THE UNIVERSITY
OF ILLINOIS
LIBRARY
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Viertelj alirssclirift
Naturforschenden Gesellschaft
Zürich.
Unlei' Mitwii-knng der Herren
Prof. Dr. A. HEIM und Prof. Dr. A. LANG
herausgegeben
von
Dr. FERDINAND RUDIO,
Professor am Eidgenössischen Polyteclinikum.
Z-weiundfünfzigster Jahrgang. 1907. Drittes und viertes Heft.
Hierzu Tafel XHI bis XX.
Ausgegeben am 4. April 1908.
Zürich,
in Kommission bei Fäsi »t- Beer
1908.
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Inlialt.
Seite
249
266
279
283
289
H. Zuppinger. Zur Absorption der Röntgenstrahlen ....
A. Beck. Über die mehrfachen Sekanten algebraischer Raumkurven .
TJ. Grubenmann. Vorläufige Mitteilung über einen schweizerischen Silli-
manitgneiss
K. Hescheler. Reste von Ovibos moschatus Zimm. aus der Gegend des
Bodensees. Hierzu Tafel XIII
A. Ernst. Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau. Hierzu Tafel XIV
bis XIX ...
J. Hilflker. Ein neues Präzisionsnivellement auf den Grossen St. Bernhard 364
H. Stierlin. Einige physikalische Eigenschaften des gegossenen Quarzes 382
H. Schinz. Mitteilungen aus dem botanischen Museum der Universität
Zürich (XXXVI).
1. Beiträge zur Kenntnis der afrikanischen Flora (XX). (Neue Folge).
Mit Beiträgen von E. Hackel (Attensee), A. Cogniaux (Nivelles) und
H. Schinz (Zürich) 419
2. Beiträge zur Kenntnis der Schweizerflora (VIII).
1. Beiträge zur Adventivflora der Schweiz. Von A. Thellung (Zürich) 434
2. Trapa nalans L. in der Schweiz und in Oberitalien. Von H. Schinz
(Zürich). Hierzu Tafel XX 474
A. Heim. Gliederung und Facies der Berrias-Valangien-Sedimente in
den helvetischen Alpen 484
H. Zangger. Über Membranen II. Die Bedeutung der Membranen und
Membranfunktionen in Physiologie und Pathologie . . . 500
F. Kudio und C. Schröter. Notizen zur schweizerischen Kulturgeschichte
21. Der zweihundertjährige Geburtstag von Leonhard Euler . . 537
22. Der Plan einer Gesamtausgabe von Eulers Werken . . . 542
23. Nekrologe. Charles Mayer-Eymar, Evariste Mertens, Ludwig
Fischer, Gustav Zeuner, Georg Sidler ..... 546
E. Schoch. Sitzungsberichte von 1907 559
H. Schinz. Bibliotheksbericht von 1907 567
Verzeichnis der Mitglieder auf 31. Dezember 1907 585
Grlindnng-sjalir der Gesellscliaft
1746.
Inhalt.
Seite
A. Beck, über die mehrfachen Sekanten algebraischer Raumkurven . 266
L. G. Du Pasquier. Zur Theorie der Tettarionenideale . . . 24-3
A. Ernst. Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau. Hierzu Tafel XIV
bis XIX ... 289
U. Grubenmann. Vorläufige Mitteilung über einen schweizerischen Silli-
manitgneiss 279
Alb. Heim. Nebensonnen und Ringe vom 10. Februar 1907, gesehen in der
Nordostschweiz ........... 232
Arn. Heim. Gliederung und Facies der Berrias-Valangien-Sedimente in
den helvetischen Alpen . 484
K. Hescheler. Reste von Ovibos moschatus Zimm. aus der Gegend des
Bodensees. Hierzu Tafel XIII 283
J. Hilfiker. Ein neues Präzisionsnivellement auf den Grossen St. Bernhard 364
R. Höber. Eine neue Theorie der Narkose ...... 226
E. Meissner. Über die zahlentheoretischen Formeln Liouville's . . 156
M. Bikli. Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste mit
besonderer Berücksichtigung der Litoralsteppe. Hierzu Tafel I — XII 1
F. Rudio und C. Schröter. Notizen zur schweizerischen Kulturgeschichte
21. Der zweihundertjährige Geburtstag von Leonhard Euler . . 537
22. Der Plan einer Gesamtausgabe von Eulers Werken . . . 542
23. Nekrologe. Charles Mayer-Eymar, Evariste Mertens, Ludwig
Fischer, Gustav Zeuner, Georg Sidler ..... 546
H. Schinz. Mitteilungen aus dem botanischen Museum der Universität
Zürich (XXXVI).
1. Beiträge zur Kenntnis der afrikanischen Flora (XX). (Neue Folge).
Mit Beiträgen von E. Hackel (Attensee), A. Cogniaux (Nivelles) und
H. Schinz (Zürich) 419
2. Beiträge zur Kenntnis der Schweizerflora (VIII).
1. Beiträge zur Adventivflora der Schweiz. Von A. Thellung (Zürich) 434
2. Trapa natans L. in der Schweiz und in Überitalien. Von H. Schinz
(Zürich). Hierzu Tafel XX 474
H. Stierlin. Einige physikalische Eigenschaften des gegossenen Quarzes 382
R. Willstätter. Über Chlorophyll und Xanthophyll . . . . 217
H. Zangger. Über Membranen II. Die Bedeutung der Membranen und
Membranfunktionen in Physiologie und Pathologie . . . 500
H. Zuppinger. Zur Absorption der Röntgenstrahlen .... 249
E. Schoch. Sitzungsberichte von 1907 559
H. Schinz. Bibliotheksbericht von 1907 ...... 567
Verzeichnis der Mitglieder auf 31. Dezember 1907 585
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Vierteljahrsschrilt dtr Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907.
Taf.
rtiot.: r. Bohny.
Fiy. 1. Monserrat: Eiiifjaiif; ins Val Malo.
Im Hintergrund die Felspyramiden ,|ios Gigantesii. Vegetation; Macchien (pag. 26), Blick vom Kloster nach Nordwesten.
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Arbeiten aus dem botanischen Museum des eidg. Polytechnikums.
XV.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste
mit
besonderer Berücksichtigung- der Litoralsteppe.
Von
M. RiKLI.
Hiezu Tafel I— XII.
Einleitung und Geschichte akademischer Studienreisen
ins Mittelmeergebiet.
Unter dem Titel „Kultur- und Naturbilder von der
spanischen Riviera'' habe ich im Neujahrsblatt der Naturfor-
schenden Gesellschaft in Zürich für das Jahr 1907 einen zusammen-
fassenden Bericht über meine beiden in den Jahren 1905 und 1906 aus-
geführten spanischen Reisen gegeben, wenigstens soweit dieselben das
Oebiet von Südfrankreich und der spanischen Ostküstenregion bis
Murcia und Guadix betrafen. Der Umfang des Neujahrblattes gestattete
leider nur eine Schilderung von Land und Leuten, einschliesslich
der Besprechung der Kulturgewächse und Kulturlandschaften. Vor-
liegende Arbeit erörtert nun, hauptsächlich an Hand von Exkursions-
berichten, die botanischen Ergebnisse der beiden spanischen
Reisen ; das Naturland steht daher im Vordergrunde des Literesses,
dem Kulturland ist nur noch ein kleiner zusammenfassender Ab-
schnitt gewidmet. In den südlichen Teilen von Valencia und in
Murcia, im östlichen Granada und Andalusien wird der Botaniker
dem Studium der Litoralsteppe seine ganze Aufmerksamkeit zuwenden.
Die an die Steppe sich knüpfenden allgemeinen Gesichtspunkte sind
daher in drei besonderen Abschnitten : „Beiträge zur Kenntnis der Litoral-
steppe" und .Die Urbarmachung des Naturlandes" behandelt. Der
Schlussabschnitt über die Litoralsteppe gliedert endlich die Pflanzen-
welt nach Verbreitungstypen, es sind Bausteine und Vorstudien zur
Florengeschichte Süd-Ost-Spaniens.
Die auf den beiden Reisen gesammelten Pflanzen sind zum grössten
Teil dem Herbarium generale des eidg. Polytechnikums in Zürich über-
geben worden (über 600 Bogen), eine Auswahl besonders charakteri-
stischer Typen habe ich meiner Vorlesungsdemonstrationssammlung
Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. |
SJ M. Rikli.
eingeordnet. Ferner hatte ich auch Gelegenheit, die von Herrn Prof.
Dr.Woodhead (Huddenfield) und von Herrn Assistent G. GeiHnger ge-
sammelte Ausbeute durchzusehen und so meine Aufzeichnungen zu ver-
vollständigen. Die Herren Prof. H. Wegelin in Frauenfeld und Dr.
H. Brockmann in Zürich waren so freundlich, mir ihre, auf einer
in der zweiten Hälfte April 1905, teils allein, teils unter Leitung des
Laboratoire Arago in Banyuls-sur-Mer, in die gleichen Gebiete aus-
geführten Studienreise gesammelten Pflanzen zur Revision und Be-
stimmung einzusenden und mir einige Notizen zu überlassen. Ausser
den eigenen umfangreichen, stets an Ort und Stelle aufgenommenen
Aufzeichnungen, standen mir endlich auch noch die Pflanzenlisten
von Herrn Assistent G. Geilinger zur Verfügung.
Bei der Bearbeitung der auf den beiden lieisen gesammelten
Pflanzen konnte ich ausser den unter der Literatur aufgeführten
Florenwerken die Herbarien des bot. Museums der Universität und
des eidg. Polytechnikums in Zürich benützen; den beiden Direktoren
Prof. Dr. H. Schinz undProf Dr. C. Schröter bin ich daher sehr zuDank
verpflichtet. Ein kleiner Rest der botanischen Ausbeute wurde endlich
mit Herrn Dr. W. Bernoulli in Basel an Hand von dessen reich-
haltigem Herbarium festgestellt. Die nur spärlich vorgefundenen
Pilze bestimmten die Herren Prof Dr. Ed. Fischer (^Bern) und Dr.
A. Volkart von der eidg. Samenkontrollstation (Zürich), letzterer
auch noch einige Gräser; Dr. Th. Herzog (Zürich) verdanke ich die
Bestimmung mehrerer Moose, Dr. J. Briquet, Direktor des botanischen
Gartens der Console bei Genf, die Revision der Labiaten und die Be-
stimmung einiger weiterer Pflanzen, zu deren sicherer Diagnostizierung
in Zürich das nötige Vergleichsmaterial fehlt; darunter fanden sich
drei Novitäten. Prof. Dr. Flahault in Montpellier übernahm die
Bestimmung dreier nur im vegetativen Zustand gesammelten Pflanzen
der Strandfelsenflora von Banyuls. Möge es mir auch an dieser
Stelle gestattet sein, für all' diese mir zu Teil gewordene sehr w^ert-
volle Unterstützung, meinen verbindlichsten Dank auszusprechen.
Bereits im Vorwort zum Neujahrsblatt ist die so junge Geschichte
der akademischen Studienreisen ins Mittelmeergebiet gestreift und
der hohe bildende Wert dieser Unternehmungen hervorgehoben
worden. Es dürfte sich aber hier empfehlen noch etwas eingehender
auf diese Studienreisen einzugehen. Nachdem Prof. Flahault 1881
einem Ruf an die Universität Montpellier gefolgt war, unternahm
er mit Studierenden seines Instituts bereits im Frühjahr 1882 die
erste botanische Studienreise nach der Riviera; er wählte damals
Antibes als Ausgangspunkt seiner Exkursionen. Schon ein Jahr
Botanische Reisestudien von der spanischen Millelmeerküsle. - 3
später leitete Flahault eine zehntägige Exkursion der französischen
botanischen Gesellschaft nach denselben Gebieten, dieser Reise schloss
sich jedoch auch wieder eine grössere Zahl von Studierenden der
Universität Montpellier an. Von 1883/1886 wurden besonders die
hohen Cevennen und das Kalkgebiet der Gausses besucht und damit
den Praktikanten eine vortreffliche Gelegenheit gegeben, den Wechsel
der Pflanzenwelt und der Formationen von der Meeresküste mit ihrer
mediterranen Flora bis zu den alpinen Charakter tragenden Hochflächen
der Cevennen kennen zu lernen. Während dreier Sommer (1887/1889)
verlegte der unermüdliche Gelehrte sein Laboratorium, je während
zwei Monaten, nach le Croisic, nordwestlich von St. Nazaire, an
die Südküste der Bretagne. Um dieselbe Zeit erweiterte er die
grosse Schlussexkursion des Sommersemesters bis in die französischen
und spanischen Pyrenäen. Seit 1894 legt Flahault einen noch
grösseren Wert auf diese Exkursionen. Von jetzt an werden sogar
alle Ferien dazu verwendet. Zur Osterzeit führt eine 17 Tage um-
fassende Studienreise bald in die Cevennen, bald ins Roussillon, wo
das Laboratoire Arago in Banyuls als Zentrum dient, oder die wiss-
begierige Schar durchwandert die unteren Regionen der französischen
und spanischen Pyrenäen. Um Pfingsten wird gewöhnlich eine zehn-
tägige Exkursion ausgeführt und zwar in die Alpen der Provence
(1895/1897), in die Montagnes des Maures (1898), in die Voralpen
der Provence und auf den Mont Ventoux (1899/1901) oder endlich
nach den spanischen Teilen der östlichen Pyrenäen (1903). Ja selbst
die Weihnachtsferien sind gelegentlich zu botanischen Studien geopfert
worden. Wiederholt wurden in dieser Zeit zehn Tage in Hyeres und
auf den Stöchaden (lies de Hyeres) zugebracht, eine seltene Gele-
genheit, die Biologie der Überwinterung vieler Pflanzen kennen zu
lernen. So ausgedehnt das Studienfeld von Flahault und seiner
Schüler bereits vor 1900 war, so betraf dasselbe doch immerhin nur
Gebiete, die von der Ausgangsstation in einer halbtägigen Reise
erreichbar waren, einzig le Croisic in der Bretagne (1887/1889)
macht in dieser Hinsicht eine Ausnahme, doch liegt diese Station ausser-
halb des Mittelmeerbeckens, zudem handelt es sich in diesem Fall um
einen längeren Aufenthalt behufs Studium der marinen Algenvegetation.
Prof. Dr. R. Chodat von Genf, der eigentliche Pionier der
grossen akademischen Studienreisen ins Mittelmeergebiet, veranstaltete
zuerst 1896 eine botanische Exkursion nach der Camargue und auf den
Mont Ventoux. Im folgenden Jahre wurde die Maurienne, der Mont
Cenis und Susa besucht. Von nun an werden mit kleinen Abände-
rungen alljährlich verschiedene Teile der französischen Riviera bereist.
Das Studium der Garigues und der mediterranen Kulturpflanzen steht
4 M. Rikli.
an erster Stelle auf dem Arbeitsprogramm. Eine der schönsten und
lehiTeichsten Studienreisen ist die nach der Küstenregion des Depar-
tement du Var, östlich von Toulon : Halbinsel de Giens, Hyeres, ile
de Porquerolles, Bai von Bormes, le Larandon. le Cavalaire, Cap negre
und gelegentlich die Montagnes des Maures. Diese wiederholt aus-
geführte Reise beansprucht eine Woche und kommt von Genf aus
auf nur 65 Franken zu stehen.
Die erste grössere akademische Mittelmeerreise fällt in die Monate
März und April des Jahres 1899. Während drei Wochen wird die
Insel Korsika von der Küstenregion bis hoch ins Gebirge mit 14
Studenten durchwandert. Die Exkursion geht von Ajaccio über Cargese
und Piana nach Evisa, über den Col de Yergio ins Niolo nach
Albertacce und Corte, dann neuerdings über das Gebirge, auf den
Col de Vizzavona und endlich nach Bastia, von wo aus die wunder-
bare Tour um das Cap Corse gemacht und endlich noch Belgodere
und Calvi besucht werden. Mit acht Spezialschülern bereist Chodat
1903 während 22 Tagen Mallorca, die Hauptinsel der Balearen. Von
Palma ausgehend wird grösstenteils zu Fuss die mallorquinische Sierra
von Andraixt bis Cap Formentor durchwandert und die höchste Er-
hebung, der Puig Major (1445 m) bestiegen: auch der südliche,
botanisch weniger interessante Teil der Insel wird besucht. Über
diese Reise publizierte Chodat zwei Jahre später, unter dem Titel
,Une excursion botanique ä Majorque" einen sehr anziehenden
und lehrreichen Bericht (14\ Schon ein Jahr später folgt Flahault.
Als Reiseziel seiner ersten grossen mit Studierenden unternommenen
Mittelmeerreise wählt auch er Mallorca. Ebenfalls 1904 unternimmt
Prof. Dr. M. Fünf stück von der technischen Hochschule in Stuttgart in
den Pfingstferien- (vom 21. bis 30. Mai) in Begleitung von 19 Studie-
renden seine erste akademische Studienreise ins Mittelmeergebiet,
das Reiseziel war die Riviera von Genua bis Marseille. Eine bessere
Zeit als Pfingsten kann man für eine derartige Exkursion nicht wohl
wählen. Ostern ist zu früh, die Vegetation noch zu sehr zurück,
dazu das Wetter unbeständiger und das Reisen in grösserer Gesell-
schaft infolge des Fremdenverkehrs schwierig und teuer. Um Pfingsten
sind die Hotel schwach besetzt, sodass man überall billige Unter-
kunft findet und ein gern gesehener Gast ist.
Im Frühjahr 1905 wurden zwei grössere akademische Studien-
reisen nach der spanischen Ostküstenregion und nach den Balearen
ausgeführt. Chodat veranstaltete mit 15 Teilnehmern, unter denen
sich auch der Schreiber dieser Zeilen befand, seine dritte dreiwöchent-
liche Mittelmeerreise. Das Studium der berühmten Huerta von Valencia
und Murcia, sowie der Litoral steppe Südostspaniens und der Dattelpalmen-
Kotanisclie Reisestutlien von der spanischen Mittelmeerküste. 5
oasen von Elche, Orihuela und Cartagena war die Hauptaufgabe
dieser sehr lehrreichen Reise. Fast gleichzeitig (vom 15. bis 30. April),
wurde von G. Pruvot von der Sorbonne wiederum eine Studienreise
nach Mallorca geleitet. Die Gesellschaft bestand aus etwa 80 Fran-
zosen, Herren und Damen; in Barcelona schlössen sich noch 35
Spanier unter der Führung von Odon de Buen, Professor der Natur-
wissenschaften an der Universität an. Unter den Teilnehmern befanden
sich auch zwei Schweizer Prof. H. Wegelin von Frauenfeld und Dr.
H. Brockmann von Zürich; die botanische Führung übernahm Professor
Flahault. Die eigentliche Reiseleitung lag dagegen in den
Händen von Dr. Rakovitza, dem zweiten Direktor von Banyuls. In
Palma veranstalteten die Herren eine ausserordentliche Versammlung
der societe zoologique de France. Es sprachen Prof. De Buen über:
La region mediterraneenne des Baleares'), Dr. Rakovitza über die
Höhlenfauna der Cueva del Drach bei Manacor und auf der Rück-
reise hielt Flahault auf dem Schiff einen zusammenfassenden Vortrag
über die Flora von Mallorca.
Das Jahr 1906 verzeichnet sogar drei grössere akademische
Studienreisen. Der Andrang zu denselben war so gross, dass nur ein
Teil der Anmeldungen berücksichtigt werden konnte; zum erstenmal wird
das Reiseziel bis nach Nord-Afrijia ausgedehnt. Prof. Dr. M. Fünfstück
verlässt am 12. März in Begleitung von 25 Studierenden Stuttgart.
Über Marseille geht es nach Algier, das während fünf Tagen als
Standquartier zu Exkursionen in die Umgebung dieser Stadt und bis
in den Atlas dient. Auf der Rückreise wird noch ein Abstecher
nach Nizza, Mentone und Mortola gemacht und am 26. März ist die
ganze Reisegesellschaft bereits wieder in München. — Im April
unternahm die französische botanische Gesellschaft unter Leitung der
Professoren Battandier und Trabut, den beiden vorzüglichen Kennern
der Flora Nord-Afrikas (1), eine Studienreise nach dem westlichen
Algerien. Die 54 Teilnehmer, meistens Professoren, Assistenten,
Präparatoren und Studierende verschiedener französischer Hochschulen,
schifften sich am 7. April in Marseille ein, am 9. April wurde in
Oran gelandet und zunächst mehrere Exkursionen in der Umgebung
dieser Stadt ausgeführt; dann ging es mit der Bahn nach Süden,
durch die Steppenlandschaften der Hochflächen der Schotts bis in das
südliche Oranais und auf der strategischen Bahnlinie, längs der
marokkanischen Grenze, bis nach dem unter dem 32. "^ n. Br. gelegenen
Ben Zireg. Unter militärischer Bedeckung wurde sogar die marok-
kanische Oase Tiguig besucht. Am 22. April erfolgt die Landung
') Odon de Buen. Excursiones per Mallorca. — Barcelona (19ü5) Pedro Toll. 37 S.
6 M. Rikli.
in Marseille. An dieser Reise beteiligten sich auch einige Schweizer :
Prof. Dr. A. Heim und die Dr. Dr. P. Arbenz, H. Brockmann,
A. Thellung. In der Zahl von 25 Teilnehmern verliess die dritte
Reisegesellschaft, meistens Dozenten und Studierende des eidg. Poly-
technikums in Zürich, am 16. März die Schweiz. Das Reiseziel war
der nördliche Teil Mallorcas, die Litoralsteppen. die Palmenoasen
Südostspaniens und die Hochsteppen der nördlichen Abdachung der
Sierra Nevada. Die Rückreise erfolgte über Granada und Madrid-
Barcelona.
Nach vierwöchentlicher Abwesenheit traf die Reisegesellschaft
am Abend des 13. April wieder in Zürich ein.
Itiuerarinm.
ü atuna
1905
1906
März
16.
Genf — Lyon
Zürich — Baden
17.
Lyon — Cette — Barcelona Baden — Genf — Lyon — Montpellier |
18.
Tibidabo bei Barcelona
Cette — Barcelona
19.
Tarragona Tibidabo. Überfahrt nach Mallorca |
20.
Tarragona — Valencia (Grao)
Palma, Exkursion nach Genova
21.
Valencia— Denia (Castellberg.)
Palma
22.
Exkursion zum Cabo S.Antonio '
Monte Mongo i
Palma — Valldemosa — Miramar
23.
Mira mar — Soller
24.
Denia *
Puerta und Barranco v. Soller
25.
Denia — Benisa ^
Soller — Santa Maria — PoUensa
26.
Felsen von Ifach, Calpe. Altea ^
Atalaya de Albercuitx
27.
Altea — Villajoyosa — Alicante "■
Pollensa — Palma
28.
Elche
Fort Bellver bei Palma
29.
Alicante — Cartagena
Palma — Ibiza (Pithyusen)
30.
La Union bei Cartagena I
3iza — Alicante — Besuch v. Elche
31.
Mar Menor
Orihnela, Sierra. Felsensteppe, Hnerta
April
1.
Cartagena — Monte Agudo (Murcia)
Orihuela (Haifasteppe) — Murcia
2.
Orihuela (Sierra)
Murcia — Baza
3.
(_)i-ihuela (Steppe) — AHcante
Baza — Guadix — Granada
4.
Alicante — Valencia
Granada
5.
Valencia — Barcelona
^
6.
Barcelona — Banyuls — Perpignan
Granada — Cordoba — Madrid
7.
8.
Perpignan — Lyon — Genf
Madrid
9.
10.
Madrid — Saragosa — Reus — Barcflomi
11.
Montserrat
12.
Barcelona — Lyon
13.
Lyon — Zürich
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste. 7
Literatur.
I. FlorenioerliC
1. Battandier et Trabut, Flore de l'Algerie. Vol. II (1888/1890).
2. Boissier Ed., Folra orientalis. Bd. I (18fi7) bis Bd. V(1S84), Suppl. 1S88.
3. Bonnier et de Layens, Flore de France. Tal)ellarische Flora mit 5291 kleineren
Figuren im Text.
4. Fiori Adr. e Faoletti G., Flora anahtica d'Italia, Padova 3 Bde. 1896/1905 e
Iconogra|)hia,
h. Grenier et Godron, Flore de France. 3 Bde. (1848/1856).
6. Halacsy E., de Conspectus florae graecae, vol. I (1901) bis 111 (1904).
7. Lazaro et Ibiza, Botanica discriptive. 2 Bde. Lisboa 1896. Compendio della
flora espaöola, mit Abbildungen.
8. Loret et Barran.don, Flore de Montpellier. 2 Bde. (1876).
9. Mares F. et Vigineix G., Catalogue raisonne des plantes vasculaires des lies
Baleares (1880).
10. Xyman C. Frid., Conspectus florae europaeae (1878/1882).
11. Rouy G., Flore de France, vol. I (1893) bis VIII (1903).
12. Willkomm M. et Lange J., Prodromus florae hispanicae, 3 vol. und Suppl.
(1861/1880).
II. Eeiseberlchte, Botanische Motiograplüen etc.
13. Boissier E d., Voyage botanique dans le midi de l'Espagne, 2 vol., Paris 1839/1845.
14. Chodat R., Une excursion botanique ä Majorque, Bulletin des travails de la
societe botanique de Geneve, XI p. 19 bis 199 (1905).
15. Fischer Theobald, Die Dattelpalme, Petermanns Mitteilungen, Ergänzungs-
heft 64 (1881).
16. Fischer Th., Der Ölbaum, seine geographische Verbreitung, seine wissenschaft-
liche und kulturhistorische Bedeutung, Petermanns Mitteilungen, Ergänzungs-
heft 174 (1904).
17. Hartwich C, Frühlingsferien in Spanien, ein paar Tagebuchblätter, Apotheker-
Zeitung 1906.
18. Keller C., Eine Frühlingsfahrt nach den Balearen, N. Z. Z. 1906, 47 S.
19. Müller Eug., Über die Korkeiche, Abh. d. k. k. geographischen Gesellschaft in
Wien, Bd. II (1900) 239 ff. mit einer Karte und zwei Tafeln.
20. Oettli Max, Über den Wurzelort von Poterium ancistroides Desf. Bericht IX
der zürch. bot. Gesellschaft (1903/1905).
21. Rein J., Geographische und naturwissenschaftliche Abhandlungen zur 400 jährigen
Feier der Entdeckung Amerikas. Leipzig, W. Engelmann fl892).
Besonders beachtenswert sind folgende Kapitel :
a) Kork und Korkeiche, p. 137 bis 157, b) Die Steineiche und die spanische
Schweinezucht, p. 158 bis 168, c) Die Albufera von Valencia, das Mar Menor
und die Sierra de Cartagena, p. 169 bis 181, d) Grundlagen und Eigenart der
spanischen Landwirtschaft, p. 182 bis 219, e) Über den Reisbau und einige
andere bemerkenswerte Kulturen der Provinz Valencia, p. 220 ff.
22. Rikli M., Botanische Reisestudien auf einer Frühlingsfahrt durch Korsika,
Vierteljahrsschrift der naturforsch. Gesellsch. in Zürich, Jahrg. XLVII (1!>()2),
Heft 3/4.
23. Rikli M., Spanische Reiseerinnerungen. Feuilleton N. Z. Z., Oktober 1906.
8 M. Rikli.
24. Rikli M., Kultur- und Naturbilder von der spanischen Riviera mit sechs Tafeln
und einer Textillustration, Neujahrsblalt der naturforschenden Gesellschaft in
Zürich auf das Jahr 1907, 109 Stück (1907).
25. Rikli M., Spanien, Vegetationsbilder, herausgegeben von G. Karsten und H. Schenk.
Fünfte Reihe, Heft 6 (1907).
26. Ross massier E. A., Reiseerinnerungen aus Spanien. Bd. I/II, Leipzig 1854.
27. Rouy M. G.. Excursions botaniques ä Jativa, ä Valldigna, ä la Sierra Mariola.
Bulletin de la societe botanique de France. XXYIII (1881) et XXIX (1882).
28. Rouy M. G., Excursions a Orihuela, Murcia, Hellin, Yelez — Rubio, Madrid et
Irun. Revue des sc. nat. vol. 1882 et 1883.
29. Rouy M. G., Excursions botaniques en Espagne — Denia, Bulletin de la societe
botanique de France. T. XXXI (1884) p. 33 bis 41 und 52 bis 56.
30. Tili enen- Adle rfly cht Karl, Freiherr von. In das Land voll Sonnenschein,
Bilder aus Spanien. Berlin 1861.
31. Trabut L.. Etüde sur l'Halfa (Stipa tenacissima), Alger 1889.
32. Unter Palmen : Über Elche mit acht Abbildungen. - Die Welt. Bd. X. No. 26-
vom 19. März 1905.
33. Willkomm M.. Die Strand- und Steppengebiete der iberischen HalbinseL
Leipzig 1852.
34. Willkomm M., Spanien und die Balearen (mit botanischen Notizen im Anhang).
Bibliothek für Wissenschaft und Literatur, Bd. II, Leipzig (1878).
35. Willkomm M., Die pyrenäische Halbinsel, 3 Bde., 1884 bis 1886.
36. Willkomm M., Grundzüge der Pflanzenverbreitung auf der iberischen HalbinseL
Bd. I von Engler und Drude: Vegetation der Erde (1896).
Zeichenerklärung.
Ein Dreieck (^) vor einem Pflanzennamen bezeichnet die Arten, welche durch
das ganze Mittelmeergebiet verbreitet sind ; ein fetter Punkt (•) bezieht sich auf
Pflanzen, welche im Mittelmeergebiet und in Mitteleuropa vorkommen. Ein fettes Dreieck
-(^) kennzeichnet diejenigen Mittelmeerpflanzen, die bis in den äussersten Orient,
Arabien, Mesopotamien, eventuell bis Persien und Vorderindien verbreitet sind.
Ein Ausrufungszeichen (!) verweist auf die anthropochoren Elemente, jedoch wird
dieses Zeichen nur innerhalb des fortlaufenden Textes, nicht aber bei Pflanzenlisten,
in denen die Ruderalflora immer gesondert aufgeführt ist, verwendet.
(fol.) = nur im vegetativen Zustand, ohne Blüten und Frucht beobachtet oder
gesammelt; (fr.) — in Frucht; (fl.) = blühend, im Text jedoch meist nicht be-
sonders hervorgehoben, sodass eine Pflanze, die weder mit (fol.) noch mit (fr.) be-
zeichnet ist, von uns blühend beobachtet Avurde. Die Bezeichnung (fl.) fr. bedeutet
somit, dass die betreffende Pflanze am verblühen war und bereits schon mehr oder
weniger entwickelte Früchte besass.
Die eingeklammerten Zahlen (1) bis (36) verweisen auf die Literatur.
Vierteljahrsschritt der Naturf. Ges. Zürich, Jahrg. 52. 1907.
Taf. II.
Fhot : S. eil will l.
Fi(j. '2. Fel.SLMiheide bei Denia.
Windformen vom Johannisbrolbaum (pag. 39).
Pliul.: R. Cliodnt.
Fig. 3. Verkarsteter Gipfel des Mt^ Mongo
bei Denia (pag. 45).
/•/,„(..■ /;. riiuihU.
Fig. 4. Punta de Ifacli bei Calpe.
Blick von Calpe gegen Südosten (pag, 57).
I. Das Naturland.
A. Spezieller Teil: — Exkursionsberichte.
1. Mont St. Clair von Cette.*)
17. 111. 19Ü.Ö.
Der Mont St. Clair ist ein durch Dünen landfest gewordenes
Felsenriff, welches sich unmittelbar südwestlich über Cette auf der
Nehrung zwischen dem fischreichen Etang de Thau und dem Golf
du Lion erhebt; er erreicht eine Meereshöhe von 180 m. An seinem
Nordostabhang baut sich die Villenvorstadt von Cette amphithea-
tralisch auf. Die zahlreichen Landhäuser liegen mitten in üppigen
Gärten, welche leider von hohen epheubekleideten Mauern umgeben
und so zum grössten Teil den Blicken entzogen sind. Nur einzelne
Gruppen von Steineichen (^Quercus Hex L.) und Lorbeergebüsche,
die dunkle, düstere Säule einer Cy]^r esse (^Cupressus sempervirensh.),
die schirmförmig ausgebreitete Krone einer Pinie (^Pinus pitiea L.)
oder wieder ein kleines Wäldchen von Aleppoföhren (-P. halepensis
Mill.; mit ihrem aufgelösten, lockeren Nadelwerk ragen über das
Gemäuer empor.
Ein gepflasterter Weg führt zu einem kleinen, den Gipfel des
Hügels krönenden Wallfahrtskirchlein, in dessen Umgebung noch einige
spärliche Reste der ursprünglichen Flora erhalten geblieben sind.
Der Boden ist flachgründig und steinig, überall tritt der anstehende
Fels zutage. Vor der immer mehr anstürmenden Kultur hat sich
hier nur noch eine kümmerliche, sehr verarmte Garigue und eine
kaum weniger dürftige Felsenheide zu behaupten vermocht.
Unter den Sträuchern überwiegt die Kermes-Eiche (^Que)'cus
coccifera L.>, eine durch das ganze Mittelmeergebiet verbreitete
immergrüne Holzpflanze, die meistens sparrige nur wenige Fuss hohe
Gestrüppe bildet, dagegen selten baumartig entwickelt ist. Öfters
sind sogar die Zweige mit ihren kleinen, kahlen, dornig gezähnelten
Blättchen mehr oder weniger dem Boden angepresst. Dazwischen er-
hebt sich bereits in voller Blüte derSchwarzdorn (Prunus spinosa h.)
und das Harnkraut (^Osijris alba L.) entwickelt schon seine langen,
dünnen, rutenartigen Sprosse; dagegen sind von Lavamlula latifoUa
Vill, und der Filzpflanze Helichrysum stoechas DC. erst die Blätter
vorhanden. Zwischen den Steinen, aus allen Felsritzen, ganz be-
sonders aber aus dem immergrünen Kleingebüsch sprosst die ver-
zweigte Zwenke ('Braclujpodiunt raniosuni [L.] Rom. et Schult.^
*) Literatur Nr. 8.
10 M. Rikli.
jfol.Jyi empor. In mehr oder weniger gedrängten Scharen entsendet
die unterirdisch kriechende, stark verzweigte Grundachse dünne aber
steifliche Äste mit dicht zweizeilig gestellten, derben und glauken
Blättern, Zwei Schlinggewächse, die Stechwinde- (Smilax aspera
L. [fol.], mit ihren Nebenblattranken und die spitzblätterige Spargel ^
{Asparagus acutifolius L. [fol.]>, ein unbewehrter Spreitzklimmer
mit kurzen, derben, fast stechenden, nadelartigen Phyllokladien durch-
setzen das niedere Gebüsch. Dazu gesellen sich zahlreiche Kräuter,
die jedoch meistens noch nicht in Blüte stehen, dagegen öfters Reste
der vorjährigen Fruchtstände tragen. Es dominiert entschieden die
Frühblütler-Familie der Cruciferen. Viele Vertreter dieser Familie
sind sogar schon im jungen Fruchtzustand, so die einjährige * Hut-
chinsia petraert (L.) R. Brown und eine der allgemein verbreitetsten
und gemeinsten Mittelmeerpflanzen, -Lobidaria maritiina Desv., eine
Pflanze von grosser Anspruchslosigkeit und Anpassungsfähigkeit,
ursprünglich ein Bestandteil der Strandflora und der Felsenheide,
wird sie jedoch häufig als apophy tischer Ansiedler angetroffen ; die
Kreuzblütler sind ferner noch vertreten durch *Eroj)hila verna (L.)
E. Mey !, CapseJla bnrsa pastoris (L.) Mönch!, * Sisymbrium ofß-
cinale (L.) Scop. ! *DipJotaxis niuralis (L.) DC. ! *Erucastrum
obtusanyuJiu}» (Schleich.) Rchb. ! ^Cltpeola Jo/ifhiasjji L.l, dazu ge-
sellen sich zwei Zwiebelpflanzen: **'Mi(scan' comosum (L.) Mill.
und *^M. neglecium Guss. und die Blattbüschel des Wurzelknollen-
gewächses ^Aruni ifalicii?)i Mill., dann die stattlichen Büsche der
Euphorbia characias\ L. und ruderal *^E. peplis L. und *^ E.helio-
scopia L. ! An Mauern wuchert, ähnlich wie bei uns das Cymbelkraut,
die ^Veronica cymbalaria Bod. mit ihren kleinen weisslichen Blüten
und den ebenfalls negativ heliotropen Fruchtstielen, auch das Glaskraut
*^Parietaria officinalis L. v. rafiiifiora Mönch! hält sich an das
Gemäuer. Zwischen Steinen haben sich angesiedelt: Phoitago cynops
L.! und*^P. coronopus L. !, der schierlingsblätterige Reiherschnabel
{*^ ErodiuDi ciciifariifni (L.) L'Herit!), die sukkulenten Blattrosetten
einer Fetthenne {^Seduni alfissimiDu Poir. [fol.]) und die Filzpflanze
* ^ Marrubiwn vulgare L. !, auch die Kompositen fehlen nicht, sie
sind vertreten durch -Inula viscosa Ait. ! und - Carlina corymbosa
L., beide tragen noch vorjährige Fruchtköpfchen, ferner **' Senecio
vulgaris L. !, Layoseris nemausensis K. ! und die Mariendistel
{* ^ SilybuniMarianwn [L.] Gärtn. !) welche obwohl noch nicht blühend,
leicht an den schön gezeichneten, weissgefleckten grundständigen Blatt-
rosetten zu erkennen ist.
Diese Liste umfasst somit 34 Arten, davon sind 19 typisch
mediterran, immerhin erreichen ^Aruni italicuin Mill. und * Hut-
Botanische Reisestudien von der spanisclien Mittelmeerküste. 11
dünsUi petraea (L.) R. Brown, auch noch die Südschweiz. Von diesen
mediterranen Pflanzen sind 14 Species (73, 57o) durch das ganze
Mittelmeerbecken verbreitet, ja mehrere derselben besitzen sogar
noch ein grösseres Verbreitungsareal, indem sie zum Teil längs der
Küste Westeuropas bis nach England ausstrahlen, (Hutchi)isi(i. Phm-
tayo coronopus L.j oder westlich die kanarischen Inseln erreichen
(^Asparagus acutifoUus L., ^Lobularia maritima Desv., Plantago
coronopus L.>; elf Arten (*) dringen bis weit in den Orient vor.
HeUdinjsum stoechas DC. und Lacandula latifolia Vill. sind
dagegen westlich mediterrane Arten, deren Ostgrenze in Dalmatien
erreicht wird, letztere Pflanze fehlt auch in Nord-Afrika. Schon in
Italien erreichen dagegen ihre Ostgrenze: Euphorbia characins L.
aus dem Verwandtschaftskreis unsere E. cnnygdcdoides L., diese im
Süden ersetzend und Plantago cynops L ; beide fehlen ebenfalls in
Nord- Afrika, finden sich dagegen merkwürdigerweise wieder in einem
weit vorgeschoben östlichen Vorposten, auf der Insel Kreta. Einzig
Lagoseris noiiausensis K. (= Pterotheca nem. Cass.) besitzt ein
engbegrenztes Verbreitungsgebiet, dessen Zentrum in Südfrankreich zu
suchen ist, von hier strahlt die Pflanze einerseits nach Catalonien,
anderseits bis nach Ligurien und Korsika aus. — Ruderal, auf dem
Pflasterweg oder auf Schuttstellen, an Mauern etc.. treten nicht
weniger als 18 Arten auf.
Als Gesamtcharakter dieser Florula ergibt sich somit: es ist
eine ausgesprochene Mischflora: mitteleuropäische und mediterrane
Elemente sind nahezu gleich stark vertreten. Der mediterrane Floren-
bestandteil umfasst zudem hauptsächlich nur allgemein verbreitete
Mittelmeerpflanzen, der spezifische Charakter der Florula wird durch
die ^äer westlich mediterranen Arten und Lagoseris nemausensis K.
bestimmt. Besonders bezeichnend ist endlich die ungewöhnlich grosse
Zahl von Ruderalpflanzen. sie umfasst mehr als die Hälfte der auf-
genommenen Pflanzenliste (53 ^o), den Hauptkontingent stellen die
mitteleuropäischen Arten. Dieses Hineinfluten von Anthropochoren
in die ursprünglichen Formationen der Felsenheide und Garigue ist
«in ganz rezenter Vorgang, eine Folge der Ausbreitung der Stadt
nnd des Kulturlandes in deren Umgebung. Dieser Vorgang hat nicht
nur eine Verarmung der ursprünglichen Flora zur Folge; an Stelle
mediterraner Arten stellen sich nordische Elemente ( Senecio ruigaris.
Erophila, Capsella, Euphorbia helioscopia etc.) ein und anpassungs-
fähige Pflanzen von grossem Verbreitungsareal gewinnen mehr und
mehr die Oberhand. So verändert sich das gesamte pflanzengeogra-
phische Fazit. Die Flora wird trivialer und erhält ein mehr nordisches
Gepräge.
12 M. Rikli.
2. Banyuls-sur-Mer.
6. IV. 1905.
Banyuls-sur-Mer liegt am Ostende der Pyrenäen, in nächster
Nähe der spanischen Grenze. Am Hafen befindet sich, als Zweig-
anstalt der Sorbonne, eine maritime Versuchsstation, deren Besichti-
gung in erster Linie unser Aufenthalt -galt. Die zur Verfügung
stehende Zeit erlaubte jedoch noch einige kleinere Exkursionen in
die nächste Umgebung, die nach drei Richtungen von Interesse waren.
a) Vor den Verheerungen durch die Phylloxera war der Wein-
bau die Haupterwerbsquelle von Banyuls, auch neuerdings wird die
Rebe wieder in grösserem Masstab angepflanzt; doch sieht man.
überall an den Gehängen der Hügel viele ehemalige Rebterrassen
noch völlig brach liegen. Aus den benachbarten Felsenheiden und
Garigues wanderten nun Elemente der einheimischen Flora aus und
besiedelten den frei gewordenen Boden. ^Lavandula stoechas (L.)'
Cav., eine ein bis anderthalb Fuss hohe graufilzige Staude hat oft in
beinahe reinen Beständen vom Boden Besitz genommen und befindet
sich nun vielfach im Alleinbesitz der ursprünglich für den Weinbau
errichteten Terrassen. Grosse Teile des ehemaligen Reblandes sind
von der Lavendel so dicht bedeckt, dass man beinahe an Reinkulturen
erinnert wird. Einzig ^'Lepidiiim Draha L. gesellt sich stellenweise
noch in grösserer Menge bei. Diese gewaltige Invasion der ^Lavan-
dida stoechas (L.) Cav. nach den verlassenen Rebterrassen ist ge-
radezu ein klassisches Beispiel für eine Apophyte; d. h. für eine
Pflanze, welche ursprünglich einen autochthonen Florenbestandteil
natürlicher Formationen bildete und nun auf Kulturland übergegangen
ist. Die Lavendel ist hier somit zur Anthropochore^) geworden.
Diese Pflanze verdient aber noch in anderer Hinsicht Beachtung.
Sie verbreitet einen angenehmen süsslich- aromatischen Geruch und
die unscheinbaren Blütenähren werden von einem Schopf stark ver-
grösserter, intensiv gefärbter Deckblätter überragt. Dieser auffällige
Schauapparat dient zur Anlockung von Bienen, denn die Lavendel ist
eine vorzügliche Bienenblume. Dass unter den Exportartikeln von
Banyuls in zweiter Linie der Honig steht, verdankt der Ort wohl
hauptsächlich dem- massenhaften Auftreten der ^Lavandida stoechas
(L.) Cav.
h) Die umgel)enden Hügel sind teilweise noch mit lichten immer-
erünen Eichenaehölzen bedeckt. Neben der Steineiche tritt zum
^) Siehe Rikli M., Die Anthropochoren und der Formenkreis des Nasturtium
palustre DC. Bericht VIII der Zürcher, botanischen Gesellschaft 1901/1903, p. 71 bis S-2.
Woodhead T. W., Classification of ahen plants according to origin. The
naturalist. April 1906.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittehneerküste. 13
erstenmal die Korkeiche (Quercus suher L.J auf. Die beiden
Eichen bilden bald reine Bestände, bald treten sie zu Mischwäldern
vereinigt auf, gelegentlich mengt sich denselben auch die Aleppo-
kiefer bei. Diese Korkeichenwaldungen der Landschaft Roussillon
umfassen 1928 ha., d. h. ca. 13" o der Korkwälder Frankreichs. Gegen-
über der Provence mit 113,600 ha., der Gascogne mit 24,100 ha.
und Korsika mit ca. 9000 ha. Korkeichenwälder kommt somit das
De'p. des Pyrenees orientales in vierter und letzter Linie: dagegen
soll nach dem Annuaire statistique de la France (1880) dieses Gebiet
den besten französischen Kork liefern (19).
Im Unterholz dieser Wälder breitet sich die Garigueformation
aus. Der -Rosmarin steht schon in Blüte, dort prangt das inten-
sive Gelb des Stechginsters (LUex australis Clem.^, hier das leuch-
tende Orange der westmediterranen Genisfa candicans L. ; beide
sind bereits in v-oller Anthese und in so verschw^enderischer Weise
mit Blüten überdeckt, dass das Laubwerk fast ganz verschwindet.
Dr. H. Brockmann sammelte, ebenfalls im April 1905, auch noch
^ Cistus sali'ifoUus L. und die zierliche ^Linaria PeJUserinJin MilL;
in Weinbergen ^^Liuarla arvensis Desf. und an frischen Orten die
^Arisfoloch/a rotuuda L. Auch ^Lavaudula stoechas (L.) Cav.
fehlt nicht. Von diesen Begleitpflanzen der Korkeichenwaldungen
beansprucht einzig der kleinblütige Stechginster besonderes Interesse.
Die Gattung Ulex hat ihr Bildungs- und Massenzentrum auf der
iberischen Halbinsel. Von ca. 24 Arten sind 15 in Portugal und
Spanien endemisch und nur vier Arten überschreiten im Norden die
Pyrenäen. Von diesen dringt unsere Art am wenigsten weit vor,
sie hält sich streng an den Küstensaum Südfrankreichs, ihre Ost-
grenze wird schon auf der Insel St. Marguerite bei Cannes erreicht.
Ulex australis Clem. ist hauptsächlich ost- und südspanisch, wo sie
überall massenhaft auftritt. Wir haben sie auf unserer Reise durch
die spanische Riviera in allen Garigues und in den meisten Mac-
chien angetroffen und selbst auf der Felsenheide fehlt sie vieler-
orts nicht. Im Süden geht diese Art bis hoch ins Gebirge. Auf
unserer Fahrt von Baza nach Guadix trafen wir Ulex australis Clem.
noch auf den der Sierra Nevada vorgelagerten Hochsteppen bei 1220 m.
Nach Boissier und Willkomm soll dieser Stechginster in der Sierra
Nevada sogar bis gegen 1800 m ansteigen.
c) Ein überaus heftiger Mistral, gegen den nur mit Anstrengung
aller Kräfte anzukämpfen war, hält uns jedoch nicht ab, die Strand-
felsen abzusuchen. Die Flora der Aussenküste w^ar zwar noch sehr
zurück, aber die alte Erfahrung, dass die Strandfelsenflora reich an
biologisch und pflanzengeographisch interessanten Arten ist, hat
14 M. Rikli.
diese kleine Exkursion neuerdings bestätigt. Die Florula besteht fast
nur aus drei Arten, welche jedoch in grosser Menge spalierartig den
Boden überziehen oder selbst grössere kompakte Polster bilden. Alle
drei Arten besitzen grasartige, derbe Blätter und gestaute verholzte
Grundachsen oder längere holzige Kriechtriebe. Diese drei Arten
sind: ^Camphorosma monspeliaca L. (fol.), in einer sehr xerophy-
tischen, auffallend stark wollig-filzigen Ausbildung. Prof. Flahault
hatte die Güte uns mitzuteilen, dass die gesammelten Belegexemplare
noch der Winterform der Pflanze entsprechen. Diese eigentümliche
Chenopodiacee ist reich verzweigt, die zahlreichen holzigen Seiten-
triebe sind spalierartig über den Boden ausgebreitet. Die schmal-
linealen, nadelartigen, ca. 5 mm langen, graugrünen, etwas fleischig
und wolligzottigen Blättchen stehen dicht gedrängt, zu kleinen kuge-
ligen Knöspchen und Rosetten vereinigt, welche sich gelegentlich vom
Mutterstock loslösen und selbständig bewurzeln. Das Kampferkraut
hat eine zirkummediterran-orientalische Verbreitung; die sechs übrigen
Arten der Gattung sind alles Steppen- und Strandpflanzen Vorder-
asiens, welche bereits in Griechenland ihre Westgrenze erreichen.
Plantago subulata L. hat schon junge Blütentriebe entwickelt, sie
gehört zum Verwandtschaftskreis der P. serpentina Vill. und besitzt
ein sehr zerrissenes Verbreitungsareal. Innerhalb desselben zeigt sie
Neigung, lokale Rassen von mehr oder weniger abweichendem Aus-
sehen zu bilden. Die als Typus betrachtete Pflanze findet sich
einerseits in den Küstengebieten der östlichen Pyrenäen, zwei isolierte
Fundorte sind noch in Catalonien (Montjuich bei Barcelona) und im
südöstlichen Zipfel Neu-Castiliens (Sierra de Alcaraz, im Quellgebiet
des Quadalquivir) bekannt; anderseits ist sie auch in Süd-Italien,
Sizilien und Sardinien verbreitet. Ein var. granatensis Willk. gehört
der Sierra Nevada und der Sierra d'Estrella an und die var. insularis
G. G. der Berge Korsikas soll auch in den Gebirgen Griechenlands
wiederkehren. Die letzte Art Plantago recurvata L. (fol.) = P. ca-
ri/iafa Schrad. endlich ist ein verbreiteter Bestandteil der Strand-
felsenflora der nördlicheren Teile des Mittelmeergebietes, sie geht bis
ca. 1500 m in die Bergregion, fehlt aber Nord- Afrika.
3. Zur Flora des nördlichen Cataloniens.
(Port-Bou — Barcelona)
17. III. 190.5; 18. III. 1906.
Ohne die menschliche Kulturarbeit wäre das nördliche Catat
lonien ein ausgedehntes Waldland. Selbst heute sind noch
grosse Teile dieser Provinz mit Wald bedeckt und zwar hauptsächlich
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste. 15
mit lichten Mischwäldern, in denen verschiedene Eichen und
Kieferarten vorherrschen. Die fünf Hauptvertreter dieser Waldungen
sind: Die Korkeiche, (Quercus suhcr Lj, die Steineiche (-^Quercus
ih'.r li.}. die Flaumeiche (*Quercii.s huniyinosd Lam.^), die einen
wesentlichen Gemengteil fast aller Waldungen Kataloniens bildet und
endlich zwei Nadelhölzer: die Aleppokiefer (-Piniis ]i(tlepensisM\\\.)
und die Pinie (^Pinus pinca Lj, welche oft als Einzelbaum, nicht
selten auch horstweise, jedoch nur ausnahmsweise in grösseren Beständen
auftritt. Diese „ Naturwälder " bekleiden die oberen Teile fast
aller Berge und Hügel des nördlichen Cataloniens. In den feuch-
teren Niederungen längs der Küste und zu beiden Seiten der Fluss-
täler erstreckt sich das Kulturland ; doch fehlt selbst hier der Wald
nicht ganz. Von den Olivenhainen, die aus einiger Entfernung
einen völlig waldartigen Eindruck erwecken, abgesehen, erheben sich
hier zahlreiche, grössere und kleinere Pappel Wäldchen (^Populus
albahj. Es sind das jedoch keine „Naturvvälder" mehr, denn dieselben
werden in regelmässiger Betriebsweise abgeholzt und wiederum aufge-
forstet. Die Pappeln stocken besonders auf Schwemmlandsboden, sie
werden in langen Reihen angepflanzt; ihr Holz findet in der Tischlerei
mannigfache Verwendung. Im ersten Frühling, wenn die Weisspappeln
noch nicht belaubt sind, ist der Blick von einem der höheren Berge
Cataloniens. etwa vom Montseni oder vom Montserrat sehr eigenartig.
Die vielen dunklen Flecke, welche über das noch kahle oder durch
hellgrüne Töne gekennzeichnete Kulturland zerstreut sind, nehmen
sich von unserer hohen Warte wie ein Panterfell aus.
In allen „Naturwäldern " Cataloniens wird das Unterholz von sehr
artenreichen Macchien, in Spanien moute bajo genannt, gebildet:
dieselben erreichen jedoch nie die Üppigkeit der korsischen Macchien,
wie ich sie auf meiner Reise im Frühjahr 1900 kennen gelernt habe (22).
Diese Mischmacchien stehen in der zweiten Hälfte März schon in
schönster Blüte, um diese Zeit überwiegen die Gelbblütler. sowohl
nach der Art-, als auch nach Individuenzahl. Reine Macchien als
selbständige Formation haben wir in Catalonien nur am Mont-
serrat angetrofi'eu. Im Bergland, nördlich von der Mündung des Ebro,
scheint der monte bajo fast nur als Unterholz der Wälder aufzutreten.
Die Hauptmasse dieser Macchien bilden immergrüne, mediterrane
Arten. Hieher gehören: Die Baumheide ('Erica (trbored L.; fl. III/IV,
rötlich-weiss ; die Besenheide (Erica scoparia L.; fl. XII — VI, gelb-
lich-grün: der Mucchio fol., (^Cistus mouspeliensis L.) fl. IV/V»
weiss; der Erdbeerbaum. fol. ( -Arhutus unedo L.> fl. X— II, weiss;
der Rosmarin ( Rosmariuus officinalis h.) fl. III V. blau; der vor-
wiegend westmediterrane lorbeerartige Schneeball ( Vibiirnuin fin/isL.}
16 M. Rikli.
fl, III — VI, weiss; die schmalblätterige Steinlinde, fol. (^PhiUyrea
angustifolia h.) fl. IV/V, gelblich grün ; seltener sind die Myrte, fol.
(^Myrtus coniniunis lt.) fl. VI— X, weiss und der Granatapfelbaum,
fol. (^Punica granatum L.j fl. V/VI, rot. Dazu gesellt sich nun
eine ganze Reihe von Pflanzen, von ebenfalls hauptsächlich medi-
terraner Verbreitung, aber mit sommergrüner Belaubung. Es sind
fast alles gelbblütige Papilionaceen : der Besenstrauch, fol. (*Saro-
tliamnus scoparius (L.), Wimmer .^ fl. V/VI; der stachelige Ginster
(Genista sco?j)ius DC.) fl. II — VI ; diese beiden Pflanzen sind be-
sonders häufig, dann: der Dornginster (Calycotome spinosa Link.^
fl. III — VIII und der kleinblütige Stechginster (Ulex australis Clem.^
fl. III— VI.
Eine ganz besonders auffallende Erscheinung ist nun aber, dass
diesen Macchien eine stattliche Zahl sommergrüner Arten
Mitteleuropas beigemengt sind. Nach der Zahl der Arten erreicht
die Liste derselben beinahe die Zahl der immergrünen, mediterranen
Bestandteile des Unterholzes, an Individuenzahl treten sie jedoch
meistens stark zurück. Nur der sparrige Schwarzdorn (^* Prunus
spi)iosa L.) fl. III, der bereits Mitte März über und über mit seinen
weissen Blüten bedeckt ist und sich aus der dunklen Umgebung der
immergrünen Hartlaubgehölze besonders wirkungsvoll abhebt und
Gebüsche der Flaumeiche (*Quercus lanuginosa Lam.> sind in so
grosser Menge vorhanden, dass sie wenigstens stellenweise geradezu
zu physiognomischer Bedeutung gelangen. Eine untergeordnetere Rolle
spielen dagegen die Besenheide (Calluna vulgaris Salisb.^, die
Stechpalme (^*Ilex aquifoUum L.y, der Flieder (^*Ligustrum
vulgare L.j, der Hornstrauch (Cornus sanguinea L.J und der Weiss-
dorn (* Crataegus monogyiia Jacq.^.
Ja selbst den Wäldern mischen sich, besonders in der Küsten-
region, sommergrüne Elemente bei: Fraxinus excelsior L., Ulmus
campestris L., *Sorbus domestica L., *Populus canesceus Sm. und
selbst Fagus silvatica L. fehlt nicht; in einiger Entfernung von der
Küste dringt die Buche sogar bis zum Becken von Teruel (40" 10, n. Br.)
nach Süden vor. Die Mengung immergrüner mediterraner
und sommergrüner mitteleuropäischer Arten ist somit für
die Waldungen der Provinz Gerona geradezu bezeichnend.
Schon in der Umgebung von Barcelona treten, wie wir bald sehen
werden, die mitteleuropäischen Elemente stark zurück. Übergänge
vom sommergrünen zum immergrünen Typus sind übrigens nicht
gerade selten. * ^ Ligustrum vulgare L. überwintert selbst bei uns
öfters mit grünen Blättei'n, die erst mit der Entfaltung der neuen
Blattgeneration im nächsten Frühjahr abgeworfen werden. In Villa-
Clh
O!
Botanische Reise^sludien von der spanischen Mittelmeerküsle. 17
joyosa sahen wir an einer Weisspappel (Populus alba L.) einen Zweig,
der neben den jungen zarten diesjährigen, noch einige derbe vor-
jährige Blätter trug.
Die befriedigenden Bewaldungsverhältnisse und das zahlreiche
Auftreten sommergrüner Bäume und Sträucher verdankt Nord-Cata-
lonien seinen verhältnismässig reichlichen Niederschlägen. Die mittlere
jährliche Regenmenge schwankt zwischen 60 und 90 cm, schon in
Barcelona beträgt dieselbe nur noch 57 cm. Diese ausreichenden Nieder-
schläge machen auch Bewässerungsanlagen, wie sie für die Provinzen
Valencia, Alicante und Murcia so bezeichnend sind, überflüssig oder
doch nur stellenweise notwendig. Auch das Vorkommen der Macchien
selbst bringt den relativen Regenreichtum zum Ausdruck; im Süden
fehlen an der Ostküste bis nach Andalusien typische Buschwälder
fast ganz. Einzig der Südabfall der Sierra Nevada und das süd-
liche Portugal besitzen wieder ähnliche Niederschlagsverhältnisse wie
das nördliche catalonische Bergland, sie haben dementsprechend auch
einen ähnlichen Vegetationscharakter. In diesen beiden Gebieten finden
sich denn auch die übrigen Korkeichen distrikte der iberischen Halbinsel,
nämlich um Malaga, Cadix, Sevilla, Huelva und besonders in der Sierra
Aracena, im westlichen Teil der Sierra Morena.
Mit Ausnahme der nordatlantischen Klimaprovinz (nördliche Ab-
dachung des cantabrischen Gebirges, Galizien, Nord- und Mittel-
portugal; mittlere jährliche Regenmenge 90 bis 160 cm) leidet dagegen
der grösste Teil der iberischen Halbinsel an grosser Trockenheit
{mittlere jährliche Regenmenge nur 25 bis 50 cm). Diese ungenü-
genden Niederschläge verhindern das Aufkommen des Waldes, das
Land nimmt daher mehr und mehr Steppencharakter an.
Bei der Zusammensetzung der Pflanzenwelt des nördlichen Cata-
loniens sind folgende Florenelemente beteiligt: es überwiegen die
allgemein verbreiteten mediterranen Arten, denen jedoch noch zahl-
reiche mitteleuropäische Pflanzen beigemengt sind ; spärlich vertreten
sind die westlich-mediterranen Elemente. Pyrenäenpflanzen finden
sich besonders auf den höheren Bergen in grösserer Menge, doch
nimmt ihre Zahl nach Süden rasch ab. Ganz besonders tritt jedoch
gegenüber den südlichen Provinzen der endemische und nordafri-
kanische Florenbestandteil sehr stark zurück.
4. Exkursion auf den Tibidabo bei Barcelona.
18. III. 19U5 und 19. III. 190G.
Nordwestlich von Barcelona erhebt sich der Tibidabo, ein Vorberg
des catalonischen Berglandes zu einer Meereshöhe von 532 m. Der
Tibidabo ist ein sehr beliebter, vielbesuchter Ausflugsort der Barce-
Vierteljahrsschrlft <\. Xaturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. -2
18 M. Rikli.
lonesen und für uns in doppelter Hinsicht lohnend, weil diese halb-
tägige Exkursion uns einen Einblick in den Florencharakter der
Umgebung von Barcelona gestattete und weil dessen Gipfel eine
weite Aussicht auf das Fruchtbecken des Llobregat, auf die Gross-
stadt und deren Hafen, sowie auf das sich im Westen und Nbrden
ausdehnende Gebirgsland eröffnet. Bis an den fernen Horizont reiht
sich in dieser Richtung Gebirgswelle an Gebirgswelle. alles ausge-
glichene, abgerundete Formen, dem Typus einer alten Gebirgslandschaft
entsprechend. Doch dort erhebt sich der Montserrat als ein ganz
fremdes Element im Landschaftsbild, einem aus dem monotonen
Gebirgsmeer emporragenden, wildzerrissenen, zackigen Kalkriffe ver-
gleichbar, das alles weit überragt und das unwillkürlich zum Fix-
punkt wird, auf dem der Blick haften bleibt. Diesem berühmten
Klosterberg, diesem Zentralpunkte des catalonischen Berglandes wird
unsere nächste Tagesexkursion gelten.
Die Vorstadt Gracia von Barcelona dehnt sich bereits bis an
den Fuss des Tibidabo aus, an den unteren Gehängen des Berges
macht sich schon eine lebhafte Bautätigkeit bemerkbar; eine ganze
Villenstadt San Gervasio ist in Entstehung begriffen. Zwischen
den bebauten Grundstücken liefern zahlreiche Brachäcker und Ruderal-
plätze eine ansehnliche Ausbeute. Einst scheint hier am Fuss des
Berges der Johannisbrotbaum (Ceratonia siliqua L.j ziemlich viel
angepflanzt gewesen zu sein. Zwischen dem Bauland sind überall
noch einzelne, meist jedoch elend zerzauste, über und über mit Strassen-
staub bedeckte Exemplare dieses Baumes zu sehen. So hat die Flora,
des Tibidabo, ähnlich derjenigen des Mont St. Clair bei Cette, schon
viel von ihrer Ursprünglichkeit eingebüsst.
Unter diesen Umständen hat sich, besonders im unteren Teil des^
Berges, eine an Arten reiche Ruderal- und Ackerflora ansiedeln
können. Nach unseren Aufzeichnungen umfasst diese Florula 36 Arten.
Versuchen wir dieselbe nach der Herkunft ihrer einzelnen Bestand-
teile zu zergliedern.
aj Auch in Mitteleuropa allgemein verbreitete Ruderalpflanzen(10)r
*AIyssum calydnum L., Capsella hiirsa pastoris (L.) Mönch meist
in einer auffallend kleinen, nur 4 bis 8 cm grossen, sehr starkhaarigett
(Stern- und Borstenhaare !) teilweise schon fruchtenden Zwergform
(i. pygmaea Rikli^, *^ Stellaria media (L.) Cirillo, *^Beseda lutea L.,.
*^Geranium moUe L. und G. Rohertianum L., *^ Euphorbia
pejjlusL., ^^ Sherardia arvensis'L., *^ Anagallis arvensis L., ssp..
caerulea Schreb. und **'Muscari racemosum L.
b) Arten, die bei uns nur stellenweise, besonders in der West-
und Südschweiz verbreitet sind: es handelt sich hauptsächlich um
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittehneei'küste. 19
einen neueren, in der Schweiz noch nicht völlig eingebürgerten Floren-
bestandteil (8): * Erucastnoti obtusangultDn (Schleich.) Rchb.,
* Fumaria capreolata L., '-'Reseda phyteiima L., *^Erodium
moschntum (L.) L'Herit., ^Mercunah's annmi L., * ^Parietaria
officinalis L. vor. ramifloni Mönch = P. diffusa M, et V., *^An-
tirrhinum orontiuui L. und die bei uns nur im Wallis vorkommende
Distel,* ^Silybtrtn Maria/) um (L.) Gärtn.
c) In der Schweiz nur als Ephemerophyten auftretend (2):
^Salvia verbenaca L., und ^('aletidula arreftsis L.
d) Spezifisch mediterrane Arten (15). a) die meisten sind durch
das ganze Mittelmeergebiet verbreitet oder gehen selbst über dasselbe
hinaus, bis nach Madeira und den Canaren (12): ^Lohularia. maritima
Desv,, ^Diplotaxis eruco'ides (L.)DC., ^*Beseda alba L., ^Lathyrus
Clymenum L., und L. arficulafus L., ^ Plantago Jacfopus L.,
^'Paronychia argentea Lam., '^Convolvulus alfhaeoides (L.) Sm.,
^Veromca cymbalaria Bod., ^Linaria supina(L.) Desf., ^Galactites
tomentosa Mönch, fol. und ^Asphodelus fistulosus L. ; dieser Aspho-
dill ist eigentlich eine Pflanze der Felsenheide, geht aber sehr gerne
auf Ruderalsteilen über und ist bereits Mitte März am verblühen
und absterben. — ß) Nur drei Euphorbien zeigen ein etwas ausge-
prägteres, pflanzengeographisches Verbreitungsgebiet: E. biumbellata
Poir. ist eine westlich-mediterrane Pflanze und findet sich nur in
Südfrankreich, Catalonien (selten), auf den Balearen und auf Korsika, so-
wie auch noch in Algerien, E. serrata L. ist ebenfalls westmediterran, er-
reicht jedoch noch Neapel und Sardinien, und E. characias L.^
(siehe p. 11).
e) Dazu gesellen sich endlich noch zwei exotische Neophyten :
die Agave {Agave americana L.) hat sich auf der Ost- und
Südseite des Tibidabo in einzelnen Exemplaren, die zum Teil noch
die abgestorbenen, vorjährigen 5 — 6 m hohen Fruchtstände tragen,
angesiedelt. Häufiger wird jedoch die Agave, da sie durch ihre ge-
waltigen, sukkulenten und bestachelten Blätter einen wirksamen
Schutz des Kulturlandes abgibt, längs den Feld- und Hohlwegen
(caminos.) angepflanzt. Auch ein anderer Fremdling, eine Pflanze
Südafrikas, wird unwillkürlich die Aufmerksamkeit des Wanderers
erregen; es ist das Mesembt-yanthemum aciiiacifonne L., das bereits
in voller Blüte steht. Der Abhang bei der unteren Station der
Tibidabobahn ist damit ganz bedeckt und leuchtet in seinem dunkel-
roten Schmuck. Dieses Mesembryanthemum ist zwar hier ange-
pflanzt, verwildert jedoch leicht und dringt öfters mit Erfolg zwi-
schen die Bestandteile der einheimischen Pflanzenwelt ein. In einem
Bauerngarten bemerkten wir auch eine kleine Safrankultur.
20
M. Rikli.
Die folgende Zusammenstellung bringt einen Vergleich zwischen
der Anthropochorenflora des M"- St-Clair bei Cette und derjenigen
des Tibidabo bei Barcelona.
Gesammtzahl
der
Anthropochoren
In Mitteleuropa
heimisch und "/o
eingebürgert
Mediterrane Arten
od.imMittelmeer : "/o
eingebürgert
.Bt. St. Clairb. Cette
18
12 spec.
6fi 2/3 ö/o
G
33 Vs Vo
Tibidabo
bei Barcelona
37
18 spec.
4970
19
51 Vo
Aus diesen Zahlen ergibt sich, dass nun auch in der Ruderalflora
das mediterrane Florenelement das Übergewicht erhalten hat, immerhin
ist der Unterschied noch sehr gering.*)
Der oberste Teil des Tibidabo ist mit lichten Pinien- und
Aleppoföhrengehölzen bestockt, einzelne der umgebenden Hügel
sind sogar noch fast ganz mit Nadelwald bedeckt ; z. T. ist es nahezu
reiner Pinienwald, demselben ist jedoch stellenweise reichlich ^P.
halepensis Mill. beigemengt; andere Partien tragen dagegen fast
reine Aleppoföhrenbestände. Im Unterholz all dieser Waldungen
treten wiederum Macchien oder, wo der Boden zu steinig und trocken
wird, was besonders auf der Seite von Barcelona der Fall ist, stellen
sich neuerdings Garigues ein, die bei sehr dürftiger Ausbildung stellen-
weise Uebergänge nach der Felsenheide zeigen.
Macchien. Die Macchie ist am reichlichsten und üppigsten auf
den etwas feuchteren und weniger stark der Insolation ausgesetzten
Nordwestseiten der Berge entwickelt. In der Umgebung der dunklen,
immergrünen Buschwälder nehmen sich die kleinen, jetzt noch un-
belaubten, aber ihrer Rinde wegen weisslichen Pappel Wäldchen
^(Populus alba L.J, welche sich längs den feuchten, im Norden ge-
legenen Talfurchen hinziehen oder inselartig in den muldenförmigen
Vertiefungen angepflanzt sind, besonders eigentümlich aus. Diese
Macchien zeigen folgende Zusammensetzung:
"- Erica arborea L. (fl.)
- Arbutus unedo L. (fol.)
^ Cistus monspelieihsis L., domi-
niert auf der Nordseite (fol.)
^ C.salvifoUus L. stellenweise vor-
herrschend.
^' RJuDiinus alateruuslj., spärlich.
^Rosniarinus officinalis L. (fl.)
^ Lavandula stoechas (L.) Cav.,
an lichten Stellen ; gelegentlich
aus denGrarigues in die Macchien
eingewandert.
*) Auf der PJattfofm des Turmes der Kathedrale von Barcelona fand sich
zwischen den Steinen reichlich: *^ Solanum nigrum h. v.rtthvum Mill.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittehneerküste. 21
^ C. albidus L. Diese weissfilzige Calycotome spiiiosa Lk., spärlich
Pflanze entwickelt bereitsein- ^ Si)artiu))ijunceinnlj.h\\diQisMc\\
zelne ihrer grossen rosaroten. ausserhalb der Macchien, am
rasch vergänglichen Blüten. Rand von Torrenten, für sich
^ Pistacia lentiscits L.: Gebüsche (fl.);
^ Querciis coccifera h. reichlich; Ule.r australis Clem., stellen-
weise sehr reichlich und in
voller Blüte;
und als häufige Begieitpflanze ~ Rubia peregn'na L., eine Pflanze,
welche längs der atlantischen Küste nach Norden bis nach England
und Irland vordringt.
Mit Ausnahme von Cahjrotoiue spiiiosa Lk., einer westlich-
mediterranen Art, welche bereits in Italien-Sizilien ihre Ostgrenze
erreicht, und Ulex australis Clem. einer vorwiegend iberischen Pflanze,
beides übrigens keine typischen Macchien-, sondern eher Gariguepflanzen,
— sind alle übrigen 12 Arten durch das ganze Mittelmeergebiet all-
gemein verbreitet. Die Macchie ist nicht nur die bezeichnendste
Formation der Mittelmeerländer, sondern gleichzeitig auch diejenige,
welche sich unter den verschiedensten Breite- und Längengraden des
weiten Mittelmeergebietes am wenigsten ändert.
Öfters wird der Wald abgeholzt, dann bleibt die Macchie allein
übrig. Dasselbe Resultat ergeben Waldbrände und Kahl schlage, in
beiden Fällen ist das betroff'ene Areal für den Hochwald verloren ;
der immergrüne Buschwald jedoch erneuert sich aus den unterirdischen,
verschont gebliebenen Teilen durch Stockausschläge. Einzelne Autoren
(Chodat. Flahault). betrachten daher die Macchie überhaupt nur als
das übrig gebliebene Unterholz verschwundener Wälder. Diese Auf-
fassung ist gewiss oft zutretfend. das wollen wir nicht bestreiten.
Unsere eigenen Beobachtungen auf Korsika, dem klassischen Land
der Macchien, lassen es aber zum mindesten als wahrscheinlich er-
scheinen, dass der mediterrane Buschwald auch noch eine andere
Genesis besitzen kann. Einförmige Cistusmacchien bestocken gelegent-
lich Quadratkilometer weit mit Kies und Geröll bedeckte Alluvial-
ebenen, jugendliche, stets noch im Fluss befimdliche Bildungen, die
sicher nie mit Wald bestanden waren. Anderseits haben Avir wieder-
holt beobachtet, wie in Getreideäckern, in der Nähe von Macchien.
die Stockausschläge der Maquissträucher überall hervorsprossen und
durch ihre Menge die Kulturarbeit geradezu in Frage stellen. Der
Erdbeerbaum (- Arbutus unedo L.) ist in dieser Hinsicht ein
ganz besonders lästiger Geselle. Angesichts dieser Tatsachen dürfte
der Entwicklungsgang oft gerade den umgekehrten Weg einschlagen.
Ich halte dafür, dass die Macchien genetisch auch eine selbständige,
i^2 M. Rikli.
nicht an den Wald gebundene Formation darstellen. Wenn sie sich
selbst überlassen bleiben, gewähren sie jedoch in der Kulturregion
der Mittelmeerländer weitaus die günstigsten Lebensbedingungen zur
natürlichen Entwicklung von Wald; hat sich der Wald dann einge-
stellt, so wird damit die ursprünglich reine Macchie mehr und mehr
zum Unterholz des neu entstandenen Waldes. Das Ursprüngliche
wäre demnach die Macchie, das Sekundäre der Wald.
Serauder hat kürzlich in seinem fundamentalen Werk über die
Myrmekochoren ') auch diese Macchienfrage berührt und sich eben-
falls für die Flahault'sche Theorie erklärt. Er sagt: Garigues sind
Überreste des auf Kalkboden stehenden W^aldes, Maquis desjenigen,
der auf Kieselboden wuchs. Es ist allerdings richtig, dass die
Garigues hauptsächlich auf Kalk-, die Macchien auf Urgebirge auf-
treten, doch nicht immer. Um Miramar, nördlich von Palma auf
Mallorca, treten üppige Macchien auf Jurakalken auf, ebenso sah ich
typische Macchien an der Westküste des Cap Corse, nördlich von
St. Florent auf Korsika: dieselben stocken ebenfalls auf Kalk (Sarmatien,
Helvetien der Karte): am Montserrat bedecken Macchien das zwischen
900 und 1200 m gelegene Val Malo, das sich aus kalkhaltigen eocänen
Konglomeraten aufbaut.-) Das Gipfelplateau des Monte Argentario
bei Orbetello, nördlich von Civita vecchia und der grösste Teil der
') Serander R. Entwurf einer Monographie der europäischen
Myrmekochoren, Kuns^l. Svenska Vetenskapsakademiens Handlingar. Band 41
Nr. 7, pag. 349 (1906).
^) Auf unserer 2. Frühjahrsfahrt nach Spanien (1906) fanden sich in unserer
Reisegesellschaft auch mehrere jüngere Geologen, die Herren R. Beder. Dr. P.
Bohny, G. Escher und W. Staub. Der Freundlichkeit derselben verdanke ich noch
folgende Mitteilungen über Geologie und Gesteinsbeschaffenheit von Miramar, Bellver
bei Palma und vom Montserrat:
a) Miramar (Mallorca). Der ganze Norden der Insel besteht vorherrschend
aus Jura. Die mitgenommenen Handstücke zeigen bei Behandlung mit verdünnter
Schwefelsäure starkes Aufbrausen. Bei Valldemosa tritt ein Kalkstein aut, der sehr
an unseren Malmkalk erinnert; bei Soller ist der Kalk von mehr mergeliger Be-
schaffenheit und enthält Einlagerungen von gefaltetem Gips. Die nordmallorcpiinische
Sierra wird hin und wieder von Eruptionsgängen durchbrochen, solche sind auch
im Jura um Miramar angegeben, doch gelang es uns trotz nachhaltigem Suchen
nur einige Bruchstücke aufzufinden. Die Stützmauern der Strasse bestanden da-
gegen fast ausschliesslich aus Kalk.
bj Bellver bei Palma. Die Umgebung des Schlosses von Bellver besteht aus
einem tertiären KalktufT, der nach der Karte miocänen Alters ist. Auf diesem Ge-
stein stockt ein Pinus halepensis Bestand mit Macchien als Unterholz.
c) Montserrat. Der Gipfel des Montserrat (über dem Kloster) baut sich aus
flachgelagerten eocänen Konglomeraten auf, die wohl — wie die Rigi Nagelfluh von
den Alpen — von den Pyrenäen durch mächtige Flüsse in dem Ebrosenkungs-
becken abgelagert worden sind. Das Montserratkonglomerat ist polygen, es enthält
Kie.sel- und Kalkgerölle; das Bindemittel ist Kalk. Exponierte Felsköpfe zeigen oft
wunderbar schön die erodierende Tätigkeit des Windgebläses in Form zahlreicher
mehr oder Aveniger parallel-verlaufender Furchen.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerköste. 23
Westseite des Berges ist weithin mit dichtem Maechiengestrüpp be-
deckt. Die geologische Karte gibt Rhät, bestehend aus Kalk und
Dolomit, an. An Ort und Stelle, am 4. April 1900, aufgenommene
Aufzeichnungen geben folgendes Bild: Allgemeiner Charakter wie
unser Jura, überall tritt der nackte oft eigentümlich in Säulenform
•oder als bizarre Türme ausgewitterte Kalk zu Tage, dazwischen er-
strecken sich mit Kalkblöcken besetzte Blockmeere; der Gipfel des
Berges bildet eine mit Macchien dicht verwachsene Hochfläche. Wir
versuchten einmal den Weg zu verlassen und den Buschwald zu durch-
wandern, mussten aber unser Vorhaben bald aufgeben, denn die
Macchie war zu dicht. Ja der Juracharakter zeigt sich selbst in der
Begleitflora, denn im Geröll steht Helleborus foetidus L.und zwischen
«und unter den typischen Macchiensträuchern, von denen ganz besonders
Arbutus ufiedoL. und Viburnum f//??/s L., vorherrschen, sammeln wir
Daphne laureoJa L., Coronilla emerus L. Anderseits finden sich
öfters auch Garigues auf Urgebirge, so in den bei Corte, im zen-
tralen Korsika, mündenden Tälern Restonica und Tavignano, in denen
Macchien und Garigues wiederholt miteinander abwechseln. Am
Tibidabo ist der Xordwesthang, die Schattenseite des Berges, vor-
wiegend mit Macchien, der sonnige Südosthang mit Garigues bewachsen.
Die Grosszahl der Arten der Macchien treten bekanntlich auch wieder
in den Garigues auf, nur viel dürftiger und kümmerlicher entwickelt.
Unter den Macchien- beziehungsweise Gariguespflanzen finden sich zudem
nur wenige bodenstete Arten, so ist Rostnarinus kalkliebend, Saro-
thamnus kieselhold, dagegen sind viele Macchienpflanzen mehr oder
weniger ausgesprochen humikol. (Erica, Arbutus).
Wenn die Macchie somit hauptsächlich auf Kieselboden auftritt,
so ist dies nicht deshalb, weil sich diese Formation vorwiegend aus
kieselholden Pflanzen aufbaut, sondern nur deshalb, weil die Macchie
als anspruchsvollere Vergesellschaftung eine frischere, tiefgründigere
Unterlage, wie dieselbe der verwitterte Urgebirgsboden häufig liefert,
verlangt. Bei flachgründigerem Boden werden die Sträucher sofort
kleiner und die Macchie offener, in die Zwischenräume fluten nun die
Vertreter der Felsenheide hinein, das ist die Garigue, diejenige
Vergesellschaftung, welche unter allen Formationen der Mittelmeer-
länder wohl das grösste Areal in Anspruch nimmt. Nehmen Trocken-
heit und Flachgründigkeit weiter zu, so erreichen die Sträucher bald
kaum noch Fusshöhe, der nackte, steinbesäte Boden gewinnt immer
mehr die Oberhand, die Zahl der einjährigen Arten nimmt sehr stark
zu, perennierende Kräuter, Zwiebel- und Knollengewächse und xero-
phytische Gräser werden mehr und mehr vorherrschend, — vor uns
breitet sich die Felsenheide aus. Die Garigue, obwohl ihrer Ver-
24 M. Rikli.
breitung und Bedeutung nach die Hauptformation der Mittelmeer-
länder, ist demnach ökologisch doch nur als eine Zwischenformation
zwischen Macchie und Felsenheide aufzufassen.
Die Macchie macht übrigens nicht nur an die Bodenbeschaffen-
heit verhältnismässig grosse Ansprüche, sie verlangt, um sich üppiger
entwickeln zu können, eine feuchtere, windgeschützte Lage. Auf dem
nur 541 m hohen, aber den heftigsten Winden ausgesetzten Col de
Teghime ob Bastia besteht die Macchie nur aus 1 — 3 Fuss hohem Gestrüpp
von gipfeldürrem A?^bufKs und ebenso kümmerlicher Erica; nur
einige hundert Schritte weiter, am Westhang gegen Patrimonio, bil-
den die beiden Arten in windgeschützter Lage, in beinahezu gleicher
Meereshöhe, wieder zwei bis vier Meter hohe, freudig grüne Gebüsche.
Ln windgeschützten Val Malo am Montserrat wird Arbutus und Erica
noch bei 1200 m über mannshoch. Wie sehr endlich die Nieder-
schläge für die Entwicklung der Macchien von grosser Bedeutung
sind, ergibt schon ein Vergleich der West- und Ostküste von Korsika.
Macchien von der Dichtigkeit imd Üppigkeit wie am Golf von
Porto, nördlich von Ajaccio, finden sich an der Ostküste der Insel
nirgends (Lit. 22). Dasselbe Bild zeigt der M"' Argentario; auf der dem
Meer zugewendeten Seite ist er mit dichten, immergrünen Busch-
wäldern, auf der Landseite dagegen nur mit dürftigen Macchien oder
Garigues bewachsen.
Garig ues. Am Tibidabo sind die Garigues viel verbreiteter als
die Macchien, sie sind auf dem gegen Barcelona geneigten, südöst-
lichen Bergabhang vorherrschend. Je nach der Bodenbeschaffenheit
ist diese Formation mehr oder weniger offen, ohne je vollständig ge-
schlossen zu sein. Das Hauptkontingent stellt eine grössere Zahl
ein bis etwa drei Fuss hoher Kleinsträucher; in den vorhandenen
Lücken siedeln sich dann als Begleitpflanzen zahlreiche Kräuter an,
sehr oft sind es Charakter- oder selbst Leitpflanzen der Felsenheide.
a) Hauptbestandteile: Ulex aust?^alis Clem. (ß.-), steWen-
■-■ Quercus coccifera L. (fol.) vor- weise massenhaft, so besonder»
herrschend. in lichten Pineten.
-^Bhamnus alaternus L. (fl.). ^ Cisfus salvifoUus L.
^ Daphne cj)üdiHui L. (fol.), die ^ Cistus albidus L.
kurzen Blattstiele drehen sich Thymus vulgaris L. spärlich.
stets so, dass die Blattfläche - Lavandula stoechas (L.) Cav.
parallel zum einfallenden Son- reichlich.
nenlicht eingestellt ist; häufig. ^ Safureia graeca L., beginnt zu
*^ Fumana procunibens Gren. blühen.
Godr. ^ Glohularia alypum L.
Calycofoiuc spi/tosa Lk. spärlich.
Botanische Reise-studien von <ler spanischen Mittelmeerküste.
Der interessanteste Vertreter, die einzige europäische Art der
sonst tropischen, südamerikanisch- und südasiatischen Familie der
Coriariaceen ist der myrtenblättrige Gerberstrauch (Con'aria nnjrti-
folia L.). Die in Trauben vereinigten gelblich-grünen Blüten er-
inneren einigermassen an diejenigen der Reseda; die Pflanze gehört
jedoch in den Verwandtschaftskreis der Empetreen. Die jetzige Ver-
breitung ist auch von Interesse, sie erstreckt sich von den Atlasländern
durch die iberische Halbinsel bis nach Südfrankreich und Ligurien,
sie fehlt jedoch dem übrigen Italien, dagegen tritt sie noch in einem
kleinern Gebiet des östlichen Mittelmeerbeckens, im Peloponnes, auf.
Eine sehr nahverwandte, vielleicht sogar identische Art, ('. longaeva
Sap., ist aus dem Miocän von Narbonne bekannt.
Z>) Begleitflora: Die pflanzengeographisch nicht näher charak-
terisierten Arten sind durch das ganze Mittelmeergebiet verbreitet.
^Brachypodium rnmosinn (L.)
Roem. et Schult, (fol.), sehr
reichlich.
*^Care.r gynohasis Vill. = C.
Halleriana Asso. (fl.), Begleiter
der Pineten.
Allium triquetnim L. (fl.) in Ge-
büsch ; ist im östlichen Mittel-
meergebiet selten.
^ Asphodelus fistulosus L., mas-
senhaft.
• ^ Ononis natrixL. (fl.) allgemein
mediterran mit Nordgrenze in
der West- u. Südschweiz, Grau-
bünden, Tirol, Kärnten.
Astragalus sesameus L. west-
lich-mediterran, bis nach Dal-
matien und Bosnien verbreitet.
Astragalus monspessulanu^ L.
v. chlorocyaneus Costa mit
hell schmutzig-grünlich- violet-
ten Blüten, eine nur in Süd-,
Zentral- und Ostspanien vor-
kommende Abart der westlich-
mediterranen, bis nach Dal-
matien verbreiteten Pflanze.
' Sedion alfissinntni Poir. (fol.).
^ Pla/itago psylliuni L. (fol.).
*■ PL aWicans L. (fl.), filzig, ver-
breitete Steppenpflanze.
*^ Marruhium vulgare L. (fol.)
reichlich, hat Filzblätter.
"^ Scrophularia peregrina L.
Phagnalon sa.vatile Cass. mit
Schmallinealen Blättern und
zurückgeschlagenen äusseren
Involukralblättchen, westlich-
mediterran : östlich nur bis nach
Süditalien (fl.).
^Ph. rupestre DC, die Blättchen
dieser Art sind lanzettlich, ge-
schweift gezähnt. Involukrum
mit stumpfen, anliegenden äus-
seren Hüllblättchen; fehlt in
Südfi-ankreich (fl.).
Den Grundstock dieser Garigues liefern somit auch die allgemein
verbreiteten Mittelmeerpflanzen, dazu gesellen sich aber mehrere aus-
^6 M. Rikli.
gesprochen westlich-mediterrane Typen : Coriaria myrtifolia, Astra-
(jalus sesameus, Phaynalon saxafile, ferner Ulex australis Clem.
mit dem Hauptzentrum in Süd- und Ostspanien, und endlich Astra-
galus chlot^ocyaneus R.Br., eine spezifisch iberische Pflanze.
