folder bittern Lage, — 
Dem Helden Bettelgaben an; 

Und Wittwe, Mutter, Kind des Tapfern, fie erblafien 
Bielleiht vor Hunger und umfaſſen 
Des Günftlings Hand im Koͤnigsſchloß, 

Und Magen ihre Noth, und daß ihr Vater, Oatte 

Und Sohn Nichts als fein Blut, fein einz'ges Crbtbeil, hatte, 
Das er für's Baterland vergoß... 


D Gott, und wenn verarmt der treufte Mann vernähme, 

Wie, reih geworden, ein Berrätber an dem Thron 

Sein lacht, wenn er im Rath Schmadhtitel nur Belämse 
Bon Königemdrdern, Spott und Hohn; 


4 


Und füllte noch das Maß ein Richter, nein, ein Gcherge, 
Der hinter hohem Namen bärge 
Die Schmach mißbrauchter Amtögewals, 

Und durch Berleumbung gar ein edles Haupt entweibte, 

Und forderte von ihm fein Schwert, die erfte Beute, 
Vielleicht auch feinen legten Halt... 


Ergebung! Tragt aud das! — Biel muß der Treue dulden 
Bom Sünder, der fein Glüd durch Frevelthat erwarb; 
Doch der Gerechte den’ an unfrer Väter Schulden 
Und an den Gott, der für und farb. 
Bisweilen läßt der Herr das Lafter fiegreich fcheinen, 
Und Niemand weiß, warım er weinen 
Die unterbrüdte Unſchuld laͤßt. 
Die Wege Gottes find für uns in Nacht verloren: 
Er läßt Maria's Herz von heil’gem Gram durchbohren, 
Und Gatan jauchzt beim Höllenfeft.“ 


IV. 


Der Briefter ſchwieg. Sein Wort ward nicht geglaubt. Sie eilen 
Bon diefen Ufern weg, — nie kehren fie zurüd. 
Sie find des Wahns, daß fih die Nebel nicht mehr theilen 
Bor feinem greifen Seberblid. — 
So, ala Soldaten ſchwach, doch reich an Heldenehre, 
Der Reft von einem ftolzen Heere, 
Still folgten fie dem Fahnenſtab 
Mit dem zerfegten Zu, fern von des Feuers Tofen, 
Das Hütt! und Kirche fraß, die Letzten der Franzoſen, 


Und ſuchten fi ein kühles Grab. 
1819. 





Die Iungfrauen von Berdun. 


Der Priefter wird bie ſchwatz' und weiße Stola tragen ; 
Die Stirn von Elfenbein, ummwallt von langem Haar, 
Beim Wlan; der Kerzen, wird um Euch im Tode klagen 
Der Mäpcben blüthenweiße Schaer. 

A. @uirerd. 


Dritte Ode. 


as bringt Ihr mir, ihr Luftgeftalten? — 
Wie, meine Leier? — Sagt, was wollt 
Ihr Beifter doch? Was foll dies Lächeln unter Falten? 
Bedeutet es, daß Ihr mir grollt? 
An Schärpen, die fo hell erglänzen, 
Das foll Euch diefer Flor, die Trauer zu der Glut? 
Wie kommt bie Kette hier zw dieſen Blumenkränzen? 
Mas fol die Rofe, rotb von Blut? 


D weicht zurück, verbergt in Eure Naht Eu wieder! — 
Dod wie? Was zeigt Ahr mir? Drei Gräber muß ich Int 
Und von dem Karren dort ſchaun bleiche Opfer nieber . 
Dies find die Mörder, die in blut’gen Lumpen gehn. 
Ich hör’ ein Todtenlied... Zum Feſte jauchzen Frauen 
Und Männer! Web! was muß ich ſchauen? — 
Der Karren bält. Ein Beil fällt langfam nieder. Klar 
Springt auf ein blut’ger Strahl, und ſeht ihr nicht mein Haar 
Die blut’gen Tropfen überthauen ? 


JIungfrau'n, Ihr wollt vielleicht mic laden vor Gericht? 
Bom Blute rein ift mein Gewiſſen. 

Flieht, Jungfrau'n, Schatten, flieht, von ihnen einft gerifjen .. 

Ihr wart in jener Beit niht mehr, ih war noch nicht. 

Bas fordert Ihr von mir? Ich weint’ um Eure Qualen. 

Eoll ih der Väter Schuld vielleiht, der Enkel, zahlen? 
Was ftört Ihr mich mit finftrem Scherz? 

Barum die Leier reiht Ahr mir mit ftilem Grimme? 

Wolt Ihr ein Lied? Sol Neu’ etwa des Knaben Stimme 

Den Henkern fingen in das Herz? 


I. 


m Hallen, rings im Kreis von blut'ger Schaar umgeben, 
Sigt heut das hohe Blutgeridht. 

Der Staatdanlläger fteht, und feine Lippen beben 
Sataniih lähelnd,, wenn er fpridt. 

68 it Tainville, Er ruft Verbreder auf im Namen 

Des Baterlandes, die im Saal zufammer kamen: 
Die Mörder follen Richter fein. 
Er ſchreit, er lechzt nach Blut, der Grimme. 

Gr wirft dem Beil, das raucht, mit wilder Henkerftimme 
Die Opfer zu: „Da, die find Dein!“ 


Er ſpricht. Und in den Kreis ſchon fchleppen die Lictoren 

Die Unglüdjeligen, die heut fein Zorn erloren. 

Die Thore thun ſich auf mit fchmetterndem Gerauſch. 

Und von Soldaten rund und weinenden Gefichtern 

Der Freundinnen umringt, ftehn vor den Höllenridtern 
Drei Jungfrau'n, lieblich, ſchoͤn und keuſch. 


4 
Es murrt das Voll und Flucht ſtillſchweigend bem GSeſchicke, 
Bellagt fein Sklavenloos, und weint um diefe Drei, 


Und auf der Unſchuld läßt die Blicke 
Es ruhn, des Mordens müd, nicht mehr von Thränen frei. 


Ha, als in Ketten fie eintraten nun, die Holven, 
Bon Lügnern angellagt: warum denn barften nicht 
Die Dedgewölb’ entzwei, warum bo nieberrollten 
Die Trümmer nicht auf das Gezücht? 
Und unfre Krieger? — Web, ihr Heldenſchwert entehrten 
Zum Schirm des Schlächterftahls, des Fallbeils, die Bethörten. 
Eie fahn befledt ihr Schwert vom Beil, das fie beſchützt. 
Es war derfelbe Tag, der auf dem Eiegerwagen 
Moreau den Sohn, und auf dem Hochgericht fah ragen 
Den Bater, der fein Blut verſpritzt. 


Als unsre Führer, rings bebrängt von Feindeswogen, 
Mit Lorbeern der Cypreſſen Grün n 

Ummwindend, nah Paris mit ihren Bannern zogen, 

Da führte Friederich fein Kriegsheer vor Berbün, 

Berbün, der erfte Wal, die Flut der Ungebeuer 

Frankreichs rũckdämmend, wagt zu grüßen bie Befreier, 
Berbot’3 auch ftreng das neue Recht. 

Im Feſtſchmud angethan erſcheint die Stadt, und ledig 

Der Ketten, beut fie ih dem König an, der gnädig' 
Die armen Könige gerächt. 


Da war's, Jungfrau'n, wo Ihr die Sieger zu befränzen 

Gemwagt: wie konntet Ihr Euch doch fo ſchwer vergehn ? 
Ihr armen Opfer, tonntet glänzen 

Bor Blumen nicht das Beil, bededt mit Gträußen, fehn. 


45 


Nicht Died nur! Euer Herz gedachte nicht der Rache, 

Und die VBerbannten, die für ihre heil'ge Sache 

Sich wappneten, um mit den Zwingherrn ins Gericht 

Zu gehn, ihr ſtütztet fie, ihr gabet reihe Spenben, 

Dem Unglüd botet Bold ihr gern mit offnen Händen. 
Denn Brüder waren’3, Feinde nicht! 


Ach, um die fhöne That, um Tugenden, nicht Fehle, 
Seid, Mädchen, Ihr zum Tod verdammt! 
Dody weint: der Kläger bebt in feine Wüjtlingsfeele 
Sinein, von Eurem Reiz entflammt, 
Um einen Preis will er, Jungfrau'n, noh Eure Jugend 
Dem Henterbeil entziehn: — befledet Eure Tugend, 
Und man vergibt fie Euch! Macht zahm Euch nicht der Tag 
Der Schreden? — Theilt Euch nur mit ihm in das Verbrechen 
Und in die Schmach, und gern von Guerm. Ruhm losſprechen 
Wird Euch der Blut-Areopag. 


Ihr Schüchternen, was konnte gießen 
In dieſe Augen, füß und fromm, die ftolze Glut? 
Bas war's, das ihnen dann in Strömen lieb entfließen 
Des Zornes beil’ge Thränenflut? — 
D Heldenmuth in Yungfrau'nherzen! 
Laßt graufam die Tyrannen jcherzen 
Und Rettung für ein Mal, ver Seele eingebrannt, 
Anbieten: o, ich weiß, ihr hättet dem Gerichte 
Die Schuld der Heldenthat, dem Tod im Angefichte, 
Auch ohne diefen Sporn belannt! 


63 ift geihehn! Des Spruch geſtrenge Worte ſchallen. 


Des Spruchs? — Der Wuth, die Recht, Geſetz und Ordnung beugt. 


Gin dumpfes Murten läuft durch die gebrängten Hallen, 


f 


46 


Es hört das Bolt den Spruch mit Abſcheu an umd fchweigt. 

Sp wandert denn. zurüd in Eure Kerkerhöhlen, 
Yungfrauen, rein find Eure Seelen, 

Drum betet ohne Furt, tragt Euer Lodenhaar 

Geihmüdt niit Blumen no, ah, nur für kurze Stunden ! 

Die Mutter, die die Stirn Euch jüngft damit ummunden, 
Sie fah nicht, daß der Mohn des Todes drunter war. 


Den bunten Ehrenfhmud bringt Euch, es währt nicht lange, 
Auf Neu der Engel Schaar, fliegt Ihr nun bald empor, 
Und Euer Todtenlied, es wird zum Feſtgeſange, 
Und Himmelsjungfrau'n find’, die fingen Euch im Chor, 
Charlotte feht Ihr dort, die Judith, die Gerechte, 
Die Euch zum Voraus fhon an Euren Mördern raͤchte. 
@azotte, Elijabeth, die Sombreuil, bie den Tod 
Lang in den Adern trug und auf der blafien Wange. 
Sie ftreuen Weihrauch und erfreu’n mit ihrem Sange, 

AU die erwürgten Frau'n, ihn, den erwürgten Gott! 


DL 


Mein Auge ward getrübt, Gefichte ſchaut' ich bebend, 
Und bis ins tieffte Herz erfchüttert, aufgefchredt. 
Geſpenſter jchüttelten, mir über'm Haupte ſchwebend, 
Bahrtücer, lang und blutbefledt. . 
Der Zodeslarren, bie drei Gräber, das Gerüfte 
Erjhienen mir in grauer Wüſte, 
Dis Alles wiederum die Schwarze Nacht verſchlang, 
Die Jungfraum flohn, ih fah das Morgenroth erſcheinen. 
Jh war jo ganz allein, und mußte lang noch weinen, 
Als meine Leier nicht mehr Hang. 
Otiebet 1818, 








4“ 


134 


Quiberon. 
Pudor inde et miseratio. 
Tasitus 
Bierte Ode. 
L 


Jurch ſeine tolle Wuth entlarvt ſich der Verdammte, 
Des Daͤmons Sieg verhüllt drum nicht des Engels Fall. 
Des Himmels ew'ger Fluch, der ihn zu Boden flammte, 
Folgt auch im Glüd ihm überall. 
Ya, wenn des Himmels je wir zu vergeffen wagen, 
Sudt er und heim mit Schredendtagen, 
Die uns der Hölle Bild erneu'n. 
Yluttage, feurig roth, des Abgrunds grelle Strahlen, 
Bo das Verbrechen darf laut triumphirend prablen , 
Sie brechen über uns herein. 


Ir Dichter, die ihr ſteis nur längft vergangnen Jahren 
Und ihren Leiden folgt, die Schuldge oft gequält, 
d fingt die Greuel auch, die unfre Zeit erfahren, 
Bon denen no fein Mund erzählt. 
Kommt Einer jept und fingt von Frankreichs jungem Ruhme, 
Bon feiner Duldfamleit, von feinem Heldenthume, 
Welch Ihöne Frucht die Bildung trug... 
Laßt uns in Ruhe! Lest die neueften Geſchichten, 
Sieht jeden Ruhm hervor, doch wollt gerecht ihr richten — 
Schandthaten findet ihr genug. 


Kein ftrafender Prophet bin ich, fein Böllerlenter, 
Die Gott mir gab, von Erz iſt meine Leier nicht. 
Doch niederſchmettern möcht’ ich gern gepriefne Henker, 
Und Todte rächen im Gedicht, 
Den Daͤmon des Betrugs feſthalten für Minuten 
Im Siegeslauf, den Feind des Guten, 
. Der ew’gen Ruhm fi frewelnd ftiehlt; — 
Wie der Hellene, der, dem nahenden Orkane 
Zum Trog, mit feinem Arm allein, mit feinem Sahne 
Ein Kriegsſchiff fett im Laufe bielt. 


I. 


An feinem öden Strand ſah Duiberon erliegen 
Franzoſen, eine Schaar, bereit zur legten Pein. 
Zwei Führer winkten raſch, und die Geſchütze ſchwiegen, 
Entwaffnet lösten ſich die Reihn. 
Der Eine bot fein Haupt, zu retten feine Krieger, 
Und fih gefallen ließ der Sieger 
Der Uebereintunft blut’ges Pfand. 
Und vor den Fahnen warb und laut vor Aller Ohren 
Der graͤßliche Vertrag mit hahem Ernſt beſchworen; 
Die Beiden gaben ſich die Hand. 


Die treue Phalanx ging, leis knirſchend mit den Zähnen, 
Entwaffnet. Und ein Heer ſchloß fie in feinen Ring. 
Schnell lief das Volk herbei und pries, im Auge Thränen, 
Die Schaar, daß fie dem Tod entging. 
Beſiegt purchichritten fie die Felder ihrer Ahnen 
Die Rächer ihrer Königsmanen 
Nahm auf ein Kirchlein, morſch und alt, 


Rein Altar war mehr da, kein- Prieſter, leine Karen, * 
Sie ſahn umſonſt ſich um, zum Troſt für ihre Herzen, 
Nach des Gekreuzigten Geſtalt. 


Sie ſeufzten, beteten, die klägliche Gemeinde, 
Zerſchlugen ſich die Bruſt, und knieten wund ihr Knie; 
Bon den Gefangnen war nur Einer, der nicht weinte, 
Er, der fen Leben ließ für fie. 
Ir Führer ward, Sombreuil, mit rofig frifhem Munde; 
Sie rüdt heran die Todesitunde, 
Mit Freuden grüßt er fie, der Helv. 
Wie herrlich ftirbt der Chriſt beim Klang der Tobtenliever, 
Der fterben darf, allein, für feine tbeuren Brüder, 
Wie fein Erlöfer für die Welt! 


‚D Freunde, ſprach er, laßt das Weinen und das Klagen, 
Ahr athmet, und erjpart ift tauſendfacher Schmerz. 
Denkt, Euer Tod, wie viel und tiefe Wunden fchlagen 
Würd' er, ein Dold für mandes Herz. 
Zugleih mit Euern brech' ih nun auch meine Ketten, 
Für Eure Frau'n und Mütter retten 
Müßt ihr des Lebens jüßes Licht. 
Ihr werbet Freiheit, Glüd. und Leben wieder haben, 
Mein Herz beneibet nicht Euch. all die jchönen Gaben, 
Ihr neidet mir den Himmel nicht!" 


Die Leihentrommel dröhnt; es naht die legte Stunde. - 

Sombreuil gebt feinen Weg. — Abe, du fchnöde Welt! 

AH, Teine Schweiter hängt dem Bruder an bem Munde; — 
So farb ale Märtyrer der Held, 

Ein Biſchof, jelbit verbannt ven feines Zempels Schwelle, 
Begleitet ihn zur letzten Stelle, Ä 
Und fchweigte jelbit des Siegers Spott. 

B. Huge’s fümmtl. poetiſche Wei. ZI. 4 


Denn daB Rebellenheer, es follte ſchaun und beben, 
Wie Briefter und Soldat im Sterben, wie im Leben 
Treu ihrem König, ihrem Gott, 


IL. 


Ihr, denen er fein Blut ala Löfegeld vermachte, 
Preist Sombreuil glüdlich, preist den Herrn im Himmelslicht; 
Wer fo zum Himmel fährt, wem ſolche Glorie lachte, 
Dem ziemf ein Lied der Trauer nicht. 
Ir wart verbannt, Ihr kehrt zuräd zum Baterlande, 
Gelöst find der Gefangnen Bande, 
Und Freiheit lächelt hold Eud an. 
Seid fröhlich: denn die Dual des Kerfers hat ein Ende, 
Der Riegel Hirrt, und los der Feſſeln find die Hände, 
Jauchzt: denn vorbei ift Acht und Bann! 


Und wahr iſt's, daß fih auf die Kerkerthüren thaten 
Mit großem Lärm, Sie ſahn ein Banner blutgeftidt, 
Um dieſes ſchaarten fich fo Zührer ala Solvaten, 
Und: „Freiheit!“ jauchzten fie emtzüdt, 
„Brei find wirt" — riefen bie Gefangenen in Haufen, 
Und Viele eilten nachzulaufen 
Den milden Henkern, feelenfrob. 
Die Andern riefen: „Nun, Iebt wohl, zieht heim, ihr Brüder, 
In unferm Frankreich fehn wir Alle frei ung wieder!" — 
Sie ſahn ſich wieder, aber wo? 


Zu den Gefangnen drang ein Dröhnen, ein Getoͤſe 

Mit dumpfem Wiederhall. Sie fragen leis: „Was mag 

Das fein?“ — Der Bruder kommt, daß er den Bruder löfe, 
Ireu hält der Gieger den Vertrag. ’ 





N 
Noch forglos waren fie, weun auch erflaunt, und ferachen: 
„Wir bau’n auf Eure Treu’, ihr Freunde)” zu deu Wachen: 
Denn daß man Spielt mit Gib und Wort, . 
Die Armen wußten's nicht, und konnten es nicht faffen. 
Etatt aller Antwort fchleppt man fie durch blut'ge Gaſſen, 
Und über friſche Zeichen fort, 


GEs kam die Nacht, der Tag ftieg auf am Himmelsbogen, 
Sie gingen durdy die Stadt, fie dachten nicht ans Fliehn, 
Bor dem entjegten Boll in langen Schaaren zogen 
Zeichtgläubig Die Berbannten bin. 
Die armen Märtgreri — Was hatten fie ertragen | 
Und Einer eilte noch dem Andern dies zu jagen 
Mit todesfreudigem Heldengeift. 
Nicht murrend, ohne Furcht und Gtolz find fie gefallen; 
Daß Meineid noh zum Mord Gefangner fam, war Allen 
@in Leid, ein ſchmerzliches, zumeiſt. - 


Im Sichwald haust die Art mit mörberifchen Schlägen, 
Und Eich’ auf Eiche ſtürzt; den Löwen in der Ruh 
Beichleihen Jäger feig in dunkler Kluft, und legen 
Ihm Schlingen um und ſchnuren zu. 
Das Schlachten währte lang, und Frankreich mußt’, o Grauen, 
Den Mord Wehrloſer wehrlos fchauen, 
Und feiner Henler freies Spiel, 
So fah die Wittwe einft von Gdpendienerhänden 
Gemorbet fieben Soͤhn' in langen Qualen enden, 
Und Einer nad dem Andern fiel. 


Das war das Werl, das ein gepriefner Rath beichlofien, 
Ein bundertarm’ger Leib, bejeelt vom böfen Geiſt, 
Durch unfre Furcht allein jo hoch emporgeichofien, 

Ein Nichts und doch unendlich dreift, 


Der eiſerne Koloß zerſtel in blaͤt'gem Sumpfe, 
Gs hofft auf dauernde Triumphe 
Des Fauſtrechts losgebundne Kraft. 
Doch der Pygmalidn weiß feinen Bildern Leben, 
Den Ungebeuern, nit und Odem nicht zu geben 
Den Goͤtzen, die er ſich erichafft. 


W. 


Man fagt: noch bente zieht, wallfahrend zu dem Grabe 

Der Zapfern, deren Blut einjt trant das Todesfeld, 

Die Jungfrau und ber Greis, gebüdt an feinem Stabe, 
Und mander junge Knab' und Helv. 

Den Himmel bitten fie um Rache nit, um Neue 

Für jene Mörder nur. Daß ihnen Gott verzeibe, 
Das ift’8, was der Bretagner bofit. 

Der Pilger, welcher bier am Grab der Opfer betet, 

Im Land, dad Mord und Brand feit alter Zeit gerötbet, — 
Ein Märtyrer ift jelbit er oft. 

. Februar 1821. 








Fadwig der Siebenzehnte. 


Capet, erwache !° 


— — 


Fünfte Ode. 


L 


Des Himmels goldnes Thor ging auf, von. Glanz umflofien, 
Das Allerbeiligfte war plägli aufgefchlofien , 
Und unverfchleiert lag des Himmels lichter Plan. 
. Die Auserwählten ſahn durch die gejtirnten Hallen, 
Im Kreis von Engeln, die an ihrer Seite wallen, 
Eich eine junge Seele nahn. 


83 war ein fchönes Kind, doch traurig von Geberbe, 

Im blauen Auge Sram, fo kam es von der Erde, 

Auf blaffe Wangen fiel herab fein goldnes Haar. 

Ein Feftgefang erfholl, die Balıne gab zum Lohne 

Dem Märtyrer, ibm gab der Unſchuld Lilienkrone 
Der Himmelsjungfrau’n lihte Schaar. 


34 


IL } 
Und Stimmen hörte’ man aus goldner Wolle fchallen : 
— ‚Du, reines Rind, auf Dich fieht Gott mit Wohlgefallen, 
Komm, kehr' in feinen Arm, der liebend Dich umſchlingt, 
Und Ihr, die Ihr ihn preist mit Harfen und Drommeten, 
Erzengel, Seraphim, Propheten, 
Beugt Euch: ein König iſt's! Ein Märtyrer: Lobfingt 1" 


— ‚Bo war ich Konig denn?“ — So fragt das Kind mit 
Trauer. 

Im Kerker ſaß ich, ah, und nie auf einem Thron, 

Entſchlafen geftern bin ich hinter falter Mauer. ’ 

Ich wär’ ein König, ich, des ärmften Vaters Sohn? 

Er warb binweggerafft in herben Todeswehen, 

Mit Galle tränkten, die den Vater umgebracht, 

Die Waiſe! Laßt mich hin zu meiner Mutter geben, 

Die bier ich fah im Traum der Nacht.“ 


Die Engel ſprachen: „Gott gefiel’, Dich zu erlöfen, 
Dein Heiland rief zurüd Dich aus der Welt der Böfen: 
„‚Berlaß die arge Welt, wo man das Kreuz verflucht, 
Wo felbft der Tod nicht ſchutzt vor Königsmörderkrallen, 

Ya, wo fogar in Gräberhallen 
Durchwuhlend frevle Gier nad Koͤnigen noch ſucht.“ 


— „Wie,“ ſprach die Seele, „hab' ich endlich ausgelitten? 

Der bittre Kelch, fo wär’ er doch geleert einmal ? 

38 wahr? — Und morgen kommt fein Schließer, der mid 
mitten 

Aus diefem. Himmelstraum wirft in des Kerlers Qual? 


D Gott, wie bat id) oft auf meiner Lagerftätte . 

Dich heiß: erlöfe mid aus meiner tiefen Noth? 

So haſt du mid) erhört, zerbrochen meine Kette? 
Kein Traum ift’3? Selig bin ich, todt? 


Ihr wißt e8 nicht, wie mich gequält in ihrem Grimme 

Die Menſchen, Tag für Tag, in jenem Folterthurm. 

Und weint’ id, tröftete mich feiner Mutter Stimme, 

Kein Mutterauge ſah nad dem verlaffnen Wurm. 

Bom Stamm gerifin war ein Neis ih; blaß von Wangen, 

Berſchmachtet lag ih da, bevedt mit Haß und Hohn, 

Ein Sträfling ſchon ala Kind. Was hatt’ id denn begangen 
Für Simden in der Wiege fon? 


Und doch aus frühfter Zeit Erinnerungen, füße 
Und beitre, ftiegen mir, dor jener Qual, empor. 
Ich hört’ in meinem Schlaf des Ruhmes laute Grüße, 
Ein jubelnd frobes Volt ftand vor des Schloſſes Thor. 
Auf einmal ward es Naht, der Glanz war hingeſchwunden, 
Und jelbft ‘vie Hoffnung ſchwand, id war ein Bettler faft, 
Ein armes, ſchwaches Kind, allein zu allen Stunden, 
Und, weh mir, aller Welt verhaßt. 


Lebendig haben mid) die Böfen eingemauert, 

Der Sonne Strahlen ſah' im Jahr ih einmal kaum; 

Doch Euch, Ihr Brüder, Euch, Ihr Engel, oft durchſchauert 

Von Wonne ſah ich Euch an meinem Bett im Traum. 

Geknickt von Mörderhand wohl hab' ich ſchwer gelitten, 

Allein die Schlechten, Herr, ſind nie von Qualen frei. 

Drum, Vater, ſei nicht taub, wie ſie, für meine Bitten, 
Sei ihnen gnaͤdig und verzeih'!“ 


56 
Die Engel fangen: „Komm mit uns, Dir thun die Türen 


Des Heiligthums ſich auf, und Deine Stirne zieren 
Wird leuchtend hell ein Stern, da, nimm Dein Flügelpaar. 


Komm, wiegen wir ein Kind, das weint, es foll uns laden, 


Laß uns der Sonne Blut entfachen 
Mit unfrem Hauch und jung foll flammen fie und klar!“ 


In. 


Die Engel ſchweigen ftill, und die Erwählten lauſchen; 
Sein Auge ſenkt das Kind, von Thränen übertbaut, 
Die Welten halten ftill im Lauf, die Lüfte rauſchen 

Nicht mehr, im Himmeläraum erfhallt des Em’gen Laut: 


„Ich hielt, o König, ſtets Dich fern dem Glanz der Krone, 
In Ketten wart Du nur geborgen vor dem Throne, 

Drum fegne Dein Gefhid, mein Kind. 
Bon Feſſeln war Dein Arm ſchon wund in jungen Sahren, 
Doch von der Krone nie Dein Haupt, und nie erfahren 
Haſt Du, daß Fürften Sklaven find. 


Hu Boden brüdte Did, mein Sohn, bed Lebens Bürbe, 
Doch raufchte Jubel Dir und Ahnung hoher Würbe 
In Deiner Wiege fon um's Obr. 
Selbit Deinem Heiland warb nur Schmach, dem Gottesfohne, 
Ein König trug, wie Du, er eine Dornenkrone 
Und ftatt des Herrſcherſtabs ein Rohr.“ 
December 1822, 


Bir Wiederanfrichtung der Pildfänle Heinrichs IV. 


Adcingunt omues operi, pedibusque rotarum 
Subjiciunt lapsus, et stupea vincula oollo 
Intetdunt... Pueri circum innuptaeque puellae 
Sacra canunt, funemque mann contingero gaudent. 
Virgil, 


Schöte Dde. 
L % 

Dentmäler ſeh' ih ſchon in grauſter Zeit erftehen, 
Bon hundert Königen erbaut ſich felbit zum Ruhm. 
Halbgötter waren fie und mußten doch vergehen, 

Und ihre Säulen fielen um. 
Wer, Alerander, kennt dein Bild? — Em Fiſcher fchreitet 

Daräber bin: es liegt gebveitet 

Als Pflafterftein zum Bartbenon. 
Umfonft an Memnons Bild mit jedem jungen Tage 


Im BWüftenfand erhebt Aurora ihre Frage, 
Aus feinen Trämmern Hingt kein Zon. 


Die Thoren! Slaubten fie Altäre fi) zu zimmern 

Und fi Unfterblichleit zu fihern im Metall? 

Des andern Tags vielleicht Schon Tagen fie in Trümmern, 
Ihr Name war ein leerer Hall. 

Auft: „Blag gemacht!" nicht eft ein Flüchtling dem Idole? 
Und Eulla, auf dem Kapitole, 
Wirſt Marius vom Bieveftal. 


Der Weiſe lächelt kalt zum bittern Schichſalshohne 
Mit dem Demetrius, wenn Theodos die Krone 
Verflucht und Schmach nur fieht und Qual, 


als Erbtheil bleibt vermacht dem edlen, theuern Bilde 
Die Ehrfurcht, die erwarb der Held fo rein und hehr, 
Noch heut beberriht Trajan die römischen Gefilbe, 
Schutt find die Tempel des Tiber. 
Dft bat im Bürgerkrieg, wenn über Städt’ und Fleden 
Bermwüftend fi ergoß der Schreden 
Der roben, brüllenden Gewalt, 
Ein Held von Marmor, ftarr, den Strahlen doch durchzüden, 
Die Horden, wild empört, mit ruhig feiten Bliden 
Gefeſſelt dur ein ftummes: „Halt!“ 


I. 


Doch liegen denn fo weit zuruck die Unglücksjahre, 

Wo gegen Heinrich felbit ven Arm erbob Paris, 

Und fi durch fein Verdienft um’3 Boll, das undankbare, 
Nicht rühren, nicht entwaffnen ließ? 

Bas fag’ ih? Geſtern war fein Standbild noch vergöttert, 
Und beute liegt’3 vom Bolt zerichmettert, 
Und dann burdmwüblen fie fein Grab, 

Die Tempelfhänder, und fie fordern, wie zum Hohne, 

Den Abdrud feiner Stirn, der eifigen, dem Thone, 
Das Bild des großen Todten, ab. 


Sie wollten wohl von ihm ein befires Bild zu [hauen 

Uns geben, und verwifcht das Unrecht, das gejchehn ? 

Wir follten — faßte fie vor ihrer Schuld ein Grauen? — 
Ihn fchöner noch geftaltet fehn? 


D nein! zufrieden nicht, fein Standbild nur zu ſchänden, 

Auch feinen beil’gen Sarg mit fredhen Näuberhänben 
Zu brechen haben fie. gewagt. 

So in der Wüfle fpielt, und fucht mit tollen Sprüngen 

Der Tiger, brüllend laut, den Schatten zu verfhlingen 
Des Leihnams, den er abgenagt. 


Ich ſaß am Seine-Strand, und hatte viel zu Hagen: 
„Wohl fiehft du Jvry no, o Fluß, wo Er geftrahlt. 
Doch ift die Flut verraufcht, die, in ber Väter Tagen, 
Sein Antlig fpiegelnd abgemalt. 
D Heinrich, edler Fürft, wann wirft Du wiederlommen? 
Zu früh, ah, warbft Du ung genommen, 
Du, und Dein Bild voll Majeftät. 
Tie Krieger ziehn ins Feld, und grüßen nicht den Helden, 
Der Fremde lommt und fragt, und Niemand kann ihm melden, 
Wo Heinrichs Bild, des Vierten, ftebt. 


IL 


Bas rauſcht heran? Wo wälzt ſich hin die laute Heerde? — 
Des Königs Fahnen ſind's, wer ſchwingt fie uns zum Gruß? 
Gott, welche Maſſe, wel ein Jubelruf! Die Erbe 
Dröhnt endlos unter ihrem Fuß. 
Antwortet! — Gott, Er iſt's? — Es find bie edlen Züge! 
Das Bolt, berauſcht von feinem Siege, 
Auft Heinrichs Namen hochvergnügt! 
Wo alle ®elt entzädt, verſumme, meine Leier | 
Dein Lied verhallt im Rauſch der allgemeinen Feier, 
Bo Frankreich Ihm zu Fußen liegt? 


“ 


Sieh den Koloß, er rollt, ihn fchleppen taufend Arme. 

Arbeite mit, mein Arm, wo Alles ſchiebt und zieht! 

Mag meine Kraft fih auch verlieren in dem Schwarme, 
Benn Er vom Himmel nur mich fieht. 

Dir weiht das Volt dies Erz, o Heinrich, Deinem Ruhme, 
Gleich Duguesclin bift Du die Blume 
Der Ritterihaft und Bayard gleich, 

Sin Liebesdenkmal ift’3. Die Wittwe, Dir zum Preife, 

Gab ihren Groſchen ber, ihr Scherjlein gab die Waiſe, 
Den Sou der ärmfte Mann im Neid, 


Franzoſen, zweifelt nicht, das Leid, das Unterbrüder 

Euch angethan, vernarbt mit Seiner Wiederkehr. 

Lobt Gott: denn unter Cuch ift nun ein Vollöbeglüder, 
Ein König, ein Franzoje mehr. 

Ihm Ihwören Treue wir, wenn wir zum Kampfe fliegen, 
Sein Anblid gibt ung Kraft zum Giegen, 
Und Muth in jeglicher Gefahr. 

Denn feiner Thaten Buch wird künftig aufgefchlagen, 

Die Väter brauden dann den Kindern nicht zu fagen, 
Wie zaubermild fein Lächeln war. 


IV. 


Kommt, junge Freunde, ſchaart Euch unter ſeinem Bilde 
Zum Reigen, fingt und ſcherzt, und Kleiner bleibe fern. 
Heinrich der Gute — fein Geſicht ift lauter Mile — 
Er fegnet Euern Jubel gern. 
Weh über jenen Prunk tyrannifcher Koloſſe, 
Bom Boll, dem armen Stlaventrofie, 
Erbaut mit langer Muh' umb Dual! 


ot 


Wie anders diejes Bild! Froh ſchwingt das Boll die Hüte, 
Und grüßt den Yreund des Bolls, deu König voller Güte, 
Und feines Blides milden Strahl. 


Mag der Grobrer, der die Perser einft gejchlagen, 
Und müb war, in Metal und Stein fein Bild zu Shaun, 
Im tollen Uebermuth die ftolze Drohung wagen: 

Sein Bild dem Athos einzubaun | 
Mag aud ein Pharao, dem Stolz und Wuth beftürmen 
Das wahnfinntrante Hirn, auf Felſen Felſen thürmen 

Db feinem Sarg, dem großen Nichts. 
Sein Name ftirbt, und Nichts bleibt übrig ala der Schatten 
Der Pyramiden, der ein Labfal ift dem matten 

Bilgrim im Brand des Sonnenlichts. 


Und fiele durch den Zahn der Beit, durch wilde Triebe 
Bethörter no einmal, — Gott gebe, daß das Wort 
Nie Wahrheit wir! — das Bild, das Denkmal unfrer Liebe, 
Er lebt in unfern Herzen fort. 
Doch dort am fernen Nil die fteingethürmten Berge, 
Bededend hundert Königsjärge, 
Berbrödeln fi und fallen ab, _ 
Tem Beijen zeigen fie nur die Gewalt der Zeiten, _ 
So mädhtig fie vor ihm fi heben und ſich breiten, 
Mas find fie? — Ein zerfallnes Grab. 
Sebruar 1819, 


Ber Coed des Herzogs von Berry. 


Mit gewaltfemer Hand 

Lbſet der Mord auch das heilige Band, 

In fein Aygifches Boot 

Rafft der Tor 

Auch der Zugend bluhendet Leben. 
GSchiller. 


Siebente Ode. 


L 


® mäßigt Eure Luft, das trunlene Entzüden | 

Schnell wandelt fi in Schmerz die Yreude, kaum verglüht! 

Die Schwere, kalte Hand pflegt gern der Tod zu drüden 
Auf Stirnen, die ein Kranz umblüht. 

Schon morgen fenlen wir das Haupt, bevedt mit Aſche, 
Und, faſt wie Sünde, macht der raſche 
Seftraufd, wenn er verflog, ung bang. 

Kein Spiel, fein Scherz, der nicht ſich mifcht mit Ieifem Harme : 

Die froben Hymnen felbft beim Feſt find für und Arme 
Vorſpiele nur zum Grabgeſang. 


IL 


In Trauer bülle dich, Paris, den Feitgefängen 

Gebiete Stille, fieb, was dort dem Blick ericheint, 

Nah jenen Hallen ſchau, wo mit der Leier Klängen 
Der Künfte Zauber ſich vereint, 


Ir Chöre, ſchweigt! Hört auf, zu tanzen und zu ſcherzen, 
Berwandeln muß in Leichenlerzen 
Sid diefer Flammen beitres Lit, — 

An einem blut’gen Bett dort unter der Rotunde 

Hör ich den Priefter, der mit bebend leiſem Munde 
Die frommen Sterbgebete ſpricht. 


In diefen Räumen, bie erzittern von dem Toſen 

Der Luft, umfteht ein Bett, auf welchem röcelnd leis 

Ein Opfer liegt, den Blick geſenkt, den boffnungslofen, 
Bon Traurenden ein hoher Kreis. 

Sin Vater tniet und weint, ein Bruder ſchwimmt in Zähren, 
Die Schweſter,* ah, fie muß entbehren 
Im Schmerz der Thränen linden Troft. 

Bertrodnet ift ihr Aug’ in langen Leidensjahren, 

Das männlich heiß geflammt, wenn Schreden und Gefahren 
Die junge Dulderin umtost. 


Sie fah auf dem Schaffot ſtolz, Töniglih, erhaben 
Die Mutter fallen, wie den Bater ; fterben ſah 
Den Heinen Bruder fie, a, den gefangnen Knaben, 
Für fie nur war kein Henter da. 
Und als der Fürftenbund gebrodhen ihre Bande, 
Da lebte fie im fremden Lande 
Fern unfrer oden Heimatbflur. 
Sie fam ind Vaterland zurüd, nad langem Trauern, 
Do lernen follte fie in ihrer Väter Mauern: 
Zum Schmerz geboren ſei fie nur. 


oSchwagerin, die Herzegin von Ungonlöme, 


64 


Sieh dort, die Battin . ., Ha, wer malt bie Seolenſchmerzen 
Die zarte, ftarle Kraft, vie Liebe, treu bemüht? 
Welch berbe Klage ringt fih los aus ihrem Herzen, 
Wie keine Hoffiung mehr ihre blüht! 
Siciliihe Jungfrau, wir jauchzten Dir entgegen, _ 
Als feine Hand in Deine legen 
Wir jüngft den edlen Berry fahn. 
Web, mußte fhon fo raſch nach dieſer hohen Feier 
Anftatt des bräutlichen der ſchwarze Wittwenfchleier, 
D tbeure Fürſtin, Dih umfahn? 


Als, Berry, Deinen Sieg im Frieden wir befangen, 

Da war's, wo ihren Kopf die Anarchie erhob, 

Der Drache brüllte laut, e8 zifchten taufend Schlangen, 
Die Hölle felber knirſcht und ſchnob. 

Ihr Feuer flammt’ empor. Laut auf aus finftrem Schlunde 
Schrie Element mit verrubtem Munde, 
Und Ravaillac fhwang fernen Stahl, 

Das Ungeheuer ftieg, von Koͤnigsmörderſchatten 

Degrüßt, bie ihre Luft am neuen Frevel hatten, 
Geflügelt auf vom Ort der Dual. 


Der böfe Geift, der oft den Flug zu ung gewendet, 

Ausrotten wollt’ er nun die Lilien, oft gefnidt, 

Den Stamm vertilgen, der fo edle Sprofien jendet, 
Das Fürftenhaus, das uns beglüdt. 

Lang ſchlich der Scherge, den zum Werkzeug er erloren, 
Dem Opfer finnend, wie verloren 
In fürdterlichen Träumen, nad), 

Zulegt — Gott ließ es zu — vollbracht’ es der Rebelle! 

Daß unjer Feittumult ihm dient’ als Morbgefelle, 
Beweinen laßt ung dieſe Schmad) ! 


Es bligt ein Dolch.. ein Schrei.. Soldaten, helft! — Geflogen 

Kommt ſchnell die Herzogin, nimmt Berry's Arm und ftüht 

In fanft, fie überſchwemmt ihn faft mit Thränenwogen, 
Sie fieht von feinem Blut befprigt. 

Macht ihm ein Bett zurecht — Blimmt noch einHoffnungsfunten? — 
Sie ſchweigen, ftehn in Schmerz verfunten, 
Sie ahnt, nun ftirbt er, ihr Gemahl. 

O Gattin, bleib’ ihm nah in dieſer Schreckensſtunde! 

Die Kunſt der Aerzte kühlt ihm nicht die heiße Wunde, _ 
Berfühe Du ihm feine Qual. 


Komm ſchnell, denn ein Bourbon liegt auf der Todtenbabre, 
D greifer König, komm, trüb wird fein Auge ſchon, 
Drück ihm das Auge zu, denn Deiner grauen Haare 
‚Licht, Troſt und Hoffnung war Dein Sohn. 
Auf feiner Tochter Stirn bat feine Hand gelegen, 
Er gab ihr feinen Baterfegen, 
Und fchüttelt’ ab des Lebens Joch. 
Wie lebend er fein Leid verziehn dem Baterlande, 
So gütig, engelgleih war er am Grabesrande: 
„Berzeibung !’ — feufzt’ er fterbend noch. 


Erchabner Tod! — O Bolt, fühlft du die tiefe Wunde? 
Schütt aus dein Herz, das Gram und Trauer nur erfüllt I” 
Du haft ihn wenig nur gekannt: die legte Stunde 

Hat dir den Heros erft enthüllt. 
Der Witwe bringt ihr Kind, erheitert ihre Mienen, 

Leot’3 in die Arme Garolinen, 

Daß fie ans Leben wieder glaubt. 
Doch wenn den legten Zweig vom Königsftamm fie ſchneiden, 
Ber tröftet Frankreich denn in feinem tiefen Leiden, 

Die Fürftenwittwe, ganz beraubt ? 

B. Hung’ fimmil. poetiſche Qerte. Ik 


Der Sühneruf durchdringt die Reiben unſrer Krieger, 
Die unſres Volles Ruhm gegraben einft in Erz. 
Europa, bebend noch vom Jubelſchrei der Sieger, 
Hallt wieder jegt von ihrem Schmerz. 
Und was fagft bu, Vendée, bu treue, tapfre, gute? 
Du ſchwammſt fo lang in edlem Blute, 
Dein Erbtheil iſt ein Thränenmeer, 
Der Mutter gleichft du wohl, der Gram das Herz zerrifien, 
Sie figt auf ihrem Bett und weint und weint ins Kiffen: 
Ahr Kind, Ihr Alles, ift nicht mehr, 


Bald ziehn nah Saint-Denis wir Alle, unterm Klagen 
MWehmüthiger Muſik, Volt, Heer und Geiftlichkeit. 
Wir folgen ernften Schritt? dem ſchwarzen Leichenwagen, 
An den der Pomp des Kriegs ſich reiht. 
Ha, Saint-Denis, du ſahſt von blutbefledten Händen 
Die Gräber feiner Väter fchänden, 
Sie riffen fie aus ihren Truh'n! 
Mag denn vor roher Hand gefchügt, bei leeren Särgen, 
In der entweihten Gruft, ſich feine Aſche bergen, 
Und ungeftört, in Frieden ruhn! 


NL 


Enghien wird ftaunen, ſieht im Himmel er ſich nahen 

60 früh den Freund, dem jung fein Herz er dargebracht, 

Ihn, dem Condé, der Greis, als wir ihn fcheiden ſahen, 
Des Wohlthuns fühe Pflicht vermacht. 

Die Schatten unfrer Herrn, der Könige, fie ſchauen 

Auf diejen legten Aft von ihrem Stamm mit Grauen, 
Der mit Gewalt gebrochen liegt, 


Zwei Helden werben laut um ihn zufammen lagen, 
Der Eine, der den Feind bei Ivry bat geichlagen, 
Und der, der bei Rocroy gefiegt. 


Kai biſt Du, 0 Bourbon, bei dieſer Schredenzfunde 
Zu Artois bingeeilt, Du kennft ja, tiefbeweat, 
Den Schmerz des Vaters, abnft die unbeilbare Wunde, 
Die ſolch ein Tod dem Herzen jchlägt. 
Dod weh, unfiher wird Dein Schritt, die Glieder beben, 
Du ſiehſt vor Deinem Auge fchweben 
Bincennes, und jenen Schredenätag. 
Blaß wirft Du, und Artois, von gleihem Schmerz durchſchauert, 
Bergibt das neue Leid mit Dir, fürwahr, und trauert 
Mit um den alten, berben Schlag. 


Du aber, Wittwe, fteh’ im Sturm nur um fo feiter, 
Hoff auf ein befires Loos, es wirb noch Alles gut. 
Zum Borbild nimm Dir ftet3 die vielgeprüfte Schwefter, 
Groß wie Dein Unglüd jei Dein Muth. 
Ad, eine Urne haft Du nun, mie fie, zu tragen, 
Im beil’gen Raume wirft Du Hagen . 
An einem Sarg, vereint mit ihr, 
Der Dämon, Bürgerkrieg, dem Höllenpfuhl entflogen, 
Der Deiner Schwefter Stirn mit Wollen oft umzogen, 
Er füllt den Thränentelh auch Dir! 





IV. 


Doch, wenn Gott feine Macht will kundthun an den Schwachen, 
An Dir, die kaum noch ftügt den alten Konigsſtamm, 
Dann retteft Frankreich Tu, und jenem Hoͤllendrachen 
Sol höher ſchwellen nicht der Kamm. 
So, als die Schlange , bie uns einft verführt zur Sünde, 
Den Menihen in der Hölle Schlünde 
Zu ftürzen fuchte duch Verrath: — 
Den frechen Uebermuth, Gott duldet' ihn nicht' lange: 
Ein ſchwaches Weib erſchien, und ſie war's, die der Schlange 
Den gottverfluchten Kopf zertrat. 
Sebruar 1820, 


Bie Geburt des Herzogs von Bordranr. 


Der Himmel thut zu ihren Gunften Wunder auf Wun⸗ 
der. Zofephn Nachkommenſchaft kehrte zurüd in das Land 
Bofen, und diefe Eroberung, welche die Sieger mit ihren 
Thränen erfauften,, koſtete die Beflegten nicht eine Thräne. 

Chateaubriand, die Märtyrer. 


Achte Ode. 


L 


Marum, o Wandrer, ſprich, wird beut mit Einem Male 

Die Naht zum lihten Tag und glänzt in buntem Strable? 

Warum den Himmel färbt der glühend rothe Rauch? 

Barum aus biefer Stadt, die ftrahlt in alle Fernen, 
Steigt endlos, braufend zu den Sternen, 

Ein wirrer Jubelſchrei empor im Abendhauch? 


IL 


Triumph! Das Giegel ift gebrochen | 

Dos Wunderkind — o hoher Sieg! — 

ft da, der Engel, den verſprochen 

Der Dulder, der zum Himmel ftieg ! 

Der Zukunft Schleier ift gefunten ! 

Heil, Flamme, dir, an deren Funken ‘ 
Die alte Fadel neu erglüht! 


70 


| Heil deinem morgenrotben Ruhme, 
Du junge Lilie, zarte Blume, 
Die einem friihen Grab entblüht ! 


Gegeben hat das Kind ung Gott, der Gott der Frommen; 

Die Glode ladet ung, zum SHeiligthum zu kommen, 

Zum Felttag hat fie ung den fchönen Tag gemacht. 

Gegeben bat das Kind und Gott, der Gott der Heere! 
Den Märtyrern der Kriegerehre | 

Scholl die Kanone drum laut, wie am Tag der Schlacht. 


Heut, 100 des Donners ftolgem Schreden 
Der Gloden heil’ger Laut ſich mengt, 

O Schläfer, kann dich Nichts erweden, 
Den Saint⸗Denis' Gewölb' umfängt? 


Steh’ auf, betrachte Heinrichs Züge 
In der vom Volk geſchenkten Wiege, 
Und Inüpfe ftill der Liebe Band. 

Die Arme breite fanft entgegen 

Dem Königskind, den Königsvegen, 
D Vater, leg’ in feine Hand. 


Ad, Er ift fernt Er wohnt im Himmel bei den Frommen! 
Sm diefem Augenblid getröftet, grüßend kommen 
In feierlibem Zug wohl feine Ahnen ſchon: 
Gemordet gab zuräd den Helden er dem Grabe, 
Dem gierigen, ala Opfergabe, 
Den Fürſten dem verwaisten Thron, . 


Stolz unter diefen Edlen, eben 
Sich reihend um des Himmels Thron, 
Mag feine Stirn gekroͤnt ſich heben: 


ri 


Der neue Koͤnig ift fein Sohn! 

Ein ebler Stamm, der nie wird enden, 
Sproßt glüdlich aus des Opfers Lenden, 
So aus des Himmels Näbe fpringt, 

Aus dem Gebirg, dem boben, jchroffen, 
Hervor, das Gottes Blitz getroffen, 

Ein Strom, der Heil dem Lande bringt. ' 


N 


Dem Sprofien Heinrich Heil! Der Stamm ift num geborgen; 
Ein neuer Joas wird, am Abend wie am Morgen 
Im Schatten des Altars, er reifen für den Thron, 
Und, wie Cornelia, wird hoch die Stirne tragen 
Frankreich und ihren Schweitern jagen: 
„Mein Shas, mein fchönfter Ehmud und Reichthum ift mein 
Sohn !* 


ML 


Lab Did von mir mit Blumen ſchmücken, 

Die huldigend vie Liebe flicht, 

D Du, gefuht von taufend Bliden, 

Ad, nur vom Baterauge nicht! 

Magft Du, geboren umter Leiden, 

Sn ihrem Gram ein Tröfter Beiden, 

Frankreich und Deiner Mutter, fein! - 

Gelzönter Bourbon, Deine Pfade . 
Beihüge ftet3 des Himmels Gnade, j 
Nie fei Dein Thron ein Stk der Pein! 


Der Mutter, wenn fie weint, o lächle-zu, und — böre, 
Mein Kinn! — tim Spielen ziehft Du weg die Trauerflörs, 


12 


Die Deine Wiege ſchwarz, wie einen Sarg, ummehn. 

Berſcheuch' uns Schmerz und Gram, die alt’ und neuen Sorgen, 
Sei uns ein rojenfarbner Morgen, 

Laß ung nad langer Naht die Freudenjonne jehn. 


Dein König eilt Dir froh entgegen, 
Wie Du erblidt des Lichtes Bier, 
Vollzieht, noch vor dem Prieſterſegen, 
Die Taufe von Béarn an Dir. 

Die Wittwe reicht Dich dar der Waije, 
Und mit dem meißgelodten Greife 

Tritt ein die kühne Helvdenfrau. 

Das. Bolt, das jüngft auf leifen Sohlen 
Sid in das Louvre bat geftoblen, 
Jauchzt laut jegt um den ftolzen Bau. 


Heil dir, o Heer und Voll! — Borbeaur, erbeb’ aufs Neue 

Dein Haupt, du edle Stadt, du, bie einft ihre Treue 

Bor allen andern fund der Lilienblume that. 

Und du, Bendoe, bie Er, der fiel, fo gern zum Siege 
Geführt, ſieh ber, in diefer Wiege 

Liegt Frankreichs Fürſt, dereinft dein tapferfter Soldat! 


IV. 


Legt wieder an dag Schiff am Strande: 
Die Wittwe bleibt, die hohe Frau. 

. In ihrem neuen Baterlande 
Erſcheint der Himmel wieder blau, 
An Frankreich feflelt fie ihr Hoffen; 
Dort, wo den Baum der Blig getroffen, 
Intipringt em Schöpling, friſch und neu. 


7 


Die Liebe hält die fromme Taube, 
An einem Grabe fledt ihr Glaube, 
An einer Wiege wacht fie treu. 


Bas findeft Du aud dort in Deinem Heimathlanne, 

D rau? — Parthenope zerreißt die alten Bande, 

Den Frembling lodt dorthin ein Winter ohne Schnee: 

Doc web, Palermo rast, Meſſina ſteht im Feuer, « 
Sictlien tobt, wen wär’ geheuer 

In jenem Paradies, umraufht von biut’ger See ? 


Speit, ihr Vulkane, Glut und Scähreden ! 
Mag eines neidſchen Gottes Hauch 
‚ Aufs Neu die wilden Riefen weden 
Zief in der Berge zorn’gem Bauch. 
Im Angeſicht der rothen Laven, 
Was ſeid ihr, uͤbermüth'ge Sklaven, 
Dhnmädtiger Verſchwoͤrerbund? 
Ihr wollt befrei'n Euch, wollt Euch rächen? — 
Indeß ihr auszieht auf Verbrechen, 
Bebt unter Euch der Erde Grund. 


Bleib hier, Sicilierin, ruh' aus in Frankreichs Schooße, 
Dort wird fein Glüd Dir blühn, bier warten heitre Looſe 
Dein, bei der Lilie Duft, der keine Stürme drobn, 
Wo Ration und Yürft vermäblt zur guten Stunde, 

Bo nit zum wilden Ehebunde 
Ziar’ und Helm fi) eint, und Thron und Faltion. 


V. 


Wohl uns! Der böfe Dämon raſtet, 
Und eine fhönre Zukunſt grünt. 
Die Schuld, die unfer Haupt belaftet, 
Iſt durch die Unſchuld num gefühnt. 
. Sonft war's der Schiffer Brauch, wenn fhäumend 
Die Wogen, himmelhoch ſich bäumend, 
Dem Schiff fib warfen in den Lauf: 
Dann bängten fie, gewiß, dem Riffe 
Heil zu entgehn, am ſchwanken Schiffe 

Die Wiege eines Kindes auf. 

Oftober 18%. 


= 
.» 1 


Bie Laufe des Herzogs un Perdeaur. 


Sinite parvulos venire ad me! — 
— Venerunt roges. 
Evangelium, 


Reunte Ode. - 


Die Völker dieſer Erde riefen: 

„Web, brady die letzte Zeit fon an? 

FJer in der Finſterniß, Der tiefen, 

Gehn wir auf unbelannter Bahn. 

Wohin? — Wer foll den Weg uns weiſen, 
Uns, die gebeugt ein Arm von Eiſen? 
Führt uns der Strahl ins Segensland ? 
Blämt er zum Fluch uns? uns zum Helle? 
Iſt es des Himmels Teuerfänle? 

Web, oder iſt's ein Höllenbrand 3 


Die Yürften trennen fi, die Thoren, 
Die Heerde fällt vom Hirten ab, 
Und ver den Yascen der Prätoren 
Berbricht der Könige goldner Stab. 
Altäre finlen, Throne beben, 

Un beiden Dceanen heben 


Hoch ihre Häupter die Partei'n. 


8 


Es reden ſich ehrgeiz'ge Sklaven 
Empor, die, Schlangen gleich, geſchlafen, 
Die Zwerge wollen Rieſen ſein. 


Web uns, wir rühmten ohnd Zagen 
Uns unfrer ſchweren Miffethat, 

Der Sünden, wie in alten Tagen 
Kein Bolt fie je begangen bat. 

Aufs Ende deuten alle Beichen, 

Den Frevler wird die Straf’ erreichen, 
Der Tag der Rache bricht herein, 

Was er verdient, das wird er finden; 
Nur Eins noch fehlt zu feiner Sünden 
Endloſer Zahl: die ew'ge Bein" — 


Gott ſelbſt will ihrer mild gedenken, 

Die fo in ihrem Jammer ſchrein: 

Der Menſch wird mid nicht, ihn zu kraͤnken, 
Gott wird nicht mübe, zu verzeibn. 

Im Sünder wedt er Buß’ und Neue, 

Stet3 jühnt er fein Gebot aufs Neue 

Yür und, bie wir's verlegt mit Hohn. 

Er felbft hält feft am Recht, dem herben: 
Dem Gott vom Sinai muß Sterben 

Auf Golgatha der eigne Sohn, 


Und wieder fol ung Heil aus einer Wiege blühen! 

Glaubt an das Glüd, Ahr ſeht fein Morgenroth ja glühen. 

Hat Gott gezüchtigt nicht, die frevelnd ihn gefräntt, 

Hat er fie nicht verfprengt, die Großen und die Kleinen, 
Und bat er feiner Engel Einen 

Uns gnäbig nit, wie einft uns feinen Sohn, gefchentt ? 


r 


Ihr zweijelt? — Alſo zagt der Seher, der dem dunkeln 

Abgrund im Traum entſtieg, und ſieht ben Tag nun funkeln, 

Ihm ift das Nachtgeſicht verſchwunden nod nicht ganz, 

Er fühlt wohl unterm Fuß den Boden, doch ein Schleier 
Ums Aug’ ift ihm das ew'ge Feuer: 

Der Hölle Glut umhüllt ihm noch des Himmels Glanz ! 


Laß jeden Zmeifel fliehn, o Boll, und jauchz' entgegen 

Dem Netter, der vermählt das Scepter und den Degen, 

Ya, Glüd und Ruhm vereint wird unter ihm erftehn. 

Des Unglüds Lehre wird zum weilen Mann ihn maden: 
Denn ſechzig Königsahnen wachen, 

Sarglofe Schatten, die um feine Wiege ftehn. 


Sein Name ftillte Schon das Kampfgeſchrei, das wilde, 
Der Bürger, Stadt and Land dedt er mil feinem Schilde, 
In unfern Mauern ruht der Haß, der Aufruhr weicht. 
So jagt ein junger Leu vor feiner Königsgrotte 

Mit feinem erften Schrei die Rotte 
Gemeiner Thiere weg, die lauernd fie umſchleicht. 


m. 


Sagt, wer ift das Kind, das eben 
Man zur heil'gen Schwelle bringt? 
Heil ihm! Alle Bulfe beben, 

Ale Herzen find beſchwingt. 

Kahl ift feine Stirn, die Hände 
Beben, lahm noch Fuß und Lenbe, 
Die die Windel ihm umflict. 
Stehen Tann e8 nicht noch geben, 
Kaum beginnt fein Blid zu ſehen, 
Seine Stimme fpricht nach. wicht, 


Bei ven Menſchen groß vor Allen, 
Doch kein König ift es bier. 
Menſch nur in des Tempels Hallen 
Me, Ah’ und Staub, wie wir. 
Unfern Retter, unſre Sonne, 

Den uns ®ott gefandt zur Wonne, 
Stellt Er heut ung Allen gleid. 
Denn die Könige auf Erden, 

Die wie Götter ih geberden, 
Sind ein Nichts in Gottes Reid, 


Mag der Menihen Knie fih biegen 
Bor dem Hochmuth ohne Neu’, 

Doch ins Joch des Lamms fi fchmiegen 
Muß der königliche Leu, 

Gott, der Vater, über Sternen 
Thronend, läßt aus goldnen Fernen 
Nieder auf das Kind ſich heut. 

Erſt ein ſchwaches Erdenweien, 

Durch den heil’gen Geiſt genejen 

Reift es für die Ewigkeit. 


Auch Maria will es fchirmen, 

Und die Sel’ge, rein und Har, _ 
Führt zum Tempel mit zwei Thürmen 
Shrer Himmelsjungfrau'n Schaar. 
Alle Heil'gen, alle Frommen 

Bon den fernften Sonnen kommen, 
Bringen ihm ihr Angebind, 

Und die Liebe will e8 grüßen, 

Und der Blanbe fett zu Füßen 

Und bie Hoffnung ſich dem Kind, 


W. 


D Jordan, weißt du noch, was jängft bein Ufer ſchaute, 
Das unterjochte, das ein Pilger überthaute 
Mit heißer Thränenflut, geftügt auf feinen Stab? 
Andahtig ſaß er, glei den Helden alter Zeiten, 

Die einft vom Heidenjoch befreiten 
Den heil'gen Täuferftrom und bes Erlöfers Grab. 


Er ſah, ein Ehrift, mit Schmerz gelnechtet und vernichtet 
Frankreich, Altar, Gele und Thron durch's Schwert gerichtet, 
Frech war das Lafter, vor der Tugend fpie man aus. 
Kreuzfahrer ward er felbft, und wo ein Gott gelitten, 

Da weint’ er fromm, bei Salems Hütten, 
Er felbft verbannt, um fein verbanntes Königshaus. 


Mit Jordan waſſer füllt er feine Kürbisflaſche, 

Und fam zu ung zurüd mit feiner Pilgertafche. 

&r wußte nicht, wel Glück, indem er beimgeeilt, 

Dem Koͤnigskind und ſich zugleich er gab zu’ koſten, 
Daß, ein Tobias, er vom Diten 

Den Goͤtterbalſam mit gebracht, der Blinde heilt, 


Sei ftolz, Prophetenflut! — Ihr Voͤlker, [haut die Wellen 

Des heil’gen Stromes, die bei unfrem Tauffeſt quellen! 

Des Himmels Segen träuft auf dieſes Kindes Haupt: 

Denn es empfängt die Flut, die Bott einft felbft empfangen, 
Dies Waſſer gibt der Welt, der bangen, 

Den Muth, daß fie aufs Neu an einen Netter glaubt, 


Mie einft dem Chlodwig gab Dir kund fi Gottes Gnade, 

Drum büte treu, o Fürft, des Ew'gen Bundeslade, 

An Reinheit fei Dein Herz der weißen Lilie glei. 

Do ſei darauf nicht ftolz, nicht ftolz auf Deine Krone: 
Denn Gott verleiht dem Königsſohne 

Dad Kreuz des Fiſchers und dazu des Armen Teich ! 


V. 


Das Kind, wenn über ſich es ſieht den Heiland leuchten, 
Weib Nichts vom Märtyrer , und lacht das Kreuz nur an, 
Noch Eine Taufe wird die Stirne Dir befeuchten, 
Nicht glatt ift ſtets die Königsbahn. 
Ein Tag wird tommen, Kind, wo laftend auf dem Herzen 
Das Bolt Dir liegt mit feinen Schmerzen, 
Du mweinft und trägft daran Dein Theil, 
Wenn einft auf Haupt das Del Dir fließt aus Biihofshänden, 
Das durch die Taube Gott den Herrn ber Erbe jenden 
Gewollt, — den Fürften nicht zum Heil! 


Drum, Chriſt und König, fei dem Heiland glei, und lerne 
Bon ihm die Größe, die nur ſchoͤpft aus eigner Kraft, 
Ein Scepter wird zur Laft dem Könige, der gerne 
Daraus fi eine Stüge ſchafft. 
Ein rechter König muß auf feinem Haupt vereinen, 
Mas glänzt und ftrahlt ! Wenn üb auch jeinen 
Triumpben Halt der Tod gebeut: 
Er fiebt, wie einft Bayard, ein Kreuz in feinem Degen, 
Und ftatt der ird'ſchen lacht dem Sterbenden entgegen 
Die himmliſche Unfterblichtett ! 


rm emurswug 


81 


An die Muſe. 


Wohin, o Muſe, du mich treiben 
Auch magſt, mit Freuden folgt mein Herz. 
Mag treu der Luſt die Leier bleiben, 
Die immer treu blieb ihrem Schmerz! 
Nicht in des Sieges ſtolzen Weiſen 
Durjt' ich die edlen Opfer preiſen, 
Der Märtyrer der jüngſten Zeit. 
Mer je beſungen Euch, gekroͤnte 
Schlachtopfer, deſſen Leier tönte 
Bon Glüd nur felten, oft von Leid. 
Rat 1821, 


B, Hager fümmil. poetiiche Derle. IL. , 


Ein Gefdht, 
T. Quia defecimus in ira tua, et in furore tuo turbati sumuß; 
8. Posulsti iniquitates nostras in conspectu tuo, seculum 
nostrum in illuminatione vultus tui: 


9. Quoniam omnes dies nostri defecerunt, et in ira tua defo- 
eimus. Ps. LXXXIX. 


Das machet dein Zorn, bad wir fo vergeben, und dein Grimm, 
daß wir fo ploͤtzlich dahin müſſen; 

Denn unfere Miſſethat ſtelleſt du vor Mich, umfere unerlannte 
Sünde ins Licht vor deinem Angeſicht. 

Darum fahren alle unfere Lage dahin durch deinen Zorn; wir 
bringen unfere Jahre zu wie ein Gefhwäg. 





Zehnte Ode. 


Einft in der Borzeit grauer ferne, 

Wo fih noch Gottes Weisheit fund 

Den Frommen gab, die oft und gerne 

Ihr lauſchten, fprach der Seher Mund: 

„Sobald von diefer Welt bienieben 

Iſt ein Jahrhundert abgeſchieden, 

Das nun zurück ins Dunkel geht, 

Dann, war's zum Segen oder Schaden, 

Vor jenen Richter wird's geladen, 
Der über allen Richtern ſteht.“ 


ww 


Die ihr einft Tebrt zum Erdengrunde, 
Zum Staub, aus dem ihr feib gemacht, 
Hört mein Geſicht in filler Stunde 
Der Einſamkeit um Mitternadt. — 
Auf golpnen Wollen fam geſchwommen 
Die Stadt der Heiligen und Frommen, 
Auf der ein ew'ger Lichtglanz lag, 

Aus dem die erite Morgenroͤthe 

Einft bligt’, aus welcher die Drommete 
Einft tönen wird zum legten Tag. 


Die Märtyrer, im Antlig hohe 
Gedanten, ſah ich betend nahn. 
Sie ftaunten in der Ylammenlohe 
Das dreimal heilge Weſen an. 


Am Thron, auf weihen Wollen-Matten, 


Erſchien ein hundertjähr'ger Schatten, 
Den Frankreichs Engel bergebradt ; 


Der Engel, dihtumbällt, — dem bleichen, 
Dem Stern der Dämmrung zu vergleichen 


War er, der führt herauf die Nacht. 


Und eine Donnerftimme ſchwebte 
Durch Höl’ und Himmel rollend hin. 
Der König der Verdammten bebte, 
Und ftaunend fahen die auf ihn, 

Der treuen Engel Sternenwagen, 
Befät mit Augen, goldbeſchlagen, 
Dreirädrig, viergeflügelt, hielt: — - 
Die Schwingen hören auf zu rauſchen, 
Die Räder ftehen ftill und laufchen, 
Wie Gottes Odem fie umfpielt. 


L 


Die Stimme, , 
„Das Blatt im hundertjaͤhr'gen Buche 
Hat fiebzehnmal fih umgewandt, 
Des Abgrund barrt, ob ih Dir fluche, 
Ob ih Dir Gnade zuerlannt. 
Tritt näher! — Schon erklingt die Wage: 
Hell, o Jahrhundert, wie am Tage, 
Liegt aufgededt bier all Dein Thun. 
Drum führe Wahrheit nur im Munde: 
Bor meinem Blick ift eine Stunde 
Wie ein Zahrhundert, — Rede nun!“ 


Das Jahrhundert. 
— ZZu trennen wußt' ich, zu vereinen 
Das All, ich gieng die kuͤhnſte Bahn: 
Das ewig Wechſelloſe, meinen 
Geſetzen macht' ich's unterthan, 
Ich klopft' an deines Willens Pforte ...“ 


Die Stimme. 
„Halt ein, Geſpenſt! — Bei ſolchem Worte 
Entſetzen faßt die Heil'gen hier. 
Sei länger nicht des Hochmuths Beute, 
An deiner Weisheit zweifle heute, 
Denn zweifeln kannſt du nicht an mir. 


Haſt du, mit deinem blinden Wiſſen 
Dich blaͤhend, meiner nicht gelacht, 

Das Band des Glaubens frech zerriſſen, 
Der Sitten und Geſetz bewacht? 

Haſt du nicht Hohn dem Tod geſprochen? 
Haft du nicht Gräber aufgebrochen? 


* 


Verruchter, unerhörter Schlag! 
Haft du verftärt nicht die Gebeine 
Der Könige in ihrem Schreine?“ 


Das Zahrhundert. 
— ‚„D Gott! Gelommen ift dein Tag!“ 


Die Stimme. 


„Wein, o Jahrhundert! Riefenglieder 
Schon hat der Wahn, der Feind des Lichts, 
Unglaub’ und Königsmord find Brüber, 
Das Chaos ift das Kind des Nichte. 

Ich liebt’ ein Land einft auf der Erbe, 
Das Voll war eine frohe Heerde, 

Und Fürſt und Yürftin mild und weich. 
Ihm ftrömten meines Segens Fluten ... 
Sag’ an, was thatit du diefen Guten?“ 


Das Jahrhundert. 
— „Hier find fie, Herr, in deinem Reich!“ 
Die Stimme, 


„Biſt du zur Einfiht nun gefommen? — 
Die Furcht iſt's, die den Stolz dir nimmt. 
Ich bin's, der ihren Ort den Frommen, 
Und den Berworfenen beftimmt. 

Ein Strahl von meinem Angefichte 

Belebt das Todte, macht zu nichte, 

Was lebt im Raum des Weltenbau's, 
Mein Haud kann wilden Brand erregen, 
Er ftreut hinaus den reihften Segen, 

Und loͤſcht die veinften Flammen aus, 


&6 
So ſei für alle Zeit vergeſſen... 


Das Jahrhundert. 


— „Sc ſtehe vor dir nadt und bloß, 
Herr, deine Gnad' ift unermefien .. . 


n Die Stimme, 
„Schweig! Die Berbammniß ift Dein Roos,“ 
Das Jahrhundert. 


— Vielleicht durch ſchwerere Verbrechen 
Wird das Jahrhundert frei mich ſprechen, 
Das feinen Lauf begann wie toll" — 
Die Hoffnung feufzte, leife ſchauernd; 
Und Frankreichs Engel wifchte trauernd 
Die Thräne, die im Aug’ ihm quoll ... 


Die Stimme, 


„Verſinken mag es, das verfluchte, 
Ein neu Jahrhundert bricht ſich Bahn, 
Freiſprechen wird's nicht das verructe, 
Selbit ſchuldig klagt's dag Schuld’ge an! —" 
Und wie der Stutm, die graue Lode 
Wild fhüttelnd, ſchnaubend, weit die Flode 
Hinausjagt in die Wellenſchlacht, 
So folgt mit unerweichtem Grimme 
Dem Schuldigen die Donnerſtimme, 
Und ſtürzt es in die ew’ge Nacht, 
1821. 





Yarnaparte. 


Eilfte Ode. 


L 


Wenn in der Erde Schlund die Städte niedertauchen, 
Und Hlücht’ges Gift der Wind ftreut über Meer und Land, 
Wenn rafend brüllt der Sturm und die Vulkane rauchen, 
Da bebt fi rädend Gottes Hand; 
Und wenn die arge Welt durch diefe Warnungszeihen 
Des Himmels fih nicht läßt erweichen, 
Dann fommt ein Mann, den Gott erkor, 
Als Gottesgeißel, ftatt der blinden Länderplagen, 
Tritt ein Lebendiger hervor. 


Dft durch der Bölter Reih’n zieh'n Männer, die im Grimme 
Gott auserwählt, fein Fluch ift’3, der fie hebt und trägt, 
hr Zug ift Ein Triumph, bis fie die Donnerftimme, 

Die fie berief, zu Boden fchlägt. 
Bon Nimrods Geift bejeelt, erhab’ne Ungeheuer, 

-Regieren fie mit Schwert und Feuer 

Die armen Böller Ichwerbebrüdt, 
Im freveln Ruhmesglanz, vernichten Frucht und Blüthen, 
As Gottes Boten einft erfcheinen fie, — und mütben, 

As hätte Satan fie geichidt, 


I. 


Als jüngft den Thron mit frecher Stirne 
Geſtürzt die Völkerkönigin, 

Wie eine zügellofe Dirne 

Gab ſie ſich den Parteien hin. 

Dem koͤnigsmörderiſchen Drachen, 

Der ſich im Chaos voll den Rachen 
Geſtopft, entſprang nun ein Despot. 

So ſchlingt das Meer oft fette Auen 
Hinab, und aus dem Schlund, o Grauen, 
Hebt ein Vulkan ſich düſterroth. 


Erſt zog er an den Nil und trieb den Feind von dannen, 
Gin General des Volls, Trotz bietend einer Welt, 
Als wollt’ er Hohn im Grab noch fprehen den Zyrannen, 
So thront’ er Stolz in feinem Zelt. — 
Er kam zurüd, das Haupt von feinen Kampfgenofien: 
Und Frankreichs Freudentbränen flofien, 
Und beller ſchien dem Bolt die Luft, 
Der Pharaonen Staub ſtampft' er und ihre Krone, 
Und, mitten unter'm Nichts, von einem Rieſenthrone 
Nur träumt’ er auf der Niefengruft, 





Der Burpur, den er ftahl, er taucht’ ihn in die Melle 
Dez Töniglihen Bluts, das ehrlos er vergoß. 
Groß war in Vincennes den Rebellen der Rebelle, — 
Im Louvre war ber Kaiſer groß. 
Faſt eines Gotts bedarf’3, zu weihen ſolchen Degen , 
Roms BPriefterlönig gab den Segen 
Und hat den Schidfalamann geweiht. 
Der hatte vor ſich felbjt wohl insgeheim ein Bangen, 
Die blut'ge Krone wollt’ er darum nur empfangen 
Aug einer Hand, die gern verzeibt. | 


II. 


Gott, wenn er will, der ewig Gute, 
Der Sünder durch Verbrecher oft 
Beitraft, zerbricht die Vollerruthe 
Wohl früber, ala vie Welt gehofft. 
Er, dem einft Gott geführt den Degen, 

\ Nennt: „Herr der Well" fih nun verwegen, 
Und redt fih bi zum Himmelsdom; 
Trogt dem Geſetz, dem heilig alten, alten, 
Doch, wenn er glaubt, das Glück zu balten, 
Entwiſcht dem Riejen das Phantom, 


IV. 


In feiner Frevel Naht, die Siege grell erbellten, 
Uneingedenk des Herrn der Welt, der ihn gefandt, 
Zog diefer Mann von Stadt zu Stadt mit feinen Zelten, 
Und im Triumph von Land zu Land, 
Sein grimmes Heer, e8 half zum Siege dem Geſchlechte 
Des Galgacus, fie wurden Knechte, 
Die tapfern Söhne des Pelag. 
Wenn er zu ihrem Herd beimführte feine Braven, 
Beſiegte Kön’ge lud er dann zu feinen Sflaven, 
Den Siegern, ein zum Feſtgelag. 


Zehn Reihe nahm er weg und machte draus Provinzen, 
Und nit genug war dies, noch höber ftieg der Hohn. 
Ausruben wollt’ er nur, von einem Hof von Prinzen 
Umgeben, auf Europa’ Thron. . 
Die Adler jchidt’ er aus, die manches Land durchflogen, 
Gewalt'ge Völterheere zogen 
In langem Strom dem Norden zu. 
Die Klippe fand er dort, die lange ſchon ihm drohte, 
Die Völter ſchliefen: doch die Brunft, die morgenrotbe, 
Hat fie gewedt aus ihrer Ruh’! 


Ein König fiel er, groß vor Allen ! 

Doch was Berwegnes ſchwebt ihm vor ? 
Wohl nur, um nicht mehr halb zu fallen, 
Rafft' er noch einmal fi empor. 

Dann ſchaffte, weit von feinen Reichen, 
Man ihn, den ſtolzen Mann, ben bleichen, 
Gefangen fort in eine Welt 

Gleich ihm zertrümmert und geborften : 
Auf einem Felſen follt er borften, 

Wie er, zerriffen und zerſchellt. 


Hier, wie ein Lavaftrom, erfältet’ er, es ftanden 
Beſiegte um ihn ber, jegt Sieger, — harte Qual! 
Und der Tyrann — der Reft von einem! — fand in Banden 
Sich beim Erwachen aud einmal. 
Ten Jubel hört’ er noch beim Bau der neuen Throne, 
Er wies dem Schiffsmann mit der Krone 
Das Riff, — ein Leuchtthurm, ſtrahlend weit, 
Er ftarb. — Als das Gerücht erjcholl in unfern Städten, 
Ta fühlte Jedermann fich ledig jelbft der Ketten, 
Bon dem Gefangenen befreit. . 


So wanlt der Uebermuth und geht dem Sturz entaegen. 
Ein Haud erhebt, ein Blick zerftört nes Riefen Macht. 
Sein Sattel war fein Thron, fein Scepter war fein Degen, 
Sein Kaifertbum nur Eine Schlacht. 
Die Geißel, die er einſt geihmwungen, ward zur Ruthe 
Ihm felbft, ihm war nicht mehr zu Muthe 
Wie einft im kühnen Schladhtenfpiel. 
Gr ftürzt ih in fein Herz, wie in den Schlund der Höhle, — 
Ruhm und Verbrechen zog vorbei an feiner Seele, 
Doch Elend fand er nur am Ziel, 


V. 


Ihr Völker, die ihr huldigt gerne 

Den Henkern, wie dem Opferlamm: 
Goͤnnt feinen kurzen Glatz dem Sterne! — 
Es war fein ädbter Heldenſtamm. 

Heroen, die der Tag vergöttert, 

Und die der Nahmelt Fluch zerfchmettert, 
Sie täufhen Den nur, der nicht wacht. 
Das find die nächtlichen Auroren, 
Durkzudt von rothen Meteoren, 


Nach denen keine Sonne lacht. 
März 1822, 


Bweites Bud. 
1822 — 1823. 


Nos canimus surdis. 


An meine den. 


+... Tentanda via est qua me quoquo possim 
Tollere humo, victorque virum volitare per ora. 


Virgil. 


Erfte Dde. 


De Augenblid ift da: nun ſchwingt euch auf, ihr Oben, 
In kühnem Fluge ftrebt zum Himmel auf vom Boden. 
Es bligt, der Donner rollt. Wohlan! 
Der Slanz der Blite gibt euch Helle, 
"Des Vollsmeer's friſchbewegte "Welle 
Steigt mit dem fteigenden Drlan. 


Wer lange Zeit geträumt von Opfern und Gefahren, 
Dem ift’s willlommen, mwühlt der Sturm ihm in den Haaren. 
Doch ih — o dürft’ auf jchönern Höhn, 
Gin Geift, vom Glüd emporgeboben, 
Von Licht und Harmonie ummoben, . 
Ich eure Schleier flattern ſehn; 


Hätt’ eure Gaben nie befledt ein Ungeweihter, 
Und nie ein ſchnoͤder Wurm die Blumen, licht und heiter, 


% 


In eklen Geifer eingetaudht ; 

Und haͤtten nie die fremden Lüfte, 
Die euch ummogen, andre Düfte, 
Als fühen Weihrauch, ausgehaudt ; 


Dann meine Mufe prief’ ich laut, die ftolz erblühte, 
Und jedem Dichter jagt? ih, der um Ruhm ſich mühte: 
„O Bach, dich jagt zum Meer dein Muth. 

Magft deine Wellen du, die friichen, 
Ked mit dem Meer der Welt vermiſchen: 
Denn bitter nicht ift feine Ylut 1” 


n. 


Beglüdt, wer gern allein, vergefien lebt im Frieden, 
Und weiß, wie Ungemach der Ruhm nur bringt hienieden, 
Die mähtig Neid und Hinterlift, 
Die in den Weg dem Dichter treten, 
Und daß die Palme des Poeten 
Nur eine Martyrpalme ift! 


Beglüct ver Vogel, den nit Sturm noch Jäger ſchrecken, 
Der über Blumenaun binfliegt und grüne Streden, 
Beolüdt, wer nicht nad Eitlem ringt, 
Der, was er joll, nur will erftreben | 
Wohl dem, der lebt, nur um zu leben, 
Und der nur, um zu fingen, fingt! 


IL 


Hein Lieb, leb wohl ! — Du jagft nad Ruhm? — In werig Wochen 
Schon wirft du an mein Thor, das feſwerſchloſſne, pochen. 
Dann weinſt du, wenn der Ruhm dir lacht, 

Um jene Zeit, wo unterm Schleier 
Du leuchteteft in ftiller eier, 
Tem Stern glei), der nur glänzt bei Nacht; 


Um jene Zeit, wo dir nur Freunde, keine Richter, 
Zubörten Abends, ftill nur prüfend, weiche Dichter, 
Gern einfam lebend, fih genug, 
Die leiht gerührt ein Lied vergüten, 
Und deren Hand Iſaura's Blüten 
m Akademos' Gärten trug. 


Ein Engel kamſt du einft daher auf goldnen Schwingen, 
Und pflegteft vor dich hin manch heilfges Wort zu fingen, 
Tu brachſt der Herzen dumpfen Bann, 
Du fangft von allem Großen, Schönen, 
Bon Allem, was die Leier tönen, 
Und was die Seele träumen kann. 


In der Arena rangft du um die höchſten Preife; 
Gutmüthig den Olymp, den ganzen, jenem Kreiſe 
Bon Mitbewerbern ließeft du. 
Um aufzuhalten die Gefellen, 
Wie Atalanta’s Freund, die hellen 
Goldäpfel marfft du ihnen zu. 
8. Hug’ ſammti. yordiige Beste. II, 7 


Mit Spiphen fpielteft du und mit des Waldes Feen. 
Die alten Fascen mit den heutigen Trophäen 
Bereinteft du in fühnem Schwung. 
Du fangft von Krieg, von Roth und Jammer, 
Und bolteft in der gothiſchen Kammer 
Die alten Sagen, ewig jung. 


« Vom Dreifuß oft herab verfochteft du die Krone, 
Und bracteft frommen Troſt der Hütte wie dem Throne ; 
Die Unschuld ftand in deiner Hut. 
In der Geſchichte düftern Hallen 
Dft Tießft du eine Thräne fallen, 
Ah, in ein ganzes Meer von Blut! 


IV. 


Sei's denn, ihr Lieder! Zieht und wandert, wie die Schwalben, 
Lebt wohl! Und bleibet treu der Heimath allenthalben I 
Wenn nie des Zweifel Spur hervor 
Sid darf an Eurem Herzen wagen , 
Wenn Eurem Singen, Eurem Sagen 
Man heimlich gerne leiht das Ohr; 


Wenn Eure Segel ktühn auf hohem Meer fi) wiegen, 
Berichlagen kreuz und quer, im Wind zerrifien fliegen, 
Ad, wenn dann nur Ein treuer Beift, 
Ein Freund, der Tämpfen mit den Wellen 
Euch fieht, das Ufer mag erhellen, 
Und Cuch den Weg zum Hafen weist! 





” 


Ya, ſäh' ich finlen Euch, die Thränen würd’ ich fparen! 
So zieht denn mutbig aus und troßet den Befahren, 
Belämpft die Schlechten überall. 
Ein Scepter auch ift eine Laute! 
Mit hoben Kräften übertbaute 
Gott felbft des Liedes ſüßen Schall, 


V. 


Der Dichter, der erglüht vor aller Welt verborgen, 
Er gleicht dem hohen Berg, der roſenroth am Morgen 
Bor allen andern blinkt zu Thal, 
Der alle Schatten überfuntelt, 
Und Nachts, wenn noch fo ſchwarz es dunkelt, 
Auffaugt der Sonne legten Strahl, 
. 1823. 


100 


| Die Geſchichte. 


Ferroa vox. 
Virgik, 


La, ya 


Zweite Ode 


J. 


De Nationen Loos hat, glei des Meeres Schlünden, 
Manch tief verftedtes Riff, und Wirbel, wild bewegt. 
Blind ift, wer im Geſchick der Völker Nichts kann finden, 
Als toller Wellen Kampf, von Wind und Sturm erregt. 


In diefen Stürmen mebt der ftarle Hauch des Himmels, 

Ein Strahl von Oben blitzt Erleuchtung in die Nacht. 

Wenn in den Schrei des Tods der Schrei des Yeltgewimmels 

Sich miſcht, durch all den Lärm — Ein Laut dringt durch mit 
Macht. 


Und die Jahrhunderte, — ein Rieſe nach dem andern 

Tritt auf, ihr Wünſchen iſt ſich gleich, ihr Schidfal nicht: — 
Ein Ziel iſt's, dem fie zu auf hundert Wegen wandern, 

Auf jedem Leuchtthurm, fern und nah, dafielbe Licht. 


191 


I. 


D Muſe, jede Zeit umfaßt dein Auge, blühen 
Siehſt du die Zubunft ſern und ihren Munderkreis. 
Denn Tage, Jahre, felbft Jahrhunderte, fie ziehen 
Im ew'gen Strome kaum ein flüchtiges Geleis. 


Ihr Henker, zweifelt nicht! Ihr, Opfer, glaubt’s: durch alle 
Zeiträume, zu den Höhn und im die Tief hinab 

Dringt ihrer Fadel Licht, und eines Tempels Halle 

Dft baut fie, wo zuvor nicht einmal war ein Grab. 


Dem Helden, der erliegt, reicht fie die Hand, die weiche, 
Und dem Erobrer bricht den Wagen fie entzwei, 

Sie wandelt ihren Weg im Staub zermaliter Reiche, 
Und zeigt, wie überall Gott waltet groß und frei. 


Jahrhunderte um fich vereint fie, längft vergangne, 
Und fegt den Giebel auf der alten Burg der Zeit, 
Bis in die Zulunft jchleppt fie, eine Kriegsgefangne, 
Die nur unmwillig folgt, jelbit die Vergangenheit, 


Brit eine Welt entzwei, die Trümmer zu erbeuten 
FM fie bemüht, und folgt dem Wrad hinauf, binab 
Auf weiten Meer, ihr Blid, inmitten zweier Zeiten, 


Die legte Wiege fiebt er und das erſte Grab, 
1823. 


12 ! 


Bie (ware Jaude. 


Ein namenloſer, frommet Wandret unter ben 
Ruinen meines Vaterlandeß... Ich belete. 
Cb. Rodier. 





Dritte Ode. 


„O Mauern, Wälle, Sinnen, Erker, 
Zugbrücken, leuchtend überm Thal 
Vornehme Schloͤſſer, niedre Kerker, 
Konvente, Klöſter, reich an Zahl; 
Ihr modernden Gewoͤlb', ihr alten 
Feſtſäle, wo Bankette ſchallten, 

Und fromme Hymnen klangen mit; 
Ihr Kirchen, wo in frommem Minnen 
Einſt unſre Mutter lag, ihr Zinnen, 
Auf denen unſer Urahn ſtritt! 


Ihr Schlöſſer, unſrem Königsſtamme 
Treueigen! Die der Glaube ſtützt, 

Ihr Tempel, die die Oriflamme, 

Baläfte, die das Kreuz beſchützt! 

Ihr Liebeshöfe! Siegesbogen, 

Vom Schimmer unſres Ruhms umzogen! 
Kapellen, Klöſter, einſam, klein, 

Gewaltig, — immer dicht verſchleiert, 

Ihr Burgen, die die Sage feiert, 
Ihr Mauern, lauter Licht und Schein! 


103 


For Monumente aus den Tagen, 

Bo unjer Voll ein Kind noch war, 
Ruinen ihr, um die wir Magen, 

Ihr ſchwebt in ſtundlicher Gefahr ! 
VBrovence, Armorica, an Trammern 
So reich, die täglich matter ſchimmern, 
Bo einſt des Ritters Waffe bing, 
Berfallne Thürme, Burgen, Dome, 

Du beil’ges Bett von einem Strome, 
Der, ab, ſchon lang verfiegen ging! 


Der Helden Lebewohl erſchallen 

Hör’ ih in alter Schlöffer Ruh. 

Oft in zerftörten Tempelballen 

Bligt mir ein Strahl vom Himmel zu. 
Ich ſuche gern der Helden Spuren, 

Bo glänzend fie vorüberfubren, 

Die Kraft, die Throne baut’ und brach. 
Wo ift nun all ihr Glanz und Schimmer ? 
Du altes Echo diefer Trümmer, 

Hallit du noch ihre Stimme nad)? 


Dft, traͤumeriſch, mit ſtolzer Miene 

Hat meine Mufe umgetban 

Die Schärpe fih der Paladine, 

Dft fchnallte fie den Panzer an, 

Sie trug ein roſt'ges Schwert in Händen, 
Die Beute, die von morſchen Wänden 
Sie nahm, aus moberndem Berfted, 

‘a, jelbft ein Roß bat fie beitiegen, 

Sie wollt’ in alle Weite fliegen 

Und golone Sporen trug fie led, 


104 


Ich liebt’ ein Schloß nis waln'gen Akängen, 
In ftiller Einſamleit weritedt,. 

Ein Thor mit Epbeuüberhängen, . 
Durch Thürme rechts und linie gededt. 

Gut war ich jelbit den ſchwarzen Schwärmen, 
Die nachtlich um Die Dächer lärmen, 

Ten beifern Doblen und den Kräb’n, 

Die, kraͤchzend ihre Kirchhofweiſen, 

Um Sinnen in gewundnen AKreifen 

Und Zhürme fi geſpenſtiſch vreb'n. _ 


Kirhtbürme, wo im Abendſcheine 
Die Rante bebt beim Blodenlaut, 
Die Stufen zu dem heil'gen Steine, 
Wo müd der Wandrer fi erbaut, 
Die Kirche, ihre Gräber bütend, 

Wie Tauben, über Eiern brütend, — 
Sie' liebt’ ih all, die Burg zumal, 
Die Stolz zur Feſtung fich ermweitet, 
Und ihre Arme mächtig breitet 

Wie Geierflügel übers Thal. 


Den Wachtthurm licht’ ich, der vom Zone 
Des Horns, der Gloce bebt nicht mehr, 
Den Saal, in weldhem die Barone 
Bufammentamen ohne Wehr, 

Die Fenſterſcheiben all, die matten 

Und farbigen, die duͤſtern Schatten 

Der Gruft, wo in der Eifentracht 

Die Helden unterm Schutt von Thürmen 
Stil ſchlafen, taub den Wetterſtürmen, 
Bleih wie am Abend vor dee Schlucht, - 


108 


Sept bergen tief in den Kaslaben, 

Bon dichtem Straudtverf überbedt, 

Die ſchlanken Säulen ver Arkaden 

Die Stimme, wie vor Scham verftedt. 
Granitne Trümmer, grüne Rafen, 
Worauf verirete Ziegen grafen, 

Ein morſcher Thurm, ebrwürd’ger Reſt, 
Die Heimath kühner Wbenteuer ... 

Der Adler borftet im Gemaͤuer, 

Die Schwalbe baut daran ihr Neft. 


Blei dieſem Wandervogel fliegen 

Mag gern der Dichter, friſch und wach. 
Gr geht mit Luft .auf feinen Zügen 

Den Trümmern und dem Yrühling nad. 
Ihm lächelt mit vertrauten Mienen 

Das Nittertbum aus den Auinen, 

Bon Helden Sprit der Haud des Winns, 
Die hier eintt ihre Wohnung hatten. 

Und find e8 heute Nichts als Schatten, 
Die Schatten doch von Rieſen finv’s ! 


Ehrt diefe Trümmer, o Franzoſen! 

Gott liebt ein Kind, das, fromm und zaut, 
Auch in der Zeit, wo Stürme tofen, 
Getreu der Väter Erbſchaft wahrt ! 

Wie einen Ruhm, der uns entfallen, 

Zählt jeden Stein in Trümmerballen: 

Neu rauſchen fol, was längft verfloß! 
Frankreich fol Gallien wiener haben, 
Das Heute der Erinnrung Gabeit, 

Der junge Yarfe ſein alte Sihlep!" - 





166 


u. 


Schweigt, Saiten, ftill I Berftumm’, o Leier des Poeten ! 

Ruhmvolle Trümmermwelt, erfülle dein Geichid ! 

Kein Freundesauge folgt dem Staub, dem windverwehten, 
Lang nad wit ftummen Schmerz im Blid. 

Sintt bin, ihr Trümmer, ihr, die Zeugen alter Zeiten, 
Wollt ihr noch länger fie begleiten, 
Die heut'ge Tiebelofe Welt ? 

Stürzt ein, Ruinen! Als verlorne Voten wachtet 

Bor einem Lager ihr zu lang ſchon, das, umnachtet, 
Der ew’ge Schlaf gefeflelt hält. 


Sa, raſcher muß noch gehn die Zeit! Will fie fich ſperren? 
Wie? Sahn wir unter und Heroen nicht erftehn, 
Die Könige mit Wuth aus ihren Gräbern zerren, 
An Leihen Henterbienft verjehn ? 
Ha, weld ein Stolz für uns! Die alten Bücher melden 
Aug Rom und Sparta Nichts von ſolch erhabnen Helden, 
Die fo Gewaltiges vollbracht ! 
Grabfteine, Kirchen, Staub zermalmen und verjtreuen — 
Wie groß! — Sie ſchleudern Bann und Acht, die Herren, die neuen, 
Selbft in des Grabes heil'ge Nacht ! 


Wer ift der Gott, der fie zu ſolchen Heldenſtüden 
Begeiſtert ? — Hocerfreut, daß fie entdedt das Nichts, 
Vielleicht nur wollten fie die Gräber leer erbliden, 
Leer wie ihr Himmel, baar des Lichts, 
Hohn bieten wollten fie vielleicht dem Todesſchreden, 
Um einen edlen Baum zu ſireden, 
Griff man ihn an der Wurjel an? — 


107 


Noch Helatomben gab's zu ſchlachten für die Schergen, 
Man übte Muth und Kraft inzwiſchen noch an Särgen, 
Und machte fih an Wiegen dann... 


So mögen fie denn nahn, die fo zum Krieg ſich ftählen, 
Die Helden allzumal, gewöhnt an Mord und Raub! 
Gie finden Feinde bier, wie fie fie gern fich wählen: 
Auinen, Trümmer, Schutt und Staub, 
Durch offne Thore tritt man, ohne fih zu ſchlagen, 
Mit leeren Thürmen kann man’3 wagen, 
Man fiegt, weil nit Ein Feind erjcheint. 
Nur hüte fih die Schaar, daß nicht die alten Braven 
Erwachen, die im Schutt zerftörter Mauern jchlafen , 
Sie jpräden: „Ha, ein fremder Feind!" 


Einſam, den andern fremd, will dies Jahrhundert ragen ! 

Brecht diefe Mauern ab, noch heute feit wie Erz. 

Wozu die Nefte noch aus längft vergangnen Tagen, 
Bergangen au für unfer Herz? 

Das Erbe diefes Ruhms bedarf ganz andrer Wächter, 
Und für die flüchtigen Gefchlechter 
Bon heut ift’3 eine Laft und Bein. 

63 hält und hemmt fie nur in ihrem kühnen Schwunge: 

Nah der vergangnen Zeit was fragen wir? — Die junge, 
Die künft’ge fümmert ung allein, 


Ihr rühmt die alte Zeit, fhwerfällig, dumpf und büfter? — 
Bir haben Rechte, wo für fie es Pflicht nur gab. 
Auch wir find tugendhaft. Wir morden unjre Priefter, 

Und ſchlachten unfie Künfge ab, ⸗ 


— —— — — 





108 


Alt⸗Frankreichs Ehre fiel dem neuen Wahn zum Raube, 
Der Hoffnung Bruder flieht, der Glaube, 
Ein Bolt, das fo viel Böſes thut. 

Die Tugend wird verbrängt und muß dem Lafter weichen, 

Berjchüttet ift ihr Pfgd, wie unter Dorngefträuden 
Berlafiner Tempel Schwelle ruht, 


Erinnerungen nehmt dem Land nur, aud die legten, 
Bald ift die Majeität des Alters abgethan. 
Der Heimath reißt vom Leib den Purpur, den zerfebten, 
Und fpottet der Entblößten dann! — 
O heil'ge Mutter, ſtets fei ſolche Schuld uns ferne: 
Wir rühmen die erloſchnen Sterne, 
Und fingen alten Ruhm und Preis. 
Denn unſre Mufe, jung und muthig, mag auch rütteln 
Die Anardhie am Thron, wird nie ihr Banner ſchütteln, 


Bom Staub der edlen Vorzeit weiß ! 
1828. 


109 





An meinen Vater. 
Domestica facts, 
Virgil. 
Bierte Ode. 
I. 


Mc, eine Leier nur, und nie wird mir ein Degen! 

Im Dunteln immer foll mein Leben fih bewegen ? 

Und folgen foll ich nie im Feld der Helden Spur?.. 

In Strophen darf ich nur ausfhütten meine Klage, 

Mit leeren Träumen, ad, vergeud’ ich meine Tage, 
Und all mein Herz in Liedern nur | 


Erwadt ift Hellas, das mit feinen Zwingherrn rechtet, 
Den Ehriftenlön'gen zeigt jein Kreuz es, jchnöd geknechtet, 
Ein Hülferuf erſchallt vom ſpaniſchen Gefild. 

Was auch das Volk gefehlt, erwacht iſt ſein Gewiſſen! 
Verwaist, dem Kinde gleich, der Mutterbruſt entriſſen, 
Verlor ſein alter Thron des alten Rechtes Schild. 


Dit, Vater, griff ich ſchon im Traum nach Deinem Degen, 

Ins Land des Cid hinab ſtieg ich auf ſteilen Wegen 

Mit unfrem Heer. Die Luk zum Kampf war ohne Maß, 

Nah Hellas zog ih: ba, Spartaner, Ihr jollt fagen: 

„Zwar kein Tyriäus war der Franke, doch oeſchlaos 
Hat er ih wie Lernidas!“ 


110 


Ad, eitle Träume! — Doc der Dichter bleibt dem Helden 
Getreu, und ift bereit, fein Lob im Lieb zu melden, 

D Vater, und der Schaar, die treu Dir war wie Gold. 
Ob Führer, ob Soldat, — es ſchmückt mit ew’gem Ruhme 
Der Dichter Euch das Haupt, ihr Sieger! — Jeder Blume 
“ Des Frühlings, doch zumeift dem Lorbeer ift er bold, 


Lo \ 


Des Kampfes Balme raubt Euch Niemand, ihr Franzojen ! 
Selbft unterm Zwingherrnjoch noch bliebet Ihr die Großen ; 
Den großen General, Ihr habt ihn groß genährt. 
Unfterbli ift er nur dur Eures Ruhmes Strahlen, 
Und unauslöfchlich ftebt fein Nam’ in den Annalen 

Der Welt: es ſchrieb ihn Euer Schwert. 


Ein Blatt an jedes Volls Geſchichte umgeſchlagen 

Hat Er. Die Fürften fpannt' er vor den Giegeswagen, 
Vernichtung gab der Herr in feine blinde Hand. 
Schwer unter feinem Drud bat alle Welt gelitten ; 
Die Reihe ſchwanden jäh hin unter feinen Schritten, 
Wie eines Kindes Schrift verwiſcht im Uferſand. 


Das Schidjal ſchmeichelt' ihm: dann hat es ihn zerbrochen ! 
Wie mocht' er auf fein Glück, fo ſchwank und morfch, doc 
pochen 
In feinem Stolz, auf den ſtets folgt der jaͤhe Fall? 
Unglüdliher, wie konnt’ in Deinem Hirn erwachen 
Der übermüth’ge Wunſch, Fußſchemel Dir zu machen 
Aus den zerihellten Thronen all % 


111 


Es fam fein Tag. Er floh. Nur Fetzen no und Streifen 
Bon einem Heere fah nad Frankreich man ihn fdhleifen, 
Geihüs und Roß und Dann, entronnen kaum dem Streit, 
So ftürzt ein Adler, den die Kugel traf, hernieber 

Aus Himmelsläften und es flattert fein Gefieder, 

Las blutige, vom Wind verzettelt weit und breit, 


In Staub und Aſche ruht er nun, verborrt und hager; 

Kein Hof von Kön’gen mehr umſteht fein Kriegerlager, 

Und harrt, bis er empor aus feinen Träumen fährt. 

Europa, das fein Arm fo lange bielt gebunden, 

Es figt vor feinem Zelt nicht mehr, und zählt die Stunden, 
Wie lang fein finitrer Schlummer währt. 


Franzoſen, nehmt zurüd ven Ruhm, den Andre nahmen. 
Lang blitzt Ein Degen nur, es tönte nur Ein Namen, 
Und bis zum Weberbruß gefungen ward fein Lob, 

An feinem Staube meßt nun feiner Höhe Spigen ! 

Wer fiegte nicht, bewehrt mit Sures Adlers Bligen? 

Groß ift, wen Euer Arm body auf den Schild erhob. 


Heut kroͤnt noch Euer Haupt des Brennus Stern mit Schimmer, 
Zu feinen Feiten lädt der Sieg Franzoſen immer, 
An ihrer Ruhe hängt der Frieden einer Melt, 
Mit feinem Banner zog ftets nad dies Voll den Schritten 
Moreau’s, Condé's, Zaintrailles’; und bracht’ es, arg 
zerſchnitten, 
Zerfetzt, doch immer heim vom Feld. 


113 


.. In. 
Du, Bater, falte nun Tein Wanderzelt zufantmen, ° 
Bon Deinen Fahrten laß uns bei des Abends Flammen 
Bernehmen, bier im Kreis der Deinen enggejellt, 
Zwar Schäge ließeſt Du uns nicht, fie find geſchmolzen, 
Doch Deine Söhne find zufrieden mit dem ftolgen 
Erbtheil: Dein Name ftrahlt in Ehren vor der Welt. 


Ich ſehe, leider, und es will mein Herz beengen,, 

Beftaubt, an morjher Wand, Dein edles Rüftzeug hängen, 

Und Deine Fahne hält des Schlafes Zauberbann. 

Mein Roß, das da nur ſchnaubt, wo Liedertämpfe ſchallen, 

Steht unter'm Schirm und Schuß zerfallner Säulenhallen ; 
Der Roft verzehrt Dein Kriegsgeipann! 


So mag Pein Schwert denn Glanz verleihen meiner Leier 
Und meiner Stimme Klang, die fingt zu Deiner Feier, 
Denn in fein Saitenfpiel die Hand des Sohnes greift. 

Bon Deinen Schlachten fing’ ich heute noch wie geftern, 
Stolz, wie ein Knabe, der, zum Schreden feiner Schmweitern, 


Des Vaters Säbel nah mit ſchwachen Händen ſchleift. 
UAnguſt 3828. 





us 


An Europa's Könige. 
Bas „Steimahl”“. 


In Rom berrichte ein alter Brand: ben Tag vor 
des Hinrichtung ber Berurtbeilten gab man ihnen am 
Thore bed Gefängniffeß einen Öffentlihen Schmaud, den 


man dad „Kreimahl“ (Hentermahl) nannte. 
Shateaubriand, bie Märtyres. 





Fünfte Ode. 


L 


Der Brätor, wenn er dem Olymp zum Opfer weihte 
Das Evangelium, und Richterſprüche ſtreute 
Den Goͤtzen zum Gewinn; 
Wenn er zum Tod verdammt bie Chriſten, froh gleich Siegern, 
Und wenn nad) ihrem Raub den Bättern und den Tigern 
Schon ſtand der gier'ge Sinn; 


Dann gab er noch ein Feſt den Frommen, eh' fie büßten; 
Den bittern Wermuthkelch mit Honigfeim verfüßten 
Die Römer ihnen mild, 
Den Märtyrern, die ſchon ſich jahn an Qottes Stufen: — 
Als wär’ ein Schmaus ein Txoft für fie, die Gr berufen 
Ins himmliſche Gefild, 


In Burpur faßen fie, mit ernften, frommen Rügen, 
Halerner fprubelte in großen, welien Krügen, 
Bon Myrten rings umblüht, | 
B. Hugo’ Tämmtl, poetijche Werte. IL, 8 


114 


Im Eyper-Weine ſchwamm des Hybla⸗Honigs Süße, 
Aus goldnen Vaſen wuſch mit Narben man die Füße 
Den Gaͤſten, wund und müb, 


In drei Welttheilen warb geplündert Wald und Welle 
Für diefes freie Mahl, erfchöpft die reihe Quelle 

Des Gartens der Natur; 
Als follten fie vor'm Zod in Luft noch einmal baden, 
Als hätte Sybaris zum Schwelgen fie gelaben 

Am Tiſch des Epicur. 


Der Tiger brüllt indeß und fchüttelt feine Bande, 

Ausſchaut der Leopard jchon lechzend nach dem Sande, ' 
Der die Arena dedt. 

Die Beitien ftaunen — nicht Jo zahm find Rom a's Frauen, — 

Daß Menſchen Hatfhen, wenn fie ihre Zähn’ und Klauen 
Mit Menſchenblut befledt. 


Den Löwen warf man vor die Briefter, die Geweihten, 

Als Ledermahl: — wie wohl ein Höfling ſchon zu Zeiten 
Dem ellen Gern es bot. 

So lang beim freien Mahl die Heiligen fih trafen, 

Stand binter ihnen ftarr, glei einem ftummen Sklaven, 
Aufrecht der blafie Tor. 


I. 
D Könige, ein Feſt iſt Ener ganzes Leben! 
Der Pöbel fieht mit Neid Euch an die Lippen heben 
Den Goldpokal der Luft. 
Doch miſcht ein greller Schrei fi in das Feftgepränge: - 
Heut brüllt, und morgen fpringt Das Tigertbier, die Menge, 
Euch wuthend an die Bruſt. ums. 


—_—re 


216 


Bie Freiheit. 


Ohristus nos liberavit. 


Sechste Ode. 


L 


Mard von unreiner Hand entweiht der Ort, der reine, 

Den Tempel, dd und kahl, flieht dann des Volles Schaar. 
Der treue Priefter nur Iniet betend auf dem Steine, 

Streut Weihrauch mehr als fonft, und beugt im Dämmerjcheine 
Die Stirn noch tiefer vor'm geſchaͤndeten Altar. 


u 


Nein, Schöne Pilgerin an unfrem oͤden Strande, 

D Freiheit, Morgenroth, das unter Stürmen tagt, 

Kind Gottes, Schweiter du der Yürften, oft verlannte, 
Nie hab’ ih dir Lebwohl gejagt ! 


Selbft unberufen wagt die Muſe zu erſcheinen, 
Sie weint mit denen, die da weinen, 
Und beut der Tugend warm die Hand. 
Des Fechters Kette trägt am Zube. nicht, Des feilen, 
Mein Hymnus, nein, ihr feht in die Arena eilen 
Vn frob im Maͤrtyrergewand. Er 


16 


In jungen Tagen, wo des Herzens edle Blüten 

Aufipringen, wo man wagt, dem Schidjal Trotz zu bieten, 

Und lächelt, wenn es droht, mit ſtolzem Selbitgefühl, 

Bor jener Stunde, die verfcheucht der Hoffnung Strahlen, 
Und wo die Seele, müd ber Qualen, 

Bom frishen Morgen fteigt zum Mittag, beib und ſchwül; 


Da ſprach ih: „Sei gegrüßt, du Liebliche, du Strenge! 

D Freiheit, Huldigung bringt gern die Welt dir dar. 

Sie liebt wie eine Braut dich heiß, der Ehren Menge 
Zollt fie der Ahne grauem Haar. 

Heil dir, du ſprengſt das Band gevrüdter Sflavenfeelen, 
Und lieber weilft du, als in Sälen 
Der. Zwingherrn, beim gefangnen Mann. Z 

Am Kidron rauſcht dein Lied, wie an Permeſſus' Wellen, 

Berheißung, Kraft und Troft, die deinem Mund entquellen, 
Wehn noch im Tod den Helden an.” — 


So ſprach ih. — Siebe da, die Weifen dieſer Erbe, 

Zum Trunknen ſprachen fie mit lächelnder Geberde: 

„Die Freiheit! Ja, nun wird fein Auge mehr durchnäßt! 
Kein Blut mehr! Alles Boll ſchmückt fich zu ihrer eier, 
Sie naht, die Göttliche, lomm, du, ihr junger Freier!" ... 
Sch kam und Palmen bracht' und Blumen ich zum Felt! 


in. 


Gott, ihre Freiheit war ein ſcheußlich Ungeheuer! 

Sie nannte Wahrheit ih: — fie war ein nacktes Bild! 

Eie fchrie und fiammelte in fiebertellem Feurr, 
Das Lafter war fie, frech und wild, | 





117 


Ein Scheuſal, Yochgewedt, jo mar fie anzuſchauen, 
Mit gräßlichen Harpyenllauen, 
Ein hundertarm'ger Rieſenſohn. 

Roms Beute haͤngte man dem Göten um zur Feier, 

Auf feinem Kapitol ſaß ftatt des Aars der Beier, 
Die Hölle war fein Bantheon. 


Und Beil und Folter, ſtets dienftwillige Schergen beide, 

Sie führten Sterbende ihm vor zur Augenmeide, 

Ein ganzes Bolt zertrat der wüſte Höllenbrand; 

Und Weife, jalbungsvoll im Lünen, wenn er trunten 

Bon Blut, durch Staub und Schutt oft taumelt’, halbgejunten, 
Sie reichten hülfreih ihm die Hand. 


Hier das Gefeg Lykurgs, ein Sodom gleih daneben! 

Unbeil bringt jeder Tag, ein neues Bubenftüd, 

Durch's Nichts der Seele foll zum Gott der Menſch fi heben, — 
Das alte Chaos kehrt zurüd, 

Nah Königstronen ſchlägt das Schwert, und Haupt und Krone, 
Eie fallen unter lautem Hohne, 
Und wilde Stürme brüllen dvrein. 

Ein Reiten Ewigkeit Yäßt man, als wie zum Spiele, 

Noch Gott, er mag die Welt im himmliſchen Erite 
Bergeflen, — und vergefjen fein ! 


IV. 


Die Weiſen ſprachen: „Heil! Es lommt, wie wir geſprochen: 
Athen und Rom, dein Tag iſt wieder angebrochen! 
Ihr Völker, reißt den Faum des Königthums entzwei! 
Freiheit, die höchſte Macht haft du uns felbft gegeben, 
Und Keiner fol ald Herr fi über uns erheben, 

D ſouveraͤnes Bolt, ſei glüdlih und fei frei!" — 


118 


Tyrannen [hmeicheln? Pfuil Sie lügen um die Weit] — 
Sultane Afrika's und Aſiens, graufam nennt 
Man euch? — Wie berricht ihr mild, wie leicht ift eure Kette 
Fur ven, der dieſe Henter fenatt nd . 
Preist, ihr Verworfnen, die kaum ihren Paſchas ſAuchen, 
Die äthiopifhen Eunuchen, 
BVerftümmelt nicht durch eigne Wahl! 
Preist jene Stummen, die gebüdt durch's Harem ſchleichen, 
Die SHaven, die dem Herrn ſtill ihren Naden reihen, 
’ Und fallen ohne Lärm umd Qual, . 


In Zaspis und Porphyr erglängt des Sultans Halle, 

Er tritt Burpur und Gold und Ambra und Koralle 

Mit Füßen, hundert Frau'n entloden kaum einmal 

Ein Lächeln ihm. Dem Bolt mit fümmerlihen Zügen 
Berlündet feines Heren Vergnügen 

Am Thore des Serails der bIut’gen Köpfe Zahl. 


Glückſel'ges Bolt! — Zwar tobt oft wild und ungezügelt 
Der Janitſchar und wirft Brandfadeln ihm ins Haus, 
Fort rast die Feuersbrunſt, vom Wind der Nacht beflügelt, 
Und fbhlägt nad allen Seiten aus. 
Glüdfel’ges Voll! — Zwar iſt ein Spielball nur fein Leben 
Für den Bezier, Giftpünfte ſchweben 
Und hauchen Tod ihm ins Geſicht. 
Es büdt erfchroden fi tief unterm Jod von Eifen... 
Dreimal gefegnet Bolt! — Die Freiheit unfrer Weiſen, 
Die vielgerühmte, kennt es nicht I 


118 


Frankreich! In dieſer Zeit der Gchreden floh von binnen 
Die Freiheit und ‚mit ihr der Tugend hohes Muth. 

Soll wieder diejer Stern den Lauf für uns beginnen, 
Dann muß der Boltöftrom bel in feinem Bette rinnen, 

Im Schatten eines Throns, der auf Gejegen ruht. 


Ein Gott nahm von der Welt des Böfen Joh, das ſchwere; 
Bon Anfang ftand er in der linterbrüdten Reihn. 
D Kön’ge! — Bruderlieb' ift feine hohe Lehre! 
Bolt! — Niedrig war er, arm und Mein. 
Die Freiheit lächelt, wo nur edle Opfer finten, 
Wo patrjot’ihe Herzen winken, 
Hingebung und Begeiftrung ganz. 
Die Freiheit achtet gleich Benpse und Thermopplen, 
Codrus und Malesberbe krönt fie, vie werth vor Vielen 
Ihr Mind, mit Einem Lorbeerkranz! 


N. 


Ward von unreiner Hanb entweiht der Ort, der reine, 
Den Tempel, bd und kahl, flieht dann des Volles Schaar. 
Der treue Briefter nur tniet betend auf dem Steine, 
Etreut Weihraud mehr als fonft, und beugt im Daͤmmerſcheine 
Die Stirn noch tiefer vor'm geſchandeten Alter, 

Juß. 1823 


120 


y 


Ber Krieg in Spanien. 


Bine clade victor. 


Siebente Dbde. 
J. 


x 

Wie ift das Aönigthum ehrwürvig, groß und mächtig, 

Die Tochter alter Zeit, ihr graugeledtes Kind, 

Ein Stern, der heut noch glänzt im Dunlel, mitternächtig 
Und ſchwarz, mo viele nicht mehr find. 

Den Abler lehrt's, dem Schwan, den Geier lehrt's, der Zaube 
Gehorchen, und es webt der Glaube 
Um’s hohe Haupt ihm Himmelöglanz. 

Es gürtet um fein Schwert, geweiht auf dem Wltare, 

Und fteigt von Gruft zu Gruft. Der Heil’genfchein, der Hare, 
Steht fhön zum königlichen Kranz. 


Wie ift das Königthum, ihr Böller, fhön, voll Gegen! 
Wohlthaͤtigleit allein iſt's, bie fein Recht ihm gab. 
Mit .einem Kreuz bevedi, wenn ſich Rebellen regen, 
Sein ftarter Arm den Königaftab. 
Der eherne Koloß, body über'm Bolle ragend, 
In beiden Händen Feuer tragend, 
Ein Leuchtthurm iſt's, weit fihtbar, hehr! 
Bergangenheit verknüpft und Zukunft feine Helle. 
Auf beiden Ufern ftebt fein Fuß, an ben die Welle 
Bergebens ſchlaͤgt, im Zeitenmeer. 


N. - 


Doch welche Laft muß auf fi nehmen, 
Wer zu des Thrones Höhen fteigt, 

Wer unter'm Jod von Diabemen 

Die unglüdjel’ge Stirne beugt! 

Sein Herz, erfüllt von hohem Streben, 
Darf niht vorm Blig und Abgrund beben, 
Eid felber jei er Stüg’ und Stab. 

Ein König, würdig feiner Krone, 

Wird niederfteigen nicht vom Throne, 

Doch fteigen wirb er in das Grab. 


Gleich einem Krieger muß das Schwert der König tragen, 
Wenn ihren Feuerbrand ſchwingt der Parteien Madıt, 
Und feines Degens Blig muß, was fie mögen wagen, 
Auf fie gezüdt fein Tag und Nacht. 
Sein Hofgefinde fei jein Heer, und vor dem Schlofie 
Mag es fih lagern, Mann und Roſſe, 
Mit feiner Waffen lihtem Strahl. 
Tenn Krieg und Königthum find ewige Genoſſen; 
Und Niemand bricht entzwei das Scepter Karls des Großen, 
Eh’ er zerbrohen Rolands Stahl, 


UL 


Roland! — Hat nicht gewedt das Jauchzen deinen Schatten, 
Das unfer Heer erhob, im hal von Nonceval, 
Als jüngft die Byrend'n fie überftiegen hatten? — 

Sprich, fhienen’3 Mier nicht 'yumal 3- — 


Am 


Auf feinem Grabe ſaß der Held, und fah im weiten 
Ebro-Gefild die Flügel breiten 
Das Heer, dem Adler glei im Flug. 

63 fam vom Berg herab, wie eine Donnermwolte, 

Der Helmbuſch flog, ein Schred dem neuen Heidenvolle, 
Den Karl Martell vor Zeiten trug. 


Und noch ein Schatten, groß nicht minder, 
Der ftet3 im Haar den Zmwingberen lag, 
Gin zweiter Mauren -Ueberwinber, 

Grüßt' unfre Truppen, Held Belag. 
Caſtiliens alten, ſtolzen Leuen 

Spannt' er an unſres Ruhmes neuen 
Kriegswagen, ward mit uns vertraut, 

Rief unſer Kriegsgeſchrei, dem Heere 
Geſellt mit ſeinem Geiſter⸗Speere, 

Um: „Freunde!“ rief er zu uns laut! 


W. 


No rauchte Spanien von des Erobrerd Schritten, 
Und, überwältigt, trug e8 unſre Freiheit ftumm. 
Bon blut'gem Arm umfaßt hat meinend es gelitten 
Um fein jungfräulihd Königthum. 
Das edle Volt, gebrüdt von niedrigen Tyrannen, 
Den Scheuſal, das es wollt’ umfpannen, 
Flucht' es, und hatt’ am Krieg genug, 
Genug an diefen Herrn und Führern, — feilen Seelen! 
Drum rief e8 fremde Hilf, — es hatte kaum zu wählen! — 
Ins Sand, das willig fie ertrug. 





123 


Und Frankreichs Heer erfhien! — Bom Bosporus zum 
Rheine, 
Vor Bölter, hoch im Nord, gen Abend und Mittag, 
Ihr, denen nod die Angſt im Arm liegt und im Beine 
Bor jener Krieger derbem Schlag ; 
Hr Nationen, kaum entronnen ihren Ketten, 
Die ihr euch einft, um euch zu retten, 
Habt in des Siegers Joch gejchmiegt, 
Hr Botentaten, Städt’ und Reihe, Kön’ge, Prinzen, 
Ihr mächt'gen Staaten, einft franzöfifhe Provinzen: — 
Ihr fragt: ob jenes Heer gefiegt? — 


Die Anardie kennt allerwegen 

Sept unfres guten Stahls Gewicht. 

Und Spanien ,»frei durch unfern Degen, 
Braudt darum zu erröthen nicht. 

Die Bölter alle ftehn zufammen, 

Wenn ihnen drobt mit Mord und Flammen 
Des zügellofen Drachen Gier, 

Sie haben, ſtark durch Liebesbande, 

Den Tempel all zum Vaterlande, 

Ern heil'ges Kreuz iſt ihr Panier. 


’ 


Madrid, du wirft fortan nicht mehr nad alter Sitte 
Lobpreifen jenen Sieg, der Euch fich zugeneigt, 
Der einen König einft in Eures Volkes Mitte 
Euch ala Befangnen hat gezeigt. 
Denn Eapir iſt e8, das uns für Pavia rädıte, 
Der Ruhm gab alle jeine Rechte . 
Zuräd dem Heldenſchatten gern. 


. . 194 

Welch ein Franzos einft fein Gefangner ft geweſen, 

Madrid vergißt's, es hat gefehn, wie wir fie loͤſen, 
Die Ketten der gelrönten Herrn. 


Gaftilier, nun laßt des Feſtes Fadeln fcheinen 
Bon Saragoija bis fern nah Almonacid, 
Laßt Eure Balmen fi) mit unfern Lorbeern einen, 
Ihr fingt Bayard und wir den Cid. 
Das alte Louvre mag dem Escurial, dem alten, 
Antworten, unfrer Banner Falten, 
Sie mögen in einander wehn! 
Und einen Altar folt bei Gades Ihr errichten ! 
Wo ih Belag erhob, da ſollen Flammen lichten 
Die Naht auf allen Bergeshöhn! — 


Sind feine Zeugen zu erweden? 

Wo ift der neue Decius Mus? 

Des Scävola das Koblenbeden, — 

Der Abgrund barrt des Eurtiuß, 

Ha, wie fie all im Staube jammern, 

Des Bourbon heil’ges Knie umllammern, 
Der über ihnen bligend thront!... 

Der Sieg ift mild: fie find gefchlagen, ’ . 
Unglüdlih war ihr fhlimmes Wagen, 

Sie beugen fi, fie find verfchont. 


L 2 


VL 


Nur, um zu zücht’gen, wird ein Bonrbon niemals kämpfen, 
Und fiegt er, beut er ſtets verzeihend feine Hand. 
Doc loͤſcht er aus den Geift der Rotten, ben zu bänıpfen 

Er kam, bis auf den leten Brand, 


1885- . 
Bor wie viel Uebeln, Boll, bat dich fein Arm bebütet! 
Entſetzliche Verbrechen brütet 
Das Sheufal aus und feine Brut. 
Bir haben es befiegt: — wir waren feine Beute 
Einft jelbft! — Ein Koͤnigshaupt, das fällt, wir wiflens heute, 
Das koftet Blut und wieder Blut! 


Landsleute, Krieger, kommt! Die Mütter find zufrieden: 
Sie ftägt nun Euer Arm, die Welt kann rubig fein. 
Biel Throne warft Ihr um, beut ift e8 Euch beſchieden: 
Ihr ſetzet Kön’ge wieder ein. 
Des Stiftes Hütte wird im Zelt nun aufgeichlagen, 
Gott jet auf Euern Siegeöwagen 
Die beilge Bundeslade nun, 
Des Himmels Legion wird mit Euch ftehn und fechten, 
Bei den Gefäßen des Altars zu feiner Rechten 
Sol fünftig Euer Kriegshelm run! — 


vn. 


63 iſt geichehn! Die ſchlechte Sache 
Iſt hoffnungslos umd dudt ſich ſtumm. 
Zrantreich bat Bott erwählt zur Wade 
Für das bebrohte Königthum. . 
Sein Geiſt durchſchaut die Böjewichter 
Und leuchtet, wie die fieben Lichter 
Im Tempel an des Jordans Strand, 
Es ift der Throne Schutz und Segen, 
Sein Schwert ift wie des Engelö Degen, . 
Der einft au Eden's Pforte fand. 
November, 1823. 


1%6 2 


An den Eriumphbogen de l'Eloile. 


Non deficit alter. 
vs rgil, 


Achte Ode. 


L 


Ärantreich hat Gräber, hat Baläfte, Hallen, Warten, 
Hat alte Schlöffer voll von Bannern und Standarten, 
Heroenſchmuck, den einit den Feinden es entwand, 
Sein frommer Eifer bat, die brennende Begierde, 

Zu mehren feiner Tempel Zierbe, 

Dft ausgeplündert fremdes Land. 


Sn feinen Städten, reih an Monumenten, ſehen 
Die römischen Götter wir und Memphis’ Maufoleen, 
In ihren Mauern bat VBenedigs Leu gerubt. 
Und fehlt e8 an Metall, um neue Säulenriefen 
Für unfer Babylon zu gießen, 
Dann fordert e8 vom Feind Tribut. 


Wenn unjer Heer auszieht und feine Waffen blinten, 

Und ihm die Driflamm’ und ihre Lilien winten, — 

Wie Heerden fliehn vor ihm die Feind’ in raſchem Schritt. 
Dann den Beftegten ſchenkt ver Sieger reihe Gaben, 

Als wär’ es Spielzeug nur für Knaben, 
Und ihre eignen Fahnen mit, 





187 


IL 


Du Siegesmahl, der Blitz, der deinen Herrn dir raubte, 
Hatt’ auch gezielt nach dir und deinem jungen Haupte. 
Aufs Neu errichtet ſtehſt du wieder, ftolz und fcdhön, 
Ein Dentmal, — alfo fprah nur Eine Stimm’ im Heere, — 
Begonnen einft zu unfrer Ehre, 
Es darf nicht unvollendet ftehn | 


An deiner Stirne foll des Helden Name prangen! 
Denn jeden Lorbeer, den Frankreich einmal empfangen, 
Bewahrt es treu, damit ihn feine Zeit zerpflädt. 
Du Bforte des Triumpbs, fteig’ auf zur Himmelsnäbe, 
Und unfer Ruhm, der Rieje, gebe 
Durch deinen Bogen ungebüdt | 
November, 1823. 


— —— —— — 


Der Eod des Stäuleins von Sombreuil. 


Sunt lacrymae rerum. 
Virgil. 





Neunte Dye. 


I. 


lad auf, mein Saitenfpiell Die Tugend follft du preifen, 
Richt in Jeſajas' noch Ezechiels finftern Weiſen, 
Nicht fluchen ſollſt du heut, wie oft, der Sünd’ und Schmach; 
Den Opfern fing’ ein Lied, und wein’ um die Begrabnen ! 
Und deine feierlih erhabnen 
Gejänge hallt der Himmel nad. 


Auh Du, Sombreuili.. Nah Dir Verlangen 
Trug längft der Himmel, — und er nahm 
Weg die Berbannte; heimgegangen 

Laͤßt fie uns bier verbannt, voll Sram. — 
Sprecht, ſaht ihr wohl ing Dunkel ihren 
Erhabnen Schatten fi verlieren? 

Floh er zum Lichtmeer, ewig Mar? 

Sit er hinauf, hinab geftiegen? ' 
Wo fol nun ihre Aſche liegen ? 

Im tiefen Grab? — Auf dem Altar? 
® 





129 


Beint nit! — Sie riefen ab die Heil’gen und Propheten. 

Ihr, die ihr Sie geliebt, Ihr dürft zu Ihr nun beten. 

Bei ihren Schweitern dort, den Engeln, ſchön und rein, 

Den Jungfrau'n, ift fie nun, die man ans Kreuz geſchlagen, 

Die auf dem heißen Roſt einſt wie auf Roſen lagen, 
Entſchlummert mitten in der Pein. 


Ein heil'ges Raͤthſel war ihr Leben, 
Voll Unſchuld und geheimem Schmerz, 
Dem Dienſt der Todten war ergeben, 
Den Lebenden ihr treues Herz. 

Und manchmal war Ihr, ach, als haͤtte 
Der Tod zerriſſen ſchon die Kette, 

Und legte ſtill Sie auf die Bahr; 

Dit ploͤtzlich fühlte Sie, erſchrocken, 
Das Blut in ihren Adern ftoden, — 
Ein Blut, das nicht das Ihre war. 


IL 


D Tag, an dem der Tod fein Vorrecht weggegeben, 

Bo Sie — um melden Preis! — erlauft des Vaters Leben, 

Wo durh der Jungfrau Mund das Blut von Todten rannl 

Die Henter zeigten ihr den biutgefüllten Becher 

Hier und das Eifen dort, und grinsten Sie mit freier, 
Satan'ſcher Luft hohnlachend an, 


Der Sieg ward ihrem Duldermutbe, 
Zum Himmel jah fie auf mit Dank, 
Und trank den Becher mit dem Blute, 
Die Jeſus fterbend Galle trank. 

B. Hugo’) fämmil. yoctifhe Werte. IL, 9 


— — 


130 


Den Muth kann wur die Liebe geben! 
Und als die Jhrigen, vom Leben 
Dann fheidend, ach, ihr wehgethan, — 
Für bie, die ihrem Herzen fehlten, 
Mies Gott ihr feine Ausermwählten, 

Die Wittwen und die Waijen, an. 


Denn Ihr Mastyrium, Sie ſollt' es überleben! — 

m unfrem Lande ſah, dem glaubenslofen, ſchweben 

Man Sie, wie einen Strahl, Rachts leuchtend auf den Höhn. 
Gezeichnet wunderbar war fie vor allen Frauen; - 

Auf feinem Erntefeld, als ſeltnen Schmud der Auen, 

Lieb Gott Sie überreif, als heilge Aehre, ftehn. 


Sa, felig war Sie ſchon hienieden! 

Der Herr, der Sünder ſchlaͤgt, er gibt 
Auch Kraft, ihr Kreuz zu tragen, Frieden 
Und Rub den Seelen, die er liebt. 

Die Leiter läßt er Jakob fehen, 

Wo Engel auf und niebergeben, 

Führt Saul, ver Endors Höhle ſucht, 
Er birgt den Honigjeim, den fühen, 

Im Kelch, in den fie Wermuth gießen, 
Die Ace in der goldnen Frucht. 


Gott ift gerecht. Und wenn in Purpur auch fidh kleidet 

Der Böfe, dem Nichts fehlt, als Frieden, er beneidet 

Den Ehrenmann, der arm lebt unter'm Dad von Stroh. 

Und wenn des Sünders Glüd, der ſtets am Abgrund jchreitet, 
Ihm eine Hölle nur bereitet, 

Der Ele, darbt er auch, wird bier des Himmels froh. 





131 


Man fagt, des Lebens, Neige hätte 

Sie gern geihlürft noch eine Frift, 

Lieb war geworden Ihr die Kette, 

Die nun von hr gefallen ijt: 

— „Herr, laß mein Stündlein noch nicht Fchlagen ! 
Bin ih denn würdig fhon, zu wagen 
Aus diefem Thränentbal den Flug ? 

D fäume noch, laß Dich erbitten: 

Noch hab’ ich nicht genug gelitten, 

Und Troft geipendet nit genug!“ 


„Ich ſcheide! — Die ih muß verlafien, Dir befeble 

SH ſie! — Ich liebte fie mit meiner ganzen Seele. 

Barum fo früh ſchon wird des Himmels Krone mein? 

Aufrihten laß mich hier die kummervoll Gebüdten! 

Im Himmel kann ich nicht beiftehn den Unterbrüdten, 
Den Unterbrüdern nicht verzeihn!“ — 


Sie ftirbt, die Frömmſte aller Frommen! 
Umfonft das Bitten und das Ylehn 

Der Armen, die mit Thränen kommen, 
Und ihre Mutter fcheiden fehn. 

Die Euch gejegnet, o ihr Armen, 

Lohnt Ihr mit Thränen Ihr Erbarmen, 
Und zollt hr heilge Wunſche gern, 
Denkt Ihrer ftet? mit warmem Dante, 
Ihr Wittwen, Waifen, Dürft’ge, Kranke, 
Ihr Ebenbilder all des Herrn! 


132 


IV. 


Herr, die Dein Geiſt erfüllt, o laß ſie hier auf Erden! 

Die Guten gehn. Was wird nun aus den Boͤſen werben ? 

Der Tugend Anblid macht den Sünder nicht mehr weich. 

Laß einen Strahl des Heild noch leuchten Deinen Knechten, 
Herr, laß der Erbe die Gerechten! 


Haft Du der Engel nicht genug in Deinem Reich? 
December, 1823, 


133 


Das Iehte ſied. 


O Mufe, die du mir anf einer fangen, gefahrvollen 
Laufbahn eine freundliche Gtäpe geweien, kehre nun in 
Die himmliſchen Wohnungen zurüd]. . Lebewohl, bu Trir 
ſterin meines Lebens, die bu meine Freuden mit mir theilteſt, 
ad, und weit Bfter noch meine Schmerzen! x 

Ghateaubriand , die Märtyrer. 


Zehnte Ode 


Ja, leg’ auch du die Leier nieder! 

Was gilt der Gott, der deine Lieder 
Durchflammt, der Welt gemeinem Troß? 
Sie lachen, ſingſt du ihm zur Feier! 
Zerbrich fie, die verhöhnte Leier! 

»Steig' ab vom Wagen ohne Roß! 


OD bimmlifches Gefühl des Dichters, dem won Ferne, 

Beg über Grab und Tod, fein Ruhm, gleich einem Sterne, 
Ans ſpäter Zukunft hell im Geift entgegenblintt! 

Bon hoher Warte ſchaut er aus in alle Weiten, 

Und fieht die Nachwelt, die ihm freundlich laͤchelnd wintt, 
Und taufend Echo's wedt im tiefen Schooß der Zeiten 
Sein Name, wie ein Stein, der in den Abgrund finkt, 


-- — — — — 





134 
Der Himmel ſteht mir, ach, nicht offen; 
Nicht auf die Nachwelt blickt mein Hoffen, 
Klanglos iſt meines Namens Hall; 
Mein Lied, bei Sturm und Blitzesfunken, 
Iſt in den Strom der Zeit geſunken, 
Wie Lilien in den Waſſerfall. 


Doch rein und ohne Schuld iſt meine jühe Muſe; 

Der Stern von Bethlehem lacht ihr mit holdem Gruße. 
Dem Sterne ging ich nah, den Hirtenkön’gen gleich. 

Der Herr hat mir geſchenkt vie Gabe feiner Stimme: 

Denn ihn vergibt fein Bolt oft, jchläfrig, träg und weid. 
Mag weinen, tröften, mag den Schlechten drohn im Grimme 
Mein Lied, ein Adler fliegt e8 auf ins Sonnenreich! 


Mein Geift, getränkt in lichten Höhen, 
Steigt von been zu Ideen. 

So flieht des Waflers edler Thau, 

An dem fi labt der Sohn der Wüſte, 
Zum Strom, vom Strom zur Meerestüfte, 
Vom Meer hinauf ins Simmelblau, 


‘hr Heerde ohne Blut, ihr Blumen ohne Düfte, 

Hr Menſchen! — Ab, zum Flug nicht taugen dieſe Lüfte, 
Zu eng ift diefe Welt, ihr Hauch nur Angft und Dual. 
Alltagsgeraͤuſch ift euch der hohe Klang der Lieder, 

Ich trinte Wermuth, teinkt ihr Meth aus dem Bolal! 
Liebt, was ihr einmal liebt, befämpft, was euch zuwider, 
Ihr, deren Auge blind für jeden Himmelsſtrahl! 


135 


Laut ließ ich meine Stimme fchallen,, 
Dod nirgends will fie wiederhallen ; 
Und meiner Erzdrommete Auf 

Dröhnt’ in den Seelen, den gemeinen, 
Nur dumpf, wie auf den Pflafterfteinen 
Erſchallt des flucht gen Rofſes Huf. 


Umfonft des Ew'gen Born ließ ic im Lebe ſprechen, 
Umfonft verfucht! id) janft des Sünders Troß zu brechen, 
Und: „Gnade!“ rief umfonft Ihm des Erlöjers Mund: 

Db fireng, ob mild mein Lied den Menihen kam entgegen, 
Ob es der argen Welt, der undankbaren, fund 

Si gab als fanfter Thau, ob als Gewitterregen, — 

Kein Blümchen bob das Haupt, kein Unkraut ging zu Grund. 


Dem Grab entrinnt kein irdiſch Weſen; 
Weg rafft den Guten, wie den Böfen 
Die unerbittli ftrenge Macht. 

Ber will dem Höchſten mwiderftreben ? 
Dem Zelte gleicht des Menichen Leben, 
In dem er fchlummert vor der Schladht, 


Gr Sterblichen, das habt im Wahn ihr oft vergefien: 

Des Lebens Urne ift nicht Allen vollgemefien. 

Do ſchlürft gedankenlos hinunter nur den Tranf, 

Genießt die Früchte, die am Abgrund ihr gefunden ! 

Die Thoren! Bricht zulegt ihr Auge, matt und krank, 

Dann Hammern fie umjonft Ah an die legten Stunden, 
Wie an die Trümmer, wenn das Schiff im Sturm verfant ! 


186 


Lebwohl! — Geh’ ein zum Himmelsthore, 
O Mufe, fing’ im heil'gen Chore 

Nun fröhlid mit und hell und Mar! 

Der Menge haft du nie gefallen ! 

So laß den Vorhang nieberwallen, 

Und Hull’ in Schatten den Altar, 


Hier bring’ ih Dir, o Herr, den Zweig der Hoffnung wieder, 
Die beilgen Waffen leg’ an Deinem Thron ich nieder. 
Ich babe nicht erreicht, wozu mich rief die Pflicht, 
Dft halt ein junger Yar, den Stürme wild umtoben, 
Auf einmal inn im Flug zum goldnen Sonnenlidt. 
Zur Erde fährt herab ein Bligftrahl oft von Oben, 
Und kehrt dahin zurüd: — gezündet bat er nit! 
1823, 





Drittes Bud. 


1824 — 1828, 


Schnell hat die Zeit, der Zugend ſchlauer Dieb, 
Der Jahre breiandzwanzig mit geraubt. 

Die Tage fliehn. Und noch if unbelaubt 

Dein Sommer , ohne Blüt' und Anotpentrieh, 


Det wie ich auch zur Reife mag entfelten, 
Karg, glänzend, laugſam, taſch, mein Geiſt: — wohlen. 
Gtets mit bem Ziele, dad mir Bott hienieden 


Geſetzt, tm Einklang wirb er ch erhalten, 

Bor Seinen Hugen wandl' ich meine Bahn, 

Zreu meiner Gendung, bie Er mir beſchieden. 
» Milton, Gonette. 


An Alphons un £. 


Dieweil wir denn wiflen,, daß der Herr zu fürchten 
iR, fahren wir ſchöͤn mit den Leuten, aber Gott And wir 
offenbar. IL Korinth. 5, 11. 


Erfſte Die, 


J. 


3a ſprach: „Mein Raben foll im Hafen Ruhe finden, 
Mein Segel geb’ ich Preis nicht länger mehr den Winden, 
Berbirg, o Leier, dich; und Alles wird noch gut! 
Wie ein Soldat will ich mich ohne Murren legen, 
Der über feinem Bett aufbängt den ſchart'gen Degen ; 

Db Sieger, ob befiegt, — er ruht!“ 


Ein Lied nur, Mufe, wünfcht’ id noch aus deinem Munde, 

Ein heilig ernſtes Lied, — für meine Todesftunde ! 

Ein Dichter muß dem Tod Ins Antlig heiter fehn. 

Blidt' er nicht lächelnd auf die Weinenden bernieber: 
„Wie?" — fagte man ihm, — „ohne Lieder, 

Klanglos, o Dichter, willft Du aus dem Leben geht?” 





mm — — — 


„7 
. 140 


Der Tod ift nicht, wie er erfcheint dem Menſchenſchwarme. 

Er ift der Augenblid‘, wo in des Baters Arme 

Stürzt der verbannte Sohn nad langem Pilgergang,. 

Wenn horchend unfer Ohr wir zu dem Todten neigen, 

Singt feine Stimme ſchon — für uns in tiefem Schweigen — 
Jenſeits den ew'gen Lobgeſang! 


IL 


Ich ſollt' es nicht.. und do in des Turnieres Schranken 
Kehr' ih zurüd! — Du willft’3, mein Freund! An dem Ge- 
danlen 
Trägt deine Mufe mit die Schuld! Du fpradft: „Wohlan ! 
Noch einmal wollen wir zum Kampf die Schwerter ſchärfen 
Und kühn und ind Getümmel werfen, 
Als Gotteäftreiter laß ung treten auf den Plan!“ 


Kal Meine Mufe fol die Deinige begleiten! 
Nimm Teine Laute! — Komm, als Brüder laß uns ftreiten, 
Felt für Altar und Herb verbunden wie Ein Mann. 
Die ein Homeriſch Paar laß ung auf Einem Wagen 
Hinaus in das Gewühl der Mufenlämpfer jagen: 

Du führft den Speer, ich das Gefpann, 


Ya, laß die Schwäche mich, die menschliche, befennen: 

Mic lodt zum Kampf hinaus, — ich weiß es nicht zu nennen, — 

Ein eigner Trieb: den Feind, den ich befämpft fo lang, 

Ich möcht’ ihn wieder jehn, den Frevler möcht’ ich fchlagen — 
Und Dir, daß ih Dich liebe, fagen, 

Und dann ber Zugend mweihn noch einen Lobgefang. 





141 


II. 


Die Zeit ift nicht mehr, wo zum Himmel die Poeten 
Als Priefter ſprachen, und zur Erbe als Propheten. 
Erſchiene Mofes ung und Jeremias heut, 
Zu richten unjer Voll, zu löfen, zu verbammen, 
In ihrem Auge ſäh' es nicht des Bliges Flammen, 
Die Funken, die ihr Lieb veritreut. 


Bergebens liefen fie und ſchrie'n durch alle Gaſſen: 

‚Genug des Bürgerkriegs! Wollt ihr denn ewig haſſen? 

Der Tanz ums golone Kalb, wann ent er einmal? 

Dagon wird untergehn, und Baal wird verſchwinden. 
Gott ſprach: Du folft dem Bolt verlünden: 

Shut Buße, fonft ereilt euch jäh der Rache Strahl! 


Mm Sad und Afche geht, ihr Kön'ge fammt dem Bolte, 
Der Richter kommt herab auf einer Wetterwolle: 
Ihr ſchlaſt? Wacht auf einmal! Jezzt ift nicht Schlafenszeit. 
Gomorrha liegt in Glut, und Tyrus in den Wogen, 
Streift die Betäubung ab, die euer Aug’ umzogen, 

Wacht auf und feid zum Tod bereit! 


Den Herrn der Erde web, die ihren Lüften fröhnen, 

Des Volles lachen, wenn e3 weint, und uns verböhnen ! 

Des Sehers fpotten fie, nicht ahnend das Geriht. . 

Belfazar ſchwelgt beim Mahl, und Flammenworte glänzen 
Rothglühend unter Blumentränzen 

Geichrieben an der Wand: — der Trunfne fieht fie nicht! 


3 


Ste find verworfen, gleich dem großen, finftern Reden I 
Sein Ruhm, fein Todeskampf war allem Bolt ein Schreden. 
Dem eine Welt gehorcht, jung fiel Napoleon, . | 
Der außer Athem fein Jahrhundert jagt’ und beste, 
Der den beipornten Fuß auf Königsftirnen ſetzte, — 

Sie tragen noch die Spur Davon. 


Weh ihnen! — Weh auch dem, der tückiſch Ränke zettelt, 
Der heuchelnd, triehend vor SatrapensZhüren bettelt, 
Dem feigen Sklaven web, und web dem ftolzen Herrn, 
Der den Unſchuldigen zum Tode der Verbrecher 

Sieht gehn inmitten zweier Schächer, 
Und legt ihm vor den Fuß fein jchönftes Kleid nicht gern! 


Web dem, der ſpricht: „Die mich gebar, war eine Dirne!“ 
Der ein gemeines Herz birgt unter firenger Stirne, 
Bei dem ein Eid im Wind verweht wie leichter Schnee, 
Der ſchmeichelt ins Gefiht, und läftert hinterm Nüden, 
Der jelbit ſich weife nennt und Hug in allen Stüden, 

Weh diefem Thoren, dreimal weh! 


Ihr Völter, der euch fchuf, der Gott ift euch verborgen? — 

Dod gibt er Jedem kund fi), wie ber lichte Morgen. 

Was ihr auch leidet, thut, genießt, und fühlt und denkt, 

Gott ift euch nah, er wacht am Sarg, 'wie an ber Wiege. 
Führt ein. Erobrer euch zum Siege, 

Der euch regiert, der Arm ift felbft von Gott gelentt. 


Zur Zeit, wo tollem Wahn ihr fröhntet, ſchnöder Sünde, 
War Er’, der aufgetban des Aufruhrs wilde Schlünbe! 
Und der Gerechten Blut, in Strömen floß es bin, 


143 


Ein Schwert ob ihrem Haupt, fo lagen fie und ſchliefen, 
Die Böller, und im Traum, wie Jakob, aus den Tiefen 
Sahn Engel fie zum Himmel ziehn. 


Hr Voͤlker, bebt und hört, was id ins Ohr euch raune: 
Aus Äinftrer Wolle wird erſchallen die Poſaune; 
Der Tag des Heild, der Tag der Qual ift nit mehr fern. 
Bon feinem Strahlenthron wird Er herab Ach neigen, 
Auf eure Böten wird er zeigen 
Und fragen: „Wer ift Bott? Erkennt ihr jegt den Herrn" — 


Gewaltig Rebenmal wird die Bofaune rufen: 

Und, Well’ auf Welle, ziehn zu feines Thrones Stufen 

Die Schatten, fabl und bleich, die Völker allzubauf. 

Der Helland winkt, ibm tritt die Mutter an die Seite. 

Aufipringt das Himmelsthor, das Höllentbor, das weite, 
Ihut Inarrend feine Flügel auf. 


Gott zählt fie allzumal, die Himmel hallen’3 wieder, 
Die Kön’ge beugen fi, zu feinen Füßen nieber 
Legt Jeder, was er bofit, was er gefehlt, erſtrebt. 
Und über Berg und Meer und tiefe Felſenllüfte 
Und durch den Marmor ſelbſt der Grüfte 
Bird wehn fein Odem, des den Tobtenftaub belebt. 


Ir Sterblihen wacht auf aus euren eitlen Träumen! 

Wie mögt ihr Hlattern doc in peſtdurchhauchten Räumen? 

Ruben, Reichthum, Luft — eb weht ja Alles weg Die Zeit. 

Die ihr im Taumel lebt, ala wär't des füßen Weines 

Ir voll, und forglos fchwelgt, ihr Sünder, denkt an Eines... 
Die Ewigkeit! Die Ewigkeit I" 


144 


IV. 


Die Weiſen unſrer Zeit antworten: Dieſe Leute, 

Was wollen. fie? — Sie find ung fremd, find nicht von Heute, 

Wohl aus dem beil’gen Land find fie, voll heil'gem Groll? — 

Sprecht, wo iftibrOlymp? Wo ihr Parnaß? — Ihr Meifter, 
Der Gott, der uns bedroht, wie heißt er? 

Trägt er das Schwert des Mars? — Den Bogen des Apoll? 


Anftimmen wollen fie Pindar's erhabne Töne? — 
Sie haben Hieron, die Helena, die Söhne 
Des Tundaros... die Bahn, wo Wagendonner rollt, 
Wo zu dem Staub des Kampfes die Weihrauchwolken fiegen, 
Und wo zum Biele raſch hin jagen die Quabrigen 

Mit reihem Schmud in Erz und Gold, 


Warum erjchredt ihr ung durch grelle Nachtgefichte? 

Idyllen lieben wir, bulolifhe Gedichte, 

Wo Daphnis mit Myrtili melodiſch Rede tauſcht. 

Wir haben, um dem Blid die Zukunft zu enthüllen, 
Beſeſſne, fchäumende Sibylien, 

Um die ein böfer Geift mit ſchwarzen Flügeln rauſcht. 


Warum, wie Schatten, mischt ihe euch in unfern Reigen ? 
Wer beißt eu, ung das Grab, das ſchaurig offne, zeigen? 
Bo uns die Freude winkt, was will die ſchwarze Schaar? — 
Gedacht' Analreon, ver Greis, der kummerloſe, 
Des Todes, dann verglich er lächelnd ſich der Roſe, 

Die welt’ auf feinem grauen Haar, 





145 


Auf feiner Leier ließ Virgil kein Lied erklingen, 

Das feiner Lycoris nicht Gallus konnte fingen. 

Ein lautrer Born der Luft it, was Horaz uns fang. 

Richt göttlich ſchien es ihm, in Thränen fi zu baden, 
. Der Thau nur ftäubender Kaskaden 

Fiel auf die Myrte, die fein Saitenjpiel umſchlang!“ 


V. 


So würden ſie, mein Freund, empfangen Gott und ſeine 
Propheten, — das Geſchlecht, das lebt vom Tand und Scheine. 
Vergeblich zürnteft Du, Sie würden lachend gehn 
Zu einem tollen Zeit, und trunken nad) der Feier, 
Um einzufchlafen beim unbeil’gen Klang der Leier, 

Sid auf die andre Seite drehn. 


Dog ſei's! Das heil'ge Wert, zu dem Du kamſt, vollbringe, 

Dein Rund ift gottgeweiht, drum richte, fegne, finge! 

Auf Deiner Stirne bat die Hand des Herrn gerubt. 

Und wie der Born dem Feld entquoll in alten Tagen, 
Nachdem ihn Mofis Stab geichlagen, 

So firömt aus Deiner Bruft der Dichtung beil’ge Flut. 


Du weißt e8, Yreund, ich gäb’, und wär’ ich unterlegen, 
Neidlos zu Teinem Sieg, mit Freuden, meinen Segen: 
Der Lorbeer lacht auch mir, den fih ein Andrer pflüdt. 
Dem Dichter weiht ein Lied der Tichter mit Frohloden. 
Nie einen Schatten wirft der Kranz mir auf die Loden, 
Der eine fremde Stirne ſchmückt. 
9, Ougod fümmil, poetiſche Werte. I 10 


146 


Du lähle zu vem Neid, der hämiſch Dich verlannte ! 

Einft höhnt’ er den Homer, er wagte fih an Dante, 

Den Triumpbator ſchmaͤht' er unterm Siegesthor. 

Die Zeit wird aus der Hand ihm fchlagen feine Waffen, 
Und Dir Dein volles Recht verſchaffen. 

Die Wetterwolle fintt, Dein Lorbeer fteigt empor. 


VL 


Wie herrlich Hingt Dein Lied, rein wie der Ton der Saiten, 
Wenn Engel prüber bin mit leifem Finger gleiten, 

Fremd iſt der Harfenllang, der himmliſche, Dir nicht, 

Gott felber, defien Hauch des Sängers Lippen küßte, 

Er bat wohl oft mit Dir geſprochen in der Wüfte 


Bon Angeſicht zu Angeſicht! 
Dltober, 1825. 


147 


An Chateaubriand. 


Unfruchtbare, verborite Bäume läßt man in Ruhe. Rur 
nach denjenigen wirft man mit Steinen , deren Stirnen mit 
goldnen Früchten gekebnt Mint. - Ubenbameb. 





Zweite Ode. 


L 


Chateaubriand, es gibt glorreiche Schiffe, denen 

Der Sturm willkommen, die nach Zephyrn nie ſich ſehnen; 

Geſtirne, Könige der lichten Sternennacht, 

Vulkan'ſche Welten, die Gott in den Kreis der andern 
Geſchleudert, die im Dunkeln wandern, 

Berzehrt vom Feuer, das ihr Haupt umkränzt mit Pracht. 


Etet3 liebt der Genius das Große. Die gefallen, 
Die Opfer, find es, die ihm beilig find vor allen; 
Im Unglüd wächst der Ruhm, der Helden wird zu Zheil, 
Eie ragen body im Bolt, mit fturmummwehten Stirnen.. 
Die Wetterwolte hält nur über hohen Yirnen, 

Die Gipfel trifft des Donners Keil. 


Ein großes Herg, e3 darf auf großes Uinglüd zählen ; 

Das Leid ift der Tribut, den edlen, großen Seelen, 

Die dem Alltagsgeſchick entrüdt, die Welt befcheert. 

Der Held, der duldet, fieht entgegen jeinem Lohne: 
Der Ruhm hat keine ſchoͤnre Krone, 

Als einen Lorbeer, den des Himmels DBlig verzehrt, 


148 


1 


I 


Wie kamſt Du doch dazu, o Freund, zu Hof zu geben? — 
Du, der als Knabe jhon vernahm des Sturmes Wehen, 
Den nie ein Unfall ſchredt, der trogt dem, Hohn und Spott, 
Ein Freund der Könige, wie wenige nur leben, 
Der Kön’gen nur, wenn fie die Mörder jchon umgeben, 

Nur ſchmeicheln kann auf dem Schaffott. 


In Zeiten, wo der Thron fein Obdach neu gefunden, 
Bo man bei Feft und Schmaus vergißt ber trüben Stunden, 
Da lacht des Hofes Gunft nit Männern, groß, wie Du. 
In finftrer Nacht, bedroht von Riffen nur, im Sturme 
Wirft finlend der Pilot dem Thurme, 
Der leuchtet ihm zum Heil, dankbare Blide zu. 


Du bogft die Stirne nihl, als Er die Welt bewegte, 
Als des Erobrers Hand fih ſchwer auf's Haupt Dir legte. 
Wenn durch Berbrehen oft dem Abgrund nah gerüdt 
Das Baterland den Pfad verlor und taumelnd zagte, 
Stets Eine Stüge blieb ihm, die ſich nie verfagte, 

Dein hohes Haupt, das nie fih bückt. 


IN. 


Doch hat auch Fran kreich Dich geftügt und hoch gehalten, 
Drum wandle ftolz dahin und laß Dein Schidjal walten, 
Und lauter tönen ftet3 wird Deines Ruhmes Schall! 
So oft ein Schlag Dich traf, fill gingjt Du Deine Pfade, 
Und ftolz, gefallen in Ungnade, 
Stiegit Du nur höher, als zuvor, durch jeden Fall. 
uni, IM. 


— — eg 


149 


Bas Seichenbegängnif fadwig's XVHL 


J Aber dech ſprach ih: Ach muß das leiden, bie rechte 
Hand des Höcften Tann Alles ändern. BI. 77, 11 





Dritte Ode. 


L . 


Zur Tempelſchwelle drängt das Volk ſich, Kinder neben 
Den Müttern, Greiſe, Reich und Arm, in Thränen all, 
Die Thürme, ſchiant und hoch, von Saint⸗Denis, fe beben 
Erfhüttert von der Bloden Schall, 
Die Gruft wird aufgeftört aus ihrer düſtern Ruhe, 
Die Lüden füllt der Tod, und Trube * 
An Truhe rüdt er enggereiht. 
Schweigt! Ehrt den heil’gen Raum, den Frevler einst verlegten ! 
Zum legten Mal gefolgt von jeinem Hof, den letzten 
Palaſt betritt der König heut! 


Ein Andrer fprab: „Der Ruhe Hafen 
Sei meinem Stamm dies Grabgemach. 
Den Königen, vor mir entichlafen, 
Folg' ich bis an ihr Lager nad). 


150 


Hier fol man meinen“ Staub begraben! 
Um Raum für ibn zu fchaffen, haben 
Sie diefe Gruft einft ausgeleert. 

Des neuen Herrn bedarf die Erbe! 
Und diefem neuen Grabe werde 

Denn aud ein neu Gebein bejcheert. 


Hier fol mein Staub einft ruhn, mo diefe Säulen ragen, 
Der Tempel hat ein Recht auf dieſen Ehrenzoll. 
Bon Königsleihen fett muß fein der Wurm, der nagen 
An meinen Weberreften fol, 
Denn meine Entel einit vom Kreml zum Escuriale 
Beherrſchen, ſonnend fih im Strahle 
Des Gluͤcks, Europa's fernſtes Land, 
Dann werden nach und nach ſie alle hier erſcheinen, 
Damit ich ſchlafen mag, umgeben von den Meinen, 
Sm kaiserlichen Grabgewand I" — 


Der diefe Worte ſprach, von Siegen 

Erglänzte ftolz des Helden Blick, 

Geſchrieben jab in großen Zügen 

Er in den Sternen fein Geſchick. 

Mit feinen bligbewehrten Krallen 

Roms Adler hätt’ er überfallen, 

Gemwürgt und jämmerlich zerzaust. 

Siegreich den Feind. ind Herz zu toben , 
Pflegt' er; zu leiht war Karls des Großen 
Reichsapfel feiner ſtarken Fauſt. 


Und doch, dem Bänbdiger der Könige, dem Rieſen, 

Ward jene Rubeltatt, die er für fi begehrt, — 

Den beißen Wunſch erfüllt zu jehn, vielleicht nur Diefen, — 
Ward ihm vom Himmel nicht gewährt. 


151 


Umfonft, daß alle Welt den blut'gen Sieger grüßte, 
Umfonft, daß feines Ruhmes wüite 
Brandfadel ftrablt’ in rothem Licht, 

Er, der ih einen Wuft von Yascen, Sceptern, Kronen 

Zufammenftahl, und reih war an geraubten Thronen, 
Ein Grab zu ftehlen glüdt’ ihm nicht. 


Ihn bat ereilt des Rächers Flamme, 
Er fiel und mit ihm fiel fein Neid. 
Der erfte FZürft von feinem Stamme, 
Der lebte war er auch zugleich. 

Ein wüftes Eiland warb dem Niefen, 
Sem Kronenräuber, angewiejen, 

Das des Tyrannen- Kerler war. 

Mocht' auch der alte Held fi grämen, 
Bon fremdem Mitleid mußt’ er nehmen 
Den Obolus des Belijar. 


Dort liegt er, fern der Gruft, die er ih vorbehalten, 
Ohn' allen Königsprunt, nicht am geweihten Ort, 
Einfam im Schlafgemach, gehüllt in feinen alten 
Soldatenmantel ſchlãft er dort. 
Sein Reich iſt nun ein Feld, an dem ſich Wogen waiden, 
Mit fturmgepeitfchten, alten Weiden, 
Dort ift’3, wo feine Aſche ruht. — 
Der König, lang verbannt, ſchläft nun an beil’ger Stätte, 
Wo feine Väter ruhn, da Tiegt au er im Bette, 
In des lebend'gen Gottes Hut, 





158 


I 


Auf Wegen führt, uns unbelanitten, 

Der Herr die Großen oft ans Ziel: 

Bur Heimath fhidt er den Berbannten, 
Und ven Erobrer ins Eril. 

In Frankreich ließ ihn Gott verſcheiden, 
Den König, groß durch feine Leiden, 

Der Domen nur am Wege fand. 

Er gönnt’ ihm, von der düftern Schwelle 
Des Maufoleums nad der Stelle 

Zu ſchaun, wo feine Wiege ftand. 


IV. 


Er, der ſein eignes Leid in unſrer Noth, der ſchweren, 
Vergaß, er ruhe ſanft nun in des Grabes Nacht! 
Dem beſten Bruder, der, ſelbſt weinend, gern die Zähren 
Uns trocknet, hat er uns vermacht. 
Ihm glückt' es, der Partei'n Trugbilder zu zerſtreuen, 
Die alten Zeiten und die neuen 
Verband er durch ein weiſes Recht; 
Gin Recht, das ſicher ſtellt Eintracht und Ruh' im Reiche 
Durch einen Herrn, der ſchirmt die Bürger all als Gleiche, 
Und ihrer Freiheit dient als Knecht. 


Du, ritterlier König, hüte 

Dein Boll, und beitre Himmelsluft 
Umwehe ftet3 Dich! — Niemals mütbe 
Zumult und Lärm um dieſe Gruft. 








Der Dämon, bürftend nad dem Blute 
Der Könige, hat oft das Gute, 

Was fie gethan, gelohnt mit Morb; 
Genug der Opfer find getöbtet, 

Und durch Verbrechen warb verödet 
Und neu bevölfert diefer Ort. 


Nein, eine Krone kann nicht ſinken und nicht weichen! 
Bon ihrer Höhe reißt der Moͤrder Hand fie nie. 
Und wenn der Kön’ge Haupt fällt unter ihren Streidhen, — 

Die zweite Salbung iſts für fie. 

Ludwig, der Kettendrud und Schmach von Frevlern leidet, 

Bon allem Königsprunk entkleidet, 

Vergißt au ohne Hof der Koͤnigswürde nicht, 
Wehrlos auf dem Schaffot noch übt er feine Rechte, 
Berzeiht dem Henler und begnadigt feine Knechte 

Dem Todesbeil im Angeficht. 


V. 


Schichſalsgedanken in mir reifen 
Lieb, was ich hörte, mas ich ſah. 
Und meines Geiftes Blide ſchweifen 

Bon Saint-Denis nah Helena. 

O Tod, du Weſen zum Entjegen, 

Der Purpurmäntel reißt in Fetzen, J 
Und Thürme niederwirft in Wuth, 

Eprih, Dämon, der uns führt zur Bahre: 
Wo ift die Sand, die unfichtbare, 

In der des Grabes Schlüffel ruht? 
September, 1824. 





154 


Die Salbung Karls X. 


Os superbum eonticescat, 
Bimplex fides aequiescat 


Dei magästerio ! 
. Gebet bei der Salbung. 


— — 


Bierte Ode. 


L 


Seit dreißig Jahren war der Stolz der Fluch der Erde: 
Er ſprach von Rechten nur, für Pflichten taub und ſtumm, 
Er ſtürmt' ins Heiligthum ‚der Macht mit‘ Hohngeberde 
Und raubt ihr ihr Mofterium. 
Der Stolz allein gebar den: Wahnfinn ohne Gleichen, 
Der Brüder-Leihen daͤuff auf Leichen 
Und ewig ſchaͤndet' unfern Ruf, 
Die blut'gen Graͤuel all, die Feſte roher Sünder, 
Wo auf dem’ Blutheruſt fih als Prophet der Schinder 
Gebervete und Gott erſchuf. 


Umfonft bat, um das Herz der Xhoren zu erweichen, 

Uns Gott gewarnt, geitraft: verjtodt blieb unfer Wahn. 

Umsonft bat feine Mat mit Wundern und mit Zeichen 
Sih dem Jahrhundert fund gethan. 


158 


Umfonft bat ein Tyrann erfchredt dur Blut und Wunden 
Die Welt, gefefielt und gebunden, 
Betäubt durch den Tumult der Schladht. 

Ad, mit Berblendung find die Völker oft geichlagen: 

Sie ſahn nit, welche Hand gelenkt den Schlachtenwagen 
Vom Mittag bis gen Mitternadt. 


IL 


Mer bat fi ftolger je geipreizt im Hoheitsſtrahle, 
Als Chlodwig? — Flammen fab man feine Augen fprühn: 
Sich in die Wage legt’ er und die Welt... die Schale 
Sant unter ihm, — fo wähnt’ er fühn, 
Bor zwanzig Königen in Waffen war dem feden 
Sicamber niemals? bang, dem Schreden 
Macht’ er die Völker unterthan. 
Auf Erden wedte Nichts dem Tropigen ein Grauen; 
Sein „arme zu beugen mußt’ — ein Wunder anzufchquen _ 
Bom Himmel eine Taube nahn. , 
Zu diefem Altar bier ift fie berabgeftiegen, 
Und wie fie Chlodwig's Trog und Uebermuth einjt brach, 
So kommt fie nun, den Stolz der Völker zu befiegen, 
Die Hohn ihr angethan und Schmad. 
Und wie der König einft fol nun das Volk ih beugen, 
est, wo an ung, die froben Zeugen, 
Der Ruf: „Berföhnung!” neu erging! 
Tas Königthum hat, lang getrennt von feiner Krone, 
Zur Jette wieder, die auffteigt zum Himmelsthrone, 
Gefunden den verloren Ring. 


156 


IL 


Die Volkstyrannen, ftet3 der Vorzeit heil'gem Walten 
Unbold, fie forſchten jüngft dem Schag in diefem Schadht 
Selbſt unterm Marmor nad, dem heiligen, uralten, 
Den Santt-Remigius bemadt. 
Sie wagten in der Gruft den Heil’gen zu verletzen, 
Sie riſſen das Gewand in Feten 
Des Biſchofs in empörtem Wahn. 
Den Frevlern war das Grab nur ein gemeiner Graben, 
Und Greife riefen bang: „Gerechter Gott, was haben 
Die Gräber ihnen doc gethan?“ 


Zur Lilie führt der Herr die beilge Taube wieder, 

Er bat von ihr die Muth der Geier abgemehtrt. 

Auf einen König laͤßt fie fih noch einmal nieder, 
Und Karin ift dieſes Glüd bejcheert. 

Er wird nah altem Brauch gefalbt, dem Herrn zum Preiſe, 
Die König Salomon, der Weife, 
Als er beftieg des Waters Thron, 

Als Nathan und Zadok fein Haupt mit Del begoßen, 

Ihn küßten auf die Stirn’ und riefen: „Heil dem großen 
Sohn Davids, König Salomon!” 


W. 


Bor allen Münftern ragt im alten Frankenlande 

Ein hoher Dom, zu dem all unsre Kön’ge ziehn 

Mit jenem Siegerſchritt, der dröhnt am ferniten Strande, 
Um betend vor dem Kreuz zu knien. 


157 


An Wunderſagen reich find die gewölbten Hallen, 
Dft hat's den Heiligen gefallen 
Sn diefem Raum fi zu ergehn. 

Ein Seraph überwadt der Pforte hohen Bogen; 

Auf diefen Thürmen ſah, wenn fie worüberflogen, 
Das Bolt der Engel Fahnen wehn. 


Hier prangen heut zum Seit die Fahnen und Trophäen, 

Lafur, Gold, Seide Shmüdt den fäulenreihen Raum, 

Er gleicht dem Zauberſchloß voll Elfen und voll den, 
Wie fie die Ritter ſahn im Traum. 

Der Thron und der Altar erglübt in gleichem Glanze, 
Der Lichter reich gewundnem Kranze 
Entſtroͤmen Strahlen klar und rein. 

Die Koͤnigslilie rankt um Pfeiler, die fie ſchützen, 

Und Feuerrofen, die durch bunte Scheiben bliten, 
Streut über fie der Sonnenſchein. 


V. 


Der ſtolze Feſtzug naht! — Dem König treu verbunden 
Bernimmt das Heer, wie laut ihn: „Karl!“ der Priefter ruft. 
Die Oriflamme, neu vor Eadir aufgefunden, 
Weht heut in Rheims in beil’ger Luft. 
Es donnert das Geihäg, die Kirchengloden fchallen, 
Vorm ältften Könige von allen 
Kniet alles Bolt auf Ein Gebot. 
Ein Meer von Tönen raufcht, die am Gemölb fidh brechen. 
Und Karl der Zehnte fintt aufs Knie, die Prieſter ſprechen: 
„Erharm di unfer, Here und Gott!“ 


158 


„Er der im Feitzug kommt zum beil’gen Thron der Gnaben, 
Der Chlodwig's altes Recht, der neue Erb’, empfängt, 
Das Haupt der Pairs, der zwölf, die er hieher geladen 
Zum Dom, um den fein Bolt fi drängt. 
Schallt feiner Helden-Schaar des Königs Auf entgegen, 
Dann Schlagen fie an ihre Degen, 
Dann bebt der Feind und wird zum Spott, 
Und kehrt vom Feld zurüd fein Kriegsheer, Mann und Pferde, 
Bon ihrem Friedensſchritt noch bebt die weite Erde... 
Erbarm des Königs dich, o Gott! 


Denn du bift größer doch, ala alle Menfchengröße! 
Herr Gott, dich loben mir, du, unjer Troft und Stab, 
Du hebit und hoch empor, die armen Ervenflöße, 
Dann rufit du uns vom Leben ab. 
Du bift Herr Zebaoth, an deines Thrones Stufen. 
Den dreimal beil’gen Namen rufen 
Die Cherubim von Lieb’ entbrannt | 
In deine Ewigkeit verfinten Zeit und Leben, 
In deinen Fingern bältit du Welten, die erbeben, 
Wie wir den Sperling in der Hand!“ 
" 


' vi. 


Der König aber ſpricht: „Wie unſre Väter ſchwören 
Wir Treue unſrem Volk, Lieb' und Gerechtigkeit. 
Und ſeinen Freiheitsbrief, wir halten ihn in Ehren 
In guter wie in böſer Zeit. 
Nie wanken wollen wir im Glauben unſrer Vaͤter, 
Ihm dienen treu als fromme Beter, 
Als wadre Ritter, recht und ſchlecht. 


169 


Steis wollen wir den Ruf des Interbrüdten hören, 
Das wollen wir vor Gott aufs Goangelium ſchwoͤren: 
Gott ſchuͤtze jedes gute Recht!“ 


Montioye und Saint-Denis! — Ya, Chlod wig ſelbſt 
vernehme 
Den beil’gen Schwur, und Karl der Große, neu ermadt, 
Und Ludwig, — fie, die ftatt der Koͤnigsdiademe 
Bekraͤnzt des Lorbeers ftolze Pracht! 
Du, fiebter Karl, und Du, Johanna, jeid zugegen, 
Du, erfter Franz, an defien Degen 
Kein Matel in Pavia war! 
Und Du, o Märtyrer, der Letzte diefer Zeiten, 
D- König, melden fie zweimal zum König weibten, 
Auf dem Schaffot und am Altar] 


Bor diefen Zeugen, groß einit auf dem größten Throne, 
Wird Karl mit heil'gem Del gefalbt vorm Voll und Heer. 
Und unverzagt empfängt fein dawn! die fchwere Krone, . 
Bom Ruhm von fechzig Kön’gen ſchwer. 
Dann weiht der Erzbiichof das Scepter und den Degen, 
Den altererbten, und den Segen 
Gibt er ver Sand, bie Beibe hält. 
Und taucht den Handſchuh ein, ver, wenn ihn in die Schranten 
Ein Frankenkoͤnig warf, von jeher bracht Ind Schwanken 
Auſprallend eine ganze Welt. 


VI. 


Tritt ein, o Voll! — Ertont ihr Trommeln und Trompeten ! 

Der Fürft befteigt den Thron, gebeiligt, groß und hehr. 

Die Menge rauſcht um ihn, den ftrablenn hoch Grhöhten, * 
Wie um den Leuchtthurm braust das Meer. 


160 


Und feht, — ein beitres Bild des Volls, — in Schaaren wogen 
Beihwingte Sänger um die Bogen 
Und ftimmen: ihre Lieder an. 

Die Freibeit, glaubten einft die Franken, unſre Väter, 

Die mütterlihe Fee, fie wandle hoch im Aether 
Auf Bogelihwingen ihre Bahn. 


Ein Briefter ift er nun und König! — Strahlen winden 
Um das gektönte Haupt ihm doppelt lichten Schein, 
Nun muß er opfern. Wo mag fi) das Opfer finden? — 
Er ift das Opfer, er allein ! 
Weh jedem König, der beberricht das Volk der Franken 
Unbänbig, feurig, ohne Schranten, 
Kühn iſt's, ein Feind der Voͤlkerruh'. 
Auf dieſem Unglüdsthron liegt eine Welt voll Sorgen! 
Doch, wem um Hülfe bang, der wünjcht ihn wohl geborgen, 
Und betet: „Herr, beſchirm' ihn du!“ 


” vm. 
Gebet. 


„Nimm ihn in deine Hut, den feine Volker lieben, 
D Herr, der Feinde Pfeil! und Speere brich entzwei, 
Db fie zu Wagen, ob zu Roß fie nahn, zerftieben. 
Laß fie, und fteh’ dem König bei. 
Karl ſah, wie Moſes einft, dein hehres Antlig ftrablen; 
D gib ihm, Herr, für lange Qualen 
Ein Glüd, erhöht nod mit der Zeit! 
Laß bier Schon “ihn im Kleid der Außerwählten glänzen! 
Zwei Strahlen deines Haupts laß feine Stirn umtränzen, 
. Zwei Engel gib ihm zum Geleit 1" 
Nheimnd, Dei — Juni, 15%, 





161 


. 


. An den Oberk ©. A. Gufavfen. 


Habet sua sidera tellus. - 
Tte Desife. 


Büufte Die. 
u L 
Sung, o Jahrhundert, bift du, doch an Thaten, Ränken, 
An Ruhm und Leiden reih, an Strafen und Gefchenten ; 
Die du gebarft, fie find mit zwanzig Jahren alt, 
Du füllt jo großen Raum im Menfchenangedenten, 


Daß, menn ber legte Schlag der Stunde dir erihallt, 
Mit dir vielleicht der Kreis der Zeit zum Ende wallt, 


Den großen Voltern war zur Zeit des Alterthumes 

Ein Mann genügend für ein Säkulum des Ruhmes. 

Wie viele Leuchten ſah nicht dies Jahrhundert loh'n! 

Mehr hat Athen u 7 Rom nicht Glanz des Heldenthumes I 
Den ſchoönſten Zeiten‘ Pricht die jüngfte Aera Hohn, 

Sie überragt fie al, — durd ihre Gräber fhon. 


Geboren kaum fab dies Jahrhundert ein Verbrechen, 
Den Mord Engbiend: — (wer wirb je frei den Mörber 
ſprechen ) — 

Sah, wie Moreau, und wie der neue Rhigas fiel, 
Held Byron, jdh den Aar geftürzt, den großen, frechen, 
Der ein Jahrzehnt und mehr, in wild verwegnem Spiel, 
Bom Don zum Tajo flog, vom Kapitol zum NIL 

B, Sage’ fümmil, yortiiche Werke Il. 11 


168 


— ‚Bas liegt daran?" — fo ſpricht die Menge, „Mögen grollen 
Um hohe Häupter Blig und Donner, wie fie wollen, 

Wenn nur ein jeder Tag und Spiele bringt und Brot, 
Denn wir tm Rausch der Luft nur ſehn die Stunden rollen, 
Eorglos vergefiend bis zum Abend, was uns brobt, 

Und unbelümmert, was uns bringt das Morgenrotb. 


Die Unſchuld fällt, es ſteigt das Lafter! — Unſre Taſche 

Kült, leert das nicht! — Ein Held ftirbt! — Frieden feiner 
Aſche! — 

Mir ſelbſt? — Wer weiß, ob uns noch morgen ftrahlt das Licht ? 

Und ift das Spiel zu End, und Tommt der Tod, ber rafche: 

Mir Iprehen: Wie die Zeit vergeht! — Wir fragen nicht, 

Woher der Sturmwind weht, der unfer Boot zerbricht.“ 


U 


I. 


Du ſprichſt nicht alſo! Licht und Klarheit 
‚Nur iſt Dein Weſen, Ehr' und Treu. 

Du haft auf dem Altar der Wahrheit 
Geopfert immer. Dich aufs Neu, 

Selbſt blutend, haft Du, die venblutet, 
Geraächt, und Andern hochgemuthet 

Bu helfen warſt Du ſtets gewöhnt. 

Wer gab ein edleres Exempel 

As Du? — Dein Herz, es Hit ein Tempel, 
In dem nur Gottes Stimme tönt. 


Die Sade, die Di hat zum Zeugen, 
ft eine gute, das gefteht 

Wohl Jeder, und wird ihr fi) beugen, 
Selb wenn er fie zuvor gefhmäht. 


163 


Dein Urtbeil, wahr, wie die Geſchichte, 

Db’3 ftrafend oder lohnend richte, 

Bekräft’gen wird's der Zeiten Lauf, 

Es wird nit Shmeicheln, wird nicht ſchmaͤhen, 
Läßt ſich nicht deuten, ſich nicht drehen: 

Die Zukunft drüdcktt ihr Siegel drauf. 


Die heut'gen Wunder ſind und Zeichen 
Die Menſchen, Kinder unſrer Zeit. 

Du magſt wohl den Orakeln gleichen 
Der gläubigen Vergangenheit. 
Halbgötter ſteigen oder fallen, 

Wenn Deine Richterſprüche ſchallen. 
So ſah man einſt in dunkler Nacht 
Des Himmels Sterne niederſchweben, 
Und wieder ſtrahlend ſich erheben 
Durch eines Liedes Zaubermacht. 


Wer bat verdient die hohe Würde, 

Die dem Gerechten Gott befcheert, 

Die Du? Wer trägt der Qualen Bürbe, 
Wie diefer Dußer, treu bewährt? 
Umleuchten ihn des Ruhmes Strahlen, 
Er mußt’ ihn taufendfad bezahlen ; 

Leid trug er ohne Maß und Ziel: 

Er, Sohn des Nordens, Standinave, 
Ein Guſtav, Sprofie der Guſtave, 
Ein Geld, ein König im Eril! 


‚ 16% 


In. 


Er hatt’ einft einen Freund in feinen jungen Tagen 

Wie er, durch's Loos beftimmt, zu dulden und zu tragen: 
Der junge Engbien war's, den Mörberhand gefällt. 

Bei diefem Frevel ariff Ouftav empört zum Schwerte, 
Doch als Europa kalt von feinem Schmerz fi kehrte, 
Sprach rubig er: „Warum doc bin ih auf der Welt? 


Da eines Mörbers Fuß zertritt die Nationen, 

Die, zitternd vor der Fauft des Niefen, feig ihm frohnen, 

Und da die Fürften ihm fich beugen ſtumm und ftill, 

Da er die Sonne ift, um den fie drebn den Reigen, — 

Mas fol ih auf dem Thron dem Walt mich länger zeigen ? 
Ich, der ala König berrihen will ?“ — 


Er mid. — Gott wollte, Har auch Blinden follt! es werben, 
Daß nicht der Würbigfte ſtets Sieger bleibt auf Erden, 

Daß er allein erböbt, daß er alleın hinab 

Den Stolzen wirft, wenn er die Hand erhebt zum Schlage, 
Und daß, um Bonaparte und feinemsSchwert die Wage 
Zu balten, viel zu leicht ſelbſt Odins Königsitab. 


Dem Thron entfagte ſtolz Guſtav im Glanz der Jugend; 
Denn fehlen durfte Nichts der Größe feiner Tugend. 
Indeß Europa fi, bevedt mit Schmad und Hohn, 
Dem Riefen ſchmiegte, feig und feil mie eine Dirne, — 
Bor allen Fürften hoch trug er die freie Gtirne, 

Den Ketten und dem Thron entflohn. 


168 


IV. 


Wie anders, — kläglich, ohne Ehre, 
War jenes Wuͤtherichs Exil, 

Der in die andre Hemiſphaͤre, 

Geftürzt von jeiner Höhe, fiel I 
Erdrüdt vom allgemeinen Hafie 

Ward er verböhnt noch auf der Galle, 
Sein Yall war aller Welt ein Zeit. 
Starr wollt’ er noch ſich widerfegen, — 
Bon ſeines Bühnenpurpurs Fetzen 
Blieb feiner Blöbe nicht Ein Reft. 


Sein düftres Schidcſal gleicht dem Bette 
Des todten Meeres, defien Flint 

Bedeckt verfuntne, ftolge Städte, 

Auf denen regungslos fe ruht. 

Der ſchwarze See, der bie Verruchten 
Verſchlungen bat, die Gottverfluchten, 
Er ſpiegelt nicht des Himmels Pracht. 
Das Auge wird umſonſt mit Grauen 
Nach Sodoms goldnen Kuppeln ſchauen 
In dieſer finſtern Wellennacht. 


Guſtav, wenn je der Arm Dir wieder 
Nah Deinem Königamantel fuhr, 
Geſchah's, Du Seele, treu und bieder, 
Um einen Feind zu deden nur. 

In Deiner Einſamkeit — beneiden 

Muß ih Dich drum — gedenlit der Leiden 
Du ruhig, ftolz und ohne Schmerz. 


166 


Die Tugend, Königin, Berbannte, 
Wie Du, fie wählt, die Vielverkannte, 
Sih zum Afyl Dein großes Herz ! 


V. 


In Deinem Schloßhof mag Gras wachſen, um die Zinnen 
ESheu! — Was kümmert's Dich in Deinem ernſten Sinnen, 
Daß dies Geſchlecht zu Mein, der Größe ſich zu freun, 
Daß nur bei Fürften, die dem Glüd im Schooße bleiben, 
Der Wagen Menge rollt und bunte Fenfterfcheiben 

Erfhüttert und im Hof den Marmor-Pflafterftein, 


Und dennoch herrſcheſt Du! Du herrſcheſt über Herzen, 

Die in der Zeit des Frofts ihr Feuer nicht verfcherzen, . 
Und glauben, lieben, treu dem "Yreunb in jeder Noth, 

AU jene Ritter, die vergefinen, eblen, frommen, 

Höflinge jeltner. Art, die nur zum Fürjten fommen, 

Wenn's gilt, zu feinem Heil zu gehn in Noth und Tod. 


Mo Ehr und Treu’ und Geift der Tugend, ber verbannten, 
Noch huldigen, die fie ala treu bewährt erfannten, 

Da berriht Dein Nam’ und glänzt unfterblih, Teuchtend hehr. 
Und jeder Schöpferruhm und jedes beilge Streben, 

Und jede That, die Glanz mag dem Yahrhundert geben, — 
Auf Deinem Altar iſt's nur eine Flamme mehr. 


Kein Herr! — Kein Knecht! — Du bift der Einz'ge, der, in Frieden 
Und Freibeit, keiner Macht der Menschen fröhnt hienieden, 
Nur Gottes Untertban, glüdjelig bift Du, frei. 

Wie prächtig der Komet, von Flammen lit umfponnen, 

Ein ftolzer Wandrer frei durch Welten gebt und Sonnen, 


So gebft an Böllern Du und Königen vorbei. 
September, 1825. 


— 


167 


Hie beiden Infeln. 


Gag mir, woher er gefommen, fo wii ich Dir ſagen. 
wohin er gegangen. ®. ©. 


Sechste De. 


L 


Ewei Infeln gibt’, durch weite Gtveden 
Getrennt, durch eine ganze Welt, 

Die bo die Riefenhäupter reden, 

Un deren Fuß die Flut zerichellt. 

Wozu fie aus des Meeres Schlünden 
Wohl Gott erhob? wer will's ergründen? 
Erhaben muß es fein und groß, 

Die Höhn umwirbeln Feuerfäulen, 

Um kahlen Strand die Wogen heulen, 
Bullane glühn in ihrem Schooß. 


Sie gleichen, zwiſchen kahlen Riffen, 

Woran ſich bricht der Wogen Streit, 

Zwei rieſigen Piratenſchiffen, 

Starr, feſt gebannt für alle Zeit. 

Darum die Hand, die dieſe Zaden 
Getbürmt, die Inſeln, ſchwarz von Schladen, 
Bon fern fhon drohend jedem Boot, 

Mit fo viel Schauern hat umgeben? — 

Hier trat einft Bonaparte ind Leben, 
Dart fand Napoleon ben Tod. 


168 


So ſteht's mit Felſenſchrift geichrieben : 
„Hier feine Wiege! — Dort jein Grab !" 
Mag eine Welt entitehn, zerftieben : 

Das Wort wilcht kein Jahrhundert ab. 
Hier wird fein Name mächtig ſchallen, 
Zu diefen düſtern Inſeln wallen 

Einft ftaunend alle Völker bin, 

Die bligzerichlagnen Felſenthürme, 

Die Klippen rings, die wilden Stürme 
Eind nur Erinnerung an Ihn. 


Fern unfern Ufern, wo er winjeln 

Die Völker hörte, deren Noth 

Sein Ehrgeiz ſchuf, — zwei öde Inſeln, 
Sie gaben Leben ihm und Tod, 

Damit von feiner eriten Stunde 

Ein Donnerſchlag nicht gebe Kunde, 
Der bangen Welt, daß nicht ein Stoß 
Die Erd’ auyfrüttle, wild bewege, 

Daß er im Frieden fterben möge 

Auf feinem Feldbett, ftil und groß. 


IL ' 


Wie war er träumerifh am Morgen feines Lebens ! 
Wie ernft, gebanfenvoll am Ende feines Strebeng ! 
Sein toller Traum, er war nun ausgeträumt einmal, 
Er hatte ganz durchſchaut das Gaukelbild der Größe, 
Des Ruhmes. Eitelkeit, der Hertſchaft Qual une Bloͤße 
Das Nichts der Zukunft, wenn erlofchen ift ihr Strahl. 


169 


m Corſika, die ihn gebar, in Viſtonen 

Sah er als Knabe ſchon den flüdt’gen Glanz der Kronen, 
Und feinen Schild umſchwebt' ein kaiſerlicher Aar. 

In feinem ftolzen Wahn hört’ tr in zwanzig Zungen 

Ein Lied, vor feinem Belt von fenem Bolt gefungen, — 
Dem Boll, das Ein Geſchlecht von Nattonen war. 


= un. 
Yubelhymne. 


„Hel, Heil Napoleon, Heil feinem hoben Throne ! 
Gott jelbit hat ihm aufs Haupt gefept die Kaiferirone, 
Er herrſcht vom Nil zum Don, und feine Knechte find, 
Ihm büden Kön’ge ſich vom ältiten Königsblute 

Und Rom ift feinem ftolgen Mutbe 

Grad recht zum Throne für ein Kind. 


Um fernbin jeinen Blitz zu tragen, den umlrallten, 
Glühn feine Adler jtets, die Schwingen zu entfalten, 
Mit feinen ahnen, roth vom blut’gen Schlachtenfpiel , 
Bereinigt er das Kreuz von Gold des großen Yvan, 
Herr im Ronllave, Herr im Divan, 
Holt er den Halbmond fih vom Nil. 


Der braune Mamelut, der Dann vom Botben-Stamme, 
Der Bole, defien Speer aufbligt, wie eine Flamme, 
Sie geben blind, wohin fie ruft fein tühnes Wort. 
Sin Weltbeer führt er an, und feine Legionen 
Sind Stämme, Völker, Nationen, 
Sein Wink ihr Sporn, fein Ruhm ihr Hort. 


179 


Hat dann fein Stolz; erreiht, was er gewollt, der Sieger, 
Schenkt als Almofen er ein Königreich dem Krieger, 
Bor feiner Schwelle läßt er Könige dad Gut 
Bewahen, das er nahm, um unter feinen Sklaven, 
Nah Feſten oder nad) Gefechten, fanft zu ſchlafen, 
Wie auf dem Neg der Fischer ruht. 


Den Kaifer-Adler-Horft mußt’ er fo bo im Blauen, 
In wollenfreier Luft, in Räumen fi zu bauen, 
Wo Stürme — meinen wir — nie braufen ihm ums Obr. 
Tief unter feinem Fuß nur kann die Wolle wettern, 
Sein Haupt kann nie ein Blig zerſchmettern, 
Gr führe denn zur Höb’ empor |“ 


IV. 


Er fuhr empor, der Blig! — Und rauchend fiel zuſammen 
Sein Adlerhorſt, zerftört durch hundert Bligesflammen; 
Schwer büßt den Fürften ihr Tyrann. 
Man fegt’ ihn lebend aus auf ödem Felſenherde. 
Zur Meberwadhung gab dem Ocean die Erbe 
Den riefigen, gefangnen Mann, 


Wie war in Helena ihm dp und ſchaal das Leben, 

Wenn er am Horizont hinab am Abend fchweben 
Die Sonne fah mit neid'ſchem Blid, 

Wenn er im Sand allein irrt' an des Ufers Säumen, 

Und wenn ein Britte dann ihn rib aus feinen Träumen, 
Und führt in feine Haft zurüd 


ır1 


Berzweifelt hört’ er nun, der Kriegsheld, ſich verklagen, 
Bon denen, die noch jüngft in feinen Siegestagen 
Ihn Gott genannt mit jHlav’jcher Luft. 
Denn nur ein Echo war ber Fluch der Nationen 
Der Stimme, welde dumpf wehklagend, ohne Schonen 
Berdammend, rief in feiner Bruft | 


V. 


Fluch. 


„Unheil! Verderben! Schmach! Fluch ihm und feiner Sache! 
O Himmel, laß, o Erd', ihn fühlen deine Rache! 
Am Boden liegt er denn nun endlich, der Koloß! 
O fielen auf ſein Haupt, auf ſeines Staubes Reſte 
Die Thränen al, die er erpreßte, 
Und all das Blut, das er vergoß! 


Bom Strand der Wolga, Seine und Tiber, von den Mauern 

Albambra’s, und vom Kreml, den kalt er, ohne Trauern 

Berbrannt, von Bincennes und von Jaffa — überall, 

Bon Stätten blut'gen Mords und graufer Böllerichlachten 

Soll ihn das Wehgeheul, der Fluch der Umgebradhten 
Begrüben mit des Donners Schall | 


Umſchwärmen foll ihn ftetS all feiner Opfer Reigen, 
Bahllofe Schatten, die dem Erdenſchooß entſteigen, 

Die Leiber Aller, die fein Arm gemorbet bat, 

Berftummelt durch das Schwert, vom Donnerkeil zerbrochen, 
Sie ſollen, raſſelnd mit den pulverſchwarzen Knochen, 
Berwandeln Helena ihm in ein Joſaphat! 


172 


Er leb', auf daß er Tag für Tag und ſtündlich fterbe, 
Er fühl’ im Aug’ einmal die Thränenflut, die herbe! 
Bon feinem Ruhm und Recht ſpricht er? — Iſt er verrüdt? 
Die Scyergen fefleln ihm die Hand mit Hobngeberbe, 
Die mit Vergnügen einft zur Erbe 
So mandes Königshaupt gedrückt. 


Durch Siege wollt’ er, die fein Feldherrnglück errungen, 

Ausloͤſchen, mas im Bolt lebt an Erinnerungen ; 

Hohmüthig ſah' er auf die Kaiſer Roms herab, 

Da blies der Herr, und ließ jein düftres Licht verrauden, 

Und gab ihm Zeit und Raum nicht mehr, als Alle brauchen, 
Um fih zu legen in fein Grab, 


Die Inſel ift fein Grab. Tod, während feines Lebens 
Vergefien ift er Shon. m Saint-Denig vergeben? 
Ließ er fein Marmorgrab zurichten, ſchmuck und ſchön. 
Der Himmel wellte nicht, daß Könige mit Trauern 
Des frechen NRäubers Leib in den geweihten Mauern, 
In ihrer Königsgruft ein Scheufal fchlafen ſehn!“ 


VI. 
Wie bitter ſchmedtt ein Kelch, geleert bis auf die Hefe! 
Wie eifig fpielt ein Traum, der endet, um die Schläfe! 
Aufblübt ein junges Herz, von Hoffnung übertbaut;; 
Ah, fpäter, müd und fatt, vor Schauer wird ed beben, 


Wenn von dem Ziel zurüd aufs Leben 
Der Blid, auf das verrauſchte, Schaut I 


178 


Du wandelft bin am Fuß des Bergs, den Riefennaden 
Schauft Du, das Riefenhaupt mit Staunen an, die Baden, 
Die unerjhüttert ftehn, wenn Alles wanft und bebt, 
Den grünen Mantel, der umfchließt des Riefen Glieder, 
Und feinen Wollkenkranz, der nieber 
Auf die erhabne Stirne ſchwebt. 


Doch fteig’ hinauf, befhau die Höhen Dir, die lichten ! 
Zum Himmel ftrebft Du auf... und ftehft in Nebelſchichten: 
Du kennſt den Berg nicht mehr, wo blieb das lichte Bild ? 
Steintlumpen, Schluchten find’3 mit fhwarzen Tannenbäumen, 
Wo Blipe prühn, Wildbähe ſchäumen, 
Die brüllen, wie der Donner brüllt ! 


VII. 


Das iſt des Ruhmes Bild, das treue: 
Zuerſt ein Prisma, reich an Glut, 
Ein düftrer Spiegel dann ber Reue, 
Der zeigt den Burpur roth von Blut, 
Gewaltig jeßt und dann geächtet, 
Sept übermüthig, dann geknechtet, 
Und preisgegeben jeder Shmah — 
Hat zwei Geſchichten er; wir fehen: 
ung finnt er Siegesepopöen, 

Alt feinen Niederlagen nad, 


Auf beiden Inſeln glaubt noch immer 
Der Schiffer, der im Sturme wadt, 
Dem eihed Meteores Schimmer 

Um ſchwarze Klippen ftrahlt bei Nacht, 


174 


Den finftern Kapitän mit Grauen 

Im Schatten, lang und ftarr, zu fchauen, 
Die Arme vor der Bruft verſchraͤnkt: 
Sein legtes Felt ſei, daß im Streite 

Er jegt die Wetterftürme leite, 

Wie er die Schladhten einft gelentt. 


vn. 


Statt Eines Reichs, das er verlor, zwei Vaterlande 
Hat er, berufen weit Dur ihn in Ruhm und Schande, 
In Vasco's Meeren eins, und eins in Hannibal's! 
Wenn man das Wunder nennt der Zeit, nach beiden Enden 
Der Welt wird dann fein Nam’ ein Doppelecho fenden 

Mit der Gewalt des Donnerſchalls. 


So, wenn in ſchwarzer Nacht die Bombe, ihren Bogen 
Beichreibend,, glühend kommt, morbbrennerifch , geflogen, 
Und über Stäbten, bie vor Schreden zittern, kreist, 

Dann gleih dem Geier, der im jähen Niederfallen 

Den Boden grimmig peitſcht mit Flügeln und mit Krallen, 
Sich fentt und donnernd auf das Straßenpflafter reißt; — 


So gähnt, no lange nad dem Wurf, der weite Rachen 
Des Mörfers, ſchwarz vom Raub, umbraust von dumpfem 
Kraden, 

Aus dem die Kugel ftieg, die nun am Boden zifcht ; 
Es raudıt der Grund, e8 raucht der Ball, der, Blige fchwingend, 
Kartätichen ſpeiend, Tod im Tod dem Leben bringend; 

Einihlägt und zündet und erlischt ! N 

Juli, 1838, 


— — — 


178 


An die Vendömefäule. 


Parra magnie. 





Siebente Die. 


J. 


Erhabnes Monument, Tropbä', in Erz gegoſſen! 

Auf feſtem Godel frei und ſtolz emporgeſchoſſen, 

Zeugft du von Ruhm und — Raub, und das ift dein Beruf. 

Bon Allem, was ans Licht geftellt der Held, der kühne, 

Steht aufreht du allein,- — hochragende Ruine 
Des Baus, den ein Titane ſchuf! 


Des großen Kaiſerreichs, des großen Heeres Trümmer, 

D Säule, legter Strahl von dem erlofchnen Schimmer , 

Di lieb’ ih! Staunend fieht der Fremde deinen Bau. 

Die Helden lieb’ ih, hehr Schon durch des Alters Weibe, 
Der Siegesbilder lange Reihe, ’ 
Hier rundum andgeftellt zur Schau. 


Die Krieger ſeh' ich neu belebt zum Kampf ſich ftellem, 

Die einft des Rheins, des Po, der Donau blutge Wellen 

Hinabgewälzt zum Meer; aufihaw ich Holz an bir. 

Sleih dem Soldaten ftellft den Fuß du auf die Beute, 

Die Waffen, und vom Haupt ala Helmbuſch fliegt Ins Weite 
Dir einer Fahne ftolze Zier. 


’ 176 
Das Erzbild Heinrichs fiel’ ich gern mit dir zufammen, 
Zwei Erztolofie, die hell auf zur Ehre flammen 
Der Heimath, — der der Lieb’, und der des Haſſes Sohn! 
Ob unfern Wirren feh’ ih euch unfterblich ftrablen, 
Du ftammft von fremden Arfenalen, 
Er vom Obol der Nation, 


Wie oft, — du weißt es! — wenn die Nacht den Schleier eben 

Ummwirft dem bleiben Mond, und leis die Sterne beben, 

Komm’ ich und fuhe Troft, und mich erfrifcht dein Strahl. 

Mein Auge glüht, verfchlingt die Bilder der Hiftorie, 

Ich nehm’, ein dunkler Gaft, mein Theil an all der Glorie, 
Dem Hirten gleich beim Königsmahl ! 


Oft, Frankreichs Säule, Erz des Feindes, in der Stille 
Horch' ih: — mir iſt, als ob das Erz im Ofen brülle. 
An deinen Wänden ſeh ich oft auf meinen Ruf 
Die Krieger, rings zeritreut, empor zum Kampf fich raffen, 
Und laut erjchallt der Klang der Waffen, 
Der Männer Schritt, der Pferde Huf. 


Nie wagten Feinde did, o Monument, zu höhnen, 
Und, gingen fie vorbei, hat ihrer Schritte Dröhnen 
Erſchüttert nie dein Erz, jtolz ragteft du und hehr. 
Und lenkte je zu uns das Schidjal ihre Pfade, 
Nie führten fie vorbei in müßiger Parade 

Bor deinem Kampf in Erz ihr Heer. 


177 


IL 


Wie? hör’ ich nicht Geräufh der Waffen und Gefüge 
Bon deinem Piedeital big hoch hinauf zur Epige? 

D Säule, rühren nicht — ih meine fie zu ſehn! — 

Sid deine Krieger, um vom Erz berabzufteigen?.. 

Auf einmal ſchwebt nicht mehr der Helden brauner Reigen 
Bur Himmelshöh' empor, fie machen Halt, fie ſtehn ... 


„Zarent! Dalmatien! Trevifo! Reggio!“ ... Namen 
Bon neuem Klang, doch hoch berühmt! Die Führer famen, 
Und ihre Adler, neu erwacht und lichtgeträntt, 

Sie jagten feurig nah dem Toppelaar, im Dunkeln 

Nur heimisch, defien Blid, wo ihre Augen funteln, 

Eid, wie vorm klaren Licht der Sonne, niederjentt, 


Bas ift es doch? — Warum, du Erzbild ohne Gleichen, 
Seh’ ih dein Heer vor Zorn erröthen und erbleichen ? 
Aufbraust es wie Ein Dann: — auf ihrem hohen Sit 
Traf fie ein Schimpf ? Wer wedt die Schatten der Heroen, 
Die Adler, die, um dich mit Flügeln ſchlagend, drohen, 
Und deren ſtarre Klau' umſchließt ven kalten Blig? — 


IIL 


Ha! — Meint der Feind, er könn' uns rauben das Gedächtniß, 
Berreißen Blatt für Blatt das berrlidite Vermächtniß, 
Annalen, die dag Schwert gejchrieben, Scharf und ſpitz? 
Zielt er nach den Trophä'n, den taujend Tonnerleilen, 
Die diejes Bild von Erz umschließt, mit höhnſchen Pieilen? — 
Ein Erz-⸗Bild — jeder Zoll ein Blitz! 
8. Qugo's ſammtl. poetiſche Were, IL 12 


178 


Sudt an Napoleon er Rad’ in unfrem Heere? 

Will unjern Feldherrn er, den alten, Ruhm und Ehre, 

Ihr Erbe, nehmen, ift ihr Recht nicht jonnenklar? 

Zu ſchwach ift feine Hand, die Beute zu erraffen: — 

Sn Alexanders Neih und in Achilles’ Waffen 
Theilt fih nur eine Heldenſchaar. 


Doh nein! — Wenn Deftreih aud des Stolzes Wunden 
brennen, 
Die Sieger mögen fih nad ihrem Siege nennen, 
Nah feiner Niederlag’, — es ftellt die Namen frei. 
An Leben hängt es mehr noch als an feinem Ruhme, 
Und unjern Helden gönnt es ihre Wappenblume, 
Um Lorbeern macht es kein Geſchrei. 


Wie? Hat dem Feind, weil er einmal den Sieg errungen, 
All dieſer Heldenruhm denn nie das Herz bezwungen? 
Woher der trotzge Muth, das ſtolze, kühne Herz? 
Hat er vergeſſen ganz die Lehren der Geſchichte? 
Mit welchen Augen liest er unſre Siegsberichte, 

Die du entrollſt, erhabnes Erz ? 


ft dieſe Sprache nicht verjtändlich feinen Obren ? 
Dann frag’ er nah in Wien, er frag’ an Moslaus Thoren, 
Im Escurial, im Staub der Pyramidenwelt! 
Die Fürsten frag’ er do, die ftolzen, fterngefhmüdten, 
Die unter den Livreen vor Kurzem noch fi büdten 
In einem ftaub’gen Kaijerzelt I 


IV. 


Wie mag Europa doch und zu verhöhnen wagen ? 

Hat unfre Ketten nicht e3 geftern noch getragen ? 

Nun folen wir ins Joh? — Wohlan, wir find bereit: 

Wir werden noch einmal dem Feind ins Auge ſchauen! 

Berftümmelt bat man und: — dem Löwen find die Klauen 
Bielleicht gewachſen mit der Zeit. 


Den Kranz des Ruhmes raubt man und durch Winlelzüge? 
Bourbonen traten ſtets die Erbſchaft an der Siege. 
Die Kön’ge ſchirmten dich vor feindlider Gefahr, 
O Erz, der Lilie muß fi deine Palme gatten, 
Und in des weißen Banners Schatten 
Ruht deiner Adler Doppelpaar. 


Es zudt die weite Welt, erfihlittert durch Vulkane, 

Dumpf grolt Amerila fern überm Dceane, 

Zum alten Glanz erhebt fih Hellas; Stambul brüllt; 

Und Liffabon entringt fih ſchwer der Hand bes Britten... 

Das Voll der Gallier zürmt: nie fol von andern Schritten 
Als feinen beben fein Gefild! 


Ihr Fremden, bütet euh! Wir wiſſen nur zu handeln! 
Der Friede wird uns nie in träges Bolt verwandeln. 
Es ift das Feld der Schlaht, das mächtig an uns zieht. 
. Bir drüden in die Sand, die lieber, ba, zu Schlägen 
Ansholt, die Laute ftatt dem Degen, 

Und Kampf und Streit ift unfer Lied. 


Ja, hütet euch! — Noch liegt niht Frankreich fo darnieder, 
Daß einen Schimpf' es trüg’; und Feinde werben Brüber, 
Und der Parteienlampf, wenn noch fo berb, fo roh, 
Berftummt, wenn Unbill droht, und alle Hände regen 
Gewappnet, einig fih: Die VBendse weht den Degen 

Sogar am Stein von Waterloo. 


hr plündert Namen? — Wie? — So muß man fich bereiten, 
Ganz andre Zitel noch bei euch fich zu erftreiten ? 
Und ftatt der Namen, die erfämpft des Degens Blitz, 
Für neue Zaufen muß man forgen unfrem Ruhme? — 
- Beugt nit von unſrem Heldenthume 
Die Schrift auf eurem Kampfgeſchütz? 


Wie? Sollte Frankreichs Schild der Fremde je zerichmettern ? 

Sein Hammer follte plump auf unjer Wappen wettern, 

Beil unfre Lauheit ihm dazu den Muth verleiht? — 

Ha, wie der Römer einſt, ver Weltherr ohne Schrante, 

So Krieg und Frieden trägſt du noch, o kühner Franke, 
In deines Mantels Falten heut. 


Heut über Cadix fliegt dein Aar zum libyfhen Sande, 
' Und über Moskau dringt er tief in Aſiens Lande, 
Und Britten, Ruffen und Germanen begt er matt. 
Bor deinem Hörnerihall Fällt Thurm und Wall zerrifien, 
Und deine ftolzgen Fahnen wifien 
Ten Weg zu jeder Koͤnigsſtadt. 


Denn feindlid deinem Glüd ſich andre Völker zeigen, 
Dann wird vor dir, mein Boll, ftch jedes andre neigen, 
. Für alle hat nit Raum genug des Ruhmes Feld, 





181 


Die Staaten rund um dich, fie wechjeln ftets und weichen, 
Bor deinem Sterne muß der andern Stern erbleichen, 
Gehſt du voran, dann felgt die Welt. 


Legt Deftreih Sclingen uns, wir trogen feinem Hohne. 
Zwei Frankenkaiſer ſchon zertraten feine Krone, 
Und feinem Adler hat auf jeden Kopf im Born 
Gin bleibend Mal gebrüdt, — mit einem träft’gen Stoße 
Des Fußes that e8 Karl der Große, 
Napoleon mit feinem Sporn, 


Mein Bolt, du haft nicht mehr den Adler, zu bedrohen 

Die Stirnen mit dem Strahl, die keden, allzubohen, 

Doc blieb die Lilie dir, der Oriflamme Blig, 

Dir blieb der galliſche Hahn, zu wecken die entichliefen, 

Und rnit er, kann bir auf, noch in der Nacht, der tiefen, 
Die Sonne gehn von Aufterlig. 


V. 


Ich ſollte ſchweigen, da doch meinen Sachſen⸗Namen 
Jüngſt meine Ohren auch im Lärm des Kriegs vernahmen 
Ha, unfrer Fahne folgt’ ich ftolz, die flog im Wind, 

Ich, deffen Lied zum Klang der Kriegstrommeten paßte; 
Mein erftes Spielzeug war des Degens goldne Quaſte, 

Und ein Soldat war ih, fo lang ich war ein Kind. 


Nein, Brüder, mag die Zeit des Harrens lang auch währen, 
Wir alle wuchſen auf bei Säbeln und Gewehren, 
Bervammt zum Frieden, ab, gefangne Adler nun!... 
Doch ift der Väter Ruhm zu ſchirmen ung beſchieden, 
Und unfrer Ahnen Wehr foll unbefledt, im Frieden, 
Bor jedem Schimpf gefichert ruhn! 


Jedenat, 1087. 





182 


Ent. 


Obi defult orbis, 


Achte Ode. 


J. 


Hurchblaͤttert hab’ ich fo die neuſte Volls⸗Geſchichte, 
Ein Schickſalebuch, darin: Ruhm, Siege, Strafgerihte,. . . 
Und immer Hang, ein Kind der Zeit, mein Saitenfpiel, 
So oft ein großer Mann... Verbrecher... Menjchheitsretter... 
Erſchien, und in dem Bud von Erz dann eins der Blätter 
Aufs andre mädtig fchallend fiel. 


Geſchloſſen ſei das Bud der Wunder und der Schreden ; 

Die unnabbare Sphinx, mir wollen fie nidht weden, 

Die, — Gott und Scheufal, — es bewacht in ftummer Hut. 

Nicht jedem Dichter glückt's, ihr Räthſel zu erratben, 

Das Wort der Lölung ſchreibt den Reichen und den Staaten 
Eie auf die Stirn mit Blut und Blut. 


I. 


Wir ſuchen's nicht, das Wort. — Doch dann, Poet, weßwegen 
Willſt du dich ruhig nicht zur ſtummen Harfe legen? 
Warum erklingen läßt du deinen Unglücksſang, 
Stimmſt tolle Lieder an und ſingſt vor allen Thüren?... 
— Ein großes Voll, um es zu rühren, 
Beburfte meines Geiſtes Drang. 


183 


Der Revolution geliefert hätt? ih Waffen ? — 
— Sa, teil ein Chaos braucht, mer eine Welt will ſchaffen, 
Weil Nachts ein Gott zu mir ſprach in der Einfamteit, 
Und weil in meinem Lied für meine Vollsgenofien 
Ich das Jahrhundert, das verflojien, 
@enüber ftellte dem von heut. 


Der Dichter braucht ein Voll, ein Herz, das ihn erfreue, 
Durdleudte, wärme, Glut ihm in die Seele treue, 
Und eine Welt, um frei zu wandeln feine Bahn. 
Und ift jein Geift einmal vom Ufer weggeflogen, 

Um fortzuftürmen auf den Wogen, 

Sp ihm zu groß fein Ocean. 


Hier dehnt der Genius im freien Raum die Flügel, 
Schwebt über Tiefen hin und hohe Wellenhügel, 
Thut Riefenfprünge, tanzt, ald wär’ auf grüner Flur, 
Und wirbelt ungeftüm dahin Im Sturmgetofe, 
Den Fuß auf einer Waflerbofe, 
Das Haupt im himmlischen Azur. 
Dei, 1836 


Biertes Bud. 
1819— 1827. 


Spiritus Ast, ubi vult, 


Ber Vichter. 


Betrachte nun bein Opfer, Muſe! 
Lamartine. 


Erſte Ode. 


l 


Joß den Verkannten ziehn in Ruh', o Welt, und quäle 

Den Mann nicht, dem der Schmerz ſchwer laſtet auf der Seele, 
Genug ſchon drückt ihn ſein Gewicht. 

Aleib', eitle Sinnenluſt, fern ſeinem ſtrengen Leben! 

Die Palme, die allein nur kann zur Hoͤhe ftreben, 
Wächst unter deinen Blumen nicht. 


Er bat genug des Leids, Jaß deine Freud’ ihn miffen ! 

Ein jeder Schritt zum Licht empor aus Finfternifien 
Iſt ihm ein Web; die Augendzeit 

Beweint er, die ihm viel zu früh, zu raſch entflogen, 

Sein ganzes Leben, ad), DAS Rohr, das tief gebogen 
Die Vürbe der Unſterblichkeit. 


Kindheit, dein füher Reiz wedt ihm nur herbes Sehnen, 
Dein ſchuldlos Lächeln und die Anmuth deiner Thränen, 
Dein Glüd, mit feinem, Schmerz gemengt, 


188 


Dein Ruhn im füßen Neft, und, frei von jeder Bürde, 
Dein Spiel, dein Roſenkranz, der rafch verwelken würbe, 
An feiner heißen Stirn verjengt. 


Sich und fein Lied verklagt er, feine Zeit mit Strenge, 
Den Zaumelleld des Ruhms, in weldhen, ab, in Menge 
Der Wermuth bittrer Täuſchung rinnt, 
Den Wunſch, fih einmal ganz am Born des Glüds zu laben, 
Sein Herz, den Genius, all dieſe Himmelsgaben, 
Die, ach, der Himmel doch nicht ſind! 


I. 
Weh! Läg' er ſchlafend doch auf feinem Lebenswagen, 
Und ſtoͤrte nie der Neid, kein Jubelruf, kein Klagen, 
Ihm ſeiner Träume heitern Tanz! 
Könnt' er an ſeinem Ruhm arbeiten ganz im Stillen, 
Und in fein Strahlenkleid, das blendende, ſich hüllen, 
Wie Engel in der Sonne Glanz! 


Doch folgen muß er ftetö, wohin der Strom ihn tragen, 
Sortreißen, vorwärts ihn mag ober rüdwärts jagen, 
Ihn ftört der Menſchen Lärm und Tand. 
Sein ernfte® Wort verhallt bei ihrem eitlen Lachen; 
Zum Narrenftabe wagt ihr Uebermuth zu machen 
Den Königsftab in feiner Hand, 


Barum den König jchleppt man fort aus feinen Reichen ? 

Soll hinterm Rieſen ein Gefolg von Zwergen ſchleichen? — 
Weltkinder, laßt ihn ruhig ziehn! 

Ihm, dem Unfterblichen, feid ihr verlorne Söhne, 

hr habt, — was follen doch euch feine Saitentöne? — 
Geräuſch genug auch ohne ihn! 








— — — — 


IE 


Laßt ihn im Dunteln! Muß er drum des Lichts entbehren ? 
Nein, eine Mufe kommt, ihn himmliſch zu verklaͤren, 
Daß er von ſeinem Gram erwacht. 
Des Himmels Boten ſelbſt erquiden ven Poeten, 
Die Taube Chriſti kommt, der Adler der Propheten 
Beſucht ihn oſt in ſtiller Nacht. 


In heil'gen Stunden ſieht er licht die dunkle Ferne, 

Sieht Sonnen im Entſtehn, und ſieht erloſchne Sterne, 
Und fchaut den Raum mit Licht erfüllt, 

Erzengel fieht er ziehn im feurigen Gewande, 

Und foricht den Formen nad, in die am Weltenrande 
Das hoͤchſte Weſen ſich verhält. 


Seht ihr im Aug' ihm glühn den Strahl des ew'gen Lebens? 

Und wißt ihr, daß ſein Geiſt den Schleier nie vergebens 
Zurück, den ſtaubgewobnen, ſchlägt 

Und daß ſein Flügel ihn, umſtrahlt von goldner Helle, 

Umflammt von rother Glut, ihn an des Himmels Schwelle 
Und dann hinab zur Hölle trägt? 


Ihr Sterblihen, fo gönnt ihm denn in feinen Reichen, 
Euch fern, zu weilen, dem fein wunderbares Zeichen 
Gott aufgedrüdt, um ihn zu weibhn, 
Ihm, defien Augen mehr enthüllte Räthſel ſchauen, 
ALS je ein Todter fah im mitternächt’gen Grauen 
Des Grabes unter'm Leichenftein ! 


— — — _ — — 


Es kommt ein Tag, da glüht ſein Geiſt in lichten Funken, 
Der Dichter wird Prophet, der Welt, von Mordluſt trunken, 
Erſcheint er, leuchtend wie ein Stern. 
Er reißt die Tobenden zurüd vom Wahnfinnspfabe, 
Und ſchauen läßt er fie das fanfte Licht der Gnade, 
Und borden dem Gebet des Herrn. 


In feinem Geiſte wohnt ein Geiſt aus höhern Welten, 

Er ſpricht, wie Donner ſchallt des Sehers ernites Schelten, 
Sein Wort zerfchmettert das Schaffet.- 

Zu Boden fintt das Boll, und fhaut zum hoben Sige, 

Zum Sinai hinauf, fein Haupt umfpielen Blige, 


Auf feiner Stirne thront ein Gott. 
Auguſt, 183. 





An Alph. von S. 


Die feier und die uf. 
Alternis dioetis , amant alterna Camoenae. 
Virgil. 
... Und fingen an gu prebigen mit andern Zungen 
nad dem der Beil ibnen gab autzuſprechen 
Apoſtelqeſchichte 





Zweite Ode. 


Die Leier. 


© Sohn Apollo's, ſchlaf' in feinem Lorbeerkranze, 

Als König ehren did die Muſen, und ihr Chor 

Laßt Träume dir um’3 Haupt fich drebn Mr luft'gem Tanze, 
Es fingt die Leier dir ins Ohr. 


f Die Harfe. 


Erwach', o Züngling, Sohn des Clends! Träume ſpinnen 

Am lichten, hellen Tag um's Haupt dir einen Flor. 

Sin armer Bruder ſitzt, indeß du ſchlummerſt drinnen, 
Und harrt umſonſt an deinem Aber, 


Die Leier. 


D Kind, dich tränkt' aus vollen Schaalen 
Die Mufe mit dem Götterjaft, 

Läßt ew'gen Ruhm um's Haupt dir ftrablen, 
Und löst den Geiſt aus feiner Haft. 

Der den Olymp gezeugt, den hoben, 

SH der Barnasl Saturn mag drohen: — 
Der Dichter ift’3, der Götter ſchafft. 


Die Harfe. 


Die- Mutter wacht’ einft bei vem Kinde, 
Die dich, o Menſch, zur Welt gebracht. 
Dein Leben, wie ein Licht im Winde, 
Glänzt, Hadert, zittert in der Nacht. 
Gott wies dir deinen Pfad auf Erden 
Bol Dornen an und voll Beichwerben, 
Und deinen Platz im Erdenſchacht. 


Die Leier. 


Eing! — Jupiter regiert, und nicht der Gott der Thorah! 

Venus umarmt den Mars und lacht. Die Lüfte glühn, 

Wo Iris ſtrahlt, es glänzt die Flur vom Hauch der Flora, 

O fing! — Vom — ziehn zum Oſten, zur Aurora, 
Die Götter leichtbeſchwingt dahin ! 


Die Harfe. 


D bei! — Ein Gott nur ift! Ihm falte fromm die Händel 
Er iſt's, der ewig fi werjüngt im Fluß der Zeit. 
In ihm iſt der Begian von Allem und das Ende, 
Er ift das derz ber Welt, das ſchlägt an ihre Wande, 
Er lebt in der Unendlichkeit, 








198 


Die Leier. 


Leb' einſam! — ruft die Muſe leiſe, 

Ja, ſuche Ruhe für dein Herz. 

Entfliehe diefer Welt, — fei weife! — 

Und dem Jahrhundert, kalt, wie Erz! 

Bei deines Herbes ſtillem Glimmen 

Hörft du der Zwietracht free Stimmen 
Surdbrüllen ferne Städte nur. 

Bas kümmert did in deiner Ede - - - 

Der Sturm, wie er dad Land auch ſchrecke, — 
Kaum bebt ein Strauch auf deiner Flur, 


Die Harfe. 


Gott firaft die That des böfen Mannes, 
Dem Frommen leiht er feinen Arm, 

Wie aus der Wildniß einſt Johannes, 
Tritt muthig vor den Frevlerihwarm ! 

Geh hin und predige dem Bolle: 

Hört grollen ihr die Wetterwolle ? 

Des Ew’gen Langmuth, fie if matt! — 
GErichrede die verlornen Söhne; 

Und’deine Stimme übertöne 

Das Braufen einer großen Stadt. ® 


Die Leier. 


Der Bogel Gottes ift der Aar, und feine Wonne, 

Das Feuer ift’3, das nährt und zebrt, vom hoben Sie 

Des Gaſukaſus erbebt er jauchzend fi zur Sonne, 

Bom Athos fliegt er auf und wiegt ſich auf dem Blitz. 
8. Ouge's fümmtl, yortile Merk. IL, 13 


194 


"ı , 


Die Harfe. 


Des heil’gen Geiftes Strahl im Auge, ſchwebt dje Taube 
Bom Himmel nieder, die den Zweig des Friedens hält, 
©ie, die der heilge Greis, der Jungfrau frommer Glaube 
Verehrt, die einen Gott verfündigt diefer Welt! 


Die Leier. 


O liebel — Vom Olymp berriht Eros bis zum Hades, 
Sein Licht brennt anf dem Thurm des Bosporus-Geftades. 
Er bat einft Troja’ Brand durch Baris angefacht. 
Du lieb’ als Schmetterling, und wechsle ftets die Schönen : 
Ber liebt, kann weinen nur und ftöhnen, 
Doch wer verliebt, der fcherzt und lacht. 


Die Harfe. 


Satanifch ift der Haß. Doch göttli ift die Liebe, 
Drum ſuche dir ein Herz voll reiner ‚Steufcher Triebe, 
Und lieb’ es! — Gottes Lieb’, o nimm fie dir zum Siel, 
Zwei Liebende, verfnüpft durch heil'gen Seelenfrieven, 
Eind zwei Verllärte fhon bienieben, 
Zwei Himmeldbürger im Eril, 


‘ Die Leier. 


Genieße! Denn zum Schattenfluffe 
Hinunter ftrömt des Lebens Fluß, 

Der Weiſe labt fih am Genufſe 

Und gibt den Winden den Verdruß. 

Und fommt der Tod dann blaß und hager, 
Stredt Tädelnd er die Hand vom Lager 
Ihm bin; was muß, das mag geſchehn! 





- 195 


Und in der Naht, der morgenlofen, 
Entfchläft er fanft, wie unter Roſen, 
Und träumt ein füßes Auferftehn. 


Die Harfe. 


Den Bruder ftüße, wenn ber Schwache 
Irrgeht und want, in Leid und Luft! 
Wer weint, dert tröfte, bet’ und mache, 
Und denke, daß du fterben mußſt. 

Der Sünder wähnt im Grabesſchlunde 
Das Nichts zu finden, wie im Grunde 
Des Kelchs der Freuden diefer Zeit. 
„Weh!“ ruft er, wenn die HöM ihn fodert, 
Das in ihm eine Seele lodert, 

Und fchaudert vor der Emigfeit. 


** 
* 


Der Dichter horchte ſtill in feiner Jugend trüber 
Frühbämmerung dem Lieb der Beiden zu fern, 
Und fpäter ftimmt’ er oft dem Pindus gegenüber . 


Das Lied vom Sarmel an, geftärtt vom Geift des Herem, 
April, 1822. 


190 - 


Hofes anf dem Wil. 


Und die Tochter Bharao ging bernieber, und wollte 
baten im Waſſet, und ihre Jungfrauen gingen am Rande 
des Waflert. 28. Dot. 


— m — 


Dritte Ode. 


„ Hommt, Schweſtern! Früh am Tag iſt kühler noch die Flut! 
Der Schnitter weilt daheim noch in der Hütt’ und rubt; 
Stil, einfam Fluß noch und Geſtade, 
Stil Memphis, das noch ſchläft und kaum erſt leife vaufcht. 
Kommt In das Didiht, kommt, Aurora nur belaufcht 
Uns bier im keuſchen Wellenbabe. 


. Brangt meines Baters Schloß nicht reih an ſchmuckem Tand? — 
Se, mehr entzädt der Strom mid und fein Blumenraud, 
AB alle Gold- und BorphyrsBeden. 
D wie der Vögel Lied im Freien mich erfreut! 
So herrlich duftet nicht der Weihrauch, den man freut 
Sm Schloß, wie jene Rojenbeden. 


Rein ift der Himmel, kommt, die Welle fhläft am Strand ! 
In blauen Falten laßt das ſchimmernde Gewand 
Hinflattern, aufgehängt am Straude. 
Nehmt Kron’ und Schleier mir vom Haupt, wir fcherzen beut 
Und plätihern in dem Fluß, fo lang das Spiel uns freut, 
Gelost von Zephyrs lindem Haude, - 





197 


Kommt, tommt boch!... Ha... im Duft des granen Morgen- 
lichte, 

Was feh ih? — Schweſtern, kommt, ſchaut bin!... O fürchtet 
Ri 


Was fchaufelt fern dort auf den Wellen! — 
Ein alter Balmbaum, den hinunter treibt der Fluß, 
Der aus der Wüfte kommt, vielleiht um einen Gruß 

Den Byramiden zu beftellen? — 


Wie? — Täufht mein Auge mih? — Schwimmt dort im 
J Morgenroth 
Des Hermes Nachen nicht ... der Iſis Muſchelboot... 
Hingleitend auf des Waſſets Tiefe? 
Doch nein,... ein Käftlein ift’3, darauf ein Kind,... es rubt 
Im Arm des Schlummers, fanft gebettet auf der Flut, 
Als ob's am Mutterbujen ſchliefe. 


Erſcheint fein ſchwimmend Bett, auf den fo füß, fo feft 

Es ruht, von fern nit, wie der weißen Taube Neft, 
An das fih rings die Wellen ſchmiegen? 

In feinem Kifien wogt es, wie e3 treibt der Wind, 

Auf dem bewegten Strom, der, fpielend mit dem find, 
In feinem Grab es ſcheint zu wiegen. 


Es ſchreit, es macht! — Jungfrau'n von Memphis, lommt 
geſchwind! — 
Graufame Mutter, die im Waſſer mocht' ihr Kind 
Ausfegen! — Schweitern, kommt zu Hilfe! 
Es firedt die Aermchen aus, ... die Woge ſchwillt und drebt,... 
Weh, keinen andern Schutz hat ed vor jähem Tod 
Als feine Wieg’ aus leichtem Schalfe. 


198 


Ich rett es! — Ha, ein Kind von Iſrael vielleicht. 
Mein Vater töbtet fie, wo fie fein Arm‘erreicht, 
Der Unfhuld gönnt er nicht das Leben! 
Die hart! — Du armes Kind, komm ber, dich bergen wir! 
Ich will dir Mutter fein, das Leben dankſt du mir, 

Hab’ ich e8 auch dir nicht gegeben.” — 


So ſprach zu ihren Frau'n die Tochter Pharao, 
Iphis, als fie am Nil, des fühlen Morgens frob, 
Dur Uferbüfh’ und Blumen eilte, 
Der Schönheit Goͤttin fhien der jungen Mäpchenihaar - 
Die Königstochter, als, der goldnen Schleier baar, 
Die Herrliche die Wellen theilte, - 


Aufrauſchend fpielt die Flut um ihren zarten Fuß, 
Sie fhauert,... doc das Kind... es wimmert! — In dem Fluß 
Hort fchreitet fie mit zagem Gange. 
Gie nimmt die füße Laft,... da flammt des Stolzes Strahl 
Bufammen mit dem Roth der Scham zum eriten Mal 
Auf ihrer jungfräuliden Wange. 


Das Knäblein auf dem Arm, dur Wellen, Schilf und Rohr 
Geht langfam fie und fteigt am Uferrand empor, 
Die keuſche, königliche Dirne. 
Die Schweitern lächeln zu dem Kinde, jtaunend blidt 
Es auf zu ihnen; hold verfhämt und ſchüchtern drückt 
Den Mund ihm Jede auf die Stirne. 


Du aber, Mutter, die von gerne ſchreckenbleich 
Du deinem Kind gefolgt, tritt, einer Fremden gleich, 
Servor: denn Mofes iſt geborgen! 








198 


Sei ruhig: wenn dein Arm aud heiß das Kind umflicht, 
Die Freudentbräne, fie verräth bei Ihr dich nicht: 
No weiß Sie Nichts von Mutterforgen! 


Und als die Jungfrau, ſtolz und froh der guten That, 
Bon Muttertbränen feucht das Auge, felig trat 

Zum grimmen König mit dem Kinde: — 
Da fang der Engel Chor und jauchzt um Gottes Thron, 
Zur Erde trug ihr Lied und ihrer Harfen Ton 

Herab ver Hau der Himmelswinde:, 


„DO Jakob, jei getroft, nun endet Dein Exil, 
Richt länger weinen ſollſt Du am unheil’gen Nil. 
Zum Jordan zieht das Volk der Frommen. 
Trotz Deiner Feinde brichft Du bald der Knechtſchaft Band, 
Aus Gofen wanderft Du nah dem gelobten Land, 
Der Tag der Freiheit ift gelommen | 


Das Kind, das aus dem Strom durch einer Jungfrau Hand 
Der Herr errettet, fchlägt einft der Negypter Land, 
Bereit und führt Dein Volk zum Siege. 
Ihr Sünder, beugt das Knie! So ſpricht des Herrn Befehl! 
Hört: eine Wiege wird erlöfen Jirael, 
Die Welt erlöst einft eine Wiege.“ 
Sebruar, 1820. 


Anfopferung. 


In urbe omnium mortalium genus vi pestilentine 
depopulabatur, mulla ooeli intemperie, quae oceur- 
reret oculis. Bed damus cerporibus exanimis, itinera 
funeribus complebantur , non sexus, non aetas periculo 
vaoua. Tacitus. 


2 


Bierte Ode. 
. 1. 


Ich preife Gott, ven Herrn: bie hochſte aller Gnaden, 
Das Leben gab er mir, ih ſag' ihm freudig Dant. 
Geſegnet fei der Herr, der uns zum Mahl geladen, 

Wo Honig fließt und Wermutbhtrant, 
Mit Blumenfhlingen find umwunden unjre Ketten; 

Nur, um das Leben fi) zu retten, 

Trägt Kümmerniß der Menſch und Notb. 
Uns freut des Himmels Blau, entzüdt das Licht der Sonne | 
Ich danle Gott dem Heren! Des Lebens füße Wonne 

Iſt's, die mit Glorie ſchmückt den Tod! 


Unjelig, wem verhängt e8 iſt, umſonſt zu fterben, 

Ein Opfer, deilen Ted nicht Einem Leben bringt, 

Der, wie der Römer, Heil nit kann dem Bolt erwerben, 
Indem der Abgrund ihn verichlingt. 





201 
D jammerwürb’ges Boll, das, einem Fluch verfallen, 
Hört feines Namens Ruhm verbalen, 
Und feinen Stolz gebrochen fiebt, 
Gebrochen, ohne daß fein Fall die Welt erfchüttert, 
Daß die Erinnerung auf feinen Trümmern zittert, 
Wie auf dem Sarg die Kerze glüht. 


Benn Gott die arge Welt will ftrafen, in den Mauern 
Der Sünder haufen läßt er eine Geißel wild, 
Die ein Jahrhundert lang die Welt erfüllt mit Schauern, 
Und Stadt verddet und Gefild. 
Aus ſchnodem Keime fproßt ein graufes Ungeheuer, 
Ein ſchlechter Funke wird zum Feuer, 
Der Nieje wächst, es wächst die Notb. 
Wohl flieht vor dem Gefpenft, dem fürchterlichen Yreier, 
Die Etadt, er padt und drüdt im wilder Hochzeitfeier 
In feinen Armen fie zu tobt. 


Und wie herab auf's Feld die weißen Floden fliegen, 

So haufenweiſe fällt das Bolt vabingerafft. 

Und aus den Leihen faugt, die rings am Boden Tiegen, 
Der Tod ſich immer neue Kraft. 

Das Ungeheuer mäht die Opfer, Schweftern, Brüder 
Und Freunde allzufammen nieder, 
Und wehrlos fällt ein ganzes Heer. 

Bon eteln. Greueln dampft und Moderduft der Boden, 

Blei irren, obdachlos, den gräberlofen Todten 
Entflohn, die Lebenden umber. 


IL 


Im Circus jahn in Rom vom fernen, fihern Platze, 
Bei Leichenfeiern zu die Bürger, ernft und klug, 
Der blut’gen Mepelei, wo mit der Tigerlage 
Der Menſch ih, der Gefangne, ſchlug. 
So drängt zufammen fih der Bölter bunt Gewimmel, 
Auffteigt ein Tanger Schrei zum Himmel, 
Zum ferniten Strande bringt der Ton. 
Bang vor dem Ungethbüm bewacht die Welt in Waffen 
Die Menſchen, die im Tod weg andre Menſchen raffen, 
Bedroht aus Angft, die fie bedrohn. 


In. 


Ihr in den Städten, fpredt, ihr Sybariten, fchmeden 
Die Freuden füßer nicht dem Gaumen felbft, der fatt, 
Wenn eine Geißel haust, viel ärger als der Schreden 
Des Bürgerkriegs, in fremder Stadt? 
Und wie behaglich fintt das Weltlind, fern der, Schwüle 
Des Krankenbettö, auf feinem Pfühle 
In Schlaf, durchwürzt vom feinften Duft! 
Wie jchlürft der Heimath Hauch ſich wonnig ein, wenn leidend 
Gin andres Vol fih härmt, und weint und, uns beneibend, 
Ginathmen muß des Todes Luft. 


Ein Jeder ſchließt fih ein und lebt im Kreis der Seinen, 

Die Mutter küßt ihr Kind, das lächelnd fie umjchlingt, 

Und fragt nit nad der Stadt, wo jähen Top dem Kleinen 
Der Bufen feiner Mutter bringt, 





Bei Dem und Jenem glimmt ein blaſſer Mitleivfunten 
Bielleiht, fo lang fie, halb noch trunten, 
Bon einem Feft zum andern zieh, 
So find die Sterbliden! Verhaßt ift alles Klagen; 
Das größte Unglüd läßt fie Talt, vorüber jagen 
Die Slüdlihen und fehn nit hin. 


IV. 


Doch Erle gibt e8 auch, die ihre Brüder lieben, 

Hochragend aus dem Volk, vol heil’ger Blut im Blid; 

Du fiehft das ſchönſte Loos auf ihre Stirn geichrieben, 
Blaubft fie beftimmt zum böchften Glüd? 

Ein glänzender Triumph vielleicht wird ihnen blühen? 
Läßt Hoffnung diefes Aug’ erglüben, 
Der ſel'gen Zulunft füßer Wahn?... 

So ift es, ach!.. Erſcheint auf dieſer öden Erde 

Die Tugend, rubig, janft, und heiter von Geberde, — 
Wir jeben für das Glüd fie an. 


Die Helden, die, auf Gott geftügt, ihr Leben wagen, 
Sie gehen fihern Schritts mit beitrer Seelenrub 
Dahin zum ſchweren Kampf mit jenen Böllerplagen: — 
Ruft ein: „Lebewohl!” den Evlen zu! 
Ihr Frau'n und Mütter, wollt ihr ihnen wohl mit Zähren 
Das fromme Liebeswert erſchweren? 
Laßt fie ſich opfern, ſchidt euch drein! 
Bellagt fie nicht! Wie dürft’ ein andres Band fie ketten, 
Wo Menschenleben find allein durch fie zu reiten, 
Indem fie fih dem Tode weihn? 


. 204 


Sie gehn, fie treten ein in öde, büftre Gaſſen 
Und feben lebende Gefpenfter.... Ad, fie jchzein, 
Die Armen, weinen laut, daß fie nicht ganz verlafjen 
Bon Menſchen find in ihrer Bein. 
Der Edlen Worte fon find Balſam auf die Wunden 
Der Kranken, die der Tod ummunden 
Mit kalten Eijenarmen balt. 
Das Scheufal knirſcht, befämpft im eignen Reich, wie weiland 
Der Satan, als ein Gott ald Opfer und als Heilande 
Eintrat in die verdammte Welt, 


Sie reißen aus den ˖Klau'n den Raub bem Ungeheuer, 
Das Leben rufen fie, wie auch das Scheufal droht, 
Zurüd durch ihre Kunſt, es jagt ihr Tühnes deuer 
Selbft fein Geheimniß ab dem Tod. 
Iſt keine Rettung mehr, dann dringen an der Pforte 
Des Grabes ihre Troſtesworte 
Noch lindernd in der Seele Grund. 
Und wenn bes Todes Pfeil zulegt fein Haupt aud findet, — 
Erſt wenn der legte Hauch dem Märtyrer entichwindet, 
Berftummt auch des Apoftel® Mund. 


V. 


Ihr Gluͤdlichen! Euch ſeh' ich unerreichbar ragen, 
Ihr bändigt Seuch' und Tod, Euch ſchrecktt fein Ungemach. 
Die Menge mag erſtaunt Euch zu bedanern wagen, 
Ich wein' Euch eiferſüchtig nach. 
Weh mir! So werd’ ich nie hingehn aus freiem Willen, 
Der Armen Noth und Qual zu ftillen, 
An denen eine Seuche zehrt? 





Und nie dem Sterbenden bie Todeswehen lindern, 
Und nie durch mein Gebet den letzten Fluch verhindern, 
Der feinem bleihen Mund entfährt? 


Kann ich ein Opfer nicht für meine Brüder werben? 

Droht nirgends eine Veit, ein rühmliches Schaffet? 

Gibt's Unterdrüdte nicht, nicht Henter mehr auf Erben? 
Winlkt nirgends mehr ein Heldentod?! — 

Schlagt meinen Leib ans Kreuz, mag matt mein Haupt fi 

ſenken, 

Und mögt Ihr mich mit Galle tränten — 
Herr, Zeuge bin ich deines Ruhms! 

Du biſt's, dem unter Dual und Bein ich mich befeble, 

Der ſchoͤnſte Engel ift, der führt zu Gott Die Seele, 


Der Engel des Martyriums!' 
Derember, 1821. 


An die „Academie des Jeux floraux.“ 


At mihi Jam ptero coelestia sacra placebant, 


Inque suum furtim mus& trahebat 
v 9 





Fünfte Ode. 


L 


Ihr, die Yhr vom Adour zur Rhone 
Des Liedes Neich beberrfcht im Glanz der Mufengunit, 
Ihr Fürften des Geſangs im Schmud der Lorbeerkrone, 
Ihr Weife, ftolz und froh, ihr Helden auf dem Throne, 
Ihr Meifter in der Liebestunft ! 


Schön, wie vor langen Jahren finde - 
Ich Eure Mufe frifch, im hellften Jugendglanz. 
Das Alter geht vorbei an ihr, dem ew’gen Finde, 
Der Ruhm, der ihr fi naht, verdedt mit einer Binde 
Bon Blüthen feinen Lorbeerkranz! 


Seid mir gegrüßt! Zur Mutter fommen 
Darf ih, das Kind, ich bring’ ihr Blumen, bunt und friſch. 
Daß Ihr mich einft geführt, vem Süngling war's zum Frommen. 
Als Bruder habt Ihr mich, den Fremdling, aufgenommen, 
Und mid gejegt an Guern Tiſch. 


207 


Dem Kämpfer, der gefiegt, vertraute 
Der Richter edler Kreis, voll Nachficht und Geduld. 
Und do batt’ er noch nie ala Ritter mit der Laute 
Gelodt ein Burgfräulein, daß fie vom Söller ſchaute 
Und lächelte dem Gaft voll Huld. 


Nie hatt’, ein Jüngling noch, ein ſcheuer, 
Bon Feengärten er erzählt in fernen Gau'n, 
Bon Paladinen und von Troubadours, beim Feuer 
Am Abend nie befang er Liebesabenteuer 

Im Kreiſe fchöner, heitrer Frau'n. 


Bon Liebesglück und ſüßen Scherzen 
Laßt Andre ſingen! Mir lacht nicht die Frühlingsflur. 
Dem Leid entquillt mein Lied, ich bin ein Sohn der Schmerzen, 
Ich dulv und tröfte, ſtets nur mit gebrochnen Herzen, 


Ah, mit den Todten leb’ ich nur. 
Mai, 1822. 


An Chateaubriand. 


Ber Genius. 


Die Umftände find c& nichts bie den Menfchen bilden, fe 
zeigen fle nur in ihrer wahren Geſtalt, fle offenbaren, fo zu 
fagen, bas Königthum der Genius, bie leute Rettung abfker- 
bender Böller. Diefe Könige, die wicht fo heißen, aber alt 
Könige hertſchen dur bie Stärke ihres Charakters und bie 
Ordhe ihrer Ideen, And ermählt durch die Ereignifle, bie fe 
bebersihen follen. Ohne Ahnen und ohne Rachkommen, bie 
Ginzigen Ihres Geſchlechts, verſchwinden fie, fobald ihre Gen» 
dung füllt iR, und hinterlaſſen der Zulnnit ihren letzten 
Willen, den diefe treulich vallzieben wird. 

8. Lamennais. 


Schöte Die. 


I. 


WMeh Jedem, der dem breiten Pfade 
Nicht folgt und hohe Träume hegt, 

Der einen Strahl vom Geiſt der Gnade 
In ſeiner ſtillen Seele trägt! 

Weh ihm! Der Neid wird ihn verwunden, 
Ein Geier, der zu allen Stunden 

Ihm Bein bereitet, Harm und Qual, 
Weil ein Prometheus er, ein neuer, 
Mit tühnem Muth das heilge Feuer 

Bom hoben Himmelsberbe ſtahl. 





208 


Sein Auge fab des ewig jungen, 
Des Ruhmes ſchimmernde Geftalt. 
Und huldreich lächelnd hat bezwungen 
Er ihn mit gleißender Gewalt. 

So weiß mit zauberiihen Bliden - 
Die falſche Schlange zu umjtriden 
Den Bogel, der im Laube zagt, 

Er ſchwirrt, er flattert ihr entgegen, 
Bis er ein Opfer iſt erlegen 

Des Blids, der ihm fo ſüß getagt. 


Und fieht er auch belohnt fein Streben 
Und feinen Namen ruhmbeglänjt, 
Schmäüdt ihn der Lorbeer ſchon im Leben, 
Der fonft nur todte Stimmen fränzt, — 
Der Thoren Wahn wird ihn verklagen, 
Und Haß und Mikgunft wird ihn plagen 
Und grau ihm färben bald das Haar. 
Erfüllt ift num fein kühnftes Hoffen, 

O Ruhm, dein Tempel ſteht ihm offen, — 
Du führft dein Opfer zum Altar! 


I. 


Und doch, — wer trüge Schmerz und Plagen 
Nicht gern und jede Ungebühr, 
Küßt ihn in ſeinen Erdentagen 
Des Himmels Genius dafür. 
Und flammen nun die ew’gen Kerzen 
Sin feinem Geift, in feinem Herzen, 
Wem würde göttlich nicht zu Muth? 
®. Hugo’t fämmtl. portifche Werke. II, 14 


210 


Ber würde vor dem Siege beben, 
Wer möcht’ im Glüde ruhmlos leben, 
Winkt ihm des Ruhmes düftre Glut? 


Du, der Dü nicht zu Deinem Glüde 

Bei uns geboren, dem geichentt 

Die Böttergab’, um welche Tüde 

Und Neid, Unfterblider, Di kraͤnkt, 

Du, bei der Nachwelt hocdhgepriejen, — 
Was liegt daran, wenn Dich, den Riefen, 
Der Hohn des Zwergenvolkes trifft? 

Dem Genius huld'gen müflen Alle: 

Sie haben Nichts ala ihre Galle, 

Nichts bat die Natter als ihr Gift. 


Chateaubriand, o laß fie wüthen! 

Der Schiffer lacht der ſturm'ſchen Flug, 

Wenn ftolz fein Schiff, gefhmüdt mit Blüten, 
Im Hafen wohlgeborgen rubt. 

Lang unbelannt und unbeadhtet, 

Halt Du dem Stumm, der Dih umnadıtet, 
Getrotzt, bis Du erreicht den Strand, 

So irrt’ einft unbelannt der alte 

Homer durch's Land, und mädtig fchallte 
Sein Ruhm dann über Meer und Land, 


211 


DL 


Du flohft, als eine Frevlerbande 

Zum Sklaven unfer Bolt gemadt, 

Fern ift, im transatlant’fhen Lande, 
Des Junglings Feuergeiit erwacht. 

Im Angefiht gewalt’ger Räume, 
Prairien, Ströme, Urmaldbäume, 

Sabft Du der Welt den Sceidegruß. 
Dort auf den unbewohnten Fluren 

Und Steppen hatte Gottes Spuren 

Noch nicht verwiſcht des Menihen Fuß. 


Der Sturm verflog. Wir ſahn Dich wallen 

Ins Land der Künfte, wo noch ſchön | 
Virgils Lorbeer erblüht, — zerfallen | 
Die Mauern ber Cäjaren ſtehn. | 
Tu ſahſt in Griehenland nur Knechte, | 
Dem einit jo berrlihen Geichlechte 

Sang kein Tyrtäus mehr zum Sturm. 
Die Häupter beugten fih und fielen, 
Und auf dem Fels der Thermopplen 
Stand der Tyrannen Schloß und Thurm. 


Die weltberühmten Städte weinen: 

Denn ihre Kinder kamen um. 

Nur in zerftreuten Trümmerfteinen 

Lebt fort ihr alter Heldenruhm. 

Die Götter find entflohn! Zum Seite 
Nicht lommen mehr geſchmückte Gäfte, 
Kein Kampfſpiel mehr! Nur Web und Ad) 





318 


Tönt ftatt der Feſtmuſik, ver hellen, 
Ser Donner nur der Dardanellen 
Hallt in zerftörten Tempeln nad). 


Aus Hellas zooft Du, dem entweibten, 
Und ſahſt ein gottgeweihtes Land, 

Wo aus den alten, hehren Zeiten 
Manch ew'ges Monument noch ftand, 
Sahft eine Gruft, des Lebens Quelle, 
Serujalem und Zion’ Wälle, 

Wo jegt ein Paſcha Wache hält, 

Die braunen Söhne der Numiden, 
Carthago und die Pyramiden, 

Des Todes ftarres Lagerzelt. 


Und endlich warft Du heim nad) Jahren 
Mit einem reihen Schag gelehrt, 

Es war das Leid, dad Du erfahren, 
Und was die Fremde Dich gelehrt. 
Dein Wort erfholl, das weiſe, ſcharfe, 
Dann im Senat: — denn Deine Harfe 
Hing an den Waflern Babylon; 
Dir übertrug die ewig wache, 

Die Freiheit ihre heilge Sache, 

Dir, dem Bertbeidiger des Throns! 


Sei ftolz, Du bracheft manche Lanze, 
Und ſetzteſt nie zurüd den Fuß, 

Ein Märtyrer im Doppelkranze 

Der Tugend und des Genius. 

Kühn ſchreit' auf Deinem Wege weiter, 
Erleuchte Frankreich, wie als Streiter 
Gedient Du Deinem König halt. 


Die Anarchie, die free Dirne, 
Grblaßt vor Deiner ernften Stirme, 
Die vor Tyrannen nie erblaßt. 


Mag Gruben Dir die Bosheit graben, 
Mag Neid und Falſchheit Dich bevrohn, 
Du, Sohn des Genius, ſchwebſt erhaben 
Und ruhig über ihrem Hohn, 

So überfhaut die Wetterwolte, 

Die hinzieht über'm Erdenvolke, 

Am Gap der Vogel, einfam fliegt 

Gr hoch dahin, die Stürme kriegen 

Tief unter ihm, er ſchläft im Fliegen, 
Bon Himmelslüften eingewiegt. ' 
Yuli, 1820. 


214 


Bas Mädchen von Otaheiti. 


Bab zögert er fo fang? Sie harrt zum Tob betrübt. 
Beh ihr! Er liebt fie nicht, bie ihn fo glühend liebt. 
oHifreb de Bignp, 
Dolorida. 


U 2 


Siebente Ode. 


„O ſag' mir, willſt Du fliehn? Und wird das Schiff von dannen 
Dich tragen? — Web, heut Nadıt,,... ich harrte Dein fo bang, ... 
Ihr Zelt abbrechen hört ih Schiffer, Segel ſpannen 
Und Iuftig fingen... Ob, die heißen Thränen rannen 

Mir nieder bei dem frohen Sang. 


Dies Eiland willft Du fliehn! Lacht auf das Deine nieder 
Der Himmel fhöner denn? Iſt's frei von jedem Fluch ? 
Beweinen, wenn Du ftirbft, Dich dort wohl Deine Brüder ? 
Und deden fie Dir au mit Blumen zu die Glieder, 

Mit ewig grünem Leichentuch? 


Denkſt Du des Tages no, wo Di zum erften Male 

An diefer Infel Strand geführt ein holder Wind 3 

Du wintteft mir von fern im ftillen Schattentbale, 

Nie hatt’ ich Dich gefehn bei meiner Brüder Mahle, — 
Doch kam ich, folgfam, wie ein Kind, 


215 


Shön war ih damals! Jetzt bin ich von Thränenbäden 

Entftellt. D Fremdling bleib’, o fei nicht hart, wie Erz! 

Bon Deiner Mutter laß, von Deinem Gott uns ſprechen! 

Ging mir aus Deinem Land ein Lied! — D bleibe! Brechen 
Wird, wenn Du gebit, mein armes Herz. 


Du bit mein Alles, fieb, ich halte Did ummunden. 
Wie kannſt Du fliehbn? Was that fie Dir, die Dich nur liebt? 
Sanft will id fein und gut, ich heile Dir die Wunden, 
Den Namen geb’ ih Dir in gut’ und böjfen Stunden, 
Den Dir daheim die Mutter gibt. 


Als SHavin nimm mid an, ich labe Dich, kredenze 

Dir Deinen Trant, Du winfft, ich folge Deiner Spur. 

Sei freundlih mir, und fhön bin ich aufs Neu und glänze. 

Ad, Hüctig liebft Du nur, wie unfre Schwalb’ im Lenze, 
Dich lieb’ ih, ... . Fiebend leb' ih nur. 


Weh, Du willft gehn! — Es harrt wohl eine Jungfrau drüben 

Auf Deine Wiederlehr... O lab mid nicht zurüd, 

Nimm mid mit Dir, o Herr, nie werd’ ich fie betrüben, 

Treu dienen will ih ihr als Magd, vielleicht fie lieben, 
Rennft ihre Liebe Du Dein Glüd, 


Ad, meinen Aeltern fern, die ftolz ihr Kind mich nennen, 

Dem Wald, aus dem Du mich gelodt, den Blumen bier, 

Den Palmen ferne wird mein Lebenglicht verbrennen, 

Hier fterb’ ih, muß id mid von Dir, mein Leben, trennen, 
Dort fterb’ ih doch bei Dir, bei Dir! 


216 


Wenn die Banane je Dich gaftfih hat empfangen, 
Wenn Du mid je geliebt, verftoße mich nicht, ad, 
Laß mich allein nicht hier! Sonft fhwebt, wenn Du gegangen, 
Auf einer Wolte bald, von glühendem Verlangen 
Berzehrt, Dir meine Seele nah!" — 


Und als im Morgenroth das flücht’ge Segel glühte, 
Da war ihr Lager leer... Wo leuchtet ihr Geſicht?.. 
Im Wald, im Thal, am Fluß, der lichte Funken fprühte, — 
Sie ward nicht mehr gejchn, die holde Mädchenblüthe; 
Doh bei dem Fremdling war fie nidt. 
Sanuar, 1821. 


27 


An Alrich Gullinger. 
Ber Glückliche. 
Bestus qui non prosper. 


— · — 222 


Achte Ode. 


„Jo haſſ euch, Götter! Was ich wünfchte, ſchon dem Knaben 
Habt ihr's gewährt: Ich will?.. Ih kann! 

Ich haff' euh, Gotter! Mich erprüden eure Gaben, 

Ihr laßt mir keinen Wunſch. Was hab’ ich euch gethan? 


Fern von den Säulen des Herakles bis zum Sunde 
Leanders ſchwimmen Schiffe mir 

Im Meere, mein Balaft verihlingt, glei einem Schlunde, 

Den Sha der Städte, wie der Fluren Frucht und Hier. 


Des Springquelld Raufhen wiegt mich ein auf meinem Pfühle 
Bon PBurpur, und die Laute klingt. 

Yungfrau'n vom Ganges wehn mit buntem Fächer Kühle 

Der heißen Stirne zu, wenn mich der Schlaf umſchlingt. 


An meiner Tafel mag der Parafit fih fireden, 

Der, was ich jelbft nicht mag, verzehrt. 
Auf golpner Platte kann mir felbft der Fiſch nicht fhmeden, 
Den fie mit Menſchenblut in meinem Teich genährt. 


8 


Am Tiberftrande hab’ ih Gärten und, wo Laven 
Die Berge fprühen, Schloß an Schloß; 

Und meine Länderei’n, bebaut von taufend Sklaven, 

Ermüden, weit gedehnt, mein Auge, wie mein Roß. 


Die Großen fürchten mich, mir lächelt Caſars Gnade, 

Es grüßt den mächtigen Patron 
Im Wagen ftet3 ein Schwarm Glienten, meine Pfade 
Sind Marmor, und Porphyr mein Bad und mein Balkon, 


Das Forum gähn’ ih an, im Cirkus muß ich gähnen, 
‚Bas nun?” — fo frag’ ich halb im Traum, 

Mit einem Sklaven mäft’ ich täglich die Muränen, 

Und doch, auch diejes Spiel Catos ergößt mich kaum. 


Ihr Schönen Ajiens und Europa’, eure Pfeile 
Berühren kaum mein tobtes Herz. 

Aus blankem Goldpolal träntt mich die Langemeile, 

Und mich beneidet noch des Armen blinder Schmerz? 


Die euer Gegen bat noch nie ein Fluch getroffen. 
Gebt meine Blüte mir zurüd, 

Ihr Götter, lieben laßt den Süngling wieder, hoffen, 

Nehmt bin all euer Gut für ein beſcheidnes Glück! — 


* * % 


So feinen Göttern Hohn Sprit Celſus, pradtumfloffen, 
Im Tempel bingeftredt, auf weihem Pfühl, verdrofien, 
Indeß ein Märtyrer, der Gott im Himmel preiät, 


Aushaucht an dem Altar des Gögen feinen Geiſt. 
1822. 





219 


Pie Serle. 


Ein dunkles Geil unndüßers den Bei der Gterblichen ; 
gleich Walzen rollen fie bin und ber, mit einer Unzahl von 
Uebeln belaftet ... ber fafle Muth, der Menſch if göttlichen 
Geſchlechte! Wenn du, deines Körpers entkleidet, dich in des 
Hethera Räume erheben wirft, wird ber Tod feine Brwalt über 
dich mehr haben, du wirk ein Sott fein, unferblih und un⸗ 
wanbeibar. Voythatgoras, goſdne Gprüde. 





Neunte Ode. 


Ein Sohn des Himmels flieh' ich dieſer Erde Gaben 

Und Ehren, all mein Stolz iſt dieſer Bettelſtab. 

Ein König bin ich, ſtolz, verbannt, der Nichts will haben, 
Als feinen Thron,.. wo nit, — ein Grab, 

Mir ift der Staub der Welt verhaßt, ihr Lärmen, Schreien, 
Still lebt ein freies Herz im Freien, 
Stolz, einfam, am verborgnen Drt, 

Nicht Herr, nicht Knecht; o laßt einfiedleriih mi träumen 

Und finnen Tag und Naht in meiner Wüfte Räumen: — 
Den Buſch im Feuer ſuch' ich dort. 


D du, von Gott verdammt zur Trübfal und Beſchwerde, 
Geſellin unjrer Qual in dieſer Zeitlichleit, 
D Magd, unfterblide, du Bilgerin der Erbe, 

Du Königin der Ewigkeit, 


1) 


D Seele, lab im Slüd und Unglüd ftet3 im Dunteln 
Mir deine belle Leuchte funteln, 
And bändige der Sinne Madıt. 
Dein goldner Herricherftab fei meines Lebens Steuer, 
Bewache du in mir der Tugend heil'ges Feuer, 
Wie die Veſtalin, Tag und Nacht. 


Bit du es, deren Hauch um meine Leier fächelt, — 
Die Leier, heilig, fromm, wie Zion ſsharfe, rein, — 
Die nähtlih mich beſucht und himmliſch ſüß mir lächelt, 
Lichtweien du im Glorienfhein? 
O Himmelsjungfrau, laß auf meine ird'ſchen Ketten 
Sid) deine heil’gen Schwingen betten, 
Und weihe midy zur Himmelfahrt. 
Du Echo Gottes, willit du von geheimen Dingen, 
Bon Lieb’ und Seligfeit mir leife Kunde bringen, 
Bon Ongeln dir geoffenbart? 


I. 


Sabhft du einft die junge Erde 
Makellos, im Lichtgewand, 

Als die Welt, die auf fein: Werdel!“ 
Ward, der Schöpfer aut noch fand? 
Sabit im Paradieſesäther 

Du den Erften unjrer Vaͤter, 

Die erwacht er Eva grüßt; 

Sahſt die erſte Sonne prangen, 

Die des erften Engeld Wangen 

Roth am erften Morgen lüht? 


Sahft im heil’gen Wefenftrome 

Du die lihten Furchen glühn, 

Und hervor am Himmelsdome 
Millionen Sterne ſprühn? 

Wie Er dann, der Gott der Stärke, 
AN die Fülle feiner Werte 

Cab mit Wohlgefallen an, 

Aller Seelen Herr und Meilter, 

&r, der Flammenquell der Geilter, 
Aller Wellen Dcean ? 


IL 


Und folgteft du dem Herren auf feinem Siegerpfade, 

Als aus des Waſſers Schooß der Geiſt das Wort der Gnade 
Zum hohen Aether trug, zum flammenden Palaſt, 

Am Tage, wo vom Licht das Chaos ward geſchlagen, 

Und wie ein König, den erdrücht des Kampfes Laft, 

Der weg vom Schlachtfeld eilt bejiegt, auf raſchem Wagen, 
Aus Gottes junger Welt entfloh in wilder Haft? 


Sahft du, dem Himmel fern, den finftern König thronen, 
Mit Qualen die — glei ihm — Gefallenen belohnen, 
Im Abgrımd, der erfüllt mit Schreden bis zum Rand, 
Bo, wenn vom Erbentraum verraufht die legte Welle, 
Erwacht der Sünder fühlt der Reue beißen Brand, 

Im Schlund, in den ein Gott einft trat, als er von Hölle 
Zu Hölle jäh den Tod verfolgt’ umd überwand, 


IV. 


Den Em’gen zeige mir, wie er zum Reich gegeben 
Einft dem Atom den Raum, die Zeit dem Eintagsleben, 
Das Dunkel, öd und leer, das ftille Grab ber Nacht, 
Die Donnerwolk', in der die Blitze ſich begegnen, 

Und den Kometen, den verwegnen, 
Der weit am Himmel dehnt des Schweifes Strablenpradt. 


Gefellin, mächtige, es ſchwebt auf deinem Flügel 
Bon Blume fort zu Blum’ und über Thal und Hügel, 
Zurüd zum Eden, draus der Menſch verbannt, mein Geift, 
Des Ew'gen Schleier hebt er auf, die Erdenſchranke 

Weit überfliegt er, mein Gedanke 
Iſt eine Welt, die durch endloſe Räume kreist. 


V. 


Fallſtrickee drohen dir im Dunkeln, meine Seele: 

Sei dem Gefangnen glei, der hinterm Riegel wacht! 

Im Heer der Feinde ſchau dich um, die Feuer zähle 

In ihrem Lager! Daß zur Scheibe nie dich wähle 
Der Feind, fei wachſam Tag und Nacht. 


Ich bin der Mann nicht, der den Hochmuth zum Berather 
Sich nimmt, der reiner Lieb’ entfrembet irrt, der Thor, 
Der Dagon opfert ftatt Jehovah, feinem Vater, 
Und ohne Führer jhweift am Rand erlofchner Krater, 

Ein Wandrer, der den Weg verlor; 


238 
Die Blumen Edens wagt fein Hauch nicht zu berühren, 
In aufgepugter Bloͤß' ericheint vor Gott er nicht, 
Wie ein verftoßner Sohn, den irre Pfade führen 
Als Bettler beim; er fteht vor feines Vaters Thüren, 
Und Thränen netzen fein Geſicht. 


„Sieh da, der Sünder! mag dann wohl ein Engel fprechen. 
Gr trant vom füßen Gift, das elend ihn gemacht. 
Die Unſchuld wird belohnt, er büßt für fein Verbrechen, 
Bor Gott verworfen ift die Seele dieſes Frechen ! 

Er ſchlief, indeß der Herr gewacht.“ — 


Du aber, — kehre bald aus dieſes Staubes Zelle, 

Du EStrablende, zurüd zur ew’gen Strahlenflur, 

Und fteige rein empor zu deiner eriten Quelle 

Und wie die Sonne Nichts mitbringt als ihre Helle, 
Bringſt mit du deine Liebe nur. 


VL 


Web dir, unjel’ger Thor, der in verkehrtem Streben 
Den Geift nicht ahnt, der dich beberrfäht und alles Leben, 
Den felbft des Grabes Ruf zur Buße nicht bewegt. 
Dein Geift ift ohne Schwung, dein Herz zu kalt zum Brennen, 
Nie wirft du deine Seel’ erfennen, 
Gin Blinder irrft du, der umſonſt die Fackel trägt. 
| uni, 1823. 





U 


Sied der Arena. 


... Ihr bei umſchienten Adyäer . 
Rings für die Neifigen Fehn Kampfpreife, zu echten Die Sieger. 
Homer. 


— ri 


Zehnte Ode. 


Geehrt iſt der Athlet von Allen, 
Dem die Arena bot den Preis, 
Unſterblich wird ſein Name ſchallen, 
Dem Sieger huldigt Kind und Greis. 
Die Völker preiſen ihn vom Rande 
Der Welt, vom eiſig kalten Lande, 
Wo ſeinen Schlaf der Winter hält, 
Bis zu Aurora's goldnem Schloſſe, 
Wo fern am Meer die Sonnenroſſe 
Laut wiebern in die Morgenmelt. 


» 
Olymp'ſche Spiele... Kränze flechten . 
Laßt ung aus Lorbeer und Acanth! 
Der Bötter Fluch dem Ungerechten! 
Ter Alten Heldenmuth im Fechten 
Erwadhe neu in uns enibrannt! 


Kommt all, auch aus dem fernften Reiche, 
Apollo's Vrieſter nabt und pflüdt, 

Daß er ihn Euch, den Siegern, reiche, 
Den Kranz vom Laub der alten Eiche, 
Der Milons Stime ſchon geſchmückt; 





— — - 


Von Paphos, wo die Taube brütet 
Der Venus, Tyrus und Korinth, 
Vom Strande, wo die Schlla wüthet, 
Vom Athos, den der Adler hütet, 
Wo Sonn’ und Stern’ ihm näher ſind; 


Kommt von den Inſeln all, den fhhönen, 
Des Archipel, von Kreta’d Strand, 
Bon Rhodus, reih an Heldenjöhnen, 
Die, wo des Ares Hörner tönen, 
Fortlämpfen bis zum Grabesrand; 


Kommt aus der Stadt, der wundervollen, 
Des Cekrops, fhmud und farbenbunt, 
Bon Argos’ erntereihen Scollen, 

Bon Lemnos, wo die Tonner rollen, 
Bon Sparta kommt und Amatbunt. 


Die Gynäcen und Tempel nlänzen 
Mit Blumenflechten reich verbrämt, 
Wie unter bräutlic fchmuden Kränzen 
Jungfrau'n die Stirn bei Reinentänzen 
Verhüllen züchtig und verſchämt. 


Seht die Arhonten und Ephoren 
Dort auf der Bänke vordern Reihn, 
Die jungfräuliben Kanephoren 
Sie wuſchen, weihten die Umphoren 
v Nah eleufin'ihem Brauche rein. 
3. Huge's fämmtl. poetiſche Werke. IL. 15 
y 








Die Pythia, Traumbeuter fragte 
Um Beiden man, den Opferbuft ; 
Des gelben Geiers Feder jagte 
Zur Stunde, wo's im Often tagte, 
Man Antwort fuchend in die Luft. 


Dreifüße, zwei, mit Pracht verzierte, — 
Der fiegt im Wettlauf, nennt fie fein; 
Dazu den Becher, ven berührte 

Einft Bacchus, als er koftend führte 
Zum Mund den erften Tropfen Wein, 


Und wer den Discus warf inmitten 
Der Kämpfenden am weitften fort, 

Der hat die Urne, ſchoͤn gefchnitten 

Bon Phlegons Künſtlerhand, erftritten, 
Sein Nam’ erfhallt von Ort zu Ort. 


Und wem des Ringers Künfte glüden, 
Dem wird der Chlamys ſtolze Gab’ 
Aus Sidon, reich in allen Stüden, 
Die Hermes und Bofeidon fchmüden 
Mit Dreizgad und mit Schlangenftab, 


Ihr Kämpfer alle, ſtark, wie Eifen, 
Steigt aus dem Bade, falbt euch, ringt, 
Damit die Dichter euch, die weißen, 

In ftolzen Feierhymnen preifen, 

Sin Pindar euch unſterblich fingt, 


m. 
un 


CC — 


d 


297 


Geehrt ift der Athlet von Allen, 
Dem die Arena bot den Preis, 
Unfterblih wird fein Name fchallen, 
Dem Sieger huldigt Kind und Greiß, 
Die Völker preifen ihn vom Rande 
Der Welt, vom eifig falten Lande, 
Wo feinen Schlaf der Winter bält, 
Bis zu Aurora’s goldnem Schloſſe, 
Wo fern am Meer die Sonnenroffe 
Laut wiehern in die Morgenmelt. 
Sannar,, 1824, 


Sied des Circus. 


Panem et circenses. 
Juvonal, 


— EEE 


Elfte Ode. 


Gaſar, Großmüthigſter, zum Feſte, 

Das Du bereitet, nahn die Gäſte 

Von Oſt und Weſt, beim Hörnerklang. 

Heil Dir, Unſterblicher, Gerechter, 

Auguſtus' Erbe, Heil! Die Fechter, 
D Cäfar, grüßen Di auf ihrem Todesgang. 


Roms Kaifer bringt allein von Allen, die da thronen, 

In warmem Menjhenblut den Göttern Libationen. 

Bei unjern Felten iſt der Tod mwilllommner Gaſt. 

Die Ungeheuer find nur da, uns zu ergüßen, 

Der Circus raucht von Blut, Hyrkaniens Tiger heben 
Wir auf Barbaren, — Menſch und Beitie fhnaubt und rast. 


Kolofie, hoch gethürmt, Exzriefen, Borphyr-Bafen, 
Schiffsanker, Fahnen rings, von Zephyrn aufgeblafen, 
Die um die Marmorwand des Todtenfelds fi reihn; 
Zum Himmel fteigt empor des Weihrauchs duftge Wolke: 
Denn des Gemepeld Dampf — fo iſt's dem Römervolte 
Genehm — muß ftet3 vermifcht mit würz'gen Düften fein. 


Die Eiſenthore thun fih auf, die Riegel knarren, 

Die Menge prebt fih durch, fie will nicht länger harren, 
Die Banther fahren auf vor Schred im dunfeln Etall. 

Und braufend, brüllend wälzt mit tauſendſtimmigem Rufen 
Ein Strom, der überfhäumt, hinan die Marmoritufen 
Das Weltbeberrichernolt fih, ein gewalt’ger Schwall. 


Im Stuhl von Elienbein fhon figen die Aedilen; 
Flußpferde ſchwimmen plump daher mit Krolodilen 

Im breiten Graben, der fih um den Circus ſchlingt. 

Dumpf von fünfhundert Leu’n dringt das Gebrüll zum Ohre 
Des Volle, BVeitalinen antworten fi, dem Chore _ 

Der Chor, der den Altar des Teufchen Feuers bringt, 


Glutäugig, Hals und Bruft entblößt, mit lofem Haare, 
Stellt frech die Bublerin den Dreifuß zum Altare; 
Cypreſſenlaub unmbüllt das beilige Afyl. 

Die Senatoren gehn in breitwerbrämten Togen, 

Ein Ehwarn von Königen kommt ihnen nachgezogen 
Und Sklaven, ihr Gefolg, und der Glienten viel, 


Bei jeder Jungfrau ſitzt ehrwürdig die Matrone, 

Auf der Tribunen Ruf erjheinen an dem Throne 

Die Brätorianer, die fi dicht im Kreiſe reihn, 

Der Chor der Eybele, die Priefter, fingen, Poſſen 
Reißt eine Gauklerſchaar, am Gangesftrom entfprofien, 
Bis ih die Fechter nahn, die ſich dem Tode weihn, 


Ha, die Befangnen! — Die Zuſchauer klatſchen, rufen 
Den Fechtern drohend zu, die an den Tempelftufen 
Des Manes Eäfar fing, der Irmenſul entrüdt. 


2% 


Sie treten ein, — edinennt der Lictor jeden Namen, — 
Die zum Vergnügen Noms hieher zu fterben kamen, 
Ein Brandmal an der Stirn, vom Conſul aufgeprüdt. 


In ihren Reiben gehn Ju däa's Söhne ſchweigend, 

Die Häupter unterm Drud geheimer Schande neigend, 
Dann Gallier, — trogig fhaun fie fih, verwegen um, — 
Verworfne Chriften, die zum Tod gelaflen geben, 

Nicht murrend, ſeufzend um fi nad den Henkern ſehen, 

In Demuth leiden fie und fterben wehrlos, ſtumm. 


Bald fpeit die Mauer, ftarr von Schwertern und von Spieben, 
Die Beftien aus, die jäh hervor, Iaut brüllend ſchießen, 

Und auf die Beute ftürzt fich das Gethier ergrimmt. — 

Ein Burpurbaldadin dehnt über'm Kaiferfige 

Sid aus, damit das Licht, fo lang die Sonnenhige ' 

Auf's Schlachtfeld brennt, dem Herrn ind Auge milder glimmt. 


Caäſar, Großmüthigfter, zum Feſte, 
Das Du bereitet, nahn die Gäjte 

Bon Dit und Weit, beim Hörnerflang. 
Heil Dir, Unjterbliber, Gerechter, 
-Auguftug’ Erbe, Heill Die Fechter, 


O Cäſar, grüßen Dih auf ihrem Todesgang. 
Sanuar, 152, 


1 


Sid des Eurniers, 


Ihr Liebepritter, zu den Engeln bort, 

Den himmliſchen, bHAL auf, zu dem Ballon ; 

Erſtreiten werbet Ihr der Ehre Hort, 

Dem tapfern Kämpfer wird der Minne Lohn. 
Alte Ballabde. 


— — 


Zwolfte Ode. 


Thut auf die reiche Hand, ihr Ritter, ſpendet milde 

Dem Waffenknecht! — Kommt all herein, ob ihr im Schilde 
Den Schwarzen Mantel weiß gefledt von Agra führt, 

Ob Frankreichs Lilien, ob mailändiſches Gebilde, 

Der grüne Drad’, ob ihn das Kreuz von Spanien ziert, 


Schon geöffnet find die Schranten, 
Und der Griedwart ritt im Kreis. 
Hoch von allen Thürmen ſchwanken 
Stolze Banner grün und weiß. 
Und es jauchzt das Volk im Kreife 
Und die Wimpel küffen leife 

Sih im Winde, fern und nah. 
Herold mit dem Sifbergreife, 

Am Goldgürtel an die Schleife 
Häng’ ihn der Dalmatica, 





Baum’ und Dächer find voll Leben, 
Und die Gloden ſchallen laut, 

Ein Turnier, ein Feſt foll’3 geben, 
Mertb, dak es ein König fchaut. 
Und die Königin, guter Tinge, 
Gab zum Felt zwölf Silberlinge 
Aus dem Sparſchatz, und dabei 
Kaufte zwölf gefangne Chriſten 
Bon den Mohren an den Küften 
Afrika's voll Huld fie frei, 


Edle Ritter, in die Mitte 
Zretet, eh’ das Horn erklingt, 


Hört das Mort, nah Recht und Sitte, 


Das des Königs Bote bringt. - 
Schmeigend bört die hohe Lehre | 
Der uniolgfam greift zur Wehre, 
Gottverflucht iſt deſſen Schwert. 
Laßt euch nicht vergeblich mahnen, 
Folgt dem Spruch, den eure Ahnen 
Gottes heil'ges Wort gelehrt. 


Singt der Pſalmen heilge Weiſen, 
Saint⸗Denis, den Schutzpatron, 
Jeſum und die Engel preiſen 
Sollt ihr in andächt'gem Ton. 
Auf das Evangelium ſchwoͤret, 
Daß der Ehr’ ihr nur geböret, 

Sie jei euer Hort und Stern, 
Tab dem König euern Degen 

Ihr zu Füßen mönet legen, 

Wie die Seele Bott dem Herrn, 


Schwört, Barone, ſchwoͤrt, ihr Reden, 
Auf das Sanctum, daß ibr wollt 

Nie mit ſchnödem Schmuß befleden 
Gurer Sporen Hares Gold; 

Nie in eurer Burgen Hallen 

Schinden Bürger und Bafallen; 

Eure Hände haltet rein; 

Für die Wittwen, für die Waiſen 

In der Roth foll euer Eifen 

Immer ohne Scheide fein. 


Ritter, feid in Art und Mienen 
Jenen alten Helden gleich, 

Karin und feinen Paladinen, 
Dentt an Arthur und fein Neid, 
Weh dem Feigen, det mit jchlechten, 
Schwarzen Küniten wagt zu ſechten, 
Und der fiegt durch Zauberbann. 
Fluch dem Ritter obne Ehre, 

Der betämpit des Feindes Speere 
Mit dem fünd’gen Talisman. 


Schleifen wird man feine Veſte, 
Seine Thürme, hoch und ſtolz; 
Seines Leibes ſchnöde Reſte 
Baumeln an dem Galgenholz; 
Und mit denen, die da zaubern, 
Mit den Geiſtern, den unſaubern, 
Weh, verdammt zu ew'ger Pein, 
Bei dem Hexenſabbath drehen 
Wird, gepeitſcht von Höllenwehen, 
Sich ihr ſchlotterndes Gebein. 


Doc) gefeiert if} der Name 

Jedes Ritters, fromm und treu, 
Auf die Leinwand ftidt die Dame 
Seinen Namen ohne Scheu. 

Und die Troubadoure preifen 

In unfterblich ſchoͤnen Weifen 
Seinen Stahl, fo rein und Har. 
Seine Gruft umfhweben Feen, 
Dienen feinen Siegstrophaͤen 
Muß zum Sodel em Altar. 


Knappen, Ritter ohne Fehle, 

Das Turniergefeß, ein Fels 

Steh es feit in eurer Geele, 

Und der Brauch des Carrouſels. 
Felonie wird ſchwer gerichtet, 

Bor den Schönen fteht vernichtet, 
Wer verlegt der Ordnung Banb, 

Hat verdammt der Sprud der Richter 
Die ehrlofen Böfewichter, 

Dann beftraft fie Frauenhand. 


hut auf die reihe Hand, ihr Ritter, fpendet milde 

Dem Waffentneht! — Kommt all herein, ob ihr im Schilve 
Den ſchwarzen Mantel weiß gefledt von Agra führt, 

Ob Frankreichs Lilien, ob mailändiſches Gebilde, 


Der grüne Drach', ob ihn das Kreuz von Spanien ziert. 
Sanuar,, 1834. 


—— — — — 





der Antichrif. 


Und wenn taufend Zahre vollenbei And, wird ber 
Getanas Iob werben and feinem Befängniß; 


Uub wirb ausgeben, zu verführen bie Gelben an den 
vier Dertern ber Erden, ben Dog und Magog. 
Offenbarung Johannis. 


Dreizehnte Ode. 
L 


3a, er wird fommen, — wenn verjiegt der Tage Bronnen, 
Die legte Finfterniß die Welt zur Wüfte macht, 
Wenn, wie dad Auge bricht des Sterbenden, die Sonnen 
Erblafien an der Stirn der Nacht; 
Denn in dem Aberund dumpf es braust gleich Wetterbächen, 
Wenn feine Schaaren zählt, die frechen, 
Der Satan, mufternd feine Macht; 
Wenn von der Wucht der Laft, die fie fo lang getragen, 
Erdrüdt zum Bredden, wie ein alter, ftaub’ger Wagen, 
Die Himmeldare ſtöhnt und kracht. 


Sa, er wird fommen, — wenn der Mütter Herzen bluten, 
Denn Ihres Leibes Frucht wor Schred zufammenfährt, 
Denn keine Seele mehr der Leiche folgt des Guten, 

No feine Gruft mit Thränen ehrt; 
Und wenn der Menih im Schiff der Zeit dem uferlojen, 
Dem Meer der Ewigleit zufteuernd hört das Toſen 

Der Zlut, die grollend braust und gährt. 


Sa, er wird kommen, — wenn der alte Bund von Sünde 
Und Haß und Stolz gelöst, wie Spreu im Wind, verweht, 
Und wenn die Völker Shaun, wie der Vernichtung Schlünde 
Sid der verlommnen Welt aufthbun, dem greifen Kinde, 

Wie Stern an Stern fi ftößt und hell in Flammen ſteht, 
Und dur des Himmels Raum, — gleich einem Wirth, der Gäfte 
Grwartend dur den Saal hinfchreitet vor dem Feſte, — 
Still hin und wieder, groß, der Schatten Gottes gebt. 


I. 


Er kommt! — Den Menſchen wird das Haar empor ſich richten: — 
Er wirft das Löfegeld Gefangner weg im Zorn, 
Ausfendet ihn der Herr, den Weinberg zu vernichten, 

Und zu zerfehlagen Obſt und Korn, 


Die Völker wiffen fih vor Angſt nicht mehr zu retten: 
Ob er wohl Kronen oder Ketten 
Einft trug in einer andern Welt? 

Sie martern fih umfonft, das Räthſel zu erkunden: 

Sinv’s Strahlen, ift’3 die Glut der Blige, die ummunden 
Sein Haupt, das unnahbare, hält ? 


Bald wird fein Angeficht des Himmels Reiz entlehnen, 
Und einen Engel wird das Bolt zu hauen wähnen, 
Heu leuchtet, Har fein Leib, getaucht in Strahlen ganz, 
Sein Auge lächelt fanft, noch feucht von ſüſſen Thränen, 
Wie auf des Frühlings Stirn Aurora's junger Glanz; 


Bald wird er häßlich ſich, ein fchwarzer Drache, zeigen, 

Erzklau'n am Flügelpaar, entſetzlich, riefengroß, 

So faust er durch die Luft; mit Schreden füllt fein eigen 
Geheimniß ihn; der Hoͤll' entfteigen 

Läßt wüften Qualm er, wenn er ftampft der Erde Schooß. 


— Ten 


a 


Wenn feine Stimme fchallt, wird bang die Schöpfung ſchweigen. 
Zur Wüfte wird die Stadt, weht fie fein Haud nur an, 
Er wandelt durch die Luft, er lenkt der Winde Reigen, 
Und fährt auf feurigem Gefpann. 
Cr zähmt des Feuer! Wuth, gebeut den Wellenrofien, 
Und unter feinen Füßen fprofien 
Lenzblumen felbft im Wüftenfand, 
Die Sterne neigen fi herab, fein Haupt zu frönen, 
Die Todten fchütteln ih, wenn feine Worte tönen, 
Als löste fih des Schlummers Band, 


Ein ausgetretner Strom, ein Berg voll ſchwarzer Laven, 
Das iſt er, Freunde bat er nicht, er hat nur Sklaven, 
AU feine Sröß’ ift nur der Welt zur Dual und Bein, 
Erobrer, König nicht, ein Nachtgeſpenſt, der Schreden 
Der Böller, die vor ihm im Staub fidh niederftreden, 
Nicht Hirt und Heiland, — Herr und Meifter will er fein. 


Er fcheint entrüdt der Welt, die ihm fich beugt mit Beben, 

Trägt eine fremde Laft, und lebt ein fremdes Leben, 

Kein Wechſel rührt ihn an, nie altert fein Geficht. 

Doch pflüdten wir für ihn Maiblumen, — fie verborrten, 

Mann ohne Glaub’ und Treu ift fremd er aller Orten, 
Und eine Heimath bat er nicht. 


Erwartung Tennt er nur, nie wird ihm Hoffnung keimen, 

Sein Geift, von Stürmen, wie die Meerflut, heimgeſucht, 

Schaut auf Unwiſſende mit Neid nur im Geheimen: 
Sein Biflen trägt ihm bittre Frucht, 


J 


Dem Henber trotzt er, der das Richtſchwert bat gezogen, 
Still, wie vorm Sturm des Meered Wogen, 
Stumm, wie der Tod; fein Herz erwarmt 

Niemals, ein Kampfplag ift’3, auf dem in böfer Stunde 

Der Frevel, mit der Neu’ in böfem Ehebunde, 

Die Widerftrebende umarmt. 


Ergreifen wird er rafh den Reſt der Zeit, die endet, 
Ausloͤſchen wird fein Arm des lebten Leuchtthurms Glut. 
Gott, der den eignen Sohn einft darben ließ, verfchwenvet 
An ihn, den hoͤlliſchen Meſſias, Gold und Gut. 

Er fröhnt der wilden Luft, die er durch Raub gewonnen, 
Sein Auge glüht, fo lang er ſchwelgt in feiner Macht, 
Bon leiſer Scham, eritidt im Taumel faljher Wonnen, 
Bom Stolz, der fih erhebt aus der Verzweiflung Nacht. 


Der Hölle Botichaft bringt den Menſchen er und zwiſchen 
Den Waizen der Vernunft ſät Irrthum er und Wahn. 
Im Becher weiß er Gift und Honig ſchlau zu milden, 
Und beut den duft’gen Trank den falihen Weilen an, 
Die eine Mauer, um die Welt von Gott zu trennen, 
Stellt er ſich zwiſchen fie mit frechem Hohn und Spott. 
Die Sprache reiht nicht aus, die Yrevel all zu nennen, 
Der Atheift erblaßt und fpriht: „Das ift mein Gott!“ 


IL 


Wenn er, der Herold dann geheimnißvoller Schauer, 
Verbrechen aufgebäuft und Sünden mannigfalt, 
Und wenn die Tugend, wenn der Glaube fieht mit Trauer, 
Wie leer die Herzen find und Talt; 
Wenn mit dem Cains⸗Mal gezeichnet er die Seinen, 
Die allzuhauf wor ihm erfcheinen, 
Und feine Schaaren ſtehn bereit, 
Verſchwinden wird er dann von diefem Erdenrunde, 
Und feinem Reiche ſchlaͤgt zugleich die legte Stunde 
Mit dem Beginn der Ewigkeit. 
1823, 


Epitaph. 


Hic praeteritos commemora dies, aeternos meditare. 





Vierzehnte Ode. 


Jung, thöricht, oder alt und weiſe, 
Mer du au feift, der du verirrt dich drebft im Kreiſe, 
Durch alle Himmel flieaft, wie Wollen, ohne Ruh, 
Warum der Ferne eilit du zu? 
Iſt hier, o Wandrer, nicht das Ziel ſchon deiner Reife? 


Der Tod bat meinen Ruhm bevedt mit dunkler Schmad, 
Kaum ift mein Name noch auf diefem Stein zu lejen, 
Er, defien Glanz ing Aug’ einft mandhem Neider ſtach. 
Ich bin ein Nichts, umſonſt forfcht jeßt dein Auge nad, 
Ob deines Ruhms ein Theil vielleicht einft mein geweſen. 


Ich ging wie du am Wanderſtab 
Durch's Leben einſt. Der Fluß lehrt’ um zu feiner Quelle. 
Ruh’ auf dem Marmor, der zertrümmert dedit mein Grab; 
Leg ab bier deine Laft, und ruh' an diefer Stelle, 
Ich trug diefelbe Laſt, bier warf ich einſt fie ab, 


Berlangt nah Rube dich, willft du im Schatten fchlafen, 
Dein Lager ift bereit, bier ift es fill, fomm ber! 

Hier iſt das Felfenriff, und bier der ſichre Hafen, 

Bahr’ ein, dein Boot war lang genug gepeiticht vom Meer. 





Us 
Will dir im Herzen nicht ein leiſer Wunfch ſich regen, 
Fühlſt du gefeflelt nicht den Fuß an diefem Ort 
Der Ruhe, blinkt die nicht entgegen 
Dein Namen, börft du nicht der Mahnung leifes Wort? 


Ein Komödiant, der ſchlecht gelernt nur feine Rolle, 
Betritt der Menſch, bald kühn, bald unter Angſt und Leid, 
Im PBurpurmantel der, und. der im Hirtenkleid, 

Die Buhne, dab man ihm ein Stündchen Beifall zolle, 


D ftöre Todte nie in ihrer Grabesrub; 

Wie ich, zu ihrer Stadt mußt du auch niebergeben, 

Raſch eilt mit jedem Schritt der Menſch nem Grabe zu; 

Du weißt nit, welher Wind wird beinen Staub verwehen. 


Doch, web, dein Ohr ift taub, nicht einen Seufzer mweiht, 
Nicht ein Gebet mir dein verjtodtes Herz. O weine, 
Wein’ üher dich, dein Nichts, und deine Gitelfeit! 


Du gebft vorbei? — So geb! — Was liegt an biefem Steine? 
Was fieht dein trübes Aug’ im Grab zu diefer Zeit? — 
Sin Häufchen Ale, Staub, vermoderte Gebeine, 


Ein Nichts — ba, und die Ewigkeit! Io 


8. Huge't Hinwil. pardiiihe Wazie. N. 16 


F 


An Alfted de Vigny. 
Ein Feſtlied Nero’. 


Neselo quid molle atque faeetum, 
Horgt, 


Fünfzehnte Ode, 


Bommt, Freunde, fürzen wir die Zeit, die fhläfrig gleitet; 
Kommt all zum hoben Felt, das Nero euch bereitet, 
Cäſar, der Conful, der die Zügel Roma’s hält, 
Nero, der Mufengott, der, zu erhöhn die Feier, 

Zur fiebenfaitigen Leier 
Ein joniſch Lied euch fingt, Nero, der Herr der Welt. 


Kommt all auf meinen Auf, der euch zum Feſte ladet! 
Beim Freigelafinen habt, bei Ballas, ihr gebadet 
Euch fo in Wonne nicht, aud bei dem griech'ſchen Mahl 
Agenors niht, wo frei man ſich bewegt und cyniſch, 
Wo Murrlopf Seneca Yalerner libertiniſch 

Trank aus dem goldenen Pokal; 


Nicht auf der Tiber, wo Aglaja nadt, die Holbe, 

Mit uns auf ihrem Boot hinſchwamm im Abendgolde, 

Im orientalihen Zelt voll buntem Yarbentand; 

Joh, als beim Eaitenfpiel der Prätor der Bataven 
Ten Löwen binwarf zwanzig Stlaven 

Sn ſchweren Ketten, die mit Blumen man umwand. 








Nom folt ihr brennen fehn, ganz Bom, — und mit Behagen! 
Ich ließ auf diefen Thurm ſchon meine Boljter tragen, 
Um zuzufhaun, wie bin fich wälzt der Jlammenitrom, 
Was ift der Kampf von Menſch und Tiger? — AU zufammen 
Die fieben Hügel find Ein Circus, wo die Flammen, 

Die gier’'gen, kämpfen gegen Rom! 


Eo darf allein der Herr der Welt, der einfam Hobe, 

Die Zeit fi kürzen, die ſich träge dehnt, die Lohe 

Des Bliges ſchleudern muß manchmal der Götterfohn! — 

Doch kommt! Schon finkt die Nacht herab. Du, wilder Trade, 
Du Flammenungetbüm, erwahe! — 

Er hebt die Flügel, redt die rothe Zunge jchon. 


Seht ihr? Seht ihr?.. Schon kommt er ſchnaubend angeflogen, 

Stürzt fi auf feinen Raub, wälzt bin des Rauches Mogen, 

Die Mauer lost er lind, die niederjtärzen muß! 

Baläfte krümmen todt ſich unter feinem Schmeicheln. 

— Sa, könnt' ich morden auch, wen meine Hände ſtreicheln, 
Und wär’ ein Todesſskuß mein Kuß. 


Hört ihr das Kniſtern, ſeht den Rauch ihr mwirbelnd ftreifen, 
Seht ihr, wie Schatten, irr im Qualm die Menfchen ſchweifen? 
Dann plöglich todesſtill ift Alles, tiefe Ruh! 
Grzjäulen finten ein, und goldne Thore fallen 

Und Schmelzen, Feuerjtröme wallen 
Geſchmolzenen Metalls der Tiber zifchend zu, u 


Und Jaspis und Porphyr und Marmor, Prachtſtatüen 
Zerbrödeln fih zu Staub, die Götter jelbit verglühen, 
Wie ich’ befahl, nerzehrt die Flamme Thor und Thum, 


Sie wächst im raſchen Lauf, Nichts kann ihre Wäthen zuͤgeln, 
Ein Iuft’ger Norbwind peiticht fie fort mit Yurienflügeln, 
Ein zornig wilder Feuerfturm. 


Sa, Capitol, fahr’ bin! — Ein Bild des Höllenmytbhus 

Scheint Sulla’3 Aquadult, — die Brüde des Cocytus. 

Nero gebeut und all die Pracht der Kuppeln bridt. 

Ganz Rom in Flammen! Ha, wie fie die Stadt umranten! 
— Beltlönigin, du folft’3 ihm danken, 

Daß fol ein Diadem er um die Stimm dir flicht. 


Wohl hört’ ale Kind ich oft: die Bücher der Sibylle 
Verheißen dir, o Rom, endlojer Jahre Fülle, 
Der Siebenhügelitadt ſei Sklavin felbft die Zeit, 


Am Aufgehn erſt noch ſei ibr Stern... Wie viele Stunden 


Num, meint ibr, Freunde, jagt es felbft, wie viel Sekunden 
u dauern ihre Emigteit? 








Br Stolze Luft, den Blid an dieſer Brunft zu weiden 

a Shwarger Nacht! Mich muß ſelbſt Heroftrat beneiden! 

Cäfar ij froh, Wenn auch das Volt die Hände ringt! 

Sie fliehn! Umfonit ihr Flehn, daß fie die Glut verſchone. 
Nebmt mir Dom Haupt die Blumentrone: 

Sie würde wellen nur am Brand, der Rom verfchlingt. 


Sprist Blut an euer Kleid, bag feftlih weiße, reine, 
Spült, Freunde, weg ven Fled mit goldnem Ereter-Weine, 
Des Blutes freut fi nur der Schlechtel Freunde, ſchwingt 
Euch auf, das graufe Spiel, weiht's durch erhabne Freuden! 
Wer wird am Todesſchrei ſich feiner Opfer weiden? 
Nein, übertönt ihn, Freunde, fingt! 


Ich ſtrafe diefes Rom, ih räche mich! — Sie ftreuen 

Heut Weihrauh Jupiter'n, und morgen jenem neuen, 

Armſel'gen Ehriftengott! Sein Rame fei verfludt! 

Kniet zitternd nun vor mir, und weiht mir Opfergaben ! 
Auch ich will meinen Tempel haben, 

Da unerfättli Rom ſtets neue Götter fucht. 


Berwüftet hab’ ih Rom, — und fhöner bau’ ich's wieder! — 

Dod reißen foll’3 das Kreuz in feinem Fall mit nieder ! 

Eilt, mordet, rottet aus die Chriſten! Caͤfar ruft! 

Dein Unheil, Rom, find fiel Laßt alle Stürme tofen, 

Rächt eu, vernichtet fiel — — ... Geh, Sklave, bring mir 
Rofen! 


Suüß ift der Roſen zarter Duft. 
Mär, , 1825. 


Der Schmetterling. 


Ein Nichts ergätt ihn, ben neugierig flatterhaften;, 

Und was fein Auge reizt, bem fliegt gefchwinb er zw, 

Und länger haftet nie auf Blumen er mit Rub, 

Al Zephyr, als die Bien’ im rafchen Honignippen, 

Ind als ein Ruß, ber brennt auf rofenrothen Tippen. 
Andre Cboͤnier. 


main 


Sechzehnte Ode. 


Wllenn froh der Falter, guter Dinge 
Si in der Frühlingsluft ergögt, 
Wird oft dem armen Schmetterlinge 
Sein fhmudes Kleid, die bunte Schwinge 
Am grünen Dornbufch arg zerfegt. 
So , fohweifend über Thal und Hügel, 
Wird dir, o Jugend, die der Sporn 
Des Bluts dahinjagt ohne Zügel, 
Berriffen oft des Geiſtes Flügel 
An ſchnoͤder Luft verborgnem Dorn, 

Mai, 1827. 


247 


Au meinen Fteund S. 3. 


Perseverando,. 
Devife der Ducie. 


— — 


Siebzehnte Ode. 


Der Genius iſt ein Aar! — Der Vogel iſt's der Stürme, 
Der im Gebirg ſich fucht die höchften Felſenthürme, 
Und defien Schwinge früh dem Tag entgegenraufht, 
Der feine Fänge nie beſchmutzt in trüber Pfütze, 
Und deſſen Auge bell erglübend kühne Bike 
Beſtaͤndig mit der Sonne tauſcht. 


Sein Neft ift niht von Moos, der Kühne Tiebt zu borften 

Auf Felien, die vom Blig zerfchellt, entzwei geborften; 

An fteiler Bergwand, wo kein Menjchenaug’ es ſucht, 

Weiß in dem Spalt fein Haus der Adler feitzufleben, 

Und laßt es zwifchen zwei Abgründen luftig ſchweben, 
Dem Himmel und der finitern Schlucht. 


Nicht kriechendes Gewlrm, nidyt Bienen , goldbeftrente, 
Richt grüne, fchillernde Libellen find die Beute, 
Auf die fi feine Brut mit offnem Schnabel freut ; 
Der Vogel i’s der Nacht, Eidechſen ſind's und Schlangen, 
Die mit den fcharfen Klaun er padt und die gefangen 

Er feinen ftrupp’gen Jungen beut, - 

BE Peer u | 


8 


Du königlihe Burg, du Horft, von weißen Wogen 

Umftürmt, wenn die Lawin' ihn überfpringt im Bogen! 

Dort feine Kinder nährt der Genius liebevoll, 

Das Feuerauge dreht er ihnen zu der Sonne, 

Und unterm Fittich wärmt die Jugend er mit Wonne, 
Die einft beſchwingt aud fliegen fol. 


Und du erftaunft, mein Freund, wenn über'm Haupt bir ſchweben 
Gewitterwolten, die bedrohn dein junges Leben, 
Wenn fehnöde Schlangenbrut fih bäumt in deinem Neft? 
Es ift dein erftes Spiel; damit die Kraft gejunde 
Dem jungen Adler, bringt ihm Stürme jede Stunde, 
Ein heißer Kampf ift jedes Felt. 


Laß deine Flammen fprühn! Und kommt ein Sturm geflogen, 
In Schwarzer Wolle Taf erglühn ven Regenbogen, 
Erwache, hoher Seift, volibringe deinen Lauf, 
Komm, laß ald Brüder ung die Hände feſt verſchlingen! 
Die Laute nimm, Poet! Aar, breite deine Schwingen ! 
Geh’ auf, du jhöner Stern, geb’ auf! 


Der Morgennebel, Freund, wird bald zur Erde thauen, 

Schwing' auf did, junger Aar, mit Bligen in den Klauen, 

Erftürm’, o Dichter, kühn des Ruhmes fteilfte Höhn. 

Ein großer Name wird durch Kämpfe nur errungen, 

Der ftolzen Fahne gleicht er, in der Schlacht geſchwungen: 
Berrifien ift fie doppelt Schön! 


Das ftolge Meteor, fieh den Kometen flammen, 
Und wachſen: — Welten rafft im Fliegen er zuſammen. 
So, junger Riefe, haft du nie des Ruhms genug, 
So zieht dein Feuergeift‘, durchbrechend alle Schranfen, 
In feine ſtolze Bahn Lichtwelten von Gedanten, 

Fliegt immer zu und wächst im Flug. 
Deyembes, 1837. 








Acheneh. 


Domini enim sunt cardines terzae ot 
posuit super e0s orbem. 
Cant. Annae. ]. 
Jehovah IR ber Herr der beiten Bote, 
und auf Ihnen läßt er bie Weit ſich drehn. 
Joseph de Maistre, 
Soiréen von Gt. Retertdurg. 


—— — 


Achtzehnte Ode. 


Dem Herrn allein ſei Ehr’I Ihn preiſen feine Werte! 
Er hält die Ewigkeit hoch über'm Erdentraum, 

Er trägt in feiner Hand das AU, der Gott der Stärke, 
Und unermeßlic dehnt er aus des Himmels Raum. 


Dem Chaos rief er zu fen bonmergleiches: „Werbe!” 

Er ſchuf mit Einem Wort den Himmel und die Erde! 

Die Bölter alle zahlt ein Engel dienſtbereit, 

Wenn die Geſchlechter Er, dem Raum und Zeit verſchwinden, 
Laͤßt jedes fein Jahrhundert finden, 

Und zumißt jedem der Geſchlechter feine Zeit. 


Nichts kann ihm in den Weg, dem Allgewalt'gen, treten, 
Seis, daß fein Odem durch den weiten Himmelsraum 
Hinjagt, wie ein Orkan, ven flammenden Kometen, 
Dab.rine alte Sonn’ erlbſcht am Weltenſaum; 


— nn — — — — 





2350 


Sei's, daß er unterm Meer Bullane läßt ſich heben, 
Wie Wellen, beugt die Stirn des Bergs, der trogig ragt, 
Seis, daß der Hölle Schlund er zittern macht und beben, 
Und in ein Feuermeer die [hwarzen Schaaren jagt. 


Die Schöpfung lebt und webt allein durch den Gedanken 

Des Herrn, und Alles regt ſich inner feiner Schranten. 

Dein Aug’, o Herr, iſt's, das die Winternacht erbellt, 

Die Wittwe ſchirmſt Tu, die der Zöllner aus will pfänden, 

Und im Borbeigehn jchaffit Du an den fernften Enden 
Des Himmels eine neue Welt. 


Der Menſch ift ohne Dich ein Nichts, des Unglüds Beute, 
Der mit dem Tod um ihn ſich zankt, er kann nit fliehn, 
Gabſt Du ihm geftern Luft, gibft Du ihm Trauer heute, 
Und von der Wiege bis zum Grab bewadıit Du ihn, 


Dein Name, deflen Preis die Ausermäblten fingen, 
Halt wieder durd die Welt, erlöst durch Deinen Sohn, 
Und wenn zur Hölle tief des Himmels Töne dringen, 
Dann ihrem König flucht fie auf dem ſchwarzen Thron. 


Ja, Engel, Heilige, und alle Sternenheere, 

Die ſel'gen Seelen all verlünden Deine Chre, 

D Herr, und mächtig hallt der Chöre Harmonie. 

Du gönnit dem Sterbliden, dem armen, gern bie Gnade, 
Daß Nachts auf feinem Wüftenpfade 

Er in die ewge mengt die ird'ſche Melodie. 


Dem Herrn allein ſei Ehr’! Ihn preifen feine Werte! 

Er bält die Ewigkeit hoch über'm Erdentraum, 

Er trägt in feiner Hand das AU, der Gott der Stärke, 
Und unermeplid dehnt er aud des Himmels Raum, 
u Daraber, 1822, 





fänftes Bud. 


1819 — 1828. 


Prend-moy tel que je suy 
Deviſe der Ein. 


Erſter Zeuſzer. 


Mich traf ein Blick, — mir ſchien es, dab er ſich vermähle 
Mit meinem Blick, ich ſah in ein verwandtet Herz. 
Die Serle, Schwefter meiner Seele, 
Sie liebt' ich und mit ihr, ach, trug ih Grom und Schmerz. 
Emil Deschamps. 


— — 


Erſte Ode. 


Sei gluclich, fühe Freundin, fäume 

Den Lenz zu koften nicht, er blüht fo ſchoͤn Dir auf. 

Laß auf dem Strom der Zeit Dich wiegen, ſchlafe, träume, 
Und laß den Wellen ihren Lauf. 


Dir lacht der Himmel, nennt die Seine 

Dich gnädig. Nein, er kann nicht wollen, daß, — erblaßt 
. Dein heitres Morgenroth, ein trüber Tag erjcheine, 

Er muß mid hören, wenn für Dich ich bet’ und weine, 
Um unſre Zulunft laß nur mir der Sorge Lait, 


Bald wirft Du mir vielleicht entrifien, 
Ah, morgen fon vielleicht Dir ferne ſiech' ich hin. 
Schwarz ift mein Schichſal jhon, bevedt mit Finfternifien, 
Dich lieben muß ich und Did fliehn | 


Und dann — warum doch muß fo bittre Zurcht mich kränken? — 
Ad, in der Ferne tritt mein Bild Dir wohl zurüd, 


254 


Ein andres wird Dir Wonne ſchenken, 
Bergefien wirft Du mid im Slüd, — 
Sm Grab noch werd’ ih Dein gedenken. 


Ich fterbe, ja! Schon trägt mein Lieb das Trauerfleid! 

ung, doch nicht unbelannt, werd’ ich zu Grabe geben, 

Und furdtlos: — ing Gefiht hab’ ih dem Ruhm gefehen, 
Ich ſah' aud ing Geſicht dem Leid. 

Dem Todtenreihe nah find des Elyſiums Matten, 

Und beide, Ruhm und Tod, find Schemen nur und Schatten 
Im Feſtkleid oder Trauerkleid. 


Sei glücklich, ſüße Freundin, ſäume 
Den Lenz zu koſten nicht, er blüht fo ſchon Dir auf. 
Laß auf dem Strom der Zeit Di wiegen, fchlafe, träume, 


Und laß den Wellen ihren Lauf. December. 1810 
ecember, ° 


.- — .- 


Scherz. 


Zuweilen wohl geichteht'8, — nur um zu zeigen, 
Daß wir zum Gtäd denn doch neboren find, — 
Daß ſich bienieden noch zwei Seelen finden, 
Zwei Weſen, Eine nur im Andern lebend, 
Durchzuckt von Einer Blut, ein Doppelſtrahl, 
Zwei Flammen, Kinder Einer beil’gen Sonne, 
Ein Leben, burg das reinſte Baub vermäßlt, 
Zwet Engelsfchwingen, die zufammen rauſchen, 
Zwillinge, jenem Bruderpaare gleich, 
Das in ber Nacht vereint am Himmel leuchtet. 
Und bat ber Menſch ihr Liebeaband zerriffen, 
Dann ſeht ihr Dede ploͤtzlich auf ſich raffen, 
Dur alle Schranfen brechen, ſreuz und quer, 
Die Welt bucchliegen und die Schweſter ſuchen. 
Alfred de Wigny, Helena. 


Zweite Ode. 


Sa, durch mein Leben flog das Glück nur wie ein Schatten, 

Man jagt ibm nad) und fhläft in feinen Armen ein. 

Dann, wie die Jungfrau einft, geraubt auf Creta's Matten, 
Sieht man erwachend fi allein. 

In ferner Zulunft forfht man nad dem falfchen Glüde, 

Man ruft: „O lomm, mein Glüd, Oefährtin, komm zurück!“ 

Da naht die füge Luft, doch füllt fie nicht die Lüde, 
„Verloren!“ ſpricht der nafle Blid. 


Wenn ſchnoͤde Luft mich lodt, dann ruf’ ich: „Flieh' und quäle 
Mid länger nicht! Den Schmerz der Sehnſucht ließ das Gluͤck 
Das treulo von mir ſchied, zurüd in meiner Seele, 

Doch du läßt Reue nur zurädl“ 


dern fei es, Freunde, daß ich eure frohe Feier 

Je ftörel Schweigend trag’ ich, mas mein Herz verlegt. 

Ich läcle, wenn ihr lacht, und berge meine. Leier, 
Wenn eine Thräne fie benekt. 


Ein Jeder drängt von euch mit Lähelnden Geberven 

Burüd vielleicht den Schmerz, der faft ihn töbten will, 

Wir alle insgeſammt, wir leiden ac, auf Erben, 
Und leiden alle ftumm und ftill, 

Du baft ein Täubchen treu und zärtlih Dir ergeben, 

D Jungfrau, eine Blum’ entzüdt Dich, friſch erblüht. 

Mas frommt e3 Dir? — Es weltt die Blume wie das Leben, 
Der Vogel, — wie dag Glüd, — entflieht! 


Man ſchämt der Thränen ſich, erröthet über Klagen, 
Und drängt Grinnerung zuräf und füßen Schmerz: — 
Als wären wir, die wir die ird'ſchen Ketten tragen, 
Geboren nur zu Luft und Scherz. 


Des Glüdes Hau wird mir die Stirne nicht mehr fächeln! 
Vorbei der kurze Tag, wo mir die Sonne ſchien, 
Die Ihöne Zeit, ach, wie ein unterbrochnes Lächeln, 


Sit fie verweht, dahin, dahin ! 
Sehzuar, 1821. 





An das Cherizy -Chal. 


Factus sum peregrinus.... et quaesivi qui simul 
eontristaretur,, et non fuit. Ps. LXIX. 

Perfice gressus meos semitis tuis. Ps. XVI. 

Ich bin fremd worden meinen Brüdern.... I warte, 
06'3 Jemand jammerte, aber ba if Niemand, und auf 
Tröfer, aber ich finde keine. 

Erhalte meinen Gang auf Deinen Fußſteigen. 





Dritte Ode. 


© ſchönes Thal, bier rubt an grüner, jchatt’ger Stelle 

Der Bandrer, Vögeln fiebt er traurig zu und lauft, - 

Sie fliehn einander ſcheu,... die Natter kriecht zur Quelle, 
Horch, wie das Schilſ im Winde raufcht! 


Vor'm Menſchen flieht der Menſch; und edle Herzen feben 

Bir oft, auf die ein Web’ in früber Jugend drückt. 

Wohl dann dem ſchwachen Rohr, das im Vorüberwehen 
Ein Sturm in feiner Blüthe nidt! 


O träfe diefer Sturm mich unter diefen Eichen I 
Mud ift der Wandrer ſchon, kaum hofft er zu erreichen 
Das Biel der Dual, die er erfuhr. 
Bor feinemSchritten fiebt er öde die Natur 
Beim trüben Morgenroth, nur düftre Unglüdszeidhen, 
"Der Buhunft große Wüite nur. 
B. Huge'i Hümmtl. portifhe Werke. I.  . 17 


Web, Unmuth und Berbruß vergällen ihm das Leben; 

An faljche Büter wirft er niemals weg fein Streben, 

Gr fucht ein treues Herz, das fer fi ihm vereint: — 

Umfonft! In feiner Noth zeigt ſich lein Rettungsnachen. 

Und ift er froh, mit ihm wird feine Seele lachen, 
No mit ihm weinen, wenn er weint, 


Sein Loos ift Einfamleit! Sein Leben trüb, verbittert, 

Gleicht dem Cypreſſenbaum, der bier im Thale zittert, 

Die keuſche Lilie fieht er fern von ſich erblühn, 

Die junge Rebe will mit feinen büftern Schatten 
Nicht ihre heitern Ranken gatten, 

Noch mit Gewinden ihn umfchlingen feftlich grün. 


Der Wand’rer, eh’ den Berg die Füße 
Hinauf ihn tragen, flieht in dieſes Thal und ruht; 
Wie wohl die Stille hier der kranken Seele thut! 
Im Schwarm ift er allein; die Einfamleit, die fühe, 
Sie nimmt ihn traut in ihre Hut. 


Hr, einfam, — ftiller nur, — wie er, ihr dunleln Schatten, 


Ihr Baum’ am Rande grüner Matten, 
Dem Blid der Menjhen fern bergt ihn im dichten Laub. 
Fr Bäche, laßt den Fuß in eurem fühlen Bette 
Ihn waſchen, ven befledt der elle Schmug der Stäbte 
Und ihrer Straßen wüfter Staub. 


D laßt ihn fingen bier, wo grüne Gipfel ragen, 
Bon jenem hoben Bild, dem Troft in trüben Tagen, 
Der Jungfrau, hold und rein, mit läcdhelnd ſüßem Mund ! 


Und bleibt's ein fhöner Wunſch, daß fie fih ihm wermäßle 


Auf Erden bier, fo laßt doch träumen feine Seele 
Bon einem ew’gen Liebesbund. 


Am irdiſchen Staube bleibt fein Geiſt nicht ſtlaviſch Heben, 
Er hofft getroft, und denkt der alten Schmerzen Tann. 
Zwei Schatten ſind's fortan, die lenken all fein Leben, 
Ein Bild vergangner Zeit, ver; Zukunft liter Traum. 


"Bann fommft Du, Süße, warn wirft Du ans Herz ihm finten, 

Dem Freunde, defien Lied von Dir nur fingt und fagt, 
Bann wirft Du, holder Stern, ihm blinken, 

Du neue Sonne, die in finftrer Nacht ihm tagt? 


Nie um den hoben Preis der Tugend wird er kaufen, 
Was 'er:erfirebt, ihr, bleibt er treu und firauchelt nicht! 
Sid krummen mag das Schilf, um nicht Gefahr zu laufen, 
Er ift die Eiche, die die Stürme wild zerraufen, 
Sich biegen wird fie nie, fie bricht! 


Er fieht ven Sturm fih nahn, er fießt ihn ohne. Sagen: 
Lebt wohl, ihr Wellen, Baum und Straud, 

Du ſchoͤnes, grünes Thal, du Echo meiner Klagen, 
Heilfräftig jüßer Waldeshauch! 


Wohl dem, der glücklich lebt am väterlihen Herde 
In diefem ftillen Thal und ftirbt auf heim'ſcher Flur! 
Nichts weiß er von der Qual der Erbe, 


Sein Auge fieht den Himmel_nur, | 
Juli, 1821. 


Au Bid, 


Sub umbra alarum tuarum protege me. 
Ps. XVI. 
Beſchirme mich unter dem Schatten Deiner Flügel. 





Vierte Ode. 


Way’ auf, mein Sattenfpiel, der ftummen Nächt entfage. 
Er kommt, dem unfer Herz entzüdt entgegenflänt, 

Der Tag, der Ihönfte aller Tage, - ,/ 

Der ihren fühen Namen trägt. ' 


D Jungfrau, Schon dem Kind bat Did in Schönheit blühend 
Und rein ein Gott gezeigt, Dich durft’ im Traum ich fehn; 
Wie einen weißen Stern, durch Wolkenſchleier glühend, 

Sah frühe ſchon ih Dich an meinem Himmel ftehn. 


„Du, meine Hoffnung!” — wagt’ ih damals Dir zu jagen: 
„D theil’ ein Glüd mit mir, das nie vergeht, mein Licht!“ 
Denn die Vergangenheit, in jenen kind'ſchen Tagen, 
Berbuntelt hatte fie die Zutunft mir noch nidt, 


Der fühen Flammenglut war ganz mein Herz ergeben, 

Web’ um die fhöne Zeit, die, ach, fo raſch verfliegt, 
Wo eines Kindes Gluck mein Leben 

Noch war, das fpielend fi in Licbestränmen wiegt. 


261 


Bor feinem Opfer hat das Schichal fi erhoben, 

Und wedt den Träumer, der an Unglüäd nie gedacht, 

Tritt ihm vor's Auge, das der Hoffnung Strahl ummoben, 
In ſchrecklicher Geftalt und grinst ihn an und lacht, 


Wenn der Unglüdliche des Lebens Kelch foll leeren, 
Der bittern Wermuth ab, und Galle nur enthält, — 
Was, ohne ver Geliebten Zähren, 
Bleibt ibm noch übrig in der Welt? 


Wenn Blumen um bie Stirn fi winden frobe Gäſte, 
In Sad und Aſche muß er fliehn, betrübt und bleich: 
Der Freudenbecher feiner Feſte 
Sieht einer Todtenurne gleich. 


Wie ein erlojchnes Licht, umnachtet iſt ſein Leben, 
Den Leidenden verjtößt die Welt, er ift im Bann; 
Allein zum Himmel bebt fein Aug’ er ohne Beben, 
Das Auge thränenichwer,, das doc nicht weinen kann, 


Doch Du, o Aungfrau, komm', erhöre meine Bitten, 
Den Giftpfeil zieh’ mir aus, und lindre meine Bein; 
D teöfte, — liebe mi! Genug hab’ ich gelitten, 

Sei Du mein eiden, lab mid ganz Dein eigen fein ! 


Mir holder Sonnenſchein fei Deines Laͤchelns Schimmer; 
Die Liebe nur beglüdt! Noch bin ich nicht verzagt, 

D Tomm, entriffen ift das Licht mir nicht für immer, 
Naht iſt's um mich, doch ſeh' ich ſchon, wie hell e8 tagt. 


2623 


Ich finge nit um Ruhm, er wird mich nie bethören, 

Und wird mir diefe Laft, — o fehrede nicht zurüd: 

Nie wird des Gatten Ruhm, — deß fei verfihert! — flören 
Der Gatten ftilles Liebesglüdi 


D laß uns felig fein am bäuglich ftillen Herde, 
Vor aller Welt verftedt find wir uns felbit genug ! 
Die Schlange, kriechend an der Erbe, 
Schredt nicht zwei Vögel, die zum Himmel trägt ihr Flug. 


Doch wenn mein Lebenslenz, der ftürmifhe, Du zarte 
Jungfrau, Dir Scheint bedroht von Schreden und Gefahr, 
Dann fliehe, Theure, bie mir .Gattin war! — Erwarte 

Du mid, die meine Mutter war! 


Bald werd’ ich fchlafen, fern dem eitlen Prunk der Ehre, 
Zufrieden, glüdlih in der Nacht, die mich umfchlingt, 
Wenn auf mein einfam Grab fällt eines Wandres Zähre, 
Dem mein verichollnes Lied noch fpät im Obre Klingt. 


Doh Du, — nie mögen Dich bedrohn ummölkte Tage, 
Und denke feufzend nie und nie mit ftiller Reu' 
An den, der ruhig iſt geftorben ohne Klage, 
Und Dich geliebt fo heiß, fo treu I 
“ December, 1821. 


Die Sledermans. 


Web willſt du von wirt — Ein Gugel ſchwebte Aber 
meinem Herzen und du haſt ihn verfheucdht... So komm 
benn, ich will dir Lieder Äingen, bie ich den Geiſtern ber 
Briebhäfe abgelauidt. Matfurin, Bertram. 





Fünfte Ode. 


Ja, ich extenne dich, ich ſah dic oft im Zraume, 
Trübfeliges Geſchoͤpfl Du kreis ſt im dunleln Raume 
Bergeblih über mir! Bon drohendem Gericht 
Gieb Andern Kunde, die ind Ohr dir Geiſter flüftern. 

Mich kann dein Schwirren nicht verbüjtern: 
Denn ſchuldig bin ich nicht, und glüdli bin ich nicht. 


So warte doc, bis einft die Jungfrau, die zu finden 

Der Himmel mir vergönnt, fi wird mit mir verbinden, 

Und bis mein hoͤchſter Wunſch gekrönt wird am Altar, - 

Dann kehre wieder, um das hohe Feſt zu ftören, 

Und ſchwinge ſchadenfroh gleih ſchwarzen Trauerflören 
Mir über'm Haupt dein Flügelpaar, 


Der Eule Schwefter und des Käuzchens, dir vertrauen 
Des Satans Töchter, wenn fie Zaubertränte brauen , 
Nachtblumen weihn fie dir, damit du fie nicht ſchredſt, 


264 


Bleib ferne dem Afyl, wo einfam till ich walle, 
Nie foll mein Saitenfpiel berühren deine Kralle, 
Damit du Todte mir nicht wedit. 


Wenn Geifter tanzen Nachts , im Sumpf Irrlichter funteln , 
Dann um den Teufelschor kreisft ſchwirrend du im Dunteln, 
Greif zu, ſchon ift dir dort der blutge Tiſch gededt. 
Fort, fort aus dieſer Luft, erfüllt mit Blunenpüften, 

Du kannſt nur athmen unter Grüften, 
Sm eteln Moberbunft, der einft dich ausgehedt. 


Wer ſendet di zu mir? Kommit du von jenen Trümmern 
Der alten Burg, die weiß im Licht des Mondes Simmern? — 
So düfter wandelt er, wie du, auf öber Bahn, 

‚ Hat meiner Lampe Glanz geſchienen 
Ins Auge dir, ala fern du faßit in den Ruinen? — 
So lodt wohl aud der Ruhm dad Mibgefhid heran, 


Kommt du aus jenem Thurm, den Beifter wild durchſauſen ? 
Bift du ein Gnom, ein Zwerg, wie im Gebirg fie haufen, 
Das Flaͤmmchen, das im Moor geglüht auf irrer Flucht, 
Der Kobold in der Luft, der lacht und zaust die Locken 

Der Bäume, ftreift am Hand des Abgrunds, und, wie Broden, 
Nachts bin die Wandrer wirft den Geiern in der Schlucht. 


Was flatterfi du um mich, verbreitet Grabespüfte, 

Und Menſchenaſche ftreuft und Staub du in die Lüfte? — 

Mid jchredt dein Anblid nicht, der Edel nur gebiert. 

Flieh, daß id morgen nit zur Schau vor allen Leuten 
Ausſtelle deinen Leib mit fchlappen Flügelhäuten, 

Womit den fhwarzen Herd der Hirt und Bauer ziert | 


Dein räuberifher Zahn wird Spaß ven Kindern machen, 
Neugierig, ſchuchtern wird ein Mädchen nahn, und laden, 
Und neden dich, — wie oft halt du ihr Angſt gemadıt? 
Am bellen Tage blind verftoßen wirft vom Himmel 
Du, ſchweren Fluges, im Gewimmel 
Der Bögel, deinen Weg bu fuchhen beim zur Nacht. 
April, 1822. 


— — — — 


H 


Die Wolke, 


cher Thäler und Höhn, 

Durs Flammen und Gern 

Süyf ich, ſchlapf id Aberall, 

Schneller, als ded Mondes Ball. 
Sbakeſpeare. 


— — — 


Sechste Ode. 


Jungfrau, dem Menſchen gleicht die ſchoͤne Wolle ganz! 
Bald über unſerm Haupt wirft Du fie arollen hören, 

Im Reich der Strahlen wird fie ih zum Sturm empören, 
Der Sonne zahlt fie beim in Bligen ihren Glanz. 