Diese pflanzengeographische Analyse der Flora des Tibidabo hat
somit ergeben: Die Anthropochoren umfassen eine Mischflora von
weit verbreiteten mitteleuropäischen und mediterranen Arten, Pflanzen
von grosser Anpassungs- und Expansionsfähigkeit; die Macchien
sind nur aus allgemein verbreiteten Mittelmeerpflanzen zusammenge-
setzt, die pflanzengeographisch interessanteste Formation ist die
Oarigue, ihre Flora besitzt einen ausgesprochen westmediterranen
Charakter, zwei Arten sind sogar ganz oder vorwiegend iberisch.
5. Der Montserrat.
11. IV. 1906.
Der Besuch des Montserrat nimmt wenigstens einen ganzen Tag
in Anspruch; zweckmässiger ist es jedoch zwei Tage zu verwenden
und in dem in zwei Drittel Höhe gelegenen, berühmten Benediktiner-
kloster zu übernachten. Leider nötigte uns die beschränkte Zeit die
Exkursion in einer Tagestour auszuführen ; so mussten wir darauf ver-
zichten, den Berg von der Sohle des Llobregattales aus zu besteigen; wir
benützten daher die Bergbahn von der Station Monistroi zum Kloster,
Unsere Beobachtungen über die sehr interessante Flora des Montserrat
beziehen sich somit nur auf den oberen Teil des Berges, d. h. von
ca. 880 m bis zum Gipfelpunkt des ganzen Gebirgsstockes, dem El
Mirador de S. Jeronimo, der eine Meereshöhe von 1241 m erreicht
(Tafel I).
Prof. H. W egelin von Frauenfeld und Dr. H. Brockmann haben
am 30. April 1905 den Montserrat von dem auf der Südseite gelegenen
Oollbato aus bestiegen. Die beiden Herren hatten die Freundlichkeit,
mir die gesammelten Pflanzen zur Einsicht einzusenden und mir einige
Notizen über den Vegetationscharakter der unteren Bergregion zu
überlassen; ich spreche ihnen auch an dieser Stelle meinen verbind-
lichsten Dank aus. In der Umgebung von Collbato finden sich:
Aphyllanthes motispeliensis L., eine Liliacee, welche übrigens
von mehreren Autoren als eigene Familie unterschieden wird. Die
Pflanze hat einen binsenartigen, sehr xerophy tischen Habitus. Die
grossen einzelnen oder gezweiten endständigen Blüten sind von tief
azurblauer Färbung. Westlich-mediterran: nur in Nordafrika, Spanien,
Südfrankreich bis Lyon und Savoyen und in Ligurien verbreitet.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerkiiste.
27
^ Coris monspeliensis L. Obwohl eine Primulacee, erinnert doch
die Pflanze wegen ihrer zygomorphen Blüten an eine Labiate; sie trägt
zahlreiche kleine nadelartige Blätter, die derbborstigen rötlichen Kelch-
zähne bilden am Ende der Blütentrauben einen eigentlichen Schopf;
^ Plantag 0 albicans L. überzieht den Boden und bildet weissliche
Teppiche; bei Collbato tritt diese Pflanze in einer auffallend breit-
blättrigen Abart auf. Zu ihr gesellt sich als weitere Filzpflanze Con-
volvulus lanuginosus Desr. c. sericeus Boiss. (Olesa), sowie Bronius
rubens L., Euphorbia polygalaefolia Boiss. et Reut. ^Bupleu-
runi fruticosuni L. und
Helichrysuni stoechas
DC. Auf denheissen dürren
Südabhängen blühen be-
reits Linuni narbonense
L. und Li num strictum L.
(La Puda Banos) und dort
entfaltet im steinigsten
Boden UropetaJum sero-
tiniini Ker.ihre eigentüm-
lich orangebraunen Blü-
tentrauben; das Verbrei-
tungsareal dieser hyacin-
thenartigen Liliacee er-
streckt sich nur von
Nordafrika über die pyre-
näische Halbinsel bis ins
südliche Frankreich; ein
abgesprengter Vorposten
flndet sich noch in Ligu-
rien. Genista hispanica
L. V. hirsuta WK. ist ein
sparriges Kleinsträuchlein
aus dem Verwandtschafts-
kreis unserer Genista ger-
manica L, und von durch-
aus west- mediterraner Verbreitung; die Ostgrenze wird bereits in
Ligurien und Korsika erreicht. Und endlich fand sich unter der
Ausbeute von Dr. Brockmann noch eine Novität: Galiuni Brock-
manii Briq. spec. nov. 1907 (Textfigur 1).
Die Vegetation zwischen dem Kloster (887 m) und dem Gipfel
(1241 m) umfasst hauptsächlich vier pflanzliche Vergesellschaftungen:
Macchien, Wiesen, die Formation der Felsenflur und die Geröllflora.
gez. L. Schröter.
Fig. 1 : Galiiim Brockmannii Briq. spec. nov.
Annuaire du conserv. et jard. bot. Geneve XL (1907)
p. 107. Vergr. a = 2 : 1 ; b u. c = (j : 1 (Orig.).
28 M. Rikli.
1. Die Macchien. Sie erfüllen den grössten Teil des im Wind-
schatten gelegenen Yalle Malo, jenes merkwürdigen Hochtales, welches
den höchsten Teil des Gebirgsstockes in seiner ganzen Länge von
NNW. nach SSO. durchzieht und vom Torrente de S" Maria durch-
flössen wird. Diese 2 bis 3 m hohe Macchie breitet sich nicht nur
über den ganzen Talgi'und aus, sondern sie steigt auch noch weit
an den beiden Talflanken empor. Einzelne graubraune, phantastische
Felszacken, die sog. Penascos, bald pyramiden-, bald kegelförmig oder
auch ganze kompakte Felsmauern erheben sich hin und wieder aus
dem herrlich dunkelgrünen Buschwald, der sonst nur noch an wenigen
Stellen durch Geröllhalden unterbrochen wird. Steineiche. Buchs und
lorbeerartiger Schneeball sind die drei tonangebenden Arten. Der
Buschwaid geht bis über die Ermita de S. Jeronimo, welche sich nur
ca. 50 m unter dem Gipfelpunkt befindet. Offenbar ist es nur die
windoffene Lage, welche die Macchie abhält bis zum höchsten Punkt
vorzudringen. So findet am Montserrat eigentlich keine regionale
Gliederung der Flora statt, die Verteilung der Pflanzenwelt ist ein-
fach eine Folge der Standortsverhältnisse.
Die Macchie des Valle Malo hat folgende Zusammensetzung:
^ Quercus Hex L. meistens buschartig, öfters aber auch als
Kleinbaum entwickelt.
*^Buxt(s setnpervireus L., besonders im mittleren Teil des Valle-
Malo massenhaft und sehr oft stark von Puccinia Buxi DC. be-
fallen (fl.).
Vihurmim fiuus L. (fl.) vorwiegend westlich-mediterran, mit
Ostgrenze in Dalmatien, im östlichen Mittelmeer nur sehr selten, so^
z. B. in der unteren Region des Libanon.
^ Olea europaea L. v. oleaster DC.
Philhjrea latifoUa L. und ^Ph. angustifolia L. (fl.)
' Erica arhorea L. (fl.) und E. multiflora L., bereits verblüht^
und E. cinerea L. (fl.).
- Cistus monspeJiensis L., beginnt zu blühen und ^ C. alhidus
L. (fol.) spärlicher.
^ Arhiitus iinedo L. (fol.) selten.
^ Juniperus oxycedrus L. und ,/. phoenicea L.
^ Pinus halepensisMiW., ganz vereinzelt, in sehr kümmerlichen
Exemplaren.
^ Osyris alba L. (fol.).
*^Ilex axpiifolium L. (fol.).
Auch die drei charakteristischen Schlingpflanzen der Macchien:
^Smilax asper a L., ^ Ruhia peregrina L., ^ Asparagus acufi-
foliiis L., fehlen nicht. Die Begleitflora des Unterholzes setzt sich
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittehneerküste. 29
:aus folgenden Arten zusammen: ^* Huscus (tculeatus L. * Daphne
Inurcola L., ziemlich häufig, (Jettisfa scorpixs DC. (fl.), ~ Globularia
alf/puni L., Bosa spec. (fr.), wie mir Dr. W. Bernoulli mitteilt, ähneln
die Belegexemplare einer Rose von der Sierra de Pina (Valencia), die
von Pau 1888 als R. Pouzini Trait.X tnirranfha Sm. bezeichnet
wurde. Diese letzteren Arten treten immer an offenen, steinig-felsigen
Stellen auf. Im Gebüsch blüht in Menge Ä//emone hepaticd L.,
V. Iiisjja/iica Wk., eine entoiberische Varietät des durch ganz Europa
bis Nordafrika, durch Nordasien und Nordamerika verbreiteten Leber-
blümchens.
Gegenüber den Macchien und Garigues des Tibidabo ergeben sich
einige bezeichnende Unterschiede. Dort Vorherrschen von - Querciis
rocrifera L. und Ulex austraUs Clem., hier dagegen '- Quercus Hex
L. und Genista scorpius DC. Neu sind gegenüber unseren Auf-
zeichnungen von Tibidabo : - Juniperus oxijcedrus L. und J. phoenicea
L,, Phillijrea, ^ Olea europaea L. var. oleasfer DC, Viburnuni
ti/ius L., Erica niultißora L., ^ Osyris, sowie einige atlantische
Arten: ^ Hex, ^ Buxus, * Daphiie UiureoUi L. und die vorwiegend
atlantische Geröllpflanze HeUehorus foetiduss L. Dagegen vermissten
wir am Montserrat : ^ Cistus sa Ivifoliush., ^ Pistacia, ^ Rosftiarinus,
Cahjcotome spinosa Lk., ^ Rhamnu.s alatenius L. Die andere
Gesteinsbeschaffenheit, die Höhenlage, der Windschutz und gewiss
auch die reichlicheren Niederschläge, auf die wir die üppige Entfaltung
dieser Buschwälder und das Vorkommen der atlantischen Bestandteile
zurückzuführen geneigt sind, veranlassen diesen ziemlich auffälligen
Wechsel in der Zusammensetzung der Macchien des Montserrat gegen-
über denjenigen des Tibidabo.
2. Die Wiesenformation. Wir haben diese Formation nur in
der Umgebung der Ermita de S. Jeronimo in sehr windoffenen Lagen
zwischen den obersten Vorposten der Macchien angetroffen. Auf
diesen kurzrasigen Wiesen entfaltete eben der zierliche Narcissus
juncifoUus Lag. in grosser Menge seine kleinen, gelben Blütensterne,
auch Gladiolus illyricus Koch (fol.) und - BruneUa fp^andiflora (L.)
Jacq. finden sich noch hier oben. Die schönste Flora entfalten je-
doch diese Wiesen erst Ende April oder Anfang Mai, zur Zeit der
Orchideenblüte.
3. Geröllflora: Hieher Helleborus foetidus L. (fl.); *^Sapo-
naria ocymoides L. (fol.), Astragalus monspessulanus L. v. chloro-
cyaneuH Costa (fl.); ^ Teucrium polium L. (fl.); auch N^arcissus
juncifolius Lag. tritt als Geröllpflanze auf. An heissen. direkter Be-
sonnung ausgesetzten Standorten finden sich: Bupleuruf)i frutices-
rens L. mit steifen, stark verlängerten Ästen und lineal-lanzettlichen
^'8
M. Rikli.
schatten _, -
den höchst)
NNW.
flössen wiü
über den i:
an den '
Felszackeii
Äcchien. Sie erfüllen den g
}en Valle Malo, jenes merkwür
eil des Gebirgsstockes in seiner
SO. durchzieht und vom Torrente d
i)iesc 2 bis 3 m hoho Macchie breitoi
n Talgrund aus, sondern sie steigt
iCalflanken empor. Einzelne graubrauii|
, sog. Pcriascos, bald pyraniiden-, bald
auch ganzi mpakte Felsmauern erheben sich hin
dem herrliti i nkelgrünen Buschwald. der sonst nur
Stellen du r. eröllhalden unterbrochen wird. Steinol
lorbeer;- Schneeball sind die drei tonangeben(
Buschw... 4 bis über die Hrmita de S. .leroninu».
ca. 50 m iii,| dem Gipfelpunkt betindet. (offenbar
windoft' 4v. welche die Macchie abliUlt bis zum
vorzudi So findet am Montserrat eigentli»b
Gliedern »Flora statt, die Vt^tfilung dw IMlani
fach eine 1 »§ der Standortsverliältniss.
e des Valle Malo hat folgende Zusanil
ili'.r L. meistens buschartig, öfters
■ickelt.
■tiinijxrriirns \... besonders im niittlerej
ift und s«.'hr oft stark von Pnrrim'<
Die^MiH
(Jtfc/
Kleinbauiii
Malo 1
fallen (h.i
Vibit/
. .V,.., 0 liniis L. (tl.) vorwiegend westlich-u
Ostgrenze i lalmatien. im östlichen Miitelmeer nur
" ^ ' ^ ;eren Kegion des Libanon.
<)l><ie<i L. V. (ticfistrr jx".
hitifolid L. und l'li. (iiif/ustifitlid
borea L. (fi.) und /.'. nniltijlnni L.. b
' L. (fl.).
lonsjullrnxi^ \. . l>eginnt /n bliib»'n nn
z. B. in dei
* Olru
r/u/h/ri
und l\ (in
( 'isti
L. (fol.) spi.ilhei
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Exemplare
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Auch
'^ Smilax
ii/u'do h. {Jo\.) selten.
ts o.rf/rcdru.s L. und ./. jthorniii n L.
a/<'/)i/).sis Mill.. uanz vm-m/clt ii
hrl
ilha L. (fol).
iuifoUum L. (fol.).
ildrei charakteristischen Schlingptlanzen
mra L., Hubia peregrimi L., \sp
foJius L., tcln nicht. Die Begleitflora des Unterhoj
I
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aus folgenden Art» ■""»
laureolo l.. nemtiekk*
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L.. Fhillyrta. - Ofiti rtmfm*^ 1. «»/ *i»fh
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atlantische G«r5Updant HrilAtrm
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30 M. Rikli.
Blättern (fol.). eine iberische Pflanze, die ausserhalb Spanien nur noch
von einem südfranzösischen Standort, zwischen Narbonne und Perpignan
bekannt ist. Helianthemum origanifolhim (Lam.) P, v. lanceolatum
Wk. von ganz analogem Verbreitungsareal, nur geht die Art westlich
bis Portugal und östlich bis in die Gegend von Marseille, endlich
Globularia Cambessedesii Wk. v. hispanica Willk., eine nur in
Spanien auftretende Pflanze, ferner Eanunculus gramineus L. v,
scorzoneraefolius Freijn, von ca. 1000 m an, an steinigen Orten.
An steinigen Stellen zwischen dem Rasen des Gipfelkegels tritt
endlich PolygaJa calcareiim F. Schultz und PotentiUa opaca L. auf.
letztere in einer Form. die. wie mir Dr. W. Bernoulli mitteilte, der
P. pseudorubens Siegfrd. von der Ravellenfluh nahe steht. Im Unter-
schied zur Macchie und Bergwiese macht sich mithin in der Geröll-
flora bereits auch das endemische Element bemerkbar.
4. Die Felsenflur. Aus allen Spalten und Ritzen der Fels-
pyramiden und Felsmauem wachsen an den schattigen Standorten
Pflanzen hervor, die stellenweise, besonders an feuchten Xord-
lagen, die Felsen mit einem zusammenhängenden, saftig-grünen Tep-
pich förmlich bekleiden. '^Hedera helix überzieht oft ganze Fels-
mauern und gewährt anderen Arten festen Halt zur erfolgreichen
Ansiedelung, auch Moose stellen sich ein und bilden schwellende
Polster. Es sind diese Felsfluren der biologisch wde pflanzengeo-
graphisch interessanteste Bestandteil der Flora des Montserrat, reich
an pyrenäischen, noch reicher an endemischen Arten. Leider sind es
meistens Sommerpflanzen, die daher bei unserem Besuch noch nicht
in Blüte standen. Immerhin war es uns doch vergönnt beim Abstieg
durch den steilen, schmalen Barranco. der von der Ermita S. Miguel
direkt auf das Kloster herabführt, einen Einblick in die eigenartigen
Lebensbedingungen dieser Flora zu erhalten; sie vegetiert in den mit
dunkler humöser Erde ausgefüllten Felsritzen und entwickelt fast
durchgehend grosse, dünne Blattflächen. Die auf Seite 31 folgende
Zusammenstellung gliedert die auf den Felsfluren auftretenden Arten
und Abarten nach Florenelementen, teils auf Grund unserer Auf-
zeichnungen, teils nach Willkomm. (36 p. 115.)
Auf dem Gipfel des Montserrat fand Dr. H. Broclxmanu bei
1230 m die Bärentraube [* Arctostaphylos uva ursi (L.) Spreng].
Brockmann bemerkt zu diesem neuen Fundort der Bärentraube: „Dieser
wenige Exemplare umfassende Standort dürfte wohl als ein Beweis
gelten, wie beerentragende Pflanzen durch Vögel weit verschleppt
werden". Der Montserrat ist ca. 70 km von den Pyrenäen entfernt
und hat wohl von dort diese Pflanze, bei der ein „schrittweises
Wandern" in diesem Fall gänzlich ausgeschlossen ist. erhalten. Dieses
Vierteljahrsschrift der Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907.
Taf. IV.
Phot.: P. Suhni/.
Ficj. 6. Oriliuela, auf haibor Höhe der Sierra das Sciniuario de S. ISh'guel.
Blick vom Ufer der Segura oberhalb der Stadt nach^ Nordosten (pag. /1).
• ,^ \'ß)^.
Phot.: li. Cho'lat
Ficj. 7. Hah^a.stepiJG bei Orihuela.
Im Hintergrund Olivenhaine als Pioniere der Kultur (pag. 78, 137)
7'hnt.: Ä. Choilat.
Fifj. 8. hl Getreidefhiren iiiul OUveniiaiiie
unujewaiidelte.s Steijpeiihiiid.
Tal des Rio duice bei Orihuela (pag. 138).
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerkiiste. 33
IL Felsenheiden. Sie lassen zwei Facies unterscheiden, je
nachdem -Asjjhodelus fistulosus L. oder ^Passerina hirsufa L.
die führende Rolle beansprucht. Auffallend gross ist die Zahl von
Filzpflanzen: Cynoglossum cheirifolium L. geht zwar nördlich
bis nach Südfrankreich, ist aber hauptsächlich im südlichen Teile des
westlichen Mittelmeerbeckens verbreitet; sie ist mit ihren, ein dicht-
weisses Indument tragenden Blättern und den zuerst rötlichen, beim
Abblühen jedoch dunkelviolett werdenden Blüten, eine reizende Er-
scheinung; dazu gesellen sich die kleinen, wollig-filzigen Kugeln der
^ Evax pygmaea (L.) Pers.. ferner *Helianthemum appeninnm (L.)
Lam. V. angnstifolium Koch mit lineallanzettlichen, am Rande um-
gerollten Blättern. Von ^Ajuga iva Schreb., ^*Marruhium vulgare
L., ^Verhascum siimatinn L. sind erst die Blätter entwickelt. Die
folgenden Species sind zwar keine eigentlichen Filzpflanzen, doch werden
die Laubblätter durch eine reichliche, seidige oder wollige Behaarung
geschützt: Euphorbia chairicias L.,' ^ Lobidaria maritima Desv.,
^ Planta go albicans L. und ^Phagnalon rupestre DC.
Viele Arten der Felsenheide sind ein- oder zweijährig.
Von den Filzpflanzen gehören hierher: Cynoglossum cheirifolium L.,
* Verbascum sinuatum L., ^Evax pygmaea (L.) Pers., dazu kommen
ferner: *Mercurialis annua L. in einer sehr eigentümlichen, nur
6 — 12 cm hohen Kümmerform mit stark gestauten Internodien.
^ Scorpiurus subvillosa L., ^Echiuni calycinum Viv., ^ Belli s
annua L. und * Scorzonera lacimata L. Oft stellt sich auch
^ Asphodelus fistulosus L. massenhaft ein, doch der Asphodill ist
schon Anfang April verblüht, bald sterben dann die oberirdischen
Teile ab, so dass demselben im Vegetationsbild eine ähnliche Rolle zu-
kommt wie den Einjährigen. Bereits gegen Ende April sind all' diese
Pflanzen meistens schon von der Bildfläche verschwunden, die Lücken
im Vegetationsteppich werden immer grösser und das Vorwiegen der
Filzpflanzen in dem mehr und mehr vorherrschenden grauen Farben-
ton der Felsenheide immer auffälliger.
Auch einige Gräser sind vorhanden : ^Andropogo)i hirtum L.
und '^Brachypodium ratnosum (L.) R. et S.; endlich fehlen auch
die Kleinsträucher , Stauden und mehrjährigen Kräuter nicht ganz:
Thymus rulgaris h,. ^ Satureia graeca L., ^ Salria rerbenaca L..
* Helianthemum alpestre (Jacq.) Dunal, ^Paronychia argentea
Lam. — Die Leitpflanze der Passerinaheide, ^Passe?ina hirsuta L.
mit ihren kleinen, immergrünen, schuppenartigen, sich mehr oder
weniger dachziegelartig deckenden Blättern und den zierlich über-
hängenden Zweigenden, haben wir nur an einer Stelle reichlich ange-
troffen. So interessant biologisch diese Felsenheiden von Tarragona
Yierteljahrsschrilt d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. .52. 1907. 3 ■
34 M. Rikli.
sind, so geringes Interesse beanspruchen sie in pflanzengeographischer
Hinsicht, handelt es sich doch fast ausschliesslich wieder um Pflanzen,
die durch das ganze Mittelmeergebiet verbreitet sind.
III. Tomillares. Unter diesem Namen versteht man Felsen-
heiden mit vorherrschend verholzten Labiaten, wie sie für grosse Teile
Spaniens so bezeichnend sind; es ist eine äusserst monotone Ver-
gesellschaftung von xerophilen Kleinsträuchern, — eine Übergangs-
formation zur Garigue. Auf dem sehr trockenen und steinigen, ebenen
bis schwach welligen Gelände um den Alto del Olivo, Ruinenreste
einer 1811 von den Franzosen zerstörten Befestigung, bedecken die
Tomillares grössere Flächen. Leitpflanze ist Thymus vulgaris L.,
sehr häufig sind auch vertreten: der ^Rosmarin, die Laranduln
latifolia Vill. (fol.)? und Heliclirysu7n stoechas DC. (fl.) Aus den
benachbarten Felsenheiden hat sich ^Asphodelus ßstulosus L. ein-
gestellt und längs dem Flurwege sammeln wir noch ^Vaülaiitia
muralis L. und ^Clematis flamimda L.
IV. Garigues. Formationsliste:
^ Quercus coccifera L. (fol.). Leitpflanze, aber niedrig, nur 1—2' hoch.
Chamaerops humilis L. (fol.), stellenweise sehr reichlich, jedoch klein
und niedrig, mehr oder weniger dem Boden angepresst.
Ulex australis dem., sehr häufig, bildet öfters ' kugelige Büsche.
^ Rosmarinus officinalis L. reichlich.
Thymelaea tinctoria Endl. bildet ebenfalls Kugelbüsche.
^ Rhamnus alaternus L. in einer auffallend kleinblätterigen Aus-
bildung, deren Zweige dem Boden angepresst sind, — eine
Annäherungsform an die v. balearica Wk.
Rhamnus hjcioides L. (fol.), ein sparriger Kleinstrauch mit nach
allen Seiten abstehenden, mehr oder weniger verkürzten Zweig-
dornen und dünnen, lineallanzettlichen, leicht abfälligen Blättchen.
■* Olea europaea L. v. oleaster DC. (fol.), knorrige. 2 — 3' hohe Büsche
bildend.
^ PhiUyrea media L. (fol.) ^Pistacia lentiscus L, spärlich.
^ Cistus monspeliensis L. ■* Cistus salvifolius L.
^ Cistus albidus L., doch hauptsächlich im nordwestlichen Gebiet
verbreitet.
C. Clusii Dun. mit schmal-linealen, fast nadelartigen Blättern.
Die Cistrosen beginnen bereits zu blühen, am weitesten vor-
geschritten ist C. Clusii.
Erica multiflora L. (fol.), bereits Lavandula latifolia (?) Vill. (fol.)
verblüht. ^*Ruscus aculeatus L.
Bupleuruin /'/■uficescens L. (fol.) Thymus vulgaris L.
Botanische Reisestuclien von der spanischen Mittehneerküste. 35
Die Garigue ist ziemlich dicht geschlossen, so dass für die Be-
gleitflora nicht mehr viel Raum übrig bleibt. Auf dem Rosmarin
und den verschiedenen Cistusarten schmarotzt eine rotbraune Orobanche.
Ceratocalyx macrolepis Coss.; im Gebüsch klimmt auch hier überall
wieder das ^BrarhiipodÜDU raniosuni (L.) R. et IS.; dazu gesellen
sich zwei Schlingpflanzen: ^ Asparayiis acutifoUus L. und 'Sniila.r
(ispera L. Die Jonquille {Narcisaus juncifolius Lag.) lässt ihre
graziösen, kleinen gelben Blütensterne dem steinigen Boden ent-
sprossen; dort entfaltet Eupliorhia characias L. ihre reichblütigen
Cymen und hier erhebt sich der schlanken Blütentrieb der ^Euta
chalepensis L., rar. angustifoJid (Pers.), Wk., leicht kenntlich an
den tiefzerschlitzten Blütenblättern.
Der auffallendste Bestandteil dieser Garigue ist die europäische
Zwergpalme, eine typisch westmediterrane Pflanze, die vom
südlichen Portugal, durch Süd- und Ostspanien und über die Balearen
bis Sardinien, Sizilien und das westliche Italien verbreitet ist und
auch in Nordafrika vielfach bestandbildend auftritt. Die Polargrenze
der Zwergpalme liegt um Nizza bei 43° 44', in Spanien dagegen er-
reicht sie nicht einmal die Breite von Barcelona. Wir haben sie zu-
erst an der Steilküste bei Sitges beobachtet, daselbst krönt sie Fels-
köpfe und Erdpyramiden. Nur selten kommt es zur Entwicklung
eines eigentlichen Stammes, wohl nur deshalb nicht, weil die Palmito-
formation zu sehr ausgebeutet wird. Man gewinnt daraus den Palm-
kohl, der einen sehr angenehmen, haselnussartigen Geschmack besitzen
soll, und die Blätter werden massenhaft abgeschnitten, um aus ihnen
allerlei Flechtwerke herzustellen. Am Fuss der Atalaya de Alber-
cuitx, östlich von Pollensa auf Mallorca beobachteten wir immerhin
Stämme, welche 1,70 m massen. Westmediterran ist auch Thymus
i'ulgaris L. mit der Ostgrenze im westlichen Italien, und Larandula
latifolia Vill., welche jedoch noch Dalmatien erreicht. Diese beiden
letzten Pflanzen fehlen dagegen Nordafrika. Weitere drei Arten sind
iberisch-mauritanisch: Ceratocalyx macrolepis Coss., Rham-
fiiis lycioides L. (auch noch auf den Balearen) und Cistus Cltisn
Dun. (noch auf den Balearen und Sizilien); — JSlai'cissus jmicifolius
Lag. ist hauptsächlich iberisch; Verbreitung: Selten in Südportugal,
häufig in Zentral- und Ostspanien, in den Pyrenäen und von da durch
Südfrankreich bis zum Mont Ventoux ausstrahlend ; eine merkwürdig
versprengte Station findet sich in Korsika, auf dem Monte Renoso.
Als iberisches Element, obwohl teilweise noch nach Südfrankreich
übergreifend, haben wir bereits Ulex australis Clem. (in Südfrank-
reich verbreitet und häufig) und Biipleur^im fruficescens L. (mit
einer französischen Station) kennen gelernt, dazu kommt nun noch
3
36 M. Rikli.
die Thymelaea tinctoria Endl., von der in Frankreich auch nur ein
einziger Standort im Departement le Gard bekannt geworden ist.
7. Denia und Umgebung.
21. /22., 24. III. 1905.
Denia, ein kleineres Küstenstädtchen, ist nordwestlich vom Cabo
de la Nao, am südlichen Ufer des Golfes von Valencia gelegen. Auf
mehreren teils ganz-, teils halbtägigen Exkursionen hatten wir reich-
lich Gelegenheit, uns mit dem Vegetationscharakter der Umgebung
bekannt zu machen.
a) Flora des Felsenriifes des Castillo de Denia.
Mitten aus dem etwa 12 000 Einwohner zählenden, reizend ge-
legenen Denia erhebt sich, gerade über dem Hafen, ein Felshügel mit
einer zerfallenen Burgruine. Von der Höhe schweift der Blick auf
den mit Barken belebten Hafen, dessen sehr seichte Gewässer durch
eine üppige Algenvegetation [Ulva lactuca L., Padina jxironia (L.)
GailL, Cystoseira erucoides Ag.) fast verlandet sind und jetzt zur
Ebbezeit sich wie eine üppig grüne Wiese ausnehmen. Zu unseren
Füssen liegt das malerische Städtchen mit seinen kleinen, schmuck-
losen Häuschen und den schmalen, planlos verlaufenden Gässchen.
Im Norden dehnt sich in weitem Bogen der Golf von Valencia, eine
ganze Farbenskala entfaltend, aus. Vom dunkelgrünen Hafenbecken
geht es zum tiefen Azurblau des offenen Meeres, das endlich gegen
den Horizont allmählich in ein verschwommenes Blaugrau übergeht.
Diese Flachküste wird nur vom Felsen von Sagunt unterbrochen. Im
Osten ist das Bild dagegen bis zum Cabo de S. Antonio von einer
reichgegliederten Steilküste begrenzt, koulissenartig verläuft ein um-
brandeter Felsenvorsprung hinter dem anderen, öfters gekrönt von
halbzerfallenen Windmühlen oder Warttürmen und, kaum mehr wahr-
nehmbar, erheben sich in weiter Ferne die Berginseln der Pithyusen
aus der mit einer ganzen Flotille von Segelschiffen belebten See, Im
Süden aber liegt das Bergland der Halbinsel von Alcoy, das Kalkriff'
des Monte Monge beherrscht hier das Landschaftsbild und im Westen
erstreckt sich längs der Küste die fruchtbare Huerta. Parallel zur
Strandlinie verläuft, in der Richtung auf Oliva und Gandia, eine statt-
liche Palmenallee; ein Garten, mit Granatapfelbäumen bepflanzt, liegt
unmittelbar vor der alten, zerfallenen Stadtmauer. Hohe, schlanke
Arundo Donax-Hecken begrenzen die einzelnen Grundstücke und ge-
währen gleichzeitig einigen Schutz gegen die ungestümen Seewinde.
Dort erfreut das Auge das dunkle Grün eines Orangengartens, aber
Botanisclie Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste. 37
als wichtigste Kulturpflanze beherrscht die Rebe die Umgebung der
Stadt. Die ganze Strandebene, die umgebenden Hügel und selbst am
unteren Teile des Mongo hat der Mensch z. T. im steinig terrassierten
Gelände seine Weinfelder und Weinberge angelegt ; erst die senkrecht
abstürzenden Felswände dieses Berges haben der Kulturarbeit ein
unüberwindliches Hindernis entgegengestellt. Das ist Denia, das wir
für dreieinhalb Tage zu unserem Standquartier gewählt haben.
An dem Kastellberg hat sich eine sehr reiche Vegetation an-
gesiedelt. Gross ist naturgemäss die Zahl der auf Schuttplätzen und
zwischen den gewaltigen Mauerresten angesiedelten Anthropochoren,
nicht unbeträchtlich ist aber auch die Felsenheide — und die eigent-
liche Felsflora, doch ist es oft schwierig, diese Florenbestandteile aus-
einander zu halten, da die Standorte öfters sehr rasch wechseln.
a) Ruderalflora.
~ Lag II r US ovatus L. 0 ^ Mercurialis annua L. O
- Urtica membranacea Poir. O ^ Plantago psyUiufn L. 0
^*Parietaria officinalis L. var. ^ Co?ivolvidusaIthaeoides(L.)Sm.
ramiflor-a Mönch. ^Borrago officinalis L, 0
Eniex sjiinosa Campd. O ^ Echium calycinum Viv. 0
- Paronychia argentea Lam. ^ Echium plantagineum L. 0
* Polycarpon tetraphyllumh. 0 ^ Verhascum sinuatum L. 0
^ Diplotaxis erucoides {L.)T)C. Q ^^Antirrhimwi orontium L. 0
* Lejndium graminifolium L. ^ Hyoscyamus albus L. 0
- Ranunculus pa)-viflorus L. 0 ^^Sherardia arvensis L. 0
*Fumaria capreolafa L. 0 ^* Anagaliis arvensis L. s. sjjec.
^ Lotus ornithopodioides L. 0 coerulea Schreb. 0
* Trifolium stellatum L. 0 ^ Galium saccharatum All. 0
* Vicia hijhrida L. 0 ^ Sonchus tenerrimus L. 0
*■ Foeniculum vulgare Mill. * Centaurea calcitrapa L. 0
^ Unihilicus penduJinusT)Vj.{io\.) ^'Picridium, tingitanum Desf.
*■* Euphorbia helioscopia L. v. ^ Hyoseris scahra L. 0
atrorubens Rikli nov. v., mit ^*Silybum MaHanum (L.)
roten Drüsen. 0 Gärtn. 0
' E. pinea L. 0 ^ ^Carduus pycuocephalus L. 0
Diese Liste umfasst 35 Arten, davon erreichen nur noch 12 Spezies
(34 7o) Mitteleuropa; es handelt sich zudem um Pflanzen, die in Mittel-
europa meist nur selten, oft sogar nur ruderal und zudem fast nur
in den südlicheren Teilen auftreten.
Zwei Arten sind vorwiegend südlich mediterran (Emex, Picridium
tingitanum). Den Grundstock bilden die allgemein verbreiteten Mittel-
meerpflanzen, welche in Mitteleuropa ganz fehlen, dagegen z. T. bis
weit in Orient verbreitet sind (15spec. = 43 7o), und teilweise längs
38 M. Rikli.
der atlantischen Küste bis nach Nordfrankreich, England, Belgien,,
ja selbst bis nach Norddeutschland vordringen , es sind 20 Arten
(ca. 60%); — Arten, die ihr Hauptverbreitungszentrum in Mittel-
europa haben, fehlen fast ganz. In Denia, dessen Breitenlage der-
jenigen Kalabriens entspricht, hat das mediterrane Florenelement so-
mit auch in der Ruderalflora den vollständigen Sieg davon getragen.
Noch eine andere Veränderung hat sich vollzogen: das Kontingent
der Anuellen und Bisanuellen (0) hat wiederum stark zugenommen.
Von den 35 Arten sind 28 species (80 7o) ein- oder zweijährig ; in
Tarragona waren es nur 64 7o, am Tibidabo nur 58 7«.
ß) Felsenheiden: Vorherrschend ist ^Asphodelus fistulosus L.,
doch ist diese Leitpflanze bereits meistens verblüht und am Absterben.
Auf der Westseite der Burgruine tritt an einer Stelle unter verwil-
derten Oliven auch Asphodelus albus Mill. massenhaft auf, er steht
zurzeit in voller Blüte. Dem dürren Boden entsprossen überall die
saftigen, dunkelgrünen Blattbüschel der gemeinen Meerzwiebel (^ Ur-
ginea scilla Steinh.); ^ Ophrys tenthredinifera W. entfaltet ihre
eigentümlichen Blüten und ^Ansarum vulgare Targ.-Tozz. vegetiert
im Schutz des stacheligen Rhamnus lycioides L. oder im Granat-
apfelgebüsch (^ Piinica granatum L.). Dazwischen sind zahlreiche
einjährige Kräuter, die durch das ganze Mittelmeergebiet verbreitet
sind, angesiedelt, so: ^Silene col or ata Voiv., ^Hippocrepis multisi-
liquosa, L., ^Astragalus hamosus L. , ^Trifolium Boccofii Sav.,
^ Gynoglossum pictum Ait. , ^ Scabiosa maritima, L, , auch das
Kleinsträuchlein ^Satureia graeca L. gehört hierher. Den pflanzen-
geographischen Stempel erhält aber diese Florula durch das Auftreten
von vier ausgesprochen südlich-mediterranen Arten. Alsine.
procumbens Frzl., eine Pflanze mit stark verlängertem, dem Boden
angeschmiegtem oder aufsteigendem Stengel; sie erinnert sehr an eine
Spergula, doch fehlen die häutigen Nebenblätter, dann Bha/nnus
lycioides L. und zwei Lavendel, Lavandula dentata L. und L. /uul-
tißda L. Diese Arten sind sogar vorwiegend iberisch-mauritanisch.
immerhin wird im Osten dieses Verbreitungsgebiet noch etwas über-
schritten: Alsine 2)f^ocumbens ^ndet sich auch auf Sardinien, Sizilien,
im südlichen Italien und, als einzige Stelle in Griechenland, auf Aegina;
Lavandula, dentata ist auch noch auf Malta, Sizilien und am Monte
Gargano vorhanden und L. niulfifida hat ihre östlichsten Vorposten
in Ostsizilien und im östlichen Kalabrien.
b) Strandflora westlich von Denia.
Die Strandflora ist an der Flachküste westlich von Denia nur
sehr dürftig entwickelt. Auf der breiten, zur Ebbezeit trocken ge-
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste. 39
legten Sandzone liegen in grossen Mengen Posidonienkugeln. Gelegent-
lich wird auch ein ganzes Rhizom der Posidonia oceanica (L.) Del.
auf den Strand geworfen. Der Tintenfisch (Octopiis vulgaris Lam.)
befestigt mit Vorliebe an diesen Wurzelstöcken seine traubenartigen
Eierklurapen, die sich dann wie die Früchte der Pflanze ausnehmen,
denn durch ein gallertiges Band werden sie kunstgerecht um das
Rhizom gewickelt. ^Hijpecoum procumbens L. und ^Lobuldria
maritima Desv. sind die einzigen Strandpflanzen. Etwas weiter
landeinwärts begleiten einige bereits in Blüte stehenden Sträucher die
üferzone: Tamarix gallica L. und T. africana Poir., beides west-
lich mediterrane Arten mit Ostgrenze in Dalmatien und ^Lycium
vulgare Dun.
c) Exkursion von Denia zum Cabo de S. Antonio.
Auf dieser Tagestour, die so recht geeignet ist, den Floren-
charakter des Landes kennen zu lernen, haben wir immer wieder nur
zwei Formationen: Felsenheiden und dürftige Garigues angetroffen.
Felsenheiden. Sie besiedeln die felsig -dürren, steinbesäten
Hügel. Einige Trümmer eines ehemaligen Kastells oder Mauerreste
von Warttürmen und Windmühlen krönen fast jeden dieser Hügel,
hin und wieder sind auf denselben auch noch einige anspruchslose,
verkrüppelte Ceratonien, welche hier an der Küste immer typische
Windformen zeigen, vorhanden (Tafel II Fig. 3). Obwohl erst Ende
März, so trägt doch die Vegetation weniger den Charakter einer
Frühlingsflora, sie macht eher den Eindruck einer verfrühten und
verkümmerten Sommerflora, wohl eine Folge der dieses Jahr fast
ganz ausgebliebenen Winterregen. Die vielen kleinen Gewächse, das
Auftreten einiger typischen Geröllpflanzen und hauptsächlich die
äusserst dünne Bewachsung des Bodens bedingen Vegetationsbilder,
die oft beinahe an alpine Verhältnisse erinnern. Doch trotz der überall
vorherrschenden Bodenfarbe, trotzdem diese Hügel mit Steinen förm-
lich übersät sind, welch reiche Flora I Und vergessen wir nicht, der
wirkliche Reichtum kann nur zeitlich, nie momentan auf Grund einer
noch so sorgfältig durchgeführten Exkursion erfasst werden, denn der
Erdboden ist voll ruhender Samen, voll von Zwiebeln und Rhizomen,
deren vegetative Tätigkeit noch nicht erwacht ist. und die vielleicht
durch die nächsten warmen Regen zu neuem Leben erwachen, um
über Nacht dem scheinbar nackten Boden in grösster Menge zu ent-
spriessen.
Es dominieren: -Brachypodium rai)iosum (L.) R. et Seh. (fol.),
Thymus vulgaris L.. -Rosmarinus officinalis L. Der Rosmarin
40 M. Rikli.
gedeiht hier auf dem Kalk in grösster Menge, doch nur in kleinen
verkrüppelten und bereits meist verblühten Exemplaren.
Dazu gesellt sich eine grössere Zahl von Kleinsträuchern die,
wenn reichlicher vorhanden und üppiger entwickelt, allmählich zu
der typischen Garigue fuhren : ^Cistus monspeliensis L., ^Quercus
coccifera L. (fol.), Ulex australis Clem., Chamaerops humilis L.
(fol.), die Zwergpalme spielt jedoch nur eine sehr untergeordnete
Rolle und tritt immer nur als kleiner, dem Boden angepresster Strauch
auf. ^Daphne gnidium L. (fol.), Calycotoine spinosa Lk., dann die
beiden Zwergsträuchlein ^Fumana viscida Spach. und *HeUanthe-
imnn appenitium (L.) Lam.; auch die ^Urginea Scilla Steinh. mit
ihren stattlichen, halb aus dem Boden hervorragenden, grossen Zwiebeln
und den üppigen Blattbüscheln, das einzig saftige Grün, fehlt nicht.
In grosser Menge ist ^Ophrys tenthredimfera W. vertreten, viel
spärlicher dagegen ^0. lutea Cav. Von Filzpflanzen sind uns bereits
bekannt Cynoglossum cheirifolium L., ^C. pictum Ait., ^Ajuga
Iva Schreb. (fol.), dazu kommt eine neue, vollständig mit einem dichten
weiss- wolligen Indument bedeckte Pflanze, die Mercurialis tomen-
tosa L. Ferner :
^ Hippocrepis ciliata Willd. ^ Orobanche Mutelii F. Schz.
^ Riita chalepensislj.v.angusti- ^ E elvi um ealyeinum Viv.
folia Fers. Euphorbia serrata L.
• Eryngium maritimum L. * Galmm parisiense L. v. leioear-
(fol.) ? pum Tausch.
Gladiolus illyricus Koch. * Sherardia arvensis L.
^*Anagallis arvensis L. s.spee. * Asperula cynanchica L.
coerulea Schreb. ^ Asteriscus mariti^nus Less.
^*Marrubium vulgare L. ^ Bellis annua L.
Teucriumpseudochamaepitys L. ■* Carduus pycnocephalus L.
^ Salvia verhenaca L. Centaurea pullata L.
Pflanzengeographisch sind nun aber noch die folgenden Arten
von besonderer Bedeutung: a) iberisch-mauritanisch: Rhamnus
lycioides L., Lavandula den f ata L., Polygala rupestris Pourr.,
Teucrium pseudochamaepitys. L., Centaurea pullata L., letztere
drei Pflanzen erreichen auch noch Südfrankreich, sind daselbst aber
selten; ß) südlich-mediterran ist der sparrige, 1 — 2' hohe, dornig-
stechende Büsche bildende Asjmragus horridus L.; y) makro-
iberisch, Pflanzen, deren Hauptverbreitungszentrum auf der iberischen
Halbinsel zu suchen und die von da nach dem mediterranen, beziehungs-
weise atlantischen Frankreich ausstrahlen: PIilo)))is lychnitis L., eine
stattliche, wirklich dekorative wollig -filzige Pflanze mit grossen,
leuchtend gelben Blüten, erreicht ihre Nordgrenze nordwestlich von
Botanische Rei.sestudien von der spanischen Mittehneerküste. 41
Toulon. Arenaria tnontana L. geht besonders längs der franzö-
sischen Westküste bis nach le Mans und Paris, sie findet sich auch
wieder, jedoch selten, im Departement Herault. Ulex austraUs
Clem., MercuriaUs fotnentosaL. ö) westlich-mediterran: Linum
narbone/ise L., Chamaerops hiimilis L, e) mikro-iberisch: Bis-
rutella ste)iophijUa Duff. tritt nur im Gebiet der Provinz Valencia
auf. Mit den nördlicheren Felsenheiden verglichen, ergibt sich somit
eine ganz bedeutende Bereicherung an südlich- und westlich-medi-
terranen sowie an iberischen Pflanzen.
Wir verlassen das eigentliche Hügelland und steigen auf das
Kalkplateau (ca. 120 m), das in der Fortsetzung des Monte Mongo
liegt und sich bis zum Cabo de S. Antonio hinzieht. Die Bebauung
des Bodens nimmt sofort stark ab. Die kleinen Caserios, jeweilen
von Opuntienhecken {Opuntia Ficus indica Mill.) umgeben, liegen
weit voneinander: Feigenbäume, knorrige, hin und her gebogene
Ceratonien, das jugendliche, rötliche Blattwerk des Granatapfel-
baumes und, als einziges frisches Grün, wohl auch noch einige
Mandelbäume, verraten schon aus der Ferne diese primitiven An-
siedelungen; auf der mit dürren Garigues bestandenen Hochfläche
sind es die einzigen Kulturträger. Diese kleinen Häuschen sind bald
ohne jeglichen Verputz, bald wieder blendend geweisselt; in ihrer
nächsten Nähe findet sich stets eine Cisterne, in die zur Regenzeit
jeder Tropfen Regen sorgfältig geführt wird. Kleinere Rebenparzellen
oder gar ein armseliges Getreideäckerchen werden gelegentlich auch
noch um dieselben angelegt. Etwas besser scheinen Saatlinsen [Ervwn
lens L.), Saubohnen [Vicia faba L.) oder die Würfelerbse {Vicia
ervilia. [L.J Willd.) zu gedeihen. Hin und wieder, besonders in der
Nähe des Meeres, sahen wir Posidonienblätter als Dünger verwendet;
vereinzelt bemerkt man auch noch einige Agaven, welche zur
Gewinnung der Agavefasern angepflanzt wurden. Bei der Urbar-
machung dieser kleinen Kulturzentren musste der Boden zuerst von
den massenhaft herumliegenden Steinen gesäubert werden, dieselben
werden jeweilen zu breiten Steinhaufen, richtiger gesagt Steinwällen,
aufgehäuft, welche nun die natürlichen Schutzmauern des Kultur-
landes bilden. Diese sogen, „talayots" sind oft von so gewaltigen
Dimensionen, dass sie für paläolithische Monumente erklärt wurden,
so z. B. im südlichen Teil von Mallorca. Arteffakten sind darin je-
doch noch nie gefunden worden; heute noch kann man ihre Ent-
stehung und ihren Ausbau verfolgen.
Die Hochfläche ist eine Karstlandschaft, welche stellenweise starke
Neigung zur Karrenbildung zeigt. Sie ist fast ausschliesslich mit
einförmigen, niederen Garigues besetzt. Wenn Thymus rul-
A-2
M. Rikli.
f/aris L. und andere Labiaten vorherrschend werden, so treten die
noch einförmigeren Tomillares, die sich meistens nur aus wenigen
Arten zusammensetzen, an ihre Stelle.
A. Leitpflanzen (6)
'-Brachijpodiinii rfunosiun (L.),
R. et Seh. zwischen Steinen und
Gebüsch, aus den durchlöcher-
ten Kalkblöcken überall her-
vorragend.
Chamaerops huinilis L., sehr
viel.
Erica multiflora L., sehr reich-
lich, tragen noch die verblühten,
abgedorrten Blütenstände.
Ulex australis Clem., reichlich
(fi.); fr.
Thij Ullis vulgaris L., stellenweise
sehr häufig.
^ Rosmarinus oßicinrilisL., reich-
lich (fl.).
B. Charakter
Asparayus horridus L.
^ Smilax asjmra L.
^Jimiperus oxijcedrus L.
^ Quercus coccifera L.
^Pis facta hntiscus L., spärlich.
^Daphiie (//lidium L.
Rhamnus hjcioides L., spalier-
artig dem felsigen Boden an-
gepresst.
Cneonim tricocciini L. (fol.).
^ Olea eiiropaea L., v. oleaster
DC.
Fmna/ia laevipes Spach.
Heliauthemum niarifoliuni
(Cav.) DC.
pflanzen (23).
^*Rubus amooius Port.
Dorycnium suffructicosum VilL
^ Cistus monspeliensis L.(fl.)
^ „ albidus L., beginnt zu
blühen.
Cistiis Clusii Dun.
Teucrium maruiti L.
^ „ pol i um L.
^ Satiireia graeca L., v. niicran-
tha (Brot.) Briq. (1895 ).
Lacaudida doitata L.
^ Glohularia alypuni L.
^Riibia peregri)ia L., überzieht
mit Vorliebe die talayots.
Helichrysum stoechas DC.
C. Begleitpflanzen (31).
Machrochloa ten((cissima Kth. Viola arhoresceus L.
(fl.), spärlich.
* Aiidropofjon pubescois Vis.
^ Melica niinuta L.
'-Ophrijs fenthredifiifera W.
^ Arisarum vulgare Targ.-Tozz.
^ Urginea scilla Steinh. (fol.)
^ (ifjnaudriris sisijrinch /^/;y^Parl.
Polijgala rupestris Pourr.
- Silene colorata Poir.
Biscutella stenophylla Duff.
Lotus creticus L.
^ Scorpiurus subrillosa L.
Argyrolobium Linnaeanum
Walp.
Botanische Rei<estiidien von der spanischen Mittehneeiküste.
43
* Trifolium stellafu/x L.
^ AuthijUis ridner<t)-i(( L. l\
>'nbrifl(»'(i Ser.
^ Eryngiuni canipestre L, (fol.)
^ Sediun alfissiiniini Poir. (fol.)
Linum na/'bofie/tse L.
Plantayo cynops L.
^Cynoglossum jjictiun Ait.
LithospeDtiuin fruficosu/n h.,
ein kleines, dem Boden spalier-
artig angepresstes Sträuchlein,
mit lebhaft tief blauen Blüten.
^*Marrubiu)ii vulgare L.
^ Satureia graeca L., v. micrcni-
tha (Brot.) Briq. (1895).
Ceratocalyx inao'oJepis Coss. auf
Cistus Clusii Dun.
^ Galium saccharatu)u All.
* Vaillantia hispida L.
- Eva.v pymaea (L.) Pers.
'Asferiscus tnrtritiinus Less.
^Galactifes tonwntosa Mch.
^ Urosp>ennuui picroides Desf.
Auch unter dieser Liste finden
sich wieder einige weitere Arten
von vorwiegend westlich- und
südlich - mediterraner oder von
iberischer Verbreitung.
a) Westlich-mediterrane
Arten: T euer i um mar um L. bis
Korsika- Sardinien. — Argyrolo-
bium Linnaea/ium Walp. mit
Ostgrenze in Dalmatien-Kroatien.
Plantago cynops L. geht im Mit-
telmeergebiet östlich bis nach Ita-
lien. Lotus creticus bis Sizilien,
die Angabe auf Kreta ist fraglich:
Cneorum tricoccum L. bis Norditalien und Sardinien; Dorycnium
suffruticosum Vill. bis Ligurien, Korsika-Sardinien.
ß) Südlich -mediterran: VailUnitia hispida L. Von Süd-
spanien und Nordafrika nach Kalabrien, Südgriechenland bis nach
Fig. '2. Macrochloa tenacissima Kth.
(Orip.). Grundständige Blätter mit der
stranssenfederartigen ä'/2 bis 4 cm langen
Ligula. Natural. Grösse.
44 M. Kikli.
Persien und Gyjiandnris sisyrinchium Pari, von Südspanien bis
Crriechenland, mit einem sehr vorgeschobenen Posten in Ligurien.
y) Iberisch-mauritanisch: Zum erstenmal begegnet uns, aller-
dings nur spärlich, das Haifagras {Macrochloa tenacissima Kth.),
jenes bis über mannshohe, äusserst xerophytische Steppengras mit den
langen harten, eingerollten Blättern. Die grundständigen Blätter sind
ferner durch eine gewaltig entwickelte, bis 40 mm lange, straussen-
federartige Ligula ausgezeichnet (Textfigur 2). Die Halme werden
über 2 m hoch und endigen in einer stattlichen langbegrannten
Blütenrispe; die bis 7 cm langen Grannen sind gekniet^ der untere Teil
abstehend seidig behaart, der distale, etwa 4V2 cm lange abgebogene
Abschnitt ist dagegen kahl. Das Gras tritt immer büschelartig auf;
es ist die Leitpflanze der Haifasteppe, welche in Nordafrika von
Marokko bis Tunesien, besonders auf den Hochflächen der Schotts
und in Süd- und Zentralspanien gewaltige Gebiete in Anspruch nimmt.
Auch in Südportugal und in der Litoralsteppe von Murcia und Ali-
cante sind diese Grassteppen einst allgemein verbreitet gewesen, jetzt
aber durch die fortschreitende Kultur vielfach zurückgedrängt.
ö) Makroiberisch: Viola arborescens L., jedoch in Südfrank-
reich selten. HeUcmthemum juarifolnini {Ca.Y.),'DC., v.fomentosum
Wk. , in Südfrankreich bei Marseille und Arles. Lifhosjjermum
fruticosum L. in Südfrankreich bis Marseille. — An den Felsen beim
Cabo S. Antonio fanden sich endlich noch: Ephedra fragiUs Desf.,
ein südlich-mediterranes bis über 2 m hohes Rutengewächs mit ge-
gliedertem, sehr brüchigem Stengel ; die Larafef^a ))iarifi»ia Goua.n,
ein westmediterraner Kleinstrauch, der sich mit besonderer Vorliebe
an Strandfelsen ansiedelt. Zwischen Steinen und Felsen hat sich
wieder massenhaft die Arenaria ))iontana L. angesiedelt, auch das
zarte gelblich-grün blühende ^Galiuni i^arisiense L. fehlt nicht, dazu
gesellen sich die dichten gläuken Büschel von DiafifJius lusifauiciis
Brot. fr. (fol.) und endlich eine ganz kleine Linaria mit sukkulenten
Blättchen und sackartigem Sporn (Lifiaria origanifolia [L.] DC),
deren Verbreitungsareal sich von Aragonien bis in die Sierra Nevada
erstreckt, aber nirgends über die iberische Halbinsel hinausgeht.
Auf dem Kalkplateau des Cabo S. Antonio erheben sich noch
ganz vereinzelte Aleppoföhren {^Pinus haJepensis Mill.); sie zeigen
alle ein krüppelhaftes Aussehen. Die Krone ist von den heftigen
Seewinden ganz zerzaust, das Kadelwerk meist stark von Prozessions-
raupen befallen und zudem das Geäst oft noch von den Ziegenhirten
elend verstümmelt, — es sind die einzigen kümmerlichen Vertreter
des Baumwuchses.
Botanische Reisesludien von der spanischen Mittehneerküste. 45
d) Flora der Scliuttplätze und >Vegl)orde der Umgebung von Denia.
^ Arisaruin rulc/are Targ.-Tozz. ^ Plantago »larififua L. (vor-
^*Fu)naria p(iri'iflo)-<i Lam. wiegend atlantisch).
* Glaucium flavuui Crantz ^ Verbascum sinuatuui L.
^^Stellaria media (L.) Cirillo ^*La))uiun amplexicaule L.
* Sedutn dasyphijUum L. ^ Vaillantia hispid(( L. . süd-
Medicayo truncatula Gaertn. v. mediterran.
longeaculeata Urb. * A)ithemis cotula L.
^ MesembrijanthemuDi )wdißo- ^Calendula arre/isis L.
runi L. Centaurea aspera L., westniedi-
^*Scandix i)ecten Lwnen's L. terran.
^ Phnitago lofjopus L. '^Cynara carduuculus L.
8. Der Monte Mongo.
>23. III. 1905.
Der Monte Mongo erhebt sich im Süden von Denia zu einer Höhe
von nur 761 m, es ist ein wildes Kalkriff (obere Kreide), welches sich
fast unvermittelt aus dem weinbepflanzten Hügelland erhebt. Die senk-
recht abstürzenden Felswände erinnern einigermassen an den Saleve
bei Grenf oder an den Südabfall der Curfirsten gegen den Walensee.
Trotz der geringen Erhebung erforderte die Besteigung einen ganzen
vollen Tag und wir mussten schliesslich froh sein, noch vor völliger
Dunkelheit das Felsenrevier des Berges verlassen zu können. Welch
abscheulicher Berg, dieser Mongo! Kein Baum gibt Schatten; am
ganzen Berg, in einer abgelegenen Felsenhöhle eine einzige Quelle,
um deretwillen uns der Führer zu einem gewaltigen Umweg veran-
lasste. Nicht einmal ein Saumpfad führt auf den Gipfel, unser Weg
geht über Stein und Geröll, an senkrechten Felswänden vorbei und
der intensivsten Insolation ausgesetzt, auf das Gipfelplateau Das-
selbe ist ganz verkarstet (Taf. H Fig. 3), der Kalk von unzähligen,
tief einschneidenden Rinnen durchzogen; glücklich schätzen wir uns,
wenn zwischen den Rinnen noch mehr oder weniger zusammen-
hängende Felsplatten erhalten geblieben sind, aber zur Qual wird die
Wanderung, wenn die Rinnen dicht gedrängt verlaufen und nur
messerscharfe Rippen und Leisten zwischen sich lassen. Alle Sinne
sind auf das äusserste angestrengt, es ist ein kontinuierlicher Kampf
um das Gleichgewicht. Die erhitzte Luft ist in zitternder Bewegung,
halb betäubt strebt man dem nächsten Vorsprung zu, in der Hoffnung,
nun endlich am Ziele zu sein, doch es ist wiederum nur eine Täuschung,
denn vor uns liegt ein tiefer Einschnitt und dann folgt ein neuer
4ß
M. Rikli.
Gipfel. Wird es wohl der letzte sein? Wir haben schliesslich das
grausame Spiel aufgegeben, ohne den vordersten Gipfel erreicht
zu haben.
Auch der Florencharakter des Mongo zeigt dasselbe Bild trost-
losester Dürre und Monotonie, ein allgemeiner Charakterzug beinahe
aller ost- und südspanischen Sierren. Der Monte Mongo ist ein aus-
gesprochener „Geisberg", bedeckt mit dürftigen Garigues oder stellen-
weise auch mit Felsenheiden. Da aber die umliegenden Ortschaften
ihre Ziegen und Schafe auf dem Berge weiden lassen, so sind alle
Pflanzen verstümmelt und verfressen. Trotzdem gewährt die Flora
durch ihre vielen seltenen Arten und das Vorkommen einiger Ende-
mismen ein ganz besonderes Interesse. Dies gilt allerdings fast nur
von der Felsflora, wie sie besonders schön in der Umgebung der
Mongoquelle entwickelt ist.
A. Flora von Denia bis zur Mongoquelle.
Diese Strecke liegt beinahe ganz in der Region der Rebe; ein-
gestreut sind hin und wieder einzelne, bereits ziemlich belaubte
Feigenbäume. Sobald der eigentliche Aufstieg beginnt, löst sich die
Rebkultur in einzelne Parzellen auf, zwischen diesen Rebterrassen
erscheint die Felsenheide.
(/) Acker- und Ruderalflora (Wegränder).
^ LaDiarclia aiirea Mönch. ^*Senecio vulgaris L. /. viUosus
Carex divulsa Huds. f. Rikli nov.
Eiq)horbia characias L. Centaurea pullata L.
Mercurialis tomentosa L. ^ Sonchus tenerrimus L.
^EchiuDi cahjdnum Viv. ^ Hyoseris scahra L.
h) Felsenheide.
^ Brachyi^odium ramosum (L.)
R. et S., vorherrschend.
Chamaerops humilis L.
• Orchis mono L.
- Qu er CHS cocdfera L.
Rhammis lydoides L.
Pohjfjala rupesfris Pourr.
Arenaria montana L.
^ Psoralea bitwninosa L.
Fffnunculus gramineus L., west-
mediterran.
Cynoglossum cheirifoUum L.
ConvoJv}dus kr/niginosusDesr., r.
sericeus Boiss., makroiberisch.
Phlomis hjchnitis L.
Thymus vulgaris L. (oft Leit-
pflanze).
Lavandula dentata L.
,, . tnultifida L.
Helichrysum stoechas DC.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittehneei'küste. 47
B. Flora der Felsabstürze des Monte Mongo (ca. 350 m).
(Von der Mongoquelle bis zum Kamin.)
(/) Felsflora. Potcriiim (oicistroides Desf. Die kräftigen,
stark verholzten Pfahlwurzeln dieser Pflanze sitzen tief in den Fels-
ritzen und tragen grosse, bis 20 cm im Durchmesser erreichende
kompakte, mehr oder weniger kugelige Polster. Die fünf- bis sieben-
paarig gefiederten Blätter besitzen kleine rundliche, vorn gleichmässig
eingeschnitten-gezähnelte Blättchen; später fallen die Fiederblättchen
ab, die alten Blattspindeln bleiben aber noch lange als schützende
Hülle stehen. Die Fruchtstiele krümmen sich beim Verblühen ganz
wie bei unserer Linaria cijnibalaria (L.) Mill, negativ heliotropisch
gegen die Felswand. Im Wurzelort stimmt, wie Max Oettli gezeigt
hat (20), dieses an den scheinbar nahezu spaltenlosen, senkrechten
oder selbst überhängenden Felsen auftretende Poterium ganz mit
unserer Paten tilla caulescois L. überein. Die Pflanze gehört dem
iberisch-mauritanischen Florenbestandteil an. In Oran findet
sie sich mehrfach, dagegen ist sie in Spanien nur von der Sierra de
Gador und aus der Provinz Valencia bekannt.
Diplotaxis brassicoides Rouy v. maritima Rouij in Willkomm
Illustrationes florae Hispaniae insularumque balearicum T. I (1881 — 85)
t. LXXXV. Text p. Ul. Durch Süd- (Sierra Nevada) und Südost-
spanien verbreitet, die var. maritima Rouy nur am Mongo und an
Strandfelsen bei Denia. Biscutella montana Cav. gehört zum Formen-
kreis unserer Biscutella laevigata L., unterscheidet sich aber sofort
durch die breiteren, dichtwollig -zottig behaarten Blätter, das Ver-
breitungsareal dieser schönen Pflanze ist sehr beschränkt, denn sie
findet sich nur auf einigen Sierren von Valencia bis Granada.
Hippocrepis valentina Boiss. ist ein eigentlicher Felsenstrauch.
An der Mongoquelle hat er sich in Felsspalten angesiedelt, er ent-
wickelt lange, graziös herabhängende, an den Enden wieder etwas
aufsteigende Äste und ist über und über mit goldgelben Blüten be-
deckt. Diese Art besitzt im Süden der Provinz Valencia eine sehr
lokale Verbreitung; nahe verwandt ist die auf den Balearen (Mallorca)
endemische Hippocrepis balearica Wulf.
Scahiosa saxatilis Cav. (fol.) hat grosse, wollig -filzige Blatt-
rosetten, welche dicht gedrängt aus einer verholzten Grundachse ent-
springen und so auch eigentliche Polster bilden. Die elliptisch-lan-
zettlichen Blätter sind ganzrandig. Prächtig muss der Anblick dieser
Pflanze zur Blütezeit sein, wenn sich auf dem fusshohen Stengel die
grossen blendend weissen Blütenköpfe erheben. Auch diese Art ist
wiederum ein montaner Endemismus der Provinz Valencia.
48 M. Rikli.
HijDienostemma Fofifa/tesii Wk. =^ Chrysanthemum setabense
Duf. = Leucanthemum glabrum Boiss. et Reut. , eine kleine , kahle,
einjährige Mararethenblume mit etwas sukkulenten, spatelig, grob
eingeschnitten gezähnten Blättern. Das Hauptverbreitungszentrum
von H. Fontanesii Wk. liegt in den Atlasländern, wo die ausser-
ordentlich vielgestaltige Pflanze von der Küste bis in die Bergregion
sehr verbreitet ist. Die Art zerfällt in eine grössere Anzahl von
Varietäten, die z. T. eine recht beschränkte Verbreitung aufweisen.
In Spanien ist diese Pflanze nur südlich von Valencia vertreten und
zwar in Murcia und Granada einzig in der ra/\ miüxicum Gay, einer
Abart mit tief zerschlitzten Blättern.
Dianthus Jiisitanicus Brot, (fr.) fol.
Lavatera marifinia Gouan, westlich -mediterran; Rhammis
hjcioides L., spärlich. Rh. alatenms L. versum v. balearicus Wk..
Annäherungsform mit dem Boden angepressten Zweigen und kleineren,
schwach gezähnelten Blättern; ^*Hedera helix L. (fol.), überzieht
ganze Felspartien und zeigt in der Ausbildung der Blätter eine grosse
Vielgestaltigkeit; ^Crataegus )no/iogij?ia Jacq. und, auf vorspringenden
Felsen, jedoch immer spärlich: ^Ficus carica L. (foL).
Von Gefässkryptogamen : ^ Selaginella denticulata Spring.,
^^Asplenum trichomanes L., ^*A. adianium nigrum L.; feuchte,
überhängende Felsen bedeckt das Venushaar i^ Adiantuni capillus
veneris L.) und an heissen Stellen wuchert der xerophytische ^'J-ä'-
pleniDU ceterach L. Stellenweise sind die Felswände von Tham-
nolia vernücularis Ach., einer grauweisslichen , lange, wurmartige
Thallome bildenden Flechte ganz überzogen, und dazwischen zieht
eine Cyanophycee breite schwarze Tintenstriche.
h) Garigues. — Unter dem sich in einer Höhe von 200—250 m
über ca. 2 km hinziehenden Felsband breitet sich eine dürftige Gari-
gue aus:
ChüDKierops huniil/'s L., vorherrschend (fol.).
Erica /fiulfißora L. (fr.) fol., reichlich und zuweilen auch als Fels-
pflanze auftretend.
^Cisius albidus L. (fl.) fol. ^Ju/uperus oxycedrus L., spär-
,, Chisii Dun., reichlich. lieh.
^ Bosniarinus o^'n'//aJisL., reich- Ephedra fragilis Desf.
lieh. ^ Pinus halepteusis Mill.
Die Aleppoföhre ist nur spärlich, meist in niederen, vom Schmal-
vieh verbissenen Büschen vertreten; vereinzelt finden sich hin und
wieder auch kleine verkrüppelte Bäumchen. Dazu gesellen sich
nun noch einige klimmende und schlingende Pflanzen, die sich ge-
x
CO
CO
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste. 49
legentlich auch in grosser Menge auf den Felsköpfen ansiedeln:
tSniila.r a sperrt L., in einer Form, deren Blätter auffallend ver-
längert (Spreite bis 5,2 cm lang und nur 6 bis 8 mm breit), schmal-
länglich-lanzett und weisslich gefleckt sind, ferner ^Asparagus acuti-
folius L. , ^Rubia peregrhia L. , - Lonicera implexa Ait. , auch
'Rosa sempervirens L. fehlt nicht ganz, häufiger nistet sich dagegen
zwischen den Felsblöcken ^*Ruhus amoenus Port. ein.
Zwischen diesem Gesträuch und Gebüsch treten die Blattbüschel
der ^Urginea sciJJa Steinh., sowie ^Arum italicitui Mill. und AspJio-
(lelus albus Mill. auf. Von den dicotyledonen Stauden und Kräutern
sind vorhanden: ^ Teuer ium poliuni L. (fol.), der sukkulente ^Uni-
bilicus penduUnus DC. (fol.) mit seinen schildförmigen Blättern ist
sehr häufig; ferner Liiuini narhonense L., ^Silene colorata Poir..
Arenaria niontana L., ^Ruta chalepensis L. v. angustifoUa (Pers.)
Wk., dazwischen sprosst das zarte Thalictrmn tuberosum L., auch
wieder eine makroiberische Art und das nicht weniger zierliche Cofto-
j)0(Uu//i niajjis (Gouan) Loret hervor.
C. Das verkarstete Gipfelplateau des Mongo (600 bis 761 m).
Ende März ist die Vegetation auf dem verkarsteten Gipfelplateau
des Mongo noch sehr zurück, Die langandauernde Trockenperiode
hat wesentlich dazu beigetragen, die Entwicklung der Pflanzenwelt
zu verzögern. So ist uns wohl mancher interessante Vertreter der
i-eichen Flora des Mongo entgangen; viele Pflanzen haben wir auch
nur im vegetativen Zustande gesammelt, so dass die Bestimmung
mit viel Schwierigkeit verbunden war und leider nicht immer zu
der wünschenswerten Sicherheit führen konnte.
a) Nordseite. Rhamiius alaternus L. versus var. balearirus
Willk., Äste spalierartig, dicht dem Boden angepresst.
L lex austral IS Clem.(fY.)Yeich\ich. ^ Teuc)-iu)ti poJiuiti L. (,fol.)
Erica multiflora L. (fr.) ^ Pistacia Jentiscus L., spärlich.
Dapline g/tidiuni L. (fol.) reich- CaJycotonie spinosa Lk., spärlich,
lieh. "^ Asparagus acufifolius L. (fol.)
Tlnjiuus vulgaris L. ^* Ruscus aculeatus L. (fr.)
Sniilax asper(( L. bedeckt besonders an den typischen Karren-
stellen in grösster Menge das Kalkplateau und zwar in einer höchst
eigentümlichen Ausbildung {var. balearica Wk.^), wie ich sie auch
massenhaft auf der Atalaya de Albercuitx gegen das Kap Formentor,
') Hartwich, G. \]heY Smilax aspera (mit zahlreichen Abbildungen). Sclnveiz.
Wochenschrift für Chemie u. Pharmazie. 1907. No. 10.
Vierteljahrssohrift d. Naturf. Gps. Zürich. Jahrg. 52. 1907. 4
50 M. Rikli.
an der Nordostküste Mallorcas, angetroffen habe. Die Pflanze klettert
nicht mehr, sie wird nur etwa 1 Fuss hoch, die Blätter sind grössten-
teils abgeworfen und die eigentümlich hin und her gebogenen, starren
und stacheligen Verzweigungen ineinander verflochten (34), — ein Scrub
en miniature.
^* Hedera helix L. (fol.) überzieht öfters die Nordseite der
Felsen.
Dazu gesellen sich nun noch eine Reihe Gräser, Stauden und
Kräuter. ^Bracliijpodium ramosiim (L.) R. et S., die häufigste Art,
mit der Smilax überall massenhaft, zwischen und aus den durch-
löcherten Kalkblöcken, hervortretend.
BiscuteUa laevigata L. var . . . ^ Sedum dasyphyUum L.
eine Mikroform der sehr viel- *"* AnagalUs arvensis L., s. sp.
gestaltigen Art, weil ohne coerulea Schreb.
Frucht nicht näher bestimm- *" Galium saccharatum All.
bar; gleicht der B. pt/renaica HeUchrysum stoechas DC.
jjuet. HeJichrysum deciimbens Camb.,
*H2itchinsiapetraea(L.)^.^Y.{iv.) von vorwiegend makroibe-
^Sedmn altissimum Poir. (fol.) rischer Verbreitung.
Eine besondere Zierde sind die sehr reichlich vorhandenen und
im schönsten Flor stehenden Jonquillen {Narcissus serotinus L.)
und die hin und wieder aus der trostlosen Umgebung emporragenden
zierlichen Glocken der Fritillaria messet nensis Raf., beides vor-
wiegend südlich mediterrane Arten. Die Felsblöcke selbst sind end-
lich mit Funaria hygrometrica (L.) Sibth. und TorteUa squarrosa
(Brid.) Limp. besetzt. Das letztere Moos ist im Mittelmeergebiet all-
gemein verbreitet und tritt oft sogar in grösster Menge auf, neuer-
dings wurde dasselbe auch in der Schweiz bei Bex nachgewiesen;
eine der nördlichsten Stationen dieses südlichen Mooses ist die Garides
des Kaiserstuhls bei Freiburg im Grossherzogtum Baden.
Nur um und an den Felsen des Grates und zwar einzig auf deren
Nordseite wachsen folgende Arten : ^*Bu.rus sem2)ervirens L., ^Ju/ti-
perus phoenicea L.; Bupleuruiu s2)iuosum Gouan bildet kleine,
stachelige Sträuchlein, welche noch die vorjährigen Infloreszenzen
tragen; Phlouiis lychnitis L. hat hier oben noch keine Blütentriebe
entwickelt, die filzigen länglich-ovalen, in den Blattstiel verschmälerten,
grundständigen Blätter entsprossen da und dort dem steinigen Boden :
auch das Poteriiun ancistroides Desf. (fl.) findet sich am Gipfelgrat:
endlich haben sich zwischen den Felsritzen noch zwei seltene, ento-
iberische Linarien: Linaria origanifolia (L.) DC. und die gelb-
blühende Linaria, Haenseleri Boiss. et Reut, angesiedelt.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste. 51
ß) Südseite. Vorherrschend sind: ^Brachypodium raniosum
(L.) R. et S. und Chamaerops humilis L., auch ^Quercus coccifera
L. spielt stellenweise eine führende Rolle. Reichlich vertreten, ohne
jedoch Leitpflanzen zu sein, sind : Asjjaragus horridiis L., ^Cishis
(ilhidus L., Helianthemiini marifolium (Cav.) DC, Lavandula
dentata L., ^l^eucriuni polUun L. und Ranuncidus gratnineus L.
rar. In ziilaefolius Boiss. Nur vereinzelt treten auf : ^Urginea Scilla
Steinh., ^Arisarum vulgare Targg.-Tozz., ^*Tamus communis L.,
^ Ophrys fenthrcdiniferaW. und endlich Arenaria niontaiia L.
Von einer regionalen Gliederung der Flora des Monte Mongo
kann, wie diese Pflanzenlisten zeigen, kaum gesprochen werden. Wohl
haben wir auf dem Grat einige Arten angetroffen, die wir in der unteren
Region des Berges nicht beobachtet haben: Fritillaria messanensis
Raf. , ^^Buxus senipervirens L., ^ Juniperus phoenicea L,, die
beiden Linarien usw. Mehrere dieser Arten haben wir jedoch in Ost-
spanien wiederholt auch in der eigentlichen Kulturregion angetroffen.
Die wenigen übrigen Arten können ebenfalls kaum als montane Pflanzen
gelten, zudem treten sie auch nicht in solchen Mengen auf, dass sie
den Gesamtcharakter der Flora des Gipfelplateaus in erheblicher
Weise beeinflussen. Dasselbe gilt für die beiden verschiedenen Ex-
positionen des Berges. Auf beiden Seiten dominiert ^Brachypodiuin
ramosuni (L.) R. et S., auf der Nordseite gesellt sich hauptsächlich
^Sniilax aspera L. und ^Daphne gnidiuni L. dazu, auf der Süd-
seite sind es in erster Linie Chamaerops humilis L. und ^Quercus
coccifera L., alles Pflanzen, die wir erst gestern am Meere zwischen
Denia und dem Cabo de S. Antonio gesammelt haben. Da zudem der
ganze Mongo aus Kalk besteht, so gewährt auch die geognostische
Unterlage keine Möglichkeit einer Abwechslung in der Zusammen-
setzung der Flora. Verschiedenheiten gestattet einzig der Wechsel
der Standortsverhältnisse: Anstehender Fels, Geröllhalden, trockene
Karfluren, steinige, flachgründige Abhänge. Da aber diese Standorts-
bedingungen stets wiederkehren, so bleibt sich auch der Vegetations-
charakter gleich. Grösste Monotonie ist daher das Wahr-
zeichen der Flora des Mongo.
9. Benisa und Umgebung.
25. III. 1905.
Benisa liegt im Bergland der Halbinsel von Alcoy, etwa drei
bis vier Wegstunden von der Küste, gegen die sich Hügel an
Hügel hinzieht. Auch Benisa ist wiederum von Kulturgelände um-
geben. Der Weinbau, wie in Denia hauptsächlich für den Rosinen-
4
52 M. Rikli.
export bestimmt, bildet die Haupterwerbsquelle der Bevölkerung. Es
ist wirklich bewunderungswürdig, mit wie viel Fleiss und Ausdauer
dieselbe den steinigen und ausgetrockneten Boden bebaut. Die ganze
Landschaft ist terrassiert, nur wenige Stellen sind der ursprünglichen
Pflanzenwelt erhalten geblieben; es ist um Benisa hauptsächlich die
Felsenheide, wohl weil der Anbau dieser unproduktivsten Stellen
zuletzt in Angriff genommen wird. In grösserer Entfernung vom Ort,
am Weg zum kleinen Hafenstädtchen Calpe, sind jedoch auch noch
typische Garigues und dürftige Monte bajo vorhanden.
Da zur Zeit unserer Anwesenheit in Benisa die Weinreben ihr
Laub noch nicht entfaltet hatten, überwog überall die Erdfarbe. So
ist denn das Bergland von Benisa ausserordentlich kahl, beinahe von
afrikanischem Gepräge, Die Berge sind noch kahler, sie nehmen viel-
fach den Charakter eigentlicher Felswüsten an. In diese Landschaft
passt ganz vorzüglich das düstere Benisa, dessen Häuser mit flachen
Dächern aus Rinnenziegeln bedeckt und deren Mauern meist ohne
jeglichen Verputz sind. Der Ort erinnert so lebhaft an Bilder, wie
man sie etwa aus den wilden Bergen Albaniens zu sehen bekommt.
Die Bevölkerung lebt ausserordentlich dicht zusammengedrängt, —
eine Erinnerung an frühere unsichere Zeiten. Reizvoller muss diese
Landschaft sein, wenn wenigstens das Kulturland bis zur Küste be-
laubt ist und alle Hügel mit anmutig erfrischendem Grün bedeckt
sind; doch von langer Dauer wird diese Herrlichkeit nicht sein.
Die nähere Umgebung von Benisa besteht aus dürren, lehmigen
Kalkhügeln, in welche Gewitterregen tiefe Erosionsfurchen, ja z. T.
förmliche Schluchten gezogen haben. An diesen beständig in Be-
wegung befindlichen Abhängen sind noch in sehr lückenhaften, offenen
Formationen die letzten Überreste der ursprünglichen Pflanzenwelt
erhalten geblieben. Neben Felsenheiden finden sich auch noch einige
licht bestockte ^Pinus halepensis -Wäldchen mit macchienartigem
Unterholz, jedoch beinahe nur an den Nordhängen kleiner Erosions-
schluchten. Neben dem stadtähnlichen Benisa sind über das ganze
weite Land nur noch einzelne Häuser zerstreut. Auch diese Caserios
liegen meistens am Abhang einer Erosionsfurche, sie sind umgeben
von Ä(/aveN- und ^ Ojninfia Ficus i/idica -Hecken und werden fast
stets von einigen knorrigen Ceratonien beschattet. Ein kleiner
Obstgarten mit einigen Citronen- und Orangenbäumen, mit einzelnen
Granatapfelbäumen und japanesischen Misteln {Mespilus japonica
Thunb.) liegt innerhalb der Umzäunung; gelegentlich sind sogar
noch einige Birnbäume angepflanzt, ein Ackerchen mit Saubohnen fehlt
wohl nie.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste. 53
a) "^Piniis JialepensisAN'iXAchQxi mit macchienartigem Unterholz,
südlich von Benisa, am Abhang einer kleineren Erosionsschlucht.
Exposition Ost. Das Unterbolz besteht aus :
a) Hauptbestandteile: ^Quercus cocdfera L. (foL), ^Ros-
marinus offici/ialis L. (fl.) fr., Ulex australis Clem. und ^Cistus
saicifolius L. (fl.).
|S) Charakterpflanzen: Calycotome spinosa Lk., -C. villosa
Lk., ^Crataegus nwnogijna Jacq., ^CorijJus aveUfoia L., ^Globu-
laria alypu/n L. (fl.) fr., Erica multiflora L. (fr.), Thymus vul-
garis L., Rhamnus alaternus L. versus var. balenricus Wk. und sub-
spontan ein Exemplar von Opuntia Ficus indica Mill., sowie einige
verwilderte Granatapfelbäumchen.
y) Schlingpflanzen durchwachsen das Gehölz und machen das-
selbe durcli ihre Menge stellenweise fast undurchdringlich : Aspara-
gus acutifoUus L., ^Clematis flamjnula L. , ^*Rubus atnoenus
Port., ^Lonicera implexa Ait. und ^Rubia peregrina L.
ö) ünterflora (Begleitflora): ^Brachypodiuni raniosum (L.)
R. et S., ^Audropogon pubescetis Vis., ^Oplirys tenthredinifera VV.;
Onobrychis saxatiUs All. mit kleinen blassroten Blüten und feinen
linealen Fiederblättchen, Argyrolobium Linnaeanum Walp., An-
thyllis cytisoides L. mit etwas sukkulenten, aber seidenhaarigen
Blättern und langen goldgelben Blütentrauben, eine Prachtpflanze, die
jedoch um Benisa nur spärlich vertreten ist. Moricandia arrensis
(L.) DC, eine schwach sukkulente, kahle Crucifere mit violetten Blüten,
^ Sedufn alfissinium Poir. (fol.), Eryngium spec. (fol.), Ceratocalyx
fuacrolepis Coss. (fl.), Phagnalon sordidum DC. und ^ InuJa vis-
cosa Ait. (fr.) fol. mit abgedorrten, letztjährigen Fruchtachsen. Es
sind somit meistens Bestandteile der benachbarten Felsenheiden, welche
in die Lücken des Unterholzes hineinfluten.
b) Felsenheide flora (45 spec). — In dieser sehr offenen For-
mation sind wiederum vorherrschend: ^Brachypodiuni raniosum (L.)
R. et S., Ulex. ausfralis Clem. und Thymus vulgaris L.
Dazu kommen noch folgende Arten:
^* Poa bulbosa L. Euphorbia serrata L.
^ Urginea Scilla Steinh. Polygala riipestris Pourr.
^Cistus salvifolius L., spar- Viola arborescensL. (ir.)
lieh. • V. odorata L.
Fumana laevipes Spach ^Reseda alba L,
Biscutella stenophylla Duf. Euphorbia sulcata De Lens. var.
Moricattdia arvensis (L.) DC. tubercidata nov. var.
^ Rufa chalepensis'L. V. angusti- * Eryngium canipcstre L.
folia (Pers.) Wk. Asper ula cynanrhica L. s. sp.
^ Sedum altissimum Poir. (fol.). aristafa (L.) Briq.
54
M. Rikli.
gez. L. Schröter.
Fig. 3 (Orig.) 1,5 : 1. — Sideritis Eiklii Briq. nov. spec. 1907.
Originaldiagnose in J. Briquet Plantarum novarum vel minus cognitarum decades,
Annuaire du Conserv. et du jard. bot. de Geneve vol. X (1907) p. 105.
Ganz besonders stark sind die Papilionaceen vertreten:
^ Ononis natrix L.
^ Ononis reclinata L.
Anthyllis cytisoides L.
^ ,, tethraphyUa L.
^ ,, vulneraria'L.v.rubri-
flora Ser.
Asfragalus nwnspessulanus L.
Asfragalus Glaux L.
Onohrychis saxatilis All.
Hedysarum sjJt/iosissnuum L.
humile L. v. major
Lange = H. Fontanesü Boiss.
Calycotome spinosa Lk.
'^ Scorinunis suhvUIosa L.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittehneerküste. 5ö
Und von Gamopetalen:
^ Pla)itago albicans L. z.T. fl. '^ Eosmarinus ojficinalislj., sehr
- Globulan'a ahjiiiim L. spärlich.
~ Daphne gnidium L. ^ Salvia verbenaca L., spärlich.
- Rubia peregrina L. Sideritis Biklii Briq. spec. nov.
Liniim narbonense L. (1907) [Textfigur 3].
Coris monspeliensis L. (fol.). Teucrium pseudochaniaepitijsli.
^* Anagallis arvensis L. s. sp. Asperula cynanchica L. s. sp.
roerulea Schreb. aristata (L.) Briq.
Dazu gesellen sich endlich auch noch mehrere Kompositen:
-^ Inula viscosa Ait. (foL). Senecio Unifolius L.
^ Phagnalon rupestre DC. SantoUna chamaecyparissus L.
Hei ichrij sinn stoechas DC. ^ Asteriscus spinosus(j(.G. = Pal-
angustifolium DC. lenis spinosa Cass.
In dieser Liste ist das westmediterrane Element durch vier
neue Arten vertreten: Asperula aristata L. und Santolifia chaniae-
cijparissus L. erreichen noch Dalmatien, Anthyllis cytisoides L. geht
über die Balearen bis nach Korsika und Onobrychis saxatilis All.
folgt den mediterranen Küstenlandschaften von der Provinz Alicante
über Südfranki^eich bis nach Ligurien, ohne jedoch auf die tyrrhenischen
Inseln überzugehen; sie findet sich auch noch in Südtirol. Moricandia
arvensis (L.) DC. ist schon eher eine südmediterrane Pflanze,
in den nördlichen Teilen des Mittelmeerbeckens fehlt sie grossen
Strecken und wo sie hier vorhanden ist, da ist sie selten (z. B. in
Südfrankreich einzig bei Marseille). Senecio Unifolius L. und
Euphorbia sulcata De Lens. sind iberisch-mauritanische
Arten, erstere erreicht auch noch die Balearen; letztere Südfrank-
reich (Montpellier. Marseille).
cj Ruderalflora: Um Benisa gibt es endlich auch noch zahl-
reiche Brachäcker, die eine ziemlich reichhaltige Adventivflora auf-
weisen :
^ La/narckia aurea Mch. O ^* Vicia sativa L. v. oborata
^ Allium roseum L. 2|. Ser., in Calpe. O
^Reseda alba L. O *• Yicia lutea L. v. hirta (Bal-
Platycapnos sj)icatus Beruh. bis) Boiss. O
(westmediterran) 0 * Yicia peregrina L. O
-Anthyllis tetraphylla L. 0 ^* Asperula arvensis L. 0
- Scorpiurus subvillosa L. © - Hyoscyanius albus L. 0
^ Coronilla scorpioides (L.) ^ Cynoglossum pictuni Ait. 0
Koch 0 ^Anchusa italica Ftetz 2|.
56 M. Rikli.
* Linaria simplex DC. (fr.) O ^ Inula viscosa Ait. 2|.
Plantago cynops L. 2|. ^ Bellis annua L. O
*- „ lagopus L. O ^ Rhagadiolus stellatus(L.)'DC.O
• Centaurea calcitrapa L. O Thrincia hispida Roth O
Von diesen 22 Arten sind mithin 18 einjährig; das sind 86 ^o-
10. Von Benisa nach Calpe und die Punta de Ifach.
26. m. 1905.
Von Benisa erstreckt sich bis zur Küste eine reichgegliederte^
jedoch wenig übersichtliche Hügellandschaft. Garigues und Felsen-
heiden bedecken dieselbe, doch gehen die beiden Formationen öfters
ineinander über. Stellenweise nehmen die Grarigues beinahe macchien-
artigen Charakter an, immerhin werden dieselben nicht über andert-
halb Meter hoch. Auf der ganzen mehrstündigen Strecke begegneten
wir, jeweilen von Hundegebell begrüsst, nur vier primitiven Caserios.