Trüg’ eines Engels Hauch fie ſchwimmend doch im Lichte 

Noch lang dahin, fo Schön, wie fie ſich Dir gezeigt! 

Des Himmels Wolle wird, wenn fie berab ſich neigt, 
Auf Erden bier zur Nebelfchichte. 


Früh fteigt fie auf, damit den Abend fie verſchoͤnt. 

Die Sonne wandelt dann in einen wunderbaren, 
Durdleuchht'gen Hof ih um der Wollen neid'ſche Schaaren: — 
Der Genius erfcheint erft groß, vom Neid gekrönt, 


Heut Sturm, und morgen wird ein Wetter Funken ſprühen. 
Biel ſchoͤne Tage zählt die Seele nicht; allein 
Der Liebe Sonne läßt im Haren goldnen Schein 

Des Lebens irre Wolle gluhen. 


Die Iöne Wolle, gleicht fie nicht dem Menſchen ganz ? 
Bald über Deinem Haupt wirft Du fie grollen hören, 
Im Reich der Strahlen wird fie fih zum Sturm empoͤren, 
Der Sonne zahlt fie heim in Bligen ihren Glanz. 

April, 1822. 


Der Alp. 


DH, einen Traum hab' ich gebabt!... Kein Menſch 

Bermag zu fagen, wie ber Traum geweien. 

Kein Menihenauge bat ed je geſehn, 

Bernommen hat's noch nie ein Menſchenohr, 

Sriafien kann es keines Menſchen Hand, 

Kein Sinn begreift'd, und keine Sprache brädt'’s 

In Worten aus, wie biefee Traum geweien. 
Sbakeſpeare. 


— — — 


Siebente Ode. 


Vernimm! Der Unhold bat, zuſchnurend Bruft und Kehle, 
Mich dieſe Nacht geplagt, und tief mein Haupt gebeugt. 
Wie Blei lag ſeine Hand mir auf der müden Seele, 
Er bielt, ein weltes Blatt, fie bin in büftrer Höhle 

Den Geiſtern, die die Nacht erzeugt. 


In jedes Element hüllt fih das Ungeheuer, 

Seht hebt aus blauem Meer fein Haupt fih in die Höh', 

Hohnlachend tritt er dann hervor aus rothem Feuer, 

Sein Flügel fprübt, fein Aug’ umbüllt ein Funkenſchleier, 
Er fliegt auf einem Flammenſee. 


Im Grau'n der Nacht erfcheint, um teufliich mich zu neden, 

AS wär's ein Spiegel, rings verzehnfacht jein Geficht, 

Und um die Frage wehn verſchwommne Nebelveden, 

Um's Haupt dem Scläfer läßt er fpielen wilde Schreden, 
Und matt erliiht der Seele Licht, 


O Jungfrau, du wirft nie im Schlaf mit Schemen ringen, 
Sanft fließt die Nacht dir bin, wenn leis ihr Kuß dich traf. 
Nie werden dir ins Herz die böfen Träume bringen, - 
Und fliegt zum Himmel auf dein Geift auf Traumesſchwingen 
Bewacht ein Engel Beinen Schlaf. 
April, 1822. 


Ber Morgen. 


Moriturus moriturae, 


— 


Achte Ode. 


Sieh auf den Bergen fih Aurora’ Stirn entſchleiern, 
Sieh, wie in weißem Glanz der alte Thurm erglüht, 
Wie Ton und Strahl, — wie Ruhm und Luft, — zufammen: 
Iprübt, 
Wie, die Geburt des Tags zu feiern, 
Dem erften Lichtftrahl Klingt der Wälder erſtes Lied, 


Ja, freue dich ob all den prächt'gen Wunberbingen! — 
Dod wirft du, wenn das Grab mid morgen wird verfchlingen, 
Die Sonne leuchten fehn, und Mingen wird die Luft, 
Wie heut, der Vögel Ehor wird fröhlich wieder fingen 
Am Morgen über meiner Gruft. 


Ins ferne Jenſeits wird die Seele felig ſchweben, 
Sm Himmelslicht verflärt, zum Engel eingeweiht! 
Im Morgenroth der Ewigkeit 
Erwacht fie dann aus biefem Leben, 
Wie aus dem fehweren Traum der Nacht zur Morgenzeit. 
; Upril, 1822. 


. Heine Kindheit. 


Siche, dad IR Alles vergangen... meine Riubheit if 
nit mehr, fie iR To zu ſagen geſtorben, wenn ich auch 
ned) lebe. Unguttinud, Belenntnifie. 


———n 


Neunte Ode. 


L 


Als Kind ſchon träumt ic oft von kriegeriſcher Ehre; 
Ich wäre jetzt Soldat, wenn ich nicht Dichter wäre, 
Stets ſchloß ich in mein Herz die Krieger liebend ein, , 
Dft ſchien auf ihrem Grab, floß ihnen meine Bäbre, 
Mir die Eyprefie mehr als Lorbeer wertb zu fein. 


Auf einer Trommel bat mein Wiegentorb gelegen, 

Aus einem Helm empfing ich einft der Taufe Segen. 

Ein Krieger hat in mir den Kriegergeift gewedt, 

Mit einem Banner, arg zerfegt im Kugelregen, 
Hat meine Wieg’ er zugededt. 


Bo Waffen bligen, wo ſich Zagerzelte dehnen, 

Die Wagen Staub ummwogt, da zog mi bin mein Sehnen, 
Und auf Lafetten ſchlief ih manchmal Nächte lang. 

Den Rofien war ich hold mit fliegend ſtolzen Mähnen, 
Dem blanten Bügel und dem hellen Sporenklang. 


272 
Die Feſtungsthürme liebt' ih body auf fteilen Bahnen, 
Der Führer blankes Schwert, die ihre Truppen mahnen, 
Vorpoſten, einfam, fern, zerftreut am Waldſaum bin, 
Der alten Krieger Schaar, die mit zerrifinen Fahnen 
Sin die erftürmten Städte ziehn. 


Ich ſah mit neid'ſchem Aug’ auf flühtige Hufaren, 

Im goldgeftidten Wams ſah ich dahin fie fahren, 

Sah die Uhlanen mit dem Helmbuſch, glänzend hell, 
Dragoner, deren Helm ein Buſch von ſchwarzen Haaren 
Und reihe Zierde Shmüdt vom bunten Zigerfell. 


„Ha,“ rief ih, „muß ich fo ruhmlos im Dunkel grollen, 
Soll ih mein junges Blut, feit Hebend an den Schollen, 
Hier fehn verglühn, und dort winkt Ruhm mir oder Tod! — 
Ha, über blanfes Erz wie prächtig wird es rollen, 

Das heiße Blut fo purpurroth!“ 


Krieg wollt’ ic jehn, den Krieg mit feinen wilden Schreden, 
Wie auf der Ebne, die noch Morgennebel deden, 

Der Rofie Wiebern und der Männer Ruf erihallt, 

Zwei Pager mit Geſchrei zugleich die Flügel reden, 

Wie donnernd ungeftüm ein Heer aufd andre prallt. 


Und Trommelwirbel hört’ ih, rollende Geſchuͤtze, 
Der Wagen Schniettern, Dampf und Raud) und grelle Blige, 
Sah die Schwahronen jäb ſich ftoßen, rafend wild 
Aufflammen, und empört von grimmer Kampfeshige 

Mit Leihen deden das Geſild. 


Mit unfern Heeren, die fiolz durch Europa zogen, 
Hab’ ih, ein Heines Kind, die Länder all durchflogen. 
Wenn er berevten Munds oft, ohne Raſt und Ruh’, 
Erzählte, was fo jung er fchon erlebt, gewogen 

Dem Knaben börten gern die alten Männer zu. 


Hehn Völker ſah' und mehr ih ſchon im Knabenkleide, 
Sie ftaunten bang ung an, man that mir Nichts zu Leibe, --- 
Als könnt’ ich, wehrlos felbjt, wohl ihnen Schuß verleihn. 
Und ſprach von Frankreich ich mit ftolzer Siegerfreube, 

Dann fahn die Fremden ängftlich drein. 


Die Inſel ſah ih, reih an Trümmer und Ruinen, 

Auf welber jpäter Er nad feinem Sturz erfhienen, 

Ich fah den Mont-Eenis, den Aar auf hoher Fluh, 
Bon feinem Gipfel hört’ ih donnern vie Lawinen, 

Sein altes Gletjchereis Fracht’ unter'm Kinderſchuh. 


Zur Erich, zum Arno kam ih von dem Strand ber Rhone 

Des Weiten? Babylon, mit der zerbrochnen Krone, ' 

Rom fah ich, lebend noch jelbit in des Grabes Bann, 

Die Königin der Welt auf einem Trümmerthrone, J 
Mit Purpurfetzen angethan. . 


tu 
Ich ſah Turin, Florenz, die ewig heitre, ſchöne, 5. 
Neapels Golf, ein Meer der hellſten Farbentöne, * 


Und drüber den Veſuv, den Flammenbaldachin: — 

So in die Blumen wirſt, daß er das Feſt verhoͤhne, 

Des Kriegerd Eiferſucht den blut'gen Helmbuſch bin, 
8. out Fimmil, partie Ber. I 15 


274 


Und Spanien nahm mid auf, das der @robrer beugte, 

Bergara fah’ ich, das ftets wilde Stürme zeugte, 

Mir ſchien der Escurial ein Grab, wo Alles jchlief. 

Vorm großen Aquadult, dreijach gewölbt, verneigte 
Andachtig fi der Knabe tief. 


In oͤden Städten ſah ich mit geheimem Schauer 

Bon Lagerfeuern ſchwarz die Wand der morſchen Mauer, 
Auf Kirchenſchwellen ſcharrt' und ſchlug des Roſſes Huf. 
In Kloftergängen fcholl, wie ein Geſchrei der Trauer, 
Wem Echo wiederholt der Krieger Iuft'ger Ruf. 


DL 


Als von der weiten Yabrt ich beimgelehrt, verfunten; 
In Träumen wandelt’ ich, das Haupt von lichten Funken 
Umſchwirrt, ein Träumer war und blieb ich alle Zeit, 
Als hätt’ ich unterwegd am Zauberborn getrunten 

Bom Quell, ber ew’gen Raufch verleiht. 


zeigte Spanien all die Klöfter und Baftillen, 
Dein gothiſch Münfter ſah ich fi wor mir enthüllen, 
Wurgos, ich fah dein Dad, Irun, das hölzern ragt, 
Pittoria's Thurm und dich, Balladolip, die ftillen 
Waläfte, wo im Hof der Roſt an Ketten nagt. 


Mir wogten in der Bruft all die Erinnerungen; 

Mit leifer Stimme hab’ ich vor mid bin gefungen, 

Unb meine Mutter, die oft träumend ſah mich gehn, 

Sprach laͤchelnd, eine Thrän’ im Auge: „Mit dem Jungen 
Spricht eine Fee, die wir nicht fehn |* 








275 


j . AG... 


O rus. 
Virgil, 


Zehnte Ode. 


Hür jeden Sterblihen, mag ihm das Glück ſich gatten, 
Und lichten Schein ihm ftreu’n auf feines Lebens Matten, 
Mag Shaurig ihn umfahn der Leiden tiefe Nacht, 

Ob er zurüd ſich fehnt nach einem theuern Schatten, 

Und ftille Thränen weint und bei der Lampe wacht; — 


Für Jeden fommt ein Tag, wo er am trauten Herbe 
Die reinfte Wonne ſchmeckt, fern jeglicher Beſchwerde, 
Umrauſcht von Harmonien, voll heilig füßem Grau'n, 
Als hörte, lauſchend ftill, fein Ohr von fern der Erbe 
Geräuſch und ſüßen Klang aus Paradieſesau'n. 


Dft bat fi bier, wo raſch die Sorgen find zerftoben, 
Mein Glüd hell leuchtend, wie ein Feenſchloß, erhoben, 
Ein Schloß mit Mauern von Berlmutter, goldnem Thor, 
Mit Thürmen und Trophä'n und Fahnen, golddurchwoben, 
Mit Wunderfrüchten und mit lihtem Blumenflor. 


276 


Doch plöglich ſah ich all die Farbenglut erkalten, 

Und auf den Trümmern ſah ich irre Schemen walten, 
Mit Woltenfhleiern war vwerhüllt der Sonne Bahn, 
Nur Schatten ſah ih rings, geſpenſtiſche Geftalten, 
Wo der Palaſt geftrahlt, da gähnt’ ein Grab mich an. 


D Schönes Thal, wie oft im Schatten deiner Bäume 
Lieb ih wie Wellen bin fi wiegen meine Träume, 
Mir unvergebli bleibt die Stunde flücht’ger Luft, 
Und die Erinnerung hallt an eu, ihr trauten Ränme, 
Ein ſchmerzlich ſüßer Ton, mir nad in treuer Bruft. 
1823. 


ſandſchaſt. 


Hose erat in votis. 
Rerat. 


und 


Elfte Ode. 


Als ich ein Kind war, ſprach die Mufe: „Laß dich führen 
Ins Heiligtbum, dort thut der Genius dir fih kund. 
Zu meinen Schägen jchließ' ih auf dir alle Thüren, 
Magſt die Drommete du dir, die Schalmei erküren, 

Um fie zu ſetzen an den Mund. 


Doc fliehe diefe Welt, und ihren wüſten Reigen, 

Undank und Bosheit triffit du dort auf jeder Spur. 

Wenn fi zu dir herab des Liedes Geifter neigen, 

Dann follen rings umber die Erdentöne ſchweigen, 
Antworten mag das Echo nur, 


Wähl’ eine Wüfte dir, einfamer Thäler Inge, 
Und birg dein Leben bort in heilig ftiller Nacht. 
Beglückt, wer fern dem Lärm der knechtiſch feigen Menge, 
Aushaucht, den Neidern fern, begeifterte Gefänge, 
Und feinen Ruhm dem Grab vermadt, 


278 


Weit überfliegt dein Geift die dumpfen Erdenſchranken, 

Drum eine andre fuch’ ihm, eine reinre Welt, 

Wo ewge Klarheit berrfcht, wo feine Schatten ſchwanken, 

Wo dih mit Wonne füllt ein Meer won Lichtgedanten 
Und dir das felge Aug’ erhellt. 


Magft du ein grünes Thal zum Königreid dir wählen, 

Mo unterm Weidengrän, am wilden Roſenhag 

Du Feen jchweben ftehft in lichten Wunderjälen, 

Und goldne Schloͤſſer, — mie und gern davon erzählen 
Der Mund ergrauter Mütter mag; 


Mag ein verfallner Thurm vom Berge her dir winten, 

Beſchattend einen See, der tief im Grunde blaut: 

Ein Hirtenfeuer mag dir fern durch's Duntel blinfen, 

Dem Freundesauge gleih, das, wern die Schatten finten, 
Noch lang beim Abfchied nah uns ſchaut. 


Und mwenn den See du theilft mit rajchen Ruderſchlägen, 
Der dir im Spiegel bell den blauen Himmel zeigt, 
Die Silberwölkchen ſiehſt du drunten fich bewegen, 
Dein Auge jhaut entzüdt, wie Welle fi entgegen 
Der Welle Iuftig ſpielend neigt. 


Magft du freiwillig oft di im Ertl ergeben 

Am grünen Inſelſtrand, in fchattig kühler Ruh, 

Tort in der Einfamleit wirft horchend du verſtehen, 

Was dir die Welle raufcht, und was die Winde wehen, 
Und jedes Räthjel Löfeft du, 


Mag junger Mütter Lied, wenn du erwachſt, dich grüßen, 
Des Lebens und des Tags Aurora lädle bir, 
Ein Büchlein rinne durch die Blumen, die dir fprießen, 
Wie durch der Liebe tief geheime Träume fließen 

Der Hoffnung Wellen für amd für. 


Mag lange dann im Thal fort die Erinnrung leben 
An einen guten Gern, von Allen Freund genannt, 
Der gern den Armen, die ihn liebten, Brot gegeben, 
Und ſprechen mag ein Greis, der rühmt fein evles Streben: 
„br habt ihn leider nicht gefannt 1° 


Ergeben meinem Bienft mußft fern der Welt du meilen, 

Sei ein Prophet, dir thut fi auf des Himmels Thür. 

Dein Auge wird durchſpähn die Nacht mit Ylammenpfeilen, 
Und Gottes Geift, um dih von irdiſchem Wahn zu heilen, 
Sprit in der Wüfte hold mit dir" — 


So, Rufe, lautete den Wort! — Mit taufend Stimmen 
Rauſcht' In die Ohren mir bie menfchenreihe Stadt, 
D Mufe, heut noch fiehft du mich im Strudel ſchwimmen, 
Der Manchen, der verfucht das Ufer zu erflimmen, 

Sn feinem Schlund begraben bat. 


Barum? — Beil eine Fee der Himmel mir gegeben, 

Ein Engelatind, erblüht auf Edens fchönfter Flur. 

Aur, wo Sie athmet, fühl’ ich reinre Lüfte ſchweben. 

Hr Lächeln ift mein Blüd, o Mufe, Luft und Leben 
Wohnt mix in ihrem Auge nur, 183. 


Dir und wieder Bir. 


Ahora y siempre. 
Droife der Yonıfret. 


Zwölfte Ode. 


Jur Dir! Und immer Dir! Wem könnt’ ich fonft wohl fingen ? 
Für Dich ein Liebeslied! Ein Brautlied Dir, nur Dir! 

Bei welchem Namen fonft wird meine Leier klingen? 

Weiß ich ein Lied denn font? Wo blüht mir fchönre Bier? 


Zum Tage wird die Nacht in Deiner lichten Näbe, 

Und ſchlaf' ih ein, fo blidt Dein Bild in meine Ruh', 
Du führft mid an der Hand, wenn ich im Dunkel gebe, 
Aus Deinen Augen ladıt ded Himmels Glanz mir zu. 


Dein frommes Flehn bewahrt vor Kummer mid, und Leiden, 
Entihläft mein Engel, Dein Gebet befihtemt mein Haus. 
Klingt Deine Stimme mir, fo ftolz und fo befceiben, 

Zum Kampfe forbr’ id dann das Schidfal felbft heraus. 


Ruft nicht Di beim ein Laut aus einer Engelstehle? 
Ein fremdes Blümchen bit Du doch im irdſchen Thal; 
Der Engel Schwefter bift Du, Seele meiner Seele, 
Ein Eho ihres Lieds, von Ihrer Blut ein Strahl, 


Rauſcht Dein Gewand vorbei, berührt mich Deine Schleife, 
Seh ih Dein Auge, ſchwarz und hold, wie mir es lacht, 
SM mir, als ob ich leis des Tempels Vorhang ftreife, 
Und, wie Tobias, jeh’ ih Engel in der Nadıt. 


Sprihft Du zu mir, tft Schnell mir Schmerz und Leid zerronnen, 
Ich fühl’ es, wie zu Dir ein Zauber hin mich zieht, 

Dem frommen Hirten gleich, der reifemüb zum Bronnen 

Die Jungfrau mit dem Arug am Abend wandeln fieht. 


Ich liebe Di, als wärft vom Himmel Du gefenbet, 
Wie eine weile Frau, ehrwürbig, fromm verflärt, 
Wie eine Schwefter, die mir Troft und Labung fpendet, 
Als wie ein jüngftes Kind, dem Alter fyät beicheert. 


So innig lieb’ id Di, daß fen Dein Rame Bähren 

Mir Iodt ind Auge, Du bift meines Lebens Licht. 

Kein, buch die Wülte lann der Zug nicht ewig währen: 

Der Baum, der Schatten und veddeiht, — bier grünt er nicht. 


Verleib ihr, Herr, daß fie fi ſanfter Tage freue, 

Goͤnn' ihr den Frieden, die Dich über Alles liebt. 

Du wirft fie feguen, denn ihr Herz voll Lieb’ und Treue 

Wunſcht nur ein ftilles Glüd, wie es-Die Tugend gibt. 
1828. 





Ihr Name. 


Nomen aut namen. 


— — 


Dreizehnte Ode. 


De Lille reiner Duft, der Sonne letztes Glühen, 
Das Säufeln, wenn der Abend thaut, 
Des Freundes Klage, der dem Freund des Lebens Mäben 
DIN lindern, das Lebwohl der Stunden, die verblühen, 
Der Liebestüfie holder Laut; 


Das fiebenfarbige Band, das, fliegend gleich Trophäen, 

Der Aurm der Sonne läßt, die fiegt im Himmelsraum, 

Der lieben Stimme Ton beim erften Wiederſehen, 

Der Jungfrau ftiller Wunſch und tief gebeimes Flehen, 
Des Kindes erfer holder Traum; 


— 7) . 0. 
Im ſtiller Wüftenluft der Memnonſäule Klingen 
Beim erften Strahl des Morgenlichts, 
Das Zittern eines Tons, verhallend ferne Singen, — 
Was nur es geben mag von himmliſch füßen Dingen, 
Süß wie ihr Name Hingt doch Nichts, 


Leis, meine Laute, darfft du nur den Namen nennen. 

Und ein Gebet für fie fei jegliches Gedicht. 

Er foll als ew'ges Licht im dunkeln Tempel brennen, 

Er ſei das beilge Wort, das fromme Beter kennen, 
Das ftet3 diejelbe Stimme. Ipricht. 


Ya, Freunde, eh’ ich ihn in Worten, die mie Flammen 
Auflodern, ihn, der mich erfüllt, 

Mit andern Namen, die unheilgem Kreis entftammen, 

Und die die Welt verehrt, je nennen mag zuſammen, 
Das Kleinod, das mein Herz verhällt, — 


Muß beil mein Lied erft, rein, wie jene Hymnen klingen, 
Bei deren beil’gem Ton die fromme Andacht Iniet; 
Durch alle Lüfte muß es fie erfchätternd dringen, 
Wie wenn ein Engel, leiß bewegend feine Schwingen, 
Im Flug an uns vorüberzieht. 
1823. 


Bankfogung. 


Die in Tränen ſten, werben im Freuben ernten. 
gi. 128, 5. 


— — 


Vierzehnte Ode. 


Du ließſt dem Hafen zu mein irres Schifflein ſchwimmen, 
Haft meinen wellen Stamm mit neuem Grün bedacht. 

D Herr, ich danke dir; mein Licht, das am Verglimmen 
Schon war, zu heller Glut hat's neu dein Hauch entfacht. 


Dem jungen Apler gleich, dem ſchwachen, flügellojen, 
Der ind Gebüſch herab von hoher Eiche fällt, 

Hört’ id, ein Kind, um mich ſchon wilde Stürme tofen, 
Faft wär’, in der ich lag, die Wiege ſchon zerfchellt. 


‘a, in der Kindheit ſchon war ich zum Leid erleien, 
Obwohl des Himmels Blitz fonft Blumen nicht erfchredt, 
Dbwohk:er jonft nicht will, daß ein wehrloſes Weſen 
Der Thränen Bitterleit ſchon kaum geboren chmedt. 


Bon Wunderdingen bat die Jugend mir gelogen, 

Bon Ruhm und Liebesglüd, von fünft’ger Größ’ und Pracht, 
Und ala mein Feuerdeift den Träumen nadgeflogen, — 

In einem ſchwarzen Sarg, weh mir, bin ich erwacht, 


Da hab’ ich mid verbannt and meiner Brüder Mitte, 
Wohl war im Herzen Gram, doch keine Reue wach. 
Den Leihenzügen folgt’ ich oft mit ſcheuem Schritte, 
A, das verwalste Kind fang oft den Todten nad). 


Zum Himmel ſah id auf, wenn müd ich war gefunlen, 
Dem Schidjal teogt’ ih kühn, das mir nur Leiden gab, 
Ta find dem jungen Geiſt entiprübt die hellen Funken, 
Die Feuerzunge ließ fih auf mein Haupt herab. 


Der Sch von Patmos kam anf mich, daS beilge Feuer, 
Ein Schauer faßte mi, wie vor und nad der Schlacht. 
Und traurig war mein Herz, die Saiten meiner Leier, 
Wie Stimmen Hangen fie, die weinen in ber Nacht. 


Ich ſah in Leib verkehrt mein Glüd, und ohne Klagen; 
O Herr, id wußte nicht, daß ich verlafien war, 

Den Pfad der Wüſte hab’ ich ſchweigend eingefhlagen, 
Ich habe nie den Tag verflucht, der mich gebar. 


Durch Leiden ftieg’ hinan zum Heil ich fteile Stufen, 

Gott wars, zu dem ich floh in meinem tiefen Bram. 

Wohl und, e8 kommt das Schaf, wenn ihm Die LZämmer rufen: 
Ich ſchrie in meiner Noth zum Kern, und fieh’, er lam. 


Er ſprach: „Mein Zoch ift leicht! Mein Sohn, Du bift gegangen 
Sm finftrer Nacht ven Pfad der Tugend, das Gewand 

Der Seligen foll Dich, das leuchtende, umfangen, 

Mit den Unſchuld'gen ſollſt Du waſchen Deine Hand!” 


286 


Nicht aus der Ferne nur will ich dich jehn und lieben, 

D Ruhm, du Widerjchein des Lichts, das Gott umjchlingt, 
Du lichte Feuerſpur, vom Genius bejhrieben, 

Du wunderbarer Strahl, der einem Grab entipringt. 


Ein Engel iſt's, der heilt mein Herz von feinen Wunden, 
‘hr, meiner Süßen, ift die Waife nicht verbaßt. 

Ah, neben ihr, wie Schön verfließen meine Stunden! 
Denn Tieblidy ift ihr Joch, und leicht ift ihre Laft. 


Du ließft dem Hafen zu mein irres Scifflein ſchwimmen, 

Haft meinen welten Stamm mit neuem Grün bedacht, 

D Herr, ich danle dir: mein Licht, das am Verglimmen 

Schon war, zu heller Glut hat’3 neu dein Hauch entfacht. 
Uuguf, 1823, 


Au meine Frenndt. 


Wie gildlik IR. wer einfam lebt und Bil. 

Nicht bettelt um die Bunf der blinden Menge, 

Und frieblich , fern dem Hof und dem Gerduſch 

Der unbehänd'gen Welt, mit Staatsgeſchäften 

Sich nie befaßt, und ben Tyrannen - Launen 

Der großen Herrn und Narren nie Rh fügt, 

Gr feloR fein eigner Hof, fein Herr nnd Kbnia. 
Jean de la Taille. 


Bünfzehute Ode. 


Binfterben wirb der wahre Dichter 
Und fein Triumph wird ihm erblähn, 
Zu nah find feines Ruhmes Lichter 
Der Zeit, verlennen wird fie ibn. 
Was ift ee? — Auf dem Gapitole 
Ein Belifar! — Und dem Idole 
Des Tages wirft das Volk Obole, 
Dem lorbeerreihen Bettler, bin. 


D freunde, felig darf ich leben 

Im jtillen Winkel, jedes Web 
Verſchwindet, alle Götter fchweben 

Herab zu mir aus lichter Höh. 

Hier grünen Morten, die fih lehnen . 
An Lorbeerbäume, mit Mäcenen 
Seh’ ih Horaz im Grün fi dehnen, 
Errneille ohne Richelien, 


Die Mufe ſeh' ich bier fih nahen 

Mit ftolzem Blid und füßem Gruß, 
Sie kommt, mid brünftig zu umfaben, 
Was weiß die Welt von ihrem Kuß? 
Sie ſchwebt dahin auf Iuft’gen Wegen, 
Kaum, daß fih ihre Flügel regen, 

Nie darf der Erde Staub ſich legen 
Auf ihren nadten, weißen Fuß. 


In ſelig fßer Ehe gleiten 
Mir bin die Tage, fanft und mild, 
Du, Bater, figft bei mir zu Zeiten, 
Ernft, wie ein altes Ritterbild. 
Hier ift dir wohl im ftillen, Rreife, 
Ich fing’ und fpiele meine Weije, 
Mein Bübchen fchläft und lächelt leiſe, 
Gewiegt in deinem alten Schild. 
Unguß, 1823. 


An deu Schatten eines Kindes. 


Qui es in coelis, 


— — — 


Sechzehnte Ode. 


Dort, zwiſchen Sonne, Mond und all den Feuerbäaͤllen, 

Den Säulen von Azur, den Sclöffern von Saphir, 

Den beil’gen Strahlen, und ven Schleiern, welche fchwellen 
Im Haud des ewigen Zephyr; 


Im Strom der Liebe, wo fi rein die Seelen baden, 

Zu dem der Seraph, um Licht einzufchlärfen, gebt, 

Im Flammenkreife, der fi um den Thron der Gnaben, 
Den ftrablenden, im Wirbel brebt ; 


Dort, in der Engel Kreis, wo Kinderſeelen fpielen 

Und fingen filberflar, wenn, ſchwebend himmelan, 

Sie alte Sterne, die aus ihren Gleiſen fielen, 
Geleiten auf die rechte Bahn ; 


Wo eine Jungfrau fie umarmt mit freub’gem Beben, 
Und auf die Kinderftien des Kuſſes Siegel drüdt, 
Und lächelnd fragt, ob fie nicht sagten, ala das Leben 
In ihrer Wiege fie erblidt; 
3. Hugoe fümmti. poetiſche Werte. IL. 19 


Wo Jeſus, der im Kreis der himmliſchen Geftalten, 

Auf feinem Strahlenthron, der Himmelskönig, blintt, 

Die Kinderfeelen, um fein Wort der Welt zu balten, 
Zunächſt an jeine Seite wintt; 


In diejer hehren Welt, in diefem heil’gen Kreife, 
In diefem Meer von Licht und Seligleit, — bift du 
Der theuern Mutter fern, o Kind, nicht eine Waife 


Selbft in des Himmels fel’ger Ruh'? 
Dttober, 1823. 


291 


- An ein junges Mädchen. 


Zarte Raid , warum bed willſt Du Flagen ? 
Blüht Dir nicht der Lenz der erfien Jugend? 
Lithauifcher Dainese, 





Siebzehute Dde. 


Bu weißt nit, Kind, wie jhön die Kindheit ift, o fehne 
Nah unfrem Alter Di nicht neidifch und betbört, 

Herb ift das Lächeln oft uns mehr, ald Dir die Thräne, 
Bald ſtlaviſch zagt das Herz, bald tobt es wild empört, 


Dein Alter flieht dahin auf leichten Aetherſchwingen, 

Harmlos und träumerifh, ein Haud, ein Freudenton, 

Der dur die Lüfte raufcht, um mählig zu verklingen, 
Wie über’3 Meer ein Halcyon. 


63 frommt Dir nicht, wenn Du zu früh gedacht, empfunden, 
Des Morgens freue Di, der Frühlingsſeligkeit, 

Ein Kranz von Blüthen find noch Deine fühen Stunden, 
Gib Acht, dab fie Dir nicht verwellen vor der_ Zeit. 


Die Jahre kommen, ad, mit ihnen kommt gezogen 

Die Sorge Dir, wie uns, — fo will e8 das Geſchick! — 

Getaͤuſchte Hoffnung, Sram, und Freundſchaft, die gelogen, 
Freudlofe Freude, falſches Süd. 


Sei fröhlich, loͤſe nicht des Lebens ſchwarzes Siegel. 
D lade! — Trübe nicht Dein Angefiht durch Bein, 
Dein blaues Auge nicht, der Unſchuld hellen Spiegel, 
Drin Deine Seele wohnt, des Himmels Widerſchein. 

‘ Kebruar, 1825, 





2% 


An die Ruinen son Moutferi-Amauıy. 


Seht Ihr grau'n deu bohen 
Moſterthurm, und drohen 
Dort dad drigeoſchloß. 
Schwarz und tiefengtoß ? 
Ulfred de Biguy. 





Achtzehnte Ode. 


L 


Euch Trümmer lieb’ ich, und zumal, wenn Trauerklaͤnge 

Des Herbſtes monoton durchhallen eure Bänge, 

Mm eurem Schatten möcht’ ich wohnen allezeit, 

Ihr alten Thürme, die ihr neigt die altergrauen 

Steinhäupter, auf dem Berg zwei Rieſen anzuſchauen, 
Hochragend, ſchwarz und kampfbereit. 


Wenn meine Füße, die das hohe Gras durchſchreiten, 
Zu eud mid tragen, o ihr Reſte alter Zeiten, 

Zu euren Scharten ſchau' ich auf, geöffnet weit, 
Zum Thurm, achtedig, body, von rothen Biegelfteinen, 
Und durch die Luden — ba, was feh’ ich dort erjcheinen ? 
Bo Helden fielen einit, da ſpielen Kinder heut. 


D wagt es nicht, den Thurm, die Mauern abzutragen! 

Den Dichter laßt allein hier weinend euch beflagen, 

Den noch der Anblid rührt des alten, grauen Fort. 

Und wenn der Nachtwind ſtreicht an Fenftern hin und riefen, 

Dann denP, ein Schatten bat berührt die Wehr des Niefen, 
Amaury’s, Grafen von Monsfort. 


293 


I. 


Hier ruh' ih, eingedenk der alten Zeit mit Trauer, 

Auf Steinen ragend noch von der zerfallnen Mauer, 
Und meinen Träumen gönn’ ich finnend freie Bahn. 
Zu meinen Füßen liegt die Stadt mit Bäumen, Heden, 
Ich feh’ in Kreuzesform fie wie ein Schwert fidh fireden, 
Das einem Riefen einft entfiel auf grünem Blan. 


Sein Auge fchweift hinweg vom Fuße der Ruinen 
Auf Bäume, fihattig jegt und fonnig dann beſchienen, 
Zum gothſchen Kirchenthurm, der kaum fein Dach mehr trägt; 
Bo die Kapelle ragt, in der Arkade Schatten 
Seh’ ich den Friedhof, mo der Boden ftiller Matten 
Sih wölbend grüne Wellen fchlägt. 


An Sinnen, Erlern laß ih bin die Blicke fchweben 

Und Bögen, rante mid hinauf an Gitterftäben, 

Dem Epheu gleich erheb’ ich mi zum Dad des Thurms, 
Und jauchzend fchau’ ich bin weit über Thal und Hügel, 
Und body im Himmel, wo der Adler ſchwingt die Flügel, 
Sing’ ich in fein Geſchrei und das Geheul des Sturms. 


Dort fingt auch wohl mit mir ein Freund zum Spiel der Saiten, 
Gleich einem Troubadour aus längft verſchollnen Zeiten, 
Bon Himmel ſprechen wir, von Rittern, Helden, auch 

Bon Seelen, die verwaist auf diefer Erde trauern, 

Und durch die Pappeln ftreicht, fich bredend an den Mauern 


Und ftöhnend lets, des Windes Hauch. 
Dftober, 1825. 


Bam ——— —— 


Die Reife. 


34 will, daß Du, mir ferne, Dich betrübſt, 
Daß Du Die ſehnſt, und daß Du Tag und Naht mi Lieb. 
Ach, Tag und Naht um Die ſchweb' ih in Dual und Bein, 
. Geil mitten in dem Kreis ber Undbern fern, allein. 
Schlaf mein gebentend ein, und träume mid gu Dir, 
Sieh mid nur überall, jei ewig nur bei mir! 
Undrö Ehönter. 


Neunzehnte Ode. 


J. 


Die Pferde ſchutieln Zaum und Zügel, daß fie klingen, 
Das Pflaſter ſchlagen ſie, daß Funkenblitze ſpringen, 
Lebwohl! Geſchieden muß es fein, und ohne Schmerz: 
Sei ftarf! — Die Wange foll Dir keine Thräne näflen. 
Do ſieh, der Wagen rollt mit mir davon, — vergefien 
Hat er Dih wohl? — Du bleibft, mein Herz? — 


D folg’ ihm lange nad, recht Tang, mit Herz und Sinnen, 
Und gebe nicht, bevor vom Wagen, der von binnen 

Mid trägt, der lehte Ton im Ohr fih Dir verliert. 

Schon trennt ein weiter Raum mid, ad), von meinem Sterne, 
Ich feh Dein weißes Tuch nicht flattern mebr von ferne, 

Du börft nicht rollen mehr das Rad, das mich entführt... 


205 
Beh, nicht ein Ton mehr jhallt, kein Schatten mehr zu ſchauen 
Die Naht der Trennung füllt die Seele mir mit Grauen. 
Mit jedem Schritt verfin!’ ich tiefer nur in Noth, 
In diefe Höllennadt, lichtlos und ohne Schlummer, 
Dies Meer von Dualund Augſt und Wahnfinn, Gram und Kummer 
Steig’ ich hinab lebendig tobt. 


IL 


Wie it mir doch? Wohin foll nun mein Haupt Rh wenden? 
Die Stirne, die fo fanft einft fchlief in Deinen Hänben? 
Bas ift mir Alles, was die bunte Welt mir bringt? ° 
Bas wird aus meinem Schmerz, den Du nur kannſt erftiden, 
Aus meinem Auge, dad Licht trank auß. Deinen Bliden, 
Der Stimme, die nur fpridt, wo Deine Stimme Klingt? 


Mein Auge fieht zerftreut, wie bin der Weg ſich windet, 
Die Baum um Baum erfcheint, vorüber ſchwebt und ſchwindet, 
Der grüne Wald, die Flur, der Ernte goldnes Meer, 
Der Berge Höhn, der Stern des Abends body am Himmel, 
Der fpige Slodenthurm, die Stabt und ihr Gemwimmel, 

Und Nebelmogen drüber ber. 


Das Kom, der grüne Wald, die Hügel und die Seen, 

Die Sterne, die herauf und die hinunter geben, — 

Kalt läpt mich Alles, was Du nicht mit mir gefehn: 

Was find die Schlöffer mir, die Burgen alter Zeiten, 
Wenn ihr bemooster Thurm nicht hört Dich, Holde, fchreiten 
Durch's Bflafter hin des Hofs, und mir zur Seite gehn? 


So muß ih heute denn und morgen, und wie lange 
Zur Sonne tramernd fehn im Auf- und Niedergange, 
Ah, ohne Deinen Blid, Dein Lächeln, ohne Di! 





Ich höre Deinen Schritt nicht mehr in meiner Nähe, 
Ich fühle Deine Hand nicht, wenn empor ich febe, 
Die oft mir über’8 Auge ftrid. 


Und dennody muß ih, wenn ich in der Abendſtunde 

Dir fchreib’, im Briefe Dir mittheilen frohe Hunde, 

Und fprehen: „Tröfte Ti, mein Kummer ift verdrängt,“ 

Mag jeder Augenblid, den fern von Bir ich lebe 

In Angſt, dab Ungemach Di tauſendfach umfchwebe, 

Gin blankes Schwert auch fein, das über'm Haupt mir hängt. 
. ID. 

Was thuſt Du jetzt? — Du fisft am Tiſche wohl, Du breiteit 

Die Karte, fuhft den Weg, auf dem Du mich begleiteft, 

Und fpridft: „Wo mag er fein? — D würd’ ihm, was ihn heilt! 

Mo er auch fei, fol Lieb’ und Achtung ihn umjchweben, 


Und eine Wirthin, die nah einem theuern Leben 
Gleich mir fih fehnt, das ferne weilt. — 


Wie fchnell er reist! Er bat die ferne Stadt, die alte, 

Wohl Tängft Schon hinter ih, die Brüde fammt dem Walde, 
Wo eine große That gefhehn; er fährt vielleicht 

Durh jene Thäler hin, und fieht an Bergesſchlünden 

Das Kreuz am Wege, das dem Wandrer foll verkünden, 
Daß letztes Jahr... Will's Gott, er bat fein Ziel erreiht!“ — 


Mein Vater wifcht Dir ab das Auge, lächelnd pocht er 
Dir auf die Schulter: „Kind, komm, küſſe Deine Tochter; 
Sei nur getroft, er lehrt ung Allen bald zurüd. 
Er lat, und ift wohlauf, er ſieht vielleicht die Stelle, 
Wo einſt gelebt ein Held, ſieht eine Grablabelle, 

Und betet dort für unſer Gläd, . 





297 


Du weißft ja, liebes Kind, er liebt, vom Mond beidienen, 
Bortale, Zinnen mit uraltem Schmud, Ruinen 

Der gothiſch alten Kunft, mit maurifcher vermäblt, 

Und roͤm'ſche Thürme, die achtedig ſich erheben, 

Und, ſchuppig ausgehau'n, hoch in die Wollen ftreben , 
Wovon er am Kamin und ſchon fo oft erzählt...” 


IV. 


So ſucht der Veteran den Schmerz Dir wegzureden, 
Von ſeinen Fahrten ſpricht er, unſern großen Fehden, 
Wie wir am Tajo, wie wir am Teſſin geſiegt, 

Vom Heldenkaiſer auch, dem großen Völkerſchrecen ... 
Die Stimme dämpft er, um das Kleine nicht zu wecken, 


Das Ichlummernd Dir am Buſen liegt. 
1825. 


neu > — 


Der Spaziergang. 


Das find die Lieblingsorte, wo ich träumte, 
Die Wieſen, deren Blumen ich befang. 
Amable Taſtu. 


Zwanzigſte Ode. 
Himm Deinen Schleier um, fo einfach ſchoͤn geihmädt, 
Den Deiner Nadel Fleiß mit Blumen ausgeftidt, 
Komm in den Schatten der Platanen. 
Schlag um die Schultern Dir den prächt'gen Kaſchmir⸗Shawl, 
Der einft vielleicht verhält hat eines Emirs Stahl, 
Vielleiht den Bufen von Eultanen. 


Am Abendſonnenſchein fieb dort des Dorfes Rauch: 

Er fteigt und fällt. So fehn wir unfre Plagen aud, 
Stolz, Ehrgeiz, Ruhm, vorüber fliegen. 

Ein Seder hofft im Glanz zu drehn ſich aud einmal, 

Wie ih im Abenpwind beim legten Sonnenftrahl 
Rauhmwölthen übergoldet wiegen. 


Bur Stunde, wo der Tag fi ftill zur Ruhe legt, 

Die lieb’ icy’3, mir zur Seit’ ein Herz, das für mid ſchlägt, 
Bu wandeln durch des Thales Triften. 

Wie jüß, zu ftreifen, wo Dein Auge nur mir ladt, 

Dein füßer Odem fid dem leifen Hauch der Nacht 
Vermaͤhlt und mich ummeht mit Düften. 


Ich träumte dieſes Gluͤck von frühfter Kindheit an, 
Was bab’ ich nicht dafür gelitten und gethan! 
Zur Zeit, wo VBürgerfrieg die Kette 
Berbrad, im Frieden lebt’ id, ruhig nur durch Dich! 
Deb war mein Leben oft, doch Du belebft für mic 
Die Wülten alle, ſelbſt die Städte. 


Schon blinfen Sterne, ſchau, in goldner Abendluſt! 

So, wenn ambroſiſch zieht ein würzig ſüßer Duft 
Durch's Schloß vor einem großen Feſte, 

Mag man nod, eh’ im Saal die Lichter all entflammt, 

Sich fegen jehn zum Mahl oft auf Damaft und Sammt 
Die eiligften der froben Gäfte. 


Gieh dort: — ein Meteor ! 88 bligt und ſinkt herab, 

So ftrahlt ein großer Mann oft heil und fteigt ind Grab, 
Den ein geheimer Schmerz vernichtet, 

Die Menge fieht die Glut mit dumpfem Staunen an. 

Was ift ein Stern, der fällt, dem müden Uderdmann, 
Der kaum empor vom Pflug ſich richtet? 


Wie anders bift doch Du! Mit Thränen ehrft Du gern 
Erhabner Seelen Leid, um den gefalinen Stern 
Weinft du, das Schidjal des Poeten. 
Dem Dpfer Mitleid zollſt Du und dem Henker auch, 
Zum Grab der Helden, das ummeht ein beil’ger Hauch, 
Pflegſt Du mit Andacht binzutreten, 


Und wenn ein altes Schloß fih Deinem Auge zeigt, 
Das ſchwarz aus ſchwarzer Nacht mit Thurm und Zinnen fteigt, 
Fern von der Stadt und ihren Tüden, 


300 


Dann fiehft Du plögli fill, Dein Auge jucht, entvedt 
Des Mondes Strahl, der hell durchglaͤnzt und ſich verftedt 
Und wieder blinkt durch ſchmale Lüden, 


Bon mir haft Du die Luft an Trümmern alter Zeit, 
An Kirchen, wo zum Dienft der Ritter warb geweiht, 
In newer Rüftung betend Tniete, 
An Shlöfiern, wo ven Mund des Troubadours, im Schlaf 
Geöffnet halb, der Kuß der Königin oft traf, 
Das röther feine Lippe gluͤhte. — 


Doch ehren wir zurüd: mit ſchwarzen Schatten ringt 

Der Himmel, und das Boot, dag uns nad Haufe bringt, 
253 ſchon des Schiffer Arm, der ftarte, 

Ah, unfres Lebens Bild, das in der Naht gewiegt 

Vom Schidjal auf dem Meer der Zeit verwegen fliegt, 
Hin über'm Abgrund ſchwebt die Barte ! 


Es flieht zur Ewigkeit mit jedem Augenblid 
Das Leben, ſeelenlos bleibt unjer Leib zurüd, 
Für ewig nun verftummt, erblindet. 
So, wenn die Rofe ftirbt, die Blumen - Königin, — 
Bethaut Aurora fie mit Thränen aud, — dahin 
Sinkt Blatt um Blatt, ihr Duft entſchwindet. 
Oftober, 1825. 





301 


An Ramen, Herzog son Benan. 


Por la boca de su herida. 
Guillen de Castro 


—.- — — 


Einundzwanzigſte Ode. 


3% ſah, wie Deine Augen flammten, 
Dein Lächeln kenn’ ich, herb, verftört, 

Es ift das Lächeln des Verdammten, 
Wenn er fein Todesurtbeil hört. 

Ich dradte Deine Hand, ich fühlte 

Das Leid, das Dir im Herzen wühlte, 
Sah Dein Geſicht, von Gram entftellt, 
Den püftern Blid, der gleiht dem Funkeln 
Des Bliges auf dem Meer, dem bunleln, 
Der feine Tiefen nicht erhellt. 


Du ſprachſt: „Warum mid fo verlegen? 
Iſt Einer, der mich ſeufzend fand? 

Nie werben meine Thränen negen 

Des Bruders oder Freundes Hand. 

Ich babe Keinen! ..... Nie erfahren 

Hab’ ih, was Freude heißt. Erſparen 
Mögt ihr mir drum des Mitleids Hohn. 
Zu ſchwer bezahlt’ ich meine Schmerzen, 
Als daß ih einem fremden Herzen * 
Gönnt’ einen Theil auch nur davon, 


302 


Und find es Wunden denn, die brennen, 
Ein Unglüd, das der Thränen wertb? — 
Ya, was die Andern Freude nennen, 
Mir hat's in Kummer fich verkehrt. 
Nichts blieb von meinen Jugendtraͤumen, 
Und keine Früchte jeh’ ich keimen, 

Die Blüthen fielen auf den Grund. 

Kalt ift vie Glut der füßen Triebe, 

Und meinen Namen wird mit Liebe 
Ausiprechen nie ein Frauenmund. 


Hein Weib! Hein Kind! — Nie hat geſchlagen 
in Herz an meinem — dd und leer! 

Sch hörte nie die Stimme fragen 

Der Eiferjuht: „Wo kommſt Du ber?“ 

Todt ift mein Wünfhen und mein Hoffen, 
Und in der Zukunft ſeh' ich offen 

Das Thor des finftern Höllenraums. 

Der Schatten fah ich viele fchweben 

Schon durd mein nädtlich düftres Leben, 
Doch nie die Göttin meines Traums. 


Stets aufrecht ging id meiner Wege, 

Was auch das Schidjal mir geraubt. 

Doch um fo ſchwerer find die Schläge 
Gefallen auf mein freied Haupt. 

Den Jugendbträumen , dem Vergnügen, 
Dem Ruhm — fie mögen Andern lügen — 
Sagt’ ih wie Cato ftol; Abe. 

Mein Lenz dahin! — Ich trag’ es ftillel 
So ift’8 einmal des Schidfald Wille. 

Leid’ ich, wer weiß von meinem Web? 


308 


Sind wir des Schidfald Sklaven, — fchweigen 
Laßt uns vom Dolch, auf uns gezüdt. 

Du willſt, ich foll die Male zeigen - 

Der Ketten, die mi wund gebrüdt? 

Soll ich den Augen fie entbüllen, 

Damit fie ih mit Thränen füllen ? 

Geht! — Jedem fchmedt nicht jede Koſt. 

Laßt mich allein mit meinem Grimme. 

Mi ftören kann nur Eure Stimme, 

Nein, lieber Kummer noch als Troſt! 


Bom Leben lernt’ ich mich zu trennen. 
Was liegt daran, ob frob und frei, 

Db düfter meine Augen brennen? 

Neid oder Mitleid — einerlei! 

Was liegt, wenn nun geleert der Beer, 
Daran, daß für den durit'gen Becher 
Am Rand ein bittrer Thau noch Hebt? 
Hat wohl ein Schiff befiegt die Wellen, 
Die zornigen, die es zerſchellen, 

Beil aus der Flut fein Maft fi hebt? 


Laßt nad dem Blüd die Andern laufen: 
Laßt einfam mi in meiner Nadıt. 

Was ift die Welt?! — Ein wirrer Haufen, 
Der durcheinander weint und ladıt. 
Die alle Adamskinder trage 

Ich meine Bürde ohne Klage, 

Ich brauche Niemand, der fie trägt. 
Kauft nur vorüber, Well’ auf Welle, 
Was kuͤmmert's Euch, an weldher Schwelle 
Sich einit mein Schatten nieberlegt!" — 


304 


So grollſt Du heimlich, Seufzer fchwellen 
Die Bruft, die Lippen flüftern bang, 

Wie dad Gemurmel leiſer Quellen, 

Wie ein verlorner Harfenkllang. 

Dein Unglüd ift Dein Ruhm, — D züme 
Nur ihm, da um die GSiegerftirne 

Sid nie ein Kranz von Blüthen ſchlingt, 
Dir kann die Freude nicht erjcheinen: 

Du weißt ja, daß die Mufen weinen 
Zum Borfpiel, eh’ die Saite Hingt. 


So wie die Pflugſchaar das Gefilde 

Umwühlt, durchfurcht, mit ſcharfem Stahl 

Die Sholle trennt, bis fi die Milde 

Der Abenddaͤmm'rung ſenkt zu Thal, 

So läßt das Unglüd keine Stunde 

Dir Ruhe, Ihlägt Dir Wund’ auf Wunde, 

Zu fegnen Deines Geiftes Flur; 

Denn wenn fein Flammenſchwert, das blanle, 

Die Seele Dir zerreißt, o dante, 

Mein Freund: — befructen will es nur! 
November, 1825. 


An Stänlein 3. DB. non Ch. 
Das Vorträt eines Kindes. 


Seh' ich an deB Baches Rand 
Allerhand 

Blumen ſtehn im Noſenlichte 

Den!’ ih, daß das Roth mir ſtrahlt, 
Das gemalt 

Gluͤht auf ihrem Ungefichte, 

Haucht ber Blumen füßer Mund 
Tief im Grund 

Wohlgeruch in alle Lüfte, 

Waͤhn' ich nahe fie zu ſehn, 
Bid ummwehn 

Ihres Odems füße Düfte. 

.. Bonfard. 





Zweiundzwanzigfie Ode. 


L 


Die rofge Wang’ und Stirn, das Auge, friſch erwachend — 
Sin Kind iſts, fpielend, weinend, lachend, 
Dem gute Geifter nahe find. 
63 blüht fo weiß, jo roth, mie himmlifche Gefichter, 
Sein Haupt umipielen golone Lichter. 
„Es ift ein Engel! — ruft der Dichter, 
Der Bater fpridt: „ES iſt mein Kind!” 
B. Huge’s jãmmtl. poetifhe Werke. I. 20 


506 


Man ſieht's den Augen an, den leuchtend reinen, frommen, 
Daß Abſchied eben erit genommen 
Sein Geift in Edens lihtem Kreis. 
Und noch umraufhen ihn des Himmels Freudengrüße, 
Auf Roſen wandeln jeine Füße. 
Sieht jeine Mutter er, die jüße, 
Wähnt er: die Mutter Gottes ſei's. 


Wenn Mädchenſtimmen er vernimmt, dann iſt's, als höre 
Dem Lobgejang der Himmelschöre 
Der bolve, Meine Engel zu. 

Sieht man fein Lächeln, ſieht den heitern Blid man tagen, 
Iſt man verfudt das Kind zu fragen: 
„Welh Kreuz als Märtyrer getragen 
Haft Tu? Wie beibft im Himmel Du?‘ 


IL 


Du malteft mir das Kind: — Dir konnt' es nur gelingen 
So ſchoͤn: — ih will es Dir befingen. 
Ruhm Dem, der fo den Pinſel führt 

Die Anmuth und die Kraft, fie halten fih umſchlungen 
Im Bild, von Harmonie durdhdrungen. 
Als Kind Schon hat mit Feuerzungen 
Der Genius Dir die Stirn berührt. 


Schon in der Wiege war Dir eine Fee gewogen, 
Die aus dem lichten Regenbogen, 
Der bunt in fieben Farben ftrablt, 
Dem Nordlicht, flammend um des Eiſes Silberglätte, 
Und aus Aurora's Roſenkette 
Dir ſchuf die himmlische Palette, 


Womit Dei . 
omit Dein Bauberpinfel malt Revember, 1605. 


— 





An die rin A. 4. 


Hs im tiefen Schattenthal 
Ich einmal 
Spielt’ in filler ABendfeier, 
Ließ ein Täubchen filberweiß 
Nieder leid 
Sich auf meiner ſchwarzen Leier. 
Uber keine Melodie 
Girrte fie, 
U, dad Täubchen bat in matten 
Lönen, traurig und verzagt, 
Mich gefragt 
Nach dem füten, fernen Gatten. 
Gainte : Beuve. 


— men 


Dreiundzwanzigfte Ode. 


Was Dir beſcheren mag des Traumes holdes Bild, 

Der Dir im Dunkel jest mit Licht die Seele füllt, 
Süd bringt er, wie Dein Herz auch zage. 

Dem Arm des Gatten fern, der Bräutigam noch beißt, 
Schlaf fanft, o Schweiter, Dich umſchweb' ein guter Geiſt 
Die legte Nacht vor'm Hochzeittage. 


Schlaf janft! Wir beten biß zum Morgen für Dein Glück, 
Du follteft unfer fein, fo will e8 Dein Geſchick, 

Der Himmel trennt nicht das Verwandte. 
3a, meine Schweiter nennt Dich bald ein heil’ger Alang, 
Das Echo meiner Bruft nur ift es, die ſchon lang 

Mid) Deinen lieben Bruder nannte. 


Schlaf ruhig diefe Nacht, füß fei Dein Schlaf und rein! 
Der Morgen kommt heran, und Schwüre, Schmeicelei’n, 
Und Feftgeläut’ und bunte Schleifen. 
Dein Bujen ſchwillt, Du feufzit, es glüht in rofigem Brand 
Dir Stirn' und Wange, wird vom. Haupt Dir eine Hand 
Die grüne Moyrtentrene jtreifen. 


Mag beitrer Sonnenſchein des Slüds von Morgen an 
Stets liegen, ſchoͤner ald Du träumft, auf Deiner Bahn, 
Ein liter Glanz, ein ungetrübter. 
Bum Himmel ſchaun wir auf, dort fchimmert Stern an Stern, 
Schlaf ruhig diefe Nacht, wir beide wachen gern, 
Dein Sänger, ih, und Dein Geliebter. 
. December, 1837. 


Sommerregen. 


Meißdornblathe, Thymian, 
Loͤwenzahn, 
Lilien, Rofen, Veilchen ſproſſen, 
Alle zeigen thaubenetzt 
Lußig jet 
Idre Knoſpen aufgeſchloſſen 
Und die füße RNachtigall 
Singt mit Schall, 
Und mit Niden und mit Reigen 
Schlaͤgt He Triller, Hattext, ſingt, 
Daß ed klingt, 
Zittert, raufcht in allen Zweigen. 
Remi Bellean. 


— —— 


Bierundswanzigfte Dive. 


WMelch ſüße, fühle Abendruhe! 

Komm! — Fiel ein Regen nicht heut früh? 
Es wallt um Deine Atlasſchuhe 

Das grüne feuchte Gras! — D ſieh: 

Der Vogel fliegt durch's Laub bernieber, _ 

Er ſchũttelt triefend fein Gefieder, — 

Das arme Thierchen, ganz durchnäßt! 

Gr fingt, wie aud die Winde wimmern, 
Getroft, und fieht die Tropfen flimmern 
Wie Perlen ausgeſtreut im Neſt. 








310 


Ergofien find die feuchten Schätze, 
Hell wieder Teuchtet der Azur, 

Wie unter einem Silbernege 

Geſegnet glänzt im Thau die Flur. 
Des Baches Wellen, angejchwollen 
Für eine Stunde, ſchäumen, rollen 
Verſchlafene Eidechſen, Gras 

Und Zweige hin; Ameiſen lauſchen, 
Wenn über Kies die Waſſer rauſchen, 
Dem Donnerſturz Niagara's. 


Sieh in die Waſſerflut verſchlagen 

Inſekten bülflos, auf der Flucht, 

Auf Käferflügeln fortgetragen, 

Vo, Ein? am Andern, Rettung ſucht, 

Ein ſchwimmendes Aſyl ift Vielen 

Ein Blatt, mit dem die Wellen jpielen , 

Ein Glück, wenn endlich Blatt an Blatt 
An einem Strohhalm noch, am Rande 

Des Abgrunds, hält, wenn feit am Strande 
Sie figt, die flutumbrauste Stadt! 


Gewaſchen hat den Sand der Regen, 

Die Dünfte fteigen, matt bejonnt. 

Und ihre trüben Falten Tegen 

Sid um den fernen Horizont. 

Man fieht, wie mattes Sternenfeuer, 
Berftreut durch ihre feuchten Schleier 

Nur lichte Punkte Funken fprühn, 

63 fteigen aus dem Dunft, dem feuchten, 
Die Berge, Schieferdächer leuchten, 

Auf denen Regentropfen glühn. 


311 


Laß ſchweifen uns an feuchten Rainen, 
Jetzt können wir allein noch ziehn. 
Komm, lege Deinen Arm in meinen, 
Wir wandeln dur die Linden bin. 
Sieh roth die Sonne untergehen , 

Bleib hier noch auf dem Hügel fteben, 
Dich umzufhauen in der Rund, 

Eich, wie in Einem Meer von Funten 
Die Hütten und Paläfte prunken, 

Die goldne Stadt auf ſchwarzem Grund! 


Sieh gaufeln dort des Rauches Schatten 
Hin über Dächer, friſch bethaut, 

Dort wohnen liebend treue Gatten, 
Beſcheidne Herzen, lieb und traut. 

Ein Leben lacht Dir hier entgegen: — 

Der Sonnenjdein ift’3 nach dem Regen. 
Das Abendroth erglüht, — wie fihön! 

Es fintt, und alle Fenfter flimmern 

Rund in der Stadt, fieh dort, fie ſchimmern 
Wie Augen von des Thurmes Höhn. 


Ein Lichter bunter Regenbogen ! 

Die rein er in die Lüfte fteigt! 

Die ift der Himmel ung gemogen, 
Der ihn ung nad) dem Sturme zeigt. 
Ihr Boten Gottes und Propheten, 
Wie oft bin ih vor euch getreten, 
Um Flügel bat ich tief gerührt, 
Damit ich jene Welt erblide, 

Bu denen dieſe Himmelsbrüde, 


Der ungeheure Bogen, führt, Just, 1828 





312 


Eränme. 
En la amena soletad In der beiden Einfamteit 
De aquosta apaciblo estancia, Diefer friedlich Rillen Lanpfeaft, 
Bellissimo laberinto Unter Bäumen, Blumen, Kräutern, 
De arboles, flores y plantes, Hier am Iabyrintb'fen Abbang 
Podeis dexarme, dexando Laßt wich mit mit ſekbſt allein, 
Conmigo, que ellos me bastan Denn die Bücher, die ihr nachtragt. 
Por compania, los libros " Wie mein Wort eb ceuch gebet, 


Que os mande sacar de casa; Sie genügen mir bier fattfam. 
Que yo, on tanto que Antioquia MRährend Untieg ia feiernd 


Celebra con flestas tantas Senem Böflerfehe nachjagt, 
La fabrica de esto templo, Welches gilt dem heil'gen Bau, 
Que oy a Jupiter consacra, Der, ein Wunder, biımmelan Fast. 
ne Supiter zu Ehren, . 
Huyendo del gran bullicio, . . 
Que hay en sus calles, y plazas, ein pr Kichend vs mist 
Passar estudiando quiero Zu der Streß’ und auf Dem Marktplatz 
La etad que al dia le falte. Hier dem Studium mich weihn, 

Calderon, Bis ber Reſt ded Tags hinabfank. 

ei Magico prodigioso. Galderon, der Schwarzkuͤnſtler. 





Fünfundzwanzigſte Ode. 


L 


Suct, Freunde, fern dem Schloffe, 

Des Hofes eitlem Spiel, 

Dem Lärm der Stabt, der Rofle 

Und Wagen, all dem Troſſe 
Fern ſucht mir ein Aſyl, ' 


313 


Bergönnt mir, daß ich lande, 
Wo ftille Buchten find, 

An einem fchattigen Strande, 
Wo, fern dem lauten Tande, 
Sanft ruben Flut und Wind. 


Schafft mir, — feid meine Retter! — 
Den ftillen Hafen bald, 

Ein Dad bei fhlimmem Wetter, 

Ein Reft im Grün der Blätter, 

Ein altes Schloß im Wald, 


Und. Schatten rings und Schweigen, 
Daß Nichts vom Traum mid wedt, 
Wenn fi) die Wimpern neigen; 
Mein Schlößchen lieg’ in Zweigen 
Und Büſchen tief verftedt. 


Geh hin, mein Lied, und koſe, 
Was lieblih iſt und Schön, 
Das Blümchen jest im Moofe 
Umflattre, dann die Roſe, 
Und dann des Berges Höhn! 


D träume kühn von Siegen, 
Und durch der Lüfte Neich 
Magſt du entfeflelt fliegen 

Und hoch im Blau dich wiegen, 
Dem freien Vogel gleich. 


314 


O Traum, du ſollſt mich heben 
Hoch in des Himmels Raum: 

D endlos ſel'ges Leben! 
Nachts ſoll mich noch umſchweben 
Des Tages füßer Traum! 


Weib wie ein Segel fei er, 

Das fern ein Windhauch ſchwellt, 
Wie blaſſes Sternenfeuer, 

Und zwifhen mir ala Schleier 
Schweb' er und diejer Welt. 


Die Mufe, die verfhönen 

Mein Leben will, fie mag 
Bergolden ihn und dehnen ! 

Die Naht nur ift mein Sehnen, 
D Tläme nie der Tag! 


O blühten auf all meine 
Gedanlen in dem Traum, 
Und fäßen im Bereine 

Sie rings beim Feuerſcheine 
Im lichten, ftillen Raum! 


Zu meinem Traume fliegen 
Gie all in bunten Reihn, 
Umgauleln ihn verjchwiegen, 
Wie ältre Schweftern wiegen 
Ihr jüngfte® Brüperlein. 


315 


DL -_ 


Shön ift’3 am Dünenfande, 
Im Schatten, der uns tüblt, 
Am waldbewachſnen Strande, 
Mo man ih baar der Bande, 
Dem Himmel näher fühlt. 


E rauſcht, wie Traumesfchwingen, 
Die Welt erklingt im Chor, 

Sie ſpricht, die Wellen fingen, 
Und aus den Zweigen dringen 
Die Worte leis ins Obr, 


Du börft den wundervollen 
Geſang der Sphären an, 
Hörft Weltendonner grollen, 
Das Univerfum rollen 

Im Himmelsocean ; 


Jehovahs Stimme klingen 
Hörſt du in jedem Ton, 

Die Geiſter hoͤrſt du ſingen 

Der Welt, wohin ſich ſchwingen, 
Die dieſer Welt entflohn; 


Wo ſich aus heiſern Kehlen 
Nie Klagelaut ergießt, 

Wo liebend alle Seelen, 

Wie Flammen, fi vermaͤhlen, 
Wie Flut die Flut umſchließt. 


316 


Kein Ton geht dem verloren, 
Der einfam träumt und laufdt. 
Paris, du Stabt der Thoren, 
Wie ſchaal doch in die Ohren 
Dein wüfter Lärm uns rauſcht! 


Heil dem Bretonenlande, 

Dem Hort der alten Zeit, 

Der Klipp’ im Meeresjande, 

Dem Thurm am Keltenftrande, 
Wo Baum an Baum fid reiht! 


Im Thurme raften, finnen 
Werd’ einjam ich, um den 
Sih Epheuranken fpinnen, 
Und von granitnen Zinnen 
Die Federbüfche wehn ; 


Wo das Kamin, das hobe, 
Geihmüdt mit Wappen üt, 
Und flammt in heller Lohe, — 
Gin Rachen, deſſen robe 
Begier Eichllöge frißt; 


Wo Hihl mi ſchirmt die Linde, 
Wenn Glut der Sommer fprübt, 
Wo ih im Winter finde 

Die Mutter fammt dem Kinde 
Bom Feuer angeglüht; 


317 


Mo Nachts bein Windeswehen 
Im Wald man Riefen glaubt, 
Geſpenſtiſche, zu ſehen, 

Die ſich im Kampfe drehen 
Und ſtoßen mit dem Haupt; 


Wo himmliſche Geſtalten, 

Wie Bienen mid im Kreis 
Umſchwaͤrmend lieblich walten, 
Und ihres Kleides Falten 
Mir glänzen ſilberweiß; 


Mo durch den Saal, den weiten, 
63 ſchallt, wie Seufzerllang, 
Wo finftre Ritter gleiten 

Am Yenfter hin und ſchreiten 
Die graue Wand entlang. 


V. 


Wenn meine Muſe Reſte 
Von Burgen gern bewohnt, 
Und gerne ſitzt im Neſte 
In einer alten Veſte, 

Wo einft ein Held gethront, 


So ift'3, weil mid) die Falte 
Des Alters ſtets erfreut, 

Ein Sang, der längft verhalite, 
Die Welt, die fchöne, alte, 
Mehr als die neue Zeit. 


318 


Die Schwalbe, die im grauen 
Schloßthurm ſich nieverläßt, . 
Wählt, um dem Nord, dem rauben, 
Den Eingang zu verbauen, 

Sich oft ein Geierneſt. 


Und ihre Brut, die lofe, 

Mit Iuftigem Geſchrei, 

Pidt auf den Schag im Moofe 
Mit derbem Schnabelitoße, 
Das Rieſenvogelei. 


So jpielen bin und wieder 
Mit Waffen, alt, beftaubt, 
Wie Zwerge, meine Lieder, 
Ziehn lachend auf und nieder, 
Mit Helmen auf dem Haupt. 


VL 


Sp werben meine Tage 

Im Grünen wieder grün, 
Mein Leben, frei von Plage, 
Den Rofen gleiht’3 am Hage, 
Die aus Ruinen blühn. 


Burg oder Hütt’ indefien — 
Die Mufe lächelt mir, 


. Mein Glüd ift unermejlen, 


Still leb' ih, Fromm, vergefien, 
Bergefiend, ſelig bier. 


Bude der Den. Sun, 1008, 


Balladen. 


Renouvelons aussi 
Toute vieille pensse, 
Joachim du Bells 


— — —— 


1823 — 1828. 


Eine Fee. 


Die Königin Map bat mich befucht. Sie iR’, 


Die meine Gerle, die unfterblidge, 
Im Schlafe wach erhält. 


Emil Deschamps, Romes und Julie. 


Erſte Ballade. 


Gern wieg’ ih mic) in fühem Wahne, 
Denn eine Fee, mir hold geneigt, 
Sei es Urgele, feld Morgane, 
Sich über mich vom Wollenkahne, 
Der Lilie gleich, hernieder beugt. 


Von Rittern ſingt und Paladinen 
Zur Leier fie mir manche Mähr 

Und Sagen, die unglaublich ſchienen, 
Wenn die Geſchichte nicht von ihnen 
Erzählt’ an Wundern ˖ noch viel mehr. 


Eie iſt's, die Muth ins Herz mir thaute, 
Gerechten Zorn und beil’gen Groll, 

Und die die Mahnung mir vertraute, 
Daß ich des Minnejängers Laute 

Zum Ritterhandſchuh fügen fol, 


3. Hugs’s ſammtl. poetiſche Werke. II. ° 21 


322 


Sie ruft mid, wenn ich ftill verſunken, 
Einfam verberge mein Gefidt, 

Sie läßt mid träumen wonnetrunken, 
Sie macht zum Strable jeden Funken, 
Macht jede Stimme zum Gedicht. 


Sie heißt den Schaum des Bachs mir thauen 
Den fie dem Fels entrinnen läßt 

Und leife murmeln dur bie Auen, 

Gie gibt dem Storch, dem filbergrauen, 

Auf ſchwarzem, hohem Thurm fein Neft. 


Wenn traut im Herd die Ylammen winden 
Im Winter, bleibt fie mir gejellt, 

Beigt Sterne mir, die freundlich blinfen 
Am Himmel, ftrahlen und verfinten, 

Wie Augen, die ver Schlaf befällt. 


Und will ih unter Trümmern haufen, 
Läßt aus der Vorwelt Wieg’ und Gruft 
Sie Bilder mir vorüber faufen, 

Den Strom der Zeiten hör’ ich braufen, 
Streiht durch die Burg die Abendluft. 


Und wirre Stimmen bör’ ich munkeln 
Und Töne, wie aus Geiftermund, 

Um einzufchläfern mid im Dunteln, 
Wedt fie, wenn matt die Sterne funteln, 
Ein fernes Horn im Waldesgrund, 


Gern wieg’ ih mid in füßem Wahne, 
Wenn eine Fee, mir hold geneigt, 
Sei es Urgele, ſeis Morgane, 
Sich Über mih vom Wolkenkahne, 
Der Lilie gleich , hernieder beugt. 


1824, 


Die Sylphe. 


Naht und Kälte, Stürm' und Winde 
Gpielten übel mit dem Kinbe: 
„Definet, rief es, ih bin nedt!*® 

La Fontaine, nah Analreon, 


— ur nn. 


Zweite Ballade. 


„Bu, die im lichten Schloß, o Schweiter der Sylphiden, 
Am Senfter ih aefhaut: — der Tag ift hingeſchieden, 

D Jungfrau, öffne mir! Die Nacht ift da, — mir graut, 
Die Nacht, die Todte ruft aus ihrem Grabesfrieden, 

Und Seelen in den Dunſt einbüllt, der nieverthaut. 


Richt einem Pilger ſollſt Du gaftli Dich ermeifen, 

Der lange Mähren Dir erzählt von langen Reifen, 

Es Tommt kein Paladin, vor dem den Mädchen bangt, 
Der ftößt ind Horn und ſchredt mit wilden firiegerweifen 
Der Knappen Troß und kühn als Gaſt fein Recht verlangt, 


Ich trage weder Stod, noch ſchwere Eifenlanze, 

Weiß von Schlachtſchwertern Nichts, und Nichts vom Roſen⸗ 
franze, 

Kein weißer Bart ift mein, kein langes, ſchwarzes Haar. 

Mein Hau, der Halme faum bewegt, er bläst zum Tanze 

Und Spiel nur auf dem Horn, das einjt ein Schlachthorn war. 


3% 


SH bin ein Sohn der Luft, den Morgenwinde koſen, 

Ein Sylphe, Kind des Traums, des Frühlings, und beim Tofen 
Der Winterftürme bin der Baft ih am Kamin, 

Der Elfe, welcher wohnt im lichten Thau der Roſen, 

Der Geifter Einer, die des Aethers Raum durchziehn. 


Heut Abend ſprach ein Baar auf grünem Nafenfite 
Bon Liebe, flüfternd leis, und ihrem Ylammenblige, 
Ter ewig zündet. Ich belauſchte fie, und ſchwieg: 
Sm Rufe hielten fie mir feft des Flügels Spitze, 
Und frei erft warb ich, als die Nacht hernieder ftieg. 


Bu meiner Rofe kann id nicht zurüd mehr fliegen, 
Burgfräulein, ſpät iſt's, ad, lab mich nicht hülflos liegen, 
Nimm auf den Sohn de Tags, der Nachts den Weg verlor. 
Lab mi in Deinem Bett bis morgen ftil mich wiegen, 
Klein bin ih, und durch Lärm verleg’ ich nicht Dein Ohr. 


Dem Lichte zogen nad) fchon alle meine Brüber, 

Den Thränen, die aufs Gras der Abend träuft hernieder, 
Dem Kelch der Lilie, der benegt mit. Honigthau. 

Bo flieh’ ih hin?... Der Strahl verſchwand und kehrt nicht wieder, 
Zhautropfen ſeh' ih niht, noch Blumen auf der Au. 


Sungfrau, erböre mich, fei gnädig, mir ift bange, 

Daß in ihr großes Netz nicht ein die Nacht mich fange 
Und fperre zu der Schaar der Geifter, ſchwarz und grau, 
Zu Kauz und Eulen, die mit beulendem Gefange 

Um Gräber fchwirren und des Thurmes finftern Bau. 


Es ift die Stunde, wo beginnt ber Tobten Reigen, 

Auf den der bleibe Mond bernieder ſchaut mit Schweigen, 
Wo der Bampyr, dem Kraft und Wuth die Hölle gab, 
Erhebt den ſchweren Stein, um aus dem Sarg zu fteigen, 
Den Todtengräber padt und wirft ins offne Grab. 


Es fteigen ſchwarze Zwerg’ und Gnomen aus Ruinen, 
Kobolde balgen fi) mit wild verzerrten Mienen, 

Durch Schilf und Röhricht ziehn Srrlichter, fahl und bleich, 
Der Salamander tanzt mit tropfenben Unbinen, 

Und blaue Flämmcen drehn ſich kreuzend auf dem Teich, 


Web, wenn mir auf den Leib jeht ein Gerippe rüdte, 
Zum Spiel in feinen Arm, den knöchernen, mich drüdte, 
Wenn, fpottenb meiner Angft, ein fhwarzer Nekromant 
Sin feinem Thum, von dem um Mitternacht er blidte, 
Mid band’ und bielte feft ans Glodenfeil gebannt! 


Thu auf Dein Fenfter!... Nein, laß mich nicht vor der Pforte, 
Sonſt ſuch' ein altes Neft id mir zum Ruheorte, 

Und mit Eidechſen ſchlag' ih Schlachten, bis es tagt. 

Thu auf, mein Aug’ ift Har, und fanft find meine Worte, 
Wie die, die feinem Lieb ind Ohr ein Ritter fagt. 


Ob, ich bin hübſch!l... Ah, daß Tu ſchauteſt meine Schwingen, 
Wie ihre Strahlen mit dem Licht des Tages ringen, 

Weiß, wie die Lilie, die mich birgt in füßer Gruft, 

Um all die Farben, die die Glieder mir umſchlingen, 
Beneiden Rofen mid, um meines Odems Duft. 


827 


Wie ſchoͤn ich bin, — das mag ein lichter Traum Dir fagen, 
Ya, Ihön: Du magft darnad nur mein Sylphidchen fragen, 
Plump jheint der Kolibri, ver Falter haͤßlich gar, 

Zieh ih von Kelch zu Held), wo meine Schlöfler ragen, 

m koͤniglichem Shmud, mit Perlen in dem Haar, 


Mid friert, die Nacht ift kalt, o laß bei Dir mic wohnen! 
Könnt’ ih Thauperlen doch und goldne Blumenkronen 
Dir bieten, daß Du mir vergönnft den Heinften Platz. 
Doch ach, ih babe Nichts, und Du bift ohne Schonen: 
Denn jede Sonne gibt und nimmt mir meinen Schag. 


Was fol ih Dir dafür im Traum für Gaben bringen? 
Den Gürtel einer Fee, lihtweiße Engelfhwingen? 

Mit allem Reiz des Tags verkhön’ ich Deine Nadıt. 

Und träumen wirft Du bald von himmliſch hehren Dingen, 
Bald wird ein Liebestraum Dich koſen lind und facht. 


Doch ah, mein Athem trübt umfonft die feuchte Scheibe. 

O Jungfrau, fürdteft Du, ein ſchlimmer Freier treibe 

Sich um Dein Schloß herum und red’ ala Sylphe kühn? 
Ad), änaftlich bin ich, ſcheu, bang, gleich dem Ihwächften Weibe, 
Bor meinem Schatten, hätt’ ich einen, würd’ ich fliehn.“ — 


Er weinte. — Bor dem Thurm mit morſcher Mauertrone 
Ließ eine Stimme fi in geifterhaftem Zone 

BVernehmen ... Sicher iſt's ein Geift, der ftöhnt fo leis. 

Die holde Dam’ erſchien auf gothiſchem Baltone. 

Wem bat fie aufgethban? Dem Sylphen wohl? — Ber weiß? 





⸗ 


Die Gropmatter. 


To die, — to sleep. 
Shakespeare, 


—— 


Dritte Ballade, 


u Bcläfft Du, Großmutter?... D wach’ auf! — Die Lippen beben 
Sonit immer Dir im Schlaf: — heut Abend, welch Gefidht!... 
Zu beten ſcheinſt Du fonft dem Schlummer bingegeben; 

Wie ein Madonnenbild von Stein erſcheinſt Du eben ; 

Es ftodt des Odems Hauch, die Lippe rührt ſich nicht. 


Wir ſehn ſo tief herab heut Deine Stirn ſich neigen: 

Was thaten wir? Was iſt's, was Deine Lieb’ ung fabl? 

D fieh, die Lamp’ erblaßt, und Rau und Funken fteigen 
Aus dem Kamin. Wenn Du verharrft noch lang im Schweigen, — 
Licht, Feuer, und wir zwei, wir fterben all zumal. 


Dann beim erlojchnen Licht wirft Du entjeelt uns finden, 
Wie wirft Du dann erwacht ausftrömen Deinen Schmerz! 
Dann wird auch Deine Klag’ die Zung’ uns nicht entbinden; 
Bis Deiner Arme Drud fie wiederum empfinden, 

Mupft Deine Kinder lang Du prefien an Dein Herz. 





329 


D gib uns Deine Hand, daß wir ihr Wärme fchenten, 
Das Lied vom Tronbadour, von Kampf und Krriegsgefahr 
Sina’ uns, von Nittern, die, beihüst von Feenhänden, 
Als Strauß der Dante, die fie lieben, Fahnen jenden, 
Und deren Kriegsgeſchrei ein theurer Name war. 


Erzähl’ uns von dem Kreuz, das Zeufeln krümmt den Rüdın, 
Bom Mönd, der Lucifer ſah durch. die Lüfte ziehn, 

Bon den Rubinen, die den Gnomenfürften ſchmücken, 

Ob böfe Geifter mehr vor Rolands Schwert fi büden, 
Dem blanlen, oder vor den Bfalmen des Turpin. 


Beig’ uns die Bibel, all die fremden fhönen Weien 

Im Bild, die Heil’gen blau, den Himmel goldig licht, 
Das Jeſuskind, den Stall, und was barin geweien, 
Die Weifen, Stier’ und Kripp', und lehr’ ein wenig leſen 
Uns mit dem Finger, was mit Gott von ung fie ſpricht. 


Großmutter!... Sieh im Herd die Funken, die verwehten, 
Die Schatten tanzen rings, verglommen ift das Licht: 

D Gott, wenn Geifter jetzt berein zur Thüre träten! ... 
Wach' auf, Großmütterchen, bör’ auf, bör’ auf zu beten, 
Du, unfer Hort, Du willſt uns doch erjhreden nicht ? 


Dein Arm, wie lalt! — Willſt Du nicht auf dag Auge ſchlagen? — 
Jüngſt ſprachſt Du von der Welt, die über uns fich neigt, 
Vom Himmel, und vom Grab, von raſch verblühten Tagen, 
Du ſprachſt vom Tode... Willſt Du nicht vielleicht uns fagen : 
Der Tod., was iſt denn das? — Antwortel— Weh, fie ſchweigt.“ — 


330 


- Die Kinder hatten Zeit, allein ſich auszuweinen, 
Die Alte ſchläft und fieht den Morgen nit erfcheinen 
Der Leichenglocke Klang hört man die Puft durchziehn. 


Ein Wandrer, der vorbei ging Abends an ver Stätte, 


Sah nor dem heiligen Bud und vor dem leeren Bette 
Die beiden Kinder noch inbrünftig betend knien. 


1833, 


— — — — — 


331 


An Erilby : den Kobold von Argyle. 


Ahr Schatten, ihr geſchwinde, 
Die ihr, wie Haud der Winde, 
Im Flug die Welt durchſchwebt, 
Durch alle Lüfte ſchweifet, 

Und grüne Bäume ftreifet, 

Daß leid dad Laub erbebt! 


D haltet hoch ein Wellen: 
Ich fihent' euch Nellen, Veilchen 
Und Lilien, weiß und rein, 
Die ſchönſten, die hier ſproſſen, 
Auch Rofen, kaum erichloffen , 
Reſeden obenbrein. 

Altes Lieb. 


Bierte Ballade. 


Bu, Koboldchen? — Sei willlommen! 
Auf dem Abendfonnenftrahl 

Kamft Du wohl herangeſchwommen, 
Und umbaudft mid) noch einmal, 
Kofeft mid), und Funken jpringen 

Dir von den bewegten Schwingen, 
Und fie rauſchen und fie Klingen, 

Wie ein Lied im Ritterſaal. 


Dit hat Deine filberbelle 
Stimme mir den Bram verfüßt. 
Hier in meiner ftillen Belle, 
Schöner Trilby, fei gegrüßt! 





338 


Komm! Doch wirft Du nicht bier innen 
Schädern mit den Schifferinnen, 

Die Du oft in loſem Minnen 

Auf den nadten Hals gelüßt. 


Störft Du auf aus feinem Frieden 
Meinen Hausgeift? Schleihft Du ſacht 
Meinen Feen und Sylphiden 

Nach, die oft mit mir gemacht, 

Die mit lofem Flügelihlage 

Mir verſcheuchen Schmerz und Klage, 
Hochgedanken mir am Tage 

Bringen, füßen Traum bei Naht? 


Wilft Du fhauen die Undinen 

Mit des Binfengürtel3 Bier, 

Meine Zwerge, die mir dienen, 
Plaudernd gern, doch nur mit mir? 
Willſt Du meine Gnomen weden, 
In der Luft die Geifter fchreden, 
Meine Grabgefpeniter neden, 
Pochend leis an ihre Thür? 


Ah, entflieht! — Die theuern Bäfte 
Sind nit mehr in meinem Haus, 
Fluchend aus dem trauten Neſte 
Trieben fie die Geiſter aus. 

Mein Undinden fah ich fegeln 
Fluchtig, wie vor grimmen Bögeln, 
Meine Fee -geipannt mit Nägeln 
Neben meine Fledermaus. 


333 


Meine Zwerge, vor dem Zorne 
Jener Mörder ſcheu und bang, 
Wagen's nicht mehr ihrem Horne 

Bu entloden fühen Klang. 

Meinen Zauberhof, die lieben 
Sylphen ſah ich all zerftieben. 
Goldner Schwingen find von Dieben 
Sie beraubt durch ſchnöden Yang. 


Flieh’ auch Du vor ihrem Grimme, 
Fürchte mehr noch dies Geſchlecht, 
Als die bundertjäbr’ge Stimme, 
Die einft Dougal hat gerächt, 
Defien rauhummallte Hütte, 

Denn die Nacht erreiht die Mitte, 
Hört am Ufer Fingal's Schritte 
Dur der Wogen wild Gefecht. 


Wer von Deinem Berg bernieber 
Dich gebracht in dies Revier, 

Ihm gefungen ihre Lieber 

Hat die Hoffnung einit, wie Dir. 
Frankreich, feine Mutter, fchaute, 
Wie er im Eril ergraute, 

Gleich Homer, und uns erbaute 
Mit des Liedes holder Bier. 


Spielend jeyt um Blumenbeete, 
Ernſt ſodann und traurig gar, 
Liebt der Dichter Feljengräte, 

Die umfchwebt der kühne Aar, 





pr 


834 


"Weller Blumen letztes Düften, 


Meteore hoch in Lüften, 
Glocken, klagend über Grüften, 
MWenn fich nieverjentt die Bahr. 


Wuüſten liebt er, ſchrankenloſe, 


Mo ihm Nichts den Schritt verwehrt, 
Zu entgehn dem Stlavenloofe, 
Fürchtet er nicht Dold noch Schwert; 
Wo nur Unterdrüdte fchreien, — 
Ihrem Dienfte fi zu weihen, 

Sie zu retten, zu befreien, 

Das iſt's, was fein Herz begehrt. 


So ift Nodier, der Dichter! 

Geb, und fag’ im Freundeston, 
Daß mir bangte, Böjewicter 
Könnten Dih und ihn bebrohn. 
Sag’ ihm, gut foll er Dich wahren, 
Scherz ihm weg von feinen Jahren, 
Kof’ ihn, trau’ ihm in den Haaren, 
Bis er trinkt des Schlafes Mohn. 


Willſt Du Abenteuer fuhen? 

Meide Deiner Feinde Spur, 
Trilby, daß fie Dir nit fluchen, 
Wie mein Sylphe dies erfuhr. 

dingen fie Di, ha, fie ftrahlten 
Hoch vor Freude, jauchzten, prablten, 
Und Dein Kleid mit Dinte malten 
Sie, den Mantel von Azur, 








335 


Tanzen müßteft unter Faunen 
Du, — bedenke, was Dir droht! — 
Unter Satyrn, graw und braunen, 
Und Sylvauen, frech und roth, 
Zottig, mit beſchmutzten Waden, 
Die Dich ein zum Tanze laden 
Mit verrunzelten Najaden, 
Schon zweitauſend Jahre todt. 
April, 1825, 








Der Riefe. 


Die Wollen des Himmels ſelbſt baben Furcht. ich 
möchte kommen und meine Feinde in ihrem Schooße 
juchen. . Montenabbi. 


— — — — 


Fünfte Ballade. 


Das Land der Ballier bat, ihr Krieger, mich geboren; 
Wie einen Bach durdfchritt mein Urahn ſchon den Rhein. 
Die Mutter wuſch mir einit mit Norbpolfchnee bie Ohren, 
Mein Vater hatte mir,als Kind zur Wieg' erloren 

‘ Ein dreifach Bärenfell, da ſchlug er mich hinein. 


Start war mein Vater einft. Jetzt kommt des Alters Plage, 
Die Stirn ift runzlig, grau liegt nun fein Haar umber, 
A iſt er, allzu ſchwach, jo hoch fein Wuchs auch rage, 
Und Eichen reißt zum Stab für feine alten Tage 

Er aus dem Boden jebt nur ſchwer. 


Sch tret’ an feine Statt, ich erbe feinen fpigen 

Wurffpieß, fein Beil, fein Vieh, den Bogen, — Alles nimmt 
Des Niefen ftärkrer Sohn, ih, der den Fuß zu ftüßen 

Vermag im Grund des Thals und auf dem Berg zu fiten, 
Und der mit feinem Haud die fernen Bappeln krümmt! 


337 


Als Süngling hab’ id kühn die Alpen überftiegen, 

Ich iprang von Fels zu Feld, an meinem Haupte fand 

Die Wollte, wie am Berg, ein Hinderniß im Fliegen, 

Auf Adler lauert’ ih, die body im Blau fi) wiegen, ° 
Und fing im Flug fie mit der Hand. 


Ich rang Mit Stürmen, fuhr vorbei der Blig, der free, 
Blies ib, und er erloſch auf feiner Bidzadbahn, 

Sagt ich Ben Wallfiich vor mir her, der ganze Bäche 
Ausfpie, dann that weit auf ſich mir des Weltmeers Fläche, 
Und fpielend wühlt’ ich's auf weit mehr ala der Orkan. 


Ich ſtreiſt' und jagte weit umber in allen Landen,  °” 

Den Sperber in der Luft fing ih, im Meer den Hai, 

Den Bären drückt' ich todt in meiner Arme Banden, 

Die weißen Zähne, die dem Luchs im Rachen ftanden, 
Schlug' ih oft, Winters, ihm entzwei 


Ergoͤtzen mochte wohl ſolch kind'ſches Spiel den Kleinen. 
Sept lieb’ ich nur den Krieg, die heiße Männerſchlacht, 
Den Fluch der Mütter, die um die Erſchlagnen weinen, 
Soldaten, die vor mir_im Waffenihmud eriheinen, 
Und durch Alarmgefchrei mich weden in der Nacht. 


Staubwirbel, Kampfgewühl, — e8 fprist das Blut im Yagen, 
Es bäumt und wälzt dahin wildbraufend fih das Heer, ” 
Ich vede mich, es kommt im Sturm dahergeflogen, 
Und wie der Cormoran fi in empörte Wogen, 
So ftürz’ ich mid ins blutge Meer. 
, Hugo’s ſammtl. voetiſche Werte. IL 22 





338 Be | 
Wie unter Garben fteht ein Schnitter, unter Leichen 
Hoch aufgeihichtet, fteh’ ich aufrecht, body und ſtramm. 
Men Shlahtruf übertönt der Feinde Schrein und Keuchen, 


Und meine Faust zerichlägt mit ſchweren Hammerftreihen 
Den Panzer leichter, ala ein Inotiger Eichenftamm. 


Nadt geh’ ich ftet3, won Kraft und Raufluft brenn’ ih, glübe, 
Des Krieger lady’ ich, der in Erz und Eifen klirrt, 

- Den Speer von Eſche trag’ ih, wenn ind Feld ich ziehe, 

Und meinen leiten Helm, den zögen ohne Mühe 

Fünf Ochſenpaar, ind Joch gefchirrt. 


Weg, ohne Leitern, wie fie ſich auch mögen ſchirmen, 
Nehm’ ich die Velten, brech’ entzwei das Kettenband 

Ser Brüden, beiler Tann ich al3 ein Widder ftürmen, 
Ich ringe, Leib an Leib, mit hohen Feſtungsthürmen, 
Die Gräben füll’ ih aus mit Mauerſchutt und Sand. 


Und werd’ ich einft, ih, der fo Viele ſchlug, erſchlagen, 
Laßt meinen Leihnam nit den Raben, fharrt mic ein 
Im Schooß der Berge, die hoch in die Wollen ragen, 
Dann wird der Wandrer, ſchaut er auf zum höchſten, fragen : 
„ver bier wird feine Gruft wohl fein!" — 
März, 1825. 


; 


339 


an 3.4. 


Des Paukenfchlägers Kraut. 


Süß iR ver Kob ben glücklich Liebenden 
Dedported, Sonett. 


— J—— 


Sechste Ballade. 


„Es rief der Herzog der Bretagne 

Im ganzen Lande, Mann für Mann, 

Bon Berg und Thälern, von Mortagne 

Bis Nantes, zur blutigen Campagne 
Zufammen feinen Heeresbann. . . 


Herrn find’s von abligem Gejchlechte, 
Die borften auf der Berge Kamm, 
Barone, Helden im Gefechte, 
Schildtnappen, Reiter, Waffenknechte, 
Und Einer iſt mein Bräutigam. 


Nach Aquitanien mitgezogen 

Iſt er ala Pauler. Niedern Stammes 
Trägk er das Haupt doch nicht gebogen, 
Als Kapitän wird er gewogen 

Sn feinem goldgeſtickten Wamms. 


# 


Ps 


840 ‘ 


Seitdem war meine ftete Bitte: 
OD Scugpatronin, meine Noth 
Sieb an, o heilige Brigitte, 
Bewache jeden feiner Schrüte, _ 
Damit fein Unglüd ihn bebrobt.” 


Ich ſprach zu unftem Abt: „Lab Deine 
Fürbitte frommen unfrem Heer!“ 

Und da er hold’ dem Kerzenſcheine, 
Ehrt' ih Sanct-Gildas’ Heil'genbeine 
Durch drei Wachskerzen groß und ſchwer. 


x 


Und in Loretto Unfrer Frauen 

Hab’ ich gelobt in meinem Schmerz, 

Bu tragen von dem Hut, dem grauen, 
Dez Pilgerd Muſcheln; mit Bertrauen 
Drüd’ insgeheim id) fie and Herz. . 


Mit zarter Botſchaſt konnt’ er laben 
Mid nicht vom fernen Lagerwall, 
Ah, die Vaſallin hat, um Gaben 
Bu wechſeln, keine Evellnaben, 
Und feine Anappen der Vaſall. 


“ 


Roc heute kehrt er aus dem Kriege nr 
Mit unfrem gnäd’gen Herrn zutüd, 
Er bat fein gutes Theil am Siege, 
Wenn ich ihm froh entgegen fliege, 
Beflügelt Stolz mich auf mein Glüd, 


341 


Den Fürften, der vom fernen Drte 
Mit dem zerrifinen Banner kam, 
Seht ihn, dort, bei der alten Pforte, 
Gie kommt, die glänzende Escorte, 
Der Herzog unb mein Bräutigam.. 


Wie er, fo glänzt kein andrer Streiter, 

- Seht, wie fein Rob er fpornt und drüdt, 
Das in Schabrafen prangt, und weiter, 
Eid) Ihüttelnd, wiebernd, trägt den Reiter, 
Mit rothen Federn body geſchmückt. 


Eilt, Schweitern, fommt von allen Enden 
Gepugt, und feht ihn, ſtolz umringt 

Bon feinen Pauken, bel zum Blenden, 
Die fehmettern unter feinen Händen, 
Daß body das Herz vor Freuden fpringt. 


Ihr werdet jehn Ihn jelbft vor Allen 
Im Mantel, den ich ihm vordem 
Geftidt. Mein Held wird Euch gefallen; 
Den Helm, den Pferdehaar' ummwallen,, 
Zrägt jtolz er, wie ein Diadem. 


Bwar die Bigeunerin — mich ſchmaͤhlen 
Muß ih, daß ich fie hört! und frug, — 
Sie. ſagte: — „Gott fei unfern Seelen 
Barmberzig! — Einer werde fehlen, 
Ein Bauer „ in. dem Siegeszug.” 


342 


Gott wird ja hören mein Verlangen! 

Zwar zeigte mir ein Grab im Frei'n, 

Wo Schwarze Schatten ihn umfangen, 

Die Alte mit dem Blid der Schlangen, 
Und ſprach: „Dort wart’ ich morgen Dein!“ 


Dod fort mit allen Grabgedanten! — 
Ich böre trommeln! Fort! Geſchwind! 
Ich ſehe Damen, Blumenranten, 

Und PBurpurzelte luftig ſchwänken 

Und Fahnen fliegen hoch im Wind, 


Boran die Pikeniere jchreiten 

Langſam, als gingen fie im Leid, 

Das Banner fah’ ich dort fich breiten, 
Dort iſt's, wo.die Barone reiten 

Mit ſammtner Mütz' und feidnem Kleid. 


Im Meßgewand die Priefter ragen, 
Auf weißem Roß der Herold ftrahlt , 
° Ein jeber ftolz im fteifen Kragen, 

. Die Wappen ihrer Herrfchaft tragen 
Sie auf dem Bruſtſchild fchön gemalt. 


. Seht in der Berfer-Rüftung bligen 
Die Templer, Männer edlen Stamms, 
Die. ſich auf Bartifanen ftügen, 

Dort die Laufanner Bogenſchützen 
Im GEijenlleid und Büffelmanmms, 








, " 343 
Des Herzogs Banner ſeh' ich wehen, 
Dort Grafen, Ritter, Cavalier’ 
Und die eroberten Trophäen, - 
Standarten, die fih nicht mehr blähen, 
Und bier bie Bauer, Schweitern, bier!,..* 


„Sie ſprach's und bohrt’ in das Gebränge 
Den irren Ali, und wo fie fei, 

Sie wußt' es nicht, ihr ward jo enge, 
Sie ftürzte mitten in der Menge... 
Der Bug der Pauker ging vorbei. 

- Ditober, 1825. 


— — — 


ex. 


Bir Schlacht. 


Die Heere ftoßen auf einander, ſchrecklich if ver Um 
prall, ſchrecklich find die Gtreiter, fchrediich die Wanden. 
ſchreqlich dad Gemetzel. @Bonzalo Berceo 

die Schlacht bei Simancas. 





Siebente Ballade. 


Bir, geh nicht diefen Weg! — Sieh dort im Thale wogen 
Zwei dichte Lanzenreihn, entgegen kommt gezogen 

Die Schaar der Schaar, wo breit fi bin die Ebne zieht, - 
Da halten fie, bereit, wenn, die ich glübend haſſen, 

Die Führer winken, ſich ergrimmt beim Schopf zu faſſen. 
Hör ihr Geſchrei ... Du fährft zurüd? — Das ift ihr Lied: 


„NRaubvögel, ſchüttelt das Gefieder, 

Yar, Geier, Rabe, fommt zumal, 

Stürzt Treifchend auf das Feld euch nieder, 
Sept euh zum fetten Leichenmahl. 

Den Feind wird unfer Schwert ververben, 
Und mit dem Tage foll er fterben ! 

Vom Abenppjalm der legte Ton 

Berballt im Heer des Yeindes eben, 

Und unfer Briefter hat gegeben 

Den Segen feinen Kriegeru ſchon.“ 


35 


&onan, der Ballier Fürſt, und Halbert, der Rormänne, 
Stehn gegenüber fi mit ftartem Heeresbanne, 
Normannen find behenv, die Gallier find voll Gut, 
Stolz ziehn die Einen auf, die blanke Panzer deden, 

Die Andern fegen, um die Feinde zu erichreden, 

Wolfsrachen und Gebiß fih auf den Kopf als Hut. 


„Was kümmert ung der Wittwen Heulen, 
Und was der Maifen Web und Ad? 
Die Arme, blutig und voll Beulen, 

Dir waſchen morgen fie im Bach. 
Berbrennt die Zelte, fchließt die Reihen, 
Entfegen in die Ohren jchreien 

Soll unjer Horn dem fremden Dann, 
Die Feinde mögen rings fidy breiten, 

Die Furche, die fie überfchreiten, 

Gaͤhnt wie ein offnes Grab fie an.” 


Des Hornfignal erihballt. Dez Staubes Wollen rollen, 

Der kurze, raſche Schritt bröhnt, wie des Donners Grollen. 
Zwei ſchwarzen Roſſen gleich, wild knirſchend, rieſengroß, 
Zwei Büffeln gleich im Thal, die auf einander plumpen, 
Bufammen prallen bier die beiden Eijentlumpen, 

Und Stirn an Stimm zerjchellt durch den gewalt'gen Stoß. 


„Ihr Krieger auf, die Schwerter blinten, 
Kennt, bauet zu in edlem Zorn, 

Es blafen die Normannen-Binten, 

Und mädtig ſchallt das Sachſen⸗Horn. 

Schlagt zu, ihr Schwerter, breit euh Bahnen, 
Ihr Spiehe, Beile, Partiſanen, 


346 


Ihr blut'gen Dold’ in flinfer Hand, 
In der zerſchlagnen Panzer Riten 
Dringt ein mit mörberijchen Spitzen, 
Wie Dornen Scharf im Aderland !” 


Mo ift die Sonne? — Roth ift fie und flammenſprühend, 


Von Rauch ummallt, ein Schild, in heller Lohe glübend, 
Im blut’gen Dampfe bligt das Erz. Des Thales Grund 
Gleicht einer Efie, die aufflammt in wildem Strahle 

Und tost, ala hätte juft ji) dort mit einem Male 

Weit klaffend aufgetban der rothe Höllenjchlund, 


„Und weiter rast das Spiel der Neden, . 

Sie raufen ih in grimmer Wuth, 

Und mordend mwaten ohne Schreden ‚ 

Sie über Leichen tief im Blut. 

Mari, vorwärts, vorwärts ohne Zaubern, 

Die Roſſe ſchäumen, fteigen, ſchaudern, 
Wenn in die Bruſt von Erz zumal 

Wurfipieße, Lanzen, Schwerter dringen, 

Es klirrt mit ihren Panzerringen 

Zufammen laut der blanfe Stahl.“ 


Cin wüftes Chaos iſt's von Waffen, Menſchen, Roffen, 
Die Sallier ftürzen fih, vom blut’gen Fel umſchloſſen, 
Wild in die Speere, ftolz verachtend die Gefahr. 

Mo ihre Todten ruhn, todt liegen die Gejellen, 

Und fie umzingeln rings, als wären’3 Citadellen, 

Auf hoben Hengften die normanniſche Reiterſchaar. 





347 


„Wem Schwert und Dolch und Lanze braden, 
Der kämpft mit Nagel und mit Zahn, 

Um zu entgebn dem offnen Rachen 

Der Wölfe, die fi gierig nahn. 

Nur niht Gefangener! Nur niht SHave! 
Und gilt's zu fterben, fterbt als Brave. 

ALS Brüder fterben wir zumal! 

Und wird e8 morgen wieder tagen, — 

Aus unfern blut’gen Fäuften ragen 

Soll noch der Stumpf von unfrem Stahl!“ 


Komm, Hirt! E3 fintt die Nacht, des Blutes Wogen Ichwellen, 
Aus Helm und NRüftung fprühn die Funken auf, die bellen, 
Die Roſſe fliehn entjegt nach ihres Reiters Fall. 

Komm, lafien wir das Werk des Mordens fie vollenden! 

Die wilden Menſchen mit den blutbefledten Händen, 


Db Sieger oder todt, fie ruhen morgen all. 
September. 182%. 


— — — 


An Sonis Bonlanger. 





Die beiden Schügen. 


Dames, oyez un conte lamentabie. 
Baif, 
Ihr Damen, hört die Mägliche Geſchichte. 





Achte Ballade. 


(is war die Zeit, wo ſchwarz die Nacht und voller Schreden, 

Wo man bei jedem Schritt meint Geijter zu entdeden, 

Bom Herenjabbath ber noch trunkenes Gezuͤcht, 

Der Augenblid, wo fein Gebet der Wandrer endet, 

Und aus dem dunkeln Forft ſich nad ber Lichtung wendet, 
Die Stunde, mo man leife ſpricht. 


Im Grund des Thales gehn zwei Schligen, tief im Schweigen, 
Tort, wo ihr einen Thurm feht in die Höhe fteigen, 
Den in der Zeit, wo man noch zog ins heilge Land, 
Einft in drei Nächten bat ein Eremit errichtet, - 
Der Steine durd fein Wort zur Mauer aufgejchichtet, 
Des Kreuzes Zeichen in der Hand, 


Hier iſts, mo aus dem Stein die Schügen euer weden, 
Ihr Mahl bereiten fie, vor Geiftern ohne Schreden, 
Sie legen ab ihr Horn, fie fegen Beide bin 


349 


Sich auf.ein Heif’genbild, roh aus Granit geftaltet, 
Die Stirne tief im Staub, die Hände feſt gefaltet, 
Als wär's ein Beter auf den Knien. 


Und aufden Thurm, den Wald, ven Berg, den Teich der Unten 
Warf ihres Feuers Glut phantaſtiſch grelle Funken, 
Die Eulen fuhren aus den Mauern auf, den grau’n, 
Beim Herenfabbath muß e3 Fledermäuſe geben, 
Die Flammen fliehn zurüd, die flatternd fie umfchweben 
Mit Ihren ſchwarzen Flügelllau'n. 


Der ältre Schüge fprad) zum üngern unter'm Raften: 
„Trägft Du Dein hären Hemd?" — „‚Hältft Du denn Deine 
s ü Faften *'* 
So ſcherzen hoͤhniſch fie und ihr Gelächter ſchallt. 
Da bören plöglich fie von Fern ein andres Lachen ; 
Das Thal war 5b und leer, das Dunkel tief. Sie ſprachen; 
Es lacht das Echo nur im Wald!“ 


Da kriecht ein Seuerftreif mit bläulich grüner Flamme 

Im Bidzad windend ſich bin auf dem Hügellamme; 

Sie laden abermals mit lautem, frechem Schall, 

Ins Feuer werfen fie noch Aeſte dürrer Eichen, " 

Und ſprechen: „Siehe da den Widerſchein, ven bleichen, 
Der Glut im nahen Waflerfall!* 


Was war das Eho? — Mag fein Kreuz bier Jever maden! — 
Des Teufels Stimme war's, vom Berg herab fein Laden, 


Der bleihe Schimmer war's, der Lucifer umſchlingt, 
- Der blaue Schwefeldunft in mitternädt’ger Stunde, 


Die jahlen Ylammen, die er aus dem Höllenichlunde 
Im böfen Traum vor’ Aug’ uns bringt. 


350 


Wie das gottlofe Paar hohnlachend fo fi) freute, 

Da rannt’ er wie ein Wolf herbei nad feiner Beute, 

Und zu den Schügen flog fein Feuerauge bin: 

— ‚3a, ladt und läftert nur! Ich will die Luft euch dämpfen! 

Bald foll mir euer Mund in fhmerzbaft wilden Krämpfen 
Zum Zähnellappern fih verziehn!“ 


Und in der Aſche war am Morgen drauf zu ſchauen 

Die Spur von einem Yuß, breit, mit gefpaltnen Klauen. 

° Den ganzen Tag war’3 öd im Thal, und Alles ſchwieg. 

Ein Hirt um Mitternadht, der ſchaute nach der Stelle, 

Sah irrer Flaͤmmchen Glut, die ſtrahlt' in blauer Helle, 
.Doch nicht hinauf zum Himmel ftieg. 


Und wie am Boden bin er ſah das Flaͤmmchen wallen, 
"Ein langes Lachen hört’ er durch das Duntel jhallen, 
Bor Schauer zitternd ftand der Hirt in finftrer Nacht. 
Den Satan fah er nit, er fah nicht die Verdammten, 
Den Schlund der Hölle nicht, in ber die Armen flammien 
. Und beulten, meil fie frech gelacht. 


So fieht man jede Naht am Berg, befränzt mit Eichen, 

De Flämmchen funleln und dahin am Boden fchleichen, 

Die Eulen fahren aus den Mauern auf, den grau’ n, 

Beim Herenfabbath muß es Fledermäuſe geben,- 

"Die Flammen fliehn zurüd, die flatternd fie umſchweben 

Mit ihren Ihwarzen Flügelllau’n. . 
a, Rinder, eh’ den Berg des Morgens Strahlen roͤthen, 

des Himmels Thau die Flamme nicht zu tödten, 

Wenn unter Bligen auch der Regen ftrömt ins Thal, 


fr 351 


Das Lachen überfhrie den Donner, wenn er grollte, 
Die Flamme drehte fih vom Staub empor, als wollte - 
Umfchlingen fie bes Himmels Strahl 


Einft ward, in bunfler Nacht, bewegt das Steingebilde; 
Der Heilige ftand auf, der Skapulier:umbüllte, 

An feinem beil’gen Stab vortrat er Schritt für Schritt. 
Der Hölle Gauleljpiel, er wußt' es zu bezwingen, 

Er öffnete den Mund: „Herr, laß e8 mir gelingen !* 
Und bob die Arme von Granit. 


Berihiwunden war der Spud, die Flämmchen und das Lacher, 
Die todten Schügen fand man Morgens, beim Erwaden 
Der Sonne, fitend auf dem heil’gen Steingebilo. 
Man legte fie ins Grab, zur Mefie für die Seelen 
Gab dann drei Denier’s, wie die Chroniken erzählen, 

Der Herr des Dorfes, fromm und mild. 


Birgt eine Lehre wohl die heilige Geſchichte? — 

Nicht richten foll man fie, nur Glauben führt zum Lichte. 
Doch, ah, wer glaubt denn noch? Die Zeit ift längft dahin. 
Des halben Glaubens nur ift alle Welt beflifien, 

-Und, blind und eitel auf ein nichtig hohles Willen, 


Liegt Niemand mehr auf beiden Knie'n. 
. Juli, 1825. 


Höre mic, 0 Magdalene! 


Pour ce aimez-moy , 6vependant qu'ostes belle. 
Ronsard. 


Drum liebe mich, fo lange fhön Du bi. 
‘ 


— — — 


+ 


Neunte Ballade, 


Bir mih, o Magdalene! 

Mit dem erften warmen Yöhne 

Iſt der Winter raſch entflohn. 

Komm mit mir zum Wald! — Nah Beute 
Sagen ferne meine Leute; 

Denn fie lodt des Jagdhorns Ton. 


Komm! — Heut Naht ?o Magdalene, 
Daß er buldigend Dir fröhne, 

Hat der Lenz, der Blüt' und Dorn 
Schentt ven Rojen, Dir zu Ehren 
Blumen ausgeitreut und Aehren 

Aus dem reichgefüllten Horn. 


Mär’ ih, bolde Magdalene, 

Dod Dein Lämmchen, weiß, wie Schwäne, 
Dem im Flaum Dein Finger fraut, 

Ad, der Bogel, der fo gerne 

Fliegt herbei, wenn in ber Ferne 

Ihm ertönt Dein füßer Laut! 


353 
Mär’ ich doch, o Maddalene, 
Eremit in Tombelaine, 
Jener, der Dich beichten hört, 
Wenn aus Deinem keuſchen Munde 
Er vernimmt die ſchwere Kunde, 
Wie die Sünde Dich bethoͤrt. 


Wär’ ih doch, o Magdalene, 
Nur das Auge der Phaläne, 

Die, wenn ſich Dein Köpfchen legt, 
Nachts, zur Stunde der Gefpenfter, 
Mit den Flügeln an das Fenfter 
Deiner ftilen Zelle fchlägt,.... 


Wenn Dein Bufen, Magdalene, 
Raſch, damit er frei ſich dehne, 

Sich vom ſchwarzen Sammt befreit, 
Wenn, um Dich nicht nackt zu ſchauen, 
Du, die Krone der Jungfrauen, 

Auf den Spiegel dedit Dein Kleid! 


Wollteſt Du, o Magdalene, 
Unfrer Slen befte Söhne 

Dienten Dir als Bagen gern, 

Mit Sammtdeden überhangen 
Würde dann Dein Bettpult prangen, 
Himmliſch glänzend, wie ein Stern. 


Wollteſt Du, o Magpalene, 

Daß ein Diadem Dich fröne, 

Statt des Huts mit Rosmarin, 
8. Hugo‘) fümmtl. poetiſche Werte. IL 


354 


Mebr als Grafen und Bone 
MWärft Du, eine Berlentrone 
Trugſt Du, eine Königin. 


Wollteft Du, o Magdalene, 
Wärft Du, — was ich heiß erjehne, 
Mein, — Graf Royer’s Ehgemahl. 
Folge mir, verlaß die Heerbe, 
Sonft, wenn Du es forberft, werbe 
Shäfer id mit Dir im Thal. 


September, 1825. 


Einem Wanderer. 


. Ber am UAbend fpät 
Übentenern gebt 
Am Raine, 

Hüte ih, daß nicht 

Saltend er ich bricht 
Die Beine. 


Dunkel Meer und Strand, 
Nebel decken Sand 
Unb Steine. 
Keine Hütt’ erfpäht 
Ihr, fo weis ihr ſeht, 
Richt Eine. 


Diebe ſchleichen ſacht. 
Nehmen Dir bei Nacht 
Das Deine. 
Dft in Sumpf unb Dorn 
Führt der Feen Zorn 
Im Heine. 
Meid' ihre Waldrevier, 
Und begegnen Dir 
Wird Keine. 
Geifter ziehn nicht Heim 
Nachte, fie tanzen beim 
Mondenſcheine. 
Das Nacrenlieb. 


— — 


Zehnte Ballade. 


G Wandrer, der Du Nachts mit Deinem treuen Hunde 
Krach einem heißen Tag noch magft bed Weges ziehn, 
Wohin doch reiteft Du in dieſer fpäten Stunde? 

Bo führft Du heute denn Dein müdes Pferb no bin? 


356 


Kat iſt's! — Und fürchteſt Du nicht diebiſche Geſellen, 
Die in dem Gurt den Stahl ſich in den Weg Dir ſtellen? 
Nicht alte Wölfe, die hervor aus Buſch und Baum 

Mit jäbem’Sag, und wenn auch lichte Funken fprängen 
Vom Huf des Roſſes, ih Dir an den Sattel hängen, 

Und beißen in Dein Fleiſch, daß Blut ſich mifcht und Schaum? 


Und bangt Dir nicht, daß Dich die Nachtkobolde neden, 
Die dehnend unterm Yub des Weges Länge ftreden? 

Du glaubft ein Schloß zu fehn, und Fenfter, bell erglüht 
Im ſchönſten hellſten Glanz erſcheint es Deinem Ahnen, 
Du fiehft im Hofe ſich ergehn die Goldfaſanen, 

Du gehſt dem Schimmer zu, — ber ftet? zurüd fich zieht. 


Bleib fern dem Orte, wo die Heren Sabbath halten, 
Wo ih im Tanze drehn daämoniſche Beftalten, 

Den Mauern, gottverfluht, durch Teufelsſpuck entweibt, 
Dem Zauberſchloß, erbaut durch finftre Hoͤllenmaͤchte, 
Das, öd am bellen Tag, die Finfterniß der Nächte 
Erhellt mit rothem Glanz der Scheiben weit und breit. 


D Wanbrer, der fo raſch Du mit dem treuen Hunde 

Nah heißem Tage magft bei Nacht des Weges ziehn, 

Wohin doc reiteft Du fo fpät noch, in ber Stunde 

Der Roft, wo führft Du heut Dein mübes Pferd noch bin? 
Ottober, 1985. 


857 


An Sonis Bonlangır. - 


— unge 


Die Legende von der Monne. 


Acabose vuestro bien 
Y vuestros males non acahan, 
Roproches al roy Rodrige. 


Elfte Ballade. 


IH, benen warm bie Herzen ſchlagen, 
Kommt ber und leiht mir Euer Ohr. 
Ich will Euch die Geſchichte jagen 

Bon Donna Babilla del Flor. 
Alanje hat ihr einft das Leben, 

Die waldumfränzte Stadt, gegeben. — 
Laßt, Mädchen, hier, wo Stiere gehn, 
Nie Eure rothen Schürzen ſehn. 


Wohl gibt es in Granada Mädchen 
Und in Sevilla ohnehin, 

Die für ein Ständen ſchon am Fädchen 
Sich laſſen von den Freiern ziehn, 

Die Rittern im Borüberwallen 

Am Abend um bie Hälfe fallen. — 
Laßt, Mädchen, bier, wo Stiere gehn, 
Nie Eure rothen Schürzen jehn! 





Doch vor Badilla fpricht, der reinen, 
In fo frivolem Ton man nidt. 

Ein ſpaniſch Mäpchenauge ſcheinen 
Saht nie ihr in fo keuſchem Licht. 

Nie ließ fie ſich durch Serenaben 
Abwenden von der Tugend Pfaden. — 
Laßt, Mädchen, bier, wo Stiere gehn, 
Nie Eure rothen Schürzen fehn. 


Sie wollte keinen Honig. faugen, 

Sie ſcheuchte jeden Schmeichler fort, 

Man weiß, ein Blid aus fhönen Augen, 
Aus Ihönem Mund ein freundlihd Wort 
Macht toll die Ritter und die Knappen, 
Und alle tragen Narrenlappen, — 

Laßt, Mädchen, bier, wo Stiere gehn, 
Nie Eure rotben Schürzen ſehn. 


Und Seufzer Hangen, nicht zu zählen, 
ALS fie den Schleier nahm im Bahn. 
Muß, wer nicht haͤßlich ift, vermaͤhlen 
Sih drum mit Gott denn? Geht das an? 
Toledo weinte um die Schöne, 

Die ältften Greife, wie die Söhne. — 
Laßt, Mädchen, bier, wo Stiere gehn, 
Nie Eure rotben Schürzen ſehn. 


„Der Welt und ihren eiteln Dingen 
Fern leb' ich hier, wo mir's gefält. 
In Ruh und Frieden will id fingen 
Und beten für bie ſchlechte Welt. 


Sn 


359 


Hier, ſprach fie, darf Fein Teufel walten, 
Da Engel vor den Schild uns halten.” — 
Laßt, Mädchen, bier, wo Stiere gehn, 
Nie Eure rothen Schürzen ſehn. 


Kaum mar im Klofter fie gefangen, 
Als fi die Lieb’ ind Herz ihr ſchlich. 
Ein ftolzer Räuber Tam gegangen, 
rat vor und fagte: „Hier bin ichl“ 
Oft ftolzer find die Räuber, leder 

Als Cavalier’ und noble Schäde. — 
Laßt, Mädchen, bier, wo Stiere gehn, 
Nie Eure rotben Schürzen ſehn. 


Und haͤßlich war er zum Erftaunen, 

Und rauh die Hand und fchlecht fein Hut. 
Allein die Lieb’ hat ihre Launen: — 

Die Nonne war dem Räuber gut. 

Dft vor den Hirſchen fliehen Hinden, 

Die einen Eber fhöner finden. — 

Laßt, Mädchen, bier, wo Stiere gehn, 
Nie Eure rothen Schürzen ſehn. 


Wie er den Eingang fidh erftritten 
Ins Klofter? — Leife ſchlich hinein 

Er im Gewand des Eremiten, 

Der kommt aus fernen Wüftenel’n, 
Manchinal wohl auch im Ordenskleide 
Der Templer kam der freche Heide, — 
Laßt, Mädchen, bier, wo Stiere gehn, 
Nie Eure rothen Schürzen ſehn. 


360 


Die Nonne gluͤht' in Höllenflammen, 
Und kam, fo jagt die Chronika, 

Mit ihrem Räuber einft zufammen 
Beim Bilde der Veronika, 

Nachts, in der Stunde der Gejpenfter, 
Wo Eulen kraͤchzen um die Fenſter. — 
Laßt, Mädchen, bier, wo Stiere gehn, 
Nie Eure rothen Schürzen fehn. 


Badilla wollte, fie, die Nonne, 

Die Heilge, froͤhnen arger Luft, 

Und ſchwelgend in verfluchter Wonne 
Den Räuber drüden an die Bruft, 
Bis ringd herum an den Altären 
Erloſchen alle Kerzen wären. — 

Laßt, Mädchen, bier, wo Gtiere gehn, 
Nie Eure rothen Schürzen ſehn. 


Doch als fie trat in die Kapelle, 

Und dem Banbiten rief, erſcholl 

Ihr feine Stimme nicht, doch grelle 
Antwort gab ihr des Himmels Groll. 
Ein Blitz, ein Donner, und fie lagen, 
Die beiden Sünder da erfihlagen. — 
Laßt, Mädchen, bier, wo Stiere gehn, 
Nie Eure rothen Schürzen jehn! 


Wenn heut der Hirt von den Verfluchten 
Erzählt, und Donner rollen läßt, 

Dann zeigt er Cuch am Rand der Schluchten 
No ſchwarzer Mauern legten Reſt, 


361 
Zwei Thürme mit zerftörten Hallen, 
Die täglich mehr in Trümmer fallen. — 
Laßt, Madchen, bier, wo Stiere gehn, 
Nie Eure rothen Schärzen fehn. 


Wenn Nachts die Stern’ in bleihem Schimmer 
Auf das zerfallne Ktlofter jehn, 

Und body der beiden Thürme Trümmer, 

Zwei Riefen gleih, im Duntel ſtehn, 

Dann, in der Stunde der Geipeniter, 

Wo Eulen krächzen um die Feniter,... 

Laßt, Mädchen, bier, wo Stiere gehn, 

Nie Eure rotben Echürzen fehn. 


Dann fteigt die Nonn' aus ihrer Zelle, 
Macht durd die Trümmer ihren Gang 
Und ein geſpenſtiſcher Gefelle 

Folgt ihr die Mauerwand entlang. " 
Sie trägt die Lampe, Ketten klingen, 
Es ftedt der Hals in Eijenringen. — 
Laßt, Mädchen, bier, wo Stiere gehn, 
Nie Eure rothen Schürzen jehn. 


Die Lampe kommt, verſchwindet, funtelt 
Am Yenftergitter, bligt empor, 

Birgt hinter'm Bfeiler fih verbunfelt, 
Und zittert hoch am Thurm hervor. 

Bei ihrem wirren Strahl entjalten 

Sich Heere flatternder Geftalten. — 
Laßt, Mädchen, bier, wo Stiere gehn, 
Nie Eure rothen Schürzen jehn. 


362 


Doch wechſeln unter ihren Schritten | 
Die Treppen, lommen und vergehn, 

Sm Keller wandelt er inmitten 

Bon Trümmern, fie auf Thurmes Höhn, 

Und Trepp’ und Stodwerl, Thurm und Wände 

Berihieben gaufelnd fi ohn’ Ende. — 

Laßt, Mädchen, hier, wo Stiere gehn, 

Nie Eure rothen Schürzen ſehn. 


Sie ſchweben auf und ab bie Stufen 
Sich fuhend ohne Raft und Ruh’, 
Gie ftreden aus die Arme, rufen 
Sich leis mit Geifterftimmen zu, 

So hegen ſich bis zum Ermatten 

Im Kreife die unfel’gen Schatten. — 
Laßt, Mädchen, bier, wo Stiere gehn, 
Nie Eure rothen Schürzen fehn. 


Und ſchwere Tropfen fallen nieber, 
Dur alle Riten pfeift der Sturm, 
Heult in Gewölben beif’re Lieder, 

Es ftöhnt und ächzt der Glodenthurm, 
Und ſchrille Zamnıertöne fchallen 

Und wildes Laden durch die Hallen. — 
Laßt, Mädchen, bier, wo Stiere gehn, 
Nie Eure rothen Schürzen ſehn. 


Zwei Stimmen mechjelnd leiſe Sprechen . 
- Und laut: „ft unfer Ziel noch weit? 

Schwer büßen wir für das Verbrechen, 

Web, weh, in alle Ewigteit! 


Müd werden felbft der Geiler Hände, 

Die drehn das Stundenglas ohn' Ende...” 
Laßt, Mädchen, bier, wo Stiere gehn, 

Nie Eure rotben Schützen fehn. 


Die Hölle läßt ſich nicht erweichen, 

Sie ſuchen jede Nacht, wie's heißt, 

Sich, ohne je fih zu erreichen, 

Der weiße und ber ſchwarze Geift, 

Bis ausgeloͤſcht die Lichter alle, 

Und Morgenluft durchſaust die Halle — 
Laßt, Mädchen, bier, wo Stiere gehn, 
Nie Eure rothen Schürzen ſehn. 


Und wenn bei Nacht die Schauerklaͤnge 
Der Wandrer hoͤrt und bebend fragt: 
Wen wohl der Herr in ſeiner Strenge 
Mit ſolcher harten Strafe plagt, 

Dann glühn in geiſterhaftem Feuer 
Der Beiden Namen am Gemäuer. — 
Laßt, Mädchen, hier, wo Stiere gehn, 
Nie Eure rothen Schürzen ſehn. 


Santt Ildefons, der Abt, er wollte, 

Daß die Geichichte allen fund 

Den Klofterfräulein werden follte 

Dur der Aebtiſſin feommen Mund, 

Um fie vor Sünde zu. bewahren, 

Damit fie nicht zur Hölle fahren. — 

Laßt, Mäpchen, hier, wo Stiere gehn, 

Nie Eure rothen Schürzen ſehn. Kyril, 1628. 





An Karl U. 


—NñN — — 


Der Herenſabbath. 


Hic ohorus ingens 
. eolit orgia. 
Avienus, 


— —— 


Zwoͤlfte Ballade. 


Heht ihr im Dunkel dort die ſchwarzen Kloſtermauern, 

Vor denen ſich der Mond verhüllt in leiſen Schauern? — 
Der Geiſt der Mitternacht geht um und zwoͤlfmal ſchwingt 
Und wiegt er ſich, indem vom Thurm die Glocke klingt. 
Erſchuͤttert bebt die Luft von ihrem dumpfen Klange, 

Wie eingefchloffen in der Glode, fummt er lange, 

Bis mit dem Geift zurüd er ſchweigend fintt... Doch ſchaut! 
Was glänzt fo wunderbar? Was raufht und lärmt fo laut ? 
D Gott, der Thurm, das Thor, die Bogen, das Gemäuer 
Sind eingehüllt in Ein gewalt'ges Ne von Feuer. 

Im Keſſel von Granit zieht, fiedet in der Glut, 

Schlägt hohe Wellen, bäumt fi) die geweibte Flut... 
Verlaß uns nit, o Herr, bier haufen Boͤſewichter! — 

In rother Feuerglut, im Glanze blauer Lichter, 

Mit Singen und mit Schrein, mit Heulen und Gebell, 

Aus Wäldern, vom Gebirg, aus See und Fluß und Duell, 





365 


Bon allen Seiten nahn Geſpenſter, Gnomen, Drachen, 
Vampyrn, Scheufale, die ausfpeit der Hölle Rachen, 

Die Heren, die dem Grab am wüſten Ort entfliehn, 
Und faufend durd die Luft auf ihrem Beien ziehn, 

Die Nekromanten mit den bocdhgetbürmten Müpen, 
Woran ver Kabbala geheime Zeichen bliken, 

Die finftern Teufel und Kobolde, Iuftig, ted, — 

Aus Thoren ohne Schloß, aus Dähern, morſch und led, 
Durd das zerbrodhne Glas von funtelhellen Scheiben 
Biehn fie ind Kloſter ein, ihr Weſen dort zu treiben. 

Aus ihrer Mitte ragt Fürſt Lucifer bervor,. 

Bon Erz die Mitra auf dem breiten Ochjenobr, 

Ein Meßgewand bevedt die Flügel ihm, die Stufe 

Des Hochaltars betritt er mit dem Pferdehufe. 

D Gräuel! Hier, wo jtet3 des Ew'gen Auge wacht, 

Da plärren Litanein fie freh um Mitternacht. 

Die Hände ſuchen fih — . Und wie Sturmfäulen fteigen, 
So wirbelt jäh fi rund herum der mwüfte Reigen. 

Dem Auge, das verwirrt ſchaut auf den Knäuel hin, 
Zeigt jede Larve Har ih im Vorüberziehn. 

Man glaubt den bölliihen Zodiacug mit Grauen, 

Der durch die Finfterniß im Kreis ſich dreht, zu ſchauen. 
Sie kreiſen hin im Flug, wie fie der Wirbel padt, 

Und mit dem Fuße ſchlägt Satan dazu den Takt. 

Sie ftampfen, daß Gewoͤlb' und Dach und Pfeiler droͤhnen, 
Und daß in ihrem Schlaf geſtört die Todten ftöhnen. 


366 


„Zanzt den bunten Reih'n! 
Unfre Luft zu büßen 

Drebn wir uns und grüßen 
Satan, der mit Füßen 
Tritt Altar und Schrein. 
Chor der Hölle, brüllel 
Seine Königsbülle 

ft der Flammen Fülle 
Und ihr Purpurſchein.“ 


Sie ftampfen, daß Gewölb’ und Dad und Pfeiler dröbnen, 
Und daß in ihrem Schlaf geftört die Todten ftöhnen. 


„Kommt, der König ruft! 
Schweſtern fommt und Brüder, 
Schhüttelt das Gefieder, 
Schwingt euch auf und nfeber, 
Kommt aus Wald und Kluft, 
Kommt von allen Seiten, 
Fliegen oder gleiten 

Und auf Sreifen reiten 

Solit ihr durch die Luft!“ 


Sie flampfen, daß Gewoͤlb' und Dach und Pfeiler droͤhnen, 
Und dab in ihrem Schlaf geftört die Todten ftöhnen, 


„Kommt, die Stund’ ift gut; 
Aus dem Schooß der Berge 
Kommt, gaisfüß’ge Zwerge, 
Vampyrn, die ihr Gärge 

Füuͤllt und ſchwelgt im Blut, 


367 


Kommt, ibr alten Eulen! 
Heren, wollt ihr eilen? 

Den zabnlofen Bäulen 

Gebt den Sporn mit Wuth!* 


Sie ſtampfen, daß Gemölb’ und Dach und Pfeiler dröhnen, 
Undidaß in ihrem Schlaf geftört die Todten ftöhnen. 


„Juden, gottwerflucht, 
Kommt von allen Orten, 
Ihr Zigeunerhorden, 
Bauner aller Orden, 
Kommt aus eurer Schludt, 
Durch das Dunlel jchreitet, 
Ueber Gräfer gleitet, 

Ueber Mauern reitet, 
- Fliegt in wilder Flucht!” 


Sie ftampfen, daß Gewölb’ und Dach und Pfeiler dröhnen, 
Und daß in ihrem Schlaf geitört die Todten ftöhnen. 


. „Saunen, kommt berbei, 

“ Döde, ſeid zu Willen 
Eurem Herrn, ihr Pſyllen, 
Kommt auf kummen Füllen, 
Kommt zu Hauf, wie Spreu, 
Hüpfen follt ihr, fpringen, 
Euch im Tanze ſchwingen, 
Laden, jubeln, fingen, 
Huſſahu, Zuheil* 


Sie ftampfen, daß Gemölb’ und Dach und Pfeiler bröhnen, 
Und daß in ihrem Schlaf gejtört die Todten ftöhnen. 


. 368 
„Zaubrer, kommt berein, 
Holt die Zauberruthe, 
Salbt mit warmem Blute, 
Magier, rotbbeichubte, 
Schmiert ven Bart euch fein! 
Gebt dem Feuer Yutter, 
Brodle, Höllenbutter, ' 
Alte Herenmutter, 
Nagy’ am Todtenbein!* 


Sie ſtampfen daß Gewoͤlb' und Dach und Pfeiler drohnen, 
Und daß in ihrem Schlaf geftört die Todten ſtöhnen. 


„In den Palm den Fluch, 

In die frommen Noten 
Apoftoliiher Boten 

Mengt der Satan Zoten, 

Blärrt den beil’gen Spruh, . 
Und ein Sohn der Hölle 
Kreifcht in der Kapelle 

Stottert eine Stelle 

Aus dem Bibelbuch.“ 


Eie ftampfen, dab Gemölb’ und Dach undiPfeilergpröhnen, 
Und daß in ihrem Schlaf geftört die Tobten ftö 
„Sn den Chorſtuhl drängt 
Auf bebender Sohle 
Sich ein Moͤnch; die Stole 
Trägt er, die wie Kohle 
Glühend ihn umfängt, 
Und ein Pfaff vom Stamme 
Levi fludt dem Lamme, 
Wie mit Höllenflamme 
Er die Kerzen ſengt.“ 


— — — — — — — — — 


39 


Sie ftampfen, daß Gewölb’ und Dach und Pfeiler dröhnen, 
Und daß in ihrem Schlaf geftört die Todten jtöhnen. 


„Satan fieht euch, — ba, 

Schreibt, — ſonſt follt ihr ächzen! — 
Schreibt mit großen Klexen 

An die Wand, ihr Heren: 
„Abracadabra 

Smarra, geh’ auf Beute, 
Nachtgevoͤgel, breite 

Graue Flügel, ftreite, 

Kreiſche, fern und nah!” 


Sie ftampfen, daß Gewölb' und Dah und Pfeiler vröhnen, 
Und daß in ihrem Grab geftört die Todten ftöhnen. 


„Hört, das Hüfthorn gellt! 
In die Hölle nieder 

Fahren, Schweitern, Brüder, 
Müflen wir nun wieder. — 
Sa, einit wird der Welt 
Satans Macht ſich zeigen, 
Wenn mit Pau und Geigen 
Sie der Höllenreigen 

Ganz umfhlofien hält!“ 


Die morſchen Pfeiler, die vom milden Tanz erbröhnen, 
Beſcheint der bleiche Tag, der Schwarm zerftäubt, wie Spreu. 
Die Todten hören auf in ihrem Grab zu ftöhnen, 
Und legen in den Staub die kalte Stirn aufs Neu, . 

DMtober, 1823... 


B. Hugr's ſammti. poetifche Werke. 11. 24 





370 


Die Fee und die Perl. 


Ihr flücht'ger Schatten wirb durch grüne Blätter wehen. 

Auf Wollen wirt Du fle herntederſchweben ſehen; 

Sie flimmern in ber Luft und aus des Meeres Schaum 

Dft fleigen fie empor, füß, wie ein fhöner Traum; - 

Und ihre Stimme, zart, wie linder Duft der Rofen, 

Wird, flüſternd Dir ins Ohr, mit leilem Tron Did, kofen. 
Androͤ Choͤnier. 


— —— — 


Dreizehnte Ballade. 


L 


br Kinder, wenn ihr fterbt, dann nehmt euch wohl in Adht, 
Daß nit ein Geift vom Weg zum Himmel eure Seelen 
Ablenke! Hört das Wort, das mir ein Greis vermadt: — 
Dämonen gibt’, die nicht zur Hoͤllenſchaar zu zählen, 
Die minder ſchuldig als die Teufel fih gemacht, 
Die Feuer, Erde, Luft und Meer zur Wohnung wählen, 
Sie harren, bis der Herr einſt kommt in feiner Pradt; 
Gefallne Engel find’, vom Hinmel ausgewiefen, 
Doch klingt's wie Engelälaut, wenn fie die Seelen grüßen. 
Bor diejen bütet euch! Sonft fommt ihr aus der Nacht 
Des Fegefeuers nicht heraus in taufend Jahren! — 
Fragt nicht, woher ich die Geſchichte hab’ erfahren, 
Ich rede nur, was uns ber Väter Wort dermadht! 


371 


IL 


Die Bert. 
Wohin, o Seele, kaum geboren 
Und Schon verſchieden, eileft Du? 
Du baft den Weg ſchon halb verloren 
Zum Himmel, geh nicht mit den Thoren, 
Sud) bier in meinem Sclofie Rub, 


Du kannſt dureh meine Gärten gehen 
Mit golonen Früchten ohne Harm, 
Kannit hoch von den azurnen Höhen 
Dort unten Deine Mutter ſehen 

An Deiner Wiege, die noch) warm. 


D komm’ und theile meine Looſe. 

Die Peri's überftrahl’ ich weit 

An Schönheit alle, wie nm Mooſe 

Die Blumen all befiegt die Roſe, 

Die pflüdend man der Schönften weiht. 


Mit Berlen ſchmück ih mi und Ringen, 
Ein feidner Turban dedt mein Ohr. 

Sch prang’ in taufend Wunberdingen, 
Entfalt’ ich meine Purpurſchwingen, 

Drei Flammenaugen glühn hervor. 


Bleich ift mein Körper nicht, mein freier, 
Dod weiß, wie ferne Segel find, 

Und lüftet irgend ſich der Schleier, 
Erglänzt er bel, wie Sternenfeuer, 

Und buftet wie die Blume lind, 


372 


Die Fer. 


Komm, Ihönes Kind! Dort am Geſtade 
Thron’ id, wo Abends in die See 

Die Sonne taubt zum Wellenbade 

In rothem Glanz. Ich bin die Fee. 
Mid beten an im Abendlanbe 

Die Böller, golden ſtrahlt am Rande 
Der Nebel, ftreif’ ih ihn im Gehn. 

Sch baue, Königin der Träume, 
Palaͤſte hoch in luftge Räume, 

Auf Wolken, die im Weſten ſtehn. 


Wenn meine Schwingen ſich entfalten, 
So lichthell ſchimmern ſie, ſo blau, 

Daß fie für Silberftrahlen halten 

Die Sylpben, tanzend auf der Au. 

Mein Finger leuchtet Har wie Roſen, 
Mein Odem ift des Zephyr's Kofen, 

Der Abends füßen Duft Dir bringt. 
Lang wallt mein Haar und golden nieder, 
Gin Lächeln fpielt durch meine Lieber, 
Menn mein melodifher Mund Dir fingt. 


Ich will Dir Mufcelgrotten zeigen, 
Und Zelte, ſchattend weit umber, 
Ih wiege mich auf grünen Zweigen, 
Ich wiege mi auf blauem Meer. 
Denn Du mir folgft, dann follft Du ſehen, 
Wohin des Himmels Wollen geben, 
Und wo des Waſſers Quelle fpringt, 


373 


D komm zu mir, und Dir erzählen 
Will ih, was uns der Vögel Kehlen 
Berratben, wenn ihr Lied erflingt. 


IL 


Die Beri, 


Sch wohn’ im Orient, wo, wie unter'm Purpurzelte 

Ein Fürft, die Sonne ftrablt im blauen Himmelsfelde, 

Auf ewig klarer Bahn kommt flammend fie daher; 

So jhwimmt und trägt dahin den Emir ſammt den Schönen 
Leis unter Flötentönen 

Gin glänzend goldnes Boot auf azyurblauem Meer. 


Das Morgenland ift reich an Gaben und an Schägen. 

In andern Ländern, wo Di jüße Früchte legen, 

Wächst, — graufames Geſet! — auch reich die bittre Frucht, 

Auf Afien mag wohl Bott mit holdern Bliden hauen, 
Mehr Blumen glühn auf feinen Auen, 

Mehr Stern’ am Himmel und mehr Perlen in der Bucht. 


Die Katatomben find in meines Reiches Gränzen, 

Die Gräber find, und doch weit bin wie Berge glänzen; 

Die große Mauer, die zu Fall ein Voll nicht bringt, 

Die um ein ganzes Neid, das nirgends Lüden findet, 
Eid wie ein mädht’ger Gürtel windet, 

Und eine fremde Welt in diefer Welt umſchlingt. 


Bewalt'ge Etädte nenn’ ich mein mit goldnem Thore, 
Golconda und Kaſchmir, das blühende Labore, 
Damaskus, ſtark im Krieg, das ſtolze IsSpahan, 





374 


Bagdad, das Mauern wie ein Banzerhemd umgärten, 
Aleppo, das dem fernen Hirten 
Laut in die Obren rauſcht gleich einem Ocean. 


Stolz ſitzt Myfore wie die Fürftin auf dem Throne, 

Medinah, rings umthürmt, mit hoher Mauerkrone, 

Mit golpnen Spigen, mit Kiosken hoch im Blau'n, 

leicht einem Heer, das auf dem Feld die Führer ftellten,, 
Das mitten unter Zelten 

Läßt fhimmernd einen Wald von Lanzenjpigen ſchaun. 


Wer Theben’s Trümmer fieht, die Häufer und die Gaſſen, 
Der meint, das Bolt hab’ erft heut früh die Stabt verlafien. 
Madras, zwei Städte fchließt in Einen Ring es ein, 
Delbi, die reihe Stadt, die hohe Mauern jhirmen, 

Dur deren Thor fammt ihren Thürmen 
Bwölf Elephanten ziehn zumal in breiten Reihn. 


Komm, fhönes Kind, wir ziehn durch wundervolle Bauen, 
Mo Dächer Bärten find voll Blumen, anzufchauen 
Wie Körbe, komm, wir gehn zum Araber ins Zelt! 
Die Bajaderen fehn wir jhwingen fi im Reigen, 
Wenn Abends alle Stimmen jchweigen, 
Und müb das Dromedar am Born der Wülte halt. 


Dort unter'm Feigenbaum, im Laub der Splomoren 

Glaͤnzt filberblant das Zinn vom Minaret des Mobren, 

Und die Pagode, die Perlmutter gleich erglängt, 

Der Thurm von Porcellan, von Glödkhen rings umflimmert 
Und in den blauen Jonken ſchimmert 

Der BurpursBalanlin, mit Franfen weiß umkraͤnzt. 


375 


Ich beuge Dir zurüd die Zweige der Platane, 
Und zeige Dir im Bad die träumende Sultane; 
Die Jungfrau dort, die nad dem Falſchen harrend fiebt, 
Die ſchuchtern in der Nacht leis öffnet ihre Pforte, 
Und laufcht, ob ihr der Wind die Worte 
BZuträgt, die füßer ihr als des Bengali Lie. 


Das Baradies der Welt lag einft im Morgenlande. 
Ein ew’ger Frühling füllt’3 mit Rojen bis zum Rande, 
Ein jhöner Garten ift der ganze Welttheil nur. 
Bir Shwimmen Tag für Tag in einem Wonnebabe... 
Du ſeufzſt? — O wandle unfre Pfade! 
Was foll der Himmel Dir? — Komm, bier ift Edens Flur, 


Die Fee. 
In dämmernd ſchönen Gau'n wohn’ ich, im Abendlande, 
Wo, ewig wechſelnd die Geftalt, mit golonem Rande 
Die weiße Wolte ſchwimmt, ... zu der die Blide hebt 
Der Meni in Einfamteit, im Wald, auf grünen Matten, 
Der weint um einen tbeuern Schatten, 
Den lit ein keitrer Traum umſchwebt. 


Für wunde Herzen iſt's ein Troft, des Nebel Wogen 
Zu ſchau'n, der aus dem See zum Walde Tommt gezogen, 
Die Berge, deren Schnee kaum weicht im Jahr einmal, 
Den Stern, der einfam, wie die lehte Hoffnung, leuchtet, 
Der mit dem Thau, der Nachts befeuchtet 
Die Erde, miſcht den eriten Strahl. 


Der Himmel, fanft umbüllt, paßt ganz zu Deinen Schmerzen, 
D Kind, das Gott entriß dem warmen Mutterberzen! 
D komm, das Waldgeräuſch, ver Bay, der rollend tust, 





376 


Des Windes Stimmen, die zuräd das CEcho bringen, 
Sie werben wie das Lied Dir klingen, 
Das in der Wiege Tich gelost. 


Langweilig wird zulegt der Himmel, ewig blauend, 
Der Dunft, das Nebelmeer, die Wolle bligend, thauend, 
Sie kühlen uns die Luft, gleich einem grauen Zelt, 
Wir ſchaun, wie hoch und fern fie fi zufammenrotten 
Und fegeln, wunderbare Flotten 
Aus einer unbelannten Welt. 


Mir dienen Better, Sturm und Winde, wenn fie heulen, 
Ich balle Meer und Luft zu wirbelnd hoben Säulen, 
Sch bändge den Orkan durch meines Liebes Schall, 
Der Regenbogen, den mit leihtem Fuß ich brüde, 
Sit eine goldbeſpülte Brüde 
Auf einem Gießbach von Kryftall. 


Mein ift Alhambra, leiht, aus Aether faſt gefponnen, 
. Die Zaubergrotte mein mit den Bajalt-Colonnen, 
Staffa, In defien Dom fi bricht der Wellen Stoß, 
Dem Fiſcher, ftolz, ald Fürft das Meer zu überjhauen, 
Hell’ ih die graue Hütte bauen, 
Wo einſt geftanden Fingals Schloß. 


Oft fchred’ ich auf die Nacht mit täufhenden Auroren, 
Gebiet’ ih, glüht die Luft von rothen Meteoren, 
Bon Feuergarben, die fi drehen kreuz und quer, 
Der Jäger auf dem Fels, wenn Luft und Meer fich röthen, 
Glaubt einen glühenden Kometen 
Zu ſchaun, der ziſchend taucht ins Meer. 


377 


Komm, junge Seele, mit zum Spiel auf grünen Bergen, 
Es fülle die Abtei mit Riefen fh und Bwergen, 
Kobolve dienen Dir, und Gnomen hoch betagt, 
Komm, Rob ind Horn und laß die unfihtbare Mente - 
Ausziehn ins Hochgebirg auf Beute, ' 
Die Rats in unfern Wäldern jagt. 


Burggrafen wirft Du fehn in milder Hobeit ſtrahlen, 
Die armen Pilgern gern auflöfen die Sandalen, 
Und Schlöffer, Fenfter mit geheimnißvollem Bild, 
Die Dame, betend ftil für einen Evellnaben, 

Und Binnen, und, in Stein gegraben, 

Am Thor des Nitterd Wappenſchild. 


Wir find es, deren Hauch durchſäuſelt die Portale, 
Das Hlingend hohe Schiff der gothiichen Kathedrale, 
Wenn leis im Mondenſchein die Zittereſpe bebt, 
Dann hört der Hirte Klang wie von entfernten Geigen, 
Und fieht, wie fingend unfer Reigen 
Ded Dorfes Kirchentburm umfchwebt. 


Am Abendland wie fhön ift See und Thal und Hügel! — 
Fern ift der Himmel no, und kraftlos ift Dein Flügel, 
D komm in unfer Rei, o Kind, gib mir die Hand, 
Die wildfte Gegend iſt voll Reiz und füßem Grauen, 

Die Fremden finden unſre Gauen 

Biel Ihöner als ihr Heimathland, 


378 


W. 


Des Kindes Seele ſchwankt' und laufchte gern den Kunden 

Der Geifter, ihrem Ruf kaum mocht' es wiederſtehn, 

Nie hatt’ es diefe Welt jo ſchön wie heut gefunden, — 

Doc fieh’, mit einemmal entflugen war’3, verfchwunden,.. . 
Es ſah den Himmel offen ftehn. 

Juli. 1824. 


Ende der Balladen. 


Noten. 


Erfies Sud. 
Die Vendée. Zweite Ode. 


L 


Seite 37. 
Bat Einer, dem ſich nicht dab Hug’ am Hügel nette, 
Der Battin ober Bruder barg ? 


„Welcher Franzoſe tennt heutzutage nicht Todtengefänge ? 
Wer von uns ift nicht einer Leihe zum Grab gefolgt, hat ' 
nicht bei einem Begräbniß gejammert ?" 

- EhHäteaubriand, die Märtyrer. 
I. 
Seite 37. 
Sie fang: „Der Opfer hat Frankreich gehabt die Dienge, 
Doch Märinrer nur die Bend6e.“ 

Anipielung auf die fchöne Notiz über die Vendée im 
„Sonjernateur” vom Sabre 1819 aus der Feder Chateau- 
briands. Der Anregung durch dieſe Leltüre verbanlt biefe 
Ode ihre Gntftehung. Veröffentlicht wurde fie zuerft unter dem 
emphatiihen,, vagen Titel: „Das Schidfal der Vendée.“ 


3823 


III. 


Seite 39. 
Mit Kuochen ſchleppen fi die Andern, ihren Tobten 
Ein Platzchen fuchen fie in einem fremden Boden, 
Bewahrt vor der Lebend'gen Wuth. 

Die edle Wittwe de Leſoure's nahm in ihrem Wagen 
den Leihnam ihres Gemahls mit fidh, und begrub ihn in einem 
unbetannten Wintel der Erbe, um ihn vor der Schändung durch 
das Wiederausgraben zu fichern. 


IV. 
Seite 40, 
DO Gott, un wenn... 

Diefe und die folgende Strophe enthalten Anfpielungen 
auf die Behandlung, die das damalige Minifterium den Ven⸗ 
deern zu heil werben ließ, — Anfpielungen, welche jegt un- 
verftändlich geworden, aber im Jahre 1819 vielleicht nur allzu 
deutlich für die Ruhe des Dichters geweſen find. Wenn er fie 
übrigens bier nicht erllärt, fo unterläßt er dieg nur, weil das 
Erläutern heute ganz ungefährlih mwäre, und weil dieſen 
Blättern ohnedies das Gepräge des Parteihaſſes 
nur allzu ſtark aufgeprüdt ift. 


Die Jungfranen_von Verdun. Dritte Obe, 
vᷣ 


Seite 42. 

Henriette, Helene und Agathe Watrin, Töchter 
eines höheren Offiziers; Barbe Henri, Sophie Tabouil- 
lot und mehrere andere junge Mädchen von Berbun wurden 
vor das Repolutionstribunal geftellt, befchulpigt, den Preußen 
bei ihrem Einzug in die Stadt Blumen geftreut zu haben. 
Die drei erften, welche allein Gegenſtand biefer Ode find, 
waren außerdem nod angellagt: fie hätten den Emigranten 
Geld und fonftige Unterftügung zulommen laſſen. Ein Gejek 


— — — — — — ——- 


383 


beſtrafte dieſe eigenthumliche Art von Verbrechen mit dem Tode. 
Fouguier-ZTinville, gereizt durch die Schönheit der drei 
Mädchen, ließ ihnen unter der Hand jagen: er werde ben 
letzten Theil der Anklage verſchweigen, wenn fie feine, ihrer 
Ehre nachtheiligen, Anträge anhören wollten. Sie wiefen fie 
zuräd, wurden zum Tod verurtheilt und fortgejchleppt, zugleich 
mit neunundzmanzig andern Einwohnern von Verdun. Die 
Aelteſte der drei Schweſtern zählte fiebzehn Jahre. 

Barbe Henry, Sophie TZabouillot und ihre Leidens- 
gefährtinnen,, unter welchen fich Kinder von dreizehn bis vier- 
zehn Jahren befanden , wurden zum Halseiſen und zu zwanzig- 
jähriger Haft in der Salpetridre verurtbeilt. Das Direktorium 
gab ihnen die Freiheit wieder. 

VI. 
Es iR Tinville. Er ruft Verbrecher auf, im Namen 
Des Baterlandes, die im Saal zufammenfamen ; 
Die Mörder follen Richter fein. 
Gr fchreit, er lechzt nah Blut, der Grimme, 
Gr wirft dem Beil, dab raucht, mit wilder Henkerſtimme 
Die Opfer zu: „Da, die ind Dein!“ 

Souquier-Tinville, der Staatsanfläger, verband mit 
dieſem furdtbaren Amt das eben jo fjchredlihe Borreht, die 
ſechzig bis achtzig Köpfe zu bezeichnen , dik jeden Tag in Paris 
fallen follten. 

VII. 
Seite 44. 
Und unfre Krieger? — Web, ihr Heldenſchwert entehrten 
Zum Schirm des Schlächterſtahld, des Yallbeils, die Bethörten. 
Sie ſabn befledt ihr Schwert vom Beil, das fle beichügt; 
Es war berfelbe Zag, der auf dem Siegerwagen 
Moreau, den Sohn, und auf dem Hodgericht ſah ragen 
Den Vater, ber fein Blut verfprigt. 

Moreau nahm einem an Zahl überlegenen Feind Die 
Inſel Cazan und das Fort de l'Echuſe an demjelden Tage 
weg, an dem fein alter Vater das Schaffot beitieg. 





384 


VIII. 
Seite 44. 
Im Kehfchmud, ſchon geputzt (nicht: „angethan‘) erſcheint die Stadt, 
und lebig 
Der Ketten, beut fie fih dem König an, ber gnäbig 
Die armen Könige gerädht. 


Berdun brannte vor Eifer, dem König von Berufen 
jeine Thore zu öffnen. Der tapfere Commandant widerftand 
drei Tage lang den dringenden Bitten der Einwohner und 
den Drohungen Frievrih Wilhelms. Endlich, zum Sapituliren 
gezwungen, jagte er ſich eine Kugel durch den Kopf. Der 
wadere Mann bieß Beaurepaire. Die franzoͤſiſche Ehre bat 
ſich im Felde nie verläugnet. 

RX. 
Seite 46. 
Charlotte feht Ihr dort, und Judith, die Gerechte. 

Ein Jahr zuvor hatte Charlotte Eorday Murat ges 
tödtet, einen derjenigen Repräfentanten, die am meiften dazu 
beigetragen hatten, das Geſetz gegen Diejenigen, welche "die 
Emigranten unterftügten, zur Annahme zu bringen. 


X. 
ı  Ceite 46. 
Die Sombreuil, die den Tod 
Lang in den Adern trug und auf der blaffen Wange. 

Fräulein von Sombreuil erlaufte das Glück, ihrem 
Vater das Leben zu retten, um einen Becher Menſchenblut, 
den fie tranl. Noch lange nahber ſah man fie erblafien und 
zittern bei der bloßen Erinnerung an dieſes entſehlich erhabene 
Opfer, das ihre Geſundheit zerftörte, und fie ihr Leben lang 
ſchmerzhaften Krämpfen ausſetzte. 





Dniberon. Vierte Ode. 
XI. 
Seite 47. 

Nah der Einnahme der Feſtung Penthi vre ſahen ſich 
die Emigranten unter dem Commando des Grafen von Som- 
breuil, de8 Bruder der berühmten Jungfrau, durch die 
Soldaten des Convents auf die ‚Äußerfte Spike der Halbinjel 
Duiberon zurüdgebrängt. Der republikaniſche General Hoche 
ſcheute das furchtbare Gemetzel, das auf beiden Seiten beginnen 
follte, da die Evelleute zur Berzweiflung gebracht waren, Er 
machte dem Grafen Sombreuil den Borichlag, er wolle fie 
als Kriegögefangne behandeln, wenn fie fich ergeben würden, 
„Sombreuil,” fünte er bei, „jet der Einzige, zu deffen Gunſten 
er Nichts verfprechen könne.“ — „Ah werde gern ſterben,“ 
erwiderte der junge Mann, „wenn ih meinen Waffen- 
brüdern das Leben retten kann.“ Im Vertrauen auf 
dieſe mündliche Kapitulation befahl Sombreuil feinen Leuten, 
die Waffen zu ftreden. So weit der Vertrag ihn betraf, beob⸗ 
achtete man ihn pünktlih, Er wurde erſchoſſen mit dem Bifchof 
von Dol. Den kriegegefangenen Cmigranten gegenüber bielt 
man nit Wort. Der Schrei des Entiegens und des Mitleids, 
der ſich heutzutage fchon beim Namen Quiberon erbebt, macht 
jede weitere Erzählung überflüfiig. 

Doc ift es nicht der Name des General Hoche, der durch 
dieſe Mordthat befledt ift. 

Die Vendéer haben der Ebene, wo dieſe tapfern Ebel» 
leute in Abtheilungen erfchoffen wurden, ven Namen: „Mär 
tyrer⸗Wieſe“ gegeben, und heute noch wallfahrten die Sol⸗ 
daten Larochejacquelin's zu den Weberreften von Som- 
breuils Gefährten, . 

S. Ouge’s Fämmtl. poetiſche Werke. TI. 25 


Die Bildfünle Heiurichs IV. Sechete Ode. 
xu. 


Seite 58. 
Bas fag’ Ih? — Geftern war jein Stenbbilb nad, vergättert. 
Und Heute liegt's vom Bolt zerfchmettert, 
Und dann burchwählen fie fein Grab, 
Die Tempelſchänder, und fie fordern, wie zum Hohne, 
Den Abbruck feiner Stimm, ber eifigen, dem Thone, 
Das Bild des großen Todten, ab. 

Die Statue Heinrichs IV, wurde am 10. Auguſt ums 
geſtürzt. 

Bekanntlich legte man ungefähr um dieſelbe Zeit, nachdem 
man die königlichen Gräber entweiht hatte, eine Gypsmasle 
über das Geſicht des wieder ausgegrabenen Heinrichs IV, 
um feine Züge zu modelliren. 


XII. 
34 ſaß am Seine-Gtrand und Hatte viel zu Flagen: 
„Wohl fiehſt du Jor y noch, o Fluß, wo Er geſtrahlt. 
Doc iR die Flut verrauſcht, die In der Bäter Tagen 
Sein Untlig fpiegelud abgemalt.“ 

Hier findet fich ein enormer hiſtoriſch· geographiſcher Schnitzer, 
die Ode wurde gebichtet bei meinem Austritt aus bem 
Eolläge, und das tft nicht der Ort, wo man Geographie und 
Geſchichte Iernt. 

XIV. 
Seite 59. 
Bad rauſcht beran?!... 

Wer kennt nicht den Enthuſiasmus, womit das Boll am 
13. Auguft 1818 fi der Statue Heinrichs IV. bemädhtigte, 
und fie, mit der Kraft feiner Arme, nad) dem Plage 308, wo 
fie aufgerichtet werben follte. 


Der Tod bed Herzogo von Berry. Siebente Ode. 
xV. 


Seite 66. 
Der Mutter gleicht du wohl, der Sram das Herz zerriſſen, 
Sie Nat auf ihrem Bett und weint und weins ind Kiffen: 
Ihr Kind, ihr Alles, iR nicht mehr. 

„Et noluit consolari, quia non sunt.“ 

(Und [Rahel] wollte fih nicht tröften lafien, denn es war 
aus mit ihnen.) 

XVI. 
Enughien wird ſtaunen, fiebt im Himmel er ſich nahen 
So früh den Freund, dem jung fein Herz er Dargebradit, 
Ihn, dem Condé, der Greis, als wir ihn [beiden ſahen, 
Des Wohlthuns füße Pflicht vermacht. 

Man erinnert ſich, daß der Prinz Condé auf ſeinem 
Todtenbette dem Herzog von Berry die ehrenvolle Armuth 
feiner alten Waffengefährten empfahl. 

Geburt des Herzogs von Borbeanr. Achte Ode. 
XVII. 