Bei einer dieser Niederlassungen fand sich eine junge Kultur von
Haifagras, bei einer anderen ein ganzes Feld von ^*Iris germanica
L. in voller Blüte. Um diese Caserios waren je einige Mandelbäume
und knorrige Ceratonien, aber keine Orangenbäume angepflanzt. Ausser
diesen inmitten der ursprünglichen Vegetation gelegenen Einsiedeleien,
geben nur noch vereinzelte Windmühlen, und hin und wieder ein
kurzer, flüchtiger Blick auf das ferne Benisa oder auf Calpe Zeugnis
von der Anwesenheit des Menschen.
a) Garigues:
^Cistus salvifolius L., viel. Dorijcnium suffruticosum Vill.^,
'^ G. monspeliensis L., gegen die stellenweise sehr reichlich.
Küste häuflger werdend. * Crataegus monogijna Jacq.
^ G. albidus L. „ brevispina Kze. (fl.).
G. Glusii Dun., als Kleinstrauch ^ Globularia ahjpuni L., zuerst
mit öfters dem Boden ange- selten, gegen die Küste häufiger
schmiegten Zweigen. werdend.
^ Erica arborea L., reichlich. Rhanmus lycioides L.
E. multiflora L. ^ Quercus coccifera L.
^ Arbid US unedo L., sehr selten ^ Pistacia lentiscus L.
(es wurde nur ein Exemplar Garlina racemosa L. fr. (fol.)
beobachtet). Ghamaerops hmnilis L., selten.
^Ros7tiarinusoffidnalisL.{ü.)ir. ^ Smilax aspera L. (fol.)
Ulex australis Clem. ^ Pinus halepensis Mill., in ver-
AnthyUis cytisoides L. (fl.) mas- einzelten, dürftigen, vonMensch
senhaft, oft geradezu ton- und Tier meistens elend ver-
angebend, krüppelten Exemplaren.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittehneerküste. 57
Aus diesen Garigues ragt hin und wieder ein schlanker bis über
Meter hoher, an der Basis verholzter Fingerhut mit höchst eigen-
tümlich dunkel gelbbraunen Blüten empor, es ist Digitalis obsnira
L., eine auf Zentral-, Ost- und Südspanien beschränkte Art.
b) Felsenheiden. Nach der Leitpflanze lassen sich drei Typen
unterscheiden: die Passerinaheide {^ Passerina hirsuta L,), die
Asphodillflur {AspJwdelus ßsfulosus L., es fehlt A. albus Mill.)
und die Thymiantomillares mit Thymus vulgaris L. (fl.) fr. —
Die Begleitpflanzen dieser drei Facies sind:
^ Brachypodium raniosum [h.) schlangenartigen Kriechtrieben.
R. et S. Matthiola parriflora (Schousb.),
*■ Köleria phleoides (Vill.) Pers. R. Br.
Mercurialis tomentosa L Li /mm narbonense L
Polyyala rupestris Pourr. * Verbascum siuuatum- L.
Viola arboresceiis L. ^* Marrubium vulgare L,
'^ Fumana viscida Spach ^ Teurriu))i polium L. c. capi-
• Ononis mitrix L. tatum (L.) Briq.
Onobrychis saxatilis All. Senecio lim'folius L.
'^ Dorycnium hirsutum Ser., ver- ^ Urospermum Dalecha/npiKJj.)
einzelt. Desf.
^* Trifolium fragiferum L. ^Bellis a/uiua L., massenhaft.
Astragalus monspessulanus L. ^ Inula viscosa Ait. (fr.) fl.
Hedysarum spinosissimum L. ^ Phagtialon riipestre DC.
^ Coronilla scorp)ioides (L.) Koch ^ Asteriscus maritim us Less,
Medicago spec. (fl.), mit langen, Carlina racemosa L. (fr.) fol.
^* Onopordon acanthium L. (fl.)
Eine Überraschung wird uns zu teil, da fliesst wahrhaftig ein
frisches munteres Bächlein mit klarem Wasser. Im Sande breitet sich
* Carex glauca Mmv. und über fusshoher ^* Holoschooaus vulgaris
Link aus und längs den Ufern erstrecken sich Röhrichte des Pfahl-
rohres {^ Arundo dornt x L.) mit vorjährigen, abgedorrten, bis 7 m
hohen Riesenhalmen.
Das landfest gewordene Felsenriff von Ifach bei Calpe
(Taf. II Fig. 4) ist durch eine flaciie Niederung mit dem Festland
verbunden, dann erhebt sich terrassenartig das Gelände, um plötzlich,
ganz unvermittelt in den kompakten, von senkrechten Felswä'/'iden
begrenzten Kalkkoloss der Punta de Ifach, einer weit ins Meer vor-
springenden Halbinsel, überzugehen. In diesem Gebiet erfolgt ein
rascher Formationswechsel. Es lassen sich fünf Vegetationszonen
unterscheiden :
58 M. Rikli.
1. Die Kultur Zone. Sie erstreckt sich über das Flachland.
Getreideäcker wechseln mit Mandel-, Öl- und Johannisbeerbäumen
ab. Die Bewirtschaftung erfolgt vom nordwestlich gelegenen Calpe aus.
2. Strand- und Dünenzone. Erstere erstreckt sich längs der
Flachküste zu beiden Seiten der Halbinsel. Der ganze Strand ist
mit Posidonienkugeln, welche durch den Wind weit landeinwärts ver-
schleppt werden, ganz bedeckt. Als Dünenpflanzen treten auf:
^' Asphodelus fistidosus h., mas- * Cakile maritima Scop. (S.)
senhaft (S.)') ^ Lobularia maritima Desv,
Gynaiidriris sisyrinchium Pari. ^ Frankenia pidverulenta L.
^ Urginea Scilla Steinh. fol. (S.) * Ouonis natrix L.
^ Plantago maritima L. (S.) ^ Lotus creticus L.
^ Atriplex halimus L. (S.) Fagonia cretica L. (fl.)
^ Passerina hirsuta L. ^ Imda crithmoides L. (fol.) (S.)
3. Tomillares und Garigues beanspruchen die unteren Teile
der Vorhügelzone des Felsenriffes. Die stellenweise dominierenden
Tomillares bestehen wieder fast ausschliesslich aus Thymus vul-
garis L. In den Garigues herrscht Cistus Clusii Dun., öfters
schmarotzt die Rafflesiacee ^Cytinus hypocistis L. auf ihren Wur-
zeln; reichlich vertreten ist ^C. albidus L. (fl.) und ^ Rosmarinus
officinalis L. (fl.) fr., auch Chainaerops hu)nilis L. (fol.) findet sich
hier an der Küste wiederum reichlich, doch immer nur in niedrigen,
dem Boden angepressten Exemplaren.
4. Felsenheiden bedecken die höheren Teile der Vorhügel bis
zu den Felswänden der Punta de Ifach, in den oberen Lagen werden
sie immer steiniger und felsiger. Zur Passerinaheide und As-
phodillflur (^ Asphodelus ßsinlosus L., meistens bereits verblüht),
gesellt sich als dritter Typus noch die Euphorbiaheide hinzu, sie
besteht hauptsächlich aus Euphorbia pitliyusa L., welche an ihren
derben glauken, schwach sukkulenten Blättern leicht zu erkennen ist.
Dazu kommen als weitere Begleitpflanzen :
Asparagus horridus L. f. folium (Lam.) DC.
^Köleria phleoides (Vill.) Pers, * Ononis natrix L.
Macrochloa tennacissima Kth., ^ Antliyllis tetraphylla L,
spärlich. Coronilla juncea L. , west-
Lygeum sjjartuni L. mediterran.
^ Fumana viscida Spach iJorycnium suffruticosum Vill.
Helia nthemum lavandulae- * Teucrium p>olium L.
1) (S.) ^= Saftptlanzeu.
Botanische Reisestndien von der spanisclien Mittelmeerküste. 59
LdvanduUi dcntata L. Co/t rolrn Ins Idnufjinosus Desr.
Coridothytrius capitatus Rchb. ^* AnagaUis arvensisli., s. spec.
f. (fol.) coerulf^a Schreb.
Artetnisia Barrdieri Bess.
5. Die Felsflora. Die Felsflora der Punta de Ifach ist berühmt
durch ihren ausserordentlichen Reichtum an seltenen, z. T. für diesen
Teil der Provinz Valencia endemischen Arten. Leider war aber diese
Flora zur Zeit unseres Besuches noch sehr zurück, so dass unsere
Ausbeute ziemlich bescheiden war. Vom Festland aus ist überhaupt
nur die Schattenseite des Felsens, die Nord Westseite, einigermassen
zugänglich.
^ Ficus carica L. Satureia ohovata Lag. (fol.).?
Osyris qnadripdrtita Decsne HtpjJocrepis caleutina Boiss.
(1836). *'• Heder a hei ix L. (fol.)
- Matthiola ineana (L.) R. Br. ^ Lonicera implexa Ait. (fol.)
Biscutella fnonfa/ia Cav. Scabiosrt sa.rafilis Cav. (fol.)
Biscittella stenophylla Duff. Euphorbia rupicola Boiss.
Dianthus lusitanicus Brot. ^ Smilax aspera L.
Lavatera maritima Gouan ^*Asple/mm ceterach L.
Lavandula dentata L. * Asjjlenum fontan7(}N(L.)Bevnh.
Von ganz besonderer Bedeutung sind endlich zwei Filzpflanzen,
die mit tiefen Pfahlwurzeln in den Ritzen der Felsplatten bei der
Zollstätte von Calpe vorkommen. Es ist zunächst das Helianthe-
mum Caput felis Boiss., welches bald kleine knorrige, dem Boden
dicht angepresste Spaliersträuchchen, bald eigentliche bis über 10 cm
im Durchmesser erreichende Polster bildet. Aus dem schneeweissen
Indument heben sich die leuchtend goldgelben Blüten prächtig ab.
Von dieser Pflanze sind bisher nur drei weit auseinander liegende
Standorte bekannt geworden. Ausser an der Punta de Ifach findet
sie sich noch je an einer Stelle in Oran (Ai'n-el-Turk.) und auf
Mallorca (La Salinas de Campos). Von ganz ähnlichem Aussehen ist
das Helichrijsu))i decumbois Camb.; doch besitzt diese Art im süd-
westlichen Mittelmeerbecken ein viel grösseres Verbreitungsareal und
zudem hat sie noch an der französischen Riviera einige vorgeschobene
Aussenposten (Port Vendres, Ile St. Lucio, Marseille).
Bevor wir weiter nach Süden ziehen, wollen wir noch einen Blick
auf die Floren von Denia und Benisa werfen. Das physiognomische
Vegetationsbild ist von grösster Einförmigkeit, immer nur Garigues
und Felsenheiden, Felsenheiden und Garigues; andere Formationen
kommen kaum in Betracht. Trotzdem hat sich die Flora in un-
geahnter Weise bereichert und zwar nach zwei Richtungen.
60 M. Rikli.
Sehen wir von den, gegenüber den nördlichen Teilen der spanischen
Riviera nun bedeutend grösseren Zahl südlich- und westlich-medi-
terranen Arten, welche besonders der Felsenheide und der Felsflora
angehören, ab, so sind es in erster Linie die Sierren, welche zahl-
reiche Pflanzen von recht beschränktem Verbreitungsareal aufzuweisen
haben. Es sind zumeist Arten, die nur innerhalb der iberischen Halb-
insel auftreten, einige erreichen auch noch die Balearen oder finden
sich wieder in Nordafrika, doch meist nur an wenigen Standorten;
wieder andere sind sogar valencinisch. Diese Liste umfasst folgende
27 Arten:
Diplofaxis brassicoides Rouy
W) Biscutella nio/ffana Cav. Sierren von Valencia bis Granada und
Gibraltar.
B. stenophylla Duff. Gebirge von Granada und Valencia, auch
an einer Stelle in Aragonien (Sierra de Moncayo).
Thalicfnnn fubecosinn L. Ost- und Nordspanien, Süd- und Süd-
westfrankreich.
Viola ar^borescens L. Von Nordafrika durch Süd- und Ostspanien
bis Südfrankreich, Balearen.
Polygala rupestris Pourr. Von ähnlicher Verbreitung, wie die
vorige Art.
N) Helianthemmn caput felis Boiss., Verbreitung siehe pag. 59.
H. )iiarifolium (Cav.) DC. /'. tomentosiuii Wk., westlich-medi-
terran bis Südfrankreich, Sardinien, Süditalien.
N) Euphorbia rupicola Boiss. Südostspanien (Valencia, Murcia,
Granada, Gibraltar).
E. sulcata De Lens. Von Nordafrika durch Süd- und Ostspanien
bis Südfrankreich.
N) Osyris quadripartita Decsne Marokko, Algerien (Teil), Süd-
portugal, Süd- und Südostspanien.
Bupleiirum spi)wsu)}i Gou. Nordafrika, Süd- und Ostspanien,
nördlich bis Aragonien, Korsika.
N) Jlippocrepis valentina. Boiss. Einzig Provinz Valencia und da-
selbst von sehr beschränkter Verbreitung.
N) Mafthiola parciflora (Schousb.) R. Br. Nordafrika, Süd- und Süd-
ostspanien.
N) Pofe/'iitm (uicistroides Desf. Nordafrika, Sierra de Gador
(Granada) und Valencia.
') Die mit N) Ijezeiclmeten Arten erreichen in Spanien auf der Halbinsel von
Alcoy oder in den Sierren westlich von Valencia ihre Nordgrenze.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittehneerküste. 61
Cr<it(i('(jtis brcn'spi/ta Kze. Süd- und Südostspanien, südlich
Aragonien, Balearen.
Digitalis ohscurd L. Ost-, Zentral- und Südspanien.
Linaria oricjanifolia (L.) DC. Felsenpflanze: Portugal, Spanien,
Pyrenäen bis Südfrankreich.
hiiKtria crassifolia Cav. (Kze.). Felsenpflanze: Ost- und Süd-
spanien, nördlich bis in die Pyrenäen.
LifKnid HacuseUni Boiss. Sierren von Zentral-, Südost- und
Südspanien, ein Standort in Alt-Kastilien.
Lithospermum fruticosum L., makroiberisch, doch in einer nah-
verwandten Art (L. ronsobrimim Pomel.) in Nordafrika
vertreten.
CoJirolruIus /(Uiuffi/iosus Desr. Durch Spanien bis Südfrankreich.
N) Satnreja ohorata Lag. Süd- und Südostspanien.
N) CoridotJnjiiius capitafus Rchb. f., südmediterran.
N) Scfiecio linifolius L. Nordafrika, Süd- und Südostspanien, Balearen.
N) Hymenostemma Fontanesii Wk. Nordafrika, Süd- und Südost -
Spanien.
N) Scahiosa saxatilis Cav. Nur in Valencia.
Aber auch noch in einer anderen Hinsicht gewährt die Flora
der Halbinsel Alcoy ein ganz besonderes Interesse, denn dieser
Florenbezirk ist ein Vorposten der Steppenflora. Da und
dort, allerdings nur vereinzelt und so ihren fremden Ursprung ver-
ratend, treten schon zwischen Denia und Calpe einzelne typische
Steppenpflanzen auf. Es sind: Atriplex halimus L., allerdings
nicht nur Steppen-, sondern auch Strandpflanze, HeliaNthemini/
laraftdidaefolium (Lam.) DC. , HelichnjsiDii decumbe/is Camb..
LygeiDii S2>artum L., dann das Esparto- oder Haifagras, Macro-
cliloa tenaeissima Kth. und die Zygophyllacee Fagonia cretica L.
Alle diese Steppenpflanzen treten im Gebiet als Bestandteile der
Felsenheide auf. Schon in den nächsten Tagen sollten wir Gelegen-
heit haben, die eigentliche Litoralsteppe kennen zu lernen.
11. Stepp enin sein zwischen Benidorm nnd Alicante.
^21. III. l'JUö.
Die folgenden Tage reisten wir immer der Küste entlang über
Altea und Villajoyosa nach Alicante. An zwei Stellen durchquerten
wir Steppeninseln, die erste südlich von Benidorm und dann ein
zweites ausgedehnteres Steppengebiet, welches bald nach Villajoyosa
beginnt und sich bis zur Mündung des Rio de Monnegre (= Rio
Castalla) nordöstlich von Alicante, d. h. über ca. 15 km. erstreckt.
«2 M. Rikli.
Benidorm ist eine kleine, malerisch auf einem kahlen Felsen-
vorsprung am Meere gelegene Ortschaft. Die niederen, fast fenster-
losen Häuschen mit ihren ganz flachen Dächern haben beinahe die
Farbe des Gesteins auf dem sie aufgebaut sind; so entzieht sich das
kleine Küstenstädtchen unseren Blicken, bis wir in dessen nächster
Nähe sind. Für die grosse Trockenheit der Gegend sprechen schon
die zahlreichen Norias, die überall sichtbar sind. Da und dort er-
heben sich einige schlanke Dattelpalmen oder auch eine vereinzelte
Pinie mit ihrer schirmförmigen Krone. Die Kirche besitzt eine grosse
Kuppel, welche mit blauglasierten Ziegeln, den sog. Azuleyos, bedeckt
ist ; darüber breitet sich der azurblaue Himmel aus, und vor uns liegt
das weite Meer, dessen Farbe mit der des Firmamentes an Intensität
und Lichtfülle zu wetteifern scheint.
Kaum liegt Benidorm hinter uns, so hören die Kulturen auf und
die ersten inselartigen Vorläufer der Steppe umgeben uns. Es ist
eine hügelige Lösslandschaft von unglaublicher Kahlheit und Un-
fruchtbarkeit. Der Baumwuchs ist nur noch in kümmerlichster Form
im Hintergrund von Meerbuchten oder in kleinen Depressionen er-
halten geblieben, so dass derselbe einen ganz oasenartigen Eindruck
macht. Es sind für einige Zeit die letzten Vertreter der Holzgewächse.
Diese elenden, über und über mit Staub bedeckten Palmen- und Granat-
apfelbäume gewähren einen geradezu trostlosen Anblick. Verhältnis-
mässig am besten scheint noch der Ölbaum {Olea europaea L.) zu
gedeihen, er ist auch am häufigsten. Grau die Landschaft, grau
die wenigen Bäume, das ist das Wahrzeichen dieser Steppeninsel.
Fürchterlich trocken und heiss, die umgebenden Hügel vollständig
kahl, nur die nackte Erdfarbe zeigend; von einem „Vegetationsbild"
kann kaum mehr die Rede sein. Wenn die Strasse einen Torrenten
überbrückt, so hat derselbe keinen Tropfen Wasser und doch stehen
wir erst am Beginn der eigentlichen Trockenperiode. Wenn es zur
Seltenheit einmal regnet, so ist der Niederschlag gewöhnlich kurz,
aber dafür oft von sündflutartiger Heftigkeit. Das Wasser vermag
dann nicht in den von der Sonnenglut steinhart gewordenen Boden
einzusickern, aber die sich sammelnden und rasch abfliessenden Wasser
reissen tiefe Rinnen in den Löss, so dass die Landschaft eigentümlich
zerrissen und zerfurcht wird. Wie in Vorpostenstellung stehen an
der Landstrasse noch einige Agaven und verkrüppelte Ceratonien.
Ein etwas anderes Bild gewährt die Steppe südlich von Villa-
joyosa. Nackte, ausgetrocknete Erde, untermischt mit vielen Steinen
und Felsblöcken, beanspruchen reichlich vier Fünftel des uns um-
gebenden Landes. Dazwischen stehen einige Kleinsträucher und hin
und wieder einige Horste des Espartograses. Die wenigen Pflanzen
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste. 03
zeigen ausgeprägte xerophytische Anpassungen. Die Sukkulenten
überwiegen, dann folgen die Rutenpflanzen und sparrig-dornige Halb-
sträucher. Obwohl erst Ende März, so besitzt doch die Vegetation
ganz den Charakter einer verkümmerten Sommerflora. Wegen des
Ausbleibens der Winterregen ist die Frühlingsflora nur in wenigen
dürftigen Vertretern zur Entwicklung gekommen. Auf der Nordseite
der Hügel, welche vor den austrocknenden Seewinden etwas besser
geschützt und weniger lang der intensiven Besonnung ausgesetzt sind,
ist die Pflanzenwelt reichlicher vertreten, die Formation etwas ge-
schlossener. Hier treten die letzten, allerdings recht kümmerlichen
Garigues auf, doch den grössten Teil des Bodens beansprucht die
Felsensteppe:
a) Die letzten Garigues.
^ Quercus coccifera L., vorherrschend. |
Thymus vulgaris L., sehr viel, aber bereits verblüht. ) Leitpflanzen-
Brachijijodium rrmiosu/u (L.) R. et S. J
A
Spärlicher sind vertreten:
Chamaerops humilis L., selten ^ Globularia aUjpuin L.
und kümmerlich. ^* Euhus (onoenus Port.
^ Pistacia le/ifiscus L. Bhannius lijcioides L.
Erica multiflora L.
und von Kräutern: ^ Phagnalou rupestre DC. und Pli. sordidu/n
DC; ^ Inula riscosa Ait. (fr.) fl.
b) Flora der Felsensteppe (27 Arten).
Macrochloa tenacissiiua Kth., Pi^iiduUna iutricata Wk.
horstweise. ., Lagasca na (I)C.)Wk.
Lijyeuni spartum L. HapJophijUum hispanicum (L.)
^ Andropogon puhescens Vis. Spach
Juniperus oxijcedrus L. ^ Sedum altissimum Poir. (fol.)
Ephedra fragilis Desf. Helianthemu?npilosum (L.) Fers.
' Asphodchis fistulosus L., mas- ^,^,. tomentellum Wk.
senhaft, iedoch meist verblüht, tt i- 4.1 7 77
.,.'•'-, , , ' Hella nfliemuni lavaudulac-
mit sich verfärbenden und ab- ,. ,. ,^ . -^.^
, , j 1 • j- 1 m • jolntm (Lam.) Dt.
sterbenden oberirdischen Trie- -' ^ ^
]3gj^ H. Fu Diana Mill. /•. rricoides
Moricajidia arcensis (L.) DC. Dun. = F. Spaclii G. G.
^Matthiola tristis (L.) R. Br. Atilhijllis rijtisoides L., stellen-
Brassira Tourneforlii Gou. weise reichlich.
Erura ccsicaria (L.) Cav. ^ Coroitilla glatica L.
L
«4 M. Rikli.
Astragahis hifipanicus Coss. Helichrysiim storchas DC.
IJofijrNiftfn suffruticosiDU Vill. /'. caespitosion Wk.
/". cHiieatinn Rikli v. mariti)num Lge.
Fagonia cretica L. ^ Passeri/ia hirsitta L., ziemlich
Thymus lougiflorus Boiss. häufig.
^ PaUenis spinosa Cass. ^ AMplex hnlinms L.
Nach dieser ersten Bekanntschaft mit der Steppe drängt sich
uns die Frage auf : Was ist die Steppe ? Nach ihrem physiognomischen
Gesamtcharakter könnte man geneigt sein, die Steppe als eine ver-
armte Felsenheide zu erklären. Diese Definition würde aber insofern
ganz irrige Vorstellungen wachrufen, als damit auch Steppen- und
Felsenheideflora indentifiziert werden. Schon unser erster flüchtiger
Eindruck der Steppe hat uns aber gezeigt, dass dieselbe mit der
Felsenheide nur wenige Arten gemeinsam hat. Das Hauptkontingent
der Steppenflora stellt nicht die Felsenheide, es ist vielmehr eine
Pflanzenwelt für sich, deren Biologie, Pflanzengeographie und Her-
kunft wir am Schluss der Exkursionsberichte einen eigenen Abschnitt
widmen wollen. Wir verzichten daher hier auf eine weitere Analyse
der Flora der Felsensteppe.
12. Elche (Tafel HI Fig. 5).
38. III. 1905: 30. III. 1900.
Das Hauptinteresse von Elche nimmt das Kulturland, besonders
das Studium des Palmenwaldes in Anspruch. Wir haben denselben
im Neujahrsblatt (25) einer eingehenderen Besprechung unterzogen,
so dass wir hier nur vom Naturland zu sprechen haben, Elche
— eine intensiv betriebene Kulturoase, — wo bleibt da noch Raum
für die ursprüngliche Flora? Bei unserem ersten Besuch, am
28. März 1905, dachten wir daher überhaupt nicht an die Möglich-
keit, dass in nächster Nähe der Stadt noch Steppenreste vor-
handen sein könnten. Am 30. März 1906 kam ich zum zweiten Male
nach Elche. Da die Zeit etwas weniger knapp bemessen ist. so unter-
nehmen wir auch eine Exkursion vor die Stadt. Wir verlassen Elche
auf der massiven Steinbrücke, welche von der Fahrstrasse nach
Crevillente und Murcia benützt wird und gehen auf einem Flurweg
längs des rechten Ufers des Vinalupo bis zur Eisenbahnbrücke, um
über dieselbe nach der Stadt zurückzugehen. Der Weg von Brücke
zu Brücke ist ohne Anstrengung in zwanzig Minuten zurückzulegen;
die Flora war jedoch so reich, dass die Exkursion gegen drei Stunden
Botanische Reisesturlien von der s|)aiiisclien Mittel meerküste.
65
in Anspruch nahm. Diese Wanderung war in botanischer, wie in kul-
turhistorischer Hinsicht von allergrösstem Interesse, denn zwischen
den Kulturen sind noch überall Reste der ehemaligen Steppe
erhalten geblieben. Zu beiden Seiten des Flurweges, am Abhang
zum Trockenbett des Vinalupo, auf den schmalen, oft nur einige Meter
oder gar nur wenige Fuss breiten Landstteifen zwischen den einzelnen
Feldern und Äckern hatten wir reiche Ausbeute. Fast jeder Schritt
brachte eine neue ÜbeiTaschung. Neben den Steppenpflanzen war
aber auch die Adventivflora, auf einzelnen brach liegenden Ackern
und Ruderalplätzen, wiederum reichlich vertreten.
a) Flora der Brachäcker und Schuttplätze.
^ Koeleria phleoides (Vill.) Pers. ^ * Spergularia viedia (L). Pers.
^ Lamarckia-aurea Mönch Silene riibella L. (unter Gerste
^ Splienopns divaricafus (Gouan)
Rchb., unter Luzerne.
^ Phalaris ininor Retz., Riesen-
exemplare bis 45 cm hoch, auf
sehr stickstoffreichem Boden.
^ AJIiu)?i roseumlt. v. carnemn
Bertol., besonders häufig im
Palmen wald, als Unkraut unter
Gerste ; vertritt im Vegetations-
bild ganz unsere Cardamine
pratensis L.
Hypecouni grcnidifloruni Bth.
^ Fimiaria parviflora Lam.
Platycapnos spicatus Beruh.,
(westmediterran).
^ Roemeria hybrida (L.) DC.
* Reseda phyteuma L.
^ Paronychia argentea Lam.
im Palmenwald).
^* Lepidiinii draba L., auch viel
unter Gerste.
^* Sisymbriu/n irio L.
* Diplotaxls niuralis (L.) DC.
^ Lathyrus sativus L.
^ Melilotus sulcata Desf.
^ Scorpiurus siibvillosa L.
• Onoiiis na f rix L.
^ Coronilla scorpioides (L.)
Koch
^* Phnüago coronopus L.
^ Convolvulus althaeoides L.
* Calendula arrensis L.
^ PicridiiDn vulgare Desf.
^ Hedypnois polymorpha DC.
Anacyclus valentinus L., auch
in La Union bei Cartagena.
Vergleichen wir diese Liste mit den bei Cette und Barcelona
gesammelten Ruderalpflanzen, so muss auffallen, dass nun auch in
der Ruderalflora das mitteleuropäische Florenelement ganz aus-
gemerzt ist. Abgesehen von dem, als verwilderte Kulturpflanze auf-
zufassenden Lathyrus sativus L., sind von den 27 Arten nur
6 Arten (ca. 22*^/0) auch noch in der Schweizerflora vertreten. Alle
6 Pflanzen sind Arten, deren südliche Herkunft nicht in Frage steht:
^* Sisymhrium irio li., '^ Reseda jjJiyteutna h., ^Calendula arven-
sis L. sind zudem seltene Gäste (Ephemerophyten), etwas verbreiteter
und häufiger ist * Diplotaxis inuralis (L.) DC; ^^Le^jidium draba
Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. 5
66 M. Rikli.
L. ist ein Neophyt, jetzt zwar verbreitet und stellenweise häufig,
aber doch erst seit einigen Dezennien eingebürgert; nur * Onouis
natrix L. bildet einen eigentlich integrierenden Bestandteil der Flora
der wärmeren Landesteile. Tast all' diese Arten sind durch das ganze
Mittelmeerbecken verbreitet; einzig Platycapnos spicatus Bernh.
und Anacydus valentinus L. besitzen vorwiegend westmediterrane
Areale. Die Zusammensetzung der Ruderalflora von Elche bedeutet
somit, auch für diese sonst so ausserordentlich heterogen zusammen-
gesetzte ubiquistische Vergesellschaftung, einen vollständigen Sieg des
mediterranen Florenelementes.
b) Reste der Steppenflora zwischen Kulturland.
Lijgeum simrtum L. ^ Carrichtera vellae (L.) DC.
^ StujKi parviflora Desf. Penduli?ia Lagasca?ia (DC.)Wk.
^ Sfiq)a tortilis Desf., normale Motncandia arvensis (L.) DC.
und sehr stark verkümmerte Matthiola parviflora (Schousb.)
Exemplare. R. Br.
^ Atriplex halimus L. *' Vicia augustifoJia All. v.
^ Suaeda fruticosa (L.) Forsk. amphicarpa Boiss.
^ Peganum harmala L. (fol.) Fagonia cretica L.
^ Aizoon hispamcum L. Lijcium, intricatum Boiss.
^ Mesemhrijanthemum nodi- Convolvidus lanuginosiis Desv.
florum L. ^ * Marrubium vidgare L.
Peseda Gayana Boiss. ^ Marrubium allyson L.
^ Plantag 0 albicans L. Teucriunipseudochamaepityslj.
^ Statice Thouini Viv. ^ Evax pygmaea (L.) Pers.
^ Statice Limofiuni L., v.macro- Phagnalon sordidum (L.) DC.
clada Boiss. == St. serotina Senecio linifolius L.
Rchb., an Bewässerungskanälen. Atractylis canceUata L.
Mit Ausnahme von drei Pflanzen der Felsenheide ^*Mar7^ubium
vulgare L., Teucrium pseudochamaepitys L. und Phagnalon
sordidum (L.) DC. besteht die ganze übrige Florula somit aus
typischen Steppenpflanzen; auch ^Plantago albicans L., Moricandia
arvensis (L.) DC. und ^Evax pygtnaea (L.) Pers. sind wohl ur-
sprünglich Steppenbewohner; denn obwohl öfters als Bestandteile der
Felsenheide angetroffen, erreichen sie doch in der Steppe ihre Massen-
entfaltung.
13. Exkursion am Westufer des Fjordes von Cartagena.
39./30. III. 1905.
Willkomm spricht von der Steppe von Cartagena. Die Vege-
tation der von uns besuchten Abhänge und Hügel verdient jedoch
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste.
67
den Namen „Steppe" nicht. AVas wir gesehen haben, war nur eine
verarmte Felsenheide, da und dort mit dürftigen Anklängen an
Garigues. Von Steppenpflanzen sammelten wir nur : ^Äfrtplex hali-
mus L., ^Suaeda fruticosa (L.) Forsk. und Faijonia cretica L.,
die beiden ersten Arten sind zudem nicht ausschliesslich Steppen-,
sondern auch Strandpflanzen. Natürlicher Baumwuchs fehlt ganz.
Einzig aus der im Norden der Stadt gelegenen Huerta erheben sich
grössere Palmenhaine.
a) Reste der Garigueformation: Chamaerojjs /lutnilis L.,
^ Daphne gnidium L., Calycotome spinosa Lk. und ^C. villosa Lk.
sowie ein ephedroider Ginster
mauritanische Pflanze.
Genista umhellata Poir., eine iberisch-
b) F e 1 s e n h e i d e (55 spec). Überall trat massenhaft, zwischen
den Steinen und dem die Hügel bedeckenden Geröll, auch wieder
^ BracJujpodium ramosum (L.) R. et S. auf und zwar trafen wir
diese Pflanze hier zum ersten Male in Blüte. Neben Brachypodium
ist der Thymian {Tlujnius nihjaris L.) noch reichlich vertreten.
Alle anderen Arten treten gegenüber diesen beiden Leitpflanzen stark
zurück. Es sind:
* Brachypodium distachyon (L.)
R. et Schult., f.pentastachyon
(Tin.) A. et G.
^ Bromus matritensis L.
^ Lamaix'kia aurea L.
^ Lüfjurus ovatus L.
^ Aegilopis ovata L.
- Ophrys tenthredinifera W.
^ Arisarum vulgare Targ.-Tozz.
Asparagus horridus L.
^ Asphodelus fistidosus L., reich-
lich, aber meist verblühtundmit
bereits ausgereiften Früchten.
Gynandriris sisyrinchium Pari.
^ Mesembrya nthomwi nodi-
floruni L.
'^ Par Onychia argentea Lam.
^ Frankenia pulve7^identa L.
^ Silene colorata Poir.
^* Spergularia rubra (L.) Pers.
*■* Spergulnria media (L.)
Pers.
* Reseda phyteutna L.
^ Polygala motispeliaca L.
Polygala rupestris Pourr.
^ Passeriiia hirsuia L.
At^istolochia baetica L., spärlich,
iberisch - mauritanisch (nörd-
lich bis Tarragona).
Viola arborescens L.
^ Ruta chalepensis L., v. aiigusti-
folia (Pers.) Wk.
^ Lobularia maritima Desv.
• Cakile maritima Scop.
^ Psoralea bitumiuosa L,
* Trifolium stellatum L.
Astragalus sesameus L.
Ononis ornifhojjodioides L., süd-
lich-mediterran.
• Eryngium cajupestre L.
()S
M. Rildi.
^* Torilis )iodosa (L.) Gärtn.
■* Tf'urriuni poliinn L. (fl.) s. spec.
capitatum (L.) Briq.
Lifhosjjermutn fruficosinn L.,
vaf\ iiitricatum Briq. var. nov.
(1907').
Sideritis leuccnitha Cav. v. pau-
cidentata Willk. u. Lge., ibe-
risch-mauritanisch.
TeucriuinpseudochamaepiUjs L.
Teucrium huxifoliuni Schieb.,
entoiberisch.
Teucrium Freynii Reverchon,
nächst verwandt mit T. ciner-
euin Boiss.
^ Ajuga ica Schreb. (fol.)
^* Marruhium vulgare L.
-■ Convolvulus aIfhaeoides{L.)Sm.
^* Plantag 0 coronopus L.
* ,, Jagopus L.
^ Vaillantia muralis L.
^^ Sherardia arvensis L.
^ Galiuni saccharatum All.
^ Galactites tomentosa Mönch
^ Carduus pycuocephalus L.
^ ürospermum picroides (L.)
Desf.
Senecio li/iifolius L.
^ Calendula arvensis L.
^' Evax pyginaea (L.) Pers.
^ Asteriscus maritimus Less.
Anacyclus valentinus L.
14. Zur Flora der Umgebung von Murcia.
I. IV. 1905.
Murcia liegt mitten in einer weiten Ebene, deren Boden aus
feinstem, sandigem Lehm besteht. Vom Turme der Kathedrale über-
blickt man die Stadt und die sie umgebende gewaltige, üppig grüne
Huerta. Getreidefluren, auf denen auch noch Mandelbäume und be-
sonders viel Maulbeerbäume angepflanzt sind, erstrecken sich über
beinahe unabsehbare Flächen. Murcia ist ein Zentrum der Seiden-
raupenzucht. Am Rande dieser Gartenlandschaft werden auch viel
Johannisbrot- und Olivenbäume gehalten. In der Ferne schliessen
sich die Bäume mehr und mehr zusammen und täuschen so eine Wald-
landschaft vor. Hin und wieder erhebt sich, alles überragend, eine
vereinzelte Dattelpalme. Staubige Strassenzüge verbinden die meist
am Gebirgsrande gelegenen Ortschaften und in unzähligen Windungen
durchzieht die gelbbraune Segura befruchtend das Gelände. Begrenzt
wird das Bild durch einen gewaltigen Kranz kahler Sierren. Wie ein
feiner Nebel zieht sich ein heller Streifen längs dem Rande der Berge
— es ist der Hitzedunst, die calina, und die aufgewirbelte, feine
Staubwolke, welche fast stets über der Steppe lagert.
Um Murcia ist das kleinste Stück Land der Kultur unterworfen,
so dass die ursprüngliche Flora ganz verschwunden ist. Will man
Briquet 1. c. paif. 10-5.
Botanische Reisesludien von der spanisclicn Millelmeerküste. 09
dieselbe kennen lernen, so muss man die kahlen Berglandschaften
der weiteren Umgebung durchwandern oder man besucht den ca. 7 km
im Nordosten der Stadt gelegenen Monteagudo, der sich ähnlich
Valeria und Tourbillon bei Sitten, aus der umgebenden Ebene erhebt.
Koss massier vergleicht ihn mit einem spitzen Maulwurfshügel,
mitten in einer grünen Wiesenfläche. Der untere Teil des Hügels
ist völlig mit einem eigentlichen Wald von Opuntia Ficus indica
Mill. und Agaven bedeckt, zwischen dem stacheligen Gestrüpp muss
man sich förmlich durchwinden und verliert dabei jedes Orientierungs-
vermögen ; dann folgt über einige Felsen eine kurze Kletterei zu
einer den Gipfel krönenden maurischen Burgruine. Hier oben ist
anfangs A.pril bereits alles dürr und verbrannt, wie etwa die Walliser
Felsenheide gegen Ende des Hochsommers. Am Fuss des Monte-
agudo stehen in fürchterlich heisser Lage einige ärmliche Häuschen,
zum Teil unter Opuntien ganz versteckt, zum Teil wie Schwalben-
nester an den Felsen angeklebt.
Die Ausbeute war nicht gross, aber um so reicher an biologisch
und pflanzengeographisch interessanten Arten. Im Opuntiengestrüpp
entfaltet bereits an steinig-felsigen Stellen der Kappernstrauch {Cap-
paris spinosa L.) seine grossen Blüten, und eine strauchige Solanacee
mit verhältnismässig grossen Blattflächen (Wifhaniafrufescens Pauq.)
sucht zwischen dem stacheligen Gebüsch Schutz, sowohl gegen die
sengende Hitze, als auch gegen die Nachstellungen der Ziegen. Unter
ähnlichen Verhältnissen vegetiert die einzige Nyctaginee Europas,
eine sonst ganz subtropische Familie, die ^Boerhaavia plumhaginea
Cav. Auf den felsigen Stellen sammeln wir: Lavaiera maritima
Guoan; der Blattfilz dieser Pflanze ist hier dichter und die Blattfläche
selbst kleiner als anderswo, dann die schon in voller Blüte stehenden
sparrigen Kleinsträucher von Asparagus horridus L. Biologisch
wohl der interessanteste Vertreter ist aber Lycium intricatiiin Boiss.,
ein 2 bis 4 Fuss hoher Strauch mit zahlreichen, allseits abstehenden,
verdornten, bis 10 cm langen Zweigen, welche an Kurztrieben kleine,
spatelige, leicht abfällige, sukkulente Blättchen tragen. Jeder Kurz-
trieb trägt an seinem Ende eine einzige langgestielte röhrenförmige,
violette Blüte. Auf dieser sonnenverbrannten Steppeninsel sind von
Steppenpflanzen auch noch ^ Carrichtera vellae (L.) DC, ^Andro-
pogon puhescens Vis., ^Stupa parviflora Desf. und endlich ^Sfiipa
forfilis Desf. und Brassica Cossoneaua Boiss et Reut, vorhanden.
Eine nicht weniger interessante Exkursion ist die nach Fuen-
santa, einer Quelle, die am Südrande der Huerta von Murcia, eine
gute Wegstunde von der Stadt, aus dem Berghang der Sierra de
Columbares hervortritt. Prof. Weg el in in Frauenfeld hat dieselbe am
70 M. Rikli.
16, April 1905 besucht und ist so freundlich gewesen, mir die ge-
sammelte Ausbeute zur Einsicht und zur Bestimmung zuzusenden.
Ro SS massier berichtet, dass die Fuensanta die einzige Quelle
der umliegenden Berge sei. Das Wasser floss nach einer längeren
Trockenperiode so spärlich, dass, um ein Glas zu füllen, fast eine
halbe Minute erforderlich war. Doch diese Feuchtigkeit genügt
immerhin, um in der schattigen Felsschlucht die Ansiedelung einiger
hygrophiler Pflanzen zu ermöglichen, so z. B. der äusserst zierlichen
Sarcocapnos eiineajihylla DC, deren blaugrüne, neunfach zusammen-
gesetzte Blättchen an den feuchten Felswänden, aus denen die Fuen-
santa herab träufelt, grünen. Aus der Mitte der kreisrunden Polster
entsprossen die zarten Blüten. In Felsritzen finden sich hin und wieder
auch Büsche der klebrigen, brüchigen Lafuentea rotundifoUa L., ein
südlicher Gebirgsendemismus, der nur von wenigen Sierren von Murcia
und Granada bekannt ist. In Murcia kommt dieses monotypische Genus
an vier Stellen vor: S. Miguel bei Orihuela, Fuensanta und Santa
Catalina bei Murcia und bei Cartagena. Und in Granada gibt es so-
gar nur drei Fundstellen: Velez de Benandalla, um Almeria und
Malaga. Diese Scrophulariacee , welche gewöhnlich dem Verwand-
schaftskreis der Gattung Digitalis zugezählt wird, hat weisse Blüten,
die in dichten, vielblütigen, verlängerten Ähren stehen. An schattigen
Stellen der Schlucht schliessen sich ^Lagurus ovatus L., ^Vaülantia
muralis L., ^ Trifolium steUatuni L., ^ Galium saccharatum AU.,
^Rumex hucephalophorus L., ^Ajuga iva Schreb. und Teucrium
pseudocha/fiaepitys L. zu wirklichem Rasen zusammen. An den etwas
frischeren Abhängen kommt es sogar zur Entwicklung eines spärlichen
Monte bajo, doch die vorherrschende Formation ist Felsenheide mit
Einstrahlungen einzelner Steppenelemente:
*' Bromus 7uibe/is L. Sideritis leucantha Cav.
^* Cynodon dactylon (L.) Pers. Ballota hirsuta Benth.
^Aegilops ovata L, ^ Marrubium vulgare L. var.
* Stupa parviflora Desf, lanatwn Benth,
*• ,, tortilis Desf. ^ Marruhium alyssoii L.
Coronüla juncea L. Convolvulus lanuginosus Desr.
^ Peganum harmala L, ^ Asteriscus maritimus Less,
Phlomis lychnitis L, Andryala ragusina L.
Willkomm erwähnt von der Fuensanta auch noch: Kentro-
2)hyllum arhorescens Hook., eine strauchige Distel mit bis 4 cm dicken
Holzstämmen; wir haben die Pflanze bei Orihuela gesammelt. Auf
ihr und auf anderen Kompositenwurzeln schmarotzt die * Orohanclie
Muteli F. Schultz. An steinig -felsigen Orten und in Felsspalten
treffen wir Linaria crassifolia (Cav.) Kze. und die Sinti ce echioides
Botanische Reisesludien von der spanischen Mittelmeerküsle. 71
L., auch die seltenen Galium miircicum Boiss. et Reut.^ Erucästrum
haeticum (Boiss.) Nym. und Brassica fruticulosa Cyr. wachsen um
die Fuensanta; die beiden ersten Pflanzen sind mikroiberische Arten
(Murcia, Granada, Jaen), letztere besitzt ein südwestmediterranes
(Spanien, Nordafrika, Sizilien, Neapel) Verbreitungsareal.
15. Die Steppen um und die Flora der Sierra von Orihuela.
2./3. IV. 1905; 31. JII. u. 1. IV. 1906.
Orihuela liegt ebenfalls an der Segura, 22 km nordöstlich von
Murcia. Im Süden des Städtchens breitet sich die fruchtbare Huerta
aus, sie steht mit derjenigen von Murcia in direkter Verbindung.
Da sich unmittelbar im Norden der Stadt die vollständig kahle
Sierra von Orihuela erhebt (Tafel IV Fig. 6) und nur wenige Kilo-
meter entfernt im Nordwesten und Nordosten sich Fels- und Gras-
steppen, sowie junges Kulturland ausbreiten, so eignet sich Orihuela
vorzüglich als Standquartier zum Studium der Steppenflora. Will-
komm sagt ganz zutreffend: Am Ausgang der Stadt auf der mur-
cianischen Seite wird man plötzlich von dem Anblick der das weite
Seguratal erfüllenden, von 24 Ortschaften übersäten Huerta überrascht,
deren dunkles, saftiges Grün mit den angrenzenden graugelben Steppen-
fluren und der entsetzlich dürren Sierra einen dem Auge sehr wohl-
tuenden Kontrast bildet. Auf unseren beiden spanischen Reisen haben
wir in Orihuela je einige Tage zugebracht.
I. Zur Flora der Vorhöhe der Sierra von Orihuela.
(Tafel IV Fig. 6.)
Von der Stadt führt eine schöne Strasse zu den, etwa 120 m
höher gelegenen, ausgedehnten Gebäulichkeiten des Seminario de San
Miguel; dann aber geht es ohne Weg über Steingeröll und nackte
Kalkfelsen bis zu der den Gipfel krönenden maurischen Burgruine,
wo wir, von der drückenden Aprilhitze ganz erschlafft, im Schatten
des Gemäuers Schutz vor der direkten Besonnung suchen.
Wer je eine solche Sierra bei klarem Wetter besucht hat, dem
wird sich dieses Bild wohl für immer eingeprägt haben. Jede
hat ihre Spezialflora , der Endemismus ist ein ganz gewaltiger.
Doch es braucht oft eine beinahe übermenschliche Anstrengung, um
der so hoch interessanten Flora nachzugehen, denn der nackte Fels
strahlt alle Wärme und alles Licht zurück. Kein Schatten weit und
breit, kein Luftzug erfrischt den Wanderer. Geröll, Schutt und an-
stehender Fels beanspruchen wohl 95^0 der Oberfläche des Bodens;
72 M. Rikli.
die Vegetation ist daher sehr offen, so offen, dass man beinahe von
Felswüsten sprechen könnte. Wenn diese Berge endlich noch von
Ziegenherden abgesucht worden sind, und das ist fast immer der Fall,
so kann man sich leicht eine Vorstellung davon machen, was dem
sammelnden Botaniker noch einzuheimsen übrig bleibt, — es ist herz-
lich wenig. Von den physischen Anstrengungen ganz in Schweiss ge-
badet, werden die Sinne förmlich betäubt und abgestumpft; ganz
mechanisch zieht der Wanderer weiter. Der fast in ewigem Blau
prangende Himmel, einer der klarsten Europas, breitet sich über
ihm aus.
a) Flora zwischen der Stadt und dem Seniiuario de San Mig-ael.
Diese Flora ist ziemlich unansehnlich, sie besteht zumeist aus
verbreiteten Arten der Felsenheide oder es sind Ruderalpflanzen.
^ Asphodelus ßsfulosus L., reichlich, jedoch bereits in Frucht und
am Absterben.
Uropetalum serotimun Ker. fl. ^ Vaülantia hisjnda L.
(fr.) ^ Galium saccharatum All.
^Mesemhryanthemum nodi- ^ Sideritis roniana L.
florum L. *•* Mamibiiim vulgare L.
^ Lobidaria maritima Desv. *■ Echium italicum L.
^ Paromjchia argentea Lam. ^ ,, plantagineimi L.
^ Psoimlea bituminosa L. ^ Co?irolndusaIfhaeo'ides(L.)Sm.
* Erijngium campestre L. *■* Anagallis arvensis L., s. s^ec.
^* Erodium cicutarium (L.) caerulea Schreb.
L'Herit. ^ Picridium tingitanum Desf.
b) Vegetation über dem Seminario de San Miguel.
a) Typische Felsenpflanzen: Centaurea ornaia W., eine
Prachtspflanze mit grossen, intensiv orangegelben Köpfchen, deren
Hüllkelche zierlich regelmässig bewimpert sind und in einen langen,
abstehenden Dorn endigen. Die basalen Teile der Blätter und der
untere Stengelabschnitt sind stark weisswollig, die Blattflächen da-
gegen nur spärlich behaart. Centaurea ornata W. ist eine auf die
Gebirge Zentral-, Ost- und Südspanien beschränkte Pflanze, die nörd-
lichsten Standorte gehören Aragonien an. Teucrium buxifolium
Schreb. ist ein kleines Felssträuchlein; die bis fingerdicken Pfahl-
wurzeln sitzen tief in den Felsspalten und entwickeln eine Reihe
kleiner, hin und her gebogener, knorrig-weissfilziger Astchen, welche
mit zahlreichen lanzettlichen, am Rande eingerollten und auf der
Unterseite durch Filzhaare weisslichen Blättchen besetzt sind. Diese
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Botanische Reisestudien von der sjjanischen Mittelmeerküste. 73
Art hat noch ein beschränkteres Verbreitungsareal, denn sie findet
sich nur in Valencia, Murcia und Granada. Witluniia frutescens
Pauq. ist ebenfalls hier wieder anzutreffen, aber nur in kleinen, ver-
bissenen, krüppeligen Exemplaren, deren Zweiglein an den heissen,
nach Süden exponierten Felsen angepresst sind. Die Blätter sind
viel kleiner als bei der Schattenform der Opuntia Ficus indica-Be-
stände, wie sie uns vom Monteagudo bekannt ist. Diese Withania
ist auch eine iberisch-mauritanische Pflanze, deren Hauptverbreitungs-
zentrum in Nordafrika liegt, europäischen Boden erreicht diese Art
nur im südlichen Spanien; Orihuela bezeichnet ihre Nordgrenze. Auch
die Lavatera maritima Guoan fehlt nicht und ^Capparis spinosa L.
entwickelt soeben ihre diesjährigen Triebe.
ß) An Felsblöcken und zwischen Geröll und Schutt wachsen:
^ Notolaena vellea Desv. Tomillares bildend.
^ Piptatherum,coer^lescetis P.B. ^ Teucrium polium L. s. spec.
Asparagus albus L. capitatum (L.) Briq.
,, horridus L. f. Teucriumpseudochaniaepifijslj.,
^ Asphodelus ßstulosus L., mas- vereinzelt, zwischen Gestrüpp,
senhaft, jedoch schon vergilbt Sideritis leucatitha Cav. var.
und absterbend. paucidentaia Willk.
PoUjgala rupestris Pourr. Sideritis glauca Cav., mit langen
i?Ä«mnwsZ?/aozc?esL., als Spalier- rutenartigen Trieben und ent-
artig dem Boden angepresster fernt schuppenförmigen Blätt-
Kleinstrauch. eben, ist den Felsen angepresst
• Ononis natrix L. und bildet eigentliche Polster,
^Riita chalepensislj. \. angusti- doch sind dieselben von den
folia. (Pers.) Wk. Ziegen meist ganz verfressen.
Fumana laevipes Spach Lavandula multifida L.
^ Plantag 0 albicans L. Phagnalon saxatile Cass.
ThyfRus vulgaris L., steWenweise Zollikoferia pumila (Cav.) DC.
sehr reichlich, beinahe reine ^ ,, resedifoUa Coss.
Die für uns neuen Arten sind entweder südlich -mediterrane
Elemente oder Pflanzen von iberisch -mauritanischer Verbreitung.
Die genauere pflanzengeographische Analyse soll im folgenden Ab-
schnitt erörtert werden.
II. Steppen nordwestlich von Orihuela.
Steinig dürre Hügel, wiederholt von Felsbändern oder von Fels-
riffen unterbrochen, breiten sich unmittelbar am Fuss der Sierra von
Orihuela, nordwestlich von der Stadt, aus. Die grosse Fahrstrasse
nach Murcia verläuft längere Zeit zwischen der fruchtbaren Huerta
74
M. Rikli.
und diesen trostlosen, jedoch immer eine reiche Flora aufweisenden
Felssteppen, Unmittelbar vor Orihuela ist der Versuch gemacht
worden, dieses Gelände durch Anpflanzen von Opuntien der Kultur
zugänglich zu machen. Gegen den Frass des Kleinviehs trefflich ge-
schützt, gedeiht im Schatten der indischen Feige wieder die Withania
frutescens Pauq. und ^ Hijoscyamus albus L.
Die Vegetation besteht hauptsächlich aus Steppenpflanzen, doch
sind auch Arten der Felsenheide in grösserer Zahl vorhanden (60 spec).
Lygeum spartum L.
^ Brachypodium rnmosum (L.)
R. et S.
* Köleria jihleoides (Vill.) Pers.
^ Phalaris minor Retz
Bromus ruhens L.
^ Melica minuta L.
Asparagus albus L.
j, horridus L. f.
Uropetalum serotinum Ker., eine
hyacinten artige Zwiebelpflanze
mit eigentümlich schmutzig
braungelben Blüten.
Gynandriris sisyrinchhim Pari.
^ Asphodelus fistulosus L.
Reseda leucantha Hegelm.
Alsine jirocumbens Frzl.
Ononis minutissima L.
^ Psoralaea bituminosa L.
^ Scorpiurus suhviUosa L.
^ Hippocrepis multisüiquosa. L.
Genista murcia Coss., Felsen.
Matthiola parviflora (Schousb.)
DC.
Biscutella auriculata L.
,, V. erigerifoUa DC.
• Ononis nafrix L.
*■ Buta chalepensis L. v. angusti-
folia (Pers.) p. sp. Willk.
'^ Rumex bucephaJophorus L.
Euphorbia sulcata De Lens.
,, falcata L.
^ Thesium divaricatum{Jam)DG.,
Felsen.
Pohjgala rupestris Pourr.
^ Bar Onychia nivea DC.
Herniaria polygonoides Cav.
*■* Fumana procumbens (Dunal)
Gren. Godr.
Fumana laevipes Spach
^ „ viscida Spach
Helian themum p ilosuni (L .) Pers.
var. tonientelluyn Wk.
^ Beseda alba L.
^ Co}ivolvulusalthaeoides(L.)Sm.
,, lafiuginosus Desr.
V. sericeus Boiss.
* Teucrium poliuni L.
Teucriu m pseudochamaepitys L.
^ • Marrubiutn vulgare L. fol. (fl.)
^ Marrubium alysson L.
^Sideritis romana L.
„ leucantha Cav. var.
paucidentata Willk. et Lge.
Bhlomis lychnitis L.
Thymus vulgaris L.
Zygis L.
Lavandula multifida L.
Cynoglossum cheirifoUum L.
'^ Sfafice limonum L. mit jungen
Blütentri^ben.
*■ Blanfago albicans L.
Andryala ragusina L.
*■ Airactylis caucellata L.
Helichrysum stoechas DC.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mitlelmeerküste. 75
Helichrysinn stoechas v. caes- ^ Phaynalon mipestre DC. v.
piiosum Wk. pediuiculare Wk.
^ Evax pijgmaea (L.) Pers. ^ Picridiuni thigitanum Desf,
Microp>us bombycinus Lag. ZoUikoferia pumile (Cav.) DC.
^ Falle nis spinosa Cass. ^ZoUikoferia resedifoUd Coss,
III. Reste von Grassteppen am unteren Rio Dulce nördlich
von Orihuela.
Wir verlassen Orihuela auf der Landstrasse nach Callosa. Natur-
hecken aus stacheligen Mimosen oder aus den knorrigen, weiden-
ähnlicben Gestalten der T<ini(irix yalUca L. mit ihren zarten, schuppen-
artigen Laubblättern und schlanken Blütenkätzchen umzäumen das
auf beiden Seiten der Strasse liegende Kulturland.
Das Vegetationsbild zeigt folgenden Wechsel:
1. Palmenhain, ziemlich grosse, etwa 50 bis 60 Jahre alte
Anlage mit zahlreichen Norias. Die Bewässerung erfolgt demnach
hauptsächlich durch das Grundwasser. Im Palmenhain wird massen-
haft Gerste angepflanzt, dieselbe ist schon beinahe schnittreif.
2. Olive nkulturen und daneben auf demselben Boden stets
noch eine zweite Feldfrucht: Gerste oder seltener Hafer. Die
Gerste {Hordeum distichon L.) ist öfters von Ustilago Jensenü
Rostr. befallen und der Hafer {Avena sativa L.) wird vom Hafer-
brand {Ustilago Aveuae Pers.) heimgesucht. Zwischen den Getreide-
fluren finden sich auch noch einige kleinere Parzellen der Gemüse-
Platterbse {^ Lathijrus sativus L.).
3. Reine Kulturen von Ölbaum oder Getreide. Der Öl-
baum tritt öfters in einer auffallend lang- und schmalblätterigen Form
auf (Blattspreite bis 8 cm lang und nur 8 mm breit). In diesen Kul-
turen, wie auch längs dem Feldweg fand sich eine grössere Zahl
von Unkräutern:
Nigella damascena L. v, minor ^ Sisymhrium polyceratium L.
Boiss. = N. Bourgaei Jord. ^ * Rapistrum rugosum (L.)
^ Adonis niicrocarpa DC. var. Bergeret.
dentataCoss.== A.cupaniajia * Vicia hybrida L.
Guss. ^ Coronilla scotpioides (L.) Koch
^ Roemeria hybrida (L.) DC. ^ Lathyrus cicera L.
*'* Glaucium corrnculatum (L.) Oxalis cernua Thunh. — 0. liby-
Curtis. ca Viv.
Notoceras bicorne (Ait.) Amo. Euphorbia serrata L.
*"* Lepidium draba L. Euphorbia Lagascae Spach
76 M. Rikli.
^ Momordica elaterium L. "^ Convolvulus althaeoides (L.)
^ Antirrhinum majus L. Sm., auffallend kleinblütig.
^ Anacyclus chivatus Pers.
4. Felsenheiden, z. T. vom Typus der
a) Passerinaheide mit ^ Passerina hirsuta L. als Leitpfianze.
Begleitpflanzen: ^* Fiona/ia prociimhens (Dunal) Gr. Godr., F. Jae-
vipes Spach, F. viscida Spach, ^* Helianthemum salicifolium (L.)
MilL, Biscutella auriculata L., ^Futa chaiepeusis L. var. angusti-
folia (Pers.) Wk., ^*A)iügaUis a)'vensis L. s. spec. coerulea Schreb.,
^ Lithospermum apulum Vahl. , Cijnoglossum cheirifolium L.,
^ Teuer ium polium L., ^ Phagiialon rupestre DC.
|3) Tomillares mit Vorherrschen der Labiaten, besonders Thy-
mus vulgaris L. und ^ Teuer iu/n ptoUum t.
5. Steppen inse In. Die Steppeninseln sind Überreste der Litoral-
steppe, welche jedoch in der Umgebung von Orihuela mehr und mehr
durch ausgedehnte Olivenkulturen oder durch unabsehbare Getreide-
fluren verdrängt wird. Am besten hat sich die Steppe noch, in etwas
erhöhter Lage, in einzelnen inselartigen Parzellen, an den rechts-
seitigen Vorbergen des Rio Dulce erhalten; doch schieben sich selbst
hier überall die Anpflanzungen der Oliven, sowie auch einige kleine
Wäldchen von Aleppokiefern (f'Pi/ius halepensis Mill.) zwischen die
Reste der ursprünglichen Pflanzenwelt ein. Durch diese Olivenhaine
verlaufen Feldwege; an denselben, wie auch auf den schmalen, meist
nur 1 bis 3 m breiten Landstreifen, welche die einzelnen Besitzungen
voneinander trennen, treten jedoch überall Steppenpflanzen auf. In
diesem Grenzgebiet zwischen Natur- und Kulturland werden gelegent-
lich auch noch kleine Ackerchen mit Linsen {Lens eseulenfa Mönch),
Kichernerbsen {Cieer arietiiuun L.) oder linsenartiger Wicke ("F/c/r?
ervilia [L.] Wild.) bestellt.
Stundenweit voneinander entfernt liegen einige Caserios'), sie
sind stets umgeben von Agaven, deren vorjährige verholzte Blüten-
') Uebersicht der Besiedelungsverhältnisse im Gebiete der Litoralsieppe.
A. Einzelsiedelungen.
I. Schilfhiitten (Tafel X Fig. 17). Es sind die primitivsten Niederlassungen
der Hirtenbevöllverung. Die Hütte ist rasch gebaut. Einige Pfosten aus Ölbaum-
oder Aleppoföbrenholz, nur dürftig zugehauen, bilden das Gerippe: die Wände be-
stehen aus verflochtenen Matten der Halme des italienischen Rohres (Arundo Donax L.).
Zur Bedeckung des Daches wird Haifa oder wo dasselbe fehlt, die Albardine ver-
wendet. Gegen die brennende Hitze des Tages gewährt diese Hütte den Steppen-
bewohnern einigen Schutz; solid braucht sie nicht zu sein, denn mit der Herde
führt auch der Hirte ein Nomadenleben.
II. Lehmhütten (Tafel VIII Fig. 12). Der Bau stimmt ganz mit der Schilf-
hütte überein, doch sind die Wände mit Lehm verdichtet und verstrichen. Solche
Lehmhütten sieht man öfters in der Huerta. Bald werden sie nur als vorüber-
Botanische Reisestudien von der spanisc-lieii MiUelnieerküste. 77
kandelaber noch stellen und bis über 8 m Höhe erreichen. Neben
diesen primitiven Niederlassungen fehlt wohl auch nie ein kreisrunder,
ausgeebneter, ca. 25 bis oO m im Durchmesser messender Platz, der
zur Erntezeit als Tenne dient, denn das Getreide wird hier immer
in der freien Natur gedroschen. Regen kennt man zu dieser Jahres-
zeit nicht. Diese Caserios sind die eigentlichen Pioniere der Kultur.
Der Boden dieser Steppeninseln ist nicht felsig, sondern bald
steinig, bald sandig-mergelig. Die Flora ist arm an Arten, besteht
sie doch nur aus verhältnismässig wenigen, allerdings meist massen-
gehende Sommeri^ilze benutzt, zur Zeit der BewirtschafLung der öfters in einiger
Entfernung von der Stadt gelegenen Huerta ; die ärmere Bevölkerung lebt aber
öfters auch ständig in denselben.
III. Höhlen Wohnungen (Tafel XII Fig. ;20). Iin Gebiet der Litoralsteppe
und in Andalusien sind oft am Fuss der Gebirgszüge oder am oberen Rande von
Plateaus Höhlen in den anstehenden Kalk- oder Sandstein ausgehauen. Tausende
von Menschen leben noch heute in Südspanien in solchen Höhlenwohnungen. Es
ist das nur in einem Lande mit mediterranem Klima und mit wenig Niederschlägen
möglich. In der heissen Jahreszeit sind diese Wohnungen kühl, im milden Winter
dagegen verhältnismässig warm. Der Eingang zu diesen Wohnstätten ist gemauert;
nur durch eine schmale Türe gelangt man ins Innere. Von der Wohnung sieht
man sonst nichts als den Schornstein, Avelcher in einiger Entfernung vom Plateau-
rand direkt aus dem Boden entspringt. Bei Callosa vor Orihuela sahen wir zuerst
solche Höhlenwohnungen. Es sind nicht immer Einzelansiedeiungen, selbst in
grösseren Städten gibt es zuweilen ganze Quartiere, so in Guadix und ein Teil des
Zigeunerviertels in Granada.
IV. Caserios (Tafel VII u. XI) sind ursprünglich immer als die ersten
bleibenden Ansiedelungen in dem in Kultur genommenen Steppenland aufzufassen.
Die Caserio besteht immer nur aus einem Erdgeschoss, welches selten über 3 m
Höhe erreicht; das flache Dach ist mit Rinnenziegeln bedeckt, eine Öffnung, welche
durch eine schwere Holztüre geschlossen werden kann, führt in das Innere, das
meist nur zwei Räume umfasst: einen Schlafraum und einen Wohnraum mit Herd.
Der Boden besteht aus gestampfter Erde. Fensteröffnungen sieht man nur wenige,
zuweilen sogar gar keine; so wird dafür gesorgt, dass die Hitze nicht so leicht in
die Wohnung dringen kann. Die Fenster sind zudem oft vergittert; die Abgelegen-
heit dieser Wohnungen lässt diesen Schutz als vollständig gerechtfertigt erscheinen.
Vor denselben befindet sich zuweilen ein primitiver Backofen; die äusseren Mauer-
flächen sind bald ohne Verputz, bald blendend weiss. Die Caserios finden sich be-
sonders an der Peripherie der Huertas, im sog. Secano, d. h. im nicht bewässerten
Kulturland, im Grenzgebiet zwischen Huerta und Naturland. Die Caserios sind stets
umgeben von jungen Anpflanzungen von Oliven und Ceratonien; auch Gruppen
von Feigen- oder Mandelbäumen fehlen selten; öfters sieht man in der Nähe dieser
Wohnungen auch noch Wintergetreide, dagegen werden Reben nur ausnahmsweise
angepflanzt. Ein ovaler, etwa 30 m im Durchmesser erreichender, ausgeebneter
Platz dient unter freiem Himmel zur Erntezeit als Tenne (Tafel VII). Längs der
mit Agaven besetzten Flurwege und zwischen den Kulturen begegnen uns noch
überall die Reste der- Steppenflora.
V. Posadas (Tafel V). Es sind grössei'e Gebäudekomplexe, die, wenn innuer
möglich, an den Kreuzungspunktea wichtiger Strassenzüge errichtet werden, zuweilen
liegen sie aber auch mehr oder weniger abseits von den grossen Verkehrsadern,
denn die Anlage derselben richtet sich in erster Linie nach dem Vorhandensein von
Wasser. Die Posadas enthalten Unterkunflsräume und Stallungen für die Zug- und
78 M. Rikli.
haft auftretenden Pflanzen. Die vorherrschenden Arten dieser Steppen
sind fast alles Saftpflanzen, Rutengewächse oder Pflanzen mit mehr
oder weniger verkümmerten Schuppen- oder Nadelblättern ; auch Filz-
pflanzen sind ziemlich häufig.
Im Gebiet des Rio Dulce waren offenbar einst ausgedehnte Gras-
steppen vorhanden. Selbst heute noch lassen sich zwei Typen unter-
scheiden :
a) Die Haifasteppe (Tafel IV Fig. 7), besonders an den Tal-
hängen und auf den Hügeln mit steinig-dürrem Boden. Macrochloa
tenacissima Kth., das Esparto- oder Haifagras ist Leitpflanze. Dieses
stattliche Gras bildet immer Horste. Aus einiger Entfernung sehen
daher die mit Haifa bedeckten Hügel wie das Fell eines Panters aus.
Zwischen den mehr oder weniger entfernt stehenden Stöcken und
zwischen den Halmen der Büschel finden sich stets massenhaft
Steppenschnecken, besonders die weisse Helix alhida.
Die Begleitpflanzen der Haifasteppe sind:
^ Stupa tortilis Desf. ^ Brachypodium ramosum (L.)
^ Andropogon pubescens Vis. R. et S., beginnt zu blühen.
Avena fllifolia Lag. Asparagus hof^ridus L. f.
Saumtiere, die oft zu grossen Karawanen vereinigt den Transport der Nahrungs-
mittel und anderer Bedürfnisgegenstände des täglichen Lebens vermitteln. Posadas
sind demnach Fuhrhaltereien, die in einem Lande wie Spanien, wo das Eisenbahn-
netz noch so wenig ausgebaut ist, im Verkehrsleben immer noch eine sehr bedeut-
same Rolle spielen. Posadas finden sich auch in allen grösseren Städten, in kleineren
Orten sind es nicht selten die einzigen Unterkunflsmöglichkeiten. In jeder Posada
Hegt im Mittelpunkt der Anlage ein grosser Hof, in. dem ein ganzer Wagenpark
Aufstellung finden kann und der rings von Stallungen, Wohn- und Vorratsräumen
umgeben ist. Nachts wird die Einfahrt durch ein gewaltiges hölzernes Tor ge-
schlossen. Textfigur 4 gibt den Grundriss einer Posada.
B. Geschlossene Niederlassungen.
Dörfer oder Weiler mit offener Bauweise und mit nur einigen Hundert oder
sogar weniger als hundert Einwohner zählenden Bevölkerung haben wir in dem von
uns bereisten Teil Südostspaniens keine angetroffen. Neben den Einzehvohnungen
gibt es im Gebiet der Litoralsteppe nur noch kleinere oder grössere Städte mit
wenigstens tausend Einwohnern. Die Bauweise dieser Städte ist immer eng, eine
Erinnerung an einst oft unruhige Zeiten. Die fast immer mit einer Azulejoskuppel
versehene Kirche oder die weitläufige Anlage einer Posada bilden den Mittelpunkt
der öfter nur aus wenigen langen, parallelen Gassen und einigen Querstrassen be-
stehenden Ortschaft. Die Regenarmut des Landes findet in den flachen Dächern
der Häuser ihren beredten Ausdruck. Wenigstens in der Hauptstrasse hat fast
jedes Fenster seinen kleinen Balkon. Im Zentrum jeder Huerta liegt eine grössere
Stadt, nach der die Huerta ihren Namen erhalten hat. Ist 'die Huerta gross, so
umfasst dieselbe ausser der Hauptstadt noch eine mehr oder weniger grosse Zahl
von Nebenstädten, die sich im Kreis um die Metropole anordnen. Die Huerta
V. Elche besteht nur aus der ca. 34000 Einwohner zählenden Stadt (Tafel III Fig. 5);
die Huerta v. Valencia umfasst ausser der gleichnamigen Stadt (mit ca. 200000 Ein-
wohnern) einige dreissig Nebenstädte.
Botanische Reisestudien von der spanisclien Miltelmeerküste.
79
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Fi?. 4. Grundriss einer Posada.
A 1 1 can te -^
Eine breite, durch ein gewaltiges, hölzernes Tor verschliessbare Einfahrt führt
unter dem Wohnhaus in den grossen, rings von Stallungen und Vorratsräumen um-
gebenen Hof; ein ganzer Wagenpark kann in demselben Aufstellung finden. Neben
Lebensmitteln (Orangen, Oliven, Getreide etc.) und Baumaterialien lagern hier zeit=
weise grosse Mengen von Haifagras, welche aus den Steppengebieten nach den
Bahnstationen oder direkt nach den Einschiffungshäfen verfrachtet werden. Viele
Wagen sind wieder mit Korbwaaren oder mit Seilen, die aus Haifa hergestellt
worden sind, beladen. Je nach der Grösse der Posada enthalten dieselben Unter-
kunftsräume für 50 bis 200 Zugtiere, Pferde, Maultiere und Esel. Die Stallungen
sind oft fürchterlich schmutzig, aber dafür gelegentlich mit elektrischer Beleuchtung
versehen. Wer das spanische Volksleben kennen lernen will, daif nicht versäumen,
solche Posadas als Nachtquartier zu benutzen.
80
M. Rikli.
Gladiolus illyficus Koch, reich-
lich und in voller Blüte.
^ Passerina hirsuta L.
Mernirialis tomentosa, L.
^ Planta go albicans L.
Polygala rupestris Pourr.
* Eryngium campestre L. (fol.)?
Funiana laevipes Spach
Heliaiithemum p)ilosu)n (L.) Pers.
var. tomentellum Wk., reich-
lich.
Astragalus sesameus L.
,, sinaicus Boiss.
Thymus vulgaris L. (fl.)
Thymus Zygis L., reichlich.
^ Rosmarinus officinalisL., z. T.
fl. albo.
*' Artemisia herba alba Asso
,, Barrelieri Bess.
^ Evax pygmaea (L.) Pers.
Helichrysuni stoechas DC.
^ Zollikoferia resedifolia Coss.
b) Die Lygeumsteppe (Albardine) dominiert besonders auf dem
feinsandig-mergeligen Boden der weiten Niederung des unteren Rio
Dulcetales, soweit die Kultur noch nicht vom Land Besitz genommen
hat. Öfters ist der Boden auch salzhaltig. Die Flora besteht teil-
weise aus den gleichen Arten, wie diejenige der Haifasteppe, als
neue Elemente stellen sich jedoch eine grössere Anzahl von Sukku-
lenten ein, die in der Haifasteppe entweder fehlen oder jedenfalls
doch nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen :
Lygeum sjxirtum L., ein ausserordentlich zähes Steppengras, tritt
als Leitpflanze massenhaft auf.
Phalaris paradoxa L.
^Erianthus Ravennae P. B,, nächst verwandt mit dem Zuckerrohr;
alle Pflanzen sind befallen und deformiert durch Ustilago
Sacchari Rabenhorst (teste Dr. A. Volkart!).
Ephedra fragiUs Desf. , entwickelt bereits die diesjährigen, noch
zarten Triebe.
Beta Bourgaei Coss. = B. mari-
tima L. V. macrocarpa
Guss.
Haloxylön articulatum (Cav.)
Bunge.
^ Atriplex halimus L.
^ Suaeda fruticosa (L.) Forsk.
^ Peganum ha r mala L.
^ Passerina hi/sufa h., diöcisch.
^ Osyris alba L., sehr viel, überall
sprossen dessen diesjährige
junge Triebe hervor.
^ Polygonum equi setiforme
Sibth.
^ Planta go albicans L.
Statice caesia Gird.
Tamarix gallica L.
Eruca satica L. v. stenoccupa
Coss. = E. stenocarpa Boiss.
et Reut.
Moricandia arvensis (L.) DC.
Anthyllis cytisoides L., häufig.
Dorycnium sujfruticosum Vill.
v.cM/ie*/bZm^?«' Rikli, vereinzelt,
in sehr schlanken bis über
IV2 m hohen Exemplaren.
Coronilla juncea L.
Lavatera maritima Gouan
Vierteljahrsschrift der Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907.
Tat. VIII
/'/,„c..- /■. Bolmi).
Fifj. l"2. Lcliiuhütto mit ßedaclmiuj aus Haltayra.s am Rand der Hiiorta,
nordöstlich von Orihuela.
Im Hintergrund die völlig kahle Sierra (pag. 76),
'^J^^t^^^^ßwml
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riinl.: R. Clw<lal.
'i(j. I;l. \oria. umfjeboii v(»n cinor i<ioinon Kidtnroaso.
SIeppe, westlich Carlagena (pag. 134).
-CINOIS
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittehiieerküste. 81
^ Teucrinm poliioii L. var. capi- Scorzonera laciniata L. v. inter-
fatinu (L.) Briq. media (Gr. Godr.).
Koitrophijlhnti arboresccms Hook.
B. Allgemeiner Teil: — Beiträge zur Kenntnis der Litoralsteppe.
Auf einer Reihe von Exkursionen haben wir einen Einblick in
den Vegetationscharakter und in den Florenbestand der spanischen
Litoralsteppe zwischen Villajoyosa und Murcia erhalten. Unser Bild
<ier südostspanischen Steppengebiete wäre jedoch ohne Kenntnis der
klimatischen Faktoren und der biologischen Anpassungserscheinungen
der Pflanzenwelt an die ihr gebotenen eigenartigen Lebensverhältnisse
sehr unvollständig, endlich drängt sich uns die Frage nach dem Ur-
sprung dieser Steppenflora auf. Im Anschluss an unsere Exkursions-
berichte soll daher noch je in einem Abschnitt Klima, Biologie und
Pflanzengeographie der iberischen Litoralsteppe erörtert werden.
a) Klima. ^)
Zuverlässige , über eine Reihe von Jahren sich erstreckende
meteorologische Daten, die allen Anforderungen der exakten modernen
Meteorologie entsprechen würden, gibt es für Spanien kaum. Das
Netz meteorologischer Stationen ist zudem sehr lückenhaft, die an-
gewendeten Methoden und Instrumente meistens ungenügend, so dass
das Bild des mittleren jährlichen Klimaganges, das wir auf Grund
dieser Daten entwerfen, nur einen sehr relativen Wert beanspruchen
kann; dies um so mehr, als ja zum Charakter der Steppe gehört,
dass die Temperatur- und Niederschlagskurven in den einzelnen
Jahren oft ganz gewaltige Unterschiede aufweisen. Aus dem Gebiet
der Litoralsteppe liegen uns nur von Murcia, Cartagena und Alicante
^) a) Zeitschrift der österreichischen Gesellschaft für Meteorologie Bd. IX
(1874) p. 6 ff. — Khma von Murcia.
b) Helhnann, G., Feuchtigkeit und Bewölkung auf der iberischen
Halbinsel. Niederländisch meteorologisches Jahrbuch 187(5. 48 S.
c) JResümen de las observaciones meteorolögicas, efectuadas en la penin-
sula y algunas de sus islas adyacentes durante 1876 ff. bis 1896.
d) Hann, J., Handbuch der Meteorologie, ed II. Bd. III (1897) pg. 77
bis 88.
e) Fischer, Th., Studien über das Klima der Mittermeerländer. Er-
gänzungsheft No. .58 zu Petermanns Mitteilungen 1879. 4". 64 S. mit
7 Karten auf 3 Tafeln.
Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. 6
82 M. Rikli.
einigermassen brauchbare Daten vor, dieselben werden durch die-
jenigen von Valencia ergänzt. Sehr wünschenswert wären auch noch
meteorologische Stationen in Elche, Orihuela und Lorca. Um einen
Einblick in das Klima der spanischen Litoralsteppe zu erhalten, sind
wir daher neben diesen Daten wesentlich noch auf die Berichte an-
gewiesen, die uns fremde Forscher, welche längere Zeit in diesen
Gebieten zugebracht haben, entwerfen. So wertvoll diese Berichte
sind, 30 tragen sie eben doch den Stempel der Subjektivität.
Auf Grund der im „Resümen de las observaciones meteorolögicas"
erschienenen meteorologischen Beobachtungen haben wir für die
Jahre 1876 bis 1895 die wichtigsten klimatischen Daten berechnet.
Es ist jedoch hervorzuheben, dass in Cartagena die Temperaturen erst
seit 1877, die Regenmengen sogar erst seit 1880 notiert wurden.
In Alicante wurde im Jahre 1880 eine zweite meteorologische Be-
obachtungsstation gegründet. Die beiden Stationen werden als
Instituto und Mareografo unterschieden und ergeben ziemlich ver-
schiedene Daten. Wir haben bis 1888 nur die Angaben des Instituto
verwertet. Von 1889 ist jedoch diese Beobachtungsserie sehr unvoll-
ständig, so dass wir uns genötigt sahen, nun die vom Mareografo
publizierten Angaben zu benützen und zwar von 1889 bis 1893.
Von 1893 an ist dann Alicante im „Resumen" nur noch durch eine
Anstalt, die jedoch nicht näher bezeichnet ist, vertreten. Um die
folgenden Zusammenstellungen besser beurteilen zu können, geben
wir zuerst eine kurze Übersicht der entsprechenden Daten von Zürich.
Wir verdanken dieselben, wie auch die Einsicht in die Spezialliteratur
der Güte von Herrn Dr. Maurer, Direktor der eidg. meteorologischen
Zentral anstalt.
Meteorologische Daten von Zürich.
Mittlere Jahrestemperatur 37-jähriges Mittel: (1864— 1900) = S^5 C.
Mittlere Monatstemperaturen :
I. = — 1,4 V. = 12,9 IX. = 14,2
II. 0,8 VI. 16,5 X. 8,4
III. 3,8 VIT. 18,4 XL 3,6
IV. 8,8 VIII. 17,3 XII. — 0,6.
Absolutes Maximum 34,5 C (Lufttemperatur im Schatten.) \ Aus den Termin-
' J- Beobachtungen von
Absolutes Minimum — 18,5 C I T'/oh, v/^h, 91,2 h.
Mittlere jährliche Regenmenge 1138 mm (1864—1903).
Grösste „ „ 1988 mm (1876).
Kleinste „ „ 737 mm (1865).
Grösste an einem Tage gefallene Regenmenge 171 mm (11. VI. 1876).
Mittlere jährliche Sonnenscheindauer 1693 Stunden (1886-1900).
Mittlere jährliche Bewölkung 6,3 „
Grösste mittlere, monatliche Bewölkung 8,0 ,, (Dezember).
Kleinste „ „ „ 5,1 „ (August).
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste.
83
a) Thermische Verhältnisse.
I. Mittlere Monatstemperaturen in C
1. Cartagena.
Beoljach-
'
tungs-
periode
I.
II.
III. IV.
V.
VI.
VII.
VIII. IX.
X.
XI.
XII.
1877—85
12,8
9,8
13,1
10,5
13,8 16,5
12,6 14,6
18,3
17,4
21,9
21,1
25,3
24,-
26,3
23,3
22,3
19,3
18,5
1.5,7
14,7
11,8
1886—95
24,1
11,3
In diesen 19 Beobaelitungsjahren war der Juli 1880 mit einem
Monatsmittel von 28", 1 der wärmste, der Januar 1891 mit nur 7°, 7
der kälteste Monat. Auffallend sind die bedeutend höheren Mittel in
den Jahren 1877 — 85 gegenüber der zweiten Beobachtungsperiode.
Dieses Verhältnis kehrt bei allen vier Stationen wieder und ist den
fünf aussergewöhnlich warmen Jahren 1876—1880 zuzuschreiben.
2. Murcia (43 m Meereshöhe).
1876—85
10,3
9,6
12,7
11,1
13,7
13,2
16,5
15,7
19,3
18,9
22,8
23,1
25,9
26,2
27,3
23,9
23,5
18,7
19,2
14,7
14,6
10,—
1886—95
25,9
11,1
Die wärmsten Monate waren der August 1877 und 1878 mit einem
Mittel von je 28°,8 und der kälteste Monat, der Januar 1891, erreichte
nur ein Mittel von 7°,6. Gegenüber Cartagena zeigt mithin Murcia
ein entschieden kontinentaleres Klima mit erhebhch kälterem Winter
und heisserem Sommer, — eine Folge der grösseren Entfernung
dieser Stadt von der Küste (50 km) und der Umgebung durch Ge-
birgszüge.
3. Alicante.
1876—85
11,-
10,3
12,8
11,1
13,4
13,4
16,4
15,6
18,9
18,4
22,4
22 1
1 '
25,4
24,9
25,9
22,9
53,
18,7
19,3
14,8
1.5,3
11,2
1886—95
24,8
12,—
Wärmster Monat: Juli 1877 = 28",8; kältester Monat: Dezember
1876 = 8". Alicante nimmt demnach thermisch eine Art Mittel-
stellung zwischen Cartagena und Murcia ein; die Winter sind fast
noch milder als die von Cartagena, die Gluthitze des Sommers bleibt
dag
egen l
.aum 1
linter
der VC
)n Mui
•cia zi
rück.
1876—85
1886-95
4. Valencia.
10,-
12,3
9,8
12,9
12,-
1.5,4
14,2
17,4
17,1
20,8
21,-
24.2
25.3
8,8
23,7
23,9
22,2 18,2
21,7 18,-
14,3
14,-
10,3
10,4
84
M. Rikli.
Wärmster Monat: August 1878 = 27°,3; kältester Monat: Januar 1891 = 5°,8.
Valencia beansprucht somit innerhalb unserer vier Beobachtungsslationen eine ge-
wisse Sonderstelhing. Die Sommer sind etwas weniger heiss, die Winter dagegen
ganz erheblich kühler (1 bis nahezu 3" C) als in den Provinzen Alicante und Murcia.
Das aus den mittleren Monatstemperaturen abgeleitete thermische Fazit von
Cartagena, Murcia, Alicante und Valencia wird auch durch die folgenden Beobach-
tungsserien bestätigt.
II. Mittlere Jahrestemperaturen in C".
Beobacli-
tungs-
periode
Jahres-
mittel
Jahr mit
a) d. höchst en b) d. niedrigsten
mittleren Jahrestemperatur
Differenz
1. Cartagena
1877—85
1886—95
18,2
16,7
19,5 (1877)
16,3 (1891)
3,2
2. Murcia
1876-85
1886—95
18,—
17,7
18,9 (1877)
17,- (1891)
1,9
3. Alicante
1876-85
1886-95
17,8
17,5
19,4 (1877)
16,6 (1895)
2,8
4. Valencia
1876—85
1886-95
16,9
16,2
18,2 (1877)
15,2(1886u.l891)
3,—
Auch diese Tabelle bringt die Sonderstellung von Valencia, dessen Jahresmittel
0,5 — 2" niedriger ist als dasjenige der Stationen 1 — 3 zum Ausdruck. Von ganz
besonderer Wichtigkeit für die Pflanzenwelt sind die absoluten Temperaturextreme.
III. Absolute Temperaturextreme in C*.
a)
M a X i m a
b)
Minima
c) Differenz
(Lufttemperatur im Schatten)
1. Cartagena
40,—
Im Juli 1880
— % —
Im Januar 1878
42-
2. Murcia
47,8
, , 1876
f— 4,3
1— 5,5
. 1878
. 1871
53,3
3. Alicante
45,-
Im August 1881
/- 6,-
l— 6,2
, 1876
(nach Th. Fischer)
•51,2
4. Valencia
43,-
Im Juli 1881
— 7,—
„ 1885
50,—
zum Vergleich
Zaragoza
43,2
(nach Fischer)
— 14,9
(nach Fischer)
(Ebrostreppen)
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittehneerkiiste. 85
Die abnorm hohen, über 35" C. erreichenden Temperaturen sind
wohl zum grössten Teil das Ergebnis eines afrikanischen Glut-
windes, der in den östlichen Teilen der Provinz Granada und in
Murcia keine Seltenheit ist, glücklicherweise aber meistens nicht lange
anhält. Die Andalusier nennen ihn „Solano", in Murcia ist er unter
dem Namen Leveche bekannt. Dieser Wind erschöpft sich gewöhnlich
in einigen Stössen, die jedoch hinreichen, um die Wein- und Oliven-
ernte der Gegenden, über welche sie hinstreifen, zu vernichten.
Hellmann beobachtete im August 1876 wie innerhalb sechs Stunden
durch einzelne seiner Glutwellen an der Sierra Contraviesa, zwischen
Malaga und Almeria, etwa 10 km von der Küste und in einer Meeres-
höhe von 700 m, mehrere Quadratkilometer Weinpflanzungen kurz
vor der Weinlese völlig vernichtet wurden. „Das Weinlaub sah nach
dem Passieren des Windes so aus, als ob man es mit siedendem
Wasser begossen hätte."