Seite 72. 
In dleſer Wiege 
die Frankreichs Fürk. 
Die Wiege war ein Geſchenk der „Damen der Halle” von 


Borbeaur. 
Seite 73, 

Das findek Du au dort in Deinem Heimathlande, 

D Srau? — Barthenope zerreißt die alten Bande, 

Den Fremdling lodt dorthin ein Winter ohne Schnee: 

Doch weh; Balermo rast, Meffina ſteht im Feuer, 

Sictlien tobt, wen wär's geheuer 
In jenem Baradied , umranfcht von blut'get See? 
Um die Zeit, wo diefe Ode zum erften Male veröffent- 

licht wurde, war eben in Neapel vie Revolution ausgebrochen, 


— — m... —E— — 


388 


Bweites Bud. 


Die ſchwarze Bande, Dritte Ode. 
XIX. 
Seite 106. 
Ber iſt der Gott, der fie zu ſolchen Helbenftüden 
Begeiſtert? — Hocherfreut, daß fie entdeckt dab Nichte, 
Bielleicht nur wollten fe die Gräber leer erblicken, — 
Leer wie ihr Himmel, Saar bed Lite. 
Hohn bieten wollten fie vielleicht bem Tobesfchreden, 
Um einen edlen Baum zu fireden, 
Griff man Ihn an der Wurzel an. 
Noch Helatomben gab’% zu fchlachten für die Schergen, 
Man übte Kraft und Muth inzwifchen noch an Gärgen, 
Und machte ſich an Wiegen dann... 
Es ift befannt, daß zur Zeit unferer Revolution die Ent» 


weihung der königlihen Gräber den königsmörderifhen Atten- 
taten vorausging, deren gebäfliaftes vielleicht das war, das 
man langfam und gemwiffermaßen zum Bergnügen an einem 


Kinde verübte, 


Die Freipeit. Sechste Ode. 
xx 


Seite 115, 

Selbſt unberufen wagt die Muſe zu erſcheinen, 

Sie weint mit denen, die da weinen, 

Und deut der Tugend warm die Hand. 
Des Fechterd Kette trägt am Fuße nicht, deb feilen, 
Mein Hymnuß, nein, ihr ſeht in die Arena eilen 

Ihn froh im Märtgrergemand. 
Die Märtgrer, melde verurtbeilt wurben, mit wilden 


Thieren zu kämpfen, ftiegen mit einer blauen Zunica belleidet 
in den Circus hinunter, 


. 


\ 


Der Krieg in Spanien. Siebente Ode, 
Seite 122. 
Noch rauchte Spanien von bed Erobrerd Schritten, 
Und, übermältigt, trug eb unfte Freiheit Rumm. 
Bon bint'gem Arm umfaßt bat weinend ed gelitten 
Um fein jinngfräulib Könisthum. 

Die Eonftitution der Cortes war über den Leiſt unjerer 
Berfafiung vom Jahre 1791 geihlagen. Unſeres Erachtens war 
dies ihr Fehler. 

Der Tab des Fränleins von Sombrenil. Neunte Ode, 
XXII. 
Seite 128. 

Bir haben hier dem Fräulein von Sombreutil (geftorben 
im Jahre 1823 als Gräfin von VBillelume) den Namen ge- 
laſſen, unter dem fie berühint geworden ift. Es ift überflüflig, 
diefem Ramen nod ein Wort beizufügen. Er jagt an fi) ger 
nug, mehr ald genug. Boch können wir uns nicht verfagen, 
bier daran zu erinnern, daß die Wohlthätigleit der Frau von 
Billelume vielleiht ebenfo bewundernswürdig war, wie der 
Heldenmuth des Fräuleins von Sombrenuil, 


Drittes Buch. 
Die Salbang Karls X. Vierte Ode. 
xxIm. 
Eeite 155. . 
So kommt Me nun, den Stolz ber Böller zu belegen, 
Die Hohn ihr angethban und Schmach. 
Am 6. Oktober 1793 wurde da3 heilige Delfläfhchen, das 
. feit vierzehn Jahrhunderten in der Gruft des beiligen Rem i⸗ 
gius (Et. Remy) aufbewahrt und in der Kirche von Rheims 


390 


Segenftand der Verehrung war, buch einen Commiflär des 
Gonvents am Biedeital der Statue Ludwig's XV. zerihlagen ; 
aber treuen Händen gelang es, die Scherben des heiligen Dels 
fläfhchens und einen Theil des Balfams, den es enthalten, 
zu fammeln, wie dies durch ein autbentijches Protokoll conftatirt 
ift, das in der Gerichtsfanzlei zu Rheims aufbewahrt ift, 
— Bud der Gebete und Geremonien 
bei der Salbung, herausgegeben aus Auf⸗ 
trag des Erzbifhofs von Rheim s. 
XXVXV. 
Seite 156. 
Er wird nad altem Brauch gefalbt, dem Herta zum Preife, 
Die König Salomsn, ber Meiſe, 
ts er beſtieg des Vaters Thron, 
Als Nathan und Zadok fein Haupt mit Dei begoßen , 
Ihn küßten anf die Stirn’ und riefen: „Geil dem großen 
Sohn Davids, König Salomon!“ 
Unxerunt Salomonem Sadoch sacerdos et Nathan propheta 
regem in Sion etc. 
Gebet bei der Salbung. 
XXV. 
Seite 157. 
Und Karl der Zehnte ſigkt auf's Knie, die Prieſter horechen 
Erbarm Dich unſer, Herr und Gott!“ 
„Der Koͤnig wirft ſich nieder, und man ſingt die Litanei: 
Die Biſchöfe: 
Herr, erbarme Dich unfer! — Kyrie eloison!“ 
— Geremonial bei der Salbung. 
XXVI. 
Seite 168. 
Herr Gott, di Toben wir... 
„ıe Deum laudamus,, le Dominum confitemur.“ 


Dankhymue. 


301 


XXVIM. 
Du bin Herr Zebaoth, an deines Throne Stuf 
Den dreimal heil'gen Namen rufen 
Die Gherubim, von Lieb’ entbraunt. 


„Tibi Gherubim et Seraphim incessabili voce proclamant : 
Sanctus, sanctus, sanctus 
Dominus Deus Sabaoth.“ Dankhymue. 
XXVII. 
Seite 159. 

_ Bor dieſen Zeugen, groß einſt auf dem größten Throne ıc. 

Der Dichter ſuchte in diefer Strophe die Hauptceremonien 
bei der Salbung zu bezeihnen: bie Bereitung bes heiligen 
Deles, die Salbung des Königs, die Krönung, die 
Ginjegnung des Schwerts, die Lebergabe des Scep- 
ters und ber Hand der Gerechtigkeit, die Sinfegnung 
der Handſchuhe. 

XXIX. 
Seite 159. 
Tritt ein, o Bell! — 

Wenn der König den Thron beftiegen bat, öffnet man 
dem Boll die Thüre, und läßt, den alten Traditionen be# 
Königreichs gemäß, Vögel fliegen. (Man vergleiche das ſatyr i⸗ 
ſche Gedicht von Beranger mit gleicher Ueberfchrift wie das 
royaliſtiſche V. Hug 0’ in unferer Bearbeitung (Stuttg. Frankh). 
D. Ueber].). 

XXX, 
Eeite 10. 
Ein Prieſter iR er nur und König! 

„iu es sacerdos in aelernum, secundum Ordinem Melchi- 
sedeoh.“ Pfaln 109, 

Die Kirche nennt den König einen „äußeren Prieſter,“ bei 
der Salbungsmefie empfängt er das Abendmahl unter beiverlei 
Geſtalt. 





XXXI. 
Seite 100. 
Nun muß er opfern. 
„Holocaustum tuam pingue fiat.“ Pſalm. 
XXXII. 
Seite 100. 
Nimm ihn in deine Hut, den feine Bölker lieben. 
„Domine, salvum fac regem!“ 
, Gebet für den König. 
XXXIIL 
Eeite 160. 
D Herr, der Feinde Pfeil’ und Speere brich entzwei. 
„Rumpe tela inimicorum.“ Pſalm. 
XXXIV. 
Seite 160. 
Ob fie zu Wagen, ob zu Roß fie nahn, zerſtieben 
vaß fie und ſteh' dem König bei. 
„Hi in ourribus, et hi in equis.‘ 
Gebet fiir den König. 


An die Bendönefänle. Siebente Ode. 
Seite 178. 
Doch nein! — Wenn Deftreich auch bed Stolzet Wunden brennen, 
Die Sieger mögen fih nah ihren Siegen nennen, 
Nah feiner Niederlag', — es Rellt die Ramen frei. 
An Lehen hängt es mebr noch ale an feinem Ruhme, 
Und unjern Helden gönnt es ihre Wappenblume, 
Um Rorbeern macht es fein Geſchrel. 

Deftreich weigert fih, die Titel anzuerfennen, die in 
feinen Ländern Anſprüche auf Leben zu begründen fcheinen, 
geitattet aber ſolche, welche einfach an Siege erinnern. 

(In Betreff des theilmeife mehr als feltfiamen Inhalts 
biefer und einiger andern Oden verweilen wir den beutichen 
Leſer auf die entihulbigenden eigenen Worte des franzöſiſchen 
Dichters in der Borrebe und in der Note IV, mo ex gefteht, 


893 


daß mande feiner Strophen allzujehr Partei (und National:) 
haß athmen, und Rote ZU, wo wir erfahren, daß einzelne 
diefer Oden kaum nad jeinem Austritt aus der Schule ent- 
ftanden feien. Der Meberjeger, der ſich Treue in jeder Hin- 
fiht zur Pfliht machte, glaubte dieſe auch auf die möglichfte 
Bollfländigkeit des Inhalts ausdehnen und der deutichen Kritik 
aud bedenkliche Ergüfie des Framzöfiichen Dichters nicht entziehen 
zu dürfen. D. Weberf.) 


Yiertes Buch. 
XXXVI. 


Moſes auf dem Nil. Dritte Ode. 


Seite 1498, 
Der Schonheit Vöttin ſchien der jungen Mädchenſchaar 
Die Königbtohter, ald, der goldnen Schleier bear, 
Die Herrliche die Wellen theilte. 


Die Aegypter glaubten, wie die Griechen und die 
Tyrier, die Göttin der Schönheit fei aus dem Meeresihaum 
hervorgegangen. 

XXXVII. 
Seite 198, 
Du aber, Mutter, die von Ferne ſchreckenbleich 


Du beinem Kind gefolgt, tritt, einer Fremden eleich. 
Hervot: deih Moſes ift geborgen! ” 


Die Bibel erzählt, die Mutter des Moſes babe ihre 
Tochter am Ufer des Fluſſes zurüdgelaffen, um die Wiege zu 
überwachen. Der Tichter glaubte fi zu der Annahme berech⸗ 
tigt, daß die Mutter felbft zurüdgeblieben fei, um diele traurige 
Pflicht zu erfüllen. 





394 


Der Genins. Sechste Die, 
ZXXVIL, 
Seite 211. 
Du ſahſt in Griechenland nur Knechte, 
Dem eink fo herrlichen Geſchlechte 
Gang kein Tyrtäus mehr zum Sturm. 
Die Häupter beugten ſich Mid fielen, 
Und auf dem Fels ver TZhermoppien 
Stand der Tyrannen Schloß und Thurm. 
Diefe Ode wurde, wie ſich denken läßt, vor dem beroifchen 
Erwachen Briechenlands zum erftenmal veröffentlicht. 
XXI. 
Seite 213. 
So Uberihaui die Wetterwolke, 
Die hinzieht Aber'm Erxrbenvolfe, 
Um Gap ter Bogel, einfam fliegh 
Er bach dahin, die Stürme kriegen 
Tief unter ihm, er fchlaft im Fliegen, 
Bon Himmelslüften eingewiegt. 
Der Albatros fchläft im Fliegen. 


Sünftes Bud. 


Meine Kindheit. Neunte Ode. 
XL. 
Seite 273. 


Die Infeltiah ih, rei an Trammern und Ruinen, 
Auf welcher fpäter Er nad feinem Gturz erichlenen. 


Die Injel Elba, wo man eine Maſſe vullanifcher Spuren 
findet. j 


LI, 


Seite 974, 
Die ſchien ber Escurial ein Grab, wo Miles fchlief. 
Borm großen Aquadukt, dreiſach gewolbt, werneigte 
Undachtig ſich der Knabe tief. 


Die berühmte roͤmiſche Wafferleitung von Segovia mit 
den bewunderten drei Arkadenreihen von Granit, die über ein- 
ander liegen, 


LE LS WELL LG 


Balladen - 





Die beiden Ehügen. Achte Ballade, 
- Seite 348. 
- Die Legende von der Nonne, Dreizebnte Ballade. 
LH, 
Seite 357. 


Louis Boulanger, dem bieje beiden Balladen gewidmet 
Sind, bat fi ſchon in früher Jugend zum Rang eines ber erften 
Maler vieler neuen Generation aufgeſchwungen, bie unjere 
Schule auf die gleihe Höhe mit den berrlihen Schulen von 
Italien, Spanien, Flandern und England zu heben veripreden. 
Boulangers Ruhm ftügt ſich bereits auf eine größere Zahl 
von Meifterwerten erften Range, unter denen wir nur an bad 
ſchoöne Gemälde: „Mazeppa”, das auf dem legten Salon fo 
viel Aufmerkfamkeit erregte, und auf die gigantiihe Lithogra- 
phie verweiſen, in die er fo viel Leben, Wahrheit und Poeſie 
hineingelegt bat: „ver Herenfabbath.” Der Dichter hat ihm 
dieſe beiven Balladen gewinmet zum Beiden feiner Bewunde⸗ 
zung, Dankbarkeit und Freundſchaft. 





(„Die Jagd des Burggrafen” und den „Waffengang des 
König Johann“ haben wir, nicht als unüberſetzbar, fondern 
ala der Ueberjegung völlig unmerth, übergangen. Der Dichter 
felbft bemerkt zu der „Burggrafenjagd“: der Gegenftand dieſer 
Ballade [feinen „Rheinfagen” entnommen], fet vielleicht in der 
Form allzu gothiſch. D. Ueberf.) 

Die Zee und die Berti. Dreizehnte Ballade, 
XLV, 
Seite 376. 
Dft ſchreck ih auf Die Nacht mit täufchenden Auroren, 
Gebiet’ ih, glüht die Luft von rothen Meteoren, 
Bon Feuergarben, vie ſich drehen Frey; und quer. 
Die aurora borealis, das Nordlicht. 


Die DOrientalen. 


Vorrede. 





De Berfafier diefer Sammlung gehört nicht zu Denjenigen, 
welche der Kritik das Recht einräumen, den Dichter über feine 
Vhantafie zu inquiriren, und ihn zu fragen: warum er dieſen 
Stoff gewählt, diefe Yarbe genommen, von diefem Baum ge» 
pflädt, aus dieſer Quelle gefchöpft habe. Sit das Werk gut 
oder ſchlecht? Weiter reicht die Herrichaft der Kritil nicht. Sie 
bat die angewandten Farben weder zu loben noch zu tabeln, 
fondern nur die Art und Weife, wie fie angewandt find. Sieht 
man von einem etwas höhern Standpunkt aus die Dinge an, fo 
gibt es in der Boefig weder gute noch ſchlechte Stoffe, fondern 
bloß gute und fchledhte Dichter. Alles ift Stoff, Alles ift Lehen 
der Kunſt, Alles hat Bürgerrecht in der Poeſie. Streiten wir 
uns nicht über die Gründe, die uns bewogen haben, dieſen 
Stoff lieber, als jeden andern zu wählen, ſei er nun traurig 
oder heiter, ſchauerlich oder lieblich, heil oder däfter, feltfam 
oder einfach. Unterfuchen wir, wie ihr gearbeitet habt, nicht, 
worin und warum, 

Darüber hinaus hat die Kritik kein Necht, Fragen zu ftellen, 
der Dichter leine Rechenfhhaft zu geben. Die Kunft kann nur 
Bängelbänder, Handichellen und Mundknebel maden. Er fagt 
Dir: Geh! und läßt Dich den großen Garten der Poeſie durch⸗ 
wandern, in dem es feine verbotene Frucht gibt. Raum und 
Zeit gehören dem Dichter, der Dichter mag geben, wohin er 
will, und thun, was ihm gefällt: das ift fein Geſetz. Mag ex 


400 


glauben an Gott oder an Götter, an Pluto oder Satan, an 
Sanidia oder Morgana, over an Nichts; mag er am Styr 
fein Fährgeld bezahlen, oder den Herenfabbath mitmachen; in 
Proſa fchreiben oder in Verſen; in Marmor meißeln oder in 
Bronce gieben; in diefem Jahrhundert oder in diefem Klima 
Fuß fafien; mag er aus dem Süden ftammen ober aus dem 
Norden, aus dem Weiten oder aus dem Oſten; fei er antik 
oder modern; fei feine Mufe eine Mufe oder eine Fee; mag 
fie die Eolocafia tragen oder ein Panzerhemd anlegen, — Alles 
ft gut. Der Dichter iſt frei. Stellen wir ung auf feinen Stand⸗ 
punkt und ſchauen wir und von diefem aus um. 

Der Verfafier verficht dieſe Ideen nachdrücllich, fo Har fie 
an ſich fein mögen, da eine Anzahl Ariftarche fie noch nicht 
als foldhe anertennen wollen. Er jelbit hat, fo unbedeutend 
auch der Play fein mag, den er in ber Literatur ber Gegen- 
wart einnimmt, mehr als einmal fich diefen Anklagen der Kritik 
ausgeſetzt geſehen. Es ift ihm oft begegnet, daß man, anitatt 
ihm einfach zu fagen: Ihr Buch ift ſchlecht! ibn gefragt hat: 
Warum haben Sie dieſes Buch geichrieben ? Warum dieſen 
Stoff gewählt? Sehen Sie nit, daß die Grundidee entjeplich 
protest, abjurd (was liegt daran?), und daß der Gegenjtand 
die Grenzen der KAunft überfpringt? Das ift nicht jchön, 
das ift nicht anmuthig. Warum behandeln Sie nidht Gegen» 
ftände, die uns gefallen, uns erbeitern? Was haben Sie doch 
für fonderbare Launen? u. dgl. Darauf hat ber Dichter immer 
die entſchiedene Antwort gegeben: feine Launen feien jeine 
Saunen; worin die Grenzen der Kunft befteben, fei ihm 
unbelaunt; von einer genauen Geographie der Welt des Gelftes 
wife er Nichts; er habe bis jegt noch keine Reiſekarte der Kunft 
gefeben, mit Bezeichnung der Grenzen des Möglihen und des 
Unmöglichen in Roth und Blau; kurz, er habe das gemacht, 
weil er e8 gemacht habe. 


401 


Wenn ihn alfo heute Jemand fragt: Wozu biefe O rien⸗ 
talen”? Was ihm den Gedanten eingegeben, ſich einen ganzen 
Band durch im Orient zu ergeben? was dieſes unnüge, reiste 
poetiſche Buch, bineingeworfen in die eruften Beichäftigungen 
des Publikums, an der Schwelle einer Rammerfigung, bedeuten 
solle? Wo feine Opportunität jei? Wie denn der Orient ‘da 
herein pafie?? — ſo wird er antworten: das wife er nicht, es 
fei eben eine Idee, die ihn ergriffen, und zwar in ziemlid 
lächerlicher Weife ergriffen babe, legten Sommer, als er vie 
Sonne untergehen jab. 

Er wird nur bedauern, daß das Bud nicht befier ausge» 
fallen ift. 

Und dann, warum ſollte es nicht nit einer Literatur im 
Ganzen, und im Bejondern mit dem Werk eines Dichters fi 
verhalten , wie mit jenen jchönen alten Städten in Spanien 
zum Beifpiel, in denen man Alles findet: frifche Drangen- 
Alleen am Ufer eines Zlufles; weite, offene, fonnige Pläte 
für große Fefte; enge, gewundene, oſt dunkle Gaſſen, in denen 
fi taujend Häufer jeder Form und jeden Alters au einander 
veiben, hohe, nievere, ſchwarze, weiße, bemalte, mit Sculptur 
geſchmücte; ein Labyrinth von hart an einander ftoßenden Ge⸗ 
bäubden, Alles durcheinander, Paläfte, Gaſthäuſer, Klöfter, 
Kofernen, alle verfchieven, alle ihre Beitimmung in ihrer - 
Bauart an ber Stirne tragend; Marlipläge voll Menſchen und 
Geräufh; Kichhöfe, auf denen die Lebendigen ſchweigen, wie 
die Todten; bier das Theater mit feinem Rauſchgold, feinen 
Teompetenftößen,, jeinem Flitterftaat; dort der alte permanente 
Galgen, deſſen Stein vermwittert, deſſen Eifen verroftet ift, mit 
einem Skelett, das im Winde Inadt; — dort in ber Mitte der 
große gothiſche Dom mit feinen fägeförmig ausgezackten hoben 
Spigen, dem großen Glockenthurm, den fünf Bortalen, mit 
Basreliefs verziert, mit feinen durchbrochenen Srieien, bie 

8 dusoe ſammtl. poetiſche Werke D. 


AR 


einer Halstraufe leihen; feinen foliden Gpigbogen, die benz 
Auge fo zerbrehlih erjheinen; und dann, feine tiefen Ge- 
wölbe, einen Wald von Pfeilern mit bizarren Kapitälern,, feine 
beleuchteten Katafaleln, feine Myriaden von Heiligen und 
Meliquienkäftchen, feine garbenförmigen Säulen, feine Rofet- 
ten, feine Dgiven, feine vergitterten Betftühle, die ausſehen 
wie ein Käfig mit Fenſtern, feinen Hochaltar mit taufend 
Kerzen; — ein wunderbares Gebäude, impofant burdy feine 
Maſſe, ſehenswerth in feinen Einzelnheiten, fchön auf zwei 
Meilen und jhön auf zwei Schritte weit; — und endlich, am 
andern Ende der Stadt, unter Balmen und Splomoren ver⸗ 
borgen,, die orientalifhe Moſchee mit Kuppeln von Binn und 
Kupfer, mit bemalten Thüren, gefirnikten Wänden, mit Be- 
leuchtung von oben, mit ihren ſchlanken Arkaden, ihren Beden, 
die Tag und Naht rauchen, ihren Koranfprüden über jeder 
Thure, ihren blendenden Heiligthümern, ihrer Moſaik am Boden 
und Mojail an den Mauern; — weit auögebreitet vor der 
Sonne wie eine große, duftige Blume. 

Allerdings wird der Verfafler diefes Buchs nie ein Ganzes 
von Werten bervorbringen, auf das man die Vergleichung, bie 
er bier gewagt, anwenden könnte. Ohne jedoch zu hoffen, daß 
man in dem, was er biöber gebaut bat, auch nur den roben 
* Umriß der Gebäude, die er eben bezeichnet, finden werde, fei 
es der gotbifhe Tom, oder das Theater oder felbft der häßliche 
Galgen, — wenn man ihn fragen würde, mas er bier habe 
bauen wollen, er würde antworten: — die Moſchee. 

Er verhehlt fi nicht, um dies beiläufig zu bemerfen, daß 
viele Kritiker es Fühn, ja unfinnig finden werden, für Franb⸗ 
reich eine Literatur zu wünjchen, die man mit einer mittelalter- 
Tihen Stadt vergleihen könnte. Das fei eine der tollften Eim 
bildungen, auf die man geratben könne, Tas heiße geradezu 
der Unorbnung, der Weitihweifigleit, der Bizarrerie, dem 


403 


ſchlechten Geſchmack das Wort reden. Beſſer eine fchöne, kor⸗ 
relte Nudität, große, — wie man ſagt, — ganz einfache 
Mauern, mit einigen nüchternen Verzierungen, von gntem 
Geſchmack: einige Dven und Boluten, ein BronceBouquet 
für die Karnieße, eine marmorne Wolfe mit Engelslöpfen für 
die Dede, eine FlammPvon Stein für die Friefe, und dann 
wiever Dven und Boluten! Das Schloß von Berfailles, der 
Platz Ludwigs XV., die Straße Riwoli: das iſt's. Spredht mir 
von einer nach der Echnur gezogenen, fohönen Literatur! 

Die andern Voͤller fagen: Homer, Dante, Shale 
fpeare. Wir fagen: Boileau! . 

Doc weiter! 

Bedenkt man dies, — wenn es anders die Mühe ver⸗ 
lohnt, darüber nachzudenken, — fo wird man vielleicht die 
Phantaſie weniger ſeltſam finden, weldhe dieſe Drientalen 
bervorgebradht hat. Man beihäftigt ſich heutzutage, — biefer 
Fortſchritt ift die Wirkung von taufend verſchiedenen Urſachen, 
— man beichäftigt fidh viel mehr als je mit dem Orient. Die 
orientaliihen Studien. haben noch nie ſolche Fortſchritte gemacht. 
Im Beitalter Ludwig’ XIV. war man Hellenift, gegenwärtig 
it man Drientalift. Das ift ein Schritt vorwärts. Nie haben 
fo viele Kräfte auf einmal den großen Schacht von Aſien durch⸗ 
wühlt, Wir haben gegenwärtig in jebem der Idiome des Orients 
einen Gelehrten eingebürgert, von China bis nad Aegypten. 

Aus allem diefem gebt hervor, daß der Drient, ſei es als 
©emälde, fei es als Idee, für den Berftand, wie für die Bhan- 
tafie ein Gegenſtand allgemeiner Vorliebe geworden ift, von der 
auch der Berfafier dieſes Buchs, vielleicht ohne fein Wiflen, 
fh hat hinreißen laſſen. Die orientalifhen Yarben haben, wie 
von felbft, alle feine Gedanken, alle feine Träume durchdrungen, 
und diefe feine Träume und feine Gedanken find nad einander, 
faft ohne es zu wollen, hebräiſch, türkiſch, griechiſch, 


404 


perſiſch, arabifch, fpanijh geworden: — Spanien ge 
bört noch zum Drient, Spanien ift halb afrilanifh, Afrika 
ift halb aſiatiſch. 

Gr ließ diefe Boefie, die nun einmal über ihn kam, ge- 
währen, Ob gut, ob ſchlecht, — er nahm fie hin und war glüd- 
lich darüber. Er hat obnedies von jehef eine lebhafte Sympathie 
als Dichter — man erlaube ihm einen Augenblid ſich vielen 
Titel anzumaßen! — für die orientaliihe Welt gehabt. Gr 
glaubte dort aus der Ferne hohe Poefie herüber ſchimmern zu 
Seben. Sie ift eine Quelle, an ber er ſchon lange feinen Durft 
zu löfhen gewünscht hatte. In der That, dort ijt Alles groß, 
reich, fruchtbar, wie im Mittelalter, dieſem zweiten Meer der 
Poeſie. Und, — da er einmal Beranlaffung bat, e8 zu fagen, 
warum follte er es nicht tbun? — ihm ſcheint es, ala habe man 
bisher viel zu fehr die neue Zeit im Zeitalter Lud wig's XIV. 
und das Altertbum in Rom und Hellas gejehen: würde man 
nicht höher herab und weiter feben, wenn man die neue Aera 
im Mittelalter und das Altertbum im Orient ubirte? 

Uebrigens ift nit nur für bie Literatur, fondern aud für 
die Politik der Orient vielleicht in Murzem berufen, eine große 
Rolle im Dccivent zu fpielen. Schon durd die merfwürbigen 
Kämpfe der Griechen waren die Augen aller Böller wieder nad) 
diejer Seite hin gelehrt. Das europäifche Gleichgewicht ift auf 
dem Punkt zufammen zu brechen. Der wurmſtichige und ver 
witterte Status quo kracht won Eonftantinopel ber. Der 
Ganze Eontinent neigt fih nad dem Drient hin. 

Mir werden große Dinge ſehen. Die alte aſiatiſche Bar⸗ 
barei iſt vielleicht nicht fo arm an bedeutenden Männern, wie 
unjere Givilifation glauben möchte. Man erinnere fih nur, 
daß fie es üft, die den einzigen Koloß hervorgebracht hat, den 
biejes Jahrhundert dem Bonaparte gegenüber zu fiellen ver 
möchte, wenn es zu Bonaparte überhaupt ein Pendant gäbe, 


405 


diefen Mann von Genie, freilich von türfifd-tartarifjen Genie, 
diefen Ali Paſcha, ber fih zu Napoleon verhält, wie der 
Tiger zum Löwen, der Geier zum Adler. - 

Januar, 1829. 


Bierzehnte Auflage, 


Diefes Buch bat den einzigen Erfolg gebabt, den der Ber 
fafſer in diefem Augenblid der literarifchen Krifis und Revo, 
Iution erſtreben tonnte: lebhafte Oppofition auf der einen Seite, 
und vielleiht einige Zuſtimmung, einige Sympathie auf der 
andern, 

Man konnte mandmal in Verſuchung kommen, jene 
mehr gejammelten, over gleihgültigeren Epochen fih zurüdzu- 
wünſchen, die weder Kämpfe noch Stürme erregten um die 
friedliche Arbeit des Dichters, die ihn anbörten, ohne ihn zu 
unterbrechen, und kein Befchrei in feine Gefänge miſchten. Allein 
die Dinge geben fo nicht mehr. Mögen fie fein, wie fie find. 

Sede Unbequemlichteit bringt auch ihre Vortheile mit ſich. 
Wer die Freiheit der Kunſt will, muß auch die Yreibeit der 
Kritit wollen, und Kämpfe find immer aut. Malo pericu- 
losam libertatem, (Sc) ziehe die Freiheit vor, fo gefährlich fte 
fein mag.) 

Der Berfahler wird feiner Gewohnheit treu bleiben und fi) 
hüten, bier auf die Kritiken zu antworten, beren Gegenitand 
fein Buch geweſen ift. Nicht ala ob nicht mehrere dieſer Kri⸗ 
titen der Beachtung und Beantwortung werth wären. Aber 
der Verfafier hatte immer einen Widermwillen gegen Bertheibi- 
gungsreden und Apologien. Und dann ift es Sache der Zeit, 
Krititen zu beftätigen oder zu widerlegen. 

Dennoh muß er bedauern, daß einige feiner Genforen, 
wenn auch in gutem Glauben, fich eine falſche Idee von ihm 
gebildet haben, und ihn unmanierlicherweife faft wie eine Hypo⸗ 


406 
tbefe behandelt haben, indem fie ibn a priori confiruirten, 
wie eine Abftraltion, ibn aus allen mögliden Stüden zu⸗ 
fammenfegten, dergeftalt, daß er, der Poet, der Mann ber 
Vhantafie und der Laune, aber auch der Mann der Ueberzeu⸗ 
gung und der ehrliche Mann, unter ihrer Feder eine Art Ber- 
nunftweien geworben ift, und zwar eines der feltfamften Art, 
das in einer Hand ein Syſtem hat, wornad es feine Bücher 
verfaßt, und in der andern eine Zattil, womit es fie vertheidigt. 
Ginige find noch weiter, nämli von feinen Schriften zu feiner 
Berfon übergegangen, baben ihm G@igenbüntel, Selbftüber- 
ſchätung, Stolz; und was weiß ich Alles vorgeworfen, und 
aus ihm eine Art jungen Ludwig XIV. gemacht? der in Stiefel 
und Sporen und mit der Reitpeitſche in der Sand in die ernf- 
bafteften Beratbungen hineintritt. 

Er darf verfihern, daß die, die ihn fo beurtbeilen, ihn 
falſch beurtbeilen. 

Er felbft macht fich keinerlei Illuſionen über fich ſelbſt. Er 
weiß jehr gut, dab das Bischen Lärm, der ſich um feine Bücher 
erhebt, nicht feine Bücher machen, fondern einfach die wichtigen 
ragen der Sprache und Literatur, die man bei diefer Gelegen⸗ 
heit zu beiprechen für paflend erachtet. Der Lärm kommt von 
Außen, nicht von Innen. Meine Bücher find die Beranlaffung, 
nit die Urſache. Die Leute, weldye fih mit dieſen ernften 
ragen der Kunſt oder Poeſie beſchaftigen, haben, wie es ſcheint, 
feine Bücher zur Arena gewählt, um ihren Kampf auszufechten, 
Es ift dabei Nichts, was fie ihrem eigenen Verdienſt verbanten. 
Das kann ihnen hödhftens eine vorübergehende Wichtigleit ver- 
leihen, und das will ſchon viel fagen. Das gewöhnlichfte Ter- 
rain gewinnt eine gewiffe Berühmtheit dadurch, daß es ein 
Schlachtfeld wird. Aufterliz und Marengo find große Namen 


und Heine Dörfer. 
Februar, 189. 


L 
Fener vom Himmel. 


Da lieh der Herr Schwefel und Fener regnen vom 
Himmel herab auf Sodom und Gomorrha. 

Und kehrete die Städte um, und Die ganze Gegend, 
und alle Sinwohner der Städte, und was auf dem 
Lande gewachſen wer. 1 Mel. 19, M. 23. 





Heht ihr die Wolle, ſchwarz gefäumt, worüberziehn ? 

Bald grau und blaß, bald roth und glühend ſchwebt fie bin, 
Ehmwül, wie ein Sommer ohne Regen. 

Ihr meint den Dualm zu fehn, den glübenden, ihr glaubt 

Den Sturm zu hören, der wild in die Flammen ſchnaubt, 
Die eine Stadt in Aſche legen. 


Bo kommt fie ber? — Bom Berg? vom Himmel? Aus der See? 
Der zu dem nähften Stern Dämonen in der Höh' 

Forttraͤgt, iſt's wohl der Feuerwagen? 
Und aus dem Chaos, aus dem ſchwarzen Wollenſchooß 
Sprühn Funken, ringen fih Bligftrablen glübend los, 

Gleich Schlangen, die verborgen lagen. 


408 


Meer, überall nur Meer, und Wogen ohne Strand, 

Der Bogel fliegt fih müb und nirgends fieht er Land, 
Hier Wellenihaum, dort aroße Wogen, 

Die Welle ftößt zurüd die Welle, kreifend rund, 

Nur Wellen fieht dag Aug’, hinunter in den Schlund 
Des Strudels fort und fort gezogen, 


Dft ſchwimmt ein großer Fiſch dahin auf hober Flut, 

Der Floßen Silberglanz blinkt in der Sonnenglut, 
Das lichte Blau am breiten Schwanze. 

Der Wollenbeerve, die fich fhüttelt, gleicht die See; 

Wie ebern zieht ein Kreis ih rings, die blaue Hoͤh' 
Eint ih dem blauen Wogenglanze. 





— Die Feuerwolle fragt: Soll trodnen diefes Meer? 
— Rein! — fpridt der Hauch des Herrn und jagt fie vor fidh ber, 


I. . 


Eine Bucht mit fteilen Rainen, 
Spiegelnd fih im Wellenglanz, 
Heerden, ftreifend in den Hainen, 
Auf der Au Gefang und Tanz; 
Zelte, friedlich ftille Site; 

Und der Fiſcher und der Schüge 

Lebt bier frei, fein Pfeil, dem Blige, 
Der dahinfährt, gleicht er gang. 


Diefe Banderftämme haben 

Immer frifch die Luft und rein, 
Junge Mädchen, Krieger, Knaben 
Drehn fi Iuftig bier im Reihn. 
Um die Flammen kreist der Reigen, 
Die im Wind ſich heben, neigen, 
Geiftern gleich, wie fie fich zeigen 
Nachtlich oft im Mondenfchein. 


Mitternähtig ſchwarze Dirnen, 
Reizend, ohne Tuch und Band, 
Lachen fpiegelnd ihre Stirnen 
Im Metall und treiben Tand. 
Andre, Ichön und ohne Fehle, 
Singen laut aus friiher Kehle, 
Die dort mellt aus dem Kameele 
Weiße Mil mit ſchwarzer Hand, 


Männer, Weiber, Brüder, Schweitern 
Baden bier im Meer fih nadt. — 
Wo hat wohl die Horde geitern 
Aufgepadt und abgepadti? — 
Pferdewiehern, Eymballlänge, 
Mächtig tost die bunte Menge, 
Raufchend regt fi) das Gedränge 
Mit dem Meer im gleihen Talt. 


Die Wolke machte Halt, ward dunkler noch und trüber: 
— 8 bier? — Und eine Stimm’ antwortete: — Vorüber! 


410 


IV. 


Aegypten! — Aehrengelb, reich dehnt fi aus das Land, 
Ein Teppich, bunt geftidt und endlos ausgeipannt, 
Und rundum Wüfte nur und Leere! 
Im Nord die kühle See, im Süd der heiße Sand 
Umziehn Aegypten, und benagen feinen Rand; — 
Es ladıt inmitten zweier Deere, 


Drei Berge, die der Menſch erbaut, breilantig, ftehn 
Zum Himmel ragend, doch ihr Fuß ift nicht zu ſehn, 
3 deden ihn des Sandes Wellen, 
Und zu der Spige gehn, gehauen in den Stein, 
Bom fand’'gen Boden aus gewaltge Stufenreihn 
Für Niefenfchritte von ſechs Ellen. 


Die rotbgranitne Sphinx bewadıt fie und ein Gott 

Bon grünem Marmor, und, dem MWüftenwind zum Spott, 
Senkt keines je die Augenlieder. 

Gewaltge Schiffe ziehn zum weiten Hafen ein, 

Und eine Niefenftabt wajcht ihren Fuß von Stein 
Im Meer und ſchaut mit Stolz; hernieder. 


Mordſchnaubend faust heran des Samums heißer Hauch, 

Auf weißen Kiefeln knirſcht dahin ein Saupvenbaud, , 
Und Krokodile hört man winſeln. 

Ein grauer Obelisk fteigt hoch dem Himmel zu, 

Bunt wie des Tigers Haut ftredt Abends fi zur Ruh 
Der gelbe Nil, gefledt mit Inſeln. 


411 


Des Tages Königäftern verfinlt, und langfam rollt 

Er in die Flut, die ſtrahlt zurüd fein fläfig God, — 
Die Welt, der unfern Feuerfeele. 

Am rof'gen Himmel, in der Wogen golonem Reich 

Seht ihr zwei Sonnen ſich begegnen, Koͤnigen gleich, 
Hinſchreitend durch erbellte Säle. 


— Ifrs hier? — Die Frage Scholl dumpf aus der Wolle Schlund. 
— Geh! — ſprach die Stimm’ und tief erbebte TZabors Grund, 


V. 


Ein Sandmeer ohne Kuͤſte, 
Des Schreckens weites Beet, 
Die grenzenlofe Wüfte 

Mit Knochen überfät;... 
Die fih dem Winde ftellen, 
Die Berge find wie Wellen, 
Sie wanten und zerfchellen, 
Vom Wirbelfturm verweht. 


Oft an den Weltlärm mahnen 

Sm beiligen Revier 

Die Wander-Caravanen 

Von Mamre und Ophir. 

Das Auge folgt dann lange 

Des Bugs gemundnem Gange, _ 
Und eine Riefenichlange 

Scheint er, ein Wunderthier. 


Ed 


412 


Ya, Gottes ift die Wälte, 

Erhaben, ernſt und bebr, 

Er kennt nur ihre Küfte, 

Und ihren Schooß nur Er. ' 
Staubwolten kommen, geben, 

Wenn heiß die Lüfte weben, 

Sie wogen, bäumen, blähen 

Wie Schaum fih auf dem Dieer. 





Die Wolle ſprach: „— Sol id zum See die Wüfte machen?" — 
— Fort! — Hang die Stimme, wie des fernen Donners Krachen. 


VI. 


Ein Rieſenfels, um den der Schaum des Meeres fliegt, 

Ein Trümmerhaufen, hoch aufragend, — wüſte liegt 
Hier Babel, rundum öde Strecken. 

Es zeugt fein Wunderbau nur für das ird'ſche Nichts, 

Mit feinem Schatten konnt’ im Schein des Mondenlichts 
Vier Berge leicht es überveden. 


Reich an Gewölben iſt die eingeftürzte Stabt, 

Wenn in den Tiefen ſich der Sturm verfangen bat, 
Dann rauschen wunderfame Töne. 

Um feine Mauern ſchwärmt' ein ganzes Volt, es ſchien 

Die ganze Menſchheit jollt’ in ihren Umkreis ziehn 
Einft Babel, fie, die Große, Schöne, 


Gie hatte Stufenreibn, auffteigend zum Zenith, 
Und jede Stufe war ein Hügel von Granit, 
Denn man fi auf dem Gipfel glaubte, 


413 


Fand auf dem hohen Berg man höhre Berge noch, 
Und ftaunend ſah der Blid von Felſenjoch zu Joch 
Hinauf zum Pyramiden⸗Haupte. . 


Die mäht’ge Boa dort, das grüne Krokodil, 
Eidechſen gleichen fie, die im Geftein zum Spiel 
Sich über mächtge Blöde jagen. 
Grasbüſchel feinen nur, von unten auf geſehn, 
Kolofie, die zu höchſt auf Trümmerbügeln ſtehn, 
Balmbäume, die auf Thürmen ragen. 


Die Elepbanten ziehn durch ihrer Mauern Spalt, 

Aus ſchwarzen Pfeilern wächst hervor ein ganzer Wald 
Und überfchattet die Ruinen. 

Um die Portale fieht man Niefengeier, Aar’ 

Und Eule fliegen, Tag und Nacht, in bunter Schaar, 
Wie um den Bienenftod die Bienen. 


— Soll ich's vollenden? — ſprach die Wolle. — Yahre bin! — 
D Herr, erwiedert fie, wohin denn ſoll ich ziehn? 


va, 


Sieh dort zwei Städte, die ſich fremd und felfam zeigen, 
Die Stuf um Stuf’ empor bis in vie Wollen fteigen, 
Mit ihren Göttern ruhn fie fill im Schdoß der Nacht, 
Mit ihrem Volt, mit Roß und Wagen, Lärm und Pracht. 
Zwei Schweftern liegen fie im felben Thal gebettet, 

Im fahlen Mondenſchein, der ihre Thürme glättet, 

Bald fieht das Ange, das im Dunkeln forſchend zudt, 
Die Pfeiler, Treppenreibn, den hohen Aquadult, 


414 


Ein CElephantenſchwarm fobann erfheint den Bliden, 

Se einen Riefeuthurm auf dem granitnen Rüden, 

Und um Rolofje,-die zum Himmel fteigen, reihn 

Sich Ungethüme, platt am Boden, Etein auf Stein, 
Dort hängen Gärten, reih an Blumen und Arkaden, 
Und dunlle Baum’ am Rand von ſchäumenden Kaskaden, 
Gtierlöpfge Götter, all in Jaspis, an der Zahl 

Wohl hundert ruhen ftolz auf hohem Piedeſtal, 

In Sälen, überwölbt von Einem Felsblod, wohnen 

Erz ⸗Gotter, fiten ftare und fteif im Kreis auf Thronen, 
Und ſchaun einander an, ſchlaflos und regungslos, 
Gewaltge Riefen mit den Händen auf dem Schooß, 
Baläfte, Höfe, lang geftredte, düftre Gaſſen, 

Geftalten überall von ungebeuern Maffen, 

Die Brüden, Bogen, die Rundbthürme, ber Kanal, 

Gar ſeltſam anzuſchaun find fie, geipenftiich fabl, 
Gebäude fieht man ho, wie Vorgebirge, fteigen, 

Und Schatten werfen, bie fih in die Ferne neigen, 

Und Well’ auf Welle wälzt ſich drauf die Finfterniß, 

Nur ſelten blidt ein Stern matt durd der Wolten Riß, 
Dur taufend Bogen, wie durch einen fhwarzen Schleier, 
Schlingt kaum ein Strahl fih durch von feinem milden Feuer. 


Zwei Höllenftäbte, ba, vol fündiger Begier, 

Wo, ſchnoͤder Lüfte Knecht, der Menſch verbirbt zum Thier, 
Und unter jedem Dad gebeime Sünden fteden, — 

Ein doppeltes Geihwür der Welt, die fie befleden. 


Im Schlafe lagen fie. In beiden Städten fuhr 

Kaum an den Häufern bin noch eines Strables Spur, 
Der Orgien fahles Licht, auffladernd, dann verfunten, 
Und in den Straßen noch der Fadeln legte Funken. 


415 


Der Mauern Schatten, die der Mondſchein weiß bemalt, 
Falt auf ein Wafler, das fie zitternd widerſtrahlt, 
Geflüfter hört man fern, wie Kniftern rother Kohlen, 
Und Küffe, bald erftidt, und heißes Athembolen. 


Die Schweſterſtädte, müd der Blut des Tages, warn 

Und Lüftern ‚. ſinken ſich leis murmelnd in den Arm, 

Der Hauch der Nacht, der ſeufzt im Laub der Sylomoren, 
Bon Sodom duftend Ihwimmt er zu Gomorrha's Thoren, 
Die Ihwarze Wolle fliegt dahin, da fallt ein Wort, 

Wie Donner, und e8 rief herab vom Himmel: — Dorti 


vo, 


Und die Wollte krachte, 
Und aus ihrem Schadte 
Fuhr der rothe Brand, 
Gluͤhend ftand fie offen, 
Schmwefelitröme troffen 

Ab von ihrem Rand, ... 
Blutig rothe Helle. 

Um Baläft’ und Ställe, 
Lehm⸗ und Marmorwand, 


Sodoms Brahtpaläfte 
Und Gomorrha's Veſte 
Frißt der Blige Wuth; 
Arge Böller trafen 

Sie, um ftreng zu ftrafen 


Frevlerũbermuih. 


——— —— — De m — —— 








416 


Und mit votben Zungen 
Ledt nah Alt’ und Jungen 
Grimmig wild die Olut, - 


Und das Volk erwachte, 
Das noch geitern dachte 
Nicht an Rew und Buß’; 
Schaurig follt' es tagen; 
Alles flieht zu Wagen, 
Fieht zu Roß, zu Fuß. 
Und es wächst die Maſſe, 
Und in jeder Gaſſe 
Strömt ein rother Yluß; 


Nagt am folgen Schloſſe, 
Nagt am Steinkolofie, 
Schont kein Marmorbils; 
Die im Schlaf fi ftreden, 
Sterben, eb’ fie weden 
Mag der Sturm, der brüllt, 
Ueber morſche Mauern 
Nennen unter Schauern 

So Ameifen wild. 


Hliehtl... Auf allen Wegen 
Strömt der Feuerregen, 

Gellt e8: Web und Ad, 

Und an allen Thoren 
Schreit's: „Wir find verloren I" 
Brüde ftürzt und Dad. 


417 


Blitzzerſchellt, in Flammen 
Schwimmend rings, zuſammen, 
Erker und Gemach. 


Raͤchtig ſchwillt das Feuer, 
Wird zum Ungeheuer, 
Schnaubend, riefig groß; 


- Sagt dur alle Räume 


Yab, wie ohne Bäume. 
Kennt ein tolles Roß. 

Ebern ftarre Glieder 
Krümmt ein Gott, den nieder 
Wirft des Windes Stoß. 


Neue Feuerivogen 

Kommen angezogen, — 
Denn der Himmel wild, — 
Marmor bricht zufammen 
In den Schwefelflammen, 
Die ein morſcher Pilz, 
hürme, Häufergruppen 
Flimmern wie die Schuppen 
Eines Krolodils. 


Porphyr, Edelfteine 
Glühn in rotbem Scheine 
Die Wachskerzen weich, 
Nebo, Marmorriefe, 
Beuge did, zerfließe, 
Stürz’ ing Trümmerrei. 


®. Hugs’r ſammtl. poetiſche Werte. A. 





418 


Säulen im Zerſchellen 
Andern, ſpruhen hellen 
Riefenfadeln gleich. 


Götterbilver tragen 

Magier mit Zagen 

Weg vom beil’gen Ort. 
Mag nad) allen Seiten 
Aus der König breiten 
Seines Nantels Hort; 
Mantel, Aron’ und Waffen 
Wird die Glut entraffen, 
Alles reißt fte fort. 


Eines Schloſſes Zinnen 
Reißt der Strom von binnen, 
Wo aus dichtem Kreis 
Menſchliches Gewinfel 
Schallt; die Häufer-Infel 
Lodert, fprübend beiß, 

Muß im Glutſtrom rollen, 
Bis hinab glei Schollen 
Sie verfintt von Eis. 


Oberpriefter, drohe 

Du der grimmen Lohe! — 
Dort am Ufer, fieb, 

Steht er: die Tiare 
Brennt, und wie vom Haare 
Er fie reißt mit Muͤh', 





419 


Mebt die Hand am Kopfe, 
Und zufammt dem Schopfe 
Steht in Flammen fie, 


Männer, Frauen laufen, 
Ein verworrner Haufen, 
Vor des Feuer’3 Spur; 
Bor den todten ‚Städten 
Lagern, die fich retten, 
Auf verbrannter Fur. 
Und das Vollagewimmel 
Sieht entfegt im Himmel 
Eine Hölle nur, 


IX, 


Man jagt von Babel, — wie am Gitter fi gefangen 

Gin alter Sträfling redt, wenn einen Kopf man baut 

Bom Rumpf, — fo habe fie, die ſchwer ſich felbft vergangen, 
Von fern am Horizont dem Feuer zugejchaut. 

Man hörte, während ſich das Strafgeriht vollbradte, 

Ein Braujen, daß entiegt auffubhr die ganze Welt, 

So graͤßlich, daß es drang bis zu dem ftillen Feld, 

Bo taube Voͤlker ruhn im tiefen Erdenſchachte. 


X. 


Sie raste ſchonungslos, die Brunft, und auch nidt Ein 

Berdammter fam davon, es flammte Bein und Stein. 
Die Hände rangen, unter Schauern . 

Umarmten fie fih noch, und ſahn entjegt fih an, 

Und fragten: welder Gott den jpeienden Vulkan 
Geſchuͤttet über ihre Mauern ? 


420 


Bor diefem Feuer, das vom Simmel ſprühte, bradı 

Db den Bewohnern ein das ftärkite Marmordach. 
So ftraft der Herr, bie ihn nicht ehren. 

Zu ihren Göttern ſchrien fie auf, die bebten mit 

Den Betern, taub und ftumm, den Augen von Granit 
Entftrömten heiße Lavazaͤhren. 


Schutt Alles, Qualm und Rauch, was kaum noch blühend war, 

Die Flur mit Saat und Korn, das Bolt, das Städtepaar! 
Der Brand, er war der Rabe Scherge, 

Aufrecht blieb Nichts rundum im Feld und in der Stabt, 

Der Wind, der diefe Nacht geweht, fein Odem bat 
Berwandelt die Geftalt der Berge. 


XI, 


Weht diefer Slutenwind, dann ſiecht im Wüftenftaub 
Der Palmbaum, plöglih dorrt der Stamm, es ftirbt das Laub, 
Verfiegt der letzte Tropfen Näſſe. — 
Die Städte find nicht mehr; ein Spiegel alter Zeit, 
Auf ihren Trümmern dehnt ein glatter See ſich breit, 
Der raucht wie eine Feuereſſe. 
Ottoder, 1838. 


— — — — — — — — 


1 


IL 
Kanaris. 


Faire sans dire. 
Alte Devife, 





Senn ein befiegtes Schiff ſich wiegt auf hohem Meer, 
Und von ven Gegelftangen. 

Die breiten Segel body am Maft, durchnäßt und fchwer, 
Berfebt von Kugeln bangen; 


Wenn Todte man nur fiebt, gefallen im Gefecht, 
Und Trümmer nieberfabren, 

Wenn vom gebrochnen Maſt des Talelwerls Geflecht 
Hinfliegt gleih milden Haaren; 


Und wenn das Schiff voll Rauch und Lärm im Kreis fich dreht 
Bleih einem Mühlenflügel, 

Und wenn das Schiffsvolk rennt und bin und wieder geht 
Und flieht vom Stern zum Spiegel; 


Wenn kein Soldat mehr, mas die Führer rufen, thut, 
Die Meerflut eindringt ohne Schonen, 

Und wenn im Zwiſchended ſich ftoßen in der Flut 
Geloͤſcht die Schiffskanonen; 


4 


Wenn der Koloß dem Meer fih länger nicht verjchliebt, 
Weit öffnet feine Schwäre, 

Wenn durd der Rüftung Erz ihr Lebensblut vergießt 
Die riefige Galeere; 


Denn fie, ein Leichnam, der noch zudt, mit leckem Kiel 
Sich dreht bei jebem Hauche, 

Ein großer todter Fiſch, der glänzt, der Wellen Spiel, — 
Mit filberweißem Bauche; — 


Dann Heil dem Sieger, Heil! — Sein ſchwarzer Anler legt 
Aufs Schiff Ih, das gefallen, 

Wie nad) dem heißen Kampf ein ftolger Adler ſchlaͤgt 
An feinen Raub die Krallen. 


Dann läßt vom großen Maft er feine Flagge. wehn, 
Wie body von Thurmeszinnen, 

Und ihren goldnen Schein fieht man im Wafler ftehn, 
Sich breiten und zerrinnen. 


Die fhönften Farben ftellt das Schiffävolt dann zur Schau, 
Stolz nah errungnen Siegen, 

Sm Falten filberweiß, purpurn und azurblau 
Die Wimpel läßt es fliegen, 


Unfinn’ger Stolz, der fo mit eitlem Prunk ſich bläht 
Und Tand von allen Arten; — 

Als ob die Wellen, durch die Wellen raſch berweht, 
Davon die Spur bemahrten ! 


Sein Kranz pflanzt Malta auf, Venedig's Löwe fredt 
Stolz auf ben Hintertheilen - 

Eid feiner Schiffe, der lebendge Leu’n erjähredt, 
Daß brüllend fie enteilen. 


— — — — — — — — 


48 


Reapels Flagge glaͤnzt entfaltet weit umher, 
Strahlt fie im fchönfter Breite, 

So meint man, hab ein Strom von golbner Seid' ins Piese 
Geſchlaͤngelt niedergleite. 


Auf Spaniens Flagge wehn und fpielen mit bem Sturm, _ 
Umſchwaͤrmt von grauen Möven, 

Navarra’s Ketten und Aaktiliens Silherthurm 
Und Leons golone Löwen. 


Ihr tennt die Schläffel Roms, das Kiny Mailands, dab fihreit 
Am Schlund der Schlange bebend, 

Auf Frankreichs Schiffen ſeht ihr über'm Ruplerticit 
Die goldnen Lilien ſchwehend. 


Das ftolge Stambul faßt den Halbmond ein mit drei 
Schne eweißen Pferdeſchwaͤnzen, 

An goldnem Himmel laͤßt die blauen Sterne frei 
Amerika erglänzen. 


Den Adler Deſtreichs, der empor die Flügel ſtellt, 
Seht ihr auf Seide blinken, 

Und drehn den ſchwarzen Kopf, bedraͤuend rings die Welt, 
Zur Rechten und zur Linken. 


Der Czaren Doppelaar, der jenen ſtets gehaßt, 
Schaut kühn hinaus ins Blaue, 

Wie jener, ſpäht er nach zwei Welten, und umfaßt 
Die Eine mit der Klaue. 


Die Driflamme nennt das ftolge England fein,. 
Und laͤßt fie fiegreich ſtrahlen, 

So rei, fo glänzend, daß in ihrem Widerſchein 
Die Wellen roth fi malen, 





So lafien Könige vom Maft in lichter Höb 
Ihr ſtolzes Banner rauſchen, 

Und zwingen jedes Schiff, das fie befiegt zur See, 
Die Heimath zu vertaufchen. 


So unterjochen fie die Segel, die einmal 
Des Schidſals Schläge trafen, 

Und triumphiren, wenn daheim, vermehrt an Zahl, 
Sie fahren in den Hafen. 


Der Sieger Fahne muß auf jedem Schiffe wehn 
Nah eitlem Widerftande, 

Geſchrieben auf die Stirn muß dem Befiegten ſtehn 
Ihr Ruhm und feine Schande. — 


Glutfurchen aber sieht dad Boot auf feiner Bahn, 
Das Kanaris beitiegen, 
Und auf den Schiffen, die er nimmt, den rothen Hahn 


I läßt 
Als Wimpel läßt er fliegen, Reemerr. 1:36. 


— — — — 


ul. 
Die Köpfe des Serail. * 


O horrible! O horriblei most horrible! 
Shakespeare, Hamlet. 


— 


L, 


Der ſchwarze Dom der Nacht mit feinem Sternenheere 
Beſchaute rubig fih im fpiegelglatten Meere, 
Das ſchoͤne Stambul, mit verfchleiertem Geſicht, 
Schien, ſchlaſend an dem Rand des Golfs, des funfenbelfen , 
Umftrahlt won Sternenglut am Himmel, in den Wellen, 

Bu ruhn in einem Meer von Licht. 


Man glaubt die Stadt zu jebn, bie ftille, wo im Blauen 
Nachtgeiſter Iuftige Baläfte fih erbauen, 
Schaut man die Harems, wo Langweil’ und Bram nur wohnt, 
Die blauen Dome, blau, dem Himmel gleih, dem reinen, 
AU die Halbmonde, die ein leifer Abglanz fcheinen 

Des Halbmonds, der anı Himmel thront, 


° Der Didter glaubte dirfe Ode wieder abbruden zu follen in der Ge- 
Reit, wie Me im Juni 1826 gesichtes und verbffentlicht worben war, zur 
Beit des Balls von Miffolungbi. Man muß Ach, wenn man fie jegt 
Best, erinnern , daß damals alle Journale Enropa’s den Tod bed KRanaria 
meldeten, ber in feinem Brander vor der Statt, ber er au Hülfe kommen 
wollte, durch eine thrlifche Bombe erichlagen worken ſei. Giädtiiherweiie 
wear bie traurige Nachricht damals jaliy und wurde wiserrufen. 


— 








536- 


Leicht Tann das Auge bie fharflantigen Thürmg ſehen, 

Der Häufer plattes Dad, die Spigen der Moſcheen, 

Den mauriihen Ballon mit blumigem Gewind, 

Und binterm Gitter wohl verjtedt die Fenſterniſchen, 

Die goldnen Schlöffer, auf der Stirn, gleih Reiherbüſchen, 
Balmbäume, wiegend ih im Wind; 


Die weißen Minarets mit ihren blanten Spitzen; — 

So mag von Elfenbein wohl eine Lanze bliten, — 

Bemalte Kioske, dort Leuchtthürme, ftrablenn, ſchlank, 

Und dort auf dem Serail, dag Mauern hoch umkränzen, 

Die Kuppelreihbn von Zinn, die durch das Dunkel glänzen, 
Wie Riefenbelme, fpiegelblant. 


I. 

Sa, das Serail!... Es ſchwimmt heut Nacht in wilder Freude; 

Beim Klang des Tamburins, auf Teppichen von Seide, 

Drehn die Eultanen fih in Sälen, flammend ſchier; 

Wie Yürften, deren Haupt Bold und Juwelen trönen, 

So prangt es beute ftolz vor des Propheten Söhnen, — 
Sechstaufend Köpfe, — welche Bier! 


Etloſchnen Auges, bleich, ſchwarzlockig auf den Finnen 

Gereiht find Köpfe rings, von welchen Tropfen rinnen 

Auf Rofen und Jasmin, die blübend ftehn und dicht; 

Und traurig, wie ein Freund, ein Tröfter, fommt gegangen 

Der Mond, der Todten-Stern, auf blutig blaſſe Wangen 
Wirft er fein mildes blaffes Licht, 


Hod vom Serail, vom Thor mit dem arabiſchen Bogen 
Herunterihauen Drei, von ſchwarzen Kräh'n umflogen, 
Drei Köpfe, die das Schwert des Moͤrders plögli traf, 


47 


Der Erfte, ſcheint's, erlag in beißen Rampfesnöthen, 
Der Zweite, während fi, der ‘Mund bewegt’ im Beten, 
Der Dritte fiel im Todesſchlaf. 


Indeß die Wachen, ſtarr, wie fie, ans Thor fich lehnen, 
Mit ftieren Bliden um fi ſchaun und ſchläfrig gähnen, 
Thun auf die Lippen die drei Köpfe an der Wand, 
Es gli ihr Wort dem Sang, den man wohl hört im Traume, 
Dem. Binde, defien Hauch entichläft am Waldesſaume, 

Der Flut, verballend leis am Strand, 


IL - 
Erfte Stimme. 


„Bo bin ich denn?... Wo ift mein Brander? — Fortl — Ans 
Steuer! 
Eilt, Miſſolunghi raudt, eilt, Brüder, ſchaut das Teuer ! 
Die Türken ftehn am Wall, fie jtürmen, dringen ein! 
Bur fernen Heimath jagt die Türkenfchiffe wieder, 
Und meine Fadel fol, ihr Brüder, 
Ein Leuchtthurm Cu, ein Blig, der trifft, den Feinden ſein! 


Stoßt ab! — Lebwohl, Korinth, du Cap, des Sturmes Wiege, 
Du Meer, wo jeder Fels ſich nennt nad einem Siege, 
Du Archipel, befät mit Klippen, füße Pracht, 
Ihr ihönen Inſeln, die des Frühlings Genien hüten, 
Die ihr bei Tag erſcheiut wie Körbe, voll von Blüten, 
Wie duftge Vaſen in der Nacht. 


Mein ftolzes Baterland, bu Sparta, neu erblübend 
In Freibeit, Hydra, kühn und kühne Lieder ſprühend, 
Matrofenftadt, von Maft und Segeln überragt, 


Lebwohl, ich Tiebe di, du Hoffnung der Hellenen, 
Du grüner Strand „ bethaut von Thränen, 
Ihr Felfen, die der Blig zerfchlägt, die Flut benagt. 


In Miffolungbi frei, und kehr' ich in mein Cland, 

Dann eine Kirche bau’ ih unferm Herrn und Helland, 

Und fall’ ich, finP ich in die ſchwarze Nacht hinab, 

Eh, thenre Heimath, ich gebrodhen deine Bande, 

Bringt meine Aſche dann zur Ruh’ im freien Lande, 
Grabt mir im Sonnenſchein mein Grab, 


Sa, Miſfolunghi! — Jagt hinaus die Türfenrotte, 

Kamraden, aus den Forts, und aus der Bucht die Flotte, 

Das Schiff des Admirals verbrenne, wer es trifft. 

Die Brander rüftet, fpitt ihm feiner Krallen Schärfe; 
Und wenn id auf fein Schiff mich werfe, 

Tann meinen Namen fchreib’ ich drauf mit Flammenſchriſt. 


Sieg, Freunde, Eieg!... D Gott, auf meinen leiten Nahen 

Faͤllt eine Bombe, Ded und Diel’ und Ballen krachen... 

Er kreist, er bricht, thut auf der ſalzgen Flut den Schlund! 

Ich ſchrei umfonft, indem die Wogen mich ummwinden, 

Lebt wohl, mein Leichentuch werd’ ich im Seegras finden, 
Mein fandiges Bett im Meeredgrund. 


Doch nein !— Wach' ih denn niht ?— Vor'm Auge weldy ein Rebel! 

Welch graufer Traum! ... Es fehlt mein Arm dem krummen Säbel } 

Weld Ihwarzes Braun um mi? Traf mid ein Donnerleil ? 

Das hör’ ih?... Lieder?... Kommt der Ton aus Frauenkehlen ? 
Eind’8 Stimmen abgefchiedner Seelen? 

Bin ich im Himmel?... Blut?... Was feh’ ih?... Das Serail!⸗ 


429 


IV. 


Zweite Stimme. 
Ja, Kanaris, das iſt's! — Schau her nach meinem Haupte, 
Das aus dem Sarg zum Feſt die Wuth der Türken raubte, 
Sie haben bis ins Grab verfolgt den Botzaris, 
Sieh diefe Knochen, die fie nahmen weg gleich Dieben, 
Den Reft, der noch von ihm dem Sultan überblieben, - 
Den ihm der Wurm des Grabes ließ. 


Ich ſchlief in meinem Grab, als mich der Ruf erwedte: 

„Helft! Miffolungbi fällt” — Ich bob mid, halb, ich redte 

Mein Ohr, ein wilder Lärm drang big in meine Nacht, 

- Bon Ferne bört’ ih der Kanonen dumpfes Grollen, 
Verworrnes Rufen, Wagenrollen, 

Geſtampf und Waffenklang und wilden Lärm der Schlacht. 


Ich hör’ im Kampf, der tobt um Wall und Kafematten, 
In allen Straßen fchrein: „Erſchein', o edler Schatten 
Des Botzaris und fteh* den armen Griechen bei!” 
Um zn entlommen, hab’ ich meine armen Knochen 
An meinem Leihhenftein vergebens mir zerbrochen, 

Und dennoch rang ich mich nicht frei. 


Da glühte plögli, ein Bullan, der Grund und bebte... 

Dann Alles ftil... Bor'm Aug’, ins Jenſeits ſchauend, ſchwebte 

Mir fihtbar, was noch nie lebendige Augen ſahn; 

Aus Erd’ und Meer und Blut in Schwärmen, nicht zu zählen, 
Entflohn auf einmal arme Seelen, 

Und ftürzten tief hinab und flogen bimmelan. 


430 


Die Türten plünderten mein Grab, ihr Haß gefellte 

Zu Euren Häuptern auch dag meine, das entftellte, 

In des Tartaren Sad warf man fie ohne Wahl. 

Und mein gelöpfter Leib empfand ein fühes Beben, 

Ich glaubte für das Kreuz und Sriehenland mein Leben 
Zu opfern nod) ein zweites Mal, 


Berlaffen nun einmal bat uns das Glüd der Waffen! 
Deg Schwertes Ernte will der Türke fi begaffen, 
Der feige Sklav, drum rührt ganz Stambul fi und freist, 
Und unjre Köpfe, bier verhöhnt am efeln Haufe 
Der Sünde, dienen nur zum Schmaufe 
Dem Sultan ohne Scham, der mit den Raben fpeist, 


Sieh unfre Helden all: Koſtas, ven Balikaren; 

Chrifto, vom Berg Olymp; Hellas mit feinen Schaaren; 

Kitzos, einft Byron’s Freund, der fang fo kühn, fo bel; 

Der Sohn des Hochgebirgs, der unfres Volles Stöhnen 

Vernommen, Mayer, der des Thraſybulos' Söhnen 
Gebracht den Pfeil des Wilhelm Tell 


Doch dieje Todten bier, die Niemand Tennt, die roben 

Plattſchaͤdel, angereibt den Stirnen der Heron, 

Sind Türken, find der Brut des Ebliz zugezäblt, 

Gefindel, dag vorm Schwert fi büdt, und dem das Leben, 
Das bündifhe, man nimmt, wenn eben 

Rod an der blut’gen Zahl ein Kopf dem Sultan fehlt. ' 


Dem Minotaurus gleih in unfern alten Sagen 
Sit nur ein Einz'ger, der fih läßt das Mahl bebagen, 
Das Mahl, vom Bolt begafft, — von und die Nefte bier; 


— — — — — ——— — — — —* 


431 


Die andern Zeugen, die das Grauelfeſt befuchen, 
Die ſtummen Henker dort, die häßlihen Eunuchen, — 
Die, Freunde, die find tobt wie wir. 


Welch ein Geſchrei?... Es tft die Stunde, wo, — o Grauen! — 
Gr unsre Töchter raubt, die Schweftern und die Frauen, 
Die friihe Blüthe welkt, weht fie fein Gifthauch an; 
Der Kaiſertiger brüllt vor Luft, und feine Beute, 
Dort unfre Jungfrau'n zählt er beute, — 
Nachts, — unfre Köpfe zählt am Tag er morgen dann.“ 


V. 


Dritte Stinmme. 
Joſeph, der Biſchof, grüßt Euch, meine lieben Brüder! 
Ja, Miſſolunghi fiel! Durch Hunger wollt' es nieder 
Nicht ſinken, fallen nicht entwürdigt und geſchwächt; 
Und fiel es, ſollten auch die Türken nicht entlaufen, 
Die Tadel legt’ ed felbft an feinen Scheiterhaufen , 
Und fterbend bat es fi) gerädt. 


Schon zwanzig Tage war die Stadt in ſchweren Nötben, 
Ich rief: „Kommt Alle, Bolt und Heer, und laßt uns beten, 
Bir jagen und Lebwohl beim Brot, das Gott beſcheert, 
Empfangt aus meiner Hand die höchſte aller Gaben, 

Die einz’ge Koft, die wir noch haben, 
Die unire Seelen jpeist und beiligt und verflärt. 


D weld ein Abendmahl! Da kamen fie, die Blaſſen, 
Und fuchten mit dem Mund die Hoftie zu erfaſſen, 
Soldaten, muthig noch, doch abgezehrt, gebeugt, 


438 


Frau'n, Greife, Mädchen, die zum legten Mal fi grüßten, 
Und Mütter, wund und fieh, mit Kindern an den Brüften, 
Mit Blut, ad, ftatt mit Mil geſäugt. 


So kam die Naht. Man ging. Doch drangen bei dem Schimmer 
Des Monds die Türlen ein auf Leihen und auf Trümmer, - 
Und meine Kirche that ih auf dem wilden Zug; 
An dem Altar, den fie zertrümmtert, abgefchlagen 

Ward mir das Haupt... ih kann nicht jagen, 
Wer mit dem Schwert, indem ich betete, mich.-jchlug. 


D Brüder, Mahmud, — ſchenlt ihm eine Mitleivszähre! — 

St Gott und Menſchen Feind durch feine blutge Lehre, 

Verſchloſſen ift fein Blid dem milden Himmelslicht. 

Mit blut'gen Schäbeln ift umlränzt des Sultans Krone, 

Und fier darum figt er doch nicht auf dem Throne; — 
Vielleicht er ift jo graufam nicht. 


Der Unglüdfelge | — Stets von Schreden rings umgeben, 

Zum Fluche macht er ſich fein öbes Ervenleben, 

Kaum, daß der Abend fi für ihn vom Morgen trennt; 

Langweile kennt er nurl... Als Götzen auf der Erde 
Berehrt ihn feine Sklavenheerde, 

Des Spahi's Peitſche jorgt, daß ſtets der Weihrauch brennt. 


Euch blüht die höchfte Luft, Ihr ſtrahlt im beilften Lichte, 
Befiegt hienieden nennt Euch Sieger die Geſchichte, 
Gott fieht auch am Serail auf Euch mit Huld herab, 
Nie, felbft in ferniter Zeit, wird Euer Ruhm exbleihen, 
Gin Giegeömonument, ein Denkmal ohne Gleichen 

Sind Gure Häupter ohne Grab. 


433 


Beneiden müffen uns die Apoftaten! — Schande 

Dem Ehriften, der zerriß der Taufe heilge Bande, 

Vergeblich fchrieb man einft ihn in das Lebensbuch. 

Er darf zum Himmel nicht, in dem wir wohnen, ziehen, 
Sin Gift ift, aus dem Mund gefpieen, 

Sein Name, und man nennt ihn nur mit einem Fluch. 


Und bu, o hriftlihes Europa, unjre Klagen 

Erhöre! Haben nicht für uns ſich einft gefchlagen 

Der beilge Ludwig und der Ritter tapfre Reihn? — 

Wähl' endlich, wen die Welt fi ſoll zu Füßen legen, 

Dem Heiland und dem Kreuz, — dem Dmar und dem Degen, 
Dem Zurban oder Heilgenſchein?“ 


VL 


Ha, Botzaris, Joſeph und Ranaris, vernehmen 
Wird Eure Stimme fie, ihr tapfern, beilgen Schemen, 
Sie wird dad Zeihen.jehn, das an der Stirn Euch glänzt, 
Anftimmend einen Sarg des Sieges und der Reue 

Zur Laut’ und Harfe fingt Hellas, das alt’ und neue, 
Bon Eurem Doppelrubm, der Euer Haupt umlrängt : 


„3a, Ihr feid Heilige, Halbgätter und Belenner, 
Erhabne Dulder und die Tapferften der, Männer, - 
Bor Allen glänztet Ihr im Kampf duch boben Muth, 
Geſchändet haben fie Euch noch im Todtenbette! 
Einf bei Thermopylä, dann auf der Schäbelftätte, — 
Ya Euer Blut, fo oft es fioh, war Opferblut. 

B. Hugo’s ſammil. poetiſche Werke, IL 28 


484 


Ha, wenn Guropa nicht, anftatt zu wimmern, handelt, 
Bis zum Serail den Pfad, den Ihr ihm zeigt, nicht wandelt, 
Nur Fluch und Unheil iſts, was fie fih felbft dann fät. 
Du Seemann, Brieiter und Soldat, ihr Tapfern, Frommen, 
Sm Himmel feid Ihr, im Olymp ſeid Ihr willlommen, 
Du HeldensDreigeitirn, Märtyrer-Trinität! 

uni, 1836. 


IV. 
JZegeiſteruug. 


Borwärts, Jüngling, marſch, voran]... 
Androͤ Choͤnier. 


— — 


Fach Hell as! — Fort! — Lebt wohl! Wir ſcheiden wohlgemuth; 
Und fließen fol einmal der Henter ſchnodes Blut, 
Nicht länger mehr das Blut der Männer. 
Freiheit und Rache! Fort, nur fort, nah Griehenlanp! 
Gebt mir den Turban, gebt da3 Schwert mir in die Hand, 
Vorwärts, und fattelt mir den Renner! 


Wenn ziehn wir ab? — Noch heut! — Wer weiß, mas morgen 
droht? 
Raſch Waffen, Pferde, und im Hafen dann- ein Boot! 
@in Boot? — D Gott, warum nidht Schwingen? 
Bon unfrem alten Heer die Refte nur laßt ziehn ,” 
Glaubt mir, wir ſähen bald die blut’gen Tiger fliehn 
Und raſch, wie die Gazellen, fpringen, 


D Zabvier, führ und Dul Du warft ein FYürft, ein Mann, 
Indeß die Kön’ge nicht, was fie gejollt, getban, 
Du Führer ſchwer gezähmter Schaaren. 
Den alten Römer ſah das neue Griechenland 
Im ſchlichten Krieger, der mit feiner rauhen Hand 
Des Volles Rechte ſucht zu wahren. 


138 


Franzoͤſ'ſche Büchfen, hört ihr nicht den Auf? Erwacht! 

Ihr ſchlieft nur allzu lang! Und du, Mufil der Schlacht, 
Kanonen, Bomben und Haubigen, 

Erwacht, ihr Roſſe, hebt den ſtarken Huf und ſcharrt, 

Ahr Säbel, die ihr nod der blut’gen Zaufe barıt, 
Piſtolen, die Verderben bligen! 


Die Kämpfer will ich jeh’n ſtets in den erften Reihn, 
Win fehn die Spahis, die fi ftürzen jäh hinein, 
Ein Strom, aufs fflavifche Gelichter; 
Will Schauer, wie vom Pferd ihr Damascenerſchwert 
Dem Türken krumm gefchweift dur feinen Naden fährt; 
Vorwärtö!... Doch, wie, bu armer Dicter?... 


Wo reift die Kampfbegier mich bin aus ftiller Rub? 

Den Greifen zählt man mid, ad, und ben Kindern zu; 
Ein Geiſt bin ih in Iuft’gen Räumen, 

Ein Birkenblatt, das. welt von feinem Zweige fiel 

Und treibt dahin, der Flut, der Winde leichtes Spiel, 
Sch leb' und webe nur in Träumen. 


In Träume wiegt mid Luft und Au, Gebirg und Wald, 
Ich finne Tage lang, wenn mir ein Waldhorn ſchallt, 
Wenn Blätter fäufeln, rauſchen, thauen, 
Und wenn bie. Dämm’rung nabt, im Thale rinnt ein Quell, 
Und weit ein See fidh dehnt, ein Spiegel rein und heil, 
In dem die Wollen fi beſchauen. 


Der Mond entzüdt mid, wenn er glühend roth wie Gold 
Si aus der Wolle hebt, die grau und finfter rollt, 

Wenn weiß er ſchwimmt auf ſchwarzen Wellen. 
>. liebe: Wagen, ſchwer und plump, wenn in der Nacht 
Sie rollen dur ein Dorf, und unterm Rade kracht 


‚ Der Stein und laut die Hunde bellen. ‘ 1827. 
—— — 


437 


NN ij Toıgxaluoıcıv 
7 7 n Bapıoıw Öhousvoı. 


Aeſchylos, Berier. 


— — — 


© weine, Ranaris! — Der Mafte waren's viel, — 

Sinhundertzwanzig! — Wo triebft Du Dein lühnes Spiel 
Fern dem gewalt’gen Abenteuer? 

Befiegt ift ohne Did der Türke? HöM’ und Tod! 

D weine, wie Erillon, dem man den Kampf verbot! 
Gefehlt haft Du bei dieſem Feuer! 


Kenn Deiner Meere Flut blutroth fi je und je 

Gefärbt, und weit im Kreis fi, wie ein Höllenjee, 
Ausbreitete, verberbenfprübend, 

Wenn oft ein ſchwarzes Schiff vor unfrem Blid zeriprang, 

Und dann ein Feuerkranz um fernen Bord fi ſchlang, 
Wie ein Bullan, im Waſſer glübenp ; 


Wenn Zelte, Segel man, Turbane, Mafte, ganz 
Geknidt, Krummjäbel ab, Halbmonde fih im Tanz 
Der Wogen drebn beim Windeshauche, 


2 


438 


Matrofenjaden und Seftkleiver, pelzverbraͤmt, 
Den Auswurf, defien fi jo Flut wie Feuer ſchämt, 
Graumeiß vom Schaum, geihwärzt vom Rauche; 


Wenn von Aegina, wenn von Jolkos fern baber 

Gig mädht’ger Knall erſcholl, ſich waͤlzend über’s Meer, 
Wild praffelnd, donnernd durdeinander: — 

Dann wandt’ Europa fi dem rothen Dften zu, 

Und ein Matros am Bord ftill lächelnd ſprach mit Rub: 

„Held Kanaris! Das it fein Brander!* 


Bisher, wenn in die Luft aufflog im Ylammengraus 
Ein Kapudan⸗Paſcha mit Schiff und Mann und Maus, 
Glut ftreuend über Meer’ und Lande, 
Am ſchrecklich Schönen Spiel mer hätt’ erkannt dich nicht? 
Die Schiffe flammend all, dir danken fie ihr Licht, 
Dein Brander leuchtete dem Brande. 


Heut aber, — meine! — ſchlug man ih, und, Kanaris, 
Du fehlteſt. als man los dem Krieg die Zügel ließ 

Und eine Flotte gab zum Beſten. 
Biſt Du nicht Gottes Arm, der Hellas ſchirmt und racht? 
Dein harren mußten ſie. Biſt Du mit Fug und Recht 

Nicht Gaſt bei allen ſolchen Feſten? 


wie 


Doch tröfte Ti: es ift gebrochen 

Der Henker Macht, Hellas it frei, ı 
Guropa bat ein Wort geſprochen, 
Zertrümmert iſt die Tyrannei. 


439 


Denn Frankreich kämpft, dann muß ſich wenben 
Dein Schidfal, feinen Räͤcherhänden 

Magſt Du vertraun, und gern ihm fpenden 

Aus Deinem Kranz ein Lorbeerblatt, 

Hellas, fei froh und guter Dinge, 

Land Byron’ und Homers, umſchlinge 

Als Schweiter, Mutter, uns, und finge, 

Iſt Deine Stimme nit zu matt, 


Zu Shön warft Du, zu tief im Leibe, 
Hellas, um fhon zu ruhn im Grab. 
Ein jeder Paſcha riß vom Kleide 

Dir einen beil’gen Fegen ab. 

Hier, wo gejhtwärmt einft bie Mänaden, 
Bernahm, jtatt Liebesferenaben, 

Man Sabre lang nur Kanonaden, 

Und Gottes Tempel ftürzten ein. 

Am Himmel des geliebten Landes, 

So weit dad Auge fpähte, fand es 

Nicht Wollen, nur ven Rau des Brandes 
Und deiner Städte Feuerſchein. 


Sechs Jahre hausten fie im Lande, 
Sechs Jahre wilder Kämpfe ſah 
Hellas, und Bande kam auf Vande 
Aus Aſien und Afrika. 

Nicht vor Apoll noch Chriſtus ſcheute 
Sich Ibrahim, der fie entweihte, 

Und wie ein Geier zog auf Beute 

Er aus, ein Wolf in gier’ger Eil, 


440 


Und was fih in den Weg ihm ftellte, 
Schlug er und jhleppt’ es heim zum Zelte, 
Die Köpfe hängt’ er, die er fällte, 

Rings aufgeipießt an das Serail. 


I, 


Nun endlih! — Navarin, die Stadt mit bunten Dächern, 
Die Stadt mit golonem Dom, das weiße Navarin, 

Das Terebinthen rings ummwehn mit grünen Fächern, 

Leiht feinen ſchönen Golf heut Hellas’ muth'gen Rädern, 
Zwei Flotten find’3, die fich zum Kampf entgegenziehn. 


Zwei Flotten: — Seht ihr nicht des Meeres Rachen gähnen? 
Des Feuers Dualm ift ihm, des Blutes Strom ein Schmaus, 
Bon ihrem Gotte mag man fie geordnet wähnen, 

Die Flotte ſeht ihr weit in Kreuzesform ſich dehnen, 

Die andre Flotte ftredt die Arm’ im Halbmond aus. 


Hier ift Europa, das dir endlich hilft, HSellene, 

Das endlich Feuer ſpei'n die Seetolofje läßt; 

Aegypten, Alien bier, ſchwerfällge Schiff’ und Kähne, 
Piraten, die nicht todt genug einſt ſchlug Duquesne, 
Und nicht zertreten ganz, zerftört ihr Geierneft. 


IV, 


Hört ihr die Kanonen Tnallen? — 
Mächtig foll die Antwort ſchallen, 
Die dem Yeinde nit gefällt. 
Geht die Flotte dort, die zage, 
Gebt ihr eine volle Lage, 

Ihr Fregatten, daß es gellt! 


441 


Bor dem Hauch aus eurem Munde 
Soll zerftäuben fie zur Stunde, 
An dem SHafenfels zerfchellt! 


Alles kracht und ziſcht zufammen, 

Big und Schlag, und Raub und Flammen, 
Und die Mordluſt hält nicht Raft, 

Alles lodert durcheinander; 

Feurig jagt dahin der Brander, 

Wirft die Haden nad dem Maft, 

Wie der Schalal Elephanten 

Beißt, fo wird vom wohlbemannten 

Boot das Kriegsſchiff keck gefaßt. 


— Entert, entert, werft die Brüdel — 
Und fie fafien raſch die Stride, 
Klettern, ſchwingen fih binan, 

Bord an Bord! Sie hau’n und ftoßen, 
Ruderknechte und Matroſen, 

Truppen mit geſpanntem Hahn, 
Durcheinander, wie im Nebel, 

Fahren Meier, Degen, Säbel, 

Helm und Tſchalo und Zurban. 


Segel reißen fammt den Zauen, 
Fackeln zünden, Beile hauen, 

Todte, wo ein Stahl nur blintt, 
Trümmer überall und Fetzen, 
Leichenhaufen zum Entſetzen, 

Die der Schlund des Meeres trinkt... 
Ha, ein Schlachtfeld, auf den Fluten 
Schwimmend, das in hellen Gluten 
Sammt den Kämpfern unterfintt. 


442 


V. 


Welch grauſe Schlacht!... Wenn nun der Menſch, dem allzu enge 
Das Land, ins Meer hinaus verlegt das Handgemenge, 
Dann zittert unter ihn der Boden, wanlt und kracht. 
Mit feinen Flotten fpielt der Dcean, der große, 
Ob Sieger, ob befiegt, er birgt fie all im Schooße, 

Der Schiffbruch endet jeve Schlacht. 


Indeß aus Afrika die Barbaresienrotte 

Um unfre Schiffe tobt mit ihrer ſchlechten Flotte, 

Und in ohnmächt'ger Wuth die Türken matt ſich fhrei’n, 

Klafft jedem Rieſenſchiff der feuerrothe Rachen, 

Auf die Barbaren wirft fi raſch ein Heer von Drachen, 
Die in gemefinem Takt auf fie Verderben fpei’n. 


Rings Mord und Brand, das Meer ift überftreut mit Aſche. 
Bom Maft in Flammen reißt den Raud der Wind, der raſche; 
Bewegte Brüden ſchlägt von Ded zu Ded die Glut, 
Die Balten brennen, und die fhwarzen Wände brechen 
Zufammen, Waſſer ftürzt hinein in vollen Bächen, 

Das Feuer Üüberipringt die Flut; 


Das Admiralsſchiff faßt es plöglih, Maft und Stangen 
Umringelt hoch binauf die Glut mit rothben Schlangen, 
Und der Matroje beult, ins Yeuerneg gebannt, 

Hoch fpringt der rothe Strahl Ind fährt dahin im Bogen, 
Und triumphirend wirft er auf den Schaum der Wogen, 
Die weite Kreiſe ziehn, den lichten Purpurſchein. 


En. 
— — 


443 


vi 
Wo ift, Sairo’3 Söhne, 
Die Flotte nun, die ſchoͤne, 
Die boffend, daß fie tröne 
Der Sieg, von Stapel lief? 
Wo find die Segel alle, 
In die mit lautem Schalle 
Die Scharfe Eijenkralle 
Der Brander fchlug fo tief? 


Wo find die ftolzgen Schwäne, 
Die Nahen all und Kähne, 
Die ftolzen Kapitäne, 

Armada Mahmuds, wo? 
Wie Leviatban, prädtig 
Schwamm fie und übermädhtig 
Daher, bis niederträchtig 

Sie ſank, verbrannt wie Stroh. 


Der Kapudan mit Schreden 
Sieht rings die Flammen leden 
Nah alle den Schebeden 
Bon Algier und Tetuan; 
Wie andre Baleafien 

Sieht er die Flamme fallen 
Sein Schiff, das breite Gafien 
Einft zog im Ocean. 


Auf wilden Fluten Ihwanten 
Mit angebrannten Planken 
Die Klipper all, die ſchlanken, 
Die Yachten bunt gefhmädt, 





444 


Kalten und Tartanen, 

Die Köpfe den Sultanen 
Einft bradten, Siegesfahnen 
Und Blumen, fern gepflüdt. 


Fahrt wohl, ihr Sloops, ihr fchnellen, 
Ihr Jonken, die in hellen 
Mondnähten auf den Wellen 

Ihr wiegt die Icoglans, 

Fahr wohl, du Goslette, 

Verkohlt bis zum Stelette 
Verfhwindeit du im Bette 

Des tiefen Oceans. 


Die Barcarolen Tiegen 

In Trümmern, die ſich wiegen 
Im Meer, und nicht mehr fliegen 
Sie aufgeihredt dahin, 

Wenn bei des Windes Tojen 
Des Linienſchiffs Matrofen 

Die Segel raſch, die lofen, 
Empor am Mafte ziehn. 


Fahrt wohl, ihr Caravellen, 

Mit. Segeln, fchneeig hellen, 
Singleitend auf den Wellen, 

Ihr Doggers, leicht beichwingt, 

Ihr Brids mit Taun, die ſchwirren, 
Mie lautes Waffenklirten, 

Wenn Stürme fie verwirten, 

Mit. welchen kühn ihr ringt. 


445. 


Fahrt wohl, ihr Brigantinen, 
Sept Trümmer und Ruinen, 

Zum legten Mal erſchienen 

Iſt euch des Tages Blut: 

Ihr tanzt nun auf den Wellen 
Nicht mebhrgibt Balancellen, 

Ihr glänzt nicht mehr gleich hellen 
Lichtfunken auf der Flut, 


Ihr Lugger follt, ihr ſchweren 
Fregatten und Galeeren, 

Nicht Städte mehr verheeren, 
Ihr Schiffe, groß und Hein, 
Mafonnen, Prahmen, ſchlucken 
Müpt Waſſer ihr, Felucken, 
Polaten, durch die Lucken 

In Strömen dringt es ein. 


Schaluppen mit Kanonen, 
Bombarben, ohne Schonen 
Geſprengt, aus allen Bonen 

Hr Schiffe, hoch am Maſt 

Des Paſcha's ftolze Fahnen, 

Die auf den feuhten Bahnen 

Ihr treibt, glei wunden Schwanen, 
Bis euch der, Wirbel faßt! 


ia euch die Glieder knucken, 
Gabarren und Karaden, 

Ihr fist nun auf ben Naden 
Dem Griechenvolf nicht mehr, 











446 


Bo blieb im Schlachtgetuͤmmel 
Der Flotte bunt Gewimmel? — 
Das Meer wirft fie dem Himmel, 
Der Himmel zu dem Meer. 


vn ® 


Vorbei iſt's! Alles rubt im ftillen Meeresraume! 

Der Maften Spipe dedt die Flut mit weißem Schaume, 

Des Sultans Schiffe find der Wogen Spiel und Tand, 
Hier eine Vrick, und dort ein Kahn, gelnidt, zerrieben, 
Shwimmt, Seetang gleih, dahin, und von der Ylut getrieben 
Berichellen ächzend fie am ſchwarzen Felſenſtrand. 


Das ift ein Sieg! Verſenkt der Afrikaner Flotte, 
Bertreten der Prophet des Trugs vom wahren Gotte, 
Der Henler, der Tyrann gebeugt vom ſchweren Schlag, 
Hellas, das fterbende, bat Rettung noch gefunden, 

Es waſcht fi auß die blut’gen Wunden, 

Sechs Jahre rät ein einz’ger Tag. ' 


Die Völker jeufzten längft: — „Muß Hellas denn verderben? 
Du armes Sriehenvolf, im Elend mußt du fterben? . 
Roth tft dein Himmel, du erblafieft mehr und mehr. 

Du edles, tbeures Volk, um dic) zu retten, riefen 

Wir auf die Priefter, die in ihren ‚Stühlen fchliefen, 

An Thronen bettelten umjonft wir um ein Heer. 


Taub blieb Altar und Thron, kein König bat geiproden, 
Nur Dichterherzen noch macht Hellas’ Name pochen! 
Ihr lauter Hülferuf brach endlich Doch ſich Bahn. 


, 447 


Dem Griechenkreuz vertraut Hellas ſeit alten Tagen... 
Ein Bolt ift bier ans Kreuz gefchlagen, 
An welches? ah, was liegt daran? 


Auch deine Bötter flohn! Und aus den Broppyläen, 

Dem ſtolzen Barthbenon, den Mauern, die noch ftehen, 
Wird eine Waffe, die der Türke ſchießt mit Hohn 

Auf Grie chen ſchiffe hoch vom Thurm der Darvanellen, 
Und jedes Denkmal wird zu Kugeln, Feuerbällen 

Aus Marmor, die das Boll der Griechen jelbft bedrohn.“ 


Statt folder Klage Ihallt vom Iſthmus bis herunter 
Zum Gap ein AYubelruf, das Bolt ift froh und munter, 
Dem jchöner ald das Blau des Himmels Schwärze ſchien, 
Der türkiihe Roloß ftürzt nun auf Aſien wieder, 

Auf Hellas” Freiheit Hingen Lieder 

Aus Byrons Grab, — auf Ravarin! „ 


Si, Albion, gegrüßt, du Königin der Meere, 

Zweilöpfiger Apler du des Ezaren! Ruhm und Ehre : 

Den Lilien Frankreichs, die fo ftolz, fo herrlich blähn! 

Als ebenbürtig muß fie England heut ertennen, .. 
Der Seeruhm Frantreiha wird beil ftrablen, funkeln, buennen, . 
Auß nen entzlindet bier am Brand von Navarinl.. 


Deſtreich, auh du? — Ihr meint wohl, Deftreihs —* 
fein 


Nicht au dabei? — Doch! — dort in der Ungläub’gen Reifen! 
Im Heer der Ehriften hat jein Aar fich nicht gezeigt‘, 
Er jucht verihämt und ſcheu vorm Licht ſich gu veriteden, 
Des Paſcha's Roßſchweif muß beveden + 
Sein Doppelhaupt, das tief ich neigt. 


| 





448 


Dort, Deftreih, ift vein Blag! — Den TZamerlan, ven Zweiten, 
Vermochteſt, Zbrabim, Du jüngst noch zu begleiten, 

Die Todten zogft Du aus, die er zertrat in Wuth, 

Eunuchen gleih haft Du bewundert jeine Werte, 

Zeigt’ er durch Sengen nur den Griechen feine Stärke, 
dicht’ er der Städte Brand nie anders als mit Ylut. 


Das Feuer zogft Du vor dem Morgenroth, dem bebren! — 
Da feine Flotte felbft die Flammen heut verzehren, 
Die Schwarzen Shiffe, die Aegypten bergefandt: — 
Deftreich, entartetes, ſchau bin und laß dic fragen, 
Die diefe Flammen dir behagen? 
St Schöner der als jener Brand? 
' November, 1877. 


« 


— —— — — — — 


449 


vi. 
Kriegsrnf des Mufii. 


Hiero, despierta te! 
Kriegäruf der Almogavaren. 
Elfen, mad auf! 


Hrieg! Krieg und Mahomed! Vorwärts! Die Hunde nahn, 
Die Meute, ha, den Leu’n im Schlafe fällt fie an! 
Seht ihr daher die Frechen traben? 
Volk des Propheten, baut zufammen fie, zermalmt 
Die Krieger, deren Hirn vom Mein entzündet qualnıt, 
Die Männer, die Ein Weib nur haben, 


Dem Stamm der Franken Tod! Und ihren Kön’gen Top! 
Kommt alle, kommt herbei, Spahi, Zimariot, 

Werft eu mit Säbeln und Geſchoſſen 
Ins Kampfgewühl, mit Horn und Turban Stolz geſchmückt, 
Mit goldnem Bügel, der fih an die Seite drückt 

Den ftolgen, langbemaͤhnten Roſſen. 


Dtbman, Sohn Ortogruls, fei Hort und Vorbild Euch! 

Du, fei an Stolz, und Du, an wildem Blid ihm gleich ! 
Bon Kampfluft follt ihr Führer brennen! 

Wir nehmen dich, du Stadt, mit Kuppeln azurblau, 

Setiniah, Süße, di, die die Barbaren raub 


Athen in ihrer Sprade nennen. 
DMtober, 1828. 


8. Sugo's ſammtl. poetiſche Were. D. 209 


450 


vn. 
Bes Paſcha's Schmerz. 


Getrennt von Allem, was mir theuer wer, 
Berzeht' ich mid, verlaflen, ohne Troſt. 
Byron. 


De Derwiih ſprach: — Was mag der Schatten Allah’ 
baben? — 
Sein Sedel ift fo reich, fo arm find feine Gaben. 
Starr, geizig, finfter blidt er, bitter lächelnd, drein. 
Sieb eine Schart’ er wohl in feines Vater? Degen? 
Brüllt’, ein empörtes Meer, ihm wohl fein Heer entgegen? 
Hört’ er's bis in fein Schloß hinein? — 


— Mas hat der Paſcha Do, der Kühnfte der Veziere? — 
Mit rotben Lunten ſprach's die Schaar der Bombardiere, 
— Hat diefen Eiſenkopf ein Iman wohl gebeugt? 

Hat er im Ramazan vielleicht verfäumt zu falten? 

Und bat man ihm, indeß er ruhen wollt” und raften, 

Den Engel Azraeël am Höllenthor gezeigt? 


— Was bat er? — fragten leis verbugt die Ikoglane; 
Ging wohl ein Weihrauchſchiff ihm unter, das die Fahne 
Des Paſcha trug, gefüllt mit duft'gem Del ein Kahn? 
Mill feinen Ruhm man ihm in Stambul nicht verzeihen ? 
Durft ein änyptiih Weib ihm Arges propbezeiben ? 

Sah er ven ftummen Boten nahn? 


451 


— Bas fehlt dem Sultan wohl? — So fragten die Sultanen, 
Traf er fein braunes Lieb im Schatten der Platanen, 

Die Yaveritin wohl, die cof’ge, bei dem Sohn? 

Hat man das Bad gewürzt ibm mit gemeinen Delen? 

Im Sad des Fellah bat er wohl vermißt beim Bählen - 
Ein Haupt, das im Serail man längſt erwartet ſchon? 


— Was hat doch unfer Herr? — Die Sklaven all, die Thoren, 
Eie täufchen ih! — Wenn er, für Hof und Heer verloren, 
Dafigt, dem Greife glei, den ſchwer das Alter beugt, 
Dem Krieger, der ſich Ruhm geholt einft im Gefechte, 
Und ber drei Zage ſchon und ſchon drei lange Nächte 

Die Stimm in feine Hände neigt; — 


Nicht darum iſt's, weil ex gefehn, wie die Nevolte 

Sn feinem Harem ihn belagernd tobt’ und grollte, 

Weil bis zu feinem Bett die Fadel zündend fuhr, 

Des Vaters altes Schwert hat Scharten nidht empfangen, 
Nicht Azrasl eribien, fein Stummer kam gegangen, 
Zu überreichen ihm die ſchwarze ſeidne Schnur. 


Der Schatten Allah's hat gefaftet, die Sultane 

Iſt wohlbewacht, fein Sohn zu jung noch, feinem Kahne 

Roh Schiff des Paſcha ward das Meer zur feuchten Gruft, 

Auch des Tataren Sad war voll, nicht zu erjchöpfen, 

Im füßen Kerler, im Serail, hat's nicht an Köpfen 
Gefehlt und nicht an wärz'gem Duft. 


Die Städte find es nit, die rollen ind Verderben, 
Die Menihenleihen nicht, die Ihwarz die Thäler färben, 
Hellas in Flammen nicht, zerftört durch Omar's Sohn. 





432. 


Die Wittwen, Waifen find es nicht, die ihn erfchüttern, 
Die Kinder nicht, erwärgt vor ihren armen Müttern, 
Jungfrau'n im Bazar nicht, verlauft um fchnöden Lohn; — 


Nein, nein, die find es nicht, die klagenden Geftalten, 

Die Töne nicht, die grell ins Ohr ihm mahnend fihallten, 
Der Strahl nicht, der die Nacht durchfurchte blutig roth. 

Was hat der Paſcha denn, der jedem Zeitvertreibe 

Entjagt und finnt und träumt und weint gleich einem Weibe?... — 


Sein nubiſch Tigertbier iſt tobt. 
December , 1827. 


433 


vi. 
Piratenlied. 


Paßt auf! paßt auf! 
Das find die Piraten von O hali, bie fahren rd den Sund. 
Der Sefangne von Ohali. 


Borallenfifcher, hundert Ehriften, — 
Bir mahen Sklaven aus den Frein, 
Wir plündern Klöfter und Abtei’n 
Für das Serail an alten Küften. 
Bon Fey biz zum Guadalquivir 
Füllt der Pirat des Beutels Leere... 
An Ruderern auf der Galere 
Des Hauptmanns achtzig waren wir. 


„Ein Klojter!" ruſt?s vom Maft; wie edlen, 
Wir werfen Anler, gehn and Land, 

Und fehn ſogleich am fcatt’gen Strand 
Ein fchönes Klofterfräulein weilen. 

Die Ronne ſchlief, ein Kind noch ſchier, 
Als ob fie hier geborgen wäre... 

An Ruderern auf der Galeere 

Des Hauptmanns achtzig waren wir, 


454 


— Still, ſchönes Kind, Du mußt nicht trauen, 


Komm nur mit uns, der Wind ift gut; 
Folg' uns zum Harem, — beijer ruht 
Sich's dort als hinter Kloſtermauern. 
Er liebt die Knospen, der Vezier, 

Und Dich beglüdt des Korans Lehre... 
An Nuderern auf der Galeere 

Des Hauptmanns achtzig waren wir. 


Ste eilte zu des Aloſters Stufen. 
— Verruchter, wagſt Du hier zu ſtehn? 


— Bir wagen's! ſprach der Kapitän, 


Mögt fluchen, beten ihr und rufen! 
Richt fo viel helfen wird es ihr! 
Vergeblich jegt ihr euch zur Wehre ... 
An NRuderern auf der Baleere 

Des Hauptmanns achtzig waren wir, 


Wie ſchön war fie in ihrem Zagen! 

Ihr Auge ftrahle', ein Talisman; 

Wir boten fie der Hoheit an: 
Zweitaufend Tlomans! — Gingeichlagen! 
Die Nonne wird — das Schrein it bier 
Umfonft — ESultanel Hohe Ehrel... 
An Ruderern auf. der Galeere 

Des Hauptmanns achtzig waren wir. 


März, 1828. 


‚IX 
Die Gefangnte. 


Dan hörte den Geſang der Bögel, melodiſch füß wie Poefle. 
Saadi, Buliften. 


O wär ih nicht gefangen, 

Ich liebte diefes Land, 

Wo reich die Fluren prangen, 
Das Meer, den grünen Strand, 
Der Wellen leiſes Munleln, — 
Sa, fäh’ id nicht im Dunkeln 
Der Spahis Schwerter funteln 
An düftrer Mauerwand. 


Die Zither der Tatarin, 

Den Spiegel, brinaft Du, Mohr; 
Doch ih bin nicht Barbarin, 
Mir baltft Du ihn nicht vor. 
Dem Sodom fern, dem neuen, 
Dort iſt's, im Land der Freien, 
Bo Knab’ und Mädchen leihen 
In Unſchuld fih das Obr. 


456 


Dod laß ich's mir bebagen, 
Daß Winterfloden bier 
Nicht an die Fenfter ſchlagen, 
Mir lacht des Lenzes Hier, — 
Der warme Sonmerregen, 
Die Käfer, die entgegen 

Mir leuchtend fich bewegen, 
Im blühenden Revier. 


Schön in der Blumentrone 

Iſt Smyrna, ohne Fehl, 

Den Lenz an ihrem Throne 
Stets fefjelt ihr Befehl. 

Gleich bunten Feltguirlanden, 
Schmiegt gern fi ihren Banden 
Bon blühenden Eilanden 

Ein ganzer Archipel. 


Shön von den Thürmen bangen 
Die Fahnen, bunt und reich, 
Die goldnen Häufer prangen, 
Dem Kinderfpielzeug gleich. 

Ich träume mit Entzüden 

Sn Zelten, welche drüden 

Der Elepbanten Rüden, 
Gebettet jüß und weich. 


In Feenſchloͤſſern laufen 
Den Tönen mag ich gern, 
Die aus der Wüfte raufchen,, 
Und klingen nah und fern, 


457 


Die holder Genien Lieder, 
Jetzt lei, dann lauter wieder, 
ALS tönten fie hernieder 

Bon einem lichten Stern. 


Bon Düften überquellen 

Hier Flur und Gartenbeet, 
Wie ſchön das Grün die hellen 
Schloßfeniter übermeht! 

Ach ſehe Quellen jchäumen 

Am Fuß von Palmenbäumen, 
Die weißen Störde träumen 
Auf weißem Minaret. 


. Im Moos gelagert fingen 
Mag ih ein fpanifch Lied, 
Denn die Geipielen fpringen, 
Und Luft mid rings umfprübt, 
Und wenn fie frob im Freien 
Sich drehn im NRingelreiben, 
Und laden und ſich freuen 
Der Stunde, die entflieht. 


Bor Allem träum’ ich gerne, 
Wenn kühl der Abend wintt, 
Und wenn dag Licht der Eterne 
Mein feuchtes Auge trinkt, 
Und wenn des Mondes Bogen, 
Am Himmel aufgezogen, 

Ein Fächer, in pen Wogen 
Des Meers filbern blinft. 





Zuli, 1828. 


458 
X. 
Honsicein. 


Per amica silentia lunse. 
Virg. 


| —— {| wen 


Bear auf dem Dieere fpielt der Mond, ein lichter Traum, 
Das Yenfter öffnet ſich, ſchon weht des Abends Fahne, 
Sie ſchaut hinaus aufs Meer, die blühende Sultane, 

Auf dunkle Infeln, weiß umſchäumt vom Wellenihaum. 


Und ihrer Hand entfintt die Bither, fchaurig Hingend. 

Sie horcht... ein dumpfer Ton... Was raucht? — Iſt's, plump 
und groß, 

- Ein Tuürkenſchiff, das facht herüber ſchwimmt von Kos, 

Peitſcht ein Tartarenboot das Meer, die Ruder fchwingend? 


Irs wohl ein Kormoran, der taudt und fteigt zur Höß’ 
Und tbeilt die Wogen, die von ihm, wie Perlen, rinnen? 
Ein luſt'ger Djinn vielleicht, der wirft des Thurmes innen 
Mit gellendem Geziſch hinunter in die See? 


Was ftört die Flut fo nah bei dem Serail der rauen? — 
Kein ſchwarzer Kormoran, der jäb nah Fiſchen hackt, 

Nicht Mauerfteine ſind's, die fallen, nicht der Takt 

Des Ruders, wenn ein Echiff durchfurcht die feuchten Auen. 


Nein, Säcke find 8... Dumpf aufftöhnt’s in ihrem Raum... 
Wer niedertauchte, fäh’ im Sad es bin und wieder 
Ei reden unterm Meer und drebn, wie Menfchenglieder... 


Hell auf dem Meere jpielt der Mond, ein lichter Traum. 
September, 1628. 


459 


XI. 
Her Schleier. 


Hal Du deut Nacht gebetet, Despemonat 
a“ 


— — 


Die Schweſter. 


Was iſt, was iſt Cuch, meine Bruder? 
So düfter Euer Angeſicht, 

VDie Augen ſenkt ihr grollend nieder, 
Wie Todesfaceln brennt ihr Licht. 
Mein Auge bat mich nit betrogen: — 
Berriffen Euer Gürtelibawl, 
Und dreimal bligte, halbgezogen, 
In Eurer Hand des Dolches Stahl, 


Der älteſte Bruder. 
Den Schleier... Ihlugft Du heut ihn nicht zurüd einmal? 


Die Schweſter. 

Ich, Brüder,... mar im Bad geweien, 

Sch kam, ihr Herrn, vom Bad zurüd, 

Geborgen vor der Albanefen 

Und der Giaurs verwegnem Blid, 

Sm Balantin, als ſchwul von oben 

Auf Haupt mir fiel des Mittags Licht, 
. Bei der Mofchee vielleicht verſchoben 

Sat fi) mein Schleier vom Geſicht. 


460 
Der zweite Bender. 
Dort ging ein Mann vorbei... in grünem FKaftan... nicht? 


Die Eqcweſter. 

Ein Mann?... Vielleicht... Doch Nichts gefehen 
- Hat im Vorbeigehn ex von mir. 

Doch Ihr, — wie joll ih das verftehen? — 

Leis mit einander redet Ihr. 

Ihr fordert Blut? — D meine Brüder, 

Gr jah mi nicht... Mir wird fo bang... 

D Gnadel... Züdt ven Dolch Ihr wider 

Ein Weib, gebeugt durch harten Zwang? 


Der dritte Brnder. 
Heut war die Sonne roth bei ihrem Untergang. 


Die Schwefter. 
O Gott, Ihr wandelt blutge Pfade, 
Bier Dolche dringen auf mich ein! 
Laßt Eure Knie umfangen! Gnade)... 
Mein Schleier, ob, fo weiß und rein... 
Weh, meine blutge Hand,... geitattet 
Mir, Brüder, daß fie Euch unnflidt... 
Ein fhwarzer Schleier übetſchattet 
Mein Auge, das im Tode vricht. 


Der vierte Vender. 


Den Echleier mindeſtens aufheben wirft Du nicht. 
September 1828. 


Xu. | 
Die Savoritfultene. 


Falſch wie bie Welle. 
Sbakeſpenre. 


— — — 


Jeert' ich genug nicht Deinetivegen, 
O ſchoͤne Jüdin, mein Serail? 

Will fh in Dir kein Mitleid regen? 
Muß immer Deinen Fächerſchlägen 

Gin Schlag auch folgen mit dem Beil? 


Nicht über Tyrauenleihen bahne, 
D Hewin, Dir den Pfad zur Macht! 
Prinzefiin wirft Eu und Sultäne, 

Laß doc die Undern leben, mahne 

Ans Morden mich nit jede Radıt. 


Liegt der Gedanke Dir im Sinne, 

Knieſt Du vor mir und lachſt mir zu. 

Dei jedem Felt, ſchon im Beginne, 
Strahlt mir Dein Ang’ in ſüßer Minne, - 
Dann weiß id, Köpfe forderſt Du. 


— ——— — — — — ne — — — — 


462 


D Viferſucht! Welch trüber Schatten! 

Eo jhön, und diejes Herz von Stahl! 
GBönn’ andre Frau'n au Deinem Gatten; 
Etirbt denn die Blume auf den Matten, 
Glüht über ihr der Noje Strahl? 


Bin ih niht Dein? Wilft Du nicht feben, 
Wie hundert Frau'n, indeß mein Arm 

Dich beit umſchlingt, in Liebeswehen 

Vor meiner Thüre harrend ftehen, 
Entjlammt, verzehrt von ödem Harm? 


Laß fie vor Neid erblaffen neben 

Der Shönften! Schiert Dich ihre Bein? 
Wie Wellen laß vorbei fie ſchweben, 
Mein Leben Dir, o laß fie leben, 

Dein fei mein Thron, die Welt jei Dein! 


Dein all mein Volt, die Stlavenrotte, | 
Dein Stambul, das vor Dir ih fchmiegt, 
Dir huldigend glei einem Gotte, 
Mit taufend Thärmen, — eine Flotte, 
Die ſchlafend ſtill wor Anker liegt. 


Dein meine Spahi's mit den rothen 
Turbanen, Reiter, ſtolz und ſchlank, 
Stets dienſtbereit, wenn Du geboten, 
Zu Roß ſich bückend, gleich Bedrohten, 
Wie Ruderer auf ihrer Bank. 





Dein Basra, Trapezunt, das weite, 
Dein Eypern, reich an altem Ruhm, 
Fez, wo Dir Goldſtaub wird zur Beute, 
Moful, die Stadt der Handelsleute, 
Der Marmorgrund von Erzerum! 


Dein Smyrna mit dem Schmud der neuen 
Baläfte, vie das Meer unfließt, 

Der Banges, den die Wittwen fcheuen, 
Die Donau, die durch Wüfteneien 
Zünfarmig fih ind Meer ergießt. 


Scheint Dir die Griech in nicht am Plage, 
Das Liltenlind aus Damanbur? 

Die Negerin, die Tigerlape, 

Die auffpringt mit behendem Satze 

Und brüfit, die brünftge Kreatur? 


Die, fühe Jüdin, macht Dir Qualen 
Die ſchwarze Bruft, die roj’ge Haut? — 
Du bift nicht weiß, nicht roth, Dir malen 
Das Angefibt der Sonne Strablen, 

Die Dih mit goldnem Glanz bethaut. 


Laß ab, o Fürftin, zu verbeeren 

Die Blumen, die Dein Zürnen bridt. 
Genieße froh der höchſten Ehren, 

Doch daß mit jeder Teiner Zäbren 

Ein Kopf aud fällt, — das fordre nicht. 








461 


Den? an den Schatten der Platanen, 
An's duftge Bad, den Wellentanz 


Im Golf, die Ihwimmenden Zartanen.... 


Dem Sultan ziemen bie Sultanen, 
Dem Dolche ziemt der Berlen Glanz. 


— — — 4, 


Ottober, 1828. 


465 


X. 
Ber Derwiſch. 


"Orav jvaı nengousvog, 

Eig rôv odpavov ysypauusvog, 
Toö av9panov 6 xauög, 

O, rı xdum, dnondvnoneı, 

Tov xenuvov navroü evpioxei, 
Kai 6 Iavarog avrög 

2Zrò xpeßßarı roũ rov pdavsı, 

Nodu Bödlıa zov Bugaveı, 
Kal röv Ianreı uovaxdy. 
Panago Soulzo. 


—— — 


. Steht's im Schicſalsbuch geſchrieben, 
Daß er fallen ſoll, zerſtieben, 

Den erfreut der Sonne Schein, 
Was er thun mag, wie ſich winden, 
Seinen Abgrund wird er finden, 

Wo vermodert ſein Gebein, 

Denn der Tod verfolgt den Armen 
Bis ins Bett und ohn' Erbarmen 
Schlingt ſein Herzblut er hinein. 


— ⸗ — — — 


B. Hugs’s ſammtl. poetiſche Werte. I. 30 


466 


Borbei ritt Ali. Tief fih beugten, ihn zu grüßen, 

Die hoͤchſten Häupter, biß zu der Arnauten Füßen. 
„Allah!⸗ — fo murmelt rings es leis. 

Da trat ein Derwiſch vor, vom Alter faft gebrochen, 

Eroriff fein Pferd am Zaum, und alfo hat geſprochen 
Der Derwiſch mitten m dem Kreis: 


„Ali Tepeleni, Erhabner, Licht der Lichter, 

Der Du im Divan thronft als erfter Rath und Richter, 
Weitftrahlend über’d Erdenrund, 

Bezier und oberfter Feldherr zahlloſer Heere, 

Du Schatten defjen, der ift Gottes Schatten, — böre: 
Du bift verfluht, Du bift ein Hund! 


Die Todesfadel iſt's, die Dir erhellt das Leben, 

Die Schaale Deines Zorns, vor dem die Völler beben, 
Ergießft Du, daß es ziſcht und qualkıt. 

Der Sichel gleih im Gras, fo glänzft Du über ihnen, 

Zum Kitt, um aufzubau'n Dein Luftihloß ‚muß Dir dienen 
Ihr Mark, in ihrem Blut zermalmt. 


Dod kommen wird Dein Tag. Janina ftürzt in Trümmer, 
Und Dich verſchlingt das Grab mit Deinem Glan; und Schimmer, 
Und eine Eifenfhlinge faßt 
Dich unterm Baum Segjin’s, und waiblich wird Dich quälen 
Die ſiebte Hölle, dort, wo die verdammten Seelen 
Sich Duden bang auf ſchwarzem Aſt. 


Und daftehn. wirft Du nadt und bloß! Dein Schuldbuch lefen 
Wird Dir ein Dämon, Dich umſchweben dann die; Weſen, 
Die Du geſchlachtet und geplagt, 


467 


Die Schemen, blutbefledt vom Fuße bis zum Scheitel, 
Mehr an der Zahl, als all die Worte, leer und eitel, 
Die Du dann ftammeln wirft verzagt. 


So wird's geſchehn! Dein Heer mit Rofien und Geidhligen, 

Und Deine Flotte wird Nichts in ber Noth Dir nügen. 
Nicht kleiner würde die Gefahr, 

Denn Ali Paſcha, wie der Jude, der verfluchte, 

Den ſchwarzen Engel felbft im Tod zu täufchen tue, 
Und wechſelte den Namen gar!" 


Sein Schlachtſchwert unter'm Bel; trägt Ali, ftets zu baden 
Am Blut gewöhnt, und drei Piſtolen, wohlgelaven, 
Und feinen Dold mit Perlen dran, 
Er bört den Priefter, läßt ihn feinen Spruch vollenden, 
Beugt lächelnd fi) berab, — den Pelz mit eignen Händen 
Wirft über er dem alten Mann. 
November, 1828. 


466 


XIV. 
Bas fehe Schloß. 


Tegaoo! 


— — ⸗ 


Wlie kommt es, daß die Flut hier ohne Groll die Flanken 
Des Felſen küßt, der glänzt dem Harniſch gleih, dem blanten? 
Ihr eigner Spiegel hätt’ ihr zeigen doch gefollt, 

Daß diejer Fels, der tief ſich wühlt mit fharfen Hauern, 
Trägt auf der Stirn ein Schloß, umkränzt von weißen Mauern, 
Die um ein fchwarzes Haupt fi rings ein Turban rollt. 


Wie tommt’8?... Für wen, o Meer, fparit du den Born, Die 
- Stürme? 

Wann wirft zerftören du die bundertjährigen Thürme? 

Wann naht die Zeit, mo dem Matroſen Ruhe wintt? 

Bernage dieſen Fels, er fol nicht länger bauern, ' 

Nein, wanlen, ftürzen foll er fammt ven weißen Mauern, 

Das ftolze Haupt voran, das in die Wogen fintt! 


Muß denn fo lange Zeit, du ftolzes Meer, zerrinnen, 

Dis du ihn nieberwirfft, den Fels mit feinen Binnen? 

Ein Tag? Ein Jahr? Ein ganz Jahrhundert?... Aus dem Reich 
Der Tiefe wirf hinauf die Flut, die ſchlammig fchwere, 

Nach jener Räuberburg! Was tft die Zeit dem Meere? 

Rollt ein Jahrhundert doch dir bin der Welle gleich. 


469 


Berichlinge diefes Riff und Schloß und Eitabelle, 

Und um die Trümmer lab fih tummeln Well’ um Welle, 
GSrünbaar’ge Algen, deckt es zu, das Frevlerneft! 

Mag auf der Seite ruhn der Thurm im feuchten Bette, 
Mag jede Welle Stein um Stein dann von der Stätte 
Wegſchwemmen, bis vom Thurm verwifcht ver legte Reit. 


Frei athmen wird die Welt, wenn tief im Meeresbeden 
Ruht Ali Paſcha's Thurm, der Epiroten Schreden, 
Und wenn ein Seemann einft von Kos dem Volt am Bord 
Im Meer, am Strande, den geichändet Ali's Tritte, 

Den großen Strudel zeigt, ſich böhlend in der Mitte, 


Und fpriht im ſtummen Kreis: „Dort iſt's geftanden... dort," 
November, 1828, 


470 


XV. 
Curkiſchet Macſch. 


La-Allah — Eli allah! 
Ed iR fein Gott, alt Bett. 
Koran. 


— — 


Im Sattelbogen haͤngt die Streitart mir, die breite, 
Von ſchwarzem Blute trieft der Dolch an meiner Seite. 


Den Krieger lob' ich mir, vor dem es Belial graut. 
Sein Turban läßt auf's Haupt ihm ernſte Schatten fallen, 
Er küßt des Vaters Bart und ehrt ihn hoch vor Allen, 
Er liebt, als wie ein Sohn, fein Schwert, mit Blut betbaut, 
Sein Dolman ift durchbohrt von Stichen und mit Fleden 
Dicht Überfät, wie fie nicht reicher überdeden 

Des Königtiger’3 bunte Haut. 


Am Sattelbogen hängt die Streitart mir, bie breite, 
Bon fhwarzem Blute trieft der Dolch an meiner Seite. 


An feinem Arm erglänzt des Schildes Kupferdach 

Roth, wie der Mond, umhüllt von Nebeln, ſchaut vom Hügel, 

Es knirſcht fein Roß, es ſchaͤumt, es ſchnaubt und nagt am Zügel, 

Staubmwolten fliegen auf, wo Bahn fein Huf fi brach. 

Sagt auf dem Pflafter bin im Flug der kühne Streiter, 

Steht Alles ſtill und Spricht: „Das ift ein türffcher Reiter! — 
Und drebt fi um und ftaunt ihm nad, . 


471 


Am Sattelbogen hängt die Streitart mir, die breite, 
Bon fhwarzem Blute trieft der Dolch an meiner Seite. 


Und wenn zehntaufend Giaur's das Horn zufammenruft, — 
Die Antwort bleibt nicht aus, er fliegt dahin, er ſchmettert 
In die Trompete, daß es weit bin ſchallt und wettert, 
Er mordet, ihn berauſcht der Dualm, der blutge Duft, 
Den rothen Kaftan färbt er frifch im Blut, und weichen 
Die Kräfte feinem Roß, er ſchmeichelt ihm, um Leichen 

Noch mehr zu werfen in die Gruft. 


Am Sattelbogen hängt die Streitart mir, die breite, 
Bon ſchwarzem Blute trieft der Dolch an meiner Seite. 


Der Sieger mag, wenn nun verraufcht der Lärm ber Schlacht, 

Die Sklavin küſſen mit den ſchoͤnverſchlungnen Brauen, 

Er mag am hellen Zag Wein trinken, faßt ein Grauen 

Den frommen Iman auch, der Wen trinkt in der Nacht, 

Ich bör’ e8 gern, wenn er, der mächtig fchrie im Grimme 

Des Kampfs, frohlockend ſchwaͤrmt, mit feiner heifern Stimme 
Bon Houri's fingt und ſcherzt und ladıt. 


Am Sattelbogen hängt die Streitart mir, die breite, 
Bon ſchwarzem Blute trieft der Dolch an meiner Seite. 


Raſch mag er fein und kühn und Unbill duld’ er nicht! 
Ihm fei das liebfte Spiel fein Schwert, wie könnt’ erbauen 
Ihn je die efle Kunft, in Rube zu ergrauen? 
Was tümmert’3 ihn, wann einft erlifcht der Sonne Licht, 
Bann über'm feften Land des Meeres Kräfte walten? 
Friſch, tapfer fei er nur, und lieber foll als Falten 

Er Narben tragen im Geſicht! 





473 


Am Sattelbogen hängt die Streitart mir, die breite, 
Bon ſchwarzem Blute trieft der Dolch an meiner Seite. 


Das if, Comparadgi, Spahi, TZimariot, 

Der wahre, gläubige Soldat! Doc die ſich brüften, 

Und zittern, wo es gilt, zu morden, zu vermwülten, 

Die ſpät fich ftellen, wenn fie ruft das Aufgebot, 

Die, wenn die Stabt erftürmt, mit Beute nicht den Wagen 

Beladen, daß die Laſt die Achſe kaum zu tragen 
Bermag, das Rab zu brechen drobt;... 


Am Sattelbogen hängt die Streitart mir, die breite, 
Bon ſchwarzem Blute trieft der Dolch an meiner Seite, 


Mer gern mit Weibern trätjcht, und wer bei einem Feſt 

Nicht aufzuzäblen weiß die ganze Ahnenreihe 

Bon einem fhönen Roß, wer hofft, ein Andrer leibe 

Ihm Kraft, und wer nicht felbft verfiht fein eignes Neit, 

Auf feinem Divan ruht, ſich fheut vorm Sonnenbrande, 

Wer lefen kann, und wer der ſchnoͤden Chriſtenbande 
Den Wein von Cypern überläßt;... 


Am Sattelbogen hängt die Streitart mir, die breite, 
Bon ſchwarzem Blute trieft der Dolch an meiner Seite, 


Der ift ein Feigling, — kein Soldat, wie der Prophet 
Sie will, der fpornt fein Roß, damit den Feind er pade, 
Und fliegt dahin, im Staub nachſchleppend die Schabrade, 
Der, in der Fauſt das Schwert, im Bügel aufrecht ſteht! 
Zum Maulthiertreiber taugt er nur, der Betteliprüde, 
Einnlofe Litanei’n berplappert, leife Flüche, 

ALS wie ein Briefter fein Gebet. 
Am Sattelbogen hängt die Streitart mir, die breite, 


Bon ſchwarzem Blute trieft der Dolch an meiner Eeite. 
Mai, 1828. 


473 


XVI. 
Die verlorne Schlacht. 


Bon dem höochſten Hügel nieber, 
Auf den Spieß die fchweren Blieder 
Stütend, jchaut er auf die Schlacht, 
Fliehen Nicht er feine Schaaren 
Und bahin in Seen fahren 
Geines Zeltes ſammtne Pracht. 

Emil Deschamps. 

Noderich während ber Schlacht. 


„Bllad!... Emire, wer wird Reiter und Soldaten, 
Burüd mir geben, die mit Luft im Blute waten? 
Und wer mein Lager und mein ſchmuckes Feldherrnzelt ?... 
Gern glänzten Feuer Nachts an allen Lagerwegen, 
Auf dunkeln Hügeln ſchien's ein lichter Sternenregen, 

Der eben ſprühend nieberfällt, 


Wer gibt mir meine Bey's mit Pelzen, fliegend weiten, 
Zurüd, die Khans, und die im Feld jo wader jtreiten, 

Die Timarioten, die Spahis und ihr Geſchoß, 
Beduinen, fonnenbraun, vom Pyramidenlande, 

Die Schaden gerne thun den Bauern, Schimpf und Schande, 
Und dur Maisfelder ziehn verwüjtend hoch zu Noß? 


474 


Die Renner, die fo flint ausholen und fi ſtrecken, 

Die bhüpfen dur das Korn gleich flüchtigen Heuſchreden, 

Sch fol fie nicht mehr fehn, die ich fo liebgewann, 

Und deren Zahl mir nun feindfelge Mächte kürzen, 

Wie auf Carréess fie fi gleich Wetterwolken ftürzen, 
Und niederfhhmettern Roß und Mann? 


Todt find fie, Staub und Blut befubeln die Schabraden, 
Mit rothen Fleden ift getupft ihr Kreuz und Naden, 
Kein Eporn wird rigen mehr den fleifhig weichen Bug, 
Und neben ihnen ruhn die Reiter, tobt, die guten, 

Tie geftern lebend noch in ihrem Schatten rubten, 

AL um die Mittagszeit Halt macht’ ihr müder Bug. 


Allah!... Wer gibt zurüd mir Reiter und Soldaten? 

Ta liegt mein ganzes Heer zeritreut nun in den Saaten, 

Wie blantes Gold, umber verzettelt auf der Flur. 

TZartaren, Araber, die Nenner und die Reiter, 

Zurbane, Fahnen, all die lärmend wilden GStreiter, — 
So ift ein Traum denn Alles nur? 


D meine Tapfern, Roß und Mann auf Einem Hügel! 
Stumm ift die Kehle nun, das Bein ift ohne Flügel, 
Und Saͤbel und Gebiß vergeflen, Muth und Brunft! 
Das ganze, weite Thal ift Eine große Bahre, 

Ein Feld des Unglüds ift’s für lange, lange Jahre! 
Heut Abend Blutgeruch, und morgen Leichendunit! 


Die ftattlihe Armee, was ift fie nun? — Ein Schatten! 
Sie kaͤmpften wader fort und obne zu ermatten 
Vom Morgen bis zur Nacht, zerihlagen und zerfeßt; 


.475 


Ihr ſchwarzes Leichentuch fhlägt nun um ihre Glieder 
Die Nacht, die Braven ruhn, die Raben fteigen nieder 
Und gehn an ihre Arbeit jet. 


Den Schnabel ziehn hervor fie unter'm ſchwarzen Flügel, 
Und aus dem Schooß des Walds, vom kahlen Berg und Hügel 
Zum Schmaufe fliegen fie von allen Seiten ber. 

Und die Armee, jo jtolz noch geftern, jo erbaben, 
Unwiderſtehlich, — ad, erſchreden Teinen Raben, 
Verſcheuchen keinen Aar noch Beier lann fie mehr. 


D hätt’ ih die Armee nod heut, mit Einem Streiche 

Erobert’ ih mit ihr die Belt, und ihre Reiche 

Und ihre Fürften wärf ich ihr, der Herrin, zu. 

Sie wäre Schweiter mir, Geliebte, Gattin,... webe, 

Nun Schloß der neid'ſche Tod die unfruchtbare Ehe 
Mit ihr, die fchläft in tiefer Ruh! 


Warum nod leb' ih? — Län’ im Staube der beftaubte, 
Mein grüner Turban doch ſammt dieſem ftolgen Haupte! 
Noch geftern war ich groß. Da faßen treugefinnt 

Bor meinem goldnen Zelt drei Yührer no, die Glieder 
Nicht rührend, hoch zu Roß, drei Büfche wehten nieder, 
Roßſchweife, glänzend ſchwarz, binflatternd mit dem Wind. 


Bon hundert Trommlern ward begrüßt mit lautem Schalle 
Ich geſtern noch, auf mi nur fahn die Aga's, alle 
Die vierzig , ging ih nur vorüber, zitternd ſchon. 
Steinböller nidht, die auf dem Schiff wie Kloötze fteben, 
Kanonen hatt’ ic), die ſich auf vier Rädern drehen, 

Und Kanonier' aus Albion, 





476 


Ich hatte Schloß und Stadt, Bazar's mit reihen Buben, 
Griechinnen, — taufenbweis verlauft” ich fie den Juden, 
Nie war mein Arfenal und nie mein Harem leer. 

Und heute muß ich fliehn, geplündert und vertrieben, 
Befiegt! Don meinem Reich, ach, Nichts ift mir geblieben! 
Allahl Nicht Einen Thurm, nicht Einen hab’ ich mehr. 


Fa, fliehn muß der Vegier und Baia von drei Schweifen, 
Fort über blaue Höhn ins Weite muß ich ſchweifen, 

Ein Flüchtling, Bettler faft, gebeugt durch Sorg’ und Noth, 
Ein Dieb, der in der Naht verſcheucht durch jähen Schrecken, 
In jedem Baum am Weg die Arme fieht fi fireden 

Des Galgens, der von Ferne droht!” 


Geſchlagen alſo ſprach Reſchid in fpäter Stunbe; 
„Uns Griechen gingen mehr als Tauſend nicht zu Grunde, 
Nur der Bezier entfloh und jagte kreuz und quer. 
Den blut’gen Säbel wifcht’ er träumend unter'm Reiten, 
Zwei Pferde liefen ihm.im Flug zu beiden Seiten, 
Um ihre Lenden ſchlug der Bügel klirrend, leer.“ 

Mai, 1828. 


— — — — 





477 


XVII. 
Die Schlacht. 


... alte fosse 
Che vallan quella terra sconsolata. 
Dante, 


— —— 


Des Berges ſchwarzer Kamm iſt durch die Schlucht geſpalten, 
Als haͤtt' auf ſeiner Fahrt vom Kaukaſus den Pfad 
Zum Cedar ein Titan bier durch den Berg, den alten, 
Gebrochen, über feine Falten 
Hinfahrend mit dem Rieſenrad. 


D Gott, wie oft ſchon ward in diefen wilden Zeiten, 
Wo aus der Chriften ſich, der Türlen Adern beiß 
Durch Schwert und Dold das Blut ergoß von allen Seiten, 
Zum blutig rotben Strom, zum braufend wilden, breiten, 
Des Rieſenwagens Fahrgeleis. 
April, 1888. 


— — — 


478 


xvin. 
das Kim. 


O horror! horror! horror! 
Shakespeare, Macbeth. 





Die Zürlen waren da: dd tft und wuſt die Flur. 

Das Weinland Chioz ift ein Feld zur Stunde nur, 
Chios, einft rei an grünen Zweigen, 

Das ſpiegelt in der See der Wälder ſtolze Pracht, 

Weinberge, Schlöffer, oft wohl auch beim Grau'n der Nacht 
Jungfrauen, drebend fih im Reigen. 


Rings Alles tobt. Doch nein! Dort bei dem ſchwarzen Stein 
Sitzt ein blanäugig Kind, ein Griechenkind, allein, 
Gebeugt, doch hör’ ich fein Gewinſel. 
Gin weißer Hagedorn fein Schirm, ein Bluthenſtrauch 
Das Dad des Kindes, wie es felbft, vergefien auch 
Beim großen Raubzug durch die Anfel, 


— Ab, armes Rind! Gntblößt Dein Fuß, der Fels fo raub.. 
Wie ftil’ ich wohl den Strom in Deinen Augen, blau 
Wie dort der Himmel, hier die Welle? 
Was kann ic thun, damit Dein blondes Köpfchen frob 
Du hebeſt, daß der Blig der Freude lichterloh 
Der Augen trüben Glanz erbelle? 


479 


Was willſt Du? — Schönes Kind, womit erfreu’ ih Dir 
Das Herz, damit aufs neu der feuchten Loden Bier 
Gekraͤuſelt fih zur Schulter neige, 
Die Loden, denen noch genaht das Eifen nicht, 
Die um die Ihöne Stirn Dir niederhängen dicht 
Und lang, wie Trauerweidenzweige. 


Was könnte Dir zerftreu'n den Kummer, fühes Kind? 
Die Lilien bier, fo blau, wie Deine Augen find, 
Die Iran's dunkeln Duell umringen ? 
Die Frucht des Tubabaums, des riefigen, der weit 
Den Schatten breitet, daß ein Pferd ihn kaum in Zeit 
Bon hundert Jahren lönnt’ umfpringen? 


Wirt Du mir lächeln, wenn den Wundervogel Dir 
Ich ſchenke, deſſen Sang laut klingt, wie Eymbeln ſchier, 
Süß, wie Schalmei'n der Hirtenknaben? 
Bas willit Du? — Blume? — Frucht? — den Vogel?! — Wähle 
nur! 
Aufihlug das Griechenkind die Augen von Azur: 


— Mann, Blei und Bulver will ic haben! 
Quni, 1828. 


XL. 
Sarah, die Hadende. 


&s ließen Sonn’ und Wind, wo dicht bie Buchen fichen, 
Apr übers Angeficht ben Blätterfhatten wehen. 
Alfred de Biguy. 


 — — 


Sarah ſchaulelt bin und wieber 
Ihre Glieder 

In der Hängematt’ und rubt 

Ueber'm Beden einer Quelle, 
Deren Welle 

Kommt aus des Ilyſſus' Flut. 


Und die ſchwanke Binfenmatte 
Strahlt der glatte 
Born zurüd und fie, der Frau'n . 


Schoͤnſte, dieſe Maid, die weiße, 


Die die heiße 

Stirne neigt, um fi zu ſchau'n. ” 

Streift die Schaukel dann im ſchnellen 
Flug die Wellen, 

Bittern fie bewegt zum Gruß, 

63 entfteigt ihr Hald den Wogen 
Schöngebogen, 

Und ihr marmorweißer Fuß. 


481 


In die Wellen wagt zu fchlagen 
Sie mit Jagen 

Mit dem Fuß, der rofig thaut, 

Beil ihr Bild fie ihr entftellen;; 
Ob der Wellen 

Frischer Kühle lacht fie laut. 


Bleibft Du bier verborgen fteben, 
Wirſt Du feben 
Bald das nadte Kind mit Luft 
Aus dem Bade fi erheben 
Und binfchweben, 
Mit den Armen vor der Bruft. 


Wie ein Stern ift fie zu ſchauen, 
Die der blauen 

Flut entfteigt und bold gebüdt, 

Triefend horcht, ob Niemand lauert, 
Leiſe ſchauert 

An der Luft und um ſich blidi. 


Sieh fie dort, die fheue Taube, 
Unterm Laube 

Bagend, ob fein Unfall droht; 

Schwirrt um fie mit leifer Tüde 
Eine Müde, 

Wie Granaten glüht fie roth. 


Blühend Shauft Du, ohne Hülle 
Ihre Fülle, 
Und ihr blaues Aug’ im Traum 
8. Hugo’) fämmtl. poetiſche Werte. IL öl 


— — — — — — 


482 


Siehſt Du blitzen, gleich dem Sterne, 
Der von Ferne 
Strahlt im blauen Himmelsraum. 


Und ſie wiſcht ſich ab die Glieder, 
Und hernieder 

Rinnt's, wie Regen tropft vom Aſt; 

Gleich als wenn gelöst zu Falle 
Kaͤmen alle 

Perlen, die ihr Halsband faßt. 


Sardh zögert dem Behagen 
Zu entfagen, j 

Eile, wahrlich, hat fie nicht, 

Und indem fie fpielt und gaufelt, 
Und ſich ſchaukelt, 

Laͤchelt leis ihr Mund und ſpricht: 


„Waͤr' ich eine Kapudane, 
Ja, Sultane, 
Ambra müßt' ins Bad mir thaun, 
Sprudeln müßt’ es aus dem Rachen 
Eines Drachen 
Zwiſchen goldner Greifen Klau'n. 


Weich in ſeidnen Haͤngewiegen 
Würd’ ich liegen, 
Die ſich jchmiegen, Wellen glei, 
Und bie Ottomanne würde 
Meine Bürde 
Tragen, ſchwellend, büftereich. 


483 


Jede Laune würd’ ich ftillen, 
Ohne Hüllen 
Plaͤtſchert' ic im Wellenſchooß, 
Sicher, daß im Hain dem dunteln, 
Nirgends funleln 
Späberaugen, — ſorgenlos. 


Keiner wagt’ es, mich zu fchauen, , 
Todesgrauen 

Schützte rings mein Paradies, 

Durch Heiduden und Eunuchen 
Müpt’ er ſuchen . 

Seinen Weg, durch Schwert und Spieß. 


Läßig über Saal und Treppe 
Meine Schleppe 

Streifen ließ’ ih, ſchön beſchuht 

Mit den prädtigften Sandalen, 
Welche ftrahlen 

Yeurig in Rubinen⸗Glut.“ — 


So fih zur Prinzeſſin träumend, 
Müpig ſaͤumend 

Schaukelt fi das ſchoͤne Kind, 

Nur zum Spiel die Sinne Intnd, *° 
Nicht bedenkend, 

Daß befhwingt die Tage ſind. 


. Und von ihrem Fuße fprigen 
Tropfen, bligen 
Auf das Gras und überfprühn 








484 


Ihres Hemdes Falten, fliegend 
Und fih wiegend 
Hoch am Buſch im Ufergrün. 


Die Geipielen ziehn, vie frischen, 
AU inzwiſchen 

Mit der Senf’ auf's Aderland, 

Ziehnedahin in hellen Haufen, 
Rennen, laufen, 

Hüpfen Iuftig, Hand in Hand, 


Und fie laden, fingen, neden 
Sie, die Kecken, 
Jede fpottet, wie fie mag: - 
„No nit angekleidet? — Schäme 
Did, Bequeme — 


Heut, an einem Erntetag!“ 
Suli, 1828 


485 


XX. 
Erwartung. 


Esperaba , desperada, 





Eichhoͤrnchen, auf die höchſten Zweige 
Der boben Eiche fteige, fteige, 

Die ſchwankt bei jedem Windesſtoß! 

O fliege, Storch, der Trümmerreſte 
Der alten Burgen liebt, vom Neſte, 
Vom Tempel zu der ſteilen Veſte, 

Vom Kirchthurm zu dem hohen Schloß! 


O Aar, aus deinem Horſt erhebe 

Dich zu dem höchſten Berg, und ſchwebe 
Hinauf, hinauf zum ew'gen Schnee. 

Und du, o Lerche, munter immer 

Und mad vorm erften Morgenſchimmer, 
Steig’ auf vom irdiſchen Gewimmer, 
Schwing' jauchzend dich zur Himmelshoͤh'; 


Und von des Baumes hohem Sitze, 
Tes weißen Thurmes goldner Spitze, 
Vom Berg, vom Himmel laßt den Blid 
Weit ſchweifen, fagt mir: feht ihr biegen 
Nicht eine Feder ih und wiegen, 

Seht ihr ein Roß nicht dampfend fliegen, 
Und kehrt mein Liebfter nicht zurück? g 


— m 


uni 1828. 


486 


XXI. 
Fazzara. 


Und das Weib war ſehr ſchöner Geſtalt. 
2 Sam. XI, 2. 





Seht, wie fie rennt, die Maid: — durch Pfade, dornig wild, 
An Rofenbüfchen bin, durch's goldene Gefild, 
In dem des Mohnes Fadeln brennen, 
Auf ungebahntem Weg, auf Straßen, ftaubbejät, 
Durch Wald, Gebirg und Thal und weite Ebne, — feht 
Die junge Dirne, feht fie rennen! 


Groß ift fie, huͤbſch und Schlank, und wenn mit raſchem Schritt, 
Ihr Blumenkoͤrbchen auf dem Haupte, hervor fie tritt 
Mit heitrem Blid und ſchlanken Beinen; 
Steht fie, zur Schönen Stirn die Arme bebend, da, 
Wird fie im Tempelihutt Dir eine Ampbora 
Mit Alabaſterhenkeln jcheinen. 


Jung ift fie und fie lacht und trillert, unverzagt, 

Mit nadtem Fuß, am Teich, durch Dorn und Heden jagt 
Sie nah den bunten Schmetterlingen. 

Sie ſchürzt ibr Kleid; benegt der Bach auch das Geweb', 

Sie Läuft, fie rennt, fie fliegt, — wohl mancher Vogel gäb’ 
Um ihre Yüße feine Schwingen. 


487 


Und wenn, zur Stunde, wo ind Dorf mit Glockenſchall 
Die Heerde blödend zieht, die luſt'gen Dirnen all 
Zum Abendreigen fi vereinen, — 
Sie put nicht lange fi heraus, fie fommt zum Tanz, 
Die Blume, die fie [hmüdt, in ihrem Haar der Kranz 
Wird immer uns ber fchönfte fcheinen. 


Der alte Dmer, traun, Paſcha vom Negropont, 

Hätt’ Alles, wenn er fie getvinnen nur gelonnt, 
Dahingegeben unverbrofien,, 

Die Flotte, fein Gefhüp, und feiner Schafe Flaum, 

Den Turban, Roßgefhirr und fein Gewand am Saum 
Mit Edeliteinen übergofien; 


Vito’ und Büchfe, die aus weiter Mündung drohn, 
Woran das Silber längft er abgegriffen ſchon, 

Die Flinten und die Pferdededen, 
Den trummen Säbel, den die präcdtge Scheid' umfängt, 
Das Kigerfell, an dem fein goldner Köcher hängt, 

Sn dem mongol’ihe Pfeile jteden. 


AU feine Schäg’ und den Schagmeifter hätt’ er, traun, 
Um fie gegeben, gern, und die breibundert Fraun 
Mit ihren Stlapinnen und Dienern, 
Die Hunde, die zur Jagd er braucht, mit rothem Band, 
Die Albanejen, ftart und braun vom Sennenbrand, 
Mit ihren langen Karabinern. 


Die Franken, Juden all jammt den Rabbinen bot 
Er gern um fie, den Kiosk, der fchimmert grün und roth, 
Die hohe Burg, den Teich der Schwäne, 


488 


Den Babfaal, deſſen Grund Mofail, Schloß und Gut, 
Sein Sommerbaus, das bell ſich fpiegelt in ber Ylut 
Des blauen Golfes von Cyrene; 


Sogar dag weiße Roß, das im Serail er pflegt, 

Um deſſen Bruft der Schweiß, wie Silberfhaum, ſich legt, 
Und Baum und Zeug und Goldgeidhmeide, 

Sa, felbft die Spanierin, bie ihm ver Dey geſchenkt 

Bon Algier, die jo leicht fih im Fandango fhwerft, 
Und die Basquina hebt von Seibel 


Kein Baia iſt's, es ift ein brauner Klephte nur, 
Der Nichts gegeben, der fie wegnahm von der Flur, — 
Und fie, fie ließ es gern geſchehen; 
Ein armer Klephte, der nur Waſſer hat und Luft, 
Sein gutes Feuerrohr, und, die ihm winkt und ruft, 
Die Freiheit auf den Bergeshöhen. 
Mai, 1828. 


489 


XXII. 
Wunſch. 


Bie eine Roſe man erlefen 

In Saron mag in freier Wahl, 

Ss wählt Euch ein junafräulih Weſen, 

Die Lilie aus in Eurem Thal. 
Lamartine. 


— ne 


Wär id das Blatt, das auf den Flügeln 
Der Winde fortgewirbelt flieht, 

Tas hinſchwimmt auf den Wellenhügeln, 
Dem träumend nad das Auge fiebt; 


Noch frifh und grün vom Zweig gefallen, 
Gern folgt’ ih, ohne Gegenwehr, 

Den Lüften, die nad Oſten wallen, 

Dem Bad, der kommt vom Welten ber. 


Weit über Ströme weg und Bäche 

Und ferner Berge blauen Duft, 

Weg über Berg und Schlucht und Fläche 
Floͤg' ih in freier Himmelsluft ; 


Der Wölfin Höhle, und die Wälder, 
Wo Tauben niften ungefehn, 

Die Saaten und die öden Felder, 
Die Quelle, wo drei Balmen ftehn; 


4% 


Die Felfenkluft, aus deren Räumen 

Der Sturm hervor verwüſtend ſaust, 
Den düftern See, umringt von Bäumen 
Mit Haaren, lang und wild zerzaust; 


Des Mohrenfürften Rei, das alte, 
Der ſchwingt den Jataghan und Speer, 
Dem auf der Stirne Falt' an Yalte 
Sich reiht, wie Wellen auf dem Meer; — 


Weit Alles würd’ ich überfliegen, 
Den Arta-See, geträufelt ind, 
Burüd den Gipfel ließ’ ich liegen, 
Der Mykos ſcheidet und Korintb; 


Hin flög’ ih, wie ein Pfeil, und fehnend 
Schwebt' über Mykos' ftill ich bin, 

Die Stadt, im- Biered weit fi) dehnend, 
Mit Ruppeln, ſchimmernd bel von Sinn; 


Des Priefters Tochter müßt’ ich feben, 
Schmwarzäugig, weiß von Angeficht, 
Die fpielt am Thor im Abendwehen, 
Am Fenfter fingt im Morgenlidht. 


Ihr floͤg' ih armes Blatt entgegen, 
Ihr auf die Stine, rein und Mar, 
Würd’ ich mich niederfintend legen, 
Und auf ihr Iodig goldnes Haar; 


Dem Papagei dann würd' ich gleichen, 
Im golonen Korn verloren falt; 

Noch mehr, — in Even lichten Reichen 
Der grünen Frucht auf goldnem Aſt. 


491 


Dort auf dem Haupt ber fhönen Dirne, 
Sa, ſchoͤner weit erſchien' ich mir, 
Als auf des Sultans hober Stirne 
Der Reiherfeber ftolze Bier, 
September , 1828. 





492 


XXI. 
Die eroberte Stadt. 


euer, Feuer, Blut und Trümmer! 
Corte Real, tie Belagerung von Dim. 


— — — 


Bu ſprichſt, o Herr, da ſchlägt, fo laut Dein Volk auch wimmert, 
Das Feuer hell empor und wilde Funken ziehn, 

Ein düſtres Morgenroth, das auf den Dächern ſchimmert, 
Und über Trümmer fliegt die Flamme tanzend hin, 


Mit taujend Armen tobt der Mord, das Ungeheuer, 

Zu Gräbern werben die Paläfte, glühend heiß, 

Und Männer kommen um und Frau'n durch Schwert und euer, 
Und Raben kräbzen um die Mauern rings im Kreis, 


Der Mütter, o Kalif, der Zungfrau'n Stimmen gellten, 
Sie ſchrie'n und jammerten, man warf fie auf den Grund, 
Und ftolze Roſſe ziehn hervor ſie aus den Belten 
Lebendig ,. zudend noch, geichändet, todeswund. 


Ein weites Leichentuch fiehft Du die Stadt umwallen, 
Ausftredit Du Deinen Arm, und öd ift das Gefild. 
Der Priefter betend am Altar, er mußte fallen, 
Umſonſt fein heil'ges Buch bielt er vor fih ala Schild. 


Säuglinge liegen tobt, es klebt am heißen Stable 

Ihr Blüt, in wilder Gier fortwüthet Mord und Brand... 

Dein Bolt, o König, küßt den Staub von der Sandale, 

Die an den ftolzen Fuß Dir fnüpft ein goldnes Band, 
Kprit, 18%, 





403 


XXIV. 
Febewehl der atabiſchen Wirthin. 


Und wohnet bei und. Das Land foll eu offen fein, 
mohnet und werbet und gewinnet drinnen. 
1 of. XXXIV, 10. 





Da Nichts Dich fefieln kann bei ung, o fremder Gaſt, 
Nicht Palmenſchatten, nicht der gelbe Mais, die Raft 

Und Ruhe nicht beim reichſten Segen, 
Auch unfre Schweitern nicht, die, wenn Dein Lied erklingt, 
Froh an die junge Bruft ſich fchlagen und beihwingt 

Im Ubendreigen fich bewegen; — 


Lebwohl denn, weißer Dann! — Gezäumt mit eigner Hand 
- Hab ih Dein kuhnes Noß, damit auf Stein und Sand 
63 nicht Dich werfe, mild fich bäumend, 
Am Boden fcharrt fein Huf, fein Kreuz ift glänzend fein, 
Hund, wie der ſchwarze Fels, den glatt gefpült und rein 
Die Flut der Brandung, ihn umihäumend. 


Du wanderft ohne Ruh! — D wärſt Du, fremder Mann, 
Doch Deren Einer, die fefthält in trägem Bann 
Ihr Dach von Leinwand oder Zweigen, 
Die müßig Abends, till ven Mähren horchen zu, 
Und, fitend vor dem Thor in träumeriicher Rub, 
Hinan die Simmeldleiter fteigen. 


D hättet Du gewollt, als Dienerin gepflegt 
Hätt’ Eine gern von und Did fniend, treu gehegt 
Did unter Einem unfrer Dächer. 


494 


Sie hätte Did in Schlaf gejungen und bewacht, 
Und, um die liegen zu verſcheuchen, gern gemacht 
Aus grünen Blättern einen Faͤcher! 


Du gehſt! — Du ziebft dahin, bei Tag, bei Nacht allein. 

Es ſchlaͤgt Dein Pferd, es knirſcht der harte Kiefelftein, 
Und ftäubend belle Funken fpringen. 

Sinjagft Tu, und Dein Speer bligt durch die Yinfterniß , 

Schon mander Nachtgeiſt ftieß daran fi und zerriß 
Vorüberfliegend fi die Schwingen. 


Kehrſt Du zurüd, entdedit Du meine Hütte leicht, 
Steig’ auf den ſchwarzen Berg. nur, der dem Rüden gleicht 
Des Dromedars, haft Du erflommen 
Den Feld, dann den? daran: ihr Dad ift hoch gebaut, 
Gleicht einem Bienenlorb, und ihre Pforte ſchaut 
Dabin, woher die Schwalben kommen. 


Und kehrſt Du nicht zurüd, Du fhöner, weißer Mann, 
Den? an die Töchtern doc der Wüfte dann und mann, 
Die tanzen über Sand und Steine 
Barfuß mit hellem Sang! Zugvogel, der dahin 
Nur ftreiht, o dent’ an fit — Ad, Dein mit treuem Sinn 
Denkt wohl im Dorfe mehr als Eine! 


Lebwohl denn! — Wandre fort gradaus! — Sei aufber Hut, 
Daß Dir die Sonne, die uns bräunt, die Rofenglut 
Richt wellen macht mit ihrem Brande; 
Nimm vor der Wüfte Di in Act, der Zauberfrau, 
Der alten, und dem Mann, der Kreiſe ziebt im Grau 


Der Naht mit weißem Stab im Sande! 
Rovemtber, 1828, 


495 


XXV. 
Sud. 


Ed altr6 disse: ma non l’ho a mente. 


HDurc ſand'ge Wüften ſoll er irren all ſein Leben, 

Wo ſtets der Sonne Strahl, nachdem er kaum verſchweben 
Ihn ſah, ihm wieder glimmt, 

Dem finftern Mörder gleich, der flüchtig, in der Mitte 

Des Waldes Ichauernd Nachts unheimlich raſche Schritte 
Stet3 hinter fi) vernimmt. 


Er gleit’ anf Gletſchern hin, wie Beile glatt, er ſchleife, 

Er ſtrauchle, fall’ und fa’, und mit den Nägeln greife 
Er feft fih Hammernd feine Bahn, 

Statt eines Andern, — was er auch betheuernd fage: 

„3b babe Nichts gethan!“ — ergreife man und jchlage 
Ans Kreuz und nagle feit ibn an; 


Dort häng’ er, wild zerzaust, entftellt, mit blauer Lippe, 
Ihn grinfe, fihtbar nur ihm jelber, das Gerippe 
Des Todes hoͤhniſch an; 
Ein Leihnam, lebend halb und zuckend, mag er fühlen 
Die Schmerzen noch, die ihm in allen Gliedern wüblen, 
Benagt von feinem Bahn. 


4% 


Noch Schatten nit und doch nicht lebend, jammre, kreifche 

Er fort, die Sonne glüh’ ihm auf dem nadten Fleifche, 
Und in der Nächte Grau'n 

Erwach' er, überftrömt von eifig kaltem Regen, 

Cr ſchüttle fih, und wehr' in eitlem Kampf fich gegen 


Der Raben Scharfe Klau'n! 
j Anguf, 1828. 


497 


XXVI. 
Die zerhackte Schlange. 


Im Uebrigen haben bie Weifen geſagt: Man fol fein 
Herz nit an vergängfidhe Dinge hängen. 
Gaadi, Bulifien. 


— — — 


Io wache Tag und Naht, die Thräne rinnt herab 
Bom flammenden Gefichte, 

Seit ihr Bazellenaug’ Albayde im Grab 
Geſchloſſen, ab, das lichte, 


Sie lächelte fo füß, fie hatte fünfzehn Jahr’ 
Und liebte ihren Dichter. 

Kreuzt' auf der nadten Bruft die Arme fie, fo war 
Ein Engel fie, ein lichter. 


Einft ging ich träumend bin, mo fih am Meereöftrand 
Zwei Borgebirge Itreden, 

Da ſah id eine Schlang’ am Wer im Uferfand, 
Grüngelb, mit ſchwarzen Flecken. 


In zwanzig Stüde war zerhadt der arme Wurm, 
Beipült von Meereswogen, 
Vom Blute rofig mar der Schaum, der mit dem Sturm 
Der Schlange zugeflogen. 
2. Hugo’s fämmtl. poetiſche Werte 11. 33 


498 


Die Stüde krochen hin und wanden fih im Schlamm, 

Die blutig purpurrotben, 

Und röther färbte noch den fharfgezahnten Kamm 
Das Blut der lebend todten. 


Es krümmten fih, um fi zu finden auf dem Grund 
Die Stüde, wund, zeriplittert. 
Sie fuchten, ſuchten fi, ald wie ein Mund dem Mund 


Zum Kuß entgegenzittert. 


Und wie ih traurig, ftumm, in Träumen mid verlor , 
Da ſahn, wie trübe Lichter, 
Zwei Augen aus dem Haupt, dem zahnigen, empor, 
Die Schlange ſprach: „DO Dichter!“ 


„Bellage Did! — Dein Schmerz beüdt lieſer Dich binab, 
Mit ſchwererem Gewichte, 

Seit ihr Gazellenaug’ Albayde im Grab 2* 
Geſchloſſen, ach, das lichte. 


Dein junges Leben auch iſt nun zerſtückt, zerlegt, 
Grauſam verftümmelt ſchwanken 

Um Eines nur, ein Bild, das die Erinnerung hegt, 
Die zudenden Gedanken. 


Dein hoher Feuergeiſt, der wie die Schwalbe, leicht 
Und raſch, in edlem Ringen 

Die Erde ftreift’ und dann die Sternenwelt erreicht 
Auf mweitgebehnten Schwingen, 


Stirbt, wie ich felbft, und bringt, zeritüdt, erichöpft, benegt 
Bon falzig trüben Fluten, 

Nicht feine Glieder mehr zuſammen, die zerfegt 
Eid) winden und verbluten.” Rovember, 1838. 








49 


XXVII. 
Anrmahal, die Rothe. 


No 68 bestia que non fus hy trovada. 
Joan Lorenzo Segura de 
Kein wildes Thier, dag bort nicht auch ſich fände. 





Dort zwiſchen Felſen eingefchnitten 

Siehſt Du die Schlucht, die Grauſes hegt, 
Wild, buſchig, fern den Menſchentritten, 
Dem Büſchel Wolle gleich inmitten 

Der Hoͤrner, die der Widder traͤgt. 


Dort ſtraͤubt der Löwe feine Mähne, 

Es brüllt der Tiger, buntgefledt, 

Der Schalal heult und die Hyäne, . 
Es fletfeht der Leopard die Zähne, 

Das Pantherthier, das Blut geledt. 


Es kriecht, es wimmelt in dem Raume 

Bon Ungebeuern,, triefend fchleicht . 
Der Bafilist von gift’gem Schaume, 

Plump hängt die Boa an dem Baume, 

Die felber einem Baumftamm gleicht, 


500 


Fiſchadler, röthlih unterlaufen 

Das Aug’, und Aff’ und Schlange, — das 
Ziſcht Alles, fummt, wie Bienenhaufen, 
Flußpferd’ und Elephanten ſchnaufen, 
Bambus zerftampfen fie wie Gras. 


Dort haust die Brut, voll grimmer Hige, 
Die kreiſcht und Näfft und beult im Grund, - 
Durch Straub und Büſche zudt’3, wie Blitze, 
Ein Auge flammt aus jeder Nike, 

Aus jeder Höhle brült ein Schlund... 


Doch lief ih, nadt, bei all ven Pfoten 
Und Klau’n, nicht mindere Gefahr 
Dort, als bei Nurmahal, der Rothen, 
Die fpricht fo fanft, wie Himmelsboten, 


Und blidt aus Augen mild und Har. 
November, 1828, 





501 


XXVIL 
Die Djinns. 


E come i gru van cantando lor lai, 

Facendo in aör di se lunga riga, 

Cosi vid 10 venir traendo guai 

Ombre portate d’alla delta briga. 