Nirgends tritt der Leveche so häufig und verheerend auf, wie in
den Küstengegenden zwischen dem Cabo de Gaba und dem Cabo de
la Näo. Der Glutwind kündet sich durch einen bräunlich-roten Dunst
an, welcher am südöstlichen und südlichen Horizont emporsteigt und
allmählich das Blau des ganzen Himmels trübt. Dabei herrscht
Windstille, dann fängt das Meer an unruhig zu werden, es erhebt
sich ein südlicher Wind, der von Sekunde zu Sekunde heftiger und
heisser wird, bis er zuletzt zu einem Sturm sich steigert, der wirbelnd
über das Land hinbraust und die ganze Atmosphäre mit Staub und
Sand erfüllt. Das Laub der Bäume und Sträucher krümmt sich so-
gleich unter dem Gluthauch dieses Windes und ist wenige Tage
später völlig verdorrt. Der Leveche zeigt somit den Charakter und
alle Eigenschaften des echten Sirocco, auch die Wirkung auf Mensch
und Tier ist die gleiche. Bei der Berührung mit diesem Glutsturm
wird der Mensch wie gelähmt, es stellen sich heftige Kopfschmerzen
ein und selbst dem gesundesten Eingeborenen „liegt es wie Blei in
den Gliedern".
Die beiden Tabellen auf der folgenden Seite über die mittleren
und absoluten Monatsschwankungen der Temperaturextreme vervoll-
ständigen das thermische Bild der Litoralsteppenregion.
86 M. Rikli.
IV. Mittlere Monatsschwankungen der Temperaturextreme in G**.
Beobach-
tungs-
periode
I.
II.
III.
lY.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
X.
IX.
XII.
Cartagena
1877-85
1886-95
21,2
17,9
20,8
17,5
20,9
18,1
20,1
16.7
20,7
16,8
18,9
17,6
19,8
15,7
19 —
15,2
20,6
14,9
21,2
18,3
20,8
18,1
21,9
17,5
Murcia
1876-85
1886-95
22,3
22,—
24,4
24,-
25,9
24,2
23,6
23,4
25,5
22,5
24,3
23,5
23,1
22,3
24,—
22,4
24,5
21,7
24,9
25,-
23,7
22,5
24,5
20,9
Alicante
1876-85
1886-95
24,3
20,9
24,4
21,7
25,2
20,6
24,5
20,4
25,7
20,7
24,-
22,4
24,7
20,5
24,3
19,5
25,9
19,7
24,8
22,1
23,2
21,5
23,1
19,9
Valencia
1876-85
1886-95
21,7
23,3
22,4
22,7
23,8
23,8
23,6
21,2
21,5
21,5
21,4
20,7
20,5
20,1
22,2
19,8
22,6
24,2
20,5
23,—
21,2
23,4
22,8
20,8
V. Absolute Monatsschwankungen der Temperatur extreme in C*'.
-
Beobach-
tungs-
periode
a) st
Monat mit
ärkster | b) geringster
Temperaturschwankung
Differenz
1. Cartagena
1877-85
1886-95
27,4
23,3
IX. 79
XL 90
11,9
9,5
VIII. 85
VI. 88
15.5
13,8
2. Murcia
1876-85
1886-95
31,8
29,7
VII. 76
XL 90
13,3
15,8
VII. 82
XII. 88
18.5
13,9
3. Alicante
1876-85
1886—95
33,8
29,-
VII. ■ SO
VI. 93
18,2
14,2
IV. 84
IV. 90
15,6
14,8
4. Valencia
1876-85
1886-95
30,-
32,-
VI. 76
XL 90
12.-
10,9
VIII. 79
IX. 92
18,-
21,1
Murcia, das mitten im Gebiet der südostspanischen Litoralsteppe liegt, besitzt
nach einer Zusammenstellung in der Zeitschrift der östreichischen Gesellschaft für
Meteorologie Bd. IX (1874) folgendes Klima:
Monate
Temperatur-
Mittel
Tägliche
Amplitude
Mittlere
Maxima
Extreme
Minima
Differenz
I.
9,3
12,2
22,4
— 2,8
25,2
IL
H,-
13,4
24,2
0,8
23,4
III.
12,4
13,4
26,5
1,2
25,3
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste.
Monate
Temperatur-
Mittel
Tägliche
Amplitude
Mittlere
Maxima
Extreme
Minima
Differenz
IV.
15,7
14,9
30,4
3,1
27,3
V.
18,8
14,2
32,4
8,2
24,2
VI.
22,7
14.9
37,1
11,7
25,4
VII.
20,1
15,6
40.5
14,9
25,6
VIII. i
2.5,4
1.5,1
39,—
14,8
24,2
IX.
22,3
14,3
35,6
11.9
23,7
X.
18,—
13,3
32,—
6,4
25,6
XI.
12,8
12,-
25,5
1,8
23,7
XII.
9,9
12,2
22,4
- 1.3
23,7
Jahr
17-
13,8
41,4
— 3.1
44,5
b) Niederschläge.
Viel wichtiger als die Temperaturen sind für die Ausbildung
■der Steppe die Niederschlagsverhältnisse. In allen Zonen können
bei eintretendem Niederschlagsmangel Steppen entstehen. Die eigent-
lich regenlosen Gebiete der Litoralsteppe sind die nordwestlich von
Murcia gelegenen Einöden „los despoblados" des oberen Segurabassins.
Hier vergehen oft drei, vier und mehr Jahre, ohne dass es ein einziges
Mal anhaltend regnet. Nicht viel ergiebiger dürften die Nieder-
schläge in den Ländereien östlich von Lorca bis Baza und Guadix
sein. Den Einblick, den uns die Reise von Murcia nach Granada in
diese Landschaften mit ihren Felsen- und Wüstensteppen verschaffte,
war für uns ein sprechendes Zeugnis für die überaus grosse Regen-
armut dieser Teile der Provinz Murcia und Ostgranadas. Leider
gibt es in diesen Gebieten keine meteorologischen Stationen, die uns
genauere Daten über die jährliche Regenmenge und die jahreszeitliche
Verteilung der Niederschläge geben könnten, so viel ist aber aus
dem Vegetationscharakter zu entnehmen, dass die Niederschläge er-
heblich hinter Murcia, Cartagena und Alicante zurückbleiben. Aber
selbst in der Stadt Murcia, die doch in einem weiten, mit Tausenden
von Bäumen erfüllten und folglich stark ausdünstenden Tale liegt,
gehört ein mehrere Stunden oder ein paar Tage anhaltendes Regen-
wetter zu den Seltenheiten, so dass von einem solchen ausserordent-
lichen Ereignis wochenlang gesprochen wird.
88 M. Rikli.
Yl. Mittlere monatliche Regenmengen in mm.
Periode
von
1.
IL
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII. IX.
X.
XL
XIL
1. Carta-
gena
1880-85
1886-95
34,4
52,3
23,6
43,6
38,1
51,8
28,8
38,5
42,5
20,2
20,7
11,6
1,2
3-
0,3
6,5
45,4
26,1
53,3
47,3
38,-
52,3
76,4
63,6
2. Murcia
1876-85
1886-95
37,3
30,7
24,9
42,8
25,5
52,2
28,8
45,8
40,3
30,9
25,2
16,4
1,6
3,5
4 —
12,1
59,8
51,3
40,2
44,9
28,5
48,7
41,4
53,9
S.Alicante
1876-85
1886-95
37,7
164
24,1
29,8
30,2
30,4
39,4
30,6
40,1
39,4
23,—
20,5
0,9
3-
5,9
8,1
81,5
68,2
59,2
26,—
50,3
44,7
39,1
37,7
4.Valencia
1876-85
1886-95
38,8
30,9
27,4
51,5
42,4
46,4
39,3
40,8
34,1
43,6
25,1
20,2
5-
18,3
9,2
10,-
79,1
80,8
93,—
49,2
60,1
63,7
34,6
65,5
Noch lehrreicher ist die folgende Zusammenstellung der Niederschläge
Jahreszeiten.
nach
VIL Mittl
ere jahresz e
tliche F
legenmengen
m mm.
Periode
von
Winter
XII.— II.
7o
Frühling
III.-V.
o/o
Sommer
VI. -VIII.
"/o
Herbst
IX. -XI.
°/o
1. Cartagena
1880-85
1886—95
134,4
1.59,5
33,4
38,2
109,4
110,5
27,2
26,5
22,2
21,1
5,5
5,1
136,7
125,7
33,9
30,2
2. Murcia
1876—85
1886—95
103,6
127,4
28,2
29,—
94,6
128,9
25,7
29,4
30,8
32,-
7,8
7,2
138,5
150,9
39,4
34,4
3. Alicante
1876-85
1886-95
100,9
83,6
23,3
23,6
109,7
100,4
25,4
28,3
29,8
31,6
7,-
9,1
191,-
138,9
44,3
39,1
4. Valencia
1876-85
1886—95
100,8
147,9
20,6
28,4
115,8
130,8
23,7
25,1
39,3
48,5
8,9
9,3
232,2
193,7
47,5
37,2
Über die gewaltigen Verschiedenheiten der jährlichen Regenmenge der ein-
zelnen Jahre gibt Tabelle VIII Aufschluss.
VIII. Jährliche Regenmengen in mm.
Cartagena
Murcia
Alicante
Valencia
1876
—
319,2
463,9
347,2
1877
—
342,5
470,8
223,4
1878
—
230,1
244.3
198,6
Botanische Reisestudien von der spanisclien Mittelmeerküste.
89'
Cartagena
Murcia
Alicante
Valencia
1879
—
175,2
271,6
328,8
1880
325,6
298,—
364,2
494,8
1881
405,—
456,—
527,-
461,—
1882
390,-
336,—
329,—
425,—
1883
333,-
297,—
273,-
439,-
1884
647.-
765,—
936,—
1288,—
1885
315,-
353,—
444,—
685,—
1886
223,-
294,—
290,-
400,—
1887
633,—
588,-
619,—
676,—
1888
315,-
571,—
571,—
478,-
1889
423,—
324,—
165,—
328,—
1890
569,—
571,-
177,-
578,—
1891
426,—
426,-
184,—
681,—
1892 ;
379,—
354,-
155,—
541,-
1893
313,—
251,-
300,—
347,-
1894
575,—
568,-
513,—
700,—
1895
312,-
445,—
580,—
482,—
1896
319,—
273,—
328,—
338,-
1897
191,-
273,-
488,—
824,-
1898
366,—
328,-
449,-
655, —
Die Gegenüberstellung der grössten und geringsten jährlichen
Regenmenge der einzelnen Beobachtungsstationen ergibt folgende
gewaltige Unterschiede, die besonders im Verhältnis der Minima zu
der Maxima zum Ausdruck kommen.
Cartagena: Max. 647 mm; Minim. 191 mm; Diff. 456 mm; Verhältnis: 1:3,4
Murcia: „ 765 „ „ 175,2 , , 589,2 „ ; , 1:4,4
Alicante: , 936 „ „ 155 „ , 781 „ ; „ 1:6
Valencia: ., 1288 „ , 198,6 „ „ 989,4 „ ; „ 1:6,5.
;90
M. Rikli.
Bei einer bedeutend längeren Beobachtungsperiode (40 Jahre) hat
Zürich ein Maximum von 1988 mm und ein Minimum von 737 mm;
das Verhältnis ist somit nur 1 : 2,7.
Aus Tabelle VIII erhalten wir die mittlere jährliche Regenmenge in den
Dezennien 1876 — 85 und 1886 — 95, sowie das Gesamtmittel aus 19 beziehungsweise
23 Beobachtungsjahren:
IX. Mittlere jährliche Regenmengen in mm.
1876—95
1886—95
1896—98
1. Cartagena
2. Murcia
3. Alicante
4. Valencia
402,6 (1880—85)
357,2
432,4
416,8
439,2
354,5
488,0
521,1
292^
291,3
455,—
602,3
Gesamt mittel in mm.
nach Th. Fischer.
Cartagena
1880-1898
392,6
—
Murcia
1876—1898
380,3
362
Alicante
1876-1898
401,5
430 (1855—74)
Valencia
1876—1898
517,3
476 (1857—74)
Noch geringere Regenmengen besitzen nach Hann Zaragoza und
Valladolid mit je ca. 310 mm und Almeria mit sogar nur 260 mm;
doch fehlt die Angabe über die Beobachtungsdauer, so dass es sich
möglicherweise doch nur um eine kürzere Periode handelt.
Ganz besonders sind nun aber noch die monatlichen maximalen
Regenmengen und die Perioden von Regenlosigkeit oder grosser
Regenarmut für die Pflanzenwelt von grosser Bedeutung.
X. M
aximale monatliche Regenmengen in mm.
Beobachtungs-
periode
Monatliches
Maximum
Zeit
1. Cartagena
1880—85
155
Oktober 81.
1886-95
180
Dezember 89.
1896—98
143
Januar 98.
2. Murcia
1880—85
212,7
September 77.
1886—95
216
September 88.
1896—98
114
Januar 98.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelnieerküste.
91
3. Alicante
4. Valencia
Beobachtungs
periode
1876-85
1886—95
1896-98
1876—85
1885—95
1896—98
Monatliches
Maximum
351
213
509
Zeit
September 77.
September 88.
November 97.
September 84.
September 94.
November 97.
Diese monatlichen Maxima überschreiten öfters erheblich die in
trockenen Jahren beobachteten Gesamtregenmengen. So beträgt die
im September 1888 in Murcia gefallene Regenmenge 216 mm, das
Trockenjahr 1879 lieferte dagegen nur 175,2 mm. In Alicante brachte
der September 1877 sogar 374 mm Regen; folgende Jahre dieser
Station blieben z. T. erheblich hinter diesem Betrag zurück : 1878/79,
1880, 1882/83, 1889—1893, 1856 (vide Tabelle VIII). In Valencia
erreichte die im November 1897 gefallene Regenmenge annähernd die
mittlere Regenmenge dieses Ortes. Die Niederschläge erfolgen sehr
oft in Form von Platzregen. Wenn dann der Boden von der an-
haltenden Trockenheit steinhart geworden ist, so vermag das Wasser
nicht einzusickern. Die gewaltigen Regenmengen fliessen rasch ab,
die langersehnte Feuchtigkeit kommt der Pflanzenwelt nicht zugute;
die Flüsse treten über ihre Ufer und ergiessen sich verheerend über
das Kulturland. Neben lang andauernden Zeiten der Dürre plötzliche
Wassernot ist eine in der spanischen Litoralsteppe öfters wieder-
kehrende Erscheinung und zeigt uns, dass Spanien auch in dieser
Hinsicht ein Land der Gegensätze ist. Im September 1906 haben
sündflutartige Regen in der Provinz Murcia enormen Schaden ver-
ursacht, selbst Menschen sind denselben zum Opfer gefallen.
Diese Regengüsse beeinflussen natürlich in hohem Grad die mitt-
leren monatlichen, beziehungsweise sogar jährlichen Regenmengen.
Nur ein Beispiel. Im Juli 1869 bringt ein heftiger Gewitterregen
in Murcia einen Tag 71 mm Regen, während unser 20-jähriges Mitte
für den Juli nur 2,5 mm Regenmenge ergibt; es ist also an diesem
einzigen Tag so viel Regen gefallen wie normalerweise erst
die Juli-Niederschläge von 28 Jahren ergeben.
92 M. Rikli.
XI. Monate ohne oder mit ganz ungenügenden Niederschlägen.
Beobachtungs-
Zahl
Keine
Nur 0,1—6 mm
periode
der Monate
Niederschläge
Niederschläge
1. Cartagena
1880-85
72
11 Monate
13 Monate
1886-95
120
19 „
15 „
1896-98
36
11 „
5 „
2. Murcia
1876—85
120
9
33
1886—95
120
13 „
15 „
1896—98
36
o
ö
8
3. Alicante
1876—85
120
20 „
27
1886—95
120
19
19
1896—98
36
8 ,,
5 ,,
4. Valencia
1876-85
120
8
30
1886—95
120
3
15
1895-96
36
4
3 „
Wenn Willkomm ([36], zitiert nach a) sagt: „Es gibt Jahre, in
denen es nicht oder fast nicht regnet", so trifft dies jedenfalls für die
von uns bereisten Teile der Litoralsteppe nicht zu; immerhin kann
— wie aus dem Vergleich der in den „Resümen" aufgeführten Zahlen
hervorgeht — in keinem Monat auf genügende Regenmengen un-
bedingt gezählt werden. Besonders die Zeit der grössten Hitze von
Anfang Juni bis Ende August ist oft ganz ohne Niederschläge;
die Verdunstung in diesen Sommermonaten ist zudem ausserordentlich
gross, wird doch als mittleres Maximum der Evaporation eines Tages
der hohe Betrag von 15 mm angegeben.
c) Bewölkung.
Von grösster Bedeutung für die Pflanzenwelt sind die Bewöl-
kungsverhältnisse. Leider lassen gerade in dieser Hinsicht die An-
gaben der meteorologischen Stationen im Stich. Das zuverlässigste
Vergleichsmaterial ergeben die Sonnenscheinautographen, die uns die
jährliche Sonnenscheindauer eines Ortes liefern. Diese einfache Methode
scheint man in Spanien noch nicht anzuwenden, denn alle Angaben
beruhen auf der, der subjektiven Schätzung unterworfenen Skala von
0 — 10, wobei 0 ganz klare, 10 ganz bedeckte Tage bezeichnet.
Nebel kennt das Land kaum, selbst Wolkenbildung ist selten;
der Himmel prangt meistens im durchsichtigsten, prächtigsten Azur-
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerkiiste.
93
blau. Nur während des Hochsommers lagert sich öfters über die
Landschaft, einem Schleier vergleichbar, die Calina, eine Art
Hitzenebe], der wohl auch sonst heisseren, trockenen Gegenden,
namentlich Tafelländern, nicht fehlen dürfte. Theobald Fischer
schreibt von der Calina: „Der Hitzedunst ist ein trockener Nebel, ein
aus feinstem Staub gebildeter Dunst, der nicht etwa Wasserdämpfen
seinen Ursprung verdankt: er beginnt sich im Juli über die Land-
schaft zu lagern, wird mit steigender Hitze dichter und erreicht im
August sein Maximum, so dass dann die Sonne eine rotbraune Farbe
annimmt, und man in sie hineinsehen kann. Oft ist die ganze Land-
schaft in düsteres Grau gehüllt, das erst bei grösserer Annäherung
die Gegenstände zu erkennen erlaubt, dann aber auch mit um so
grösserer Schärfe. Selbst plötzlich eintretende Gewitterschauer pflegen
die Calina nicht ganz zu beseitigen, so sehr sie die Luft reinigen und
abkühlen, aber sie beschränken sie und lassen sie weniger intensiv
erscheinen. Erst im September nach den ersten Herbstregen ver-
schwindet sie allmählich." Die grosse Lufttrockenheit, der Staub, der
über der Steppe schwebt, und der sich bildende aufsteigende Luft-
strom, der die feinsten Staubmassen in höhere Lagen der Atmosphäre
führt, sind wohl als die Hauptursachen dieser Erscheinung anzusehen.
Nach einem ungewöhnlich heissen März haben w^ir im Frühjahr 1905
sogar Gelegenheit gehabt, schon Anfang März die Erscheinung auf
der Sierra bei Orihuela zu beobachten. Von unserer hohen Warte
aus überblicken wir die unabsehbare, fruchtbare Huerta von Murcia:
begrenzt wird das Bild durch einen gewaltigen Kranz kahler Sierren
und wie ein feiner Nebel zieht sich einen Streifen längs dem Rand der
Berge hin, es ist der Hitzedunst, die aufgewirbelte feine Staubwolke,
welche sich in den trockenen Jahreszeiten fast stets über der Steppe
lagert.
In ganz Spanien wird Murcia ,,el reino serenisimo" genannt.
Übertroffen wird die Klarheit des murcianischen Himmels noch durch
denjenigen Valencias. Nach der Arbeit von Hellmann (b), die sich
jedoch leider nur auf die Aufzeichnungen eines Zeitraums von acht
Jahren erstreckt, wäre Valencia diejenige Gegend Europas, welche
den klarsten Himmel besitzt.
Jahresmittel der Tage
Jahresmittel der Tage
mit ganz bedecktem Himmel
mit ganz klarem Himmel
Valencia
50
'260
Alicante
42
139
Murcia
89
138
94
M. Rikli.
Über den täglichen Gang der Bewölkung sagt Hell mann: In
den Stunden vor und nach Mittag, wenn die Luft vom Meer nach
dem Lande weht, ist der Himmel bewölkter als in der Nacht, wo
die trockene und aufheiternde Luft vom Lande nach der See abfliesst.
Die grösste Heiterkeit fällt auf die ersten Nachtstunden von 9 bis
12 Uhr. Mit untergehender Sonne fangen gewöhnlich die Cumuli im
Zenit an sich zu senken und aufzulösen, die im westlichen Horizont
ziehen sich in Strati oder Cumuli-Strati aus und verschwinden eben-
falls später; selbst hochstehende Cirri werden von diesem täglichen
Wechsel berührt, sie lösen sich in einen weisslichen Dunst auf, indem
sie bei Mondschein prachtvolle Halos bilden und von denen gegen
Mitternacht gewöhnlich nichts mehr übrig bleibt. Um Mitternacht ist
dann der Himmel am klarsten. Die Nächte der algarbischen und
andalusischen Küsten verdanken diesem Umstände und der nur ge-
ringen nächtlichen Abkühlung gegenüber dem zentralen Plateau, ihre
allbekannte Milde, ihren poetischen Reiz und Zauber.
Und der jährliche Gang der Bewölkung auf der iberischen Halb-
insel ergibt, dass die heitersten Gegenden Spaniens der mittlere Teil
der Ostküste, Andalusien nebst Algarbien und dem mittleren Ebro-
becken sind. An erster Stelle steht Valencia.
Mittlere jährliche
Geringste monatliche
Grösste monatliche
Bewölkung
Bewölkung
Valencia
2,1
0,1 (Juni)
2,9 (Oktober)
Alicante
P,,7
2,4 (Juli)
4,7 (Dezember)
Murcia
4,3
2,- (Juni)
5,3 (März)
Fassen wir zusammen, so ergibt sich als klimatisches Fazit
unserer kleinen Studie über das Klima Südostspaniens: Das Gebiet
der Litoralsteppe umfasst den heissesten Teil Spaniens. Auffallend
spärliche Niederschläge, verbunden mit grosser Trockenheit der Luft
und intensivster Besonnung bedingen ein durchaus nordafrikanisches
Klima.
Die hohen Temperaturen können -jedoch nur von der Pflanzenwelt
des bewässerten Kulturlandes ausgenutzt werden, für das Naturland
müssen sie nachteilig wirken, weil zur Zeit der grössten Hitze das
nötige Betriebswasser fehlt und so die vegetative Tätigkeit der Pflanze
zum Stillstand verurteilt wird. Die Flora der Steppe kann daher
die vermehrte Energiezufuhr nicht nur nicht ausnützen, sie muss sich
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste. 9.>
sogar in ausgiebigster Weise gegen die schädlichen Folgen dieses
Missverhältnisses zwischen hoher Temperatur und grösster Insolation
bei gleichzeitigem Wassermangel schützen. Während in der Huerta
der feine, durchfeuchtete, äusserst fruchtbare Schwemmlandboden die
Entwicklung einer üppigen, stellenweise beinahe subtropischen Pflanzen-
welt ermöglicht, werden diese Gartenlandschaften überall von öden
Steppen, die stellenweise fast Wüstencharakter annehmen, umgeben.
Grosse Hitze, verbunden mit noch grösserer Wasserarmut bei gleich-
zeitiger, tagtäglich sich wiederholender intensivster Besonnung, geben
der Flora der Steppe einen ausgesprochen xerophytischen Charakter.
Diesen näher kennen zu lernen ist die Aufgabe des folgenden Abschnittes.
b) Biologie.
Auf unseren verschiedenen Steppenexkursionen haben wir 184
verschiedene Pflanzen gesammelt, von denen die meisten, teils in ihrem
Entwicklungsgang, teils in ihrer Tracht, die extremen Verhältnisse,
die durch den Wassermangel geschaffen werden, erkennen lassen.
Diese Flora setzt sich aus folgenden biologischen Typen zusammen:
1. Einjährige Pflanzen, sie treten in sehr grosser Zahl auf. Von
184 Arten sind 62 species, d. h. 33,6 7»» einjährig. Diese vergängliche
Florula besitzt wenig ausgesprochene, z. T. sogar gar keine xerophile
Anpassungsmerkmale, denn ihre Hauptentwicklung fällt in die Zeit
der Winterregen und der ersten Frühjahrsmonate, wo die Erde noch
genügend durchfeuchtet ist. Bei Eintritt der Sommerdürre sterben sie
ab und überdauern als sehr restistenzfähige Samen die Trockenperiode.
Schon Ende März und Anfang April trugen bei unserem Besuch der
Litoralsteppe eine stattliche Zahl von einjährigen Arten reife Samen,
einzelne Pflanzen waren sogar bereits versamt. Die offene Pflanzen-
decke der Steppe wird so immer offener und damit wird der xerophile
Gesamtcharakter derselben immer ausgesprochener. Aber selbst unter
den einjährigen Gewächsen gibt es einige Arten, welche xerophile
Anpassungsmerkmale zeigen, sei es Neigung zur Sukkulenz, wie z. B.
Moricaudia arre/isis; Aizoon hisjjanicu/n und 2Iesenibrtja/ifhenu(/ii
sind sogar typische Sukkulenten. Andere Arten verkleinern ihre Blatt-
flächen und übertragen die Assimilation mehr und mehr dem Stengel;
so mehrere Statice. Auch Arten mit einem dichteren Indument, be-
ziehungsweise mit einem derben Borstenkleid {PenduUna itifricafa,
P. Lagascana, Matthiola parviflora, Trifolium sfellafum, Cijno-
(jJossum cheirifolium, Evax liygniacft etc.) fehlen nicht. Diese mehr
oder weniger xerophile Merkmale tragende Annuellen sind Arten, deren-
•S6
M. Kikli.
Samenreife mehr Zeit in Anspruch nimmt und daher vor Eintritt der
Trockenperiode oft noch nicht abgeschlossen ist, auch muss sich die
Pflanze vorsehen für die Jahrgänge, in denen selbst die Winterregen
ungenügend sind, — ein Fall, der bekanntlich gar nicht so selten
eintritt. Die Ausbildung unterirdisch ausreifender Samen, welche aus
kleistogamen Blüten an subterranen Ausläufern bei Vicia angustifolia
V. amphicarpa gebildet werden, ist wohl auch ein Mittel, die Samen-
reife zu beschleunigen durch Ausnützung der Bodenwärme, welche
noch erheblich grösser ist, als die Lufttemperatur. Vicia amphi-
carpa ist eine Pflanze heisser, dürrer Orte, besonders der Steppe;
ihr Verbreitungsareal erstreckt sich von Südfrankreich durch die
iberische Halbinsel nach Nordafrika. In den Atlasländern ist sie
ziemlich verbreitet und tritt bald ganz kahl, bald in einer sehr zottigen,
hauptsächlich der Steppe angehörigen Form auf.
Ein- beziehungsweise zweijährig sind:
Stupa tortilis Desf. Beta Bourgaei Coss.
Lagurus ovatus L. Euphorhia sulcata De Leus
Brachypodium cUstachyon (L.) „ falcata L.
R. et S.
Bromus rubeiis L.
Bromus niatritensis L.
Aegilops ovata L.
Phalaris minor Retz.
Lamarckia aurea Mönch
Moricandia arvensis L.
Eruca vesicaria (L.) Cav.
Pendidina intricata Wk.
Peudidina Lagascana Wk.
Carrichtera vellae DC.
Matthiola parviflora R. Br.
Brassica Tournefortii Gou.
„ frutictdosa Cyr.
,, Cossonia naBoiss. etReut.
Biscutella aurictdata L.
Cakile maritima Scop.
Reseda alba L.
,, Gayana Boiss.
„ leucantha Hegelm.
;, lutea L.
,, phyteuma L,
Polygala monspeliaca L.
Erodium cicutarium (L.)L'Herit.
Pumex hucephalophorus L.
Statice Thouini L.
,, echioides L.
Plantago coronop)Us L.
,, lag opus L.
Aizoon hispanicum L.
Mesemhryanthem um nodi-
florwu L.
Vicia angustifolia All. v. amphi-
carpa Boiss.
Trifolium stellatum L.
Scorpiurus suhviUosa L.
Astragalus sinaicus Boiss.
^^ sesameus L.
Hippocrepis multisiliquosa L.
Ononis ornithopodioides L.
Eryngium spec.
Sideritis romcDia L.
Orobanche Muteli F. Schultz.
Echiuni italicum L.
„ plantagineum L.
Cynoglossum cheirifolium L.
Anagallis arrensis L. v. coerulea
Schreb.
Botanische Reisesfudien von der spanischen MiUelnieerküste. 97
'Galium saceharatmn All. Atractylis cancellata L.
Vaillfuitin hispida L. Galactifes tomentosa Mönch
/HN/rdis L. Carduus pycnocephalus L.
Sherardid arre?isis L. Urospermmn picroidefi Desf.
Ecd.r pijfjinacd Pers. Calendula arvcnsis L.
Pallenis spinosa Cass. Anacijclus valcntinus L.
2. Zwiebel- und Knollengewächse. Die Zahl dieser Arten
ist nach unserer Erfahrung auffallend gering. Wir haben nur drei
Zwiebelgewächse: Gladiolus illyricus L., Uropetalum serotinuni
Ker. und Gynaitdriris sisyclirinuuj Pari, angetroffen. Wichtiger ist
AspJiodelus ßstulosus L, mit ihren büschelig angeordneten Wurzel-
knollen, auch Ophrys tenthredinifera W. hat Wurzelknollen; end-
lich besitzen Arisarum und Aristolochia baetica L. verdickte Rhizome.
Diese unterirdischen Stengel- und Wurzelorgane sind mit Reserve-
stojffen angefüllt und vermögen so die Trockenperiode ohne Nachteil
zu überdauern, um dann in der folgenden Vegetationszeit die Stoffe zum
raschen Aufbau der oberirdischen, belaubten und blühenden Sprosse
zur Verfügung zu halten. Auch auf der Steppe ist AspliodeJus
ßstulosus L. zuweilen tonangebend. Physiognomisch verhalten sich
jedoch diese Pflanzen wie die einjährigen Arten, ihre oberirdischen
Teile sind von kurzer Dauer, bei eintretender Hitze vergilben sie und
sterben ab. Schon Anfang April verschwindet der Asphodill von der
Bildfläche; entsprechend seiner Massenhaftigkeit bedeutet dies für das
Vegetationsbild der Steppe wieder einen erheblichen Verlust an Indi-
viduen und damit eine weitere Lockerung der sowieso schon offenen
Vegetationsdecke. Die Gesamtzahl der ephemeren Pflanzen der
Steppenflora ist somit 69 (= 37,5 7o)-
3. Bäume und Sträucher fehlen fast ganz, dagegen ist
die Zahl der Kleinsträucher ausserordentlich gross, so dass
einzelne Steppentypen geradezu den Charakter einer Klein- und
Zwergstrauchformation besitzen. Die Neigung zur Verholzung
der Triebe ist sehr stark, selbst in Gattungen und sogar in Familien,
deren Arten sonst fast ausschliesslich krautig entwickelt sind. Die
Solaneen liefern zwei Holzgewächse: das höchst eigentümliche
Lyciuni intricafuin Boiss., dessen zahlreiche Seitentriebe zu kurzen,
IV2 bis 3 cm langen Zweigdornen, die nach allen Seiten abstehen,
ausgebildet sind und die Withania frutescens Pauq. Mehrere Com-
positen sind ebenfalls verholzt, so die verschiedenen Helichrysu'm-
Arten, die öfters vorherrschenden Artemisien, Asteriscus niaritimus
Mönch., PJiagnalo)i rujjestre DG. \. j^edunculare Wk., ja sogar eine
Distel: Kenirophyllum arborescens Hook. Die Gattung Sideritis
Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. 7
98 M. Rikli.
liefert nicht weniger als drei Holzgewächse: S. glauca Cav., S. leu-
cantha Cav. und S. spinosa Lam. Verhältnismässig klein und jeden-
falls an Individuen immer stark zurücktretend ist dagegen die Zahl
derjenigen Kleinsträucher, die sonst in den Macchien und Garigues ihre
Massenentfaltung finden, in der Steppe dagegen immer nur in Kümmer-
gestalten, welche selten über einen Fuss hoch werden, auftreten.
Hierher gehören z. B. Juniperus oxycedrus L., Chamaerops humi-
lis L. Quercus coccifera L., Pistacia lentiscus L.; Rhanmus
lycioides L. bildet ebenfalls sehr spitzige, stechende Zweigdornen;
ferner Doryc?iiu?n sujfruticosum Vill. v. cuneaturn, Rosmarinus
officinalis L. und Erica multiflora L. Die meisten Holzpflanzen der
Steppe sind entweder Sklerophyten, Ruten-, Filzpflanzen oder Suk-
kulenten; alle sind durch kräftige, sehr tiefe Pfahlwurzeln aus-
gezeichnet. Nicht weniger als 72 Arten, d. h. 39 7o der von uns
gesammelten Steppenpflanzen sind verholzt.
4. Grössere Zahl starrer, sehr xerophytisch gebauter-
Steppengräser; es sind folgende 18, ungefähr 10 7« unserer Steppen-
ausbeute umfassende Arten:
Andropogon pubescens Vis. EricDithus Ravennae P. B.
Aegilops ovata L. 0 Lamarckia aurea Mönch 0
Avena filifolia Lag. Lagurus ovatus L. 0
BracJiypodium ramosum (L.) Lygeum sjmrtutji L.
R. et S. Macrochloa tenacissima Kth.
Brachypodiumpolystachyon{h.) Melica rninuta L.
R. et S. 0 Phalaris minor Retz 0
Bromus rubens L. 0 Piptatherium coeriäescens P. B^
,, matritensis L. 0 Stupa parviflora Desf.
Cyiiodon dactylon Pers. Stupa tortiUs Desf. 0
Von den 18 Gräsern sind 8 einjährig (0) und zudem mit Aus-
nahme von Stupa tortilis Desf. eigentlich Bestandteile der Felsen-
heide. In ihrem anatomischen Bau lassen diese acht Arten kaum er-
kennen, dass sie in der dürren Steppe gewachsen sind. Typische Steppen-
gräser sind dagegen Macrochloa tenacissima Kth. und Lygeum spar-
tum L. Durch ihre Massenhaftigkeit sind diese beiden Gräser für
bestimmte Typen der Litoralsteppe sehr bezeichnend, sie zeigen auch
den ausgesprochendsten xerophytischen Bau. Wie die beiden anderen
Steppengräser [Avena filifolia Lag., Stupa parvifiora Desf.) sind es
mehrjährige Rasenbildner mit mehr oder weniger steif stechenden schma-
len Rollblättern, die sogar im verwelkten und abgestorbenen Zustand
öfters noch lange mit dem Stock verbunden bleiben, um als schützende
Hülle die lebenden jugendlichen Blätter zu umgeben. Nur Stupa
Botanische Reisestudien von der spanischen MittelmeerkOste.
99
tortilis Desf. macht eine Ausnahme. Diese einjährige Art hat flache
2,5 bis 3,5 mm breite Blätter, die, wie Fig. 5 zeigt, nur schwache,
isolierte subepidermale Rippen besitzt. Dieselben erreichen jedoch
die unter ihnen verlaufenden Gefässbündel nicht; zwischen sub-
epidermaler Rippe und Gefässbündel schieben sich jeweilen einige
Fi£
Stupa tortilis Desf. (Orig.^
collenchymatische , weniger stark lichtbrechende und weniger stark
verdickte Zellen ein. Die Oberfläche des Blattes wird von 8 bis 12
flachen Längsrinnen durchzogen und auf den Rippen entspringen ein-
zelne steifliche Haare. Nur die dicken Wandungen der Epidermis
und der kompakte Aufbau des Assimilationsgewebes, welche nur von
spärlichen Intercellularen durchzogen wird, lassen erkennen, dass
Stupa tortilis Desf. unter extremeren Standortsverhältnissen vege-
tiert. Kaum xerophytischer ist das Blatt von Avena filifolia Lag.
gebaut (Fig. 6). Die Rillenbildung der Blattoberseite ist etwas tiefer,
die Behaarung reichlicher. Die Blattunterseite wird von einer ein-,
stellenweise zweischichtigen Hypodermis begleitet, die äussere Epi-
Fig. 6." Avena filifolia Lag. (Oiig.).
100
M. Rikli.
dermiswandung ist sehr stark verdickt und trägt vereinzelte zapfen-
artige, kurze Warzen. Dagegen fehlen subepidermale Rippen; unter
den vorragenden Leisten der Oberseite treten höchstens kleine Grup-
pen wenig stark verdickter Zellen auf, das Assimilationsgewebe ist
zudem reichlicher von kleineren und grösseren Intercellularen durch-
setzt. Schon erheblich mehr den Charakter eines Xerophyten zeigt
das Blatt von Stupa parviflora Desf. (Fig. 7). Die Blattoberseite
ist nun sehr stark und tief gerillt, am unteren Ende der schmalen
Fig. 7. Stupa 2)arvifiora Desf. (Orig,).
Furchen sind grosse, dünnwandige „Gelenkzellen" ausgebildet. Bei
der Einrollung werden die Furchen immer enger und durch die an
den Seiten der Rippen reichlich auftretenden Warzenhaare fast ganz
geschlossen. In diesen windgeschützten Stellen sitzen die Stomata.
Im Gegensatz zu Stupa tortUis Desf. erreichen die nur unter den
grösseren Gefässbündeln auftretenden, aber stärker ausgebildeten sub-
epidermalen Rippen das im centralen Teil des Blattes verlaufende
Leitungsgewebe : zudem treten, auf der Blattunterseite und besonders
am seitlichen Blattrand, zwischen den Hauptrippen noch kleinere
Bastbelege auf. Die Blattanatomie von Lygeum spartuin L. (Fig. 8)
wurde bereits von A. Tschirsch') eingehend erörtert und abgebildet.
Das Blatt wird auf der Oberseite von sechs oder acht tiefen Längs-
rinnen durchfurcht. Der Kopf der dazwischen liegenden Gewebeprismen
ist kegelförmig und besteht nur aus einer einzigen, beziehungsweise
Doppelreihe mechanischer Zellen. Die Hauptmenge der Sklerenchym-
fasern treten als mächtige subepidermale Rippen unter der unteren
Epidermis auf und verbinden diese mit den Gefässbündeln. Auch hier
*) A. Tschirsch, Beiträge zu der Anatomie und dem Einrollungs-
mechanismus einiger Grasblätter. Priugsheims Jahrb. für wissenschaftl.
Botanik, Bd. XIII (1882), 55 Seiten und 3 Tafehi.
Botanische Reisestiulien von der spanischen Mittelmeerküste.
IUI
verlaufen zwischen den Hauptrippen noch kleinere Zwischenrippen, iso-
lierte Gruppen von Bastfasern durchziehen gelegentlich sogar selbst das
Assiniilationsgewebe. Die chlorophyllhaltigen Zellen sind sehr reichlich
vertreten und schliessen dicht aneinander; die Epidermis der Blatt-
oberseite trägt kurze steife Borstenhaare, so dass bei geschlossenem
Blatt hier ganz windgeschützte Räume vorhanden sind. Um so auffäl-
liger ist, dass die spärlichen Spaltöffnungen nicht hier, sondern auf der
Blattunterseite auftreten. Den Einrollungsmechanismus hat Tschirsch
untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass die Ursache der Be-
wegungserscheinungen hauptsächlich in den Turgoränderungen des
Assimilationssystems zu suchen ist. „Da jedoch auch im trockenen
Zustande Bewegungen sich hervorrufen lassen, abgetrennte Tangential-
streifen ebenfalls Krümmungserscheinungen zeigen, so muss hier wohl
auch die Membranquellung eine, wenn auch untergeordnete Rolle bei
dem Mechanismus spielen."
102
M. Rikli.
Weitaus der xerophytischste Typus ist aber das Haifagras
(Fig. 9). Die Ausbuchtungen und Erhebungen der Blattoberseite sind
viel tiefer, beziehungsweise höher als bei den vorhergehenden Arten.
Die Stomata finden sich nur in den hintersten Teilen der Längs-
rinnen und die mechanischen Elemente schliessen sich auf der Blatt-
unterseite zu einem kontinuierlichen Ring zusammen, der sich wie ein
dichter Panzer um den äusseren Teil des Blattes legt. Die mechanischen
Belege der Blattoberseite stehen mit dem Bastring in direkter Ver-
bindung, so dass die grösseren Gefässbündel ganz von mechanischem
Fig. 9. Macrochloa tenacissima Kth.
Blattquerschnitt (Orig.). Tr. = Trichome der oberen Epidermis ; Ass. = Assi-
milationsgewebe; G. = Gefässbündel ; Sc. = Sclerenchym; St. = Spaltöffnungen;
U.E. = Untere Epidermis.
Gewebe umgeben sind und das Assimilationssystem, in einzelne Par-
zellen getrennt, vollständig nach der Blattoberseite verlagert ist.
Beim Einrollen des Blattes greifen die Leisten und Vertiefungen der
Blattoberseite so ineinander, dass die Spaltöffnungen und die zarteren
grünen Teile des Blattes fast ganz gegen die umgebende Atmosphäre
abgeschlossen werden. Durch die zahlreichen, nur auf der Blatt-
oberseite auftretenden Haare werden diese windgeschützten Abschnitte
noch weiter gegen Wasserverlust geschützt.
Wie kommt nun das Einrollen des Haifablattes zustande? Die
Gelenkzellen sind so klein, dass sie Duval-Jouve sogar ganz ent-
gangen sind und für den Einrollungsmechanismus jedenfalls unmöglich
von entscheidender Bedeutung sein können. Das Assimilationsgewebe
tritt im Haifablatt stark zurück, so dass Turgorschwankungen der
chlorophyllhaltigen Zellen, — wie dies beim Lygeumblatt hauptsäch-
lich der Fall ist — nicht wohl das Auslösen der Bewesune bewirken
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste. 103
Tiönnen. Gegen die Auffassung, dass Turgeszenzänderungen das Ein-
rollen verursachen können, spricht auch die Tatsache, dass diese
Bewegungen auch am toten Blatt noch zu beobachten sind, wenn
-dasselbe abwechselnd befeuchtet und wieder ausgetrocknet wird. Der
Sitz der Bewegung ist hier im mechanischen Gewebe zu suchen und
•darauf zurückzuführen, dass die inneren Bastzellschichten stärker quell-
bar sind als die äusseren. So entstehen bei Abgabe von Wasser durch
Verdunstung Spannurigsdifferenzen, durch welche die zweckentsprechen-
den Bewegungen ausgelöst werden.
5. Sklerophyllie. Das heisst die Ausbildung derblederiger
Blätter mit stark verdickter äusserer Epidermiswandung, mit un-
gewöhnlich dicker Kutikula, mit gewaltig entwickeltem mechanischem
System, bald in Form von einer mehrschichtigen Hypodermis oder als
subepidermale Bastrippen oder auch in Verbindung mit den Gefässbündeln
in Form von T-trägern, etc. Dazu kommt, dass der Spaltöflfnungs-
apparat mit grösster Sorgfalt ausgebildet wird, die Stomata erhalten
meist eine versteckte Lage im Grunde von Rillen. Durch Auswachsen
bestimmter Teile der Spaltöffnungs- und der Nebenzellen werden
zwischen die äussere Atmosphäre und das Assimilationsgewebe zwei,
ja drei windgeschützte Vorhöfe eingeschaltet und zuweilen die Um-
gebung der Öffnung durch Wachsüberzüge oder durch dichte Be-
haarung weiter geschützt. Ungefähr 20 7o der Steppenflora sind
Hartlaubgewächse, darunter ist das Formationselement der Macchien
und Garigues sehr stark vertreten. Hierher: Juniperus oxijcedrus,
Chamaerops humilis, Quercus coccifera, Pistacia lentiscus, Glo-
bularia alijpum, Fumana laevipes, Passerina hirsilta, Paronijchia
argentea und nivea, Coronilla glauca, Bosniari7ius officinalis,
Thymus vulgaris, Teucriuni polium, ferner Thymus zygis, Thy-
mus longiflorus, Zollikoferia resedifolia, Sideritis leucantha,
Teucrium huxifoUuni, Herniaria polygonioides etc.
Mit der Sklerophyllie ist sehr oft
6. Mikrophyllie verbunden, d. h, die transpierierende Blattfläche
wird auf die Nadel- oder sogar auf die Schuppenform verkümmert.
Nadelblätter haben: Juniperus oxycedrus, Fumana laevipes,
viscida, F.procumbensyar. ericoides, Rosmarinus, Thymus vulgaris
und zygis; Senecio linifoUus, Blätter dünnlaubig, aber schmal ver-
längert lineal- lanzettlich, Helichrysum stoechas, Erica arhorea,
Phagnalon sordiduni und saxatile, Arteniisia herba alba, Rham-
nus lycioides, Suaeda fruticosa, Helianthe??ium jnlosum v. tomen-
tellum. Die Ausbildung des Nadelblattes zeigt selbst wieder eine
grosse Mannigfaltigkeit, indem dasselbe bald stechend ist {Juniperus
104 M. Rikli.
oxycedrus. Erica), bald derb filzig-behaart {HelifDithemum pilosum,
Artemisia herha alba), bald dünnlaubig ombropliil {Rhamnus hjci-
oides) oder selbst sukkulent (Suaeda).
Schuppen blatte r besitzen Passerina hirsuta, Haloxylon
articulatum, Tauiarix gallica, Salicornia.
7. Rutenpflanzen. Sie stellen ein weiteres Glied in der Yer-
kümmerungsreihe der Blattgebilde dar. Es sind Pflanzen mit meist
mehr oder weniger verkümmerten Schuppenblättern, bei denen aber
die Internodien stark gestreckt sind und die Assimilation hauptsäch-
lich dem Stengel übertragen worden ist. Obwohl noch mit verhältnis-
mässig gut ausgebildeten Blättern versehen, ist Coronilla juncea
daher doch schon den Rutenpflanzen zuzuzählen, denn an der Assi-
milationstätigkeit ist bereits der Stengel sehr stark beteiligt und die
Abschnitte der gefiederten Blätter sind schmal lanzett bis lineallanzett.
Die meisten Staticearten haben sklerophy tische basale Blätter, der
Spross dagegen ist rutenartig ausgebildet. Typische Rutenpflanzen
sind ferner: Ephedra fragilis, Asparagus albus und horridus,
Osijris alba und Polygonuni ecpiisetiforme^) besitzen noch entfernt
stehende, dünnlaubige und hinfällige, schmal lanzettliche Blätter, dann
Genista unibellata und G. murcica (Fig. 10) und endlich Sideritis
glauca.
8. Filz pflanzen. Die Zahl der Arten, welche mit einem dichten
Indument von einfachen Woll- oder Seidenhaaren oder auch von
Sternhaaren bedeckt sind, ist auffallend gross, einige Pflanzen sind
von ganz edelweissartigem Aussehen, so Mercurialis tonienfosa,
Cynoglossuni cheirifolium, Lavatera maritima, so einige Abarten
von Helichrysum sfoechas, ferner Artemisia herba alba und auch
die Andryala ragusina. Marrubium vulgare findet sich in der
Steppe in einer weisswolligen Varietät (v. lanatum). Eine seiden-
haarige Bekleidung hat Convolvulus lanuginosus v. sericeus. Stark
behaart sind ferner: Matthiola tristis, Plantago albicans, Helian-
themum pilosum v. tomentellum, Teucrium polium, T. pseudo-
chamaepitys, Ballota hirsuta, Phlomis lychnitis, Marrubium
alysson, Ajuga iva, Evax p^ygmaea etc.
9. Sukkulenten. Auch die Sukkulenz ist innerhalb der Steppen-
flora eine recht häufige Erscheinung, es lässt sich mit Leichtigkeit
eine Stufenleiter von „gelegentlichen Sukkulenten" bis zu den aus-
gesprochendsten Saftpflanzen zusammenstellen. In meiner Arbeit über
die Pflanzenwelt Korsikas (No. 23 pg. 27) habe ich bereits darauf
') Volkens, G., Die Flora der ägyptisch-arabischen Wüste. Berlin
1887. Gebr. Bornträger; Blaltquerschnitt : Tafel IX, Fig. 7.
Botanische Reisestinlien von der spanischen Mittelmeerküste.
105
hingewiesen, dass Silene sericra. gewöhnlich eine Ruderalpflanze, und
Lotus coruiculatus. am Strande mehr oder weniger dickliche Blätter
haben, währenddem dies an anderen Standorten nicht der Fall ist.
Fig. 10. Genista mui-cica Coss. (Orig.). Querschnitt durch den Stengel.
Retamatypus mit tiefer Rillenbildung. In den Rillen stellenweise Haar-
büschel (Tr.). dazwischen die Spaltöffnungen. Im Zentrum der Holzkörper
mit primären und sekundären Markstrahlen. Der zentrale Teil der Rippen
ist sehr verschieden gebaut, kleine Gefässbündel sind umgeben von dem
mächtig entwickelten Collenchym (Co ) oder von Sklerenchym (Sc). Eine,
den Ausbuchtungen der Rillen folgende Parenchymsclieide (P.) trennt das
mechanische und leitende Gewebe von dem unter der verdickten Epidermis
auftretenden Assimilationssystem (Ass.). Die chlorophyllhaltigen Zellen sind
\venig entwickelt, mehr oder weniger polyedrisch, die Interzellularen spär-
lich und äusserst klein. Unter der konvexen Aussenfläche der Rillen ist ein
einschichtiges, aus 4 bis 6 Zellen bestehendes Wassergewebe vorhanden, so
wird das Assimilationssystem in so viele selbständige Abschnitte zergliedert
als Furchen vorhanden sind.
Auch Lobular ia maritinia ist öfters ein solcher Gelegenheitssukku-
lent. Neignng zur Sukkulenz zeigen auch viele Zwiebelpflanzen, durch
Ausbildung von dicken mastigen Blättern und Stengeln; so besonders
der häufige Asphodelus fistulosus. Die meisten Sukkulenten der
106 M. Rikli.
Steppe sind Blattsukkulenten, daneben kommen jedoch auch Stamm-
sukkulenten (Salicornien) vor. Bei Mesemhryanthemum nodiflorum
und Aizoon hispanicum ist sowohl Achse als Blatt sukkulent. Die
meisten Saftpflanzen sind Halophyten (Halosukkulenten): Atri-
plex halimus^), Beta Baurgaei, Peganum harmala, Suaeda fruti-
cosa, Aizoon hispanicum, Mesembryanthemum nodiflorum^), doch
gibt es auch eigentliche Xerosukkulenten: Moricandia arvensis,
Sedum altissimum, AnthyUis cyfisoides, Lycium intricatum,
Linaria crassifolia ; alles Saftpflanzen, die entweder nicht oder doch
nur ausnahmsweise auf Salzboden auftreten.
c) Zur Pflanzengeographie der Litoralsteppe.
Das Bild der Litoralsteppe wäre ohne einen Überblick über die
verschiedene Ausbildung derselben und ihrer Beziehungen zu den
übrigen Steppen unvollständig. Es drängt sich uns ferner die Frage
auf, in wie weit bestimmte Formationen am Aufbau der Steppe be-
teiligt sind und ob von eigentlichen „Steppenelementen" gesprochen
werden kann; endlich soll noch die Frage nach der Herkunft der
Steppenflora erörtert werden.
I. Die Typen der Litoralsteppe.
Je nach dem die Pflanzendecke geschlossen oder offen, aus zer-
streut wachsenden Pflanzen besteht, unterscheidet Drude^) zwei
Kategorien von Steppen. Die Steppen mit geschlossener oder an-
nähernd geschlossener Vegetationsdecke betrachtet dieser Autor als
eine Facies der Grasfluren. Diese sog. Grassteppen bilden eine
klimatisch bedingte Variante unserer Wiesen und treten von den
sommerheissen und. winterkalten Ländern der gemässigten und sub-
tropischen Zone bis in die durch regenlose Trockenzeiten unter-
brochenen Tropengebiete auf. Die Grassteppen zeigen in den einzelnen
Ländern eine grosse Mannigfaltigkeit, welche durch die zwischen
den Gräsern wachsenden, oft zu unentbehrlichen Bestandteilen werden-
den anderen Vegetationstypen bedingt wird. Die im westlichen Nord-
amerika am Fuss der Rocky Mountains herrschenden „Prärien" ge-
hören hierher; die Puszta (bedeutet so viel wie Öde) Ungarns ist
ebenfalls eine solche Grassteppe und auch die südrussischen Steppen
sind meistens Grassteppen.
^) Volkens, 1. c, Blattquerschnitt Tafel XI Fig. 7.
2) Volkens, G., 1. c. Blattquerschnitt Tafel XIII Fig. 3.
') Drude, 0. — in G. v. Neumayers Anleitung zu wissenschaftlichen Beob-
•:achtungen auf Reisen, ed. III Bd. II (190.5) pg. 359—36^2.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste. 107
Doch unsere südostspanischen Steppen gewähren ein ganz anderes
Bild. Die Litoralsteppe Willkomms besteht immer nur aus sehr
offenen xerophytischen Vergesellschaftungen von Pflanzen, die nach
Drude unter den Begriff der Wüstensteppen fallen. Die Ent-
wicklung einer gegen Dürre geschützten Vegetation mit kurzer, auf
Frühling und Frühsommer beschränkten Triebkraft, fehlender Anschluss
der Gewächse zu einer zusammenhängenden Decke, daher Kahlheit des
überall durchschauenden nackten Bodens sind die Merkmale echter
Wüstensteppen, die übrigens mit den Grassteppen durch mancherlei
Übergänge verbunden sind. Gegenüber Wüsten unterscheiden sich
diese Steppen nach Warming') nur dadurch, dass sie individuenreicher
sind, denn die Pflanzendecke ist immerhin noch dichter und höher
als in der eigentlichen Wüste. Die Steppen westlich von Huercal
Overa gegen Baza nehmen stellenweise eigentlichen Wüstencharakter
an. Uns drängt sich aber die Frage auf: Welches sind die Ursachen,
die hier Grassteppen, dort Wüstensteppen bedingen?
Vergleichen wir z. B. die südrussischen Steppengebiete mit unserer
Litoralsteppe. Wie wir bereits wissen, schwankt die mittlere jähr-
liche Niederschlagsmenge im Gebiet der Litoralsteppe zwischen 29 und
45 cm. Südrussland zeigt nach J. Hann^) folgende jährliche Nieder-
schlagsmengen: Kiew 53 cm, Kursk 43 cm, Samara 40 cm, Odessa
40 cm, Nikolajew und Sewastopol 38 cm, Astrachan und Novo Petrowsk
12 bis 15 cm. Abgesehen von diesen beiden letzten Stationen sind
mithin die jährlichen Niederschlagsmengen Südrusslands nicht wesent-
lich erheblicher als diejenigen der Litoralsteppe. Wenn in Bezug
auf die Gesamtmenge der Niederschläge das pontische Russland
gegenüber dem murcianischen Steppengebiet etwas begünstigt ist, so
ist nach der Verteilung der Niederschläge das Umgekehrte der Fall.
Woeikof sagt darüber: „In der Steppe (Südrusslands) fällt das Maxi-
mum des Regens auf den Monat Juni. Die zwar bedeutenden Regen-
mengen des Juni haben jedoch keinen befruchtenden Einfluss auf das
Erdreich, weil sie in Form von Gewittergüssen jählings herabstürzen
und an der Oberfläche, ohne tiefer einzudringen, abfliessen. Herbst
und Winter sind arm an Niederschlägen, und überdies gestattet der
in der Steppe herrschende Buran keine Ansammlung einer tiefen
Schneelage, weshalb auch die Schneeschmelze im Frühling dem Boden
keine für die Vegetation hinreichende Wassermenge zuzuführen
vermaji;."
') Warming, E., Ökologische Pflanzengeographie, 1896. pg. 255.
2) Kann, J., 1. c. vol. III. pg. 194.
108 M. Rikli.
Grösser und einschneidender sind die thermischen Unterschiede,
Die Maxiraa überschreiten nur wenig und ausnahmsweise 40 " C,
dagegen besitzt Südrussland viel extremere Winter. Gegenüber den
absoluten Minima von Valencia und Murcia mit nur — 3 ", beziehungs-
weise — 5,5" C, treffen wir hier Zahlen von — 16,9^ C (Sewastopol),
— 34,4" C (Sarepta) und sogar mit — 37,1" C (Samara); daher bleibt
denn auch die mittlere Jahrestemperatur erheblich hinter derjenigen
der spanischen Litoralsteppe zurück. Diese grossen klimatischen
Unterschiede bewirken, dass alle Gewächse mit grösseren thermischen
Ansprüchen von den südrussischen Steppen ausgeschlossen werden,
auch die Kultur subtropischer oder gar diejenige tropischer Nutz-
pflanzen ist daher unmöglich. Doch weder die Unterschiede im Klima,
noch diejenigen in den Niederschlagsverhältnissen vermögen zu erklären,
dass in Südrussland Grassteppen, in Südostspanien Wüstensteppen vor-
herrschen. Der Hauptunterschied beider Steppengebiete liegt eben
nicht im Klima, sondern in der Bodenbeschaffenheit.
In der Abhandlung „Die südrussischen Steppen" bespricht
G. J. Tanfiljew^) hauptsächlich die Bodenfrage. Der Boden der rus-
sischen Steppe ist tiefgründig und besteht aus hellgrauem Löss oder
lössartigen hellbraunen Lehmen, welche oberflächlich von einer mehr
oder weniger dunkelgefärbten Bodenschicht bedeckt sind. Je weiter
nach Süden, desto dunkler gefärbt erscheint der anfangs graue Boden,
bis er eine pechschwarze Farbe annimmt, und wir in das Gebiet der
Schwarzerde oder des Tschernosjöm kommen. Etwa in der Mitte
zwischen der Nordgrenze des Löss und dem Schwarzen und Asowschen
Meere ist die Färbung des Bodens am dunkelsten, südlicher nimmt
der Boden allmählich eine kastanienbraune Farbe an. Pallas hat
bekanntlich im Jahre 1787 die Ansicht ausgesprochen, dass der
Humusgehalt des Steppenbodens auf eine ehemalige Bewaldung zurück-
zuführen und somit zurückgebliebener Wald- und Toifhumus sei.
Schon 1768 hat Güldenstädt in seinem Tagebuch geschrieben, dass
der schwarze Stoff von Pflanzen herrührt, die einst auf dem schwach
bewohnten und an pflanzenfressenden Tieren armen Boden ungestört
wuchsen und dann verwesten. Über hundert Jahre hat diese Er-
klärung keine Beachtung gefunden, erst Ruprecht (1865) und dann
besonders Dokutschajef (1883) traten mit Entschiedenheit für die
Güldenstädtsche Auffassung auf, einer Erklärung, dei" sich der grosse
Steppenforscher Tanfiljevv ebenfalls rückhaltlos anschliesst. Diese
Erklärung deckt sich mit der Theorie, die auch durch andere Tat-
^) Tanfilje w, G. J., Die südrussischen Steppen. Resultats scientifiques-
du congres international de botanique. Vienne 1905. pg. 381 — 388 (1906).
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittel meerküste. 109
Sachen bestätigt wird, dass die südrussische Steppe stets waldlos ge-
wesen sei. Auch von der Puszta sagt Kerner'): Der Boden wird
gebildet aus einer tiefgründigen, bald mehr, bald weniger mit Humus
gemengten Erde.
Kehren wir zur spanischen Litoralsteppe zurück. Leider haben
wir auf unseren beiden spanischen Reisen versäumt, die Boden-
beschaffenheit einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen und
Bodenproben behufs deren Analyse mit nach Hause zu nehmen.
Immerhin entnehmen wir unseren Aufzeichnungen, dass der Boden
der Litoralsteppe ganz wesentlich von demjenigen Südrusslands ab-
weicht. Der Steppenboden Südostspaniens ist fast immer flachgründig-
steinig, nicht selten tritt sogar der anstehende kahle, meist mehr oder
w^eniger zerklüftete Fels zutage und dies nicht nur in den Sierren,
sondern öfters sogar in der Niederung, so z. B. zwischen Villajoyosa
und Alicante, um Cartagena, am nördlichen Rand der Huerta zwischen
Orihuela und Murcia. Die zwischen den Steinen und in den Fels-
spalten auftretende Erde scheint reich an Mineralstoffen, aber fast
immer arm an Humus zu sein. Dunklere oder sogar schwarze Erde
haben wir nur in einigen Felsritzen der Sierren angetroffen. Löss
kommt vor, ist aber im Steppengebiet Alicante -Cartagena -Murcia
offenbar selten, häufiger dagegen westlich von Huercal Overa gegen
Baza (im östlichen Andalusien); auch südlich von Benisa gegen Calpe
haben wir Gelegenheit gehabt, typische Lösslandschaften, welche hier
jedoch noch mit Felsenheiden, Garigues und dürftigen Macchien be-
standen waren, kennen zu lernen. Dieser Löss ist fast immer nur
von hell gelblichbrauner Färbung und von fein mergeliger Beschaffen-
heit, nie dunkelbraun oder gar schwarz. Häufiger sind Böden von
auffallend rotbrauner Färbung. Schon beim Überschreiten der spanischen
Grenze fallen diese wohl eisenschüssigen Böden in Katalonien auf,
sie dienen meist der Ölbaumkultur. Der Steppenboden ist ferner fast
stets salzig, und zwar sowohl im Steppengebiet Südrusslands wie in
Spanien; öfters ist der Salzgehalt so gross, dass der Boden mit Salz-
ausblühungen besetzt ist.
Die ganz andere Bodenbeschaffenheit verunmöglicht also haupt-
sächlich die Entwicklung von Grassteppen im Gebiet der spanischen
Litoralsteppe. Einzig die ausgedehnten flachen Niederungen im
Mündungsgebiet der grossen Flusstäler mit ihrem feinen sandig-
mergeligen, infolge der Auslaugung nicht oder nur schwach salz-
haltigen Böden würden stellenweise Grassteppen ermöglichen. In
diesen bevorzugtesten Gebieten der Provinzen Valencia und Murcia
') Kerner, A., Das Pflanzenleben der Donauländer, 1893. pg. 30.
110 M. Rikli.
lässt das Kulturland jedoch den ursprünglichen Zustand schon längst
nicht mehr erkennen.
Die Willkommsche Litoralsteppe umfasst also nur Wüstensteppen.
Je nach Bodenbeschaffenheit und Vegetationscharakter lassen sich
folgende Typen unterscheiden:
1. Edapliisclie Facies der Litoralsteppe.
Ä. Boden sehr salzhaltig, in der Trockenperiode oft
mit Salzausblühungen bedeckt. — Salzsteppen.
Mit Salzsteppen haben wir auf unseren Exkursionen nur flüchtige
Bekanntschaft gemacht, so bei der Station Mbatera-Catral, zwischen
Elche und Orihuela und wieder zwischen Huercal Overa und Zurgena
im östlichen Andalusien, an beiden Orten war der Boden mit Salz-
ausblühungen bedeckt. Salzsteppen, oft von grösserer Ausdehnung,
sind auch längs der Küste von Benidorm bis Cartagena anzutreffen,
so um das Mar Menor. Salzhaltige Strandsümpfe werden als Marismas
bezeichnet. Nördlich von Bobadilla haben wir die Laguna Salada
bereits Anfang April am Rande mit einer Salzkruste bedeckt gesehen.
Die Salzsteppe von Albatera-Catral bis gegen Callosa besteht aus
feinem Flugsand, sie ist in sehr offener Formation fast nur von
Sukkulenten bewachsen. Als Leitpflanze tritt massenhaft SaUco?^/iia
fruticosa L. auf, oft mit eigentümlich rötlicher Färbung. Dazu ge-
sellen sich Afriplex Jialimus L., Beta maritima Ij., Suaeda fruti-
cosa Forsk , Inula crithmoides L. und als einziger Vertreter des
Baumwuchses hin und wieder eine kümmerliche Tamariske. Bereits
werden Entwässerungskanäle durch die Salzsteppe gezogen und an
einer Stelle ist sogar eine kleine Palmenpflanzung angelegt.
B. Boden wenig oder nicht salzhaltig.
a) Löss- und Sandsteppen. Die Unterlage wird gebildet durch
Lockerböden von meist äolischer, seltener mariner oder limnischer
Aufschüttung. Das Material ist bald feiner bis feinster Flugsand und
zwar entweder rein oder mit lehmig-mergeligen Beimengungen, oder
es ist Löss und dann von vorwiegend mergeliger Beschaffenheit. Wo
diese Böden nicht salzhaltig sind und das nötige Wasser vorhanden
ist, sind sie von hervorragender Fruchtbarkeit und dann regelmässig
gut bebaut. Solche Löss- und Sandsteppen z. T. noch mit der ur-
sprünglichen Pflanzenwelt bestanden, trafen wir am Mar Menor bei
La Union, im Tal des Rio dulce, nördlich von Orihuela gegen Benferri
und um Huercal Overa.
b) Grrussteppen. Es sind Lockerböden, die aber nicht durch
Aufschüttung (Alluvium), sondern fast immer durch Eluvium, d. h. an
Ort und Stelle durch Zerfallen des anstehenden Gesteins entstanden
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste. 111
sind. Es ist unverbundener loser Gebirgsschutt, der bald Hügelland-
schaften und Hochflächen mit einem schützenden Mantel überzieht
und so vor weiterer rascher Erosion schützt, bald bei steileren Hängen
abrutscht und dann als mehr oder weniger breiter Gürtel den Fuss
der Sierren umsäumt. Die Grussteppen bauen sich aus erbsen- bis
haselnuss-, seltener bis faustgrossen , meist scharfeckigen Gesteins-
materialien auf. Die Zwischenräume sind von einem feineren Material
ausgefüllt, das öfters sogar erdige Beschaffenheit zeigt. Dieser Ge-
birgsschutt besitzt gewöhnlich nur eine geringe Mächtigkeit; inselartig
treten hin und wieder die anstehenden Gesteine, meist als abgeflachte,
wenig vorragende Felsköpfe zutage. Ein schönes Beispiel von Grus-
steppen lernten wir am Fuss der Sierren von Orihuela, im Westen
dieser Stadt kennen.
c) Fels steppen. Die Unterlage bildet anstehendes, bald mehr
oder weniger kompaktes, bald zerklüftetes Gestein. All' die zahllosen
Sierren im Gebiet der Litoralsteppe sind fast ebensoviel Beispiele von
Felssteppen. Die Vegetationsdecke ist natürlich äusserst offen und
besteht fast nur aus Chasmophyten, d.h. Spaltpflanzen, die in den
Spalten des Gesteins wurzeln und die z. T. auch das Geröll, das
natürlich nie fehlt, besiedeln oder es sind Petrophyten, echte Fels-
pflanzen, meistens Algen und Flechten, aber auch höhere Spross-
pflanzen, die mit zahlreichen z. T. oberirdischen Wurzeln die Gesteine
umfassen.
2. Floristische Facies der Litoralsteppe.
Nach der Vegetation haben wir auf diesen verschiedenen Boden-
arten 5 Typen der Litoralsteppe kennen gelernt.
1. Die Lygeum steppe (Lygetum). Sie scheint besonders mehr
oder weniger salzhaltigen Löss- oder Sandboden zu bevorzugen. Ais-
Begleiter treten immer eine grössere Zahl Halophyten auf, von denen
viele Sukkulenten sind. Eine typische Lygeumsteppe trafen wir in den
weiten Niederungen des Rio dulce, nördlich von Orihuela. Siehe pg. 80.
2. Die Haifasteppe oder Espartoformation (Espartetum.
Tafel IV Fig. 7). Das bis mannshohe Haifagras tritt immer büschel-
weise auf^ es bevorzugt Grusboden, fehlt aber auch auf Löss- und
Sandboden nicht. Wenn Willkomm von „Grassteppen" spricht
(Lit. 35 pg. 21.3), so denkt er an diese Formation. Um Verwechs-
lungen mit den eigentlichen Grassteppen, die wir mit Drude, Kerner,
Tanfiljew etc. in ganz anderem Sinn umschrieben haben, zu ver-
meiden, wird man daher am besten diese Willkommsche Bezeichnung^
fallen lassen. Haifasteppen sind im ganzen Gebiet der Litoralsteppe
sehr verbreitet. Wir haben sie nördlich von Orihuela kennen selernt
112 M. Rikli.
{siehe pag. 78), auch um Lorca, Empalme, Seron bis gegen Baza
finden sich viele Haifasteppen. Von allen Bahnstationen zwischen
Lorca und Baza wird Haifagras exportiert; auch an mehreren
Stationen zwischen Granada und Bobadilla sahen wir ganze Eisen-
bahnwagen mit Haifa, das wohl auf der granadinischen und bätischen
Steppe gesammelt wurde, beladen. Nach Willkomm finden sich
grössere Haifasteppen auch um Cartagena und Mazarron und auf den
im Norden der Gebirge gelegenen Plateaus. Rossmässler bildet als
Titelblatt des zweiten Bandes seiner Reiseerinnerungen aus Spanien
die Espartoebene bei Baza ab. Auf Karte H hat Willkomm in
seinen Grundzügen der Pflanzenverbreitung auf der iberischen Halb-
insel auch die Verbreitungsareale der spanischen Steppen eingetragen.
Die Nordgrenze der Litoralsteppe stimmt recht gut mit unserer Beob-
achtung, dagegen sollte das Areal in westsüdwestlicher Richtung land-
einwärts ziemlich vergrössert werden und sich nicht nur in einem
schmalen Streifen längs der Küste hinziehen. Auf der Karte sind
die Gebiete von Lorca und Baza gar nicht mehr der Steppe zugezählt.
2. Die Kleinstrauchsteppe ist besonders auf Grus- und zer-
klüftetem Felsboden entwickelt. Den schönsten Einblick in diesen
Steppentypus verschaffte uns eine Exkursion nordwestlich von Orihuela;
aber auch am Hafen von Cartagena und südwestlich von Villajoyosa
ist die Steppe hauptsächlich als Kleinstrauchsteppe entwickelt. Es
ist das eine sehr offene Wüstensteppe, in der eine ziemlich grosse
Anzahl kleiner, bald dem Boden angepresster, bald ca. 10 bis 25 cm
hoher, knorriger Sträucher mit meist erikoiden Blättern, die wesent-
lichen Bestandteile der ausserordentlich dürftigen Vegetationsdecke
bilden; viele dieser Kleinsträucher sind als Filz- oder Rutenpflanzen
ausgebildet. Die Gräser sind von untergeordneter Bedeutung und
auch die Zwiebel- und Knollengewächse treten wenigstens an Arten-
zahl sehr stark zurück. Bezeichnend ist, dass meistens keine einzige
Art vorherrschend ist; vermögen jedoch einzelne Arten zu eigentlichen
Leitpflanzen zu werden, so sind es öfters nicht die eigentlichen
.Steppenpflanzen, sondern Vertreter der Felsenheide, vor allem der
Asphodill i^Asphodelus ßstulosus L.) oder der Thymian {Thymus
vulgaris L., seltener Thymus zygis L.).
4. Die Felsensteppe. Unsere erste Begegnung mit der Steppe,
zwischen Villajoyosa und Alicante, gab uns schon einen Einblick in
den Charakter einer Felssteppe. Schöne Beispiele von Felsensteppen
verschafften uns dann ferner die Exkursionen auf die Sierra von
Orihuela und auf den Monte Agudo bei Murcia. Die Felsensteppe
ist wohl der an Individuen ärmste, an Arten aber vielleicht der
reichste Typus der Litoralsteppe, die besonders durch ihre vielen
lerleljahrsschrift der Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52, 1907.
Taf. X,
ritot.: R. Clwrlat.
Fig. 15. Noria bei La Union, westlich Cartacjena.
(pag. 133)
P'iof..- U. Chodal.
Fig. 16. Gemauerter Bewä.ssernngs-
kanal in Elche (pag. 132 ).
f/iut.: 11. CJwcliil.
Mg. 17. Hirtenhütte ans Arinulo
donax, in der Stei)[)c (pag. 76).
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste. 113
EndemismeD, durch zahlreiche iberisch -mauritanische oder süd-
mediterran- orientalische Arten ausgezeichnet ist. Von einer Leit-
pflanze kann man auch hier nicht sprechen, denn es treten oft von
Sierra zu Sierra erhebliche Wechsel im Florenbestande auf.
5. Das Salicornietum: Haupttypus der Salzsteppe (s. pag, 110).
IL Aufbau der Litoralsteppe nach Formationselementen.
Nach Villajoyosa, beim Betreten der ersten Steppeninsel, voll-
zog sich wie mit einem Schlage ein förmlicher Wechsel, nicht nur
im Vegetationsbild, sondern auch im Florenbestand. Eine grosse
Anzahl von Arten, die wir vorher entweder gar nicht oder höchstens
nur ganz vereinzelt, gewissermassen als Fremdlinge angetroffen hatten,
fanden sich hier nun allgemein vei'breitet. Das Vegetationsbild war
das einer verarmten Felsenheide, der Vergleich der Florenbestandteile
musste aber sofort ergeben, dass dieser erste Eindruck nur nach der
physiognomischen Seite hin berechtigt war, dass aber pflanzen-
geographisch die Steppe etwas vollständig Neues bedeutet, das
keiner der bisherigen pflanzlichen Vergesellschaftungen der spanischen
Riviera, nördlich von Benidorm, gleichzustellen oder unterzuordnen
ist. Diese Auffassung ist durch unsere weiteren Exkursionen in der
Litoralsteppe nur bestätigt worden.
Neben dem Hauptkontingent der eigentlichen Steppenpflanzen
fehlen Vertreter anderer Formationen nicht ganz, doch diese treten
meistens stark zurück, zwar öfters nicht sowohl an Arten — als
hauptsächlich an Individuenzahl. Diese Pflanzen zeigen zudem gegen-
über den eigentlichen Steppenpflanzen oft ein kümmerliches, zwerg-
haftes Dasein, das im Vergleich zum Vorkommen in ihrem natür-
lichen Formationsverband erkennen lässt, dass diese Arten hier nur
Eindringlinge sind, die nicht recht Boden zu fassen vermögen.
Verhältnismässig am dürftigsten ist das Formationselement
der Garigues und Macchien in der Steppe vertreten. Dasselbe um-
fasst folgende 24 Arten, d. h. ca. L3 7o unserer Steppenausbeute.
Juniperus oxijcedrus L. Globularia alypum L.
Ephedra fragüis Desf. Dapthne gnidium L.
Chamaerop)s humiUs L. Euhiis amoenus Port.
Ai^sarum vulgare Targ. Tozz. AnthijUis cytisoides L.
Qiiercus coccifera L. Dorycniurn sujfruticosum L.
Pistacia leiitiscus L. Coronilla glauca L.
Rhamnus lycioides L. Coronilla juncea L.
Osyris alba L. Calycotome spinosa Lk.
Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. 8
114 M. Rikli.
Cahjcotome villosa Lk. Erica niultiflora L.
Ros)narinus officinalis L. . Phagncdon rupestre DC.
Thymus vulgaris L. Phagiialon saxatile Cass.
Lavandula mnltißda L. Phagnalon sordidum DC.
Die Grosszahl dieser Arten fand sich übrigens hauptsächlich nur-
im Grenzgebiet der Steppe bei Villajoyosa und auf den Hügeln um den
Hafen von Cartagena; einzig Osijris und Thymus vulgaris L. ver-
mögen nach unseren Beobachtungen gelegentlich auch in der eigent-
lichen Steppe eine grössere Bedeutung zu erlangen.
Grösser ist der Anteil des Formationselementes der Felsen-
heide in der Steppe. In unseren Steppenlisten figuriert dieser Be-
standteil mit 65 Arten, d. h. mit 35%- Die Mehrzahl derselben
treten jedoch auch sehr sporadisch auf, nur wenige sind häufig, oder
vermögen selbst zu charakteristischen Bestandteilen der Steppe zu
werden. Noch seltener erlangen sie die Bedeutung von Leitpflanzen,
dies aber immer nur auf kleinen Gebieten. Diese gelegentlich in der
Steppe dominierenden Arten der Felsenheide sind : Asphodelus fistu-
losus L., Passerina hirsuta L,, Teucrium polium L. v. capitatum.
(L.) Briq. und HeUchrysum stoechas DC.
Oft häufig, aber doch kaum je vorherrschend, kommen in Be-
tracht: Brachypodium ramosum (L.) R. et S., Gladiolus illyricus L.,
üropetahun scroti num Ker., Ruta chalepensis L. v. angustifolia
Pers., Fumana laevipes Spach und F. uiscida Spach, Mercurialis
totnentosa L., Paronychia argentea Lam., Marrubium vulgare L.,
öfters in der v. lanatum Bth., Phlomis lychnitis L., Convolvulus
kniuginosus Desv. v. sericeus Boiss., Evax pygmaea (L.) Pers., Aste-
riscus maritimus Mönch und Senecio Unifolius L.
Alle übrigen 47 Arten sind von ganz untergeordneter Bedeutung^
Von der eigentlichen Steppenflora ist endlich noch das Forma-
tionselement der Strandflora zu trennen. Die Ausscheidung von
Strand- und Steppenpflanzen ist jedoch keine leichte Aufgabe, denn
wir beobachten vielfach, w^ie sich diese beiden Bestandteile vollständig
mengen, so dass Strandpflanzen zu charakteristischen, häufigen Steppen-
pflanzen und umgekehrt Steppenelemente auf flachem, sandigem Boden
an der Küste zu Strandpflanzen werden. Strand- und Steppenpflanzen
neigen eben in gleicher Weise zum Halophytismus und damit auch
zum Xerophytismus. Einzig die Verbreitungsverhältnisse können uns
einen Fingerzeig für die Ausscheidung von Steppen- und Strand-
pflanzen liefern. Als Strandpflanzen werden wir diejenigen Arten
bezeichnen müssen, welche nicht nur im Gebiet der Litoralsteppe,
sondern durch das ganze Mittelmeerbecken und oft noch über das-
selbe hinaus als Strandbewohner bekannt sind.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste. 115
In dieser Umgrenzung ist nach unseren Listen die Strandflora
nur mit 13 Arten, d.h. mit ca. 7%, vertreten. Es sind:
Cakih maritima L. Atriplex halimus L.
Lobidaria maritima Desv. Salicornia fruticosa L., Strand-
Spergularia marina Wk. sümpfe.
Frankenia pulveruleiita L. Suaeda fruticosa Forsk.
Lavatera maritima L., Strand- Beta maritima L.
felsenpflanze. Statice sinuata L.
Statice echioides L.
Was diesem Bestandteil an Artenzahl abgeht, das wird durch
die allgemeinere Verbreitung, das häufigere massenhafte Auftreten
und das frohwüchsige Wachstum desselben nachgeholt.
Die drei Formationsbestandteile der Garigue, Felsenheide und
Strandflora beanspruchen somit zusammen ca. 55 V» der von uns in
der Steppe gesammelten Pflanzen. Bringen wir noch die Euderal-
pflanzen (z. B. Reseda alba L. und R. lutea L., Erodium cicutariiun
LHerit, Spergidaria rubra Pers. etc.) mit weiteren 5^0 in Rech-
nung, so bleiben immernoch 40 7» für die eigentliche Steppen-
flora übrig. Da aber diese Arten meist häufig, ja oft massenhaft
auftreten, so ist das Vorherrschen des Steppenelementes noch auf-
fälliger als diese Zahl erwarten lässt. Unsere Listen verzeichnen
76 Steppenpflanzen, nach Willkomm zählt die Litoralsteppe 161
eigentliche Steppenpflanzen. Verhältnismässig wenige dieser Pflanzen
sind durch das ganze Gebiet der Litoralsteppe ziemlich gleichmässig
und dann jeweilen massenhaft verbreitet, so vor allem Macrochloa
tetiacissima (L.) Kth., Lygeum spartum L., Artemisia herba alba
Asso., zuweilen auch Haloxylon articulatum (Cav.) Bunge, Fagoiiia
cretica L., Peganum Jiarmala L. , Marrubium alysson L. und
Thymus zygis L. Die Mehrzahl der Steppenpflanzen zeigt eine Ver-
breitung in kleinen und kleinsten Arealen, einzelne Arten finden sich
gelegentlich auch in mehreren weit auseinanderliegenden Zentren, dies
gilt besonders für die Felsensteppenflora der Sierren. Wo aber eine
eigentliche Steppenpflanze vorkommt, da ist sie fast immer häufig.
Nach Willkomm sind von den 161 Steppenpflanzen 69 (d.h. 43 7»)
auf der iberischen Halbinsel endemisch, etwa 35 davon (22°/o) scheinen
sogar nur in der Litoralsteppe aufzutreten. Der Lebensweise nach sind
89 (55 ^o) halophil, der Rest vorwiegend xerophil und 68 (ca. 42 7»)
finden sich in Europa überhaupt nur in der Litoralsteppe, sei es,
dass sie hier endemisch oder auch noch in den Steppengebieten Nord-
afrikas und des Orients angetroffen werden. Im folgenden Kapitel
soll die Flora der Litoralsteppe noch einer pflanzengeographischen
Analyse unterzogen werden.
1 16 M. Rikli.
III. Herkunft der Flora der Litoralsteppe.
Nach der Verbreitung ihrer einzelnen Bestandteile zerfällt die
Flora der Litoralsteppe in folgende Kategorien:
1. Perimediterrane Arten. In unseren Exkursionslisten sind
diese Arten mit einem lichten Dreieck (-) bezeichnet, sie sollen daher
hier nicht nochmals aufgeführt werden. Diese Gruppe umfasst 41 Arten,
d. h. ca. 22,3 °/o. Eigentliche Steppenpflanzen finden wir darunter
nicht, es sind alles Formationselemente der Garigues, der Felsenheide
oder Strandflora. Von grösserer Bedeutung sind nur: BracJujjJodium
ramosum (L.) R. et S., Passerina hirsuta L., Osyris alba L., Atri-
2)lex haJimus L. und Evax pygmaea (L.) Pers.
2. Mediterran-mitteleuropäische Arten. Pflanzen, deren
eigentliche Heimat auch meist im Mittelmeergebiet zu suchen ist,
die aber eine grössere Feuchtigkeit und besonders auch niedere Tem-
peraturen gut zu ertragen vermögen und daher weit nach Mittel-
ja selbst bis nach Nordeuropa verbreitet sind, jedoch dem Orient
fehlen. Die Zahl dieser Arten ist in der Steppe sehr klein, es sind
deren nur 5 (2,8 7^), davon hat sich einzig Ononis natrix L. in
den wärmeren Teilen des südlichen Mitteleuropas eingebürgert, auch
Eryngium campestre L. ist nur stellenweise verbreitet; Eeseda
phyteuma L. und Diplotaxis muralis DC. sind bei uns als Anthro-
pochoren eingeschleppt und Cakile maritima Scop. ist endlich eine
nach Norden weit verbreitete Strandpflanze.
3. Mediterran-orientalische Arten. Arten, deren Verbrei-
tungsareale nicht nur das ganze Mittelmeerbecken umfassen, sondern
östlich noch über die mediterranen Randlandschaften hinausgehen, sich
nach Armenien, Syrien, Mesopotamien, z. T. auch nach Arabien und
nach Persien, ja selbst bis nach Affghanistan, Belutschistan und bis ins
Indusgebiet erstrecken. Im Mittelmeergebiet sind diese Pflanzen zum
grösseren Teil von südmediterraner Verbreitung, doch erreicht eine
kleinere Abteilung auch noch Mitteleuropa. Das Kontingent des
mediterran-orientalischen Verbreitungselementes ist sehr bedeutend,
umfasst es doch 58 Arten unserer Liste, d. h. ca. 31,2 "/o, und was
noch wichtiger ist, diesem Verbreitungselement gehört eine stattliche
Zahl typischer Steppenpflanzen an. (In den Exkursionsberichten mit
^ bezeichnet.)
a) Pflanzen von mediterran-orientalischer Verbreitung,
welche auch noch Mitteleuropa erreichen. Diese Gruppe zählt
nur 12 Arten, darunter finden sich keine Steppenpflanzen. Es sind:
Cynodoii dactylon (L.) Pers. Spergularia media Pers.
Plantago coronopus L. Erodium cicutarium L'Herit.
Spergularia ruba Pers. Torilis nodosa (L.) Gaertn.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste.
117
Rubus amoenus Port. Fumanaprocumbe/is(Dun.)(j.G.
Helianthemum saJicifolium (L.) AnagnlUs coerulea Schreb.
Mill. Slierardia arvensis L.
Marruhiuni vulgare L.
Mit Ausnahme von Marruhiuni vulgare L., einer Pflanze, die
in der Steppe öfters in einer sehr stark wollig-filzigen Varietät (v.
hoiatuni Bth.) auftritt, sind diese Pflanzen in der Steppe sonst alle
immer von untergeordneter Bedeutung, ja sogar meist selten. Dies
ist nicht der Fall bei der folgenden Abteilung.
b) Pflanzen von mediterran-orientalischer Verbreitung,
welche aber Mitteleuropa nicht erreichen. Typische oder doch
vorwiegend als Steppenpflanzen auftretende Arten sind mit „St" be-
zeichnet.
Sphenopus divaricatus (Gou.)
Reh.
Andropogon pubesce?is Vis.
Koeleria phleoides (Vill.) Pers.
Lamarckia aurea Mönch
PhaJaris minor Retz.
Bromus matritensis L.
Broinus rubens L.
Brachijpodium distichyon (L.)
R. et S.
Aegilops ovata L.
st/S'fMj9«2)aryz/b/mDesf. (Arabien).
^tStupa tortiJis Desf. (S. Persien,
Belutschistan)
st Piptatherum coerulescens P. B.
(Affghan.)
stEria/ifhus Ravennae P. B.
(Pers. occid., austr.)
s,tKotolaena vellea Desv. (Pers.,
Affghan.)
Passerina liirsuta L.
st Polygonuni equisetiforme
Sibth. (Mesop., Pers,, Affghan.)
stSuaeda fruficosa Forsk. (Arab.,
Ind.)
stHaloxylon articulatuni (Cav.)
Bunge (Arab., Nordafrika bis
Marokko , Süd- und Südost-
Spanien)
stPeganum harniaJa L. (Arab.,
Pers., Turkest.)
^iAizoon ]iispa)ücuni L. (Palmyra,
Arabien, Pers.)
st Mesembryanthemu m nodi-
ßorum L. (Arab., Mesopot.)
stPIanfago albicans L. (Arab.,
Pers.)
Plantago lag opus L.
st Statice Thouini Viv. (Arabien,
Pers. austr.)
Frankenia j^i^li^erulenta L.
Reseda alba L.
Ruta chalepensis L. v. angusti-
folia Pers.
stCarrichfera vellae DC. (Syrien,
Mesop., Pers.)
st Vicia amphicarpa Boiss. (Meso-
pot.)
Psoralea bituminosa L.
Trifolium stellatum L.
stBoerhaavia plumbaginea Cav.
(Sinai, Arab., Belutsch., Ind.)
stMarrubium alyssonlj.{kvdh\&n)
Teucrium poHum L.
Orobancke Muteli F. Schultz.
Lithospermuni apuluni Vahl.