Bie Kraniche in langen dichten Keihn 

Hinziehen, fingend ihre düftern Klagen, 

So bir! id Schatten feufgen, wimmern, ſchrein, 

Sie nahn, fie nahn, vom Sturm babergetragen. 
Dante. 


Stedt,... Hafen... 
Wie gut 

Sie ſchlafen, 

Die Flut 

Zieht Ieife 

Geleiſe 

Im Kreiſe,.. 

Und ruht. 


Sind die Todten 
Aufgewacht? 

Nein, der Oden 
Weht der Nacht. 
Toͤne ſchwimmen, 
Geiſterſtimmen, 
Flaͤmmchen glimmen 
Sanft und ſacht. 





502 


Wie Gloͤckchen belle 

Ein Stimmden klingt: 
Der Zwerg, der fchnelle, 
Er hüpft und fpringt, 
In Lüften Iebend, 

Den Fuß erbebend, 

Auf Bellen jchwebend, 
Zanzt er und fingt. 


Horch, der Lärm, ſchon tost er 
Näber und es fchallt, 

Wie die Glod’ im Klofter, 
Dem verwünjchten, ballt: — 
Wie im menfchenvollen 

Raum die Töne rollen, 

Bald nur leife grollen, 
Braufend, bonnernd bald, 


Die Djinn's! Sie find’3,-o Schreden! 
Welch hoͤlliſch wilder Tand! 

Eilt, eilt, euch zu verſtecden 

Am alten Treppenrand; 

Beim Lampenlidht, dem matten, 
Schwebt des Geländers Schatten, 

An Trümmern, Ballen, Latten 
Empor zur hoͤchſten Wand. 


8 iſt der Schwarm der Djinns, der mettert, 
Pfeifend Laut vorüberrennt, 

Eiben, die ihr Flug zerſchmettert, 

Krachen, wie ein Span, ber brennt. 


503 


Durch die Nacht mit ſchrillend rauben 
Tönen fliehn fie, anzuſchauen, 

Wie der Wolle Schooß, der grauen, _ 
Den ein Bligftrahl zudend trennt. 


Da find fiel — Schließt im Saal die Fenfter! 
Borüber raufcht die wilde Flut! 

Wie lärmt fie draußen, der Geſpenſter, 
Vampyre, Drachen graufe Brut! 

Wie Gras im Winde fchautelnd, Inarren 

Am Dach die Iosgerifinen Sparten, 

Des Thores Angeln ſelbſt, die ftarren, 

Die roſt'gen, Ichüttelt ihre Wuth. 


Ein Höllenlärm, ein Henlen, Stöhnen, Jammern! 
Gin wildes Heer, vom Sturm babergemeht! 

Es kracht die Wand, es ächzen alle Klammern, 
Die Mauer wanlt, die kaum noch wiberftebt. 

Es rast heran ein Schwarm von Höllenknechten, 
Und, wie entwurzelt, vor den finitern Mächten 
Neigt fih das Haus zur Linken und zur Rechten, 
Und bebt, wie fi ein Blatt im Winde dreht. 


Prophet, wenn Du von diejer Heerde 
Mich retteft, dieſer Höllenfchaar, 

Dann beug’ ich tief mein Haupt zur Erbe 
Bor Deinem rauchenden Altar. 

Bib, daß an diefem Damm ber Wände 
Der wilde Höllenfturm verende! — 

Die fie am Fenſter fragen! — Wende, 
Prophet, o wende die Gefahr! 


504 


Fort, entflopn ind die Geſpenſter, 

Und es jchlägt der Höllendor 

Mit den Klau’n nicht mehr ans Fenfter, 
Stößt nit wetternd mehr ans Thor. 
Kettenklircen, wirres Zanken 

In der Luft;.. im Walde ſchwanken 
Eichen, wie zerzauste Ranken, 
Angebrannt, gelnidt, wie Rohr. 


Das Rauſchen ihrer Flügel 
Verliert ſich nad und nad), 

Und fern am legten Hügel 
Berballt e8 allgemach, — 

Wie zitternd durch die ftille 
Mondnacht fi ſchwingt der fchrille 
Geſang der müden Grille, — 

Wie Hagel rauſcht auf's Dad. 


Seltfame, verworrne 
Laute, fterbend ſchon; — 
Wie, wenn auf dem Home 
Bläst der Wülte Sohn, 
Weit umber im Kreiſe 

Die arab'ſche Weile 
Klingt, erlöfchend leife, 
Wie im Traum ein Ton. 


Der Spud der Brüfte 
Berraufcht, es zieht 
Durch dunkle Lüfte 

Ter Schwarm und fliebt, 


605 


In Wollen haufend, 
Die Naht durchſauſend, 
Die Wellen braufend, 
Die Niemand fieht. 


Meit von hinnen 
Rauſcht's im Trab, 
Alfo rinnen 
Tropfen ab, 
Wimmern Waijen 
Ihre leifen 
Klageweiſen 

Um ein Grab. 


Geſinde, 
Fahr zu, 
Verſchwinde 
Im Nu! 
Nacht, fege 
Die Wege, 
Und pflege 
Der Ruh! 


— — m une 


Auguft, 1828. 


— — — —— 


506 


XXIX. 
Faltan Admel. 


D erlaube, fchöned Mädchen, 
Dap ich meinen Hald mit Deinem Arm umſchlinge. 
Val. 


Ru ber reizenden Suanina, 
Die fih hüllt in die Basquina, 
Ahmet ſprach im Liebesichmerz: 
— Gerne gäb’ ih, ohne Scherz, 
Meine Krone für Medina, 

Und Medina für Dein Herz, 


— Werde Chrift, o Herr, und finden 

Laß nicht länger Dih als Blinden, 

Frevel, a, tft meine Luft 

An des türfihen Mannes Bruft. 

Groß und ſchwer find meine Sünden . 
Und ich bebe ſchuldbewußt. 


— Bei dem Berlenfhmud, dem glatten, 
Schöne Herrin, befien Schatten 
Faͤllt auf Deines Buſens Glanz, 
Dir zu Willen bin ich ganz, 
Doch Dein Halsihmud, — mir geftatten 
Wirt Du's, — fei mein Rofentranz! 
Oftober, 1828. 


507 


XXX 
Aanriſche Romanze. 


Dixö le: — dime buen hombre, 
Lo que preguntarte querla. 
Bomanoero general, 


Bon Nodrigo jagt im Walde, 
Mittags an der Bergesbalbe, 
Schuͤtzend fih vorm Sonnenbrand, 
Ohne Harniſch, ohne Degen, 

Eilt er fih ins Gras zu legen, 
Er, „der Kühne” zubenamnt. 


Und bie finftre Stimme ſenkt er, 
An den Mauren-Baftard denit er, 
Deffen‘ Ohm er ſelber ift, 

An Mudarra, dem er fieben 
Brüder ſchlug mit Mörderbieben, 
Zara Blut, vor kurzer Friſt. 


Ihn zu fordern vor fein Eifen, 

Würd’ er Span ien's Gau'n durchreiſen 
Bon Figudre bis Setuval, 

Einer müßte dann zur Erbe 

Sinken ... Ha, ein Mann zu Pferde 
‚Hält vor ihm mit einem Mal, 


508 
— Maure oder Ehrift, — Herr Ritter. 
Nie den Kelch des Lebens bitter 
Mache Gottes Güte Dir! 
— Schenke Gott Pir feine Gnade, 
Reitersmann, den feine Pfade 
Führen bier vorbei an mir. 


— Maure oder Ehrift, — Herr Nitter, 
Dem die Rube hier nicht bitter 
Schmeckt in ſchattig kühler Luft, 

Willſt den Namen Du mir melden, 
Daß id) weiß, ob einen Helden 

Ich getroffen oder Schuft? 


— Don Rodrigo if mein Namen, 
Aus der Lara edlem Samen, — 

Da Du gern zu fragen jcheinft. 

Donna Sanda, ift, o Belter, 

Nach des Priefters Wort mir Schweiter 
Deſſen, der getauft mich einft. 


Ihn erwart’ ich bier, ibn fuche 
Ich, Mudarra, dem ih flude, 
Son, den Baftard, lange Schon, 
Der in Aliatar'3 Flotte 
Kommanbirt die Galeote, 

Son, der Renegatin Sohn. 


Sucht er nicht mir auszuweichen, 
Ich erkenn' ihn an dem Zeichen 
Unfres Hauſes, das er führt, 


509 


Gine Klinge trägt der Heide, 
Immer bloß und ohne Scheibe, 
Die am Knopf ein Demant ziert. 


Sa, bei meinem Chriſtenthume, 
Sterben foll er, mir zum Ruhme, 
Fallen nur durch meine Hand! 

Darum ift e8, daß ich wandre... 

— Don Rodrigo, fpridt der Andre, 
Bit von Lara Du genannt? 


Nun, der Baftard, dem hr fluchet, 
Der Mudarra, den Ihr ſuchet, — 
Er iſt's, der bier vor Euch ftebt. 

Er, der Richter und der Rächer, 
Rette Dich, verdammter Ehäder!... 
Jener murmelt: — Du kommſt fpät! 


— Der des Maurenlönigs Flotte 
Führt, Aliatars Galeote, 

Ich bin's, der hier vor Dir fteht, 
Sch, mein Dolh und meine Rache, 
Aus nun fecht’ ich meine Sade!... 
Jener murmelt: — Du kommſt fpät ! 


— Biel zu früh für Dich, o Nitter! 

‚ Oper fchmedt das Leben bitter 

Dir vielleiht?.... Du bebft, Dein Muth 
Iſt erlofchen ohne Zmeifel: 

Deine Seele gib dem Teufel, 

Schurke, mir gehört Dein Blut! 


510 


Hilft mir meine gute Klinge 
Und mein Gott, daß ich’3 vollbringe, 
Bittre, Schurke, dann vor mir. 

Kennft Du Deinen Herrn? da ſteht er, 
Deine Seele, Du Berrätber, 

Reiß' Ih aus den Zähnen Dir. 


Ha, dab ih Di endlich treffe, 

Ich, der Donna Sancha Neffel 
Loͤſchen meines Hafjes Brand, 
Sterben mußit Du, Ohm, vorüber 

FM nun Deine Beit!... — Mein lieber 
Neffe, gleih,bin ich zur Hand! 


Kannft die Ungeduld Du zähmen? 

Nur mein Schwert dort will ich nehmen, 
— Längre Friſt nicht haben darfft 

Du, mein Ohm, al3 meine Brüder, 
Die erbarmunglos Du nieder 

Schlugſt und in die Grube warfft. 


Für die Nenegatin Rache! 
Auszufehhten ihre Sache, 

Trug ich nadt bis heut mein Erz, 
Weil ih Dir, Du Mörder, fluchte, 
Weil ih eine Scheide ſuchte, 


Für den Demantftahl, — Dein Herz! 
Dei, 2828. 


511 


XXXI. 
Granada. 


Quien no ha visto a Sevilla, 
No ha visto a maravilla. 





Spaniſch oder mauriſch, ferne 
Oder nah, — dem Stern der Sterne 
Gleicht, — Granada, leine Stadt. 
Keine darf ihr gleich ſich glauben, 
Ihr den Schönheitsapfel rauben, 
Ihr, die tauſend Wunder hat, 
Blühend, orientaliſch reizend, 

Die der Himmel, ihr nicht geizend, 
Reich geſchmückt an Blüth' und Blatt; 


Balmbäume bat Cadix, Murcia Drangenbäume, 

Ja Sn des gothiſchen Palaftes weite Räume. 

Agreda den Konvent, erbaut von Edmunds Hand, 

Segovia den Altar, umringt von Huldigungen, 
Den Aquadult, dreifach geſchwungen, 

Der einen Strom ihm bringt won hoher Bergeswand. 


Llers hat Thärme, Flammenblige 
Wirft von einer Säulenfpige 
Barcelona über’3 Meer. 


512 


Treu ihe Scepter, ſchwer von Eifen, 
Wahrt Tudela feinen weifen 
Kön’gen fhon von Alters ber; 
Düftre Eſſen, die im Dunteln 
Roth, wie Hollenſchlunde, funkeln, 
. Sind Tolofas Schmud und Wehr. 


Der Fiſch, der einft gemadt Tobias’ Augen belle, 
In Fontarabia Golf fpielt er in Harer Welle, 
Mm Alicante ragt jo Minaret wie Dom, 
Cordova bat Mofcheern und alte Practpaläfte, 
Und Sompoftella hat des Heil’gen Weberreite, 
Madrid den Manzanaresitrom, 


- Auf den ſchwarzen, morihen Mauern 
Um Bilbao zittern, ſchauern 
Grüne Gräfer; arm an Macht 
Iſt Medina, doch die Blöße 
Deckt der Glanz der alten Größe 
Und die berzoglihe Tracht, 
Sein nur find die Sylomoren, 
. Seine Brüden dankt's dem Mohren, 
Rom der Aquadukte Pracht. 


Dreibundert Stirchen find’3, die in Valencia jteben, 

Und Alcantara läßt die Türkenfahnen weben 

Bon Pfeilern hoch und ſchlank, in Menge, reih an Pracht, 

Und Salamanca, das drei ftolze Hügel frönen, 
Entihläft bei Dandolinen-Tönen 

'nd vom Studentenlärm erwacht die Stadt bei Nacht. 


513 


Petrus liebt Tortofa’s Hallen, 
Glaͤnzend, marmorreih vor Allen 

St Puycerda, Tuy vertraut 
Seinem Thurm voll düftern Schauern, 
Tarragona feinen Mauern, 

Die ein König einft gebaut. 

Die Siralda. ziert Sevilla, 

Dom Duero mande Zilla 

In Zamora wird bethaut. 


An Reichthum ift Burgos gleid, einem Paradieſe, 

Girona Herzogin und Bennaflor Marquife, 

Bivar hat, ſtreng verhüllt, ein Sonnenangeſicht, 

Zu Kämpfen jederzeit ift Bampeluna fertig, 

Und wenn beim Mondenfchein es ift des Schlaf? gemärtig, 
Schließt es den Feftungsgürtel dicht. 


Alle dieſe fpanifchen Städte 

Biegen tief im ebnen Bette, 

Dder auf Sierren-Höhn, 

Alle haben Eitabellen, 

Die kein Feind fo leicht wird fällen, . » 
Die Verrath noch nie gejehn, 

Jede prangt mit Münfterballen, 

Doch Granada ijt vor Allen 

Durch Alhambra's Wunder fohön. 


Albambra, ftolzer Bau, Alhambra, defien Räume 
Mit Harmonie durchwehn die Henien der Träume, 
Tu Beite, die dem Blid beiränzte Zinnen beut, 

3. Hugo’s Jämmtl. porti.che Werie. IL. j 


514 


Wo Bauberworte Nachts in ftillen Lüften wogen, 
Und wo des Mondes Licht durch die arabiihen Bogen 
Kleeblätter, filberweiß, veritreut. 


Wunder hat Granada, große, _ 
Mehr, ala Körner roth im Schooße 
Glühn der Früchte, die fie trägt. 
Heil Granada! Wenn die Fahnen 
Malen und zum Kampfe mahnen, 
Feuer fpeit fie, wild erregt, 
Grimmiger, die ftolze Pathe, 

Als die zifhende Granate, 

Wenn ins Feindesheer fie jchlägt. 


Nichts ift fo groß, fo ſchön, wie fie, fo reich gefegnet, 
Sei’s, dab Bivataubin Vivaconclud begegnet 
Im Klang des Tamburind, das rings won Glödchen bebt, 
Sei's, daß, mit Feuer rings gekrönt wie ein Kalife, 

Das blenvende Generalife 
Hoc in die ſcwwarze Nacht den lichten Giebel hebt. 


Bon den rothen Thürmen lärmen 
Sloden fummend Bienenihwärmen 
Gleich, die vor dem Winde fliehn, 
Wenn des Feſtes Freuden loden, 
Läuten Alcacava's Gloden, 

Und feltfame Töne ziehn, 

Tie aus Mauernthürmen bringen, 
Lieblihe Dulcaynen klingen 
Laut des jüßen Albaycin. 


515 


In jedem Wettlampf fiegt Granada, ja, Granada 

Singt füßer, weicher noch die weiche Serenaba, 

Die reihften Farben läßt an jedem Haus fie ſchaun, 

Die Winde halten an den Athem, wenn im Thale 

Oranada, das erglänzt im Sommerabenpftrable, 
Ausftreut, wie Blumen, feine Frau'n. 


Um Granada, wie die Sterne 

Leuchtend, Aſien gäbe gerne 

Hin der Mohr und Libyen drein; 
Doh Granada, feft im Glauben, 
Kein Ungläub’ger wird fie rauben, 
feiner wird Granada frei'n. 

Könnt’ es ein Sevilla neben 

Jener Wunderftadt noch geben, — 
Nur Granada würd’ es fein. 

April, 1828. 


516 


XXXII. 
Die Kornblumen. 


Bi es verdad ô non, yo no lo he hy de ver, 
Pero non lo quiero en olvido poner. 
Jean Lorenso Segura de Astorge, 


Ho lang inmitten goldner Aebren 

Die blauen Blumen Feld und Flur 
Mit ihrem glänzenden Azur, 

Wie Sterne glübend, hold verklären, 
Bevor die Scharfe Sichel fällt | 
Die Halme, die im Wind ſich büden... 
Geht, jhöne Mädchen, gebt, zu vflüden 
Kornblumen rings im Aehrenfeld. 


Bon allen andalujifhen Städten 

Iſt keine, die im Grün fo bel, . 

So fonnig glänzt, wie Bennafiel, 
Umſchlungen rings von Blumentetten, 

Iſt keine, die dem Feind fich ftellt 

So ftolz mit Mauern, Thürmen, Brüden... 
Seht, fchöne Mädchen, gebt, zu pflüden 
Kornblumen rings im Aehrenfeld. 


517 


Zu keinem Klofter, weitberufen, 

Sn feine Stadt der Ehriftenheit 
Wallfahren zur Ambrofius-Beit 

Und liegen auf ben Kirchenſtufen 

So viele Pilger, in der Welt 

Weiß keine fih wie fie zu fhmüden.... 
Seht, ſchoͤne Mädchen, geht, zu pflüden 
Kornblumen rings im Aebrenfeld. 


Kein Land ift, wo bie jungen Dirnen 

Am Abend, bei des Neigens Luft, 

Mehr Feuer haben in der Bruft, 

Mehr Roſen auf den weißen Stirnen, “ 
Und nirgends find fo licht erhellt 

Die Augen, die durd Schleier bliden... 
Geht, ſchöne Mädchen, geht, zu pflüden 
Kornblumen rings im Aehtenfeld. 


Hört! — Andalufiens Stolz, Alice, 
Die Shöne, war aus Pennafiel, 

Wie eine Blume, ftrablend hell, 
Umſchwärmt von Bienen, war die Süße, 
Den Schweitern ward fie aufgeftellt 

As Mufterbild in allen Stüden... 
Geht, jhöne Mädchen, gebt, zu pflüden 
Kornblumen rings im Aebrenfelb. 


Ein Fremdling kam, gar ftolz zu jchauen, 
Schön, jung; — auf einmal war er ba, 
Dar aus Sevilla, Murcia 

Der Maure ? Aus Granada's Gauen? 


518 


Kam er aus einem Wüftenzelt, 
Aus Tunis, reih an ſchlanken Briden?... 
Geht, Ihöne Mädchen, geht, zu pflüden 
Kornblumen rings im Aehrenfeld. 


Man wußt' es nicht. — Er liebt’ Alice, 
Alice Tiebt’ ihn, ach, die Flur 
Karama’s war nicht einmal nur 

Die Zeugin ihrer Liebesgrüße. 

Wo dur den Wald das Mondlicht fällt, 
Da wandelten fie voll Entzüden... 
Geht, ſchöne Mädchen, geht, zu pflüden 
Kornblumen rings im Aehrenfeld. 


Die Stadt war fern und lag im Dunleln, 
Der Mond, der Stillen Liebe hold, 

Ließ feiner Strahlen lichtes Gold 

Auf den gezadten Thürmen funteln. 

Still ift die Luft, kein Glöcchen ſchellt, 
Indeß fie liebend fich beglüden... 

Geht, Shöne Mädchen, gebt, zu pflüden 
Kornblumen rings im Achrenfelb. 


Die Andalufierinnen dadten 
Alicenz nur mit Eiferfudt, 

Wenn unterm Baum mit goldner Frucht 
Sie tanzten, fcherzten, fangen, ladıten. 
Die, Bither klingt, die Pfeife gellt 

Und widerhallt am Bergesrüden.... 
Gebt, jhöne Mädchen, gebt, zu pflüden 
Kornblumen rings im Aebrenfeld. 


519 


Indeß der Geier ftößt zur Tiefe, 

Schläft warm der Vogel noch im Neft; 
Alicen war’, als wenn fie feit 

In ihrer ſüßen Liebe fchliefe. 

Kaſtiliens König war ihr Held, 

Don Juan, er mocht' ihr Herz berüden... 
Gebt, Ihöne Mädchen, gebt, zu pflüden 
Kornblumen rings im Achrenfelb. 


O bätte fie Ihn nie gejehen ! 

Einft, auf des Königs jtrenges Wort, 
Ward fie entführt, fie mußte fort, 

Und modte fie vor Leid vergeben. 

Ein Kloftergitter Inarrt und hält 
Berborgen fie vor Männerbliden ... 
Gebt, ſchoͤne Mädchen, gebt, zu pflüden 


Kornblumen rings im Aebrenfeld. 
April, 1828 





— —— — — — — — 


520 


XXXIII. 
Phantome. 


Luenga es su noehe, y cerrados 
Estan sus 0jos pesados. 
Idos, idos en paz, vientos alados. 


Ach, die Nacht IR lang. verbrofien 
Sind bie Hugen. bald geſchloſſen, 
Ahr Winde, fliegt dahin auf Klügelroffen. 


Ya, wie viel Mäpchen fah ich fhon, die blühend ftarben! 

Eein Dpfer will der Tod, das ift des Schickſals Schluß. 

Die ſcharfe Sichel fällt die Gräfer und die Garben. 

Die fhönften Rofen, hell erglüht in Frühlingsfarben, 
Bertritt beim Tanz des Todes Fuß. 


Der Bach verfiegt, auf dem der Sonne Strahlen glühten, 
Es flammt der Blig, doch if die Flamm' erlofchen iäb, 
Es welft, wenn im April noch Reif’ und Fröfte wüthen, 
Der Ihöne Apfelbaum, zu ſtolz auf feine Blüthen, 

Auf feinen buft'gen Fruͤhlingsſchnee. 


So iſt das Leben. Nah dem Tag der Nächte Länge, 

Und das Erwachen — in der Hoͤll'? — im Hinmelsfaal? — 

Rund um die Tafel drängt begierig ſich die Menge, 

Doch ſchleicht auch mander Gaft ſich meg aus dem Gedränge, 
Bevor zu Ende geht das Mahl” 


521 


I. 
Wie Viele ſterben ſah ich ſchon! — Milchweiß die Eine 
Und roth, ein Engel die, der nach dem Himmel reist, 
Die Andre, auf die Hand die Stirn geſtützt, die reine; — 
Ein Vogel, der entfliegt, zerknidt den Zweig im Haine, 
So ihren Körper brach ihr Geift. 


Die Maid war blaß, verftört, und unter leiſem Stöhnen 

Sprach einen Namen fie, den Niemand mehr veritand, 

Die Andre ſchwand dahin, gleich ſanften Harfentönen, 

Ein Lächeln fpielte noch um's Antlig jener Schönen, - 
Als grüßte fie ihr Heimathland. 


Ab, lauter Blumen, tobt, nachdem fie faum geboren, 
Halcyonen, die verihlingt ſammt ihrem Neft die See, 
Des Himmels Tauben, die zur Erde fich verloren, 
Die ihre Jahre nur, zu Lieb’ und Luft erforen, 

Nah Lenzen zählten ohne Schnee. , 


So viele Herzen, die, ach, viel zu früh verglühten, 

Die ſüßen Wefen all jept ftumm und blind und taub! 

GSelnidt, entwurzelt, o wie viel der zarten Blütben!... 

Laßt mi im ftillen Wald ob meinem Kummer brüten 
Und wühlen im verborrten Laub. 


Phantome, lieb und hold, fie nahn mir, wenn ich träume, 

Sie reden fanft zu mir und horchen zu im Grün, 

Und in der Dämmrung, die erfüllt die düftern Räume, 

Gehn fie und kommen, und durch's dichte Laub der Bäume 
Hell ſeh' ich ihre Augen glühn. 


922 


Die Schwefterfeelen ſucht gern meiner Seele Sehnen, 

Und Tod und Leben find gefhieden nicht für mid; 

Dft ihre Flügel nehm’ ic mir zum Flug, fie lehnen 

Eid oft auf meinen Arm, ein Schatten fchein’ ich jenen, 
Und fie, fie leben ganz mie id. 


Sie find’3, die meinem Geiſt Geftalt und Formen leihen, 

Ich ſchau', ich Schaue fie. Komm, rufen fie mir, komm! 

Sie drehen um ein Grab fih in verfhlungnen Reiben, 

Und fchweben fat davon. — O laßt mich ihnen weihen 
Den Zoll der Thränen ernft und fromm. 


I, 


Bor Allem Ihr! — Sie war ein Engel, gottgegeben, 

Ein ſpaniſch Mädcen, ſchwarz, kreoliſch, feurig, licht 

Ihr Auge, weiß die Hand, die Bruft in fühem Beben 

Aufjeufzend, rings umbaudt von reinem Früblingsleben, 
Ein fünfzehnjähr'ges Angeficht. 


Bor Liebe ftarb fie niht! — Kein füßer Kummer plagte 

Sie je; noch war ihr Herz, wie ein verjchloffnes Thor, 

Ihr Herz, das nie vor Lieb’ aufjauchzte noch verzagte. 

Wenn ever, der fie ſah, au rief: Wie fhön! — doch fagte 
Nie Einer leis es ihr ing Ohr. 


Den Tanz nur liebte fie, ah, allzufehr! Das Leben 
Nahm ihr ein Ball — Ein Ball! Welch jüßer Rauſch und Glanz! 
Ka, ihren Schatten nody durdfährt ein Wonnebeben, 
Sieht er in beitrer Nacht ein Silberwölkchen ſchweben 
Und um den Mond fi) drehn im Tanz. 


523 


‘hr Liebftes war ein Ball! — Bu einem seit geladen 

Drei Tage träumte fie, drei Nächte nur vom Ball, 

Sie wähnt' in einem Meer von Seligleit zu baden, 

Es rauſcht' um ihren Pfühl der Sturm der Galoppaden 
Und Laden, Scherz und Geigenſchall. 


Vor'm Auge tanzten ihr Goldketten, Spangen, Bänder, 

Und Gürtel, fhillernd, bunt, Demanten ohne Zahl, 

Wie Bienenflügel leicht binflatternde Gemänber , 

Buirlanden und Bouquet3, Prachtblumen ferner Länder, 
Und Berlen, leuchtend rings im Saal. 


Der Ball begann, am Arm der Schweitern bin und wieder 

®ing fie,-den Fächer raſch zerfnitternd in der Hand, 

Dann ließ fie fih im Kreis der feionen Roben nieber, 

63 jauchzte laut beim Klang der taufenpftimmigen Lieder 
Ihr Herz, das hell in Flammen ftand. 


Wer wiegt’ im Tanze je ſich reizender und freier? 
Wenn die Basquina fliegt, da flimmert's funtenlicht, 
Ihr Auge, groß und ſchwarz, brennt unter'm ſchwarzen Schleier, 
So an der Stirn der Nacht erglänzt der Sterne Feuer, 
Das durd die dunkeln Wollen bricht. 


Nur Tanzluft ift fie, ah, und ausgelaſſ'ne Freude, 
Das Kind! — Wir fehn ihr zu mit Kummer in der Brult. 
Auf einem Ball befreit das Herz ſich nicht vom Leibe, 
Wie Alche fliegt es um die Tuniken won Seide, 

Und Sorgen fhwirren um die Luft. 








524 
Doch fie, entzüdt, je mehr des Feſtes Wogen jchwellen, 
in atbemlofer Haft, fliegt bin und fliegt zuräd, 
Beraufht vom Blumenpuft, vom Glanz der Tichterhellen 
Kronleuchter, vom Geräuſch der Stimmen und den Wellen 
Der Iuftig ſchmetternden Mufil. 


Welch Slüd, fih ganz der Luft des Tanzes binzugeben, 

Zu fteigern jeben Sinn, der doppelt fühlen muß, 

Indeß die Glieder ſich der Erd’ entfliehend heben, 

Db fie auf Wollen nun, ob über'm Abgrund ſchweben, 
Den Bafferwirbel unter'm Fuß. 


Doch ad, der Morgen graut, und Zeit ift’3 fortzugeben, 

Des ſeidnen Mantels harrt die junge Tänzerin, 

Wenn von der Schwelle noch zurüd die Augen ſehen, 

Geſchieht's, daß Morgenlüft’ ihr um die Schultern wehen, 
Und leife fhauernd geht fie hin. 


Der heitern Ballnacht folgt der trübe Tag, und lauer 

Wird nun die Hinderluft, und Kopf und Herz ilt ſchwer. 

Den Freudenklängen folgt der Huften und die Trauer, 

Tem friihen NRojenroth des Fiebers froft’ger Schauer, 
Ter Augen Feuer brennt nit mehr. 


IV, 


Tode! Sie ift todt! — So ſchön, fo froh, und fünfzehn Jahre! 

Todt, — heimgekehrt vom Ball, — o namenlojes Leid! 

Todt, no im Feitgemand, mit Blumen in dem Haare, 

Der Tod mit kalter Hand nahm fie, und auf die Bahre 
Legt’ er zum Schlaf die junge Maid. 


Es war Ihr letzter Ball! Ihr Iegter!... Ja, verſchwunden 

Iſt Ihrer Wangen Roth, verhaucht der Blüthe Duft. 

Und dieſe Roſen, die nur Eine Nacht umwunden 

Ihr Haupt, die ſie geſchmückt für kurze, frohe Stunden, 
Sie mwelfen nun in kalter Gruft. 


V. 


Die arme Mutter, ach, ſie ahnte nicht, die blinde, 

Ihr Loos, als fie gepflegt die Knospe, zart und ſchwach, 

Dft an der Wiege faß fie bei dem kranken Kinde, 

Und wenn es weinte, ftrich fie ihm die Stirn gelinde, 
Und ganze Nächte blieb fie wach. 


Und nun? — In ihrem Sarg von Blei, der Würmer Speife, 
Schläft fie, fo bleidh, fo Itarr, und wenn im tiefen Schacht 
Zu einem Zodtenfeft fie eine Etimme leife 
Aufwedt, die todte Maid, ach, froftig gleich dem Eife, 

In einer hellen Winternacht; 


526 


Dann — nicht die Mutter iſt's — wird über fie fih büden 

Ein grinfendes Gefpenft, und flüftern: „ES ift Zeit!“ 

Wird einen Kuß ihr auf die blauen Lippen drüden, 

Und mit den Fingern, dürr und hart, die Flechten Shmüden, 
Die Haare, lang dahingeſtreut; 


Zum Geifterreigen wird fie ſchauernd fortgezogen, 

Hinaus zum Iuft'gen Zanz; es klappert das Gebein, 

Der Vollmond fhwimmt dahin auf filbergrauen Wogen , 

Ten Rand der Wöltchen faßt der fanfte Regenbogen 
Der Nacht mit leifem Schimmer ein, 


v1. 


D denkt der Spanierin, der Maid mit Feuerblidten, 

Die nun erlofhen, ah, ihr Mädchen, wenn der Tanz 

Euch lodt! Sie eilte hin, wie trunten vor Entzüden, 

Des Lebens Roſen fih mit rafcher Hand zu pflüden, — 
D Jugend, Schönheit, Luft und Glanz! 


Das arme Kind! Es pflüdt’, im Taumel auferzogen 

Der Feſte, Blumen fih und band zum Strauß fi. — Ad, 
Wie ſchnell vorüber ift fie do an und geflogen, 

Gleich wie Ophelia, bin gerifien von den Wogen, 


Starb fie, indem fie Blumen brach. 
Aprif, 18%8. 


— -- - 


527 


XXXIV. 
An Sonis Bonlanger. 
Mazeppa. 
Awai! — Awai! 
Byron, Mazeppa. 
J. 


Und als Mazeppa, laut auffchreiend, unter Thränen, 

Die Lenden, Arm und Fuß, die blutigwunden Sehnen, 
AU feine Glieder feſt 

Gebunden fah aufs Roß dur der Barbaren Mühen, 

Das Raub und Funlenſtaub aus jeinen Lüjtern ſpruͤhen 
Und feinen Hufen läßt; 


Als rings umftridt er fi der Schlange gleich gewunden, 

Und durch ohnmächt'ge Wuth ergögt, die ihn umftımden, 
Der Henter rohe Brut, 

Und als er endlich matt ſank auf des Hengites Rippen, 

Schweißtropfen auf der Stirn, mit Schaum bebedt die Lippen, 
Und in den Augen Blut; — 


Ta ward ein Schrei gehört, und jäh im Sonnenbrande 

Nast athemlos der Hengit, im aufgewühlten Sande 
Dahin mit feiner Lalt, 

Er jagt den Staub empor, ber ihn verhüllt den Blicken, 

Der ſchwarzen Wolle glei, durch welche Blige züden, 
Er eilt mit Windeshaft. 


528 


Sie fliegen hin durch Thal und Ebne gleih den Stürmen, 
Mie- Wettermolfen, die im Hochgebirg ſich thürmen, 
Wie Feuerbaͤlle fliehn; 
Bald nur ein ſchwarzer Punkt ſind ſie im fernen Raume, 
Bald nur ein luft'ges Nichts, verflogen gleich dem Schaume, 
Am Meeresufer hin. 


Sie fliegen. Endlos dehnt das Sandmeer, ohne Küſte, 

Sich aus, ſie ſtürzen ſich ins weite Grab der Wüſte, 
Verſchwindend alle Zwei. 

Sie fliegen ruhelos, und Thürme, Dörfer, Städte 

Und Baum’ umgaukeln fie, der Berge ſchwarze Kette, — 
Sie fliehn vorbei, vorbei. 


Und wenn der Arme, dem die Glieder faft zerfchellen, 

Sich rührt, dann ſcheint das Thier fi wild emporzufchnellen, 
Das jäher Schred ergreift; r 

Und durd der Wüfte Sand binjagt ed ungehalten, 

Die weit vor ihm ſich dehnt mit ihren ftaub’gen Falten, 
Gleich einem Mantel, bunt geftreift. 


Vor'm Auge flimmert’8 ihm und grelle Syarben brennen, 
Die Bäume fieht er fliehn, er fieht die Wollen rennen, 
Ein alter Thurm fteigt auf, 
Dort auf den Bergen ſcheint ein lichter Strahl zu tagen, 
Gr fiebt' 8... Dort wiehern laut Roßheerven, und fie jagen 
Ihm nah in raſchem Lauf. 


Der Himmel — ſchon beginnt die Abendluft zu hauchen — 
Mit feinem Woltenmeer, in das fih Wollen tauchen, 
Blei Bergen aufgebäuft, 


529 


Mit feiner Sonne, die fi fenft zum Wellenbade, — 
Er dreht fi über ihm glei einem Rieſenrade 
Bon Marmor, goldgeftreift. 


Sein irres Auge flammt, und feine Haare ſchleppen 

Sich nad), es hängt fein Haupt, es färbt den Sand der Steppen, 
Den Dornbuſch, der ihn reißt, 

Sein rothes Blut; e3 preßt ihm Die geſchwollnen Glieder 

Der Strid, der Schlange glei, die zornig hin und wieder 
Sid mwindet, kümmt und beißt. 


Das Pferd, vom Sattel frei und Baum, es rennt ins Weite, 
Es trieft Mazeppa’3 Blut berab an feiner Seite, 
In Segen fällt jein Fleiſch. j j 
Den heißen Stuten mit ven wild empörten Mähnen 
Folgt Shwarzer Raben Schwarm, die ſchon entjeelt ihn waͤhnen 
Und frech umflattern mit Gekreiſch; 


Und mit den Raben kommit die finftre Schaar ver Wälder 
Horneulen, Weihen, die umziehn die blut’gen Felder 
Der Schladt, der Adler Schwarm, 
Beinbrecher, Schuhu's und Aasgeier, jene fahlen, 
Die bohren in das Fleiſch den Hals, den rothen, Tahlen, 
Wie einen nadten Arm. 


Sie kommen al herbei, ſich freuzend In den Lüften, 
Bon ihren Neitern ber auf Eichen und in Klüften, 
Bom alten Thurm und Haus, 
Er liegt im Blut, er hört fie kraͤchzen nicht noch ſtoßen, 
Er fragt erflaunt, betäubt: „Wer breitet dort ten großen, 
Den ſchwarzen Fächer aus?” 
8. Huge’s fämmtl. poetiſche Merle, IL. 34 


530 


Es tommt die Naht, fie hat den Sternenmantel beute 

Nicht umgethan, und noch umfliegt die Schwarze Meute 
Des Armen blutge Spur. 

Er fieht fie zwifchen fi hinjagen nnd dem Himmel, 

Dann fintt fein Aug’, er hört vom nädtlihen Gewimmel 
Berworrne Laute nur. 


Drei Tage rennt er fort und ohne je zu raften, 
Sagt über Ströme hin, bededt mit Eifezlaften, 
Durch Steppen, Wald und Sand, 
Da ftürzt er, — mächtig fchrein die Bögel, kraͤchzen, rufen, 
Am Steine, den das Roß zerihlägt mit Eifenbufen, 
Erlifht der Funken Brand, 


Da liegt er, elend, nadt, machtlos, mie er auch wütbe, 

Bluttriefend, röther ala des Ahorns Purpurblüthe, 

Wenn nun der Lenz erjcheint, 

Der Vögel Wolle hält und kreist ihm über'm Nacken, 

Mandy ſcharfer Schnabel brennt, ihm aus dem Kopf zu baden 
Die Augen, roth geweint. 


Nun, den Berbammten bier, mit ſchmerzverzerrter Miene, 
Den Leihram, athmend kaum, — das Bolt der Ulraine 
Wählt einft zum Yürften ihn. 
Ginft wird er Tauſende erſchlagen, unbegraben 
Bur Speife werben fie den Beiern und den Naben, 
Die jegt ums Haupt ihm ziehn. 


Aus feinem blut’gen Loos wädst feine wilde Größe, 
Und mit dem Hetmanns-Pelz einft dedt er feine Bloͤße, 
Und ftrahlt, ein goldner Stern. 


531 


Und zieht er ftolz vorbei, mit frohen Giegesweifen 
Wird dann das Hirtenvolk, gebüdt zur Erbe, preifen 
Den Helden und den Herrn. 


So, wenn ein Sterblier des Gottes Näh’ empfunden, 
Und fieht aufs Yeuerroß des Genius fih gebunden, — 
Er ringt umfonft und regt, 
Der Arme, ih! Das Roß, es rast binan die Stufen 
Zum Thor der Wirklichkeit, das mit den Gifenhufen 
E fühn in Trümmer fchlägt. 


Durh Meer und Wüſten trägt ihn fort fein Flammenflügel, 
Weg über Bergesböhn und graue Wolkenhügel, 
Ins kalte Reich der Naht, 
Unfaubre Geifter wedt e8 im Vorüberfahren, 
Die ih um Mann und Rob in wilden Rotten ſchaaren, 
Zudringlich, ungeichladht. 
Gr jagt im Flug durch's Reich der Träume, bricht die Schranten 
Der Endlichkeit, und trintt am Urquell der Gebanten, 
Am ew’gen Geifterfirom. 
Ob ſternenhell die Nacht, ob Wollen ſchwarz ſich häufen, 
Des Rofies Mähne ftrahlt heil gleich Kometenjchweifen, 
Und flammt am Himmelsdom. 


Er fhaut den Ring Saturn’8 und Herſchel's ſechs Planeten, 
Den Eispol, welchen Nachts des Nordlichts Flammen röthen. 
Dod was er immer konnt’ 





5323 


Erſchau'n im Aug, wohin ihn trägt des Rofies Feuer, 
Es thut vor feinem Blid fih immer auf ein neuer 
Und neuer Horizont. 


Ber weiß e3, außer euch, ihr Engel und Dämonen, 
Was er erdulbet, wie der Blig ihm ohne Schonen 
Im Auge Dual erregt, 
Wie unten glühend heiß ihm an die Stirne fpringen, 
Wie das Gezücht der Nacht mit eifig falten Schwingen 
Ins Angeſicht ihn ſchlaͤgt? 


Und voll Entſetzen ſchreit er auf, der bleiche Reiter, 

Er trägt's nicht mehr, — das Roß fliegt unerbittlich weiter 
Sn zügellofem Lauf; 

Scharrt's nit ein Grab ihm auf mit jedem feiner Schritte? — 

Ha, dort das Ziel! — Er fliegt, er flürzt im tollen Ritte, 


Und fteht als König auf, Mai, 1538. 
ai, 


533 


XXXV. 
Ber zürnende Bannbius. 


Admonet et magna testatur voce per umbras. 
Virgil, 


— — 


Belgrad und Semlin, fie find im Kriege. 
Und in feinem frieblich ftillen Bette 

Aufgeſchredt erwacht ihr großer Vater, 

Der Danubius, beim Schlachtendonner. 

Und er fragt fi fchauernd, ob er träume, 
Springt empor, und bört Kanonen brüllen, 

Und er ſchlägt in feine Schuppenhände, 

Und bei ihrem Namen ruft er fie: 

„Höre, Türkin Du, und Du, o Chriſtin, 
Du, Semlin und Belgrad, fast, was habt Ihr? 
Keinen Augenblid — Gott fei mir gnädig! — 
Kann man ſchlafen, ohne daß durch Hader 

Und durch Zank man wird geftört, und ohne 
Daß Semlin und Belgrad lärmt und wettert. 


So im Herbſt und Frühling, wie im Sommer 
Und im Winter vahen Gure Bomben! — 
Eingewiegt vom monotonen Raufden 

Lag id ſchlummernd unter meinem Schilfe. 


534 


Sieh da, wie Erewöle Waller fprigen 
Aus den Nafenlöchern, alſo blafen 
Eure bimmellangen Feuerihlangen 
Ihren heißen Odem mir auf's Waſſer. 


Webermütbge, tolle Hexen waren's, 

Die, nur um ſich einen Spaß zu machen, 
So an meinen Ufern gegenüber 

uch gefegt, — zwei Gaͤſt' an Einer Schüſſel, 
Dper wie ein Beierneft an Einem 

Thurm und nebenan ber Hort des Adlers! 


Könnt Ihr friedlich ‚nicht zufammen leben, 
Meine Töchter? Sol ih ewig zittern 

Ob des Schidfals, das Euch hier zufammen 
Bracht', um Euern Nachbarhaß zu weden? 
Könnt Ihr friedlich nicht, als gute Schweitern, 
Spiegeln in den Wogen meines Stromes, 

Du, Semlin, die [hwarzen goth'ſchen Thürme, 
Belgrad, Du die weißen Minarete? 


Meine breiten Wellen, die zum Meere 
Rollen, ſuchen eu umfonft zu trennen, 
Bon den Feftungsthürmen zu einander 
Findet ihr den Weg, — eb ift die Bombe, 
Die, im Bogen ihre Blige fchleudernd, 
Hoch Euch wölbt die Iuftge Fenerbrüde. 


Friede! — Schweigt, ihr nachbarlichen Städte! 
Müde bin ich längft der Buͤrgerkriege. 

Wir find alt, laßt uns der Ruhe pflegen! 
Schlafen laßt und unter'm Birkenſchatten! 


535 


Macht ein Ende dem Yamilienzwifte ! 

Brauch’ ich diefen Lärm von Euern Beten? 
Hab‘ ih, meine Töchter, denn vom Rauſchen 
Der Gewäfler nit genng Betäubung? 


Muß ein Halbmond und ein Kreuz denn diefen 
Schönen Drt zu einer Hölle maden? 

Für das Evangelium und den Koran 

Mechielt ihr der Bombe rauhe Grüße? 

Knall und Feuer, trau’n, ift da verloren: 
Ich, ein Gott einft, weiß das wohl am beften. 


Eure Götter haben mich vertrieben, 

Mid) entthronti — Doch das ift ihre Sache. 
Was ich wünfdhe, ift nur Ruh' im Schatten. 
Und fie follen hübſch zu Haufe bleiben 

Und an meinen Ufern nicht die grünen, 
Blätterreihen Bäume mir entwurzeln, 

Und mit ihren Bomben und Granaten 
Meine Muſcheln nicht in Scherben ſchlagen! 


Solche Neuerungen find die Früchte 

Ihrer gottverfluhten Glaubenskämpfe. 

Der Tumult war nicht zu meinen Beiten; 
Wenn auch Tag und Nacht die Katapulten 
Auf die Stäbte Steine warfen, immer 
Bars doh ohne Rauch und ohne Lärmen! 


Seht nah Ulm bin, Eurer Zwillingsſchweſter, 
Haltet ruhig Euch, wie fie, und friedlich. 
Die die Fürften auch die Fäden haſpeln, 
Lacht fie aus und drebet Eure Spindeln. 





336 


Eure Nachbarin betrachtet, Buda, 
Schauet an die Sarazenin Driltra! 
Gi, was fagte wohl der Aetna, madie 
Solden Lärm an feinem Fuß Meffina? 


Du, Semlin, bift zänkiſch ſtets vor Allen, 
Immer baft zuerft Du angefangen. 

Glaubt Ihr denn, auf feinem Lauf durch Felſen 
Habe Nichts zu ſchaffen mein Bewäfler 

Zwiſchen feinen Ufern, als die Leichen 

Eurer Streiter zum Eurin zu ſchleppen? 


Golden Rauch verbreiten Sure Mörfer, 

Daß in meiner Lieblingegrotte dunkle 

Naht es wird, durchziſcht von grellen Bligen. 
Mir entzogen ift das Licht des Tages, 

Abends übervedt der Dualm aus ihren 
Schlünden mid mit Finfterniß; von meinem 
Lager ſuch' umfonft des Himmels Sterne 

Zu erfpähn ich dur) die grünen Wogen. 


Schweſtern, bofft Ihr Ruhm davon zu ernten, 
Denn Ihr Euch verwundet und zerichmettert? 

Eure Schlöffer werden Trümmerbaufen. 

Laßt die ſchwarzen Mauerlöcher Feuer 

Spei’n nicht länger, ſchweigt, ſonſt werd' ich ſelber, 
Ja, ich ſelber, Cuch die Bomben loͤſchen. 


Denn ich bin Danubius, der Große! 

Web Euch, wenn ih meine Macht Euch zeige. 
Gnade nur iſt's, daß ich bier Euch dulde. 
Denn id) meine Fluten wollt’ entfefleln, 


557 


Würden, Strand und Felder überſtroͤmend, 

Gie, Berglämmen gleih am Horizonte, 

Sich erheben, und Euch ſelbß ymd Eure 

Schweſtern zomig weg von Boden ſchwemmen.“ — 


Traun, fo fann man fpredhen, wenn man Antwort 
Gibt auf Bomben, Mörjer und Kanonen, 

Wenn man rauſchend pocht an Königspforten, 
Wenn man ift der Gott des Donauſtromes, 

Und, dem Hellefpont und dem ECurinus 
Gleich, auf feinen Wogen trägt Treimajter; 


Wenn man hundert fteingefügte Brüden 
Streift, und an vierhbundert Meilen wandert, 
Wenn man im VBorübergehen fechzig 

Flüfſſe an ſich reißt, fie raſch verfchlingend, 
Benn man Wellen jchlägt, wie Meereswogen, 
Wenn man fi wie eine Riefenfchlange 

Um die Erde rollt, und breit und prächtig 


Strömt vom Abendland zum Morgenlanve, 
Zuni, 1625. 


nn — 


538 


XXXVI. 
Craum. 


Lo giorno se n’andava, oe Paor bruno 
Toglieva gli animai che sono 'n terra 
Delle fatiche loro. Dante 


Hast mich allein! — Es ift bie fille Dämmerftunde, 

‚Wo Duft den Horizont umhüllt im Hintergrunde, 

"Die Zeit, wo purpurroth der Stern des Tages flieht, 

Und nur das gelbe Laub vergoldet noch die Wände 

Des Bergs, die Zeit, wo ſchon der Herbft ſich neigt zum Gnde 
Und Sonn’ und Regen wie mit Roft den Wald umziebt. 


Indeß am Fenſter bier mi Träume hold umflüftern, 
Und ſchon den Corridor die Schatten tief verbüftern, 
Mag eine Maurenftabt erfiehn, die glänzt und gleißt 
Im Grunde dort und fpielt in zauberhaften Farben, 
Die, der Rakete glei, ausſprühend Yeuergarben, 
Mit Thürmen, golden, fpis, das Nebelmeer zerreikt. 


Durchhauchen mag ihr Glanz mein Lied mit fanften euer, 
Wie fi der Himmel büllt im Herbft in lichte Schleier, 
Und Wohlllang leih’ er ihm und fühen Hauch und Talt, 
Und lange, wenn im Thal verftummt des Tages Stimmen, 
Mit Feenihlöfiern mag die Zauberftabt noch glimmen, 
Am blauen Horizont, mit Thürmen, goldgezadt. 

September, 1888. 





539 


XXXVI. 
Ehfaft. 


Und ich hörete eine große Stimme. 
Offenbarung Johannid. 


—— — } 


3a ging allein am Meer; am Himmel Sternenbelle, 
Kein Wöllhen um den Mond, kein Segel auf der Welle 
Weit überflog mein Blid die Schranken diefer Welt, 
Gebirg und Wald und Au, aufraufchend, fchien mit Jagen 
Um ein Seheimniß leis das tiefe Meer zu fragen 

Und das erbabne Sternenzelt. 


Tie goldnen Sterne, die zabllo3 am Himmel flammen, 
Tief mit dem Strablentranz fih bergend allzufammen, 
Mit taufend Stimmen, body und nieder, laut und leis, 
Die blauen Wellen all, die ſich am Ufer brechen, 
Tief mit dem Kamm von Schaum berabgebüdt, — fie Iprechen : 
— „E3 ift der Herr! Tem Herrn fei Preis!" 
Noven ber, 1828. 





XXXVIII. 
Ber Dichter on dm Kalifen. 


Und vor ſolcher Macht, die ibm gegeben war, furdhten 
und ſcheueten fi wor ihm alle Völker, Leute und Zungen. 
Er tödtete, wen er wollte, er ſchlug, wen ex wollte, er 
erhöhete, wen er wollte, er demüthigte, wen er wollte 

Dante. 


— | [< 
3 


© Sultan Nureddin, Kalif, ven Gott befhügt, 

Gewalt'ger Herrſcher, der. das Mittelreich befikt 
Vom gelben Fluß zum rothen Meere, 

Die Könige des Reihe, am Boden hingeftredt, 

Sie beugen fih vor Dir, und ihre Stirne deckt 
Den Weg zum Throne Deiner Ehre. 


Groß ift Dein Harem, ſchoͤn Dein Garten, frifh und grün, 
Die Augen Deiner Frau'n, wie Yadeln leuchtend, glühn 
Für Dich allein duch ihre Schleier. 
Wenn Dein Geftirn, o Herr, dem bangen Boll erglänzt, 
Dreibundert Söhne find der Hof, der Dich umkraͤnzt 
Und ftrablt, wie goldnes Sternenfeuer. 


Grün ift Dein Zurban mit des Reiherbuſches Zier; 
Lehnft Du am Fenſter, fiehit im Babe Du vor Dir, 
Die jeder Hülle fih entſchlagen, 
Die Frau'n von Madras, die wie Roſen glühn vor Luft, 
Aleppo’3 Töchter, die auf ihrer braunen Bruft 
Bon weißen Perlen Schnüre tragen. 


941 


Es ſcheint in Deiner Hand zu wachſen nod Dein Schwert, 
Das funkenſprũhend auf die Feinde niederfährt 
Und nie zerfpringt am Härtften Naden, 
Am Kampfgewitter, das fih ballt zum wilden Sturm, 
Wo Elephanten, die fi ftoßen, Thurm an Thurm, 
Die Pferde mit den Nüffeln yaden. 


Wie Feenzauber wirkt Dein Blid, wohin er ſchaut, 

Spridit Du, Kalif, dann klingt's, als ob ein Himmeldlaut 
Zur armen Erbe niederſchwebe; Ä 

Gott liebt Di, und er füllt den Goldpokal mit Wein 

Der Freude Dir, damit ein Tag dem andern rein 
Und voll Dein Leben lang ihn gebe. 


Doch oft, o Nureddin, fteigt ein Gedank empor, 
Ein finftrer, Dir, und mimmt der Hoheit, wie ein Ylor, 
Bon ihrem ſchimmerndhellen Etrable. 
So zeigt wohl oft der Mond beim bellften Sonnenlicht 
Am blauen Himmel, halb verftedt, fein Angeficht, 
Das nähtlihe, das leichenfahle. 
Olteber, 1828. 











— —— —— 


XXXIX. 
Banaberdi. 


Groß wie die Welt. 


Der Sranlen-Sultan, der hoch ragt vor allem Bolte, 
Um den ald Mantel wallt des Samums fhwarze Wolle, 
Der Bunaberpi fteigt den Rieſenberg binan, 

Ein Niefe felbft, von wo, die ihm zu Füßen liegen, 

Zwei halbe Welten er mit einem Blid durdfliegen, 

Mit einem Blide Meer und Land umfaflen kann. 


Er ftebt allein. Es ruht tief unten, weit ſich dehnend, 
Die graue Wüfte, rechts an jenen Berg fich lehnend, 
Aufwogt der Staub, daß er die Hand vor’3 Auge hält; 
Bu feiner Linten Shäumt das Meer, das Grüße fpenbet 
Und raufchend, leife bald, bald laut herauf ihm fenvet, 
Wie auf zu feinem Herrn der Hund vor Freude bellt. 


Der alte Kaifer, den der Staub, fein Aug' umwebend, 


Bald wedt, das Raufchen bald der See, um's Ohr ihm ſchwebend, 
Er träumt; und, — wie ein Dann fein Lieb im Traume ſieht, — 
Waͤhnt er, eb fel ein Heer, zahlles, im tiefen Grunde, 

Das all den Lärm und Staub erregt zu guter Stunde, 

Und ibm zu Ehren fort und fort vorüberzieht, 





543 


Gebet. 


D Bunaberdi, fhauft Du wieder hoch vom Rande 

Des Berges, ſchau au bin nad meinem Zelt im Sande, 

Dem weiben; denn id bin ein Araber, bin kühn 

Und frei und arm. Wenn ich zu meinem Schlachtroß fprede: 

Allah! — dann fliegt e8 bin durch die beftaubte Fläche, 

Im Kopf zwei Augen, die wie rothe Kohlen glühn. 
ovember, 1828, 


XL. 
Er. 


Ein Riefe war Id da und hundert Ellen hoch. 
. Buonayarte. 


Er immer! Ueberall nur Er! — Sein Bild, im Schimmer 
Des Südens, oder Talt, wie Eis, — ich ſeh' es immer, 
Sein Schöpferodem iſt's, der meine Seele weibt, 

Ich ftaune, wenn fein Bild in feiner Riefengröße 
Ericheint, es bebt mein Mund, der gerne fidh ergöße 

An Fenerworten, die fein Strahlenglanz mir leiht. 


Dort ſeh' ich ihn, wie er Gefüge zielend richtet, 
Für Königämörder wie er dort daS Bolt vernichtet, 
Wie Vollstribunen er, der Krieger, niederzivang, 
Wie einft dem Conſul brannt’ im jungen, beißen Birne 
Der Kaiſertraum, indeß ihm um bie bleihe Stirne 
Die Haare lagen, ſchwarz und lang. 


Als Kaifer ſeh' ich ihn, wie auf dem Hügel, jentend 
Das Haupt, er fteht, der Held, die Schlachtgewitter lenkend, 
Wie einen Stern er dem, der tapfer lämpft, verſpricht, 
Wie er dem Kanonier bedeutet, nicht zu fehlen, 
Wie feine Seele fort fehsbunderttaufend Seelen 
Zum Kampfe reißt, und bligt ihm aus dem Auge licht. 


545 


Dann eh’ ih ihn verböhnt, gebeugt von fhwerem Harme, 
Gefangen, wie er finnt, binbrütend kreuzt die Arme; | 
Bewaht von Schergen rings, wie im Berbrecherthurm, | 
Befiegt, die Table Stirn bevedt von Woltenitreifen, 
Läßt auf dem Yelfen, den der Sturm umjaust, er ſchweifen 

Des Geiftes rubelofen Sturm. 


Groß ift er, wenn des Held, gebroden und geknechtet, 
Mit feinen Schließern, mit den Britten trogig rechtet, 
Und feine Würde ftählt im Unglüd und bewährt, 
Wenn er mit feinem Tritt zwei Welten macht erzittern, 
Und auf Sanct-Helena im Käfig, hinter Gittern, 
Sm der Berbannung ftirbt, weil er der Luft enibehrt. 


Wie ift er groß, wenn ihm, bereit, vor Gott zu ftehen, 

Die Augen brechend ſchon vor Thränen übergeben, . 

Wenn ihn fein altes Heer im lehten Traum umrauſcht, 

Dem fern er fterben muß, allein und tief ſich grämend, 

Denn er zum Leichentuch den Kriegermantel nehmend 
Das Feldbett mit dem Sarg vertaufct. 


Sm Rom, wo des Senats Nachfolger das Conclave, - 
Auf Elba’3 Bergen, weiß von Schnee, voll ſchwarzer Lane, 
Dort im Alhambra, dort im Kreml, ſchwarz vom Brand, — 
Er überall! — Am Nil entved’ ich feine Spuren, 

Sein Jugendfeuer ftrahlt zurüd von Memphis’ Fluren, 

Sein Kaiferftern geht auf im lihten Morgenland, 


Begeiftert, feurig, ftolz, voll fühner Siegerlaunen, 

Macht er, ein Wunder felbft, das Land der Wunder ftaunen, 

Den jungen Emir ehrt der alte Sheikh, es fteht s 
3. Ouge’s fämmti. portifhe Merle. IL 38 


546 


Das Bolt beffürzt und ftumm, wo feine Reiter traben, 
Dem Orient erſcheint er leuchtend, hoch erhaben, 
Des Abendlandes Mahomet. 


Sein Rame Elingt bereits in ihren Feenmaͤhren, 

Der Beduin' ift ftolz, der dient’ in feinen Heeren, 

Sm Zelt des Arabers, — er ifl’8, von dem man fingt, 
Nah unfrer Trommel Ton marjhiren wilde, nadte, 
Schmwarzbraune Knaben fon in regelrechtem Talte, 
Laut wiehert auf dag Roß, wenn ibm fein Name Klingt. 


Oft mit dem Samum fährt er her und nimmt zum Sitze, 

Zum hoben Piedeftal die Pyramidenſpitze, 

Und überichaut das Meer von Staub und Sand und Stein, 

Sein -Schatten jagt empor aus ihrem Grab die Tobten, 

Daß, wie zur Rieſenſchlacht, fobald fen Mund geboten, 
Vierzig Jahrhunderte ſich reihn. 


„Steht!“ — ſpricht er, und fie ftehn und treten ibm entgegen, 
Die mit dem-Scepter, die umgürtet mit dem Degen, 
Bharannen, Magier, Satrapen, — all erftartt, 

Er zählt fie laut, die fanım, verfteinert vor ihm jagen, 

Sie feh'n des Niefen Etirn body über ihnen ragen, — 

Die Vorzeit macht den Hof dem Herrn. der Gegenwart. 


Was nur fein Fuß berührt, e8 wird zum Monumente; 

Durch Müften wandelt er im ftaub’gen Elemente, 

Bon jand’gen Wogen ift bevedt Aſſyriens Flur, 

Des Norbwinds Ylügel peitjcht den Sand, den aufgeregten, 

Der Wüfte drückt er auf die Züge, die bewegten, 
Des Riefenfußes einge Spur. 


547 


Sein Fuß verfnüpft die Höhn der Dichtung und Hiſtorie; 
Was immer Großes mir erſcheint, an ſeine Glorie, 

An ſeinen Namen ſtreift der Dichter jederzeit. 

Ja, wenn Dein Bild ich ſchau' und ſtaune oder grolle, 
Von heißen Lippen ſtroͤmt dann mein Geſang, der volle, 
Napoleon, — Sonne, die zum Memnon mich geweiht. 


Gott oder Teufel; — Er beherrſcht die Zeit, die neue, 

Und fliegt fein Adler auf, mitreißt er unfre Treue, 

Ihn ſchaut das Auge ſelbſt, das aus dem Weg ihm geht. 

Stets iſt's Napoleon, der Strahlen rings verſendend, 

Und Schatten werfend rings, erſchreckend oder blendend, 
An des Jahrhunderts Schwelle ſteht. 


So, wenn der Wandersmann, weit den Veſuv umkreiſend, 
Neapels Thor verläßt, nach Portici dann reiſend, 
Halbtraͤumend Iſchia erreicht, von Duft umwallt, 

Das ſuße Blumenbeet, umraufcht von Wellentönen, 
Hinſchmachtend, wie das Lied verliebter Haremsfhönen, 

Wie eine Stimme, die aus Roſenbuſchen fchallt ; 


Denn Bäftum er bejucht, die hohe Colonnade, 

Und hört in Puzzoli die beitre Serenade, 

Die Tarantilla fingt, den tömifhen Wall entlang, 

Und im Borübergehn aufwedt die Stadt ber Todten, 

Pompeii’s Mumienleib, der Ihimmert unterm Boden, 
Den der Bullan einft jäb verſchlang; 


548 


Denn er zum Baufilipp hinſchwebt auf leichter Barte, 
Und Taſſo und Birgil der Schiffer fingt, der farle: — 
Stets unter'm grünen Baum, auf Auen lichtbeſonnt, 
Zur See, auf hohem Cap, im gelben Dünenfand, 
Stets, überall erblidt, auf jedem Bunt am Strand 
‚Den jhwarzen Rieſen er, der raucht am Horizont. 
December , 1837. 





549 


XLI. 
Kovember. 


34 ſprach zu Ihm: Du weißk, bie Mofe des Wartens 
währef kurze Melle und die Roſenzeit if bald ae. 
sad. 


Br Tage kürzi der Herbit, es flieht die Sommerwonne, 
Kuͤhl iſt das Abendroth, und lalt die Morgenſonne; 
Wenn der November tobt und’ Rebel braut anp lämt, 
Und wenn es Blätter ſchneit, ſtumin jede Vogelkehle, 
Dann, holde Muſe, kehrſtdu ein bei meiner Seele, 

Bit ein erſtarrtes Kind, das ſich am Feuer wärme, 


Der duͤſtre Winter hier verdirbt Dir jede Wonne, 

Und büllt in kalte Nacht die morgenländiſche Sonne, 

Dein Traum vom Orient, jo ſchön, tft weggehaucht, 

Nichts fieht Dein Auge mehr, als lärmend wüfte Gaſſen, 
Ums Fenfter Reif und Rauch, gleich fchweren Nebelmaffen, 
Der um die Dächer fchwebt und fie in Schwärze taucht. 


Da fliehn in bunten Schwarm Sultane und Gultanen, 
Balmbäume, goldnes Horn, und Dſchonken, grüne Fahnen, 
Der Tiger, das Kameel, das.jede Diftel labt, 

Die Bajaderen, die im Tanz ſich drehn, die Schaaren 
. Der Dſchinn's, die Araber auf hoben Dromedaren, 

Und die Giraffe, die ungleihen Laufes trabt. 


550 


Der weiße Elephant, der trägt lihibraune Frauen, 

Moſchee'n, goldglänzend, brauf der Halbmond ift zu ſchauen, 
Baalspriefter, Magier, Iman's, — das Alles flieht; 
Verſchwunden Minaret, Serail und Blumenbeete, 

Auch kein Gomorrha mehr, das Feuer überjäte, 

Das Babels ſchwarze Stimm mit rothem Schein umzieht. 


Baris — und Winter iſt's! — Du wirft umſonſt befhwören 
Die Dvalisten, Bey’s, Paſcha's, die Dich nicht hören, 

Dem Klepbten ift Paris, die große, eng und Hein, 
Austräte bier der RU; Bengalen's Roſen frören 

Auf diefen Ann, wo wir nit Eine Grille.hören, ., 
Die Beri’z —* bei dieſem Sonnenſchein. 


Ich ſehe Dich vor mir, verſchämt, halbnackt erſcheinen, 
Um Deinen Orient ſeh' ich Dich, Muſe, weinen. 

„Freund, rufſt Du, bafDu denn Im jungen Herzen nicht 
Ein Lied für.mih? — Ich kann das Leben bier nicht tragen, 
Ans weiße Fenfter hör’ ich ſtets den Regen ſchlagen, 
Sch, deren Scheiben glühn daheim in goldnem Licht.“ 


Dann nimmft Du meine Hand in Deine lichten Hände, 
Dir fiten, fern der Welt, und ich erzähl’ ohn’ Enve 
Bon meiner Jugend Dir, von heitrem Zeitvertreib, 
Wie in der Schule wir gefpielt, o füße Stunden, 
Wie ih durch Schwüre mir ein holdes Kind verbunden, 
— Beglüdte Mutter jeht und eines Andern Weib; - 

® 


Wie wir im Klofterhof der Seuillantiner liefen, 
Wie mid Zehnjähr'gen' heim die Silberglödchen riefen, 
Wie jung und wild im Frein id manden Tag verbradt, 





551 


Wie meine Augen oft hervor aus Schluchten 
Durch Dämmerung und Nacht des Mondes Augen ſuchten, 
Der offnen Blume gleich, die trinkt den Thau der Nacht. 


Dann ſiehſt Du meinen Fuß die Schaukel kühn beſteigen, 
Und der Kaftanienbaum erbebt in alleri Zweigen, 

Wenn fie — der Mutter Schred! — raſch hin und wieder fliegt, 
Bon meinen Freunden dang in Spanien red’ ich ſchließlich, 
Und von Madrid, und wie die Schul’ und war verdrießlich, 
Und wie wir Buben um den Kaiſer uns befriegt. 


Bon meinem Vater dann erzähl’ ih Dir, der Blüthe 
Der fünfzebnjähr'gen Maid, die, ah fo früh verglühte, 
Die erfte Lieb’ if’, die vor Allem hold Dir tönt, 

Der golone Schmetterling, dem, wer ihn wagt zu greifen, 
Den Blüthenftaub nur fann von feinen Flägeln ftreifen, 


Der unſre Tage, meh, nur Einen Tag verfhönt. 
NRevember, 1828. 


— — ——— 


Noten. 


Die. Drientalen - 


— re 


Die Köpfe des Serail. 


L. 
Seite 429, 
Sa, Kanartis, das iſt's! — Schau her nach meinem Haupte, 
Das aud dem Earg zum Fer die Wuth ber Türken raubte. 

Das Grab von Markos Bozzaris, dem Leonidas 
des modernen Griehenlands, befand fih in Miffolungbi, 
Man fagt, die Türken hätten es geöffnet, um ben Schädel des 
Helden dem Sultan zu ſchiden. 

- Mebrigend wird das Grab durch eine franzöfiihe Hand 
teftaurirt werden. Wir haben im Atelier unſeres großen Bild⸗ 
bauers eine Statue von weißen Marmor gejeben, die für das 
Manjoleum des Narkos Bozzaris beftimmt iſt. Es if 
ein junges Mädchen, halb liegend auf dem Grabftein, die mit 
dem Finger die große Inſchrift entziffert: BOZZARIS. Man 
kann kaum etwas Schöneres jeben, als vieles Bild. Es if 
großartig wie Bhidias und Fleiih wie Puget. Wie mehrere 
andere berporragende Männer der Zeit, Maler, Muſiker, Dichter, 
fo ftebt auch David an der Spige einer Revolution in feiner 
Kunſt. Das Werk gebt allfeitig feiner Vollendung entgegen. 





556 


II. 


Seite 430, 

Der Sohn des Hochgebirgs, der unſres Beolled Stohnen 
Bernommen, Maper, ber bed Xhrafpbules Göhnen | 
Gebracht den Pfeil des Wilhelm Zeil | 


Ein Freiwilliger aus der Schweiz, Redakteur der „Selle 
nifhen Chronik,“ geftorben in Miſſolunghi. 
I. 
Seite 43]. - 
Sofend, ber Biſchof, grüßt Eudy, meine lichen Brüder. 
Joſeph, Biſchof von Rogus ‚ geitorben nNiffolungbi 
wie ein Briefter und wie ein Srieger. 


Des vpaſga⸗ Schmerz. 


— Ste 450. 
And Hat man ihm, indeß er ruhen wollt’ unb r 
Den Engel Azrasl am Höllenthor gezeigt ? 
Azrasl, der türkifche Todesengel. 


Die Gefangne. 
Seite 455. 


Den Sodom fern, bem neuen. 

Man vergleiche die „Memoiren des Ibrahim Manzur 
Effendie über das doppelte Serail Ali Paſchate. Es if 
dies eine türlife Sitte. 

Mondidein, 
VL 
Eeite 458, 
Ein Tuft'ger Diiuw vielleicht, der wirft Des Thurmes Hinnen 
Mit gellendem Geziſch hinunter in bie Bee, 

Djinn, Genius, Nachtgeiſt. Man vergleiche „vie Djinns“ 

in diefer Sammlung. 


557 


Der Derwiſch. 
vo. 


. Seite 466 
Unb eine Eiſenſchlinge ſaßt 
Dich unterm Baum Segjin's, und weiblich wird Dich auälen 
Die fiebte Hölle, dort, wo die verdammten Geelen 
Sid Duden bang auf ſchwarzem MR. 


Gegiin, der fiebente Kreis der türfifhen Hölle. Alles 
Vicht ift dort durch den Schatten eines ungeheuern Baumes 
fern gehalten. 

Türkifger MNarſch. 
vm. 
Seite 472. 


Das iR, Comparadji, Spahi, Fimariot, 
Der wahre, gläubige Soldat ! 


Comparadji's, Bombardiere, Spahi’s, Reiter, die eine 
Urt Lehensmänner find, und für das Lehen dem Sultan eine 
gewiffe Anzahl Jahre Kriegsdienfte thun müflen; Timarioten, 
Rekruten zu Pferd, ohne Uniform und Disciplin, die nur in 
Kriegszeiten dienen. 

Die verlorne Schlacht. 
IX. 
Seite 473. 

Die Idee dieſes Gedichts gab mir eine herrliche Ipanifche 
Romanze: „Rodrigo en el campo de batalla,“ die wir bier in 
der wörtlihen Ueberſetzung mittheilen, welche der Bruder bed 
Berfaſſers diefer Sammlung, Abel Hugo, im Jahre 1821 
in einem Auszug aus dem Romanzero general veröffentlicht bat, 

Rodrigo auf dem Schlachtfeld. 

Es war der achte Tag der Schlacht; Rodrigos Heer 
floh entmuthigt vor den fiegreihen Feinden. 

Rodrigo verläßt fein Lager, und tritt allein, ohne Be⸗ 
gleiter, aus feinem koͤniglichen Zelte, ' 


- 


558 


Sein Roß war müb und fonnte kaum mehr geben. GE 
wanlt dahin in der Irre und fümmert fi nicht um den Weg. 

Haft ohnmächtig vor Ermattung, von Hunger und Durft 
verzehrt, zog der unglüdlide König dahin, mit Blut bevedit, 
alfo, daß er davon roth wie eine glühbende Kohle fchien. 

Seine Waffen find ftumpf von den Steinen, die fie trafen ; 
die Schneide feines Schwert3 ift gezadt wie eine Säge; ſein 
zerihlagner Helm drüdt jchmerzlich fein gefhwollnes Haupt. 

Er fteigt auf den höchſten Hügel, und fieht von da fein 
Heer verjprengt und vernichtet, feine Fahnen in den Staub 
getreten, weit und breit zeigt fich kein Yührer; die Erbe iſt be» 
dedt mit Blut, das in Strömen dahinfließt. Er weint und ſpricht: 

„Geftern war ich König von gang Spanien, heute ift nicht 
Eine Stadt mehr mein. Geftern Hatte ih Städte und Schäffer, 
Heute habe ich Leine mehr. Geftern Hatte ich Hoflente und Diener, 
Geute bin ich allein, keinen Thurm mit Schießfcharten befiß” ich 
mehr. Berfiucht die Stunde, verfludht der Tag, an dem ih ge 
boren bin, an dem ich dieſes große Reich erbte, das ih in Einem 
Tag verlieren follte 1“ 

Man wird übrigens bemerfen, daß das, was der Berfaffer 
diefer Sammlung, — ohne Zweifel unberechtigterweife, — ent⸗ 
lehnt bat, ſich auf einige Einzelnbeiten beſchränkt, die in ver 
folgenden Strophe wiedergegeben find: 

„Ih Hatte Schloß und Stadt, Bazar’d mit reichen Buben, 
Griechinnen, — tauſendweis verkauft’ ich fie den Juden, 
Nie war mein Arfenal und nie mein Harem leer, 

Und heute muß ich fliehn, geplünbert und vertrieben, 
Beflegt! — Bon meinem Reich, ah, Nichts ift mir geblichen, 
Allah! Nicht Einen Thurm, nit Einen hab’ ih mehr,“ 

Bon Emil Deschamps, von dem das Motto zu diefem Ge⸗ 
dicht herrübtt,, Haben wir eine jhöne Bearbeitung diefer Romanze. 


559 


Tas Kind. 
. X, 
Eeite 479. 
Die Frucht des Tubabaums, ded rieflgen , ber weit 
Den Schatten breitet, daß ein Pferd ihn faum in Zeit 
Bon hundert Jahren könnt’ umfpringen. 
Meber den Tubabaum, wie über den Baum Sedjin ſehe 
man den Koran nah. Das Paradies der Türken bat feinen 
Baum, wie ihre Hölle 


Nurmahat die noeihe. 


Seite 499. 

Nurmabhal, ein arabifhes Wort, das bedeutet: „Licht 
des Haufes." Man darf nicht vergefien, daß rotbe Haare bei 
einigen orientaliihen Völkern eine Schönheit find. 

Obwohl diejes Gedicht aus feinem orientalifhen Tert ge» 
fhöpft ift, fo glauben wir doch, es fei am Drt, bier einige 
noch ganz unbelannte Bruchſtücke von orientaliihen Dichtern 
einzufhalten, die und in bobem Grad beachtenswerth und 
merkwürdig ericheinen. Die Belanntihaft mit diefen Frag⸗ 
menten gewöhnt den Lefer vielleiht an das Seltfame, das 
einige der Gedichte diefer Sammlung enthalten mögen. Die 
Mittbeilung diefer hier zum erſtenmal veröffentlichten Bruch⸗ 
ſtücke verdanken wir einem jungen, gelebrten und phantafie- 
reihen Schriftſteller, Ernft Fouinet, der feine orientaliſche 
Gelehrſamkeit jeinem Dichtertalent zur Verfügung ftellen Tann. 
Wir folgen genau feiner Webertragung, fie ift wörtlih, und 
daher, unjeres Erachtens, ausgezeichnet. 











560 


Das Rameıl. 

Das Kameel fchreitet dahin im Sande von Thamer. 

Es ift feft wie die Bretter eines Sarges, und wenn ich es 
auf gebahntem Pfad vorwärts treibe, wie ein geftreifter Mantel. 

Es überholt die Schnellften, und fein Hinterfuß jagt den 
Vorderfuß raſch vor fih ber. 

Es gehorcht der Stimme feines Treiber3 und mit feinem 
. dichten Schweife ftößt es die gewalttbätigen Lieblofungen des 
Kameelbengftes mit der rothen Bruft zurüd; 

Mit einem Schweife, der dem Flügelpaar eines Ablers 
gleiht> als hätte man es mit einem Pfriem an den Knochen 
befeftigt; 

Mit einem Schweife, der bald den Wanderer ſchlaͤgt, bald 
ein troden berabhängendes, wie ein Schlauch gerunzeltes Cuter. 

Seine Schenkel ſind von feſtem, hartem Fleiſch und gleichen 
den hohen Thoren eines feſten Sclofies. 

Seine Rückenwirbel ſind biegſam; ſeine Hüften ſind wie 
ſtarke Bogen. 

Seine gebogenen Beine gehen auseinander, wenn es läuft, 
wie die beiden Gimer, die ein Mann vom Brunnen nad) feinem 
Belt trägt. 

Die Spuren der Etride an feinen Seiten gleichen ausge 
teodneten Teihen voll Kiejellteinen, die über den trodenen 
Boden auzgeftreut find. 

Sein Schaͤdel ift hart wie ein Ambos; wer ihn berührt, 
glaubt eine Seile zu berühren. 

Seine Wange ift weiß wie Papier von Damascus, feine 
ſchwaͤrzlichen Lippen wie Riemenleder von Pemen, das nie 
runzelt. 

Endlich gleicht es einer Waſſerleitung, die ein griechiſcher 
Baumeiſter oben mit Ziegeln gebedt bat. 





" 661 


Diefes Brudftüd ift aus dem Moallalat des Tarafe, 

Bor der Zeit des Islam hatten die arabiſchen Dichter 
alle fieben Jahre einen Wettkampf auf einem berühmten Matte, 
der an einem Ort, Difadb genannt, abgehalten wurde. Das 
Kafjideh (Lieb), das für das befte erfannt wurde, hatte die 
Ehre, an den Mauern des Tempels zu Mekka aufgehängt zu 
werden. Sieben der in diefer Weile gekroͤnten Tichtungen find ° 
uns noch erhalten. Moallakat beißt: aufgehängt. 


Die Stute, 


Die Stute, die im Kampfgewühl mid danonträgt, bat 
lange Fuͤße, lange, weiße Mähnenbaare, die fi über ihre Stirne 
breiten. | 

Ihr Huf if wie der Napf, aus dem man einem Kinde zu 
efien gibt. Und innen ift dichtes, feites Fleiſch. 

Tadellos find feine Ferien, jo fein find feine Flechſen. 

Ihr Kreuz ift wie der Stein im Strom, den des reißenden 
Waſſers Rollen geglättet bat. * 

Ihr Schweif ift wie das jchleppende Gewand der Gattin... 

"Schaut man ihre ſchlanken Hüften, fo glaubt man einen 
liegenden Lespard zu feben. 

She Hals iſt wie unter den Palmen eine hervorragende 
Balme, an die ein verheerender Feind Feuer gelegt hat. *** 

Die Mähnenhaare, die um Die Seiten ihres Kopfes flats 

* Der Dichter Hat diefe Stelle im Lebewohl der arabiſchen Wirthin⸗ 
wiedergegeben: 
„Um Boden ſchartt fein Huf, fein Kreuz iR glänzend fein, 
Rund, wie der ſchwarze Feld, den glatt geipült und rein 
Die Flut der Brandung, ihn umſchäumend.“ 
*° Bier Recht etwad fo völlig Vrimitive, das man bödkens Taten 
wiedergeben könnte. 
e»Ihr Hals dampft. 


8. Huge's ſammtl. poetifche Werke. IL, 36 


x 





. 562 


tern, find wie bie Loden der Yrauen, bie an einem winbigen 
Tage auf ihren Stuten durch die Wüfte reiten. 

Ihre Stirn ift wie der Rücken eines Scilves, ven eime 
geihidte Hand gefertigt hat. - 

Beim Anblid ihrer Nüftern denkt man an eine Höhle voll 

Spänen und reißender Thiere, fo gewaltig ſchnauben fie. 

" Ihre Hufbaare find wie die Federn bes ſchwarzen Adlers 
weldhe die Farben wechſeln, wenn fie fi fträuben. 

Siehft Tu fie auf Dich zulommen, fo fagit Du: Es iſt 
eine grüne Heufchrede, die aus dem Teiche ſpringt. 

Eilt fie weg von Dir, jo würdeſt Du fpreden: Das ift 
ein ſtarker Dreifuß, der feinen Spalt bat.* 

Siehſt Du fie von der Seite, dann rufft Du: es if eine 
Heufgrede, die einen Schweif hat und ihn hintenaus ftredt. 

Falle die Peitihe auf ihren Rüden, fo klatſcht fie, wie 
Hagellörner. 

Sie läuft wie eine Hindin, Die der Jäger verfolgt. 

Sie maht Sprünge wie die Wollen, die über ein Thal 
binjagen, ohne es zu befeuchten, und bie eilen, ſich über ein 
anderes auszufdrlitten. 


„Mögen Leer von Geift die Aräfte ihrer Phantafie an 
biefem Bilde üben!” — xuft bei Gelegenheit dieſer Schönen, 
ſeltſamen Stelle der gute: deutihe Reiſske aus, der fo ent» 
ſchieden „das genligjame Kameel des Tarafa dem Flügelrofie 
Pegaſus vorzog.” " 

Warhtreife dur die Wüſte. 

Ich tauche mich in die Windungen der Schluchten, in bie eins 

jamen, öden Derter, wo die Djinns und die Vampyre pfeifen. 


* Das erklärt id aus den Bitten ber Wuſte: man Reilt dort sum Kochen 
einen Dreifuß auf. . 





563 


In einer dunleln Naht, überfchättet mit Finſterniß, wan- 
derte ih, und meine Gefährten ſchwankten, vom Schlummer 
überwältigt, vor mir wie Zweige. 

Es war eine Duntelheit, wült und ſchaurig wie das Meer, 
der Führer verirrte ſich in ihrem Schooße, und fie hallte wieder 
vom Kraͤchzen der Eule und erfchroden fieht der Wanderer ſich 
verloren. 


Tagreiſe. 
Man hörte ven Wind in der Tiefe der Schluchten wimmern. 
Und mir wanderten um die Mittagftunde und entgegen 
kamen und beiße, verpeftete Winde, die die Fibern bes Hirns 
durcheinander zerren. 
Mein Kameel war ſchnell wie der Katha,“ ver durch die 
Wüſte fliegt; 
Der dort nad) Waffer ſucht, und auf eine Quelle fich herab» 
ſtũrzt, 
Der noch Niemand nahe gekommen, ſo undurchdringlich iſt 
die Oede, die ſie rings umlagert. 
Und ich tauche in die ftaubige Ebene, deren bewegter Sand 
einem faltigen Gewande gleicht. * 
Ich tauche in den Abgtund voll Dünften, wo-die Mark⸗ 
fteine ** Fiſchern gleichen, Die am Meeresufer auf Klippen fihen. 


* Ein Wuſtenvogel, deſſen Inſtinkt ihn gu allen Waſſerquellen leitet. 
** Diefeb Schöne, malerifche Bild bat der Dichter in folgender Strophe 
des Mazeppa verwerthet: 
„Und wenn der Arme, dem die GSlieder faſt zerſchellen, 
Sich rührt, danır ſcheint das Thier fih wild emporzuſchnellen, 
Das jäher Schred ergreift; 
Und durch der Wuſte Sand hinjagt es ungehalten, 
Die weit wor ihm fich dehnt mit ihren flaub’gen Falten, 
Gleich einem Wantel bunt gefzeift.“ 
” Die Begwelier. 





564 


Mein Aameel Tief, wo tein Weg war, wo leines Menichen 
Wohnung war. 

Und es wühlte den Staub auf; es jagte dahin wie ein 
Pfeil, wenn er vom Bogen fliegt, der ihn in bie Ferne jhnellt.* 


Dieſe beiven Gemälde find von Omajah ben Ajezd, 
dem Dichter des poetiihen Stamm der Hubeiliten, ver 
weitlih von Delta wohnt. 

Das folgende, Fragment iſt noch älter, und zeichnet fidh 
aus dur feine Tiefe und ſchwermüthige Stimmung. Seine 
Schoͤnheit ift eine andere, als die des Hiob und des Homer, 
aber es ift eben fo ſchön. 


—— rn 


WVom hoben Berge hat das Schidſal mid nieberfteigen 
lafien in ein tiefes Thal; 

Das Glück hatte feine Reichthümer verſchwenderiſch über 
mid ausgefhüttet und mich body erhoben; nun bab’ ich fein 
anderes But mehr ald meine Ehre. . 

Heut läßt das Geſchick mich weinen; wie oft bat es mich 
laͤcheln gemacht!. 

Hätte ich keine Töchter, ſchwach und zart, wie der Flaum 
des jungen Kathas; | 

Wahrlich, ich wollte lieber kreuz und quer auf der Erde 
Derumgewirbelt werben. 

Aber unfere Kinder find wie unjere Eingeweide, wir koͤnnen 
nicht leben ohne fie. 

Meine Kinder! Wenn der Wind Eines von ihnen anwebte, 
meine Augen in meinem Haupte würden erftarren, 


— - .- — 


565 


Die Stämme ſtoßen auf einander. 

Sie flürzten ſich mit wilder Gewalt auf den Stamm und 
warfen die Vorhut auseinander, wie eine Heerde wilder Eſel; 
aber fie ftießen auf eine Hagelwolte.* 

Die Lanzen tauchten fih ins Blut und verurfachten einen 
feuchten Klang, wie Regen, ver auf Regen platſcht,“* bie 
Schwerter, die auf einander ſchlugen, machten einen trodenen 
Ton, wie wenn man Holz fpaltet. Die Bogen pfiffen und 
fausten durcheinander, wie der Sübwind, ber über gefrornes 
Mailer ftreift. 

Es war, als ſtünden die Kämpfer unter einer Sommers 
wolle, die ſich Härt, indem fie ihren Regen ausjchüttet, wäh. 
rend burd Heine, zerrifiene Woͤllchen Blige zuden. 


Das folgende Brudftüd von Rabiah ben al Kuden 
scheint und bemerkenswerth durd die lyriſche Unorbnung der 
Gedanken. Es ift wunberlih, zu feben, wie bie Bilder eines 
nad) dem andern im Gehirn des Tichterd auftauchen, und unter 
dem Zelt des Araber Pindar wieder zu finden. 


„Bin ich denn jeden Abend verdammt, von dem Schatten 
ver Chemnma verfolgt zu werden? Sie hat ferne von mir ihre 
Wohnung genommen: und doch wäre fie es, die den Schlaf 
mir raubt? 

* Der Dichter beichräntt Ach in biefem Fall nicht Darauf zu fagen: 
„eine Wolle“ , eine Wolte if etıwad Wehlthuendes für den Araber. Er nenns 
eine Hegelwolte, etwas, das weh that. 

” Die franzöfifihe Syrache hat kein Wort, um bad Beräufch audzue 
vrüden, welches das Waſſer macht, das auf Waſſer fait. Die Enaländer 
yaben ein vollkommen entiprehenves Wort: splash. Das arabifche Wort if 
ebene suomatopertiih: ghachghuchä, 





566 


In der Stunde der Nacht ſeh' ich ihr zur Seite nad der 
Gegend von Rian hin einen zitternden, zuckenden Blig auffahren. 

Ich wade, um ihn zu betrachten; er ift wie die Lanwe 
des Feindes, die in einer wohlverſchloſſenen, unzugänglihen 
Feitung brennt. 

D Mutter des Dmar! Ein Thurm iſt's, an dem der elende 
Feigling erfhroden hinauf fieht ; ihr Haupt erhebt fi wie eine 
ſcharfe Spitze. 

Kleine weiße Wolkchen ſchweben um ihren Gipfel; fie find 
wie die Floden der Wolle, die ein Weber ziebt. 

Ich bin hinaufgeftiegen, die Sterne, in einander geflodhten, 
wie ein Netz, berührten ihn ; ich hab’ ihn erreicht, noch eh’ das 
volle Morgenroth erfhien. 

Die Sterne, gegen Welten ziebend, waren, wie bie weißen, 
wilden Kühe, die vom Ufer des Teihes wegrennen, an dem fie 
ſich getränft. 

Ih batte einen gelben Bogen, den gerne meine Hand ber 
rührte; aber ih allein hatt’ ihn gefaßt; wie eine keuſche Frau, 
war er von Niemand berührt worden, als won mir allein. 

Und über meine Waffe dedt’ ic mein Gewand, das ihn 
die ganze Nacht vor'm Regen fchirmte, der Durch die Lüfte riefelte. 

Der Weg, der zum Schloffe führt, ift glatt, wie die Stirm 
einer Battin, und feine Länge merkt’ ich nick. 

Die Reiben von Steinen, die ed umgeben, find wie bie 
beiden Knochen, die an jeder Seite des Kopfes fi) erhöhen.” * 


Die Auszüge aus dem Hamafa, die num folgen, find 
in Frankreich wenigſtens bis jegt unbelannt; in Deutſchlaud 
wird eben eine Ausgabe diefer großen Sammlung mit [atei- 
nifher Ueberjegung veranftaltet. , 

° Die Säläfe. 


567 


Rotri ben al Fedjat el Mazeni ſpricht: 


Am Tage des Kampfs hat Steiner von Euch durch all vie 
vielen Gefahren des Todes fih zurüdichreden laſſen. 

Es jhien, ala wär’ id das Ziel* der Lanzen, fo vjele dran⸗ 
gen auf mid ein, von der Rechten und von vorn, 

So roth überftrömte mein Blut, das floß, und das Blut, 
das ich vergoß, meinen Sattel und daB Gebiß meines Pferdes, 

Und ih kam zurüd; ih hatte geſchlagen; denn ich bin wie 
ein zmweijähriged Fohlen, das ausgewachlen ift; ich bin wie ein 
fünfjähriges Pferd, das alle feine Zähne hat. 


Chemidher el Aslami, aus der Zeit bes Islam, fpricht: 
(Nachdem er den Meuchelmörder feines Bruders erfchlagen hat.) 


Kinder meines Obeims, fprecht mir nicht mehr won Poeſie, 
ihr babt fie begraben in der Wülte Ghomeir.* 

Wir find nicht, wie ihr, die ihr geräufchlos angreift; wir 
bieten der Gewalt die Stirn und mir richten ald Kadi's. 

Aber unfere Richterfprüche gegen euch find Die Schwerter, 
und wir find zufrieden, wenn die Schwerter es find, +** 

Es war mir ſchmerzlich, den Krieg ſich ausbreiten zu ſehen 
zwifchen ung und euch, Kinder meines Oheims! Doch ift bie 
Sache ganz natürlid, 

° Der Ring, nachdem zu zielen man ih übt. 


»Ihr feld geflohen, ihr habt euch entehrt; ober: ihr habt Die Bere, 
die Quelle all eure Nuhmo, begraben. 


*.. Wenn die Schwerter burch's Hauen ſchartig geworben find,” — 
jagt ver Gemmrntater, — was hat ein Gommentator zu jagen? 


— — ae — 


508 


Meddak ben Tſomeil el Mazeni, zur Zeit des Selam, ſpricht: 

(Der Stamm Mayen, dem der Dichter angehörte, befaß in 
der Nühe von Barrah einen Brunnen, Safuan genamt. Die 
Benu Sheiban machten ihm denfelben fireitig; dies ber Gegen» 
fland des Gedichts.) 

Nur fahte, Benu Sheiban, diejenigen unter euch, die 
ung bebroben, werden morgen beim Safuan einer tüdhtigen 
Reiterſchaar begegnen; 

Auserlefenen Pferden, die beim Lärm der Schlacht nicht chen 
werden, wenn ber Kampf fich auf den engften Raum zufammen- 
drängt; 

Und Männern, unerfhroden im Gefecht; rafch ftürzen fie 
fih in den Kampf, und Zeder von ihnen trägt ein Schwert von 
Nemen mit zwei ſcharfgeſchliffenen Schneiden. 

Sie prangen in ihrem Harniſch, und ſchlagen Wunden 
jeder Gattung. 

Ihr werdet mit ihnen zuſammenſtoßen, und ihr werdet 
Männer finden, ausdauernd auch im Unglück. 

Ruft man fie zu Hülſe, — fie find immer bei der Hand, 
und frggen nicht, für welchen Krieg oder welches Land. 


Salma ben Zezid al Djofi, auf den Tob eines Bruders. 

Ich rede zu meiner Seele in der Einjamleit und jchelte 
fie: — Iſt das Standhaftigfeit und Stärle ? 

Weißſt Du nicht, daß ich, feit ich Iebe, diefem Bruder nicht 
begegnet bin, als eben in dem Augenblid, wo das Grab fih 
zwiichen ihm und mir geöfjnet bat? 

Ih war, wie der Tod, bei diefer Trennung in der Rad, 
und melde Trennung iſt wie die, die erft am Tage des Gerichts 
ein Ende nimmt! 





569 


Bas meinen Schmerz bejänftigte, war der Gedanke, daß 
ich ihm eines Tages folgen werde, fo füß auch das Leben jein 
mag. 

Er war ein junger, ſtarler Mann, der im Kampf feinem 
Schwert alle ſchuldige Ehre erwies. 

Wenn er reich war, ging er zu feinem Freund; er hielt 
ch fern von ihm, wenn er arm war, 


Brudjfüce. 
Gott übe Barmherzigkeit an Modret am Tage des Ge— 
richte und der Berfammlung der Dlärtyrer.* 
Der gute Modrek, er betrachtete feinen Reifegefährten 
wie feinen Nachbar, auch wenn jein Reifeproviant im Sad hin 
und ber Tollerte. Unbelannter Berfaifer. 


— m 


Rita, die Tochter Aſem's, ſpricht: 

Ich ftand ftille vor den Belten meines Stammes, und bei 
dem Schmerz und den Seufzern der weinenden Frauen traten 
mir die Thränen in die Augen. 

Die die Schwerter des Hind eilten fie, fi im Top auf 
dem Schlachtfeld zu tränten. 

Diefe Reiter waren die Wächter wor dem Zelte des Todes, 
und ihre Lanzen kreuzten fi wie die Zweige eines Waldes. 





, Abd-cehn-al-&ebib fpricht: 
Der Friede Gottes fei mit Keis-ben-Ajem und feine 
Gnade! 
Der Tod des Kels war nicht der Tod Eines Mannes, 
fondern der Einſturz eines ganzen Volksgebäudes. 
° Des Itlam. 


— — — — 


i 





570 


Die vier letzten Bruchſtücke find dem zweiten Theil des 
Hamafa entnommen, der den Titel hat: „Zobtengefänge.” 
Die jetzt folgenden Stüde find aus dem Divan dei Stammes 


der Hodeil. 


Zaabata Eherran (einer der Helden der Wüfte) und 
zwei feiner Gefährten fließen auf Barit: diefer begab fidh weg 
von ihnen, ftieg auf einen Feld und fchleuderte von ba feine 
Pfeile herab. — Ob, rief er, Einer von euch wird zuerft tobt 
fein, der Zweite wird ihm folgen, den Dritten aber, den 
will ic fohütteln, wie der Wind den Staub berumjagt. Ind 
Barik machte darauf folgende Verſe: 

Es war im Lande des Thabit,* und feine beiden Ge 
fährten folgten ihm. 

Er ermutbigte feine Kameraden, und ich ſprach: — Sachte! 
Der Tod lommt zu dem, der zu ihm kommt. 

Und ic zeigte meinen Köcher, in weldem lange Pfeile 
fiaden, und ihre Spigen leudhteten wie Yeuer. 

— Einer von Euch wird durch mich bed Todes fein; bem 
Feigiten von Euch Dreien ſchenke ich das Leben, um Cuern 
Tod zu melden!... 

‚ Der Zweite wirb dem Erften folgen; was aber den Dritten 
und mid betrifft, fo werden wir's machen, wie eine Staub⸗ 
wolle! ... 

Thabit ſah an ven Hügel, der ihn überragte, und machte 
fih auf den Weg, ihn zu eriteigen. 

Er ſprach: Das gilt Ihm und Euch Beiden! — Ich hab’ 
es mit dem Tode aufgenommen, zulegt hab’ ich ihn liegen laſſen 
mit abgefdhnittener Sehne! 

Name de Taabata ECherran. 





571 


Das Ende des Gedichts ift etwas dunkel; es ift Dies ein 
Mangel aller hoben Poeſie, zumal aller fpeciellen und ur 
forängliehen Poefie. 


Brudftäne. 

Tu baft Leila in Reimen gelobt, die durch ihre Verket⸗ 
tung an geftreifte Stoffe aus Yemen erinnern... 

Bleiben die felten, ſchweren Schafſchwänze mit faurer 
Milch gegefien der ſüßen, rahmreihen Mil der Kameele, die 
füße Kräuter freſſen, mit dem ledern Höder de Dromebars 
verjpeist?... . 

Iſt der Duft des Wacholder und des herben Scheth * 
dem Dufte gleich der milden Veilchen (Khosama) oder dem 
friſchen Wohlgeruch der Levloge?... 

Man könnte fagen: Du kennſt kein anderes Weib, als 
Dmm Nafi. j 

Man könnte jagen: Du fiehft leinen andern Schatten, 
defien Kühle die Menſchen erſehnen könnten, als ihren Schatten, 
und feine Schönheit außer ihr... 

Hat Dmm Naufel uns aufgewedt, um in der Nacht 
abzureifen? Glück und Heil auf den Weg dem nädtlihen Wan- 
derer, der feine Schritte befchleunigt ! 

Eie hat und gewedt, wie in der fandigen Wüſte Alidj 
Dmaya bie Leute vom Stamm Madidel aus dem Schlaf 
aufgeftört hat. 

Die beiden Frauen breden auf in ber Naht, aus Furcht, 
Die ermübdeten Kameele könnten fie in dem Getümmel im Stiche 
laſſen. 

Ich habe geſehen und geſehen haben auch meine Gefährten 
das Feuer des Ued dan auf einer Anhöhe. Eb war ein gutes 
Feuer, ein praͤchtig flammendes Feuer. 

° Ein Kraut, das zum Gerben dient. 


672 


Wenn das Feuer im Nebel erftidt zu erlöfchen droht, plög- 
lich ſieht man es wieder auffladern in einem Kranz von Flammen. 

Sch ſprach zu meinen Gefährten: Folget mir! Und fie Riegen 
von ihren behenden, ſchlanken Rofien. 

Wir rafteten eine kurze Weile, wie der Katba, und bie 
raſchen Kameele mit außgefpreizten Beinen trugen und von bannen, 





Auch in diefen Fragmenten herrſcht Duntelheit, aber An- 
muth und Erhabenbeit leuchtet doch daraus hervor. 

Das Folgende ift der Anfang eines Gedichts von Shan 
fari, einem Dichter aud dem Stamm Azed, eines Wettrenners 
von Beruf. j 


Kinder meiner Mutter, beiteiget eure Kameele, ich wende 
meine Schritte zu andern Menſchen, als ihr ſeid. 

Das Reifegeräth ift in Vereitjchaft, der Mond fcheint, die 
Kameele find gegürtet und gefattelt. 

Es gibt auf Erben einen Drt, wo man den Hab nicht 
fürchtet, eine Zufluchtäftätte im Unglüd. 

Bei meinem Leben, die Erbe ift nie zu eng für den weiſen 
Mann, der es verftebt, in der Nacht dem Gegenftanb jeiner 
Wünfhe entgegen zu wandeln, oder weit binweg von dem 
Gegenftand feiner Befürchtungen. 

Ich werde andere Gefährten haben, als euch; einen Rolf, 
abgebärtet im Laufen; einen Leopard: bei ihnen braudt man 
nicht zu fürdten, fein Geheimniß verratben zu fehen. 

Alle find fie tapfer, laſſen ſich keine Beleidigung gefallen, 
und id) ftürze mid), wie jie, beim erften Angriff auf den Feind. 





573 


Welch erhabner Ton der Trauer und bed Stolzes in diefer 
Brobe! Dies ift überhaupt der Charalter dieſer Gedichte von 
hochſtens hundert Berfen, welche die Araber Kaſſideh nennen! 

Ein anderer Dichter des Divans Bochteri, einer Ge 
dichtſammlung von unbelannten Berfaflern, — Blumen der 
MWüfte, von welchen Nidhts als ihr Duft übrig geblieben, — 
fpricht:: 

Als ih die erften Feinde dur die Tamarinthen und 
die ſtachlichten Bäume des Thales bindurdlommen ſah, 

Nahm ich meinen Mantel, ohne mid nad) Jemand um⸗ 
zuwenden; ich haßte den Menſchen, wie ihn das Kameel haft, 
dem man eben die Nafenlöcher durchbohrt hat. * 


Der Vebergang von den Arabern zu den Perſern ift ein 
fchroffer. Es ift wie ein Bolt von Weibern neben einer Nation 
von Männern, Sonderbar, daß man neben dem Einfachſten, 
Männlidften, Robften, was das Genie bat, Geift findet, Nichts 
als Geift, mit all feinen Spipfindigleiten und all feinen mei- 
bischen, überfeinerten Manieren, Uranfängliche Barbarei und die 
legte Stufe der Verdorbenheit, die Kindheit der Kunft und ihr 
Sreifenalter. Anfang und Ende der Boefie berühren fid. 
Uebrigens findet fih viel Analogie zwiſchen der perfiihen und 
der italienischen Poeſie. Auf beiden Seiten Mapdrigals, 
Goncetti’3, Blumen und Düfte. Gelnechtete Böller, Cours 
tifanenpoefie. Die Berjer find die Italiener von Afien. 


s 


L 7 


Ghaſel. 


Sahe ich dieſe Zauberin in meinem Schlummer, ich opferte 
ihr meinen Geiſt und ineinen Glauben. 
® Um den Wing durchzuziehen, au dem man es lenkt. 








574 


Könnte ich einen Augenblid meine Stirne unter ibre Fuß⸗ 
foble legen; 

Ich würde mein Geficht nie mehr gegen die Erbe kehren; 

Spräde fie zu mir: Diefer Fuß ift ein Save in meinem 905; 

Ich würde diejen Fuß in den neunten Kreis des Himmels jegen. 

Ob! löſe nicht Deine Loden, die buften, wie Jasminl 

Made die Düfte China’s nicht zu Schanden! 

O Rafi⸗Eddin, aufrichtig und ohne Falſch, mad’ aus 
dem Staube, auf den ſie tritt, den Pfad Deiner Stirne. 

— Rafi⸗-Edden. — 
Ghaſel. 

Was iſt zerſtreuter, Deine Haare oder meine Sinne? Was 
ift Heiner, Dein Mund oder der Weberreit von "meinem ger 
brocdhnen Herzen? 

Was iſt ſchwaͤrzer, bie Nacht oder mein Gedanke, oder das 
Pünktchen, das Deine Wange ziert? Was ift gerader, Dein 
Wuchs, die Cypreſſe oder meine Liebesworte* 

Mas ſucht die Herzen auf? Dein Naben oder meine Berfe, 
in denen meine Seele aufblübt? Was ift trauriger? Dein Rein 
oder meine brennenden lagen? — Schahpur Abhari. — 


Do genug der Antithefen! — Hier ein Bhajel von 
ächter Schönheit, won arabifher Schönheit. 


— ⸗·— — 


Diejenigen, welche ausfliegen, die Kaaba* aufzufuchen, 
wenn fie endlich das Biel ihrer Anſtrengungen erreicht haben; 
* Ein Gebäube, bad re Engel vom Himntel Dtruntergebracht deben. 
indem Abraham tie Lehre vom Einen Sotte verkündet bat. Ein: andere 
Ueberlieferung erzöhlt, eb jei der Ort, wo ſich Adam und Eya nach langer 
Trennung auf der Erde wieder gefunden hätten. Diefer Tempel war fela 
dem früheften Alterthum ein Meallfabrtsort der Araber, und IR cd bekte 
noch für die Mufelmänner. 


575 


Dann jeben fie ein Haus von Stein, hoch und ehrwürbig, 
inmitten eines unangebauten Thales; 

Sie treten ein, um darin Gott zu ſchauen; fie fuchen ihn 
lange und fie ſehen ihn nid. 

Wenn fie traurig in dem Haus umbergelaufen find, hören 
fie über ibsen Häuptern eine Stimme: 

D ihr Anbeter eines Haujes! Warum betet ihr Stein und 
Lehm an? Betet ein anderes Haus an, jenes, das die Aus⸗ 
erwäblten fuchen, Dſchelal Eddin Rumi. 





Dieſer Dichter iſt im Orient berühmt. Er war tief einge⸗ 
weiht in den Myſſticismus der Sufi's, deſſen höchſte Stufe ein 
Zuftand der vollendeten Rube, der Vernichtung, ift: dies ift 
das Wort, das fie dafür gebrauden. 

Ferideddin Attar gibt in feinem mpftifchen Gedicht: 
„Die Spradhe der Bögel,” eine merkwürdige Begriffs⸗ 
beftimmung von: dieſem Zuftand der Vernichtung, ober, 
wie fie es auch nennen, dee Armutb: 

Das Weſen diefer Religion ift das Vergeſſen; es iſt die 
Taudheit, die Stummheit, die Ohnmacht. 

Ein einziger Sonnenftrabl wiſcht vor Deinen Augen hun⸗ 
derttaufend Schatten weg. 

Wenn der allgemeine Dcean ſich bewegt, wie follen bie 
Seftalten, die auf dem Wafler ſich abipiegeln, an ihrem Platze 
bleiben ? . 

Die beiden Welten, die Gegenwart und die Zukunft, find 
die Bilder, melde dieſes Meer zeigt; der da Sprit: es iſt 
Nichts, ift auf dem guten Wege. 

Wer in den Dcean bes Herzen® untergetaucht ift, bat die 
Ruhe gefunden in vieler Vernichtung. 

Das Herz, voll Ruhe in diefem Dcean, das Herz findet 
dort Nichts al8 das Nichtfein. 


576 


(Roten des Bend-Nameh von Ferideddin Attar, 
berausgegeben von ©. de Sacy.) 


Hier ſechs ſchoͤne Verſe von Firdufi, dem berühmten Dichter 
des Schah-Nameh (Bud der Könige): 

Als der Staub fi erhob bei dem Naben des Heer, 
Wurden die Wangen unſrer ruhmvollen Krieger bleich, 

Da erhob ih das Beil des Jekch m,* 

Und mit einem Streich brad ih meinem Heere Bahn. 
Mein Roß ftieß ein Geſchrei aus wie ein wüthender Elephant: 
Die Ebne war bewegt wie die Wellen des Ru. 

Jones bat dieſes Fragment in engliſcher Sprache beiannt 
gemacht. Togrul ben Urslan, der Legte der Seldſch u- 
tiden, fang dieſe Bere laut in der Schladt, in der er jeinen 
Tod fand, 





Der Anfang des Gedichts Schrub von Firbufi Iheimt 
uns ebenfalls bemerfenswerth: 

Sch babe von einem Mobed** erfahren, daß -Ruftem 
ſich früh am "Morgen erhob. 

Sein Geift war bekümmert; er xüftete fich zur Jagd; er 
fledte feine Streitart in den Gürtel, und füllte feinen Köcher 
mit Pfeilen. 

Er ging; er ſprang auf Rakich und ließ fein eleyhban« 
tengleihes Roß dahin jagen. 

Er wandte fein Haupt nad der Grenze non Turan, wie 
ein wüihender Löwe, der den Jäger geſehen hat; 

” Beiname von Sam, bem Sohne Rerimans; Bam war ber Water 
Ruſtems, und bied if der Held, der fie ſchlägt, bewaffnet mit bem Beil 
eines Baterb. 

»Vrieſter der TRagier. 

** Sein Pferd. 


— 


577 


Als er an den Örenzen von Turan anlangte, fab er bie 
Wuſte voll wilder Eſel. 


Der Kronenverleiher (Ruftem) ward roth wie die Roſe, er 
fchüttelte fih und’ trieb Rakſch an. 


Mit den Pfeilen, mit der Streitart und mit der Sälinge 
warf er ganze Heerven Wild nieder. 





Mir fchließen dieſe Auszüge mit einem Bantum, einem 
malayiſchen Lied von Böltliher Originalität: 


Malayiſches Pantum. 
Die Schmetterlinge flattern rings umher auf ihren Schwingen, 
Sie fliegen dem Meer zu, nahe der Felfenkette. 
Mein Herz ift frank in meiner Bruft 
Bon meinen erften Tagen bis zur heutigen Stunde, 


Sie fliegen dem Meer zu, nahe der Felfenkette... 
Der Geier richtet feinen Ylug gegen Bandam. 
Bon meinen erften Tagen bis zur heutigen Stunde 
Habe ich viele junge Männer bewundert. 


Der Geier richtet feinen Flug gegen Bandam... 
Und läßt feine Federn fallen auf Patani; 

Ich babe viele junge Männer bewunbert, 

Aber keiner ift zu vergleihen mit meinem Auserkornen. 


Er läßt feine Federn fallen auf Batani.. 
Siehe da, zwei junge Tauben! 


Kein junger Mann kann ſich vergleichen mit meinem Ausertornen, 
So geſchickt ift er, das Herz zu rühren. 


— — —— — — 


VB. Hugo's ſammtl. poetiſche Werke. IL. 37 


vo 


Wir haben uns keine Mühe gegeben, Ordnung in dieſe 
Mittheilungen zu bringen. Es ift eine Handvoll Evelfteine, die 
wir auf gut Glüd und in der Eile aus der großen Fundgrube 
des Orients beraußgreifen. 


” 


Manriſche Romanze. 
XII. 


Seite 507. 

Es gibt zwei Romanzen, eine arabiſche und eine ſpaniſche, 
über die Rache, welche der Baſtard Mudarra an feinem 
Dbeim Rodrigo de Lara, dem Mörder feiner Brüver, nahm. 
Ueber die fpanifhe Romanze vergl. Note IX. Sie ift ſchön, 
aber der Berfafier dieſes Buches erinnert fich irgendwo eine 
ſpaniſche Weberjegung der maurijchen Romanze gelejen zu haben, 
und es fcheint ihm, daß diefe noch fchöner war. Seine Bear- 
beitung fchließt ih mehr an die arabiſche Verfion als an das 
ſpaniſche Gedicht an, wenn fie überhaupt Beziehungen zu einer 
von Beiden bat. Die kaſtiliſche Romanze ift etwas troden, man 
merkt es, daß ein Maure dabei die ehrenvolle Rolle ſpielt. 

€3 wäre an der Zeit, daß man darauf dädhte, den Ro- 
manzero general nah den wenigen Gremplaren, die noch 
bavon eriftiren, im Urtert und in Ueberfegung, mauriſch und 
ſpaniſch, wieder neu herauszugeben. Es find vergrabene Schäge 
und nabe daran, verloren zu gehen. Der Verfafler wiederholt 
e3 bier: es find zwei Jliaden, die eine gothiſch, die andere 
arabiſch. 


579 


Die ſKtornblumen. 
XI. 
Seite 516. 

Wir glaubten die Orthographie ber Verſe, die wir als 
Motto an die Spihe dieſes Gedichts geftellt haben, gewiflen- 
haft beibehalten zu follen. 

Si es verdad, 6 non yo no lo hy de ver, 
Pero non lo quiero en olvido poner. 

Diefe Berfe von einem unbelannten, aber merkwürdigen 
Didier, Segura de Aftorga, find uraltipaniih. Hätten 
wir und nicht gefürdhtet, dem alten Joan (nicht Yuan) feine 
eigenthũmliche Phyſiognomie zu nehmen, fo hätten wir jchreiben 
müflen: Si es vertad 6 na. yo no le he aqui de ver, pero 
no le quiero en olvido poner. Hy ſteht für aqui, wie auch für 
alli in einer andern Stelle von demfelben Dichter, die als 
Veberfhrift zur „Nurmabhal der Rothen” dient: 

Non es bestia que non fus hy troveda, non fus für: no 
fuese. x 
Bnuaberdi. 

XIV. 
Seite 542. - 

Der Name Buonaparte lautet in den arabiſchen Volks⸗ 
jagen: Bunaberdi (vergl. in diefer Beziehung eine interef- 
fante Note zu der ſchönen Dichtung von Barthelemy et Mercy, 
Napoleon in Hegypten). 

Er. 
xV. 
Seite 547. 
Päſtum. 

Genauer: auf der Straße nah Päſtum. Denn von 
Päſtum felbft aus ſieht man den Veſuv nicht. 


580 


November. 
XVI, 
Seite 550. 
Das alte Klofter der Jeuillantiner, im Quartier St. Ja c⸗ 
ques, wo der Berfafler einen Theil feiner Kindheit zuge» 
bracht bat. 


[2 


- Iufatt. 


Oden, Balladen und Drientalen. 


—  . 


Vorreden 
18583 


Oden. 


Erftes Bud. 1818 - 1822 
I. Der Dichter In Zeiten der Revolution.. 
IL Die Bene . . nn 
HI. Die Jungfreuen von Berbün 
IV. Quiberon . . . >. 
V. Ludwig der Siebenehni⸗ 
VI. Die Wiederauftichtung ber Bifpfäufe Seinen I Iv. 
VII. Der Tod des Herzogs von Berry 
VID. Die Geburt des Herzogb von Borbeaur 
IX. Die Taufe des Herzogt von Borbeaur . 
x. Ein hd . . . .. 
XI. Busnapatie  » > 2 2 202. 


BZweites Bud. 1822-1823. 


I. Un meine Oben . . . „ 
1I. Die Geihiäte . 


rev nr. BE. :. MA-—.. 


ee ee We ge — ee — 


588 


IV. Un meinen Bit . . . 


V. Un Europa’s Könige. — Das Grstmapt 


VI. Die Freiheit . . 
VII Der Krieg in Spanien . . 


VIIL Un den Zriumpbbogen be P’Gtolle 
IX. Der Tod bed Fräufeins von Sombreuil 


X. Das leiste Lieb 


Dritted Buch. 1824-1828 


4 


I. An Alphond von 2, en 


IT. Un Ghateaubriand oo. 


III. Das Leichenbegängniß eubwig⸗ xvDı. 


IV. Die Salbung Karls X . 
V. Un den Oberſt ©. U. Guſtavſon 


VI. Die beiden Snfelln . . . 
VIL Un bie Sendomeſaule 
VIII. Ende 

Biertes Buch. 
I. Der Dichter. 


II. Die Leler und die Harfe 
ITL. Moſes auf dem NR 
IV. Aufopferung 


V. Un bie „NHrabömie des Year Aeraur“ 


VI. Der Omniwm . . . 
VII. Das Mäbchen von Dtapelti 
VIII. Der Glüdtihe . 

IX. Die Seele 

X. Lieb der Arena 

XI. Lied bes Gircus 

XI. Lied ded Turniers 

XIH. Der Antichriſt 

XIV. Epitaph 


1819 - 16V. 


XV. un Hifced de Bigup. Ein Feklied Neros . 


XVI, Der Schmetterling 


XVD. Un meinen freund ©. 8 
YVTImnm Oshkauah 


583 


Bünftes Buch. 1819-1828. 


I. Erle Seufer . . .„ ., 
II. Schmerz . 

II. An das cheru Thel 

IV. An Dich . . 

V. Die Fledermaus 

VI Die Wolke . 


vu. Ssdaı» ...% 
VII De Ron . . . 
IX. Meine Kindheit 

X. An ®©..... . 

XI. Lanpfchaft 


XH. Dir und wieder Dir 
XIII. Ihr Neame... 
XIV. Dankſagung .. 
XV. An meine Freunde 


XVI. An den Schatten eine Kindes . 


XVIL An ein junges Mädchen 


XVII. Un die Ruinen von n Montfert'Amanrı 


XIX. Die Reife . 
XX. Der Spaziergang  . 


XXI. An Ramon, Serjog von Senav 


XXII. Dab Porträt eines Kindes 
XXIL An die Gräfin. H.. 
XXIV. Sommertegen . 
AXV, Traum . . . 


Salladen, 


1. Eine fee 
II. Die Sylphe .. 
II. Die Sroßmutter . . 


IV Un Trilby, den Kobold von Krayle 


V. Der Rieſe 
VL Des Paukenſchlaͤgers Braut 
VI. Die Sıladi . 
VIII. Die beiden Schügen 

- IX. Höre mid, 9 Magbalene . 


1823 — 1828. 





SEFSZEESS 


X. Einem WBantrer . . . 
XI. Tie Legende von der Nonne 
XD. Der Herenfabbath . 
XUI. Die See und die Bert 


Zu den Oben. 
Zu den Ballaten . 


Die Drientalen. 


Borrede. 
Jannar, 1820 . . 


Borrede zur vierzehnten Xuflage. 


Februar, 1629 oo. 
I. Feuer vom Himmel 
I. Kanarit . . 
II. Die Köpfe ded Serait 
IV. Begeifterung . 
V. Resardını . . . 
VI. Kriegöruf bed Wufti . 
VD. Des Paſcha't Eıhmen 
VII. Biratenlich . 
IX. Die Sefangne 
X. Mondidein . . . 
XI. Der Schleier 0.0. 
XI. Die Savoritfultane . . 
XIII. Der Derwiih . . 
xIV. Das fehle Schloß 
XV, Türkifder Mari . 
XVI. Die verlorne Shladt . 
xVI. Die Sdludi . - . 
XVID. Das Kiud . 
XIX. Sarah, die Badenbe 
XX. Erwartung . . 
XXI far . . . 
xXI. Bunfd . . 
XXIII Die eroberte Statt 


XXIV. Lebewohl ber arebifhen Wirtbin - 


Noten. 


XXV. Sud . . . 
XXVI. Die zerhackte Sqlange 
XXVLD. Rurmahal, die Rothen. 
XXVII. Die Djinns . . 
XXIX. Gultan Adymet 
XXX. Maurifche Romanze. 
XXXI. Dranada.... 
XXXI. Die Kornblumen . . 
xXxXXIH. SBhantome . . . » 
XXXIV. Mayuppa . . 
XXXV. Der zümende Danubius . 
XXXVI Traum. . 
XXXVXI. Ede. . 
XXXVIL Der Diäter an ven Katifen 
XXXIV. Sundberdi . -. . » 
XL.&e . . .:. 2 2.2. 
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Noten. 


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EBERESEERE 


Victor Hugo's 
ſämmtliche poetiſche Werke, 


Deutſch 


Ludwig Seeger. 


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Britter Band. 


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Stufigarf: 
Rieger'ſche Berlagsbuhhandlung. 
(Adolf Benediot.) | 


1861. 


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Budbeudesei der Riegerichen Berlagshandiung in Stuttgart. 





Herbfiblättenr. 


V. Hugos fümmtl. poetijche Merle. ZIL. 1 


Cr; 





Vorrede. 





Der politiſche Moment iſt ernſt. Niemand beſtreitet es, und 
der Verfaſſer dieſes Buches weniger als irgend Jemand. Im 
Innern ſind alle Loͤſungen ſocialer Fragen wieder neu in Frage 
geſtellt. Der ganze Gliederbau des politiſchen Körpers umge⸗ 
bogen, umgegoſſen oder umgeſchmiedet in der Eſſe einer Revo⸗ 
lution, auf dem ſchallenden Ambos der Preſſe; das alte Wort 
Pairie, fie, die früher faſt eben fo hell glänzte, wie das 
Königthum, bildet fih um und ändert feine Bedeutung ; ber 
ewige Wiederhall der Tribüne in der Preſſe und der Preſſe in 
der Tribüne; die Emeute, die fih todt ftellt. Bliden wir nad 
Außen, jo jehen wir da und dort auf der Oberfläche Europa’ 


ganze Volker, die man mordet, in Maſſen deportirt oder in - 


Ketten Schlägt; Irland, dag man in einen Kirchhof, Italien, 
das man in einen Bagno verwandelt, Sibirien, das man mit 
Polen bevöltert; überall fonft, auc in den frievlichiten Staaten, 
etwas Wurmſtichiges, das aus den Fugen gebt, und, für auf- 
merkſame Ohren, das dumpfe Dröhnen der Nevolutionen, die, 
in’ unterirdifhen Minen eingefhlofien, unter allen Reichen 
Europa's ihre Gänge graben, — Beräftungen der großen Cen⸗ 
tralrevolution, deren Krater Paris iſt. Endlih, draußen wie 
im Innern, die Glaubensmeinungen im Kampf, die Gewiſſen 
in Bewegung, neue Religionen — eine ernite Erfheinung —, 
die Formeln ftammeln, fchlehte auf der einen Seite, gute 
auf der andern; alte Religionen, die fih häuten; Rom, die 
Stadt des Glaubens, die ſich wieder aufzuſchwingen ſucht, viel 


leicht bis auf die Höhe von Paris, der Stadt der Intelligenz ;. 





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Theorien, Ginbildungen und Syſteme, nad allen Eeiten him 
ver Wahrheit nahjagend, die Frage der Zulunft jetzt ſchon 
eben fo grünblid unterfudht, wie die der Vergangenheit — das 
ift unjere Lage im November des Jahres 1831. 

Klein Zweifel, in einem ſolchen Augenblid, mitten unter 
den ftürmifhen Conflikten aller möglihen Dinge und Menfchen, 
Angefichts diefed tumultuarifhen Concils aller een, Glau⸗ 
bensanfihten, Irrthümer, die fi abmüben, vie Formel des 
neunzehnten Jahrhunderts in öffentlicher Debatte zu befprechen 
und feftzuftellen, — ift e eine Narrheit, einen Band armer, 
interefielojer Verſe zu veröffentlihen. Narrheit? Warum? 

Die Kunft — der Berfafler bat diefen Gedanken immer 
feitgebalten — die Kunſt bat ihr Geſetz, dem fie folgt, wie 
alles Andere. Die Erve bebt, — foll fie darum nicht weiter 
geben? Betrachtet das fechzehnte Jahrhundert: es ift eine ge- 
waltige Epoche für die menſchliche Geſellſchaft, aber auch eine 
gewaltige Epoche für die Kunſt. Es ift ver Uebergang von ber 
religidfen und politiihen Einheit zur Freiheit des Gewiſſens 
und des Buͤrgerthums, von der Orthodoxie zum Schiöma, von 
der Disciplin zur Forſchung, von der großen priefterlichen 
Syntheſe, die das Mittelalter geſchaffen bat, zur philoſophiſchen 
Analyſe, die dafjelbe auflöfen wird. Alles das ift da; es ift 
auch der Wendepunkt, prächtig und blendend durch Beripeltiven 
obne Zahl, wo die gothifhe Kunft in die Hafjische überging. 
Ueberall auf dem Boden des alten Guropa gibt es Nichts als 
Religionskriege, Bürgerkriege, Kriege um ein Togma, Kriege 
um ein Saframent, Kriege um eine Idee, Boll gegen Bolt, 
König gegen König, Mann gegen Mann; Nichts als das 
Airren gezogener Schwerter und gereizter Diſputationen der 
Doltoven; politiſche Aufregungen, Sturz und Zufammenbredden 
des Ulten, geräufchvolles, lärmendes Aufftreben des Neuen, 
und zu gleicher Zeit in der Aunft Nichts als Meiſterwerke. Man 


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beruft den Reihetag zu Worms, aber man malt auch die 
Siittiniſche Kapelle. Es gibt einen Luther, aber es gibt auch 
einen Michel Angelo. 

Das aljo, weil heutzutage nun auch rings um uns ber 
andere veraltete Dinge zufammenbrehen, — und, im Vorbei⸗ 
geben bemerkt, Luther gehoͤrt zum Veralteten, Michel 
Angelo nicht, — die Erſcheinunng, daß auch jetzt neues 
Leben aus dieſen Ruinen ſproßt, iſt kein Grund, daß die 
Kunſt, die unſterbliche, nicht fortfahren ſollte, zu grünen 
und zu blühen mitten unter den Trümmern einer Gefellichaft, 
die nicht mehr ift, und den erften Umriflen einer Geſellſchaft, 
die noch nicht ift. 

Daß die Rednerbühne mwimmelt von Demosthenen, die 
Roftren überfüllt find mit Giceronen, daß wir allzu viele Nira- 
beaur’s haben, das ift fein Grund, daß wir nit au in ir 
gend einem verborgenen Winkel einen Dichter haben follten. 

Es ift fomit ganz natürlih, daß, wie laut auch der Lärm 
des Marlies toje, die Kunft fortbeftehbt, daß die Kunſt ihren 
Kopf auffegt, daß die Kunſt ſich felbit treu bleibt, tenax pro- 
positi. 

Denn die Poefie wendet ſich nicht nur an den Unterthan 
diefer oder jener Monarchie, an den Senator diefer oder jener 
Dligardie, an den Bürger diefer oder jener Republik, an den 
Genoſſen dieſer oder jener Nation, fie wendet fih an ven 
Menſchen, an den ganzen Menjhen. Dem Jüngling ſpricht 
fie von Liebe, dem Vater von der Familie, dem Greis von 
der Vergangenheit, und, wie man’3 auch treibe, welches auch 
die Revolutionen der Zukunft fein mögen, ob fie die baufälligen 
Geſellſchaften in ihrem tiefften Grund erjchüttern, oder ob fie 
ihnen bloß die Haut rigen, mitten durch alle möglichen poli- 
tischen Veränderungen hindurch, wird es immer Kinder, Mütter, 
Sungfrauen, Greiſe, wird es immer Menſchen geben, die lieben, 


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die fich freuen, die leiden. An fie richtet fich die Poeſie. Sie 
Revolutionen, diefe glorreihen Verjüngungöprozefie der Menfb- 
beit, die Revolutionen bilden Alles um, nur nicht dag Menfchen- 
berz. Das Menfchenberz ift wie die Erde. Man kann auf ihrer 
Dberflähe fäen, pflanzen, bauen, was man will; dem unge- 
achtet wird fte nicht aufhören, ihr natürliches Grün, ihre na- 
türlihen Blüthen und Früchte hervorzubringen, In einer ge 
wiſſen Tiefe wird weder Karſt noch Grabſcheit fie ftören. Und 
wie die Erde immer die Erde bleiben wird, fo wird auch das 
Menſchenherz immer bafjelbe bleiben: die Baſis der Kunit, 
wie jene die der Natur. 

Um bie Kunſt zu vernichten, müßte man damit beginnen, 
das Menſchenherz zu vernichten. 

Hier begegnet und ein Einwurf anderer Art: — obne 
Widerſpruch, auch im bedenklichſten Augenblid einer politifchen 
Krife kann ein reines Werk der Kunft am Horizont auftauchen ; 
aber werden nicht alle Leidenfchaften, alle Geijtesfräfte, wird 
nicht ale Aufmerkſamkeit allzu fehr dadurch in Anipruch ge> 
nommen jein, durch das gefellichaftlide Werk, an dem fie gez 
meinfam arbeiten, al3 daß der Aufgang des heitern Geftirns 
der Poefie im Stande wäre, die Augen der Menge auf ſich zu 
ziehen? — Das ift nur eine Frage zweiten Rangs, es ift die 
Trage nah dem Erfolg; die Frage des Buchhändlers, nicht 
des Dichters. Auf Fragen diefer antwortet in der Regel die 
Ihatfache mit Ya oder Nein, und im Grund ift wenig daran 
gelegen. Allerdings gibt es Augenblide, wo die materiellen 
Angelegenheiten der Geſellſchaft fchlecht gehen, wo der Strom 
fie nicht vorwärts treibt, wo fie, an alle politiihen Wechſel⸗ 
fälle, die unterwegs auf einander ftoßen, ſich anklammernd, fich 
die Bahn verſperren, ſich ftauen , fih in einander verfehränfen 
und verwideln, Aber was thut da8? Wenn übrigens, wie man 
Sagt, für die Poefie kein günftiger Wind weht, fo ift das fein 


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Grund für die Poeſie, ihren Flug nicht zu beginnen, Ganz im 
Gegenjag zu den Schiffen fliegen die Vögel gut nur gegen den 
Wind. Die Poeſie gehört zum Gefchlecht der Vögel. Musa ales, 
jagt ein alter Klaſſiker. 

Und eben darım ift fie auch ſchöner und ſtärker, wenn fie 
mitten unter politiihen Stürmen fi bervorwagt. Auf dem 
Standpuntt einer gewiffen äfthetiihen Anſchauung bat man die 
Poeſie lieber, wenn fie im Gebirg und unter Ruinen wohnt, 
wenn fie über Lamwinen ſchwebt, im Sturm ihren Horft fi 
baut, al3 menn fie einem ewigen Frühling nachjagt. Man 
liebt den Adler mehr ala die Schwalbe. 

Deeilen wir ung bier, mo es vielleicht noch Zeit ift, zu 
erflären, daß der Verfaſſer bei Allem, was er bemerkt hat, 
un? die Opportunität eines Bandes reiner Poefie zu erllären, 
der in einem Augenblid erfhien, wo jo viel Proja in den 
Köpfen wohnt, und eben diefer Proja wegen, nicht im Ent 
fernteften daran gedacht hat, irgendwie auf fein eigenes Wert 
anzufpielen, Er fühlt felbit am lebhafteſten, wie ungenügend 
und dürftig eg ift. Der Künftler, wie ihn ver Berfaffer ſich 
denft, der die Lebenzfähigkeit der Kunſt mitten in einer Revo- 
lution erprobt, der Dichter, der zwiſchen zwei Aufitänden eine 
poetifhe That vollbringt, ift ein großer Mann, ein Geniug, 
ein Auge, öpsaiudg, wie die griechiſche Metapher ſich 
wundervoll ausdrüdt, Der Verfaſſer hat nie Anſpruch gemadıt 
auf den Glanz folder Titel, der höchſten, die es geben fann. 
Nein, menn er heut, im Monat November 1831, „Die Herbft- 
blätter“ herausgibt, fo geſchieht e8, weil der Contraft zwischen 
der Ruhe in dieſen Verſen und der fieberhaften Aufregung der 
Gemüther ihm merkwürdig genug erjchienen ift, um ihn bei 
hellem Licht zu betrachten. Er fühlt, indem er dieſes unnüße 
Buch den Wellen der Volksſtimmung überläßt, die jo vieles 
Beflere mit fortreißen, etwas von jenem melandolifhen Ber- 


onügen, das man empfindet, wenn man eine Blume in ben 
reibenden Dcean wirft, und ihr nachſieht, was aus ihr werben 
mag. 

Man erlaube ihm ein etwas ftolzes Bild. Der Bullan 
einer Revolution Haffte vor feinen Augen. Der Vulkan hat 
ihn in Berfuchung geführt. Er bat fih hinein geftürzt. Es ik 
ihm übrigens nicht unbelannt, daß Empedokles tein großer 
Mann, und daß von ihm Nichts übrig geblieben ift, als fein Schub. 

Er läßt aljo diejes Buch feinem Schidfal, wie es auch Sei, 
entgegen geben, liber, ibis in urbem, und morgen wirb er 
ih nad einer andern Seite menden. | 

Was ift übrigens an jenen Blättern, die er jo auf gut 
Glüd dem erjten beiten Wind überläßt? Es find abgefallene 
Blätter, todte Blätter, wie alle Herbitblätter. Es ift keine 
Poeſie der Aufregung und des Tumults, es find beitre, fried- 
liche Verſe, Berfe, wie fie Jeder dichtet oder träumt, Verſe 
der Familie, des häuslichen Herbes, des Brivatlebens, Verſe 
aus dem Innerſten der Seele. Es find wehmüthige, refignirte 
Blide, da und dort ruhend auf dem, was ift, und vor Allem 
auf dem, was war. Es ift das Echo jener oft unausſprech⸗ 
lien Gedanlen, die verworren in unjrem Geifte fi drängen, 
gewedt durch die taufend Gegenftände, Weien der Schöpfung 
um und ber, bie leiden ober verſchmachten: eine Blume, bie 
‚ verblüht, ein Stern, der fällt, eine Sonne, die untergebt, 
eine Kirche ohne Dad, eine Straße voll Grad; ober die un- 
verboffte Ankunft eines faft vergefienen, aber in irgend einer 
dunleln alte des Herzens nody immer mit Liebe gebegten 
Schulfteundes; oder die Betrachtung der willensträftigen Män- 
ner, die das Schidjal brechen oder fih von ihm zerbreden 
laſſen; ober der vorübergehende Unblid eines jener ſchwachen 
Weſen, die von der Zulunft Nichts willen, ſei e8 ein Kind, 
jei es ein König. Kurz, Glegien find es auf bie Eitelleit aller 


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Entwürfe und Hoffnungen, auf die Liebe mit zwanzig Jahren, 
auf die Liebe mit dreißig Jahren, auf die Trauer im Glüd, 
auf all die zahlloſen fchmerzlichen Dinge, die unfre Jahre aus⸗ 
füllen, — Elegien, wie fie das Herz des Dichters unaufhörlich 
aus den Wunden ftrömen läßt, welche das Leben ibm ſchlägt. 
&3 find zweitaufend Sabre ber, ſeit Terenz gefagt bat: 

Plenus rimarum sum; häc atque ill&e 

Perfluo. 

Hier ift denn auch der Ort, wo der Verfafler auf die Frage 
antworten kann, die man fo freundli war, an ihn zu richten : 
ob gr die zwei oder drei Oden, zu welcden die gleichzeitigen 
Ereigniffe ihn begeiftert haben , und bie er von Beit zu Beit in den 
legten anderthalb Jahren veröffentlicht bat, den Herbitblät- 
tern einverleibt habe? — Nein. Hier iſt lein Plag für diefe 
Poeſie, die man die politifche nennt, und die er die hiſtoriſche 
genannt zu ſehen wünſchte. Diefe leidenſchaftlichen, ſprühenden 
Gedichte hätten die Ruhe und die Einheit dieſes Bandes geſtört. 
Sie gehören übrigeng zu einer Sammlung politiider Gedichte, 
bie der Verfafler noch zurüdhält, Er wartet für ihre Veröffent- 
lichung einen mehr literarifhen Moment ab. 

Was diefe Sammlung it, welche Sympatbien, welde 
Antipatbien fie durchdringen, darüber fann man, wenn man 
neugierig ift, fih ein Urtheil bilden, wenn man das letzte 
Gedicht diefer Sammlung ins Auge faßt. Uebrigens glaubt der 
Berfafier in der unabhängigen, uneigennütigen, arbeitjeligen 
Rage, in ber er bleiben wollte, frei von aller politiiden Ab⸗ 
neigung, Wie von aller politiihen Dankbarleit, Keinem der 
jegt Mächtigen zu Dank verpflichtet, immer bereit, fih Alles 
wieder nehmen zu laflen, was man ibm etwa aus Gleichgiltig⸗ 
teit oder Vergeßlichleit gelafien bat, — ein Recht zu baben, 
zum Voraus fagen zu dürfen: feine Verfe find die eines ebr- 
lien, jchlichten, ernften Mannes, der für jede Freiheit iſt, 


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für jede Verbeilerung, jeden Yortichritt, und zu gleicher Seit 
für jede Vorficht, jede Schonung, jedes Maß; der allerdings, 
das ift richtig, nieht mehr diejelbe Anficht, wie vor zehn Jahren, 
über die mandelbaren Dinge bat, welche bie politiihen Fragen 
ausmachen, aber der bei dem Wechfel feiner Ueberzeugung 
immer nur fein Gewiſſen um Rath gefragt bat, nie fein Inter⸗ 
effe. Er wiederholt bier no, was er ſchon anderswo erllärte,* 
und was er nicht müde werden wird, zu erflären, zu beweifen: 
daß er, fo leideni&haftlih er auch Partei nimmt für die Völker 
in dem ungebeuren Streit, der fih im neunzehnten Jahrhun⸗ 
dert zwiſchen den Völkern und den Königen entfponnen bat, 
doch nie vergeflen wird, welches die Meinungen, der leihtgläu- 
bige Wahn, die Irrthümer feiner erften Jugend geweſen find. 
Er erwartet nit, daß man ihm ins Gedächtniß zurüdrufen 
werde, er fei in feinem fiebzehnten Jahre Etuartift, Yalobite 
und Gavalier gewefen; er habe die Vendée fait mebr geliebt 
ald Frankreich; wenn fein Vater Einer der eriten Freiwilligen 
ber großen Republik gewefen, fo ſei feine Mutter, ein armes 
fünfzehnjähriges Mädchen, auf der Flucht durh dag Bocage 
eine Brigande gemwejen, wie die Frauen von Bonchamps 
und de la Rochejaquelein. Nie wird er die gefallene Race 
beſchimpfen, weil er Einer von denjenigen ift, bie ihr Vertrauen 
geichentt haben, und die, Jeder nad feinem Theil und nad 
feinem Gewicht, Frankreich glaubten für dieſelbe bürgen zu 
können. 

Mebrigend was aud ihre Fehler, was felbft ihre Ver⸗ 
brechen fein mögen, ift man jegt mehr als je im Yall, den 
Namen Bourbon mit VBorfiht, Ernſt und Achtung auszu- 
ſprechen, jest, wo der Greis, der ein König geweſen, auf feinem 
Haupte Nichts mehr trägt als weiße Haare, 


© Borrebe zu Marion Delorme, 


Paris, 20. November 1831. 


Data fata secutus,. 
Devife der St. John. 


— ·— 


Zwei Jahre zählte das Sfahrhundert. Sparta 
Ward Rom und unterm Bonaparte hervor 
Stab ſchon Napoleon, die Kaijerftirne 
Durchbrach bereits des erften Conſuls Maske. 
Da war, wo in ber alten ſpan'ſchen Etabt 
Befancon, wie ein Korn, verftreut im Mind, 
Ein Kind, breton’fhen und lothring'ſchen Bluts, 
Geboren ward, jo ſchwächlich, ohne Farbe, 

Und ohne Blid und Laut, gefpenftifch fahl, 
Non Jedermann verlaffen, nur von Einer, 
Von feiner Mutter nicht, und wie ein Rohr 
Gefnidt, jo daß zugleih man Sarg und Wiege 
Ihm machen ließ. Das Kind, vom Leben ſchon 
Aus feinem Bud geftrihen, welches faum 

Den zweiten Tag zu leben fchien beftimmt, — 
Bin id. — 


Ein andermal erzähl’ ih Euch 
Vielleiht, wie mich die reinjte Muttermilch 
Und Mutterlieb’ und Zärtlichkeit und Sorge, 


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Verſchwendet an ein Leben, das verdammt 
Schon war im Keim, zum zweitenmal zum Kind 
Der treuften Mutter, — eines Engeld made, 
Der auf drei Söhne, liebend ohne Maß, 

Die Flügel breitete! 


D Mutterliebe! 
D Liebe, die der Ihren Heinz vergißt, 
Du Wunderbrot, das Gott im Theilen mehrt, 
D ſtets gebedter Liſch im Vaterhaus, 
Wo Jedem wird ſein Theil, das Ganze Jedem! 
Einſt, wenn im Zwielicht mich geſchwätzig macht 
Das Alter, werd' ich Euch erzaͤhlen, wie 
Einſt das Verbängniß, ſchrecklich und erhaben, 
Das durch des Kaiſers Hand die Welt bewegte, 
Im Sturm und Wetter mich wehrloſes Kind 
Herumgewirbelt. Denn, vom Nord gepeitſcht, 
Wirft das empörte Meer zugleich den ſtolzen 
Dreimafter, der fib bäumt, herum, — zugleich 
Das Blatt auch, das dem Baum am Strand entfällt. 


Schwer ward ih in der Jugend ſchon geprüft, 
Und viel Erlebtes bat ſich ins Gedaͤchtniß 
Mir tief gegraben, Vieles ift zu lefen 

In meiner Stime Falten, — Furden, bie 
Mir der Gedante zieht. Yürwahr, ein Greis, 
Der Haar und Glut verlor, und tobesmatt 
Am Biel der höchſten Wünfche niederfiel, 

Er würd’ erblaffen, jäh’ er meine Seele, 
Ten Abgrund, defien Tiefe mein Gebante 
Erfült, und Alles, was ich ſchon gelitten, 
Was id verfadht, und was mir ſchon gelogen 


13 


leid einer faulen Frucht, wie mir geſchwunden 
Die jhönfte Zeit und jede Hoffnung mit 

Auf ihre Wiederkehr, all meine Liebe, 

Arbeit und Trauer, und im Alter, mo 

Uns no die Zulunft lächelt, ſchon das Bud 
Des Herzens vollgejhrieben Blatt für Blatt. 


Wenn mein Gedanke manchmal fi der Bruft 
Gntringt und meine Lieder dur die Welt 
Verloren flattern, wenn ironiſch Leid 

Und Luft ih im Roman verftedt enthülle, 
Wenn meine Phantafie die Bühn' erjchüttert, 
Wenn ich vor auserleinen Hörern Menſchen, 
Wie fie, bewege, die, von meinem Hauch 
Belebt, mit meiner Stimme wiederum 

Zum Volle reden; wenn mein Haupt, die Eile, 
In der mein Geift als Flamme brennt, dad Erz 
Des Reims, das faust und fprüht, entftrömen läßt 
Und in des Rhythmus wunderbare Form 
Ergießt, aus der die Etropbe fteigt und hoch 
Zum Himmel fliegt; — fo iſt's, weil Liebe, Ruhm 
Und Zod und Leben, jede Welle, die 

Der Welle folgt ohn’ Ende, jeder Strahl 

Und jeder Hauch, ob günftig, ob verberblid, 
Läßt meine Seele von Kryſtall erzittern 

Und ftrablen, meine langbegabte Seele, 

Die in des Weltall Mittelpuntt mein Gott 
Geſetzt, als Echo, taufendftimmig tönend. 


Rein blieb in böfen Tagen auch mein Herz, 
Und weiß id nicht, wohin ich gebe, weiß 
SH doch, woher ih komme. Meinen Geilt 


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Hat de3 Parteigeift3 Flammenwind berührt, 
Doch feinen Wellenfpiegel nie getrübt, 

Nie findet hier unreinen Schlamm und Schaum 
Der Wind, um zum Azur ihn aufzufprigen. 


Hab’ ih gejungen, lauſch' ich, finne, bauend 
Ein Denkmal dem gefallnen Kaiſer, treu 
Der Freiheit, die ich wegen ihrer Blüthen 
Und Früchte liebe, wegen feines Rechts 
Dem Throne treu, und wegen feines Unglüd3 
Tem König, — treu dem Blut, das in den Adern 
Mir fließt, vom Vater her, dem alten Krieger, 
Und meiner Mutter, der Bendeeerin, 
uni, 1630. 





15 


ll. 


Ungerechtigkeit verwüſtet alle Lande und böfes Leben 
ſtürzt die Stühle der Gewaltigen. So böret nun, ihr 
Könige, und merket; Lernet ihr Richter auf Erden, Nebmet 
zu Obren, die ihr Über Biel derrſchet, die ihr euch erhebt 
über den Böllern. Denn euch ift die Obrigkeit gegeben vom 
Herrn, und die Gewalt vom Höchften, welcher wird fragen, 
wie ihr hanbelt, und forjchen,, was ihr ordnet. 

J Weidheit, 6, 1 ff. 


— — 


Gedanken eines Spaziergängers über einen Rönig. 


Rum Hoffeit braten Wagen einft und Roffe 
Mit Lärm und Pomp den König von Neapel. 
Ich ging vorbei am Garroujel im Haufen, 
Der endlos ſich durch feine Pforten drängte, 
Der bier vierhbundertmal im Jahr erfcheint, 
Um Prinzen oder um die Uhr zu fehn. 

Ach folgte langſam, wie die Welle folgt . 

Der Welle, diefem Volk, das fiher glaubt, 

Es fei des römischen Volkes ältfter Sohn ,- 
Und babe kühn die Thürme der Baltille 

Im Handumdrehn vom Boden weggefegt. 
Dann ſtand ich ftill; der Schweizer jchloß das Gitter. 


Die Trommel fholl und Bravoruf, fo oft 
Vorüber ein adhtfpänniger Wagen fuhr. 
Trompeten fehmetterten im weiter Hof, 
Ter wimmelte von hohen Federbüſchen. 


' 16 


Die königlichen Roſſe fohritten ftols 

Einher, — vor ihnen fentten fi die Fahnen. 

Ein altes Weib, zerlumpt, am Arm den Korb, 
Horcht zu dem Lärm und ihren greifen Dann 
Anſtoßend Sagt fie laut: — Ein König! — Fürften 
Hab’ unterm Kaifer ich genug gefehn! 


Die goldnen Wagen fah ich nun, die rotben 
Livree'n nit mehr, und während bundertmal 

Das Voll, unruhig, bin und wieder mwogte, 
Träumt' ih. Und ihres Weges ging die Alte 

Zum Gröveplag und ließ mid) ftchn und träumen, 
Dem Bogel gleih, der auf im Walde fliegt, 

Und zittern läßt das Blatt, das er berührt. 

— Ha, rief ih, in die Hand die Stine brüdend, 
Philoſophie, zum Volk berabgeitiegen ! 

Stolz ſchau'n und ernft die Kleinen auf die Großen! 


Spät kommt das Bolf dahin, wohin dies Volt 
Gekommen ift. Ta ſieht's und zudt die Achſeln, 
Es ſcheut, bewundert, liebt und fürdtet Nichts, 
Für Alles bat e8 einen ftrengen Spruch. 

So hat mit Hammerſchlaͤgen auf die harten 
Hirnſchädel, wie den Keil ins Gichenholz, 

Tas Ehidjal ihm die Weisheit eingetrieben. 


Es bat fo oft gefragt: — Wie ftebt die Welt? 

Was machen fie, die Könige? — Welcher Prinz 

Eigt auf dem Thron? — Wer ift verbannt? — daß heut 
Es ruhig nachdenkt, wie ein höchſter Richter, 

Bon Allem gleih das Ende fieht, und ftarf 

Genug fih weiß, um Allem nachzuſehen 

Und vorzubeugen, dieies Bolt, das nie 

Berbannt wird, und die Großen herrſchen läßt! 





17 


Ein Feit bei Hof! — indeflen unter ihm, 
Wie unterm ſchwanken Schiff der Ocean, 
Sin dumpfer Gäbrung wogend fi das Bolt 
Bewegt, in defien Grund kein König ſchaut. 


Nicht müde wird der Wahnfinn und Berrath 

Bu nıfen: — Fürften, ihr ſeid Fürften, ftügt 

Euch auf die taufend goldverbrämten Arme, 

Die Alles thun, was Eures Amtes ift. 

Schlaſt, kümmert Euh um Nichts und laßt das Denten, 
Daß Eure glanzumfloff'ne Stirne nicht 

Den Reif der Krone weit fich dehnend fprenge! — 


D wacht, o wacht, ihr Könige! Verſucht's 

Und’fegt die Herrſchſucht ab, entzieht und nicht, 
Was wir errungen. Scüttelt nicht die Zügel, 

Und bringt durch Schläge nidht dahin die Freiheit, 
"Daß fie fih bäumt, — fie, die Euch felber trägt. 
Seid Söhne Eurer Zeit, vernehmt die Stimme 

Des Vollks, verfucht’3, jeid groß! Tas Bolt ift groß. 


Hört, hört das dumpfe Murten weit umber, 
Das jept veritummt, dann plöglich wieder fchallt, 
Tas Zähnelnirihen, das verbaltne Grollen, _ 
Das Luft ſich macht und ftündlid grimmer drobt, 
Das iſt das Volk! Das ift die Flut, die fommt, 
Und, folgend ihrem Stern, beftändig fteigt, 
Sei's nun das goldne, ſei's daß eberne 
Sahrhundert, jedes, — wie ein Cap vom Meer 
Verſchlungen, — wird mit jeinen Sitten, Bräuden, 
Gejegen, Monumenten, die dem Schwall 
Nicht wehren und in Schaum die Wogen nur 

8. Hugo's ſammil. poetifche Werte. TIL. 3 


1 


Berwanbeln, unter diefer Flut verſchwinden, 
Die eine Ebbe hat! — Die Welle fteigt, 

Der Boden weicht und wird hinweggeſchwemmt. 
Web dem, der Abends fih am Strand verfpätet, 
Und nicht den Fiſcher, der fih flüchtet, fragt, 
Woher das Braufen in der Ferne lommt? 

Eilt, eilt, ihr Könige, verlaßt das Ufer 

Der alten Zeit, und lehrt zurüd in dieſes 
Jahrhundert! — Raum für dieſes Menfchenmeer, 
Macht Platz, und wollt ihr untergebn, fo febt 
Zurück zum Alten, das die Flut verjchlingt! 


So wählt’ ein bingeworfnes Wort des Weibes 
Gedanken auf in meiner Seele Tiefen, 
Als plöglih ein Soldat von feinem Boften 
Mir rief: — Kamrad, die Sonne geht hinab. 
18. Mai, 1830. 


19 


III.. 


De todo, nada. De todos, nadie. 
Calderon, 


Der Könige Geburt, was ſchiert fie dich, mein Herz? 
Und was die Siege, die laut pochen an das Erz 
Zumal der Gloden und Kanonen, 
Und mas der heilge Pomp, die Hymne, die erflingt, 
Die glänzend belle Stadt, die Nachts zum Himmel ſchwingt 
Raketen, lichte Sternentronen? 


Wend' ab davon den Blid, der Göttliche ermißt; 
Bedent, daß Alles hohl hienieden, eitel ift, 
Und diene nicht dem goldnen Salbe; 
Schön ift der Kronen Glanz, doch trübt ihn bald die Noth, 
Sie find fo viel nicht wertb, als jener Halm, den Gott 
Erſchaffen hat zum Neft der Schwalbe. 


Ye mehr die Groͤße wächst, je kürzer ift ihr Tag. 

Die Bombenkugel trifft nicht leicht den Taubenſchlag, 
Doch Obelisten body in Lüften. 

Im Tode nur ift Gott den Koͤn'gen nah gerüdt, 

Sein Kreuz iſt's, das zuhoͤchſt die goldne Krone ſchmückt, 
Sein Tempel ruht auf ihren Grüften. 








20 


Eeot und Schloß und Thurm, der Glanz der Majeftät, 
far, Napoleon, Berilles, Mahomet — 
." Bertrümmert Alles und zeritoben. 
Bergebens forfcht der Geift, und fiebt ſich fragend um. 
Sechs Fuß tief unter uns wie iſt's fo fill und fiumm, 
Und welch gewalt’ger Lärm bier oben! 
5 uni, 1639. 


IV. 


O altitudo. 


Was man auf den Bergen hört. 


Babt ihr wohl ernſt und ſchweigſam jhon einmal 
Ein Hochgebirg erftiegen, nab dem Himmel ? ' 
Am Sund vielleiht, am Ufer der Bretagne ? 
Saht ihr am Fuß des Bergs den Dcean? 

Und habt ihr, das Enplofe überfhauend, 
Gelauſcht in tiefer Stile? — Hört, was bot 
Das Dhr vernimmt. — Im Traume flog einmal 
Mein Geift hinab zum Strand und hoch vom Gipfel 
Aum Meeresabgrund niedertauchend ſah 

Das Land er dieſſeits, jenſeits lag die See, 

Ich lauſchte, horchte, — ſolche Laute gab 

Noch nie ein Mund, vernahm noch nie ein Ohr. 


Im Anfang war's ein dumpf verworrnes Toſen, 
Wie Windeshauch in dichtbelaubten Bäumen, 
Harmon'ſche Klänge, hold verſtohlnes Liſpeln, 
Süß, wie ein Abendlied, gewaltig wie 

Das Waffenklirren, wenn im Feld Schwadronen 
Dicht auf einander prallen, und die wilde 
Kampfluft in die Trommete ſchmetternd ftößt. 

Es war ein Tonmeer, tief und unausfprechli , 
Tas leiſe zitternd rings bie Welt umwogte, 


Und durch eiten Himmel Wellenkreiſe 
BVerbreitend, endlos, ewig friſch und jung, 
Hinrollte, bis fi feine Flut im Duntel 

Verlor mit Zeit und Raum und Yorm und Zahl. 
Den Erdball überjchwenmend mogte weit 

Und breit, wie eine zweite Atmofphäre, 

Der ewge Hymnus. In Mufit getaudt, 

Wie in den Lüften, ſchwamm die ganze Welt. 


Und finnend lauſcht' ich diefen Aetherharfen, 
Wie in ein Meer verfentt in dieſe Töne. 

Bald unterfchied ich in der Einen Stimme, 

Wie binter'm Schleier, zwei vermifchte Stimmen, 
Die von der See ih, wie vom Land erhoben, 
Im großen Hymnus fangen beide mit; 

Ich unterſchied fie in dem tiefen Braufen 

Der Töne wohl, wie man zwei Ströme fiebt, 
Die unterm Wafjerfpiegel ſich vermifchen. 


Die Eine kam vom Meer; wie Hang fie ſtolz 

Und freudenreih! — Der Wellen Stimme war's, 
Die traulich ſich beſprachen. Bon der Erbe, 

Die wir bewohnen, kam die andre, fie 

. Bar traurig. Das Gemurmel war’3 der Menfchen. 
Im großen Weltconzert, das Tag und Nacht 
Yorttönt, bat ihre Stimme jede Welle 

Und feinen Laut bat jedes Menſchenkind. 


3a, Fried’ und Freude war bie Stimme, bie 
Der ftolze Dcean erfihallen ließ, 

Der Harfe glei in Bion’s Tempel fang 

Und rühmte fie die Herrlichkeit der Schöpfung, 





233 


Die Binde trugen den Triumphgeſang, 

Der immer böber flieg, zu Gott empor; 
Und jede feiner Wellen, die nur Gott 

Kann zähmen, bob, fobald die Andre fchwieg, 
Das Haupt empor, ihr Loblied anzuflimmen, 
Und wie der große Löwe, deſſen Gaſt 

Einft Daniel war, fo pämpfte feine Stimme 
Für Augenblicke wohl der Dcean, 

Und id, auffhauend zu der Blut im Meften, 
Sah Gottes Hand die goldne Mähne ftreicheln. 


Indeſſen der erhabne Hymnus bier 

Erſcholl, war dort ein Schrei zu bören, wie 

Des Rofies, das entfegt ſich bäumt und fchnaubt, 
Wie Knarren eines voffgen Thor der Hölle, 
Wie wenn ein Eifenbogen eine Leier 

Bon Eifen ftrih’, ein Weinen, Fluchen, Läftern 
Der Tauf und legten Delung, Blaspbemie 
Drang aus dem Wirbel wilder Menſchenſtimmen, 
Wie man des Abends bört die ſchwarzen Vögel 
Der Naht in Schwärmen durch die Thäler fchwirren, 
Was war der taufendftimmige Ruf? — Es war 
Die Erde, weh, der Menſch und ihre Klagen. 


D Brüder, diefe beiden unerhörten, 

Seltfamen Stimmen, ftet3 verwehend, ftet3 

Auf's Neue tönend, die in Ewigkeit 

Der Eivige vernimmt, die Eine rief: 

Natur! — Die Andre ſprach mit Seufzen: Menſchheit. 


Ich jann im Beifte nach; zu höh’rem Flug 
Noch hatt’ er nie die Flügel ausgebreitet, 


24 


Nie drang in meine Nacht fo hell das Licht, 

Und lange träumt’ ich, wechſelsweis betradıtend 

Den Abgrund, deſſen Tiefe barg die Wellen, 

Und dann den Abgrund, welcher bobenlos 

Sich aufgetban in meines Herzens Tiefen. 

Sch fragte mid: warum doch find wir bier? 

Was ift nah Allem wohl das Ziel von Allem? 

Wozu die Seele? Was iſt befler wohl, 

Bu leben oder nur zu fein? Warum 

Hat Gott, der liest in feinem Buch allein, 

Zum unbeilvgllen Bund die Hymne der 

Natur verfhlungen mit dem Schrei der Menſchen? 
Zuli, 1829. 





25 


V. 


Causa tangor ab omni. 
Ovid. 


Am Bihonegletfcer. 
Rumweilen, wenn mein Geift, ftill rubend, auf der Schwinge 
Des Traums gewiegt, durchſchwimmt den Dceqn ber Dinge, 
Tann fällt vom Herd des Fichte, aus reinftem Aetherblau, 
Ein Strahl der Sonne, die au glüht in unjern Seelen, 
Auf meinen Geift, ih ihm in Liebe zu vermaͤhlen, 
Und ziebt zum Himmel ihn, wie Than. 


Dann, einer Wolle glei, die feine Straße kennt, 
liegt dur die Luft mein Geift, vom Nord zum Orient, 
Bom Weit zum Süd, und fhweift dahin in ftolzer Nub, 
Vom ftrablenden Gewölb’ herab , die Welt betradıtend 
Und ihre Städte, wirft, den Erdenſtaub verachtend, 

Er ihnen flüchtge Schatten zu. 