Echiuni italicuni L.
118 M. Rikli.
VaUlantia hispida L, Atractijlis cancellata L.
Picridium tingitanum Desf. stArfetnisia herba alba Asso
Calendula arvensis L. (Damascus, Pers., Affgh.)
Urospeniuim picroides Desf. ^^ZolUkoferia resedifolia Coss.
Fallen is spinosa Cass. (Arabien, Mesopotamien, Per-
Phagnalon rupestre DC. sien).
4. Westmediterrane Arten: Diese Gruppe umfasst Arten,
deren Verbreitungszentrum im westlichen Mittelmeerbecken liegt und
die entweder bereits schon in Ligurien, Korsika -Sardinien, Sizilien
oder dann jedenfalls in Dalmatien ihre Ostgrenze finden. Von diesem
Verbreitungstypus haben wir in der Litoralsteppe noch 17 Arten
(9,2 7o) angetroffen; es sind:
a) Ostgrenze in Italien-Sizilien:
Chamaerops Juuuilis L. Lusit. Hisp. mer., Neapel, Sicil.)
Asparagus albus L. Lavatera niaritinia L.
Calycotome spinosa (L.) Link Thymus vulgaris L.
Doryc?iiu7n suffruticosum Vill. Gynoglossuni cheirifoliutn L.
Fumana laevipes Spach Phagnalon saxatile DC.
Brassica fruficulosa Cyr. (nur Fhagnalon sordidum DC.
Tamarix gallica L.
b) Ostgrenze wird erst in Dalmatien erreicht:
Coronilla juncea L. Gladiolus illyricus Koch (erreicht
Biscutella auriculata L. noch Serbien)
Helichrysum stoechas DC. Astragalus sesameus L.
Diese Liste enthält somit keine einzige eigentliche Steppenpflanze,
dagegen vermögen Helichrysum stoechas DC. und Thymus vulgaris
auch in der Steppe öfters geradezu tonangebend zu werden, auch
Gladiolus illyricus Koch und Cynoglossum cheirifolium L. sind
in derselben stellenweise häufig.
5. Südmediterrane Arten. Pflanzen, welche nur dem süd-
licheren Teil des Mittelmeerbeckens angehören: Südportugal, Süd-
und Südostspanien, Sardinien, Sizilien, südlichstes Italien, Griechen-
land, Creta und Nordafrika. Obwohl diese Gruppe nur 11 Arten
(6,170) umfasst, kommt ihr doch eine grosse Bedeutung zu, indem
ihr eine Reihe sehr wichtiger, häufiger und allgemein verbreiteter
Steppenpflanzen der spanischen Litoralsteppe angehören. Diese Arten
haben off'enbar in Nordafrika und Südspanien ihr Massenzentrum, in
dem übrigen südlichen Teil des Mittelmeers sind sie meist nur spär-
lich vertreten. Hierher:
stLygeu?n spartuDi L.
Asp)aragus horridus L.
Gynandriris sisyrinchium (L.) Pari.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste. 119
Ephedra fragüis Desf. (vorwiegend südwestmediterran, östlich bis
Sizilien)
^tHelianthemum lavandulaefolium DC. (selten in Südfrankreich
und Ligurien)
stBrasst'ca TouDieforfii Gou.
stjlorica/idia cfrrensis DC. (auch noch selten in Südfrankreich, vor-
wiegend südwestlich mediterran bis Sizilien, in Griechen-
land selten)
Ononis ornithopodioides L.
stSfafice echioides L.
stCoridothymus capitatus Rchb. f.
stFagonia crefica (hauptsächlich No^'dafrika, Süd- und Südostspanien,
selten auf Sizilien [bei Ficuzza], ebenso selten auf Melita
und Greta.
Diese Art vermittelt somit den Übergang zum siebenten Ver-
breitungselement.
6. Iberisch-orientalische Arten. Diese Gruppe umfasst die-
jenigen Pflanzen, deren Heimat in den Steppen- und Wüstengebieten
Yorderasiens zu suchen ist, die aber auch noch auf der iberischen
Halbinsel vorkommen, in den Zwischengebieten jedoch meistens ganz
fehlen. Von diesem Verbreitungstypus haben wir nur eine Art ge-
sammelt, Astragalus sinaicus Boiss. = ^4.. pseudostella Del., neu
für Spanien, denn der einzige spanische Standort ist unsere Fundstelle
in der Haifasteppe, nördlich von Orihuela. Bisher war diese Art von
der Sinaihalbinsel, von Ägypten, den Inseln Chios, Syra, Tinos und
als Seltenheit von Südgriechenland (Argolis, Attica) bekannt, sowie
von einigen vermittelnden nordafrikanischen Fundstellen (Biskra, Ain-
Sefra, Südtunesien).
Die Zahl der Arten der iberisch-orientalischen Gruppe ist übrigens
nicht besonders gross. Willkomm (Lit. 36 pg. 103) erwähnt immer-
hin 40 orientalische Pflanzen, doch deckt sich dieser Begriff nicht
ganz mit unserem Verbreitungselement, indem in dessen Artenliste
eine Reihe von Pflanzen aufgeführt werden, die auch in Nord-
Afrika oder sogar in Süditalien oder Sizilien vorkommen und somit
unserem mediterran -orientalischen, beziehungsweise südmediterranen
Verbreitungselement zuzuzählen sind. Wenn wir als orientalische
Arten diejenigen Pflanzen verstehen, die von ihrer östlichen Heimat
(Persien, Arabien, Syrien, Kaukasusländer) nördlich und westlich bis
nach Südrussland, Ungarn, Griechenland und Greta ausstrahlen, so
gehören folgende 22 Arten der Flora der iberischen Halbinsel der
iberisch-orientalischen Gruppe an:
120
M. Rikli.
Verbreitung in
Spanien-Portugal
Verbreitung im Orient
Pholiurus pannonicus
Trin.
Kalidium foliatum Moq.
Eurotia ceratoides C. A.
Mey
Eurotia ferruginea Boiss.
Pharnaceum cerviana L.
Visciim cruciatum Sieb.
Lepidium perfoliatum L.
Erucaria allepica Gaertn.
Äethionema ovalifolium
Boiss., nur s. spec. v. Aeth.
saxatile (L.) R. Br.
Ranunculus demissus UC.
Cerastium perfoliatum L.
HeHantheviwm villosum
Thib.
Ononis Idrta Desf.
o
4
%
Spanien (Castrillo).
■f^, Südspanien.
Südspanien, Arago-
Südspanien.
Zentralspanien.
Südspanien.
Zentralspanien
(Castilien , Leon,
Asturien).
O' Süd- u. Südostspanien
Südsüdostspanien.
2|. S.-Spanien(Granada).
Süd-, Ost-, Zentral-
spanien.
Süd- und Zentral-
spanien.
Südspanien (Nord-
afrika ?).
Transkaukasien , Südi-uss-
land , unteres Donauge-
biet, Thracien, üalmatien.
Mongolei , Sungarei , Tur-
kestan, Südrussland.
Vorderindien, Belutschistan,
Persien, Arabien, Arme-
nien, Kaukasusländer, S.-
u. S.O. -Russland.
Turkestan. Persien.
Nubien, Abessini en.Arabien,
Indusgebiet , S. - Sibirien,
Kaukasusländer, S. -Russ-
land, Thessalien (selten),
Griechenland.
Palästina.
Belutschistan, Affghanistan,
Turkestan, Persien, Klein-
asien, Chios, Kaukasus-
länder , Süd - Russland,
Transsilvanien , Dalma-
tien, Croatien, Ungarn,
Österreich.
Mesopotamien, Arabien,
Ägypten, Palästina, Sy-
rien, Kleinasien, Archipel,
Greta, Argolis, Attika.
Kleinasien (Anatohen), Gre-
ta, Peloponnes (selten).
Südpersien, Kleinasien, Li-
banon, Griechenland (Pe-
loponnes, Chelmos, Kyl-
lene).
Kleinasien. S.-Russland.
Russisch-Armenien.
Palästina ,
asien.
Syrien , Klein-
Botanische Reisestudien von der spanischen Miltelmeerküste.
121:
Verbreitung in
Spanien - Portugal
Verbreitung im Orient
Adenocarpus viUosus
Boiss.
noch verwandt mit
A. intermedius DG.
Geum umbrosum Boiss.
Malvella Sherardiana
Jaub.
Salvia piunata L.
Scutellaria orientalis L.
Lycopsis orientalis L.
Veronica digitata Vall.
(sehr nahestehend d. V.
chamaepitys Griseb.
Myosotis refracta Boiss.
Pulicaria arabica Cass.
tl
o
2;
o
o
o
0
Zentralspanien.
Ganz Spanien, Por-
tugal, Sizilien, Süd-
italien.
Süd- u. Ostspanien
(Dauphine).
Zentralspanien.
Südspanien.
Südspanien.
Murcia (Nordafrika '?).
Zentralspanien (Alt-
und Neu-Castilien),
selten.
Südspanien.
Südost- u. Zentral-
spanien.
Kleinasien.
Xordsyrien, Libanon, Euböa^
Athos.
Persien , Libanon , Klein-
asien, Südrussland.
Palästina, Syrien, Klein-
asien, Armenien, Trans-
kaukasien, Krim, Thra-
cien, Macedonien, Grie-
chenland.
Palästina, Nordsyrien, Klein-
asien.
Nordpersien , Kurdistan,
Armenien , Kleinasien,
Transkaukasien , Krim,
Thracien , Griechenland,
Dalmatien, Kroatien.
Affghanistan, Persien, Kur-
distan, Armenien, Klein-
asien, Krim, Südrussland.
Kleinasien, Thracien.
Turkestan , Mesopotamien^
Syrien, Palätsina, Klein-
asien , Cypern , Greta,
Attica.
Persien , Mesopotamien,
Ägypten, Syrien, Cypern,
Kleinasien, Rhodos, Greta.
7. Iberisch-mauritanische Arten. Das Yerbreitungszentrum
dieser Gruppe umfasst das südliche Portugal, Süd- und Südostspanien,
sowie die gesamten Atlasländer vom atlantischen Ozean (Marokko)
bis Tunesien. Mehrere Arten erreichen auch die Balearen : sporadisch
treten einige Pflanzen dieser Gruppe noch an vereinzelten Stellen
Südfrankreichs oder selbst in Ligurien auf. Diese Gruppe ist sehr
wichtig, denn 25 Arten unserer Steppenausbeute (16,6*^/0) besitzen.
122
M. Rikli.
diese Verbreitung; sie unifasst zudem mehrere der wichtigsten Step-
penpflanzen, wie z. B. das Haifagras.
st Mao '0 ch loa teyiacissima (L .)
Kth.
s,iAvena filifolia Lag.
Uropetalum scroti uuni Ker.,
nördlich bis in die Pyrenäen
und Südfrankreich.
^t Matthiola parviflora R. Br,
^tEruca vesicaria (L.) Cav.
s>tHer7Üaria polijgonoides Cav.
stHeh'aufhemum jjilosiun Pers.
Pohjgala rupestris Pourr.
Viola arhorescens L.
Bhanuuis hjcioides L.
st Haplophyllinn hisjianicum
Spach
Genista umbellata Poir.
Ay^istolochia baetica L.
Euphorbia sulcafa (DC.) Lens.
stBefa Bourgaei Coss.
^tBallota hirsuta Bth.
stSideritis leucaiitha Cav.
Teiicrium pseudochamaeintijs
L.
Lavandula multifida L.
st Withania frutescens Pauq.
stLgciimi intricatum Boiss.
(^i)Andryala ragusina L.
(^i)Ken trophyllmn arborescens
Hook.
Anacyclus valentimis L.
(^t)Senecio linifolius L.
8. Makroiberische Arten. Unter dieser Bezeichnung fassen
wir alle diejenigen Arten zusammen, deren Hauptverbreitungszentrum
-auf der iberischen Halbinsel liegt, die aber über die Grenzen Spaniens
längs der mediterranen, gelegentlich auch längs der atlantischen Küste
Frankreichs ausstrahlen, ohne jedoch weder Ligurien noch England
oder Belgien zu erreichen; einige finden sich vereinzelt auch in Nord-
afrika.
In der Litoralsteppe haben wir nur 5 Arten (2,8 7») von diesem
Verbreitungstypus vorgefunden, nämlich:
Mercurialis tomentosa L. Lithosperjnum fruticosum L.,
Anfkijllis cytisoidesL.{siUchnoch in der Steppe durch die eigen-
auf den Balearen, vereinzelt
auf Korsika).
Convolvulus lanuginosus Desr.
9. Entoiberische Arten.
tümlich knorrige V. intricatum
Briq. vertreten.
Phlomis lychnitis L.
Pflanzen, deren Verbreitungsareal
innerhalb der iberischen Halbinsel gelegen ist, sich aber hier jeweilen
über mehrere klimatische Provinzen erstreckt. Die Gruppe umfasst
folgende 7 Arten (3,8 7o).
Euphorbia Lagascae Sp. Hisp. mer., cent. als grosse Seltenheit auch
noch in Sardinien.
Reseda Gayana Boiss., Hisp. centr., Orient., merid.
Thymus zygis L. Lusit. Hisp. merid., centr., Orient.
Ldnaria crassifolia Kze. Arag. Cat. Hisp. Orient, et merid., centr.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste. 123
Centaurea ornata Willk. Arag., Zentral-, Ost-, Südspanien.
ZoUikoferia pumila DC. Arag., Navar., Ost-, Südspanien.
Arfeniisia BarreUeri Boiss. Catal. Ost-, Südspanien.
10. Mikroiberische Arten. Pflanzen von ganz beschränkter
Verbreitung innerhalb Spaniens, oft nur von einem oder von wenigen,
innerhalb der gleichen Klimaprovinz liegenden Standorten bekannt.
Es sind meistens eigentliche Charakterpflanzen der Litoralsteppe,
z. T. finden sie sich ausser in der Litoralsteppe auch noch in Granada.
Oft schönste Beispiele von Lokalendemismen. Diese Gruppe ist in
unserer Liste mit 14 Arten (7,6^0) vertreten.
PenduUna Lagascana (DC.) Wk., Valencia (Villajoyosa, Alicante,
Orihuela), Murcia, Granada.
Penduli na intricata Wk., Südvalencia, Murcia, Almeria.
Es sind dies zwei nahverwandte Arten der Willkommschen Gat-
tung Pendulina, welche von vielen Autoren als besonderer Tribus
dem Genus Diplotaxis untergeordnet werden. Die nächststehende
D. Harva (Forsk.) Boiss. ist eine Wüstenpflanze der Sahara, die von
Nordafrika bis nach Persien verbreitet ist.
Erucasttum baeticum (Boiss.) Lge. Murcia (Fuensanta, südlich von
Lorca) und einige Standorte in Granada.
Guirao arvensis Coss. , einzig auf mergelig -gipshaltigem Boden um
Murcia, ist ein monotypisches Genus von so eigenartigem
Bau, dass dessen systematische Stellung in der Familie
der Cruciferen noch nicht abgeklärt ist. Wie PrantP) be-
tont, dürfte Guirao wegen des zweifächerigen vorderen
Gliedes der Frucht vielleicht zu den Vellinae zu stellen
sein; zurzeit wird die Pflanze gewöhnlich den Brassicinae
untergeordnet. Die nächststehenden Genera sind Reboudia
mit zwei Arten in Nordafrika bis Arabien verbreitet, das
monotypische nordafrikanische Genus Enarthrocarpus mit
6 dem östlichen Mittelmeerbecken und Nordafrika ange-
hörigen Arten.
Reseda leucantha Hegelm. Unter den entoiberischen Arten haben
wir die Reseda Gayana Boiss. aufgeführt, die Reseda
leucantha Hegelm. ist mit diesem südspanischen Endemis-
mus nahverwandt, besitzt jedoch noch ein viel kleineres
Verbreitungsareal, denn sie ist nur von Süd Valencia (Elche,
Orihuela) und Murcia bekannt.
Astragalus hispanicus Coss., einzig von zwei entfernten Standorten
1) Prantl, K. — Cruciferae in: Engler. A. und Prantl, K., Die natürlichen
Pflanzenfamilien. III. 2 (1891), pg. ISO.
124 M. Rikli.
bekannt: Valencia (Alcoy, Villajoyosa) und Granada (Sierra
de Jarama), steht dem Astrag alus vesicarius L. am
nächsten, doch ist sie immerhin von dieser vorwiegend
osteuropäischen Art spezifisch verschieden.
Genista murcica Coss., ein ephedroider Ginster, wird nur von der
Sierra bei Orihuela angegeben.
Statice caesia Gird., nur im südlichen Valencia (Alicante und
Orihuela) und an wenigen Stellen in Murcia.
Teucrium Freijnii Rev. Südvalencia, Murcia.
TeucHum huxifoliutn Schreb. Valencia, Murcia und Granada
(Almeria, Monte Muela).
Sideritis glaiica Cav., höchst eigentümliche Rutenpflanze, wie Genista
murcica auf die nächste Umgebung von Orihuela (Sierra de
Callosa und S. Miguel) lokalisiert.
Thymus longiflorus Boiss. , wiederum eine sehr scharf charakteri-
sierte Art. Das stark verzweigte Kleinsträuchlein ist sehr
kurz weisslich behaart, hat lineale, am Rande umgerollte,
schneeweisse Blätter. Im gedrungen - ährigen Blüten-
köpfchen sind die Brakteen sehr gross und von auffallend
blauvioletter Färbung, so erinnert die Pflanze sehr an
Lavandiila stoechas. Diese Art hat zwei lokalisierte
Verbreitangszentren, das eine liegt in Südvalencia, das
andere im östlichen Teile von Granada,
Lafuentea rotundifolia Lag. Es ist dies wieder ein Endemismus
von ganz besonderem Interesse, handelt es sich doch hier um eine
monotypische Scrophulariacee, welche die Tracht einer Labiate hat.
Nicht nur die zweilippige Blütenkrone, sondern auch die gegen-
ständigen, rundlich-gekerbten Blätter erinnern an Lippenblütler. Die
nächst verwandten Gattungen dieses niederliegenden Halbsträuchleins
sind: Oreosolen Hook; ein monotypisches Genus des Himalaya;
Cainpylanthus Roth, mit 5 Arten, von denen je eine auf den Canaren,
den Capverden, in Westafrika, auf Sokotra und in Arabien-Belutschistau
auftritt und endlich das Genus Oursia mit 19 Arten, die alle der
südlichen Hemisphäre der alten und neuen Welt angehören. Die
Lafuenta kann somit geradezu als ein klassisches Beispiel für ab-
soluten (alten) Endemismus \) gelten.
Galium murcicu/n Boiss., nur auf einigen Sierren um Murcia und Jaen.
Diese 14 Pflanzen sind somit vollwertige, nicht sogenannte „kleine
Arten". Unsere Reise hat uns jedoch nur mit einem kleinen Teil der
') Engler, A., Die Pflanzenformationen und die pflanzengeogra-
phische Gliederung der Alpenkette. Notizblatt des Königl. bot. Gartens und
Museums zu Berlin. Appendix VII (1901) pg. 83 ff.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittehneerkäste.
125
Litoralsteppe bekannt gemacht. Nach Willkomm ^) scheinen 35 Step-
penpflanzen überhaupt nur in der Litoralsteppe aufzutreten, sind
also für dieses Gebiet bezeichnende Endemismen. Damit ist aber der
grosse Reichtum noch nicht erschöpft, denn nicht weniger als
68 Arten sind in Spanien und ganz Europa überhaupt nur aus der
Litoralsteppe bekannt, d. h. neben den 35 absoluten Endemismen be-
sitzt dieselbe noch weitere 33 Arten, die ausser in Spanien nur noch
in Nordafrika oder im Orient wiederkehren, mithin als relative Ende-
mismen-) gelten dürfen.
Wir sind am Schlüsse unserer pflanzengeographischen Analyse
der Litoralsteppe. Was ist das Ergebnis derselben? Die folgende
Tabelle bringt eine übersichtliche Zusammenstellung über die Be-
teiligung der einzelnen Verbreitungselemente unserer Ausbeute in der
Litoralsteppe.
Ve )• b r e i t u n gs e 1 e m e n t e
1
o/o
I.
Perimediterrane Arten
22,3
II.
Mediterran-mitteleuropäische Arten
2,8
I = 34,3 7o
IV.
Westmediterrane Arten
9,2
VI.
III.
Iberisch-orientahsclie Arten
Mediterran-orientahsche Arten
0,6
31,2
Orientalische Gruppe
• II = 31,87o
V.
Südmediterrane Arten
6,1
Iberische Gruppe
VII.
Iberisch-mauritanische Arten
13,6
VIII.
Makroiberische Arten
2,8
■ III = 33,9 7o
IX.
Enloiberische Arten
3,8
X.
Mikroiberische Arten
7,6
Diese zehn Verbreitungselemente lassen sich nun in drei Kate-
gorien zusammenfassen. Gruppe I umfasst .die perimediterranen, die
mediterran-mitteleuropäischen und die westmediterranen Arten in der
allerdings stattlichen Zahl von 63 Arten (34,3 7o). Doch lassen wir
uns durch diese Zahl nicht täuschen, es findet sich darunter keine
einzige typische Steppenpflanze. Atriplex halimus L., die einzig in
') Lit. No. 36 pg. 213.
*) Diese relativen Endemismen sind zum kleineren Teil mediterran-orientalische
Arten, die Hauptmenge stellt das südmediterrane, das iberisch-mauritanische und
das makroiberische Verbreitunsselement.
126 M. Rikli.
Frage kommen könnte, ist wohl eher als eine gelegentlich zur Steppen-
pflanze werdende Strandpflanze aufzufassen. Die Mehrzahl der Arten
dieser Gruppe treten in der Steppe nur vereinzelt auf, es sind fast
alles Eindringlinge aus den Macchien, Garigues, Felsenheiden oder
von den Strandformationen. Durch diese Momente wird die tatsäch-
liche Bedeutung dieser Gruppe sehr herabgesetzt.
Ungleich wichtiger ist die Gruppe II, die wir als die orientalische
Gruppe bezeichnen möchten, denn ihr Hauptzentrum liegt entschieden
in den grossen Steppen- und Wüstengebieten Vorderasiens. Sie um-
fasst 59 Arten (31,8 7«), die typischen Steppenpflanzen sind mit einem
reichlichen Drittel beteiligt. Noch bedeutungsvoller ist aber die
III. Gruppe, ihr Entwicklungszentrum liegt in Südspanien und in den
gegenüberliegenden Landschaften Nordafrikas. Die Gruppe enthält
vorwiegend nur Steppenpflanzen, darunter die häufigsten Charakter-
und Leitpflanzen der Litoralsteppe: das Haifagras, Lijgeum spartum
L., Fagoniü cretica L., Artemisia herba alba Asso., HeUanthemiim
jjilosum Pers., H. lavandulaefolium'DC., Ltjcium intricatum Boiss.,
Thijmus zygis L. etc. Hierher gehören 61 Arten (33,9 7o).
Es ergibt sich somit: die Flora der spanischen Litoralsteppe umfasst
beinahe ausschliesslich Halophyten, beziehungsweise Xerophyten; der
Grundstock besteht aus typischen autochtonen Steppenpflanzen, deren
Bildungsherd entweder die Litoralsteppe selbst war oder deren Ent-
wicklungszentrum doch im südlichen Iberien und im benachbarten
Mauritanien zu suchen ist. Dieser Grundstock liefert die wichtigsten
Leit- und Charakterpflanzen der Litoralsteppe. Das zweite Haupt-
kontingent wird vom Orient gestellt, es sind wiederum zum grösseren
Teil Steppenpflanzen, die von ihrem meist östlichen Verbreitungs-
zentrum, besonders längs den Atlasländern Nordafrikas nach Westen
ausstrahlen und in Europa z. T. nur in den Steppengebieten Spaniens
auftreten. Andere Arten zeigen wieder eine grössere Expansionskraft
und erreichen selbst noch Mittel-, ja ausnahmsweise sogar Nordeuropa.
Die eigentlichen Steppengewächse dieser Gruppe sind zum grössten
Teil sukkulente Halophyten. Zu den Steppenpflanzen gesellen sich
nun noch zahlreiche Pflanzen der Macchie, der Garigue, der Felsen-
heide und des Strandes. Obwohl an Artenzahl ziemlich bedeutend, so
tritt doch dieser Bestandteil in der Litoralsteppe an Individuenzahl
meist stark zurück, auch nach ihrer oft kümmerlichen Ausbildung
erweisen sich dieselben als fremde Eindringlinge, die in der Litoral-
steppe nur ausnahmsweise völlig Boden zu fassen vermögen. — Die
Litoralsteppe ist somit nicht nur physiognomisch und biologisch, son-
dern in noch ausgesprochenerem Grad ein pflanzengeographisch scharf
Botanische Reisestiidien von der spanisclien Mittelmeerküste. 127"
charakterisiertes Gebiet; das stattliche Kontingent absoluter Endemis-
men von z. T. recht isolierter, systematischer Stellung,') aber auch
die kaum geringere Zahl an relativen Endemismen weisen darauf
hin, dass die Flora der Litoralsteppe bereits eine lange Geschichte
hinter sich haben muss und daher nicht eine relativ junge Bildung
sein kann.
II. Das Kulturland.
A. Die Kulturlandschaften.
In dem auf das Jahr 1907 erschienenen Neujahrsblatt der natur-
forschenden Gesellschaft in Zürich habe ich unter dem Titel „ Kultur -
und Naturbilder von der spanischen Riviera" die Kulturland-
schaften Cataloniens, Valencias und der Gebiete zwischen Alicante
und Murcia geschildert; wir sehen daher hier von einer nochmaligen
eingehenden Besprechung ab und begnügen uns mit einer kurzen
Zusammenfassung der betreffenden Verhältnisse.
Es sind an der Ostküste Spaniens drei verschiedene Typen von
Kulturlandschaften zu unterscheiden :
1. Das Waldkulturland. Beispiel: Nordcatalonien.
Eine Bewässerung des der Bebauung unterworfenen Landes ist
meistens nicht notwendig, denn die mittlere jährliche Niederschlags-
menge beträgt in diesen Gebieten noch 60 bis 90 cm. Bewässerungs-
anlagen fehlen daher oder sie sind doch nur von lokaler Bedeutung.
Das hügelige Bergland ist noch ziemlich reichlich mit Wald bedeckt.
Diese Waldungen sind teils Naturwälder, welche aus sommer- und
immergrünen Laubhölzern oder auch aus Koniferen bestehen und fast
immer ein macchienartiges Unterholz besitzen; teils sind es regelrecht
bewirtschaftete, periodisch abgeholzte und dann wieder aufgeforstete
„Kunstwälder". Von grösstem Wert für das Land sind zwei forst-
liche Kulturpflanzen: die Korkeiche (Quercus suher L.) als wich-
tigster Vertreter der Natur wälder und die Weisspappel {Popidus
alba L.), die längs den Flüssen und auf Schwemmlandsböden im grössten
Masstab angepflanzt wird. Weitere verbreitete, auf den Hügeln und
Bergen Bestände bildende Baumarten sind: die Steineiche (^</erc?/s
Hex L.), die Flaumeiche {Quercus Umuginosa Lam.), die Aleppo-
kiefer [Pinus halepensis Mill.) und die Pinie {Pimis pinea L.)
Die Niederungen , die Flusstäler und die Küstenzone stehen
grösstenteils im Dienste der Landwirtschaft. Es werden verhältnis-
') Diese dürfen daher z.T. als Relikten-Endemismen gelten.
128 M. Rikli.
massig nur wenige Kulturpflanzen angebaut, diese aber im Gross-
betrieb gehalten. Das Rebland gehört zu den hervorragendsten,
die Physiognomie der Landschaft am meisten bestimmenden Kultur-
formationen. Neben der Weinrebe bedecken unabsehbare Getreide-
fluren die weiten Fruchtbecken (Figueras, Gerona etc.). In grösserer
Entfernung von den Ortschaften überwiegt immer mehr die Ölbaum-
kultur, die Olivenhaine bilden die wichtigste Erwerbsquelle ganzer
Bezirke und da aus einiger Entfernung diese Kulturen einen durch-
aus waldartigen Eindruck erwecken, so erscheint Catalonien dem
Reisenden, ob er nun von Südfrankreich oder gar von Valencia, Ara-
gonien oder Castilien kommt, als ein waldreiches Land.
Gegenüber Weinrebe, Getreide und Ölbaum treten alle anderen
Kulturen stark zurück, sie sind zudem auf die nächste Umgebung
der Niederlassungen beschränkt. Fast jede Ortschaft ist umgeben
von einem kleinen Obstgarten, in dem Mandelbaum, Feige und
Pfirsich nie fehlen. Begünstigt ist ganz besonders die Küstenzone,
an der, südlich von Mataro, der Anbau von Orangenbäumen im
Grossbetrieb beginnt, zugleich treten die ersten Dattelpalmen auf
und auch der Johannisbrotbaum findet sich im Küstenstrich Cata-
loniens. Doch besitzen diese drei Gewächse hier noch keine grössere
wirtschaftliche Bedeutung. Von Futterpflanzen haben wir wiederholt
Blutklee {Trifolium incarnatum L.) und Lupinen {Lupimis
albus L.) angetroffen.
2. Die Huerta oder Gartenlandschaft ist der Typus der
intensivsten Bodenbebauung, sie ist bezeichnend für das südliche Ost-
spanien und für Südspanien. Beispiele sind : die Huertas von Valencia
und Murcia, die Vega von Granada. Die äusserst fruchtbaren Kultur-
landschaften mit ihrer grossen Üppigkeit und ihrer dichten Bevöl-
kerung stehen im grössten Gegensatz zu den sie umgebenden, voll-
ständig kahlen, unproduktiven und z. T. fast menschenleeren Sierren
und Steppenländern. Schwemmlandböden von feinster, sandig-merge-
liger Beschaffenheit und systematische Bewässerung sind die beiden
durchaus notwendigen Vorbedingungen der Anlage einer Huerta, denn
die mittlere jährliche Niederschlagsmenge ist durchaus ungenügend,
schwankt sie doch zwischen 30 und 55 cm. Die hohe mittlere Jahres-
temperatur von 17 bis IS** C, ganz besonders aber die milden Winter
(mittlere Wintertemperatur 10 bis 12° C) und, was für die Pflanzen-
welt noch entscheidender ist, die seltenen und verhältnismässig nicht
sehr tiefen Minima (— 3 bis — 5,5" C) gestatten die Anpflanzung vieler
südlicher Kulturgewächse.
In der Huerta überwiegen immer Obst- und Gemüsebau. Die
gleichzeitige Bestellung des Bodens mit mehreren Kulturpflanzen und
rteljahrsschrift der Naturf, Ges. Zürich. Jahrg, 52, 1907.
Taf. XH.
Xach Mut!. Postlctrte
Fi(j. 19. Wasserrad an der Secjiira bei Murcia.
(pag. 133).
Fhot.: P. Bohn<j.
Fi(j. 20. Erdwohmuiyeu auf der uördlieheu Abdaclumy der JSierra Nevada.
Plateaurand des Barranco de Gor (pag, 11),
OF
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittehiieerküste. 129
der beständige Wechsel der Feldfrüchte bedingen ein Durch- und
Nebeneinander der verschiedensten Kulturen. In Europa gibt es wohl
keine intensiver betriebene Polykultur als die Huerta.
Die beiden grössten Huertas Ostspaniens zeigen immerhin ein
ziemlich abweichendes Bild.
a) Die Huerta von Valencia erstreckt sich ohne Unter-
brechung längs der Küste von der Gegend von Castellon de la Plana
bis nach Denia, d, h. über eine Entfernung von reichlich 150 km, bei
einer wechselnden Breite von 2 bis 25 km; sie umfasst ca. 140 000 ha
bewässertes Kulturland (Campo regadio). Grosse Flächen sind mit
unabsehbaren Orangenkulturen , welche viele Quadratkilometer be-
decken, bestanden; so besonders um Castellon de la Plana, um Nules
und Valencia. Aus den wie ein üppig grüner Wald erscheinenden
Orangenpflanzungen erheben sich hin und wieder eine schlanke Dattel-
palme, die schirmförmige Krone einiger Pinien oder die dunklen,
düsteren Gestalten der Säulencypressen. Die Obstbauzucht erstreckt
sich ferner auf den Anbau des Pfirsichbaums, des F eigen -
und Granatapfelbaums; aber auch Apfel- und Birnbaum sieht
man öfters in grösserem Masstab angepflanzt, dann ganz besonders
der Maulbeerbaum, denn Valencia ist der Sitz eines blühenden
Kohseidenhandels.
Im Gemüsebau überwiegt die Kultur der Saubohne, weniger
häufig scheinen die Artischoken angepflanzt zu werden, wichtiger
sind dagegen die Tomaten, besonders im Süden der Huerta, in der
Umgebung von Gandia und Oliva. Häufig, aber doch selten grössere
Flächen in Anspruch nehmend, werden Kichererbsen {Cicer arieti-
HU)nL.), Gemüseplatterbsen {Lafhijrus sativits L.), spanischer
Pfeffer {Capsicum aniuum L, v. dulce), ferner Lauch und Busch-
bohnen {Phaseolus vulgaris L.) gehalten. Eine Spezialität betreibt
das Städtchen Benaguacil, nordwestlich von Valencia, es ist der Anbau
einer ungewöhnlich grossen Rasse von Zwiebeln (Cebolas = AUiunir
cejjft L. V. Diaxima Griseb. = C. hispanica Park). Erwähnenswert
sind endlich noch die Eierpflanze {Solanum Melouyena L.),
Melonen {Cucumis melo L.) und Wassermelonen {Citrullus vul-
garis Schrad.).
Der Getreidebau tritt zurück; es werden hauptsächlich Gerste
und Hafer, letzterer als Nahrung für Pferd und Maultier, und auch
etwas Mais gehalten. Im Süden von Valencia, an der Albufera, an den
Ufern des Rio Jucar und an dessen Nebenfluss Albaida ist der Haupt-
sitz des spanischen Reisbaues, derselbe erstreckt sich südlich bis
über Jativa, auch um Tabernes, Gandia, Oliva haben wir noch einzelne
Reisfelder beobachtet, ebenso nördlich von Valencia um Puig Pazol
Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. .52. 1907. 9
130 M. Rikli.
und bei Sagunt, jedoch hier immer nur in kleinen Parzellen. In der
Provinz Valencia sind im ganzen ca. 24000 ha dem Reisbau unterworfen^
es entspricht dies ungefähr 86 7o der gesamten spanischen Reiskultur.
Der Viehzucht dient der Anbau von Luzerne und Esparsette
und unter den Gespinstpflanzen treffen wir den Hanfund die Agave,
letztere wird in grossen Mengen zu Agavefasern verarbeitet.
Endlich soll noch einiger Kulturpflanzen gedacht werden, die nur
lokal von Bedeutung sind; Gewächse, die z. T. in Europa überhaupt
nur in dieser Huerta angepflanzt werden. Es sind: die Erdnuss
{Arachis hypogaea L.), eine subtropische Kulturpflanze; sie wird be-
sonders im Süden von Valencia, um Benifayo, Algemesi und bei Barcheta
(südlich von Jativa) kultiviert. Dann die Erdmandel [Cijperus escu-
le/itus L.), deren essbare Knollen im trockenen Zustand sehr an
Morcheln erinnern; dieselben werden schon seit der Maurenzeit, be-
sonders um Alboraya und Almacera, 4 bis 6 km nördlich von der
Hauptstadt angebaut, und endlich sei auch noch die um Gandia in
grossem Masstab betriebene Erdbeerzucht erwähnt. Die Erdbeere
wird hier felderweise angepflanzt.
b) Die Huerta von Murcia. Obwohl ebenfalls von sprichwört-
licher Fruchtbarkeit, besitzt dieselbe jedoch lange nicht eine so grosse
Mannigfaltigkeit an Feldfrüchten, wie diejenige Valencias. Die Huerta
von Murcia ist auch bedeutend kleiner, indem sie sich mit der im
Osten sich unmittelbar anschliessenden Huerta von Orihuela nur über
etwa 35 km Länge bei einer mittleren Breite von 5 bis 7 km erstreckt.
Die bewässerte Huerta von Murcia und Orihuela umfasst nur ca. 33 000 ha,
ist also kaum ein Viertel so gross wie diejenige von Valencia.
Der Getreidebau beansprucht unter den Feldfrücbten der Huerta
von Murcia -Orihuela die führende Rolle. Die Hauptfrucht ist der
Weizen und zwar hauptsächlich der englische Weizen {Triticum
turgidum L.). Die gewaltigen Weizenfelder werden jährlich wenigstens
zweimal unter Wasser gesetzt, zuerst vor der Aussaat des Kornes
und dann wieder zur Blütezeit. Neben Weizen spielt auch der Mais
eine nicht unbedeutende Rolle. Als zweitwichtigste Nutzpflanze
stocken auf dem Getreideland zahlreiche Maulbeerbäume, denn die
Seidenraupenzucht gehört zu den wichtigsten Erwerbsquellen der
Murcianer. Im ersten Frühjahrsschmuck, zur Zeit wo die jungen,
grünen Saatfelder unter den frisch belaubten Maulbeerpflanzungen
prangen, gleicht die Landschaft einem grossen Parke oder einem ge-
waltigen Obstgarten. Von Gemüsen sieht man in grossen Mengen Sau-
bohnen, die sog. Garbazanos oder Kichererbsen angepflanzt, Salat
und Kartoffeln fehlen auch nicht, unbedeutend ist dagegen der Anbau
Botanische Reisestudien von der spanischen Miltelmeerküste. 131
■von Artischoken. Die Kultur von Südfrüchten: Orangen, Citronen,
Mandarinen tritt stark zurück, denn der gefürchtete „Solano" wird
ganz besonders diesen Kulturen verderblich. Wie um Valencia findet
sich um Murcia die Dattelpalme nur ganz vereinzelt, seltener auch
gruppenweise. Es fehlt die Erdnuss- und Erdmandelkultur; der
Reisbau ist sehr unbedeutend (nur ca. 470 ha), dagegen werden
Bataten {Ipomoea batatas Poir.) gezogen und die grosse Trocken-
heit ermöglichte einst, auf Opuntia Ficus indica, sogar die Zucht
und Akklimatisation der Cochenilleschildlaus; doch scheint diese Er-
werbsquelle nun wieder aufgegeben zu sein; trotz Nachfrage konnten
wir auf unseren beiden Reisen keine Cochenillezucht ausfindig machen.
Von Gespinstpflanzen sind Flachs und Hanf erwähnenswert.
Für jede Huerta ist bezeichnend, dass sich an die Regadio, d. h.
an das bewässerte Kulturland die Secano oder das unbewässerte
Kulturland anschliesst. Olea eiiropaea L. und Ceratonia siliqua
L. sind für diese Zone charakteristisch; so wird jede Huerta an ihrer
Peripherie von einem mehr oder weniger mächtigen Gürtel von Öl-
baum- und Johannisbrothainen umgeben. Übrigens gibt es eine Reihe
von Kulturpflanzen, die je nach Lage bald der Secano, bald der Re-
gadio zuzuzählen sind. Im südlichen Teil von Katalonien und im
nördlichen Teil von Valencia wird gewöhnlich weder das Getreide,
noch die Hülsenfrüchtler, noch der Weinstock bewässert, im trockeneren
Süden Valencias und in den Provinzen Alicante und Murcia gehören
dagegen auch diese Kulturpflanzen meistens zum Regadio.
3. Die Palmenoase. Die bedeutendste Palmenoase, diejenige
von Elche (Tafel HI Fig. 5, Tafel VI Fig. 10) habe ich im Neujahrs-
blatt (25) pg. 33 bis 37 geschildert; grössere Palmenoasen besitzen
auch noch Cartagena, Callosa, Orihuela etc. Wie die Huerta.
so werden auch die Dattelpalmenoasen regelmässig bewässert. Gegen-
über der Gartenlandschaft unterscheiden sie sich wesentlich durch
ihren bedeutend kleineren Umfang, durch den fast unvermittelten
Übergang zu den sie umgebenden Steppengebieten und durch die \äel
geringere Zahl der in ihr angepflanzten Kulturgewächse. Neben dem
Granatapfelbaum {Punica g)-anatum L.), der stellenweise im
Palmenwald Unterholz bildet, kommt nur noch der Getreidebau in
Betracht, es wird in Elche hauptsächlich die vierzeilige Gerste
(Trificum vulgare L. v. fefrasfijchon) angepflanzt. Alle anderen
Kulturgewächse sind dagegen von recht untergeordneter Bedeutung
und dienen in der Hauptsache nur den Bedürfnissen der Bevölkerung.
Neben den bekannten Gemüsepflanzungen (Saubohnen, Arti-
schoken) sahen wir in Elche eine kleinere Parzelle mit Süssholz
{Glycyrhiza glabra L.) besetzt. Obwohl in den Palmenoasen der
132' M. Rikli.
Litoralsteppe die Datteln vollständig ausreifen, so liefern doch nicht
die Früchte, sondern die Palmwedel die Hauptnutzung der Dattel-
palmen (Textfigur 11).
B. Die Bewässerungsanlagen.
Der wertvollste Teil jeder Huerta ist das Regadio. Wer aus der
Steppe in eine Palmenoase kommt, wird von deren Üppigkeit und
Fruchtbarkeit überrascht sein, — Huerta und Palmen oase verdanken
einzig der Bewässerung ihren hohen wirtschaftlichen Wert. Werfen
wir daher noch einen Blick auf die verschiedenen Systeme von Be-
wässerungsanlagen. Wir unterscheiden :
1. Stauwerke. Es sind dies die Bewässerungsanlagen erster
Ordnung, denen in erster Linie die intensive Kultur von Südvalencia,^
Alicante und Murcia zu verdanken ist. Die ältesten dieser gewaltigen
Unternehmungen sind wohl bis auf die Zeit Roms zurückzuführen,
doch gebührt den Arabern das grosse Verdienst, diese hohe Kultur-
arbeit durch zielbewussten Ausbau, durch treffliche Sachkenntnis unter
Benützung der gegebenen Nivellierungsverhältnisse mächtig gefördert
und dadurch den Wohlstand dieser Teile Spaniens sehr gehoben zu
haben. Bei all' diesen Bewässerungsanlagen wird im Gebirge, durch
eine gewaltige Mauer, ein Flusstal abgesperrt und so ein Stausee,
ein sogen. Pantanos oder Sammelteich, geschaffen. Mit mächtigen
Quadern ausgemauerte oder in Cement und Beton ausgeführte Kanäle
führen das Segen spendende Wasser, oft viele Kilometer weit, zur
Huerta (Tafel X Fig. 16). Seltener wird das Wasser in undurch-
lässigem Lehmboden einfach durch mit der Hacke ausgeworfene
Gräben geleitet. In allen Fällen verzweigen sich die Kanäle mehr
und mehr, um schliesslich in gesetzlich geregelter Weise jeder ein-
zelnen Parzelle zugeführt zu werden. Südlich vom Ebrotal ist an
der Mediterranküste Spaniens jeder grössere Fluss in dieser Weise
der Kulturarbeit des Menschen dienstbar gemacht worden. Nicht nur
die erste Anlage dieser Stauwerke, auch deren Unterhalt verschlingt
jährlich grosse Summen. Es sind gewissermassen Nationalwerke, die
bald auf Kosten grosser Städte oder ganzer Bezirke und Provinzen
ausgeführt wurden, auch mehrere spanische Könige, ja selbst Klöster
und hohe geistliche Würdenträger haben sich um den Ausbau dieser
Lebensadern der Ostküste Spaniens verdient gemacht. Die „Pias
fundaciones", d. h. die sog. frommen Stiftungen zwischen Elche und
Orihuela sind das Werk des Kardinal Belluga. Der Sammelteich der
Castalla kann eine Wassermenge von 3,7 Millionen Raummeter Wasser
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste. 133
rsammeln, welche die Huerta von Alicante berieselt. Dieses Werk
wurde in den Jahren 1579 — 1594 von Juan de Herrera, dem Erbauer
des Escorial ausgeführt. Die grossartigen Bewässerungsanlagen im
südlichen Teil der Huerta von Valencia stammen zum grössten Teil
aus sehr alter Zeit. Eine der jüngeren Anlagen ist die „Acequia del
Rey". Ein Denkstein trägt folgende Inschrift : „Debo mi principio al
Rey D. Jaime (Jakob I. von Aragonien, 1213 — 1276) al justo D. Martin
•(Martin L, 1395 — 1414), mi privilegio y la gloria de verme concluida
al monarca mayor Carlos tercero" (Karl III. 1759 — 1788). So ar-
beiteten öfters Jahrhunderte am Ausbau dieser Kanalsysteme. Zu den
grossartigsten Sammelteichen gehören die beiden Puentes von Lorca.
Sie wurden unter Karl III. 1785 begonnen und bereits 1791 beendigt.
Die Kosten beliefen sich auf 2 Millionen Pesetas, für jene Zeit eine
bedeutende Summe; die beiden Behälter konnten zusammen 54 Mill.
Raummeter Wasser fassen. Der Mauerdamm des Pantano von Lorca
hatte eine Länge von 282 m und eine Höhe von 50 m. An der Basis
war die Mauer 46 m und am oberen Ende noch 10,89 m dick. Dass
solche gewaltige Stauwerke bei ungenügender Kontrolle und Unter-
haltung auch eine grosse Gefahr werden können, liegt auf der Hand.
Die Pantano von Lorca bewährte sich nur 11 Jahre. Am 30. April 1802
-durchbrach sie, die gewaltige Wassermasse brachte über Lorca und
deren Huerta schreckliche Verheerungen. 608 Personen verloren das
Leben und der Schaden und Verlust an Eigentum wurde auf über
5 Millionen Pesetas geschätzt.
2. Schöpfwerke. Es sind lokale Bewässerungsanlagen, die das
Wasser bald Flüssen und Kanälen, bald dem Grundwasser oder den
zur Regenzeit in Brunnschachten angesammelten Wasservorräten ent-
nehmen.
Wir unterscheiden zwei Typen:
rt) Das Wasserrad (Tafel XII Fig. 19) kann nur an Flüssen
und Kanälen verwendet werden, denn das fliessende Wasser liefert
die motorische Kraft, welche das Rad in Bewegung setzt und so die
gefüllten Behälter in die Höhe hebt. Beim weiteren Umdrehen des
Rades wird das gehobene Wasser in eine Rinne gegossen, um dann
dem Kulturland zugeleitet zu werden. Solche Wasserräder sind nicht
häufig, wir sahen sie an der Segura bei Murcia.
b) DieNoria, es sind Schöpfbrunnen arabischen Ursprungs, wie
sie in den südlichen Teilen des Landes überall angetroffen werden.
Das Wasser wird aus der Tiefe eines Brunnschachtes in die Höhe
gehoben, indem ein Esel oder Maultier an den Balken des Hebewerkes
gebunden beständig im Kreise herumgeht (Tafel X Fig. 15). Mit diesem
134 M. Hikli.
Wasser kann ein kleines Stück Land, das um so grösser sein wird,
je reichlicher der Wasservorrat und je öfters die Noria in Betrieb
gesetzt werden kann, bewässert werden. Öfters sieht man mitten in
der Steppe ein einsames Häuschen, ein sog. Caserio oder Einzelhof,
umgeben von einigen schlanken Dattelpalmen. In deren nächster
Umgebung sind einige Getreideäckerchen und etwas Gemüseland;
vielleicht findet sich auch noch ein kleines Obstgärtchen , in dem
Feige, Granatapfel und Mandel ganz ordentlich gedeihen. Jede
dieser kleinsten Kulturinselchen verdankt ihre Existenz einer Noria
(Tafel VIII Fig. 13). Aber auch innerhalb der Huertas bemerkt man
zuweilen noch viele Schöpfbrunnen, ihr Wasser ist eine wertvolle
Bereicherung der aus dem nächsten Kanal bezogenen Wassermenge.
Zuweilen wird das Wasser der Noria zuerst in ein Sammelbecken
geleitet, um erst von hier aus den Kulturen zugeführt zu werden,
doch sind solche Anlagen nicht häufig. Unsere Tafel IX zeigt eine
Noria mit Sammelbecken der Huerta von Soller auf Mallorca.
3. Sickerwerke. Westlich von Lorca, gegen Empalme und
Baza ist das Land ausserordentlich trocken und dürr und die Be-
völkerungsdichte so dünn, dass sich grössere, kostspielige Bewässe-
rungsanlagen nicht wohl ausführen lassen. Von Kulturpflanzen wird
beinahe nur noch Getreide angetroffen. In diesem Gebiet sind nun
die Felder von niederen, halb- bis fusshohen Dämmen aus mergelig-
lehmiger, undurchlässiger Erde umzogen. Auf diese Weise wird da-
für gesorgt, dass die während der Regenzeit gefallenen Niederschläge
nicht sofort abfliessen, sondern allmählich in den Boden sickern und
denselben gehörig durchfeuchten. Das einer bestimmten Flächen-
einheit zukommende Wasser wird dadurch dieser erhalten. Ohne diese
Umfassungsdämmchen wäre dies nicht möglich, denn der Boden ist
nach der langen Trockenperiode steinhart, so dass das Wasser
zuerst einige Zeit liegen muss, bis es einsickern kann. Die so dem
Boden zugeführte Feuchtigkeit genügt gerade, um dem während der
Regenzeit ausgesäten Korn seinen normalen Entwicklungsgang zu
ermöglichen. Schon Ende April oder Anfang Mai ist dasselbe
schnittreif. Das ausgereifte Getreide steht natürlich sehr dünn und
ist selten mehr als zwei bis drei Fuss hoch. Das Ausbleiben der
Regenzeit oder auch nur ungenügende Niederschläge bedeuten eine
völlige Missernte und Hungersnot^, wie sie leider in jenen Landes-
gegenden hin und wieder vorkommen. Nach der Ernte bleiben die
Felder, während der nun eigentlich erst beginnenden eigentlichen
Trockenzeit, brach liegen; über den weiten Stoppelfeldern erhitzt
sich die Luft und nicht gerade selten soll dann die Erscheinung der
Fata morgana sein.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste. 135
Neben Stau-, Schöpf- und Sickerwerken gibt es endlich in Süd-
ostspanien noch andere Kulturmöglichkeiten, wo der Mensch ohne
seine vorbereitende Tätigkeit günstige Bedingungen zur Bebauung
des Bodens vorfindet; leider sind solche Standortsverhältnisse nicht
häufig und immer nur von lokaler Bedeutung, es sind einerseits die
Uberschwemmungszonen von Flusstälern und anderseits die kleineren
muldenförmigen Depressionen, wie sie sich zuweilen sogar auf den
verkarsteten Hochflächen finden.
4. Überschwemmungsgebiet der Flusstäler. Viele Flüsse
der spanischen Mittelmeerküste führen wenig Steine, sondern nur einen
feinen Schlamm, der öfters eine chokoladebraune Färbung besitzt und
sich zur Hochwasserzeit auf das umgebende Land absetzt, dasselbe
zugleich düngt und durchfeuchtet. Auf unserer Reise nach Baza hatten
wir Huercal Overa bereits hinter uns. Aus der Grassteppe waren
wir in die Salzsteppe gekommen, — die Umgebung von Zurgena
trug sogar mehr Wüsten- als Steppencharakter, — ein Stück Afrika
auf europäischem Boden. Da nähert sich die Bahnlinie bei Alman-
zora dem Plateaurand. In der Tiefe verläuft ein Fluss, seine Ufer
begleiten Pappelwäldchen, Oleander- und Tamarixgebüsche. Das ebene,
schmale Land längs der Uberschwemmungszone prangt im Schmuck
grüner Saatfelder und die trockeneren Gehänge sind mit Oliven-
hainen bedeckt. Doch wie ein Phantom zieht dieses Bild rasch an uns
vorüber, und bald umgeben uns wieder ausgedehnte Wüstensteppen.
5. Muldenförmige Depressionen. Im Gebiet der Litoral-
steppe zwischen Huercal Overa und Guadix werden die kleinen mulden-
förmigen Vertiefungen überall angebaut. Diese Depressionen sind
nach drei Richtungen bevorzugt. Es wirken hier zusammen: die
grössere Feuchtigkeit dieser Depressionen, der Windschutz und die
Ansammlung feiner äolisch abgelagerter Steppenerde. Oft weit ent-
fernt von jeder menschlichen Ansiedelung findet sich in einer solchen
kesseiförmigen Vertiefung zuweilen nur ein einziges Getreideäckerchen
oder es beherbergt die Mulde einige Öl-, Feigen- oder Granatapfel-
bäume. Es ist geradezu bewunderungswürdig, mit welcher Ausdauer
die Bevölkerung jede Kulturmöglichkeit förmlich wittert und gleich
von dem auch nur einigermassen geeigneten Boden Besitz ergreift.
Selbst kleine, nur wenige Quadratmeter umfassende Trichter der ver-
karsteten Hochfläche werden nicht verschmäht.
III. Die Urbarmachung des Naturlandes.
Unsere Exkursionen in die Steppengebiete der Provinzen Valencia
und Murcia brachten uns so recht zum Bewusstsein, wie sehr seit
136 M. Rikli.
Rossmäslers und Willkomms Zeiten, d. h. seit Mitte des 19. Jahr-
hunderts das Gebiet der Steppe an Areal eingebüsst hat. Von unseren
Standquartieren ausgehend, mussten wir öfters stundenweit durch
Kulturland ziehen, bis es uns gelang, noch dürftige Reste der Litoral-
steppe aufzufinden. Die Aufenthalte in Alicante, Elche, Orihuela,
Cartagena, Murcia galten alle dem Studium der Steppe und doch sind
wir wiederholt ausgezogen and wieder zurückgekehrt, ohne typische
Steppen angetroffen zu haben. „Auf in die Steppe", war täglich
unser Losungswort, bis wir uns überzeugen mussten, dass es in diesen
Gebieten eine zusammenhängende, grosse Steppe kaum mehr gibt, und
dass nur noch von mehr oder weniger grossen Steppeninseln ge-
sprochen werden kann. Erst südwestlich von Lorca beginnt heute
das zusammenhängende Steppenareal, das Gebiet, wo die Steppe über-
wiegt und das Kulturland nur noch streifen- oder inselartig auf-
zutreten vermag. In dem Dreieck Alicante-Cartagena-Murcia halten
sich dagegen gegenwärtig Steppen und Kulturen das Gleichgewicht
oder es überwiegen die letzteren. Dieses Land steht noch mitten
in einem kulturhistorischen Prozess von grösster Bedeutung: der
Urbarmachung der Steppengebiete, ein Prozess, der allerdings
seit Jahrhunderten hin- und hertobt und in dem bald der Steppe
Gebiete entrissen werden, bald von ihr wieder Neueroberungen zu
verzeichnen sind. Von Natur ist das Land Steppengebiet. Nur bei
andauernder intensivster Einwirkung des Menschen kann das Kultur-
land sich behaupten. Jede grössere politische Umwälzung, welche in
ihren Folgen störend auf diese Kulturarbeit einwirken musste, jede
zeitweise Vernachlässigung der Stauwerke und Kanäle wirkte sofort
auf den momentanen Gleichgewichtszustand zwischen Kultur- und
Naturland ein und brachte der zurückgedrängten Steppe erneuten
Zuwachs. Öfters wurde während Jahrhunderten der Unterhalt der
Kanäle unterlassen, alle Neuanlagen unterblieben, ja noch mehr,
einzelne Kanäle brachen durch, so entstanden stellenweise fieber-
gebärende Sümpfe; anderen Länderstrichen fehlte wiederum die nötige
Feuchtigkeit, sie nahmen daher neuerdings mehr und mehr Steppen-,
ja Wüstencharakter an.
Kann man sich einen grösseren Gegensatz denken als Wüsten-
steppe und Huerta? In dem verhältnismässig eng begrenzten Gebiet
der Küstenzone von Alicante und Murcia wechseln jedoch diese beiden
grundverschiedenen Landschaftstypen wiederholt und dies einzig kraft
des Zwanges, den der Mensch hier der Natur auferlegt hat; eines
Zwanges, der so einschneidend ist, dass ein Nachlassen der Macht-
mittel dei" Kultur sich sofort geltend machen muss, so dass dann die
Naturkräfte wiederum neue Stosskraft erhalten. Das Land befindet
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste.
137
sich so gewissermassen in einem labilen Gleichgewichtszustand, dies
ermöglicht auch heute noch den Entwicklungsprozess der Urbar-
machung des Landes wenigstens in den Hauptzügen zu erkennen,
denn in einzelnen Etappen und an den Aussenposten ist unter diesen
Umständen der Prozess auch heute noch in vollem Gang.
Phot. P. BohtKj.
Fic}. 11. Madrid. Verkauf von Palniwedel von Elche
am Palmsonntag 1906 (pag. 131,132).
Es lässt sich folgendes Schema aufstellen:
A. Ursprüngliches Naturland: Litoralsteppe (Tafel IV
Fig. 7 und Tafel V, VII) vom Typus der Wüstensteppen, entweder
138 M. Rjkli.
Salzsteppen oder Löss-, Gruss- und Felssteppen, mit Haifa, Lygeum,
Salicornien, Artemisien, Thymian, etc. als Leitpflanzen.
Urbarmachung und Umwandlung desselben in:
B. Kulturland.
Diese Kulturarbeit erfolgt in folgenden Etappen:
I. Einzelkultur, meist ohne Bewässerung (campos secanos.
Tafel ly Eig. 8).
^ Hg ^ 1. Olivenhaine, dieselben werden gelegentlich vertreten
m^ s ci j durch Johannisbrotkulturen (Algarroba) [als Pferdefutter],
- - ag 3 i g^ besonders im südlichen Catalonien und in Valencia.
Im Süden auch
öfters zeiüveise
bewässert und
nur dann noch
gute Ernten
sehend.
2. Getreidebau, nur Wintergetreide und
% i.~ S. / ohne Bewässerung, im Süden nur dürftig
^ ^ I I ] gedeihend (Tafel IV Fig. 8).
i^ ffi^/3. Rebenkulturen. Export von frischen
o n^ ? Q. ' Trauben, Rosinen (Denia, Almeria etc.)
^ ? ^. § ' oder Wein (Alicante, Malaga).
IL Polykultur. Gartenlandschaft oder Huerta, zunächst
immer nur von Oasencharakter, — dies gilt besonders für die Dattel-
palmenkultur. Das Land wird stets regelmässig bewässert (campos
regadios).
1. Obstbau: Feigen, Pfirsiche, Mandeln, Aprikosen, Maulbeeren,
Granatapfel, Äpfel, Birnen, Erdbeeren (Gandia). — Erdnuss
(Valencia).
2. Gemüsebau: Saubohnen, Kichern, Tomaten, Artischoken,
Lauch, Knoblauch, Zwiebeln, Gemüseplatterbse, Buschbohnen,
Pferdebohnen, Eierpflanze, Gurken, Melonen, Kürbisse. Was-
sermelonen; — Bataten (nur in Murcia), — Süssholz (Elche)^
— Erdmandel (Valencia).
3. Futterbau: Luzerne, Esparsette, Hafer, Lupinen, — Maul-
beer (Seidenraupenzucht).
4. Gespinstpflanzen: Hanf, Flachs, Agave behufs Gewinnung
der Agavefasern. (In den Steppengebieten des Espartograses
[Haifa] für Papierfabrikation und Flechtereiarbeiten.)
5. Getreidebau: Reisbau, in grösserem Masstab beinahe nur
in Valencia betrieben, und Weizenkultur mit Triticuni
turgidiun als Hauptgetreide. Zentrum dieser Kultur in der
Huerta von Murcia; Gerste (Elche). Untergeordnet ist der
Anbau von Mais.
6. Orangenkultur (einschliesslich Citronen und andere Süd-
früchte) um Castellon de la Plana, Nules, Valencia und auch
stellenweise in der Huerta von Alicante und Murcia be-
sonders intensiv betrieben.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste. 139
Dattelkultur (Tafel III und VI), nur im Süden zwischen
Alicante-Cartagena-Orihuela. Das Massenzentrum dieser Kul-
tur liegt in Elche. Als Unterholz wird der Granatapfel-
baum angepflanzt und als weitere Frucht fast ausschliesslich
Gerste (Triticu/n vulgare v. tetrastychon) angebaut.
Anhang.
Zur Organisation akademischer Studienreisen.
Wiederholte Anfragen veranlassen mich, hier noch einiges über unsere Er-
fahrungen bei der Organisation akademischer Studienreisen mitzuteilen. Von grösster
Wichtigkeit ist die Vorbereitung, welche allerdings ein grosses Stück Arbeit
erfordert, gilt es doch zunächst das Reiseprogramm zu entwerfen sowie sich über
die Verbindungsmöglichkeiten und Unterkunftsverhältnisse zu orientieren. Zuver-
lässige Angaben zu erhalten ist oft recht schwierig, besonders bei den nicht selten
rasch wechselnden Schiffs- und Postverbindungen. Gleichzeitig mit dem Entwurf
des Reiseprogramms muss auch, und zwar möglichst soigfähig, der Kosten Vor-
anschlag ausgearbeitet werden. Um die Mittel der Studierenden nicht zu sehr in
Anspruch zu nehmen und um so einer grösseren Zahl derselben zu ermöglichen,
sich an diesen Studienreisen zu beteiligen, wird man bestrebt sein, das Reisebudget
innerhalb bestimmter Grenzen zu halten, doch darf weder Verpflegung noch die
Annehmlichkeit des Reisens darunter leiden. Der Betrag soll jedenfalls so fest-
gesetzt werden, dass eine Überschreitung desselben nicht wahrsclieinlich ist. Eine
Hauptausgabe erfordern die Transportkosten, doch gewähren die französischen und
spanischen Bahngesellschaften für solche Studienreisen ganz besondere Vergünstigungen,
sei es auf direkte schriftliche Anfrage, sei es durch Vermittelung von Konsulen.
So erhielten wir gegenüber den gewöhnlichen Fahrpreisen auf den französischen
•00%, auf den spanischen Bahnen 20 bis 50**/o Rabatt und die Compauia Mallorquina
de Vapores gewährte uns eine Preisermässigung von 25 "o. Auch mit den Hotels
wird man, wo immer möglich, mit Vorteil vorher über die Preise unterhandeln.
Kommt eine Gesellschaft von 20 bis .30 Mann abends unangemeldet an, so ist es oft
schwierig, genügend Unterkunft zu finden und die Hotelleitung wird, die Zwangslage
benützend, hohe Forderungen machen. Meldet man sich jedoch schon einige Wochen
vorher schriftlich an, so Avird man mit Leichtigkeit Preise zugesichert erhalten, die
20 bis 30 "/o unter den gewöhnlichen Ansätzen stehen. Es kann aber auch vor-
kommen, dass man seinen Reiseplan ändern muss und genötigt wird, irgendwo zu
übernachten, wo man nicht angemeldet ist. In diesem Fall ist es am zweck-
mässigsten, mit bezahlter Antwort telegraphisch einen mittleren Preis anzubieten.
Das Angebot wird fast immer angenommen.
Die billigsten Reisen hat Prof. Chodat ausgeführt:
Reise nach Korsika (1899) 21 Tage = frcs. 150, pro Tag frcs. 1,00.
, Mallorca (1903) .30 „ = „ 200, „ „ ,. 6,65.
„ Barcelona-Cartagena(1905)22 „ ::=^ ., 2.50, „ „ „ 11,40.
Auf unserer vierwöchentlichen Reise (1906) betrugen die allgemeinen Reise-
kosten per Teilnehmer frcs. 430 oder frcs. 14,90 pro Tag, wobei jedoch bemerkt
Averden muss, dass wir fast immer zweiter Klasse reisten und, was noch mehr ins
Gewicht fällt, viel grössere Entfernungen zurückgelegt haben. In diesem Betrag
sind inbegriffen: die vorbereitenden Auslagen, alle Reiseko.sten (mit Einschränkung
140 M. Rikli.
in Bezug auf das Gepäck), die Hotelrechnungen. Handgelder, Führer; wir haben
ferner daraus bestritten den Besuch von Theatern, Stiergefechten etc. Dagegen soll
als strenge Regel gehen, dass im Hotel alles persönlich Bestellte sofort bezahlt
werden muss; denn sonst kann die Hotelleitung auf die Rechnung setzen, was sie
will, eine Kontrolle wäre einfach unmöglich und das ganze Reisebudget würde da-
durch in Frage gestellt.
Nur wenig ungünstiger stellen sich die Reisen der technischen Hochschule in
München, wobei jedoch hervorzuheben ist, dass die Gesellschaft immer in der dritten
Klasse reiste.
1. Reise an die Riviera (1904) 10 Tage = Mk. 120 = frcs. 150 = pro Tag frcs. 15.-.
2. Reise nach Algier (1906) 14 „ = ,, 180 = „ 225 = „ „ „ 16.10.
Verhältnismässig am teuersten stellen sich die Reisen der Franzosen, obwohl
denselben die gleichen Fahrvergünstigungen zuteil wurden ; es erklärt sich dies aus
dem grossen Freiheitsbedürfnis derselben. Jeder Teilnehmer sorgt für seinen eigenen
Unterhalt. Der Nachteil ist ein doppelter, es ergeben sich daraus nicht nur be-
deutend grössere Reisekosten, sondern naturgemäss auch ein erheblicher Verlust
der kostbaren Zeit.
Balearenreise vom Jahr 1905. 14 Tage; ab Paris frs. 200, wobei sogar ein Auf-
enthalt von 4 Tagen in Banyuls-sur-Mer, der keine Reise-, sondern nur Ver-
pflegungskosten erforderte, gemacht wurde. Kosten pro Tag frs. 14,30, also
mehr als das Doppelte der Reisekosten von Chodat (1903).
Nordafrikareise vom Jahre 1906. 17 Tage; ab Zürich frs. 340, pro Tag frs. 20. — .
Von grösster Wichtigkeit ist, dass der Exkursionsleiter mit amtlichen Em-
pfehlungsschreiben versehen ist und zwar einerseits zu Händen der Zoll-,
anderseits an die höheren Zivilbehörden. Das mitgeführte Pflanzenpapier, die
Sammelgläser, die Konservierungsflüssigkeiten (Alkohol, Formol etc.), die Pflanzen-
pressen, die verschiedenen Instrumente oder gar wenn die Gesellschaft noch Zelte
und Reiseproviant mit sich führt, das alles erregt am Zoll natürlich grosses Auf-
sehen und veranlasst das den Dienst versehende Personal, seine Aufgabe ganz be-
sonders gründlich vorzunehmen. Schreiben von Konsulen oder von der Gesandt-
schaft des betreffenden Landes werden entweder eine vollständige Befreiung von
der Zollrevision bewirken oder doch den Zollvorstand veranlassen, nur stichprobe-
weise einige Gepäckstücke öffnen zu lassen Die Empfehlungsschreiben an die Zoll-
ämter geben über die Teilnehmerzahl und über den wissenschaftlichen Zweck der
Reisegesellschaft Aufschluss. Das persönliche Gepäck muss auf das allernot-
Avendigste beschränkt werden, der einzelne Teilnehmer sollte mit einem Rucksack
oder doch mit einem kleinen Handköfferchen, das im Notfall selbst getragen werden
kann, auskommen. Eine grössere Belastung beeinträchtigt sehr die Bewegungsfähig-
keit. Der Exkursionsleiter wird daher vor der Abreise die Erklärung abgeben, dass
der Gepäcktransport von der Bahn, beziehungsweise vom Schiff ins Hotel nicht aus
der allgemeinen Reisekasse gedeckt wird, sondern zu Lasten jedes einzelnen fällt,
und dass die Reiseleitung auch die Verantwortung dafür ablehnt, dass grössere Ge-
päckstücke immer befördert werden können. Durch diese Anordnung wird es mög-
lich sein, das Gepäck auf das. absolut Notwendige zu beschränken.
Der amtliche Ausweis an die höheren Zivilbehörden (Gouverneure,
Post- und Bahnhofvorstände, Hafenämter etc.) wird durch Vermittlung des Departe-
ments des Äussern in Bern auf diplomatischem Wege erhalten ; bei kleineren Reisen
genügt auch wohl das Empfehlungsschreiben eines Konsuls. Der Wert eines solchen
Handschreibens ist nicht zu unterschätzen. Zunächst ermöglicht dasselbe durch
Vermittlung der Lokalbehörden über Verkehrs- und Unterkunftsverhältnisse zuver-
lässige Erkundigungen einzuziehen und anderseits ist dasselbe in allen möglichen
Zwischenfällen eine wertvolle Beruhigung, es ermöglicht bei unfreundlicher oder
-geradezu schikanöser Behandlung durch untergeordnete Amtsstellen mit der nötigen
Energie aufzutreten. Man denke sich z. B. den Fall, dass ein Teilnehmer ohne
Botanische Reisestudieii von der spanischen Mittelmeeiküste. 141'
"Wissen an verbotener Stelle eine photographische Aufnahme macht und von einer
Wache angehalten wird. Die Verhaftung kann bei den schlechten Schiff- und Bahn-
verbindungen vielleicht den ganzen Reiseplan in Frage stellen. Der amthche Aus-
weis wird in einer solchen Lage von grossem Nutzen sein. Auch uns hat dieses
Schreiben wiederholt wertvolle Dienste geleistet, indem wir demselben mannigfache
Unterstützung und allerlei Aufmerksamkeiten von Seiten fremder Behörden zu ver-
danken hatten.
Die Reisekasse selbst wird man nur zum kleineren Teil in Bargeld mitführen;
für den Hauptbetrag sollte man sich einen Kreditbrief und zwar nicht in unserer
Währung, sondern in der üblichen Landesmünze (z. B. für Spanien in Pesetas, für
Italien in Lire) ausstellen lassen. Man wird so viel besser den vollen Wert der
Kursdifferenz ausnützen können.
Zur Vorbereitung gehören ferner auch einige Vorbesprechungen, in denen
die Teilnehmer in geographischer, ethnographischer und naturhistorischer Hinsicht
über die zu bereisenden Gebiete unterrichtet werden. Bei dieser Gelegenheit wird
sowohl das Kartenmaterial wie auch die wichtigste Literatur aufgelegt. Wenn
immer möglich, sollten diese vorbereitenden Vorträge durch Projektionsbilder er-
gänzt werden. In diesen Vorbesprechungen wird sich auch Gelegenheit finden, die
gemeinsamen geschäftlichen Fragen : Ausrüstung, Kleidung, Nachsendung der Post etc.
zu besprechen.
In Anbetracht der in den Mittelmeerstaaten oft grossen Unzuverlässigkeit und
Langsamkeit der Postverbindungen sind, um Verluste zu vermeiden, alle Paket- und
Geldsendungen am besten ganz zu unterlassen. Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass
bei einer grösseren Gesellschaft die Erhebung der eingelaufenen Briefe auf der Post
jeweilen mit einem unverantwortlichen Zeitverlust verbunden war. Bei der geringen
Schulung der meisten niederen Postbeamten und bei den öfters unleserlichen Schriften
ist man zudem nicht einmal sicher, ob alle eingegangenen Briefe wirklich abgegeben
worden sind. Um diesem doppelten Übelstande abzuhelfen, sind alle Briefe an
den Exkursionsleiter zu adressieren; auf der Rückseite des Briefumschlages wird
vom Absender der eigentliche Adressat vermerkt.
In einem besonderen Reisekorb führt die Exkursionsleitung auch noch das
allgemeine Gepäck mit. Dasselbe umfasst:
a) Die Reiseapotheke: «) medizinische Ausrüstung: Opiumtink-
tur, Wismut, Phenacethin in Dosen von 0,5 gr ; Aspirin ü,5gr-Dosen;
Chinin 0,25 gr; Calomel 0,2 + 0,5 sacch. lact. u. Pilulae laxantes, Kalium
chloricum; Fuss- und Insektenpulver, Salmiakgeist. ,5) Chirurgische Aus-
rüstung: Verbandstoff, Verbandwatte; konzentrierte Desinfektionsflüssig-
keit; Bismut oxyjodogallicum für offene Wunden; chirurgische Reisetasche.
b) Die photographischen Platten. (Durchschnitts verbrauch pro Tag
ca. 6 Platten.)
c) Die Reisebibliothek umfasst das Kartenmaterial, Florenwerke und die
Reisebücher.
d) Die wissenschaftliche Ausrüstung: Thermometer, Horizontal glas,
Anäroid, Formol, Planktonnetz, Düten, Notes-blocs etc.
e) Der Reiseproviant. Um ganztägige Exkursionen ausführen zu können,
wird gelegentlich im Freien abgekocht und daher mitgeföhrt : 1 bis 2 Allu-
miniumkochapparate, Spiritus, Tee, Maggisuppenrollen, Konserven, Singersche
Aleuronatbisquits etc.
In ihrer Aufgabe wird die Reiseleitung unterstützt durch:
1. Den Reise ar Zt. Die unregelmässige und vollständig veränderte Lebens-
weise, sowie die ganz andere Kost verursachen sehr leicht Darmstörungen, die im
Frühjahr oft recht empfindlichen täglichen Temperatui'schwankungen bedingen öfters
Erkältungen. Es ist daher eine Beruhigung sowohl für die Reiseleitung, wie auch
für jeden einzelnen Teilnehmer, wenn ein erfahrener Arzt sich in der Gesellschaft
befindet.
142 M. Rikli.
2. Der Photograph. Ein grosser Reisephotographenapparat (12 X 16j und
wo möglich noch eine Stereoskopkamera (8 X 8j sollten immer mitgeführt werden,
denn die selbstaufgenommenen Landschafts- und Vegetationsbilder bilden eine der
schönsten Reiseerinnerungen und sind später zur Illustration von Publikationen stets
sehr willkommen, sie liefern ferner die Grundlage zur Herstellung von Diapositiven
zur Belebung von Vorträgen. Die photographischen Platten werden auf Kosten der
Reisekasse angeschafft. Dem erfahrenen Photographen werden stets zwei Mann zur
Beihilfe beim Aufstellen und Einpacken des Photographenapparates zugeteilt.
3. Die Kontrolleure. Zwei Teilnehmer haben auf der Reise jeweilen beim
Verlassen der Bahnzüge, der Dampfboote oder Hotels nachzusehen, ob nichts liegen
geblieben ist.
4. Die K ü c h e s e k t i 0 n : sie besteht in der Regel aus drei Mann, welche das
Abkochen auf ganztägigen Exkursionen zu besorgen hat; in ihren Dienstkreis fällt
auch noch der Einkauf des nötigen Proviantes.
5. Die Lokalführer. Es sind teils Konsulen und Landsleute, teils Pro-
fessoren, Lehrer der Naturwissenschaften etc., die sich meist ein Vergnügen daraus
machen, mit ihrer genauen Kenntnis von Land und Leuten der Studiengesellschaft
in jeder Hinsicht behilflich zu sein.
Ist die Studienreise auf diese Weise vorbereitet, so kann der Erfolg nicht
fehlen. Nur aussergewöhnliche Zwischenfälle, die für den Augenblick vielleicht recht
unangenehm sind, jedoch oft gerade wesentlich dazu beitragen, den Reiz des Reisens
zu erhöhen, werden das wie ein Uhrwerk ablaufende Reiseprogramm zu beeinflussen
vermögen. Immerhin wird man für alle Fälle gut tun, schon im Programm Varianten,
wie sie sich etwa infolge von Witterungswechsel oder Veränderungen in den Schiffs-
verbindungen ergeben, vorzusehen. So Avird dafür gesorgt, dass keine Zeit verloren
geht, und dass die Reise möglichst nutzbringend ausgestaltet werden kann.
Auf der Reise selbst soll das Hauptgewicht nicht auf das Sammeln von
Pflanzen gelegt werden. Man kann bei dem in den Mittelmeerländern so auffallend
weitgehenden Endemismus und dem Vorkommen vieler Arten mit ausserordenthch
zerrissenem Verbreitungsareal auch nicht verlangen, dass der Botaniker jede Art
gleich mit Namen benennt. Standort und Datum jeder gesammelten Pflanze soll
jedoch sofort aufgeschrieben und die Pflanze dann in einen Schnitt der Etiquette
gesteckt werden; so werden A^erwechslungen unmöglich gemacht. Wichtiger als
die Kenntnis einer möglichst grossen Zahl von Arten ist das Studium des gesamten
Vegetationscharakters, der Formationen, der pflanzengeographischen Verbreitungs-
verhältnisse, welche die Grundlage der Florengeschichte liefern. Ganz besondere
Aufmerksamkeit wird man den Kulturpflanzen und Kulturmethoden schenken und
immer, ob es sich nun um Kultur- oder um Naturland handelt, den Vergleich mit
den heimatlichen Verhältnissen nicht unterlassen, -le nach Umständen und Bedürfnis
wird man am Abend in zusammenfassender Weise über die Tagesexkursion be-
richten und daran anschliessend eine allgemeine Diskussion eröffnen. Da diese
Studienreisen gewöhnlich mehrere Wochen in Anspruch nehmen, so muss für eine
möglichst grosse Abwechslung gesorgt werden, damit das Interesse nicht vorzeitig
versagt und eine gewisse Reisemüdigkeit eintritt. Man suche im Programm mög-
lichst Land- und Meerreisen, Bahn-, Fuhrwerk- und Fusstouren miteinander ab-
wechseln zu lassen; man stelle möglichst verschiedene Landschafts- und Vegetations-
typen einander gegenüber: Üppige Kulturlandschaften und öde, dürre Steppengebiete;
Waldlandschaften, Macchien, Felsenheide; Tiefland, Hochland, Hochgebirge; xero-
phytische und hygrophytische Vergesellschaftungen usw. Dabei richte man auch
sein Augenmerk auf Land und Leute und lasse innerhalb des Reiseprogrammes den
Teilnehmern so viel Freiheit als nur immer möglich. Der eine wird sich vielleicht
für Gonchylien interessieren, ein anderer für Heilpflanzen. Den Landwirt wird die
Bebauung des Bodens und die Viehzucht anziehen, der Kulturingenieur studiert die
Bewässerungsanlagen, wieder ein anderer Teilnehmer entdeckt in sich eine historische
■oder gar eine prähistorische Ader und wer weiss, vielleicht bildet sich auch noch
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerivüste. 143
eine Sektion für ethnograpliische Studien oder Architektonik. Für all' diese ver-
schiedenen Interessen ist auf der Reise reichlich Gelegenheit vorhanden und die dazu
nötige Zeit soll auch nicht fehlen : nur eigentliche „Reisebummler" suche man, bei
der Auswahl der Teilnehmer, möglichst auszuschliessen.
Wollen einige Teilnehmer eine vom Tagesprogramm abweichende Exkursion
ausführen, so soll auch in dieser Hinsicht das möglichst grösste Entgegenkommen
gezeigt werden. Doch verlange man prinzipiell immer zweierlei: einer übernimmt
die verantwortliche Führung und die kleine Spezialexpedition reist auf eigene Kosten,
dadurch wird einer zuweit gehenden Zersplitterung vorgebeugt.
Wenn man sich so bestrebt, alles was geeignet ist erzieherisch zu wirken,
alles was den Gesichtskreis erweitern und die Beobachtungsgabe und Urteilsschärfe
vertiefen kann als letztes und wichtigstes Ziel solcher Studienreisen zu betrachten,
so werden sich die Teilnehmer immer mit grösstem Vergnügen an die gemeinsam
verbrachten Reisetage zurückerinnern und der Wert dieser Mittelmeerfahrten ist
dann nicht genug hoch einzuschätzen: sie werden zu einer Charakterschule, denn
in kui'zer Zeit sammelt der junge Mann nicht nur viele neue Kenntnisse, er wird
auch selbständiger und ausgereifter und der Vergleich mit den fremden Verhältnissen
lässt ihn neuerdings erkennen, wie sehr unsere Schweiz von der Natur begünstigt,
wie sehr die Institutionen unseres Landes sich gegenüber denjenigen der Mittelmeer-
staaten vorteilhaft ausnehmen.
Verzeichnis der Abbildungen.
Tafel
I Fig. 1.
>i
11 „ 2.
, 3.
. 'i'-
^
III , 5.
,
IV „ 6.
, 7.
. 8.
„
V ,, 9.
^
VI „ 10.
-
VII , 11.
VIII , 12.
, 13.
^
IX , 14.
,
X , 15.
, 16.
. 17.
^
XI , 18.
j,
XII , 19.
„ 20.
a) Tafeln.
Montsen-at; Eingang ins Val Malo.
Felsenheide bei Denia.
Verkarsteter Gipfel des Monte Mongo.
Punta de Ifach bei Calpe.
Elche, Teil der Stadt mit dem Palmenwald.
Orihuela.
Haifasteppe bei Orihuela.
In Getreidefluren und Olivenhaine umgewandeltes Steppenland.
Posada im Steppengebiet des Rio dulce bei Orihuela.
Partie aus dem Palmenwald von Elche.
Caserio im Tale des Rio dulce, nordösthch von Orihuela; Kultm--
insel umgeben von Steppenlandschaften,
Lehmhütte mit Bedachung aus Haifagras.
Noria, umgeben von einer kleinen Kulturoase bei Gartagena.
Huerta von Soller (Mallorca); Noria mit Sammelbecken.
Noria bei La Union (Gartagena).
Gemauei'ter Bewässerungskanal in Elche.
Hirtenhütte aus Arundo donax.
Gaserio und Volkstypen bei Orihuela.
Wasserrad an der Segura bei Murcia.
Erdwohnungen auf der nördlichen Abdachung der Sierra Nevada
(Barranco de Gor).
b) Textfiguren.
Fig. 1. Galium Brockmannii Briq. nov. spec
„ 2. Macrochloa tenacissima Kth., grundständige Blätter mit der strau
federartigen Ligula
„ 3. Sideritis Riklii Briq. nov. spec.
^ 4. Grundriss einer Posada
, 5. Stupa tortilis Desf., Blattquerschnitt
, 6. Avena tihfolia Lag., Blattquerschnitt .
„ 7. Stupa parviflora Desf., Blattquerschnitt
„ 8. Lygeum spartum L., Blattquerschnitt .
^ 9. Macrochloa tenacissima Kth., Blattquerschnitt
„ 10. Genista murcica Coss., Querschnitt durch den Stengel
, 11. Madrid: Verkauf von Palmenwedel von Elche am Palmsonntag 1906
Seite
27
43
54
79
99
9^
loa
101
102
105
137
Register.
(Fettdruck = Hauptstellen; * verweist auf Tafeln oder Textdguren.
Ackerflora 18. 46.
Adiantum capillus veneris L. 32. 48.
Adenocarpus intermedius DC. 121.
, villosus Boiss. 121.
AdonismicrocarpaDC.v.dentataCoss.75.
., cupaniana Guss. 75.
Adventivflora, siehe Acker- u. Ruderal-
flora.
Aegilops ovata L. 67. 70. 96. 98. 117.
Aethionema ovalifolium Boiss. 120.
saxatile (L.) R. Br. 120.
Agave amerJcana L. 19. 41. 52. 62. 69.
130.
Aizoon hispanicum L. 66. 95. 96. 106. 117.
Ajuga iva Schreb. 33. 40. 68. 70. 104.
Albardine 80.
Algarroba 137.
AUium cepa L. v. maxima Griseb. 129.
„ hispanica Park. 129.
., roseum L. 55.
,, „ V. carneum Bert. 65.
,, triquetrum L. 25.
Alsine procumbens Frzl. 38. 74.
Alyssum calycinum L. 18.
Anacyclus clavatus Pers. 76.
valentinus L. 65. 66. 68. 97.
122.
Anagallis arvensis L. s. sp. coerulea
Schreb. 18. 37. 40. 50. 55. 59. 72. 76.
96. 117.
Anchusa itaiica Retz 55.
Andropogon hirtum L. 33.
„ pubescens Vis. 42. 58. 63.
69. 78. 98. 117.
Andryaia ragusina L. 70. 74. 104. 122.
Anemone hepatica L. v. hispanica Wk.
29. 31.
Antheniis cotula L. 45.
55. 58.
rubriflora
Anthropochoren 26.
Anthyllis cytisoides L. 53. 54. 55. 56.
63. 80. 106. 113. 122.
Anthyllis tetraphylla L. 54.
„ vulneraria L. v.
Ser. 43. 54.
Antirrhinum majus L. 76.
,, orontium L. 18. 37.
Apfelbaum 129-
Aphyllanthes monspeliensis L. 26.
Arachis hypogaea L. 130.
Arbutus unedo L. 15. 20- 21. 23. 24.
28. 56.
Arctostaph3los uva ursi (L.) Spreng. 30-
Arenaria montana L. 41. 44. 46. 49. 51.
Argentario, Monte 22.
Argyrolobium Linnaeanum Walp. 42.
43. 53.
Arisarum vulgare Targ.-Tozz. 38. 42.
45. 51. 67. 97. 113.
Aristolochia baetica L. 67. 97. 122.
„ rotunda L. 13.
Artemisia 97.
„ Barrelieri Bess. 59. 80. 123.
„ herba alba Asso 80. 103.
104. 115. 118. 126.
Artischoken 129. 131.
Arum italicum Mill. 10. 49.
Arundo donax L. 57. 76.
Asparagus acutifolius L. 10. 11. 28. 35.
49. 53.
Asparagus albus L. 73. 74. 104. 118.
horridus L. f. 40. 42. 51. 58.
67. 69. 73. 74. 78. 104. 118.
Asperula arvensis L. 31. 55.
., cynanchica 1j. 40.
., „ s. sp. aristata(L.)
Briq. 53. 55.
Tierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907
10
146
M. Rikli.
Asphodelus albus Mill. 38. 49. 57.
üstulosus L. 19. 25. 33. 34.
38. 57. 58, 63. 67. 72. 73. 74. 97.
105. 112. 114.
Asphodillflur 57. 58.
Asplenum adiantum nigrum L. 48.
„ ceterach L. 48. 59.
„ fontanum (L.) Beruh. 31. 59.
„ tiichomanes L. 48.
Asteriscus maritimus Less. 40. 43. 57.
68. 70. 97. 114.
Asteriscus spinosus G. G. 55.
Astragalus Glaux L. 54.
„ hamosus L. 38.
„ liispanicus Coss. 64. 123.
„ monspessulanus L. 54. 57.
\ ' „ V. chloro-
cyaneus Costa 25. 26. 29.
Astragalus pseudoStella Del. 119.
„ sesameus L. 25. 26. 67. 80.
96. 118.
Astragalus sinaicus Boiss. 80. 96. 119.
„ vesicarius L. 124.
Atractylis cancellata L. 67. 74. 97. 118.
Atriplex halimus L. 58. 61. 64. 66. 67.
80. 106. 110. 115. 116. 125.
Avena filifolia Lag. 78. 98. 99.* 122.
, sativa L. 75.
Ballota hirsuta Bentli. 70. 104. 122.
Banyuls-sur-Mer 12 ff.
Bataten 131.
Bellis annua L. 33. 40. 56. 57.
Benidorm-Alicante 61 ff.
Benisa 51 ff.