Bom goldnen Morgenrotb, das glänzt wie Sternenfeuer, 

Reißt Franſen er herab zum Schmud für feinen Schleier, 

Dann wie ein. Krieger tritt er waffenklirrend auf, 

Und feine Blige wirft er auf den Wald, den dunteln, 

Die ſchwarze Rüftung läßt im Abendroth er funleln, 
Das ihn umflammt im rafchen Lauf. 


26 


Auf einen Riefenberg , auf altergraue Wände, 

Auf fehneeige Alpen wirft ein Winpftoß ihn am Ende. 

Mas thut's? Die Wolle, die den Abgrund überfpringt, 

Zum Gletſcher wird fie jebt, aus taufend Diamanten 

Macht eine Krone fie zum Schmud für den Giganten, 
Die feine hohe Stirn umſchlingt. 


Und wie der Gipfel, den kein Menſchenfuß bejchreitet, 

So richtet er empor fein Haupt, das Furcht verbreitet; 

Am Regenbogen ftößt er mit der Rüftung an, 

Und jeben Abend, wenn im Thal die Nebel ſchwellen, 

Die Sonnenglut, die dedt den Schnee mit Lavawellen, 
Sie maht den Gletiher zum Bullan. 


Nachts gleiht das weiße Haupt dem ew'gen Morgenſchimmer, 
Der Adler, ſchweigſam, ernft, die Gemſe flüchtig immer 
Und fcheu, fie ftaunen auf zu ihm und fürdten ihn, 
Zu feinen Füßen tobt der Sturm und zuden Blige, 
Kaum reicht das Auge bis zu feiner Haren Spitze, 
So ragt er himmelhoch und kühn. 


Allein auf diefen Höhn, von Schwindel frei und Beben, 
Hier haut den Sternentag mein Geiſt, dem Grdenleben 
Schon fremd, den Himmel, der nidht blau mehr, rein, verllärt; 
ns Angefiht nun ſchaut er jenem lichten Strome, 
Ter feine Funken ftreut am nächtlich düftern Dome, 

Bis dab ein Strahl berniederfährt, 


Des Gletſchers Farbenſpiel zerftört, daß im Zerſchellen 
Die Trümmer an zum Strom, zum ſchmutzig grauen, ſchwellen 
Sr rollt und rauſcht dahin durch Felſen, die ex fchlägt, 


27 


Ins Chaos, taub und blind, ftürzt er mit wildem Toſen, 
Zum Weltenocean, dem tiefen, uferlojen, 
Der alle Bogen faßt und hegt. 


So jagt, wie ihn der Hauch des Himmels treibt, der leiſe, 
Mein Geift unruhig ftets umber im ew’gen Kreife, 

Vom irdifhen Dcean mit feinem bittern Schaum, 

Wie eine Wolle, die die Sonne trifft, die hehre, 


GSteigt er zum Himmel ftets,, und wieder dann zum Meere 


Eid neigt er aud dem Himmelsraum. 


Mai, 1829. 


23 


VI. 


Aeatuat infeliz. . 





Die eiferfüht’gen Hügel ſprachen einft _ 

Zum Atlas: — Sieh doch unsre grünen Matten, 

Wo gern die Dirne wandelt, fingt und lacht, 

Und träumt und finnt, wenn fie genug gelungen; 

Sieh unfern Fuß, gelüßt vom Dcean, 

Dem ungeihladten, der im Stillen träumt, 

Sieh unsre heitre Stirne, die die Flamme 

Des Sommers und der Thau, der fließt wie Thränen, 

Mit bunten Blumentränzen üppig ſchmückt. 

Wie kömmt's, o Rieje, dab dein kahles Haupt 

Slutäugig wilde Aoler nur umſchwirren? 

Was krümmt, wie einen Aft, auf den fein Neit 

Ein Vogel baut, die breiten Schultern dir 

Und den granitnen Rüden? An den Eeiten 

Woher die dunteln Schluchten al? Warum 

Peitſcht Di ein ew’ger Sturm mit grellen Bligen? 

Mer warf dir auf die Stirne fo viel Schnee 

Und Runzeln? — Diefes Haupt, das nie der Frühling 

Umfächeln wird, wer iſt's, der fo es beugt? 

Woher der Schweiß, der von der Stirne rinnt?... 

Der Atlas ſprach: — Die Welt iſt's, die ich trage. 
April, 1830. 


29 


Vilil. 


Oh primavera, gloventü deli’ anno. 
Oh gioveniä, primavera della vita, 


— — ten 


Seid ihr's? O fommt hervor, ihr trunknen Liebezbriefe 
Der Jugend, ach, in die ich trunken mich vertiefe, 
Ich leſ' euch auf den Knie'n. 
Jung werd' ich wieder, wie zur Zeit der erſten Wonne, 
D laßt mit euch allein mich weinen! Schöne Sonne, 
Die damals no mir ſchien! 


Mit achtzehn Jahren ſchwelgt' ich träumend im Vergnügen, 

Die Hoffnung mwiegte mih und fang mir ſchöne Lügen, 
Mich ftrahlt ein Sternbild an. 

Ich war ein Gott für dich, mein Sehnen und Verlangen! 

Ad, jenes Kind war ih, vor welchem faft die Wangen 
Srrötben jebt dem Mann. 


D Beit der friihen Kraft, mo hoch die Herzen wallen, 

Wo man den Handſchuh küßt, ver heimlich Ihr entfallen, 
Und Abends harrt und lauft, 

Bis fie vorüberftreift, wo Ruhm und Liebe grünen, 

Do, ſtolz und rein, man glaubt an Tugend und in kühnen 
Zraumbildern fi beraufct, 


30 


Gefühlt hab’ ih, geſeh'n, id weiß! — Die fhönen Worte, 
Die Träume pohen längft nicht mehr an meine Pforte, 
Sie knarrt nit mehr, fie rubt. 
O Augendzeit, die einft mir ſchien ein trüber Morgen, 
Im Schatten, unter dem id) fige jekt geborgen, 
Gib mir von deiner Blut! 


Warum verließt ihr mich, ihr ſchoͤnen Jugendſtunden, 

Was that ich denn, daß ihr fo raſch mir feid entſchwunden, 
Als wär’ ich eurer ſatt? 

Warum erſcheint ihr mir aufs New, ihr bolden Schemen, 

Wenn ihr mich doc nicht könnt auf eure Flügel nehmen, 
Den Pilger alt und matt? 


Wenn die Vergangenheit ung wieber grüßt, die Alten, 
Wir eilen auf fie zu, wir fafien fie, wir balten 
Ahr ſchneeiges Gewand, 
Wir hängen uns daran, und weinen bittre Thränen, 
Wenn table Fetzen uns, die wir nad) ihr uns dehnen, 
Nur bleiben in der Hand. 


Bergefien ſeis! — Iſt nun die Jugend tobt, wir geben 

Dem Winde fie, von dem entführt fie mag entſchweben 
Ins ferne, dunkle Land, 

Wir find ein Rätbiel, Nichts ift, was wir find und hatten, 

Hingeht, wie ein Gefpenft, der Menſch und feinen Schatten 


Nicht laͤßt er an der Want. 
Mai, 18%. 


31 


VII. 


Sinite parvulos venire ad me, 
Jesus. 


Hast fiel — Die Kinder find bier alle gut! — Wer ſagt 
Euch, daß das Bläschen, das mein Hauch zum Himmel jagt, 
Bei ihrem Hauch zerrinnen werde? 
Wer Sagt eu, daß ihr Spiel, ihr Schrei'n und Stampfen bier 
Die Mufen und Peri's verfheuhe? — Kommt zu mir, 
Ihr Kinder! Komm, du liebe Heerde! 


Kommt allefammt zu mir, fpringt, lat und fingt zumal! 
Aus eurem Auge glüht mich an ein goldner Strahl, 
Und Freude feh’ ich mir auch glimmen. 
Denn eure Stimm’ allein in diefer lauten Welt 
Ift's, die von Außen kommt, und nit als Mißton fällt 
In die Mufit der innern Stimmen, 


For Böen, die ihr fie verjagen wollt! — Ahr wißt 
Wohl nicht, daß heitrer ftet3 das Herz und milder ift, 
Wenn Kinder fpielen in der Nähe? 
Glaubt ihr, ih habe Furcht, wenn durch der Träume Blut, 
Die mid ummwallen roth von Feuer oder Blut, 
Ich all die blonden Köpfchen jehe? 


323 


Wähnt ihr, es hab’ euch fonft das Glüd fo reich begabt, 

Daß eure Wohnung, öd und ſtumm, ihr lieber babt, 
Als bier der Kinder frohes Scherzen? 

Habt Mitleid, raubt ihn nit, den Funlen Sonnenlicht 

Dem dunleln Himmel, raubt ein Kinderlaächeln nicht 
Dem kummervollen Dichterherzen. 


— „Doch überſchrei'n fie nicht mit ihrem wilden Chor 
Die beil’gen Lieder, die die Mufe leis ins Ohr 
Dir fingt, mit.ihrer tollen Runte?"... 
Mas ift die Mufe mir? O Eitelkeit, fahr bin, 
Ruhm und Unfterblichleiti Ich habe mehr Gewinn 
Bon einer einz’gen froben Stunde, 


Ein fhönes, ſtolzes Loos, fürwahr, zu fingen nur, 

Damit es wiederhallt vielleicht auf ferner Flur, 
Gefänge, die im Wind verklingen! 

Zu leben freudlos, wie kein Bettler Ieben mag, 

Zu büßen für den Traum der Naht am hellen Tag, 
Nur, um das Grab zu überipringen! 


D über Lied und Ruhm geht mir die fanfte Luft, 

Des Haufes Freude, Troft und Balfam meiner Bruft, 
Mag auch mit ihren fieben Saden 

Die Mufe fliehn, geftört durch kindiſchen Alarm, 

Mag Ruhm und Ehre fliehn, wie vor dem Schülerſchwarm 
Sich Vögel aus dem Staube machen! 


Doch nein. — Sn ihrem Kreis verldren hab’ ich Nichts, 
Die Drientale blüht im Strahl des goldnen Lichts 
- Biel Schöner, reicher auf an Ehren. 


83 


Und die Ballade glänzt nur friſcher, und es fingt 
Die Ode fühner nur die Strophen ftolzbefhwingt 
Dem Himmel zu, dem wolklenſchweren. 


Beim Spiel der Kinder ſeh' ih meine Hymnen wieder 
Aufblühn, fie duften neu, wie junge Frühlingslieder, 
Wenn auch fein Freudenftern mehr leuchtet, 

O meine Freunde, wißt: die Kindheit, frifch erglüht, 
Labt uns mit Boefie, wie frisch die Blume blüht, 
Bom Morgenroth mit Thau befeuchtet. 


Kommt, Kinder! — Garten, Hof und Treppen, Corridor 
Sind euer, tummelt euch und fchmettern laßt das Thor 
Im Morgen- und im Abendichimmer. 
Echwärmt, wie die Bien’ im Feld, fummt, lärmt undtreibet Scherz; 
Mein Olüd und meine Luft, mein Lied, mein Geift, mein Herz, 
Dir folgen fie, o Jugend, immer. 


Für Ohren, welche taub find für gemeinen Laut, 

Gibt's himmliſche Muſik, Altorve, ſüß und traut; 
Die man nur bört im tiefſten Schweigen, 

Berlorne Sarmonien, wenn Wind und Welle rauſcht 

Und Laub im Wald, es träumt die Seele, finnt und laufcht, 
Entzüdt dem fernen Geifterreigen. 


Die Zukunft, Menſch und Welt aud fein und werben mag, 
Ob Freud, ob Leid mir bringt der wechjelvolle Tag, 
Mag ich ihn fchelten oder loben, 
Die Stadt der Lebenden bemohnen möcht’ ih nur ° 
In einem Haus, wo ftet3 mir ſprudelt die Natur, 
Wo Kinder Iuftig mic) umtoben, 
V. Hugo's fämmtl. poetiſche Werke. ZIL. 3 


‚3 


Und wenn ich, ſchoͤnes Land, das jene Sprache ſpricht, 
D ie mir fo tbeuer, je dich wieder darf im Licht 
Der Mittagsfonne prangend ſchauen, 
Den Strand, wohin das Kind einft zog Napoleon, 
Die fefte Stadt des Eid, Valencia, Leon, 
Eaftilien, Arragonien’s Auen; 


Durdreifen will ih dann, — betrachtend Stadt und Land, 
Den Brüdenbogen, der zwei Bergen dient zum Band, 
Den Buadalquivir, die Thermen 
Und Burgen, die gebaut der Römer oder Mohr, — 
Im golonen Wagen nur, wo ewig mir um’3 Ohr 


Die hellen Maultbiergloden lärmen. 
Rai, 1ER. 


Fiebile nesolo quid. 
Ovid, 


— — — ⸗ 


Mlarum verbirgft Du Di? Du haft geweint, allein, 

Im Stillen. Was Did) drüdt und ſchmerzt, — was mag es fein? 
Was trübt der Seele Spiegelflähe ? 

Ein duſtres Vorgefühl? Der Reue Biß, der traf? 

Ift's die Erinnerung, die Todte wedt vom Schlaf? 
Iſt's weiter Nichts ala Yrauenfhmwäche ? 


Sabft Du der Liebe Glück Dir ſchwinden über Radıt, 

Die holden Schweftern all, die Hoffnungen, die ſacht 
Herſchweben, wenn der Morgen funtelt, 

Sie, die vor unfrem Thor befränzt fi drehn im Tanz, 

Die lächelnd deuten nad dem fernen, golonen Glanz, 

Und fterben, eh’ der Abend dunkelt? 


Kehrt' aus dem dunkeln Grab ein Schatten bei Dir ein 

Mit Freundeszügen, auf dem Antlig Schmerz und Bein, 
Und börteft Du ihn leife wimmern 

Und fragen: warn Du vor den Kreuzen, bald von Stein 

Und bald von ſchwarzem Holz wirft Inie'n im Abendſchein, 
Dran fo viel welle Kränze hängen? 


36 


Do nein, es war kein Geift und feine Bifion: 

Denn Thränen, ab, entlodt uns der Gedanke ſchon, 
Daß nie der Honig ohne Galle 

Hienieden, daß auch ſchwarz der Himmel, daß fein Biel 

Der Ehrgeiz ftet3 verfehlt, daß wir des Zufall Spiel, 
Daß Hoffnung nit ung ſchuͤt vorm Falle. 


Was fliegt dort vor uns her mit Schwingen wunderhold, 
In Burpur und Saphir buntihimmernd und in Gold? 
Wir rennen nad, wir große Jungen. 
Doch Purpur, Gold und Schmelz, fie haben nit Beitand, 
So bald den Schmetterling ergreift des Kindes Hand, 
Wenn Du, was Du gehofft, errungen. 


D weine! — Beine felbit im Glück! — Der Seufzer macht 
Dein Lied nur ſchoͤner; kaum getrodnet, füßer lacht 
Dein Auge, beitrer .uns entgegen. 
Ein Sommerregen färbt mit friihem Grün die Au, _ 
Im bellften Glanze ſchwimmt des Himmels Azurblau, 
Nachdem es rein gejpült der Regen, 


Wie Nabel bat geweint, wie Sarah, wein’ auch Dul 
Denn Schmerz ift unfer Theil, nie läßt er uns in Ruh; 
Wer lat, kann nur ald Thor erfcheinen. 
Wenn wir gefallen, hebt uns auf die Hand des Herrn, 
Die Guten bat er, mebr die Leidenden nod gern, 
Die Inien und beten und die weinen. 


D weine! Thränen ſind ein himmliſches Gefchent! 
Du haft gefehlt, es fließt die Thräne Dir, bedenk, 
Wie fie mit neuer Kraft Dich fegnet. 


37 


Dft fühlt die Seele, wenn des Zweifels Stimme fchweigt , 
Wie aus ber innern Naht der Tag, der lichte, fteigt 
Und fie mit füßem Thau beregnet. 


D weine! Bor der Welt verbirg Dih, wenn Du weinft, 

Sud’ ein Aſyl in Dir! — Und um mit Weisheit einft 
Den bitterfüßen Kelch zu leeren, 

Tief unterm äußern Glanz der froben Gegenwart, 

Sm Grund der Seele, wie man eine Frucht verwahrt, 
Birg heimlich Deinen Schag der Zähren. 


Die Blume, die gerührt dem Tag entgegenweint, 
Im ſchoͤnſten feuchten Glanz am Mittag noch eriheint, 
Und ftrahlt wie eine Himmelsleuchte, 
Tief unterm golonen Schmelz oft hegt fie einen Yund, 
Wo all ihr Duft ih birgt, in ihres Kelches Grund 


Birgt oft die Perle fie, die feuchte. 
Juni, 18%, 


X. 


Sed satis est jam posse mori. 
Lucan, 


Wo, fragt’ ih, wo ift denn das Glüd? — Ih Armer! 
Das Glück, mein Gott, Du haſt es mir geſchenkt. 


Du kommſt zur Welt und weißſt nicht, daß die Kindheit, 
Der Strom von Mil, der feinen bittern Tropfen 
Mitführt, der fhönfte Augenblid des Glücks, 

Den bier der Menſch, der flüchtge Schatten, bat. 
Die Zeit der Liebe fommt, der Süngling hegt 

Im Herzen einen beil’gen Namen, den 

Er niemals nennt, er drüdt ein heimlich Wort 
In eine zarte Hand, und nad der Wonne 

Des unausſprechlich füßen Bandes feufzt 

Er ſchmachtend, ſchaut den Wellen neidisch nad, 
Die fliehn, den Wollen, die verſchweben, fühlt 
Bei einem füßen Wort fein Herz zerflieben, 

Er kennt am Tritt die Theure, der er folgt 

Mit eiferfüchtiger Haft, er träumt bei Tag, 

Und wälzt fi ſchlaflos, glühend in der Nacht, 
Und fehnt fi weinend nad der Zeit zurüd, 

Wo nod die Seele fchläft, und fühlt ſich elend 
Selbſt unter Frauenaugen, Maienblüäthen 

Und Morgenröthen, er, der einen Blid 

Nur fucht, nur eine Blume, eine Sonne. 





Dann reißt mit haſtig eiferfücdht’ger Hand 
Bom Haupt der Frau er die Drangentnospen, 
Iſt glücklich, überjelig, und, — der Thor! — 
Kehrt weinend doch dem längft vergangnen Leid 
Sid wieder zu, im Brand des Mittags fieht 
Er welten feinen Yrühling, feinen Morgen 

Für immer, er verliert die fühen Träume 

Der Hoffnung, und er fühlt des Alters Fröfteln, 
Und wie die Laſt der Reue ſtets ſich mehrt. 
Dann von der Stine wiſcht er oft die Falten, 
Befaßt mit Kunſt, mit Verfen fi, er reißt 
Und irrt in fernen Zonen um und Meeren. 

Dft wünſcht zurüd er ſich das Alter, wo 

Man wenig jhläft; und jagt ih dann, er fei 
Doch reiht unglüdlih und ein rechter Narr 
Geweſen, nun erft komm' er recht zu Athem 
Und lebe,... dann zehn Jahre älter jchließt 

Er Tage lang fih ein, um unter Thränen 

Die alten Liebesbriefe durchzuleſen. 

Alt wird er endlich, alt! Die Haare bleichen, 
Wie welle Blumen, und in Wehmutb dentend 
Der Kindheit und der fchönen Jugendtage, 
Schlürft er den bittern Reft des buft’gen Tranks, 
Und nad dem ftummen Grabe folgt gerührt 
Mit thraͤnenfeuchtem Blid er feinen Kindern, 
Die ſchon nad ihren Kindern um fi ſchauen. 


D Gott, fo gebt von feiner beitern Wiege 

Der Menſch im Dunkeln bin zur Nacht des Grabe, 
Das beißt geweſen fein, das heißt gelebt! 

Das beißt: fein Theil an Liebe, Luft und Glüd 
Hat Jeder, Thorbeit ift'3, ſich zu beflagen. 


40 


"Das ift der Nektar, der ven Kelch uns füllt: - 
Geboren werben, um in Todesjehnjucht 

Bu leben! Wachen, und die Kindheit, wo 

Das Herz noch ſchläft, mit Schmerz zurüd fi rufen! 
Zum Greife werben, um die Luft der Jugend, 

Und auf dem Todtenbette noch das Alter, 

Ach, und zurüd das Leben fih au wünſchen. 


Wo, fragt’ ich, wo ift denn das Glück? — Ih Armert 


Das Slüd, mein Gott, Du haft e8 mir gejchentt. 
Mei, 1830. 


— — eu nn “ 





4 


xl. 


Ed jubelt ſroh das Haus und ladıt. 
Undr6 Choͤnier. 


"Sobald das Kind erfcheint, bricht in des Haufe Halle 
Der laute Jubel los, die Augen funleln alle 
Bei feines Auges Schein, 
Die trüben Stimmen, ja fogar die minder reinen, 
Entrunzeln fi, jobald fie fehn das Kind ericheinen 
So ſchuldlos, froh und rein. 


Db meine Schwelle grün umranlt die Junibige, 

Db im November nah zum Herde unfre Sitze 
Wir rüden, der erglübt: 

Sobald das Kind erfeint, beginnt ein frifches Leben, 

Man lacht, man winkt ihm zu, mag auch die Mutter beben, 
Wenn fie es geben fieht. 


Wir reden, fchürend oft die Kohlen, und erzählen 

Bom Himmel, Baterland, von Dichtern, frommen Seelen, 
Die ftebn mit Gott im Bund, 

Das Kind erſcheint, und ſchnell vergeflen find die Sänger 

Und Baterland und Gott, Raum hat der Ernſt nicht länger, 
83 lächelt jeder Mund, 


42 


Nachts, wenn die Menſchen ruhn, auf Traumeswogen ſchwimmen, 
Zur Stunde, wo man hört die leifen Klageftimmen 
Der Flut, die rauſcht durch's Rohr; 
Wenn plöglih flammend wehn ver Morgenrötbe Loden, 
Dann wedt auf weiter Flur der Schimmer auf von Gloden 
Und Bögeln einen Jubelchor. 


Das Morgenrotb bift du, o Kind, die Flur, die belle, 
Mein Geift, und duſt'ger noch ift feines Hauches Welle, 
Wenn du ihn trinfit, o Kind;; 
Mein Geift, er ift der Wald, durch deſſen Zweig’ und Blätter 
Lichtgoldne Strahlen ziehn und Liebliches Geſchmetter 
Der Vögel ſchallt im Wind. 
Denn himmliſch ift dein Blick, der ftrablend mir begegnet, 
Denn beine Hand, jo Hein und niedlich, gottgefegnet, 
Iſt malellos und rein; 
Nie ward Tein Fuß beihmupt vom Koth der Erdenmängel, 
Dein blondgelodtes Haupt umfließt, du fchöner Engel, 
Gin goldner Heilgenfdein. 


Als Taube kommft du, und den Friedenszweig zu bringen, 
Dein Füßchen ift zu ſchwach zum Geh'n, doch haft du Schwingen, 
Goldglänzend, azurblau. 
Hell ſchauſt du an die Welt, und ahnſt nicht ihre Fehle, 
Jungfräulich ift dein Leib, jungfräulich deine Seele, 
Geträntt mit Himmelsthau. 


Es if fo ſchoͤn das Kind, fo Schön fein helles Lachen, 
Sein traulih Weſen, wie es ſchwatzt von hundert Sachen, 
Meint, ſchnell den Ahränenfluß 


43 


Berfiegen läßt, entzüdt und ftaunend ſchaut ind Leben, 
Ihm hin die Seele gibt und ohne Widerſtreben 
Den rotben Mund dem Kuß. 


Mein Gott, bewahre fie, die liebend mich umfaflen, 
Berwandte, Freunde, die nicht minder, die mich bafien, 
Streu’ Allen Blumen aus 
Im Lenz, ihr Bauer fei nie arm an Vögelftimmen, 
Leer fei ihr Bienenftod nie von geſchaͤft'gen Immen, 
Nie ohne Kind ihr Haus! 
Mai, 180. 





Xu. 
Mens blanda in corpore blande. 


— —— 


© Maid, Du bift ummwebt vom reinften Strablenglanze 

Der Anmuth, Dein Geſang ift filberhell, im Tanze 
Schwebſt Du fo reizend leicht, 

Gin füßes Näthfel ift in Deinem Blid zu leſen, 

Ein holder Zauber rubt auf Deinem ganzen Weien, 
Der jedes Herz erweidt. 


Wenn Du ericheinft, o Stern, den Himmelslüfte fächeln, 
Wenn unſre Naht ein Strahl durchzuckt, Dein füßes Lächeln 
Uns in die Seele bringt; 
Dem Bogel glei, den wedt die rof’ge Morgenftunde, 
Erwacht dann ein Gefühl im tiefften Herzendgrunde, 
Ein wonniges, und fingt. 


Du hoͤrſt es nicht das Lied, es kann zu Dir nicht dringen, 
Denn Deine Seele dedt mit eiferfücht'gen Schwingen‘ 
Die Scham, jo hold und traut;- 
Der Engel, welchem Gott zur Obhut Dich gegeben, 
Nie zu erröthen braucht er, wenn Dein innres Leben 
Er heimlich ſtill beſchaut. 
April, 1681. 


— —2— —— — 


XIII. 


Wie wer Aline hold, wie reizend wer ihr Koſen, 

Die füß, was fie ins Ohr mir ſprach zur Zeit der Noſen! 

Ihr Zeubyen, die Ihr fie zu Areicheln habt gewagt, 

Habt ihr ben Böttern Nichte von uns Ins Ohr gefagt? 
Gegraiß. 





Hieh, dieſer Zweig ift dürr und grau, die Winde fegen 

Die Rinde weg, es netzt in Strömen ihn der Regen, 

Doch laß den Winter nur vergehn und ſacht und leis 

Entihlüpfen wirft du fehn ein Blatt dem harten Knoten, 

Und fragen wirft du, wie die Anospe von den Todten 

Erftehn und grünen kann am grauen, dürren Reis. . 

Dann frag’ aud, fühes Kind, warum berührt vom Sauce 

Aus Deinem Mund mein Geift, der gleicht dem dürren Strauche 

Und der umpanzert, bart, den rauben Sturm nicht jcheut, 

Warum er Anospen treibt, und junge, grüne Sprofien, 

- Barum er neu erblübt und freubig aufgefchlofien 

Bu Fühen Lieder dir, wie Laub, oft plöglich ftreut? 

Das iſt's, weil fein Geſetz bat jedes Ding hienieden, 

Weil auf die Ebbe folgt die Flut, der ftille Frieden 

Des Haren Mondlichts nah der ſiürmiſch finftern Nacht, 

Beil eined Blatts bedarf der Zephyr, das er fähelt, 

Weil nah dem Kummer mir dein ſüßes Antlig lächelt, 

Weil num der Winter gebt, und weil der Frühling lacht. 
Februar, IR... 


46 


XIV. 


Obscuritate rerum verba saepe obscurantur. 
Gervarius Tilberionsie. 


Der Pfad der Eräume, 


Mahit, Freunde, nicht in euren ſchoͤnſten Träumen, 
Grabt nicht den Boden blumiger Auen auf, 
Und ſchaut ihr einen Dcean, der ſchlaͤft, 
Schwimmt auf der Fläche, ſpielt am Ufer nur. 
Denn der Gedank' ift finſter. Unſichtbar 

Führt aus der Wirklichkeit zur Geifterwelt 

Ein Steig, abſchüfſig, weit hinab fi dehnend, 
Und breiter ftets, je mehr Du niederfteigft; 
Und wenn Du ein verhängnißvolles Raͤthſel 
Bielleiht dort aufgebedt geſchaut, dafür 
Kommft blaß zurüd Du von der düftern Reife. 


63 war ein Regentag, ver Sommer ift 

In diefem Jahr von Sturm und Wind verbuntelt; 
Der Ihöne Mat, der uns durch feinen Strahl 

Derlodt, er nimmt die Larve des April, 

Der weint und lacht. — Den gothiſch bunten Vorhang 
Zog ich hinauf und ſah von fern die Bäume 

Und Blumen, In den Regentropfen fpielte 

Auf grüner Au die Sonne, body entzüdt 


47 


Durch's offne Feniter hört’ ich aus dem Garten 
Herauf den Lärm der ausgelafinen finder 
Und der verliebten Vögel. Und Paris, 

Die großen Ulmen, Hütte, Dom und Haus, 
Es ſchwamm vor meinen Augen Alles hell 

Im goldnen Licht der Maienjonne, die 

Mil ihrem Strahl auf allen Grasbalmfpigen 
Die fhönften Diamanten bliden läßt. 

Ich überließ mid ganz dem holden Dreillang, 
Der traulid den Einfiedler bier beglüdte: — 
Kindheit und Lenz und Morgen. Läſſig, wie 
Ich felber, ließ der Fluß die rof’gen Wellen 
Sinunter gleiten, und die Sonne ließ 

Den Waflerftrom am Strand in Dampf und Dunit 
Berfliegen und in Träume meine Seele. 


Und meine Freunde jah’ im Geiſt ih rings 
Um mid, und nicht verſchwommen, leibhaft ganz, 
Wie ich fie ſehe, wenn die Treuen kommen 
Am Abend, mit dem Zauberpinjel Ihr, 

Der Teuer fprüht, und Ihr, von deren Lippen 
Die Lieder ftrömen, und wir Alle, die 

Am Kreis, betrachtend oder laufchend, fiten. 
Sie waren alle da, ihr Antlig ſah 

Ich ganz genau, au die Entfernten, die 

Die weite Welt als Reiſende durchſtreiften. 
Nah ihnen kamen die Verſtorbnen, alle 
Leibhaftig, wie fie waren, da fie lebten. 

Als ich mit Gelitesaugen eine Weile 

Um meinen Herd die Theuren mir betrachtet, 
Da ſah ich zittern ihre ſchwanken Züge, 

Die bleiben Stirnen ſah ich ſich verwiſchen, 


— —————— TE ge „ur TEL Br nn — — 





48 


Und wie ein Bad in einem See verfchtwindet, 
Eidy in der Maſſe rings um mid) verlieren, — 
Der namenlofen Maffe, einem Chaos 

Und BDurdeinander von verſchwommnen Stimmen, 
Und Bliden und von Tritten Solder, die 

Sch nie gefehn, und die ich nie gelannt, 
Lebendig Alle! — Städte, ſauſend, tojend 

Mir um die Ohren, lauter als der Urwald 
Amerila’s, als volle Bienenftöde, 

Als Carawanen in der heißen Wüſte 

Gelagert, ald Matrofen, rings zeritreut 

Auf Gottes weitem Ocean, die über 

Die ungeftümen Wellen kühne Brüden, 
Schiffsfurchen ziehend, Schlagen von der einen 
Zur andern Welt, wie von der grünen Eiche 
Zur andern ſich der filbergraue Yaden 

Die Epinne zieht, der in der Luft fich wiegt. 


Ja, Pol und Gegenpol! Die ganze Welt! 

Land, Meer, die Alpen mit der fehneeigen Stirne, 
Des Aetna ſchwarzer Krater, und zugleich 
Herbft, Sommer, Lenz und Winter, Thäler, janft 
Hinab zum Meer fi ſenkend und zum Golf 

Eid wandelnd, Vorgebirge, die vom Meer 
Aufſteigend zu Bergtetten fi am Lande 
Entfjalten, große Continente, neblig, 

Grün oder goldig leuchtend, und ohn' Ende 
Verſchlungen von -den großen Dceanen, — 

Das Ach, wie in einer ſchwarzen Kammer 

Sid eine Landſchaft fpiegelt mit ven Flüffen, 

Die Eeide glänzend, mit den wanbernden 
Geftalten,, mit den Nebeln, wallend, wie 





49 


Sin Kiffen ſchwellend, — all das ging und kam 

Und lebt’ und mogte dämmernd mir im Geift. 

Und wie ih, böber fpannend die Gedanten 

Und Sinne, taufend ferne Bilder ſchaute, 

Die mir der Windhauch oder vorwärts ſchreitend 

Die Jahrszeit jeden Augenblid enthüllte 

Auf jedem Punkt des Horizonts, da ſah 

Ich plöglic fteigen aus dem Schooß der Wellen, 

Dit neben den lebenv’gen Städten beider 

Meltbälften, andre Städte fremd und feltfam, 

Berihollner Zeiten Maujoleen, Trümmer 

Und Gräber, Pyramiden, Thürme, hoch 

Das Haupt in feuchter Wolfe, badend tief 

Im Meer den Fuß. Und andre Städte ftiegen 

Empor vom Grund, auf dem die Städte lagen, 

In welben lärmend noch fi regt das Leben; 

So zählt’ ih aus den granften Tagen drei 

Stodwerle Roms zur Stunde, wo wir leben. 

Und während die belebten Städte, laut 

Erhebend ihre Stimme, widerhallten ’ 

Bom Lärm des Volls und vom Geftampf der Heere, 

So lagen, regungslos, verſchloſſen, ſtumm, 

Vor mir die Städte der Vergangenheit, 

Die Dächer ohne Rauch, die Straßen öd, 

Die Häufer, Bienenſtöcke ohne Bienen, 

Ich lauſchte. Mächtig braust’ es. Und die todten 

Bewohner vieler Städte thaten auf 

Die Thore, wie Lebendge wandeln ſah 

Ich fie, nur daß fie mehr des Staubs erregten; 

Sah Pyramiden, Säulen, Aquadulte 

Und Zhürme, ſah ins Herz den alten Städten 
8. Hugo's ſammtl. poetiſche Merke. LIE 4 


50 


Gartbago, Tyrus, Theben, Babylon 
Und Zion, deren Schooß ohn' Unterlaß 
Geſchlechter um Geſchlechter fi; entwanden. 


So überſchaut' ih Alles, Cybele, 

Die Erd', ihr neues Antlitz, wie das alte, 
Vergangenheit und Gegenwart, die Todten 

Und die Lebenv’gen, das Geſchlecht der Menſchen 
Berfammelt wie am Tage des Gerichts; 

Und Alles ſprach auf einmal, mir verſtändlich, 
Etrusker, Thraten, Orpheus und Euander, 
Die Runen Irmenfuls, Aegyptens Ephinr, 
Zumal moderne Stimmen, wie antike, 


Was ich geſchaut, euch malen werd’ ich kaum 
Es können: wie ein Riefenbau erſchien 

Es mir, aus Trümmern aufgetbärmt 

Bon jeder Zeit und jedem Raum der Welt, 
Darin man weder Mitte fand noch Ende. 
Auf allen Stufen Racen, Böller, Stämme, 
Millionen menjchliher Arbeiter, Tag 

Und Nacht geihäftig, Spuren überall 

Stets hinterlafiend, Durcheinander wogend 
Und wimmelnd, Jeder feine Sprache redend 
Und nicht veritanden; Antwort ſuchend lief 
Ich auf und ab die Stufen dieſes Babels. 


Und während diefer dumpfen Träume kam 

Die Naht, und immer dunkler warb die Mafle, 
Und in dem undurddringlih wüften Raum 
Wuchs mit dem wachſenden Gewimmel aud 
Die Zinfterniß; verſchwommen Alles, wirr. 


51 


Ein Hauch nur ſtrich für Augenblicke wie, 
Um den unendlichen Ameiſenhaufen 
Mir ſchnell zu zeigen, durch die Nacht und ließ 
Sin weiten Fernen lichte Thäler ſchimmern; 
So wie ein Windſtoß auf bewegtem Meer 
Läßt blinken weißen Schaum, wie eine Welle 
Er wühlend hebt im golden: Saatenfelv. 

„ Und düftrer warb um mid die Finſterniß, 
Der Horizont verſchwamm, Geftalt und Form, 
Und Menſch und Dinge, Geift und Weſen wogten 
Bor meinem Hau, ein Schauer faßte mid. 
Ich war allein, und Alles floh. Rundum 
Eindden. In der Ferne ſah ih nur 
Durch's Dunkel, wie ein fchwarzbewegtes Meer, 
Sm Raum und Zeit die aufgethürmten Trümmer, 


Oh, diefes Doppelmeer von Raum und Zeit, 
Auf welhem bin und wieder ftet3 das Schiff 
Des Menſchen fährt, ich hofft’ es zu ergründen, 
Ich wollte feinen Grund beihaun, berühren, 
Durhmühlend unterſuchen, um von dort 

Herauf euch irgend einen fellnen Schatz 

Zu bringen, und die Kunde, ob fein Bett 
Beſteht aus Felfen oder Schlamm. — So tauchte 
Mein Geift denn in die unerforſchte Flut, 

Und ſchwamm im Abgrund einfam, nadt und bloß 
Vom Unausſprechlichen zum Unfidtbaren ... 
Doc plöglich kehrt’ 'er um mit einem Schrei, 
Geblendet, athemlos, erftaunt, entjet: 


Cr fand im tiefften Grund die Emigfeit. 
Mai, 183%. 





52 


XV. 
Sonnenuniergängt. 
Bunderbare Bemälde , bie das Auge dem Gedanken entbällt. 
' Ch. Nodier. 
l. 


Dem Abend, bell und ſchoͤn, dem Abend bin ich gut, 
Db er ein altes Schloß, das tief im Grünen rubt, 
Begießt mit goldnen Feuerbäden; - 
Ob ſich der Nebel dehnt big fern zur roſ'gen Höh’, 
Ob taufend Straßen fib im blauen Himmelsſee 
An Wollen⸗Archipelen brechen. 


D ſchau den Himmel an! Biel taufend Woͤllchen find 
Berrifien, aufgelöst in Flocken durd den Wind, 
Und gehn verloren auf der Weide. 
Sie plimmen auf, wenn fie ein bleiher Blig durdfährt, 
Als zög’ ein Sohn der Luft, ein Niefe, raſch fein Schwert, 
Gehällt in Wollen, aus der Scheibe. 


Die Sonne blidt, ob au durch Wollen, bell und wach, 
Und ihren milden Schein läßt fie um’3 Hüttendach, 
. Wie um die großen Dome glänzen; 


53 


Mit Nebeln ringt fie, die den Horizont umziehn, 
Und große See'n von Licht umjchreibt fie, während bin 
Sie müde finkt, mit ſcharfen Graͤnzen. 


Dann glaubft am Himmelsfeld, das fegt der Winde Spiel, 
Mit breitem Rüden Du zu ſehn ein Krolobil, 

Geftreift, drei Zähnereihn im Rachen. 
Bleifarbig ift der Bauch und fchimmert matt und bleich, 
Und hundert Wölfen glühn, goldfarb’gen Schuppen gleich 

Am Schwarzen Leib des langen Drachen. 


Hoc fteigt dann ein Palaſt. Ein Lufthauc weht, o ſchau, 
In taufend Trümmer fällt der ſtolze Woltenbau 
Der Iuft’gen Riefen und der Zwerge. 
Und uns zu Häupten hängt, mit Rofen überfät, 
Ein Wollentegel, ver das Haupt nad unten dreht, 
Gleich einem umgeftürzten Berge. 


Die Wollen all von Blei, von Kupfer, Erz und Gold, 

Sn deren Schooß der Sturm und das Gewitter grollt, 
Wo Blitze drohn aus jeder Ede, 

Gott läßt am Himmelszelt fie hängen, buntgemengt, 

Wie jeine Waffen, blank und bunt, der Krieger hängt. 
Am Balten auf der hohen Dede. 


Verſchwunden Alles! Sieh, die Sonne fintt hinab, 

Gleich einem Ball von Erz, der roth ins Feuergrab 
Des Dfens fällt, daß feine Wogen 

Aufihäumen, alfo ſinkt fie nieder, roth erglüht 

Und rothen Wollenfhaum und Yeuerfloden ſprüht 
Sie hoch hinauf zum Himmelsbogen. 


54 


D ſchau den Himmel an! Durch feine Schleier ſchau, 
Auch wenn der Tag entflohn, hinauf zum Aetherblau 
Mit unausſprechlichem Berlangen ; 
Ob fie im Winter ernft, in rätbjelbafter Pracht, 
Ein ſchwarzes Leichentuch, ob in der Sommernadt 
Sie Schön geftidt mit Sternen prangen. 
Suni, 1828. 


— — —— 


2. 


Der Tag erliſcht, es blinkt ſchon durch den Himmelsſchleier 
Hervor manch lichter Stern und glüht in mildem Feuer, 
Zum Throne langſam fteigt die Nacht im düftern Saal, 
Hier ift der Himmel gelb, dort kämpft er mit ben Schatten, 
Auf ſchwarzen Hügeln, die Lichtglanz nod eben hatten 

Und rothen Schimmer, ftirbt die Dämmerung grau und fahl. 


Dort unten fteht im Brand die Stadt, die Scheiben blitzen, 
Das hohe Münfter fammt den Icharfgegahnten Spigen, 

Des Schloſſes Thurm und der Gefangnen düftre® Grab, 
Die Thürme, zitternd leis vom Schall der Glodenfchläge, 
Am Himmelsrand, gezadt gleid einer langen Säge, 

Mit taufend Dächern hebt das Häufermeer fi ab. 


O ftänd’ auf hohem Thurm ich jeßt, um finnenb nieder 
Ku bliden auf die Stabt, die ftredt die langen Glieder, 
Bu laufchen ihrem Schrei, der tief das Herz bewegt, 

Den Seufzern, fhwer und bang, wie einer Wittwe Klage, 
Der Stimmen, braufend weit gewaltiger am Tage 

Noch, als der zorn’ge Strom, der Brüdenpfeiler Ichlägt. 


55 


Könnt’ in den Straßen ich mit brennender Laterne 

Die Wagen fehn, die fih durchkreuzen, lichte Sterne, 

Das Bolt durch Gaͤßchen hin ſich fchlängeln möcht’ ich jehn, 
Den grauen Federbuſch auf rauchenden Kaminen, 

Die Häufer, buntgefhmüdt mit Wappen, hellbeſchienen 
Bon hundert Lichtern, die auffladern und verwehn. 


Mag ſich die alte Stadt auf ihrem Lager ftreden 
Bor meinem Auge, und mit einem Seufzer reden 
"Die Glieder, wie man feufzt wohl müd vom langen Gehn, 
Alein noch wachend möcht’ ich body berunter [hauen 
Auf das Gemühl, das to8t dem Meere gleih, dem grauen, 
Die Riefin möcht’ ich mir zu Füßen fchlafen fehn. 

Zuli, 1828, 





3, “ 
Nur weiter! Gerne feh’ ich meinen Schatten fchreiten 
Im Abendſonnenſchein und wachſend Yang ſich breiten, 
Und dann die nahe Stadt; vorm Auge liegt ſie mir; 
Um, was mir flüſtert mein Gedanke, zu erlauſchen, 
Tönt mir um's Ohr das dumpfe Rauſchen 
Der Weltſtadt viel zu laut noch hier. 


Noch weiter will ich fliehn, bis hinter grünen Straͤuchen 

Das Nebelmeer, das ſich vom Wind nicht laͤßt verſcheuchen, 

Und um die Thürme wie ein Helmbuſch wogt und wallt, 

Mir jhwindet, bis mir vorm Geſumm der Abendfliegen, 
Die tanzend in der Luft ſich wiegen, 


Das Tofen von Paris verhallt. 
Auguſt, 1828. 











56 


4 


Gebt Flügel mir, ih kann nicht wohnen 
Hier länger, laßt mich, laßt mich ziehn, 
Nah fernen Himmelsregionen 

Laßt den Verſchmachteten entfliehn, 

Laßt eine andre Welt mich fchauen, 

Lang bab’ id in der Nacht, der grauen, 
Rah einem Leuchtthurm fchon gefpäbt. 
Nicht zweifeln will ich mehr und träumen, 
Vielleiht man bört in jenen Räumen, 
Was man bier unten laum verftebt. 


D gebt mir Segel, gebt mir Schwingen! 
Laßt einen Wunderkahn mid baun, 

Bu andern Sternen möcht' ich dringen, 
Das Kreuz des Südens möcht' ih ſchau'n. 
Mer weiß, ob nit in jener Sphäre 

Der Schlüffel auch zu finden wäre, 

Der das Verborgenſte erfchliebt, 

Ob nicht der Sänger, der geweihte, 

Viel leichter auf der andern Seite 

Sm großen Bud) des Himmels liest. 


Auquſt. 


1828. 


5 


5. 
Oft im verihwimmenven Gewölt, am fernften Saum 
Der Wand von Nebel, die für Augenblide kaum 
Durchbricht der Abendlüfte Wehen, 
Wirft durch die Lüden, die aufthut ein jäher Stoß 
Des Windes, du erftehn ein goldnes Riefenfchloß 
Aus taufend Wolkenſchichten ſehen. 


Berwundert fchweift der Blid zum bunten Gimmelsrand , 
Und fieht im Aethermeer ein ſchwimmelld Snfelland , 
Ein Wunder aus dem Reich der Fabel: 
Es fteigt und überfteigt die ferniten Wollen noch 
Mit Treppen, Brüden und mit Thürmen himmelhoch 
Ein ungeheure, luft'ges Babel, 
Geptember , 1628. 


6. 
Die Sonne ging hinab, die Wollen find geblieben, 
Und morgen folgt der Sturm, der Abend, dann die Naht, 
Dann wieder Morgenroth, das graue Dünfte trüben, 
Dann Tage, Nächte, bis der Zeiten Lauf vollbradt. 


Sie geben al dahin die Tage, über Matten, 

Gebirge, Thäler ziehn fie, über Meer und Strom 
Und über Wälder dichtbelaubt, in deren Schatten 
63 rauſcht fo düfter, wie ein Todtenlied im Dom, 


Der Berge faltge Stirn, des Waflers Silberfläde, 

Die Wälder immergrün, die friiher Glanz umfließt, 
Berjüngen fih, der Strom des Thale nimmt die Bäche 
Und Quellen auf des Bergs, die er ind Meer ergießt. 








58 


—5* und kalt bin ich, gebeugt von tieſen Wehen. 
Twarm der Sonnenſchein mir auf ten Scheitel fällt, 
Bald mitten in dem Feſt werd’ ich von binnen geben, 
Und Nichts vermifien wird die Schöne, heitre Welt. 
pril, 1028. 


59 


XVI. 


Oh! talk not to me of a name great in story, 

The days of our youth are the days of our glory. 

And the myrtle and ivy of sweet two-and-twenty 

Are worth all yoar laurels, though ever so plenty. 
Byron, 





Es kommt ein Tag, an dem der eble Künftler 
Den Drud der Jahre fühlt auf feinem Haupt. 
Und eined Morgens wacht er auf und ſeufzt: 

— Ich babe did verpraßt, o goldne Jugend; 

Sie ift dahin, kaum blieb ein Heiner Ref, 
Ah, dem Verſchwender gleich ih, der mit Thränen 
Hinunter auf den Grund der Kaffe ſchaut. 


Sein Haupt, auf das die Sonne heißer brennt, 

Sentt tiefer ih, der Blume gleih am Mittag. 

Und wenn zufällig unter feinen Füßen . 
Gr feucht den Raſen findet, wie am Morgen, 

Dann ſpricht er — denn er weiß, daß längft vorbei 
Sein Morgenroth —: Ah, Regen iſt's, nit Thau! — 
Es ift vorbei. Zwar reifer ift fein Geift, 

Vielleicht die hoͤchſten Höhn erreicht fein Flug, 

Des Rauchs ift weniger am Herde, wo 

Sein Feuer brennt; fein Stern ift hoch geftiegen, 

Und feltner wird vom Nebel er verbuntelt, 


60 


Des Beifall fihrer dur die Rennbahn jagt 

Sein Renner: — Aber Eins ift nicht mehr fein, 
Um über feine Werte, holdbekränzt 

Bon Lieb’ und Anmutb, reih ihn auszuſchütten: — 
Der friſche Zauberreiz ber jungen Sabre, 


Dh, keine Macht gibt den zurüd! — So oft 
Er ausgeht, die Gedanken zu erhaſchen, 

Die man zufällig oft am Wege findet, 

Die machen, daß der Künftler Abends beim 
Zum Freunde ftolzer kehrt, erhobnen Haupts; 
So oft er träumend in der Irre gebt, 

Sei’3 auf der Wiejen ſeideweichem Schmelz, 
Sei’3 im’ Gehölz, mo helle Lieder tönen, 

Die in das junge Morgenrsth die Meinen 
Maldyögel fingen, jei’s im vollsbewegten 
Bedränge.: — denn Paris nnd fein Getümmel 
Hat aud fein Schöne, und der Menfchenitrom 
Am Abend auf den dunkeln Kai's ift wieder 
Nur eine Ebb’ und Flut von Licht und Schatten — 
Am Grund von Allem, immer, überall, 

In feinem Geifte, jelbft wenn ihn die Kunft 
Berauſcht, bezaubert, laͤchelnd ihn umſchlingt, 
Sn feinen Liedern ſelbſt, in feinen fchönften 
Gedanken, die ihn blüthenreih umgaufeln, 

Er findet, wo fein trübes Auge weilt, 


Vergangenheit und nur Vergangenheit. 
j November, 1891. 


61 


XVII. 


Amor de mi pecho, 

Pecho de mi amor! 

Arbot, que has hecho, 

Que has hecho del flor. 
Bomance. 





Eh meine Lieder, leicht und Iuftig, 
In friiher Jugend blühend, duftig, 
Die undanktbare Welt erhielt, 

Fern dem Gedräng und dem Gebrülle 
Wie haben fie in Iuft’ger Fülle 

Und Pracht um meine Stirn geſpielt. 


Vom Baum gefallen nun, vom Wüthen 
Des Norbwinds bingewellte Blüthen, 
Gelnidt, zerfnittert find fie beut, 
Berzettelt und entjtellt durch Fleden, 
Womit fie Staub und Koth beveden, 
Wie Wind und Welle fie verftreut. 


Mie Blätter, die am Boden liegen, 
Seh’ ich fie hin und wieder fliegen, 
Die Blüthen, Kinder meines Traums; 
Die Menge, unbold meinem Lenze, 
HBertretend meine Blüthentlränze, 


Geht hin und lacht des kahlen Baums. 
September, 1828. 


XV. 


D weine, Tugend, wenn ich fterbe. 
Undrs Choͤnter. 


Ein letztes Wort noch, Freunde! — und ich ſchließe 
Das Büchlein, meinem Geifte fchon entfrembdet. 
Was man darüber ſpricht, id hör’ es nicht; 

Fragt auch der Born, wohin fein Wafler rinnt? 
Was kfümmert’3 mich, der ih der Zukunft vente, 
Wohin der trodnne Herbitwind wehen mag, 

Der mit fih nimmt auf feinen rauben Schwingen 
Des Baumes Blätter und des Dichter Lieder? 


Kung bin ih noch, und wenn auf meiner Stirn, 
Wo fo viel Werte keimen und Gefühle, 

Auch jeder Tag mir neue Falten bringt, 

Die Furchen, die des Denkens Pflugſchaar zieht, 
Doch bat auf meiner dunkeln Lebensbahn 

Mir noch nicht dreißigmal geſtrahlt der Lenz. 

Und des Jahrhunderts Sohn bin ich! Es ftreift 
Mir einen Irrtbum jedes Jahr vom Geift. 
Enttäufoht, entfagend, euch nur lieb’ ich noch, 

O beilges Baterland, o heilge Freiheit! 


Die Untervrüdung haſſ' ih tief und ehrlich. 

Und hör’ id, daß in irgend einem Winkel 

Der Welt, wo raub der Himmel, ein Torann 

Der König, bingewürgt auffchreit ein Volt, 

Wenn, von den Chriftenlönigen verratben 

An türkiihe Henker, unfre Mutter, Hellas, 

Sid wunden Leibes krümmt und ächzt und ftöhnt, 
Wenn Jrland fi verblutend hängt am Kreuz, 
Wenn Deutſchland fih in Feſſeln unter dreißig 
Tyrannen fträubt und krümmt, wenn Liffabon, 
So ſchön und heiter fonft, am Galgen hängt, 

Und Miguel den Zub ibm ſetzt auf’ Haupt, 
Wenn ein Albani herrſcht im Baterland 

Des Cato, wenn Neapel ibt und jchläft, 

Wenn Deftreidh mit dem Stod, dem plumpen Scepter, 
Das nur die Furcht geweiht, den Flügel ab 

Dem Löwen von Benedig fhlägt, wenn unter 
Dem Erzherzog erbrofielt Modena 

Berröchelt, wenn am Bett des fiehen Königs ' 
Sid Dresden bärmt, und zu letbargiihem Schlummer 
Madrid zurüd fi legt, wenn Wien in Mailand 
Gewaltig berriht, wenn wie ein Stier, der Furchen 
Im Ader zieht, der Löwe Belgiens 

Sich beugt und kaum noch Zähne hat, zu beißen 
In feinen Knebel, wenn ein ſcheußlicher 

Koſak in wilder Gier auf Warſchau's Leiche 

Sich, die zerzauste, wirft und Frevel übt, 

Sich wälzend, an der Jungfrau, die im Grab 

Im keuſchen Bahrtuch bingebreitet liegt, — 

Ha, dann verfluch' ih fie in ihrem Schloß, 

Sn ihrer Höhle diefe Kön’ge, die 

Im Blute waten bis zum Bauch des Roſſes. 


— 


64 


Ich fuͤhl's, ihr Richter iſt der Dichter, fühle, 
Daß mit gewalt'ger Hand die zorn’ge Muſe, 
Wie an den Schandpfahl, an den Thron fie binden, 
Halseifen aus den Kronen Ichmieben Tann, 
Und daß fie Aönigen, ftatt fie zu fegnen 
Mit einem Lied, ein Schanbmal auf die Stirne 
Kann brennen, das für alle Zeit fie zeichnet. 
Wehrloſe Völter, euch gehört die Mufel 
Die Liebe, die Familie, die Kinder 
Bergeif ih dann, das heitre Saitenfpiel, 
Das weiche Lied, und eine Saite noch 
Bon Erz auf meiner Leier zieh’ ich auf. 
Revember,, 1831. 


Ende ber Herhfiblätter. 





Lieder der Dämmerung. 





8. Hugo's fimmil. poetiſche Werke. W. 5 


V 


Vorrede. 


Die Verſe, die an der Spitze dieſer Sammlung ſtehen, 
deuten den Gedanken an, ven fie enthält. Das Vorſpiel er- 
Täutert die Gefänge. 

Heutzutag ift Alles, die Ideen, wie die Saden ‚die Ge⸗ 
jellichaft, wie das Individuum, im Buftand der Dämmerung. 

Welcher Art ift diefe Tammerung? Was wird nad ihr 
tommen? 

Eine gewaltige Frage, die höchſte von allen, vie herum⸗ 
wogen in biefem Jahrhundert, wo überall und an allen Enden 
ein Fragezeichen ftebt. 

Die Geſellſchaft ift darauf gefaßt, daß der Punkt am Hori- 
zont fi entweder auf einmal entzündet, oder vollends ganz 
erlifcht. 

Mehr läßt ſich nicht fagen. 

Das diefe Sammlung an fi) betrifft, fo läßt ſich eben- 
falls nicht mehr darüber fagen. 

Wozu foll ich den vielleicht kaum fihtbaren Faden bemert- 
lich machen, der dieſes Buch mit den früheren verbindet? 

Es ift immer derſelbe Gedanle mit andern Beforgnifien, 
diefelbe Woge mit andern Winden, dieſelbe Stirne mit andern 
Falten, vafjelbe Leben in einem andern Alter. 

Der Dichter wird wenig Gewicht darauf legen. 








68 


Er läßt fogar das Perſönliche in feinen Werken nur de® 
wegen ftehben, weil e8 vielleicht mandmal ein Refler des Al- 
gemeinen ift, 

Gr glaubt nicht, daß feine JZndividualität — wie man 
fih heutzutage nicht eben geihmadvoll ausprüdt — die Mübe 
verlohnt, in anderer Weife ftudirt zu werden. 

Auch blidt fie, wie man fih num diefelbe vorftellen mag, 
nur ſehr undeutlich aus feinen Werten hervor. 

Der Verfaſſer ift namentlich himmelweit davon entfernt 
zu glauben, daß alle die folgenden Lieber je als pofitives 
Moterial für die Geſchichte irgend eines menſchlichen Herzen? 
betrachtet werben koͤnnten. 

Es ift in diefer Sammlung viel Geträumtes. Was mand- 
mal vielleicht in biefer Sammlung deutlicher ausgebrüdt ift, 
was den Verfaſſer hauptſächlich beihäftigt bat, während er die 
nachfolgenden Verſe da und dort verfiteute, das ift dieſer fon 
derbare Dämmerungszuftand der Seele und der Gejellichaft in 
dem Jahrhundert, in dem wir leben; es ift nad Außen ber 
Nebel, im Innern diefe Ungewißheit, es ift das Helldunfel, 
das ung umgibt. 

Daher in diefem Bud die Ausrufungen der Hoffnung 
vermijcht mit Zweifeln, dieſe Liebesliever, unterbrochen durd 
Klagen, dieje Heiterkeit, durchdtungen von Sram, dieſe Kie- 
dergeichlagenbheit, die ſich plötlicy wieder freudig aufrafft, dieſe 
Ohnmachten, die ſich Schnell wieder verlieren, vieles file 

Leiden, dieſe innere Unruhe, die faum die äußere Oberflähe 
des Liedes bewegt, dieje politiiden Stürme mit aller Rube 
betrachtet, in der Religion dieſe Rückkehr aus der Deffentlid- 
keit zur Yamilie, dieſe Furcht, es mödhte am Ende Alles in 
Nacht verfinken, und für Augenblide dann wieder diejer freudige, 
geräufhvolle Glaube an die Möglichkeit des Aufſchwungs ber 
Menſchheit. 


69 


In diefem Buch, das Angeſichts jo großer Gegenftänbe 
fehr Hein ift, finden ſich alle Gegenjäge, der Zweifel und das 
Dogma, der Tag und die Nat, der dunkle und ber lichte 
Punkt, wie in Allem, was wir feben, wie in Allem, was wir 
in diefem Jahrhundert denken; wie in unfern politifchen Theo⸗ 
rien, in unfern religiöfen Meinungen, in unferem häuslichen 
Leben, in der Geihichte, die man uns macht, und im Leben, 
das wir und maden. 

Das legte Wort, das der Verfafler beizufügen bat, ift das: 
daß er in diefer Periode der Erwartung und des Webergangs, 
in dieſer Seit, wo die Diskuſſion fo heftig, jo ſcharf, jo durch⸗ 
aus extrem ift, wo es eigentlich nur zwei Worte gibt, die man 
hört, begreift und beflatiht: — Ja und Nein, — daß er 
weder zu Denjenigen gehört, welche verneinen, noch zu Denen, 
welche bejaben. " 

Er gehört zu Denen, die hoffen. 


25. Oktober, 1835. 





Yorfpiel. 


Wie nenn’ ih, Stunde, bi, in der wir find und leben? 
Auf allen Stirnen fteht der Angſtſchweiß; jehn wir nicht 
Am boben Himmel, wie im Menjchenberzen, weben 

Eid in einander Tag und Duntel, Naht und Licht? 


Verzweiflung, Glaube, Lieb’ und Glut der Leidenihaften, — 
Nichts brennt am Tage hell, und naͤchtlich ſchwarz tft Nichts, 
Die Welt, an der wie Schaum und Schein die Dinge haften, 
Liegt halb im Dunkel, doch entbehrt fie nicht des Lichts, 


Was in dem Dunkel rauſcht, dem horcht der Geiſt in Stille: 
Den Bogelfänger hört er pfeifen tief verftedt; 

Hört zittern leis das Blatt im Tidiht, dag ala Hülle 
Vielleicht ein volles Neft, vielleicht ein Blümchen dedt; 


Er hört die Schritte, die fern aus dem Dunkel ſchallen, 
Des Wandrers, dem ber Weg vorm Blid zu fliehen fcheint, 
Er bört das grüne Schilf im Winde zitternd wallen, 

Den Abenvglodenklang, der durch die Lüfte weint; 


Das Eyheu flüftern hört er hoch an Maueripalten, 

Den Sturmwind ſchnauben um das Schiff mit wilder Gier, 
Die Wagen Inarren, die gefperrt am Kreuzweg halten, 
Eid ftoßend mit dem Rad, wie mit den Geiftern wir; 





71 


Es rauſcht im Chore mit der Bettlerin Gewimmer, 

Der Ruf: „Jehovahl' tönt, wie jener: „Satan!” mit, 
Der Straße Stimmen, raſch verweht, verworren immer, 
Das Herz, das pocht, der Fuß, der laut den Boden tritt; 


Die Wellen ohne Zahl, die frifche Luft am Morgen, 
Der Kiefel, über den der Bach, ihn waſchend, jagt, 
Und Alles, was, beſchwert mit eitlen Menſchenſorgen, 
Der Bflug der Furche, was das Rad dem Pflafter jagt; 


Die Barke, die vom Etrand hinweg der Arm bes Yergen 
Am Abend lenkt, aus der ein Lied zur Laute Klingt, 
Ser Wälder Orgel, die hbinbraust an Feljenbergen, 

Und jener Klageton, der aus den Städten bringt; 


Der Menſch, der, der Natur zur Seite, ftöhnt, umgeben 
Vom heutigen Geſchlecht, das lachend lernt und lehrt, 
Das jeden Blauben höhnt und kühn ihm gebt ans Leben, 
Lem in des Herzen? Grund des Zweifels Hefe gährt!... 


Aus all dem wirren Lärm fteigt auf, — ob trüb vom Schlamme, 
Ob rein? — das laute Lied, das dies Kahrhundert fingt, — 
Vielleicht die Leihenfrau, — wer weiß? — vielleicht die Amme, 
Die uns ein Leichentuch, 7 ein Wiegentifjen bringt? 

* 


%* 
— Schaut nad dem Drient! — Was feht Ihr dort, ihr Dichter? 
‚Dem Dften zugewandt fei Euer Liederfang! — 
— Bir fehn im Often Nichts ald dämmernd trübe Lichter!* 
So feufzten Stimmen, die geſchwiegen allzulang. 


„Am fernen Himmel herrſcht noch Schweigen, tiefer Friebe, 
Und hinterm Berg erſcheint ein dämmernd bleihes Licht, 
Dem fernen Feuer gleib in einer dunleln Schmiede: — 
Man fieht die Funken ſprühn, die Hänmer hört man nicht. 


72 


Wir wiſſen nicht, ob dort, im fernen Hintergrunde, 
Das lichte Morgenrotb,-die wahre Sonne brennt; 
Was unfrem Aug’ erjcheint in diejer dunleln Stunde 
Als Orient, es iſt vielleicht der Dccident. 


Vielleicht der Abend ift der Morgen, den wir träumen, 
Vielleicht dag goldne Licht, nad) dem die Menſchen bang 
Und boffend ſchau'n, das Roth an jenen Wolkenſäumen, 
Nicht Sonnenaufgang ift’3, ach, Sonnenuntergang!" — 

* * 
Die Seelenangſt, ſie nimmt nur zu im Lauf der Stunden. 
Gerechter Gott, iſt dies der Morgen? Iſt's kein Schein? 
Iſt er's noch nicht? Iſt er vielleicht bereit verſchwunden ? 
Iſt dies das Ende wohl? Sollt' es der Anfang ſein? 


Bon trubem Dämmerfchein find Herz und Welt umfloſſen; 
Die Augen, ab, für die, nad Gottes heil'gem Plan, 

Die Sonne ſcheint, die kommt und geht, — find fie geichloffen 
Am Ende ſchon? Sind fie noch gar nicht aufgethban ? 


AU der verworrne Lärm, den unfer Geift vernommen, 
Vielleicht das Rauſchen iſt's der Sylügel, die zur See, 

Zu Land ſich rüften, um nur fort, nur fort zu kommen. 
Vielleicht die Erbe ruft ung fterbend zu: Ade! 


AU der verworrne Lärm, dies Braufen und dies Wehen, 
Das oft wie Harfen klingt und Nadtigallenichlag , 

Ein Hau von Eden ift’3 vielleicht, fein Neueriteben ; 
Bielleicht die Erde ruft erwachend: „Buten Tag!“ 


Die Bäume lifpeln. Ob fie Hagen? Ob fie ſcherzen? 

Ein Vogel fingt. Iſt er wohl heiter? Iſt ihm bang? 

Es rauſcht der Ocean. Iſt's Freude? Sind es Schmerzen? 
Tie Menden murmeln. Iſt's ein Angſtſchrei? Iſt's Gefang ? 


— — 


73 


In folder Dämmrung freut des Lebens fih kein Weſen. 
Dort auf der Mauerbant figt ſtil am Monument 

Der alte Priefter — laum vermag er noch zu leſen 

Im Dunkeln — und ftubirt ein altes Pergament. 


D Briefter , hoffe nicht, das Dunkel aufzubellen, 

Der Menſch veriteht nicht mehr das ewge Gotteswort. 
Rings wuchern Zweifel um den Sinn der beil’gen Stellen; 
Hier ift ein Wort des Zorns, doch die Verheißung dort. 


Ob wachend, ob im Schlaf, ob willig, ob verwundert, 
Uns reißt das Schickſal fort, wir müfjen vorwärts gehn; 
Sei e3 zum Leben, jei’3 zum Sterben, das Jahrhundert, 
Das raftlos irrt und ftrebt, wird die Entſcheidung jehn. 


Der ferne Horizont, den wirre Tön’ umfluten, 
Wird er ſich röthen bald ® ft bald fein Licht verweht? 
D barre, Menfchengeift, noch wenige Minuten, 
Ob niederfintt die Nacht, ob auf die Sonne gebt. _ 

* M * 
Dem trüben Oſten zu gewandt, wie alle Andern, 
Die Stimmen ſammelnd all, vor denen oft uns graut, 
Die uns erquicken, die uns ſtärken oft im Wandern, — 
Des Herzens Seufzer, wie der Menſchheit Klagelaut, — 


60 fingt der Dichter Euch, der ewig rubelofe, 
Ein treue Echo fagt Euch Alles fein Gedicht, 
Was ftill die Seele träumt, und mas die Welt, die große, 


Im Dunkel barrend fingt und ftammelt, feufzt und ſpricht. 
20. Oktober, 1835. 


Rieder der Dämmerung, 


I. 
Uach dem Iuli 1830. 


l, 


Aug Ihr, o Brüder, habt nun Eure Ehrentage, 
Den Kranz von Eichen, wie den Kranz vom Rofenbage, 
Die Bürgerlrone, und, — jo jhön im Morgengraun 
Des Lebens, — Ruhm und Sieg und Todte, fhön entfalten, 
"Die jungen Fahnen ih, durchloͤchert, daß die alten 
Von Aufterlig mit Neid fie ſchaun. 


‚Seid ftolz! Der Väter werth, der Helden, find die Jungen; 
Des Volles Rechte, die es blutig fich errungen, 
Noch lebend fandet Ihr fie auf der Leichenflur ; 
Die Juliſonne gab Eu, ftet3 mit Ruhm zu nennen, 
Drei Tage, heiß, daß fie Baftillen nieverbrennen, — 
Die Väter hatten Einen nur. 


%a, ihre Söhne feid Ihr wirflih! Ihre Seelen 
Voll Muth und Feuer ſind's, die Euch die Arme ftählen, 
Sie fingen an; geführt habt Ihr nun Euren Schlag. 





76 


Ya, Sure Mutter it Frankreich, das ein Jahrhundert, 
Wenn’? ihm beliebt, — der Welt ein Vorbild, hochbewundert — 
Bufammenbrängt in Einen Tag. 


Der freie Britte preist, es preist des Griechen Zunge, 
Europa preist Euch laut, Amerila, das junge 
Jauchzt über’3 Meer Euch zu. Drei Tage reiten ſchon, 
Um zu befrein das Land von Zwingherrn und von Sklaven, 
Die Erftgebornen feid Ihr eines Stamms von Braven, 

Und Jeder ift ein Rieſenſohn. 


Für Euch nur haben fie den weiten Siegesbogen 
Durd lange Schlachtenreihn von Land zu Land gezogen, 
Die wunderbare Bahn, die leihenüberfät, 
Don Frankreich über Rom und Moskau's Flammengafien, 
Cairo, Cadix, um den Erdkreis zu umfaflen, 
Nah Montmirail von Jemappe gebt. 


Die Kinder feid Ihr all der Triegrifhen Lyceen, 
Da jauchztet Zhr, fo oft Ihr faht des Siege Trophäen, 
Der Fahne Echatten Spielt’ um Guer Kinderglück. 
Gekreuzt die Arme ging, vorfhauend unterm Hute, 
Er finnend oft an Eudy vorbei, magnetiſch rubte 

Auf Eurer Stirn des Helden Blid. 


Du ftolzer Adler, der voranflog unjern Heeren, 

Der blutge Federn ftreut umber auf Land und Meeren, 

Aar, deſſen Domnerkeil erloſch im Wogengraus, 

Du, der im Horſt ſie warm gehegt, nicht länger zügeln 

Darfit Deine Freude Du, ſchrei, ſchlage mit ven Flügeln, 
Aar, Deine Jungen flogen aus. 





76 


2. 


Als eines Morgens, ftarr vor Schreden 
Und ſprachlos, unſre Stadt fih, ba, 
Berftridt, umgarnt an allen Eden 


. Von ſchaͤndlichen Gefegen ſah, 
Da ſpracht Ihr all, ihr braven Jungen: 


„Verrath! — So wären wir bezwungen? — 
Der Völker Hoffnung ift nod reg; 

Um in die Irre fie zu treiben, 

Genügt’3, die Aufſchrift umzufcreiben, . 
Die ihnen wies den rechten Weg? 

Das Wort durchblitzt den dunkeln Nebel 
Und fegt ihn weg, fo did er qualmt; 

Du, Wahrheit, weißft, wie jeden Knebel 
Man knirſchend unter'm Zahn zermalmt. 
Dir kann ein Fürft dad Louvre ſchließen, 
Ihn mag Dein flammend Licht verdrießen: 
Löſcht, Diener, tretet’3 in den Grund! — 
Euch brennt die Glut fur, die verbaßte. 
Dir kann das Thor man zum Balajte 
Berfchließen, aber nit den Mund! 

Wie? Was geglüdt uns, zu eritreiten, 
Was unſre Väter ſchoͤn vollbracht, 

Die Frucht der Arbeit aller Zeiten, 

Will man uns rauben über Nacht? 
Verfaſſung und Geſetz zerſchmettern 

Sie, wie ein Haus aus morſchen Brettern, 
Ein Sommertag, — und Stück für Stüd 
Zerbrochen ift, zeritört, geſchändet 

Dein Werk, o Freiheit, das vollendet 

In vierzig Jahren Dein Geſchick. 


v 


77 


So war's für fie, daß im Triumphe 

Dabin wir ftürmten tühn und groß? 

Für fie, daB Kopf um Kopf vom Rumpfe 
Einft fant und Blut in Strömen floß? 

Für diefe feigen Zwingherrn hätte, 

Mit Rom und Hellas um die Wette, 

Das Boll gelämpft mit Müh’ und Schweiß? 
Für fie jo viele Städt’ in Trünmern? 

Für fie jo viele Au’n, die Simmern 

— Einft grün — von Menſchenknochen weiß? 


Wie können ſie's zu träumen wagen? 
Die Thoren, ted, vol Zuverfiht, . 
Sind fie mit Blinpheit denn gejchlagen, 
Sehn fie den Schwarzen Himmel nicht? 
Sehn fie in ihren ftolgen Träumen 

Nicht voll den Kel zum Ueberjhäumen? 
Nicht, wie das Volk fie, ſchlecht erbaut, 
Verfolgt mit Bliden, heimlich grollend, 
Und wie der Leu, die Augen rollend, 
Im Stillen feine Klau'n befhant ?* 


3. 


Das Bolt erhob fih. — Kind und Jüngling, Frau und Gatte, 
Wer einen Arm, wer nod ein Herz im Bufen batte, 

Der kam, der lief herbei. Es mwälzte Tag und Nacht 

Das Bolt mit lautem Lärm fih auf die Truppenmadt. 
Umfonft die alte Stadt mit Bomben und Kartätjchen 
Berfegten fie, als galt’ e8 ganz fie zu zerquetichen, 

Man ri das Pflafter auf und warf die Mauern ein, 

Die Leihen lagen um die Häujer ber in Reih'n. 


78 


Wenn die Kanonen weg die tapfre Menge fegten, 

Sie Schloß fich wieder gleih dem Meer, dem fiurmbewegten, 
Die Glocken beulten laut und fchrill von jedem Thurm, 

Und riefen alles Boll der Borftadt auf zum Sturm, 


4. 


Drei Tage glühend und drei Nächte 
War alles Volk, ein Flammenmeer. 

Es ſchlug ſich fühn für feine Rechte, 
Und mander Tſchako wurde leer. 

Stets neue Legionen zogen 

Im Eturm beran: — in rothen Wogen 
Aufbrauste wild der Bürger Muth. 
Soldat und Führer, Roß und Reiter, 
Sie gingen auf, wie bürre Scheiter, 
Geworfen in die heiße Glut. 


D ſprich, wie konnteft du fo raſch den Zorn befchränten, 
Du Stadt, drei Tage lang beraufcht von Kampf und Sieg? 
Volksſtrom, wie ift e8 dir geglüdt, zurüdzulenten 
Ins Bett die milde Flut, die hoch und höher ftieg? 
Erdbeben, Wirbelwind,... laut ſchnob der Sturm der Race; 
Das Volt in feinem Born, vergaß es drum fein Heil? 
Klug traf e8 feine Wahl, treu feiner guten Sache, 

Indem es warf den Donnerkeil. 


So kam's, weil Kraft und Maß und Tugend 
Wohnt in den Eöhnen dieſer Stadt, 

Weil eine heldenkühne Jugend 

Zum Bolt im Kampf gejellt ſich bat. 


19 


Wie auch fortan das Loos euch falle, 
Nur Gine Eeele habt ihr alle, 

Die niht Gefahr no Opfer ſcheut. 
Ein großer Tag! Ein ftolzes Rauſen! 
Noch geftern wart ihr nur ein Haufen, 
Ein Bolt geworden feid ihr heut. 


Meineivge Raͤthe, die gefhürt die arge Flanıme, 
Seht nun das Volk, das ihr durch Frevel aufgeregt. 
Den legten Königen von dem verfludhten Stamme 
Schickt ſolche Geißeln Gott, wenn ihre Stunde fchlägt. 
Die Thoren, die gewähnt, — (unfeliges Verlangen: 
Weh Jedem, deffen Blid mit Blindheit Gott verhängt): — 
Tie Freiheit einer Welt, man könne meg fie fangen, 
Wie man im Nep den Vogel fängt. 


Verwiſcht die Spuren nicht! Die Narbe 
Steht Ihön dem Krieger im Geſicht. 

D nehmt die kriegeriſche Farbe 

Der Stadt, der wundenreidhen,, nicht. 
Die Unfern find’, die bier gefallen. 
Den Helden, wie den Opfern, Allen 
Thut auf das Grab des Bantheon, 
Gebt feine Gruft, und ohne Weile, 
Louis dem Sebzehnten, feine Säule 
Gebt wieder dem Napoleon. 


80 


5. 


Rat um den dürren Stamm, der vom Gril gelommen 

Und ins Eril nun gebt, mich weinen! Weggenommen 

Hat dreimal jhon der Sturm ihn, jählings weggeweht. 

Die legte Chr’ erweist dem alten Königsftamme, 

Du, Fahne von Fleurus, foljt vor der Driflamme 
Dich neigen, die von dannen gebt. 


Kein böfeg Wort! Hinweg laßt fie die Schritte lenken, 
Des Dichters Lebewohl foll auch den Greis nicht Tränfen, 
Den zögernd ind Eril der Fuß, der müde, trägt. 

Mir geben Ehre gern erhabnen Trümmerftüden; 

Die Dornentrone will ih in die Stirn nicht drüden, 

Die auf fein weißes Haar des Unglüds Hand gelegt. 


Die Armen! Lang und jchwer ift ihre Leidenskette! 
Kein Unglüd traf fie, das ich nicht befungen hätte, 
Das Grab und das Eril ehrt meine Poeſie. 
Indeß den neuen Thron man grüßt, wie einft den andern, 
Wird meine Muſe, tief in Trauer, oft noch wandern 
Bon Helena nah St. Denis, 


Doch eine Lehre fei für alle Zeit gegeben 

Berräthern, welche fremd im eignen Lande leben, 

Und welche frech mißbraucht die königliche Macht, 

Die die Verſteinerung als Pflicht des Bürgers prieſen, 
Und, tief fib büdend, in die rothe Aſche bliefen 

Der Revolution, die neu fie angefacht. 





Sl 


6. 


D eine folge Zukunft breitet 

Bor Euch fi, junge Heldenſchaar. 

Ein Strom in ftolzer Ruhe gleitet 

Sie hin, gewaltig, rein und klar. 

Stets neue Wunder wird fie zeigen, 

Wir werden bob und hoͤher fteigen 

Eie ſehn, nad der das Herz uns ftebt, 
Dem Meere gleih, das fih vom Sande 
Des Ufer hebt zum höchſten Strande, — 
Der Freiheit lichte Majeltät. 


Die Väter waren hohe Reden, 

Groß war ihr Herz und ſcharf ihr Stahl, 
Ten Böllern waren fie ein Schreden, 
Tod väterlich gefinnt zumal, 

Sie mußten fühn mit ibren Maffen 

Zum Weltreih Frankreich umzuſchaffen, 
Und zu erhoͤhn den Kaiſerthron. 

Die Voͤlker, Shwergedrüdt von Stetten, 
Sie kamen, fiber fih zu betten 

Im Schatten von Napoleon. 


Der gleihe Muth iſt Euch beſchieden, 
Nah größern Thaten brennt Ihr ſchon. 
Macht den Gedanlen frei bienieden, 
Zur Kön’gin jede Nation. 
Laßt Denen, die im Duntel figen, 
Der Freibeit lichte Sonne bligen, 

B. Hnge's ſammtl. poetiſche Werte. ui. 





82 


Und richtet Jeden auf, der fiel, 

Macht Bahn und nehmt fie in die Mitte, 
Und laßt verdoppeln ihre Schritte 

Die Menſchheit, nah dem hohen Ziel. 





Und folgen mag in freiem Yluge 
Des GBeiftes jugendliche Kraft, 

Und, mit dem vollen Neltar-ruge, 
Kunft, Poeſie und Wiſſenſchaft. 

Der Rath der Krone foll den Klagen 
Des Volkes nie fein Ohr verfagen, 
Dem er zum Tienfte fi) geweiht, 
Und wiederholen ftetS die Lehren 
Der Weisheit fol er, aufzuklären 
Den König fei er ftet3 bereit. 


Kniet auf den Gräbern wieder, betet, 

Ihr Vriefter, Jeder ift euch hold, 

Wenn Katakomben ihr betretet, 

Wozu der Burpur und das Gold? 

Hort mit dem ftolzen Prunkgewande, 

Der Mitra und dem eitlen Tande! 

Paßt wohl zum beil’gen Ort ein Thron? 
Almofen und Gebet, Altäre 

Bon Stein, das Kreuz von Holz, — Das wäre 
Genug für Gott und Menſchen ſchon! 


7 


Wenn für die Seelen ihr nur forgt, die euch vertrauen, 

Wenn arm ihr, wie das Bolt, demüthig, wie die Frauen, — 

Dann fürchtet Nichts. Die Kirch’ ift Euer Schus und Band, 

Wenn lange der Veſuv gegrolit, die Lavamaſſe 

Auffbäumt, wie neuer Wein, der braust und gährt im Yafle, 
Und glübenn roth erſcheint am Rand; 


Dann mwogt Neapel; bang, verzweifelt rennt die Dienge 
Umber, zum Himmel flehn verworrne Klaggeſänge, 

Und zum Vulkan, der fie mit feinem Zorn erfchredt. 

Doch keine Gnade! Hoc auffteigt von Aſch' und Yeuer 
Ein langer Strahl und wächst und wächst, ein Ungeheuer 
Bon einem Geierhals, der aus dem Horft ſich reckt. 


Ein rother Blig! Und aus des Kraterd weiten Schlunde 
Springt euer auf und Qualm und ſchwemmt hinweg vom Grunde 
Den Griehentempel, den verſchont der Jahre Zahn, 
Das Segel, purpurroth erglühend, bebt erjchroden; 
Die Lava legt, ein Strom von wallend langen Locken, 

Sich auf die Schultern dem Vulkan. 


Sie kommt, fie fommt mit Macht, die Fluren zu befruchten, 
Die fie zerftört, dem Meer verſchafft fie neue Buchten, 
Land, Meer und Ardipel wallt auf und wanft und zagt, 

Die Lava ſprüht und dampft und bricht durch alle Schranten, 
Neapel bebt und die Paläfte zittern, ſchwanken 

Die Laub im Walde, das der Sturm im Wirbel jagt. 


84 


GSeltfames Chaos! Staub und Afche regnet’S nieder, 
Verſchwundne Häufer gibt der Schlund der Erde wieder, 
Es ftößt verbugt ſich Dah an Dach und Thurm an Thurm, 
Die Flut im Golfe braust, die Ebne fteht in Flammen, 
Die Riefenthürme, tief erfhüttert all zufammen, 

Sie läuten ſchaurig beulend Sturm. 


Doch er, — fo will es Gott, — der Städte brennt zu Noble, 
Der Inſeln ſchwemmt hinweg und füllt des Thales Sohle, 
Der auf den Wogen Thurm und Hütte mit fich zieht, 
Der Alles niederwirft zu Wafjer, wie zu Lande, 
Der grimmige Veſuv verichont an feinem Rande 
Des greifen Priefter® Haus, in dem er betend niet. 

10. Anguſt. 189% 


Hochzeiten und Feſte. 


Ein präht’ger Saal, gewaltig lang die Tafel... 
Und immer wieder da und dort erneut 

Eid) das Banlett. Ein Zaubertiich fürwahr, 

Der fi, mit Gold und Silber und Kryſtall 
Beladen, immer wieder dedt und füllt. 

Play an dem Tiſch hat jedes Alter, jedes 
Geſchlecht, — der Weiſen nur find Wenige. 


Der ernfte Krieger, über Bierzig ſchon, 

Der Züngling mit dem blonden Flaum, das Mädchen 
Mit fanftem Blid, das Kind, das lallt, der Greis, 
Der ftamnıelt, Alle fpeifen, al’ erireuen 

Sie fi des beten Appetits, und hungrig 

Vor Allen werfen auf die golonen Schüfieln 

Eid, die noch zahnlos, und die ſchon es find. 


Sturmbauben, Büſche, Blumenwerk, Standarten, 
Gekroͤnte Löwen, zmweigeftirnte Geier, 

Auf grünem Grunde filberweiße Sterne, 

Auf Purpur Bienen, Lilien im Azur, 

Die Ketten, Sparten, Ballen, Rauten, was 
Nur an ſeltſamen Formen die Heraldit 





86 


Aufweist, beſchwingte Leoparden, Aoler, 

Und Greifen, — Alles wirbelt ring um fie, 
Krallt feit ih an der Dede, ringelt fi 

In Arabesten, die um ihre Füße 

Sich winden, taucht den Schnabel ohne Scheu 
Sn den geſchnittnen Becher, an die Dede 

Haͤngt fie die bunten Fahnen, die die Eparren 
Des Dachs entlang ſich ziehn bis hin zur Front, 
Und fie mit ihren ftolgen Falten ftreifen, 

&o wie im Flug ein Bogel jtreift das Gras, 

Da Alles rauſcht bei dem Bantett und ftraplt, 
Erſcheint's wie ein Turnier von Licht und Schall. 


Bum Himmel ſchallt des Feſtes Larm im Saal, 

Die Gaͤſte tragen Kronen auf dem Haupt, 

Und Jeder brüftet fih auf feinem Thron, 

Ein Scepter in der Hand, am Fuß die Kette. 

Denn Mandher flöbe gern vielleiht, — der Sklaven 
Sit Keiner mehr gebunden, als der Herr. 


Ter Rauſch der Macht, der Menfchen bläht zu Göttern, 
Die Liebe, Honigfeim und Gift, die Liebe, 

Der Feuertrank, aus dem vermijchten Athem 
Bon Mann und Weib bereitet, aus den Schauern 
Des Fleiihes und der Seele füßen Träumen ; 
Die Luft, das Kind der Naht, mit Augen, bie 
Bon Hoffnung leuchten, die am Abend ſich 
Entflammen, und ermatten gegen Morgen; 

Die wilden Jagden, Toggen und Piqueure, 

Die Tage lang mit Hoͤrnerſchall die Felder 
Durchſtürmen; Gol und Seide, üppge Betten 
Bon Rojenbolz und Eedern, mehr zur Wollujt 


87 


Geſchaffen als zum Schlaf, mo nadt die Schöne 
Auf einem Tigerfell gefällig: rubt; 

Die freben, pruntenden Baläfte, die 

Des Armen Neid erregen, daß er knirſcht, 

Die präht’gen Parks, zum blauen Horizont 
Sich dehnend, wo dad Auge fieht durch's Laub 
Den Alabafter fhimmern, mo die Birke 

Und neben ihr die große Pappel zittert, 

Mo Nachts man der Mufil der Brunnen laufcht; 
Die leicht befiegte Unschuld fchöner Frauen, 
Des Richters Strenge, die das Gold erweicht, 
Die Angſt der Kleinen, der Reſpekt, wenn fie 
Vorüber an den Großen gehn, — die Würze 
Bon ihrem Glüd; der Krieg; Kanonen voll 
Kartätfchenfutters, die die langen Hälfe 

Hoch über Thurm hinaus und Mauer ftreden; 
Die Regimenter, taufendjüßige | 
Bolypen; das Geräufch der großen Stadt, 

Was nur zum Himmel dide Wollen fendet, 
Staub oder Raub, — Armeen oder Städte; 
Das Büdget, dieſes Ungethüm, das Wunder 
Bon einem Fiſch, nach dem won allen Seiten 
Man aus die Angeln wirft, der aus den Wunden 
Golbftröme fließen läßt, und deifen Bauch 
Erglänzt mit Silberjhuppen überdedt, — 

Das find die Götterjpeifen, welche hundert 
Geihäftge Diener ihnen allzumal 

Auf golonen Schüfeln reichen, dies der Schmaus, 
Der königliche, welchen bei dem euer, 

Das in dem unterird'ſchen Küchenraum 

Am Tage fladert, mie bei Nacht, bereitet 

Der finitre Koch und Alchymiſt, das Schichſal. 


88 


Denn Er, der mürriſche Ampbitryon, 

Will feine leeren Schüfieln fehn, und felbit 
Der Gierigfte — fo toll ift die Verſchwendung — 
Wird überjättigt. Um von al den ledern 
Gerichten auszumählen, haben fie 

Als Diener, welcher hinter ihnen ftebt, 

Zum Beiten rathend, ihr Gewiſſen, — ober, 
Was fie fo nennen, den ſcharſſichtigen 
Begleiter, jenen zuverläfi'gen Führer 

Der Menſchen, dem in frühfter Jugend jchon 
Sn frevelbaftem Unverftandb die Ammen 

Der Kön’ge aus dem Kopf die Augen bobren. 


Das find die Großen, das die Glüdlichen 

In diefer Welt! Ein Leben unerſchoͤpflich 

Sn Freud’ und Herrlichkeit! Welch’ füßer Taumel! 
O Wolluft, fo in prädt'gen Orgien 

Sich zu beraufhen! Ob, in all dem Glanz 

Wie müfjen taufend reizend holde Bilder 

Euch ſchwimmen durch die Seele! Meldyen Sturm 
Von göttlihem Vergnügen muß erregen 

Euch all das Laden, Echerzen, Trinfen, Schmaufen 
Beim Strahl von taufend Litern! D wie muß 
Das Aug’ entzüdt auf Allem weilen, was 

Wie Waffer riefelt und wie Feuer flammt! 

Doch während fühe Weltvergefienheit 

Der Mundfchent lächelnd ihnen noch kredenzt, 
Bur Etunde, wo gerade Eaal und Tafel, 
Bediente, Gäfte, Kronen, flammenfprübend, 

Und des Orcheſter's Melodie'n gemwalt’ger 
Aufraufhen und die Luft, die Olut, den Lärm 
Zum Höchſten fteigern, in dem Augenblid 


89 


Des trunknen Wahnfinnd, ah, wo das Bankett 
Bor tollem übermüthigem Gelächter 

Zu plagen droht und frech das Volt verhöhnt, 
Das an der Thür’ in Lumpen fipt, — auf einmal 
Dröhnt auf der Trepp’ ein ſchwerer Tritt, es kommt 
Ein ungebetner Gaft ganz unerwartet, 

Den zu erwarten Grund genug man hatte. 


Verſchließt die Thüre nicht. O thut fie auf, 

Laßt ihn herein. Wer iſts? — Heut iſt's der Tod, 

Und Morgen das Cril, — fie tommen haſtig 

Gelaufen ; — bier dad Grab und bort das Zelt; 

Leihtfühig das Eril, mit ſchwerem Tritt 

Der Zod, in fremder Tracht zwei Spufgeftalten. 

Entſetzliches Geſpenſt! — Es tritt berein, 

Wirft feinen Niefenfchatten auf die Stirne 

Ten Gäften all im Saal, und beugt fie nieder, 

Wie einen Baum der Mind, dann wählt es Einen 

Eih aus, den Trunkenſten gemöhnlid, reißt 

Vom Tiih ihn zum Ent'etzen weg der Gälte, 

Und jchleppt ihn fort, der faum den Mund gewiſcht. 
Augufl, 1832. 


II. 


Hapsleon II. | 


1 


auſendachthundert elf! — O Zeit, die keinem Volke 

Hold war, wo um ein Ja die Welt zur ſchwarzen Wolle 
Auffhrie und betend bog das Knie. 

Tie Väter fühlten, wie die ältften Staaten bebten, 

Und zu dem Louvre, das Gewitter rings umſchwebten, 
Auffahn fie, wie zum Sinai. 


Gebüdt, dem Roſſe gleih, das Hirten hört die Sporen 
Des Reiters, Sprachen fie: — Ein Großer wird geboren! 
Des Erben harrt ein Reich, groß, mie noch feines war. 
Was hält für Gaben wohl der Herr bereit für Diejen? 
Ihn, deſſen Looſe die der Menfchheit mit umjchlieben, 
Der mehr als Cäfar ift, und mehr ald Rom fogar! 


Und wie fie fpradden, that ſich blikend auf die Wolke, 
Ta ftand der Schidfaldmann hoch über allem Volle, 
Um ihn fein Hofgefind; 
Die Bölter ftaunten nur, weitum das tieffte Schweigen, 
Die beiden Arme bob er, um der Welt zu zeigen 
Gin neugebornes Kind, 


91 


Im Snvalidendom beim Hauch des Kindes beben 

Die Fahnen, die herab von den Gemwölben ſchweben, 

Wie ſchauernd unterm Wind der Saaten grüner Flor. 

Ein Laut des Kindes, — frillt die Amme nicht fein Schreien, — 
Jagt die Kanonen auf, und brüllend Feuer fpeien 

Die Ungeheuer, die ſonſt lauern ftil am Thor. 


Und Eri — Ins Angefiht war ihm der Stolz; gefahren; 
Die Arme, auf der Brujt bisher gekreuzt, fie waren 
Kun offen doch einmal, 
Und diefes Kind, gemwiegt in feinen Baterhändben 
Bon Bligen überftrömt, die feine Augen fenven, 
Sah lähelnd mild zu Thal. 


Und als Gr ihn gezeigt, ven Erben feiner Kronen, 

Den alten Thronen, wie den alten Nationen, 

Dann auf die Kön’ge fiel der Blide Flammenſchein, 

Und wie ein Adler, der aufflog ind Reich der Sonne, 

So rief im Taumel er der übermüth’'gen Wonne: 

— Mein ift die Zukunft! Mein die Zukunft! Sie ift mein! 


2. 


Kein, Stre! Nicht Einem ift beſchieden 
Die Zukunft. Eie ift Gottes Wahl. 
Und wenn bie Glocke ſchlägt hienieven, 
Zum Abſchied Schlägt fie jedesmal. 

O Zukunft! Räthjel, unergründet! 
Mas fih auf Erden Hohes findet, 
Glück, Ruhm, in alle Welt verlünbet, 
Freiheit von Noth und Ungemad, 


92 


Demanten, Kronen, Sterne, Ringe, 

Der Sieg mit feiner Flammenſchwinge — 
Was find fie uns? — Gar flühtge Tinge, 
Dem Bogel glei auf unfrem Dad! 


Kein, der Gewaltigfte wird Dir die Hand, die falte, 

Nicht öffnen noch den Mund, wie troßig er auch ſchalte, 
Verhüllter, ftummer Geijt, 

Du Schatten, der ung nie verläßt auf unſern Wegen, 

Geſpenſt, das ftet3 ſich fträubt, die Maske abzulegen, 
Du Weſen, das man: „Morgen“ heißt. 


Ya, morgen! — Wird's ein Tag der Sorgen, 
Der Freude fein? Wer hat ein Pfand? 

Heut ftreut der Menſch den Samen, morgen 
Zur Reife bringt ihn Gottes Hand, 

Ein Schleier ift'3, ein fternbejäter, 

Ein Blitz aus dem umwölkten Xetber, 
Entlarot ein fhmählicher Verrätber, 

Paris, — vor Zeiten Babylon, 

Ein Wioder, der zerihlägt die Steine, 

Ein Stern mit wechſelnd buntem Scheine, — 
Das Heut, es ift der Sammt, der feine, 
Das Morgen iſt das Holz am Thron, 


Das Morgen ift das Roß, das ſchäumend ftürzt zufammen; 
Sa, Welterobrer, das ift Mostau, roth von Flammen, 
Tas Schaut auf Dich berab, 
ft Teine Garde, die fern ruht im eif’gen Thale, 
St Waterloo, es ift Sanct Helena, das table, 
Das Morgen ift das Grub, 


93 


Durch fremde Städte kannſt Du reiten 
Am Siegerjchritt, mein General, 

Ten Ainoten, wenn fih Bürger ftreiten, 
Durchhau'n mit Teinem feharfen Stahl. 
Ter ftolzen Themfe, kühner Tegen, 
Kannft Tu den Meg in? Meer verlegen, 
Die Eiegesgöttin felbft bewegen , 

Zu folgen Tir durch Heck und Tom, 
Kannſt Thore aus den Angeln heben, 
Ins Unermeſſne weiter ſtreben, 

Und Deinem Heer zum Leitſtern geben 
Kannſt Du den Stern von Deinem Sporn. 


Die Zeit iſt Gottes! Tir hat er den Raum gelaſſen, 
Die ganze Erde kannſt erobernd Tu umfaſſen, 

Und Kränze holen, wie den Größten man fie flicht. 
Das Reih Europa’s kannſt Du nehmen Karl dem Großen, 
Bon Aliens goldnem Thron kannſt Mahomet Tu ftoßen: — 
Allein das Morgen nimmit dem Ewigen Tu nidt! 


3. 


O wechfelvolles Loos! — Als nun das Kind empfangen 
Die Krone Roms, — zum Epiel dem Indischen Verlangen, 
Al man es eingebüllt in goldnen Prunk und Schein, 
Und feine Koͤnigsſtirn dem Volk nah allen Seiten 
Gezeigt, das hoch erftaunt fich fragt: wie man zu Zeiten 
So groß kann fein und doch fo Klein; 


Und als fein Bater Schlaht um Schlabt dem Sohn gewonnen, 
Und mit lebendigen Ringmauern ihn umiponnen, 
Ten Neugebornen, der in jeiner Wiege lacht, 


d4 


Und als der Starke, der ein Meifter war im Bauen, 
Mit feiner Art die Welt ſchon faft zurechtgehauen, 
Wie er im Traum fie fih gedacht; 


Als ſchon der Vater an fi) ſchickt', aus vollen Händen 
Blanz feinem Kinde, Ruhm, Unfterblichleit zu ſpenden, 
Als Alles war beftellt, bereit, was Glück verhieß, 
Als für den Erben, daß er wohnen mög’ auf's Befte, 
Man lange ſchon voraus die marmornen Baläjte 

Im Boden Wurzel faſſen ließ; 


Als man mit Hoffnungewein ſchon für des Kindes Lippen 

Gefüllt die Schaale, wenn fie dürftend möchten nippen... 

Die goldne Schaale war dem Munde nahe Ion... 

Da, eb’ er noch berührt den Keld voll füßem Naffe, 

Kam ein Koſak und nahm auf’? Roß das Kind, das blaffe, 
Und jagt’ im Sturm mit ihm davon. 


4, 
Sa, eines Abends ſchwang der Adler fein Gefieder, 
Da brach die Flügel ihm ein Sturm, und zudend nieder 
Die Luft durchfurchend fiel er, einem Blipftrahl gleich. 
Und wild auf feinen Horft nun ftürzten Tie und Jene, 
Raubgierig nahmen fie, je nach der Kraft der Zähne, 
England den alten Yar, den jungen Defterreid. 


Sr wißt, was fie gethan dem wunden Rieſenaare; 
Weit hinter Afrika faß er ſechs lange Sabre. 
Die Kön’ge, o wie Hug find fiel — 
Nur nicht verbaunen, nie! — Verbannung — ob! mid) fchauert!... 
Die mächtige Geſtalt, im Adfig bingelauert, 
Web, tief gebeugt, den Kopf am Aniel... 


96 


O hätt' er Nichts geliebt! Leicht trug er dann die Schmerzen. 
Doch Löwenherzen find die wahren Vaterherzen; 
Er liebt ſein Kind, der Mann von Erz. 
Nichts war geblieben ihm als Reſt des alten Glanzes 
Als ein Portrait, ein Kind, ein Planiglob, — ſein ganzes 
Genie und ach, ſein ganzes Herz. 


Am Abend, wenn ſein Blick den dunkeln Raum durchirrte, 
Indeß im Kerker ihn der Späher Schwarm umſchwirrte, 

Die über ſeine Stirn hinziehn in jäher Flucht 

Die Schatten ſahn, und die belauſchten die Gedanken, 

Eh’ er fie ſprach, — mas wogt' in feinem Haupt, dem kranken ? 
Was hat jein Auge, trüb von tiefem Schmerz, gefucht ? 


Nicht immer war eg, Sire, das Epos, das verwegen 

Du haft gefchrieben jüngft mit Deinem guten Dept, 
Nicht der Erinnrung ftolze Luft, 

Arcole und Aufterlig, noch graue Pyramiden, 

Cairo's Paſcha nit, noch Roſſe der Numiden, 
Die Deines bifien in die Bruft; 


Kanonen waren’3 nicht, und Bomben, die da krachten 
Wohl zwanzig Jahre lang im Wirbel jener Schlachten, 
Die fih gefolgt in wilder Haft, 
Wenn über’3 ftürm’fche Meer fein Hauch die Fahnen jagte, 
Bon denen eine ſank im Kampf, die andre ragte 
Im Bataillon gleich einem Maſt; 


Nicht Mostau noch Madrid, und nicht des Pharus Leuchte, 
Der Trommelwirbel nicht, der auf die Echläfer ſcheuchte, 
Der Beimaht Feuer nicht, die Sternen glei verglühn, 


% 


Nicht Grenadiere, nit Dragoner, buſchumwallte, 
Die rothen Lancier8 nicht, bewegt im Lanzenwalde, 
Die PBurpurblumen, die im Aehrenfelde blühn. 


D nein, was ihn umfchwebt, ein Kind iſt's, wie der Morgen 
So ſchön, fo ruhig, an ter Amme Bruſt geborgen 
Edlärt es mit balbgeilofinem Mund. 
Indeß die Amme mit dem Tröpfchen Mild, dem legten, 
Das hängen blieb, ihm reizt die Lippen, die bencgten, 
Und jhädernd gibt die Liebe fund, 


Die Arme ftügte dann der Vater auf den Eeflel, 

Sein Herz, von Seufzern fchwer, entraffte ſich der Feſſel, 
Er meinte kummervoll und weich. 

Gejennet iei, o Kind, dem längft die Augen ſanken, 

Du einz'ges Weien, das ablenkte die Gedanten 
Ihm vom verloren Thron und Reid). 


5 


Sie find nun Beide tobt! — Herr, Stark ift deine Rechte! 
Ihn nahmft zuerit du weg, den Meifter der Gefechte, 
Ten Helden auf dem Zhron; 
Die zweite Beute baft du dann den Grab gegeben, 
Zehn Jahre reichten bin, das Leichentuch zu weben 
Tem Bater und dem Eobn, 


Nuhm, Jugend, Etolz und Macht kann bier nit Wurzel faſſen. 

Borm Thore möcht’ Etwas der Menſch zurüd noch laffen, 
Nein! ipricht ein hartes Muß, 

Gin jedes Element kehrt beim ins Reich der Todten, 

Den Rauch verſchlingt die Luft, Die Aſche nimmt der Boden, 
Ten Namen Leihes Fluß. 


\ 


97 
6. 


D Revolution! — Ich Heiner 

Matros, unwiſſend, ohne Kraft, 

Weiß nicht, was Gott im Duntel deiner 
Empörten Wellen wirkt und ſchafft. 

Di haft der Thoren blinde Menge; 
Wer kennt des Herrn geheime Gänge, 


.Der Wogen wilde Kriegsgeſänge? 


Der weiß, wozu Gewitter find; 

Ob Tromben die im Sturm gedrehten, 
Ob Blige, die die Wellen röthen, 

Ob Sturmesfaufen nicht vonnöthen 
Der Perle find, des Meeres Kind? 


Und do, der Sturm ift ſchrecklich, glaub’ e3, 
Dem Fürſten wie der Nation. 

Es ift ein Meer, ein blindes, taubes, 

Ein Bolt in Revolution. 

Mas können, deinem Geift entquollen, 

D Dichter, deine Lieder wollen . 

In diefem Wogenlärm, dem tollen? 

Kein Ohr ift, das fie hört und faßt. 

Did beifer macht der Sturm, der grimme, 
Der Wind zerzaust Dich nur, der jchlimme, 
Du armer Bogel, deſſen Stimme _ 

Klingt von des leden Schiffes Mait. 


So lang die Naht! Am Himmelsbogen 
Kein Stern, der fi durch's Dunkel brängt. 
Die Menihen und die Dinge wogen 

Am Bodenlofen, bunt gemengt. 


B. Hugo's ſammtl. poetiſche Wette. IL. 7 





Und unterm Meere ſchwimm zufammen 
Das blonde Haupt, das Hanpt voll Schrammen, 
Weltherrſcher, Bringen mit den Ammen, 
Das Kind, der Mann Napoleon, 
Die Wellen kreuzen fih und ftoßen 
Einander fort in wirrem Tofen, 
Es ſchwemmt die Welle weg den großen 
Leviathan, wie den Halcyon. 
Auguf, 1832. 


IV. 
Anf dem Ball im Hötel-de-ville.. 


Das Rathhaus ift erleuchtet bis zum Giebel, 
Der Fürft, die Kerzen, Alles glänzt, das Felt 
Umſchimmert farbenbell das hohe Haus, 

Wie die Idee des Dichters beilge Stirne. 

Doch ein Gedanf’ ift dieſes Ballfeft nicht. 

Nicht ein Bankett ift’3, das man Frankreich ſchuldet 
Und einen Ball verlangt wahrhaftig nicht 

Der Berg von Elend, den Baris man nennt. 
Weit befier wär's, ihr Mächtigen, wir legten 
Gin Pflafter auf der vielen Schwären eine, 

An die der. Weife nur mit Grauen bentt, 

Mir ftügten jene Treppe, die von unten 

Nach oben führt, und machten der Scaffote 
Viel weniger, der Arbeitftätten mehr, 

Wir dächten an die Hinder, die nach Brot 
Sept Schreien in der Naht, wir ſchafften lieber 
Fin Paradies dem gottverlaßnen Armen, 

Als daß wir bier Kronleuchter Flammen lafien, 
Um die ein Haufen Rarsen heut ſich breit, 


100 ’ 


Ihr keuſchen, heil'gen Frau'n, ihr Königinnen 
Des Hauſes, ſuhe Blumen, die ihr unſre 
Gemäcer füllt mit Duft, ihr Tugendfamen, 

Die euer Glüd gerad zur Tugend führt, 

Die nie gelämpft noch mit dem Lafter, denen 

Der Hunger, der Giftmifcher, nie gejagt: 

Berlaufe Deinen Leib, — das heißt, die Seele ! 
Ihr, deren Herz unſchuld'ger Freude voll, 

Ihr, deren Scham in Linnen ſich verjchleiert, 
Mehr noch, als Iſis, die verhüllte Göttin, 

Für euch ift dieſes Feft ein rofiger Morgen, 

Ihr lacht und fcherzt, indeſſen anderswo 

Das Elend weint. Denn eure ſchoͤne Seele 

Weiß Nichts von Schmerzen, in die hoͤchſte Sphäre 
"Hat eud) gejeht des Zufalld Bunft, ihr lebt, 
Ihr glänzt, ihr ſeht es nicht einmal, — fo iſt 
Bom Strahlenmeer geblendet euer Auge, — 
Das unter eu man fhnöd mit Füßen tritt. 


So iſt's. — Der Fürft, der Reihe, alle Welt 
Sucht ftet3 euch zu erfreu'n, für die es Yülle 
Und Ueberfluß nur gibt, ihr babt die Schönbeit, 
Ihr habt den Schmud, des Feſtes Toſen tönt 
Berauſchend euch ins Ohr, und wie zum Licht 
Der ſeidne Schmetterling, fo fliegt ihr bin 
Zur offnen Thür, die belle Flammen fprübt. 
Ihr geht auf diefen Ball und ahnet nicht, 
Daß unter diefem Haufen rings um euch, 
Der anftaunt all die Wagen und Livrsen, 
Auch andre Frauen find, gepubt, wie ihr, 
Geſchminkt und feilgeboten auf der Bafle, 
Geſpenſter, deren Herz von Wunden oft 


108; 


Noch biutet, für den Ball geihmüdt, wie ihr, 
Schön und halbnadt, wie ihr, und darum eben 
Hiebergelommen, ah, um euch zu ſehn, 
Verſchleiernd unter ſpoͤttiſchem Lächeln ihr 
Geheimes Leid, mit Blumen auf der Stirne, 


Roth an den Füßen, bittern Haß im Herzen. 
Mai, 1883 


108 


V. 


Menn unter deinen Flügeln Frankreich ruht, 
O Gott, ſo dulde nicht die ew'gen Kämpfe, 
Die Throne, die man ſpielend baut und ſtürzt, 
Die arme Freiheit, die man gibt und nimmt, 
Den mwüjten Strom von Leidenſchaften, Sitten, 
Ideen und Gejegen, der das Land 
Mit feinen wilden Wellen überjchwenmt , 
Die Volkstribunen, die, zum Rath verfammelt, 
Mißbräuchen von Granit entgegenitellen 
Ein Ding von Gyp3, das. man die Charte nennt, 
. Die Flut und Ebbe der empörten Wellen, 
dr Kriege der Partei'n mit der Gewalt, 

eb, und der Staatsgewalt mit den Parteien, 
Der. Abſcheu vor den Großen, der den Kleinen 
Das Herz zerfrißt, den Lärm, das Schrein und Stoßen, 
Die Shaurigen Spfteme, die im Dunkeln 
Erſtehn, wie nächtlich ein Schaffot, die Reden, 
Die Hab, Tumult und Ungeftüm verbreiten, 
Und maden, daß zur Stunde, wo der Schlummer 
Der Naht nur um ein wenig Stile bittet, 
Kanonen droͤhnend über's Bflafter rollen. 

Ungup, 1832. 





VL 
An Kanaris. 


® Kanaris, wir haben Dich vergeflen! 
Wenn fih die Zeit von einem Helden kehrt, 
Nachdem er, feine große Rolle fpielend, 

Uns weinen over lachen bat gemadt, 

Denn er das Wort gejagt, das ihm ein Gott 
Zu fagen gab, wenn in den Strom gejchleudert 
Der Revolution die großen Männer 

Vollbracht die großen Thaten, wenn ihr Licht, 
Sei's ftrahlend oder trüb, fie in vie Nacht 
Geworfen und dann Schritt für Schritt ins Duntel 
Hinab gegangen wieder, dann erlifcht 

Sogar ihr Name — Eitel Alles, eitel! 

Und bis zum Tage, wo der göttliche 

Poet, der eine Welt erſchafft durch's Wort, 

Sie nimmt und ihnen eine Aureole 

Hell am die Stine leuchten läßt, erinnert 

Sih Niemand ihrer, und die Menge, die 
Bielhundertitimm’ge, die fie fonft zu ſehen 
Kaum brauchte, um zu jubeln, ad, fie fragt, 
Wenn ihren Namen man durch Zufall nennt, 
Srftaunt: Ei, jagt, wer ift denn diefer Mann? — 
Wir haben Dich vergeflen. In die Nacht 


14 


Berjunfen iſt Dein Ruhm. Wir machen immer 
Noch großen Lärm, doch raufht dazwiſchen fein 
Zuruf, fein Lied, fein Jauchzen, nicht ein Wort 
Der Liebe, ver Verehrung mehr für Dich. 

Und Deinen großen Namen kann der Bürger 
Kaum budjftabiren mehr. Geſunkne Sonne, 

Du baft jegt feinen Memnon mehr! — Wir haben 
Mohl einen Augenblid gerufen: Hellas! 
Athen! Leonidas und Botzaris! 

Sparta, Demodtbenes! Und Du, o Heros 
Mit ruhmgekrönter Stirne, Kanaris!... 


Dann kam der Zwiſchenakt, und müßig haben 

In unfrem Geift, der lange Dich vergättert, 

Wir Alles ausgelöfcht, um andre Dinge 

Darauf zu fchreiben. Griechiſche Heroen, 

Lebt wohl! Verwellkt find eure Lorbeerfränzel 

Nah andern Sonnen ehrt ih unfer Blid. 

Bon Teinem Rubme fchallt nit mehr der Amboß 
: Der Brefie, diefes Riefen, der das Feuer 
Entzündet ftet3 und fchürt, des wunderbaren 
Cyklopen mit der Donnerftimme, dem 

Mand ein Ulyffes fon durchbohrt das Auge. — 
Die PBrefiel... Der Arbeiter, der am Morgen 
Erwacht oft das zerftört, wa er den Abend 
Zuvor gemadt, doch jeder guten Sache 

Zum mindeften mit fouperänem Arm 

Bon blantem Erz die Waffenräftung ſchmiedet. — 


Wir haben Dich vergefien! 
| Doch was macht 
Dir das, o Seemann? Bleibt Dir doch die Welle 


108 


Noch, die Dich trägt, Dein Schiff, ein guter Wins 
Zur Fahrt, der Abendftern, der hola Dir lacht. 
Dir bleiben Hoffnung, Abenteuer, Spiele 

Des Zufalld, Reifen, ew'ger Wechſel ſchoͤner 
Natur, — des Orts, der Dinge, wie der Menſchen, 
Die frohe Ankunft und die frohe Abfahrt, 

Der Stolz des freien Mann, in einer Brid 

Zu leben, ſchoͤn bejegelt und gekupfert, 

Sei's, daß dur einen engen Sund er fieuert, 
Sei's, daß der Dcean, das Ungeheuer, 

Das Fels und Klippen, wenn e3 will, zertrümmert, 
Bei heitrem Himmel ihn behaglich wiegt, 

Sei's, daß der ſchwarze Sturm, die Luft durchfliegend, 
-Zhn peitiht mit Bligen, wie mit Ylügelichlägen, — 
Dir bleibt, Hellene, doc dein blauer Himmel, 
Dein blaues Meer, die großen Adler, die 

Mit einem Flügelihlag wohl’eine Meile 
Durchmeſſen, deine ewig Mare Sonne, 

Dein Horizont, jo reizend ſchoͤn und buftig, 

Und deine Sprade, wei und ſüß⸗melodiſch, 

Die mit Italiens Sprachen ſich vermiſcht, 

Wie Samos’ Flut die Wellen Bajä's küßt, 

Die Sprade des Homer, in welche Dante 

Bon feinen Worten noch bineingeworfen. 

Dir bleibt der Stolz des malellojen Helden, 

Dein langes Feuerrohr, dein Yatagan, 

Die weiten Linnenbofen und bein Kaftan 

Bon Gold und rotbem Sammt mit weiten Aermeln. 
Fliegt durch den Meeresihaum dein ſtolzes Schiff, 
Stolz, nur berühmte Ufer zu umfegeln, 

Dann bleibt dir, o mein Grieche, das Vergnügen, 
Im Abendnebel einen weißen Tempel, 


106 


Und auf dem Pfad, der nad) dem Meere führt, 
Ein Weib von Theben oder Salamis 

Bu ſchau'n, ein bäuriih Weib mit ftolgem Blid, 
Die Korn verlaufen will, zwei große Ochſen 
Mit ihrem Stachel vorwärts treibt, und fit 

Auf einem Wagen von homeriſcher Form, 

Wie Iſis auf dem Marmor von Hegina, 


VII. 
JAleein am Fuß des Thurms, aus dem die Stimme 
Des Herrn erſchallt, — in jedem Augenblick 
Kann ſich ſein Schatten an der Schwelle zeigen, — 
Gewaͤrtig, Deinen Ehgemahl als Henker 
Vor Dir zu ſehn, Polonia, armes Weib, 
Bleich, in die Knie geſunken auf dem Pflaſter, 
So liegſt Du da, gefeſſelt, überwunden , 
Und wie zum Grab zuſammen ſchon gebrochen. 
Ah, Deine weißen Hände prefien feft 
An Deine Bruft, anftatt der eignen Söhne, 
Ein blut’ges Crucifir. Baſchkiren treten 
Mit Nägelihuhn auf Deinen Königsmantel, 
Und eine Donneritimme ſchilt, man bört 
Das Stampfen. plumper Tritte, Säbel blinten, 
Und an die Mauer drüdft Du Dich benegt 
Mit Deinen Thränen, die zerihlagnen Arme 
Erhebft Du, Stirn und Augen, ad, die ſchon 
Zum Tod gebrochen jcheinen, und Du rufft: 
— ‚Srantreiht O Schweiter, ſiehſt Du nicht, was kommt?“ 
September, 1838. 








108 


oo VII. 
An den Mann, der eine Stan verrieth. 


— — 


© Schmach! — Gs ift wicht dieſe Frau allein, 

Die damals Jedem beilig mußt’ erſcheinen, 

Ein ſchwaches Herz, doch eine große Seele, 
Nein, er, fein Nam’, in Ewigkeit verfluct, 

Und feines Vaters kummerweiße Haare, 

Sie ſind's, es iſt die oͤffentliche Scham, 

Die er verhoͤhnt, als er der ſcheußlichen 

Idee fi gattete, es iſt die Ehre, 

Das Mitleid, Treu’ und Glauben, Eid und Pflicht, 
Sie ſind's, die dieſer Jude ſchnoͤd verkauft. 


Ein Zudel — Die gemeinen Krämer, die 
Mit Seelen handeln, können lange warten 
Auf Einen, der noch niederträcht'ger iſt, 
Und der den Heft des fchwergefüllten Sads 
Bon ihnen fordert, der ibm Gold geregnet, 


Kein Zude, nein! Es ft ein ſchmutz'ger Heide, 

Gin Renegat, Auswurf der Menfchheit, Schannfled, 
Ein Apoftat, ein Stheuſal, ein Barbar 

Und Fremdling, der uns wenigſtens das Glück 

Zu denken gibt, daß trog der langen Wirren 


Des Bürgerkriegs, in unfern Städten doch 

Kein Abſchaum, kein Bandit, kein in den Kerkern 
Ergrauter Sträfling ſich in Frankreich findet, 
Der efien mag vom Brote des Verraths. 


Hat denn, Verruchter, Nichts in Deiner Seele 

Dir zugerufen, daß Geächtete 

Stets heilig find, dab man die Bruft nicht Schlägt, 
Die ung geträntt, daß eine Königstochter, 

Der man als Knecht gedient, im ſchnoden Wintel 
Sich feil nicht bietet, daB fie, wenn au nicht - 
Mehr Königin, doch immer Frau noh far? . 


Kehr' in die Nacht zurüd, wo alle We 
Scheufale wohnen, die jeit vierzig Jahren 

- Mit Geifer unfre Trümmer überſchütten! 
Zurüd in die Kloake! Nie erfreche 

Dein Haupt am guten ſich nody böfen Tage 
Am Licht der Sonne wieder aufzutauchen. 
Dem Rauche glei den Winden preiögegeben, 
Berpeitet und gemieden ſollſt Du irren 

Bon Land zu Land geworfen und vermweht. 


Und ſchweige nur! — Was willit Du ftammeln noch? 
Sprid, haft Du nicht verlauft ven Schag der Ehre? 
Die Streihe, die geflatiht auf Deiner Wange, 
Behalte fie. Entichuldigung, was nügt 

Gie dem Berbredhen, was dem Schmup die Schminfe ? 


Geh, obdachlos, von Niemand aufgenommen, 
Du zweiter ew’ger Jubel Geh mit Deinen 
Goldſtũcken, die Dir durch die Finger blinken. 


110 
Wie duftge Trauben hängen über Dir 


Am Weg die Güter diefer Welt: denn Alles 
Kauft fi der Reihe, nur die Ehre nicht. 


Genieße raſch, Verfluchter, ohne Raſt 

Und Ruhe wandre! Wer Dich ſieht, der ſpreche: 
„Das iſt der Schurke!“ Wandre! Und Bein einz'ger 
Begleiter ſei das nagende Gewiſſen. 

Ja, wandre fort, bededt mit Schmach und Fluch. 
Der Schatten der Gemeinheit, die Verachtung 
Nimmt zu von Jahr zu Jahr, und ſtößt zurüd 

Und dichter ftets umfchwebt er den Verrätber, 

Dit, wie die Nadeln um die grüne Tanne. 


Und wenn dad Grab einft, dieſe tiefe Falle, 

Die unverjebens unterm Fuß ſich öffnet, 

Dich, den die Angſt, der Schreden matt gebekt, 
Aus diefem Leben führt zur Ewigfeit, 

Der ftrengen, Talten, ftarren Wirklichkeit, 

Denn Du, vereinfamt mehr und mehr, gebrechlich, 
Di feft an Deinen Echag vergeblich Hammerft, 
Denn Tir, gelagert auf Gelbfäden, nun 

Der Tod entgegentritt und mit @ewalt 

Die volle, zugelrallte Hand Dir leert, 

Wie leiht ein Mann die Hand dem Kinde öffnet, — 
Dann in den Abgrund, welcher die Berräther, 
Beihmugt mit Koth, mit Blut bebedt, verſchlingt, 
Stürzft Du binab, verloren in dem Schlund, 

Den Dante's Seheraug' im Traum gejehn. 


Tu ftürzft verdammt, verzweifelt und verloren, 
Damit nit ungerochen bleibe Dein 


111 


Verbrechen und im Kreis verworfner Seelen 

Du die verworfenſte von Allen feift. 

Benn fie heran Dich kommen ſehn, die Schurfen, 

Die ih um Gold verlauft, und denen ſtets 

Ein Voll ums andre fpeit ind Angeſicht, 

Eie Alle, ob belannt, ob ungenannt, 

Die giftge Küſſe tragen auf den Lippen, 

Ein Judas, welcher feinen Bott, Leclerc, 

Der feine Stadt verlauft, die ganze 

Scheeläugig undankbare feile Brut, 

Sie werden Did umſchwaͤrmen, Louvel aber 

Wird Deine Hand zurüd unwillig ftoßen. 
November, 158% 


118 


IX. 


An den Herzog son O. 


Farſt, eine edle That haſt Du gethan. 

Fern von den Höhen, mo der Ehrgeiz lacht, 

Tief in der Naht des Elends ging ein Vater 

Mit feinen Kindern, weiß’ und blonde Häupter, 
Schon auf dem Punkt, zu ſinken, — ins Verbrechen 
Der Bater, ind Berderben, ad), die Töchter. 


Die Wandrer, wenn bie Nacht fie überfällt, 
Sich im Gebirge rutihend auf den Knien 

Am Rand des Abgrunds rufen, alfo fhrien 
Sie auf zu mir, und ich ſchrie auf zu Dir, 
Ich fagte Dir: „Sieb bier Unglücdliche, 

Am Abgrund ſchwanken Fußes beben, gleiten, 
Reich’ ihnen Deine Hand, und rette fiel" — 
Du fragteft nicht nah.Namen, bogft Dich über 
Und ftredteft den Betroffnen hin die Hand, 
Und retteteit die armen Seelen. — Mir, 

Der Di, von freud’ger Rührung tief ergriffen, 
Betrachtete, — mir fagteft Du: „Hab’ Dantl” 


Sieh, das war groß und edel! — Unterm Zelt, 
In defien Schatten Du fie eilig brachteſt, 
Sind fie geborgen nun, und fammeln wieder 





113 

Hoffnung und Kraft und Muth, und, — Bank. dem Strahl, 
Womit die Wolle Du, die fie umnadtet, 
Getheilt, — ausſchaun fie in die Ferne nun, 
Ob ſich ihr Lebenspfad nicht bald erhellt, 
Noch ſchauern fie, dem Untergang entronnen, 
Wie arme Vögel, die der Sturm durchnäßt, 
Die ih im Laub der alten Eiche bergen, 
Still figend, bis ſich ihre Flügel trodnen. 


v 


Großherz'ger Jüngling, bleibe, wie Du bilt, 

Das Thor, das zu dem Armen fagt: „Tritt ein," 
Die auggeftredte Hand am Rand des Abgrunds, 
In den das Unglüd ftürzt, aus dem die Schuld 
Sich wieder hebt; der heilge Schlüfjel, den 

Zur Noth man findet ohne Liht und der. 

Die Hoffnung öffnet und das Grab verſchließt. 


Sei Stüge, Hafen, Dach, Aſyl und Schirm, 

Sei Netter dem Gefangnen und Berbannten, 
Dem Mäbchen, dag der Hunger und ber Froſt 
Zulegt bewältigt und verlauft im Dunteln, 

Dem Greis, ver leert ded Lebens bittre Heſe, 
Den Kindern, fchnatternd, ohne Brot und Mutter, 
Daß die Unglüdlichen ihr Leben lang 

Dir auf die Hände Liebesthränen weinen, 

Denn mandmal unter diefem heil’gen Thau 

Läßt Gott verwelkte Kränze neu erblühn. 


Der hoben Wolfe gleich, die fih im Flug 
- Die flücht'gen Schaͤtze rauben läßt durch Pſeile 
Bon Eijen, welche jtet3 nah Oben zielen, — 

V. Hugo’s fämmıl. poelifche Werke, UL, 8 


114 


Teglüdt der Flırft, ver heil'gen Mitleids voll 
Hoch von dem dunleln, bligumfprühten Himmel 
Zufchaut, wie all fein Gold hinunterriejelt 
Und füllt die ausgejtredte Hand der Armen. 
15. September, 1638. 


116 


X. 


Hict zwanzig Jahre war er alt. Er hatte 
Mißbraucht, was irgend lieben man, beſchmutzen, 
Bertrümmern kann. Mit freden Händen hatt’ 

Er Allem feinen friſchen Glanz geraubt. 

Der Wolluft bleide Dienerinnen kamen 

Zuhauf hervor aus ihrer efeln Höhle, 

Und riefen ihm und drängten fih um ihn, 

So oft fein Schatten an der Mauer ſchlich. 

In Orgien erihöpfte Tag und Nacht 

Sich feine Lebenstraft, wie Wachs, verbrennend 
Am Dodht der Kerze. Sommers jagt’ er, Winters 
Macht' er’s bequem fi in der Opernloge. 

Nie taucht’ er unter in den tiefen Wellen, 
Homers und Shaleipeare's. Denn er glaubte Nichts, 
Er träumte nie, auf feinem Kiffen wohnte 

Nur ekles Bühnen. Seine Ironie, 

Schaal und verdrießlich, Häffte jeder Größe 

Um's Bein. Er batte fih zum Mittelpuntt 

Der Welt gemacht, die Liebe kauft’ er ſich, 

Er batte feinen Gott verlauft. Das Meer, 

Des Himmels Blau, die Sterne, all die Winde, 
Die fonft die Segel blähn der Menichenfeele, — 
Starr war fein Herz für ihren Haud. Ihm war 
Das Land verhaßt, langweilig feine Mutter. 
Entnervt am Ende, trunten, weil er Nichts 

Zu thun mehr wußte, ohne Hab und Liebe, 


116 
Und ftets, — o Elend, — vor dem Abend ſchon 
Des machſten Morgens überdrüflig, warf 
Er eines Abends, wo er ein Piſtol 
Zufällig fand, zum Himmel jeine Seele, 
"Mie man ein leeres Glas zur Dede wirft. 


O Yüngling, Du warft feig’und dumm und ichlecht. 
Nicht Dich beklagen wir. Durchfurcht den Ader 

Die Pflugſchaar, weint man je dem Unkraut nah? 
Doch fie bellagen wir mit tiefen Schmerz, 

Der zugefallen ſolch ein Sohn, die Mutter, 

Die arme Frau, gebeugt und altersſchwach, 

Die eine Stüge fi verfprad an Dir, 

Tie in die Wiege Dich gelegt, die Du 

Nun legt ins Grab. Nicht Dich beflagen wir, 
Mas wir bellagen, was, bevedt mit Schande, 

- Uns beilig bleibt, es ift da® arme Kind, 

Das rein und rührend einft in der Manfarbe 
Geſungen, bis Tein Gold im Rep fie fing, 

Tie der Verjuhung unterlag, indem 

Eie binter fi den Hunger, und die Sonne 

Des Glücks vor fi) aufgeben ſah, die nun 
Gebrochen ſieht ihr Herz, und von der Menge 
Bertreten, die den Duft bellagt, den ihr 

Tein Hau geraubt, — die arme Blumenvafe, 
Die nun zertrümmert auf dem Pflafter liegt. 


Nein, Dich beweint kein Auge, bobler Schemen, 
Du Ziffer, niemals mitgezählt ala Zahl, 

Nur Teinen Namen, rein einft, nun entehrt, 
Nur Deinen-Bater, der im Grabe rubt, 

- Den braven Krieger unſres alten Herres, 


17 


Den jeht Dein Grab in feinem Grabe weckt; 
Nur Teine Diener, Freunde und Verwandte, 
Die Dich umgaben, all die Thoren, die 

An Deinen Schatten ſich geheftet, deren 
Geſchick verwachſen mit dem Deinen war, 
Und denen Deine Laune nun ſo ſchmaͤhlich 
Gedantt; ja, Deinen Hund, der Dich geliebt, 
Und den Du nie geliebt, Tieblojes Herz! 


Du, armer Reicher, ehrlos Stolzer, der 

Du fruchtlos ftirbft, wie fruchtlos Du gelebt, 
Der Deine Tage Du verkürzt, nur um 

Ein wenig Lärm zu machen, kehre ruhmlos 

Und unbemerkt zurüd in Deine Nadıt. 

Geb von der Tafel, ohne daß auch nur 

Ein Licht erlöfcht. Verſink' inn Strom’ und trüben 
Wird fi die Oberflähe nicht. Sein Zill 
Hat das Jahrhundert, und mit großen Schritten 
Geht es ihm zu. Dein Grab iſt keins von denen, 
Worüber e3 fortichreitend ftolpern Tönnte; 

Und wenn fih Deine Piorte ſchließt, verlohnt 
Es nit der Mühe, bin zu horchen. Geb! 

Was fandeft Tu, der tollen Laune folgend? 


MWollüftling, Eitler, ein ruhmlojes Grab, 
Aprit, 1881, 


118 . 


Gewiß, ein ſolcher Tod, ob viel genannt, 

"Ob nicht, für das Jahrhundert iſt er Nichts, 

Der ſpricht davon? Man gebt beijeit und ſchweigt. 
Doch wenn bei trübem Himmel weiter aus 

Die ſchwarzen Flügel dehnt der blinde Selbftniord, 
Mehr Seelen täglich überjchattend, wenn 

Er wider Gottes Rathſchluß überall 

Ausloſcht Lichthelle Köpfe, warme Herzen, 

Wenn Robert, defien Farben Flammen waren, 
Der unterm beitern Blid den Sturm ber Seele 
Berbarg, vor Abend ſchon den Liebesbedher 
Megmwirft, nachdem den Inhalt er geleert, 

Wenn Eajftlereagb, die Bremfe, die geftodhen 
Einft Bonaparte, der Britte, halb Karthager 
Zugleih und halb Spartaner, ſich ind Herz 

Das Eifen bobrt, und müde der Gewalt 

Und fatt der Ränte ftirbt; wenn Rabbe Eift . 
In feine Wunden träuft; wenn Gros, ein Hirſch, 
Um den die Meute beißt und bellt, ermattet, 

Alt, athemlos und ſchwach fich ftürzt ins Wafler, 
Um fie zu täufchen,, deren Neid ihn quälte; 

Denn diefer Todeswind, vom Sohn zur Mutter, 
Dom Bater wehend zu der Tochter, tief . 
Erſchuttert die Familie, wenn den Greis 

Man eilen fieht zum Grab, nachdem die Sonne 
Er lange ſchoͤn gefunden, wenn die Gattin 

Des Hauſes Herd verläßt, der Schüler, der 





119 


No eben ein antikes Buch gelefen, 

Wenn all die jhönen Kinder, a, zu früh 
Gereift, die no die Männermwelt nicht kennen, 
Die in Paris ein goldner Traum zum Himmel 
Oft hebt, und die ſich tödten, von ber Höhe 
Des Traums von Ruhm, von Tugend, Liebe, Freiheit, 
Auf die Gefellichaft mit der. Stirne flürzen: — 
Da finnt der Denter, und der Gläubge betet. 
Die Menſchheit, ad, fie gebt vielleicht zu ſchnell. 
Wo geht das Streben des Jahrhunderts bin? 
Wohin der Zug der Geifter? Noch ift Nichts 
Gefunden, Nichts begriffen. Viele glauben, 
Nichts ſei zu hoffen, und zerichmettern fi 

Am Grabesthor die Stirn, wie auf das Pflafter 
Ihr Abends werft ein Ei, in dem ein Keim 
Nicht Tebt und das nicht ausgebrütet wird, 
Unfelge Zeit, die ringend Alles kodert! 

Wo liegt der Krankheit Grund? Wo it das Mittel? 
Iſt's, weil der Glaube hinter der Vernunft 
Abnimmt der Sonne gleih am Horizont? 

Weil Gottes man beim Menfhenwert vergibt? 
Weil in des Herzens Winkel, die die Welt 

Nicht fieht, die Nacht fi immer tiefer ſenkt, 
Die nur des Heilands Licht erhellen kann. 

Iſt's Seit, ihr ſturmdurchnäßten Schiffer, neu 
Zu baun Wltäre, und dad Haupt zu beugen? 
Und müſſen wir die alte, jtarle Zeit 

Zurück uns wünjdhen, wo die Lebenden 

Ne glaubten, was geglaubt die Todten hatten, 
Die Tage frommen Ernitö und beil’ger Kraft, 
Wo eine aufgefhlagne Bibel Licht, 

Die Augen blendend, auf die Welt ergoß? 





1% 


Ameifenbaufen wimmelnder Gedanken! 
Derworrene Probleme, dunlle Fragen, 
Die oft den Dichter durch die Straßen jagt 
Und macht, daß manchmal Starr er ſtehen bleibt 
Zur Stunde, mo ihm Niemand mehr begegnet, 
Als etwa Einer, der langſamen Schritts 
Die Augen jchweifen läßt, vielleicht die Runde 
Der Naht, die, wie ein Traumbild aufgetauct, 
Die Gaſſenwinkel alle ſcharf durchſpäht. 
Geptember, 1838. 


XI. 


Verhöhnet niemals eine Frau, die fällt. 
Wer weiß denn, unter welcher Laft zufammen 
Die arme Seele brach, mer weiß, wie lange . 
Sie wider ihren Hunger bat geftritten. 
Wenn ihre Tugend durd den Sturm des Elends 
Erſchuttert war, — wer hat nicht Frauen ſchon 
Geſehn, die mit erfhöpfter Hand, gebrochen 
Sich lange Zeit an ihr noch feit gellammert, 
Wie man an einem Zweig den Regentropferr 
Sieht ſchimmern, der den Himmel widerfpiegelt, 
Den mit dem Baum man f&üttelt, und der zittert, —- 
Die Perle vor dem Fall, — Koth nah dem Fall. 
Die Schuld ift unfer; Du, Dein Gold ift Schuld, 
O Reicher! Neines Wafler ift im Koth 
Enthalten noch. Und daß der Tropfen Wafler 
Bom Staub fi wieder ſcheidet, daß zur Berle 
Sie ‚wieder wird in ihrem erften Glan, 
Dazu genügt, — fo hebt zum Licht fi Allee, — 
Ein Strahl der Sonne ſchon, ein Strabl der Liebe. 
. September, 1835. 


128 


xu. 
An Stäulein 3. 


Sing, edles Kind, uns zu erbauen! 

Die Weihe gibt Gefang den Frauen; 

Denn Kunſt und Schönheit ftehn im Bund. 
Gefegnet find des Weibes Töne. 

Noch Ichöner klingt das Lieb, das fchöne, 
Bei Shönem Aug’ aus fhönem Mund. 


Sch, welchen Stürme ftet3 umtofen, 
Wie lieb’ ih Deines Morgens Roſen, 
Des Blides thränenlojen Glanz, 

D fing’, ich laufche gern dem Tone, 
Tem goͤttlichen. Die Dornentrone 

Sei mein, und Dein ein Blumenkranz! 


€3 war die Zeit, die Zeit der Wonne, 
Wo, wie auf Did, die Morgenjonne 
Ihr Licht auf meinen Lenz ergoß, 

Wo Stolz und Luft in reihem Strable, 
Wie Mein aus einer goldnen Schaale 
Mein fiebzehnjähr'ges Haupt umfloß. 


Da fab mi an mit bolden Bliden 
Ein Bild, ätberifch, zum Entzüden, 
Wohin id ging, ein Seal, 





123 


Nah Haren Quellen, grünen Auen 
Und nad dem Himmel ftet3, dem blauen, 
Flog meiner trunknen Augen Strahl. 


Da ſprach ih zu den Sternen: „Hülle 

Dich ein, mein Stern, in lidhter Fülle 
Strablft Du dort hoch, ich weiß es gut!“ 

Ich Ipra zum Strom: „Des Ruhmes Zeichen 
Bift Du, ich werde Dich erreichen, 

Mag rollen meiner Tage Flut! 


Ich fprad) zum Wald: „Ihr düftern Bäume, 
Auch mich durchrauſchen finitre Träume!“ 
Zum Aar: „Sieb dieſe Stirn von Erz!" 
Und ſah ich volle Becher leeren, 

Sprad ih: „In meinem Kopfe gähren 
Ideen, beraufchend jedes Herz.” 


Es ftrömten reich aus hundert Schaalen 
Der Liebe Düfte, Töne, Strahlen 

Auf meinen Schlummer ohne Harm. 

Boll war mein Korb von Blumentanten, 
Und Iuftig flogen die Gedanken, 

Die in der Sonn’ ein Bienenfhwarm, 


Wie Hau des Mondes Silberſchleier, 

Und eined Hirten rothes Feuer 

In Einem Bach fidh fpiegelnd ſchwimmt; 
Wie durch's Geraͤuſch von feuchten Blättern 
Des Waldes Raufhen und das Schmettern 
Der Iuft’gen Bögel man vernimmt; 








124 


So, als mir Alles rief: „o liebe!” 

Und ſchürte die entflammten Triebe, 
YAmraufcht von füßen Zönen nur, 

Und fhwelgend in dem Meer der Minne, 
Selbſt durch den Aufruhr meiner Sinne 
Hört’ ich die Hymne der Natur, 


Und Rofen, im April erfchlofien, 

Und Sommernädte, lihtumfloffen, 
Die Straße, menſchenüberſät, 

Gezadte Klippen, Feljendämme, 

Ein Wald uralter, Irummer Stämme, 
Der ſchattend an dem Wege ſteht; — 


Sie ſprachen all zu mir in trauten, 
Gebeimnißpollen, ernften Lauten: 

„Was weißſt Du?“ klingts daraus bervor 
Sie reden von verborgnen Tingen ; 
Orpheus hört leife Lieder klingen, 

Und weife Worte Blatons Obr. 


Poet! — fo rief die Erde Teife 

Prophet! — erllang des Himmelde Weite : 
Sprich, finge, ſchreite, ftebe feit; 

Schütt’ aus den Born erhabner Lieder, ' 
Laß ftrömen fie auf Berge nieber 
Und Thal und Schlucht, auf Horft und Reſt. 


Die Zeit it bin. — In diefer Stunde 
Bin ich betrübt im tiefften Grunde 
Des Herzend, das der Schmerz verfengt; 





135 


Mir wohnt ein böfer Gaft bier innen. 
Ich bin der Thurm mit hoben Binnen, 
In welchem die Sturmglode hängt, 


Es wogt um mid ein Meer von Sorgen, 
Und unter meinem Glüd verborgen 
Weint leifer Kummer, ſchwer und bang. 
Ein Wurm benagt mir meine Trauben, 
Hoch über meinen grünen Lauben 

Dröhnt des Gewitterd Donnergang. 


Die Hoffnung fieht verſchloſſne Riegel, 
Auf allem Ird'ſchen liegt ein Siegel, 
Das ganz zu löfen nie uns glüdt, 
Das Schidjal fpottet ünfrer Klagen, 

. Das Leben ift ein Rad am Wagen, 
Das vorwärts nur im Staube rüdt, 


Die Jahre fliehn, es fliebn nicht minder 
Erbleiht des Frühlings bolde Kinver, 
Und welken ſeh' ih Blüth’ und Keim: 
AU meine Träume jeh’ ich ſchwinden, 
Gleich Eintagsfliegen, die zu finden, 
AH, nit verftanden" Honigfeim. 


Der Liebe Funken, die entjchliefen, 
Schür ich in meines Herzens Tiefen 
Umjonjt! Ich darb’ im Ueberfluß. 

Das Feuer, ſtets entflammt aufs Neue, 
Es fliegt als Rauch zur Himmelsbläue, 
Fällt mir als Aſche vor den Fuß. 


128 


Mein Sterw erlücht in Wolkenhüllen, 
Mit Roſen wird fih nicht mehr füllen 
Mein Hag, verwelkt ift feine Pracht. | 
Die Hefe liegt im Grund der Schaale, | 
Der Wahn im Grund ber Soeale, 

Im Grund des Morgenrotbs die Nacht. 





Gar mander Mund, dem ich bejcheerte, 
Mas ihn erquidte, was ihn nährte, 
Welt ift er nun und leichenweiß. 

D weh der Seufzer, die erklungen, 

D web der Saiten, die zerfprungen 

An meiner Leier zittern leis. 


@eftorben ift mein Lenz Schon lange; 
Wenn ih nad einem Zweige lange, 
Stiht mi der Dorn am Rofenftod; 
Die Schlange läßt im Gras ſich merken, 
Es nagt der Hab an meinen Werten, 
Die hoch am Laub der Biegenbod, . 


Die herrlihe Natur, die bobe, 

Mir wedt fie nie, wie Anbern, frobe 
Gefühle, bin ift meine Ruh’. 

Ad, könnt’ ich wieder fie erringen! 

Die Stimme, die Dih mahnt zu fingen, 
Mir ruft fie: „Weine! Weine!“ zu, 


Eing’, edle Jungfrau, fromm erhöhte, 
Begrüße dieſe Morgenröthe, 


Die einft berauſchend mir geblinkt, 


127 


Ah, Luft und Lachen waͤhrt nicht lange, 
Vielleicht, daß bald von Deiner Wange 
Auch eine Thräne niederſinkt. 


Dann, wenn das Edidjal Dich geſchlagen 
Werd’ ih um Dih, Du Arme, lagen! 

D Frauenthräne, heilig, hehr 

Bil Du, o Thau aus berber Wunde; 
Weit kommſt Du ber, aus tiefrem Grunde, 


Als Tropfen aus dem tiefiten Meer. 
Rin, 18.. 


XII. 


Rum Iuffgen Schmetterling einft ſprach die Roje: 
Wie geſchwind 

Du fliehft! Ich bleibe bier. Ach, dab doch unfre Looſe 
Ungleich ſind. 

Und doch, — wir lieben uns, und ſind dem Ntenſchenleide 
Fern, allein. 

Und doch — wir gleichen uns, man ſagt ja, daß wir Beide 
Blumen ſei'n. 


Die Erde feſſelt mich, du fchwingft zu Himmelslüften 
Dich hinan. 

Begleiten möcht’ ich dich auf deinem Flug, umbüften 
Deine Bahn. 

Doch ach, du fliegſt empor, und nad) dem Gatten 
Muß ich ſehn. . 

Ich bleib’ allein, ich jeh’ um mich nur meinen Schatten 
Rings fi drehn. 


Du gehſt und kommſt und geht, du kommſt nur, um zu geben; 
Kaum erwadt 

In Thränen jhwimmend fanuft du jeden Tag mich jeben, 
Jede Nacht. 

Damit uns ewig hell der Liebe Sterne ſcheinen, 
Mir vereint 

Schlag Wurzeln oder gib mir Schwingen gleich den deinen, 
Hoher Freund 


129 


An * 27 


© Rof’ und Schmetterling! — Das Grab vereint uns — kommen 
Wird der Tag. . 
Eei bier ſchon mein. Bedenk, daß all das Warten frommen 
Uns nicht mag. 
Sei in den Lüften mein, wenn in des Himmels Lüfte 
Du did taudıft; 
Sei mein im Feld, wenn du im Feld ala Blume Düfte 
Lieber hauchſt. 


Sei, was du millft, Ein Duft, ein Farbenfpiel, und ftrahle 
Luftig, frei, 

Beflügelt, ober ala balboffne Blum’ im Thale, 
Mo es fei, 

Sei ftet3 bei mir! D laß nah Andrem nit ung fchauen, 
Sei nur mein, 

Mag’3 auf der Erde, mag es hoch im ewig blauen 


Himmel ſein. 
September, 18.. 


3. Hugo's fümmsl. pocttiiche Verte, ILL 9 


130 


XIV, 
. Am Meeresfitand. 


© ſieh, wie fhön! — Die Landſchaft, grenzenlos, 
Die ewig vor und endet und beginnt, 

Kornfelder, Bäche, Wieſen, das Gebölz, 

Die Hütte dort, aus der man laden hört, 

Der Drean, in welchen fi der Strand 

Verliert, auf dem wir ftehn, der Golf, gebilvet 
Durch Gottes und der Menfchen Hand, der Spuren 
Bon Beiden deutlich ſchon im Umriß zeigt, 

Die Felſenmaſſen unter Thurmruinen, 

Die Haiden, Wälder, die zerrifinen Klüfte, 

Die Höhlen, die des Meeres Wogen trinten, 

Der Berg, mit Wollen um die Stirne, ber 

Ein grünes Thal in feiner Falte trägt, 

Wie Blumen trägt ein Kind, in feiner Schürze, 
Die Stadt, im Nebel halb verjtedt, und ſummend 
Von fern, mit taujend Häufern, Dach an Dad, 
Der Menjchenlärm, das Saufen in den Zweigen, 
Verlorne Worte, halbverwebte Lieder, 

Die Wogen, die am Strande fanft fih brechen, 
Wodurch der Berge Schatten zitternd fpielt, 

Das Seegrad mit den langen, grünen Haaren, 
Die Vögel, fliegend, ſchäckernd; bier ein Pflug, 
Und dort ein Boot, die beive Furchen ziehen, 

Die Maften und die Bäume, Spiel der Etürme, 


131 


Und jenfeits über diefen fernen Hügeln 

Am Horizont ſeltſame Woltenbilver. 

Das Alles, was verſchwimmend oder klar 

Wir ſchau'n, im Schatten gautelnd, hell erſcheinend 
Im Sonnenjhein, entfliehend, aufrecht ftehend, 
Geneigt, vereinzelt, wimmelnd, Wellen, Feljen 
Und grüne Rafen: — ſchau, das ift die Erbel 


Und über deinem Haupt die lihten Wollen, 

Wo halb zerrifien hängt ein Purpurmantel, 

Das Azurblau, dag Abends ſchwarze Nacht 
Wird fein, die Wohnung ew’ger Harmonie, 

Die Sonne, diefe ftrahlenreihe Gonne, 

Die jedes Ding für unjern Blid verändert, 

Und Regentropfen in Metall verwandelt, 

So daß man glänzende Ruinen nur 

Zu fehen wähnt, emporgethürmte Maſſen 

Bon blanlem Erz und Kupfer, die fi über 
Einander ftürzen, Panzer, Schilde, Schienen, 
Harniſche, golone Deden auf dem Rüden 

Bon weißen Nofien; jener Dcean, 

So wei, jo bläulih, ohne Grund und Mitte, 
Und ohne Grenz’ und Ufer, — dort ber Xetber, 
Der zitternd ſchwingt bei jedem Athemzug, 

In dem, was athmet, Treist, gezogen zieht, 
Hat feine Welle, die mit andern Wellen 

Sich miſcht, in deſſen unermefinem Shoo _ 
Zujammenftrömen Nord: und Frühlingswinde, 
Des Morgens Grau'n, die Abenddämmerung, 
Dezemberfroft und ſchwule Hundstagsbige, 

Der Duft der Blumen und bes Weihrauchs Wolke, 
Die Sterne, funkelnd auf dem Kleid nes Abends, 








132 


Des Nebeld Schleier, und der fahle Schimmer 

Der Sterne, Flittergold im dunkeln Flor, 

Der Lärm der Schlacht, der Trommel wilder Wirbel, 

Des Neftes Raufchen, das vor Liebe zittert, " 

Hauch, Echo, Nebel, Rau, die taufend Dinge, 

Die noch kein Menſchenmund genannt, die Wogen 

Des Lichtes und des Schalls gewiegte Wellen, 

Mas man am Tage fieht und ahnt bei Nacht, 

Das Alles, Wollen, Aether und Azur, 

Der Weltraum, dieſer Dcean der Luft, 

Die hohe Region der Zlammenjtrablen 

Des Lichts, wohin den Menſchen zieht der Geiſt, 

Wohin wir beide fliehn, wo um das Haupt 

Und neben ung, nad ewigen Geſetzen, 

Die Bögel fliegen, fern von uns die Welten, 

Dies unausfprehlih unermefine Reich, 

So furdtbar ſchön, — ſchau auf, e3 ift der Himmel. 
* * * 

Die Erd' iſt reizend, ja, der Himmel ſchön gebreitet; 

Doch wenn Dein Auge flammt, Dein Buſen wogt ſo bang, 

Wenn auf dem Raſen hin Dein leichtes Füßchen gleitet, 

Und keine Leier tönt ſo lieblich wie Dein Gang; 


Und wenn Dein Lächeln ſüß, des Geiſtes Morgenröthe 
Mich überſtrahlt, der mit Entzücken Dir ſich neigt, 

Und wenn vom rofgen Mund die Flamme, die erhöhte, 
Wie zum Zenith, hinauf zu Deiner Stirne fteigt; 


Denn Deiner Stimme Laut von fern mir dringt zu Obren, 
Ein halb verftändlih Wort, das kaum gefagt entfliebt, 

Wie Wellenraufhen, das in Büſchen fich verloren, 

Wie eines Vogels Lied, den man nur hört, nicht ſieht; 


„8 


Und wenn mein Lied, dem fie mit Hohn und Haß erwidern, 
Für einen Augenblid auf Deinem Haupte ruht, 

Wenn trauernd Obdach ſucht mein Lied bei Deinen Liedern, 
Wie hinter weißer Hand fi birgt des Lichtes Glut; 


Seh’ ih in Deinem Aug’ oft Deine Seel’ erſcheinen, 
Wenn Abends wir im Thal ung fegen, laubumhüllt ; 

Und blidft du, trauernd wie verbannte Schweitern meinen, 
Nah einem ſchoͤnen Stern, nad einem Tugendbild; 


Wenn unter Deinen Brau’n, — wie Feuer unter Bäumen, — 
Dein Auge matter glänzt, und banger ſchlägt das Herz; 
Denn vom vergangnen Leid Du oft beginnit zu träumen, 
Wenn Du mir lächeln willft, und weinen mußit vor Schmerz; 


Wenn Sinn und Nerven mir, durch Dich gerührt, ſich regen, 
Gleich einem Inſtrument, das angeſchlagen Tlingt, 

Wenn Deine Finger fih auf meine Yinger legen, 

Die zittern, und mein Herz mitbebend tönt und fingt; 


Denn ih Dein Engelsbild, die himmliſch füßen Mienen 
Betrachte, wenn Dein Geift und Weſen auf ſich ſchließt, 
Und wie der Feuerbufh, in dem einft Gott erſchienen, 
Der Blüthen Fülle zeigt und Flammen rings ergießt, — 


- Die taufend Reize, die Dein Weſen dann umtlojen, 

Die ſüßen Düfte, die dann Deine Schönbeit ftreut, 

Der feinite Wohlgeruch, wie Hauch von hundert Rofen, 

Es ift die Liebe, — mehr ala Erd’ und Himmel meit. 
Ditober, 18.. 


14 


XV. 
Weil Leid und Unruh' alle Stunden 
Sind unfer Loos in diefer Welt, 


Weil das, was Deine Hand gebunden, 
Sid Töfend oft in Etüde fällt; 


Weil unfre Mütter, unfre Väter, 
Wohin wir gehn, gegangen find, 
Weil uns entſchlief — warum nit fpäter 
als wir? — manch holdes, theures Kind; 


Und weil die Erde, die mit Zähren 
Du nebft gebeugt und kummerbleich, 
AU unfre Wurzeln hat und Aehren 
Und Blüten leider auch zugleich; 


Meil Stimmen derer, die wir lieben, 
Und jener, die wir einft geliebt, 
Sich miſchen, Träume, die zerftieben, 
Und die zerftiebend uns betrübt; 


Weil, wenn Entzüden trinkt der Becher, 

Der Schmerz ihn zieht in feinen Bann; 

Und weil das Leben ift ein Becher, . 
‚Der voll und leer nicht bleiben kann; 


Weil, wie fi unfre Tage mehren, 

Der Schmerz fih mehrt und Qual und Schweiß, 
Und felbft die Hoffnung neue Mähren 

Uns nit mehr zu erzählen weiß; 


135 


Beil wir mit jedem Glodenfhalle 

Kein Glüd wie einft mehr fommen ſehn; 
Weil unbelannt die Wandrer alle 

Uns find, die unfre Wege gehn; — 


Drum laß die Erdendinge ſchwinden, 
Und folge nicht dem faljchen Licht, 
Du Arme, Deine Berle finden 

Wirſt Tu in diefem Meere nicht. 


Wenn fternenlos die Nacht, das Steuer 
Ergreif und fahr’ hinaus ins Meer, 

Die Naht trägt, wie der Tod, den Schleier, 
Herb ift da3 Meer, das Leben mehr. 


Es begt die See im tiefften Grunde, 
Die Naht ein Räthfel ohne Licht; 

Gott hieß fie ſchweigen bis zur Stunde, 
Wo al und jedes Wefen jpridt. 


Schon mandes Auge wollt’ erjpähen 
Der Wellen tiefgebeimen Schooß, 
Schon mandes hat fih blind gejehen 
In Himmelstiefen grenzenlos, 


Wenn nähtlih Dir die Pulſe klopfen, 
Erbitte Dir am Himmelsthor 

Bon jenem Strom nur Einen Tropfen, 
Nur einen Ton aus jenem Chor. 


Du Frauenfeele, groß vor Allen, 
Dein Auge ſchweife mildbewegt 

Bum Himmel, wo die Seelen wallen, 
Zur Erde, die die Leiber beat. 





Bedruan, 18... 





XVI. 


Da ung der Blüthenmond ind Freie lodt, 

Eo komm, und werde müde nicht die Seele 

An Wald und Feld und fchattigem Grün zu laben, 
Am Mondſchein auf den fchlafenden Gewäflern, 
Am Pfad, der endet beim Beginn ber Straße, 
An Lenz und Luft und blauem Himmelsjaum, 
An dem die Erde hängt in freud’ger Demuth, 
Mie Lippen ruhn auf eines Kleines Saum, 

D komm, damit der Blid der keufchen Sterne, 
Der, dicht umſchleiert, doch zur Erde bringt, 

Der Baum, umhaucht von Tuft und Vogelſang, 
Dez Mittags heiber Athem im Gefild, 

Und Sonn’ und Schatten, Wellen, frijches Grün, 
Die ganze Strablenfülle der Natur, 

Wie eine Doppelblum’, aufblüben macht 

Auf Deiner Stirne Schönheit, Lieb’ im Herzen. 


Mai, 18.. 


187 


XVII. 


Die Andern ſchlendern in des Lebens Irre, 
Und Wunſch, Verlangen, Geift und Triebe wenden 
Sich, wie's die Dinge fügen, die da kommen, 
Die Füße gehn, doch ohne Kopf, fie handeln 
Baar des Gedanken, blindlings gehn fie nad 
Entwürfen, Träumen, jeder Pforte, die 

Sich öffnet, jedem Wind, der fich erhebt. 

Der Augenblid verfehlingt fie ganz und gar, . 
Sie waren nie und werben niemals fein, 

Sie find nur. Ewig ſchwankend ift ihr Geift. 
Sie gehn, und balten keine Richtung ein, 

Eins löſcht in ihnen aus das Andre, Luft 

Und Langeweile, Heut und Geftern, Sa 
Und Nein. Bon einem Tag zum andern leben 
Sie, von Gedanken zu Gedanken nur, 

Und regellos find fie in ihren Wünfchen 

Und ohne Gränze, Maß und Harmonie, 

Faͤllt's Ihnen ein, ein Stündchen nachzudenten, 
So haben fie vom Hintergrund des Lebens 
Nicht eine Ahnung noch von ferner Zulunft; 
Nichts weiß ihr mattes Herz von Liebedgram, _ 
Und die Vergangenheit iſt ohne Wurzeln 

Für fie, und ohne Blütben ift die Zukunft. 


Doch Du, das Licht, die Freude meiner Seele, 
Die, Jrau zumal und Engel, jeit zwölf Jahren 
Mich z0g nad Oben, und bier unten lentte, 


138 Ä 
Die unter ihren Fittig bald mich nahm, - 
Bald in den Arm, in Ruhe mich zu wiegen, | 
Die immer in ihr Wort die Seele legte, 
Die tägli, als ein lebendes Symbol, 
Den innern Frieden durch die aͤußre Ruhe 
Mir vor das Auge ftellte, durch des Leibes 
Geſundheit ihres Geistes füße Friſche, 
Durch Frohſinn ihre Güte, glei den Göttern 
Die hoͤchſte Schönheit durch die hoͤchſte Tugend; 
Du, meine Leuchte, mein Magnet, mein Pol, 
Du weißſt, inteß wir ſchwankend gehn durch's Leben, 
Daß ihre Regel jede Seele trägt 
In fih, drum bift Du lautre Heiterkeit, 
Klarheit und Treue, nie die Harmonie 
Des Ganzen wirft Du ftören, und Du bift 
Auf Erden, was im Himmel ift die Sphäre. 
In Dir ift feine Härte, die ſich ſtößt, 
Anmuth an Dir ift Alles, Deine Seele 
Vermäblt fich beiter Tächelnd Deinem Geiſt, 
Dein Leben, oft vom Thränenthau befeuchtet, 
Verborgen, wie ein Net im Wald, in dem 
Man wimmern hört, wie leife, träge Wellen, 
Hinſchleichend über Moos, ift ein Concert, 
In bunten Tönen bold zufammentlingend, 
Dein Lächeln, Deine Güte, Schönheit, Jugend, 
Dein ganzes Sein ift ein erhabner Hymnus, 
So ſchoͤn bift Tu, fo ganz vollendet, daß 
Aus jeder Negung, jedem Schritt Mufit 
Hervor in erniten, reinen Tönen ftrömt, 


Schall find die Andern, Du, Du bift ein Lied. 
. Dftober, 18... 


mu... — — 


139 


XVIII. 


An Stänlein Faife J. 
Der Zweifel. 


— — -_.: 


Bellag’ uns, lieblihe Sungfrau, zu diejer Stunde ; 
In unfre Herzen ſcheint die Sonne nicht mehr bell. 
Web, eine Echlange liegt am Haren Waſſerquell, 
Der böje Zmeifel wohnt im tiefften Seelengrunde. 


Du, die Du niemals treibft mit Seelen argen Scherz, 

Die Hare Ruh’ umfonft fi mühen zu gewinnen, 

Du, die Tu beiter Tebft, fill, ernft, mit offnen Sinnen, 
Durch den Gedanken Du ein Mann, ein Weib durch's Herz; 


Menn, meine Mufe, Du mich fragft, woran ich kranfe, 
Warum ein dunkler Traum mir ftet3 umſchwebt das Hirn, 
Warum fih Wolken ftet3 mir lagern um die Stirn, 
Warum bemegt ich, wie der Zmeig in Lüften, ſchwanke; 


Warum ich finne, was wohl rauhen mag der Wind, 
Darum ih mürrifh oft in finitern Träumen bebe, 
Wenn's kaum im Oſten graut, erwachend mich erhebe 
Noch vor den Vögeln, ja, noch vor dem jüngften Kind; 


Warum, fobald entzwei der Nebel reißt den Schleier, 
Ich, wie in einem Schloß, das öffnet Saal um Saal, 
Im Freien wandre, bier betrachtend tief im Thal ° 

Den Blumenteppih, dann des Himmels Sternenfeuer; 





140 
Dann fag’ ih Dir: E3 wohnt ein Feind in meiner Bruft, 
Der Zweifel, — ein Gefpenft, das irre führt ven Wandrer, 


Aus Tag und Nacht gemacht, ſtets wechjelnd, ſtets ein Andrer, 
Der jedes Ding verbirgt und zeigt mit arger Luft; 


Dann- fag’ ih Dir: Ich frag’ in jeder Stunde meinen 
Inſtinkt, der ftammelnd aus der Haft der Sinne fpridt, 

Des Glaubens Sehnsucht fühl’ ih wohl und glaube nit, 
Der Geift verneint und lat, das Herz zerfließt im Weinen. 


Den Dichter flüftern börft Du mandmal, wenn er träumt, 
Dem Bettler glei, der fibt vor der verfchlofinen Pforte 
Und hungernd harrt und lauft, ob Tritt’ er oder Worte 
Nicht hört, ob er ſich naht, der fie zu öffnen fäumt. 


Der Zweifel — Ichlimmes Wort! Ach, überall mit Schmerzen 
Le ich’s in Flammenſchrift, im Blig, im Morgenroth, 

Im blauen Himmel, wenn auch fern kein Wölkchen drobt, 
Den Augen deutlich, doch unfaßlich für die Herzen. 


An diefem Leiden krankt der Dichter, jeder Sohn 
Der Leidenſchaft, der auf fi nicht zu Deinem Siege, 
Zu Deinem Frieden fchwingt, wir Alle, deren Wiege 
Schwamm auf dem wilden Strom der Revolution. 


Der Aberglaube, der binfchleiht auf Schlangenbahnen, 
Spudt unter unfrer Stirn, die Nichts mehr keimen läßt; 
Im Herzen tragen wir den todten Weberreft 

Der ‚Religion, die einft gelebt in unfern Ahnen. 


Das iſt's, warum ich geb’ oft tief das Haupt gefentt 

In ſpaͤter Nacht; wenn all entſchlafen find die Andern, 

Da muß ih bordhen, Tpähn, des Weges einfam wandern, 

Zur Stunde, wo der Menfd vom Menſchen Arges dent. 
* * 


i⸗ 





141 


Beglüdt, wer lieben fan, wer in der Nacht, der tauben, 
Der blinden, Glauben ſucht, und Liebe finden kann: — 
Er bat die Lampe doch, bis einft der Tag bridt an; 
Begküdtes Herz! Term Lieb’ ift ſchon zur Hälfte Glauben. 
Dltober , 1834. 





142 


XIX. 
Date lilia, 


— — 


®, wenn ihr jemals einer Frau begegnet 

Mit reiner Stirn, mit ernitem Schritt und holdem 
Antlig, — vier Kinder folgen ihr, wovon 

Das Letzte kaum erft gebt, fie überwacht 

Gie alle gut, und wenn ein armer Greis 
Vorübergebt, ein Blinder, drüdt ein Kleines 
Geſchenk für ihn fie in die Hand dem Jüngſten; — 
Menn in Gejellfchaft ihr, wo einen Namen 

Man eben jhnöd zerreißt; ihr eine Frau 

Erblidt, die ſchweigend lauſcht und dann Topfichüttelnd 
Eud Sagt: — „Wir wollen warten, eb’ wir richten, 
Wer unter uns ift obne Schuld? Man ift 

Gar zu bebend, das Schöne zu beſchmutzen; 

Das Lob hat keinen Fuß, der Tadel Flügel;" — 
Wenn die Erinnrung, wenn Gewiſſensbiſſe 
Vielleicht, der Zufall in die Stadt der Todten 

Euch führt und ihr am Ende, wo die ftille 

Allee umbiegt, auf einem Grab, zu dem 

Gin Pfad, ein vielbetretner, führt, allein 

Mit ihren Kindern feht ein hohes Weſen, 

Das lähelnd weint, wie man im Himmel weint, 
Denn bem gebrochnen Herzen fel’ger Gram 


143 
Entſtroͤnt, wie Waſſer aus der Vaſe Riten, 
Wenn an dem thränenmüben Engel Nichts, 
Nichts Sterblices mehr ift, wenn kummerfeucht 
Ihr keuſches, himmlifch reines Auge mehr 
Nach oben, ala hinab zum Grabe fhaut 
Und fo betrübt zurüd zur Erde fällt, 
Daß faft es ſcheint, als wenn ihr Herz noch zwifchen 
Der Mutter, die im Himmel, und den Kindern 
Auf Erden nicht die Wahl getroffen hätte, — 


Wenn fih um Dftern oder Weihnacht Abends 
Tie Kirche mit verworrenem Geräufch 

Bon Tritten füllt und flammenhellen Kerzen, 
Wenn Weihrauhmolten aus den Beden ftrömen, 
Wie weißer Schaum vom Rand der Kelter, wenn 
Inmitten des Geſangs von Männern, Kindern. 
Und Frauen, Gine Seel’ aus all den Seelm 
Zum Himmel ſich erhebt; wenn fern den Kerzen, 
Ten Stimmen, den Gelübden, fern dem Glanz, 
In einem Wintel, tief zurüdgezogen, 

An einer dunkeln Wand vier junge Stirnen 

Ihr feht gebeugt, auf denen Blide ruhn, 
Verſchleiert, würdig, ernſt, Doch füßer noch, 
Ein Strahl, jungfräulid mehr als mütterlich; — 


Mer ihr auch ſeid, o jegnet fie. Sie iſt's 

Leibhaftig, fie, die Schweiter meiner Seele, 

Mein Stolz, mein Schirm, mein Hort in jungen Sahren, 
Und meine Hoffnung noch in alten Tagen! 


Sie iſt's! Die Tugend, über meine Stirn 
Zieh beugend, die Statue von Alabafte® 








144 


- Berftedt im Haus, der Baum, ber auf die Straße, 
Die ſchweren Schritte ih wanble, feine Früchte 
Gar oft mir wirft und immer feinen Schatten; 
Sie, deren höchſtes Glüd ift meine Freude, 

Die Frau, die, wenn wir ſtraucheln, ihre Kinder, 
— Ich felbft vielleiht, — fie, ohne böfe Blide 
Und ohne ftrenge Worte, an der Hand 

Ergreift und mi am Herzen, fie, die Gute, 

Die, wenn ib Böfes träume, mich allein 

Kann ftrafen, die allein mir kann vergeben, 

Die über meine eigne Schuld mic tröftet 

Und frei mid) ſpricht, zu der ih: „Ewig!” fagte, 
Und die mir fagte: „Ueberall!“ — Sie iſt's! 
Sie! Alles faht das Wort! Sie ift die Blume 
Der Schönheit mir in meinem Winterfroft, 

Der ihren Duft die Güte gab. D Wunder! 
Geheimnißvoll verbundnes Doppelweien: — . 
Die Blum’ iſt irdiſch,; himmliſch iſt ihr Duft. 


Ende ber Lieder der Dämmerung. 


18.. 


Innere Stimmen. 


V. Hugo’ ſammtl. poetifhe Werke, IL - 10 


2 


” 


Dem Grafen 


Iofeph Leopold Sigisbert Hugo 
Generallieutenant ber Armee des Königs 


°‘ 


Geboren 1774. 

Freiwilliger 1792. 

Oberft 1803. 
Brigade - General 1809. 
Provinzial» Gouverneur 1810. 
General» Lieutenant 1825. 
Geftorben 1828. 


nicht eingejchrieben auf dem Arc de PEtoile 


fein ehrfurchtsvoller Sohn 


V. H. 


Spatefpeare'3 Porcia fpricht irgendwo von einer Mufit, 
die jeder Menih in fih bat. — Web Dem, der fie nicht ver- 
nimmt, fagt fie. Auch die Natur bat diefe Muſik in fih. Wenn 
dieſes Buch Etwas ift, fo iſt es das Echo, allerdings ein fehr 
verworrenes, ſehr abgeſchwaͤchtes, aber dennoch, wie der Dichter 
.glaubt, treues Echo des Geſanges, der in ung antwortet dem 
Geſang, den wir außer uns hören. 

Ta nun diejes innere, geheime Echo in den Augen des 
Verfaſſers die Poeſie ſelbſt ift, fo bildet biefer Band, mit 
einigen neuen Schattirungen vielleiht und den Umgeſtaltungen, 
welche die Entwidlung der Jahre mit fich bringt, nur eine 
Fortſezung der früheren Bände; etwa mit dem Unterjchied, 
daß man fagen konnte: in den Drientalen, zum Beilpiel, 
-fei die Blüthe weiter geöffnet; in den Innern Stimmen 
fei der Thau oder Regentropfen mehr verborgen. Die Poelie 
— wofern es irgend erlaubt ift, bier ein jo großes Wort aus: 
zufprehen — die Poeſie ift mie Gott, Eins und unerjchöpflid. 

Wenn der Menſch feine Stimme hat, und die Natur bie 
ihrige, fo haben aud die Ereigniſſe ihre Stimme, Der Verfaſſer 
war immer der Anficht, der Beruf ver Dichters jei, in Eine 
Gruppe von Gejängen dassdreifahe Wort zufammenzufhmelzen, 
das eine dreifache Lehre in ſich jchließt. Das erfte wendet ſich 
nämlich beſonders an das Herz, das zweite an die Seele, das 
dritte an den Geiſt. Tres radios, 

Und findet in unfern Tagen ſich nicht jeder Menſch darin 
wieder? Umfaſſen ihn nicht ganz die drei Seiten des menſch⸗ 
lihen Lebens: der Herd, das Feld, die Straße? Der Herd, der 








150 


unfer Herz jelbft ift; das Feld, wo die Natur zu ung rebet; 
die Straße, wo zwiſchen den Geißelbieben der Barteien ein 
Haufen lärmender Wagen dahinrollt, — die politiiden Greig- 
nifje, wie man es nennt, 

Und — mie wir im Vorbeigehen bemerlen wollen — ir 
diefem verworrenen Conflilt von Menſchen, Meinungen und 
Ssnterefien, die fih alle Tage fo gewaltthätig auf jedes der 
Werte ftürzen, welche zu vollenden diefem Jahrhundert ge 
geben it, bat der Dichter eine ernfte Beitimmung. Bon feinem 
civiliſatoriſchen Einfluß fogar abgejeben, iſt er es, der die 
Befugniß bat, die politiichen Ereignifle, wenn fie e8 verdienen, 
zur Würde biftorifcher Ereigniffe zu erheben. Er muß zu dieſen 
Zweck auf feine Beitgenoffen jenen ruhigen Blid werfen, ven 
die Geſchichte auf die Vergangenheit wirft; er muß, ohne fi 
durch optiſche Täufchungen, trügeriihe Luftipiegelungen und 
vorübergehende Annäherungen irre führen zu lafien, fofort 
Alles in die richtige Berfpeftive ftellen, bier davon, dort dazu 
tbun. Er darf ſich nie auf irgend einen Weg der Gewalt ein 
lafien. Er muß über dem Tumult zu fteben wiſſen, wuner- 
fhütterli, ftreng und wohlwollend, bisweilen, was jehr ſchwer 
ift, nachſichtig, und mas noch ſchwerer ift, immer unparteiiih: 
er muß im Herzen jenes ſympathetiſche Verſtändniß für Revo⸗ 
Iutionen baber , welche die Verachtung der Emeute, des Putſchs, 
in fih fchließt, jene hohe Achtung vor dem Volt, die mit der 
Veradtung des Pöbels verbunden; jein Geift darf Meinlihem - 
Zorn oder kleinlicher Eitelkeit Teine Conceſſion maden; fein 
Lob wie fein Tadel muß fich oft umkehren und bald gegen den 
Geift des Hofes, bald gegen den Geift der Faltion richten. 
Er muß im Stande fein, die breifarbige Fahne zu grüßen, 
obne die Lilien zu befhimpfen; im felben Buch, faft auf der- 
jelben Seite den Dann zu brandmarlen, der eine Frau ver- 
sathen bat und einen edlen, jungen Fürſten zu loben wegen 


151 


eizer guien und ſchoͤnen Handlung; die hohe Idee der Sculptur 
auf dem Arc de l’Etoile zu verberrlihen und tröftliche Worte 
zu fagen über den traurigen Gedanken, ber im Grabe Karls X. 
eingefhlofien if. Er muß aufmerkſam fein auf Alles, auf 
richtig in Allem, unparteiiich für Alles; er muß, wie ich ſchon 
anderöwo bemerlt habe, unabhängig fein, felbft von feiner 
eigenen Empfindlichkeit, felbft von feinen perjönlihen Be— 
ſchwerden; er muß bei Gelegenheit zugleich zornig fein können, 
wie ein Menſch, und rubig, wie ein Dichter, Endlich muß er 
in einer Zeit ber beftigiten Meinungslämpfe, mitten unter 
den gewaltigften Attraktionen, denen feine Vernunft Wider 
ftand leiten muß, ohne von ihrer Bahn abzuirren, in jedem 
Augenblid den erften Zweck vor Augen haben: ihrer guten 
Seite nad allen Parteien anzugebören, ihrer ſchlechten nad 
feiner, | 

Die Macht des Dichters beruht auf feiner Unabhängigleit. 

Der Verfaſſer verbehlt fh, wie man fieht, feine der 
ſchweren Bedingungen feiner Mifiion, die er auf fi genom- 
men, in der Erwartung , daß ein Befierer fomme, Nis Reſultat 
der Kraft, wenn ihr Begriff fo gefaßt wird, iſt die Kultur 
ber Geifter und der Sitten, die Eivilifation felbit. Nach diefem 
Refultat wird der Verfaſſer dieſes Buches, fo wenig befähigt 
er auch für einen fo hohen Beruf fein mag, auf allen feinem 
Geiſte zugänglichen Wegen ftreben, durch die Bühne, wie durch 
das Buch, dur den Roman, wie dur das Drama, durch 
die Geſchichte, wie durch die Poeſie. Er taftet, er verjucht, 
er wagt. Das ift Alles, Viele Sympathien, edle und verftän- 
dige, ftügen ibn. Hat er Erfolg, jo wird er ihnen und nicht 


ſich denfelben zu verdanken haben. — 


Mas die an die Spite bdiejes Bandes geftellte Widmung 
betrifft, fo glaubt der Verfaſſer, zumal nach den vorangegan- 
genen Zeilen, nicht nötbig zu haben, zu erllären, wie ruhig 








152 


und religiös die Empfindung ift, bie fie ihm biktirt hat. Man 
wird ihn nicht -mißverftehen. Angefihtd der beiden Moriu- 
mente, des Arco de l’Etolle und des Grabes jeined Bate:2, 
wovon das eine ein nationales, das andere ein Familiende ak⸗ 
mal, jedes ein beiliges ift, konnte feiner Seele fein anderer - 
Gedante kommen, als ein ernfter, friedliher und beiterer. Er 
bezeichnet eine Auslafjung, und in der Erwartung, daß fie ba, 
wo fie muß, wieder gut gemacht werde, macht er fie qut, fo 
weit er ed vermag. Er widmet feinem Vater dieſes arme Platt 
Papier, nämlih Alles, was er hat, und bedauert, daß er 
feinen Granit bat. Er handelt, wie jeder Andre in derfelben 
Lage handeln würde. Es ift ganz einfach eine Pflicht, die er 
erfüllt, nicht? mehr, nichts weniger, und die er erfüllt, mie 
man Pflichten erfüllt, ohne Geräusch, ohne Horn, ohne Staunen. 
Eo wird darüber auch Niemand fi wundern, wenn er ihn thun 
fieht, was er thut. Immerhin kann Frankreich wohl ſorglos 
ein Blatt aus feinem dichten, glorreichen Kranze fallen laſſen; 
ein Sohn bat die Pflicht, dieſes Blatt aufzuheben. Gine 
Nation ift groß, eine Familie ift fein; was für bie eine Nichts 
ift, ift für Die andre Alles. Frankreich bat das Recht, zu ver- 
geſſen, die Familie hat das echt, ſich zu erinnern, 


Paris 24 Juni 1837. 


Die Innern Stimmen. 


— — 


J. 


Ja, das Jahrhundert iſt gewaltig, groß, durchdrungen 
Von edlem Trieb, und Fleiſch wird die Idee und Bein. 
Der Arbeit Schall, das Wort, dem Menſchengeiſt entſprungen, 
Etinmt in den hoben Ton der Schöpjung Gottes ein. 


Der Menſch ift überall, einfam wie in den Gaſſen 
Der Städte, treu der Mil, mit der wir ihn getränft, 
Und aus dem rohen Blod der ungeftalten Mafien 
Haut eine Nation der Geift, der ſchafft und denkt. 


Nein wird der Groͤve⸗Platz, vor Alter ftürzt zujammen 
Das Blutgerüft, es fchläft der Aufruhr, Seinen Zorn 
Wohl hat. das Bolt und der Vulkan bat feine Flammen, 
Berwüftung ſchafft er erft, dann aber Wein und Korn, 


Gewalt’ge Dichter, treu den göttlichen Befehlen, 

Sie ftrahlen aus ihr Licht begeiftert, ung zu Dan, 

Die Kunft hat Thäler, friſch und grün, wo edle Seelen 
Am Born der Poeſie fi ſchöpfen Haren Trank. 


Der Denter richtet, Stein um Stein zufammen fugend 
An dem Geſellſchaftsbau, der want bei jedem Wind, 
Zwei Säulen wieder auf der alten Sitt’ und Tugend, 
Die Ehrfurcht vor dem Greis, die Liebe zu dem Kind, 


154 


Die Pflicht, das Kind bes Rechts, wohnt unter unjern Dächern 
Wie ein erhabner Gaft, die Bettler, forgenfchwer, 

Stehn niht in Haufen mehr vor prunlenden Gemächern, 

Des Hafjes Klamme glüht in ihrem Blid nicht mehr. 


Die ftrenge Wahrheit ift nicht mehr verſperrt, verriegelt, 
Entziffert jedes Wort; der Geift des Menfchen liest 
Sm Buch der Dinge, das fih willig ihm entfiegelt, 
Froh, daß fi jeden Tag ein Räthſel ihm erſchließt. 


Ihr Dichter, Dampf und Erz verleihen Iuftge Schwingen 
Zur Stunde, wo im Traum ihr wandelt euren Pfad, 
Der alten Schwere, die anllebt den ird’Ihen Dingen 
Und die den Pflafterftein zerrieb mit plumpem Rad. 


Die Stoffe knechtet kühn der Menſch, die träge fchliefen;, 
Er dent, er forſcht, er Schafft; von feinem Odem find 
Belebt die Keime, rings verjtreut in Höhn und Tiefen, 
Sie zittern, jhauern, wie ein junger Wald im Wind. 


Ya, Alles regt fi, wächst, vie Spuren fleißiger Hände 
Ringsum, die Zeit ift da, bie wir fo lang erfehnt. 

Der Menſch, betrachtend fern das leuchtende Gelände, 
Sieht jein Geſchid, das wie ein breiter Strom ſich dehnt. 


Ja, Alles fchreitet fort, und groß tft das Jahrhundert, 
Doch bei dem ftolgen Glanz, trog allem Lärm, der fallt, 
Eins ift, was mid erjchredt im Stillen und verwundert, 


D Jeſus, daß Dein Wort, ah, mehr und mehr verballt. 
April, 1837. 


165 


1. 
Sunt lacryma rerum. 


1. 


Er ift geftorben. Weiter nichts. Das Bolt, 

"Die Urne, der entitrömt fo Haß wie Liebe, 

Hat feinem Namen Mitleid nicht gezollt, 

Nicht Ruhm noh Achtung, nicht das kleinſte Zeichen 
Blitzt' auf, und unverändert blieb der Anblid 

Dez ftürmiihen Jahrhunderts, — diefeg Meer 
Bol unterjeeiicher Klippen, wo das Faktum, 

Die dunkle Welle, über die Idee | 
Sih ſchäumend wälzt. Kein Tempel bat gefeufzt 

Sn unjern Städten, keine Todtenglocke 

Nief über unfre Häupter: Wehe! Wehe! 

Die taujendftimmige Preſſe warf den Kopf, 

Die grimme Wölfin, Inurrend faum herum, 
Verachtlich blidend,, diefem Purpur gab 

Sie nit einmal im Zorn den lebten Biß. 

Ein ever rannte feinem Ziele nad, 

Dem Strand die Flut, dem Geld die Menge, feiner 
ee der Denker, feines Weges ging 

Und Tief und rannte Jeder, nicht ein Laut 
Verkündet' es: — So eben ftarb ein König. 


156 


2. 


Ihr dunkeln Feuerſchlunde vor dem Tom 

Der Invaliden, Sphinxen gleich am Fuß 

Der großen Pyramiden, grüne Drachen 

Von Erz mit aufgeſperrtem Rieſenmaul, 

Ihr Hüter des Palaſts, gebaut für Rieſen, 

Der einen ungeheuern Helm von Stein 

Auf feinem Haupte fernhin leuchten läßt, — 

Bei diefem Ruf, von dem gewedt ihr alle 

Sonſt brülltet: — „Frankreichs König ijt geſtorben!“ — 
Wie kommt's, daß keins von euh, — dem Löwen gleich, 
Wehn er gefangen feine Ketten ſchüttelt, — 

Auffuhr von feiner eihenen Laffette 

Und, jah erwacht, zu feinen fchmarzen Nachbar 

Sih wandte: — „Franfreihd König ift gejtorben!! — 
Wie kommt's, daß ohne eure Trauerjalven 

Sm Dunkeln, Hanglos, jener Sarg fi ſchloß? 

Daß Nichts fih rührt’ auf eurem Holzgeſtelle, 

Ihr ftummen Schlünde, nicht einmal das Raufchen, 
Das träge mit den grauen Flügeln fchlagend 

Ter Wind der Nacht entlodt der leeren Rüftung? 

Tas iſt's: ihr fein in unfern Bürgerlriegen 

Verderbt, wie wir, geſchwätzig, eitel, feil! 

Verroſtet, alt, auf euren Platz genagelt, 

Stet? auf ten Knien vor Allem, was paflirt, 

Den Schlachten fremd, bewacht, im dunkeln Wintel 
Hier an der alten Mauer, durch Soldaten, 

Die hinken, Donnerbüchſen für Paraden, 

Die die Armee vergaß, die Wolken Rauchs 

Um jeden Sieger madt, für eiteln Bomp 

Nur aufgeipart, fo fteht ihr feftgewurzelt 


187 


In eurer Feigbeit. Schmähliche Kanonen 

Des Friedens, deren Stimme Schreden nicht 
Im Kampf verbreitet, die bei Feſten nur 

Sich beifer ſchreit, und die verberrlicht Stets, 
Die kommen, aber niemals die, die gehn! 
Seid dreißig Jahren’ habt ihr, — eberne 
Hoffhranzen, welche Louis den Eilften tie 
Ten vierten Heinrich tief anbeten, — Allen 
Beifall gedonnert, alle laut gegrüßt, 
Berftummend nut, wenn ziſchend fchrie das Bolt, 
Nur den erhebt ihr, den dag Glüd erhebt. 
Um euch zu gießen, warf man in die Form 
Zinn, Kupfer nd — Verachtung für Defiegte. 
Wer im Eril geftorben, nie gelebt 

Hat er für euch, und eure Eifenlunge 

So mächtig dröhnend, ift für Gorig ftumm, 


Wie für Sankt⸗Helena. — Schmad über euch! 


Doch nein, Auf ung Unfinnige nur fällt 

Zurüd die Shmad. Denn uns gehorcht ihr nur, 
Gefangne, Sklaven feid ihre nur. Der Krieg, 
Der eu aus feiner beißen Lava fchuf, 

Schuf für die Schlacht euchh und wir nahmen euch, 
Um mit Barifer Koth euch zu beſchmutzen, 

Um euch zu bannen an den Fuß des alten 
Palaft3 und in den Bauch Theaterblige 

Euch nur zu fteden! — Schande über und! 
Wir find e8, wir, die diefem beil’gen Erz, 
Einhauchen unsre Seele, die verworfne! 

Wir gehn dahin entehrt, doch fie, ach, bleiben, 
Gefangen, dumpf binbrütend. An dem Tag, 

Mo Könige in der Verbannung fterben, 


Dürft ihr Rauchwellen nicht ausfirömen, dürft 

Nicht andre Seufzer langgezogen über 

Paris bindröhnen lafeen, Doggen gleich, 

Gelettet an die Mauer, die die Leichen 

Mit kläglichem Geheul binausbegleiten. 

Stumm und den langen Hals zum Pflafter ſenkend 
Bleibt ihr, und denkt in böfem Traum der Menfchen, 
Der Talten Geifter, der fühllofen Herzen, 

Der niedern Seelen, die dem armen Erz 

Aufbürden ſolche niederträhtge Schmach. 


3. 
Ihr ſchweigt. — Doch ich, der oft dem Morgenroth 
Sein Lied verfagt, doch nie dem Untergang, 
ch, einft der Gaft des zehnten Karl in Rheims, 
Ich, der beflagt fein Unglüd, feine Fehler 
Geſcholten, — ſchweigen werd” ich nicht. Ich ſteige 
Geſenkten Hauptes in die tiefe Gruft, 
Sn welcher ver gefallne König jchlaͤft, 
Aufhaäng' id meine Lamp’ am Grabgemölbe, 
Und trauernd, unabläflig fein gedenkend, 
Wird, in der Zeit des ſchmählichen Vergeſſens, 
Mein frommes Lied an feiner Seite wachen. 


Was fümmert’3 mid, der, feine Flügel breitend, 
Manchmal berührt der ew’gen Leier Saiten, 
Mid, der nur Liebe bat für Meer und Flur, 
Für alle, die da leiden ohne Schul, 

Mi, der voll Sorgen ift, wenn in die See 

Ein Schiff ih wagt, um die Matrofen, bängend 
Im Tackelwerk, und deſſen Mitleid zagend 

Dom Schweiß des Bolts zum Schweiß ber Könige 








169 


Betrachtend geht, was fümmert’s mich zuleht, 

Daß ſeit ſechs Jahren diefer König mar 

Geftrihen aus der Reihe der Gekroͤnten, 

Ein Wrad am Ufer unjrer wilden Wellen, 

Ein Schatten, brütend über dem Geſchehnen, 

An dem er richt Gewicht noch Bahl geändert, 

Daß feine Stirne, längft ſchon kahl, ind Duntel 

Sich tauchte, daß er, ſchon ein Greis, des Throns 

Und Schildes baar, den erften Koͤnigstod 

Grlitten, — das Exil! — Ich fag’ e8 laut, 

Ermwedt es aud mir wieder Hab: verſchwiſtert 

War meiner Jugend feine Thronbefteigung. 

Denn unter feinem Siegesthor empfing 

Ung Beide Saint-Remy am jelben Tage, 

Den greifen Yürften, Ihn, und mid, dag Kind. . 

Ich, ein Poet, den er gelannt, ich laß 

Es nicht geihehn, daß meinen todten König 

Man in die nadte Todtentruhe legt. 

Indeß die Menge mit Gefchrei von fern 

Die Luft erfüllt, fol die Barmberzigkeit, 

Die hohe Göttin, der Verbannten Magd, 

Die ein fie hüllt in ihr ſchneeweißes Linnen, 

Nicht in der Nacht, in der ihr Auge fchimmert 

Als Stern, vergeben! mich gebeten haben 

Um einen Sehen Sammt für diefen Sarg. 
. November, 1836. 


iR 160 


IT. 
Der Erinmphbogen. 


—— 


... In fernen Tagen, deren tiefe Stufen 

Man kaum binabzufteigen wagt, wenn brei 
Sahrtaufende ſchon über unſre Aſche 

Sind hingegangen, — uns, die jetzt noch leben, 
Und aufrecht gehn und denken; wenn in Furchen 
Verwandelt unſre Gräber find, wenn Abends 

Auf einem Hügel figt ein Mann und fid 

Vergißt, betrachtend die verwaiste Seine; — 

O Gott, wel traurig Öder Anblid wird 

Der Drt ihm fein, wo einit Paris geitanden! 
Oh, wenn 'es ift die Stunde, wo der Nebel 

Auf's Abendroth, das wie Golvkäfer fchimmert, 
Gefallen, wenn ded Baumes Krone jchwarz 

Zum Himmel ragt, im bleihen Dämmerlicht, 

Mo Nichts mehr wirklich jheint, im Schatten, mo 
Entihläft die Blume, und der Stern erwacht, — 
Mit welchem Auge, mie durd einen Schleier, 
Wird er verfhmommen, wachfend, wie im Traum, 
Zu feinen Füßen ſehn die braune Ebne, f\ 
Die langfam {ch ind Unermefine dehnt, 

Die ſchwarze Flut der Nacht, die ſchwillt und wogt, 
Und nad) einander Hügel, Wald und Au 


161 


Berihlingt und ſteigt zum fernften Horkgont; — 
In diefer dunkeln Stunde, wo zu fliehn 

Die Gegenſtände fcheinen, und Geftalt 

Und Form zu wechſeln, ba, weld ſüßes Schaufpiel, 
Hier, wo kein Licht mehr blintt, die weite Flur, 

- Wo laut einft jeder Stein geweien, ſchlafen 

Zu fehn! Wie wird er auf das wirre Raufchen 
Begierig horchen, und im Gehen träumend 
Geftalten jehn gelauert im Gebüfch, 

Im Baum am Bad, im alten Mauerwerl, 

An dem hinauf das Schilfrohr ledt, wie wird 

Er Leben ſuchen in dem großen Grab 

Und, fi verblendend felbft, durch Buſch und Zweige 
Und Finfternig Fußgänger. ihau’n und Wagen! 
Doch, nein, ringe Alles tobt! — Auf weiter Flur 
Nichts als ein ausgeftorbnes Volk, das fie 
Bededt, des Menſchen Auge Tängit erloichen, 
Lebendig Gottes Auge uyr; ein Bogen, 

Ein Pfeiler, eine Säule, und inmitten 

Des filberbleihen Fluſſes, deſſen Schäumen . 

Das Ohr vernimmt, die Trümmer einer Kirche! 


Web, alſo ftirbt, mad Menſchenhaͤnde ſchaffen! 
Ein tiefer Abgrund öffnet ſich der Seele, 
Schwer fällt auf’3 Herz dem frommen Wandrer unfre 
Geſchichte, dann zumal, wenn ſein Gedaͤchtniß 
Ihm ploͤtzlich ſagt, zurücgelehrt im Lauf 
Der Jahre ſei an jenem Ahend eben 
Der großen Nächte eine, die voran 
Den großen Tagen gingen, wo ber Kaiſer 
Bom Ruhm des andern Tages rubig träumend 
Dem Morgenroth des Siegs eutgegenichliek. 
8. Huge's ſammil. yostifche Werke, III. 11 


162% 


Wenn endlich ‚gegen Mitternacht, der Träume 
Er müd und müb zu lauſchen an der Schwelle 
Bon einer Welt in Trümmern, die er lang, 
Die Zeit vergefiend, auf den Ellenbogen 
Geftügt betrachtet, dieſes ſumme Nichts, 
Aufbricht und langſam feinen Rüdweg ſucht, 
Wenn in der großen Wüfte, unbefledt 

Bon Menjhentritten, Nichts die Scham mehr ſtoͤrt 
Die ein zerftörtes Nom, die ein Paris 

In Trümmern vor dem Menſchen haben muß, 
Wenn endlich frei und ftill die Einſamkeit 

Ihr Werl der Naht fortfeken Tann, und wenn 
Dann ein belebtes Weſen in der Debe 

Noch wacht, dann wird vielleicht es plöplich, wie 
Durch einen Hauch gewedt, aus Deinem Haupte 
Auffabren ſehen einen bleiben Bis, 

Und Antwort wird auffhauernd in der Ferne 
Die Säule geben, und die Schwere Wimper 
Aufſchlagen plöglich ihre ſtolzen Krieger 

Bon Erz und Deine Krieger von Granit. 

D Wunder, jäh erwachen al’ und prallen 

Wild auf einander, wie die alten Krieger 

Der Sage, die in grauer Zeit in Marmor 

Ein Baubrer wandelt’ und zurüd in Menſchen. 


Der Aar von Erz, der fchläft auf Deiner Spige, 
Wird ſtolz empor fi richten, und bie Ylügel, 
Die breiten, über diefen Helden fhltteln, 

Die er im Feuer feiner Augen babet. 

Woher das Leuchten diefer Auferftehimg? 

Woher der Wind, der die metalinen Kerieger 
Anhaucht, daß fie Ach aufgewisgelt rühren, 


103 


Wie Blätter um ven Stamm der Eiche zittern? — 

“ Gott weiß es Gin Geheimniß waltet bier. 

Der Gine jagt zum Anden leis: Steh’ auf! 

Die Sechſundneunz'ger weden die von Taufers 

Achthundert auf, die Krieger, die die Sänte 

Hinan zum Himmel führt, die an der Erde 

Gin Sodel von Granit gefeflelt hält. 

Sie fpornen in’ vie Schlade ihr Roß, das michert, 

Die Fahne, die ſich bläht, die Fleuerſchlunde, 

Die rafieln, jagen fie ins Kampfgewühl. 

An Deiner Mauer hört man Hornfignale, ot 
Kanonenkomner, Trommelwicbel, wilde - s 
Anprallen der Schwabronen, Schlachtgeſchrei re 
Durch's Blachfeld hin, das dumpf erſchüttert bröhnt, 

Das braust hervor auß dem belebten Stein, 

Bom Fuß der Säule zur erhabnen Spike ’ 
Laut dröhnt das Erz, wie Lärm von hundert Schlachten, ' 
Und, wisberwerfend den erſchroknen eine, 

„Sieg!“ rufen fie und die Yanfaren ſchmettern, 

Und vor der Säule fchallt zu Dir berüber 

Der Jabelruf aus taufend Kriegerleblen. 

Dann wird es ftille, bier, wie dort... Doch bordh... 

Meldy jeſtlich frober Lärm durchrauſcht das Thal? ... 

Und Notredame, wie ein Zabarum 

Ihr Kreuz erleuchtend, wirk, in dunkler Nacht 

Euch ein Tedeum fingen, fern verhallend. 


164 


D Monument, dad find die Träume des Poeten, 

In deinem Schatten war's, wo fie jein Haupt umwehten, 
Bern hätt’ ein Belus, gern ein Mithra dich geſchaut; 
Ein Dentmal hant des Kriegs, geweiht zum Weallfahrtserte 
Der Zukunft, Traum von Giein, du wunderbare Pforte 

Zu einem Rieſenſchloß, bad träumend man ſich baut. 


Benn beine Vilbder ih in ſſaub'gen Spheu bälle, 

Wenn in der Zunft ih, nachdem verraufcht bie Fülle 
Der Jahre, leuchten ſeh' vie Namen, rubmbelränst, 

Die lange Heldenreih’ an deinen Mauerwänden; 

Die durch der Zeiten Naht mir ihre Strahlen ſenden, 
Wie durch des Waldes Laub der Sternenhimmel glänzt; 


Wenn mein Gedanke fo wid deine Zukunft ſchauen 

Läßt als Vergangenheit, den jungen Bau als grauen, 

Bor deiner Gröbe beug’ ich dann mich, ohne Mab 

Bewundernd; doc eis Sohn und Künftler, mich ergehend 

Beklag' ih Eines nur, vor deinem Bogen ſtehend, 

Daß Phidias fern, und dab mar, Bater, Dich vergaß. 
Gebeuer. 1837. 


IV. 


„Vommt, laßt uns luſtig fein 1" — So klingt der Schwelger Wort. 
„Die lange Tafel winkt, die vollen Flafchen dort, 

Wir find zum üpp’gen Feſt verbunden, 
Bir ſtreu'n all unfer Gut hinaus, wohin e8 rollt, 
Berzetteln, da wir reich, verprafien unfer Gold, 

Und, da wir jung find, unfre Stunden, 


Wirf Deine Bibel weg, Du junger, frommer Mann, 
Laß Kirch’ und Schule fiehn, und komm mit uns, fang an 
Bu leben, fieh, wie wir es treiben. 
Eing’, iß und trinkt mit und, bier find die Yronımen, ſchau: 
Denn wir geftatten Gott, daß er jein Himmelblau 
Uns zeigen darf dur unſre Scheiben. 


Wozu Dein dummer Fleiß? — Und weißft Du, was von Dir 
Die Schönen jagen, fie, geihmüdt mit jeder Hier, 

Um deren Lädeln bublt ein Jeder. 
— „Der arme, junge Menſch!“ — Sie laden überlaut. 
„Was ftremgt. fi) der nicht an, zu geben jeimer Haut. 

Die Farbe feines Buchs in Leder 1% . 
Wir, ſchwelgend in Mufit, beraufcht an nacker Vruſt, 
Wir leben! Unbelannt iR unſre Bötterluft 

Dem Poͤbel, der nur ſchnappt nad Beute, - 


106 


Wenn durch den hellen Saal das Meer der Töne wallt, 
Der Jubel fhwellend jett fih hebt und dann verballt, 
Wie Waflerftaub zerftreut ins Weite, 


Wo Großes je geſchah, da gab's Muſik dabei; 

Drum, Freunde, lieben wir ayd Krieg und Kriegsgefchrei 
Bon Kindesbeinen an zum Najen, 

Weil den Legionen, bie zum Sieg Bellona führt, 

Boran die Trommel fallt, von raſcher Hand gerührt, 
Und Iuftig die Trompeten blajen. 


Für Euch, ihr Könige, ber Krieg, für uns die Luft! 

Euch ſchlägt vor Stolz, uns Schlägt vor Leidenfchaft die Bruft, 
Was Jeder wünſcht, das wird er fhauen, 

Ihr ſeid gefürchtet, wir geliebt, ihr habt die Macht, 

Wir haben Wonne, die in duft’ger Kammer lacht, 
Ihr habt die Männer, wir die Frauen. 


Ihr Weile, Magier und Briefter, o mas feib 
Armjelge Träumer ihr, fürwahr ihr thut uns leid, 
Stet3 ſchwebt ihr in des Himmels Fernen, 

In alten Tröftern lest ihr blind euch, ausgelacht 
Bon eurem Diener, rip auf hohem Dach und wacht 
Und buchſtabiret in den Sternen. 


Ihr ſucht den Mittelpunkt des punleln Alls, und wir, 

Wir laden! — Was der Menid in Händen halt, if bier, 
ft wirklich! Laßt die Thoren reden! 

Cuch Scligkeit, und uns Die Wonne, der ihr flucht, 

Für euren Himmel uns des Baumes füße Frucht, 
Jar eine Gya euer Goen! 





107 


Wir lieben, wiſſen mag und glauben, wer ba mag! 

Der Winter bringt den Schnee, die Sonne bringt ven Tag. 
Lieb’ und Gefang! Wer ir 3 verpönen? 

Die goldnen Becher hebt, ftoßt an! Du, frommer Thor, 

Magſt Zeter ſchrein. Wir ziehn, als Iuftge Jungen vor 
Den weifen Alten tolle Schönen! 


Wir ſchoͤpfen, o Natur, aus deinem Yreubenmeer, 
Und leben frobvergnügt auf Koften deſſen, der 
Die Stirne.zagend legt in Falten, 
Wir wäblen niemals lang, kurz ift der fchönfte Tag, 
Bir Idfen auf in Zuft, was immer kommen mag, 
Und laflen Gott im Himmel ſchalten!“ 


Der Beife ſchauend, wie fih enden wird ihr Lauf, 

Rafft von der Tafel tief betrübt die Broden auf, 
Indeß den Kelch fie jauchzend ſchwingen; 

Den Armen gibt er dann das Brot, die an der Thür 

Bergefien ſtehn und ſagt den Bettlern: — „Betet ihr 


: ‚bi Ru 
Für die Verblendeten, die fingen Kir, 1687. 








V. 


Jomm, laß uns plaudern, junge Zauberin! 

Zum Engel hätte Dante Dich gemacht, 

Virgil zur Göttin. Hoch iſt Deine Stirne, 

Und wunderhübſch Dein Fuß, ein heitres Lied 
Scheint zu umſpielen Deinen Mund, Du koͤnnteſt, 
Die Stolzeſte der Stolzen, prangen, wie 

Im blanlken Harniſch einſt die Amazonen. 


Im Schwarm der Schönen, ſei's im Gynäceun, 
Sei's im Serail, bewundert würben Deine 
Korallenlippen, Deine Anmutb lodte 

Ein Läheln auf Cellini's Mund, und zaubernd 
Dein Bild auf eine griech'ſche Vaſe ließ’ 

Er Dich aus einem goldnen Blumenteld, 

Aus einer Lilie fteigen, die ſich wandelt 

In eine Frau und Lilie bleibt, vielleicht 

Aus einer Lotosblume, die nur ihm 

Ihr Leben bantt, — der Kunſt feltfame Blumen, 
Um welde die Natur fie mag beneiden. 


Konım, laß uns plaudern, Schöne mit den Augen 

Der Göttin! Als ih Dir zum erftenmal 

Mih nahen durft’, — es war ein golbner Tay. 

Lieb die Erinnrung aud in Teinem Herzen, _ 

Wie in dem meinen, einen Strahl zurüd? 

Du lächelft. Lege Deine Hand in meine, 

D tomm! Der Frühling lacht, der Weg ift ſchattig, 

Die Luft ift lau, und dort im nahen Wald 

Am Fuß der Ciche ſchwellend grünes Mood, wur, 18.. 


VL 
— ri offnem Senf. 


ng 


Dein enter, o Woet, war offen jedem Wind, 

Als fie ihr fhönes Haupt, Dem trautes, ſuͤßes Amd, 
Auf Deines Seſſels Lehne büdte: 

— „Oh,“ fagte Re, „mein Freund, fei allzuſicher niaed ' 

Nicht Alles Tommt, wie fih’8 der Herr vielleicht verſpricht 
Weil ihm e8 mich zu feffeln alte; 


Weil fi zu weisen oft mein Blick an Deinem glaubt, 
Weil ih ein Lächeln nur noch babe für Dein Haupt, 
Ob finfterer Ernſt e8 auch umſchatte, 
Weil für die Welt Ich todt mein Her; Dir ganz allein 
Hingebe, wie ein Bach, in das nwe Bir hinein 
Zu jchreiben ih fortun geftatte, 


Es ift drum nice gejagt, daß mir wicht aud einmal - 

Die Grille kommen Iönnt‘, ein Bischen Sebeaqual 
Und Eiferfuht Dir zuzutbeilen, 

Zu neden: Dih, wie juft ich dreht der Daunen Wind; ° - 

Unheil zu fliiten rein aus Reugier, — wie ein Kind 
Ummerfen mag ein @las zuweilen. 

Ihr Männer wollt, daß el; bie rauen find und Mühe, - 

Doch fpäter meint ihr, dan Löny’ auer Gluͤck nur blühn 
= Me Ad einmal aus hartem Holze, — 





2 


Wenn an der Liebesglut, dem heißen Glement, 
Den grünen Früchten gleich, die mürb die Sonne brennt, 
Euch unterwürfig wird bie Stolze. 


Ich bins, drum dank’ es wir! — Mein Harr und König, ſchau, 
Die Männer, die ih mühn um jede andre Frau 
Und kalt an mir vorüberjagen, 
Gleichgultig find fie mir, Du kannt im Frieden ruhn. 
Dod würde, wollt! id nur, mein Auge, Ichlafend num, 
Aus ihren Stirnen Funlen fchlagen!” 


So ſprach fie, reizend, ftolg umd zärtlih dach entflammt, 
Und auf die Lehne ſank, den golpbeichlagnen Sammt, 
Ihr weiter Aermel nachgerade. 
In ihrem Auge ſahſt Du lichte Poeſie, 
Wie in dem alten Buch, das Sag auf Deinem Knie, 
Die ganze Pracht der Yliake, 


Das ſchoͤne Buch, ihr leat zufammen es wit Luſt, 
Ir hebt der Waffen Alang, wie Dir, die iunge Bruft, 
Und Kampfgewühl und Lagerleben. 
Als Frau ſchon haßt fie nicht den Dichter, welcher pries 
Die Helena und ber bie Altien Männer lieh 
Sich vor nen ſchoͤnſten Frau'n erheben, 


Dft von ber H5b’, auf Die ihr junges Herz fie trug, 
Den Stram der alten Zeit beichaut fie, lächeln» Klug, 
Daß auch verliebt ein alter Hexen. 
Denn wie vom Berg berab die Quellen rinnen, fließt 
Der Strom der Vorzeit. Har, der murmelnn ſich ergiaft 
Aus Deines Urne, Homere. 





| ‚Oetenee, @.. 


——— — 


vn. 
Au ala inet. 


In alten Wäldern, wo der ſchwarze Schaft 

Der Erle und der weiße Stamm der Birke 

Bon üpp’gen Säften ſchwillt, — niet wahr, da bift 
Du oft, entfegt und bleich, zurüdzufchauen 

Kaum wagend, zitternd, nad der Lichtung Ju 
Geeilt, o Albreht Dürer, ernſter Meiſter? 


Man ahnt vor Deinen wunberbaren Bildern, 
Daß in dem ſchwarzen Forſt Dein Gehenauge 
Dur) Laub und Zweige deutlich ſah die Jaune 
Mit platten Zehn, grünaugige Sylvane, 
Ban, der die Grotte KHumig überfieidet, 

In welcher Du Erfriſchung fuchft, und ſchlauke 
Dryaden, in den Haͤnden grünes Laub. 


Die Welt ericheint Dir als ein Schattenreich, 

Sm dem Ab Traum und Wirklichkeit vermifchen, 
Da neigen zu einander träumerifch 

Sich alte Fichten und gewaltge Ulmen, 

Die hundert mißgeftalte Ellenbogen 

Mit ihren vielgewundnen Aeſten bilden, 

Und wenn der Wind bewegt die düftte Gruppe, 
Nichts iſt ganz todt aladann, Nichts gang lebendig. 


Die Kreſſe wächst, das Wafler rinnt und raufcht, 
Die Eichen, unter Dorngefträud und Ranken, 
Ziehn langfam ihre ſchwarzen, Inotigen Füße 
BZufammen, Blumen, die des Schwan den Hals 
Umkraͤnzen, jpiegeln ſich in ftillen Seen; 

Und mandes Ungethüm, geſchuppt am Leib, 
Den Baum als Kinotenftod in ftruppiger Fauft, 
Es wirſt auf Dih, durch Deinen Tritt gewedt, 
Aus finftrer Höhle feuerhelle Blide. 


Waldleben! Stoff und Gein und Kraft und Stärke 
In rauher Hast, in faftig grüner Rinne 


Im Walde bin ach wie geirrt, wie Du, 

O Meifter, ohne daß ein Schauer mir 

Tas Herz gejchüttelt, ohne daß die Gräjer 

Ich zittern ſah und traͤumeriſche Bilber 

Gewiegt im Wind an allen Rweigen hingen. 

Gott, der in die gebeimften Tiefen ſchaut 

Gott weiß allein, wie oft ih in der Wildniß, 

Ich, der ein heimlich Feuer trägt im. Bufen, 

Schon zittern fub, glei mir, als hätten Seelen 

Sie all, und läheln und im Duntel zu 

Ginander leije flüftern jene Rieſen, 

Tie Eichen in des Weines Kieften Gründen. 
i ' Upeil, 1087. 


4‘ 








178 


vm. 
Ar Ol. 


— — — 


In Deiner wunden Serie, Diäten, wahl' 
Ich Deine ianerften Gedanten auf. 


Du hattet Sie noch nicht geiehn, es war 

Des Abends, in der Stunde, wo am Himmel 
Auftauchen die Geftirne, als fie plöglich 

Dir fand vor Augen, friſch und fchön, und leuchtend 
Biel heller, als der Raum, der fie umftrahlte, 
Demanten funtelten in ihren Haaren, 

Und wie fie fih bewegte, war’! Mufil, 

Man folgt’ ihr athemlos, mit trunknen Bliden, 
Wie fie hinfchwebte, weiß mit ſchwarzen Augen, 
Jung, ſchlank und groß, und lichte Freude ſtrahlend. 
Ganz euer war fie, Harer Sonnenfdein. 

Dft ihrem Geift entfielen Worte, wie 

Der Aehrenleſerin die goldnen Aehren, 

Aus ihrem Munde gingen Strahlenblitze, 

Und Einer rief dem Andern zu, bewundernd 

Die Stine, fo gedantenhell, ſchon ehe 

Die Liebe fie erſchloß, ihr Lächeln, daͤmmernd 

Wie Morgenroth, die glaͤnzendweiße Schulter, 

Und noch viel glänzender, der Deffnung gleich, 


174 
Durd die der Eſſe Flamme ſchlaͤgt, ihr Auge, 
Aus dem ihr glühend Herz man leuchten ſah. 
Sie ſchwebte hin und ber auf Feuerſchwingen, 
Und unbewußt in manche Seele warf 
Sie Glut, und al die hundert Yugen, die 
Ihr folgten, wie fie reizen durch -ben Saal 
Hinwallte, waren wie geblenket. 


Du 
Sabft fe und magteft nit, Dich ihr zu nahn. 
Denn vor dem Funken fürchtet ſich das Pulver. 
Mei, 189. 


IX. 


Mein junger Freund, «$ IR ein feinen Krieg, 

Den diefer Gegner führt, und wenig fchreden 

Wird ihn Dein Zum. D folge mir, laß ihn 
Gewähren, edles Herz, den Zoilus ' 

Mit falihem Bild, von unglüdfefgen Gpötter, 
Beratung? — Dodh dies ift die Luft, in ber 

Er athmet. Hab? — Sein Schweiß, fein Odem, ſein 
Geruch iſt Haß. Er weiß, daß ungeftreft 

Er jeden guten Ruf befubeln kann, 

Daß er zu giftig IR, als daß man ihn 

Berühren mag. Er fürdtet Nik ; er gleicht 

Dem mißgeftalten Bil}, der über Nacht 

Aufſchießt am Fuß der riefengroßen Eiche, 

Der rubig rings herum bie Ziegen flieht 

Unfhäpliches Geſträuch benagen. Weiß 

Er doc, daß er in fih Die Race trägt, 

Und giftgebläht erwartet er die Biſſe. 


. . Z: 
Arn einen Welchen: 


Die, junger Mann beklag' id, doch bewundre 
Ich Deinen großen, zauberbaften Bart, 

Der, überfhaut ven Deines Gchlefles Schwelle, 
Den ganzen Horizont umjdreibt, dem "Auge 

Eich heiter darftellt oder ernſt, nach Tag 

Und Jahrszeit, reih au Wieſen und an Bädken, 
Ein Meer von Wald und Flur, acht Meilen groß. 
Dein Gut bewundernd muß ih Dich beflagen. 

Denn mitten in dem herrlich hohen Waln, 

Auf den fein Yüllborn aus der Fruͤhling fehütle, — 
Ifn's nicht die allertraurigfte Ruine, | 
So ein verweltter, abgeftanpner Menſch, 

Sich, tobt für jeden geiſrgen Reis. erkallet 

Für Luft und Leidenichaft, fo. jung und reich 

Er ift, zerrüttet bis ins tiefe Den, © 

In deſſen Falten durch einander wöäft 

Ein Haufen Scherben Tiegt und leere Kelche, 

In dem Langweile nur und Ekel wohnt; 

Denn Heiterkeit und Unſchuld kennt es nicht. 
Fürwahr, Du dauerft mich, Du, der beneibet 

Sich glaubt. AU diefe Pracht wirft auf Dein Herz, 
Dein Leben einen tief iron’ichen Schatten, 

Und fpottet Dein, und nimmt des Reichthums Schimmer 
Die von der matten, mitleibwürb'gen Gtirne, 


177 


Sprich, glaubft Du wirklich, Dein fei dieſes Reich 
Der Blumen und der Schatten, wo zum Dom 
Sich woͤlbt des Baumes Krone, dieſer See 

Mir Silberwellen, die das Abendrotd ; 

In Gold verwandelt, die Allee, die führt 

Zum Wald, ein dunller, grüner Corridor, 

Und hinterm Walde dort der Berg, gelrönt 


Mit einem Thurm, — die ganze fhhöne Landichaft, - 


Die ſchon nur ift für eine fhhöne Seele? 

Ein heil’ger Ort für den, der zu erfennen 

Im Weltenraum, im Bach, im grünen Thal 
Die Züge weiß des ew’gen Angeihts, _ 
Bon dem das Menfhenantlig nur ein Schatten, 


Was thuft Du bier? Man fieht Dich nie, wenn weiß 
Der Morgen färbt das graue Schieferdach, 

Ausftehn und träumend pflüden gehn die Blume, 
Die fih, ein tbaugefüllter Kelh, dem Vogel 
Anbietet, fiebt Dich nirgends ftehen bleiben, 

Ein Buch in läß’ger Hand, in dem zu blättern 
Aufhört der Lejer, wenn des Windes Hau 

In regelloſe Strophen theilt da3 lange, 

Endlofe Lied, das aus den Quellen rauſcht. 


Der Hügellinie bift Du nie gefolgt 
Bon Kamm zu Kamm, wo ſich's fo herrlich träumt, 
Nie haft Du Dich gefreut im Widerichein 
Des Waflers einen Weibenbaum zu jehn, 
Zweiwüchſig, knorrig, ftark, wie: ein Athlet. 
Nie haft um ihr Geheimniß Du gefragt 
Die alte Ulme, die zu ihren Füßen 
Das Leben fieht der ganzen weiten Ebne, 
Dem Weiſen glei, der emfig Liest im Buch. 
8. Huao’s iänımel. »oetliche Merle. IIL 


— 
Be 22 Sec Bet 


178 


Am Sommer, wenn des Mittags Schwüle brennt - 
Und Müpigleit ſich auf die Glieder legt, 

Bur Stunde, wenn der Spanier, wenn der Bogel: “ 
Sieſte hält, hat nie ein ſcheuer Pfau 

Aus dunkler Höhle, wo er kauert, langfam 

Dich, fern den läft’gen Menſchen, ängftlich, wie 

Um Niemand aufzumweden, durch die Nacht 

Der duſt'gen Wälder wandeln feben, wo 

Auf ſammtnem Moos gebettet fchläft die Stille, 


Was ift Dir Alles das? — Des Himmels Wollen, 
Das Blau und Grün langweilt Tein Auge nur, 
Der Narren biſt Du Keiner, die ſich rühmen, 
Daß fie den taufend Stimmen laufen, die 
Bon allen Seiten leis ins Ohr uns fingen, 
Und die dem Schöpfer danlen, der den Frühling 
Gemacht; die Vögeln ſchau'n ind Neft, die large 
Den ſchwarzen Pilz, das Wunderding, betradten. 
Die Barbe fiehft Du an, wie einen Geldſack. 
Wenn im April Dein Wald die jungen Arme 

* Ausftredt, und nach verliebten Schritten fi 
Bu jehnen ſcheint, nad) pochend zarten Herzen, 
Nach ernten Häuptern, finnend vorgebeugt, 
Dann denkſt aud Du, von feinem Grün befchatiet, — 
An Deinen Holzſchlag, ernſt berechnend, was 
Hinzugewachſen, an Baris, die Alte, 
Die gar fo kalt im Winter bat und ſieht 
Um alten Quai mit feinen neuem Treppen 
Und harrt der langen Schlangen, jener Floͤße, 
Die auf dem Fluß berabgeihwommen kommen, 
Wenn unfer Auge nad der Ferne fchweilt, 
Siehft Du nur Mehl in Deinem goldnen Korn, 


170 


Nur Heu auf Deinen Wiefen, in dem Pflüger 
Nur einen Bauernlümmel, den man zahlt. 

Dir ift des Rauch, der, bläulich oder ſchwarz, 
Hoch über der beglänzten Landſchaft wogt, 

Nur Qualm aus Hütten, wo an ſchwarzer Mauer 
Man ein Stud Fleiſch in einer Ede ſchmort. 
Wenn wie mit rother Seide ih am Abend 

Der Himmel überjpannt, und, nieberhängend 
Die Beine, plumper Säulen auf den Rüden 
Die Ochfentreiber figen, ſonnverbrannt, 

Und Teine jchweren Ochſen peitichen, die, 

Nun traben beim zum Stall, — vor diefem Bild 
Denkſt Du an Nichts, als jene morihe Mauer 
Im Silo, die man fliden muß, wenn Du 
Sein Korn verlauft, an Deine Rente, bie 

Bei jevem Schritte des Don Carlos ziitert. 
Wenn nad dem monotonen, langen Tag 

Es dämmert, ſchließeſt Tu zu Haus Dich ein, 
Des Herbftes laue Naͤchte überjirömen 

Mit ihrem keuſchen Haud die Rebenhügel, 

Bas kümmert's Dich? — An Deiner Seite figen 
Mit braunen Haaren, angejhmiegt den Schläjen, 
Ja hübſche Mädchen, Rojen auf den Wangen 
Bom Lampenſchein, mit hellen, jriihen Augen; 
Sie plaudern leis und ftiden rings im Kreiß. 
Doch was fie ſchwatzen, ihre Wunſche halten 

Sie all zurüd, ihr Herz und ihre Seele, 

Bon ftiller Liebe Duft vielleicht geſchwellt, 

Ein Blümchen, heimlich blühen, defien Duft 
Uns labt, wenn wir zu ihm hinab ung büden. 
Was kümmert's Dih? Du haſt ein laltes Lächeln 
Für folde Schwärmerei’n; Du jegft mit Andern 


180 


Dich an das grüne Tiſchchen mit wier Lichtern. 

Ahr zankt euch lärmend über Bufallälaunen 

Beim Whiſt und L’hombre und beim ZTrifhalipiel, — 
Indeſſen fpielt der Mondſchein heil am Feuſter. 


Du laͤcherlicher Thor! Ich ſage Bir: 

Die Flur, die Au’n, die eingeihlofinen Thäler, 
Aus Laub und Gras gebaute Nefter, wo 

Des Dorfes Jugend fcherzt, das goldne Kom, 
Das froh die Spatzen plündern, diefe Felder, 

In ernfter Schönheit prangend felbit im Winter — 
Sie find nit Dein: denn Du verſtehſt fie nicht. 


» 


Siebft Du, die Wandrer, Kinder oder Dichter, 
Auf die Dein Wald verftreut die irren Schatten, 
Der arme, junge Maler, welchen Luft 

Entzückt und Himmel, der Verliebte, den 

Ein Rame nur erfüllt, der firenge Denter, 

Sie alle, die in diefer Einſamkeit 

Erfriſchung fuchen, der für feine Liebe, 

Und der für feine Studien, fie alle, 

Die an der Schönheit dieſes Thals fi laben, 
Sie wollen von den Menihen ſich entfernen 
Und Gott fi nahn, und wenn fie Spuren bier 
Burüd von ihrer Trauer laften, nehmen 

Sie auch von diefer feierlihen Ruhe 

Der Schöpfung ihren Antheil ih mit beim, 

Sie Alle, Menſchen ohne Bold und Ehrgeiz, 
Gie, die, vom Gras befeuchtet oder ftaubig 

Am Fuß, Tir Lächeln nur erregen, wenn 

Im ftolzen Landau Du des Weges fährft, 

Sie find in diefem grümen Bart, deu Du 


181 


Als Dein Gebiet betrachteſt, reicher, mehr 

Zu Haus, fie ind die Heren bier, mehr als Du, 
Obwohl von ihrem Wald, den Du mit Dlauern 
Und Bäunen abfperrft, Du den kühlen Schatten 
Weghauen und fein Rauſchen kannſt verlaufen, 


Für fie ift nit ein Fleck in diefem Reich 
Der kühlen Echatten unfrudtbar; wer fie 
Berfteht zu pflüden, findet überall 

„Berborgne Blüthen, Weisheitöftröme fließen 
Ihm zu von allen Seiten. Weflen Geiſt 
Der unzufrieonen Leidenſchaft entronnen, 
Dem wedt der abgeftorbne Baum Gedanken, 
Die die zerfallne Brüde. Jedem Bild 
Im Walde bier entipriht ein Gegenbilv 
Im Wald der Seele; das erlofchne Feuer 
Des Hirten ſpricht zum liebentflammten Herzen, 
Und ftummen Rath dem Süngling, wie dem Greis, 
Gibt, was er finnend Schaut; an Difteln fticht 
Man fih, wie an der Bosheit neid'ſcher Seelen. 
Kein Blatt, das dir nit: „Wachſe!“ ruft, die Welle 
Hinrauſchend mahnt zur Eile vi: denn raſch 
Berfließt die Stunde. Nichts ift fumm für fie, 
Nichts Talt noch tobt. Gin biut’ges Federchen 
Wedt ihnen Reu' und Leid. Im Thau erkennen 
Gie Thränen, ihnen fagt die Blum’ am Bad: 
Labt an Erinnerung euch, verwaiste Seelen ! 


In tieffter Höhle ſchimmert ihnen noch 

Ein liter Traum, und ihnen zeigt bei Nacht 

Der Baum auf feinen Achten und durch's Laub 
Sindurd den goldnen Stern und weiße Lauben, — 





Ein fühßer Troft für Inmmervolle Herzen. | 
„Glaubt!“ fagt der Stern am Himmel: Kebt!“ ber Dogel. 


So ſpricht das heilge Rauschen Deiner Wälder, 

Ihr Tämmerliht zu grambebrüdten Seelen. 

Doch Dir, — was ift 8 Dir! — Als goldner Strom 
Fießt Jahr um Jahr ein unerfhöpfter Schatz, 

Das Rauſchen, diefer Schatten, dieſes Fächeln 

Der, Lüfte, und des Baumes leiſes Zittern 

In Deiner Truhe nimmerfatten Schlund, 

Und um das Geld für diefen Wald, in bem 

Sich Liebende beraufcht ergingen, kaufſt 

Du eine Loge Dir im Opernhaus. 


Und fände die Muſik nur eine Stätte 

Im Deiner Seele. Doch die Kunft und Du 

Sind, wie dur eine efle Mauer, durch 

Das Gold getrennt. Der Geift, der fih auf. Kunft 
Berftebt, verftebt Ih auch auf die Natur. 

Du gebft dorthin und ſchläfſt, von fern nicht ahnend, 
Daß, fo wie all die grünen Schäße, die 

In Deine Börje ſtroͤmen, Gluck ein Wald 

Auch fei und Mozart eine reihe Duelle. 


Du ſchläfſt; und wenn's bie Mode von dem Reichen 
Berlangt, bewunderfi Du, und lädelft, ftebft 

Wohl auf und ſchreiend fragft Du: wie der Auter 
Sih nennt? — Die Rufe iſt Dir fiets ein Raum. 
Berfteinert ftündeft Du, wenn eines Abends 

Man ernfte, trauernde Mufil Dir böte, 

Wie eine Urne, Ihön und Mar, in die 

Ein ganzes Frauenherz fi bat ergoffen. 

Unfel’ger Herz des wundervollen Guts, 








Gemeiner Aiefelftein, hinein gebaden 

In dieien feurigen Rubin; Beſitzer 

Bon Nedern, die ala Frucht nur Hab Die tragen, 
Schmarozerpflanze, Miſtel, die fih voll 

Am Saft der Eichen trinkt, — Du armer Reider! 
So lebe denn, weil Dir das leben heißt; 

Leb' ohne Herz und Glauben und Gedanken, 

Ka, lebe dem gemeinen Koth, dem Gold, 

Und Deinem Hochmuth, Deiner Eitelteit! 

Du, der Du Nichts ala Blut im Leibe baft, 

Du vegetire, der der Gottheit Säufeln 

Im Schilfe nicht, im Lied des Bogels nicht 
Bernimmt, und fie tm Borgentotb nit ſchaut. 


Denn — wenn aud Du es bift, der lat mit Schönen 
Und Abends ein modernes Stüd beflatiht, — 

Auf Deinen Hügeln, wo vom Dorf der Rauch 

Zum Himmel fteigt, bei Deinen Seen und Blumen, 
In Deinen eignen Foriten, Deinen Gärten 

Spazierſt Du fo Rupid, von Deinem Geiz 

So ganz verblendet, fo vollftändig taub 

Für Leben, Harmonie und Schönheit, wie 


Ein grimmer Wolf, der durch die Wälder ſtreicht. 
. Mai, 1837. 


164 


XI. 


Ei, fieh die Kinder bier, fie fiten rings im Kreis, 
Dabei die Mutter, ſchon, jung, rofig, lilienweiß, 

Als ältite Schwefter anzufeben. 
Mit Sorgen blidt fie auf der Kinder Spiel und Scherz, 
Der Schickſalsurne denkt ie mit geheimem Schmerz, 

In der ſich ihre Looſe breben. 


Die Thräne fiodt dem Kind, wo fie ericheint, es lacht, 
Sp gleih dem Kind ift fie, fo rein, und ihre Macht 
So groß, wo ihre Schönheit waltet, 
Daß fi in ihrem Licht das Leben, viel bewegt 
Und bunt, mit aller Saft und Sorge, die es trägt, 
. Zur reinften Dichtung umgeftaltet. 


Sie geht den Kindern nad, fie pflegt fie, ſorgt und wacht, 
Sei's, daß im Januar fie am Kamin bei Nacht 
Sich fammeln, jpielen, fingen, lallen, 
Sei's, daß ein Maienwind des Gifes Band zerichlägt 
Und über ihnen lind das grüne Laub bewegt, 
Aus dem durchbrochne Schatten fallen, 


Und geht vorbei manchmal ein Kind im Bettlertleid, 
Das eine Alapper, blank von Silber, ad, mit Leid 
| Betrachtet und mit Hungerbliden, — 


Die Mutter lommt, und zum Almofen macht geſchwind 
Des Kindes Spielzeug fie, zum Engel felbft ihr Kind 
Mit einem Lächeln zum Gntzüden. 


Mir, der vor Augen fo die Mutter und im Frel’n 
Die Kleinen fpielend fieht Kb drehn im Kinderreih'n, 
Den Bögeln gleich in grünen Hallen, 
Mir ſprudelt auf das Herz, und, wie ein Dedel ſchnell 
Bom Schaum gehoben fteigt, fo wird's im Haupt mir bel 
Und ſelig leicht zum Ueberwallen. Yun, 1098 


XII. 


Bier im altfränfihen Garten, wo die Pfade 
Sich ſchlaͤngeln unter Linden, fo verſchleiert, 

So keuſch, daß jede Blume, die fich öffnet, 
Gleicht einem Weihrauchfaß, wo, jeden Schritt 
Bom Morgen bis zum Abend Scharf bezeichnend, 
Die Stunde wechfelnd auf die Marmorvafen 
Den Lindenfhatten wirft und Sonnenftrablen — 
Ihr Engel, o ihr mwißt, wie ich mit Liebe 

Am hellen Tag bier träumend Bögel fpielen 
Und flattern und die Zweige ſchwanken ſah, 
Und wie mein Herz in feligen Gedanken 

Sich wiegte, wenn das Find, das auf die Stim 
Ich kuͤßte, baftig zerrt' und fort mid zog 

Zu jener Grotte, wo dem alten Flußgott 


Bon Stein ein grüner Bart von Ephen wuchs. 
Kebruar, 1887. 





1897 


XIN. 
An die entflogenen Bögel. 


— 


© Kinder, kommt zurüd! — Da hab' id Thor 
Such brummend nun verſcheucht aus meinem Zimmer, 
Griesgrämig euch mit rauhen Worten fcheltend, 
Und was denn, ihr sothbadigen Verbrecher, 

Habt ihr verübt? Was habt ihr Gräuliches 

Denn angerichtet? Habt in taufend Scherben 
Berbrocdhen ihr die japanefifche Vaſe? 

Die Augen ausgeſtochen einem alten 

Borträt? Ein jchönes, gothiſches Miffale 

Mit Zeichnungen von enrer Sand bereichert? 
Kein, Nichts von Alle dem! — Nur dieſen Morgen, 
Mo ganz allein ihr einen Augenblid 

Sm meinem immer wart zurüdgeblieben, 

Habt unter den Papieren, die ih pflege 

Bu überlleren, ihr ein Städ gefunden, 

Ein Lied, noch formlos, Embryo in Reimen; 

Ihr nahmt es, hieltet Rath und wurdet einig, — 
Ins Feuer warft ihr es zum Spaß, ihr wollte 
Die Funken in der ſchwarzen Aſche nur 

Auch einmal bin und wieder irren ſehn, 

Wie auf dem Waſſer Nachts die Kaͤhne leuchten, 
Und wie des Abends Flammen man von Fenſter 
Zu Zenfter an ben Häufesn laufen ſieht. 


188 
Das war's. Ein Spiel. Ihr dachtet nit an Arges. 


Weldy’ ein Verluſt! — Darob fi zu erzümen 
Bar wohl der Mühe werth I Eim ſchlechter Vers, 
Mibratben, weil ihr Schelmen um mich lärmtet, 
Sinwandelnd mit Gepolter eine be, 

Die ihrer Stanze trägen, ſchweren Bang 

Mit Ihwülft'gem Reimen überlabet, plumpe 
Alerandriner, die fih überfpringen, 

Wie Schüler, bie von Bank zu Bant ih jagen. 
Ein Andrer hätte: ;Danti” gefagt. Ihr nehmt 
Dem Feuilleton den Raub, nach dem es ſchnappte, 
Das ſchon voraus ein hoͤlliſches Gelächter 

Ausftieß in feiner Höhle, die es ſich 
Am Fuß der großen Blätter hat gegraben. — 
Und ich bab’ euch geihmählt. Das war wicht recht, 
Bar lacherlich. Ihr hübichen Zwerge, bie 

Ein Herkules nie hätte fortgejagt. 

Ich hab' euch Angſt gemacht. Ich habe mürrijch 
Und fireng mit barfhem lingeftüm den Stuhl 
Burädgeihoben bis zur Wand, und eu 

Gehaͤß'ge Worte zugernfen: „Bebtl... 

Laßt mid allein!" .... Ich Armer! Sa, allein, 
Das bin ich nun! Ich fegt' es durch) Allein! 
Wie man des Todten, der ind Leichentuch 
Gewicdelt liegt, vergißt, fe habt ihr mic 
Burhdgelaflen bier, zur Thür mein Auge 
Gewendet, trogig, ſchwer geftraft. — Was thut 
Das euh? — Die Freiheit habt ihr draußen wicher 
Gefunden, friiche Luft, den fchömen Bart, 

Den grünen Naſen, und ben Bad, it ven 

pr Ipielend Blumen werft, den blauen Simmel, 


F 


186 


Den Lenz, die blühende Natur, das Bud 
Der Vögel und Higeumer, Odttes Lied, 

Das ſchoͤner ald das meine Elingt, aus dem 
Das Kind die Blume, die lebennge Strophe, 
Sich pflüdt, von keinem Scheltwort je geftört. 
Ich blieb allein zurück, ver Freude fern, 

Die ich verſcheucht, allein mit dem Pedanten, 
Dem Spleen. Tenn jet heut morgen ſchon Im meinem 
Vorzimmer figt der Deltor, der geboren 

An einem Sonntag im December ward 

Sm London, und der fann eu, arme Kinder, 
Nicht leiden, und er wartete, bis ihr 

Gegangen, um bei mir ich einzuführen, 

In jener Halle, wo um mich ihr lachend 
Geipielt, dort figt ex, und er feufzt und gaͤhnt. 


Was thbun? — In einem Buche lefen? — Rein. 
Dittir’ ih Verſe? — Doch wozu? — Die blauem 
Figuren all, die weißen und die grünen, 

Der Globus, der den ganzen Himmel drebt 

Auf feiner Achſe, meine Meißner Taſſen, 
Bemalt mit bunten Yaltern und mit Räfern, — 
Langmweilig it mir Alles, — ab, au euch 

Nur dent’ ich. In der That, ſeit ihr gegangen, 
Iſt mir die Sonne, Heiterkeit und Luft 
Berloren, all der Iuftge Saus und Braus, 

Bei dem man träumt, die Wonne, zuzuſehn, 
Wie lefend mit dem Finger fi der Kleinſie 
Forthilft, zu ſchau'n die reinen, heitern Stirnen, 
Den Mund, der: Zal zu Allem fagt, and dem 
Das freie ſchallt, das herzliche Gelächter, 

Das plöglih Perlen auf die Lippen zaubert, 





190 


Die großen Augen, die naiv, erftaunt 

Beihaun mein altes Borcellan ven Soͤvres, 

Die Neugier, die nah Allem fragt, die Stoͤße 

Des Ellenbogens: — „Komm bieber! Da fieb!"... 


Gewiß, die Geifter, Sylphen, und die Feen, 
Die jeder Windftoß mir ind Zimmer weht, 
Die Gnomen, lauernd oben am Plaſond 

Im dunleln Wintel, binter meinen Büchern, 
Die Haustobolde, budlig jchiefe Zwerge, 

Die mit hinefihen Bafen traulic plaudern, 
Der ganze Schwarm der Iuft’gen Weiter, laut 
Auflachen müßt’ er, wenn vor ihren Augen 
Ihr die Schubladen zögt und angefangne 
Herameter, vertrüppelt, plump und hinkend, 
Aufgrifft und zerrtet, armen Culen gleich, 
Ans Licht des Tags, und wenn ihr dann am euer 
Den krummen Leibern eine Seel’ entlodtet, 
Den ſchlechten Verſen eine ſchͤne Flamme. 


Ihr luſt'gen Schelme, die ich fortgeiagt, 

D kommt zurüd, und ſchwatzt und fingt und tanzt, 
Schlagt mühjam auf ven großen Folioband, 

Etoßt laufend an den Arm mid, wenn ich fchreibe, 
Macht, daß fih aus den Berien, bie ich feile, 
Spigwintlig, wie ein Thurm, ein Strip erhebt, 
Der ſcharf den ebnen Horizont durchſbneidet; 

An eurem Athem wärmt ſich meine Seele, 

O kommt zu mir zurüd, vor Freude jauchzend 
Und ſchwatzend, lärmend ohne Furcht, aud) wenn 
Ihr auf mein altes Bud, in den ich lefe, 

Dir Schatten werft, ihr tollen Kinderlöpfe | 


191 


Ich muß geftehn, ihr hattet Necht, und Unrecht 
Hatt’ id. Wer hat nicht audy zur Unzeit ſchon 
Gebrummt zuweilen? Laßt uns duldſam fein, 
Wir haben unfre Schwähen all. Ihr Kleinen, 
Seid allzu fireng nicht gegen uns, die Großen. 
Der Freude thut fi jeden Morgen auf 

Die Kinderfeele, wie dem Tag das Fenfter. 

Gin Wunder aller Wunder wär’ e8, wenn 

Das Kind, das Freude bat und Glüd die Fülle, 
Zugleich auch alle Weisheit hätt’ im Kopfe. 

Ihr feid Lieblinge des Beichids, ihr Kleinen, 
Ihr braucht zu ſpielen nur, fo fein ihr reizend. 
Wir, die wir träumen, denlen, bie wir handeln, 
Sind mürriſch, bifjig, ſchlecht, ihr Heinen Männer. 
Man hat oft Launen, feinen böfen Tag; 

Am Morgen regnet’ e8 und kalt ift’ö heut; 

Am Himmel zog ein haͤßliches Gewoͤll 
Vorbei. Was wimmert uns die Blode vor? 
Man bat wohl auch Gewifiensbifie , .. Seht, 
Das maht und böfe... Das erfahrt ihr Alles 
Ginft jelbft, wenn euer Antlig Falten trägt, 
Wenn älter ihr, das beißt, an Weisheit ärmer. 


Sa, Unrecht hatt’ ich. Doc ich -bin genug 

Geftraft, ihr müßt verzeipn und wieber kommen, 

Ich bitt’ euch, kommt und laßt ung Frieden machen, 
Bleiftift, Bapier, den Compaß ohne Nadel, 

Im Glasſchrank die Lackvaſen, Porzellan, . 

Des Mannes Spielzeug und der Neid der Kinder, — 
Dort die Chinefen mit den Kürbisbäuchen „ 

Mein altes Bild, das im Gerümpel einit 

Jh fand, — ich geb’ euch Alles, Alles preis, . 


Steht oder figt auf meinem Zifch, wie's euch - 
Beliebt, kralehlt und fingt, — ih mudie nit, — 
Schiebt meinen großen Stubl von Echenhol; 

Herum, und werft auf meine Bank voll Schnigerei’n 
AU euren Kram, der mir dad Holz zerkraht; 

Gern überlafi’ ich, furchtlos euren Händen, 

D Wunder, meine Bilderbibel, vie 

hr bisher nur berührt mit beil’gem Schauer, 

Mm der Gottvater trägt den Kaiſermantel. 


Die Berfe, die auf meinem Tiſch verftreut 

Jr ſeht, — verbrennt fie, wenn es Spaß euch macht, 
Zu fehn, wie fie im Rauch aufgehn. Berbrennt, 
Zerreißt fie, wie ihr well. — Ich wäre firenger, 
Wär’ bei dem wadern Dichter Mery, ben 

Das griehiihe Marfeille, die edle Stabt, 
Die-blonde Tochter de Homer, zum Sohn 
Birgils gemacht. Da fprädy’ ih: — „Kinder, rührt 
Nur mit den Augen an bie Berfe, die 

Zum Himmel morgen fliegen; die Papiere, 

Sie find das Neſt, aus dem die Lieder flattern. 
Kommt ihnen nicht zu nah, Die Berfe, nen 
Geboren, noch im erften Manufcript- 

Gefangen, leiden unter euren Händen, 

Grauſam in aller Unſchuld, ihr verlegt 

Am Zube fe, zerknittert ihre Flügel, 

Und, ohne böfen Willen, thut ihr ihnen 

So weh, wie Heine Kinder Heinen Vögeln !” 


Allein was macht das meinen Berfen? — Ihr 
Seid meine ganze Boefle; mein Geift 
Folgt eurer Phantaſie. Ihr ſeid die Strahlen, 


193 


Womit ih oft mein düftres Lied erhelle. 

Ihr Kinder, deren Leben lauter Hoffnung, 
Ihr Kinder, deren Glüd die ſüße Einfalt, 
Noch kennt ihr nicht den Schmerz, ihr wiſſet nicht, 
Welch ſüße Wärme, menn durch unjer Haupt 
Gewandelt der Gedanke, euer Lächeln 
Berbreitet über ven Poeten, der 

Hinbrütet düftren Sinns, des Schreibend müd: 
Wie fehr er, wenn fein Kopf zeripringt, bedarf 
Der Heiterkeit, die lacht auf eurer Stirne; 
Wie füß es ihn berauſcht, bezaubert, wenn 
Der Kinder Jauchzen aus dem Nacbarhof, 
Wo ihr auf einem Baum euch Iuftig macht, 
In feinen düftern Klaggefang ſich mengt. 


So kommt denn wieder in mein Schattenreich, 
Kommt, wenn ihr nicht mich traurig jeben wollt 
In meiner Dede, finfter gleich dem Fiſcher 
Bon Etretat, der müd des langen Winters, 
Geftügt auf feinen Ellenbogen, nähnend 
Durch's Fenfter Schaut zum grauen Regenbimmel, 
April, 1837. 


V. Hugo’a ſammtl. poetifche Werte IH. 13 


194 


XIV. 


Woran id dente? — Fern ter Heimath, wo 
Ihr feid, an euch, ihr füße, Kleine Köpfchen, 

An euch, die Hoffnung meines reifen Sommers, 
Die Zweige, deren Schatten jedes Jahr 

An meiner Mauer wächst, ihr holden Eeelen, 
Den Tage kaum geöffnet, ganz geblenvet 

Noch von den Strahlen eures Morgenroth3. 
Der beiden Kleinen dent’ ich, melde weinen 
Zumal und laden, die auf grünem Rafen 
Borm Thor, zwei Blumen gleich, die zu einander 
Sich neigend ftoßen, fpielend hold ſich zanken. 
Mit Vaterforge den!’ ich träumend dann 

Der beiden Aeltften, welche weiter ſchon 

Hinein ind Meer des Lebens vorgefchritten, 

Die manchmal ſchon die Köpfe jenken, der 

Aus Neugier, jener ſich Gedanken machend. 


Allein und traurig, — unter den Matrofen,, ' 

Die Iuftig fingen Abends auf dem Strand, 

Bur Stunde, wo die Wellen fi wie Nüſtern. 
Auſthun und fohließen und den Hauch der Eeeluft 
Vermiſchen mit dem Wind des Himmels, wo 

Man in der Luft geheimnißvolle Stimmen . 
Bernimmt, vom Land, vom Meere hergeweht, — 
Ten’ ih an euch, ihr Kinder, dent’ an Haus 





1% \ 
Und Hof, an unfern Tifh, um den ihr lad, . 
Den? an des Feuers Kniftern, den? an ale 
Die zarten Sorgen, die fo gern die Mutter 
Euch weiht und euer guter Großpapa. 
Und während mir zu Füßen, reich mit Segeln 
Bededt, der glatte Dcean ſich breitet, 
Der Spiegel der Geftirne, und die Augen 
Des Steuermanns vom unbegrenzten Meer 
Zum unbegrenzten Himmel jchweifen, den? 
Ich nur an euch, und finne, zu ergründen 
Die Tiefen meiner Liebe, die zu euch 
Mich zieht, der Liebe, füß und fo gewaltig, 
Daß klein daneben scheint das große Meer, 

Zuli, 1836. Saint-Val.-en-C. Am Ufer beß Deeres geſchrieben. 


196° 


XV. 
Tentanda via est, 





Grſchridk nicht, Du beſorgte ‚ jüße Mutter, 
Du deren Güte überall im Haus 

Brofamen ftreut, dab Du den Kleinen ſchon 
So ernſt, und ſo verſunken ſiehſt im Sinnen. 
Wie auf dem Riff ein armer, weißer Vogel 
Einſam den Dcean aus dunkler Tiefe 

Zu feinem Fels auffteigen fiebt, fo ſchaut 
Er in des Lebens Dunkel ſchon hinaus, 

Er fieht im Geiſt e8 nah und näher kommen. 
D frommes Mutterherz, erfchrid nicht, Du, 
Fun deren wunberbarem Geift das Kind 

Den Engel fiebt, der Engel fieht das Kind, 
D Mutter, komm und küſſe frob und ftolz 
Den Kleinen mir auf feine große Stirne, 
Es ift fein Wunderlind, kein weiſer Meifter 
Im Flügellleiv, ein Träumer ift’d. Nur um 
So befier! Ja, ich fage Dir, fei ftolz! 

Die Schwefter des Genie's iſt die Betrachtung, 
D Mutter, und das träumerifche Kind, 

Es wird als Mann zum Denler. Die Idee 
Iſt Alles, des Gedankens Feuer gibt 











‘ 


197 


Den Himmel einem Milton und die Hölle 
Dem Dante. Groß einft wird er fein. Es wartet 
Sein eine Schöne Zukunft, zweifle nicht, 

Des rätbielbaften Knaben, der von Allem 

Den Namen wiſſen will, nad Allem fragt, 
Nach einer Mauer, wie nah einem Menſchen. 
Wer weiß, ob er am Boden nicht zum Spiel 
Den Riefenmeißel Mihef Angelo’ 

Aufrafft und Schlachten Tämpft mit dem Granit, 
Und ftolzge Formen gibt dem blanten Marmor? 
Db er wie Bonaparte, wie Franz der Erfte 
Ein Spieler einft zum Schadhbrett nimmt Europa? 
Wer weiß, ob er mit vollen Segeln nicht 
Ausfährt und feinem menſchlich kurzen Blid 

- Anfügt den weiten Blid des Teleſkops 

Und den noch beflern Blid des Geiftes, hoc 

Am Himmel oder auf dem Meer, wie Herſchel 
Geſtirn' entvedt, und Welten, wie Kolumbus? 


Mer weiß? Lab nur den Heinen Denker wachſen; 
Selbſt unſern Blid der Neugier fiebt er nicht. 
Vielleiht das arme, ſchwache Kind, es träumt, 


Wie einft dag Rind Birgil geträumt, von Kämpfen, 


Die des Boeten barren, ringen will 

Au er und fiegen, um auf neuem Pfade 
Sid zu erhöhn, und, ein befhwingter Name, 
Allzeit zu ſchweben auf der Menſchen Lippen. 


Juni, 1835 


— — —— 


198 


XVI. 


Die Liebe, Mädchen, iſt ein Spiegel ſür die Frau'n 
Zuerſt, in dem kolett die Schönen. ſich beſchau n, 
Ihr Tröſier iſt er, ihr Vertrauter; 
Doch, wenn fie Euer Herz ganz eingenommen, fegt 
Sie, wie die Tugend, aus das Böje, das ihr heat, - 
Und macht die Seele rein und lauter; 


Dann etwas tiefer fteigt ihr nieder, web, der Fuß 
Glitiht aus... Ein Wirbel ift’8, der euch verihlingen muß; 
Eh ihr e3 ahnt, feid ihr geſunken. 
Die Lieb’ ift reizend, rein und fterblid. Traut ihr nicht, 
Ah, mandyes Kind ſchon hat geipiegelt fein Geficht, 
Benetzt im Fluß, und ift ertrunken. 
Sebruar, 1635. 





199 


XVII. 
Hachdem ich im Dante geleſen. 


— — — 


Sein Leben malt der Dichter, wenn die Hölle 
Er malt, in welcher Schatten und Gefpenfter 
Sih jagen. Im geheimnißvollen Wald, 

Fern den gebabnten Straßen tappt umber 
Verirrt fein Fuß, umringt von Schredensbildern. 
Ten Weg verlegen Ungeheuer ihm, - 

Es iſt ein Wandern durch ein Labyrinth, 

Auf Schlangenpfaben, die in weiten Bogen 
Hinab ind Dunkel führen, in den Abgrund, 

Wo die lebendge Hölle wogt und ſprüht. 

In Nacht verliert die Wendeltreppe fi, 

Und eine Klage ſitzt auf jeder Stufe, 

Und durd die Stille hört man, kaum vernehmlich, 
Das Zähnellappern; Viſionen ſpucken, 
Ehimären dort und Träume, Augen gibt's 
Durh Gram in bittre Quellen umgewandelt; 
Verſchlungne Liebespaare, mit dem Dolch 
Im Herzen, brennend ftet3 in düſtrer Glut, 
Bom Wirbelfturm dabingeweht; im Wintel 
Der Hunger und die Race, jcheußliche 
Geſchwifter, kauernd neben einem nadten,, 





200 


Berfrefinen Schädel; dort das bleiche Elend, 

Mit dem verlommnen Lächeln im Gefidt; 

Der Stolz, der Ehrgeiz, der ſich felbft verzehrt, 

Die ekle Wolluft, der gemeine Geiz — 

Bleimäntel, die die Seele niederbrüden. 

Dort fit die Furcht, die Feigheit, der Berratb, 

Feil bieten Schlüffel fie und koſten Gift; 

Und weiter unten noch, im tiefften Schlund, 

Der Haß, die grinſend wild verzerrte Larve... 

Dies ift das Leben, ja, erhabner Dichter, 

Gein düftrer Pfad, verrammelt und verjperrt, 

Doch auf dem fhmalen Weg, damit aud das 

Nicht fehle, zeigt Du und zur Nechten ſtets 

Den Genius mit der zubig freien Stirne 

Und mit den leuchtend hellen Seberaugen, 

Birgil, der heiter lächelt: „Gehn wir weiter!“ 
Huguk, 1836. 


XVIII. 
Pensar, Dudar. 


An Fräulein Luife B. 


lie ib Dir Schon gejagt: die tieffte Wunde, 
Die ſchwarze Wolle, die fein Wind zerftreut, 

Die Ichwerfte Laft, der bitterfte der Schmerzen, 
Was unſre Stirne bleiht und legt in Falten, 
Was über unfern Mauern eine Hölle 

Laͤßt ſprühn, es ift die berbe Angft, die ung 
Umfchnürt den Bufen, die Bellemmung, die 
Verwirrung, die dem Abgrund und entgegen 
Läßt taumeln, wenn das Scidial eines Morgens, 
Das ung in feinen Krallen hält, uns alle, 

Uns unfrem Glend gegenüber ftellt 

Und uns ins Angefiht die raube Frage, 

Die ernfte, wirft: — „Was glaubft Du, arme Seele?* 
Der Zweifel ift'3, das Hittern und das Zagen, 
Was Angefichts der Sphinz, die Welt man nennt, 
Den Geift, erihroden mehr noch ala geblenvet, 
Erfaßt, daß er nicht „Nein“ zu jagen wagt, 

Und „Ja“ nicht jagen fann. Das ift die Schmäde 
Der ganzen Rafje, der wir angehören. 

Was bat der Menſch gefihert ? Was vergeht? 
Was bleibt? Was ift Chimäre? Was iſt wirklich? 
Bann wird vom Himmel die Erklärung kommen? 


202 


Wie kommt's, daß ftet3 auf unfrem Pfad wir über . 
Sophismen ſtrauchelnd wanken? Daß wir, felber 
Aus Nacht geichaffen, alle beben Nachts, 

Bur Stunde, wo der Nebel langiam fteigt 

Hinan zum Herzen, wie zum Firmament? 

Wie kommt's, daß düfter felbft dad Morgenroth 
Und Rathſel birgt ? Daß mancher Denker, weh, 
Sm Kinderherzen ſchwarze Klippen findet, 

Und zweifelt an der Wiege, wie am Sarg? 


Sieh, diefer Mann ift gut, gerecht, ein Weiler, 
Die Galle färbt nicht gelb fein reines Antlig, 
Wenn tobt fein Herz aud iſt in mancher Faſer, 
Bedauern wird er Vieles, Nichts bereuen, 

Die Feinde, die er hat, wenn je er ihrer 
Gedenken muß, bat ihm ihr Hab verichafft, 
Der feine nit. Ein Weijer aus der Beit 

Des Marc Aurel ift’8 oder Adrian. 


Arm ift er und er will es fo. Ihm fallen 

Bom greifen Haupt, um das kein Sturm mehr faust, 
Nur weiße Haar’ und freundliche Gedanken. 

- Für ihn find al’ aus Einem Mutterfchooß, 

Die Sterbliben, gelommen, und ein Bruder 

Den Armen ift er und den Kleinen Bater. 


Stil, einfady lebt er, fern der lauten Stadt. 
Das Land, wo jede Wunde beilt, das Lau, 
Wo Alles man verzeibt, der Tanz der Bauern 
Zum Tambourin, ein altes griech'ſches Buch, 
In dem die alten Helden von Athen 

Und Sparta auferſtehn zum frifhen Leben, 


203 


Die Kinder, die er unterwegs beichentt, 

Der Hund, mit dem er ſpricht und defien Auge 
Ihn wohl verfteht, das Studium des Käfers, 
Der fi im Moos verirrt, ein. alte Weib, 
Das Abends er nah Haufe führt: — das find 
Die Strahlen, welche feinen Tag ihm meben. 
Und jeden Tag, — denn einer fließt ihm wie 
Der andre bin, — wenn heim die Sonne gebt, 
Geht er auch beim, von Allen angeſprochen, 
Die ihm begegnen, kehrt zu feiner Hütte, 

Bon Eichen übermwölbt, die auf fein Dad) 

Im Winter ihre Blätter niederfhütten. 

Und wenn fein Tiſch, der Weberfluß nicht kennt, 
Dft ſchmale Koſt nur liefert, lächelt, ohne 

Zu murren, er der greifen Köchin zu, 

Die unter'm Drud der Jahre wankt und ber 
Es heut an Kraft nur fehlt, an Eifer nie. 
Dann geht er in fein Kämmerden, wo ihn 
Der Schlaf erwartet. Und mas thut er dort 
Allein, der weise, der zufrieone Mann, 

Er mit dem Herzen ohne Fehler, ohne 


Degierd’ und Bram? — Er denkt, er träumt er zweifelt. .. 


Berhängnißvolles Dunkel! Schredlides 

Geſetz! Umnebelt Alles, wogend, ſchwankend! 

Ach, und zumeiſt an Tagen, wo uns Alles 

An Trümmer fällt, wo den verirrten Geiſt 

Das Unglüd faßt, und unfer tolles Leben 

Mit Schauern übergießt, wo und die Laune 

Des Schidfald nedt, und wo man Nichts mehr bat, 
Als Ebb' und Flut, die regellos ſich folgen, 

Als ein zerrifined Buch, als dunkle Nacht, ⸗ 


204 


Gedanken, die im Abgrund ſich verlieren, 

Ein Herz, entblößt von jeder ſüßen Täufchung, 
Ein Schiff, entmaftet,, led, auf dem ſich 'ftreiten 
Die Leidenschaften, wuthende Matrofen, 

Die finnlos ftampfen und ſich balgen um 

Den Weg, der einzufchlagen, wo verzweifelt 
Man Eins nur denkt: wo ift ein Rettungsmittel, 
Ein Compaß, eine Bucht, ein Anler, den 

Man faffen könnt’, ein Pharus, der uns leuchtet ? 
— Ha, welch' Entfegen padt dann die Piloten, 
Uns, die in legten Nöthen nun bemerken, 

Daß ung der Glaube fehlt, die Himmelsleuchte, 
Die gegen alle Schreden jhüst, das Wort . 
Der Hoffnung, auf dem legten Blatt gefchrieben,, 
Zur Rettung für die Mannihaft die Schaluppe! 


Mie kommt es nun, daß wir, die armen Thoren, 
So ftolz find? — Sprecht, ihr Weifen, deren Seele 
Stets heiter ift, mie aud die Looſe fallen, 

Im Ruhm befcheiden, mild für Hohn und Neid, 
Ahr, deren Geift, gleichmüthig ſtets und rein, 
Im ruhig Maren Aether der Vernunft 

Hod über uns in ernftem Glanze leuchtet, 

Die eine Sonne fern im Azurblau, 

So fern, daß bis zu ibr das Rollen der 
Unendlichkeit nicht dringt, in deren Strom 
Verftreut vom Wind fo viele müde Sterne 

Und Welten ſchwimmen, im Zerfall begriffen: — 
Was müßt ihr diefem Hochmuth negenüber 

Doch denken, der. mit Blindheit ift gepaart? 

Wie müßt ibr lächeln über unfern Ruhm! 

Und, wie ein belles Fener ſchwarzen Rauch 





205 


Erzeugt, fo muß euch unfer nicht’ger Stolz 
Diitleid’ges Staunen in der Seel’ erregen. 


D habt Erbarmen, — Nadhfiht und Erbarmen: 
Mir hören Alles, und begreifen Nichte. 

Der Slaubensmangel, jei ed Wiflen, ſei's 
Unwiffenbeit, ſei's Düntel oder Weisheit, 

Mit welbem Namen unjer Stolz fi nennen 

Auch mag, — ift dies ein Fehler des Jahrhunderts? 
Ein Uebel des Geſchlechts der Menſchen? Iſt's 
Borübergebend? Iſt's ein ew'ges Uebel? 

Hat Gott vielleiht den Menſchen jo geihaffen, 
Damit wir nah dem Himmel, der verborgen 

Bor unfern Augen, unabläfjia trachten? 

Wir haben nichts Gewiſſes, Brief und Siegel 

Hat Gott dem Menſchen über Nicht? gegeben, 

Und Denten iſt nicht Glauben, Katnı zuweilen 

Hört eine Teile Stimme man, die fpridt: 

— „Traut nicht, vergänglich ift all euer Werk! 

Was Menſchen bauen, it auf Sand gebaut, 

Und was fie thun, bald wächst darüber Gras, 

Der wülte Wind verweht, was fie errichten, 

AU die Afyle, mo die Seelen hin 

Ihr flüchten wollt, ver Ruhm, ein eitler Purpur, 
Die Liebe, Glut, die ſich verzehrt, der Ehrgeiz 

Mit dem befternten, ſtolzen Mantel,. der 

Sein aufgeblähtes Banner allen Winden . 
Preis gibt. der Reichthum, auf der Garbe thronend, 
Die Wifenfhaft, von fern jo groß und hehr, 
Die Macht, die unterm Baldachin ſich ſpreizt, 
Die Wolluſt unter Blumen — Zelte ſind 
Das Alles nur. — Das Haus iſt anderswo. 


R06 


Gebt weiter, jucht wo anders ewge Güter. 

Nur Schatten gibt ein Zelt euch, Sterblide!” 
Du börft die Etimme, finnft darüber nad, 

Und glaubft für Augenblide minder dunkel 

Zu fehn den Himmel, wie man durch den Nebel 
Ein Ufer fhaut, das weit fich fcheint zu dehnen. 


Sa, glauben, — doch an was? — Das nädtlide 
Problem, wo keinen Grund das Sentblei findet, — 
Mein Auge, nit ganz ungeübt vielleicht, 

Hat oft es ſchon durchforſcht. Die großen Fragen, 
Stets wechſelnd, wie das Meer, Kryſtall zur Stunde, 
Und Schlamm darnach, — ich babe fie durchwühlt, 
Die Oberflähe, wie den Grund, und taudend 

Hab’ ich ihn unermeßlich tief gefunden, 


Zu Zeugen ruf’ ich di, & Abendwind, 

D Morgenluft, zu Zeugen euch, ihr Sterne 

Der Nacht, wie oft, im Dienfte ftetd des firengen 
Gedenkens, ich allein verſucht die Höhe 
Hinanzufteigen, jenen feſten Punlt 

Im Raum zu finden, mo die weite Belt 
Man überihaut, den Gletſcher über'm Abgrund, 
Das VBorgebirge, das dad Meer beberrjdt! 

Wie oft hab’ ich geträumt auf kahlen Gipfeln, 
Indeſſen unter mir Gemwäfjer, Städte, 

Ruinen, Wälder in den Falten lagen » 
Der Hügel, und, Rauchpfannen glei, die Berge 
Dampf wirbelten, und fern der Dcean, 

Die ſchwarzen Wogen breitend, hohe Bauten 

Aus Felienriffen thürmend, mit dem Chor 

Der Stimmen der Natur zufammenraufchte. 


— — — 


207 


Und zu den Wogen ſprach ih: „Wegen, bie 

Ihr immer grollt!“ ... und zu den Burgen, fallend 
In Trümmer: „Thürme, der Bergangenbeit 
Lebendge Zeugen, Schlöfier, die der Zahn 

Der Jahre mit hartnädiger Bier benagt!“ ... 

Ih ſprach zur Naht: „OD Naht, jo reih an Sonnen!” . 
Und zu den Strömen ſprach ih, zu den Blumen, 
Den purpurrotben Früchten, und zu all 

Den namenlofen Formen , die der Tod 

Berichlägt, den Bergen, Wäldern und den Auen: 
„Bas wißt ihr?" — Dft zur Stunde, wo der Wind 
Ter Nacht des Wandrers Schritt befchleunigt, ſprach 
Ich zu mir felber: — Die Natur, die große, 

Die Schöpfung, welde den Geichöpfen dient, -» 
Weiß Alles! Alles wäre Har für den, 

Der fie verftände! — Wie ein Stummer, ber 

Ein wichtiges Geheimniß lennt und würgt 

Am Wort des Räthſels, daß die Lippe ſchäumt, 

So fhheint’3 oft, daß fie Alles jagen möchte. 

Tod Gott verbeut es ihr. Du horchſt umfonft: 
Geräufh nur auf Geräuſch, fein klares Wort. 

Das Lied, das ber vom Erntefeld erfchallt, 

Das Tofen, das aus Städten fteigt empor, 

Des Donner? Rollen und das fchrille Saufen 

Der Winde, das Geräufh der Woge, kommend 

Und gehend, die aus aufgefperrtem Rachen 

Heult und verftummt und mieder heult, — die Stimmen 
Eind alle nur ein endlos dumpfes Stammeln, 


Zenn Sprechen kann der Menſch allein uͤnd, ach, 
Der Menſch weiß Nichts! DO rätbjelbaftes Loos! 
Was er bienieden forſchen mag und finnen, 


208 


Bor feinen Augen huͤllt in finftre Wollen 
Sih Alles, und die Seele, wenn im Sterben 
Eie fintt, fie geht ind Land der Raͤthſel ein. 


So tommt’3, daß Zion zu verwerien, Nom 

Burüdzumeiien, Schlüffe durh Berneinung 

Sich nur zu bilden, — weil dies leichter ift, — - 

Der Brauch ift, dem die Menſchen gerne folgen, 

Nur wenig find wir, — wenig glauben mir. 

Gott wollt’ eö jo, und jo iſt Alles gut; 

Mehr Helle würd’ und nur die Augen blenden. 

Mit Frücten überladen bricht der Aſt. 

Was würd’ aus und, wenn ber lebendge Gott 

Bon feinem ew’gen Thron der Wahrheit Strom 

In das Gefäß der menſchlichen Vernunft 

Ergöfi’? — Ihn ganz zu jaflen iſt's zu klein. 

Ein Tropfen ift genug für jede Seele, 

Vermiſcht mit Irrthum noch dazu. Ein dunkles 

Etwas hat jever Menſch in fi, das wider 

Den Glauben jih empört. — D Gott! D Tod! . 

Zwei Wortel Zwei Abgründe, die fie bergen! 

Die ftärkiten Herzen faßt ein Schauer, wagen 

Sie fih hinaus auf dieje hohe See. 

Man fegt darüber nidt in Einem Flug. 

Der Bögel gibt's nicht Viele, die im Ylug, 

Ohn' auszurubn, den Dcean durchkreuzen. 

Kein Bläub'ger ift jo rein, fo treu, daB er 

Nicht mandhmal ungewiß erbebt’ und ſchwankte. 

Denn weldes Herz ift ohne Furcht und Schwäche? 

Drum lapt in Demut unſern Pſad uns wandelu. 

Sein Schatten folgt dem Leib, dem Geift der Zweifel. 
September, 1533. 


XIX. 


Batı ein, o Mufe mit dem Saitenfpiel 
Bon Erz, o Mufe des Geſetzes, Muje 
Des ſiarken Rechts, von deren Lippen Worte, 
Geſtählt im Feuer, firömen, Funken, die 
Ans deiner Seele fpringen, — Mufe, fprich 
Nicht weiter, laß fie gehn, wohin fie wollen! 
Gedulde dich, bis deine Stunde kommt, 
Und als befcheidne Jungfrau ſchaue rubig 
Und jchweigend zu dem Scaufpiel. Kaum entbülle 
Ten beil’gen Sorn, der dir im Herzen grollt, 
Die aufgeworfne Lippe. Heutzutage, 
Wo Jeder breit ih macht, wie Regenwaſſer, 
Beiruchtend oder näflend bloß, wo man 
Nichts Andres fieht, als Ohnmacht, Wuth und Schwäche, 
Unnüge Lajten, die man in den Kopf 
Si feßt zu wälzen, neue Simfon, bie 
Einreißend unter Trümmern ſich begraben. 
Der ift der Stärlite, der die Kraſt bezähmt: 
Dft zeigt der Dcean kaum eine Falte. 
Drum bis zum Tage der Entſcheidung — näher 
Schon iſt er, als man glaubt — vergeude nicht 
Die Kraft. Sie wächst, indem du fie begrensft. 
Steh aufrecht unter Allen bo erhaben 

8. Huge’s ſammil. poetiſche Werke. LIT. 14 


210 


Der ftrengen Göttin glei, die fih im Strafen 
Nicht übereilt, und ihre Kraft gefammelt 

Wie einen heil’gen Schat bewahrt, die lange 
Schon könnte, wenn fie wollt’, und nur nicht will. 


Du geh’ inzwischen deines Wegs! Betrachte 

Den Himmel und die Welt. Und Alle, die 
Unreinen Werken fröhnen, feile Seelen, 

Durch einen Sad mit Gold geblendet, Lügner 
Auf offnem Markt, die ftet3 die Sprache wechſeln, 
Berworfne Heuchler, Schlechtigleit im Herzen, 
Bon Außen übergoldet mit erlognen 

Berdienften, Groß’ und Kleine mit dem Brandmal 
Auf niedrer Stirn, der Baſtard, neidiſch, frech 
Und kriechend, jener Inechtiiche Tribun, 

Der feiger als ein Weib und feine Stimme 

Feil bietet auf der Gaffe, der für Geld 

Stets dem Geſetz ins Antlig Schlägt, Complotte 
Dem Bolt empfiehlt und die Cenfur dem König, 
Der falfhe Freund, geichäftie, Hab zu ſäen, 

Und die Wahnfinnigen, die Tag und Nacht 

In lärmend wüſten Orgien fih wälen, — 

Sie alle mögen dich in ihrer Mitte 

Ernft, ruhig gehen fehn, die Häupter grüßend, 
Die du verehrft, zwar ftumm, doch firengen Blids, 


Tein Feuerauge foll der Herzen Tiefen 

Durchforſchen. Wenn das Bolt fih fragt: — „Auf wen 
In der verblüfften Menge wird der Blik 

In feinem Auge grollend niederzuden?” — 

Dann mag fi) Jeder, feines Thuns mit Grauen 
Gedentend, fagen: — „Web, vielleiht auf mich!“ 


all 


Indeſſen bleibe ruhig Du und heiter. 

Laß deines Kleives Saum in ihrem Schlamm 
Sid nie befleden, zittern follen alle 
Elenden, wenn den Löwen deines Zorns, 
Die grimme Klau’ auf der befternten Leier, 


Sie dir zu Füßen mit dem Maullorb ſehn. 
September, 1836. 


Ende der Innern Stimmen. 


Strahlen und Schatten. 








Ein Dichter hat'das verlorne Paradies gefdhrieben, 
ein andrer die Finfterniß. 

Zwiſchen dem Eden und der Yinfterniß liegt die Welt; 
zwifchen dem Anfang und dem Ende das Leben; zwiſchen dem 
erften Menſchen und dem legten der Menſch. 

Das menſchliche Daſein bewegt ſich in zwei Formen: in 
der Geſellſchaft und in der Natur, Gott Tegt die Leidenfchaft 
in den Menſchen; die Geſellſchaft die Thätigkeit, die Natur 
den Hang zum Träumen. 

Aus der Leidenfchaft in Verbindung mit der Thätigkeit, 
das beißt, au3 dem Leben in ber Gegenwart und aus ber 
Geſchichte in der Vergangenheit entfteht dad Drama. Aus der 
Leivenihaft in Berbindung mit der Traͤumerei entftebt die 
eigentliche Poeſie. 

Wenn die malerische Darftellung der Vergangenheit bis zu 
den Einzelnheiten der Wiſſenſchaft berabfteigt, die Darftellung 
des Lebens bis zu den Feinheiten der Analyje, dann wird das 
Drama Roman. Der Roman ift nicht? Anderes, als das 
Drama in feiner Entwidlung außerhalb der Verhältniſſe des 
Theaters, ein bald durch ven Gedanken, bald dur das Ge- 
fühl erweitertes Drama. 

Uebrigens bat die eigentlihe Poeſie dramatiſche Elemente, 
und das Drama poetifche. Drama und Poeſie durchdringen 
fh, wie alle Fäbigkeiten im Menſchen, wie alle Strahlen im 
Univerfum. Die Thätigleit, die Handlung hat täumerifche 


216 


Momente. Macbeth faot: „Der Hammer fingt auf dem 
Thurm.“ Der Eid fagt: „Diele blaffe Klarheit, die von ben 
Sternen fällt." Scapin jagt: „Der Himmel bat fi beut 
Abend als Hanswurſt verkleidet.” Niemand entzieht ſich im 
diefer Welt dem blauen Himmel, den grünen Bäumen, ver 
büftern Naht, dem Naufchen des Windes, dem Geſang der 
Vögel. Kein Geſchoͤpf kann fi von der Schöpfung trennen. 

Andrerfeits bat au das Träumen wieder Minuten ver 
Handlung. Die Idylle an Gallus ift patbetifch wie ein fünfter 
Alt; das vierte Buch der Aeneide ift eine Tragödie; es gibt 
eine Ode von Horaz, aus der eine Molidre'iche Komödie 
entftanven iſt. „Doneo gratus eram tibi“ ift der „Döpit amon- 
roux.“ 

Alles hängt zuſammen, Alles vervollſtändigt, Alles paart 
und befruchtet ſich durch Paarung. Die Geſellſchaft bewegt ſich 
in der Natur, die Natur faßt die Geſellſchaſt ein. 

Eines der beiden Augen des Dichters gehört der Menid- 
beit, das andere der Natur. Das Eine der beiden Augen nennt 
fih: Beobachtung, das andere: Einbildungskraft. 

Aus diefem doppelten, immer auf fein doppeltes Objekt 
gehefteten Blid entftebt im Hirn des Dichters jene Inſpiration, 
die Eins und doch mannigfaltig, einfah und doch zuſammen⸗ 
gejegt ift, — dad, was man Genie nennt. 

Beeilen wir uns jebt ſchon zu erflären, daß bei Allem, 
was man bier eben gelejen bat, wie bei Allem, was man noch 
lefen wird, der Berfafier diefer Sammlung — und das jellte 
fih eigentlich von ſelbſt verſtehen — eben fo weit entfernt ift, 
an fi jelbft zu denen, wie an Cinen feiner Leer. Der 
ſchlichte, ernite Künftler muß das Net haben, das Weien der 
Kunſt zu erläutern, bloßen Haupts und mit geſenltem Auge. 
So dantel und unzulängli aud diefe Betrachtung, die fein 
"ben ift, fein mag, man kann fie ihm, Angeſichts der reinen 


‘ 





.. -— u — 


217 


und ewigen Bedingungen des Ruhms, nit verfagen. Der 
Menſch lebt, der Künftler firebt. Und dann, wo tft der arme 
Hirte, der, berauft von Blumen und von Sternen geblenvet, 
nicht einmal wenigſtens in feinem Leben, mit den nadten 
Früßen in dem Bach, aus dem feine Schafe trinken, ausgerufen 
hätte: — Ich möchte Raifer fein! 

Doch weiter. 

Unfterblide Werte find in unfern Tagen geichaffen worden 
durch große, edle Dichter, die fih perfönlih und unmittelbar 
bei den alltäglihen Bewegungen des politifden Lebens be- 
theiligt hatten. Unires Dafürbaltens jedoch könnte ein ächter 
Dichter, den der Zufall oder fein Wille wenigftens für die Zeit, 
wo e3 ihm vonnötben ift, auf die Seite gejegt, und während 
dieſer Zeit vor der unmittelbaren Berührung mit den Regie- 
rungen und den Parteien bewahrt hätte, ebenfalld ein großes 
Werk berporbringen. 

Keine Verpflichtung, keine Feſſel. Die Freiheit wäre das 
Element feiner Ipeen, wie feiner Handlungen. Er wäre frei 
in feinem Woblmollen für Die, welche arbeiten, in feinem Ab- 
ſcheu gegen Die, melde fchaden, in feiner Liebe zu Denen, 
welde Nutzen ftiiten, in feinem Mitleid für Die, welche leiden. 
Es ftünde ihm frei, allen Zügen, von welcher Seite over Bartei 
fie fämen, den Weg zu verfperren; frei, Vorſpanndienſte zu 
leiften den Prinzipien, die mit den Intereſſen tief verflochten 
find; frei, jeder Art von Elend fich zuzuwenden; frei, vor 
jeder Aufopferung zu fnien. Kein Haß gegen den König läge 
in feiner Liebe zum Bolt; keine Beleidigung für die berr- 
ſchenden Tynaftien in feinen Zrojiworten für die gefallenen ; 
fein Schimpf gegen die geftorbenen Geſchlechter in feiner Sym⸗ 
pathie für die Könige der Zulunft. Er würde in der Natur 
leben, in der Gefellihaft wohnen. Seiner Eingebung folgend, 
ohne andern Zwed, als um zu denten und zum Denen zu 


erregen, mit einem Herzen voll zum lleberfizömen, mit einem 
Blick, der Frieden firablt, würde er, je zu feiner Seit, als 
Freund den Frühling ſehen auf der Wieje, den Fürften im 
Louvre, den Geächteten im Gefängniß. Würbe er Da und 
dort eine Satzung in den Geſetzbüchern der Menſchen tabeln, 
jo würde man wiflen, daß er Zag und Nacht die ewigen Dinge 
und den Tert der göttlihen Geſetze ftudirt. Nichts würde ibe 
in feiner tiefen, firengen Beſchauung ftören, nit das lär⸗ 
mende VBorüberraufihen der politiſchen Greignijie: denw er 
würde fie ſich aflimiliren und ihrer Bedeutung nad im fein 
Wert einfließen laflen; nicht die zufällige Nachbarſchaft eines 
großen Brivat-Leidens: denn die Gewohnheit des Denkens gibt 
die Yäbigleit zu tröften; nicht einmal die innere Bewegung in 
Folge eigener, perfönlider Leiden: denn dur dad, was in 
unſrem Sinnern reißt, hindurch ſchauen wir Gott; und, wenn 
er fi ausgemweint hätte, würde er benlen. 
San feinen Dramen, feinen Berfen, wie feiner Brofa, in 
feinen Stüden, wie in feinen Romanen würde er Geſchichte 
geben und Grfindung, das Leben der Völker und das Leben 
der Individuen, die erbabnen Lehren koͤniglicher Verbrechen, 
wie in der neueften Zragöbie, die nügliche Darfiellung der 
Lafter des Volls, wie in der alten Komödie. Schmaͤhliche Aus- 
nahmen abſichtlich verbüllend, würde er, indem er bas Alter 
immer groß erſcheinen ließe, zur Ehrfurcht für das Alter be- 
geiftern; zum Mitleid für das Weib, indem er das Weib immer 
in feiner Schwäche zeigte; zum Cultus der natürlichen Gefühle, 
indem er nachwieſe, daß zu allen Seiten und in allen Fällen 
etwas Heiliges, Goͤttliches, Tugendhaftes in den beiden großen 
Empfindungen liegt, auf denen die Welt jeit Adam und Gva 
berubt, der Baterliebe und der Mutterliebe. Kurz, er würbe 
überall die Würde der menſchlichen Natur hervorheben, in- 
dem er nachwieſe, daß Bott ins Innerſte jedes Menſchen, fo 


219 


verzweifelt und verdorben er auch ſei, einen Funlen gelegt bat, 

ben ein Hauch von Dben immer wieder beleben kann, den bie 

eine nicht verdedt, den der Roth felbft nicht ausloͤſcht, — die 
eele. 

In feinen Dichtungen würde er Rathichläge für die Begen- 
wart nieberlegen, traumbajte Schilderungen der Zukunft; den 
bald blendenden, bald niederſchlagenden Nefler ver gleichzeitigen 
Ereigniſſe; die Pantheons, die Gräber, die Ruinen, die Gr- 
innerungen; Mitleid für die Armen, zarte Theilnahme für die 
Unglüdlihen; die Jahreszeiten, die Sonne, die Fluren, das 
Meer, die Berge; die flüchtigen Blide in das Heiligthum der 
Seele, wo man, wie durd die balboffne Thüre einer Kapelle, 
auf einem geheimnißvollen Altar alle die ſchoͤnen goldnen Ge⸗ 
fäße fieht: den Glauben, die Hoffnung, die Boefie, die Liebe; 
kurz, das tieffinnige Gemälde des Ih, — vielleicht das um- 
faflendfte, allgemeinjte, univerjellfte Werk, das ein Denler aus⸗ 
arbeiten könnte, 

Wie alle Dichter, die denlen und deren Geiſt beitändig 
über dem Univerfum brütet, würde er durch alle feine Schöpfun- 
gen, Gedichte oder Dramen, die GHerrlichleit der Schöpfung 
Gottes durchleuchten laffen. In feinen Zragödien würde man 
die Vögel fingen hören; in feinen Landſchaflsbildern jähe man 
hen Menichen leiden. Dem Anſchein nad wäre Nichts verſchie⸗ 
denartiger, als diefe Dichtungen; und doch im Grunde Nichts 
einheitlicher und zufammenbängender. Sein Wert, in feiner 
Syntheſe genommen, würde der Erde gleihen: Erzeugnifſe 
jeder Gattung, aber Eine liridee in allen Eonceptionen, Blumen 
jeder Art, aber Ein Saft in allen Wurzeln. 

Er würde den Cultus des Gewiſſens üben, wie Ju venal, 
der Zag und Naht „einen Zeugen in fi ſelbſt“ fühlte, nocte 
dieque suum gestare in peotore testem ; den Cultus des Ge⸗ 
dankens, wie Dante, der die Verdammten Diejenigen nennt, 


220 
„bie nicht mehr denken,“ le gente dolorose ch’ anno perdutto 
il ben del intelletto; den Cultus der Natur, mie der beilige 
Auguftin, ver ohne Furcht als Bantheift verfchrieen zu wer- 
den, den Himmel „eine intelligente Kreatur“ nennt: Coelum 
coeli creatura est aliqua intellectualis. 

Und was fo im Zufammenbang feines Werts mit allen 
feinen Tramen, allen feinen Gedichten, allen feinen verein- 
zelten Gedanken diefer Dichter, dieſer Philojoph, dieſes Bernie 
ihüfe, e& wäre — fpreden wir e3 bier ara — die große ge- 
beinnißvolle Epopee, von der wir Alle einen Gefang in un: 
jelbft trageni, deffen Prolog Milton, deſſen Epilog Byron 
geichrieben hat: das Gedicht vom Menſchen. 

Dieſes impofante Leben des civilifirenden Künſtlers, dieſe 
ungeheure Arbeit der Philofophie und der Harmonie, dieſes 
Ideal einer Dichtung und eines Tichters, ſich als Ziel feines 
Chrgeizes, als Zmed, als Anfang und als Ende zu feßen, 
dazu bat jeder Denker das Recht. Ter Berfafler bat es ſchon 
anderwärt3 und mehr als einmal gejagt: er ift Einer von 
Denen, welhe mit Ausdauer, Gemifjenbaftigfeit und Treue 
fireben. Mehr nit. Er läßt das, was man feine Inſpiration 
nennen mag, nicht aufs gut Glüd geben. Unabläfjig wendet 
er ih dem Menfhen, der Natur oder Gott zu. Mit jedem 
neuen Werk, das er zu Tage fördert, Tüftet er eine Ede det 
Schleier, der feinen Gedanken verbirgt; und aufmerfiame 
Geifter bemerken vielleicht jetzt ſchon eine gewiſſe Einbeit in 
diefer Sammlung von Werten, die auf den erften Anblid ver 
einzelt und auseinandergehend erſcheinen. 

Der Verfaſſer glaubt, daß jeder wahre Dichter, unab- 
bängig von den Gedanken, die ihm aus feiner eigenen Organi- 
fation, und von den Gedanken, bie ihm aus ber ewigen Wahr⸗ 
beit kommen, die Summe der Ideen feiner Beit in fich tragen 
müffe, 





221 


Ueber die Gedichte, die er heute veröffentlicht, hat er nur 
wenig zu jagen. Was er wünſcht, daß fie fein möchten, iſt im 
Borftebenden angedeutet; was fie find, wird der Leſer würtigen. 

Man wird in diefen Gedichten faft bis auf gewiſſe Nüancen 
diefelbe Anſchauung det Dinge und der Dienjchen finden, wie 
in den unmittelbar vorangegangenen, die der zweiten Periode 
der geiftigen Entwidlung des Verfaſſers angehören, und bie, 
die erfte Sammlung im Jahre 1831, die zweite im Jahre 1835 
und die legte im Jahre 1837 veröffentlicht worden find. Diefes 
Bud ift die Fortfegung derjelben. Nur ift in den Strahlen 
und Schatten der Horizont vielleicht ein weiterer, der Himmel 
blauer, die Ruhe tiefer. 

Mehrere dieſer Gedichte werben dem Lefer zeigen‘; daß ber 
Verfaſſer feiner Miffion nicht untreu geworden iſt, die er ſich 
jelbft im Borfpiel zu den Innern Stimmen zugeſchrieben bat: 

„Der Dichter richtet, Stein um Stein zufammenfugend 
An dem Gefellfchaftsbau, der wankt bei jedem Wind, 
Zwei Säulen wieder auf der alten Sitt! und Tugend, 
Die Ehrfurdt vor dem Greis, die Liebe zu dem Kind.“ 

Ueber Fragen des Styls und der Form wird er fein Wort 
verlieren. Wer lefen will, was er fchreibt, weiß ſchon längſt, 
daß, wenn er auch mandmal in gewiflen Faͤllen die Unbe- 
ftimmtheit und das Helldunkel im Gedanken zuläßt, er dies 
. doh im Ausdrud feltener thut. Ohne die große Poefie des 
Nordens, die in Frankreich ſelbſt durch bewundernswürdige 
Dichter vertreten ift, zu verlennen, bat er immer eine lebhafte 
Neigung für die präcife, ſüdliche Form gehabt. Er liebt die 
Eonne Die Bibel ift fein Bud. Virgil und Dante find 
feine göttliden Meifter. Seine ganze Kindheit war nur ein 
langer, mit eralten Studien vermifchter Dichtertraum, Diele 
Kindheit bat feinen Geift zu dem gemadıt, was er ilt. Das 
Exakte und das Poetiſche ift übrigens nit unverträglid. Die 


3 L 

Kahl ift im der Kunft wie in der Wiſſenſchaft. Die Algebra if 
in der Aftronomie nnd die Aftronomie grenzt an die Woefie: 
die Algebra ift in der Mufit und die Mufil grenzt an bie 
Poeſie. 

Der Menſchengeiſt hat drei Schluͤſſel, die Alles öffnen: 
die Zahl, den Buchſtaben, die Note. 

Wiſſen, Denlen, Träumen, — darin liegt Alles. 

4. Mai, 1840, 


Strahlen und Schatten. 


I. 
Bichterbernf. 


1. 


Warum im Volksgewühl, o Dichter, 
Lebſt Du, umſchwärmt und doch allein? 
Was iſt das Chaos ohne Lichter 

Für Dich, der Hader der Partein? 

In dieſer ſchnoͤden Atmofphäre 

Welkt Deine Poeſie, die hehre, 
Entweihung iſt ihr ſichres Loos; 

Dein Herz, in dem Gedräng der Maſſen, 
Gleicht Raſenplätzen in den Gaſſen, 
Zerſtampft vom Wandrer ſchonungslos. 


Hoͤrſt Du in dumpfen Metropolen 

Den Lärm, bald tobend, bald gedämpft, 
Wo feindlich, offen und verſtohlen, 

Sid König ſtets und Volt bekämpft? 
Wozu Dein Ohr zerreißen lafien? 

Laß ſich befehden, die ſich haſſen, 


au 


D Dichter, — der am Himmel ſchwebt, 
‘hm bleibe treu, dem lichten Sterne, ° 
Dem großen Haufen bleibe ferne, 

. Der vom verworrnen Lärm nur lebt. 


Laß Klingen nur im Heiligthbume 

Dein Lied des Friedens, reiner Geift! 
Blüh’ in der Wüfte, heilge Blume, 

Wo Did der Thau des Himmels fpeist, 
Dien’ im Verborgnen Deinem Gotte, 

Leb’ einfam in verfhwiegner Grotte, 

Nur in der tiefiten Stille ſpricht 

Des Himmels Laut zu Deinem Ohre. 

D Dichter, wandle dur die Thore 

Der Naht, und ſchau'n wirft Du das Licht. 


Im Wald, am Meere, magit Du fingen! 
Und Dein begeilterter Gejang 

Soll in das Lied der Vögel klingen 

Und in der Wellen ernften Klang. 

Nur in der Einſamleit erſcheinen, 

Nicht im Gewähl, mag Gott den Seinen. 
Klein ift der Menih und aufgebläbt. 

Im Felde fühlt der Geiſt ſich freier: 
Denn die Natur iſt Gottes Leier, 

Und Gottes Plektron der Poet. 


Bleib Du am bäuslich fillen Feuer; 
Schau in dem Reich ein Schiff, das kracht, 
Jr, ohne Compaß, ohne Steuer 

In ftürmifher Dezembernacht 
Umbergeworfen auf den Wogen; 








Al 


Der Fiſcher hört zurüdgezogen 

In meerumwogter Hütte, falt 
Entſchlafen, es im Dunkeln jchweifen, 
Das Schiff, um das die Winde pfeifen, 
Und peitſchen den zerbrochnen Maſt. 


2. 


Ach, ſprach der Dichter drauf, vor Allen 
Iſt Wald und Meer mir lieb und traut. 
Und meine ſchönſten Lieder hallen 

Nur wieder ihrer Stimmen Laut. 

Haß kennt die Schöpjunga nit, nur Frieden 
Und Ruh ift der Natur beichieden ; 

Und Sonn’ und Rofe, Wie’ und Quell 
Sind da, una Gutes zu erzeigen. 

Im großen, beitern MWefenreigen 

Geht auf mein Herz und leuchtet hell, 


Nie werd’ ih dir, Natur, entjagen, 
Dich lieb’ ich innig; doch ein Mann 

In unfern wechſelvollen Tagen 

Nicht fih gehört er, Allen an, 
Gedanten find gewaltge Kräfte, 

Gott gab dem Baumftamm feine Säfte, 
Dem Vogel wies den Buſch er an, 
Den Bad dem Wiejengrund im Thale, 
Dem durft'gen Mund die volle Schaale, 
Den Geiftern einen weifen Mann. 


Ein Jeder trägt des Andern Ehwähe, 
Er dient: fo will e8 das Geſchick. 
Web dem, der zu den Brüdern ſpräche: 
®. Huge'd fümmtl. poetiſche Werte. M. 15 


2 


Zur Wüſte wend' ich mich zurück. 

Weh dem, der weg ſich ſucht zu ſtehlen, 
Wenn das erregte Volk zu quälen 

Der Uebermuth der Großen ſucht; 

Den MWeifen web, die ih entmannen, 
Die Lieder trillernd gehn von dannen, 
Schmach über folde feige Flucht! 


Sm unfern Tagen, arg verjcrieen, 

Sudt der Poet den Rettungsftern. 

Er ift der Mann des Utopien, 

Sein Fuß ift bier, fein Auge fern. 

Er iſt's, der jederzeit den alten 

Propheten gleich es bat gehalten, 

Der, wie der Sturm um ihn auch braußt, 
Mag man ihn tadeln oder loben, 

Der Zulunft Fadel hoch erhoben 

Und flammend ſchwingt in kühner Fauſt. 


Er ſchaut, die Völker find geblendet, 

Und feine Träume, liebevoll, 

Sind Strahlen, die der Tag ihm ſendet, 

Der fonnige, der lommen foll. 

Man Ipottet fein. Er denkt, der Weife, 

Und ſpricht manch gutes Wort, das leife 

An finnig ftille Seelen ſchlaͤgt. 

Ihn jammern, die fi dran nicht Lehren; 

Laut fpottet Mancher feiner Lehren, 

Der fie im Stillen ernft erwägt... 
Sprit, 1839. 


m—— — 22— 


A 


1. 


Der fiebente Angufl Adıtzchuhunderinenuundzwanzig. 





Es war der fiebente Auguft, — o weh! — 
Der erfte Tag von ihrem legten Jahr. 


Zwei Männer gingen, ganz allein, im Schloß 
Des Königs mit einander, ſich zumeilen 
Berührend mit dem Arm, und plauderten. 
Tief ins Gedächtniß bat ſich's mir gejchrieben. 
Der Erſte ſah ermattet, finjter aus, 

Als laſtete auf feiner Stirn ein Blan, 
Erprüdend ſchwer für ein fo ſchwaches Haupt. 
Auf grüner Uniform mit Purpurſchnüren 

Trug Epauletten er mit einer Krone, 

Der Orden und das Vließ auf feiner Bruft 
Am breiten, ſchillernd blauen Bande glänzten 
Zwei lichten Sternen gleih von Gold und Silber, 
Ein König war's, ein Greiß mit grauem Haupt, 
Gebeugt vom Drud des Alters und der Krone, 
Ein junger Mann der Andre, fremd den Höfen, 
Ein Dichter, — ein Geihöpf, das wenig gilt, 
Sie ſprachen ohne Zeugen, rüdhalt3los 

In einem großen, öden Kabinet, 

Einfah, doch majeftätiih. An den Wänden 

Läht Spuren wohl zurüd des Menſchen Thun. 
Einft ſchwebten, o entſchwundne Herzlichleit, 


244 


Gewaltge Thaten unter diefer Dede 

Borüber und gewaltige Entwürfe. 

Hier, auf dem Rüden die gekreuzten Hände, 
Mit Heldenjchritten dag Gemach erjchütternd, 
Bing oft der Kaifer, ald er Herr noch war, 
Nachdenklend von der Thüre hin zum Fenfter. 


Zur Seit’ ein Tiſch, ein ſamminer Lehnſtuhl ſpiegelt 
In dem Parkett die ſchweren, golbnen Füße. 
Durd eine Glasthür’ in der Ferne ſah 

Man viele pruntend reihe Schränfe, Vaſen 
Bon Japan, Urnen, emaillirt, von Thon, 
Kronleuchter, golden, weit die Arme breitend; 
Gin rotber Saal mit Spiegeln von Venedig, 
Bol griech'ſcher Erzfiguren, göttlich ſchoͤn, 
Strahlt' ındlos in kryſtallnem Widerfchein. 
Und, einem erzgegofinen Stanbbild gleich, 

In ftolzer Haltung ſah ınan in der Ede 
Behelmt die Wade, glänzend filberblan. 


Wovon der Tichter, fragt ihr, und ver areije, 
Gebeunte König ſprach? 


Bon einen armen, 
Gefallnen Engel, dem der Hauch der Licbe 
Gebeilt das kranke Herz, von Marion, 
Die rein, wie Magdalena, fi gewaſchen. 
Eie hinkte jämmerlid, weil in den Fuß 
Gebiſſen fie die Schlange der Cenſur. 


Der Dieter wollte den dreizehnten Ludwig 
Borführen eines Abend, jenen Aänig, j 
Ter eines Briefters Ellave war, — ein ganzes 
Jahrhundert, Henker, Narren und Marquis'. 


345 


Er wünſchte, daß die Menge käm' und fchaute, 
Wie bei des Drama’ nächtlich düftrer Glut 

Bor naſſen Augen je und je der Schatten 

Des bleihen Kardinals vorüberſchwebt. 
Kopfſchüttelnd fprach der Greis: — Wozu enthüllen 
Des armen, unglüdjel’gen Königs Blößen? 

Wozu in ihrem Grab die Todten ftören? 

Wo wil’3 hinaus? Weiß man, wohin man rennt? 
Drobt nicht der Einfturz rings, wohin man ſchaut? 
Läuft Alles nicht maßlofer Freiheit zu? 

Thut's denn nicht Noth, nad fünfzehn Probejahren, 
Die Dämme neu zu bau'n, den Strom zu zügeln? 
Ein Fürft kann wieder nehmen, was er gab. 

Und das Theater, — jebt, mo untergraben 

Ter Thron ift, muß man feine kühnen Flammen 
Mit beiden Händen zu erftiden fuchen. 

Das Publikum, es ift das Bolt, und Funken 
Kann die Komödie werfen, die im Duntel 

Ten Brand der Revolution entzünden. — 

Dann meint’ er, die Gefchicdhte Tüge, — wie 

Dem immer fei, dem jungen Träumer macht' 

Er ftreitig feinen föniglihen Ahn. 

Eonit war er gätig gegen ihn, voll Huld, 

Und frug den Dichter nach den eignen Ahnen, 


Dem König gebend, was des Königs ift, 
Verfocht der Dichter muthig, feit die Sache 

Der Freiheit und der Kunft, für die er glübte, 
Indeß voll Achtung für den edlen Breis, 

Cr ſprach: — Tie Zeit, wo Alles wankt, iſt ernft. 
Frei wandeln, ſtolz und ruhig will die url. 

Die todten Könige gebören ihr, 


Man gönn’ ihr dieſe Beute. Feindlich ift 

Sie nit, Wozu Fe reizen und der finftern 
Gewalt fie überliefern, fie, die Blitz 

Und Donner bält in ihrer ftarlen Hand, — 

Der Hand, die, plöglih aufgetban, zum Staunen 
Frankreichs, dem Louvre zum Entfegen, — nur 
Zu Ipät erwahen würd’ es leider! — Blitze 
Ausichätten würd’ in rotben Yeueritrömen. 

Oh, die Tyrannen in der Tiefe fchaden 

Dem König viel, der in der Höhe thront. 

Das Volk ift ftets bereit, beim Wort die Muje 
Zu nehmen, wenn entrüftet, felbit beim Namen 
Tes Königs, fich des Künftlers Stine runzelt. 
— Eire, fann man auf Baufälliges ſich jtügpen? 
Ein ſchlechtes, morſches Dad, ift die Eenfur, 
Das jeden Augenblid den Leuten, die 

Es ſchirmen fol, kann auf die Köpfe fallen. 

Ein unvorfiht’ger Hauch, jtatt auszublajen, 
Yacht an die Funken nur zu wilden Feuer, 

Die Kunſt, die leuchtet, wird zur Kunſt, die Hammt, 
Barum nad koͤniglichem Glanz nur trachtet 
Dan doc bei einem Bolt, loyal, doch ſpoͤttiſch, 
Statt nad den großen Bildern, die ihm bot 
Der große Ludwig, jene Königsfonne, 

Bon der befchienen reich die Lilien blübten, 

Der eine Welt mit feinem Scepter hielt 

Im Gleichgewicht, und glüdlih Racine machte, 
Und Molidre in Freibeit dichten lieh? 

Gott, weldy’ ein Schaufpiel, die Eenjorenborbe, 
Bewaffnet, leife flüfternd, eine Bande 

Bemeiner Zäger, liegend auf dem Bauch, 

Und ſklaviſch muernd auf den Augenblid, 


47 


Wo zur Gefhichte, wie in feine Höhle 
Der ftolze Leu, zurüch das Drama kehrt! — 


Und als er den erftaunten Greis zu ihm 

Sich mild, mit tiefer noch gejenkter Stirn 

Sich wenden fah, verfolgt’ er Tühner feine 
Unruhigen Gedanten, und, das Drama 

Bei Seite laffend und den Dichter, ſpürt' 

Er eifrig einem ſchwarzen Plane nach, 

Der in der Seele dieſes finftern Königs 

Im tiefften Grund er eben hatt’ eripäht. 

Wär möglih? Könnt’ er foldhe Träume nähren? 
Das Recht des Volks zertrümmern? Wie fein Spielzeug 
Man einem Finde nimmt, das unwirſch murrt? 
Ihm Alles nehmen, Freiheit, Licht und Luft? 

Er will's nit! Klug ift und gerecht der König! 


Nah Worten, paffend für ein Koͤnigsohr, 

Dann ſucht' er, und von den gewalt’gen Wogen 
Der Zeiten ſprach er: daß nicht fühne Brüden, 
Nicht Dämme, nit Kanäle, Nichts, daß Gott 
Allein im Stand zu bändigen ein Volt, 

Das ſich erhebt, den Dcean, der fteigt. 

Oft Scheitern müſſe felbft das ftärfite Schiff, 
Wenn es den Wogen und den Winden troße; 
Und wider fih in diefem tollen Kampf 

Als Klippen, um daran zu fcheitern, habe 

Man fein Jahrhundert, und den Geift, die Sitte 
Der Beit, die man belämpft, — den Hafen jelbit, 
In den das Schiff fich hätte flüchten können. 

Er wagt’ es, fein Entſetzen auszufprecden. 

Sohn einer Tochter der Vendée, der Liebe 
Nicht mehr, doch keinen Haß im Herzen trägt, 


248 


Bat er, man mög’ ihm einen Augenblid 

Nur Glauben ſchenken, ihm, der ernft und treu 

Am Alten hänge, defien Pietät 

Feſtwurzelnd wie ber Epheu, ach, ſich befte, 

So an Ruinen, wie an Könige. 

Das Echidjal Spielt oft graufam mit den Menfchen. 

Die Kön’ge follen ruhig überlegen 

In diefen ftürmifhen Tagen, wo, ein Meer, 

Tas fteigt, der Zeitgeift, eine dunkle Wolfe, 

Am Horizont empörte Worte murmelt, | 
Marum beraus die kommenden Geſchlechter | 
Schon fordern, eh’ fie da, und auf fie ftadheln? | 
Für flücht’ge Blide war der Himmel Frankreichs 

Noch beiter. Doch, wenn auch ein Wöltchen faum 

Ihn trübte, wenn fein Azurblau aud rein 

Erſchien, und nit ein Hauch die Luft bewegte, 

Er ſah, der Träumer, 'grelle Blige zuden! — 


Dex zehnte Karl ſprach lächelnd: — „D Poet!“ 


Am Abend Felt und ftrahlende Beleuchtung ! 
Bon Prinzen wimmelnd, Kriegern und Lakai'n, 
Schien mir EaintsCloud, das grüne, mit dem ftolzen 
Palaſt, und feinen Marmorbildern, die 

Die Eeine fpiegelnd mitzunehmen drohte, 

Mit Liebe feinen Baumkranz zu umfaffen. 

Der Bogen des Triumpbs mit ebernen 
Victorien, und dad Louvre, heiter glänzend 
In taufend Lilien, ſchienen aus der Mitte 

Ter fernen Hauptftadt Antwort auszufirablen. 
Und über all der königlihen Pracht 

Lag ftiller Frieden, feierlibe Ruhe, 

Und eine Größe, die unjterbli ſchien. — 


* * 
® Holyrood, ummweht von dumpfen Schidfalsfchauern, 
O Holyrood, wie grau, wie finfter Deine Mauern, 
Berwitterte Abtei! 
Du, Klofter, Schloß und Grab! Es birgt in deinem Schooße 
Gott, Tod und König fih, drei Majeftäten, große 
Mofterien alle drei. 


D tronenlofes Schloß, o Thal der Strafgerichte! 

Hier flüftert und ind Ohr die Luft und die Gefchichte 

wei Worte, — unfern Stolz verwarnınd Hingt ihr Ton; 

Zmei Laute, grollend, ernft, auf die wir bebend laufen: 
Der Meerestiefe dumpfes Rauſchen, 

Und der entfernte Lärm der Revolution. 


D Einfamleit, wo man oft ſieht auf grünen Rafen 
Die Nehe meiden, die am Rain herunter grafen, 
Bon Eichen übervedt; 
Die lauernd fiehn im Wind, da, wo der Wald fidh lichte, 
And ängftlid ſpähn umher, verftört, halb aufgerichtet, 
Die Ohren hoch geredt, 


Du ftolze Kirche mit den gotbifchen Bogen, beten 

Dft ſahſt du Könige, der Väter Grab betreten 

Und Inie'n, wo unter'm Stein der Ahnen Leiber rubn, 
Tu Pforte, die, im Arm die Hellebarde, Rieſen 

Und Bogenfhügen einft bewacht, die Blige ſchießen, — 
Mit roſt'gem Schläfiel fließt ein alter Hirt did nun! 


250 


Du Wiefengrund, wo einft die Krieger, die geitäblten, 

Die Lords vom Hochland .ftolz die wilden Clane zählten, 
Die Fahnlein, die im Winde wehn; 

Und wo im Sonnenfdein jet alte Weiber kauern, 

Und, ihren Lumpenkram zu trodnen an den Mauern, 
Durh Torn und Kiefel barfuß gehn. 


D Holyrood! Bededt mit Moog ift deine Stiege! 
Bon deinen Thürmen nagt den Straud herab die Biene. 
O Wuth der Eiferfuht, die du noch beute brennft! 
Darnley und Rizzio! O wilde Liebezflammen, 
Noch Schlagen heute fie zufammen: — 
Ha, Blut dort.an der Mand,... bier fchreitet ein Gefpenk. 


Mel ernite Lehren, die uns deine Hallen flüftern, 

Und die geichrieben ftehn an deinem hoben, düftern 
Gemäuer, balbzertrümmert, grau; 

Ein graufiges Geſchick fpricht laut aus jedem Steine, 

Der Borzeit Schimmer liegt, gleich bleichem Mondenſcheine, 
Auf dem verhängnißvollen Bau! 


Geſegnet fei, o Schloß, geſegnet feid, ihr Trümmer! 
Umfließen mag dich ftet3 ein lichter Heiligenfhimmer ! 

Mir beugen uns vor dir, ſtets fei dein Ruhm gemehrt. 
Denn Frankreichs König fand, der Greis, in deinen Hallen 
Den gaftlihen Empfang, — den traurigiten von allen, — 


Den Stuart’3 und Bourbon’s einander ftets gewährt. 
uni, 1539. 


261 


| IH. 
An den König Fonis Philipp 


nad dem am 12. Juli 1839 gefällten Zodesurtheif. 





Bei Deinem Engel, der entflog zum Himmelspfade, 
Bei diefem Königstind, jo friſch wie Rofenzier, 
Laß Dich bei jenem Grab beſchwören: Gnade, Gnapel 
Bei jener Wiege: Gnade, Sire! 
12, Juli, Mitternadt. 


2523 


IV. 
Mick in cin Dachſtübchen. 


1. 


Groß iſt der Dom und hoch die Thürme, grau von Farbe, 
An feinen Bogen prangt das Kleeblatt und die Garbe, 

Mit feiner Roſe glänzt das ftattliche Portal, 

Und unter dem Gewoͤlb im Zwieliht ein Gemimmel 

Von Engeln und Jungfrau’n, der Höllenpfuhl, der Himmel, — 
Gin Traumbild, eine Welt von Wundern ohne Zahl. 


Doch fefleln nit der Tom, nicht feine hoben, dunteln 
Gewölbe, fein Portal, die Yenfter nicht, die funteln, 

Die Thürme mir den Blid, der Schmud fo bunt und reid; 
Nein, glei daneben dort, im Dunkel traut und niedlich, 
Das Kämmerchen, aus dem ein Sang fo zart und frieblich 
Ertönt, das hängt am Dach, dem Iuft’gen Vogel gleid. 


Sehr ift der Bau, doch ſchoͤn das Stübchen ohne Gleichen, 

Mehr gilt das Neft von Moos mir als die ftolyen Eichen, 

Den fanften Zephyr lieb’ ih mehr als den Orkan, 

Und, wenn de3 Meeres Flut vor mir ſich dehnt ohn' Ende, 
Die Alge mehr, ala body gethürmte Felſenwände, 

Tie Schwalbe, die ſich wiegt, mehr als den Ocean. 


253 


2. 


D ſüßes Plaͤtzchen! Hell erglänzt im Sonnenftrable 
Das Heine Fenſter, das zum gothiihen Portale 
Aus feinen Blättern [aut hinüber wie erftaunt, 
Der grüne Laden lacht bernieder auf die Dächer, 

Er fließt und öffnet fi gleich einem großen Fächer 
Kotett und eitel, je nachdem der Wind gelaunt. 


Bor'm Fenfter ftebt, zur Bier dem ftillen Heiligthume, 
Hochragend, weiß und rein, die [höne Lilienblume, . 
— Der Rinne nah, wo fi ein Kätzchen krümmt und bäumt, — 
Im Topf von Porcellan mit blauem Bauch und Reife, 

Mit Bauen, die zum Rad ausbreiten ihre Schweife 

Auf blauer Wiefe, wie fie ber Chineſe träumt. 


Und in dem Innern fiehit Du einen Strahl zu Zeiten 
Aufihimmern, eine Fee durch's Zimmer fiebft Du gleiten, 
Ein Mädchen aus dem Bolt, ein Waiſenkind, allein 

Im traulihen Aſyl; die liederreiche Dirne, 

Sieht fie nicht manchmal aus mit ihrer reinen Stirne, 
Als wäre fie umftrahlt von einem Heil'genſchein? 


Hier wohnt die Unſchuld! — fagt fih Jeder auf der Stelle. 
Kein Sturm bat aufgewühlt noch ihres Herzens Welle. 

Vom Vogelfteller weiß das Vögelein noch Nichts. 

Dem Falter ift noch nicht fein Farbenftaub verdunkelt, 

Es ift der frübe Thau, der heil im Kelch noch funkelt, 

Der Jungfrau Eeele ftrablt im Glanz des Morgenlichts. 


OB: 


Dem dunklen Kaͤmmerchen mit feinen engen Wänden 
Scheint eine Welt voll Luft Lichtitrahlen zuzufenden, 
Der volläbewegte Platz, der Kinder Epiel und Zanz, 
Die Frauen, welche faht am Kirchenthor verſchwinden, 
Die Straßenfänger, die erfreute Hörer finden, 

Ton oben Glanz und Licht, von unten Lit und Glanj. 


Beglüdtes Mädchen! Nein, wie in des Tempels Nähe, 
Iſt's ringe um fie, Damit fie ja nichts Böſes ſehe, 

Die Honigbiene ſchwirrt, die Blume fpendet Duft, 

Und Schatten wirft der Thurm, vor ihrem Fenfter leuchtet 
Ein Stern, fobald das Dach des Abends Thau befeuchtet, 
Folgfam, dem Diener gleih, wenn feine Herrin ruft. 


Um ihren fchönen. Hals, am jungfräulihen Kleide 

Eind Spigen nicht zu jehn, nicht Sammet und nicht Seide, 
Sie ſchlägt ein züchtig Tud ih um, ihr ift befannt 

Von Perlen Nichts, und Nichts von Halten auf der Etirne, 
Aus Haren Augen, frifh und fröhlich, ſchaut die Tirne, 
Wo ſolche Blitze fprühn, was follt’ ein Tiamant ? 


3. 


Zief in der Ede ftebt, gebüllt in weiße Tücher, 

Das Bett, und auf dem Tiſch liegt jenes Bud der Bücher, 
Das Bud) der Heiligen, das wahre Bantheon. 

Am Mintel beim Kamin bängt zwifhen der Madoune 

Und dem Stalender er, umftrahlt von einer Sonne, 

— Bier Nadeln halten feft fein Bild, — Rapolcon. 


In diefem Käfig bier der Aar? — Warum nicht? — Träumen 
Mag man ja gern in eng begrenzten, ftillen Räumen, 
Wo eine. Jungfrau fchläft, wie ihre Lilie, rein, 


258 


Mo Anmuth, Heiterfeit unb Frieden ausgegoſſen 
Ringsum, vom Schlachtenlärm, von Kriegern und von Rofien, 
Bom Tag von Aufterlig und feinem Sonnenſchein. 


Und bei dem Kaifer glänzt, — wie ijt die arme Kleine 
Nicht von gerechtem Stolz erfüllt bei feinem Scheine! — 
Das Kreuz, das fie bewahrt ala theures Heiligthbum, 
Das Ehrenkreuz, das einft dem Vater warb zum Preije, 
als Wächter ließ zurüd bei feinem Kind, der Waije, 
Der Vater, als er fiel, fein Bischen Heldenruhm. 


4. 


D Kind, Dein Vater fieht herab auf Dich, der Krieger 
Der alten Garde, der gefallen ift als Sieger, 

Es haut Dih an fein Kreuz, wenn eine Schlange ziſcht, 
Es winkt Dir leife, will Berfuhung Dich umgarnen; 

D laß von ihm, lab Dih von Deiner Lilie warnen, 

Die ihren keuſchen Duft mit Deinem Haud vermifcht; 


Bon jedem Schatten laß Dich warnen, jedem Strable, 
Bon all den Heiligen am fteinernen Portale, 

Von jener Taube, die wegfliegend noch Dich grüßt, 
Vom Ton der Orgel, der hinbraust in vollem Strome, 
Lab warnen, retten Dih vom boben, erniten Dome, 
Vom Haren Himmelsliht, das Deine Wimper küßt. 


Bon Deiner Nadel laß Dir geben gute Rätbe, 

Die bei: der Arbeit ftet3 Dir nah und beim Gebete, 

Die leis: „Arbeite!“ ſpricht, und mit Dir träumt und wacht; 
Zwei Töchter hat geſchenkt der Arbeit Gottes Gnade, 

Die Tugend, die der Luſt erſt zeigt die rechten Pfade, 

Die Luſt, die liebenswerth die ernſte Tugend macht. 


256 


Lab Acht vergebens Dir die taufend Stimmen fchallen, 
"Die tommen mit dem Wind, die aus ben Wollen fallen, 
Das Wort, das Dir ind Ohr aus Höhn und Tiefen ruft, 
Das Dir der Thau der Nacht, das Dir die Vögel bringen, 
Die Liebe Dir ins Herz zu allem Guten fingen, 

Und mahnen: „Bleibe rein in Gottes reiner Luft!“ 


Sei rein in Gottes Luft, rein, wie die goldnen Loden 
Der Morgenrötbe, rein, wie Schall der Abendgloden, 
Rein, -wie des Vogels Neft, rein, wie des Bades Flut, 
Wie blonde Garben, wie die Blumen und die Sterne, 
Wie Alles, was da lacht und fingt, das Nah und Ferne, 
Was in der Hut des Herrn in heil’gem Frieden ruht. 


Eei rubig. Wohnt die Rub’ im Herzen, wird fie fteigen 
Zum Antlig, Majeftät, der Ruhe ift fie eigen, 

Sei fröhlih ! Strenger Ernft gehört zum Glauben nidt. 
Des Weibes Lächeln ift ein Strahl von Himmelsterzen, 
Tie Heiterkeit, fie ift die Wärme, die zum Herzen 

Die Wahrheit dringen läßt, das himmliſch Klare Licht. 


Die Freude Shmüdt den Geiſt und leibt ihm bunte Flügel, 
Die Freude fänftigt, was da lebt in Thal und Hügel, 
Bom alten Thurme fchaut ein frobes Reit zu Thal, 

Ein blühend grüner Buſch umjhlingt die graue Mauer, 
Denn die Ruine felbft in ihrer oͤden Trauer 

Bedarf des beitern Ehmuds, braucht einen Jugendfirabl. 


Sei gut. Die Büte faßt, was loͤblich ift bienieben, 
Dem Weilen ift von Gott, zu unfrem Heil und Frieden, 
Beſcheert die Güte, die ihn zieht zu Dir, zu mir. 





257 


Die Güte gab ind Herz den Evelften ihr Meifter. 
Aus Einer Tugend ſchafft er alle höhern Geilter, 
Eo mie der Himmel ift ein einziger Saphir. 


So mirft der Lilie Du, dem Schwane wirft Du gleichen, 
Und leuchten auf der Stirn wird Dir ein beil’ges Zeichen, 
Zufrieden, harmlos lebſt Du, mehrend ftet3 die Fracht 

An guten Werlen, vie zur Heiligen Dich machen, 

Und Abends Birgit Tu ftet3 im Hafen Deinen Nachen, 
Und beteft jeven Tag und ſchlummerſt jede Nacht. 


3. Hugo's ſaämmil. poetiiche Merle, ILL, 16 





Der Bichter an ſich felbf. 





Indeß der Himmel weit ausbreitet ſeine Lichter 

Und Wieſen überſtrömt und Auen, Wald und Ried, 
Ausſtrahle Du auf die Familie, o Dichter, 

Auf Kinder, Jünglinge, jungfräuliche Geſichter, 

Auf Mann und Greis Dein Licht, Dein gottgeweihtes Lied. 


Zeig' allen, deren Boot im Sturm auf dunkler Welle 

Du ſchwanken ſiehſt, den Strand, der ihnen Rettung beut, 
Die Unſchuld den Jungfrau'n, den Stern, ſo klar und helle, 
Der Menge, die nicht ſieht, die heilige Kapelle, 

Die Zukunft dem, der jung, dem Greis die Ewigkeit. 


Die Wahrheit gieb ins Herz den Frau'n und Männern, wähle 
Für jedes Aug’ ein Licht, das feinem Strahl verwandt, 
Damit das Ird'ſche fi dem Himmliſchen vermäble, 
Durchdringe fie mit Gott und wirf in jede Seele 

Die Offenbarung, die fie ſucht' und felbft nicht fand. 


Vinſamer Dichter, fing’, es gebt fein Wort verloren, 
Gott fegnet Dein Gericht, und langfam, Schritt für Schritt, 
Dringt’8 in den härtften Kopf und fprengt die taubften Ohren, — 
Wie Eihenwurzeln, die tief in den Grund fid) bohren 
Langſam und ficher, die felbft ſpalten den Granit. 

Suni, 1839, 


—X 


V. 


Man glaubte noch zur Zeit, wo Nachts ein frommer Hirte 
Bernahm, wie über ihm es wie mit Flügeln ſchwirrte, 
Mo einfam, ungefehn im Dunkel, wie gerührt 

Bom Blig, der droben flammt’, an allen Gliedern bebend, 
Er einen beil’gen Mann in Wetterwolfen ſchwebend 
Erblidte, den der Geift zur fernen Wüſte führt, 


Man glaubte noch zur Zeit, mo Minneliever Hangen, 
Wo Voͤlker hoch das Kreuz und blanke Waffen ſchwangen, 
Das Grab, wo Jeſus ruht, 
Den See, ven Petrus einft beſchritt, vom Herrn gerettet, 
Den Horeb und die Gruft, wo Könige find gebettet, 
Zu fhau’n und Kidrons Flut. 


Man glaubte noch zur Zeit, wo Ludwig, zu entführen 

Die La Ballidre bereit, fich ließ zur Andacht rühren, 

Und fteben blieb vorm Kreuz, wo der Altar Genoß 

Des Thrones war, der Pabſt der Könige Berather, 

Mo, wenn der König ſprach: „Nur Gott ift groß, mein Vater!“ 
Antwort der Biſchof gab: „Mein Sohn, nur Gott ift groß!“ 


Die Hirten Schlafen num, die Barden und die Ritter, 
‚Zion iſt türkiſch, — Sagt, wo kommen nun die Schnitter 
Für Gottes Ernte her? 
Das Volk wird ſtark, die Macht entjinkt des Königs Händen, 
Es denkt der Menſch, er glaubt nicht mehr, wie foll das enden? 
Was gilt, o Gott, dir mehr? 
März, 188. 


VI. 
Die Welt und das Jahrhundert. 





Mas tbuft du, Herr, wozu doch dient dein Wert? 
Wozu des Stromes Welle, Blig und Sturm ? 
Die Wiejen und der Bach, der fie beſpült? 
Und auf den grünen Höhn am Horizont 

Die lämmerreihen Heerden ohne Zahl, 

Die durch die Ebne bellend jagt der Hund? 
Wozu in diefem Wonnemond, wo lau 

Die Lüfte zittern, all die Blumenkelche, 

Dem Hauch des Mittags aufgethan, in bie 
Sich beutefroh die Honigbiene ftürzt, 

Mo jede Blume ſummt wie eine Glode? 
Mozu der goldgejäumte Nebel, ver 
Emporfteigt aus den Dörfern und wozu 

Die ftille Ruh, die aus den Wipfeln fällt? 
Wozu der blaue See, mit weihen Inſeln 
Belät, der Wald, die heimlich ſtillen Grotten? 
Wozu an jedem Abend, wenn der Sommer 
In Rofenfarben ftrablt, die Sonne, die, 

Der glühendrotben Koble gleih, auf Wolten 
Eid lagert, die des Windes Hauch bewegt, 
@lutpfannen, die an ihr entzündet flammen? 
Wozu geſchieht's, dab du den Weinberg rötheft ? 





201 


Wozu den Strahl auf alte Mauern werfen, 
Der wiederkehrend reife Trauben jchwellt? 
Wozu auf ihrer Achſe drehn die Erde, . 