Beta Bourgaei Coss. 80. 96- 106. 115.
122.
Beta maritima L. 110.
„ „ L. V. macrocarpa L. 80.
Bewässerungen 132. Tafel VIII— X, XII
Fig. 19.*
Bewölkung 92 ff
Birnbaum 129.
Biscutella auriculata L. 74. 76. 96. 118.
„ „ erigerifoIiaDC.74..
„ laevigata L. 47. 50.
„ montana Cav. 47. 59. 60.
stenophylla Duff 41. 42. 53.
59. 60.
Boerhaavia plumbaginea Cav. 69. 117.
Borrago ofticinalis L. 37.
Bracliypodium distachyon (L.) R. et
Schult. 117.
Brachypodium f. pentastachyon (Tin.)
A. et G. 67. 96.
Brachypodium polytachyon (L.) R. etS.
98.
Brachypodium ramosum (L.) R. et S.
9. 25. 33. 35. 39. 42. 46. 50. 51. 53.
57. 63. 67. 74. 78. 98. 114. 116.
Brassica Cossoniana Boiss et Reut.
69. 96.
Brassica fruticulosa Cyr. 71. 96. 118.
Tournefortii Gou. 63. 96. 119.
Bromus matritensis L. 67. 96. 98. 117.
rubens L. 27. 70. 74. 96. 98. 117.
Brunella grandiflora (L.) Jacq. 29.
Bupleurum fruticescens L. 29. 34. 35.
„ fruticosum L. 27.
„ spinosum Gouan 50. 60.
Buxus sempervirens L. 28. 29. 50. 51.
Cakile maritima Scop. 58. 67. 96, 115.
116.
Calendula arvensis L. 19. 31. 32. 45.
65. 68. 97. 118.
Calina 68. 93.
Calpe 56.
Calluna vulgaris Salisb. 16.
Calycotome spinosa Link 16. 21. 24. 29.
40. 49. 53. 54. 67. 113. 118.
Calycotome villosa Link 53. 67. 114.
Camphorosma monspeliaca L. 14.
Campo regadio 129.
Campylanthus Roth. 124.
Capparis spinosa L. 69. 73.
Capsella bursa pastoris (L.) Mönch 10.
f. pygmaea Rikli 18.
Capsicum annuum L. 129.
Cardamine pratensis L. 65.
Carduus pycnocephalus L. 37. 40. 68. 97.
Carex divulsa Huds. 46.
„ glauca Murr. 57.
„ gynobasis Vill. 25. 31.
„ Halleriana Asso 25. 31.
Carlina cor3'mbosa L. 10.
„ racemosa L. 56. 57.
Carrichtera vellae (L.) DC. 66. 69. 96. 117.
Cartagena 66 ff.
Caserios 76. 77. Tafel VII*, XL*
Catalonien, Flora 14 ff.
Cebolas 129.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste.
147
■Centaurea aspera L. 45.
, calcitrapa L. 37. 56.
ornata W. 72. 123.
„ pullata L. 40. 46.
Cerastium perfoliatum L. 120.
Ceratocalyx niacrolepis Coss. 35. 43. 53.
•Ceratonia siliqua L. 18. 41. 58. 62. 68.
128. 131. 137.
Cicer arietinum L. 76. 129.
Cistus albidus L. 21. 24. 28. 34. 42. 48.
56. 58.
Cistus Clusii Dun. 34. 35. 42. 43. 48.
56. 58.
Cistus monspeliensis L. 15. 20. 28. 34.
40. 42. 56.
Cistus salvifolius L. 13. 20. 24. 29. 34.
51. 53. 56.
Citrullus vulgaris Schrad. 129.
Chamaei-ops humilis L. 34. 35. 40. 41.
42. 46. 48. 51. 56. 58. 63. 67. 98.
103. 113. 118.
Chasmophyten 111.
Chrysanthemum setabense Duf. 48.
Clematis flammula L. 34. 53.
Clipeola Jonthlaspi L. 10.
Cneorum tricoccum L. 42. 43.
Coehenillezucht 131.
Conopodium majus (Gouan) Loret 49.
Convolvulus althaeoides (L.) Sm. 19.
31. 37. 65. 68. 72. 74. 76.
Convolvulus lanuginosus Desr. 59. 61.
66. 70. 122.
•Convolvulus sericeus Boiss. 27. 46. 74.
104. 114.
Coriaria longaeva Sap. 25.
myrtifolia L. 25. 26. 31.
•Coridothymus capitatus Rchb. f. 59. 61.
119.
Coris monspeliensis L. 27. 55.
Cornus sanguinea L. 16.
„ emerus L. 23.
Coronilla glauca L. 63. 103. 113.
juncea L. 58. 70. 80. 104.
113. 118.
Coronilla scorpioides (L.) Koch 55. 57.
65. 75.
Corylus avellana L. 53.
Crataegus brevispina Kze. 56. 61.
„ monogvna Jacq. 16. 48. 53.
56.
Crepis albida Vill. v. macrocephala
Wk. 31.
Cucumis melo L. 129.
Cupressus sempervirens L. 9.
Cynara cardunculus L. 45.
Cynodon dactylon (L.) Pers. 70. 98. 116.
Cynoglossum cheirifolium L. 33. 40.
46. 74. 76. 95. 96. 104. 118.
Cynoglossum pictum Ait. 38. 40. 43. 55.
Cyperus esculentus L. 130.
Cytinus hypocistis L. 58.
Cystoseira erucoides Ag. 36.
Daphne gnidium L. 24. 40. 42 49. 51.
55. 67. 113.
Daphne laureola L. 23. 29.
Dattelkultur 137. 138. Tafel III*, VI.*
Dattelpalme = Phoenix.
Deuia 36 ff.
Dianthus lusitanicus Brot. 44. 48. 59.
Digitalis obscura L. 57. 61.
Diplotaxis brassicoides Rouy v. mari-
tima Rouy 47. 60.
Diplotaxis Harra (Forsk.) Boiss. 123.
erucoides (L.) DC. 19. 32. 37.
muralis (L.) DC. 10. 32. 65.
116.
Dorycnium hirsutum Ser. 57.
, suffruticosum A'ill. 42. 43.
56. 58. 113 118.
Dorycnium suffruticosum v. cuneatum
Rikli 64. 80. 98.
Echium calycinum Viv. 33. 37. 40. 46.
„ italicum L. 72. 96. 117.
r. plantagineum 37. 72. 96.
Edaphische Facies der Litoralsteppe
110.
Einjährige Pflanzen 33. 95.
Einzelkultur 137.
Elche 64ff. Tafel IIP, VI*, X Fig. 16.*
Eluvium 110.
Emex spinosa Campd. 37.
Empetreen 25.
Entoiberische Arten 122.
Ephedra fragilis Desf. 44. 48. 63. 80.
104. 113. 119.
Ephemerophyten 65.
Erdbeerenzucht 130.
Erianthus Ravennae P. B. 80. 98. 117.
Erica arborea L. 15. 20. 28. 56. 103.
cinerea L. 28.
148
M. Rikli.
Erica multiflora L. 28. 29. 34. 42. 48.
49. 53. 56. 63. 98. 114.
Erica scoparia L. 15.
Erodium cicutarium L. L'Herit 10. 72.
96. 115. 116.
Erodium macradenum L'Herit 31.
„ moschatum (L.) L'Herit 19.
„ petraeum (Gou.) W. 31.
, supracanum (Cav.) L'Herit
31.
Erophila verna (L.) E. Mey 10.
Eruca sativa L. v. stenocarpa Coss. 80.
, vesicaria (L.) Cav. 63. 96. 122.
Erucaria aleppica Gaertn. 120.
Erucastrum baeticum (Boiss.) Nym. 71.
123.
Erucastrum obtusangulum (Schleich.)
Rchb. 10. 19.
Ervum lens L. 41.
Eryngium campestre L. 43. 53. 67. 72.
80. 116.
Eryngium maritimum L. 40.
Esparsette 130.
Espartoformation 78. 111.
Euphorbia amygdaloides L. 11.
, biumbellata Poir. 19.
, characias L. 10. 11. 19. 33.
35. 46.
Euphorbia exigua L. 32.
, falcata L. 74. 96.
, helioscopia L. 10. 11. 37.
, , V. atrorubens
Rikli nov. var. 37.
Euphorbia Lagascae Spach 75. 122.
peplus L. 10. 18.
pinea L. 37.
, pithyusa L. 58.
, polygalaefolia Boiss. et
Reut. 27.
Euphorbia rupicola Boiss. 59. 60.
serrataL. 19. 3L 40. 53. 75.
, sulcata De Lens 53- 55. 60.
74. 96. 122.
Euphorbia sulcata v. tuberculata Rikli
nov. var. 53.
Euphorbiaheide 58.
Eurotia ceratoides C. A. Mey 120.
, ferruginea Boiss. 120.
Evax pygmaea (L.) Pers. 33. 43. 66. 68.
75. 80. 95. 97. 104. 114. 116.
Fagonia cretica L. 58. 61. 64. 66. 67.-
115. 119. 126.
Fagus silvatica L. 16.
Feigenbaum = Ficus.
Felsenflur 30.
Felsenheide 23. 32. 33. 38. 39. 46. 53,
57. 58. 67. 76. 114. Tafel II Fig. 2.*
Felsensteppe 63. 111. 112.
Felsflora 46. 47. 59.
Ficus carica L. 41. 48. 59. 128. 129.-
135.
Filzpflanzen 33. 59. 104.
Flachs 131.
Floristische Facies der Litoralsteppea
111.
Flusstäler (Vegetation) 135.
Foeniculum vulgare Mill. 37.
Formationselemente 113.
Frankenia pulverulenta L. 58. 67. 115.
117.
Fraxinus excelsior L. 16.
Fritillaria Boissieri Costa 81.
, messanensis Raf. 50. 51.
Fuensanta 69/70.
Fumana laevipes Spach 42. 53. 73. 74..
76. 80. 103. 114. 118.
Fuinana procumbens (Dunal) Gren.
Godr. 24. 74. 76. 117.
Fumana procumbens v. ericoides Dun.
103.
Fumana Spachii Gren. Godr. 63.
, viscida Spach 40. 57. 58. 74..
76. 103. 114.
Fumaria capreolata L. 19. 37.
, parviflora Lam. 45. 65.
Frunaria hygrometrica (L.) Sibth. 50..
Futterbau 137.
(jalactites tomentosa Mönch 19. 43. 68.
97.
Galium Brockmannii Briq. nov. spec
(1907) 27.*
Galium murcicum Boiss. et Reut. 71. 124..
, papillosum Lap. 31.
, parisiense L. v. leiocarpum
Tausch 40. 44.
Galium saccharatum All. 37. 43. 50. 68..
70. 72. 97.
Garbazanos 130.
Garigue 20. 23. 24. 26. 82. 34. 41. 46.
48. 56. 58. 63. 67. 113.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste.
149
-Gartenlandschaft 128. 137.
Gemüsebau 128. 137.
Genista candicans L. 13.
„ hispanica L. v. hirsuta Wk. 27.
murcica Coss. 74. 104. 105.* 124.
scorpius I)C. 16. 29.
umbellata Poir. 67. 104. 122.
Geranitim moUe L. 18.
„ Robertianum L. 18.
, rotundifolium L. 32.
Gerölltlora 29.
(ierste 75. 129.
Gespinstpflanzen 137.
Getreidebau 68. 75. 128. 130. 131. 135. 137.
Geum umbrosum Boiss. 121.
Gladiolus illyricus Koch 29. 40. 80. 97.
114. 118.
Glaucium corniculatum (L.) Curtis 75.
, flavum Crantz 45.
Globularia alypum L. 24. 29. 42. 53-
55. 56. 63. 103. 113.
Globularia Cambessedesii Wk. v.
hispanica Wk. 30.
Glycyrhiza glabra L. 131.
•Granatapfel = Punica.
Gräser, xerophytische 98—103.
Grassteppen 75—106.
Grussteppen 110.
Guirao arvensis Coss. 123.
•Gynandriris sisyrinchium Pari. 42. 44.
58. 67. 74. 97. 118.
Hafer 75. 129.
Haifasteppe 78. 80. 111. Tafel IV Fig. 7*
Jlalosukkulenten 106.
Haloxylon articulatum (Cav.) Bunge 80.
104. 115. 117.
Hanf 130. 131.
Haplophyllum hispanicum (L.) Spach
63. 122.
Hedera helix L. 30. 48. 50. 59.
Hedypnois polymorpha DC. 65.
Hedysarum Fontanesii Boiss. 54.
, humileL.v. major Lange 54.
„ spinosissimum L. 54. 57.
Helianthemum alpestre (Jacq.) Dunal 33.
, appeninum (L.) Lam.
33. 40.
Helianthemum caput felis Boiss. 59. 60.
„ FumanaMill.v. ericoides
Dun. 63.
Helianthemum lavandulaefolium (Lam.)
DC. 58. 61. 63. 119. 126.
Helianthemum marifolium (Cav.) DC. .
V. tomentosum Wk. 42. 44. 51. 60.
Helianthemum origanifolium (Lam.) P.
V. lanceolatum Wk. -30.
Helianthemum pilosum (L.) Pers. v.
tomentellum Wk. 63. 74. 80. 103. 104.
122. 126.
Helianthemum salicifolium (L.) Mill.
76. 117.
Helianthemum villosum Thib. 120.
Helichrysum angustifolium DC. 55.
„ decumbens Camb. 50. 59. 61,
stoechas DC. 9. 11. 27. 34.
42. 46. 50. 55. 74. 80. 103. 104. 114.
118.
Helichrysum stoechas DC. v. caespi-
tosum Wk. 64. 75.
Helichrysum stoechas DC. v. maritima
Lge. 64.
Helix albida 78.
Helleborus foetidus L. 23. 29.
Herniaria polygonioides Cav. 74. 103.
122.
Hieracium candidum Scheele 31.
^ lychnitis „ 31.
^ macrophyllum Scheele 31.
, nitidum Scheele 31.
, purpurasceus Scheele 31.
Hippocrepis balearica Wulf. 47.
ciliata Wild. 40.
, multisiliquosa L. 38. 74. 96.
, valentina Boiss. 47. 59. 60.
Höhlenwohnungen 77. Tafel XII Fig.20.*
Holoschoenus vulgaris Link 57.
Hordeum distichon L. 75.
Huerta 71. 78. 128. 137.
Hutchinsia petraea(L.) R. Br. 10. 11. 50.
Hymenostemma Fontanesii Wk. 48. 61.
Hypecoum grandiflorum Bth. 65.
, procumbens L. 39.
Hyoscyamus albus L. 37. 55. 74.
Hyoseris scabra L. 37. 46.
Iberische Arten 35.
Iberisch-mauritanische Arten 35. 40 44.
55. 73. 121.
Iberisch-orientalische Arten 119.
Ifach, Punta de 57.. Tafel II Fig. 4.*
Hex aquifolium L. 16. 28. 29.
150
M. Rikli.
Inula crithmoides L. 58. 104.
„ viscosa Ait. 10. 32. 53. 55. 57. 63.
•Tohannisbrotbaum = Ceratonia.
Ipomaea batatas Poir. 131.
Iris germanica L. 56.
Jimiperus oxycedrus L. 28. 29. 42. 48.
63. 98. 103. 104. 113.
Juniperus phoenicea L. 28. 29. 50. 51.
Kalidium foliatum Moq. 120.
Karstlandschaft 41. 45.
Kartoffeln 130.
Kentrophyllum arborescens Hook. 70.
81. 97. 122.
Kichernerbsen 76. 130.
Kleinstrauchsteppe 112.
Kleinsträucher 97.
Klima 80.
Knollengewächse 97.
Köleria phleoides (Vill.) Pers. 57. 58.
65. 74. 117.
Korkeichengebiete 17.
Korsika 22. 24.
Kulturland 127. 137.
Lafuentea rotundifolia Lag. 70. 124,
Lagoseris nemausensis K. 10. 11.
Lagurus ovatus L. 37. 67. 70. 96. 98.
Lamarckia aurea Mönch 32. 46. 55. 65.
67. 96. 98. 117.
Lamium amplexicaule L. 45.
Lathyrus articulatus L. 19.
„ cicera L. 75.
, clymenum L. 19.
sativus L. 65. 75. 129.
Lauch 129.
Lavandula dentata L. 38. 40. 42. 46. 51. 59.
latifolia Vill. 9. 11. 34. 35.
multifida L. 38. 46. 73. 74.
114. 122.
Lavandula stoechas (L.) Cav. 12. 13.
20. 24.
Lavatera maritima Gouan 44. 48. 59.
69. 73. 80. 104. 115. 118.
Lehmhütten 16. Tafel VIII Fig. 12*
Lens esculenta Mönch 76.
Lepidium draba L. 12. 65. 75.
„ graminifolium L. 37.
, perfoliatum 120.
Leveche 85.
Leucanthemum glabrum Boiss. et Reut.
48.
Ligustrum vulgare L. 16.
Linaria arvensis Desf. 13.
crassifolia (Cav.) Ktze. 61. 70.
106. 122.
Linaria cymbalaria (L.) Mill. 47.
, Haenseleri Boiss. et Reut. 50.
61.
Linaria origanifolia (L.) DC. 44. 50. 61.
„ pelliseriana Mill. 13.
„ Simplex DC. 56.
„ supina (L.) Desf. 19.
Linsen 76.
Linum narbonense L. 27. 43. 49. 55. 57.
, strictum L. 27.
Lithospermum apulum Vahl. 76. 117.
, ' consobrinum Pomel 61.
„ fruticosum L. 43. 44.61.
122.
Lithospermum fruticosum L. v. intri-
catum Briq. var. nov. 68.
Litoralsteppe, Biologie 95.
, Klima 81.
, Pflanzengeographie 106.-
Typen 106.
Lobularia maritima Desv. 10. 11. 19..
33. 39. 58. 67. 72. 105. 115.
Lockerböden 110.
Lösslandschaft 62.
Lössteppen 110.
Lonicera implexa Ait. 49. 53. 59.
Lotus corniculatus 105.
, creticus L. 42. 43. 58.
„ ornithopodioides L. 37.
Lupinus albus L. 128.
Luzerne 130.
Lycium intricatum Boiss. 66. 69, 97,
106. 122. 126.
Lycium vulgare Dun. 39.
Lycopsis Orientalis L. 121.
Lygeum spartum L. 58. 61. 63. 66. 74.
80. 98. 100. 101.* 115. 118. 126.
Lygeumsteppe 80, 111.
Macchien 20 ff. 26, 28. 113.
Macrochloa tenacissima Kth. 42. 43.*
44. 58. 61. 63. 78. 98. 102.* 113.
115. 122.
Mais 129.
Makroiberische Arten 40. 44. 122,
Malvella Sherardiana Taub. 121.
Mandelbäume 41. 58. 68. 128.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeerküste.
151
Marrubium alysson L. 66. 70. 74. 104.
115. 117.
Marrubium vulgare L. 10. 25. 33. 40.
43. 57. 66. 68. 72. 74. 114. 117.
Marrubium vulgare L. v. lanatum Benth.
70. 104. 114. 117.
Matthiola incana (L.) R.Br. 59.
„ parviflora (Schousb.) R. Br.
57. 60. 66. 74. 95. 96. 122.
Matthiola tristis (L.) R. Br. 63. 104.
Maulbeerbäume 68. 129. 1-30.
Medicago truncatula Gaertn. v. longea-
culeata Urb. 45.
Mediterran-orientalische Arten 116.
„ -mitteleuropäische Arten
116.
Melica minuta L. 42. 74. 98.
Melilotus sulcata Desf. 65.
Mentha rotundifolia (L.) Huds. 32.
Mercurialis aunua L. 19. 33. 37.
, tomentosa L. 40. 41. 46.
57. 80. 104. 114. 122.
Mesembryanthemum acinaciforme L. 19.
nodiflorum L. 45.
66. 67. 72. 95. 96. 106. 117.
Mespilus japouica Thunb. 52.
Mikroiberische Arten 41. 123.
Micropus bombycinus Lag. 75.
Microphyllie 103.
Mimosen 75.
Momordica elaterium L. 32. 76.
Mongo, klonte 45 ff., Tafel II Fig. 3.*
Montserrat 26 tf. Tafel L*
Monte Agudo 69.
Mont St. Clair 9.
Moricandia arvensis (L.) DC. 53. 55.
63. 66. 80. 95. 96. 106. 119.
Muldenförmige Depressionen 135.
Murcia 68 ff.
Muscari comosum (L.) Mill. 10.
, neglectum Guss. 10.
, racemosum L. 18.
Myosotis refracta Boiss. 121.
Myrtus communis L. 16.
Jfadelblätter 103.
Narcissus juncifolius Lag. 29. 35.
„ serotinus L. 50.
Neophyten 66.
Xigella Bourgaei Jord. 75.
, damascenaL.v. minor Boiss. 75.
Niederschläge 87.
Noria 62. 133. Tafel VIII Fig. 13*,
IX*, X Fig. 15.*
Xotoceras bicorne (Ait.) Arno 75.
Notolaena vellea Desv. 73. 117.
Obstbau 128. 129. 137.
Olea europaea L. 58. 62. 68. 75. 76.
131. 135.
Olea europaea v. oleaster DC. 28. 29.
34. 42.
Oleander 135.
Olivenkultur 15. 75. 128. 137.
Onobrychis saxatilis All. 53. 54. 55. 57.
Ononis hirta Desf. 120.
„ minutissima L. 74.
, natrix L. 25. 54. 57. 58. 65. 66.
TS. 74. 116.
Ononis ornithopodioides L. 67. 96. 119.
„ reclinata L. 54.
Onopordon acanthium L. 57.
Ophrys lutea Cav. 40.
, ' tenthredinifera W. 38. 40. 42.
51. 53. 67. 97.
Opuntia Ficus indica Müh 41. 52. 53. 69.
Orangenkultur 128. 129. 137.
Orchis morio L. 46.
Oreosolen Hook. 124.
Orihuela 71 ff. Tafel IV Fig. 6.*
Orobanche Muteli F. Schz. 40. 70. 96.
117.
Osyris alba L. 9. 28. 29. 80. 104. 113.
il4. 116.
Osyris quadripartita Decsne 59. 60.
Oursia 124.
Oxalis cernua Thunb. 75.
„ corniculata L. 32.
, libyca Viv. 75.
Padina pavonia (L.) Gaill. 36.
Pallenis spinosa Cass. 55. 64. 75. 97.
118.
Palmenoasen (-haine) 64. 75. 131.
Parietaria diffusa M. et K. 19.
„ ofticinalis L. v. ramiflora
Mönch 10. 19. 37.
Paronychia argentea Lam. 19. 33. 37.
65. 67. 72. 103. 114.
Paronychia nivea DC. 74. 103.
Passerinaheide 33. 57. 58. 76.
Passerina hirsuta L. 33. 57. 58. 64. 67.
76. 80. 103. 104. 114. 117.
152
M. Rikli.
Peganum harmala L. 66. 70. 80. 106.
115. 117.
Pendulina Lagascana (DC.) Wk. 63. 66.
95. 96. 123.
Pendulina intricata Wk. 63. 95. 96. 123.
Perimediterrane Arten 116.
Petrophyten 111.
Pfirsichbaum 128. 129.
Phagnalon rupestre DC. 25. 33. 55. 57.
63. 76. 114. 118.
Phagnalon rupestre v. pedunculare Wk.
75. 97.
Phagnalon saxatile Cass, 25. 26. 73.
103. 114. 118.
Phagnalon sordidum (L.) DC. 53. 63.
66. 103. 114. 118.
Phalaris minor Retz. 65. 74. 96. 98.
117.
Phalaris paradoxa L. 80.
Pharnaceum cerviana L. 120.
Phaseolus vulgaris L. 129.
Phillyrea 29.
„ angustifolia L. 16. 28.
„ latifolia L. 28.
, media L, 34.
Phlomis lychnitis L. 40. 46. 50. 70. 74.
104. 114. 122.
Phoenix dactylifera L. 68. 128.
Pholiurus pannonicus Trin. 120.
Picridium tingitanum Desf. 37. 72. 75.
118.
Picridium vulgare Desf. 65.
Pinus halepensis Mill. 9. 15. 20. 22. 28.
44. 48. 52. 53. 56. 76. 127.
Pinus pinea L. 9. 15. 127.
Piptatherum coerulescens P. B. 73. 98.
117.
Pistacia lentiscus L. 21. 29. 34. 42. 49.
56. 63. 98. 103. 113.
Plantago albicans L. 25. 27. 33. 55. 66.
73. 74. 80. 104. 117.
Plantago carinata Schrad. 14.
r, coronopus L. 10. 11. 32. 65.
68. 96. 116.
Plantago cynops L. 10. 11. 43. 56.
lagopus L. 19. 45. 56. 68. 96. 117.
„ maritima L. 45. 58.
„ Psyllium L. 25. 37.
„ recurvata L. 14.
„ subulata L. 14.
Platj'capnos spicatus Beruh. 55. 65. 66.
Poa bulbosa L. 53.
Polycarpon tetraphyllum L. 37.
Polygala calcareum F. Schultz 30.
, monspeliaca L. 67. 96.
„ rupestris Pourr. 40. 42. 46.
53. 57. 60. 67. 73. 74. 80. 122.
Pol.ygonum equisetiforme Sibth. 80.
104. 117.
Polykultur 128. 137.
Populus alba L. 15. 17. 20. 127.
, canescens Sm. 16.
Posadas 77. 79.* Tafel V.*
Posidonia oceanica (L.) Del. 39.
Potentilla anserina L. 32.
„ caulescens L. 31. 47.
, opaca L. 30.
Poterium ancistroides Desf. 47. 50. 60.
Prunus spinosa L. 9. 16.
Psoralea biturainosa L. 46. 67. 72. 74.
117.
Puccinia Buxi DC. 28.
Pulicaria arabica Cass. 121.
Punica granatum L. 16. 38. 41. 129.
131. 135. 138.
Puszta 106. 109.
Quercus coccifera L. 9. 21. 24. 29. 34.
40. 42. 46. 51. 53. 56. 63. 97. 103. 113.
Quercus ilex L. 9. 15. 28. 29. 127.
„ lanuginosa Lam. 15. 16. 127.
suber L. 13. 15. 127.
Ramondia pyrenaica Rieh. 31.
Ranunculus demissus DC. 120.
„ gramineus L. 46.
„ V. luzulaefolius Boiss. 51.
V. V. scorzoneraefolius
Freyn 30.
Ranunculus parviflorus L. 37.
Rapistrum rugosum (L.) Bergeret 75.
Rebenkultur 127. 137.
Regadio 131. 137.
Reisbau 129.
Reseda 25.
, alba L. 19. 53. 55. 74. 96. 115.
117.
Reseda Gayana Boiss. 66. 96. 122.
„ leucantha Hegelm. 74. 96. 123.
lutea L. 18. 96. 115.
phyteuma L. 19. 31. 65. 67. 96.
116.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittel meerküste.
153
Khagadiolus stellatus (L.) DC. 56.
Khamnus alaternus L. 20. 24. 29.
, v.balearicaWk. 34.
48. 49. 53.
Rhamnus lycioides L. 34. 35. 38. 40.
42. 46. 48. 56. 63. 73. 98. 103. 104.
113. 122.
Roemeria hybrida (L.) DC. 65. 75.
Rosa Pouzini Tratt. v. micrantha Sm. 29.
, sempervirens L. 49.
Rosmarinus ofticinalis L. 15. 20. 23. 29.
34. 39. 42. 48. 53. 55. 56. 58. 80. 98.
103. 114.
Rosmarinus ofticinalis fl. albo 80.
Rubia peregrina L. 21. 28. 42. 49. 53. 55.
Rubus amoenus Port. 42. 49. 53. 63.
113. 117.
Ruderalriora 31. 32. 37. 46. 55. 65.
Rumex bucephalophorus L. 70. 74. 96.
Ruscus aculeatus L. 29. 34. 49.
Ruta chalepensis L. v. angustifolia
(Pers.) Wk. 35. 40. 49. 53. 67. 73. 74.
76. 114. 117.
Rutenptianzen 144.
Satrankultur 19.
Saftptlanzen = Sukkulenten 105.
Salicornia fruticosa L. 104. 106. 110.
115.
Salicornietum 113.
Salvia pinnata L. 121.
r verbenaca L. 19. 35. 40. 55.
Salzsteppen 110.
Saudsteppen 110.
San Miguel 72. Tafel IV Fig. 6.*
Santolina chamaecyparissus L. 55.
Saponaria ocymoides L. 29.
Sarcocapnos enneaphylla DC. 31, 70.
Sarothamnus scoparius (L.) Wimmer
16. 23.
Satureia graeca L. 24. 33. 38.
, , V. micrantha (Brof.)
Briq. 42. 43.
Satureia obovata Lag. 59. 61.
Saubohnen = Vicia faba L.
Saxifraga catalaunica Boiss. 31.
Scabiosa maritima L. 38.
, saxatilis Cav. 47. 59. 61.
Scandix pccten veneris L. 45.
Schiltliütten 76.* Tafel X Fig. 17.*
Schöpfwerke 133.
Schuppenblätter 104.
Scorpiuius subvillosa L. .33. 42. 54. 55.
65. 74. 96.
Scorzonera laciniata L. 33.
, V. intermedia G.G.
81.
Scrophularia peregrina L. 25.
Scutellaria orientalis L. 121.
Secano 131. 137.
Sedum altissimum Poir. 10. 25. 43. 50.
53. 63. 106.
Sedura dasyphyllum L. 45. 50.
Selaginella denticulata Spring. 48.
Senecio linifolius L. 55. 57. 61. 66. 68.
103. 114. 122.
Senecio vulgaris L. 10. 11. 46.
, „ f. villosusRiklif.nov.46.
Sesleria coerulea L. s. sp. calcarea
Celak. 31.
Sherardia arvensis L, 18. 32. 37. 40.
68. 97. 117.
Sickerwerke 134.
Sideritis glauca Cav. 73. 98. 104.
Sideritis leucantha Cav. v. paucidentata
Wk. 68. 70. 73. 74. 98. 103. 122.
Sideritis romana L. 31. 72. 74. 96.
, Riklii Briq. spec. nov. (1907)
54.* 55.
Sideritis spinosa Lam. 98.
Silene colorata Poir. 38. 42. 49. 67.
„ crassicaulis Wk. 31.
, rosularis Coss. 31.
, rubella L. 65.
„ sericea 105.
Silybum Marianum (L.) Gaertn. 10.
19. 37.
Sklerophyllie 103.
Smilax aspera L, 10. 28. 35. 42. 49.
51. 56. 59.
Smilax balearica Wk. 49.
Sisymbrium irio L. 65.
, officinale (L.) Scop. 10.
„ polyceratium L. 75.
Solano 85. 130.'
Solanum melongena L. 129.
„ nigrum L. v. rubrum Mill. 20.
Sonchus tenerrimus L. 37. 46.
Sorbus domestica L. 16.
Spartium junceum L. 21.
Spergularia marina Wk. 115.
t54
M. Rikli.
Spergularia media (L.) Pers. 65. 67. 116.
rubra(L.)Pers. 67. 115.116.
Sphenopus divaricatus (Gouan) Rchb.
65. 117.
Statice caesia Gird. 80. 124.
, echioides L. 70. 96. 115. 119.
, liraonum L. 74.
„ , v.macrocladaBoiss.66.
„ serotina Rchb. QQ.
, sinuata L. 115.
, Thouini Viv. m. 96. 117.
Stauwerke 132.
Stellaria media (L.) Cirillo 18. 45.
Steppengräser 98.
Steppenflora 61. m. 71. 115.
(Biologie) 95.
Steppeninseln 61. 76.
Steppenpflanzen 61.
Steppenreste 64. 65. QQ.
Steppen Südrusslands 107. 108.
Strandfelsen 13.
Strandflora 38. 58. 114.
Stupa parviflora Desf. m. 69. 70. 98.
99. 100.* 117.
Stupa tortilis Desf. m. 69. 70. 78. 96.
98. 99.* 117.
Suaeda fruticosa (L.) Forsk. 66. 67. 80.
103. 106. 115. 117.
Südfrüchte 130.
Südmediterrane Arten 38. 40. 43. 55.
73. 118.
Süssholz 131.
Sukkulenten 58. 104.
Talajots 41.
Tamarix africana Poir. 39.
gallica L. 39. 75. 80. 104. 110.
118.
Tamus communis L. 51.
Tarragona 32 ff.
Teucrium buxifolium Sclireb. 72. 103.
124.
Teucrium Freynii Rev. 68. 124.
r, marum L. 42. 43.
polium L. 29. 42. 49. 51. 58.
74. 76. 103. 104. 117.
Teucrium polium s. sp. capitatum (L.)
Briq. 57. 68. 73. 81. 114.
Teucrium pseudochamaepitys L. 40. 55.
66. m. 70. 73. 74. 104. 122.
Teucrium pyrenaicum L. 31.
Thalictrum tuberosum L. 49. 60.
Thamnolia vermicularis Ach. 48.
Thesium divaricatum (Jan.) DC. 74.
Thrincia hispida Roth. 56.
Thymelaea tinctoria Endl. 34. 36.
Thymiantomillares 57.
Thymus longiflorus ßoiss. 64. 124.
vulgaris L. 24. 33. 34. 35. 39,
41. 42. 46. 49. 53. 57. 58. 63. 67. 73.
74. 76. 80. 103. 112. 114. 118.
Thymus zygis L. 74. 80. 103. 112. 115.
122. 126.
Tibidabo 17 ff.
Tomaten 129.
Tomillares 32. 34. 42. 58. 76.
Torilis nodosa (L.) Gaertn. 68. 116.
Tortella squarrosa (Brid.) Limp. 50.
Trifolium Bocconi Sav. 38.
, fragiferum L. 57.
, incarnatum L. 128.
stellatum L. 37. 43. 67. 70.
95. 96. 117.
Triticum turgidum L. 130. 137.
, vulgare L. v. tetrastychon
131. 138.
Tulipa australis Lk. v. montana Wk. 31.
Ulex australis Clem. 13. 16. 21. 24. 26.
29. 34. 35. 40. 41. 42. 49. 53. 56.
Ulmus campestris L. 16.
ülva lactuca L. 36.
Umbilicus pendulinus DC. 37. 49.
Urbarmachung der Steppen 135.
Urginea scilla Steinh. 40. 42. 49. 51.
53. 58.
Uropetalum serotinum Ker. 27. 72. 74.
97. 114. 122.
Urosperinum Dalechampii (L.) Desf. 57.
„ picroides (L.) Desf. 43.
68. 97. 118.
Urtica membranacea Poir. 37.
Ustilago Avenae Pers. 75.
„ Jensenii Rostr. 75.
, Sacchori Rabenh. 80. ,
Vaillantia muralis L. 34. 68. 70. 97.
hispida L. 43. 45. 72. 97. 118.
Verbascum sinuatum L. 33. 37. 45. 57.
Verbreitungselemente 125.
Veronica chamaepitys Griseb. 121.
digitata Vahl. 121.
, cymbalaria Bod. 10. 19.
Botanische Reisestudien von der spanischen Mittelmeeiküste.
155
Yiburnum tinus L. 15. 23. 28. 29.
Vicia angustifolia All. v. amphicarpa
Boiss. 66. 96, 117.
Vicia ervilia (L.) Willd. 41. 76.
, faba L. 41. 52. 129. 130. 131.
, hybrida L. 37. 75.
, lutea L. V. hirta (Balbis) Boiss. 55.
„ peregrina L. 55.
, sativa L. v. obovata Ser. 55.
Viola arborescens L. 42. 44. 53. 57. 60.
67. 122.
Viola odorata L. 53.
, Willkomraii Roera. 31.
Viscum cruciatum Sieb. 120.
Waldkulturland 127.
Wälder 15.
Wasserrad 133. Tafel XII Fig. 19.*
Westmediterranc Arten 35. 41. 43. 55.
118.
Wicke 76.
Wiesen 29.
Withania frutescens Pauq. 69. 73. 74.
97. 122.
Wüstensteppen 107.
Xerosukkulenten 106.
Zollikoferia pumila (Cav.) DC. 73. 75.
123.
Zollikoferia resedifolia Coss. 73. 75.
80. 103. 118.
Zwergpalme 35.
Zwergstrauchformation 97.
Zwiebelgewächse 97.
über die zahlentheoretischen Formeln Liouville's.
Von
Ernst Meissner.
Einleitung.
In den Bänden III, IV, V, IX und X der zweiten Serie des
Journal de mathematiques pures et appliquees hat J. Liouville unter
•dem Titel : « Sur quelques formules generales qui peuvent etre utiles
dans la theorie des nombres » eine Reihe von 18 Artikeln veröffent-
licht. Dieselben enthalten etwa 60 Formeln, welche zahlreiche zahlen-
theoretische Anwendungen gestatten, für welche aber Liouville selbst
keine Beweise publiziert hat. Erst über zwanzig Jahre später hat
P. Pepin in einer eigenen Abhandlung einen Teil derselben bewiesen
(Formules d'analyse utiles dans la theorie des nombres. Journal de
math. ser. 4, T. IV, 1888). Es sind dies im wesentlichen vier Formeln,
aus denen sich aber alle Grleichungen ableiten lassen, die in den ersten
fünf, dem 17. und dem 18. Artikel angegeben sind. Auch die Formel
(L) des 6. Artikels ist in ihnen enthalten.
Die vorliegende Arbeit hat den Zweck, die sämtlichen in den
10 Artikeln VII bis XVI publizierten Formeln herzuleiten. Uner-
ledigt bleiben wesentlich nur noch die zwei Formeln (N) und (Q)
des 6. Artikels, welche sehr spezielle Fälle allgemeinerer Relationen
zu sein scheinen. Ausser den erwähnten beweise ich drei weitere
von Liouville angegebene Gleichungen, welche mehrere der in den
« formules generales » enthaltenen in sich schliessen.
Um die Brauchbarkeit der Formeln zu zeigen, wird zum Schluss
in § 10 eine Klassenrelation bewiesen. Zwei Sätze, welche Halphen
im Bulletin de la societe math. de France (Bd. 6) veröffentlicht hat,
lassen sich als Spezialfälle Liouville'scher Formeln (der Gleichungen
VIII 8 und IX g) darstellen, worauf mich Herr Prof. Hurwitz auf-
merksam machte.
über die zahlentheoretischen Formeln Liouville's. 15T
Um den Umfang dieser Arbeit nicht allzu stark auszudehnen,,
habe ich aber jene Deduktion, die Herleitung der Jakobi-Eisen-
stein'schen Sätze über die Zerlegungen einer beliebigen Zahl in vier
und 8 Quadrate, sowie weitere auf spezielle quadratische Formen
von 3 und 4 Variablen bezügliche Anwendungen Liouville'scher
Gleichungen unterdrückt.
Herrn Prof. Dr. Hurwitz, meinem hochverehrten Lehrer, sage
ich herzlichen Dank für seine Ratschläge, sowie für das wohlwollende
Interesse, mit dem er das Entstehen dieser Arbeit begleitet hat^
§ 1.
Der Formel, welche Gegenstand dieses ersten Paragraphen sein
soll, liegen zwei verschiedene Zerlegungsarten der positiven Zahl m
zu Grunde.
Die erste derselben ist durch die Gleichungen
m = m"^ -\- m" (!)•
m" = 2«" • d" ■ d" (l'>
gekennzeichnet. Hiebei bedeuten, wie überall im folgenden, alle
Buchstaben ganze Zahlen, m" , d" und d" sind positiv, d" und d"
ausserdem ungerade, sodass a" der Exponent der höchsten in m"
enthaltenen Potenz von 2 ist. Die Zahl ni unterliegt keiner weitern
Bedingung.
Unter
5 (x, A, /i, v)
verstehen wir eine Funktion von vier Variablen, welche für alle zur
Anwendung gelangenden (immer ganzzahligen) Argumentwerte defi-
niert ist, und den Bedingungen
5 (Jt. ^1 ^, 1^) = i^ (— ii^ K ^,'^) = i^ (^, — ^,(^,v) = ^ (a, A, — ^, v)
^ (x, A, fi, — v) = — 5 (>c, X, ^, v) (2>
genügt.
Nunmehr summieren wir die Ausdrücke
(— 1)'""-' • ^ (2"" d" + m, d"-2m', 2"" d" + m - 6", d") (3>
bei festem m über alle Lösungen der Gleichung (1'), und addieren
alle auf diese Weise für die verschiedenen, der Gleichung (1) ge-
nügenden Wertsysteme {m , m") gebildeten Summen.
158 Ernst Meissner.
Das Resultat dieser Operation schreiben wir in der Form
Ä, = ^ (-1)"'"-' . g: (2""(Z" +m', d"-2m', 2^"' d"^m-d", d") (4)
?« = »»'■'' + 2°"- d" ■ ö"
und behalten eine entsprechende Art der Bezeichnung auch für das
weitere bei.
Wir betrachten ferner die durch die Gleichung
m = m^ -\-2d^- d^ (5)
gegebene Zerlegung der Zahl m. Es soll hiebei m^ irgend eine
positive, negative oder verschwindende ganze Zahl sein; d^ und d^
seien positiv, d^ ausserdem nur ungerade. Zwei Lösungen (ni-^^, d^, ög)
und (m^, d^, d^) von (5) sind als verschieden zu betrachten, wenn
nicht gleichzeitig die drei Gleichungen
m^ = m[ ; d^^ = d^', ^2 "= ^2
erfüllt sind. Die über sämtliche Lösungen der Gleichung (5) erstreckte
Summe der Ausdrücke
% (?Hi, 2(^2 + ^2, 2d^ — w?i — Ö2, — 2c?2 + 2)«! + da)
ist nach vorigem mit
^2-=^^ 0'*i , 2 6/2 + Ö2, 2 ^2 - m, -d„ -2d,-h2 m, + ^2) (6)
m =911" + 2<Z2Ö2
zu bezeichnen.
Endlich definieren wir noch das Symbol « (x) durch die Fest-
setzungen :
co(x) = 1, wenn x Quadrat einer ganzen Zahl,
C3 (jf) = 0, wenn dies nicht der Fall ist.
Diese Definition soll auch für die folgenden Paragraphen Gültigkeit
haben.
Die Liouville'sche Formel, die hier abgeleitet werden soll, schreibt
sich nunmehr in der Form :
S=Si-hSo^ = (o (m) . 2 ^•j^/^ 2 VwT- i, i - im^ i) (7)
«•=1,3,5, . .. (2 V«i -1).
Ihrem Beweis schicken wir zunächst einige Bemerkungen voraus.
Der Anblick der Ausdrücke (4) und (6) lehrt, dass in jedem
Gliede der Summe S das erste Argument der Funktion Q" ('^> ^, ^1 v)
gleich der Summe der beiden letzten Argumente ist, sodass % nur
in der Form
über die zahlentheoretischen Formeln Liouville's.
159
+ 5 (/i + V, A, (i, v)
auftritt. Aus den über rfg ^^^ ^" gemachten Voraussetzungen folgt
ferner, dass A und v nur ungerade Werte annehmen. In Si ist i'
ausserdem immer positiv. Die Summe S soll nun dadurch ausgewertet
werden, dass untersucht wird, wie oft das Glied
Of (?/ + 2, X, y, z)
(8)
darin auftritt, wenn x, y, z irgend welche feste ganze Zahlen bedeuten.
Sind X und z gerade, so tritt ein Term. (8) überhaupt nicht auf;
wir nehmen daher gleich an, x und z seien ungerade, d. h.
X = 1 (mod 2) s = 1 (2) (9)
In der Summe 8^ tritt das Glied i^ {y -}- z, x, y, z) so oft auf,
als das Gleichungssystem
ö" — 2m' = X
2 all -,1t 1 / et)
d -\- m — 0 = y
ö" = z
m = m^ -\- 2°'" d" • d"
Lösungen besitzt, welche den anfangs gestellten Forderungen d" und
d" betreffend, genügen. Dieses System ist äquivalent mit
2 m' = z — X
d" = z
2-2"" d" = X +2?/ + s
4«! = x'-^iyz-^ 32-
also mit denjenigen Lösungen der Gleichung
4 m = X" -\- 4: y ■ z -{- '^ z^
welche die Bedingungen
2> 0 \
(A)
(B)
a:; + 2 ?/ + 2 > 0 /
erfüllen. Umgekehrt entspricht jeder solchen Lösung eine Zerlegung
m = in- + 2° ' d" • ö"
für w^elche in ^S*! das Summenglied
{—iy""'^%{y^z,x,y,z)
auftritt, welches wegen
m" ~ 2"" . d" (2)
160 Ernst Meissner.
die Form
i-iy^-^-'-^iy-h^, X, y, z) (10)
annimmt.
Wenn keine Lösungen von (A) existieren, für welche z>0 würde,
so tritt kein Glied (8) in S^ auf. Im andern Falle gibt es sicher eine
Lösung von (A), für die x und z positive ungerade Zahlen X resp. Z
sind. Ihr ist eindeutig umkehrbar die Lösung ( — X, y, + Z) zuge-
ordnet, und die Bedingungen (B) gehen für zwei solche korrespon-
dierende Lösungen über in
Z+2^ + Z>0 resp. — Z+2z/ + Z>0.
Die entsprechenden Summenglieder in Sy sind wegen (2) von der Form
und zwar tritt das Plus-Zeichen auf, wenn die Lösung (X, y, Z) von
(A) einem der Bedingungssysteme
Z+2z/ + Z>0 \.^. —X-h2y-}-Z>0 Kg x
X-h2y-hZ=2{4:) I ^ '^ — Z-4-2?/ + Z=2(4) | ^ '^'
das Minuszeichen, wenn sie einer der Bedingungen
Z+2y/4-Z>0 I -gs -X^2y-hZ>0 Ig.
Z+2?/-hZ=0(4) ) ^ '^ — Z+2y + Z=0(4) I ^ '
genügt.
Die Forderungen (B^) resp. (Bg) sind aber in den Forderungen
(Bi) resp. (B3) enthalten, da nach (9)
2X=2 (4),
und die Glieder, welche durch zwei solche Systeme gleichzeitig er-
zeugt werden, heben sich des verschiedenen Vorzeichens wegen fort.
Man kann sich also auf diejenigen Lösungen von (A) beschränken, für
welche entweder
X^2y-hZ>0 ] X-^2y + Z>0 ]
Z + 2^ + ^=2(4) (B;) oder Z-f- 2^ + ^=0 (4) (B3)
X — 2y — Z>0 J Z— 2^ — ^>0 I
erfüllt ist. In der letzten Ungleichung von (Bg) ist das Gleichheits-
zeichen weggelassen worden, da es wegen der darüber stehenden Kon-
gruenz nicht auftreten kann. Im Falle (B^') tritt in S-^ das Glied
^{y-\-Z,X,y,Z)
mit dem positiven, im Fall (Bg) mit dem negativen Zeichen auf.
Ülier die zalilentheoretischen Formeln Liouville's. 161
Dieselbe Untersuchung wie für S^ führen wir nun auch für die
Summe (6) aus.
In S.y tritt 3" (// + ~, X, ?/, z) so oft auf, als mit den Vorausset-
zungen verträgliche Lösungen des Systems
2 cL -hd^ = x I
2 rf, — i^h — ^3 =" Z/ (
— 2^ + 2 m, -+-d,^z] ^
vorhanden sind. Dieses ist aber äquivalent mit
^'^1 = // + <
2 6, = x~ 2// — ;-
4:dc, = X -\~ 2y -{- z
4:))i ^= x^ -r- 4 1/ z -\- '3 z^
d. h. mit dem Inbegriff der Lösungen der Gleichung (A), für welche
X — 2// — z>{) j
ic + 2?/-t-z->0 (C).
,r-r-2.y + s = 0(4)!
Sind X und Z wieder positive, ungerade Zahlen, so entspricht der
Lösung (X, y, Z) von (A) ein-eindeutig die Lösung (X, — //, — Z).
Aus (C) ergibt sich, dass x überhaupt nur jDositive Werte X an-
nehmen kann. Für die Lösungen
{X,ij,Z) resp. (X,—y,—Z)
werden die Bedingungen (C) zu
X—2y — Z>0 I X+2?/ + ^>0 ]
X-\-2y-^Z>0 (Ci) resp. X- 2y — Z>0 [ (Cg)
X+2?/ + ^=0(4) J X+2?/+Zee2(4) I
und jeder Lösung (C, ) von (A) entspricht in So der Term
^(y-^rZ,X,y,Z),
jeder Lösung (C^,) aber das Glied
^i-y-Z,X,-!j,-Z) = -^^{y-^Z,X,y,Z).
Vergleicht man nun die Bedingungen (C^) und (Cg) mit den bei der
Betrachtung von *S\ erhaltenen Systemen (Bj) und (Bg), so erkennt
man, dass (Bg) mit (Cj) identisch ist, und dass auch (C.,) mit (Bj)
übereinstimmt, wenn man nur in (B^') vom Gleichheitszeichen der
letzten Ungleichung absieht. Jede Lösung (X, //, Z) von (A), für die
X— 2// — Z=h 0
genügt also keinem oder zweien der Systeme (B^), (C,); (Bg), (Cj),
und erzeugt im letztern Falle in S denselben Term zweimal, aber
Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. .52. 1907. 11
162 Ernst Meissner.
mit verschiedenen Vorzeichen. Ihr Beitrag an die Summe S ist da-
her in allen Fällen gleich null, und sie braucht nicht weiter berück-
sichtigt zu werden.
In aS* bleiben nur noch diejenigen Glieder übrig, die durch die
Lösungen (B^) von (A) erzeugt werden, für welche
X—2i/--Z=Q. (11)
(A) geht dann aber über in
m^iy-^^Zy (AJ
woraus ersichtlich ist, dass derartige Lösungen nur dann existieren,
wenn m eine Quadratzahl ist. Wenn dies nicht der Fall ist (w {m) = 0) ,
so zerstören sich sämtliche Glieder in jS*, und die Formel (7) ist be-
wiesen.
Ist aber m eine Quadratzahl, also C3{m) = l, so geht wegen (11)
das Bedingungssystem (B^') über in
und wegen (A') wird
Z+2y/ + ^>0l ,ß„.
X — 2?j — Z>()l^ ^'
X=2 im- Z ]
y = im — Z !• (12)
ij^-Z^im J
Man erhält aber alle Lösungen von (A'), die (B^') erfüllen und jede
nur einmal, wenn Z alle ungeraden Zahlen i von 1 bis [2] m — l)
durchläuft. Sie Summe 8 wird daher
8 =^ S (V^ 2 V«r— Z, i'm — Z, Z) oder
8 = a (^m) -^ i^ (y>w, 2 ^»1 — /, ^m — i, i)
i=l,3,...(2V«<— l)
womit der Beweis der Formel (7) auch für diesen Fall geleistet ist.
Mit Benützung der Gleichungen (2) kann sie leicht in die Form ge-
bracht werden:
^ (_ i)'""-i c^ (2«' d"-\- m, d"~ 2 m, 2"" d"-^ m- Ö", d") -
^ g [ni^, 2 d.-, -+- d„, 2 fZ._. — vi^- ö^, 2d„^-2 m^ - ö,) =
= a {m) • te Um', 2 ]'ni — 1, V^— 1, l) +
^^{im,2]'m-3,im~3,S)-'r •-■-h^{im,l,l-im,2im-l}]- X(i;>
Dies ist die Hauptformel des 10. der Liouville' sehen Artikel.')
') Liouville : Sur quelques formules . . . Journal de mat. T. IV, ser. "2. pg. 195,
über die Zahlentheoretischen Forniehi Liouville's. 163
Durch Spezialisieren der Funktion [y (/^^ ^^ ," i ^) entstehen aus * ihr
beliebig viele neue Formeln, von denen hier jedoch nur die in den
„formules generales" auftretenden behandelt werden sollen.
Man erfüllt die Gleichungen (2), d.h. die einzigen Beschränkungen,
denen die Funktion 5 (^^ ^^ ."? ^) unterliegt, wenn man
^{x,L^,v) = Fiv)
setzt, wo F{v) eine für alle auftretenden Argumentwerte definierte,
ungerade Funktion bedeutet. Dann aber geht die Formel (X v) über
in die Formel (x) desselben Artikels:
_ 2(- ir"-'F{8") -2f{^ d,- 2 m- ÖJ =
,1/ = „/ -+ 2^'' ' d' ' d' ' m = «/j + 2 rfg ö,
= G,{m) [F[\) + i^(3) -^ • . • -f i^(2) ;7- 1)}. (X x)
Ist/(/£,A) eine für alle zur Anwendung gelangenden Argumente
definierte gerade Funktion bezüglich jeder ihrer Veränderlichen, so
befriedigt der Ansatz :
5 (x, i, ft, v) = vf% ;.)
die Bedingungen (2). Die Formel (X v) verwandelt sich dabei in die
speziellere Beziehung :
^ 2i- ir""'- Ö"./(2«'VZ"H- m', ö"- 2 )m') -^ (2 d.,~8,^f{m^, 2 f/.^+ dj ==
= in' - -r 2"' ' (f ' ö ' )ii = ;Mj + 2 rf, 6.,
= « (m) {f{im,2]/m- l) -^- 3/(1^; 2 Vm - 3) H h (2 Vm - l)/(V^ l)} (Xri)
welche unter [t]) ebenfalls im 10. Artikel angegeben ist. Hiebei ist
die Summe
welche zunächst auf der linken Seite der Gleichung auftritt, unter-
drückt worden. Ihr Wert ist null, da sich ihre Glieder des doppelten
Vorzeichens von ni^ wegen gegenseitig zerstören.
Wenn die gerade Funktion /(x,A) in Bezug auf das erste Argu-
ment x konstant ist, so geht [r]) in die ebenfalls dem 10. Artikel an-
gehörende Formel (0) über:
(m) |/(2 V,^-l) + 3/(2V»r-3) H h (2V^-1)/(1)}- (X 0)
a
unterdrückt man dagegen in (t]) das zweite Argument von /(x, A),
so erhält man zunächst:
164 Ernst Meissner.
^(-ly"-'- 6"./(2°'V?" + »0 -^(2 d-ö^)f{m^) = (oim) • m -/(l'm).
Nun ist aber
und wenn
gesetzt wird, so ergibt sich
2 {2ck-ö,)f{m,) =^ t, (m,)/(mO
und durch Einsetzen in die vorige Gleichung
ni = m ■ + 2" fV ' • <y ' »i = M" + 2 >«.^
^ Co (w) • m • f [\ni). (IX t)
Diese Formel findet sich im 9. Artikel von Liouville unter (t) an-
gegeben.
Durch die Spezialisierung
5(x,A,^,r') = v-/(ft)
wo /(fO wie vorhin eine gerade Funktion sein soll, erhält man aus
der Hauptformel (v) die Formel (i) des 10. Artikels in der Form :
^ {-!)'"'-'. d".f{r" • d"^m - ö") -
-2 (2 ^2- 2 »h - ^2) / (2 ck - m, - a.) =
= '^("01/(1— V'i^)-f- 3/(3 - im) -I h (2 im — l)/(V/i7— l)j • i^X(.)
Weniger einfach ergibt sich aus der Formel (v) ein Spezialfall,
in welchem die Darstellungen der Zahl m als Summe dreier Quadrate
eine Rolle spielt, und den wir nunmehr ableiten wollen.
Da in {v) das vierte Argument v der Funktion ^ (x, A, u. v) nur
ungerade Werte anninmit, so ist der Ausdruck
(-1/'^"^/«
worin /(x) wieder eine gerade Funktion ist, eine gerade Funktion
von A und n, dagegen eine ungerade Funktion von v. Er erfüllt so-
mit die Bedingungen (2), und kann in (X 1') eingesetzt werden. Dann
wird die erste Summe S^ der linken Seite unter Beachtung der Kon-
gruenzen
2'" d" = m" (2)
ö"=:l(2)
über die zahleiitheoietit^clieii Formeln Liouville's. 165
ZU
S; =2 (- l)""'''^f(r"d"-h- m). (13)
Die 2. Summe So geht nach einer leichten Reduktion über in
wo bei festem ui^ zunächst über alle Lösungen der Gleichung
»«2 = (h ' ^2 (15)
zu addieren, und sodann die Summe aller so erhaltenen Ausdrücke über
die Lösungen von
m = m'^ -\- 2 ?»2 (15')
zu bilden ist. Wegen
cL = ni, (2)
wird daher
^^2 =2 [/("O (- 1)"'^-^ (- 1)^] • (16)
ni = in' + 2 ;«., 11/,^ = f7, • 6.,
Mit Liouville setzen wir abkürzend :
öo-l
9('"2)=^(-l) ^^ .
Nach einem bekannten zahlentheoretischen Satze (der sich übrigens
auch aus Liouville'schen Formeln herleiten lässt) bedeutet dann
4 • Q (tUo) die Anzahl der Darstellungen der Zahl 2 in^ durch die
quadratische Form
X- 4- i/.
Mit dieser Bezeichnung ergibt sich aus (16):
m — tu' + 2 /«2
Es ist aber
Q (nu) = 0,
wenn die Gleichung
9o I f f o
- m2 = s- -h s -
keine ganzzahligen Lösungen hat. Es wird daher
in — m' + s- + s"^
166 Ernst Meissner.
und hierin ist die Summe über alle Lösungen der angegebenen
Gleichung zu erstrecken, für welche
(17)
S'- + 8"- > 0
s = s" (2),
Aus
s ^ s"
(2)
folgt aber
2s2 = s2 +
s"' (4)
oder
s — 2
-^. (2)
und es wird
daher
^'^.'-^^(-ly./OHO. (18)
m = n/~ + s'^+ s"-
Nunmehr lässt sich leicht zeigen, dass die in (17) auftretende Be-
dingung
s = s" (2)
unterdrückt werden darf. Ist nämlich
s + s" = 1 (2),
so liefert die Zerlegung
m = m^^ -\- s- -f- s"^
in (18) viermal den Term (— if ■ f (nii). Ihr ist, weil s und s" ver-
schieden sind, ein-eindeutig die Zerlegung
2 I o"2 I r2
m = m^ 4-5 - -h 6-
zugeordnet, welche in (18) den entgegengesetzt gleichen Term
( — 1)* f (jn^) ebenso oft erzeugt. Die Summe aller dieser Glieder
hat den Wert null und darf somit der Summe (18) beigefügt werden.
Aber auch die Bedingung
S2 _^ ,,"2 > Q
darf bei Seite gelassen werden, wenn m keine Quadratzahl ist, da in
diesem Falle die Gleichung
m = ;»^ H- 0
keine Lösung besitzt. Ist aber m ein Quadrat, so entsteht für die
Zerlegung s = s = 0; m^ = + ]/ m in (18) der Ausdruck
/('"i)+/(-"0 = 2/(Vm).
Man kann somit die Bedingungen (17) aufheben, wenn man auf der
linken Seite von (18) noch den Ausdruck
über die zahlentheoretischen Forniehi Liouville's. 167
CO (m) . 2 • / (V «7)
addiert. Es wird dann
2 « (m) . / Um) + 4 .^2 = ^ (- 1)V (mj, (19)
wo nun die Summe der rechten Seite über sämtliche Lösungen der
•Gleichung
7)1 = m\ -\- s^ + &•"-
auszudehnen ist.
Die rechte Seite unserer Hauptformel (X v) geht durch den Ansatz :
5(x,A,^,i.) = (-iy'+'^/(x)
über in
R
und weeen
y m = m (2)
wird
4 i^ = { 2 . / (V^ (- 1)'" - ' + 2 / (j/^) } . 09 (m). (20)
Die Liouville'sche Formel (X v):
Si -{- So =^ R
geht beim Einsetzen der Ausdrücke (18), (19) und (20) endlich über
in die Beziehung:'
4^ (- 1)-' + ^^ .f{r"cl"^m') -^(-1)^/(0 =
11/ =3 m'^ + 2«"(?"6" M = s2 + s'2 4- s"2^
=-t. (m).2.(-l)'"-^/(Vm). (XI(,)
Dies ist die Formel (q) des 11. Artikels, aus welcher sich durch
Spezialisierung der Funktion / (x) weitere interessante Resultate mit
Leichtigkeit ergeben, wie dies von Liouville im 11. Artikel teilweise
gezeigt wird.
Wir schliessen diesen Paragraphen mit einigen weiterhin auch
gültigen Bemerkungen über die in den Formeln auftretenden Funk-
tionen. Dieselben sind im hohen Grade willkürlich. Sie brauchen
durchwegs höchstens für das Gebiet der ganzen Zahlen definiert zu
sein. Über ihr Verhalten für nicht ganzzahlige Argumente ist keine
Voraussetzung gemacht worden. Natürlich können alle stetigen
Funktionen angewendet werden, die sich bei Vorzeichenwechsel ihrer
Argumente ändern, wie die Formel jeweilen vorschreibt. Man kann
aber mit Vorteil auch unstetige Funktionen gebrauchen. So ergeben
108 Ernst Meissner.
sich bemerkenswerte Resultate, wenn man die gerade Funktion
f (ji) = 1 oder 0 setzt, je nachdem | x i grösser oder kleiner ist, als
eine gegebene positive Zahl a. Oder man setzt / (jf) = 1 oder 0,
je nachdem x durch eine vorgeschriebene Zahl ^j teilbar ist oder
nicht. Eine weitere Klasse von Spezialformeln resultiert auch, wenn
man geeignete Kombinationen trigonometrischer Funktionen einführt;
mit Hülfe der Additionstheoreme können dann die Funktionen zu-
sammengesetzter Argumente durch solche mit einfachen Argumenten
ersetzt werden, wodurch die Formeln an Übersichtlichkeit gewinnen.
§ 2.
Die Hauptformel, welche in diesem Paragraphen abgeleitet wer-
den soll, enthält wieder eine Funktion
^' (jt, A, ^, i>)
von vier Veränderlichen, die aber nunmehr für alle zur Anw^endung
kommenden Argumentwerte die Bedingungsgleichungen
erfüllt. Sie bezieht sich ferner auf die Zerlegungen einer positiven
geraden oder ungeraden Zahl m nach der Gleichung
m = »ij -f- jHg + f^2 ■ ^3 (2)
worin d.^ und d.^ positive, m^ und iiio irgendwelche ganze Zahlen be-
deuten. Ö3 soll nur ungerade Werte annehmen.
Die über sämtliche Lösungen von (2) erstreckte Summe
S =^ 0" (Ö3 — 2 m^ , (^3 -h tUo — m^ , d.. ~\- m.^ -h m^ ,0^+2 m^ ) ( 3)'
(2)
kann, wenn sie überhaupt einen von null verschiedenen Wert hat, in
eine viel einfachere umgeformt werden.
Man sieht zunächst, dass a und v immer ungerade Zahlen sind,
insbesondere also nie verschwinden. Wegen (1) darf auch A als von
null verschieden angenommen werden, während ft sehr wohl den Wert
null haben kann.
Seien nun x, 1/, t feste, von null verschiedene Zahlen; -- sei positiv,
negativ oder null. Wenn die Zahlen x und t nicht beide ungerade
sind, so tritt der Ausdruck
Q {x, y, z, t)
über die zahlentheoretischen Formeln Liouville's.
169
in der Summe (3) niemals auf. Wir setzen daher x und t als un-
gerade voraus.
Dann erscheint in S das Glied %{x^y^z,i) so oft, als das Gleichungs-
system
X =' d.
Im,
U
cU
3 ~r- »io + "^1
z = d..
oder das damit äquivalente
2 ,n, = z — y
ö., = y — z + t
2 nie, ^= y — X — z-^- 1
2d^ = x-^'lz — t
(4)
Lösungen besitzt, die den gestellten Bedingungen entsprechen, und
der Gleichung (2) genügen. Diese geht vermöge der Gleichungen (4)
über in
4 m = 2 {if -z')^x^-^^z-t — t^ (5)
und die Voraussetzungen
d^ > 0 03 > 0 Ö3 = 1 (2)
sind erfüllt, wenn die Lösungen der Gleichung (5) den Bedingungen
x-h2z—t>0
y — z-\-t>0
y-z-ht=l (2)
(6)
genügen. Jeder solchen Lösung entspricht vermöge (4) eine Zer-
legung (2) der Zahl m, welche in S den Term
0= (x, y, z, t)
erzeugt.
Wenn die Gleichung (5) überhaupt eine Lösung hat, so besitzt
sie auch immer eine solche, in welcher ./;, y und t positive Werte
.Y, Y resp. T
besitzen. Durch Andern der Vorzeichen ergibt sich aus einer solchen
das System der acht Lösungen
1) X, F, z, T; 2) -A', F, -r, -T; 3) A, - Y, -z, -T; 4) -A, - Y, z, T
o) X, Y, - -., -T; 6) -X, Y, z, T; 7) A, - F, z, T; 8) -A, - F, -z, -T.
170
Ernst Meissner.
Sie sind alle von einander verschieden, und das ßedingungssystem (6)
nimmt für sie der Reihe nach die Form an:
K)
X-\-2z
— T>0
Y— z
+ r>o
Y- z
+ T=1(2)
X—2z
+ r>o
r+ z
-T>0
r+ z
-r=i(2)
X—2z
4-T>0
r+ z
— T>0
Y-\- z
- T= 1 (2)
X-\-2z
— r>o
Y— z
-^T>Q)
Y— z
+ 7^-1(2)
(«g) —
M
Z— 2 0
r+ z
-r=i(2)| ^
Z+2 0
F— 0
r— s
^T^l(2) ^
z+2 0
r— 0
r- 0
— T>0
-f-T=l(2)
Z— 2 3
r+ 0
r+ 0
+ r>o
— rEEEl(2)
(«7)
Jeder Lösung («i) bis («§) korrespondiert wegen (1) in «S* das Glied
± % {X, r, 0, T),
und zwar tritt für die Systeme a^ . . . a^ das Pluszeichen, für («5) bis
(ßg) das Minuszeichen auf, was jeweilen am Fuss der Klammer an-
gedeutet worden ist. Wenn aber die Bedingungen («g), («4), («7)
resp. («§) erfüllt sind, sind es auch die Bedingungen («5), («g), («1)
resp. («2)- Eine Lösung, die gleichzeitig 2 solchen Systemen genügt,
erzeugt aber in der Summe 8 den Term ^ (Z, F, 0, J") zwei mal und
mit verschiedenen Vorzeichen, und darf sonach unberücksichtigt
bleiben. Entfernt man sämtliche derartige Lösungen aus den oben-
stehenden Systemen, so gehen sie über in die folgenden:
Z+2z — T>0
Y— z -f-r>o
r— 0 4-2^=1(2)
F+ z —T>Q
Z — 2 s -+- r > 0
r+ 0 —T>o
F+ z — r;-l(2)
F— 0 H-r>0
(«;)
«)
Z— 20 + T>O
F-(- 0 — r>o
F+ 0 — r=i(2)
F— 0 + r>o
z+2c- — r>o
F— z +2^>0
F— 0 -f-r-i(2)
F+ 0 — r>o
(4)
K)-
Die beiden ersten erzeugen den Term
S (Z, F, 3, T)
über die zahlentlieoretischen Formeln Liouville's.
171
mit dem positiven, die beiden letzten mit dem negativen Vorzeichen.
Da die linken Seiten der letzten Ungleichungen in allen 4 Systemen
ungerade Zahlen sind, so darf dort das Gleichlieitszeichen weggelassen
werden.
Nunmehr tritt eine weitere Reduktion in Evidenz. Wenn die
Bedingungen («3) resp. (ajj) erfüllt sind, so sind es um so mehr die
Bedingungen («5) resp. {a[). Wie vorhin zerstören sich die solchen
Lösungen der Gleichung (5) entsprechenden Glieder in S des ver-
schiedenen Vorzeichens wegen paarweise, und es bleiben von (5) nur
noch diejenigen Lösungen zu betrachten, für welche eines der Be-
dingungssysteme
Y— z +r>0
r— -. -+-r=i(2)
(«;')
X— 2 2
r4- z
r+ z
Y— z
X^2z
r>o
T=l(2)
T>0
(«5)
befriedigt wird. Wenn aber in der letzten Ungleichung nicht das
Gleichheitszeichen gilt, so sind diese beiden Systeme immer gleich-
zeitig erfüllt, und jede solche Lösung liefert an 8 keinen von null
verschiedenen Beitrag. Man braucht also nur die Lösungen von (5)
zu berücksichtigen, für welche entweder
oder
X — 2 2 + r
z -+- 2 s — r
ist.
In beiden Fällen nimmt jene dann die Form an:
2 m = ]f- + 2". (5')
AVenn die Zahl 2 m, keine Darstellung als Summe von 2 Quadrat-
zahlen gestattet, so hat (5') keine Lösung, und der Wert der Summe 8
ist gleich null. Ln andern Falle geht die Gleichung (5') vermöge
der Beziehungen
ij = d^-^ m^
z = (ig 4- i'U
m.
m.
und der Gleichung (2) über in
woraus, da d^ > 0, die Relation
2 ujo) = 0
(Zo
'^ ))U
hervorgeht.
(7)
172
Ernst Meissner.
Hieraus folgt, dass x nur positive Werte annimmt. Setzen wir daher
,3 - .... ■ . ; (7')
so sind a, b und s ganze Zahlen, für die die Ungleichungen
0 < 2 s + 1 < 2 n (
a > 0 I
gelten. Aus den Gleichungen (7), (7') folgt aber:
(8)
X = d^ = 2a —-2 s
1
y ■= (l^ -\- JHg — )Hj = a — h
z = f?3 -j- ni^ + Mii =«--(-&
i =03 + 2 /«i = 2 6 H- 2 s + 1
(9)
und dann geht (5') über in
m = a' + &^ (5")
Die Summe S endlich erscheint nun in der Gestalt
'S' = ^^ 5 (2 a — 2 s — 1, a - 6, a + &, 2 & + 2 s + 1)
7« = a- + 6'-
wo Über alle mit (8) verträglichen Lösungen der Gleichung (5") zu
addieren ist.
Hat letztere gar keine Lösung, was z. B. immer der Fall ist, wenn
m = 3 (mod. 4),
so ist der Summe der Wert null beizulegen. Unter dieser Fest-
setzung erhält man die für jedes m gültige Gleichung:
^ i^ (^3 — 2 m., cl^ + yy/2 — "^> ^-k + »'2 + »'n ^^3 + 2 m^) =
= ^9^(2«. — 2s— 1, a — i, a + &, 2Ö + 2S + 1).
s = 0
»I = «'^ + &2
Sie bildet das Hauptresultat des 16. Artikels der «formules generales».
Wenn man an Stelle der Funktion ^ {x, y, s, t) die bezüglich
jeder Variablen ungerade Funktion
F{x,y,-)
einführt, was mit den Forderungen (1) verträglich ist, so geht aus
der Hauptformel die Formel (1) desselben Artikels hervor:
1) Joiirn. de math. 2^ ser., T. •», p. 389.
über die zahlentheoreüschen Formeln Liouville's. 173
^ F{d.^ — 2 ?»2 , ^3 -f- »?._, — J»i , fZg + »?2 "+" '"l ) =
= "^ F(2 a — 2s-l,a-h,a^ b). (XVI 1)
Dl = a- -t- h"
Da hier das 1. Argument nur ungerade Werte annimmt, so ist die
weitere Spezialisierung
^ — 1
gestattet. Die rechte Seite der Formel (1) wird dann
a — \
s = 0
s = 0
2F{a- h, a + h) [(- rf-' 4- (- 1/'-- H- • + (- 1)']
»i = a- -T-h'
und es verschwindet somit jedes Glied, welches für gerade Werte von a
auftritt. Man erhält also die Gleichung
^ (— 1) ' ' 'F (d., + J//2 — Dil , d-i -f- (»2 — »"l ) =
= 2F{a-b,a^h) (XVI 4)
7)1 = a- + h-
wobei rechts nur über diejenigen Lösungen der Gleichung
m = a -'- 0-
zu summieren ist, in denen a eine positive ungerade Zahl bedeutet.
Dies ist die Formel (4) des Artikels (16).
Setzt man in der Hauptformel (3)
wo wieder F eine bezgl. aller Argumente ungerade Funktion sein
muss, so ergibt sich die Relation (2) desselben Artikels:
^ ly {ö-s — 2 m^, ds + m, — »«i , ög -f- 2 m^^ ) =
t)i = nr + IIII + d^ öj
ff — 1
= ^ i^(2 a — 2 5 - 1. rt — &, 2 .^ -^ 2 ft -t- 1) (XVI 2)
s = 0
VI = a- + b-
Da hier die beiden äussern Argumente ungerade sind, darf die Funk-
tion F{.i-,i/,t) weiter spezialisiert werden nach der Gleichung
F(x,y,t) = (-l) 2 -Fii/),
174 Ernst Meissner.
worin F{y) wieder ungerade Funktion ist. Die Formel (2) geht dann
nach einigen Reduktionen über in die am Schluss des 16. Artikels von
Liouville angegebene Gleichung (5):
2 (- 1)"'"' ""• F(d,^m, - m J = (- 1)" .^ aF(h-al (XVI 5>
m = in' + }>'~, + d f> m = a- + Iß
womit sämtliche Formeln des genannten Artikels erschöpft sind.
§ 3.
Die in diesem Abschnitt herzuleitende Formel steht mit der vorigen
im engen Zusammenhang, und die Beweisführung geht derjenigen des
§ 2 genau parallel.
Es tritt in ihr eine für alle zur Anwendung kommende Argument-
werte definierte Funktion auf, welche den' Gleichungen
genügt.
Die Formel bezieht sich auf die Zerlegungen einer positiven un-
geraden Zahl ni nach der Gleichung
/ m = m\ + 4 r}K + 2"^ + ^ • ch • 8^. (2)
i«2 ist hiebei eine beliebige, m^ eine ungerade Zahl, t/^ und Ö^ sind
positiv und ungerade, und der Exponent «3 ist grösser oder gleich null.
Die über alle Lösungen von (2) erstreckte Summe
S---2^ (2"' Ö3 — 2 m^ , C/3+ 2 n^ — m, ,d^+2 m.^-^m, . 2"^ ög-f- m, ) (3)
soll ausgewertet werden.
Wegen (1) darf man voraussetzen, dass in der Summe -S* nur
solche Glieder auftreten, in denen die beiden ersten Argumente, und
von den zwei übrigen wenigstens das eine von null verschieden sind.
Ferner sind die beiden innern Argumente immer gerade Zahlen, so-
dass 3" ii^ ^ iiur in der Form
auftritt.
Sind X und y zwei von null verschiedene, z und t zwei nicht
gleichzeitig verschwindende ganze Zahlen, so tritt
S(*,2y,2^,0
in der Summe (3) so oft auf, als das Gleichungssystem
über die zahlentheoretischen Formehi Liouville's.
175
eis-
cL
2"^ dg — 2 ««2 = ^^
2^2— "'i= 2 z/
- 2 »»2'
9«3 A
in.
2z
;>*! — t
oder das damit gleichwertige:
(4)
'ih =-■ — ?/
2 «?2 = y — X — z-{- t
d^—- X -\- 2 z — t
Lösungen besitzt, welche die gestellten Anforderungen befriedigen.
Diese Lösungen entsprechen aber eindeutig umkehrbar den Lösungen
der Gleichung
m^ x''~\~2tr—2z''-h4.zt — r% ' (5>
für welche die Bedingungen
y
^ 4- s = 1 (mod 2)
ic H- ?/ = 1 (mod 2)
2z — t>0
(6)
erfüllt sind. Wie im vorigen J^ gezeigt wurde, zerfallen aber alle
Wertesysteme {x, y, z, t), die (5) erfüllen, in Gruppen von je 8 ver-
schiedenen, die wir, wenn X und Y die absoluten Werte von ./; und y
bedeuten, in der Form angeben können :
1) X, Y, z, t 2) -X, Y, -z, -t 3) X, -Y, -z, -t 4) -X -Y, z, t
5) X, F, -s, -t 6) -X, F, z, t 7) X, -Y,z,t 8) -X, -F, -z, -t
Die 2 ersten Bedingungen (6) gehen für alle Lösungen über in
X+^ =
F + r- =
1(2)1
1 (2) r
(«>
die übrigen werden der Reihe nach zu:
F— z + ^ > 0 1
XH-2^ — i>0 I
M
-t>0 \
Y-\~ Z (/ ^ V I / N
-F4- z
X—2z
F+ z
X —2z
— Y— z
t>0\ r
t>0 J.
^ > 0 1
^>o I.
t>0 \
(«3)
(«5)
X+2 2— i>0 (_
(«7)
— F— z +i>0 \
— X-4-2^— ^>0 ).
F— z 4-^>0 1
— X+2s-^>0 |'_
— F-1- := — ^>0 I
— X — 2s + ^>0 I.
(«4)
h
(«0)
(«s)
176
Ernst Meissner.
Alle 8 Lösungen erzeugen in der Summe 3 den Term
±Q(X,2Y,2z,tl
die ersten vier mit dem Plus-, die letzten vier mit dem Minuszeichen.
Die Bedingungen (a^), (a^), (a^), («g) sind gleichzeitig mit den resp.
Bedingungen (a^), («g), («3) und (a^) erfüllt. Die 2 Systemen gleich-
zeitig korrespondierenden Glieder in S zerstören sich wie im vorigen
Paragraphen. Die acht Bedingungssysteme reduzieren sich auf die
vier folgenden :
Y— z -+- t>0
F-f- z - t>i)
= +
F+ z —t>{)
— X— 2z + ^>0 . («;)
F— s + ^>0
F+ z —t>0
X— 20 + i>o (4)
Y— s +^^0
F— z H-- ^ > 0
— X+22 — i>0 . (4)
FH- s — ^>0
F— z + ^ >0
F+ 2 — / > 0
X+2s — ^ >0
K')
X— 2s + ^ >0
F+ s — ^ >0
F - 2 H- ^ > 0
X-f- t — 2 ^ > 0
X -f - 2 s — ^ > 0
wozu in allen Fällen noch die Bedingungen («) treten. Die Be-
dingungen (ß'o) sind in (ßj), die Bedingungen {a^) in {a\) enthalten,
und es tritt in genauer Analogie zum § 2 die weitere Reduktion auf
die 2 Systeme ein :
(«;')•
Wegen der 1. Bedingung von (a) ist die linke Seite der letzten Un-
gleichung bei beiden Systemen eine ungerade Zahl, also sicher von
null verschieden. Mit Ausnahme der Fälle, wo in den dritten Un-
gleichungen der Systeme («'/) und (a/) die Gleichheitszeichen auf-
treten, sind beide Bedingungssysteme identisch, und erzeugen daher
Summen, die sich entgegengesetzt gleich sind, und deren Gesamt-
beitrag an iS' daher null ist. Ist aber
z=t+ Y.
so geht die Gleichung (5) über in
m = X^ _|- f = X- + f.
Vermöge der Gleichungen (2) und (4) wird hieraus
(5')
2"^ö- (2°^ö,-cL
2 nu
m,
0
oder
über die zahlentheoretisclien Formeln Liouville's.
177
2'''ö
3 '^•'3
Ä
cL = 2 i)h
m.
Setzt man nun
so wird
2"^ö, ^-4 = « I
:i.(
(7)
(8)
2 }Uo -h "«
X = 4- (« - ß)
2 ?/ = « — 2 s — 1
22 = /3 + 2s+ 1
^ = -f (« + /3)
(9)
a und ß sind dann ungerade Zahlen, die wegen (5') der Gleichung
2 m = «•- + /3' (5")
genügen. Die Gleichungen (7) und (8) zeigen, dass s, a und ß den
Beschränkungen
0 < 2 5 + 1 < a I
(10)
unterworfen sind. Durch die zweite dieser Bedingungen wird das Vor-
zeichen, das man der Zahl ß in (5") beizulegen hat, eindeutig bestimmt.
Die Summe S geht bei dieser Transformation über in die über
alle Lösungen von (5") zu erstreckende Summe
« = ^ 5(^, « - 2., - 1, ß + 2s + 1, ii±i)
wobei a, ß und s den Bedingungen (10) genügen müssen. Setzt man
noch fest, dass der Summe der Wert null beizulegen ist, wenn gar
keine Lösung (5") möglich ist, so erhält man die Relation :
^ 5 (2"3 ^3 - 2 ^2, rfs + 2 u^ - m, , (^3 -4- 2 m^ + m, , 2'^ 8,
in = jH" + 4 ml + -l^'s (li 03
«- 1
= J 3 ( V-. « - 2« - 1, ^ + 2., + 1, ^-).
>><i =
(XV 3)
; = I)
2 in = a- + ß-
Dies ist die Formel (3) des Artikels 15 ^).
Ist i^ wieder eine bezüglich aller Argumente ungerade Punktion,
so liefern die Ansätze
') Journal de mat., ser. 2, T. 9, pg. 3:21.
Vierteljahrsschrift d. Natnrf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907.
12
178 Ernst Meissner.
%{x,y,z,t) = F{x,ij,z)
resp. 0^ {x, y, z,t) = F {x, y, t)
die zwei speziellen Beziehungen:
^ F (2^* Ö3 — 2 »12- äz + 2 »?2 — "^ ' ^3 + 2 j>?2 + >«i '
(2)
= 2F ["^, a-2s-l, ß + 2s + l)
s = 0
^ i^ (2«^ 63 - 2 «^2, f?3 + 2 m, — m^, 2"^ ^3 + m,) =
s<^ (XV2)
welche im 15. Artikel unter (1) und (2) angegeben sind^).
Wenn die der Formel (3) zu Grunde liegende Zahl m von der
Form 4 ,u -|- 3 ist, so hat die Gleichung (5") kleine Lösung, und da
in diesem Fall der Exponent «3 der Gleichung
m = m\ + 4 ml + 2°^ + ^ • d^ • Ö3
den Wert null hat, nimmt die Gleichung (XV 3) die folgende Ge-
stalt an:
^ ^> (^3 — 2 5^2, d^ + 2 ^2 — ^>'ir 4 + 2 m^ -r- m^, Ö3 + m^) = 0.
m = »i\ + 4 ,„l + 2 fZs Ö3 (XIV C)
Dies ist die Formel (C) des 14. Artikels-).
Der spezielle Ansatz
% {x, y, z,t) = F ix, y, 2),
wo F bezüglich aller Variablen ungerade Funktion ist, liefert die
Formel (A) des Artikels 13:
^ F (ßs — 2 »?2, c?3 -r 2 W2 — ^'h-: c^3 + 2 »i^ -r ^»i) = 0.
w = „r+i VI l + 2 ch 63 (XIII A)
Setzt man hier, da das erste Argument ungerade ist
Fix,y,z)={-l)~^.F(y,z\
so ei'gibt sich die Formel (AJ des Artikels 13^):
^ (— 1) ^ '"'• F {d^ + 2)»2 — »«1, ds + 2 nio + wj = 0.
m = ml + i »q + 2 rfs 03 (XIII Ai )
') Journ. de math., ser. 2, T. 9, pg. 321.
2) Journ. de math., ser. 2, T. 9, pg. 281.
^) Journ. de math., ser. 2, T. 9, pg. 249.
über die zahlentheoretischen Formeln Liouville's. 179
Die zwei letzten Argumente der Funktion F {x, y, z) in (A) sind
gerade. Bedeutet ^ (.r, ii) eine für alle zur Anwendung kommenden
Argumente definierte und den Gleichungen
0 {x, «) = — 0 (— X, n) = O {x, — ii)
genügende Funktion, so hat der Ausdruck
a>(.,i^)-*(.,i^)
^anzzahlige Argumente, und ist sowohl bezüglich a-, als bezüglich ij
und z eine ungerade Funktion. Setzt man ihn für F (x-, y, z) in die
Formel (A) ein, so ergibt sich die unter (Ag) im XIII. Artikel ge-
gebene Beziehung
2 [^ (Ö3 - 2 ^2, ^3 + 2 m^) - 0 (Ö3 - 2 ^2, m,)] = 0.
VI = m\ + 4 ml + 2 rfs Ö3 (XIII Ag)
Setzt man hier endlich noch
wo /(«) eine gerade Funktion sein muss, so erhält man die Relation
(A3) desselben Artikels:
(5,- 1
^ (- l)^^"""'- [/(fZ3 + 2mO -/(»O] = 0. ^xill A3)
JH = vr -I- 4»«.^ + Zdib^
Endlich resultiert aus der Formel XIV (C) durch die Speziali-
sierung
^ {x, xj, z,t) = F {x, ij, t),
wo F bezüglich x, y und t ungerade sein muss, die Formel (B) des-
selben Artikels :
2 F {0^ — 2 m^, ds + 2 m^ — m^ , d^ + m^) = 0. ,-j^jy gx
»i = »/' + inil + 2 rfs Ö3
Hiemit sind alle im 13., 14. und 15. Artikel angegebenen Beziehungen
abgeleitet.
§ 4.
Die Hauptgleichung dieses Abschnittes enthält eine für alle ver-
wendeten Argumente definierte Funktion
F (A, fi, v),
welche den Gleichungen
180
Ernst Meissner.
Fik,^,v)
F (- ;, }i,v)=-F{k,-fx,v)=-F {X, y.,-v\
F (0, fi,v) =F (A, {),v) = F (L ^, 0) = 0
(
(1>
genügt. Sie bezieht sich ferner auf die Zerlegungen einer positiven,
geraden oder ungeraden Zahl m nach der Gleichung
m
m
d" ' d".
(2>
m ist irgend eine ganze Zahl; d" und d" sind ausschliesslich positiv.
Die über sämtliche Lösungen von (2) erstreckte Summe
S =^ F{d"-hm', d" - 2m', 2d"-i-2m—d") (3)
m = ;m'2 + d" d"
soll ausgewertet werden.
Nach (1) dürfen alle Argumente als von null verschieden voraus-
gesetzt werden. Sind aber x, y, z drei nicht verschwindende Zahlen,
so tritt
F {x, ij, z)
in (3) jedesmal dann auf, wenn die Gleichungen
d" -\- m = X
d" — 2m = y
2ö!" + 2m' — ö" = 2
m = ni - + rf 0
eine Lösano; haben. Aus ihnen folat
(4>
(5)
2fZ" = y -(- z
8" = 2x —z
2 m ^= 2x — y — z
4 m = 4:x'^ -{- y- — z
und es entsprechen daher die Lösungen (4) eindeutig und umkehrbar
denjenigen der Gleichung
4 «it = 4 jf"
y
für welche
/y + 2 > 0 I
2x — z>^ )
ist.
Wenn (X, F, Z) eine Lösung von (5') ist, so ist auch [i,^ X,
£2 y, H ^) G^oe solche, sobald die e den Wert + 1 haben. Von diesen
acht Lösungen erfüllen höchstens vier die Bedingungen (a), und wenn
wir die Zahlen X, Y, Z als positiv voraus setzen, sind es die vier
Lösungen
1) X, F, Z; 2) -X, F, — Z; 3) X, - F, Z; 4) X, F - Z.
Die Bedingungen (a) werden der Reihe nach zu :
über die zahlentheoretischen Formeln Liouville's. 181
r+z>o\, . Y — z>o\ -r-f-^>oi . .
Y-Z>0\
lind alle Lösungen («i) . . . (a^) erzeugen in der Summe S den Term
± F (x, r, z).
Es ist leicht zu sehen, dass in den Fällen («i) und («2) das positive,
in den Fällen («3) und («4) das negative Zeichen zu wählen ist.
Wenn die Systeme («3) resp. («2) erfüllt sind, sind es um so
mehr die Ungleichungen («j) resp. («4); eine zwei solchen Systemen
gleichzeitig angehörende Lösung erzeugt aber in S zwei sich zer-
störende Glieder, und kann weggelassen werden. Die Bedingungen
(«4) bis («4) reduzieren sich daher auf die folgenden:
2X— Z>0\ , ,. Y— Z>0\ , ,.
Wenn kein Gleichheitszeichen auftritt, so sind aber auch diese zwei
Bedingungssysteme gleichzeitig erfüllt oder nicht, und alle derartigen
Lösungen von (5') liefern an S den Beitrag null.
Wenn dagegen in (a[)
Y = Z
ist, so geht (5') über in
in = X- = X-. (o )
Dieser Fall tritt nur ein, wenn m eine Quadratzahl, also a {m) = 1
ist. Die korrespondierenden Lösungen liefern wegen der Bedingung
2X— Z>0
die Summe
2 y »7— 1
-^1 =^^ F{im,s,s] .«(m). (6)
s= 1
Ist endlich in (a'4)
2X = Z,
so wird die Gleichung (5') zu:
4w =y'- = Y' (5'")
und wegen der Einschränkung
Y—Z>0
tritt nun die Summe
182 Ernst Meissner.
Vw— 1
S.^ — co im) ^ F(t,2 im, 2 t) (7>
i = 1
in S auf. Da hiemit alle von null verschiedenen Glieder von S auf-
gezählt sind, ergibt sich die Gleichung
O = Ol -t~ 1^2
oder
^ F {d" -}- m, 8" — 2 m', 2 cl" -\- 2 m — 8") =
m = m'- + d" b"
yiiVi-\ V^-1 I (XII 9))
= « (»») \ 2 F [im, s, s) - ^ F [t, 2 im, 2 ^)
1 ^ = 1
Dies ist die Formel {(p) des 12, Artikels.
Man erhält daraus eine weitere Beziehung, wenn man die Funktion
F (x, y, z)
gleich null definiert, sobald z eine gerade Zahl ist, d. h. wenn man
aus beiden Seiten der Gleichung (cp) nur die Glieder mit ungeradem
letztem Argument heraushebt. Dann hat 8" für alle nicht ver-
schwindenden Glieder nur ungerade Werte. Setzt man ferner statt
d" den Ausdruck 2"" d" , indem man die höchste Potenz von 2 ex-
trahiert, und unter dem neuen d" nur ungerade Zahlen versteht, so
tritt an Stelle der Gleichung (2) die neue Zerlegung
m = m ^ -^ 2 d • o ^ m ■' -\- in
der Exponent a" ist irgend eine nicht negative ganze Zahl. Die neue
Formel, die sich auf die Lösungen dieser Gleichung bezieht, lautet dann:
2 • F{r" d" -h m, ö" - 2 m', 2"" +' cZ" + 2 jh — ö") =
2V^-1 (XII v)
= oj (^m) • ^ F [im, s, s).
s=l,3, ..
Die Zahl s ist auf ungerade Werte beschränkt ; die in (9) auftretende
zweite Summe rechter Hand verschwindet.
Dies ist die Gleichung (v) des 12. Artikels. Weil hierin die
beiden letzten Argumente der Funktion F {x, y, z) ungerade Zahlen
sind, so ist die Spezialisierung
F {x, y, £) = (- 1)"^ + -^ . ^ ix, £) = (- ir^^ O (x, z)
erlaubt, sobald 0 (x, z) für alle zur Anwendung kommenden Argu-
mentwerte den Gleichungen
ö> {:x,y) = - 0 i-^.y) = + ^ C^', -^); ^ (0,2/) = 0
über die zahlentheoretischen Formehi Lioiiville's. 183
genügt. Unter dieser Voraussetzung, und mit Beachtung der Kon-
gruenz
-J- (y + 3) = 2"" d" ^ m" (mod 2)
geht dann die Formel (v) über in die im 8. Artikel von Liouville
notierte Gleichung (y):
^ (_ !)-"-! . o (2«" d" + m, d" - 2 m) =
m = in'- + •!"■" d" i\ "
2y^-i (VIII y)
= aj(m) • ^ a> (V)H, s).
s = 1,3, . .
Reduziert man noch die Funktion ^ (j;, y) auf eine ungerade Funktion
F {x) ihres ersten Arguments, so ergibt sich die Formel (ß) des
7. Artikels in der Form:
^ (- 1)""- ' • F {T"d" + m) = « (m) -im- F [im). (VII ß)
1)1= m"i + ■l"-"d" <3"
Wenn in der Formel [y)
gesetzt wird, wo f {x, y) wie gewöhnlich eine gerade Funktion beider
Variablen bedeutet, so erhält man die Relation (8) des 8. Artikels:
^ (— 1)"^"-' • (2"" -d" + m)f{2'"' d" + ni, d" - 2 m) =
m = m'' + '!"■" d" b"
2V^-1 _ (VIII ö)
= CO {))i) • ^ im •/ Um, s).
■s =1,3,..
Endlich liefert noch der Ansatz
0(x,y) = {^Vr^'.F(x,y)
in dem F (x, y) eine bezügliche beider Argumente ungerade Funktion
ist, aus der Formel (y) die Gleichung (a) desselben Artikels :
b"-\
^(-1) 2 .F{2'"'d"-^m\8" — 2m) =
Dl =/«'2 + i"-" d" 6"
2 VT« — 1 s - 1
= « (m) (- 1)--^ . ^ (- 1)^" F (Vm, s\
(VIII
1,3,.
Hiebei ist noch von der Kongruenz
m' — );/ r= m (2)
Gebrauch gemacht worden.
184 Ernst Meissner.
Alle angegebenen Formeln gestatten eine Reihe von mehr oder
weniger interessanten Spezialisierungen.
Setzt man beispielsweise in (9)
F {x, tj, z) = X ' y • z
und bezeichnet man mit t,^ (x) die Summe aller Teiler von st, so er-
gibt sich nach einigen Umformungen die ebenfalls von Liouville her-
rührende Formel *)
m l, {m) + 2 ^ {m - 5 s^) l, {m - s'') =-- a (m) • '^^^'!~^^
s = 1
Die Summation ist über alle positiven ganzen Zahlen s auszudehnen,
für welche das Argument von t^ nicht null oder negativ wird.
In diesem Abschnitt treten zwei verschiedene Zerlegungs-
gleichungen auf. Die erste lautet
,H = 2w'2 + cü" . ö". (1)
w, d" und 8" sind positive ungerade Zahlen, m hat einen festen Wert.
Die Zahl m ist positiv, null oder negativ. Über alle Lösungen von
(1) ist die Summe
2 8,=-- 2^% {d" + 2 m, d" — 2 m, 2 m + d" — d") (2)
(1)
zu erstrecken. Es bedeutet hier 3" {'^^ K ^) eine für alle auftretenden
Argumentwerte definierte, und den Gleichungen
3^ (^, y,z) = — g- (— X, ij,z) = % {x, —y, — z) (3)
gehorchende Funktion.
Die zweite Zerlegungsgleichung hat die Gestalt
2 m = m\ + dz • do (4)
^2 und 62 sind positive Zahlen, und beide ungerade, m^ ist ungerade,
positiv oder negativ. Über alle Lösungen (4) ist die Summe
«2 = ^ 3f (-24^'-), '». , (-^^f^) (5)
auszudehnen.
^) Journal de math. pures et app. 2« ser., T. VII, 1862. Extrait d'une lettre de
M. Liouville ä M. Beseue.
i'ber die zahlentheoretischen Formeln Liouville's
185
Dann gilt, wie hier bewiesen werden soll, die Relation
2S, = S, (6)
in allen Fällen.
In der Summe (2) kann, da die 2 ersten Argumente von ^ un-
gerade sind, höchstens das letzte versehwinden. Wir wollen jedoch
diesen Fall vorläufig ausschliessen. Ist dann x resp. y eine ungerade,
s irgend eine von null verschiedene Zahl, so tritt in (2) das Summen-
glied
^ {x, y, 2 z)
so oft auf, als die Gleichungen
d" -{-2 m' = X
d" — 2 7«' = y
2 m' + d" — ö" = ;
m =2m"-^d" 8"
oder die ihnen gleichwertigen :
8" = X —2z
d!' = 2j ^2z
2 m' =^ X — y —2z
2 m = x^^ y- — 4 2^
(7)
(7')
Lösungen besitzen. Die Lösungen von (7) entsprechen also eindeutig
umkehrbar den Lösungen der Gleichung
X- + ?/- — 4 z-,
(8)
(«)
2 m
welche die Ungleichungen
^' — 2 z > 0 \
?/ + 2 s > 0 I
befriedigen.
Die letztern kann man in Gruppen von je acht so zusammen-
fassen, dass sich die Lösungen einer Gruppe nur durch die Vorzeichen
der Grössen x, y, z unterscheiden. Sind X, Y und Z die absoluten
Werte der Variablen, so können von den 8 Lösungen einer Gruppe
höchstens die folgenden vier die Bedingungen («) erfüllen:
1) X, Y, Z\ 2) X F, — Z; 3) X — F, Z\ 4) — X, F, Z.
Jene nehmen dann der Reihe nach die Form an:
X
Y
2Z>^\ X+2Z>01 X-2Z>01
2Z>0j'^''^' F-2Z>0) '^''^^ -Y-v2Z>^\^'^
— X-\-2Z>0\
F — 2 Z > 0 I
186 Ernst Meissner.
Durch die Gleichungen (7') erhält man zu jeder solchen Lösung eine
Zerlegung (1), und damit in 2 iSg ein Glied
± Q (X, Y,±2Z)
zuseordnet, und zwar erzeugt
eine Lösung («i) den Term ö" (^» ^' 2^)
„ («3) . „ 5'(X,-r, 2Z) = ^(X,Y,-2Z)
« («4) . . 5(-X,F,-2Z) = -0^(X,r,-2Z)
(9)
Aber mit den Bedingungen («4) sind gleichzeitig auch die Forderungen
(«o) befriedigt; eine («J erfüllende Lösung erzeugt also nach (9)
denselben Term in So zweimal, aber mit verschiedenen Vorzeichen,
und kann daher weggelassen werden. Die Bedingungen (0:2) und («4)
dürfen also ersetzt werden durch die engern :
X+2^> 0 ]
Y~2Z>Q («;).
X— 2Z> 0 J
Die erste davon ist von selbst erfüllt. In der letzten ist die linke
Seite ungerade, ein Gleichheitszeichen also unmöglich. Eine Lösung
(«2) erzeugt das Glied
5' (X, F, - 2 Z).
Da die Bedingungen («„) und («g) in die eine Ungleichung
X - 2 Z > 0
zusammengefasst werden können, und diese wieder mit («j) identisch
ist, so ergibt sich endlich
2 S[ = 2^' [^ (X, Y, 2 Z) 4- % (X, F, - 2 Z) }, (10)
wo die Summe über alle Lösungen von
2 m ^ X' + Y" - 4.Z^ (10')
mit der Bedingung
X— 2^>0 * (10")
auszudehnen ist, und wo der Akzent andeuten soll, dass die Glieder
mit verschwindendem 3. Argument unterdrückt worden sind.
Nun diskutieren wir in gleicher Weise die Summe aSV
Aus (4) folgt, dass
^2 "^ ^2 (mod 4),
dass also -^— ; — - = x eine ungerade Zahl ist. Setzen wir
über
die
zahlentheoretischen Formeln
Liouville's.
do
=
2 X '
y
^
d^
-d^2
=
4s .
nii
= U
^
d^
= X
+
1z ■
1
ö.
= X
—
2z.
187
(11)
di — d'2 = 4 s J
also
"«1 = y 1
(11')
so ist ir; wie y eine ungerade Zahl, und z ist sicher ganz. Wir wollen
einstweilen aber auch annehmen, z sei nicht null. Die Gleichung (4)
wird nun zu
2 m = if2 _|_ y2 _ 4 ^2^ (^g>)
d. h. geht in die Gleichung (8) über; umgekehrt entspricht jeder
Lösung von (8), für die
x±2z> 0 (12)
eine Lösung von (4), die durch die Gleichungen (11') berechnet werden
kann. Von den 8 Lösungen einer Gruppe der oben diskutierten
Gleichung (8) können 4 die Bedingungen (12) nie erfüllen.
Für die 4 übrigen, nämlich
1) X, y, Z; 2) X, r, - Z; 3) X, - Y, Z; 4) X, - Y, - Z
wird (12) in allen Fällen zu
X-2Z>0. (12')
Einer Lösung 1) ... 4) entspricht wegen (11') je eine Zerlegung (4)
und damit ein Glied in 80 eindeutig, und zwar entsteht
für eine Lösung 1) der Term % (A^, Y, 2 Z)
» „ « 2) „ „ 3- (^^ Y, — 2Z)
» » » 3) „ „ % {X, Y, — 2 Z)
. „ « 4) „ „ ^'{X^Y, 2Z)
Daher wird, wenn wieder die Glieder mit verschwindendem letzten
Argument unterdrückt werden, die Summe ^'2 zu:
'^X = 2 ^' {5 (X, Y, 2 Z) + 0= (X, F, - 2 Z)},
wobei über alle Lösungen von (10') mit der Bedingung (10") zu
summieren ist.
Vergleicht man mit dem unter (10) erhaltenen Resultat, so folgt
2 .9; = S:^ (13).
und es bleibt nur noch der Nachweis zu leisten, dass auch die Glieder
188 Ernst Meissner.
mit verschwindendem letztem Argument in beiden Summen 2 S^ resp.
^2 Übereinstimmen.
Für sie verwandelt sich die Gleichung (8) in die Gleichung
2 m = X' + r' (8')
und die Summe 2 S'^ aller in 2 S enthaltenen solcher Glieder wird
^S'; =^^{X,Y,0), (14)
wo über sämtliche Lösungen von (8') zu summieren ist.
Die in S2 enthaltenen Glieder mit dem letzten Argument 0
bilden die über alle Lösungen der Gleichung
2 m = X' + if (8")
auszudehnenden Summe
^;' = ^ 0= (x, 1/, 0),
welche wegen ^ = dz ^H= 0
und wegen ^^ (X, — T, 0) = ^' (X, Y, 0)
offenbar mit der Summe (14) genau übereinstimmt.
Daher gilt die Gleichung
2 (S[ + S[') = 2S,=^S',^ S',' = S,
oder :
2^8^ (d" + 2 m', d" — 2 m, 2 m' + er' — d") =
_ V q^ /^ ^^2 + ^2 ,,, ^2 — ^2 \ (A-)
~ ^ u 1^ — 2 — ' 1' — 2 — / '
^welche auch von Liouville herrührt ').
Beschränkt man m.^ auf positive Werte, und beachtet man, dass
ü) " (4) ^ ^
(4)
SO ergibt sich die neue Form von (A):
^ 0^ {d" H- 2 m\ d" — 2 w', 2 ?»' + rf" — d") =
m = 2))i'- + d"b"
2»« = m' + ^260
'«1 > 0
*) Comptes rendus, T. 53, 1861 (2). Brief an Hermite, oder auch Journal de
math. p. et a., 2^ ser., T. 7, 1862, pg. 42.
über die zahlentlieoretischen Formeln Liouville's. 18^
Wenn man in Übereinstimmung mit den Bedingungen (3) die Funktion
F {x, //, 2 2), die bezüglich aller Argumente ungerade ist, an Stelle
der allgemeinern Funktion 3" 0^'» Ui 2 z) in (A) einführt, so heben sich
auf der rechten Seite die Glieder weg, welche zu entgegengesetzt
gleichen Werten von m^ gehören. Da m^ nie null ist, verschwindet
somit die Summe rechter Hand, und es ergibt sich die Formel {%)
des 12. Artikels der «formules generales»:
_^F{d" + 2 m, d" —2 m, 2 m + d" — ö") = 0. (XII Z).
11/ = im'- + d" ■ f)"
Bedeutet / {u, v) eine gerade Funktion beider Veränderlichen u
und r, so ist auch der Ansatz
5 {x, y,2z)^ (- lf-^ + V(^, 2^-)
mit den Bedingungen (3) verträglich. Führt man ihn in (A) ein,
und beachtet man, dass
d, ^ dg (mod 4),
so ergibt sich die Gleichung :
i" -1
^(—1) 2 .f(d"-2m,2d"-^4:m) =
Dies ist die Formel (tz) des Artikels 11, die sich auch leicht
direkt beweisen lässt.
Reduziert man f{u, v) auf das 1. Argument u, so erhält man
^ (- i)'^'/(ö"- 2 »0 = ^ (- ly"^ ./K)
oder mit Anwendung der schon früher gebrauchten Bezeichnung
11/2 = (I2 'h
2 (- 1)'"'^ ' / (ö"- 2 m) = ^/(»O . Q K). (XI 0
Diese Formel erscheint unter (^) im 11. Artikel. 4 q {m.^ be-
deutet aber die Anzahl der Darstellungen von »«., durch die Form
ir 4- v,
190 Ernst Meissner.
und da von den Zahlen ?f und v die eine gerade, die andere ungerade
ist, so kann man die Summe
auch in die Gestalt
2/(0
bringen, wenn man über alle Lösungen der Gleichung
ir\ -2 1 •'' 1 ^
2 m = ^ + «■^ -{- i>
summiert, wobei i und i^ positive ungerade Worte haben, p irgend
«ine gerade Zahl ist.
An Stelle der Formel (|) kann daher auch die gleichwertige
Formel (o) des 11. Artikels treten:
2 (- l)^'-/(<5" -2m') =^/(0. (XI o)
m = %m'- + d"b" 2 m = i' + /'2 + p^
Wenn man den mit den Bedingungen (3) verträglichen Ansatz
macht :
%{x,y,2z)=F{x),
worin F (x) wie gewöhnlich eine ungerade Funktion ist, so ergibt
die Formel (Aj) die neue Gleichung:
m = 2»«' 2 + rf" ö" 2 w^ = VI- + ch 0-2 \-^2/
v/i > 0
welche auch direkt bewiesen worden ist.^)
Bezeichnet man mit F {x) diejenige ungerade Funktion, die für
positive Argumente den Wert -)- 1, für negative den Wert ( — 1)
besitzt; ferner mit
Li {d"-i- 2 m > 0) resp. L, (rf"+ 2 m < 0)
die Anzahl der Lösungen der Gleichung
m = 2 m'^ + d" d" ,
für welche d"-^ 2 m > 0 resp. d" -\- 2 m < 0
ist, und endlich mit L^ die Gesamtanzahl der Lösungen von
2 m = ml -\- (?2 ^2 (^'h -^ 0),
so ergibt sich aus (^2) die Relation:
') H. J. S. Smith. CoUected papers. Report on the theory of numbers.
Art. 136, p. 348.
über die zahlentheoretischen Formehi Liouville's. 191
L, {(t'+ 2 m >0) — L, (d"-^ 2 m < 0) = L, (A3)
welche beim arithmetischen Beweis einer Klassenzahlrelation eine
Rolle spielt^).
§ 6.
Es sei m eine positive ganze Zahl, die die Kongruenz
m = 3 (mod 4) (1)
erfüllt. Sie soll nach den Gleichungen
m = m'l + 2 (^2 • ög (2)
w = 4 /»'2-f-fZ" ö" (3)
zerlegt werden, do, do, d" und d" sind positive ungerade Zahlen;
Wj ist auch ungerade, aber positiv oder negativ; m' ist irgend eine
ganze Zahl, die Null eingeschlossen. Ferner sei in (3) immer
d"<d". (4)
Die Funktion g^ {x, y, z) sei für alle auftretenden Werte ihrer
Argumente definiert, und genüge den Gleichungen :
^ (x, y,z) = ^^ (— X, y,z) = Q (./", — y, z) = — Q {x, y, — s). (5)
Man bilde die über alle Lösungen von (2) auszudehnende Summe
^^1=^1^ (.(k — nh ' ^2 + »^1 — (k, »?i ) (6)
(1)
und die über die Gleichung (3) zu erstreckenden Ausdrücke
, 8"~d"
(3)
Ul"-h8" -8"+d"
(3)
^2 =^ 5 (- 2 m', ^V^' ^"+ 2 m) (7)
(3)
S, =2 % f^, -'"+"", -d"-2 m). (7-)
Es soll gezeigt werden, dass unter den erwähnten Voraus-
setzungen die Gleichung gilt:
Si = So + S, (B)
Aus (3) folgt wegen (1) zunächst, dass
d"-^d"^0 (4)
') Vergl. Journal de math., ser. 2, T. 7, 1862, p. 46 und § 10 dieser Arbeit-
19i'
Ernst Meissner.
und die Ausdrücke (6), (7) und (7) zeigen dann, dass das zweite
und dritte Argument von
5 (x, y, z)
in allen Gliedern ungerade, das erste dagegen immer gerade ist.
Es tritt also % nur in der Form
^5 (2 X, y, z)
auf, und es ist
^ ^ s = 1 (mod 2).
In der Summe 8^ geschieht dies immer, wenn
^2 — m^
Uli — d^ = y
m, = z
2x \
m = ur
2d^8._
(8)
(8')
(9)
(«)
Die Auflösungen dieser Gleichungen ergeben
dg == ?/ + 2 x
^2 = Z -\-- ^X
>»i = z
m =^ 8 x'^ -\- 4: X y -{- 4 X z -}- 2 y z -\- :
Umgekehrt entspricht jeder Lösung der Gleichung
m = 8 x^ -^ 4c xy -\- 4 X z -j~ 2 y z -i-
eine Zerlegung (2), wenn sie den Bedingungen
Ä = 2x^ y> 0\
B = 2x-\r z > Q \
genügt.
In der Summe So tritt das Glied fy (2 x, y, z) immer dann auf,
wenn die Gleichungen
— 2 m' = 2 X'
ö" —d" =2y
d" + 2)n = *
Dl = 4:)ii'~ + d" d"
bestehen; diese aber ergeben
d" = 2 X + z
ö" = 2x-h2y + z
m = — X
m = 8 X- -^ i X y -^ ix z -\- 2y z -h z'
über die zahlentheoretischen Formeln Liouville's.
193
Sie entsprechen mithin eindeutig umkehrbar denjenigen Lösungen
von (9), welche die Ungleichungen
ß ^ 2x-}- z> 0 \
C= y
>0J
(i^)
befriedigen.
In 8^ endlich tritt 3" (2 ^i y, z) immer dann auf, wenn die
Relationen
d" + d" = 4 ,/; )
— 8"^d" =2y
— d" — 2 m = z
m ■= 4 m"^ -f- d" d"
erfüllt werden. Aus ihnen folgt
d" = 2 x -f- y
d" =2x — y
2 m = — 2 X — y — z
m = ^ X- -^' -^ xy -\- 4: X z -\- 2y z
und sie entsprechen somit ein-eindeutig denjenigen Lösungen der
Gleichung (9), für welche
A = 2x
C= y
y>0
<0
(r)
ist. Jeder Lösung (a), (ß) oder {y) der Gleichung (9) entspricht
ein Glied
+ ^{2x,y,z)
in den resp. Summen .Sj, So oder 63.
Die Grössen A, B und (J sind ungerade. Die Bedingungen («)
können daher zerlegt werden in die zwei folgenden, nie gleichzeitig
erfüllten Systeme
^ > 0, ß > 0, 00} («,) .4 > 0, 5 >0, C < 0 } («2).
Analog zerlegt man die Forderungen (/3) resp. {y) in die folgenden:
J. > 0, 5 > 0, C > 0 } (/3J .4 < 0, 5 > 0, C > 0 } (/32)
resp.
^ > 0, 5 > 0, r; < 0 ) (>/0 .4 > 0, £ < 0, 0 < 0 1 (y,).
Da die Systeme (/3,) und («,), sowie die Systeme (a,) und (yj iden-
tisch sind, so erzeugen sie in der Gleichung
Ol = <S'2 H- 'S'3
Vierteljahrsschrilt <1. Natnrl'. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907.
(B)
13
194 Ernst Meissner.
auf beiden Seiten dieselbe Anzahl gleicher Glieder. Unterdrückt 'man
sie, so ändert sich die Richtigkeit oder Unrichtigkeit von (B) also
nicht, und es genügt daher, die dermassen reduzierte Gleichung zu
beweisen, d. h. nachzuweisen, dass die in
O2 ~i~ 03
zurückbleibenden Glieder eine Summe null ergeben. Dies ist aber
sehr einfach. Ist nämlich {x, y, z) eine Lösung von (9), welche einem
der Bedingungssysteme
genügt, so erfüllt die ihr eindeutig umkehrbar zugeordnete und von
ihr immer verschiedene zweite Lösung der Gleichung (9 ) : -
— x,—y, — z
das andere Bedingungssystem, wie die Relationen
A= 2x -^ y; B = 2x -^ z; C = y:
sofort erkennen lassen. Die erste Lösung erzeugt aber in
*S'2 H- S3
das Glied 5" (ß ^5 Pf ^)»
die zweite dagegen den Ausdruck
^•{-2x,-y,-z) = -^^i2x,y, 2)
und es zerstören sich sonach alle übrig bleibenden Glieder in
S2 -t- Ss-
Die Relation (B) ist damit bewiesen.
Mit Hülfe der Gleichungen (5) erhält sie die Gestalt:
^ ly ifh — "^1 ^2 + »'1 ~ f^j ^^'1) =
=2 % (2 ^n,''^, d" + 2m'y2 % e^, '-^^ d" + 2 m/) ,
m = im'- -T d" b" m = Ami^ +d" d"
in welcher sie von Liouville publiziert worden ist ').
Wir spezialisieren hier:
') Comptes rendus, T. 53, 1861 {'■2), oder .Journal de niath.. p. e. a., T.
(186'i), pg. 4:3.
über die zahlentheoretischen Formeln Liouville's. l'.t.")
Bezeichnen wir wie früher mit q {ni) die Summe :
d ■ d = 7>l
und ferner dieselbe Summe mit q (rn), wenn sie nur ijber diejenigen
Teiler von m erstreckt wird, die kleiner sind als ihre konjugierten,
so ergibt sich aus (B) unter der Annahme
m = 3 (mod 8)
nach einigeü leichten Umformungen die Gleichung:
/ = 1, 3, . . . ^ " ^ K = 1, 2, . . .
Die Öummatiou ist links über alle positiven ungeraden Zahlen z,
rechts über alle positiven Zahlen % auszuführen, für welche die Argu-
mente nicht ilull oder negativ werden. Aus dem Ausdruck der linken
Seite liest man leicht ab, dass der gemeinsame Wert der beiden
Gleichungsseiten der Anzahl der Lösungen der Gleichung
1)1 = x'^ -{- //"^ + 2-
in positiven ungeraden Zahlen gleichkommt. Diese Formel ist von
Liouville der Formel (B) beigefügt worden.
§ 7.
Die positive ungerade Zahl m werde nach den Gleichungen
m = «2 _L 3 ß2 ^^^
4 m = i2 _|_ 3 i2 ^2)
zerlegt, i und ij bedeuten positiv ungerade, a und ß irgend welche
ganze Zahlen. Die Funktion /(./', ?/) sei bezüglich beider Argumente
gerade. Über die Lösungen der Gleichung (1) resp. (2) erstrecke
man die Summe
ßi =2f{cc-^Sß,a-ß) (3)
resp. die Summe
S2 = 22f{i,i,); (4)
dann gilt imaner die Relation
S, = S,. (5)
196 Ernst Meissner.
Da m ungerade ist, so ist von den Zahlen «, ß eine gerade, die
andere ungerade. In Si treten also nur ungerade, insbesondere von.
null verschiedene Argumente auf. Bedeuten x und y ungerade Zahlen,
so tritt / {x, y) jedesmal dann in Si auf, wenn die Gleichungen
erfüllt sind. Hieraus folgt
a -j-
3ß
= X
a —
ß
= y
m =
a'
+ 3ß
Igt
a =
X
+ 3?/
4
/3==
X
-y
4
4 m =
-- x"
+ 3 y
(6>
Umgekehrt entspricht jeder Lösung der Gleichung
4 m = X- + 3 ?/2 (6')
eindeutig eine solche von (1), sobald
X — y = 0, (mod. 4) (7)
und damit in S^ der Term / {x, y).
Die Lösungen von (6') zerfallen in Gruppen von vieren. Ist
X, y irgend eine Lösung, so sind die vier Lösungen ihrer Gruppe durch
±x, ±y
gegeben. Die absoluten Werte von x und y seien i und ?i. Die
Kongruenz (7) ist immer von zweien, und nur von zwei Lösungen
einer Gruppe erfüllt, und diesen korrespondiert in .S*! der Term
zweimal genommen. Die Summe 8^ wird also zu
wobei über alle Lösungen von (6') in positiven ungeraden Zahlen zu
summieren ist. Dies ist aber genau die Summe 82. Es gilt also
die Relation
Si = 82
oder ^ / (« + 3 /3, « - ß) = 2 ^ /(/, i,),
iie = a- + 3ß^ A)u = r + 3 / J
welche ebenfalls von Liouville herrührt ^).
') Journal de math., T. IS, .ser. -2 (1878).
über die zahlentheoretischeu Formeln Liouville's. 197
§ 8.
Es bedeute in diesem Paragraphen m eine positive, feste Zahl,
•die der Kongruenz
m = 1 (4) (1)
genügt. Man zerlege sie nach der Gleichung
m = 4:m"'-hd" ö", (2)
wobei ni eine beliebige ganze Zahl bedeutet, d" und d" aber positiv
und ungerade sein sollen.
Unter q) (li) soll ferner eine für alle auftretenden (immer ganz-
zahligen) Argumentwerte definierte, im übrigen ganz willkürliche
Funktion verstanden werden.
Die Summe
S =-^ ( -1)'"' -''-^■cp (m'+ '^) (3)
(2)
ist über sämtliche Lösungen der Gleichung (2) zu erstrecken.
Es soll nun bewiesen werden, dass
* im — 1
S=<o (m) . (— 1) ^T— • V m ■ cp (0) (4)
ist, wenn wie früher co (»i) = 1 oder — - 0 ist, je nachdem m eine
Quadratzahl ist, oder nicht.
Wir erhalten zunächst für die Summen 8q derjenigen Glieder in
•(3), für welche das Argument von (p den Wert null hat, den Ausdruck :
'^%=^'(-ir'^^-9'(o),
wobei die Summation auszudehnen ist über die gleichzeitig die
'Gleichungen
= 4 m'^ + d" • ö" I
J" Sil \
m
' , d"-8' .
^befriedigenden Wertekombinationen
m' , d" , ö".
Eliminiert man m aus denselben, so ergibt sich
»'^ = (-1—) (^)
woraus hervorgeht, dass Sq = 0, wenn « (m) = 0. Wenn dagegen
o {m) — 1 ist, so wird
198
Ernst Meissner.
'^o = 9'(0)-^(-
6"
-ir
' - d" ö"-l
. + 2 --=9.(0).^ (-
d" + ö"-
-1) 4
_ 2
oder wegen (5)
1 /« - 1 V iit — 1
'So = qP (0) -^ l- 1)-^ = 9) (0) • (- 1)-^" • Z
wo Z die Anzahl der Zerlegungen (5) bedeutet. Da d" der Reihe
nach alle ungeraden Zahlen von 1 bis (2 \ m — 1) durchlaufen kann,
und ö" dieselben '\ ni Zahlen in umgekehrter Reihenfolge durchläuft,
so ist Z = I m. Daher gilt allgemein die Gleichung
^0 = « {ni) ■ (- l)-2- . im . q> (0) (4')
und der Vergleich mit (4) lehrt, dass man um jene Formel zu be-
weisen, nur noch zu zeigen hat, dass sich in S alle Glieder mit von
null verschiedenem Argument wegheben.
Fasst man alle Glieder, in denen das Argument von q) gleich x
ist, zusammen in den Ausdruck
so ist somit zu zeigen, dass
^« = 0, . ' (6)
sobald % nicht verschwindet.
Zunächst weisen wir nach, dass die Zahl a auf positive Werte
beschränkt werden darf.
Es sei (m, d'\ 8") irgend eine Lösung der Gleichung (2), für die
I . d" — 8" I ^
Wegen (1) ist d" = 8" (4) (7)
und dieser Ausdruck daher immer ganzzahlig.
Ferner ist ( — m, ö", d") eine der vorigen eindeutig unkehrbar
zugeordnete Lösung von (2), und zwar ist sie von jener verschieden,
weil aus der Gleichheit der Lösungen x = 0 folgen würde, was un-
serer Voraussetzung widerstreitet.
Die Lösung (m', d" , 8") erzeugt in S aber das Glied
(-l)-' + ^g.e/0,
die Lösung ( — m , 8" , d") wegen (7) aber das Glied
(- 1)- '"' +'^.fp[- z) = (_ 1)'«' + ^ • 9^ (- ^),
woraus folgt, dass S = S_
über die zahleutheoretischen Formeln Liüuville's. 199
ist. Wenn also 8^ null ist, verschwindet auch S_^^ und wir dürfen
daher a als positive ganze Zahl voraussetzen.
Nach Definition ist
s. = ^{-^y"-''^ (8)
wo die Summe über die gemeinsamen Lösungen von
m = 4 m"^ -h d"' d"\
d"-8"_^ • (9)
m
" I
auszudehnen ist. Durch Elimination von m wird
m = 4 x^ - 2 X {d" - ö") + if^)'' (9')
und 8^ wird zu
^^=^(-1)«+^^^ + ^. (8')
(9')
(10)
(10')
Nun substituieren wir:
d" -\-8"= 2u\
d" — 8" = 2g\'
Es wird dann
d" = u -^ g \
ö"=ic — g J
und die den Grrössen d", d" auferlegten Bedingungen werden zu
u >g; u> — g \ .
tt^l (mod2);^ = 0(2)) '^ ^
die Gleichung (9') geht über in
und es wird 8^ gleich der über alle Lösungen von (12) mit den Be-
dingungen (11) zu erstreckenden Summe
'5« = (-l)"-^(-l)^. (13)
Nun sei {ti, g) eine den Forderungen (11) genügende Lösung der
Gleichung (12). Wir machen den Ansatz
u' = — it -\~ 4 % • a, (14)
wo a eine ganze Zahl bedeutet. Soll (ii, g') eine Lösung der Gleichung
(12) sein, so bestimmt sich g' aus der Gleichung
?;« = 4 x^ — 4 3C • g'-^ u^ — 8 % u a -\- 16 x- a'^,
oder wegen (12) aus
0 = 4 X • (g — (/')..— 8 X u a + 16 K^-cr. (14')
200 Ernst Meissner.
Da X =1= 0, ergibt sich hieraus
g = g — 2 M • a -h 4 X er. (14')
Man erhält somit vermittelst (14) und (14') zu der Lösung {u, g)
von (12) nach Fixierung der Zahl a die Lösung («', g), und es be-
rechnen sich u und g rückwärts aus {ii , g) nach den Formeln:
u = — n'+4xf/. I
(/ = — g — 2 ?^ • a + 4 ic • a^ I ^ '
woraus hervorgeht, dass die Beziehung der beiden Lösungen auf
einander eindeutig umkehrbar ist.
Ferner ist wegen (14)
■l( — 1 7t' —\
(- 1)^ = - (- 1)~^.
Wenn daher die Lösung («', g) die Bedingungen (11) erfüllt, so
zerstören sich die in (13) auftretenden Glieder, welche den Lösungen
(m, g) resp. {ii g) entsprechen.
Nun zeigen wir, dass über den bis jetzt willkürlichen ganzzahligen
Parameter a in eindeutiger Weise so verfügt werden kann, dass die
Lösung {ii\ g) die Forderungen (11) befriedigt. Dann zerstören sich
nach vorigem sämtliche Glieder in (13) paarweise, es ist S^ = 0, und
der Beweis unserer Formel erledigt.
Da a eine ganze Zahl bedeutet, so sind die Bedingungen
u ^ 1 (mod 2)
g = 0 (mod 2)
in (11) immer erfüllt. Die zwei übrigen Ungleichungen werden zu
folgenden :
(jp («) = — ?( + 4 X • a — ^ — 4 X a- H- 2 a « > 0 I , ^-
i/^ (a) = — w + 4 X • a 4- (/ + 4 jc a- — 2 a ?f > 0 ) ' '
Betrachtet man in diesen Ausdrücken a als Variable, so sind die
Wurzeln der Gleichung
qp («) = 0
gleich den Ausdrücken
«1 = Tz-^ — ; "2 = TZ ; (1'^
wobei wir unter | m immer den positiven Wert der Wurzel ver-
stehen wollen.
Unter derselben Voraussetzung ergeben sich die Wurzeln ßj und
^2 von ip (a) = 0
zu: Si, = 47--—; ^2 = 4-, (18)
über die zahlentheoretischen Formeln Liouville's. 201
Ferner ergeben sich noch die Gleichungen
«, = ß, ^- 1 ; Wo = Sl.2 + 1, (19)
sowie die Ungleichungen
"i-«2=-^>0; il,-Sl, = l^>o. (19')
Die Funktion (p (li) ist im Innern des Intervalles (w,. • • • "i) positiv,
und nur dort; ebenso ist i/.» (u) grösser als null nur ausserhalb des
Intervalles (ii, • • • ^i)^ dort aber immer.
Xunmehr unterscheiden wir zwei Fälle, die eine gesonderte
Behandlung erfordern.
1. Fall. Es sei ]'^> 2 x.
Dann ergibt sich aus (^17) und (18):
O] > iil > 02 > ^2-
q) (ii) und (ii) (ii) sind dann gleichzeitig positiv im Innern des Inter-
valles
{Sil . . . Wi)
und nur dort. Nach (19) ist die Länge desselben gleich der Einheit,
und es gibt daher eine eindeutig bestimmte ganze Zahl a, für die
gleichzeitig
cp (a)>0 i^ (a) > 0
wird, wie (16) es verlangt, vorausgesetzt, dass die Grenzen Sl^ und co^
keine ganzen Zahlen seien. Dass dies nie der Fall ist, können wir
leicht nachweisen.
Nehmen wir zu diesem Ende an, ß, sei gleich der ganzen Zahl z.
Nach (18) ist dann
M — 2>t + ^m
4h
woraus hervorgeht, dass in diesem Fall m das Quadrat einer (un-
geraden) ganzen Zahl ^ sein muss. Dann aber wird
m
2x
=
2 -
-T
-1.
^' =
4
x'
' —
4
K(/
Aus
folgt aber (-^^) (^ - n) = 2 (x - g),
oder (2 ^ -fl) [(2 2 -h 1) . 2 X — 2 w] = 2 (x — g\
-2i)-2 Ernst Meissner.
Schreibt man dies in der Form
— X . 4 3 • (.2 4-1) + ^K2 2 + 1) = ^.
so sieht man, dass die linke Seite dieser Gleichung eine ungerade, die
rechte Seite eine gerade Zahl ist. Der Widerspruch löst sich nur
durch die Annahme, z sei keine ganze Zahl; dann gilt dasselbe aber
auch von ßi und co^ = Sl^ -i- 1.
2. Fall. Es sei nun |)»<2x.
Dann ist
CO^ > 05o > ßi > ßo.
Ferner ist nach (18)
und wegen (12) und (11)
Es ist also ßi > 0 und ^ßg < 0, und daher Wi > 1 und «g < 1. Die
Funktionen cp (ii) und i^ (u) sind gleichzeitig positiv im Innern des
Intervalles
(«1 . . . Mg)
und nur dort. Nach (19') ist dasselbe kleiner als die Einheit, enthält
somit höchstens einen ganzzahligen Wert a. Nach vorigem enthält
es aber immer den Wert
a = 1
und es ist daher auch in diesem Fall die Zahl a eindeutig bestimmbar,
so dass die Bedingungen (16) erfüllt werden.
Andere als die zwei besprochenen Fälle kommen nicht vor, da
Dl eine ungerade Zahl ist.
Die Gleichung (4) ist daher in allen Fällen richtig. Sie lautet
ausführlich :
^/ ,.m'+^^^^^^ ( . . cr-8"\
^ (- 1) 2 .cp (^m H ^-) =
m = 4 iir- + d" (V
Vw— 1
= 03 ()») • (— 1) - • yj m ■ cp (0) (XI ö)
und bildet in dieser Form die Formel (ö) des 11. Artikels von Liou-
ville 0-
Aus ihr entsteht die Formel (t) desselben Abschnittes, wenn man
die willkürliche Funktion (p (n) durch eine gerade Funktion / ersetzt.
') Journ. de math., ser. % T. 4, pg. i>Sl ff.
über die zahleiitheoretischen Formeln Liouville's. 203
§ 9.
Die von P. Pepin bewiesenen Liouville'schen Formeln ') redu-
zieren sich im wesentlichen auf vier, welche wir hier der Vollständig-
keit wegen zusammenstellen wollen. Zugleich wollen wir zeigen,
dass die Formel (d) des fünften Artikels, für die Pepin einen eigenen
Beweis erbringt (loc. cit.), in der allgemeineren Formel {/) desselben
Artikels enthalten ist.
1) Es sei m eine positive ungerade, a irgend eine positive Zahl.
Wie immer bedeute / (x, y) eine bezüglich beider Variabler gerade,
und für alle auftretenden Argumente definierte Funktion.
Die Summe
^ = ^ {/ (f^' - f^"' ö' + ^") - / (ß' + ^"' ^^' - ^^") }
erstrecken wir über alle verschiedenen Lösungen der Gleichung
2° m = (V ö' -{- d" d"
in positiven ungeraden Zahlen. Des weitern betrachten wir die
Zerlegungen der Zahl ni in zwei positive (ungerade) Faktoren d und d,
und dehnen die Summe
S, = 2«-^ . ^ d [/(O, 2^0 - f(2^d, 0)]
über sämtliche Lösungen von
m = d ' d aus.
Es ergibt sich dann die erste der vier erwähnten Beziehungen
in der Form
S =-- S, oder
2 {fiel' - d", 6' + 8") -f[ß'-h 8% d' - d")} =
= 2--'2.d {/(O, 2«d) -f{rd, 0)}. (II b)
Dies ist die Gleichung (b) des zweiten Artikels, aus welcher sich
alle übrigen Formeln der beiden ersten Artikel von Liouville ergeben-).
2) Sei/(i(;, y) definiert wie vorhin, m sei irgend eine positive Zahl.
Über sämtliche Lösungen der Gleichung
m = d' ' d' — d" • d" (1>
in irgend welchen positiven ganzen Zahlen d', d', d", d" erstrecken
wir die Summe
') Journal de math., ser. 4, T. IV, pg. 83.
-) Journal de math., T. III, pg. 193.
:204 Ernst Meissner.
S = ^ {/(cV — d", ö'+ö") -f(cr-hd'\ d' — d")}.
m zerlegen wir nach der Gleichung
m ^= d ' d
in zwei positive, ungerade Faktoren, und dehnen die Summen
Sr = :S (d- l){f{d, Q) - f{0, d)}
^3 = ^' { / (2, d) +/ (3, ö) H ^f(d-l,d)}
über alle solchen Zerlegungen aus. Der in S2 auftretende Akzent
.soll andeuten, dass alle Glieder der Klammer, für welche das zweite
Argument Teiler der in derselben Klammer auftretenden Zahl d ist,
gleich null zu setzen sind. Eine entsprechende Bedeutung bezüglich
des ersten Argumentes hat der Akzent in der Summe S3.
Die Formel (/) des fünften Artikels drückt sich nunmehr aus
in der Gleichung :
S = Si -f- 2i 80 — 2 8^1
oder ')
y,{f{d'-d", d'-+~d")-f{d'^d", d' — d")} =
= ^(^-i){/(o,cO-/(^,o)} +
+ 2^^ {/(ö, 2) +/(d, 3) + . • . +/(d, (^ - 1)} -
-2^'{/(2,d)H hf{d~l,d)}. (Vi)
Nunmehr nehmen wir an, m sei ungerade.
Von den zwei Zahlen
m' = d' ' d' m" ^ d" ■ Ö"
ist dann immer eine gerade, die andere ungerade, m' durchläuft
-die Werte
m' = 1, 2, 3, . . . m — 1
und wegen (1) ist jeweilen
m" = m — 1, w — 2, .... 2, 1.
Da die Funktion / (x, y) gerade ist, so darf in der Summe 8 von
(V f) immer d' mit d'\ und 6' mit ö" vertauscht werden, ohne dass
sich der Wert irgend eines Gliedes änderte. Dem entspricht aber
in der Zerlegungsgleichung
m = d' • d" + d" • d" = m' + m"
») Journ. de math., T. III, 1858, pg. 284.
über die zahlentheoretischen Formeln Liouville's. 205-
eine Vertauschimg von m' mit m". Nehmen wir eine solche immer
dann vor, wenn m' gerade ist, so ändert sich sonach in S nichts.
Man kann also die Summe S statt über die Lösungen von (1) zwei-
mal über die Lösungen der Gleichung
m = m' -\- m" = d' ö' -\- d" d" m' = 1 (2)
ausdehnen, in welcher di' nunmehr nur ungerade, m" also nur gerade
positive Zahlen bedeutet. Extrahieren wir aus ni" den ungeraden
Faktor, indem wir setzen
m" = 2"- . m^ = 2"'^ • f/g • ^2 »h = 1 iß)
und schreiben wir für die ungeraden Faktoren d' und ö' von m' in
der Folge fZ, resp. öj, so ergibt sich die neue Zerlegungsgleichung
m = d, ' ö, + 2"- d^ ' ^2 (2)
und die Summe S ist zweimal über die Lösungen dieser Gleichung
zu erstrecken.
Nun definieren wir
/ (*', y) = 0,
wenn das zweite Argument y eine ungerade Zahl ist. Für gerade
Werte ij machen wir keine neue Voraussetzung.
Hieraus folgt dann, dass wir bloss verschwindende Glieder ver-
nachlässigen, wenn wir .S' nur über diejenigen Zerlegungen ausdehnen,,
für welche
ö' + 8" = 0. (mod 2)
Da aber
ist. so folgt, dass wir
Ö' = dl = 1 (mod 2)
Ö" = ö, - 1 (mod 2)
setzen dürfen, was die neue Gleichung
d-' = 2«^ • d^
zur Folge hat. Es wird dann die Summe S zu
^S" - 2 ^ {/(fZi - 2-^ d„ 8, + 8,) -f{d, + 2«^ d„ d, ~8,)}, (3).
welche Summe einfach über die Lösungen von (2) auszudehnen ist.
In der Summe «S'i der Formel (f) fallen, da d Teiler von m,.
also ungerade ist, alle Glieder von der Form
f (0, d)
weg, und es wird *S'i zu
S\^-^{d-l)f{d,i)). (4>
206 Ernst Meissner.
In der Summe ^2 sind auch nur die Glieder zu berücksichtigen, deren
zweites Argument gerade ist, und da ein solches nie Teiler der un-
geraden Zahl d sein kann, so darf man den Akzent, resp. die hie-
durch angedeutete Beschränkung unterdrücken. Es wird alsdann So zu
^% = ^ {/ lö, 2) +/ (ö, 4) H h/ (ö, d - 1) }.
Da in der Summe S^ alle zweiten Argumente, weil Teiler der un-
geraden Zahl m, ungerade Zahlen bedeuten, so verschwindet Glied
für Glied jenes Ausdruckes, und es ist also
S, = 0.
Beachtet man noch, dass die Gleichung
m = d ■ ö VI = d ■ ö
besteht, sobald x eine konstante Zahl ist, so geht die Gleichung
S = S,-h2 *% - 2 63
über in
S' = S[ -1- 2 .S'2
oder in die folgende ^) :
2 ^ { / (f^i - 2«^' d,,d,-^ 8,) - f {d, -4- 2°^ d,.. d, - ö,) } = (.y ^^
=2.{f(d: 0) + 2/(rf, 2) + 2f(d, 4) H h 2fid, d-l)-d -/(d, 0)} .
Links ist über die Zerlegungen
ni = d, 61 + 2"- do ■ Ö,,
rechts über die Lösungen von
m = d ' d
0
zu summieren. Alle Zahlen fZ, Ö sind positiv ungerade.
Dies ist aber, abgesehen von der Bezeichnung, die von Liouville
unter (d) im fünften Artikel gegebene Beziehung.
3. Die zwei übrigen Formeln, welche von Pepin bewiesen worden
sind, und die den Inhalt der zwei letzten Artikel der <Äformules generales»
bilden, beziehen sich beide auf dieselben zwei Zerlegungen der un-
geraden Zahl m, resp. des doppelten dieser Zahl, und zwar sind es
die Zerlegungen
m = d, d, + 2°-' f?2 • ö., (1)
2 m = d' ■ d' + d" ■ d", (2)
^) Journ. de math., i>« ser., T. III, 1858, pg. 274 und Pepin. 1. c.
über die zahlentheoretischen Forniehi Liouville's. 207
in welchen mit Ausnahme der beliebigen positiven Zahl a^ alle Grössen
positiv und ungerade sind.
Bezeichnet 5 i^'^ V) eine für alle auftretenden Werte der Argu-
mente definierte Funktion, die die Bedingungen
5 U-, y) = —%• (- J-', ?/) = H- ly {X, -ij); 5 (0, ij) = 0
genügt, so kann die Hauptformel des 18. Artikels ') in der Gestalt
notiert werden :
d" - 1
2 y~ 1)^' " {S (^' + d% d' - d") 4- & {d' - d% ö' + d")} -
<V2-i (XVIII)
(3) (1)
wobei die erste Summe rechter Hand wie früher über die Lösungen von
m = d- ö (3)
in positiven Zahlen zu erstrecken ist.
Es sei nun ii (x^y) eine für sämtliche zur Anwendung gelangenden
Argumentwerte definierte Funktion, für welche
^ {X, y) = ii}{ij,x) = ip (— X, ij) = t (x, — y).
Dann stellt sich die Hauptformel des Artikels XVH-) dar in der
Gleichung
ö' - 1 (?" - 1
+
^(-1) '^ 2 .^,(rf'-rf.",ö' + d") =
(-' (XVII)
= 2 {-l)~^t (0, 2 rf) + 4^\- 1)"^ "" ^^ . 1^ (2 d„ 2^^^ + Vg.
(Ol <!)
Die Summation ist jeweilen über die unter dem Summenzeichen an-
gedeutete Zerlegungsgleichung auszudehnen.
Hiemit ist die Zusammenstellung der Formeln vollendet. Wie
man aus den Gleichungen (II b) und (V f) sämtliche übrigen Relationen
der ersten fünf Liouville'schen Artikel, sowie aus (XVHI) die Formel
(L) des sechsten Artikels herleiten kann, ist teils bei Liouville, teils
bei Pepin nachzulesen, teils sind diese Herleitungen so einfach, dass
sie sich ohne weiteres darbieten.
M Journal de math., ^e g^i.,^ t_ x, 1865, pg. 169.
-) .Journal de math., 2^ ser., T. X, pg. 135.
208 Ei-nst Meissner.
§ 10.
Um die Anwendbarkeit Liouvillescher Formeln auf zahlentheo-
retische Probleme zu demonstrieren, wollen wir zum Schluss mit
ihrer Hülfe eine der von Kronecker 0 zuerst aufgestellten Klassen-
zahlrelationen auf arithmetischem Wege herleiten. Wir stützen uns
dabei auf die Angaben, welche Liouville^) über den einzuschlagenden
Weg gemacht hat, und beweisen zunächst einen von ihm ausge-
sprochenen Hülfssatz, welcher für einen einfachem Fall von Hermite^)
gegeben worden ist.
Sei n eine positive Zahl von der Form
r^ = 4v-{-l. (1)
Die Zahlen d2, 82 und d seien auch positiv, die erstem zwei
ungerade. F {11) sei die Anzahl der Klassen quadratischer Formen
von der Determinante (— )i) und positiven äussern Koeffizienten, von
denen wenigstens einer ungerade sein soll.
Dann gilt der Satz:
Ist 31 die Anzahl der Lösungen der Gleichung
n = d^ • ö., + 2 ^ (^2 + Ö2), (2)
t, (h) die Anzahl der Divisoren von n, und hat a {11) die frühere Be-
deutung, so besteht die Relation :
F (>/) = 51 + y {e {n) -h- CO {n)]' (3)
Aus (2) und (1) folgt zunächst
^2 ii; <5o (mod 4).
^) Kronecker: Grelle, Bd. 57, pag. 248; Journ. de math., ser. 2, T. V, pag. 289.
Über Klassenzalilrelationen vergleiche man ferner die Arbeiten von:
Gi erster: Über Relationen zwischen Klassenzahlen etc., Math. Ann., Bde. XVII.
XXI u. XXII und die dort gegebenen Zitate, ferner die unter demselben Titel er-
schienene Abhandlung von :
A. Hurwitz in den math. Ann., Bd. XXV. sowie die zusammenfassende Dar-
stellung in :
Klein-Fricke, Theorie der ellipt. Modulfunktionen, Bd. II, Leipzig 1892.
H. J. S. Smith in seinem Report on the theory of numbers, Art. 136, leitet
eine zu der im Text gegebenen verwandte Relation ab, und benutzt dabei nur die
auf rein arithmetischer Basis beruhenden Liouville'schen Formeln, im Gegensatz zu
den übrigen Autoren, die sich durchwegs der Theorie der Modulfunktionen, also
hoch transzendenter Hülfsmittel bedienen.
^) Liouville : Journal de math., ser. 2, T. 7, pag. 46.
^) Hermite: Gom])tes rendus. Vol. .53, 1861; Journal de math., ser. 2. T. V,
pag. 32, {L
über die zahlentheoretischen Formehi Lioiiville's. 209
Setzt man (^2 H- ög = 2 u|
so bedeutet u eine ungerade, s irgend eine ganze Zahl und weil
do = u-i-2z>0
ö, = w ^ 2 ^ > 0
so sind z und u durch die Ungleichung
u>\2z\ (5)
mit einander verbunden. Die Gleichung (2) geht nun über in
u (u + 4 fO - 4 3^ = w, (2')
aus welcher sich der Beweis des Satzes ergibt.
1. Jeder Lösung von (2'), für die
\4:Z\<U (1)
ist, ordnen wir die Form
(w, 2 z, u + 4 d) (6)
zu. Sie hat die Determinante ( — u), und ist wegen
2\2 z\<u<u -\- id
reduziert. Da d alle positiven, u alle positiven ungeraden mit (2')
verträglichen Werte annehmen darf, so sind durch (6) alle reduzierten
Formen dargestellt, deren Determinante = — u, deren mittlerer
Koeffizient gerade oder null ist, und deren äussere Koeffizienten
positiv, ungerade und ungleich sind. Ihre Anzahl, die mit der Zahl
der Lösungen (I) übereinstimmt, sei ^, .
2. Nun ordnen wir ferner den Lösungen von (2'), für welche
/ 4 s > u
ist, die quadratischen Formen
{II, u ~2z,2 u ~ 4 z- + 4 d) (6')
zu, deren Determinante ( — >^) ist. Aus
0 <u; 2z< u<4:z
folgt
(Xu; 0<u — 2z; 0<2u^id — 4:Z;
und
« — 2 (u — 2 s) > 0 ; (2 M — 4 5 + 4 fO - 2 («f — 2 3) = 4 fZ > 0.
Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. l^-
^210 Ernst Meissner.
Es ist daher (6') der Inbegriff derjenigen Formen
{A. B, C),
welche den Bedingungen
A>0\ B>0; C>0\ AC~B- = n\
2 5<^; 25<C; £=l(mod 2) ) ^^^
genügen.
3. In dem allein noch nicht behandelten Fall, dass
— 4: z> u
ist, lassen wir jeder Lösung von (2') die Form
(^*, « -1-2.2, 2m + 4s + 4cO (6")
entsprechen, welche aus 6' entsteht, indem man z in ( — 2) verwan-
delt. Die Anzahl Z.^ der Formen (6") ist sonach gleich derjenigen
der Formen (6').
Vertauscht man nun in (60 jedesmal die äussern Koeffizienten,
wenn der erste grösser ist, als der dritte, so entsteht ein Formen-
system
U, B, C),
für welches die Bedingungen
A>0; B>0: (7>0; ^ = l(mod2); 2B<A<C; A C — B^^ = »
erfüllt sind, und das Z., Glieder enthält: fügt man zu diesem noch
das aus gleich viel Gliedern bestehende System, welches durch Ver-
tauschen von B mit ( — B) aus ihm hervorgeht, so erfüllen diese
2 Zo Formen die Bedingungen
.4>0; C>0; 5 = 1 (mod 2) ; \2B\<A<C\ AC~B- = h.
Mit den Formen (6) bilden diese aber das System aller redu-
zierten quadratischen Formen der Determinante ( — n) und positiven
und nicht gleichzeitig geraden äussern Koeffizienten, für welche keine
der Ungleichungen
\2B\<A<C
in eine Gleichung übergeht. Ihre Anzahl Z^ -\- 2 Zo ist gleich der
Zahl % der Lösungen von (2') resp. (2).
Um sie zu der Zahl F («) sämtlicher reduzierter Formen zu
ergänzen, haben wir noch die Formen
(A,B,A)',\2B\<A;B>0 (8)
und {2B,B,C)', 0<2B<C (9)
ihrer Zahl nach hinzuzufügen.
t'ber die zahlentheoretischen Formehi Liouville's. 211
Wenn es deren im ganzen Z-^ gibt, so ist dann
Im Falle der Formen (8) ist aber
w = (.-1 + B) (A — j5) = A^ — B'
und da beide Faktoren positiv sind, darf man setzen
A + B = d\. j ..
wo (l und d alle konjugierten Teiler von // zu durchlaufen haben.
Es wird 2 A = d -\- Ö
2B^d — d,
und wegen 0 < 2 B < A
unterliegen d und d der Beschränkung
Ö<^<3Ö. (10)
Im Falle der Formen (9) ist
n = B{2C—B),
und da wieder beide Faktoren grösser als null sind, darf
B = ö
2C-B = d]^'=^''^'^^
gesetzt werden.
Die Bedingung A< C geht dann über in
3 Ö < d, (10'^
und die Anzahl der Formen (9) ist der Zahl der diese Ungleichung
befriedigenden Lösungen von
// = fZ-d . (11)
gleich.
Nun kann wegen (1) der Fall
d = -dd
nicht eintreten. Jeder Teiler d von h erfüllt daher eine der Be-
dingungen
fZ < 3 ö fZ > 3 ö
und liefert daher eine Lösung (10) oder (10'), ausser wenn
d<d
sein sollte.
i21;2 Ernst Meissner.
Die Anzahl dieser letztern Lösungen von (11) ist aber
die Zahl aller Lösungen von (11) ist t (*«)> und es ergibt sich sonach
für die Zahl Z^ der Formen (8) und (9)
Gemäss der Gleichung
F (/O = 31 + ^3
wird daher
Wir gehen nunmehr an die Herleitung der erwähnten Klassen-
zahlrelation.
Sei d^ eine positive ungerade Zah],/(a;) eine gerade Funktion.
Dann ist
eine ungerade Funktion, und
3 (0) = 0.
Führen wir dieselbe in die Formel (A,) pg. 37 ein, so ergibt sich
die Gleichung
^ { / (2 m' + d" - d,) - / (2 m' + d" + d,) } =
Die Summe links ist über die Lösungen von
n = 2 m'2 + d" d" m' | 0 ; d", 6" > 0 ; d" ^ d" = 1 (2),
die zweite über diejenigen von
2 >< = 7«"j + fZa ^2
zu erstrecken, n bedeutet eine ungerade Zahl.
Setzen wir
n = m — 2"3 • ^3 • ^3 «3 > 0, ■ (13)
wo 7n eine feste und wieder ungerade Zahl sein soll, und addieren
wir alle für sämtliche Lösungen von (13) in positiv ungeraden Zahlen
n, f/3, ^3 und positiven Werten «3 gebildeten Summengleichungen (12),
so schreibt sich das Resultat in derselben Form (12), aber die linke
Seite ist nun über alle Lösungen von
m — 2 m'^ = d" d" + 2"^ d^ ö., (14)
und die rechte über die Lösungen von
über die zahlentheoretischen Formehi Liouville's. 2\3
2 m = m-^ + f/2 Ö2 + 2"^ + ^ • d^ • d^ (15)
.zu summieren.
Nun kann die linke Seite der Gleichung (12) nach einer aus der
Formel (V d) pg. 54 deduzierbaren Gleichung vereinfacht werden.
Man setze in (V d) statt / {x, y) eine gerade Funktion / {y) des
zweiten Arguments. So ergibt sich mit der dortigen Bezeichnung:
2^{/(öi+Ö2)-/(ö, -0^)} =
M = rfl dl + 2«-2 (72 Ö2 (16)
=- 2 {/(O) + 2/(2) + 2/(4) + . -f- 2/(ö - 1)} -^ ^ -/(O).
II — d-d II = d-f)
Nun beachte man, dass auf der linken Seite S der Gleichung (12)
jeweilen die Glieder, die zu entgegengesetzt gleichen Werten von m'
gehören, zusammengefasst werden können, und dass
/(.r + 7)1') -\-f{x — m')
und im Falle in' = 0
/ (^ + 0)
^ine gerade Funktion von x ist. Man erhält so eine Summe S, die
gleich gebaut ist, wie diejenige der linken Seite von (16), und sich
:auf dieselbe Zerlegungsart (14) bezieht. Nach (16) wird also
m'
— ^ (/(2 m') + 2/ (2 m' + 2) H h 2/(2m'+f/*-l))}
wo (l^ alle Teiler der Zahl (m — 2 w'"^) zu durchlaufen hat, und wo
das vor die geschwungene Klammer gesetzte Summenzeichen andeutet,
'dass m' der Reihe nach alle Zahlen zu durchlaufen hat, für die
m — 2 m'^
positiv ausfällt.
Jetzt definieren wir
/ (a?) = 0 wenn ^r =j= 0 |
/ {x) = 1 wenn x = 0 \
Dann werden in der Summe (14) auf der rechten Seite R alle Glieder
von der Form
/ (A±i + ,^3)
ZU null. Dasselbe geschieht mit denjenigen Gliedern
/(^ - rfs)
für welche
(^2 + 0.3 4= 2 ^3 •
214 Ernst Meissner.
während so oft die Zahl 1 auftritt, als Lösungen von (15) existieren^
für welche
wird. Dieselben sind aber mit den Lösungen von
2 m — m; = cl ■ d, + 2'^^ ö, (d^ + §2) (17)
identisch, und da
2 m — ml = 1 (mod 4)
ist, so stimmt diese letztere Gleichung mit der Gleichung (2) des
anfangs bewiesenen Hülfssatzes überein. Die Summe R in (12) wird
sonach gleich der Anzahl der Lösungen von (17), oder nach (3) gleich
2F(2 m - ml ) - I ^ e (2 m - m; ) - 1 ^ « (2 m - nir).
Uli " '"i "^ "'1
Hiebei ist über alle positiven ungeraden Werte von m^, für die
2 ni — Dil > 0
ist, zu summieren. Aber
^ CO (2 m — ml )
»'1
gibt an, wie oft 2 m als Summe zweier Quadrate darstellbar ist, und
nach bekannten Sätzen ist
^ « (2 m - ml) =2 (- ^)^ = Q ("0-
Daher wird
R =2 F (2 m - ;«;) - 1 ^' t (2 r>. - m?) - \ q {m). (18)
Nun ist die Definition (a) auch im Ausdruck aS der linken Seite
von (14) einzuführen und nachher
S=R
zu setzen. Die Summe
^/(2«0-^'^^*
m'
wird nur für m' = 0 ein von null verschiedenes Glied erzeugen, und
zwar hat jenes den Ausdruck :
^d = i, (m), (19)
m = ä- ö
da die Teiler d^ in die Teiler d von m übergehen.
Das erste Glied / (2 m') in der Summe
S, = 2\2{f{^ »^') + 2/(2 m' + 2) + • . + 2/(2 m'^ + ^*- 1)) l
wird nur für m' = 0 zu 1, und zwar tritt es dann so oft auf, als
über die zahlentheoretischen Fonnehi Lionville's. 215
Teiler d'^ ^= d von in existieren; es liefert sonach an Si den Beitrag
^ ("0- (19')
Die Argumente
2 m' + 2, 2 m' -f- 4, 2 m' -\- d* ~ 1
der übrigen Glieder in Sy sind alle positiv, wenn m' > 0, alle negativ,
wenn 2 m' -}- d* <0 ist, und in beiden Fällen verschwindet die ganze
geschweifte Klammer. Ist aber
2m' + f^*>0, m'<0,
so ist immer eines, und nur eines der Argumente gleich null, und
die Klammer hat jeweilen den Wert 2. Es wird demnach
S, = 2.L('"''+:i'>'>) + ti.n) (19")
WO L die Anzahl der Lösungen der Gleichung
m = 2 ni'" -(- fZ* ö*
mit den beigesetzten Bedingungen bedeutet. Damit geht aber der
Ausdruck für S über in
& = ^t,{m)-L[ ^.^^ j-^ei^>0- (20)
Wir vereinfachen weiter, indem wir den auf pag. 39 in § 5 ab-
geleiteten Hülfssatz verwenden, wonach
L (2 m' + fi* > 0) — Z {2 m' + tZ* < 0) = ^ , (21)
und Lj die Anzahl der Lösungen von
2 m = »?j -L- do (^2
in ungeraden positiven Zahlen bezeichnet. Nun ist aber wegen
2 ))i — uq = d.2 • ^2
offenbar A = ^ ^ ('^ ''* — '"i)-
Dil
Ferner ergibt sich sofort die Relation:
L (2 „.+ d» > 0^ = i c^ «;;^*, > «) + L (- «;;^;> ») + 1 (»o
und wenn man dies in [2\) einsetzt, folgt die neue Gleichung
i C "':^<^ ") =^ S (2 «< - m;) + L (2 ,«■ + rf« < 0) -
'«1
\ m > 0 / ' V /
216 Ernst Meissner.
Ersetzt man in (20) die Hälfte von
^[ m'<0 )
durch die Hälfte dieses Ausdrucks, so ergibt sich :
'S" = I {^1 O'O - S (m) -^ t (2 m — nil) -L(2 m' + c^* < 0) +
+ ^( m'>0 ) + e(m)-L( ,^.^^ )|.
(22)
<^m' + d*<0\
Aber die ungerade Zahl
2 w'+6^*
ist nie null, und es ist ferner
L(2m'-\-d''<0) = l(' ,^^ ,
^ ^ \ m < 0 /
Dann aber kann man
\ m' < 0 / \ m < 0 /
zusammenfassen zu
L (m' < 0).
Anderseits darf für
^ /2w' + ^*>0\
V w' > 0 /
der einfachere Ausdruck L (m' > 0) gesetzt werden.
Beachtet man endlich noch, dass
L {m' >0) = L (m' < 0),
so geht der Ausdruck (22) über in
S = -ft, (m) — -^^ ^1 (2 m — »i^)-
Setzt man endlich diesen und den Ausdruck (18) in die Gleichung
S = B
ein, so erhält dieselbe die definitive Gestalt:
m <2 m
^^__^^i^(2»-»;) = l{g, („,) + , («0}.
Dies ist aber die Klassenzahlrelation, welche wir herleiten wollten.
über Chlorophyll und Xanthophyll.
Von
R. WiLLSTÄTTER.
Die ältesten Versuche über Blattgrün von Pelletier und Caventou
und von Berzelius haben auf die Isolierung von Chlorophyll hingezielt,
ähnlich, wie sonst pflanzliche Farbstoffe oder auch Alkalo'ide gewonnen
werden. Die Versuche sind fehlgeschlagen, und ihr Ziel ist bis heute
nicht erreicht worden. Es liegen da besondere Schwierigkeiten vor :
Chlorophyll ist indifferent, es gibt keine Verbindungen ; so haben wir
kein chemisches Mittel, es aus dem Gemisch mit gelben Verbindungen,
mit Phytosterinen, Wachsen u. a. herauszuholen, die sich in unseren
Extrakten finden, und namentlich ist das Chlorophyll auch sehr zer-
setzlich. Sobald man Verbindungen von Chlorophyll herstellt, z. B.
Salze, so hat man kein Chlorophyll mehr in Händen ; so hat der
Physiker Hartley bis in die jüngste Zeit eine Baryumverbindung
benützt, um für die Spektralanalyse Beinchlorophyll darzustellen,
sein Produkt ist aber verseiftes Chlorophyll. Deshalb muss man
sich darauf beschränken, grüne Blätterextrakte durch Verteilung der
gelösten Stoffe zwischen verschiedenen Lösungsmitteln zu fraktio-
nieren ; nach der Methode von Gr. Kraus bringt man beim Schütteln
-des alkoholischen Extraktes mit Benzol oder Benzin in dieses das
Chlorophyll, während die gelben Begleiter im Alkohol bleiben. Ähn-
lich verwendet man nach Sorby Schwefelkohlenstoff. Auf diese Weise
kann man Lösungen bereiten, in denen Chlorophyll noch nicht ver-
dorben sein mag, aber auch keineswegs rein sein kann. Wenn man
nun auch den reinen Stoff als Ausgangsmaterial nicht kennt, ist doch
der Abbau des Chlorophylls in Angriff genommen worden in lang-
jährigen, mühevollen Untersuchungen von Hoppe-Seyler, Tschirch
und namentlich von Schunck und Marchlewski, etwa in der Zeit von
1879 bis gegen 1900. Und der Abbau hat mit einer Reihe von Ver-
>21S R. Willstilttev.
bindungen, unter denen sich schöne, krystallisierende Substanzen finden,
zu einem sehr merkwürdigen Resultat geführt : zur Kenntnis von
Beziehungen zwischen Blatt- und Blutfarbstoff.
Chlorophyll wird durch alkoholische Chlorwasserstoffsäure in
Phylloxanthin umgewandelt, dessen Zusammensetzung nicht angegeben
worden ist, und weiterhin durch konzentrierte Salzsäure in Phyllo-
cyanin ; durch Alkalien wird dieses in das krystallisierte Phyllotaonin
übergeführt. Daraus entstand beim Erhitzen mit alkoholischem Kali
auf 190*^ Phylloporphyrin.
Phylloxanthin
1
Phyllocyanin
1
Phyllotaonin, C^^ H^^ Og Ng
i
Phylloporphyrin, {C,, H,g 0 N2)x
Dieses Endprodukt steht nun einem eisenfreien Abbauprodukt
des Blutfarbstoffs sehr nahe, dem Hsematoporphyrin (C,c Hig Oo N,) x
von Hoppe-Seyler und von Nencki und Sieber. Namentlich in den Ab-
sorptionsspektren stimmen diese Porphyrine beinahe überein. Schliess-
lich hat im Jahre 1901 Nencki mit Zaieski und Marchlewski gemeinsam
Hsemin und Phyllocyanin sogar wahrscheinlich zu identischen Pro-
dukten abbauen können, dem Hsemopyrrol, einer Pyrrolbase, der (mit
der Voraussetzung, dass eine einheitliche Substanz vorliegt) die Formel
Cg Hi3 N zugeschrieben worden ist. Nach den letzten Untersuchungen
von Küster liegt übrigens ein Gemisch mindestens von zwei Verbin-
dungen im Hsemopyrrol vor, von denen die eine nur basischen, die
andere auch saueren Charakter zeigt. In allen, auch in den letzten
Phasen dieses Abbaus liegen noch grosse Unsicherheiten ; immerhin
steht das wichtige Ergebnis fest : aus Haematin und Chlorophyll kann
man ähnliche Spaltungsprodukte erhalten.
Über die Natur des ganzen Chlorophyllmoleküles gewinnen wir
aus den angeführten Umwandlungen noch kein Bild. Aber ange-
deutet finden wir eine Vorstellung bei Hoppe-Seyler. Sein Chloro-
phyllan, ein durch Säure Wirkung modifiziertes Chlorophyll, enthielt
1.38 Proc. Phosphor. Anscheinend handelte es sich nicht um eine
Verunreinigung, sondern es erschien wahrscheinlich, dass das Chloro-
phyll eine Verbindung des Lecithins oder selbst eine lecithinartige
Verbindung sei. Diese Hypothese hat in den neunziger Jahren Stoklasa
aufgegriffen und nachdrücklich vertreten. Er hat durch Entmischen
von alkoholischen Grasextrakten mit Benzol ein Chloropyllpräparat
(Chlorolecithin) hergestellt, das fast so viel Phosphor enthielt als
über Chlorophyll und Xanthophyll. 219
Lecithin. Diese Angaben sind aber irrtümlich. Wenn man nach der
Methode von Kraus, am besten durch Verteilung zwischen Holzgeist
und Benzin, Chlorophyll reinigt, so findet man gar keinen Phosphor
darin beim Verarbeiten getrockneter Blätter und nur Spuren bei Ex-
trakten aus frischem Material. Und mit einer neuen Methode Cliloro-
phylllüsungen zu reinigen, findet man das Resultat bestätigt. Ver-
mischt man alkoholische Chlorophylllösungen mit Wasser, so erhält
man kolloidale Lösungen, die an Äther ohne weiteres nichts Grünes
abgeben; man kann aber das Chlorophyll aussalzen und es so frei
von Phosphor erhalten Der Satz Stoklasas „ohne Phosphor kein
Chlorophyll" ist hinfällig.
So fehlt es also an einer Vorstellung von der chemischen Natur
des Chlorophylls. Man sieht leicht (obwohl auch das eine vielum-
strittene Frage ist), dass es weder basische noch sauere Eigenschaften
besitzt. Aber es wird Base und Säure bei der Hydrolyse, sei es
durch Alkali oder Säure. Da handelt es sich um zwei Spaltungs-
reaktionen, die schon äusserlich ganz verschieden sind; Alkalien
machen Chloroj)liyll alkalilöslich und dabei bleibt die Farbe erhalten,
chlorophyllgrün ; Säuren bewirken ein Umschlagen der Farbe in
Olivgrün.
Was die Alkalien vom Chlorophyll wegnehmen, das können wir
auffinden in den durch Säurewirkung entstehenden Umwandlungs-
produkten; und was andererseits schon bei der gelindesten Ein-
wirkung von Säure am Chlorophyll zerstört wird, das zeigt sich
intakt an den in alkalischen Medien gebildeten Chlorophyllderivaten.
Das ist die Methode, mit der wir an die Untersuchung des Chloro-
phylls herantreten, ohne das Chlorophyll selbst zu kennen.
Die Säurespaltung des Chlorophylls, wofür gewöhnlich konzen-
trierte wässrige oder alkoholische Salzsäure gedient hat, bewirken
wir durch Versetzen der alkoholischen Extrakte mit Oxalsäure. So
bekommt man leicht ein aschefreies Produkt von konstanten Eigen-
schaften ; es ist in Alkohol fast unlöslich und kami daher gut gereinigt
werden. Es erinnert an das mit Salzsäure dargestellten Phyllo-
xanthin, aber identisch ist es nicht damit; es soll als Phseophytin
bezeichnet werden (im Hinblick auf die olivenbraune Farbe seiner
Lösungen). Für ein bestimmtes Pflanzenmaterial finden wir die Zu-
sammensetzung des Phaeophytins recht konstant, aber etwas differierend
bei Präparaten aus verschiedenen Pflanzenklassen. Brennesseln, Pla-
tanen, Gras und Grünalgen haben als Ausgangsmaterial gedient.
Ein Kilogramm trockener Blätter liefert zirka 3,5 g Phteophytin; man
kann Chlorophyll mit diesem Präparat annähernd quantitativ bestimmen.
:220 • R. Willstätter.
Das Phseophytin ist ein Wachs und somit zählt auch das Chlorophyll
zu den Estern. Durch Lauge wird das Wachs leicht verseift und
man bekommt den spezifischen Alkohol des Chlorophylls, der noch
nicht bekannt ist. Er soll Phytol genannt werden.
Phseophytin aus Gras gab 32.1 Prozent Phytol
Platanen 30.2
Grünalgen 29.6 „ „
Brennesseln 29.3 „ „
wir gewannen z. B. 300 g aus etwa 1100 g Phseophytin, d. i. ca.
100 g aus 100 kg trockener Blätter.
Auf den ersten Blick könnte man zweifeln, ob das Phytol
wirklich zum Chlorophyll gehört und ob es nicht von beigemengtem
pflanzlichem Wachs herrührt. Ähnliche Alkohole und zwar krystal-
lisierende, die leichter isolierbar sind, hat Etard als Begleiter von
Chlorophyll in vielen Pflanzen angetroffen. Der Zweifel ist aber
leicht zu heben. Ein Präparat von rohem Phseophytin gab 27.70
Proc. Phytol. Dann haben wir es nochmal tagelang der Einwirkung
von Oxalsäure unterworfen und wieder gab es nach der Isolierung
27.99 Proc. Phytol. Eine Portion dieses Phseophytins wurde aus
Chloroform mit Alkohol und aus Alkohol allein wiederholt umgefällt
und dann verseift. Wir erhielten abermals 27.76 Proc. Phytol. Das
ist also sicher der Alkohol des Chlorophylls.
Phytol ist ein Öl vom spezifischen Gewicht (D^) = 0.864, nicht
krystallisierbar, unter üblichen verminderten Drucken nur mit starker
Zersetzung destillierbar, dagegen unzersetzt siedend bei 145° im
Vakuum des Kathodenlichtes. Die Zusammensetzung entspricht genau
der Formel Coo H^^ 0; es ist ein einwertiger Alkohol und zwar ein
primärer zufolge der Esterifizierungsgeschwindigkeit, die übrigens
merkwürdige Abweichungen von den Regeln Menschutkins zeigt, be-
dingt durch besonders leicht eintretende Abspaltung von Wasser.
Charakteristisch . für das Phytol ist sein ätherlösliches Natriumsalz ;
im übrigen ist der Alkohol sehr schwierig durch Verbindungen zu
charakterisieren, da seine Derivate sehr wenig Neigung zum Krystal-
lisieren zeigen. Sein Aldehyd und dessen Oxim, seine Säure, andere
Oxydationsprodukte und Abkömmlinge sind Öle; aber mit Phenyl-
cyanat und Naphtylcyanat wurden krystallisierende Urethane erhalten.
Phyto] addiert ein Molekül Brom und Jodwasserstoff; es zeigt sich,
■dass es ein Alkohol der Olefinreihe ist.
Viel komplizierter sind die anderen, die N-haltigen Spaltungs-
produkte des Phseophytins. Da entsteht nicht ein einzelnes Produkt,
:sondern fast unentwirrbare Scharen von schwach basischen und
über Chlorophyll und Xanthophyll. 22f
zugleich saueren Verbindungen. Wir ordnen sie in zwei Reihen. Die
Einen, olivgrün bis grün in indifferenter Lösung nennen wir Phyto-
chlorine, die Anderen, rot in Äther, Phytorhodine ; beide Reihen
sind in saueren Medien blau bis blaugrün oder grün. Es wäre aus-
sichtslos gewesen, eine Untersuchung dieser Gemische zu wagen, wenn
nicht die ausserordentliche Differenzierung in der basischen Natur
dieser Chlorophyllderivate — dafür gibt es wohl keine Analogie —
zu einer Methode der Untersuchung und Fraktionierung mit Hilfe
von Salzsäure verschiedener Konzentration geführt hätte. Hierüber
ist in den Annalen der Chemie (Band 350) schon veröffentlicht w^orden.
So haben wir neben Phytol aus dem Phseophytin der Brennesseln,
von Gras, von Grünalgen Phytochlorine und Phytorhodine vollkommen
rein dargestellt. In der Zusammensetzung zwar ähnlich, sind doch
die Spaltungsprodukte aus verschiedenen Pflanzen durchaus nicht
identisch. Und bei einem und demselben Ausgangsmaterial findet
man viel Variationen je nach den angewandten Methoden. So lässt
es sich beweisen, dass es nicht einen einzigen bestimmten Stoff
Chlorophyll gibt. Das Chlorophyll der verschiedenen Pfianzenklassen,
der Dikotyledonen, Monokotyledonen, Gj'mnospermen und auch von
Kryptogamen finden w^ir in genau definierten Hauptmerkmalen über-
einstimmend. Aber in dem riesigen C H 0 X-Komplex sind nun zahl-
reiche Variationen nachgewiesen. Wenn wir uns erinnern, dass die
wichtigsten Alkalo'ide, wie Chinin, Atropin, Cocain, Nikotin von
ganzen Familien der Nebenalkaloi'de verwandter Konstitution begleitet
werden, so wird uns der Nachweis der Variation bei dem ungleich
grösseren- Molekül des Chlorophylls nicht überraschen.
Phteophytin ist dem Gewicht nach der Hauptbestandteil des
Chlorophylls, aber seiner Natur nach entfernt es sich sehr w^eit von
der Muttersubstanz. Die Phytochlorine vermögen Metallsalze komplex
aufzunehmen und mit dieser Reaktion werden sie mit einem Male viel
ähnlicher dem Chlorophyll, namentlich in der Farbe. Dafür findet sich
die Erklärung, wenn man die Reaktion des Chlorophylls mit Alkalien
betrachtet, die zu einer ganz andersartigen Reihe von Spaltungs-
produkten führt. Da wird Phytol abgetrennt und es entstehen Ver-
bindungen mit sauerer Funktion. Sie sind chlorophyllgrün und sollen
Chlorophylline heissen.
Ähnliche Verbindungen kommen in der Literatur schon öfters
vor und zwar gewöhnlich als Alkachlorophyll bezeichnet ; aber gegen-
über den älteren Angaben bestehen in analytischer Hinsicht wesentliche
Abweichungen. Namentlich ist das Alkachlorophyll früherer Autoren
(Schunck und Marchlewski) als aschefrei beschrieben. Die Chloro-
phylline enthalten hingegen als einen wesentlichen mineralischen
■222 R. ^Villstättel•.
Bestandteil Magnesium und zwar geben sie eine Asche von etwa
3.5 Prozent Magnesia. Und es hat sich gezeigt, dass das Magnesium
dem Chlorophyll von Land- und Seepflanzen der verschiedenen Klassen
gemeinsam ist.
Die Chlorophylline krystallisieren leider nicht, und sie bestehen
möglicherweise so wie die Derivate der Phseophytinspaltung aus Ge-
mischen ähnlicher Verbindungen. Immerhin gelingt es, diese kom-
plexen Substanzen zu reinigen und dadurch sicher zu stellen, dass
nicht etwa Magnesiumverbindungen anderer Art, vielleicht fettsauere
Salze oder Alkoholate beigemischt sind. Man kann nach der Ver-
seifung des Chlorophylls aus der rohen ätherischen Chlorophyllin-
lösung mit Dinatriumphosphat als Alkali die Chlorophylline extrahieren
und sie durch vorsichtigen Zusatz von Mononatriumphosphat wieder
entbinden. Fettsäuren, Alkohole und dergleichen sind nun nicht
mehr beigemischt; es ist eine vortreffliche Reinigung. Aber auch
hiernach erschien das Auftreten von Magnesium noch nicht genügend
einwurfsfrei festgestellt, bis es endlich gelang, durch den weiteren
Abbau von Chlorophyllin ganz einheitliche, gut krystallisierende kom-
plexe Magnesiumverbindungen zu isolieren. Sie entstehen beim Erhitzen
der grünen Substanz mit einem grossen Überschuss von konzentriertem
alkoholischem Kali auf 100, 140 und 200". Zuerst bilden sich prachtvoll
blaugefärbte und ungeheuer fluoreszierende Verbindungen (Glauko-
phyllin). Dann bei gegen 200" intensiv rot gefärbte, noch ziemlich
stark fluoreszierende, sehr schön krystallisierende Abbauprodukte,
Rhodophylline. Mit der Untersuchung dieser Rhodophylline haben
wir uns beschäftigt und zunächst eines davon (a) rein und einheitlich
dargestellt. Als eine starke Säure lässt es sich mit sehr verdünntem
Ammoniak von einem beigemischten schwach saueren Rhodophyllin
(/?) abtrennen und dann durch mehrmaliges Umkrystallisieren aus
Äther vollends reinigen. Hierbei erfährt die Verbindung infolge von
Wasserabspaltung wesentliche Änderungen; sie enthält dann 6 Prozent
Magnesia und 8.9 Prozent Stickstoff. Charakteristisch für das Rhodo-
phyllin a ist sein prachtvolles schwer lösliches Kaliumsalz. So wider-
standsfähig das Metall gegen den Angrift' von Alkalien ist, so leicht wird
es von Säuren herausgeholt z. B. schon von Eisessig in der Kälte. Die
Entstehungsweise des Rhodophyllins stellt es nun sicher, dass das Mag-
nesium wirklich zum Chlorophyllmolekül gehört und dass es darin
komplex gebunden ist.
Die Spaltungsreaktionen des Chlorophylls verlaufen also nach
zwei Richtungen : in alkalischen Medien wird der Ester verseift, in
saueren das Metall eliminiert, dagegen der Ester verschont.
über Chloropliyll und Xanthophyll. 223
Kehren wir nun zu dem Abbau zurück, der von Chlorophyll
zu anscheinend demselben Haemopyrrol geführt hat, das sich aus
Haemin erhalten lässt. Auf dieser Tatsache fussen geistvolle Hypo-
thesen von Nencki über die Ähnlichkeit des Blatt- und Blutfarbstoffs,
die auch hindeute auf einen genetischen Zusammenhang zwischen
pflanzlichem und tierischem Leben. Man hätte schon früher einwenden
können, dass das Haemopyrrol doch eigentlich nur einen kleinen
Bruchteil des ganzen Moleküls von Chlorophyll oder Haemoglobin
bedeutet, zudem mit gewaltsamen Reaktionen herausgeschält. So
können wir Eiweiss zum Indol abbauen und Indigo gleichfalls ; wir
denken aber nicht daran, die beiden Stammkörper in besonders enge
Beziehungen zu bringen. Wichtiger als dieser Einwand ist nun aber
der Beweis, dass die beiden grossen Katalysatoren verschiedenartige
Metallkomplexe gebunden enthalten. Ganz ungleichartig ist die Funk-
tion von Blatt- und Blutfarbstoff'; der Funktion scheint die Natur
des Metalles zu entsprechen. Das am Transport, an der Uebertragung
des Sauerstoffs beteiligte Haemoglobin enthält Eisen, das in der Re-
duktion der Kohlensäure wirksame Chlorophyll enthält Magnesium.