Den Riefenball, mit allen ihren Städten, 

Mit ihren Bergen, ihren Meeren, die 

Sie rings umfluten, Herr, wozu im Kreis 

Gie drehn, damit der Schatten fie verbede, 
Der Tag fie übergolde, daß die Dämmrung 
Bald Abends, bald am Morgen fie umbülle? 
Bozu der Thau, der Donner und ber Regen, 
Der in der Blüthe zeugt den Keim der Frucht? 
Wozu das Weſenheer im Ocean 

Der Luft? Wozu mit Welten jede Sonne 
Umgürten und mit irrenden Geftirnen 

Den unermefinen Himmelsraum bevältern 

Und über unfern Stirnen, unfern Augen 
Aufbäufen Millionen Meilen Aetber, 

Die endlos blaue Himmelsebne dehnen? 

Wozu in allen Höhn, in allen Ziefen 

Der wirre Schwall von Schatten und von Lichtern? 
Barum durdduften Alles, wärmen, näbren, 
Durdleudhten, lieben, guter Gott, wozu 

So für des Geiftes, wie des Leibes Augen 
Den ewigen Gedanken überjegen 

In ein endloſes Schaufpiel? — wenn in diefem 
Jahrhundert, wo Gefeh und Hecht in Afche 
Zerjällt, der Menſch daran voräbergebt, 

Nichts ſehend, glaubend, noch begreifen, Nachts 
Sm Duntel fuchend, ohne je hinauf 

Zu Shaun zu Gottes Wert und Wort, die Schwimmen 
Im Himmelsliht, bald in der Offenbarung 
Des Gternd, bald unterm lichten Woltenfchleier! 


Wenn diefe Zeit in bumpfer Langeweile 

Zum Unterdrüder heute macht den geftern 

Noch Unterdrüdten, wenn um eitle Träume 

Man gegenfeitig ſich zerfleiiht, und wenn 

Das Voll, der Schooß, in dem die Keime fchlafen 
Zu jeder Saat, nidyt minder als die Fürften 

— CErwägt e8 wohl! — Brutalität nur kennt 
Als legten Grund, und das, ein Haufe, melden 
Man mordet, oder welcher fteinigt, ſtets 

Den blinden Kugeln dumme Pflafterjteine 
Entgegenwirft, wenn Meuterei pie Städte 
Erfhüttert, wenn Tyrann doch Alles ift, 

Die Freiheit felbfti Wenn alte Edelleute, 

Die ung in das Geleis, in dem wir fahren, 
Geſchoben, ehrvergefien vor den Wagen 

Der hadernden Parteien jelbft fi fpannen; 
Wenn auf den Haß man einen Eid noch fekt, 
Wie auf den alten Dolch die neue Klinge; 

Wenn fo ein Fürft, ein Menſch vom Weib geboren 
Geboren, um zu glänzen eine Weile, 

Um raſch und kurz: zu leben, fröhnen darf 

Dem Wahn, wie Du der Gott, fei er der König; 
Menn dem Gerehten jede Freude wird 

Vergällt, und Ungerechtigkeit regiert, 

Und wenn der Neid, der zehrt und brennt im Hirn 
Wie Kohlenglut, die Herzen, weldye groß 

Durch Liebe wurden, Hein und niedrig macht; 
Wenn, würdig nicht zu beißen ein Upoftel, 

Der Briefter gebt einher, ein Auge offen, 

Tas andre zugeſchloſſen, und im Namen 

Des Coangeliums Hohn ſpricht der Natur, 

Und nicht begreift, daß Alles Geiſt hier iſt, 





363 


Daß Gottes Hauch den Thon belebt wie ung, 
Daß Baum und Blume Gottes Wort erflärt; 
Henn Niemand, weder Groß nod Klein, der Greis, 
Gebeugt vom Alter, nicht einmal, fih um 

Die Wege kümmert, die zum Grabe führen, 

Und ernitlih an das Unbekannte denkt; 

Wenn Yeder, untertban nur feinem bumpfen 
Inſtinkt, gleich einem Bflugftier, feine Furche 

Im Ader zieht, uneingedent der Aehre! — 

Denn, dumpf und ohne Führer und Propheten, 
Demwundert, Herr, die Werke, die Du fchaffit, 

Der Menſch nicht mehr, von feinem Stolz geblendet 
Sieht er nicht mehr die Morgenröthe leuchten, 

Die Lilie nicht, den Engel nicht, das Kind, 

Die Seele nit, den Strahl des reinften Lichts, 
Und nicht der Schöpfung unermefines Bild, 


Und darum finn’ ich oft und fpredhe fo: 
— Sind wir vielleiht verdammt denn und verflucht? 
Sind die Armfeligen, die heute leben, 
Enterbt, des Geiftes ihrer Väter baar? 
D Gott, fieh’ an die Menfchen diefer Zeit, 
Die Blinden, die Dir fern im Dunkel wandeln! 
Entweder löfche deine Sonne, oder 
Entzünd’ aufs New’ ihr Feuer! Eine Seele 
Gib ihnen oder nimm die Welt zurüd | 
Zuni, 1839. 


VIi. 
An den Herzog von ***. 


— — 


Dein Schloß, o Julius, der alte Thurm, 
Die neue Wohnung fpiegelt fi im Fluß, 

Da, wo die Poire unter Blois ihr Bett 

So ſchön ausweitet, und, — wie eine Mutter, 
Die an den Bufen brüdt ihr Kind, und, Taum 
Die Lippen öffnend, leiie zu ihm fpridt, — 
Ein hübſches Eiland in die Arme preßt. 

Dein ift, was Gutes haben kann ein Menſch, 
Schon lädhelft Du dem nahen Sommer zu, 
Und bald vernehmen unter grüner Laube 

Wirſt Du das Lachen unten in dem Dorf. 

Du lebt! Dahin ift der April, es kommt 

Der Mai, der rof'ge Mai, ver Mond der Liebe, 
Der Mai im grünen Sleid, das täglich weiter 
Sich breitet, der, mie ein Levitentnabe, 

Der auszufhmüden bat des Tempels Räume, 
An dürren Aeften, die er mit der Hand 
Berübrend ſchwellt, aufbängt die Blüthen voll 
Bon Düften und die Neiter voll Gefang. 


Dann ſchreibſt Du mir, daß eben Dein Kamin 
Belade fein Gefims mit einem Haufen 
Antiler Trümmer, einft der Bier von Helden, 


- 205 
Mit Helmen und mit Schwertern, die zum Spiel 
Den Jlindern dienen, und woran die Finger, 
Die ‚weißen, Eure jhönen Herzoginnen 
Sich ſchmutzig maden; endlih, daß — und Deine 
Reichtbümer ftammen daher! — Deine Bauern, 
Die Ochſen in der Furche vorwärts ftachelnd, 
Ein Grabmal aufgededt; Tein Cäjarfeld 
Hat ihres Pfluges fharfen Stahl gejühlt, 
Ein ganzes Schlachtfeld nennft Du ja Dein eigen. 
Dft haben Deine harten, mwetterbraunen 
Holzhader durch das Schmettern ihrer Aerte 
Zufammt den Shwarzen Raben, die im Schwarm _ 
Entflogen, fort die Heldenjchatten aud 
Geſcheucht, die unter Deinen Eichen jchwebten, 


Du weißſt es, Freund, wie oft, ein ernſter Wandrer, 
Ich auf dem Feld des Heldenruhms geträumt, 

Das, einſt der Zeuge kriegeriſcher Thaten, 
Bezwungen durch die Pflugſchaar, wie ein andrer 
Gemeiner Ader Korn jetzt tragen muß. 

Mie ein entthronter König, ftet3 ſich fürdhtend 

Bor dem Erwachen, feines Ruhmes Glanz 

Im Traume wiederfieht, fo läßt am Tag 

Bon Ochfentreibern es fi treten, doch 

Bei Nacht empfängt e3 den Beſuch der Adler. 


Sohn res Jahrhunderts, welchem Alles feil, 

O ehre Du das todte Nom, zunädft 

Dem Torf, das lebt, begraben; laß, wie Dir 
Dein frommer Sinn gebeut, der Nichts entbeiligt, 
Im Frieden diefen Boden, biefe Aſche. 

D lebe nlüdlih! Auf geheimen Pfaden 


Geh’, eine Frauenhand in Deiner Hand, 

Am frühen Morgen ſchon, und rings umgeben 
Bon Süßigkeiten den?’ an Gott, der jelbft 
Bur Zeit der Rofen feines Werts fich freut. 
Und Abends nimm aus wurmzerfrefiner Kifte 
Birgil, den alten, den ich oft geleſen. 

Ein ftiles Plätzchen ſuche Dir, und währen 
Im Saal fie laden, plaudern und fi neden, 
Lies, Deine Seele badend in dem Licht 

Dez Altertbums, durchblättre meinen fühen- 
Birgil, o Julius, und träum’ und finne! 


Denn, die der Dichter propbezeibt, die Tage 
Sind nun gelommen. Hier, auf diefem Feld, 

Der weiten ftummen Ebne findet heute 
Manchmal der Adersmann, die Scholle wenbend, 
Den ſchwarzen Speer, den er vom Himmel glaubt 
Gefallen, auf dem Grund, den er durchwuhlt, 

Er ftößt auf leere Helme, roftge Pfeile 

Und Schwerter, und indem er Gräber öffnet 
Gefällt mit Menihentrümmern, fteht erblaßt 


Gr vor der Größe römifcher Gebeine. 
Mai, 18. 








VIII. 
An Stäulein Fanny von P. 





Sei froh, umfpielt vom Frühlingewind, 
Hell fprudelt Dir der Quell der Wonne, 
O fpiele, finge, fei ein Kind, 

Sei Blume, fei die Morgenfonne! 


Fern bleibe der Gedanke Dir 

Anz Schidjal, ſchwelg' in füßem Traume. 
Was maht der Menſch auf Erben bier? 
Ein Bishen Lärm im dunkeln Raume. 


Hart ift das Leben, arm und kahl; 
Ein fhönes Auge, das nur Sehnen 
Erwedt und glänzt im helliten Strahl, 
Vergiept vielleicht die meiften Thränen. 


Dir hat das Schidjal nie gegrollt, 

Dich bettet’ e8 auf weihe Kiffen. 

Du haft dag Glüd, zu träumen, bold 
Zu lächeln, Kind, und Nichts zu wifien. 


Du füße Lilie, vor dem Wind 
Geihügt, vor Sturm und Ungemitter, 
Das Kinderglüd iſt Dein, o Kind, 
Der Widerihein vom Glüd der Mutter, 


268 


Kind, Unſchuld bift Du ganz und gar, 

Kein Stern ift fchön wie biefe Flammen . 
Sn Deinem Auge, jonnenflar, 

Der Seele Bild, aus der fie ftammen. 


Ter Deinen Liebling bift Du, wach 

Und träumend weißft Du Nichts von Schmerjen. 
Im Sommer jagft Du Faltern nad, 

Im Winter ſprudelſt Du von Scherzen. 


Die Blüthen find’3 der Poefie, 

Die Di, o füßes Kind, umranlen; 
Am Auge bat die Mutter fie, 

Dein Bater hat fie im Gedanken. 


Genieße dieſes Gluͤck! Wer⸗ weiß 

Wie bald ſie kommt, die Zeit der Sorgen. 
Der Traurigſten in unfrem Kreis 

Hat einft geblüht ein rofger Morgen. 


Lab mich Dich fegnen, Mägdelein, 
Ch’ weiter meinen Kahn ich treibe, 
D Kind, das Märtyrer wirb fein, 
D Engel, der einft wird zum Weibe! 
Sebruar , 1840. 


IX. 


Wlie in dem Teich, um den des Waldes Schatten weh'n, 

So in der Seele kannſt zwei Dinge Du oft ſeh'n, 

Den Himmel, fhimmernd heil von Wollen und von Strahlen, 

Die in den Waflern fi, den leisbewegten, malen; 

Und dann den Grund vol Schlamm, ſchwarz, ſchaurig tief 

verftedt, 

Und wimmelnd von Gewürm, das fih im Dunteln redt. 

Mai, 1839. 


270 


X. 
Fiat voluntas. 


Die arme Frau! Ihr ftieg die Mild zu Kopf. 
In froftigen Salons erzählte, wie 

Man fpricht von taufend eitlen Alltagsbingen, 
Man geften: — fie ſei toll, und heute: — tobt. 


Und auf des Friedhofs grünem Rafen geb’ 
Ich ganz allein und fteh’ am Grab, in das 
Ihr Körper fant, nachdem der Geiſt geſunken. 


Bahnfinnig? — Todt? — Warum? — Mein Gott, um Ricts! 
Um ein gebrechliches Geſchoͤpf, das kaum 

Noch auf das Auge ſchlug, ein neugebornes, 

Ein fühes Kind, ein rofig frifehes Köpfchen, 

Das kaum an ihrem Buſen, wie an Blumen 

Die Biene, faugend hing und lacht’ und weinte, 

Und ganze Nähte, — bat fie feufzend auch: 

„Schlaf ein, mein Kind!" — ihr allen Schlummer nahm, 
Und lallt' und plapperte. Der arme Kleinel 

Er ſchwatzt Nichts mehr. Das Kind ift eingefchlafen. 


‚ AG, als am Abend eines finftern Tags 
Sie ihren Sohn, — fo nannte fie den Schatten — 





371 


Das bleihe Antlitz ſah, im Tod eritarrt, 

— D tröftet nicht, men fold ein Schmerz betroffen! — 
Da blieb ihr Auge troden. Und die Milch 
Berftörte plögli ihr das Hirn, geſchüttelt 
Bom Sieber bebten ihr die Lippen, jeit 

Dem Tage ging fie mit erftarrtem Blid 

Und fpralos”vor fi bin, und ſucht' und fuchte 
Sn ihrer Nacht ein Ding, das fie verloren, 

Ihr Kind, das ihr verfchwunden war im Raum, 
Und mandmal neigte fie im Gehn das Obr, 
Wie wenn ein Lieb fie unter'm Boden hörte. 


ALS eines Tagd um fie ſich auf der Gaſſe 

Ein Menihenhaufen drängte, kam ein Weib 

Bom Bolt und ahnte gleich ihr ganzes Leib. 

Und ala die Männer, die die fchöne Stirne, 

Die blafie, ſahn und ihr erlofchnes Auge, 

Das irre nad einem Luftbild ſchweifte, riefen: 

„Die arme Närrin!“ — fprad fie: „Arme Mutter!“ 


Ja, arme Mutter! — Wenn fie murmelte: 
„Das Kind!” erftidt’ ein Seufzer ihre Stimme. 
In Rauch und Aſche, die der Wind verweht, - 
Schien oft ein Flaͤmmchen fie zu ſuchen, das 
Zum Himmel war eniflohn, Denn feine Hütte 
Verlaſſend batte, weh, das junge Seelen 
Beim Abſchied mitgenommen ihren Geilt, 


Umfonft, daß man ins Ohr ihr tröftend fagte : 
So fei dag Leben, Alles ſchwinde, fterbe, 

Es gebe Kinder, — Mütter, merkt es wohl! — 
Die Gott, der Alles leiht, und Nichts verſchenkt, 








272 


Um unfre Stirn mit ihren weißen Flügeln 

Zu kühlen, uns auf unfre Zweige ſetzt, 

Für einen Tag... Umſonſt war alles Reben, 
Sie hörte nit, Sie ftierte vor ih hin, 

Und ſah bes Kindes Aermchen, dem fie rief, 
Sich ihr entgegenftreden. Eine Heine 

Kapelle hatte fie aus Kinderſpielzeug 

Erbaut, die Arme... Nah zwei Monden war 
Eie ohne Kampf geftorben, So gewaltig 

Iſt Nichts, wie jene Leinen Zobtenarme, 

Um Mütter raſch ins Grab hinabzuziehn. 

Es fällt das Kind, die Mutter fällt ihm nad. 
Mas ift ein Haus mit öder Schwelle, was 

Ein Lager ohne Wiege? Guter Gott, 

Wozu der Mutter Blid, wenn auf ein Kind 

Er nicht mehr fallen kann, die weiße Bruft 
Wozu, wenn drauf fein Roſenmund mehr ruht? 


Lang war bewußtloß fie mit todtem Herzen 

Und tobten Augen um das Grab geirtt, 

— Lang, ah... das find nun eben Menſchenworte: 
An wen’gen Wochen hatte ſie's vollbradit. 

Ya, Alles war vorüber in zwei Monden, 

Wahnſinnig geftern, heute ijt fie tobt. 


Wenn ih am Strand ein Vogel ſetzt, fo fliegt 
Gar bald berbei ein zweiter, und von Zwei'n 
Iſt immer Giner, der vorm Andern fliegt. 
Das fhöne Kind, die Flügel hatt’ es kaum 
Geregt, fo ftürzt’ es auf das Grab, und fie, 
Wie eine zweite Taube, flog ihm nad. 


Man grub den Raſen auf und legte neben 
Den Säugling nieder fie, die ihn gefäugt, 


gr 


Ich fagte: — Dein Geſetz, o Herr, ift ftreng: 
Ein ſchauriges Geheimniß pflanzteſt bu 

Dem Menſchen ein, dem Vogel und dem Baum, 
Der Liebe ſelbſt, und dieſer Milch, nach der 
Das Kind verlangt, — die honigſüß und bitter 
Zugleich, Ambroſia und Gift, die nährt 


Den Säugling oder feine Mutter töbtet. 
' Gebruar, 1837. 


V. Hugo's ſammtl. postiiche Werke. UI. 17 


274 


XL 


Fiat Alles, Alles Luft und Freude! 
Der Spinne Zub, bebend im Lauf, 
Hängt an den: Tulpen, weich wie Seide, 
Ahr Netz von Silberfpigen auf. 


Es ftaunt die zitternde Libelle 
Die eignen Augen an im Teich, 
Der wieberjpiegelt ihre Helle, 
Die Wunderwelt, unendlich reich. 


Die Roſe ſcheint fi anzuſchmiegen 
Berjüngt der Knospe, luſtig fingt 

Der Schwarm der Vögel, die fich wiegen 
Sm Laub, durch das die Sonne dringt. 


Sie preijen Gott in Wald und Auen, 
Er lindert jedes Weſens Notb; 

Dem Himmelsauge ſchafft, dem blauen, 
Die Wimper er, das Morgenroth. 


Es jpielt das ſcheue Reh im Haine 

Und träumt, dem lauten Lärm nicht hold, 
Der Käfer glänzt im grünen Schreine 
Des Mooſes wie lebend’ges Gold, 


7 g 


Der Mond am Tag ift matt und trübe, 
Wie kaum genefen, bleih und fabl. 

Er öffnet, die von Himmelsliebe 
Grolühn, die Augen von Opal. 


Die Nelte, fih der Biene neigend, 
Schmiegt fi der alten Mauer an; 
Die warme Scholle freut ſich ſchweigend, 
Sie wedend bridht der Keim fih Bahn. 


Rings buntes Leben, auf der Schnelle 
Des Haufes ruht der Sonne Schein, 
Der Schatten überfliegt die Welle, 
Die rollt, die Wolle küßt den Hain. 


Släd überall, und ohne Säumniß 

reift zu, was lebt und fproßt und quilli ... 

Menſch, fürdte Nichts! Das Weltgeheimniß 

Weiß die Natur und lächelt mild. 
Suni, 183, 


— — — — 


XII. | 
Anf eine vlämifche Fenſterſcheibe gefchrichen. 





Dos Blodenfpiel in deinen alten Stäbten 

Wie fhön, du Land der alt ehrwürdigen Sitten, 

Tu edles Flandern, wo ber kalte Nord 

Sich an der Sonne von Caſtilien wärmt 

Und mit dem Süden paart!... Das Glodenipiel, 

Die tollfte Ueberraſchung iſt's, die Stunde, 

Die man zu fehen glaubt als Maid gekleidet, 

Als ſpan'ſche Tänzerin, die plöglich wie . 

Dur eine luft'ge Pforte, die fi öffnet, 

Schnellſüßig ſpringt. Sie kommt, fie ſchüttelt über 

Die trägen Dächer ihre Silberſchürze 

Vol Zaubertönen aus, und ſchonungslos 

Medt fie die Schläfer, die langmeil’gen, auf, 

Sie hüpft in Heinen Schritten, wie ein Vogel, 

Und ſchwingt und ſchwirrt, wie eben in die Scheibe 

Geſchoſſen zudt ein Pfeil. Sie ſchwebt bernieder 

Auf ſchwankender, kryſtallner Himmelsleiter 

Und büpft und tummelt fih in tollen Sprüngen. 

Und er, der wacht und Augen bat und Obren, 

Der Geift, der lommen, gehn, hinauf, hinab 

Sie tanzen fieht, von Stufe bört zu Stufe 

Er tönen ihrer Schritte Silberllang. . 
Mecheln, Huguf 1837. 





XI. 


Was fi) begeben im ‚Klofer der Fenillantinerinen 
ums aa 1 1813. | 


IH Kinderchen, im Kreid um mich verfammelt, 
Mit den naiven, hellumlodten Stimmen, 
Und Berlenzähnen in dem Mund, ber immer: 
„Warum?“ mich fragt, du Meine Neugier, die 
Mir vor die fchwierigften Brobleme legt, 

Bon jedem Ding, das dunkel oft mir felbft, 

Ten wahren Grund verlangt, die Endentiheidung 
Zu wiſſen, ihr, die meines Geiſtes tiefite, 
Verborgenfte Gedanken ted berührt; 

— So daß id), wenn ihr fortgegangen, Kinder, 
Dft Stunden lang mißmuthig mich bemühe, 

Sin meinem Hirn an ihren Platz zurüd 

Zu fielen meine Träume, meine Plane, - 

Die ew'gen Gegenftände meiner Forſchung: 

Gott, Menſch, die Zukunft, Wahnfinn und Bernumft, - 
Die dunleln, riefigen Gebäude meiner 

ESyſteme, die ihr ohne Schuld in Trümmer a) 
Mir ftürzt durd eine bingeworfne Frage. — 

Da ihr nun einmal ba und wiſſen wollt, 

Was ich erlebt, na meinen jungen Jahren 

Mich fragt, was ich "gehofft, gewünſcht als Kind, 
So hört denn, liebe, wißbeglerge Freunde! 


In meiner blonden Kindheit, die zu kurz 

Nur, ad, gewährt, der Lehrer hatt’ ich drei; 

Ein Barten war's, ein greifer, fronmer Prieſter, 
Und meine Mutter, 


Groß, gebeimnikvell, 
Tief war der Garten, vor neugier'gen Biden 
Gededt durd hohe Mauern, überfät 
Mit Blumen, die ſich öffneten, wie Wimpern, 
Mit röthlihen Inſekten, über Steine 
Hinlaufend, voll Gezwitfcher und Geſumm. 
Die Mitte war beinah. ein Aderfeld, 
Im Hintergruude lag ein ganzer Wald. 
Der Priefter, defien Geift Homer genährt 
Und Zacitus, er war ein fanfter reis, 
Und meine Mutter — fie war. meine Mutter. 


So, unter den drei Lehrern, wuchs ich auf. 


Und eines Tags... Oh, liehe feinen Griffel 

Mir Gautier, zeichnen euch mit Ginem Strich 
Würd’ ic das Männchen, das, Unheil beveutend, 
Des Abends einft eintrat bei meiner Mutter, 

Ein Doltor, arm an Stim, an Haltung finker 
Und feierlich .. „ich fäh’ um euren Mund, 

Das harmlos ofine Thor zu eurem Kerzen, 

Gin Lächeln blühn, das oft mid angeftrablt. 


Ich fpielt’ im Garten, als der Menſch erſchien, 
Ich ſah ihn kaum, fo ftand ich wie erftarrt. 


Gr war der Vorftand einer Kloſterſchule. 





279 


Coypels Tritonen, um die Mufcheln ſchwimmend, 
Im Wald verirrte Faune von Watteau, 

Die Herenmeilter Rembrandts, Goya's Gnomen, 
Die mannigfaltigen Teufel, — für die Mönde 

Ein wahrer Alp — mit denen Callot lahend, 
Der Schall, den heiligen Antonius nedt, 

Sind häßlich, doch bezaubernd, mißgeftalt, 

Allein durchglüht von einem Yeuer, dag 

Belebt ihr Antlig, jede Falt’ und Runzel, 

Und flühtig mandmal bligt aus ihren Augen. 

— Sehr häßlich war der Mann und dumm zugleich. 
Berzeibung! Wie ein Iodrer Schüler@fpredy’ 

Ich noch von ihm. Das ſchickt ſich nicht. Verſucht, 
Ich bitte, zu vergeſſen, was ich ſagte. 

Denn, ab, von euren fchönen Jahren, die 

Eo ein Pedant verhunzt, hab’ ich behalten 

Den Zorn, — die Anmuth hab’ ih, ady, verloren. 


Der Table, fhwarze Mann, mir ein Entſetzen, 
Bor dem auch meine Dlutter glei erichrad, 
Bracht' unter hundert tiefen Büdlingen 
Bedenten vor und Warnungen und Näthe. 
— Das Kind fei unter feiner Leitung bier, 
Es laufe mandhmal träimend in die Wälder 
Mit feinem Bud, es wachſe, wie der Zufall 
Es füge, wild hier auf in dieſer Dede. 
Bedenke müſſe man: der Ernſt des Lernens 
Gedeihe nur im Schatten ſtiller Klöſter. 

Die Lampe, die an düjtrer Tede hängt, 

. Bei weldher hundert Schüler emfig fchreiben, 
Beleuchte den Horaz, Catull, Birgil 
Biel befjer, werfe hellre Strahlen zu 


280 


Den jungen Köpfen, als die Sonne, bie 

Durch einen blüthenvollen Baum fich ftiehlt ; 
Kurz, was die Kinder brauden, — jerm den Mütten — 
Sei harte Arbeit, Zucht und bittre Thränen, 
Und fomit bot die Anftalt, liebenswürbig, 
Bornehm, verbindlich lähelnd an dem Sind, — 
Das trunten war von Freiheit, Luft und Sonne 
Und Roſendüften, — feine jhwarzen Bänte 

Bon Eichenbolz, die langen, traurigen 
Dormente, Säle, die man feit verriegelt, 

In deren Pfeiler ihre Langeweile 

Mit alten Nägeln ein pe Schüler graben; 

Die Herrn Magifter, die die kargen Stunden 
Des Spield mit nimmerfatten Penſen unter 
Schulbeften fteblen, und den großen Hof, 
Gepflaftert, ohne Rafen, ohne Quelle 

Und Baum, umfchlofien von vier hohen Mauern. 


Als Abſchied Dann der Mann genommen, war 
Bon feinem Wort betroffen meine Mutter, 
Gedantenvoll und traurig. Was beichließen ? 

Was thun? Wer hat nun Net? Das finftre Kloſter? 
Das füße Vaterhaus? Wer lernt wohl befler 

Des Lebens jtrengen Ernſt, der wilde Schüler? 
Das Kind in feiner Sinfamleit?.... Probleme... 
Gewihtge Fragen!... Lange: ſchwaͤnlle fie. 

Die Sache war fo ernft. Wie follte fie, 

Die Frau, die gute Seele, nicht durch Bücher 
Geſchult, durch's Leben nur, mit welcher Stine 
Soll fie zurüd den Schulmonarden weiſen, 

Ter den Propheten [pielt, der Alles weiß, 


n Und der zu ihr im Namen der Lateiner 


281 


Und Griechen ſprach? — Ber Prieſter war gelehrt, 
Kein Zweifel! — Doch, was weiß ih? — Lernt man mehr 
Bom Lehrer oder dur die Schule? — Freilich 

Wird mander Sieg durd Wind erfochten, jelbft 

Der ordinärite Menih hat große Worte, 

Wie: — „Shidlih!‘ — „Drbnungsmäßig!" — „Unerläßlich!“ 
Die oft der ftärkiten Frau den Kopf verwirren. 

Die arme Mutter! Schwer ward ihr die Wahl. 

Das 2003 des Sohnes liegt in ihrer Hand, 

Und zitternd hält fie dieje ſchwere Wage. 

. Wohl glaubte fie zuweilen, leife neige 

Die Schaale fih dem Klofter zu, indem 

Mein künft’ges Glüd fie gegenüber ftellte, 

Ab, meinem gegenwärt’gen, füßen Blüd. 


Eo ohne Schlaf und Ruhe ſann ſie nad, 


Es war im Sommer, um die Stunde, mo 

- Der Mond aufgeht, an einem fchönen Abend, 

Der gli) dem Tag, an Klarheit ärmer, doch 

An Liebe reicher. Traurig immer noch \ 
Und unentſchieden ging fie dur den Bart, 

Der lag im Mondenftrabl, vom Wind durdfäufelt. 
Sie fragte leife Himmel, Bach und Wald, 

Der Etimme harrend, die fie hören werde. 


Da war e3, wo der ftille Garten, wo 

Der Straub, um den Johanniswürmchen glänzten, 

Der Käfer auf vem Blatt, die zierliche oe 
Eidechje, die am Grund des alten Brunnens 

Im Mondſchein lauft, die Vaſe von Fayence 

Mit blauer Blum’, in ber der dide. Cattus 


Gedeiht, der orientaliih duͤſtre Dom 

. Bon Val-de-Gräce, der Kreuzgang in dem Kloſter, 
Berfallen, aber lieblich immer noch, 

Die fhattige Allee, Kaſtanienbaͤume 

Mit golonen Knospen, die Statue, an der 
Geräufchtos fich bewegt der Zweige Schatten, 

Die blaffen Winden, ſchneeige Maßliebchen, 

Des Baumes Blüthen, des Geſtraͤuchs, des Schiljs, 
Die für fein Lied mit Duft dem Vogel danken, 
Im Bad fich fpiegeln, oder unterm Grün 

Sic bergen, oder die die ftolge Stim 

Des Ebenbaums umkränzend und am Ufer 

Des Haren Teichs ſich miſchend mit der Birke 

Im Waſſer zittern, goldnen Trauben gleich; 

Des Himmels Blau, das dur die Zweige flimmert, 
Die Dächer, die empor Rauchwolten wirbeln, — 
In ſolchen Augenbliden war ed, wo 

Der ganze fhöne Garten, all die alten, 

Verfallnen Mauern, diefe jungen Nofen, 

Wo all die ernten, all die fühen Dinge, 

Das ganze, lichte Paradies durd Wellen 

Und Winde fprad zur Seele meiner Mutter 

Und leis ihr fagte: — „Laß ung dieſes Kind!” 


„Laß uns das Kind, Tu forgennplle Mutter! 
Das Auge Har, unſchuldig, leuchtend wie - 
Ein Stern, das Haupt, die freie, reine Stirne, 
Die friſche Seele, Mutter, lab fie ung! 

Wirf's nit dem Zufall, nicht der Menge bin. 
Ein Waldftrom ift die. Menge, die, was fie 
Fortwälzt, zerbricht. Die Kinder fürdten, wie 
Die Bögel, fi, fie ahnen die Gefahr. 





Laß unfern reinen Lüften, unfrem Thau, 

Lab unſern Senfzern, flüchtig, wie die Schwingen 
Der Träume, diefen Mund, den eine Lüge 

Noch nie berährt, das kindlich Füße Lächeln, 

Lab und das Kind, du warmes Mutterherz ! 

Wir geben ihm nur heilige Gedanken, 

Sein Morgenliht verwandeln wir in Tag, ' 

Und Gott wird fchauen fein entzädtes Auge, 
Denn wir find Blumen, Zweige, Strahlen, wir 
Eind die Natur, der ewige Quell, ein Born 

Für jeden Durft, ein Bad für jede Schwinge. 
Und Wald und Feld, verftanden nur von Weifen, 
Erziehen alle großen, edlen Geifter. 

Laß unter unfrem hehren Naufchen wachſen 

Das Kind, wir werden e8 mit feinen Düften 
Durhoringen, mit dem Himmelshauch, der weht 
Um jeten jhönen Ort, und der dem Menſchen — 
So wie ber Leier Töne, wie dem Beden 
Weihrauch — entlodt und fteigen läßt zum Himmel 
Hoffnung und Liebe, Andacht und Entzüden, 

Wir werden feinen Blid zur Schattenmelt 

Hier unten lenken, zu dem Weltgebeimniß, 

Dem balbenthüllten, unter feinen Füßen. 

Wir machen aus dem Knaben einen Mann, 

Und einen Dichter aus dem Mann. Nur wir 
Bermögen feines Geiſtes Blumenkrone 

Zu bilden und wir offenbaren ihm, 

Wie, von der Morgen bis zur Abenbröthe, 

Vom Eihbaum bis zur Müde, alldurchdringend, 
Hau, Farbe, Dunft und Strahl und Widerſchein, 
Das Leben lat im Grün aus taufenb Augen, 
Bir geben Dir ihn fchlicht und fromm zuräd, 


—X 


Und reiche Keime legen wir in ihn 

Des Mitleids und der Liebe für den Menſchen, 
Die traurige, verborbne Auatur, — 

Des Mitleivs, das entftammt der Weltbetrachtung ! 
D laß uns, laß uns dieſes Kind! Wir jchaffen 
Ihm eine Seele, die die Frau begreift, 

Ein finnig Wefen, rei an ſchönen Träumen 
Und Bildern, einen Geift, der Gott fih wählt 
Zum Bud, und zur Grammatik die Natur; 
Ein Herz, den reinen Herd geheimer Gunft, 
Das mildes Licht auf alle Träumerftimen, 
Und, — mie befruchtend auf die Blüte jcheint 
Die Sonne, — Strahlen wirft auf die Ideen.“ 


So ſprach, zur Zeit, mo jchweigen» lag die Stadt, 
Stern, Blum’ und Baum, — und meine Mutter laufchte. 


Nun, Kinder, bielten fte ihr Wort? — Ih weiß 
Es nicht. Ich weiß nur das, daß meine Mutter, 
Mein Alles, ihnen Glauben fchenft’, und mir 
Erließ des Kerkers Langeweil' und ihnen 

Den jungen Geift zum frohen Schüler gab. 

Bon da an durft’ ich, bis der Abend kam, 

Die Stunde, die zu eifrig ernftem Lernen 

Mi rief, ven ganzen Tag allein und frei 

Und glüdli unterm bianen Himmel, wie 

Sch wollt’, im ſchoͤnen Garten mid ergehn, 

Die goldne Frucht befhau'n, das Wafler, bier 
Bewegt, dort ftebend, Sterne, welche blühn, 
Und Blumen, welde ftrablen, Au'n und Wälder, 
"Die Abends wieber dann, als wie im Spiegel, 
Im göttlihen Birgil mein Geiſt erblidte, 





285 


D Kinder, liebt die Thäler und die Hügel, 

Die Brunnen und die Pfade, die am Abend 
Bon fernen Stimmen ballen, Bad und See, 
Der Erde nie verfiegten Schooß, die Furche, 

Mo unter Aehren die Gedanken reifen. 

Neicht euch die Hand und wandelt dur das Gras, 
Betrachtet die, die blonde Garben binden, 

Am Himmel budftabirt die Flammenſchriſt, 

Und hört im Lied des Vogels Gottes Etimme. - 
Das Leben und der Kampf der Leidenichaften 
Ermwartet euch; jeid gut, feid wahr, jeid Brüder. 
Vereinigt gegen diefe Welt, in der 

Der Geift vertümmert, lest in Einem Buch 
Zufammen Stirn an Stirn! Vergeſſet nie, 

Daß nur. demüth'ge, auserkorne Seelen, 

Zum Licht geboren und zur Poeſie, 

Daß nur ein Herz, dem Gott ein ernites Echo 
Berleiht für jeden Zorn, dem ein lebendig 
Geheimniß innewohnt, in einem Ruf, 

Sin einem Klang, in halbverlornen Lauten 


Bernimmt die weije Mahnung der Natur | 
Mai, 1539. 





XIV, 
An den Bildhauer Bavid. 


© David! Wie ein großer König, ber 

An feine Prinzen, Land um Land, fein Reich 
Bertbeilt, gibt jedem Künftler Gott ein anbres 
Gebiet: dem Dichter jenen Hau, der ftrömt 
Durch's Univerjum, Geift und Leben, „Dlig 

Und Donner, und den leuchtend hellen Schwarm 
Schwungvoller Strophen, die vom Menſchen fliegen 
Zum Engel und vom Ungethüm zur Blume; 
Die Form dem Bildner gibt er und die Yarbe 
Tem Maler, und dem füßen Mufiter, 

Dem Mann der hellen oder düftern Träume, 
Die Welt der Töne, die im Dunleln Klingen. 


Die Yorm dem Bildner! — Ja! Doch weihft Du wohl, 
Die Form ift Alles oder Nichts, o Meifter! 

Nichts ohne Geiſt, und mit Ideen Alles. 

Db übergofien bell vom Sonnenidein, 

Im Fackelſchein des großen, golbnen Tempels, 

Ob mit der Nacht allein in beil'ger Grotte, 

Sm Ichlummerftillen Hain, wie an der Schwelle 

Des rauſchenden Theater, — immer muß 

Das Bild von Stein, von Erz, von Nlabafter 


287 


Auf feiner Stine göttlich fol; und rubig 

Der Schönheit Strahl, den Bliß des Ruhmes tragen. 
Ein Feuerhauch muß ihm die Nüftern ſchwellen, 
Und Heldentraft erfüllen feine Bruft, 

Und lächelnd ründen muß die Grazie 

Die Finger feiner Hand, fein jtummer Mund 
Muß ſprechen. Starr und ruhig muß e3 jein 
Für unfre Hand, lebendig für das Auge, 

Und für den Geift, den reinen Blid der Seele 
Und für den blauen Himmel nadt mit Würde 
Und Majeftät, wie Adam fland vor Bott. 
Den Wogen muß es, eine keuſche Venus, 
Entfteigen, Leben ftreuen auf die Welt 

Und Liebe weit umber in ftolzer Kraft, 

Und überall, wo aus den langen Haaren, 

Dem heil’gen, feuchten Schleier, goldne Tropfen 
Zerſtäubend ſinken, jedes Gras zur Blume 
Umwandeln, jedes Aug’ in einen Stern. 

ft es die fromme Kunſt, die hriftliche, 

Für die der Meifter glübt, dann muß fein Werl 
Bei gleicher Anmutb größre Hoheit zeigen, 
Darf, ala beſchwingte Seele, über Satan 

Nur triumpbirend lächeln, muß, geflochten 

Aufs Rad, ald Märtyrer, Loblieder fingen, 

Als heilge Jungfrau, Stella maris, ſei 

So fanft ihr Blid, daß Ruh’ er giebt auf Meer. 


288 


2. 


Das Alles, edler Meifter, weißft Du wohl, 

Du, der ind tieffte Heiligthum der Kunft 

Früh trat, um nie es wieder zu verlaflen, 

Du Geift, der auf die reinften Höhn fih ſchwang, 
Um Dein harmon'ſches, große Werk zu ſchaffen, 
Und allen hoben Geiftern von der Stirn 

Die heilge Flamme nahm. Das Alles weißſt 

Du felber: denn Du haft Gefühl und Auge, 

Du Meifter, fireng und mild, erleuchtet wie 

Bon einem Doppelitrabl, von Raphaöl, 

Dem SZüngling, und von Angelo, dem Greis. 
Auch weißt Du, wie ein Starker Gotteshaud 

Dft einem Sturmmwind gleih des Bildners Beift, 
Der fich geftäblt an Phidias und Jeſajas, 
Bon der erhabnen, doch beichränften Ode 
Hinreißt zum Epos, dem Unenvliden, 


3, 


Die großen Männer, Helden oder Tenlr — ® 
Halbgötter! — fchwebten ſtrahlend über'm Bolt 
Dahin der Reihe nad, bewaffnet mit 

Dem Schwert die Einen, mit dem Bud) die Andern, 
Die mit dem Finger auf den rechten Weg 
Hinweifend , die der Wirkung ihren Grund 
Abfragend; bier der Künftler, welcher Träume, 
Der Forſcher, der Thatſachen bat zu bieten. 

Der bat erfunden den Magnet, die Brefie, 

Den Kompaß, jener eine Welt, wohin 

Man fteuert, einen guten Vers ein Andrer, 





280 


Gin weifer und geredhter König nimmt 
Die Freiheit ehrlih an der Hand, um fie 
Den reiten Weg zu führen; der Tribun 
Legt Bügel an der Republil; der Prieſter, 
Der Häufer gründet, wo die Liebe waltet, 
Nimmt unter feinem Dach, von Gottes Haud 
Durdhwärmt, das Kind, das ohne Mutter ift, 
Den Greis auf, defien Glieder ohne Wärme; 
Der Magier, in deffen Geiſt die Sterne 
Eid jpiegeln, hat die Schleier all der Iſis 
Kühn, einen nach dem andern, aufgehoben. 
Der Richter hat den Karren abgeihafft 
Und ausgeftrihen aus dem Strafgeieh 
Den Henler. Dem Geſchrei der Thoren troßend 
St aufgeitanden bier ein weijer Mann 
Und bat, dem Hobngeichrei der Thoren trogend, 
Um uns zu befiern, angefät die Dörfer 
Mit Schulen und die Geifter mit Gedanlen. 
In ernften Uugenbliden bat ein Anbrer 
Die Mafien unter feine Hand gebeugt, 
Das Voll, das gerne Kronen bricht, bezähmend. 
Die fchritten über wanlend morſche Brüden, 
Erſtürmten eine minenſchwangre Veſte, 
Durchbrachen eine Mauer, deren Trümmern 
Sie kaum entgingen, mitten durch den Hagel 
Und Sturm von Flantmen und Slartätichentugeln, 
In dem Jahrhundert, wo der Haß regiert 
Und Spott und Frevel, haben arme Völker, . 
Durch Buͤrgerzwiſt zerrifien, aus dem Mund 
Der beil’gen Dichter einen Chor vernommen, 
Die Sanfte, behre Stimme ver Natur. 

DB. Huge’t jämmtl. poctiſche Werte, II, 18 


290 


Denn bei dem Lied der Wälder und der Fluren 
Erliſcht die Leidenſchaft. Zumal in Tagen 

Der Revolution, in jener Müfte _ 

Bol dumpfer Olut, in der der Menih waghalſig 
Sich oft verirrt, da ift es deine Duelle, 

Natur, an der die Kunſt Erfriihung findet. 

AN diefe Männer, reine Herzen, Geilter 

Der Wahrheit, Häupter, die die ganze Menjchheit 
Zufammenfaffen, Träumer oder Helden, 

Sie ftehen aufrecht da in der Geſchichte 

Als Sieger und als Märtyrer zugleich. 

Die Tugend ift ein ernites Heldenbuch, 

Sin welchem jeder Vater feinen Sohn 

Soll buchſtabiren lafjen. Jeder Held 

Und Genius, der auf der Stirne trägt 

Den Stempel Gottes, ift ein beiliger 

Buchſtab' in diefem großen Alphabet. 

Und unter Jedem prangt fein würdiges 
Symbol, ein Stern, ein Compaß, eine Leyer, 
Ein Leu, ein Adler mit gewalt’gen Ylügeln 
Und Teueraugen ... Staunend und geblendet 
Beihaut der Bildner die Geftalten, träumt 
Bom Baterland, von Gräbern, Monumenten , 
Bon berrliden Vorbildern, aufzuftellen 

In Stadt und Land... Und fiehe da, fhon wahjen — 
Entzüdende Bifion! — vor feinem Auge, 

Bon friedlih fanftem Himmelslicht beftrablt 
Allmählig aus dem Boden die Geftalten 

Als Basreliefs, noch ſchwankend und zerfloffen, 
Sie tauden auf im Grunde feines Geiftes, 

Im Dämmerfchein, die riefgen Giebelbilver. 


Ir. 


4. 


So iſt's, nit wahr? — So fteigt in Deinem Hirn 
Geräufhlos auf der Bauriß, fo eritebt 

Das Werk der Kunſt? — So iſt Dein großer Geift 
Erſchũttert, wenn in heil’ger Dämmerung 

Darin ein ganzes Pantheon fi rührt? 

So ift’3, nicht wahr, o Meifter? So vereint 

Der Künfiler fi mit der Arditeltur, 

Mit dem Granit fih die Idee? — Erhaben 

Iſt Dein Beruf in folgen Augenbliden. 

AU diefe übermenshlih großen Männer 

Empfängſt als Gaftfreund Du an Deiner Schwelle, 
Auf einem Marmorblod von Paros figft 

Du allen ven Heroen gegenüber. 

Da fpringen auf vor Deinem klaren Auge 

Die Schatten, die einjt Erz und Marmor werben, 
In Deiner Hand liegt ihre Zufunft, all 

Ihr Wünihen, Hoffen, und Unfterblichfeit, 

O Meifter, kannſt Du ſchenlen, wen Du willſt. 
Du wägft fie alle auf gerechter Waage, 

Nicht Bildner nur, auch Prieſter, Richter nicht 
Allein, auch Dichter; diefen würbigft Du, 
Berwirfit den Andern, rühmft Napoleon 

Und findeft ſelbſt Geihmad an Attila, 

Machſt mandmal Einen groß durch die Berührung 
Des Andern, ftellft den Krieger auf die Seite, 

Um den Apoftel mehr hervorzuheben. 

So ſchaffft Du Götter! — Und von Deiner Hoͤhe 
Dich neigend, ſprichſt Du zu dem armen, alten 
Soldaten, zum demüth'gen, greiſen Hirten: 


203 


— Ich kenn’ Eu, tretet ein! Für Euch bereit 
Sind ſchon die Kronen!" — Und den Kön’gen fagft 
Du ind Gefiht: — „Ih weiß nicht, wer Ihr fein.“ 


5. 


Denn nicht genügt’s, daß Einer König iſt 
Geweſen, daß er Scepter, Kreuz und Apfel 
Getragen, um ben ftolzgen Dichter, um 

Den ftolzen Biloner zu vermögen, daß 

Sein Leichentud fie ihm mit Sternen fhmüden 
Und öffnen ihm den Weg zum Pantheon. 


Ihr ſelbſt, ihr Kön'ge, baut mit eignen Händen 
Dentmäler Cuch des Ruhmes und der Schande, 
Früh oder ſpät enthüllt ung, mas wir thun, 

In unfrer wirklichen Geſtalt Ihr habt 

Die Welt befiegt, ein Bell beherrſcht, auf Cuer 
Sabrhundert eingewirkt und feine Wunde 
Geheilt entweder ober aufgerifien. 

Wenn Cure Sendung enblidh ift erfüllt, 

Dann wird ben Dingen, die Ihr bier vollbradt, 
Gin Laut entquellen, eine Stimme, fet's 

Des Hafles, ſei's der Liebe, kräͤchzend, wie 
Im Thurm der Riegel, oder Tieblid, wie : 

Im Taubenneft das Girren, — eine Stimme, 
Die rütteln wird am Marmor Eurer Gruft; 
Der Zulunft Stimme, diefer Zeugin, ernft 
Und unerbittlih, welde vorgebeugt, 

Bas lommt, vernimmt und bört in weite Ferne. 
Da gibt's nicht Artigkeit noch Schmeidelei , 

Da gibt e8 keinen Mund, geformt zur Lüge, 
a Trug gewöhnt, fein feile® Hofianna, 


Kein untertbäniges Echo, dad verwandelt 
Den Klageruf in dantbares Geſchrei. 

Die eleln Lafter, Frevel und Verrath, 

Wie die erhabnen Tugenden und Opfer, 

Sie legen ftreng und wahr ihr Zeugniß ab. 
Denn Lippen bat von Erz ded Menſchen That, 


6. 


Den Ihönften Sonnenftrahl auf Deine Werkitatt, 
O Meiſier! Schweigen herrſcht und Andacht bier, 
Die Kunſt, das ernſte Stubium, das Zeit 

Und Raum vergibt! Im Hintergrund die Skizzen, 
Die Du verwarfft; bier Jean Goujon, dort Phidias; 
Dort Steine, halb in Geift gekleidet erft, . 
Ein fchweigender Tumult von unbewegten 
Statuen, in der dunkeln Gde Büften 
Gedankenvoll, ein tiefer Friede rings, 

Der vom Getäfel ſich herniederſenlt. 

Groß, ſchoͤn ift Alles bier, bezaubernd, hehr. 

Du, deſſen Innres hell die Kunſt erleuchtet, 

Die goͤttliche, Du ſiehſt mit ſtillem Ernſt 

Durch Deine Seele, himmliſch klar und heiter, 
In hundert edlen Formen die Geſtalt 

Des Nenſchen wandeln; wie in einer Kirche 
Langfamen Schritts, andaͤchtig die Gemeinde 
Sinwandelt, welches Gottes Antlig lächelt, 

So gehn durch Deinen Geift die heiten Schatten, 
Durdirren Deine ſchoͤpferiſchen Träume, 

Bald Licht, bald Schatten, weite Säulenhallen, 
Ein ftrablender Palaſt, ein ftillesg Grab, 

Ein Bau, geheimnißvoll, hoch aufgeihärmt, 

Bon Freudenrufen ſchallend oder Klagen, 


"994 


Ausfüllend Deines Geiftes Horizont. 

Denn tobt ift nit das alte Babylon, 

Neu lebt es im Gehirn der Träumer auf, 

In Deinem Haupt, o Davld, ftehn Spiralen 
Sid windend, fteigt der ſchlanke Pfeiler auf, 
Und in der Höhle Deines Schädela wogt 

Der wunderfame Wald von Kapitälen, 

An Buſchwerk reih, an Vögeln und an Blumen, 


7. 
Du, der Du nie gemeine Straßen gehſt, 
Du, der Gedanken formt und Erze Inetet, 
Ermwäge ftet8, wie Tlein die Menſchen find, 
Und halte ftolz Dich über den Partei'n. 
Dewahre Deines edlen Meißels Würde, 
Laß Teinen Marmor von der tüchſchen Feile 
Der Leidenichaften nie berühren, die 
So manden edlen Geift ſchon angefrefien. 
Wie Michel Angelo einft Rom, fo hat 
David Paris. Gib Deiner Stadt, o Freund, 
Das große Borbild, daß, wie Arämerjeelen 
Unwürbig find, den Tempel zu betreten, 
So aud die Wuth der Demagogenträume 
Nie darf entweihn das Herz des heil'gen Küuftlers. 
Verweigre Deine Kunſt den Höfen, widme 
Den Böltern Deinen Meißel. So iſt's gut, 
Mein hoher Meiſter! Uber höre nicht, 
Verſcheuche, die dem Gafienpöbel ſchmeichein. 
In Deiner Werkftatt finne Du, zertedt 
Das Lafter, die viellüpfige Schlange, ſchaffe 
Kunftwerle, Dir, wie Allen, zum Entzücken. 
Was diefe Menſchen machen und zerftören 





295 


Im Dunkel, werth iſt's Deiner Blide nicht, 
Die aufwärts ſchaun, die reine Schönheit ſuchend, 
Erhabne Zugend und Gerechtigkeit. 
Ihr Werk ift niedrig, groß ift Deine Sendung. 
Wer. wagt’ auch nur für einen Augenblid 
Denjelben Bahn, diefelben tollen Träume, 
Gehäffigen, finnlofen, wilden Wünfche 
Bei Dir zu fuchen, wie bei jenen Sklaven 
Bon Zwergen, — Tir, dem Bater der Kolofje? 
Kpril, 1840. 


XV. 
An einen Bichter. 


Verbirg Dein Leben, Freund, breit’ aus ben ®eif, 


Ein Hügel, grün, geihmüdt mit bunten Blumen, 
Ein Hohlweg, wo die weißen Biegen !lettern, - - 
Ein Thal, fi firedend unter einem Netz 

Bon Zweigen, voll von Vogelneftern, voll 
Gefang und Fläfterfiimmen, wenn zum Scherz 
Der Wind die Wipfel ſchuͤttelt, denen oft, 

Wie der zerftreuten Hand die Golbzechine, 

Ein Sonnenftrahl entfällt, der bis Ins Xieffte 
Hinein durchleuchtet Deine ftille Seele; 

Die Felfen, die Gott weislich fo geftellt, 

Daß fie im Hintergrund des fchönen Forfts 

Ein Echo bilden — — das ift Alles, was 

Zur Wohnung und zum Leben Du bevarfft. 

Hier mußft Du, — mag Dein Haus Gefang erfüllen 
Und Liebesfreude, Lachen oder Weinen, — 

Hier mußft Du fein, Dih unter Deinem Dad 
Bergraben, und Dein Leben eng begrenzen, 
Kaum einen Seufzer nad der dumpfen Höble 
Der Städte fendend, in des Geiſtes Ziefen 

Tas fühe, vor der Welt verborgne Leben, 


Bahllofe ftille Stunden widerſpiegelnd, 
Gemütblih, ohne Sorgen, ohne Reue, 
Den Kindern bold, der Zodten treu gebenfend ! 


Zugleich nad) Luft und Laune durch die Welt 
Weit über Deinen beitern Horizont 
Hinaus laß fliegen Teine Borfie 
Im Sonnenſchein, die edle Vagabundin. 
Laß im Tumult der Städte, durch die Stille 
Der Fluren, im Vorübereilen hier 
Geſtreift von Lippen, dort von Todtenurnen, 
Ausſtroͤmen Deines Lieds kryſtallne Wellen, 
Laß fie, zu Bott, dem ew’gen Abgrund rollend, 
Befruchtend, rein und rubig, durch die Seelen 
Hingleiten , von Gedanken und von Träumen 
Ein unermefiner Etrom, der, weiter eilend, 
Aufnimmt in feinem Schooße jedes Wafler, 
Tas aus der Erde quillt, und träuft vom Himmel. 
O Freund, ſei glüdlih im Verborgnen! Lebe 
Im Schatten fort, in tiefer beil’ger Stille, 
Ein Flüchtling, ein einſiedleriſcher Denter. 

nd mag der Wanbrer, leidend und belümmert, 
Wenn ihn der Zufall führt in Dein Afpl, 
Bei Dir beicheidne Hoffnung, Frieden finden, 
Und Müdigkeit vergeffen und Gefahren, 
Und an der Haren Quelle Deines Geiftes 
Sich laben, ahnend nicht, daß an der Quelle 
Zugleich ein ganzes Voll den Durft ſich loͤſcht. 


Klein fei als Duelle und fei groß als Fluß. 
Ayril. 1889. 


— an 


238 


XVI. 


Sprichſt Du mir von Ruhm und Ehren, 
Bitter lächeln muß ih. Trügt ' 
Diefe Stimme Dich? Sie bören 

Mag ich nit: ich weiß, fie lüpt. 


Bald erbleiht bed Ruhmes Helle: 
Denn der grimme Neid verſchont 

Ihn nur. dann, wenn an der Schwelle 
Einer Gruft fein Standbild thront. 


Nichts im eitlen Weltgetriebe 
Hält, nicht Glück noch Herrlichkeit. 
Beſſer iſt ein wenig Liebe, 

Die geräuſchlos Troſt verleiht. 


Deine Stimme nur, Dein Lächeln, 
Waldesſchatten, goldnes Licht, 
Lüfte, die mir Kühlung fächeln, 
Roſen — mehr begebr’ ich nicht. 


Eins nur ſuch' ih, wo mid immer 
Hin des Schidjald Wechſel ruft, 

D mein Stern, nur Deinen Schimmer, 
Meine Blume, Deinen Duft. 


Gine Welt mag unter Deiner 
Wimper ruhn in rof’gem Licht; 

Doch mein Wunſch, es ift nur Giner: 
Liebel Andres fu’ ich nicht. 


"ng9 


Meines Geiftes füße Gaben, 
Unerſchoͤpflich, klar und rein, 
Reich, um eine Welt zu laben, 
Weih' ih Deinem Geift allein, 


Sing’! Ih höre Sphärenklänge! 
Lächle mir! Jr bin ent! ° 
Mas befümmert mich die Menge, 
Die ih lärmend ftößt und drüdt ? 


Wiegſt Du mich in trunkne Wonne, ' 
Reißt mich keine Macht von Dir, - 
Winkt umfonft des Ruhmes Some, 
Und der franz der Dichter mir. 


Wie fie warnend aud mich neden, 
Eins nur ift, was mid befiegt : 

— Nicht Fanfaren, die mich weden, 
Dein Lied, das in Schlaf mid) wiegt. 


Strahlt' am Himmel aud in bunten 
Lichtern meine? Namens Ruhm, 
Eine Hälfte jtet3 bier unten 

Bliebe Dir zum Eigenthum. 


Laß mich lieben Dih im Dunleln, 
Lab mich ernſt, oft finter fein; . 

In des Kummers Naht wird funkeln 
Heller nur der Liebe Schein, 


Engel mit dem Blick, dem weinen, 
Weib, das Thränen kennt und Scymerz, 
Wieg' auf Deinen Schwingen meinen 


Geiſt, an Dein - Bft. mehr . 
iR, an Deiner alt. nee ven Dlteber, 1837. 


XV II. 
Cauſend Wege, Ein Biel. 


De Jager träumt im Schattenthal 

Bon Schönen, die im Mooſe figen. 

Und ihrer Augen füßen Strahl 

Sieht durch den dunkeln Wald er bliken. 


Des Reiches Wächter, der Soldat, 
Er dent zurüd und oft aus meiter 
Entfernung, daͤmmernd leife naht 
Ein Antlig lahelnd ihm und heiter. 


Der Hirte, wenn der Tag verglüht, 
E haut fehnend auf zur Himmelsferne 
Nach ihr, die ohne Stengel blübt, 
Der Feuerblume, feinem Sterne, 


Betrachte fie. Betracht’ auch dort 
Im Korn die Aungfrau, unterm Baume 
Die Tochter Ena’s, die ein Wort 
Bon Liebe leiſe fingt im Traume. 


Sieh dort, wo goldne Aehren ftebn, 
Ihn wandeln, unter Blumenberten, 
Ten Bogelfteller, der Ideen 
Nachjagt, den finnenden Poeten. 





301 


Sieh die Matrojen auf der See 
Ei jehnend zu dem Lande neigen. 
Wie gerne fähen fie zur Höb’ 

Den Raub aus einer Hätte fteigen! 


Sie denken, wenn die Flut fi bridt 

Am Shiff und Maft und Planken krachen, 
Des Heimathdorfs im Abenplicht , 

Bo froh fie fingen, fherzen, laden. 


Sieh für uns betend, tief gebückt 

Im Dom den Priefter dort, den alten, 
Der knieend, finnend niederblidt 

Auf feines Chorhemds weiße Falten, 


Schau die erhabnen Denter an, 

Hoch über unjter Flur und Halbe, 
Die Führer auf der Weizheitsbahn , 
Die Gihen in dem Menſchenwalde. 


Sieb wie der Mutter Auge brennt, 
Betrachtend ihren Schaf mit Beben, - 
Ihr Kind, das noch den Branı nicht kennt, 
Den Kelch, den füllen wird das Leben. 


308. 


Sie Alle tragen foxt und fort, - 
An Tag der Freuden, wie. der Schmerzen, 

An ihrer Stirn ein leuchtend Wort, 

Ein Wort, das flammt im tiefiten Herzen. 


Dad Wort, fo will es das Geſchick, 

Sagt Mannigfalt’ges dem Berftande. 

Hier heißt es: Ruhm, dort heißt ed: Glüd, 
Dem dritten ſpricht's vom Baterlande. 


Das Wort, e3 bleibt unwandelbar, 
Ob feufst das Herz, das müdgehetzte, 
Db’3 tlopft wor Wonne, immerdar 
Das Erfte bleibt ed und das Lete; 


Das Wort iſt's, das den Kummer jchweigt, 
Und jeden Kranken macht genefen; 

Der Seufzer iſt's, der leid entfteigt 

Zu jeder Stunde jedem Weſen, 


Das Wort, das alle Worte hegt, 

Dem fie als ihrem Etamm entjprungen, 
Tem Etamm, der Zweige überträgt 

In alle Sprachen, alle Zungen ; 


Das Wort, das, Dämmernd oder bell, 
Im Widerfchein des Himmels ſchimmert, 
Sm Leuchtthurm, im bejonnten Quell, 
Im Lämpchen, das der Wittwe flimmert; 


Das Wort, das raufcht in ftiller Nacht 
Im Rohr und ſchwirrt wie Taubenflügel, 
Das in der Wiege ſchwatzt und lacht, 
Und blumig [hmüdt den Grabeshügel. 


30%. 


Das Leben ſchafft, wohin es reicht, 
In Neitern und in Baumgerippeh, 
Das Herz der Könige erweicht, 

Und lächelnd fpielt um ſchöne Lippen, 


Das Band, das Bach und Flur umichlingt, 
Der Zauberreiz, der liegt im Kojen 

Des Voͤgelpaars, das leife fingt, 

Im feinjten, Wohlgerudy der Roſen. 


Die Hymne iſt's, die fingt das Meer, 
Wenn in.den Bort die Schiffe ſchwimmen, 
Der See Geheimniß, das Myſter 

Der Sterne, die am Himmel glimmen 


Tas Wort, 63 ift der emge Grund, 

Auf dem das zweite Rom entfprungen, 
Und Glaube nennt's der Engel Mund, 
Und Liebe nennen’3 Menjchenzungen. 


— u - 


Mo Liebe glüht, wird Alles hell; 
Für jedes Labyrinth der Faden, 
Der Becher ilt für jeden Duell 

Nur fie, ein Licht auf allen Pfaden, 


Wer liebt, begreift, was lebt und weht, 
Mad oder ſchlafend, lichten Schimmer 

Stet3 fieht er, der fein Aug’ umjcwebt, |, 
Mufit im Obre hört er immer, 


Er wärmt ſich an der ew'gen Glut, 
Hört überall des Himmels Grüße... 


- Umbaudt von Tüften, o wie ruht 


Sich's hold in Deinem Arm, n Süße! 


“ 


304 
Es Hingt Dein ‚Lied am trauten Ort, 
Wo wir uns fehn, den Menſchen ferne, 


Sn das Geſpraͤch, das jühe Wort 
Der Wellen, Blätter und der Sterne. 


Durch's Fenfter jcheint des Tages Licht, 
Durch Dunft und Zweifel dringt die Klarheit, 
Mein Sngel, durch die Liebe bricht 

Sich Bahn die ganze, volle Wahrheit. 


Der Mann, die Frau — das felge Baar! — 
Gin Priefter iſt's, ein gottgefandter, 

Der fie vereint, das Herz; und klar 

Sind fie, durchſichtig für einander. 


Sie tragen, — wie die Sterne mild 
Im dunkeln, reinen See fih malen, — 
Der tief verborgnen Gottheit Bild 

In ſich in leuchtend hellen Strahlen. 


Gebet und Liebe! — Sieh, der Hain 
St grün, des Bades Wellen Flingen, 
Es prangt das Moos im Frühlingsſchein, 
Es beriten Keime, Knospen fpringen. 


Die Andern mögen ziehn, wohin 

Die Thoren eben wandern fünnen; 
Wir wollen lieben, gläubig knien, 
Und freien Flug den Geiftern gönnen. 


Die Liebe weiht das Leben ein, 

Und drüdt auf's Herz der Gottheit Siegel. 
Ein Weſen muß ein Körper fein, 

Tamit fein Bild nicht fehlt dem Spiegel. N 





l ] is “.s 


XVIII. 
An eine jnngt Stan. 


Sie, fhöne Fran, ein Duft erwedt Gedanken. 

So lege, roſ'ges Kind der Morgenröthe, 

Zufammen denn den goldnen Burpurfäcer, 

Der zittert, wie ein großer Schmetterling, 

In Teiner Hand, und höre, was ich fage: — 

Gott Schafft ven Rofenduft, wie eine Welt 

Er ſchafft. Tie Rofe hier, die ftirbt an Deinem 

Entzüdend [hönen Buſen, hätte nicht 

Den füßen Duft, den Götterweihraud, der 

Empor zu Deiner reinen Schönheit wallt, 

Wenn nit ihr Stengel, zwischen Luft und Waffer 

Und Grün von Allem feinen Theil fih nehmend 

Hinabgetaucht fih in den Abgrund hätte — 

Das arme Blümden, dag im Winde zittert! — 

Tief in den Wunderſchooß der Mutter Erde. 

Dort langſam fortarbeitend, Gott allein 

Weiß, wie, bat fie die Friſche fich der Melle, 

Die rollt, den Glanz des Tages, der fich röthet, 

Den Hauch von dem, was riefelt, waͤchſt und ranlt, 

Den Geiſt von Allem, was in dunleln Tiefen 

Der Erde lebt, ven Rauch, den Dampf, die Flut, 
8. Hugo's ſammil. poetifche Werke. ILL. 19 


306 . 
Das Nahe, wie das Ferne, — ftetd das Eigne 
Austaufchend mit dem Fremden — Alles bat . 
Sie fih genommen, ihren ftillen Frieden 
Der dunteln Höhle, dem Demant fein Feuer, 
Dem Wald den Schatten, und vielleicht, auf Flügeln 
Des Morgenroths, dem fernen Dcean, 
Ber weiß, den unausſprechlich feinen Hauch: 
Und, ein lebend’ges Läuterungägeräth , 
Gebildet von Gott felbft, — in dem die Wurzel 
Beſcheiden, unfcheinbar, im Dunkeln ftill 
Und unermüdlich Schafft und faugt und feibt 
Die Säfte durch, und in der Erbe fi 
Ausftredt, der unermefinen Blumenvaje 
- Mit Feld und Wald, mit Wollen und Gewäflern, 
Und Luft und Vogelſang in allen Zweigen, — 
Hat fie, zum Velten nur der ftolzen Blüthe, 
Die gern im Sonnenſchein ſich badet, Nichts 
Für ih bebaltend, dieſen füßen Duft 
Gorgfältig zubereitet, der zu Dir 
Nun ſchmeichelnd kommt vom Schooße der Natur, 
Der Dich entzüdt, und Deinem Geiſte ſich 
Bermengt, — o ſüße Fraul Denn Blumenfeelen 
Und Frauenberzen, — die verftehn ſich gut. 


Ein Wort noch, und dann magft Du weiter träumen. 


Wenn jedes Weſen bier erreihen foll 

Sein Hiel und zur Vollendung ſich erheben, 
Zum hödften Reiz, wenn buften foll die Blume, 
Die Jungfrau lieben, wenn ihr Leben fchöpfen 
Sich aus dem großen, allernäbrenden 

Urquell, durchhaucht von einer Seele foll 





37 


Die Blumendolde fein, von Duft die Yrau, 
Dann unuß, im Sonnenschein, wie in der Glut 
Der Liebe, jo die Schönheit, wie die Blume, 
Feſthalten mit der Wurzel, an der Welt 

Des Ideals die Sine, an der Welt 

Der Wirklichkeit die Andre, — an der Erde 
Die Rojen und die Frauen an dem Simmel. 


März, 183.. 


XIX. 
Au ſadwig 3. 


Yupmig, ih träumte füß! Der Abend fant, in Schatten 
Und rof’ges Licht getaucht, hell funkelten die Matten, 
Das Neft des Halcyon fhwamm auf dem breiten Meer. 
Milionenftinmig fholl ein Loblied zu den Binnen 
Des Himmels auf, wo Licht und Morgenroth beginnen, 
Bon beiden Enden kam's der weiten Schöpfung ber. 
Die Heine Kreatur befang mit Hochentzüden 
Die große, den Koloß ſah ich mit Lächeln bliden 
Auf das Atom, der Stern ſah lädhelnd den Vulkan. 
In der Natur ſchien nur Ein liebend Herz zu wohnen. 
Die hohe Alpe fprah: Wie jhön die Blumentronen ! 
Die Müde ſprach: Wie jchön der große Dcean! 

Unguk, 18:9. 


oo. — — — — — — 





XX. 


Bier auf Erden, wo mit Bangen 
Nachts im Wanderzelt man rubt, 
Darfft Du Freude nicht verlangen, 
Liebe fei Dein liebſtes But. 


Nur die Liebe bleibt; das Leben 
Sammer iſt's und Dual und Frohn, 
Leidend ſich zu Gott erheben 

Lernen muß ber Erdenfohn. 


Blüthen wird der Baum uur bringen, 
Saugt er Säfte wieder ein. 

Der Vollendung Biel erringen 

Wird der Menſch durch Leid allein, 


‘jeder hofft, ein Freudebringer 
Sei der junge Tag, der winkt, 
Jeder ftredt mit Haft die Finger 
Aus nah einem Ding, das blinit. 


Jede Seele wedt aus Füßen 
Träumen auf des Unglüds Hand, 
Ein Gefpenit auf Felſenfußen 
Langfam fchreitet es durch's Band. 


Herb ift Alles, was wir babe, 
Und ein Auge, feucht umbüllt, 
Sieht vom GläE und feinen Gaben 
Nur ein fernes Schattenbild. 


310 


Hoffnung, füh und täujchend immer, 
Die wie Morgenroth uns blinkt, 
Dämmernd leifer, roj’ger Schimmer 
Um das Biel, das fern uns winft! 


Widerſchein der ew’gen Sonne, 
Der dur Dunft und Rebel flieht, 
Abglanz jener jel’gen Wonne, 

Die das gläubge Herz genießt! 


Sm entzüdenven Gefichten 
Goldne Wunder fehn wir blühn, 
Die aus Eden durch bie lichten 
Beige feiner Bäume glühn. 


Schatten jenlt von jenen Bäumen 
Sich auf unfre ird'ſchen Au’n, 

Raufchen hört in feinen Träumen 
Sie das Herz mit füßen Grau'n. 


Ab, den Widerſchein von jenen 
Bütern nennen wir das Blüd. 
Schatten haſchen wir mit Sehnen, 
Do das Weſen bleibt zurück. 


Nun, wozu durch lüftge Räume 
Segeln? Leb’ und leide bier. * 
Lächeln kann man Aber Träume, 
Was uns bleibt, beweinen wir. 


Hat gelreuzigt nicht die Menge 
Gottes Sohn? — O klage nicht. 
Duldel fagt die Pflicht, die ftrenge. 
Liebe! fagt die fühe Pflicht. 





su 


Laß zu Bwei’n uns fein, in Freude 
Lieben uns, wie in Gefahr! 

Schön find nur zwei Augen, beide 
Ylügel machen erit den Yar. 


Ya, zu Zweiin! Die Hand uns geben 
Bir zum innigften Berein! " 
Eins joll unfer Beider Leben, 
Eins fol unfre Hoffnung jein. 


Und im Schmerz mich glüdlih wähnen 
Bil ih, wenn mein Traum, o Kind, 
Spt Dein Traum, wenn meine Ihränen 
Allezeit die Deinen find. 





312 


XXI. 
Begegnung. 





Dem Süngften gab er fein Almoſen, ſtand 
Dann finnend fill, fie näher zu betrachten. — 
Den armen Knaben war vom langen Faſten 
Die Stirne welt und abgezehrt die Wange. - 
Sie faßen alle vier im Kreis herum 

Am Boden, tbeilten mit einander treu 

Und brüderlih das Stüdchen ſchwarzes Brot, 
Das fie aus unjrem Kehricht aufgelejen. 

Sie aßen, jo betrübt, fo abgehärmt, 

So mitleidwürdig, daß bei diefem Anblid 

- Sid keine Frau der Thränen hätt’ erwehrt. 
Berlafien ganz auf unfrer Erde waren 

Sie, ganz allein im großen Menſchenhaufen, 
Bier Kinder ohne Vater, ohne Mutter, 

Und ohne Obdach, ohne Zufluchtsort, 
Barfüßig alle, nur der legte fchleppte 

Am müden Fuß zwei alte Schuhe, viel 

Zu groß, mit Schnüren um das Bein gebunden. 
Dft in den Gräben ſchlafen fie bei Nadt; 
Am Morgen, o wie frieren fie im Wind, 
Denn bei dem erften Ruf der Lerche fich 

Die Bäume fhauernd auf zum Himmel richten. 


98 


Blutränftig find die Hände, — rofig waren 
Sie, als fie Gott erfhuf. Am Sonntag ziehn 
Im Dorf fie nad) dem niebrigiten Erwerb. 
Der Kleine, blaß und kränkelnd, fingt, und weiß 
Nicht, was er fingt, gemeine, ſchmutzge Lieder, 
Um Laden zu erregen — ab, er jelbit 
Weint insgebeim — und lachend an der Schwelle 
Der Schenke figt ein alter, garjtiger Mann, 
Und aus der Wintelftube, wo fie luftig 
Sich machen, fliegt ein fchlechtes Kupferftüd 
Heraus für fie zumeilen, ein Almojen 
Der Hölle, das dem Hunger jhenlt das Lafter, 
Ein fhmug’ger Sou, vom Teufel angefpudt, — 
Sie aßen eben binter einem Straub 
Verborgen, banger als das jheue Reh: — 
Man Schlägt fie oft und jagt fie immer fort. 
So gehn unſchuldige Verdammte hungernd 
An meinen und an euren Mauern täglich 
Borbei; fie wandern in der Srre, wie 
Der Zufall will und fie der Aeltſte führt. 
Der ſah fo eben wie im Traum zum Himmel 
Und Nichts erblidt’ er, als den ftillen Aether, 
Die warme, liebe Sonne, blau und heiter 
Des Himmels Luft, durchrauſcht von goldnen Schwingen, 
Und den Gefang, den hellen Aubelruf 
Der Vögel über den verwaisten Kindern, . 

Juni, 1839. 


214 


ÄXIL 


Wenn Ihr zubauf Euch fihreiend, tobend ſammelt, 
Um bis in feine Einſamkeit ihn tückiſch 

Zu begen, orimmig und zur Wuth einander . 
Aufftachelnd, it — und fühlt Ihr ſelbſt es nicht? — 
Das ernite Boll; das Eurem Brüllen nad 

Sich einen Drachen träumt’ in feiner Höhle 

Mit Jeueraugen, und gefhupptem Bau, — 

68 ift erftaunt, fonft keinen Gegenſtand 

Für eure Fauft zu ſehn als vielen fanften, 


Geheimnißnollen, finnend ernſten Mann. Keil, 1008 


— — — — 





d15 


XXIII. 
Der Zchallen. 


Er ſprach zu Ihr: — So traurig iſt Dein Lied. 
Was haft Du, armer Engel, welche Thränen - 
Ted Kummers neben Deine jüßen Augen? 
Barum, Du arme, fanfte, treue Seele, 

Senfft, wie ein Rohr, mit einem Ylügelihlag 
Vom Wind gefnidt, Du Deine jhöne Stirne, 
Bon Zeit zu Zeit von Bolten überfchattet ? 

Sei heiter! Denn der Lenz iſt da, der Mai, 

Die goldne Zeit, mo unter Düften, Liedern, 
Beim Hauch des Zephyrs, unter Scherzen, Küſſen, 
Und traulibem Geflüfter, wie den Bäumen 

Das Laub, die Liebe wiederkehrt den Herzen. 


Mit ernfter, füßer Stimme ſprach fie drauf: 

— Freund, Du bift ſtark. Tem Gott vertrauend, ber 
Did treibt, auf Einen Zwed den Blid gebeftet, 

So gehſt Du ftolz und aufrecht Deines Wegs, 

Dos Morgen madıt Dir keine Furcht, das Geſtern 
Dir keine Sorge. Nichts vermag in Deinem 

Intzüden Di, dem ſchoͤnen Zraum, der Dir 

Das Leben hold umfcleiert, je zu ſtoͤren. 

Do ich, ih weine! — Düfter auf dem Fuße 





azuß 


Dir folgend, jeder Unbill preisgegeben, 

Die Du nicht fühlft, ein Herz, nah Deinem Bild 
Gemadt, nur hoffnunglos, — in dieſer Welt 
Leid’ ih und felig fingft Du in der andern. 

Zur Trauer flimmt mich Alles, ad, die Zukunft, 
Die mir in falfhem Licht ericheint, das Murren 
Der graͤmlichen Vernunft, die mit der Liebe 

Si zankt, die bittre Eiferfucht, die dann 
Erwaht, wenn Deinem Aug’ ein andres Weib 
Sudt einen Strahl der Seele zu entloden, 

Und, das uns Schlägt und wieder ſchlägt, das Schidjal. 
Je fonniger der Himmel, deſto trüber 

Sit mir ums Gerz. Du gehſt voran, ich folge. 
Du ſchreiteſt feft, ich ſchwanke. Während taufend 
Entwürfe Du zugleich im Kopfe wälzend 
Einbergehft, ftart und mild, und zu bemerien 
Nicht ſcheinſt die ſcharſen Eden, vie entgegen 
Ringsum die Welt und ftredt, fo ſchlepp' ich mid 
Dir nad, ein armes Weib, bededt mit Wunden, 
Oft ftebt ein Körper grad und aufrecht noch, 
Doch hinter ihm zerbrochen if jein Schatten. 


April, 383.. 


‚37 


XXIV. 
Olympio’s Eramer. 


— — 


His dunkel war das Feld, der Himmel ohne Hülle, 
Auf grüner Erde lag in lichter Strablenfülle 

Der Tag, und weit im Ring 
Ein Duftmeer war die Luft, grün war's im Miefengrunbe, 
Als er den Ort auf? Neu betrat, wo manche Wunde 

Einft jung fein Herz empfing. 


Es Tächelte der Herbit, hinab zur Ebne neigte . 
Der hohe Wald fih, der kaum gelbe Strahlen zeigte, 
Gold war des Himmels Thor. 
Der Bögel beil’ges Lied erſcholl, — vielleicht fie ſprachen 
Mit Bott von uns, wie fein Gefe wir alle brachen, 
Und ſchwangen ſich empor. 


Er wollte wiederſehn am alten Thurm die Stelle, 
Wo Bettlern all ihr Geld ſie gaben, Teich und Quelle, 
Den alten Eſchenbaum, 
Die ſtillen Plätzchen all im Wald, wo ſie geſeſſen, 
Und unter Küſſen all die weite Welt vergeſſen 
In fel’gem Liebestraum, 


318 


Den Barten ſucht' er auf, das ftille Haus am Naine, 

Das hohe Bittertbor und die Alleenbaine, 
Das grüne Labyrinth. 

Blaß war er, einfam ging er bin, ihm war, als rage 

An jedem Baum, als ſchleich' ein Schatten ihm der Tage 
Borbei, die nicht mehr find. 


Im Walde raufhen hört’ er Das geheime Weben, 
Den füßen Hau, bei dem bes Herzens Saiten beben 
Und blüht der Liebe Troft, 
Der Eichen ſchüttelt und der Nofen wiegt, — die Seele 
Bon Allem, die, damit es liebend ſich vermäble, 
Ein jebed Weſen kost. 


Die Blätter, die im Weg ftill lagen gleich den Todten, 
Erhoben fi), gewedt durch feinen Fuß, vom Boden, 
Und flatterten im Wald. 
So ſucht der Beilt, wenn krank das Herz, fi loszuringen, 
Auf wunden Flügeln möcht’ er gern empor ſich ſchwingen, 
Und -fintt zuräd gar bald. 


Und lang bewundert’ er die herrlichen Geftalten, 

Die auf der flillen Au fo üppig ſich entfalten, 

Inm war fo wohl, fo weh. 

Bom Morgen irrt’ er bis zur Nacht durch Thal und Hügel, 

Das Untlig Gottes ſah, den Himmel, und den Spiegel 
Des Himmels er, den See. 


Mand Abenteuer kam, manch füßes, ihm m Einne, 
Durd’S Bitter fah er, doc er trat, mit Schmerz der Rinne 
Gedenk, nicht ein ins Haus, . 





-- — — — ⸗ — — — — -- — — 


319 


Ein Bettler irrt’ er um. Um Abend mar voll Trauer 
Sein Herz, er rief, gepadt von kaltem Grabesſchauer, 
Laut in die Nat hinaus: 


— ‚Web mir! Ich wollte fehn,.i Thor, ob im Pokale 
Ein Tropfen noch zurüd geblieben, eiuft fo füß. 

Ich wollte wifien, was in dieſem fchönen Thale 

Aus dem geworden, was zurüd mein Herz bier ließ. 


Wie ändert rafch die Zeit doch Alles! D der Schmerzen! 
Du laͤchelnde Natur, vergeblihe! Das Band, 

Das tiefgebeime, das verfnüpft der Menſchen Herzen, 
Allumgeftaltend Idst es graufam deine Hand, 


Die grünen Plaͤtzchen find zum Wald nun aufgegangen, 
Der unfre Namen trug, der Baum iſt umgehau'n. 
Die Heinen Kinder, die den Graben überfprangen, 
Die Rofen haben fie zerftört, Geſträuch und Baun. 


Bermauert ift der Quell, wo fie in heißer Stunde 

Bom Wald, den fie durchſtreift, die Fee, heimkehrend tranf, 
Ahr Becher war die Hand, den führte fie zum Munde, 
Indeß ihr Berl! um Berl! am Finger niederfant. 


Gepflaftert ift der Pfad, einft holprig, raub, uneben, 

In defien Sand ihr Fuß, — fie ſtellt' ihn lädelnd hin — 
Ihr veizend Meiner Fuß, ſcharf abgezeichnet neben 

Dem meinen vornehm, ftolz ihn zu verfpotten fehlen. 


Den Melienftein am Weg, auf dem fie meiner barrend 

So gern einft ſaß, den Stein, ſchon mand Jahrhundert alt, 
Herrieben haben ihn die Wagen, welche Inartend 

In dunkler Nacht an ihm fi ftiehen mit Gewalt. 


330 
Hier wuchert dicht der Wald, dort ift er hingeſunken, 
Bon dem, was unfer war, wir felbft, — was blieb bis heut? 


Dem Aſchenhaufen glei, ver kalt ift, ohne Funken, 
Fliegt die Grinnrung fort, im Wind umbergeftreut. 


. Wie? Sind wir bern mit mehr? Und unjre Stunde, haben 
Wir fie gehabt? Und gibt es Feine Wiederkehr? 

Indeß ich weine, ladyt die Flur, umſchwärmt von Raben, 
Mein Haus, es fieht mich an, und kennt mich, ad), nicht mehr. 


Wo wir gewandelt, jehn wir Andre nun ericheinen, 

Wie wir, wie biefe, find bald wieder Andre bier. 

Den Traum, den bier wir einit geträumt, zwei Seelen Einen, 
Ihn weiter träumen fie, zu Ende nit, — wie wir. 


Nichts wird wollendet bier, ſtets ftebn wir an der Schwelle, 
Der Schlechten Loos tft Dies, der Beten ebenſo. 

Wir Ale wahen auf vom Traum an Einer Stelle; 
Anfang ift Alles bier, das’Ende anderswo. 


Ya, manches treue Paar, bejeelt vom reinften Triebe, 
Wird in dem traulichen, bezaubernden Aſyl 

Hier koſten alle Luft, die die Natur ber Liebe, 

Die heimlich glüht, verleiht, in Ernft und füßem Spiel. 


D Theure, Feld und Wald mit all den fchatt’gen Pfaden, 
Der Fremden Eigentbum wirb Garten, Au’ und Fluß. 

Es kommen andre Frau’n, fi in der Flut zu baden, 
Der beil’gen, die berührt Dein ſcheuer, nadter Fuß. 


Sp war's umſonſt, daß mwir bier liebten, felig glühten, 

Und daß bie reine Glut der Seelen wir gemiſcht? 

Nichts bleibt ung, Nichts von all den buftig fühen Blüten, 
Herzlos bat die Natur die legte Spur verwiſcht. 





321 
Weinlauben, Bäche, fagt, ihr Grotten, mir, ihr büflern, 
Ihr Nefter al im Wald, von grünem Laub umringt: 


Db ihe den Andern auch gönnt euer füßes Fläftern? 
Db euer Lied ihr auch für Andre raufcht und fingt? 


D wir verftanden euch! Wir hörten wibertönen 

AU enre Stimmen; was ihr fangt, im Hain verftedt, 
Wir ftörten niemals euch, wir laufchten fill dem fchönen, 
Geheimmißvollen Wort, da3 oft ihr und entdedt. 


Untworte, füßes Thal, bu lieblichftes auf Erben, 

Du fhöne Wüfte, ſprich, Natur, jo hold, fo rei: 

Wenn einit im Grabe fill wir beide ſchlaſen werben, 

Das Aug' erloihen, Mund und Stirne kalt und bleih; — 


: Wenn ihr die Liebenden bedeckt mit Leichenichleiern, 
Ad, wenn ihr tobt uns ſeht, Fühllofe, werdet ihr 
Auch dann no ungeftört, frob eure Feſte feiern, 
Und lädeln, wie gewohnt, und fingen für und für? 


Und wenn als Geifter einft wir unter euern Rüftern- 

Und Eichen flattern, die noch immer grünend ftehn: 
Sagt, werbef’ihr uns nicht ind Ohr ein Wörtchen flüftern, 
Wie alten Freunden man es fagt beim Wieberjehn, 


Könnt unfre Echatten ihr wohl ſchweben ohne Trauer 
Hier fehn, wo einft den Grund betreten unfer Fuß? 
Könnt ihr Gie fehn, wie fie mid führt zur alten Mauer, 
Sur Duelle, welche tropft in ſchluchzend Teilen Fluß? 


Seht ihr zwei Liebenve, wo Schattenbäume ragen, 

Berfioblen wandeln, füß berauſcht vom Bluthenhauch, 

Ah, werdet ihr ins Ohr nicht murmelnd ihnen fagen: 

— Ihr, die ihr lebt und liebt, gedentt ver Todten auch!" 
B. Hugo’ ſammi l. postiiche Mezie. IIL. 20 


Für Augenblide leiht und Gott nur biefe Bäche, 

Die Grotten, Felſen, Au’n, den grünen Buchenhain, 

Des Himmels Blau, den See, den Berg, die blumge Fläche, 
Um ihnen unfre Lieb’ und unfer Herz zu leihn. 


Dann nimmt er fie zurüd. Ausbläst er unfer Teuer, 
Umbüllt mit Naht den Raum, wo wir geflammt fo lang, 
Er heißt das Thal, das wir befeelt, das und fo theuer, 
Verwiichen unsre Spur und unſres Namen? Klang. 


Nun denn, vergeht und, Haus und Garten, Hain und Quelle, 
Rauſcht, Bäche, Vögel, fingt und treibt verliebten Scherz. 
Gras, wahl’ im Hofe, Bush und Dorn, um unfre Schwelle! 
Vergeßt und, nie wirb euch vergeflen unjer Herz. 


Denn ihr, ihr fein für und der Schatten unfrer Liebe, 
Seid die Dafe, die der müde Wandrer fand, 

Das Heiligthbum, o Thal, bift du, vom Weltgetriebe 
Entfernt, wo mweinend oft wir jaßen, Hand in Hand. 


Die Leidenſchaften gehn von dannen mit den Zabren, 

Und werfen Larve weg und Dolch, die fie geführt; 

So wie der Gaukler Schwarm, die dur die Länder fahren, 
Almählig hinterm Berg fih mindert und verliert. 


Du, Liebe, bleibft ung treu und ftilleft unfer Sehnen, 

Du mirfit dein Yadelliht in unfern Nebeltreis, 
Durch Wonne fefjelft du das Herz, noch mehr durch Thränen: 
Denn bir der Yüngling flucht, dich betet an der Greis; 


In jenen Tagen, wo fid) neigt das Haupt, die Miene 
Berbüftert, wo der Menſch, dumpf, ziel- und boffnungslos, 
Fuhlt, daß er Nichts mehr ift, als eine Grabruine, 

Der feine Tugenden und Träume ruhn im Schooß; 


323 


Wo unfre Seele wühlt in ihren tiefiten Schadhten, 

Und auf des Herzens Grund, dem kaum ein Flämmchen bleibt, 
— Wie man die Todten zählt auf blut’gem Feld ver Schlachten, — 
Erlofhne Schmerzen zählt und Träume, längft zerftäubt; 


Wie Einer, in der Hand bie Leuchte, fern den Hütten 
Der Menfhen, was ihm fehlt, im Dunkeln ſuchen will, 
In finftre Tiefen fteigt hinab mit leiſen Schritten 

Die Seele, bis zum Grund, mo Alles dd und ftill; 


Und dort in jener Nacht, wo keine Sterne funleln, 
Am allerftillften, tief geheimnißvollen Ort 
Fühlt unterm Schleier fie Etwas, das zudt im Dunkeln. 
Grinnrung, heilige, du biſt's, du ſchlummerſt dort! 
. Oktober, 183... 


XXV. 


Die Mufik eine Cochter des ſechzehnten Iahr- 
buuderts. 


— u — 


IL. 


Ihr, meine alten Freunde, einſt ſo jung, 

Die ihr, wie ich, des Lebens Laſt getragen, 

Die um verlorne theure Weſen ihr 

An manche taube Grabespforte klopft, 

Die ihr gebückt einhergeht: denn die Weisheit 

SM ſchwer: — ihr meine Freunde, mer von euch, 
Bon und hat nicht, wenn ihm der Schmerz, der Freund 
Mit trodnem Aug’ und ernftem Angeſicht, 

Der Wunden ſchlaͤgt und den man doch verehrt, 
Die ftrenge Hand gelegt auf feine Stirne, — 
Wer hat nicht Ruh’ in einem Lieb gejucht ? 

Ber hat in fein Gemüth die Melodie 

Richt aufgenommen, wie man eint Schweiter 
Empfängt, die Wunden, fie berühren, beilt, 
Und, ohne das Gevähtmiß theurer Todten 

Zu flören, nicht zugleih ein Lächeln wieder 
Gefunden und die Thräne bei Gefang 

Und Flötenfpiel und raufchenden Akkorden? 

Wer unter und, der nicht, wenn über ihn 

Gin Kummer tam, vom Hauch der Menge mit 





Bewegt ins rauſchende Theater fchlich? 

Da oft im Lärm ein Seufzer fi verliert, 

Wer hat nicht in den Haufen ſchon von Seelen 
Geworfen feine Seel’ und mitgezittert 

Bei des Orcheſters Teichtbeflügelter 

Muſik, wo oft ein kriegeriſcher Marie 
Verhaucht in einem Liebeslied, und weinend 
Der Baß zur Ruhe bringt die laute Trommel? 


2, 


Hört! hört! Des Meifters raſchbewegter Bogen 
Reißt mächtig alle Biolinen fort. 

Aufipringend lacht in feiner dunkeln Grotte 
Das raufchende Orchefter. Alles fpricht. 

So hört man Abends, ohne fie zu fehn, 
Wenn über’3 Feld ein dumpfes Murmeln gebt, 
Die Winzer lachen unter reifen Trauben. 

Und, wie ein leichtes Kapitäl den Pfeiler, 

So überfpringt den Alt die füße Flöte, 
Die Stalen, die verihämten, keuſchen Schweitern, 
Sie leeren im Verborgnen und fie füllen 

Die Eimer, fügen Hand in Hand, und fingen 
Abwechſelnd ihre Lieder, während um 

Die Böttlihen ein Zephyr flattern läßt 

Den Spigenicleier, den das Piccolo 
Auzzadt... DO Himmel! Hört die Zinke blajen! 
Dei diefem Laut wacht Alles auf und fpringt 
Empor, die mähtge Paule, Wirbel ſchlagend 
Mit tauſendfachem Echo, macht, daß all 

Die Schaar der mißgeftalten Inſtrumente 

Laut gibt und füllt die Luft mit pfeifenden 


326 


Aftorden, die hervor aus ihrem Band 

Bon Erz die vielgemundnen Schlangen ſtoßen. 
Ein mwüfter Lärm, durch den die Hoboe 

Mit Seufzertönen wandelt, Jaäh zerriffen 

Bon Oben bis nad Unten wird der Borbang: 
Lebend’ger, als ein Wald, gebeimnißvoller 
Erfeint die ganze Symphonie vereint 

Zu Giner Hymne! Wie ein Chaos dann, 

Das eine Welt zurüdzufchlingen droht, 
Berliert ſich Alles leid in Nebelfalten. 

Und im Borbeigehn flüftert jede Weife: 
„Genug!“ Die Töne glimmen und erlöſchen. 
Mit ihren dunkeln Wogen überflutet 

Die Naht verwiihend Lied und Melodie. 

Wie auf ein Schiff ſich ftürzt des Meeres Schaum, 
So, weit audftreuend auf verworrne Mafien 
Die zitternden Lichtfunklen, fällt die Zuge 
In Strablenbüjcheln nieder in das Dunlel, 


O Harmonie, die einer Flamme gleid 

In alle Winde fliegt, du Meer, auf dem 

Die rafhen Wellen dag Erescendo fchmwellt! 
Wie pocht dag Herz, wie laujcht bewegt die Seele! 
Wie lenkt der Bogen dort, von welchem nieder 
Die Töne tropfen, bald fih in die Naht, 

Und bald ins Licht ſich tauchend, ſtolz und fühn 
Den prädtig raufchenden Gemitterfturm. 





a7 


3. 


Gewalt'ger Baleftrina, alter Meifter, 

Dich gruß' ich, hoher Genius, du Pater 

Der Harmonie! Denn wie ein großer Fluß, 
Aus dem die Menſchen trinken, ijt all dieſe 
Muſik zu uns durch Deine Hand gerieſelt. 
Blud und Beethoven, Bäume, unter denen 
So jhön ſich's träumt, fie find an Deiner Quelle 
Gewachſen und ihr Saft iſt ihr entiprungen. 
Mozart, Dein Sohn, auf Deinem Altar nahm 
Die neue Leier er, den Sterblichen 

Ganz unbelannt zuvor, die fanfter bebt, 

Als Gräfer unterm Hau des Morgenroths 

- Srzittern, einſt erjchaffen im —** 
Jahrhundert unter Deiner Künſtlerhand. 

Zu Dir, o Meiſter, ſteigen unſre Seufzer, 
Wenn eine Stimme ſingt, und eine Seele 
Antwortet! — Dieſer Meiſter, o wie ließ 

Aus ſeinem ſchoͤpferiſchen Haupt er ſpringen 
Die Welt von Tönen, füß zugleich und herb, 
Das Echo Gottes, deſſen Offenbarung 

Und Stimme nur das Univerfum ift? 

Wo bat der junge Mann, der Sohn der blonden 
Stalin, diefen großen, meiten Geift 

Wohl ber, gefüllt und reich zum Ueberſchäumen? 
Wie ift aus ihm, durch einen Zauberhauch, 
Durch Arbeit oder Offenbarung, diefer 

Titan geworben, diejer Gott, der Alles 
Bewegt, und dem dad Auge, wenn es meint, 
Und wenn fih’# trodnet, immer zu fich wendet, 





Auf den des Menſchenherzens beſſ're Hälfte 

Sich fügt? — Wo kommt ihm dieje Stimme ber, 
Die auf ven Anie'n man bört? Woher der Strom 
Des Geiftes, den er über uns ergiebt? 


4, 


D Kindheit, tief geheimnißvolles Wunder! 

Wer läßt die Blum’ am Rand des Abgrunds bluhn 
Und an dem Strom der Leidenſchaft den Dichter? 
Wer ift der Gott, der wunderbare Träume 

Ihm vor das Ange führt, ihm Sterne zeigt 

Im mitternächt’gen Grau'n, — das Seal, 

Das, wie durch einen ſchwarzen Trauerfler 
Bezaubernd dringt das Lächeln eines Schönen, 
Durchſchimmert durch die Welt der Wisklichleit? 
Wer nimmt das Kind fon in der Morgenfrühe 
Sanft an der Hand und fagt ihm: — „Menfhenfiub, 
Noch iſt's nicht Tag In Deiner Seele! Komm, 

Ch’ Dir mit feiner Glut des Lebens Mittag 

Das Herz vertrodnet, tomm, ich öffne Dir 

Gin Zauberthor ums andre, komm, ich fälle 

Mit Klarheit Dir die nachtverhüllten Augen! 

Hör’ an mit mir, was Dir zu andrer Zeit 

Dann wird erllärt, das Summen und das Stammeln 
Der Blumen und der Sterne! Jedes Ding, 

Die Rof’ am Hag, der Stem am Himmel ftaumelt 
Sn feiner Unſchuld fo, wie Du, mein Kind! 

Du wirft ein Dichter fen, Gott ſchau'n wirft De. 
O fürdte nicht den ſteilen Flammenpfad 

Der Wiſſenſchaft; — der Weg ift raub und hart, 
Doc große Herzen ſchlagen fiets ihn ein, 


Und Religion und Poeſie, fie Iymäden 

Zu beiden Seiten ihn mit Bläthenbüfchen. 

Wenn Du am Weg, o ſchönes, liebes Kind, 

Das weiße NRöschen pHüdft und blaue Glddchen, 
Legſt fpielend große Meilen Du zuräd 

Mit Deinen Heinen Schritten. Darum fürchte 
Langweile nie noch auch Ermüdung. — Komm! 
Hoͤr' an die Unterhaltung der Natur, 

Und fieh’ ein Gleichniß jedem Ding entquellen. 

Im allgemeinen Sein ertenne Du 

Das ewge Symbol, den Baum, den Menſchen, 

Den Wald, das Schidial, und bie ſchwarzen Furchen 
Der Gräber, wo der Keim der Sehnſucht wächst, 
Und, die wie Zweige über'm Haupt uns hängen, 
Die Tröftungen, die felbft dem Schmerz nicht fehlen, 
Und fie, die leuchtet wie des ftrablenden 

Gerechten Haupt, die Sonne, dieſe Glorie, 

Die hoch am Himmel golden fi entfaltet!” 


b. 


Gott, welche hellen, melde rauhen Stimmen 
Sat Paleftrina wohl vom Menihen, wie 

Bon der Natur vernommen! O man fühlt, 

Wie in dem Alter, wo wir Andern laden, 

Wo er ſchon fann, fein Geift, dem Fluſſe gleich, 
Der raſch von dannen eilt, mit fih genommen, 
Was Wolfe oder Strand ihm zugeworfen. 

Wie ging er, Kind noch ganz, gedantenvoll, 

Im Zeüblict Durch das Feld, den dichten Wald, 
Zum Rand des Abgrunds, der die Mütter jchredti 
Bald tief in Nacht getaucht umd bald geblendet 





Bon Lichtgeftalten, o wie ging das Herz 

Ihm auf zur Zeit, wenn in das Hare Wafler 
Des Teich der Lenz das blumige Ufer taucht, 
Wenn frifh zum Aft empor der Epbeu ranlt, 
Und Perlen auf den golonen Knospen flimmern. 


An jener Dämmerftunde, wenn der Tag 

Bil fterben, und fih Alles jchlafen legt, 

Denn feinen Gram das Herz vergißt, der Vogel 
Sein Lied, das Vieh die Waide, — o wie oft 
Hat unter feinem Aug’ ein Bauernwagen 

Sich knarrend, mit Geſchrei und mit Geftampf 
Der Roſſe, durch den Wald den Berg hinan 
Gerollt im Hohlweg, zwiſchen gelben Wänden, 
Indeß er neben einem Erlenbach 

Sinwandelnd einer Abenpglode laufchte, 

Die heifer Elingend aus dem Hintergrund 

Des Thales ſeufzt'. Er lauſchte dem Geraͤuſch 

“ Der Hütten oft, dem Grashalm, welder zwiſchen 
Zwei Steinen ſchwankend pfeift, dem ſchrillen Seufzer 
Der fortgeichleppten Pflugihaar, dem Geplauder 
Des Vogelneſts im Schooß von Kloftertrümmern, 
Die Schatten auf der Mönche Gräber werfen; 
Dem Grntefeld, vom Morgenroth vergoldet, 

Wo ſich, ein ſorglos Völklein, überbeugend 

Am Rand des Hohlwegs, um vorbei uns gehn 
Bu jehn, die Aehren durcheinander ſchwatzen; 
Der Biene, die die Rofe fingend fost — 

Wie träumt’ er unter all dem bunten Leben 

Dft borchend mit geipanntem Ohr und finnend, 
Was ihr Geflüfter wohl beveuten mochte! 

Und jeden Abend, wenn nad langem Gang, 








331 
Borbei an Serenaden, bie fih unter'm 
Ballon mit Laden drängten, beim er kehrte 
Bufrieden, ernſt und ftumm, da fühlt’ er veicher 
In feinem Herzen fih um einen Schap. 
Denn ihren Honig hatte nun die Biene 
Und feinen Thau der Straub. Und allgemady 
- Kam’ jo, daß Alles lebt’ in feinem Geifte. 
D heil’ges Werk, das der Poet vollbringt! — 
In feinem Haupt, das eine Welt umfing, 
Erklang der Vögel Lien, die Lüfte wehten, 
Da Ihlängelten fih Flammen hin und Wellen, 
Es wiegte ih im Wind die goldne Ernte, 
Und Berg’ und Dächer warfen ihre Schatten, 
Der düjtre Abend kam und.trieb zur Höhle 
Das Wild und heim zur Lagerftatt den Meniden; 
Der bobe Wald, vom Himmelswind bewegt, 
Am Schluß des Winters froh der Auferftehbung, 
Er ſchuttelte wie toll die grünen Büjche. 


So kam's, daß Form und Geift, und Licht und euer 
Und Schatten, daß die ganze große Urne 
Der Welt in feine Seele fih ergoß! 


6 


Niht Maler, nicht Bildhauer, Mufiler 

Dar er. Dem alten Orpheus folgt’ ein neuer; 
Und wie das Meer nur Wellen bringt, fo bracht’ ” 
Er feine Kunft voll rätbfelhaften Zauber, 

Die Leier, die laut fingt und leife weint, 

Die einen Ton für Jeden bat, für Jeden 

- Ein Wort, das er verftebt, die Harfe, die 


Ins Unausiprehliche die dunkle Ahnung 

Des Traumes überfegt, der Morgens ſchwindet! 
Im ungebrohnem Licht erblidt' ex Alles. 

Denn feinem Geifte war die weite Welt, 

Die wefenreihe, die vor feinen Augen 

In unbeftimmter Dämmerung ſchwamm, entlleivet 
Der Farben, doch ein Meer von Harmonie. 
Drum dringt auch feine Hymne, niederfteigend 
Vom Himmel, dur Das Thor der Frömmigkeit 
Zum Geilte, wie bei Nacht des Mondes Etrahl 
Durch's Kirchenfenſter ſcheint. Wenn feine beil’gen 
Gefänge man vernimmt, die idealen 

Akkorde, die fo tief das Herz ergreifen, 

Und die ein Lächeln dem Gerechten, Schauer 
Dem Shuldigen erregen, glaubt zu athmen 
Man Weihrauhduft, und bei dem Schein der Kerzen 
Zu Shaun der jungfräulihen Engel Einen, 

Die Giotto träumte und die Dante fab, 
Berfegt in diefe Welt des Kummers, beitre, 
Blauäugige Lichtweien, in Gewändern 

Weiß wie Opal, die, während der Azur 

Erblaßt und wie ein goldner Punkt ein Stern 
Erglüht im Dften, durch ein buftendes 

Kleefeld, ein Lächeln um bie Lippen, fchweben. 


333 


7. 


O glücdlich, wer gelebt in jenem ſchoͤnen 
Jahrhundert, wo des Menſchengeiſtes Gipfel 
Vergoldend noch, am Horizont hinab 
Die Sonne ſank der gothiſchen Romantik, — 
Und ſterbend ihr Geheimniß in die Nacht 
Mitnahm, und Münſter dem ungläub’gen Boden 
Nicht mehr entſpringen ſah und ſtolz ſich heben. 
O große Zeit, an Rieſenbauten reich 
Wie Babel, rings verſchanzt, verſperrt mit Mauern, 
Mit Warten, Burgen, Thürmen, mit Gebäuden 
Des bunteiten Geſchmads, wo Schicht' auf Schichte 
Sid thürmt der Mauerftein, umweht vom Geift, 
Gewaltge Maffen, welde, Schritt für Schritt 
Entweihend, matt der Tag noch überglängt! 
D feltfames Jahrhundert, mo die Kunſt 
Des Dädalus, die alte, mit dem Tod 
Im Dunkeln rang, indeß am andern Ende 
Des Himmels, zwiſchen zwei gewalt’gen Eichen, 
Taſſo und Luther, feine Silberftrablen 
Noch werfend, ftieg empor, — an jenem Himmel, 
Bu dem hinüberftaunend Dürer ſah, — 
Der Mond der Kunft, die göttlihe Muſik. 

Mei, 1837. 


334 


XXVI. 


Er ſchien zu ſchlottern — ſchaurig blies der Nord; 
Es war ein Marmor unter dürren Aeſten, 

Ein Standbild, ſchwarz am Rücken, grün am Fuß, 
Ein alter Faun, im alten öden Park 

Allein, der mit der vorgeneigten Stirne 

Berührt des Baumes Zweig' und halben Leibs 

In ſeiner Marmorſcheide ſich verlor. 

Da ſtand er ſinnend, an den Grund gefeſſelt, 

Wie Alles, was ſich nicht bewegt, vergeſſen. 


Vom eiſ'gen Wind gepeitſcht umſtanden Baͤume 
Den Faun, wie er, am ſelben Platz, gealtert, 
Kaftanienbäume, rieſig, ohne Blätter 

Und ohne Vögel; unter Büſchen dicht 

Bum wildverworrnen Neg verihlungen ftand 
Schneebleich er da auf ſchwärzlich brauner Erde. 
Mit breiten Mantel, auf dem Nebel mogend, 
Sant eine rauhe Winternadht bernieder, 
Schmarz, ohne Mond und Sterne. Weiterhin, 
Die Stämme kreuzend, ftanden andre Bäume, 
Und andre ftredten, ferner noch, verfchwimmend, 
Dem grauen, winddurchwühlten Himmel taufend 
Berfchlungne, table Zweige wirr entgegen, 

Und lagerten, der Eine bicht den andern 
Berfchleiernd, um den Horizont, verloren 

Im grauen Nebelounft, wie eine Heerde 

Bon Ungeheuern, braunen Rieſen Igeln. 


Nichts war zu fehn, als diefer alte Faun, 
Der finftre Himmel und der dürre Wald. 


Bielleiht im fernen Dunft war eine lange 

Terraſſe mit bemoosten Steinen noch 

Zu fehn und bei dem großen Teich die Nymphen, 
In dem verwilvert oöden Park fi fhämend, 

— Bor freden Bliden einft, und jet, — vergeflen 
Sid ganz zu ſehn. — Der alte Faun — er ladıte, — 
In ihrer düftern Dämmerung zurüd - 

Ließ ich den Teich und die verfhämten Nymphen. 
Der alte Faun, er lachte. Diefer war's, 

Zu dem ich ging; bewegt: — denn ſchonungslos 
Verdammen all die göttlihen Bildhauer, 

Die vielbeftaunten, ein für allemal 

Zur Scham die Nymphe und den Yaun zum Lachen. 


Stet3 dauert mich der arme Marmor, — nit 
So oft der Menſch, weil diefer härter ift. 


Und ohne nur mit einem Wort das Ohr 

Ihm zu verlegen: — denn der Marmor hört 
Schon des Gedankens Stimme — fagt’ ich ihm: 
‚Du ftammft noch aus dem blühenden Jahrhundert 
Der Liebe. Sprih, Sylvan, mas fahlt Du bier 
In Deinen befiern Tagen? Warft auh Du 
Hoffähig? Nahmſt Du Theil an füßen Yeften ? 
Für Di, zu Deinem Zeitvertreib, find nur 

Die Nymphen hier, für Dich die Griechen-Bötter 
Und römiihen Eäfaren, bunt gemifcht 

In diefem Wald, und die antilen Bafen, 
BZurüdgeftrablt vom Haren Teich, das ganze 


Verſchlungne Labyrinth der Gartenkunſt. 

Was haft Du bier in Deinen befiern Tagen 
Geſehn, Sylvan? Berrathe das Geheimniß 

Mir jener längft verrauichten fchönen Zeit, 

Der Zeit verjchwiegner Flammen, Abenteuer 

Und Stelldichein's, wo unter großen Kön’gen 

Die großen Dichter wuchſen. Wie ergöplich 

Muß die Erinnrung fein! Noch lachſt du drob. 
Sprid, fhöner Jaun, zu mir, wie mit dem Baum 
Du plaubderft, mit dem Wind, dem grünen Laub. 
Warfſt manchmal Du, o alter, griech'ſcher Spötter, 
Vom einen Ende der Allee zum andern 

Dem Herkules⸗Farneſe von der Seite 

Nicht Blide zu, wenn mit dem ſchönen Lautrec 
An Dir vorüberging die Boͤarnerin 

Mit den boldfel’gen Augen, Margarethe, 

Die Königin? Haft Du, gefälliger 

Sylvan, allein in Deiner grünen Grotte 

Von feuchtem Laub, abwechſelnd dem und jenem 
Die Seite bietend, die ihm zugelagt, 

Als Schäfer Deine Räthe dem Racan, 

Als Satyr fie gegeben vem Regnier? 

Haft Du anf biejer Bank nicht, gegen Mittag, 
Bincenz von Baula fchwigen fehn, um Gondi 
Bu bilden? Alter Faun, haft Du verfolgt 

Mit diefen jcheelen Bliden Budingban 

Mit Anna, Ludwig, die Fontange am Arm, 
Und baben fie mit rotberglühter Stirne 

Sid umgedreht, wenn fie im tiefften Winkel 

Des Parks Dich in der Ferne lachen hörten ? 

Hat man Did wegen Thyrius oder Ephen 

Um Bath gefragt bei einem großen bunten 





⁊ 


887 


Ballet, in dem ber” Hof des Gottes Phöbus, 
Des Gottes Ban vielleicht, dig Montespan 
Berauſchte mit dem Namen?! Amaryllis? 
Kam Lafontaine, mit Thränen in den Augen, 
Hinweg von Höflingen, die Ohren hatten 
Bon Etein, zu Dir, um leije zu erzählen 
Bon Baur und von der Sehnſucht feiner Nymphen? 
Was ſprach Boileau zu Dir, was ſprach Segrais 
Zu Dir, gelehrter Zaun, der in Eklogen 
So zierlih mit Virgil einft ftritt und der 
Auf grünem Raſen tanzen ließ den ſchweren 
Spondäus glei dem flinten Dactylus? 
Sahft Du im Gras die Schönen fpielen, die 
Chevreuſe mit dem zärtlich feuchten Blid, 
Thiange, ftolz wie eine Königin ? 
Umfhwärmte Dich nit manchmal ihre Schaar, 
Die rofige, jo toll, daß durd vie Wollen 
Die Sonne dringend ihnen auf den Naden 
Dein lüfternes Profil oft plöglih malte? 
Hat unter feinem grünen Dad Dein Baum 
Den bleiben Mazarin im Leichentuch, 
Im ſcharlachrothen Kleid empfangen? Halt 
Die Ehre Du gehabt zu jehn den Träumer | 
Molisre? Hat er vertraulich oft, Dir Verſe 
Zumerfend, ſüß melod'ſche, Dich gedugt, 
Wie das Halbgötter unter ſich wohl pflegen ? 
Hat diefer Denker, ber bie Seelen alle 
Nadt ſah, und darum Scheu vor Deiner Nadtheit 
Nicht haben konnt’, in feinem Geijte Dich 
Nicht oft verglihen mit den Menjhen? Hat 
Er Dich, die cyniſche Geſtalt, nicht minder 

B. Huge’s ſämmtl. poetifche Eberle. UI. xl 





Boshaft, ironiſch, murriſch, Kalt gefunden, 
Wenn unterwegs ſtillſtehend ex verglich 
Dein Lahen, Marmorbild, und das bed Menſchenf 


So fprad ih unter dichtem Laub zu ihm. 

Er fagte Nichts, er brummte nicht einmal. 

Und laufend zu dem eif’gen Marmor neigt 

Ich mid, doch von vergangnen Dingen fprad 
Klein Laut; der fahle Schein des Tages, der 
Entwich, umipielte leis den ftarren Satyr, 

Der taub und ſtumm bei meinen Morten blieb. 
Wenn man fo düfter ihn, mit halbem Leib 

Aus feinem Ueberzug, von feuchtem Laub 
Geſchwaͤrzt, beraus ſich heben ſah, fo fchien 

Ein Handgriff er, zum Torfo ausgemeißelt, 
Bon einem alten Schwert in roft’ger Scheide. 

Ich Ichüttelte den Kopf und ging von bannen. 
Da war’3, als käm' aus den verdorrten Zweigen, 
Ten grauen Birken, die fih beugten über 

Sein Haupt, betrübten Schweitern gleich, aus all 
Den heimlich ftillen Grotten rings im Bart 

Gin Laut, wie eine Geiſterſtimme Hang’s 

Sn meiner dültern Geele wieder, dumpf 

Wie in den Ziefen einer Umphora: 


— ‚Das thuft Du, unbefonnener Poet? 

Laß unter dichten Bäumen fie im Frieden, 
Die Faunen, die verlafinen! Weißſt Du nicht, 
Poet, daß es ein Frevel ift, in ftiller 

Eindde, wo die Schatten rubig jchlafen, 

Gin Frevel, felbft, wenn Did) dahin die Liebe 
Gegen, an bem Moos zu rütteln, das 


Die Trümmer der Jahrhunderte bebedt, 
Und mit dem eitlen Lärm unzarter Worte 
Bu ftören das Gedaͤchtniß ftiller Todten ? 


Und fliehend,, von vergangen Tagen träumend, 
Verlor id) mih im dunkeln Bart und Garten, 
Indeß geheimnißvoll die Zweige raujchten, 

Und einfam, hinter mir, die Hieroglyphe 

Aus einem alten Alphabet, der Zaun 

Fortfuhr, der Nacht, die nabte, zuzulachen. 


Ich ging und warf noch einen trüben Blid 

Burüd auf all die ſüßen Angedenfen, 

Auf Lenz und Morgenroth, und Schönheit, ſchwimmend, 
Zerſtreut nun in den Lüften, unter'm Fuß 

Des Wandrers, Blätter längſt verwehter Sommer, 

Die Frau'n verſchwundener Jahrhunderte, 

Und fern noch, durch die dunkeln Zweige ſah 


Ich Marmorbilder, Schatten des Vergangnen. 
Dezember, 1837. 


XXVII. 

Was Flügel bat, war immer meine Liebe. 
Als ich ein Kind war, ging ich in den Wald, 
Und nahm im Neft die Heinen Bögel aus. 
Erft macht’ ich ihnen Käfige von Schilf 
Und 308 fie auf im Bett von grünem Moos. 
Und fpäter ließ ich oͤffen dann bie Fenfter; 
Sie flogen nit von dannen, oder wenn 
Sie je zum Wald entflohn, fo Fehrten fie 
Auf meinen Ruf zurüd, Ih und ein Täubchen 
Wir haben lang uns fehr geliebt. — Seitdem 
Kenn’ ih die Kunft, die Seelen kirr zu machen. 

April, 1860. 


4 





34 


XXVMI. 


Geſchrieben anf dem Grabe eiues Kindes am 
FMeeresufer. 





Bu alter Ephen, Grad und Blumen, Buchs und Myrthen, 
Du Kirchlein, wo der Geift Gott ſchaut, den jonft er träumt, 
Ihr Fliegen, die ins Ohr ihr flüftert Teig dem Hirten, 

Der auf dem Rafen fchläft, von Blumen rings umfäumt; 


Du Wald, der rauſchend füllt des Wandrers Haupt mit Träumen, 
Ihr Wind’ und Wollen, wild empörtes Element, 

Ihr Früchte, die ihr fallt von vichtbelaubten Bäumen, 

Ihr Sterne, die ihr fallt vom dunkeln Firmament; 


Ihr Vögel, dunkle Flut, aushauchend tiefe Klagen, 
Eidechſe, die dahin an alten Mauern Schiebt, 

Ihr Auen, deren Duft zum Meer die Winde tragen, 
Meer, wo die Perle wächst, Land, wo die Aehre fprießt; 


Natur, Erzeugerin und Grab von allem Schönen, 
Ihr Nefter, Blumen, die ihr all euch wiegt im Wind, 

Macht kein Geraͤuſch, fein Laut ſoll diefes Grab umtönen! 
Die Mutter weinen laßt und fchlafen laßt das Sind. 


1840. 


% 


- | XXIX. 
Ceruleum mare, 





— t — 


Sip ih, wo Schatten mid umgeben, 
Im Wald am Strand zur Sommerszeit, 
Dann den?’ ich: bitter iſt das Leben, 
Und träume von der Emwigfeit, 


In meinem Schidjaldgang, dem dunkeln, — 
_ Gott ift es, ven mein Geift erkennt, 

Wie man dur dunkle Zweige funteln 

Sieht das geftirnte Firmament; 


Das Firmament, das Weiſe fragen 
Um Rath und” Thoren allzumal, 
Das Firmament, mo Wollen jagen, 
Und Sonnen glänzen ohne Zahl, 


Die Welt ift Gottes, feinem Ruhme 
Dient fie, umweht von Himmelsluſt, 
Ein Lobgefang ift jede Blume, 
Und Weihrauch jeder fühe Duft. 


Nachts pocht ein Menſchenherz. — Betretet 
Mit Ehrfurcht nur den beil’gen Grund! — 
Der Simmel liebt, die Erbe betet, 

Es hört ein Ohr, es Spricht ein Mund, 


Doch nie willft du dich ganz und geben, 
D Gott, fliegt au das Herz dir zu. 
Die Schaale läßſt du oben ſchweben, 
Und unten läßft die Lippe du. 


Einft wird in voller Klarheit ſtehen 
Dein Werk dem gläubigen Gemüth, 
Bon einer Welt zur andern ſehen 
Bir deine Einheit aufgeblüht. 


In deinen Himmeln, — ſel'ges Leben! — 
Sehn mir, die lieb uns find und traut; 

Wie einen Schwarm von Adlern ſchweben 
Man über die Gebirge ſchaut. | 


Im Tode weiß fih zu entringen 

Der Geift dem Bann der Sinnenmelt; 
Ein Neft ift jedes Grab, mg Schwingen, 
Dem Vogel glei, die Seel’ erhält, 


D Himmelsthau, der und befeudtet! 
Die Welt ift klar uns, wie ein Quell; 
Und von dem Strahl, der uns umleuchtet, 
Das fernfte Ende jehn wir bell, 


Dann endlich kommt auch zu Geſichte 
Uns, deiner armen Kreatur, 

Befonnt von deinem reinften Lichte 
Die andre Seite der Natur, 


Wir Dichter werden dann vergleichen, 
Wir Denter, die wir Welten ſchau'n, 
Pit deinen unermefinen Reichen 

Die Werte, die im Traum wir daun. 


Indeſſen, unfer 2008 beflagend, 
Irr geben wir auf diefem Ball, 
Ein großes Räthſel in und tragend, 
Halbhlind und ſchauend tief ins AU, 


Bom Zufall läßt'den Meg’ fich zeigen 

Der Menſch, und, was er finnt und ſchafft, 
Sucht, wie die Ziege nagt an Zweigen, 

Er Nahrung feiner Leivenichaft. 


Sm Dunlel irren wir und mwallen 
Des MWegs  den!taufend Andre gehn, 
Und bören Trauerſtimmen fchallen, 
Und Worte, die wir nicht verftehn, 


Sn folder Nacht, die auf dem Volle 
Schwer rubt, in diefer argen Zeit: — 
‚Elias!“ ruft es aus der Wolfe, 

Indeß: „Herr! Herr!” ein Andrer fchreit. 


Der Menſch ift eine arme Waije, 

Ihn fchredt nur, wer ihn tröjten ſoll. 
„Leer ift der Himmel!” jagt der Weiſe, 
Der Briefter ruft: „Die Hoͤll' iſt voll,“ 


Ah, dab uns gute Nerzte fehlen, 

Und Seher, deren Blid nicht ſchielt! 
Der gibt den Satan unfern Seelen, 
Wenn jener uns den Heiland ftiehlt, 


Die Menſchheit, ſchutzlos, baar der Guade, 
Dem Wandrer gleih am bürren Hag, 
Verfolgt ſie ihre rauhen Pfade, 

Ob laͤngſt gefunken auch der Tag. 





Sie geht dahin. Die Nacht if ſchaurig, 
Betrimmt vom Binde Inarıt der Baum, . 
Und finfter ſeht fie an und traurig, 

Was fie erblidt im halben Traum, 


Sie wandelt über morſche Stege 
Und Trümmer ohne Naft und Ruh, 
Und ſieht Gefpenfter ftehn am Wege‘, 
Die-ftreden ihr die Arme zu. 


Wir Träumer zaften unter Dächern, 
Die nahe ſchon dem Ginfturz find, 

Und fehn ein Heer von armen Schäcern 
Im Dunteln taftend, irr und blind, 





Für Alle ſuchen wir zu löjen, 
Die fie und aufzugeben liebt, 
Die Räthjel diefer Welt, der böfen, 
Der dunkeln, die uns rings umgibt. 


Und Jeder ſucht, damit er finde, 

Und tiefer ſinkt das Haupt im Gehn, 
Indeß des Schidfals raube Winde | 
Durch unſre Loden fhaurig wehn. 


Wir hören, ach, gedrückt vom Fluche 
Der Knechtſchaft, wie ein Hauch fid regt 
Sm unfrem dunkeln Lebensbuche, 

Und raufhenn um die Blätter jchlägt. 


Was thun? — Der Grabeshauch, der feuchte, 
Ummeht ung; betet weg den Fluch, . 
Und feht, ob nirgends eine Leuchte 

Beſtrahlt das zäthietunlie Buch. 


6 


— Woher foll Lit ums, Vater, Rammen! — 
Gott ſpricht: — Aus Dirl Sei fromm umd gut, 
Entzünde Deined Herzens Flammen, 

Und Licht dem Geiſte gibt die Glut. 


Brennt nur Dein Herz, fo kannſt Du leſen, 
Was Gottes Evangelium fpricht, 

Und Glüd und Tugend find Ein Weſen, 
Verllärt in diefem heil'gen Licht. 


Ber liebt, der wird zum Gottesfinde, 
Bor dem der Nebel ſich verzieht. 
Blaubt, und vom Auge fällt die Binde, 
Liebt, und der Stern im Auge fieht. 


Aus fernen Himmelshöhn der Wahrheit 
Geſtirn, es wirft oft matten Schein. 

Dft fallt ihr Licht in voller Klarheit 

Ins Buch der Seele nicht hinein, 


Denn nur die Glut der Sterne flimmert 
Dir nächtlich, leſen kannſt Du nit, 
Wenn uns das Liebeslämpchen fchimmert, 
Iſt's heller ala im Sonnenlidt. 


Damit wir immer lefen können 

Im Dunkel, wär’ es nod fo dicht, 
Bil uns die Liebe Bott vergöunen, 
Das Ervenliht zum Himmelslicht. 


Drum Hebi} Und gebt der Flamme Nahrung ; 
Mem Geiſt gibt Helle das Gemüth. 

Und oft ift Gottes Offenbarung 

Gin Frauenberz, das liebend gläht, 


So träum’ ich bei den legten Gluten 

Des Tags, wenn Stern um Stern die Nacht 
Läßt finfen in des Meeres Fluten, 

Un defien Strand der Schiffer wacht. 


Das große Wunder fihaut mein Auge 
Srftaunt, die Tiefen und die Höhn, 
Und ein durch, alle Boren fauge 

Sch dieſes Schaufpiel göttlih ſchön. 


Der Himmel dort in lihtem Schimmer, 
Hier die bewegte Wogenwelt, — 

Für Geiſtesaugen gibt es immer 

Ein Etwas bier, das fteigt und fällt, 


Sei's klarer Tropfen oder Funken, — 
Das ungefhriebne Gottesmwort, 

Bald ift e8 mir ins Herz geſunken, \ 
Bald glänzt’8 in meinem Geifte fort. 


Im Herzen thut, dem liebend frommen, 
Die leuchtende Idee ſich kund, 
Als Stern, vom Himmel hoch gekommen, 


Als Perle, tief vom Meeresgrund. 
Auguſt, 1830. 


— — — — — 


. XXX. 


“Gott, der gnädig ift ven Engeln 
Und den Menſchen, wird, wenn rein, 
Kind, Du bift und frei von Mängeln, 
Bufrieben jein. 


Und die Welt, wo prächtig flimmernd 
Herrſcht der eitle, kalte Schein, 

Wird, wenn ſchön Du bift und ſchimmernd, 
Bezjzaubert fein. 


Doch, ıhein Herz, in Deiner Nähe, 
Süß berauſcht vom Liebeswein, 
Wird, wenn ih Dich glüdlich febe, " 
Im Himmel fein. 
Sanuar, 1860. 


— — — un 








XXXI. 
-  teano Nox. 


— mn 


Saint-Valerie-sur-Bomme, 


Wlie viele Schiffer, ab, und Kapitäne fhaarten, — ° 

Die Iuftig eingeſchifft Rh einft für lange Fahrten, — 

Zuſammen fih im Grund der See, die fie verſchlang! 

Wie viele fanden bier, in mondfcheinlofen Nächten, 

Im ſchwarzen Abgrund, wo die Algen fie umflechten, 
Im blinden Ocean ſchon ihren Untergang | 


Wie mander Schiffsherr ſank, es riſſen Sturm und Wetter 
Ihm grimmig aus dem Buch des Lebens alle Blätter, 
Und ftreuten fie umber, um mit dem Wind zu. ziehn. 

Und jede Welle nahm fich gierig ihre Beute, 

Die Eine nahm das Wrad, die andre nahm die Leute, 
Und jagten mit dem Raub in wilder Luft dahin. 


Berlorne Häupter ihr, mit todten blaffen Lippen 

Rollt ihr dahin und ftoßt an unfidhtbare Klippen 

Die Stirn und treibt umber, foweit die Flut fich dehnt, _ 

Wie manche Mutter, ab, die Einen Traum nur hatte, 

Harrt’ an dem Strand, und ftarb, eh’ Bruder, Sohn und Gatte 
BZurüdgelehrt, die fie erfehnt. 


Am Abend ſprechen nod von eu, mit leifem Schaubern, | 
Die Eihiffer, die, gelehnt auf roftge Anker, plaudern, 
Und euern Namen nennt man fcherzend, wohlgemuth, 


= 


856 


Und lat, erzählt und fingt von mandem Abentener, 
Und küßt die Schönen, die einit euch geweſen theuer, 
Indeß ihr ſchlafend tief im grünen Seegras ruht. 


— Bo ift er, fragt man, nun? An ferner Inſel Borden ? 
Iſt König er vielleiht im Schönen Lanb geworden? — 
Bald eures Namens wird kaum flüchtig mehr gedacht; 

Im Dieeresgrund der Leib, der Name längft verſchollen. 
Tie Zeit, die Schatten dicht auf Schatten weiß zu rollen, 
Legt auf den Ocean noch des Vergeſſens Nacht! 


Den Etarten nennt manlaum, und Niemand denft des Schwachen 
Hat der nicht feinen Pflug und jener feinen Nahen? 
Nur eure Wiltwe, Nachts, wenn tobt des Sturmes Hauch, 
Sprit noch von euch, erfhöpft mit boffnungslofer Miene 
Aufitört die Afche fie im glimmenden Kamine, 

Und ad, in ihrem Herzen auch, 


Und ruht auch fie im Grab, wird euren Namen kennen 
Nicht eine Seele mehr, kein Dentftein wird ihn nennen 
Auf ftillem Friedhof, der manch Echo fonjt vernimmt, 
Kein Weidenbaum, den kahl wir ſehn im Herbfte trauern, 
Nicht der eintönige Gefang an alten Mauern 

Und Brüden, welden an ein greijer Bettler fimmt, 


Wo find die Schiffer nun verfunfen in den Meeren? 
D Flut, was weißjt bu doch für fchauerlihe Mähren, 
Ihr Wogen, die entfegt die Mütter Shaun am Strand? 
Davon erzählt ihr euch, wallt auf das Meer im Grimme, 
Trum Klingt fo hoffnungslos, fo ſchaurig eure Stinme, 


Wenn uns entgegen ihr euch Abends wälzt zum Land. 
Yuni, 16% 





851 


xxxu. 
JIuninädte. 


HB erfintt ein Sommertag, dann ihren Odem tauſchen 

Die Blumen aus, von Duft ift weit das Thal erfüllt, 
Geſchloſſnen Augs, das Ohr halb offen noch dem Raufchen, 
Ruhn wir, durhfichtig jcheint der Schlaf, der uns umbüllt, 


In liter Dämmrung ſchwimmt der Himmel in die Runde, 
Und reiner glänzt der Stern, die Schatten weichen facht, 
Gin leiſes Morgenroth ſchwebt, harrend feiner Stunde, 

Am Himmelsrand umber die ganze, fchöne Nadıt. 


Weisheit. 





An Fräulein Loniſe 3. 
1. 


— % joll nichts Großes denn, nichts Reine, Heil’ges , 


D Himmel, Nichts, was würdig wäre deines 
Erhabnen Blides, Nichts, was das gemeine 
Jahrhundert adeln könnte, Nichts entipringen 
Dem Herzen eines Menſchenſohns? — D Menſch! 
Du Beift, begraben unterm Sinnenmuft! 
Genießen alfo, blind im Dunkeln tappen 
Hinunter zu den Todten, fi verlaufen 
An Alles, was da kriecht, an Alles, was 
BVerfliegt, den ſchmutzigen Gewinnit, die Thorbeit, 
Die Eitelkeit; Nichts willen, als ein Blatt 
Papier — uneingeden? der Pfliht — mit Worten 
Zu füllen, und mit Thalern ein Comptoir; 
Niemals den Blid zum Sternenhimmel wenden, 
Und laden jedes Opfers, jeder ftill . 
Berhüllten Tugend, — ſieh, das ift dein Leben! 
Und deine einzge Hoffnung, Tag und Nacht, 
Dein Biel, dein Cultus, deine Liebe, web, 














358 


Sf dad Metall, gezogen durch den Koth 

Der Gaſſe, dad nur feinen Schmutz zurüd 

Dir an den Händen läßt und gift’gen Roft. 

Davon begreift Du Nichts, daß Du beftimmt 

Bu denken bift, ein Magier zu fein, 

Ein König und ein Alchymiſt, der unter 

Dem dunkeln Schmelzgefäß, das Deine Seele 

Du nennft, die Flamme nährt, und durch den Tiegel 
Läßt ziehen die Natur und Welt und Zeit, 

Um endlich draus bervorzuziehn die Gottheit. 


Wie? Sein Gejeh hat jedes Element, 

Und feinen angewieinen Kreis das Thier. 

Dem Kormoran gehört die Flut, dem Adler 

Der Schnee; ein jedes Ding bat feinen eignen 

Beruf, fein Ziel und feine Region. 

Nicht nur ein leerer Auswurf ift der Schaum 

Des Meere, es weiß die Welle, was fie thut, 

Der Wind, wer ihn bewegt; geborfam leuchtet 

Der Stern dem blauen Himmel, wie die Lampe 

Im Tempel ewig wad ihr Licht ergießt. 

Zur Ehre Gottes öffnet ihren Kelch 

Die Lilie jeden Morgen, mie die Saiten 

Der heil'gen Leier ſchwingend fingt der Vogel 

Den Namen, der im Oſten rofig ftrablt. 

Wie? Jedes Weſen liebt, die Schöpfung glaubt, 

Und jedes Ding hienieden lebt nad) feinem 

Geſetz, und göttlich frei gehorcht es nur, 

Der Vogel feinem Trieb, der Baum der Wurzel. 

Der weite Dcean, der hoch empor 

Bum Ufer fteigt, die Schwalbe, die nad) Süden, 

Und der Magnet, der ih nad Norden wenbet, 
8. Huge’s fämmtl. poetiſche Werke. III. 


354 


Das Samentörnchen, das beflügelt ſich 

Sein Bläschen in der Ferne ſucht, die Wolle, 
Die ih auf eisbededten Inſeln lagert, 

Und plögli fih erhebt, des Himmels Höhen 
Beim Hauche des April vom Pol durchſegelnd 
Bis zum Aequator; jener Gletſcher, der 

Bom weißen Kamm der Alpen niederfteigt, 

Der Eaft, der durch die Adern rinnt der Zweige, 
AU die geihaffnen Dinge, fie verfolgen 

Ein ernftes Biel, die Strahlen in den Lüften, 
Die Sphären hoch am Himmel, und die Jlüffe, 
Die zwiichen Fellen bin und Sräfern ſtroͤmen, 
Sie wandeln unverrüdt die ſtolze Bahn. 

Der Meni allein irrt ab vom rechten Weg. 
Wie? Alles, was das Univerſum faßt, 

Die Kreaturen all, die Berge, Wälder, 

Die grünen Au’n, das goldne Morgenroth 

Am Himmel, der ein Bett ſich gräbt, ver Bad, 
Sie haben heute, wie an jenem Tag, 

Wo jeiner Größe Stempel aufgebrädt 
ZJehovah's heilge Hand dem erften Menſchen,⸗ 
No ihre ganze fledenlofe Unſchuld. 

Der Menſch nur ift gefallen! — Gr, geſchaffen 
Im hehren Gotterreich, zu fein der Beſte, - 
Er wird der Schlechtefte. Er follte blühn 

Ein augerwäblter Baum und ift ein Stumpf 
Nur, ein gemeiner, mit beftaubten Aeſten, 
Entwurzelt mit den Jahren, durch dos Lafter 
Entlaubt, mit Bmweigen, die nit Früchte tragen, 
Wenn Gott fie fammeln will, die feine Stüße 
Gewähren, und auf welche die Geſellſchaft 

Die ſchlimmſten Leidenschaften pflegt zu propfen. 








355 


Welch tiefer, tiefer Zall! Und, o mein Gott, 

Er weiß von Nichts, ungläubig, blind, verftodt, 
Indeß ringsum die ganze Schöpfung denkt. 

O Schmach! Ein Knecht der Sinne vegetirt 

Der Menſch, indeß um ihn die Schöpfung lebt. 


2 


So rief ih aus, und Du, Du börteft ze: 
Du, deren Seele ftrabli aus jedem Wort, 
Das ihr entquillt, Du wandteft ernft und traurig 
Mit troͤſtlich holdem Lächeln Di zu mir: 


— Die NMenſchheit rafft ih auf; fie ſtrauchelt noch, 
Die Stirn in Nacht gebabet wandelt fie Ä 
Dem Morgenrofh entgegen. Jeder Menſch 
Hienieden bat ein doppeltes Geſicht, 

Ein gutes und ein böjes, Alles tadeln 

Heißt Nichts begreifen. Eind aus Gold geſchaffen 
Die Menfhenfeelen, find aus Blei die andern, — 
Streng ift der Geiſt des Weifen und nicht blind, 
Auf jeden Schädel wirft er feinen Blig. 

Zür das Jahrhundert, dem man angehört — 

In dem man, a, fo viel erduldet! — ift 

Man immer ungerecht und Alles fcheint 
Berdammungswertb. Auch unfre Zeit, fo viel 
Geſchmaͤht, hat ihre edle, ſchoͤne Geite. 

Das haft Du jelbft geſagt, erzürnter Dichter! — 


In Deinem Zimmer, dem berühmten, hehren 
Alyl, da war's, wo einfah Du und heiter 
Mir dies gejagt. Es ſtrahlte Deine Stirn 
Im Widerſchein des purpurnen Damafts, 
Und mir, in biefem Augenblid der Weihe, 





856 


Erihien, wie Du empor die Augen bubkt, 
Zum Himmel umgewandelt Deine Tede, 


Die Stimme der Vernunft, der Ton des Friedens, 
Die Billigkeit, die liebevolle Schonung, 

Die Engelsgüte, die Barmberzigteit, - 
Die gern dem Schuldigen vergibt, die Milde, 

Die mit der unbewußten Hoheit Krone 

Die Stirne fhmüdt der Tugend, — Deinem Wort, 
So ſchön und Har, verlieh das eine Größe, 

Die ftille Größe der Natur und manchmal 

Klang Deine Stimme wie die heimlich jüßen 
©efänge, die man bört im fernen Wald, 


3. 


Barum vor’3 Auge tretet ihre mir immer, 
hr beitern Tage meiner Kinderzeit, 

Wer öffnet Deinen Kelch und immer wieder, 
Du lite Blume der Erinnerung ? 


Wie war ich kindlich frob, wie war ich glücklich 
Die Säule rief: da war die glatte Bank 

Bon Eichenholz, blank abgerutjcht, der Tiſch, 
Der Bult, das plumpe Tintenfaß, die Lampe, 
Des Abendfterns beſcheidne Schwefter, — Alles 
Begrüßte freundlich nich und ernſt. Mein Lehrer, 
— Son oft erwähnt’ ich feiner, — war ein Briefter 
Bon rubig fanften Ton, mit einem Blick, 

Der wärmend drang ind Herz; fo unbefangen, 
Wie nur ein Weiler, ſchelmiſch, wie ein Kind. 
Mnd oft umarmt’ er mich und — denn bas Lob 
Ermuntert! — fagte mir: Neun Jahr' erft alt, 
Und eyplicirt bereits den Zacitusl" — 





557 


Dann mit Eugen, — Gott ließ den jungen Geiſt, 
Ach, untergehn! — arbeitet’ ih im Stillen, — — 
Und Dichterträume hatt’ ih ſchon. Und während 
Ich ſchrieb, und fchhttet’ ohne Furcht und Regel 
Die Barbarismen ftrommeiß auf mein Thema, 
Und unerbörte Deutungen der alten- 

Autoren gab, und mit gefrümmtem Rücken 

Die Stirne tief zum „Öradus“ niederbog, 

Da glaubt’ ih, — wach ift ftet3 die Kinderſeele — 
Wirr durcheinander, meinem Obr ganz nah, 

Die griech'ſchen und Iateiniihen Vokabeln, 2: 
Geſchwaͤtzig, bubenhaft, beſchmutzt mit Dinte, re 
Bu bören, wie fie Iuftig plauderten 

Und piepsten, Vögeln glei in ihrem Neft, - 
Hernor aus den vergilbten, großen Blättern 

Des Ihweren Woͤrterbuchs... Verftohlne Töne, 
Noch über, als des Bienenſchwarms Geſumm, 
Der ſchwirrend flieht, ein Hauch, gedämpfter als 
Ein Seufzer in der Nacht, — der in die Blätter 
Im alten Buch mit blehbeichlagnem Bedel 

Oft fuhr, daß leis fie durcheinander rauſchten. 


Dar abgetban das Benfum, flohen wir 
Leichtfüßig, wie Nehbödchen, durch die Gärten, 
Die weitgebehnten, ftreifend kreuz and quer, 
Und ſchwatzten wirres, funterbuntes Zeug. 

Sch felber hielt mit meinen größern Brüpern 
Nicht gleihen Schritt und blieb gar oft zuräd. 
Und beitre Sterne ftiegen auf am Himmel, 
Die Müden ſchwirrten durch die file Zuft, 
Im Schatten ſchlug die ſuiße Nachtigall, - 
Und fingend gab in der: Mufif der ganzen 


858 
Natur fie Unterricht, Indeſſen warf 
Ich, ein verwegner, plauberhafter Knabe, 
Zu tollen Eprüngen aufgelegt, umber 
Rach allen Seiten ftiſch und frei die Augen, 
Aus welchen belle Freudenfimten ftoben, 
Und unterm Arme trug ih, mit drei Schrüren 
Gebunden, den Horaz umd feine Oden 
Und die Gefänge des Birgil, den ganzen 
Dlymp, den Thefeus und den Herkules, 
Ceres, die firenge Juno und bie Hyder, 
Die feuerfpeiende, lernäiſche, 
Und den gewalt'gen Löwen von Remea. 


Doch, wenn ich heim zu meiner Mutter lam, 

Hatt’ ih — fo nedte mid des Zufalls Züde, 

Der mit dem Kinde fpielt, — oft ſchwere Noth 

Und großen Born: beim hunbertjähr'gen Taxus 

Fand ich nicht mehr das Leine, hubſche Gaͤrtchen, 

Das ich mit eigner Hand mir angelegt. 

Borüberjagend hatt’ ein großer Hund 

Es ganz verwüftet; oder hatte jemand 

In meinem Stübdyen meine Käfige 

Geöffnet, meine Vögel waren fort 

Zum Wald geflogen und non Zweig zu Zweig 

Vergnügt gebüpft, zu finden in ber Ferne 

Die Freiheit, — oder einen Bogelfieller. 

Hilf, Himmel! Rothen Kopfs, entrüflel rannt 

Ich dann berzu, den großen Hund verflucht 

Ich laut, den dummen Gärtuer und das Scheuſal, 

Den Bogelfänger und fein Henlergarn, 

Ich raste, tobtel — Meine Mutter jah’ 
m" ruhig an, und ſchnell war ih befänftigt! 





359 


4, 

Nicht um ein außgeleertes Käfig mehr, - 
Um Bögel, die ins falſche Nep gefallen, 
Um eine Dogge nicht, die bellend ftärzt 
Aufs Blumenbeet, entflammt fih heut mein Born. 
D nein! Die Meinen Leiden ärgern wohl 
Gin Kind, doch unter großen Schmerzen wird 
Der Menſch, kvie in der Kirche, fanft und fill 
Rah heißen Schmerzen, wie nad fhwülen Tagen, 
Kommt Ruh’ ins Herz, wie Schlummer in das Auge. 
AU unire Leiden, ſchwarze Ziffern find’s, 
Und Weisheit ift die Summe, die fie liefern. 
Durch jede Prüfung jheint dem Menſchen Gott 
Bu fagn: — Laß durch's Unglüd Deinen Geift 
Sindurdhgehn, und wie aus dem Sieb das Korn, 
So wird daraus hervor er befjer kommen. 
Gelebt, gebuldet hab’ ih, nun erwaͤg' 
Ich ernft und mich verweil’ ich felbft zur Aube. 
Und wenn zumweilen noch der böfe Zorn 
In meiner Seele mit gewalt’gem Finger 
Die Wage nieverdrädt, worauf mein Herz 
Sch wiege und die Welt; wenn ih, Ein Auge 
Nur öffnend, ſchuldig fpreche nur, verbamme, 
Dann führeft Du, o edle, beilge Frau, 
Mit ein Paar Morten meine Stimme, bie 
Gereizt, erbittert Hingt, zurüd zur Rube, 
Auf deren Grund ich meinen Geiſt geftelit. 
Sa fühle, wie, von Deinem Strahl getroffen, 
Sich meine Stürme legen; ja, Du bift 
Dem finftern, firengen, tief gebeugten Mann, 
Was einft dem heitern Kinde war die Mutter, 

» Das große Herz, das nun im Grabe fähläft. 


360 


5. . 
Nun hör’! — In meinem Geift, der ewig wogt, 
Ertönen, eine nad der andern bald, 
Und bald zugleich, drei Stimmen, ba und weld 
Gewaltige drei Stimmen! 


Eine fpridt: 
— ‚Laß Deinem Grimm den Lauf, o Dichter! Ja, 
Der Hölle Beifall jauchzt entgegen Allem, 
Was diefe Zeit verfuht, beginnt und ſchafft. 
Mit Recht bift Du entrüftet. Das Jahrhundert 
Sf ein gemeines Zelt, in das der Menſch, 
Sobald der Abend kommt, das Fleiſch, die Wolluft, 
Das Laſter nadt und frech, einlädt zu ſich. 
Die Wahrheit, die einft Rom in Glanz getaucht, 
Wohnt immer nur im Himmel, und im Menfchen 
Sit keine Liebe mehr, Geſchloſſen find 
Die Augen für den Strahl, der ihnen leuchtet, 
D ftoße nicht die Mufe ſchnoͤd zurüd, 
Die Waffen trägt, und einft ala ernite Freundin 
Lie Helden einit beſuchte, Jeremias 
Und Amos! Schlecht, undanfbar find die Menſchen, 
Vol Neid und Eiferjuht, veritedte Lügner; 
Viel find der Frevler, eitel find fie alle. 
Se nad dem Stamm, von defien Saft fie tranken, 
Sie Kain's Kinder fie und Eva's — alle! 


63 wankt Dein Kreuz, o Herr, die Ehrfurcht ſchwindet 


Die Andacht flieht, Jehovah, o Jehovahl! 
In Deinem Tempel ſpricht man laut Dir Hehn. 
Sonft war das Buch Gefeh, der Briefter war 
Das Vorbild, Bu und Priefter And nun tobt. 
Der Glaube, diefe heilge Glut, entzündet 





861 
An Deinem Flammenherd, Tu Donnergott, 
An dem Tein Eohn erimnt die Auserwählten, 
Und der die Lippen der Apoſtel einft 
Geweiht, ift jegt nur eine tobte Noble, 
Mit der mutbwillig lachend Deine Mauern 
Die kleinen Kinder Irigelnd Hberichmieren!" — 


Die andre Stimme ſpricht: Verzeihe! Liebe! 


Tem Menden, der vergibt, wird Gott vergeben. 


Dem Löwen achte’ die Ameiſe gleich. 


Klein ift, o Dichter, in der Schöpfung Nichts, - 


Auch das Atom bat am Urweſen Theil. 

Bom Leben Gottes ift in jedem Ding 

Ein Wenig und fein einziges Ding ift wenig. - 
Zur Liebe bilde Dich, zum Mitgefühl. 

Und zwingt Dich das Geſchick, in näcfter Näbe 
Ten Menſchen präfend zu betrachten, der 

Dt blind, leichtfinnig iſt, frivol und eitel, 
Tann mag die Bruberthräne Dir befeuchten 
Das Richteraug' und mildern feine - Schärfe, 
Und Alles mag bienieden, Luft und Blume, 
Und Wiefengrän, die frohe Kindergruppe, 

Sie an der Schwelle Deines Haufes jpielt, 
Der Bettler, der bei einer Garbe fit, 

Der Vogel, der die Müd’ im Gras betradhtet, 
Die alten Bücher, die der Wind durchblättert, 
Woraus der edle, freie Geiſt der Alten 
Lebendig fliegt hervor, ein feiner Hauch, 

Der eingeathmet Teinen Geiſt durchdüftet, 

Der Unblid der gebeugten Frau'n, die, wie 
Im Meer die Algen, unter Thränen leben; 
Mag das Gemälde diefer Welt, der Menſch, 


362 


Der es beiradıtet, mag das große Ganze, 

Das ungerührt nur ftumpfe Sinne läßt, 

Dih mehr und mehr, Dein Leben und Empfinden 
Zuwenden dem gebeimnikvollen Auge, 

Das auf und Alle Ihaut! Der treue Zeuge! 

Der unfihtbare Wächter! Anfang, Ende 

Und Mittelpuntt! Die Klarheit und die Märme ! 
Das Weien, das Geheimniß jedes Weſens, 

Das halbverfchleiert jede Seele ſchaut! 


Glimmt wo ein Feuerbrand, entzünde dran 
Nie eine Höl’! Erſchwere keine Lat! 
Nachdenkend dring’ ins Weien ein ver Seele, 
Enthülle Gott, den Geiſt, der nie vergeht, 
Das Grab, das keinen Zodten wiedergibt, 
Und forge, daß uns die gewaltge Hand, 

Die oft das Haupt uns beugt, nicht allzubart 
Die Stirn-berühre, jene Hand, die: „Nie!“ 
In unvertilgbar großen Zügen ſchreibt 

Auf Gräber und auf die Altäre: „Swig!" 


Die dritte Stimme ſprach: — „Was liegt daran: 
Ob Habt ob Liebe? — Ob man aus, ob ein 
Man gebt? verflucht einander oder fingt! 

Tod, But’ und Boſes, Lafter, falſche Bätter, — 
Was kümmert das den lichtumflofinen Himmel? 
Erzeugt des Wahsihums blinder Lehenstrieb 
Drum minder reihen Meberfluß an Blättern, 
An Bäumen, Flechten, und an Gras und Aigen, 
An Saaten, Au'n, Gebirgen, Bächen, Felſen? 
IR minder Har die Welle drum? Der Waln 

An Alängen ärmer? Wehn die Lüfte minder 


363 
Balſamiſch in der Nacht, ums Morgenrotb, 
Am lichten Horizont und über’3 Meer, 
Das tüdifhe, und um die leichten Wollen, 
Die kreuz und quer mit allen Winden fegeln? 
Die Sonne, die im Feld der Blume lädelt, 
Dem König im Palaft, im finftern Bagno 
Dem Ruderknecht, verliert fie von dem Glanz, 
Der fie umleuchtet, auch nur einen Strahl, 
Wenn eine Tugend hier vergeflen wird ? 
Nein, Ban bedarf der Andacht nicht noch Liebe. 
D Weisheit! Reiner Geiſt! Erhabne Klarheit! 
Beus! Irmenfull Jehovahl Jupiter! 
Wiſhnu! Du Gott, den Sokrates geſucht 
Und Jeſus bat gefunden! Einz'ger Gott! 
Du wahrer Bott! Du einziges Gebeimniß ! 
Du Eine Seele! Tu, der fallen läßt, 
Was fterblich ift, und unermefine Himmel 
Erſchaffen hat für alle Ewigkeit! 
Du, der Du in ven Aether, der erklingt 
Sin beil’ger Harmonie, — das hohe Zelt, 
Sm defien Borbang fpielt Dein ew’ger Hauch, — 
Millionen Bögel warfft, Millionen Sterne! 
Was find vor Dir, Erbabner, doch die Menſchen, 
“ Die Blinden, bie einander in die Nacht 
Hinunterftoßen, Schatten, deren kaum 
Dein Auge je gedacht, wor Deinem hoben 
Antlig Geſpenſter, welde gehn und tommen!” 


6, 
In meinem ſtillen, frievlihen Gemad, 
Wo unterm grünen Vorhang, wie das Auge 
Des Freundes, manches alte Buch mir ſchimmert 


364 


Halb aufgefhlagen, und im Schatten meinem 
Virgil zuläcdelt meine heilge Bibel, 

Bernehm’ ich die drei Stimmen. Mag erihreden 
Mein armes Hirn, ih halte Stand, ich laſſe 
Sie ohne Schreden, ohne Angft vollenden 

In mir ihr Werk, Denn dur dergleihen bunte 
Metamorphofen irrgemacht bereiten 

Sich aus gar wenig Stoffen ihre Weisheit 

Die Menſchen. Alle find fo unvernünftig, 

Daß jeder nur von feinem Yenfter aus, 

Bon feiner Seite nur die Wahrheit fieht. 

Und Seinen reizt ver babe Fels, ihn zu 
Umgehn und feine Spiße zu befteigen. 


Indem ih von drei Seiten fo die Dinge 

Hienieden mir betrachte, brei Rathgeber 

Unböre, denen fonft der Menſch nit lauſcht, 

Erwähst im Herzen mir, in weldem Gott 

Lebendig ift, das fi dem Haß verſchließt, 

Ein friedliches Wohlwollen, allumfaſſend, 

Das, wie im Morgenroth, mir jeden Vers 

Vergoldet und mit Weichheit übergießt, 

Ten ih halbfertig in der Seele trage, 

Um ihn im Freien zu vollenden, wo 

Die Wiefen mid umduften, Wolkenſchatten 

Borüberziehn und flare Quellen rauſchen. 
0 April, 1880. 


Ende ber Dtraplen und Schatten. 


Yußalt. 


— — — 


Geile 
“ SHerbfiblätter. 

Vorne . . en 3 
L Zwei Jahre zahlte das Jabrhunderi .. a 11 
II. Gedanken eines Spaziergängert über einen König. 0. 15 
ID. Der Könige Geburt > 2 rn 19 
IV. Bas man auf ben Bergen br > 2 rn 21 
V. &m Rhonegletfcher en 25 
VI Die eiferfütigen Hügel .» > > ren 28 
VII. Seid ihr’a? O tommt hervor FE | 
VIM. Laßt fie. Die Kinder find bier alle gut . . 0. A 
IX. Barum verbirgt Du Dib . nn 35 
X. Be, fragt’ ich, wo if denn bas Biüdr ee“ 38 
XI. Sobald dad Kind ee een 4 
U D Maid, Du bi umnmcbt . . » 48 
XI Sieh, viefer Zweig iR büre und grau 6% 
XIV. Der Pfad der Träume . . % 
. XV. Gonnenuntergänge > 0 ren 52 
xVI EG lommt in IB. > 2: 2 ee Di 
XVII. Eh' meine Liederr. 61 
XVII. Gin letzte Bott . . . » . 88 

Keder der Dämmerung. 
Borredde. 67 
Borfpiel . . . . . . . . . . . . . 70 
I. Rad dem Juli 1830 a 
I. Hochzeiten und Bfe . » 0 ne oo 85 
II, Napoleon D.. . se! 0 
IV. Huf dem Ball im TI6tel-do-rille nn ” 
V. Benn untembeinen Bügeln . >» 2 een. 1 
VI An Kanal . . ..210903 


VII. Tuein am Fuß der Thurme . || 


306 


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VII. Un ven Mann, ber eine Drau verritb . -» - -:. .. 108 
IX. Un den Hetzog von DD. . oe 2 202020802 0..12 
X. Richt zwanzig Jahre war er «it ..1218 
XL Verhöhnet niemals eine Frau IM 
ni Un Fräulein 9. . 0... 122 
XII. Zum luſt'gen Sqmeiter ling ent Dres vie Reie 0.20... 328 
Un’. . 020. a  , . | 
XIV. Am Mertehftend oo. .. 12390 
XV. Beil Leid und Unruh' elle Elunten ee AM 
XVI. Da uns der Bläthenmenb Ind Freie dt . . . ....18 
XVIL Die Unvern ſchlendern in des Lebens Ste . - . . . IQ 
XVIO. An Fräulein Luiſe B. R 
De Suhl . .: 2 2 2. a 129309 
AIX. Date din . . 0er. 1 
' Innere Stimmen. 
Bidmung .... 147 
Vorrede. ...821409 
I. Die innern Stimmen .. 1 
DI. Bunt lacrymase rerum .- . . N er 200.0. 438 
III. Der Triumphͤggen. 141660 
IV. Kommt, Seht une luſtig ln . > 2 Eee ii 
V. Komm, lab und plauden. ee 1 
VI. Bei offnem Genfer . . . 0. 18 
VD. Un Albrecht Düser - 178 
VM. An 08.. . 0.2028. 18 
IX. Bein junger Brand, es # ein seen Arte 200020. 13 
X. Un einen Heiden . . .1236 
XI. Ei, led Die Klinder hie..... IM 
XII. Hier im altfränfihen Gartenn.... 16686 
XII. An die entlogeuen Bl -» > 2 re 18 
XIV. Botan ih bene ee I 
.. 18 


XV. Tentanda via et . » . 
XVI. Die Liebe, Madchen, IR ein Spiegel nr die vn .188 


XVU. Nachdem ich im Dante geleſen.. 000. 18 
XVII. Pensar, Dudar. 
Un Sräulein uleb.. . 2 2 2 nr U MO 


XIX. Balt ein, 0 le en A 


367 


 Frahlen und > ⸗getien. 
Betrde . . . . 
I. Diäterberuf . .» . 
IL Der flebente Auguf —B 


JIL Un den König Louis Philipp re. oo. 
IV. Blid in ein DoaRüiden > 2 re 
De Dichter u ſich sea OU rn 
V. Man glaubte noch sur et 2 > 2 rn. 
VL Die Belt und das Jahrhundert . 2. 


VI Un den Hetzog von On 
VIIL Un Sräulein Fauny won P. .. 
IX. ®ie in dem Teich. 1 2. 

X. Fiat voluntass . . » Fe V 
XI. Licht Alles, Alles Luſt und Brende a — 
XH. Huf eine vlämifhe Fenſterſcheide geichtieden . . . 

XII. Bas fih begeben im Mlofter der Feuillantinerinen ums dahr 1813 
XIV. Un ben Bildhauer David . ee 2.2. . 
XV. Un einen Dit . . a 
XVI. Sprichſt De mie von Rubm und Ehren 


XVII, Taufend Wege, Ein ill - 2 0 re 
XVII, An eine Junge Grau 5 O5 eye 
XIX. Un Rubwig ®. . en 
xx. Hier auf Etden... nn 
IXI. Beuune 02 2 — 
xx. Beun Zr bau ee 
XXID. Der Schattenn... 
XXIV. Diympio’d Trauer . .. 


XXV. Die Muſik eine Tochter des ſeaichni wedidenren⸗ .. 


XxXXVI. Er ſchien zu [leiten . . 
XXVI. ®as Slügel hat, war immer meine Siebe. . . 
XXVIE. Gefchrieden auf dem Grabe eined Kindes am Perreufe . 


XXIX. Oseruleum mare. . . 0. 
XXX. Gott, der gnädig iſt den n Engein FE 
XXXIL Oceano nox . . ee en 
XXX Seminähte 20 
- XXXIU. @elsheit. 
Un Fräulein utle . ee 
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