Wir dürfen diese hochmolekularen Komplexe mit einfacheren Analogen
vergleichen. Beim gelben Blutlaugensalz finden wir die reduzierende
Wirkung des zweiwertigen Eisens, im roten Bhitlaugensalz die Oxy-
dationswirkung der Ferriform. Die organischen Magnesium Verbin-
dungen, z. B. die von Grignard, zeigen die Oxydierbarkeit des Metalls
und seine Affinität zur Kohlensäure. Die Rolle des Chlorophylls in der
Assimilation ist bisher nur nach der physikalischen Seite erörtert
worden. Wir entfernen uns aber wohl nicht zu weit von den Tat-
sachen, wenn wir die Vermutung äussern, dass bei der Aufnahme
von Kohlensäure in der grünen Pflanze das reaktionsfähige basische
Metall sich betätigt.
Neben der Assimilation der Kohlensäure geht ein zweiter Prozess
in der Pflanze einher, der weniger erheblich ist für den Kreislauf
des Stoffes : die Sauerstoft'atmung, welche die für die Lebenstätigkeit
erforderliche Energie liefert. Auch dieser Vorgang ist chemisch
noch nicht erklärt. Aber eine beachtenswerte Idee ist geäussert
worden, die sich auf die Funktion der gelben Chlorophyllbegleiter
in den grünen Blättern bezieht : Arnaud hat die Hypothese aufgestellt,
dass diese gelben Stoffe an der Sauerstoffatmung Anteil nehmen.
Mit diesen Chlorophyllbegleitern, die man mit dem Sammelnamen
Xanthophylle zusammenfassen kann, haben sich viele Chemiker be-
schäftigt, namentlich Arnaud und Tschirch. Arnaud hat es sehr
wahrscheinlich gemacht, dass in den Blättern dieselbe gelbe Verbindung
enthalten ist, wie in der gelben Rübe, das Carotin. Dieses ist schon
224 R. Willstätter.
im Jahre 1847 von Zeise als Kohlenwasserstoff angesprochen worden.
Die Ansichten haben dann geschwankt, manche Autoren fanden darin
Sauerstoff, andere nicht. Arnaud hat schliesslich festgestellt, dass-
das Carotin wirklich ein Kohlenwasserstoff ist und hat auf Grund
sehr eingehender Versuche ihm die Formel Cjg Hgg zugeschrieben.
Merkwürdigerweise aber sind von Arnaud keine Analysen erbracht
worden für das Carotin der grünen Blätter. Viel weiter ist die spek-
tralanalytische Untersuchung geführt worden, namentlich von Monte-
verde, von Tschirch und von C. A. Schunck und Marchlewski, mit
dem Ergebnis, dass wahrscheinlich drei, mindestens aber zwei Carotine
in den grünen Blättern vorliegen.
Wir haben die Analyse der gelben Stoffe in Angriff genommen
und die Angabe von Arnaud bestätigt gefunden, dass der Kohlen-
wasserstoff Carotin in den grünen Blättern enthalten ist. Wir haben
das Carotin aus Daucus Carota mit dem Carotin aus Blättern direkt
verglichen und analytisch identifiziert. Aber nicht richtig ist es,
nach Arnaud anzunehmen, dass alles Gelbe in den Blättern oder
auch nur die Hauptmenge davon wirklich Carotin ist. Eine zweite
schön krystallisierende Substanz und zwar eine sauerstoffhaltige fand
sich viel reichlicher: sie soll nun speziell als Xanthophyll bezeichnet
werden. Wir erhielten z. B. aus einer Portion von 100 kg trockener
Brennesselblätter 3.1 g Carotin, aber über 12 g Xanthophyll. Es lässt
sich nun sehr leicht verstehen, dass die Analysen des Blättercarotins
nicht befriedigend ausgefallen sind. Einmal beobachten wir an Carotin
sowie an Xanthophyll die Fähigkeit mit sehr vielen Solventien zu
krystallisieren und zwar derart, dass die Krystalllösungsmittel in
manchen Fällen gar nicht entfernt werden können, und dann bekommt
man eben im allgemeinen Gemische der beiden krystallisierenden
gelben Stoffe. Sie sind einander sehr ähnlich im Schmelzpunkt, in der
Farbe, in der Blaufärbung mit Schwefelsäure und in vielen anderen
Eigenschaften. Nur ist Carotin auch in dünner Schicht mehr rot,
Xanthophyll mehr orangegelb in der Durchsicht; Carotin ist in Al-
kohol fast unlöslich, in Petroläther löslich, Xanthophyll umgekehrt
in Petroläther unlöslich, in Alkohol löslich.
Die Analyse hat ein überraschendes Resultat gegeben. Die
Formel von Arnaud (auf 1 C : 1.46 H) ist abzuändern. Carotin enthält
C:H= 1:1.40, also (C, qHj^)x, und zufolge der Bestimmung des
Molekulargewichtes in Chloroformlösung nach der ebullioskopischen
Methode ist die Formel C^o ^5.;- Und Xanthophyll ist nach Analyse,
Molekulargewichtsbestimmung und Jodaddition das Oxyd des Carotins :
^4 0 Häc Og.
über Chlorophyll und Xanthophyll. 225
Die Hypothese von der Rolle des Carotins bei der Atmung
gewinnt vielleicht an Wahrscheinlichkeit dadurch, dass das Oxyd
den Kohlenwasserstoff begleitet. Arnaud hat die Hypothese dadurch
gestützt, dass er zeigte, Carotin oxydiere sich leicht; bei 70° soll
es 21 Prozent Sauerstoff aufnehmen. Nach unseren Beobachtungen führt
die Sauerstoffaufnahme noch viel weiter. Xanthophyll addiert nämlich
schon bei gewöhnlicher Temperatur, indem es ausbleicht, über 36 Prozent
seines Gewichtes Sauerstoff, also das im Xanthophyll enthaltene Carotin
44.2 Prozent seines Gewichtes an Sauerstoff.
Die Untersuchung der Konstitution dieser schönen gelben Stoffe,
die ja erst im Anbeginn hält, bietet eine lockende Aufgabe; insbe-
sondere bietet es grossen Reiz, zu prüfen, ob nicht vielleicht diese
stickstofffreien Begleiter des Chlorophylls mit diesem selbst genetisch
verknüpft sind; ob sie nicht vielleicht hervorgegangen sind aus dem
Alkohol Cgo H^o 0 durch einen einfachen Dehydrogenisationsprozess ?
Vierteljahrschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. 15
Eine neue Theorie der Narkose.
Von
Rudolf Höbek.
Erst vor wenigen Jabren ist von Hans Meyer ^) und 0 verton^)
eine Theorie der Narkose aufgestellt worden, welche allgemeine Aner-
kennung gefunden hat. und es mag deshalb zunächst befremdend er-
scheinen, dass eine neue Theorie zum Gegenstand der folgenden Mit-
teilung gemacht werden soll. Indessen braucht man sich nur den
Inhalt der Meyer-Overtouschen Theorie zu vergegenwärtigen, um
zu erkennen, dass diese Theorie noch weit davon entfernt ist, die
Frage nach dem Verhältnis der narkotisierenden Substanzen zu der
Erregbarkeit der lebenden Zellen abschliessend zu beantworten^).
Die Theorie von Meyer und 0 verton besagt:
Ein Narkotikum ist ein Stoff, welcher zugleich im Wasser und
in den Zell-Lipoiden löslich ist; seine narkotische Kraft ist umso
grösser, je grösser der Teilungskoeffizient Lipoid : Wasser ist.
Danach tritt also Narkose dann ein, wenn sich irgend eine lipoid-
lösliche Substanz, welche in der die Zelle umspülenden Lösung ent-
halten ist, bis zu einer bestimmten Konzentration in den Lipoiden an-
gesammelt hat; ein „starkes" Narkotikum braucht in der umspülen-
den Lösung nur in relativ geringer Konzentration vorhanden zu
sein, um, dank seinem hohen Teilungskoeffizienten Lipoid : Wasser,
diese bestimmte Konzentration im Lipoid zu erreichen, während ein
„schwaches" Narkotikum sich erst bei einer relativ grossen Konzen-
tration im wässerigen Zellmedium bis zu der wirksamen Konzen-
tration im Lipoid häuft.
Natürlich fragt man nun sofort weiter: was hat die Tränkung
') Archiv f. experimentelle Pathologie und Pharmakologie 42, 109 (1899).
^) Studien über Narkose. Jan. 1901. Ferner: Vierteljahrsschrift der Naturforsch.
Gesellsch. in Zürich 44, 88 (1899).
^) Siehe dazu: Höber, Physikal. Chemie der Zelle und der Gewebe. 1. Aufl.
S. 119. Leipzig, 1902.
Eine neue Theorie der Narkose. 227
der Zell-Lipoide mit dem narkotisierenden Stoff eigentlich mit der
die Narkose kennzeichnenden Aufhebung der Zellerregbarkeit zu tun ?
und auf diese nächstliegende Frage gibt die Theorie von Meyer und
Overton keine Antwort mehr. Da die typischen Narkotika sich
durch grosse chemische Indifferenz auszeichnen, so kann man
höchstens noch aus der Theorie folgern, dass durch die Aufnahme
der Narkotika die Lipoide eine Änderung ihres physikalischen
Verhaltens erfahren, welche auf die Erregbarkeit zurückwirken muss;
über die Natur dieser physikalischen Änderung kann aber auch nichts
ausgesagt werden.
Ich bin nun, von ganz andern Beobachtungen, als Meyer und
Overton, nämlich von Studien über den Erregungsprozess ausgehend,
zu einer Theorie der Narkose gelangt, welcher zunächst jeder Zu-
sammenhang mit der herrschenden Theorie zu fehlen scheint. Ich
habe früher auf Grund von Versuchen die Ansicht ausgesprochen,
dass eine wesentliche Phase des komplexen Erregungs-
vorgangs ein Kolloidprozess in der Plasmahaut der erregten
Zellen ist. Ein Narkotikum ist nun als ein Stoff anzu-
sehen, welcher diesen Kolloidprozess hemmt.
Die Kolloidhypothese über die Erregung stützt sich auf folgende
Gründe :
1. Ich habe gezeigt^), dass die Erregbarkeit der Muskeln von
den Jonen der Alkalisalze, welche in isotonischer Lösung auf die
Muskeln einwirken, derart abhängt, dass die Erregbarkeit durch die
Kationen in der Reihenfolge Li, Na, Cs, NH^, Rb, K, durch die Anionen
in der Reihenfolge SCN, J, Br, Cl, CH3COO, SO^ beeinflusst wird. In
ähnlicher Weise stuft sich die eiweissfällende und die gelatinequel-
lende Wirkung der Jonen ab ; hier lauten die Reihenfolgen nach
Hofmeister, Posternak und Pauli: Li, Na, K, NH^, und J, Br, Cl,
CH3COO, SO4. Danach kann man die Annahme machen, dass die
Erregbarkeit etwas mit dem Zustand der Protoplasma- resp. Plasma-
haut-Kolloide zu tun hat.
2. Diese Annahme wird unterstützt durch neue Versuche über
die Salzfällung von Eiweiss, die mir zur Ergänzung des vorliegenden
Materials notwendig erschienen. In der physiologischen Reihe der
Kationen fällt nämlich sofort die Stellung von Cs zu K und Rb auf;
das Cs, das chemisch mit K und Rb in eine Gruppe rangiert, ver-
hält sich physiologisch ähnlich wie Na. Nun trifft genau dasselbe
für den Einfluss des Cs auf genuines Eiweiss zu. Ich habe u. a.
Fällungen von Hühnereiweiss mit 3-, 4- und 5-fach-normal-Alkali-
') Pflügers Archiv 106, .599 (1905).
228 Rudolf Höber.
Sulfat und mit 3,5-, 4- und 5-fach-normal-Alkalichlorid vorgenommen
und festgestellt, dass die Kationen-Reihenfolge lautet: Li, Cs, Na, Rb,K.
3. Die Erregbarkeit der peripheren Nerven ist in ähnlicher, wenn
auch, wie es scheint, nicht identischer Weise von den Jonen der
Alkalisalze abhängig, wie die der Muskeln ')• Daher kann man an-
nehmen, dass auch die Nervenerregbarkeit an einen bestimmten Kol-
loidzustand gebunden ist. Und in der Tat konnte ich zeigen,^) dass
das mikroskopische Bild der Nervenfasern, das als Ausdruck der
Kolloidverteilung in ihnen angesehen werden kann, die durch ver-
schiedene Alkalisalzlösungen erzeugten Erregbarkeitszustände im Aus-
sehen der Axenzylinder und der Markscheiden widerspiegelt.
4. Das generelle Erkennungszeichen des Erregungsprozesses ist
der Aktionsstrom, bestehend in der flüchtigen Negativitätswelle, die
über die erregte Zelle hinläuft. Man kann diese Negativität lokal
und für längere Zeit, aber doch reversibel, auch durch lokale
Salzbehandlung erzeugen ; dabei ordnen sich die Jonen nach der Grösse
der elektromotorischen Kraft der entstehenden Ruheströme wieder
in die Reihenfolge Li, Na, Cs, NH,, Rb, K und SCN, J, Br, Cl, CH3COO,
SO^*). Diese Tatsachen lassen sich dahin interpretieren, dass bei
der Erregung eine wellenförmige reversible Zustandsänderung der
Plasmahautkolloide über die erregbaren Gebilde hinläuft, welche be-
gleitet ist von einer Änderung der Jonenpermeabilität der Plasmahaut
der Art, dass die jeweilen erregte Stelle sich negativ verhalten muss
gegen die unerregte. —
Wenn nun diese Hypothese über den Erregungsprozess richtig
ist, d. h. wenn ein Kolloid Vorgang ein wesentliches Glied des Erre-
gungsprozesses bildet, so muss Aufhebung des Kolloidvorgangs mit
Aufhebung der Erregbarkeit gleichbedeutend sein. Und umgekehrt:
wenn sich zeigen lässt, dass mit dem Erlöschen der Erregbarkeit
zugleich der Kolloidprozess versagt, so kann man darin ein Zeichen
dafür erblicken, dass der Kolloidvorgang wirklich zur Erregung dazu
gehört. In der Tat hat es sich nun gezeigt, dass, wenn man die
Erregbarkeit von Muskeln durch Narkotika vermindert
oder aufhebt, auch der typische als Kolloidvorgang zu
deutende Salzeinfluss alteriert wird.
Die Versuche, die dies beweisen, sind im allgemeinen so ange-
stellt^), dass die beiden unverletzten Sartorien eines kurarisierten
Frosches (Temporarien) in zwei Lösungen eingetaucht wurden, aus
^) Siehe: Höber, Physikal. Chemie der Zelle u. der Gewebe, 2. Aufl. 1906, S. 277.
2) Zentralblatt f. Physiologie 19, 390 (1905).
2) Höber: Pflügers Archiv 106, .599 (1905).
*) Zum Teil in Gemeinschaft mit Privatdozent Dr. P. Schatiloff (Charkow).
Eine neue Theorie der Naricose.
229
denen, ebenso wie vom „Längsschnitt" der Muskeln mit Ringer-
Calomel-Elektroden zu einem Galvanometer abgeleitet wurde. Die
beiden Lösungen unterschieden sich nur dadurch von einander, dass
der einen ein Narkotikum zugesetzt war, der andern nicht. Als
Narkotika wurden verwendet: Chloroform, Chloralhydrat, Acetal,
Athylurethan und Phenylurethan. Zu weitaus den meisten Versuchen
diente Phenylurethan in einer Konzentration von 0,04 — 0,05 7» ; die
Narkose kann bei dieser Konzentration lange ohne Schädigung auf-
recht erhalten werden, was sich erstens daran erkennen lässt, dass
Muskeln, welche einige Stunden in Ringerscher Lösung mit einem
Zusatz von 0,04 7« Phenylurethan gelegen haben, ihre ursprüngliche
Zeit:
Zeil:
2.20
RlH(;er
2.20
Ringtr + OOfPlnn Ur
2.30
/
2.:io
/
2 40
/
2.40
1
2.50
/
2.50
/
3.00
/
300
/
.1.10
/
3.10
/
3.20
0.28 Rh NO, -1-0.77 Na NOj
3.20
3.30
] 0 28 Rb NU, -)- an Na NO, + 11.114 PiMn Ui
3.30
^~^
V
3.40
1
3 40
^^
3.äü
3.50
\
4.00
4.00
\
4.10
[
4.10
\
Erregbarkeit bei Rückübertragung in reine Ringer-Lösung wieder-
erlangen, zweitens daran, dass Muskeln, deren eines Ende in Ringer-
Lösung mit Phenylurethan eingetaucht wird, stundenlang stromlos
bleiben können.
Lässt man nun auf das Ende eines Sartorius die Lösung eines
stromentwickelnden Salzes, etwa NaNOg, auf den andern Sartorius
in genau der gleichen Weise NaNOg -|- 0,04 7» Phenylurethan ein-
wirken, so beginnt im ersten Fall sofort die Entwicklung des Ruhe-
stroms, im zweiten bleibt sie aus, wenigstens zunächst. Ganz all-
mählich bildet sich dann aber auch hier der übliche Strom aus.
Das typische Verhalten illustriert am besten das obenstehende Kurven-
paar eines Versuches, in dem eine Kombination von 0,28 7« Rb NO3
mit 0,7770 Na NO3 mit und ohne Phenylurethan zur Wirkung kam.
In dieser Weise wurden bisher untersucht: Li Ol, Li Br, NaJ, NaNO.^,
CsgSO,, NH4CI, NH.NOg, (NHJa SO^. RbCl, RbNO^, KNO3, KCl.
230 Rudolf Höber.
Das Resultat war in allen Fällen das gleiche, nämlich: die Salz-
wirkung, also der Kolloidprozess, wird durch das Narkoti-
kum gehemmt. Nicht aufgehoben; vielmehr wird offenbar das
Kolloid nur träger, die sonst schnelle Kolloidreaktion verläuft mit
starker Verzögerung. Danach hätte man sich also vorzustellen, dass
bei narkotisierten Muskeln der Erregungsprozess dadurch gestört ist,
dass der flüchtige elektrolyt-chemische Vorgang im erregbaren Ge-
bilde, der als Einleitung des ganzen Erregungsvorganges zu denken
ist, auf ein reaktionsträges Kolloid wirkt, das seine bei der Erregung
notwendige Zustandsänderung infolge seiner Trägheit noch nicht zu
beginnen vermochte, wenn der anregende flüchtige chemische Prozess
bereits beendet ist.
Man könnte nun noch einwenden, dass die beobachteten Hem-
mungen des Salzkolloidprozesses auf Zusatz der Narkotika gar nichts
mit deren narkotisierender Fähigkeit zu tun haben, da organische
Verbindungen, auch wenn sie nicht narkotisch wirken können,
wenigstens gewisse Kolloidvorgänge, nämlich einige Vorgänge an
Gallerten zu hemmen vermögen. So ist z. B. bekannt,^) dass Trauben-
zucker die Durchlässigkeit sowie die Quellbarkeit von Gelatine-
Gallerte vermindert, während Harnstoff beide umgekehrt erhöht. Man
kann sich aber davon überzeugen, dass weder Traubenzucker noch
Harnstoff auf die ruhestromentwickelnden Fähigkeiten der Salze
einen nennenswerten Einfluss ausüben. Also ist die Hemmung des
Salzkolloidprozesses wirklich Sache der Narkotika. —
In welchem Verhältnis steht nun diese neu gewonnene Anschauung
über die Narkose zu der Theorie von Meyer und Overton? Meyer
und Overton geben an, dass Narkose eintritt, wenn ein narkotisieren-
der Stoff bis zu einer gewissen kritischen Konzentration in den Zell-
Lipoiden angesammelt ist, woraus gefolgert werden kann, dass die
Lipoide wahrscheinlich durch die Narkotika eine physikalische (siehe
oben) Veränderung erfahren, welche den Erregungsprozess unmöglich
macht. Auf der andern Seite komme ich zu der Annahme, dass
Narkose eintritt, wenn ein narkotisierender Stoff eine zum Erregungs-
prozess gehörige Kolloidzustandsänderung zu hemmen vermag. Da nun
von den Lipoiden zumindest das Lecithin in Gegenwart von Wasser
kolloidal ist, so lassen sich beide Theorien an einander anschliessen,
wenn man annimmt, dass der hypothetische physikalische Vorgang,
der sich, der Meyer -Overton sehen Theorie zufolge, bei der Nar-
kotisierung in den Lipoiden abspielen muss, in der Änderung der
kolloidalen Eigenschaften der Lipoide besteht.
1) Bechhold Ä- Ziegler, Zeitschr. f. physik. Chem. 56. 105 (1906).
Eine neue Theorie der Narkose. 231
Indessen kann es doch aus mehreren Gründen als noch verfrüht
bezeichnet werden, die beiden Theorien in dieser Art mit einander
zu verknüpfen. Denn erstens kennt man bisher nur die Abstufung
der Salzwirkungen gegenüber Eiweiss und Gelatine, nicht gegenüber
dem Lecithin, wenn auch wahrscheinlich ist, dass Lecithin sich gegen
die Salze nicht anders verhält, wie jene, da die Salzwirkungen auf
die Kolloide in die grosse Kategorie der Löslichkeitsbeeinflussungen
gehören, in der die genannten Abstufungen häufig wiederkehren.
Zweitens ist zu bedenken, dass die Plasmahaut, in die der Erregungs-
vorgang gemäss der hier gegebenen Darstellung mindestens zum Teil
verlegt wird, gewiss nicht bloss eine Lipoidhaut ist, da die ganze
komplizierte regulative Stoffaufnahme von ihren veränderlichen Eigen-
schaften abhängt; vielmehr ist es wahrscheinlich, dass auch Eiweiss
zu ihren Bestandteilen gehört,') und man kommt vielleicht augen-
blicklich am weitesten mit der Vorstellung, dass die Plasmahaut teils
aus rein lipoiden Elementen zusammengesetzt ist, welche für Wasser
undurchlässig und allein für lipoidlösliche Stoffe, wie die Narkotika,
durchlässig ist, und teils aus Elementen, welche, u. a. aus Eiweiss
und Lecithin gebildet, im allgemeinen eine semipermeable, d. h. bloss
wasserdurchlässige Membian bilden, im speziellen aber durch bestimmte
Stoffwechsel einÜüsse vom Innern der Zelle her in ihrer Permeabilität
verschiedene Änderungen erfahren können ; in diesen letzteren Elementen
würde sich dann der die Erregung begleitende und in der Narkose
gehemmte physikochemische Vorgang, die kolloidale Zustandsänderung,
abspielen. Wie weit diese Vorstellung genügt, darüber wird man
nicht eher etwas sagen können, als bis die Beziehungen der Salze zum
Lecithin studiert sind, und bis festgestellt ist, auf welche Plasmahaut-
Bestandteile die Salze wirken. Im übrigen sei nur noch erwähnt,
dass bereits vor längerer Zeit festgestellt wurde,-) dass durch Nar-
kotika das Fällungsvermögen der Salze gegenüber Lecithin und Ei-
weiss gehemmt werden kann.
Zürich, den 18. Februar 1907.
>) Höber. Physikal. Chemie Jer Zelle u. der Gewebe, ± Autl. S. 17« ff (1906)
*) Hob er und Gordon, Hofmeisters Beiträge 5, 43^ (1904).
Nebensonnen und Ringe vom 10. Februar 1907,
gesehen in der Nordostschweiz.
Von
Albert Heim.
Wir waren über dem das Zürichseetal erfüllenden Nebelmeer in
den Sonnenschein getreten. Die Lufttemperatur betrug etwa 5*^ unter
Null. Aber auch in der Höhe war der Himmel nicht klar, sondern
fein verschleiert. Immerhin warf die Sonne noch kräftige Schatten.
Berge bis 2300 m Meerhöhe waren scharf zu sehen, Berge über 2500 m
aber in weisslichen Schleier gehüllt und unsichtbar. Gegen Norden
erschien dem Horizont entlang ein blauer Streifen reinen Himmels.
Als ich mittags 12 V2 Uhr aus dem Hotel auf den Platz in Einsiedeln
(etwa 900 m Meerhöhe) trat, bemerkte ich einen hellen schmalen
Streifen durch den Himmel und in demselben beiderseits der Sonne
in gleichen Abständen zwei helle Flecken und überdies einige Stücke
farbiger Bogen. Die Erscheinung hielt, bald etwas an Intensität zu-
nehmend, dann wieder abnehmend, mehr als drei Stunden lang an.
Weil es von Wert ist, das nicht gerade häufige Phänomen zu
registrieren, will ich in dieser Zeitschrift berichten, was ich selbst
beobachtet habe und was andere mir darüber mitgeteilt haben. Leider
war ich mit keinerlei Hilfsmitteln versehen, um Winkelmessungen
vorzunehmen, und das Abstecken und Schätzen von Winkeln im tiefen
Schnee ging schlecht.
Die Sonne stand in einem weissen, verschwommenen, blendenden
Hof von etwa 3 bis 4fachem Sonnendurchmesser. In der gleichen
Horizonthöhe wie die Sonne und in gleichem Abstand von etwa 22 "
von derselben sowohl westlich wie östlich erschien je ein hell glänzender
Fleck, eine sogenannte Nebensonne. Die Nebensonnen waren nicht
rund, nicht weiss strahlend wie die Sonne zwischen ihnen, sondern
hatten mehr die Gestalt eines kurzen Kreuzes und waren schön
spectralfarbig, rot auf der Seite gegen die Sonne, blau nach aussen.
Nebensonnen und Ringe. 233
Die beiden Nebensonnen erwiesen sich immer deutlicher als die Schnitt-
stellen zweier Lichtringe, daher wohl die unrunde Gestalt.
Von den beiden Nebensonnen ging ein scharf begrenzter, ganz
schmaler silberweisser horizontaler Streifen in gleicher Horizonthöhe
nach aussen. Er mochte höchstens die Breite eines Sonnendurch-
messers haben und war ganz farblos. Der Lichtstreifen zog sich
ringsum und schloss sich im Norden zusammen als ein Ring mit
dem Zenit als Mittelpunkt. Der einzige Unterbruch war das Stück
zwischen den Nebensonnen, das durch die Sonne selbst gehen sollte.
Die Sonne stand aber genau in der Verlängerung des Lichtbandes.
Es ist dies der schon so oft beschriebene Nebensonnenring oder
Horizontalkreis.')
Um die Sonne als Mittelpunkt erschien ein kleinerer, verwischterer,
breiterer, aber etwas matterer Ring in schwachen Regenbogenfarben,
ein „Halo". Ihm gehören die Nebensonnen an. Sie sind die Schnitt-
stellen des farbigen Halo mit dem nicht farbigen grossen Horizontal-
kreis. Die Farben der Nebensonnen erscheinen bloss als eine lokale
Verstärkung der Farben des Halo auf nicht nur doppelte, sondern
mehrfache Intensität. Immerhin blieb die Intensität der Farben auch
hier noch unter derjenigen eines schönen Regenbogens, das weissliche
Licht war vorherrschend. Ich schätzte den Radius des Halo und
damit den Abstand der Nebensonnen von der Sonne auf etwa 25°,
es handelt sich hier offenbar um die häufigste Erscheinung bei Eis-
nadelschleier in der Höhe, den sogenannten „kleinen Halo von 22"
Radius".
Über der Sonne gegen den Zenit hin erschienen noch zwei Stücke
farbiger Ringe mit Mittelpunkt im Zenit („Zirkumzenitale Bogen"),
Der grössere, der „obere Berührungsbogen", schnitt den Halo von
22° Radius an, und die Schnittstelle sah zeitweise aus wie eine etwas
in die Länge gezogene obere Nebensonne, abermals das Rot gegen
die Sonne, das Blau gegen den Zenit. Der viel kleinere hoch oben
war ziemlich breit, sehr schön und zart in den Farben, und hatte
Rot aussen, Blau innen. Die von dem kleineren Zenitkreis zwar nicht
ganz umgrenzte Kreisfläche um den Zenit erschien nicht wie der
übrige Himmel weisslich verschleiert, sondern in reinem, tiefem Blau.
Eine untere Nebensonne konnte für unsern Standpunkt wegen
den Bergen und dem zu tiefen Sonnenstand nicht zu stände kommen,
in jener Richtung war der Wolkenschleier leuchtend gelblichweiss.
Von Gegensonnen war keine Spur zu sehen.
') Ich schliepse mich in der Besclu'eil)nng soviel :ils möglich dea Hezeiciimintren
an, wie sie in Peiuter , Meteorologische Optik" verwendet sind.
234 Albert Heim.
Während der Dauer der Erscheinung sank der Eiswolkenschleier
tiefer, so dass nachmittags 3 Uhr auch Berge von bloss 2000 m Meer-
höhe etwas verschleiert waren. Die Luft auch der höchsten Regionen
schien vollständig bewegungslos zu sein. Was bei dem vorliegenden
Fall deutlicher als bei manchen anderen beschriebenen Beispielen, aber
ganz übereinstimmend mit andern Beobachtungen hervortrat, das ist
der Umstand, dass der 22°- Kalo und die beiden engeren Zenitringe
farbig und zwar gegen die Sonne hin rot, nach aussen oder gegen
den Zenit blau sind, die Farbfolge also bei beiden inneren Zenitringen
die gleiche ist. Dagegen ist der grosse Horizontalkreis- durchaus ohne
Farben. Die Ringe mit Farben müssen durch Brechung oder
Beugung der Lichtstrahlen in oder an den Eisnadeln, der grosse
Horizontalring dagegen kann, weil er ohne Farben ist, nur durch
Reflexion der Lichtstrahlen an den Aussenflächen der Eisnadeln
entstanden sein. Für die Ringe waren zwei Zentren — Sonne und
Zenit — wirksam, und um letzteres Zentrum stand ein Reflexions-
kreis und zwei Brechungs- oder Beugungskreisbogen. Der Wolken-
schleier in der Höhe kann bei der vorhandenen niedrigen Temperatur
nur aus Eisnädelchen bestanden haben und der Umstand, dass sich
der Schleier bei Windstille während der Dauer des Phänomens um
einige hundert Meter langsam gesenkt hat, macht es sehr begreiflich,
dass beim Fall durch das hindernde Medium der Luft eine Stellungs-
ordnung, und zwar ein Vorherrschen der senkrechten Nädelchen zu
stände gekommen war, was ja die theoretische Bedingung für die
Erscheinung ist. Der farblose grosse Zenitring ist vollständig er-
klärt worden aus Reflexion an den senkrechten Prismenflächen, der
Halo als Hof aus Strahlenbrechung.
Was ich beobachten konnte und ebenso was andere am 10. H.
beobachtet haben, bietet also nur geringe Variationen, nichts Neues,
ist aber eine Bestätigung der Angaben vieler anderer und im be-
sonderen auch der von der Theorie, wie sie durch Galle und Bravais
durchgeführt worden ist, angenommenen Bedingungen (vgl. Peruter,
Meteorolog. Optik 1906).
Das Phänomen vom 10. Februar, so wie ich es beobachtete,
unterschied sich von manchen anderen beschriebenen Fällen dadurch,
dass nur zwei Nebensonnen sichtbar waren, Gegensonnen fehlten.
Ferner dadurch, dass der grössere Halo von 46 '^ Radius gänzlich fehlte,
dagegen ein ziemlich breiter kleiner zirkumzenitaler Farbkreis sehr
deutlich und schön farbig war. Der weisse Horizontalkreis war be-
sonders scharf begrenzt. Zeitweise nahm der (zirkumzenitale ?) „obere
Berührungsbogen am Halo von 22'"' die Gestalt von zwei farbigen
Hörnern an, die erst auf- und auswärts, dann abwärts gebogen waren.
Nebensonnen und Ringe. !235
und deren Verbindung an dem Punkte senkrecht über der Sonne den
Halo von 22" etwas eindrückte. Manchmal sah es fast aus, als ob
wir es in diesen Hörnern mit zwei Asten der exzentrischen Halos
(Schult, Norwegen, 27. III. 1826, ferner Sieberg, 4. Sept. 1900 in
Aachen) zu tun hätten. Während einiger Zeit erschienen die Hörner
der Art, dass ich sie als Stücke zweier seitlicher Halos skizzierte,
welche die Nebensonnen zum Zentrum hatten. Ich lasse noch einige
Mitteilungen von anderen Beobachtern über das Phänomen vom
10. Februar 1907 folgen, die wieder allerlei Variationen erkennen
lassen. Die mit (Dir. M.) bezeichneten waren der meteorologischen
Zentralanstalt zugesendet worden und sind mir durch Hei-rn Direktor
Dr. Maurer gütigst zur Benutzung übergeben worden.
Der Himmel hatte weitherum den gleichen feinen Eisnadelschleier
und alle Beobachter erwähnen denselben. Weitherum wurden die
Nebensonnen gesehen.
Vom Wildkirchli (Kt. Appenzell) aus sah Prof. Dr. Martin in
gleichen Abständen und gleicher Horizonthöhe beiderseits von der
Sonne je eine Nebensonne als farbigen, verschwommeften Fleck, alle
Kreise und Bögen fehlten.
Herr Chemieassistent H. Leemann (Dir. M.) beobachtete von der
Kreuzegg östlich Wald aus. Er sah den Horizontalkreis und „auf dem-
selben verteilt sechs helle Lichtpunkte", von denen die zwei zunächst
beiderseits der Sonne am hellsten und farbig waren. Über der Sonne
befand sich eine regenbogenfarbige Linie von schlangenartiger Form,
die deutlich drei gleiche Radien aufwies — die „Hörner". Noch höher
sah der Beobachter zwei kurze gegeneinander konvex gestellte, sich
tangierende Bogenstücke — er meint „im Zentrum des Horizontal-
kreises". Das waren aber wohl grosser Halo und Zirkumzenitalkreis.
Gegen 3 Uhr hatte sich der kleinere Halo vollständig ausgebildet.
In Wernetshausen am Bachtel (bei Hinwil) beobachtete Herr
Lehrer Ed. Benz, von Herrn Lehrer Stadiin darauf aufmerksam ge-
macht, 1 Uhr 15 Minuten den Horizontalkreis und in demselben ausser
den beiden starken farbigen Nebensonnen etwa in der doppelten Distanz
von der Sonne wie diese noch zwei bleichere Nebensonnen. Nach
seiner Skizze erscheint über der Sonne der 22 ''-Halo etwas eingedrückt
und dort die Farben am stärksten. Ausserdem stand hoch oben ein
Stück des grossen Halo, der von Einsiedeln gar nicht zu sehen war.
Eine Viertelstunde später bildete sich noch ein innerer, milchweisser,
zirkumzenitaler Ring, ungefähr in der Mitte zwischen dem Zenit und
dem durch die Sonne gehenden Horizontalkreis. Ob das derselbe,
nur mit unkennbar schwachen Farben war, den wir von Einsiedeln
farbig gesehen haben oder ob es eine Doppelung des Nebensonnen-
236 Albert Heim.
kreises — ein zweiter Reflexionskreis war, muss ich dahingestellt
sein lassen. Es scheint, dass je nach der Dichte der Eiswolke der
gleiche Bogen bald farbig, bald bloss weiss erscheinen kann.
Ein Zeitungsberichterstatter, der von Wernetshausen um 1 Uhr
nach dem Bachtel stieg, sah zwei Nebensonnen und drei Gegensonnen
auf dem Horizontalkreis und eine Anzahl farbiger Bogen, bei welchen
allen das Rot gegen die Sonne gekehrt war.
Vom Dorfe Wald brachten die Tagesblätter einen Bericht, der
Glanz und Farben etwas überschwenglich schildert. Darnach sollte
man denken, dass der Farbenglanz den schönsten Regenbogen über-
troffen hätte. Der Berichterstatter sah den Horizontalkreis für eine
Ellipse mit der grossen Achse S — N an. Die Art der Eingrenzung
des Horizontes mit Bergen mag ihn zu dieser subjektiven Täuschung
verführt haben. Er sah im Norden des Horizontalkreises eine Gegen-
sonne und im Osten und Westen desselben äussere Nebensonnen.
Die gewöhnlichen ersten Nebensonnen beschreibt er als „ein Strahlen-
meer in den feurigsten Irisfarben, kometartig sich nach aussen er-
weiternd, den Ellipsenring durchbrechend". Das sind wohl Stücke
des 22*'-Halos gewesen. Auch dieser Beobachter sah die Hörner
und beschreibt sie als „ein geschweiftes, in der Ferne an ein Joch
erinnerndes Band von spitzauslaufenden Enden, dessen bauchig er-
weitertes Mittelstück in Regenbogenfarben von nie geschauter Rein-
heit und Leuchtkraft schillerte". Endlich sah der Beobachter von
Wald über dem „Joch", von diesem durch weisses Lichtfeld getrennt
ein mondsichelförmiges, zirkumzenitales, besonders farbiges Bogenstück.
Die zwei gewöhnlichen Nebensonnen schienen den einen Beob-
achtern an den Schnittpunkten des 22*^- Kalo mit dem Horizontalkreis
zu liegen, andere geben sie dicht innerhalb, wieder andere ausdrück-
lich als ganz wenig ausserhalb dieses Halo stehend an und vielleicht
steht damit in Zusammenhang, dass sie den ersteren vorherrschend
rot, anderen blau, anderen mehr weiss erschienen.
Herr Dekorationsmaler Jul. Dübendorfer von Wald (Dir. M.) gibt
eine farbige Skizze. Er beobachtete auf dem Wege von Wald nach
Pooalp zwischen Scheidegg und Schwarzenberg von 1 bis 4 Uhr und
sah den Horizontalkreis und die stark farbigen Nebensonnen, letztere
„gleichsam aus Wolkenöffnungen hervorbrechend", ferner die „eigen-
tümliche, jochähnliche Wellenlinie". Letztere wird aber anders ge-
krümmt gezeichnet, als wir es sahen: der mittlere Teil als Kreis-
stück mit der Sonne als Zentrum, die Hörner von der Sonne weg-,
also nach aussen und oben, gebogen. Ferner wurde der kleine
Zenitalkreis gesehen — überall rot gegen die Sonne, blau davon weg.
Der 22 "-Halo war schwach und weisslich.
Nebensonnen und Ringe. 237
Ein offenbar gut vorbereiteter Beobachter (Neue Zürcher Zeitung)
sah, von 12 V2 bis gegen 4 Uhr über den Ricken gehend, den Horizontal-
kreis, darin ausser den starken Nebensonnen etwas ausserhalb des 22^-
Halo noch schwache Nebengegensonnen. Er beschreibt die Hörner.
den Zirkumzenitalkreis und ein Stück des grossen 4ß°-Halo.
Herr A. Kurz, Studierender der Naturwissenschaften am Poly-
technikum, beobachtete schon am 9. Februar ') 2 Uhr 30 Minuten von
Weissegg bei Trogen das Phänomen und ebenso dann wiederum am
10. Februar 4 Uhr abends. Es soll das erste Mal schöner gewesen
sein. Herr Kurz sah den weissen Horizontalkreis, die farbigen Neben-
sonnen auf dem Schnitt des 22"-Halo mit dem Horizontalkreis und
ausserdem auf dem Horizontalkreis noch zwei Gegensonnen. Am
10. Februar war der obere Berührungsbogen an den 22''-Halo deut-
lich mit Rot gegen die Sonne, also nach aussen. Am 9. hatten sich
die beiden Aste des Berührungsbogens wieder zu den sonderbaren
Hörnern abwärts gekrümmt. Der grosse Halo war senkrecht über
der Sonne in einem Viertelsbogen mit Rot nach innen gut entwickelt
und er wurde berührt von einem Zirkumzenitalbogen mit Rot nach
aussen, also Rot stets auf der der Sonne zugekehrten Seite der sämt-
lichen Bögen.
Von Oberhelfenswil bei Bischofszell sendet Herr F. Schmid an
die meteorologische Zentralanstalt (Dil-, M.) eine Skfzze, nach welcher
er die Nebensonnen, den kleinen und den grossen Halo fast voll-
ständig gesehen hat, ausserdem Zirkumzenitalbogenstücke, das eine
an den kleinen, das andere an den grossen Halo tangierend. Von
den Nebensonnen aus gmgen Horizontalschweife nach aussen — blosse
verlaufende Stücke des Horizontalkreises, der selbst, wie es scheint,
nicht durchgehend bemerkbar war.
Gehen wir in die Gegend des Rigi:
Herr Dr. H. Escher, Stadtbibliothekar in Zürich, sah vom Ageri-
see von 10 V-2 Uhr an den weissen Horizontalkreis und den 22 °-Halo.
Senkrecht über der Sonne stand im 22 "-Halo eine weitere Nebensonne,
da wo „nicht sowohl ein Kreissegment als vielmehr eine jochförmig
geschwungene gewellte Linie tangierte". Das sind wieder die Hörner I
Ausserdem sahen Herr Dr. Escher und seine Genossen die beiden
gewöhnlichen Nebensonnen und ausserhalb zwei gegen die Sonne
konvexe, den 22"- Halo in den Nebensonnen tangierende, farbige
Bogenstücke von annähernd gleichem Radius wie der 22 "-Halo.
Sehr Viele haben am 10. Februar vom Rigi aus das Phänomen
gesehen. Herr Dr. Paul Mähly berichtet darüber an Herrn Professor
■) Vom 9.11. berichtet die ,Nature* aus England: „An aurora was observed
in most parts of Ihe united kiiigdorn".
238 Albert Heim.
Riggenbach. Die Nebensonnen am etwas verschleierten Himmel
waren fast so hell wie die Sonne selbst. Herr Dr. Mähly sah morgens
972 Uhr den weisslichen Horizontalkreis; er war zu dieser Zeit einzig
zwischen den Nebensonnen unterbrochen. An den farbigen 22"-Halo
tangierten in den Nebensonnen farbige Bogenstücke, deren Mittel-
punkte ausserhalb der Nebensonnen lagen (ganz wie Dr. Escher es
gesehen hatte). Senkrecht über der Sonne schwacher, fast farbloser
äusserer Berühruugsbogen, dann ein Stück vom grossen Halo und
daran tangierend ein Zirkumzenitaler farbiger Ring. Im Gegensatz
zu Herrn Kurz und anderen , notiert Dr. Mähly beim grossen Halo
Blau nach innen, beim zirkumzenitalen auch Blau nach innen, das
Gelb beider in der Tangentialregion sehr stark.
Nach den Mitteilungen aller anderen Beobachter über die Farb-
folge könnte man für die sämtlichen farbigen Stellen des komplexen
Phänomens, für Halos- und zirkumzenitale Ringe das Gesetz aus-
sprechen: Rot gegen die Sonne, Blau und Violett gegen den Zenit —
oder mit anderen Worten : die zirkumsolaren Ringe Rot an der Innen-
seite, die zirkumzenitalen Rot an der Aussenseite. Einzig die Notiz
von Herrn Dr. Mähly ist widersprechend. Ob sie nicht auf einem
Erinnerungsfehler beruhen könnte?
Später, nachmittags 12V2Uhr, wird die Erscheinung, vom Rigi
gesehen, etwas anders. Der weisse Horizontalkreis ist lückenlos aus-
gebildet und, was sehr selten ist, er ist auch zwischen den Neben-
sonnen und bis an die Sonne sichtbar. Die äusseren Tangential-
bögen an den Nebensonnen sind verschwunden, dafür erscheint ein
elliptisch den 22°-Halo umfassender Bogen, so dass die Nebensonnen
in zwei mondsichelförmigen farbigen Lichtfeldern stehen, deren Innern
und äussern Rand Dr. Mähly als blau notiert hat — der Kern war
wohl rot? Statt dem oberen Beiührungskreis erscheinen nun die
Hörner, den 22 ''-Halo eindrückend, und dort darüber ein blaues Feld:
„Besonders prägnant war hier ein intensiv farbiger, schlangenförmig
gewundener Regenbogen an der Stelle, wo man am Morgen nur ganz
schwach einen tangierenden Bogen sehen konnte. Über dem Schlangen-
bogen erschien ein grösserer schwach farbiger Bogen und der Zwischen-
raum zwischen den beiden war intensiv blau gefärbt."
Herr Prof. Dr. Riggenbach selbst sah noch von Liestal aus die
östliche Nebensonne, allein den 22*'-Halo nur undeutlich ausgebildet,
und den Horizontalkreis nicht mehr.
Herr Hauser, Chemiker in Wädenswil, sah vom Wädenswiler
Berg aus die beiden Nebensonnen mit ausserhalb anliegendem, kurzem,
farbigem Bogenstück — Bruchteile des 22**-Halo. Sehr gut aus-
gebildet waren oberhalb jeder Nebensonne farbige Bogenstücke von
Nebensonnen und Ringe,
239
Ringen um die Nebensonnen als Centra (den Hörnern entsprechend).
Senkrecht über der Sonne, da wo diese beiden Bogenstücke gegen-
einander traten, war ein horizontal gestreckter heller Fleck. Der-
selbe entspricht dem Zwischenstück der Hörner oder der oberen
Nebensonne. Über dem Ganzen wölbte sich ein Stück des grossen
Halo mit der Sonne als Zentrum. Das Rot war überall gegen die
Sonne. Den weissen Horizontalkreis oder farbige Zirkumzenitalkreise
sah Herr Hauser nicht.
I^ord.
Süd.
Fig. 1. Sc/iema der sämtUehen am 10. Fehruai- beobachteten ErHcJieinungen.
h = Berghorizont.
S :^ Sonne.
Z = Zenit.
N, = erste Nebensonnen.
N„ = zweite Nebensonnen.
G ^=: Gegensonne.
w = weisser Horizontalring.
f = farbige Bogen,
r = deren rote Seite,
b -- deren blaue Seite.
46"H -^ Halo von dO" Radius.
2i20H = Halo von i2Ü« Radius.
Z, --^ kleiner oberer zirkumzenitaler
Bogen.
Z„ = grösserer zirkumzenitaler Bogen,
sog. „oberer Berührungsbogen".
H = mathematischer Horizont.
Die Erscheinung vom 10. Februar war also mit geringen Modi-
fikationen gleichzeitig über der ganzen Nordostschweiz sichtbar. Wir
haben Berichte von Einsiedeln, Rigi, Agerisee, Wädenswilerberg,
Bachtel-Kreuzegg-Gebiet, Ricken, Trogen, bis gegen Bischofszell. Die
tieferen, zwischenliegenden Stellen konnten keine Beobachtungen
liefern, weil sie unter Nebelmeer lagen. Dagegen wurden im Nebel-
freien Juragebiete noch die letzten Ausläufer gesehen. Der Eis-
240
Albert Heim.
wolkeusclileier lag in 2000 bis 4000 m Meerhöhe und war von grosser
Ausdehnung und die Luft war in der Höhe ziemlich ruhig. Jeder
Beobachter sah sich selbst senkrecht unter dem Mittelpunkt des
Horizontalkreises. Die Modifikationen in der Erscheinung hängen
offenbar ab vom Standpunkte des Beobachters im Verhältnis zu der
nach Dichte und Ordnung etwas ungleichförmigen Ausbildung der
über ihm stehenden Eisnadelwolke, und von dem Zeitpunkt der Be-
obachtung, indem davon die Sonnenhöhe wechselte (10 Uhr morgens
bis 5 Uhr abends).
f^ord
'Süd
Fig. 2. Schetna der vorherrschenden am 10. Februar heohachteteu Erscheinungen.
h — Berghorizont.
S =: Sonne.
Z = Zenit.
N, = erste Nebensonnen.
N„ := zweite Nebensonnen.
G ■-= Gegensonne.
w = weisser Horizontalring.
f — farbige Bogen,
r =:= deren rote Seite.
b = deren blaue Seite.
4(3''H = Kalo von 4(3» Radius.
22"H = Kalo von 22» Radius.
Z, = kleiner oberer zirkumzenitaler
Bogen.
Z„ = grösserer zirkumzenitaler Bogen,
sog. „oberer Berührungsbogen".
H == mathematischer Horizont.
Die Erscheinung der Nebensonnen ist indessen nicht so selten.
Herr Hauser (Wädenswil) sah sie schöner als am 10. H. 1907 anfangs
März 1905 vom Albis aus. Ein Herr R. berichtete in der Neuen
Zürcher Zeitung über Nebensonnen, die er am 17. März 1901 morgens
7 bis 9 Uhr in Gossau (Kt. Zürich) beobachtet hat. Er sah damals
Nebensonnen und Ringe. 241
den 22"-Halo mit Rot nach innen, den 46"-Halo konzentrisch dazu,
den weissen Horizontalkreis durch die Sonne. Etwas ausserhalb der
Schnittpunkte des 22"-Halo mit dem Horizontalkreis sah er die Neben-
sonnen mit Rot nach innen, und im oberen Scheitel eine obere Neben-
sonne mit anhängendem Berührungsbogen, und endlich einen oberen
zirkumzenitalen Kreis.
Am 14. März 1906 scheint die Erscheinung in weiter Verbreitung
ähnlich wie am 10. Februar 1907 beobachtet worden zu sein. Herr
Direktor Maurer übergab mir bezügliche Berichte:
Von Zürich 8 bis 9 Uhr vormittags von J. Mettler gesehen.
Dieser Beobachter sah Nebensonnen, ein Stück des grossen Halo und
zwei zirkumzenitale Bogen, letztere den kleinen und grossen Halo
tangierend.
Von St. Gallen. Dort sah Herr E. Germann den 22*'-Halo fast
vollständig, den weissen Horizontalkreis durchgehend durch die Sonne,
den grossen Halo als oberen Halbkreis, und ebenfalls zwei zirkum-
zenitale farbige Kreise, deren grösserer den kleineren Halo, der
kleinere den grösseren Halo tangierte. An Stelle der Hörner war
noch ein flacher Zwischenstreifen. Herr Germann notiert an allen
Bogenstücken mit Ausnahme des Horizontalkreises Farben, und zwar
stets Rot gegen die Sonne, das ist bei den Halo nach innen, bei den
zirkumzenitalen Kreisen nach aussen.
Herr F. Schmid in Oberhelfenschwyl (Kt. St. Gallen) sah auch
das Phänomen vom 14. März 1906 von 9 74 bis 9 V2 Uhr. Er sah die
beiden Nebensonnen, den grossen Halo und die beiden Zirkumzenital-
bogen.
Fig. 1 ist ein Schema, zusammengestellt aus allen von den ver-
schiedenen Beobachtern am 10. Februar gesehenen Erscheinungen.
Fig. 2 dagegen zeigt nur den Teil im Stadium der „Hörner", den
fast alle in gleicher Weise als die reduzierte Erscheinung oder als
den intensivsten Teil derselben notiert haben. In der letzteren Figur
sind die Lichtbogen bloss mit dickem Strich und in beiden Figuren
die Sonnen mit schwarzem Fleck bezeichnet.
Aus den hier zusammengestellten Notizen ergibt sich für künftige
Beobachter besonders die Aufgabe: Wiukelmessungen der Radien der
verschiedenen zirkumzenitalen Kreise in Zusammenhang mit der
Sonnenhöhe (Zeit). Es scheint, dass die Radien der zirkumzenitalen
Kreise wie derjenige des Horizontalkreises mit der Sonnenhöhe wechseln,
während die Radien der Halo (zirkumsolaren Kreise) konstant sind.
Ferner ist genau die Farbfolge aller verschiedenen Kreise zu notieren,
besonders beim grossen Halo. Über manches kann ferner die an-
dauernde Beobachtung der Veränderungen der Erscheinung im
Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. 16
2*^ Albert Heim.
Laufe der Zeit von einer Stelle aus betrachtet unter genauer Notiz-
nahme der gleichzeitigen Veränderungen im Eiswolkenschleier und
der Sonnenhöhe uns aufklären.
Es führt dies letztere vielleicht zu einer Art Genese der ver-
schiedenen Teile der sehr zusammengesetzten Naturerscheinung und
dadurch zu einer Aufklärung über manches, das jetzt noch nicht
vollständig aufgeklärt ist.
Zur Theorie der Tettarionenideale.
Von
L. Gustav du Pasquier.
In vorliegender Arbeit wird die Allgemeingültigkeit des folgen-
den zahlentheoretisch wichtigen Satzes nachgewiesen:
Jedes aus rationalen ganzen fi-Tettarionen gebildete reclitsseitige Ideal
ist Hauptideal ^).
Unter „ ganzen Tettarionen " werden solche verstanden, deren
sämtliche Komponenten rationale ganze Zahlen sind. Da in diesen
Zeilen ausschliesslich von ganzen Tettarionen die Rede sein wird,
wollen wir diesen Zusatz unterdrücken, und „Tettarion" schlecht weg-
soll hier immer ein solches bezeichnen, dessen Komponenten rationale
ganze Zahlen sind. — Nachdem diese Vereinbarung getroffen, schreiten
wir zunächst zum Beweise folgenden Hilfssatzes: Jedes rechtsseitige
Tettarionenideal besitzt eine endliche Basis.
Um dies einzusehen, genügt es bekanntlich, die linksseitig redu-
zierten Tettarionen des Ideals zu betrachten, d. h. diejenigen, bei
welchen sämtliche Komponenten unterhalb der Hauptdiagonale ver-
schwinden. Es bedeute nun q das vorgelegte Ideal und
«11, »12, «13
0, «22, «23
0, 0, «33
0, 0, 0
ein aus o beliebig herausgegriffenes linksseitig reduziertes jtf -Tettarion,
Existieren unter diesen linksseitig reduzierten ju-Tettarionen aus a
solche, bei welchen die erste Komponente «n ={= 0, so bedeute a eines
derjenigen unter ihnen, für welches diese erste Komponente «n positiv
• • • «1,^
• • . «2,//
. . . «3,A
• • . «/<,,M
') Für diesbezügliche Definitionen und Sätze vergl. meine „Zahlenlheorie der
Tettarionen" in der , Viertel jahrsschrift der Naturf. Gesellscli. Zürich". Jahrg. .51. 1906.
244
L. Gustav Du Pasquier.
und möglichst klein, aber doch nicht Null ist. Nach dieser Annahme
kann dann niemals 0 < j ctn \ < «n sein, sondern es ist entweder
(iii =: 0, oder j an \ ^ «ii- — Man erkennt jetzt, dass alle ersten
Komponenten ein der linksseitig reduzierten ji<-Tettarionen aus q Viel-
fache von «11 sind. Die Zahlen 0, 1, 2, .... «n — 1 bilden nämlich
ein vollständiges Restsystem mod «n ; folglich existiert eine rationale
ganze Zahl /v der Art, dass
0 < an — k • an < an-
Da aber zugleich mit a und a auch a — k • a im Ideale Q auf-
tritt, muss, wegen der über a getroffenen Annahme, an = k • «n sein.
— Jedem linksseitig reduzierten ^^-Tettarion a aus a lässt sich dem-
nach eine ganze Zahl k der Art zuordnen, dass die erste Komponente
von r = a — k • a verschwindet. — Ein beliebig aus a herausgegriffenes
it<-Tettarion z kann somit in die Gestalt
(1)
,(1)
r-^-e-k- a = r'" -^ k''' ■ a = k
,(1)
.(1)
gebracht werden, wobei s ein geeignet gewähltes Einheitstettarion
vorstellt, und >*'^ höchstens (f.i — 1) -kolonnig ist. k^^^ und r^^^ sind
von 5 abhängig, Viiriieren zugleich mit z, während a als konstant,
als durch das vorgelegte Ideal a gegeben, betrachtet werden kann.
Alle Tettarionen r sind in a enthalten, und man überzeugt
sich leicht, dass ihre Gesamtheit wieder ein rechtsseitiges Ideal r
bildet, welches höchstens {f.i — 1) -kolonnig ist. — Auf dieses lässt
sich dieselbe Schlussweise anwenden: jedes Tettarion r' ' aus r hat
die Gestalt: /^^ = €^^^ • h, wo e^^' ein geeignetes Einheits-|tftettarion
vorstellt und h ein linksseitig reduziertes von der Form :
0,
bi2,
^^13,
hu . .
• • ^1,/'
0,
0,
&23,
hi . .'
. . h,f<
0,
0,
0,
634 . .
■ • h,f,
0,
0,
0,
0 . .
• . bf<-i,iu
0,
0,
0,
0 . .
. . 0
Enthält nun r solche linksseitig reduzierten Tettarionen h, bei welchen
^12 H= 0, so existiert unter ihnen, aus ähnlichen Gründen wie oben,
ein gewisses Tettarion ß und rationale ganze Zahlen l, so beschaffen,
dass &12 — / • j5i2 = 0 wird, dass somit in h — / • /? = s, also auch
= l^^^ • /? + s die sivei ersten Kolonnen
m £
(1)
'D
b =£-^^ß-|_
,w
(1)
.w
/(i)
aus lauter Nullen bestehen, d. h. dass s ^= r — l ■ ß höchstens
{fi — 2) -kolonnig wird. Die Gesamtheit der Tettarionen s^^ bildet
Zur Theorie der Tettarionenideale. 245
wieder ein rechtsseitiges Ideal §, das höchstens (/./ — 2) -kolonnig ist,
und auf welches man dieselbe Schlussweise anwenden kann, u. s. w.
Durch diese Kette von Schlüssen gelangt man nacheinander zu fol-
genden Gleichungen :
.(1) 7(1) O I „(1)
Die Tettarionen k^^\ l^^\ ;^/^* .... 7>^^^ variieren mit z, während
a, ß, y . . . . L nur von der Natur des vorgelegten Ideals a, aber nicht
vom speziellen, aus q herausgehobenen z abhängig sind. — Da ferner
a höchstens |i<kolonnig ist, ß höchstens (,« — ■ 1) -kolonnig, y höchstens
(,a — 2) -kolonnig, u. s. f., so kommt man, nach einer endlichen Anzahl
von Operationen, auf ein einkolonniges Tettarion L und damit auf
eine letzte Gleichung. Jedes Tettarion z des vorgelegten Ideals q ist
somit in der Form
darstellbar, mit andern Worten : Aus dem Ideale a kann man Tetta-
rionen a, /?, j' . . . . C in endlicher Anzahl so auswählen, dass jedes
Tettarion z aus a sich als lineare homogene Funktion derselben dar-
stellen lässt. Dies ist aber gleichbedeutend mit der Aussage: das
Ideal Q besitzt die endliche Basis [a, /?,/.. . l\.
Aus obigem Beweise geht hervor, dass die Glieder a^ ß, y . . .
der Basis so gewählt werden können, dass ihre Anzahl höchstens ^
beträgt. Wir wollen jetzt weiter zeigen, dass diese Anzahl sich immer
auf 1 reduzieren lässt:
Angenommen, es sei dies für jede «-gliedrige Basis bereits fest-
gestellt {h > 1) ; dann würde es auch für jede (//. + 1) -gliedrige
Basis gelten ; denn das aus irgend einer y^-gliedrigen Basis [a, /?,... c]
erzeugte rechtsseitige Tettarionenideal enthält den Inbegriff der Tet-
tarionen
(/ ' • a -\- ff • ß -] \- g • Q,
welche entstehen, wenn g , ^ "* . . . . (j unabhängig von einander
die Gesamtheit der ganzen Tettarionen durchlaufen. Nach Voraus-
setzung wäre dieses Ideal mit einem rechtsseitigen Hauptideale [g • ;x]
identisch, d. h. die ><-gliedrige Basis [a, ß . . . l] liesse sich durch
eine eingliedrige Basis [x] ersetzen. Jede {n -h 1) -gliedrige Basis
246
L. Gustav Du Pasquier.
[a, ß . . . C, jy] könnte man also durch eine zweigliedrige [cc, ?yj, und
diese wieder durch eine eingliedrige [y] ersetzen. Es genügt somit,
nachzuweisen, dass jedes aus irgend zwei ganzen ^tt-Tettarionen a und h
erzeugte rechtsseitige Ideal immer Hauptideal ist. — Dieser Nach-
weis ist für den Fall, dass mindestens eines der beiden ;i<-Tettarionen
a und b eine nicht verschwindende Norm hat, bereits geliefert '). Es
bleibt nur noch der Fall zu erledigen übrig, in welchem a und h
beide Nullteiler sind.
Bekanntlich ist immer a — e^^^ - a • e^^*, h = e^^^ • ß • £^^\ wobei
die vier e*'^^ (l = 1, 2, 3, 4) passend gewählte Einheits-^ttettarionen
vorstellen, während a und ß Diagonal -^/tettarionen sind. Die Basis
[a, &] darf man dann durch [a • e \ ß ■ s^^^] ersetzen, denn linksseitig
assoziierte Tettarionen erzeugen dasselbe rechtsseitige Ideal. Da es
sich ferner nur darum handelt, zu entscheiden, ob das Ideal
[ß
(1)
,(2)
+ y"-/i-e'1 = [?
(1)
y
,(1)
(1)
a • e
_(2)
(2)
-(2)
■ß]
M)
Hauptideal ist oder nicht, hat man nur nötig, das Ideal [g • a -\- g"^ • ß\
zu untersuchen. Aus dieser Überlegung geht hervor, dass es nicht
eine Einschränkung der Allgemeinheit bedeutet, wenn man voraus-
setzt, eines der beiden erzeugenden Tettarionen ist Diagonaltettarion.
— Demnach sei [«, &] die Basis unseres Ideals, wobei h ein Diagonal-
tettarion vorstellt. Bedeutet a seinen Rang (vergl. „Zahlentheorie
der Tettarionen" § 8), so besitzt es genau ö nicht verschwindende
Komponenten, und von diesen dürfen wir voraussetzen, dass sie die
o letzten Stellen der Hauptdiagonale einnehmen, da wir eventuell ß
durch y'' ' ß • y" ersetzen können, wo r und s passend gewählte Ex-
ponenten sind, während y das früher definierte Einheitstettaiion vor-
stellt, welches, als Faktor gesetzt, eine cyklische Vertauschung der
Kolonnen, bezw. der Zeilen, hervorbringt (v. 1. c. § 8, 1). Ohne Ein-
schränkune,' der Allgemeinheit darf somit aesetzt werden:
0 .
. 0
0 .
. .0 . . .
. 0
0 .
... \. .
. 0
0 .
... b,.
. 0
0 . .
wo &;. >0 {1= 1, 2,
o).
*) Vergl. meine „Zahlentheorie der Tettarionen" § 11, 6. Vierteljalirsschrift der
Naturf. Gesellschaft Zürich. 'Jahrgang 51. 1906.
Zur Theorie der Tettarionenideale.
247
Bedeutet q den Rang von a, so ist a einem linksseitig reduzierten
i<-Tettarion äquivalent, bei welchem die q ersten Hauptdiagonal-
komponenten positiv sind, während alle andern Diagonalkomponenten
verschwinden. AVir dürfen also setzen:
«11, ai2, «13
0, «22» 0^23
0, 0, «33
0, 0, 0
0, 0, 0
0, 0, 0
«l,i)
«2, (>
^3, /«
«-
O, (J
a.
Q,fl
0, 0
0, 0,
0
wobei die (/li — q) letzten Zeilen lauter Nullen enthalten, cix, a > 0 ist
(A ^ 1, 2, .... o), unterhalb der Hauptdiagonale nur Nullen stehen,
oberhalb derselben, in den q ersten Zeilen, beliebige ganze Zahlen.
Jetzt sind zwei Fälle zu unterscheiden:
I. Fall: Q + o > fi. Unser Ideal enthält, zugleich mit a und b, auch
die Summe 'a -{- b — s. Dieses x hat aber, wegen der getroffenen
Annahmen, eine von Null verschiedene Norm (dieselbe ist nämlich
gleich dem Produkte der f.i Diagonalkomponenten von .s); infolge-
dessen ist das betreffende Ideal sicher Hauptideal, denn es besteht
dann nicht ausschliesslich aus Nullteilern.
IL Fall: q -\- 6 < /a. Damit das aus a und b erzeugte rechtsseitige
Ideal Hauptideal sei, ist notwendig und hinreichend, dass 5 Tetta-
rionen : j:, a, ß, f, g, von solcher Beschaffenheit existieren, dass
gleichzeitig a • x = a (1)
ß ' x = b (2)
f-a-^(j-b = x, (3)
Dann enthalten nämlich die beiden rechtsseitigen Ideale: \_g^^ -a -f- g - b]
einerseits, [jg • x\ andererseits, genau dieselben Tettarionen, sind also
identisch. — In unserm Falle setze man :
A = l
1,0. ...
0, 1, 0 0
0, 0, 1, 0 0
0
9
0 . .
1 . .
. 0
0 . .
. 0.
. 0
0 . .
. 0
ß =2 e<^-'^>
A = /< — ö + 1
248 L. Gustav Du Pasquier.
In a sind nur die q ersten, in ß nur die ö letzten Diagonalkompo-
nenten jeweilen gleich 1, während alle übrigen Komponenten sämt-
lich verschwinden. Man übersieht, dass dann tatsächlich die obigen
Gleichungen (1), (2) und (3) bestehen.
Mithin ist jedes rechtsseitige Ideal mit zweigliedriger Basis
Hauptideal, also auch ein solches mit endlicher Basis, somit über-
haupt jedes rechtsseitige Ideal, infolge des oben bewiesenen Hilfssatzes.
Der entsprechende Fundamentalsatz gilt für linksseitige Tetta-
rionenideale.
Zur Absorption der Röntgenstrahlen.
Von
H. ZUPPINGER.
Die Durchlässigkeit der Stoffe für Röntgenstrahlen ist der Gegen-
stand einer Reihe von Untersuchungen und Publikationen gewesen.
Zum Teil war die Bestimmung der Durchlässigkeit wissenschaftlicher
Selbstzweck, wie bei v. Röntgen selbst, dann bei Benoist; andere
zeigten ihren Einfluss auf die Bildqualität; Perthes^) studierte die
Durchlässigkeit tierischer Gewebe zum Zwecke, die therapeutische
Tiefenwirkung wissenschaftlich zu begründen. Von allen Autoren
wurde bisher als Mass der Durchlässigkeit benützt der Quotient
zwischen der durch Absorption verminderten und der unverminderten
Strahlenmenge, der noch mit der Dicke der durchstrahlten Stoff-
schicht zu verbinden war. Schon v. Röntgen hat gefunden, dass die
Durchlässigkeit ebenso wohl durch Eigenschaften des Stoffes (Dichte)
als der Strahlen (Härte) bestimmt wird.
Der Begriff und die Bemessung der Durchlässigkeit ergibt sich
unmittelbar aus den Untersuchungsmethoden, d. h. aus den beob-
achteten Strahlungsintensitäten. Der Teil der Strahlung, der bei
der Durchstrahlung absorbiert wird, wird nicht direkt bestimmt, ist
aber durch Subtraktion leicht zu finden, und es erzeugt sich so auch
der Begriff des Absorptionsvermögens. Ist nämlich in einer bestimmten
Entfernung vom strahlenden Punkte die Intensität der Strahlung
gleich J, und es sinkt durch Zwischenschaltung einer absorbierenden
Schicht die Intensität an der nämlichen Stelle auf i, so ist -j die
Durchlässigkeit eben dieser zwischengeschalteten Schicht von be-
stimmter Dicke und aus dem gegebenen Material und zwar für die
') Fortschrilte, Rötilgenstrahlen VIII, 1.
Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. 17
250 H. Zuppinger.
verwendete Strahlenqualität. Für diese nämliche Schicht und die
nämliche Strahlenqualität ist in gleicher Weise —j- oder 1 j das
Absorptionsvermögen. Durchlässigkeit und Absorptionsvermögen sind
komplementäre Grössen, die sich zur Einheit ergänzen.
Bereits v. Röntgen hat die Durchlässigkeit der Stoffe auf ver-
schiedene Arten bestimmt und ausgedrückt. Es ist einerseits mög-
lich, die Durchlässigkeit als eine abstrakte Zahl zu erhalten, und
das ist ohne Zweifel am ehesten anzustreben. Der Weg zu diesem
Ziele ist aber auch der mühsamste, und er wird deshalb nur zur
Schaffung einer Grundlage beschritten werden. Andrerseits kann
auch die Durchlässigkeit eines Körpers mit derjenigen eines zweiten
Körpers verglichen, mit derselben gemessen werden ; es resultieren
so Relativzahlen, ähnlich den spezifischen Gewichten, während die
abstrakten Masszahlen ihr Analogen in den Brechungsexponenten
finden. Sobald übrigens für einen Körper die absolute Durchlässig-
keit bekannt ist, können die Durchlässigkeiten der andern Körper
ebenfalls in absolute Zahlen umgerechnet werden.
Es konnte natürlich nicht genügen, die absolute oder relative
Durchlässigkeit eines Körpers aus gegebenem Stoffe und von gegebener
Dicke zu kennen ; es musste weiter der Zusammenhang zwischen
Dicke und Durchlässigkeit aufgesucht werden. Diese Aufgabe ist in
gewissem Sinne und mit sehr bemerkenswertem Resultat durch
v. Röntgen behandelt worden. Es entstand so der Begriff der äqui-
valenten Dicke, der besonders von Benoist gepflegt worden ist. Diese
Art der Behandlung, die den Vorteil einer einfachem Versuchs-
anordnung gewährt, entspricht einer Umkehrung der frühern Frage-
stellung, und liefert direkt vergleichbare Zahlen. Dass so nur re-
lative Zahlen gewonnen werden konnten, ist selbstverständlich. Die
Relation zwischen Schichtdicke und Durchlässigkeit kann aber auf
diese Weise nicht gefunden werden ; dazu gehören Durchlässigkeits-
bestimraungen am nämlichen Stoff bei verschiedenen Dicken. In
dieser Weise ist schon v. Röntgen vorgegangen, später auch Perthes.
Bisher sind, so viel ich sehe, die Ergebnisse dieser Untersuchungs-
art einfach registriert worden, und zwar als absolute Durchlässigkeiten.
Die rechnerische Bearbeitung zeigt nun, dass die Abhängigkeit
der Durchlässigkeit von der Dicke nicht ganz einfacher Natur ist,
und sie führt auf eine weitere Grösse, welche ihrem Wesen nach
Absorptionsindex oder -exponent heissen kann. Die Einführung dieses
Index scheint die Rechnung etwas mühsam zu machen ; das ist aber
doch nicht der Fall, und irgend ins Gewicht fallen könnte eine um-
ständliche Rechnung nicht, wenn dabei die Darstellung richtig ist
Zur Absorption der Röntgenstrahlen. 251
und umfassender wird. Der Absorptionsindex wird diesen Forderungen
entsprechen, wenn die Voraussetzung zutrifft, dass in dem durch-
strahlten Körper jeder Teil der Strahlung nur quantitativ, nicht aber
qualitativ sich ändere. Die Richtigkeit dieser Prämisse ist nicht er-
wiesen, wird aber hier in Analogie zur Absorption der strahlenden
Energie vorausgesetzt.
Bei der Aufsuchung der Absorptionsindices erheben sich die
gleichen Schwierigkeiten, wie bei allen Untersuchungen an Röntgen-
strahlen : die Sekundärstrahlen und das gleichzeitige Auftreten pri-
märer Strahlen von verschiedener Härte. Dadurch werden Störungen
bedingt, die sich nicht vollständig beseitigen, aber doch so klein
halten lassen, dass die gefundenen Werte praktisch verwendbar sind.
Durch die Sekundärstrahlen, welche in der durchstrahlten Schicht
entstehen, wird die Grösse i, die Intensität der austretenden Strahlung
zu gross, und dadurch fällt die Durchlässigkeit der Schicht zu hoch,
ihr Absorptionsvermögen zu niedrig aus. Die Mischung aus härtern
und weichern Strahlen, wie sie von der Röhre emittiert wird, erleidet
auf ihrem Weg durch eine absorbierende Schicht eine Änderung auch
ihrer Zusammensetzung; es tritt eine relative Zunahme der harten
Strahlen ein, weil die weicheren stärker absorbiert werden. Das
austretende Strahlengemisch ist deshalb von dem eintretenden nicht
nur nach Intensität, sondern auch nach Zusammensetzung verschieden,
und streng genommen können sie miteinander nicht gemessen werden.
Es wird aus diesem Grunde der Quotient -y ungenau sein. So lange
es nicht gelungen ist, die zusammengesetzte Strahlung in ihre Teile
zu zerlegen, muss man sich mit dieser Ungenaugigkeit zufrieden geben.
An beiden Schwierigkeiten ändert die Einführung eines Ab-
sorptionsindex gar nichts, derselbe wird vielmehr von denselben
gerade so afficiert wie die Durchlässigkeit; er wird aber trotzdem
sich nützlich erweisen, weil er die Möglichkeit gibt, die Relationen
der in Betracht kommenden Faktoren zu einer umfassenderen Dar-
stellung zu bringen.
Bei der medizinischen Verwendung der Röntgenstrahlen scheint
es nicht von merklicher Bedeutung zu sein, dass die Strahlen stets
gemischt sind. Es herrschen jeweilen Strahlen annähernd gleicher
Penetrationskraft so stark vor, dass man das Gemenge unter Um-
ständen als etwas Homogenes betrachten darf. In der Röntgenpraxis
ist es also statthaft, auf die strenge Genauigkeit zu verzichten und
sich mit Annäherungen zu behelfen. Aber gerade hier besteht ein
starkes Bedürfnis, die Durchlässigkeit der Untersuchungsobjekte für
die verschiedenen Strahlenhärten und ihre Relation zur Dicke zu
252 H. Zuppinger.
kennen. Eben diese Relation lässt sich nur unter Zuhilfenahme des
Absorptionsindex ausdrücken. Und unter Beobachtung der nötigen
Cautelen ist es auch möglich, praktisch brauchbare Indices aufzustellen.
Vor längerer Zeit habe ich mich daran gemacht, die Absorptions-
verhältnisse zu studieren. Die Grundformel, die im folgenden ab-
geleitet wird, ist, wie ich sehe,^) schon längst für die integrale Ab-
sorption gemischten Lichtes benützt worden. Ungünstige äussere
Verhältnisse haben mich verhindert, eine Reihe von Stoffen auf ihren
Absorptionsindex hin zu bearbeiten ; immerhin habe ich einige Be-
stimmungen ausgeführt, aus denen sich wenigstens die Brauchbarkeit
der Methoden und die Verwendbarkeit der gewonnenen Resultate zu
ergeben scheint. Ich hoffe, dass von anderer Seite diese Unter-
suchung mit bessern Mitteln aufgenommen werde.
L
Emittiert die Röntgenröhre ihre Strahlen in den leeren Raum,
so ist die Intensität der Strahlung an einem Punkte abhängig von
der Entfernung dieses Punktes von der Strahlenquelle. Die Intensität,
d. h. die Strahlenmenge, die in der Zeiteinheit auf ein zur Strahlen-
richtung senkrechtes Flächenstück vom Inhalt 1 fällt, ist umgekehrt
proportional dem Quadrate des Abstandes dieses Flächenstückes vom
strahlenden Pimkt.
Bedeutet r den Abstand von der Strahlenquelle,
J die Intensität im Abstand r,
Jo die Intensität im Abstand 1,
so ist J=^ = J^r-'- (1)
Aus der Gleichung ist unmittelbar ersichtlich, dass die Intensität
J erst bei unendlich grossem Wert von r gleich Null wird. Setzt
man für r zunehmende Zahlenwerte ein, so nimmt / oder auch das
Verhältnis -j- ab, aber diese Abnahme ist nicht proportional der Zu-
nähme von r. Folgende Tabelle veranschaulicht dieses Verhalten.
/' J Differenz
0,25 16 12.0
0,5 4 2 22
0,75 1,78 o,'78
1 1 0,75
2 0,25
3 0,11 0,14
Schmidt, piiysische und matli. Geographie. Göttingen 1829.
4
0,063
5
0,04
6
0,028
7
0,02
8
0,016
9
0,012
0
0,01
Zur Absorption der Röntgenstrahlen. 253
J Differenz
0,047
0,023
0,014
0,008
0,004
0,004
0,002
Nahe der Strahlenquelle nimmt also die Intensität rascher ab
als in grösserer Entfernung.
n.
Beim Durchgang durch ein Medium vermindert sich die Intensität
der Strahlen durch Absorption. Um den Einfluss der Absorption
gesondert untersuchen zu können, wird vorerst angenommen, es
handle sich um parallele Strahlen, d. h. es trete keine Intensitäts-
verminderung durch Ausbreitung ein. Es sei nun die Intensität der
in das Medium eintretenden Strahlen = J, in der Tiefe x bestehe
die Intensität i. Durchdringen nun in der Tiefe x die Strahlen eine
Schicht von der unendlich kleinen Dicke d x, so nimmt die Litensität
i ab um den unendlich kleinen Betrag d i. Da dx unendlich klein
ist, so ist ihm di proportional; sie sind aber entgegengesetzte Grössen,
weil dx eine Vergrösserung der Tiefe, di eine Verminderung (der
Intensität) bedeutet. Ferner ist di der Grösse i proportional, weil
die Intensität sich je um einen bestimmten Brachteil vermindert.
Endlich ist di proportional einem Faktor a, welcher durch die Eigen-
schaften des Mediums und durch die Qualität der Strahlen bestimmt
ist. Es besteht also die Beziehung
(2) di=^ — aidx oder
(3) -^ ^ — a dx.
Die Grösse a ist der Absorptionsindex, und die Formel sagt aus, dass
a das Mass für die relative Intensitätsabnahme -^ ist, welche parallele
Strahlen beim Passieren der unendlich dünnen Schicht erleiden.
Durch Integration kommt aus Gleichung (3)
Ig i = — ax-h C,
und weil für x = 0, d. h. an der Oberfläche des Mediums i = J, so
ist C = lg J. Es ist also
(4) lg i = lg J" — Di X oder auch
(5) i = J.e-«-.
^54
H. Zuppingei'.
Da X die Dicke der durchstrahlten Schicht bedeutet, wird es
künftig durch den Buchstaben Ö ersetzt werden; e ist die Basis der
natürlichen Logarithmen.
Aus der Gleichung (5) ist ersichtlich, dass die Strahlungsintensität
i im Sinne einer geometrischen Progression abnimmt, wenn die Dicke
ö nach einer arithmetischen Progression wächst. Ganz verschwindet
durch die Absorption die Strahlung nicht, bis die Dicke ö unendlich
gross ist.
Wird nach Gleichung (5) eine Tabelle angefertigt, so sieht man,
dass in den oberflächlichen Schichten die Intensität rascher abnimmt
als in den tiefern. Um auch den Einfluss von « zu zeigen, sind
dafür zwei Werte, nämlich 0,115 und 0,023 eingesetzt. Bei grösserem
a nimmt die Intensität rascher ab.
ö
i
8
/
a =^ a =:
a =
Ci =
in mm
0,115 0,023
in mm
0,115
0,02.3
0
1,000
1,000
10
0,316
0,794
1
0,891
0,977
20
0,100
0,631
2
0,794
0,955
30
0,032
0,501
3
0,708
0,933
40
0,010
0,398
4
0,631
0,912
50
0,003
0,316
5
0,562
0,891
60
0,001
0,251
6
0,501
0,871
70
—
0,200
7
0,447
0,851
80
—
0,159
8
0,398
0,832
90 ■
—
0,126
9
0,355
0,813
100
0,100
Bei gegebener Dicke der Schicht, Absorptionsvermögen des
Stoffes und Härte der Strahlen hat das Produkt ad einen bestimmten
Wert. Es ist aber d eine Masszahl, also abhängig von der ge-
wählten Masseinheit. Wird z. B. die Dicke von 5 cm in Millimeter
ausgedrückt, so ist ö = 50 ; wird als Einheit der Centimeter ge-
nommen, so ist ö = 5. Für Centimeter ist deshalb der Index zehn-
mal so gross als für Millimeter; allgemein ist der Absorptionsindex
der Grösse der Masseinheit direkt proportional. Darin besteht eine
grosse Bequemlichkeit für die Rechnung.
Schon daraus ergibt sich ohne weiteres, dass der Index keines-
wegs ein echter Bruch sein muss.
Zur Absorption der Röntgenstrahlen. 255
in.
Gehen parallele Strahlen von der Intensität J nacheinander durch
mehrere Medien von den Dicken d\, ö^ , d\^^ u. s. w. und von den Indices
«,, «„, «,,, , u. s. w., so ist die Intensität der austretenden Strahlen
denn beim Austritt aus dem ersten Medium ist die Intensität
Für den Eintritt in die zweite Schicht ist diese Intensität an die
Stelle von / zu setzen, und es kommt für die Strahlen, welche die
zweite Schicht verlassen
(5") i „ = J • er"' '^'-"■" '^^ u. s. w.
Die Reihenfolge der Schichten ist gänzlich ohne Einfluss.
IV.
Tatsächlich sind die Röntgenstrahlen nicht parallel, sondern sie
divergieren von einem Punkte der Antikathode aus. Gehen sie durch
ein Medium hindurch, so vermindert sich ihre Intensität ebenso wohl
vermöge der Ausbreitung als durch die Absorption. Der Zusammen-
hang beider Schwächungen kann folgendermassen gezeigt werden:
Ist im Abstand = 1 vom Focus die Strahlungsintensität ^ J,,,
so ist vermöge der Ausbreitung allein nach Gleichung (1) im Ab-
stand = ?• die Intensität J = J^ r~l Wird eine absorbierende Schicht
so eingeschaltet, dass die Strahlen im Abstände = r aus derselben
austreten , so entsteht eine zweite Verminderung der Intensität.
Genau die nämliche Verminderung könnte aber auch hervorgebracht
werden durch eine unendlich dünne Schicht mit entsprechend grossem
Absorptionsindex. Bedingung ist nur, dass die Exponenten beider
Schichten gleich gross sind; ob ein Medium mit genügend grossem
Index überhaupt existiert, ist vollkommen gleichgültig. Die Strahlung,
welche in diese unendlich dünne Schicht eindringt, hat, wie gesagt,
die Intensität /= ./q ''''^- ^^^- ^-us der Schicht austretenden Strahlen
sind nach Gleichung (5) von der Intensität
i = J-e~"'^ oder auch
(6) i=Jor-'e-'"'
Das ist die Grundgleichung für gleichzeitige Absorption und
Ausbreitung, mit andern Worten, für Strahlen, die von einem Punkte
ausgehen.
Bequemer für den Gebrauch kann die Gleichung auch geschrieben
werden
(7) lg i = lg -7o — 2 lg r — a ö oder
(8) log % .-- log Jo - 2 log y — 0,43429 • a d.
256 H. Zuppinger.
Durch diese Gleichung wird nicht die Intensität der aus einem
absorbierenden Medium austretenden Strahlen mit der Intensität der
eintretenden verglichen; sondern es gibt die Gleichung an, wie viel
Mal in gegebenem Abstand vom Focus die Intensität der Strahlen,
welche eine absorbierende Schicht passiert haben, kleiner ist, als sie
ohne solche absorptive Wirkung wäre. Der Abstand der absorbierenden
Schicht vom Focus ist selbstverständlich kleiner als r, im übrigen
aber ohne Einfluss. Sind statt einer Schicht ihrer mehrere mit ver-
schiedenen Dicken und Indices zu durchstrahlen, so ist der Exponent
von e zu erweitern wie in Gleichung (5^).
V.
Der Absorptionsindex u drückt keineswegs nur eine Eigenschaft
des Mediums aus, sondern vielmehr das Verhalten zweier Dinge
gegen einander. Der Index wird nicht weniger von der Penetrations-
kraft der Strahlen bestimmt, als von der Dichte des Stoffes. Der
Index eines Stoffes gilt deshalb nur für eine bestimmte Strahlen-
qualität, und diese ist jeweilen anzugeben. Es sind so nicht nur
die Indices der Stoffe für eine Strahlenart, sondern auch diejenigen
eines jeden Stoffes für verschiedene Strahlenarten experimentell zu
bestimmen.
Für harte Strahlen und leichte Medien ist a klein, für schwere
Medien und weiche Strahlen ist a gross. In welcher Weise Strahlen-
qualität und Dichte des Mediums zusammenwirken oder sich kompen-
sieren, wäre noch zu erforschen.
Wenn der Exponent — ad eine gegebene Grösse ist, so sind die
beiden Faktoren a und 8 einander umgekehrt proportional ; je grösser
also a, desto kleiner ist d und umgekehrt. Sind die relativen Ab-
sorptionen zweier Schichten aus verschiedenen Stoffen einander gleich,
so ist auch
g-a, 8, __ g-«„ <5„ woraus
(9) a, d, == a„ d„
d. h. für Schichten aus verschiedenen Stoffen, aber mit gleicher Ab-
sorption sind die Produkte aus Index und Dicke einander gleich,
oder es verhalten sich die Indices zweier solcher Schichten zu ein-
ander umgekehrt wie deren Dicken.
Daraus ergibt sich von selbst der Begriff der äquivalenten Dicken
der Stoffe. Mit diesem Begriffe hat bereits v. Röntgen gearbeitet.
Das Äquivalent der Durchlässigkeit, das Benoist') aufgestellt hat,
könnte mit einigem Rechte ebenfalls äquivalente Dicke genannt
') Comptes i-endus T. 132, 1.
Zur Absorption der Röntgenstrahlen. 257
werden; Benoist drückt aber sein Äquivalent in Dezigrammen aus,
und demgemäss ist es als äquivalente Masse aufzufassen. Es unter-
scheidet sich aber von der obigen äquivalenten Dicke ganz wesent-
lich: die Äquivalente der Durchlässigkeit nach Benoist sind ihren
Zahlen werten nach von einander verschieden, die Produkte aus
Dicke und Absorptionsindex aber sind für gleiche relative Absorption
immer gleich gross. Und doch ist das Äquivalent von Benoist eben-
falls ein Produkt aus Dicke mit einem Faktor, der Dichte des Stoffes.
Da aber die Dichte dem Absorptionsvermögen keineswegs proportional
ist, so kann die äquivalente Masse mit dem Exponenten —ad nicht
verglichen werden. Wenn die Ausführungen von Benoist richtig
sind, so würde man den Index a erhalten, wenigstens für die Ele-
mente, wenn die Dichte mit einer, übrigens unbekannten Funktion
des Atomgewichtes multipliziert wird. Ferner sind die Äquivalente
der Durchlässigkeit ihrem Wesen nach relative Grössen und geben
keinen Aufschluss über die Strahlungsabnahme innerhalb eines Körpers,
Der Absorptionsindex dagegen ist eine absolute Grösse, die äqui-
valente Dicke gestattet ein einfaches Arbeiten und wohl auch die
Lösung weiterer Fragen.
VI.
Die Gleichung (6), welche das Absorptionsgesetz der Röntgen-
strahlen ausdrücken soll, ist abgeleitet worden unter der Voraus-
setzung, dass beim Durchtritt durch ein Medium die Strahlen nur an
Intensität verlieren, ihre Qualität aber nicht ändern. Diese Annahme
scheint durch meine, allerdings nicht zahlreichen Untersuchungen
bestätigt zu werden. Der genauen experimentellen Prüfungen stehen
zwei Umstände hinderlich im Wege.
Das Absorptionsgesetz gilt nur für eine homogene Strahlung,
d. h. für Strahlen gleichen Durchdringungsvermögens. Es sendet
aber die Röntgenröhre immer ein Gemisch von verschieden harten
Strahlen aus, deren vollständige Trennung bisher nicht gelungen ist.
Schon V. Röntgen hat beobachtet, dass die X-Strahlen nach dem
Austritt aus einem absorbierenden Medium härter sind als beim Ein-
tritt in dasselbe. Er hat daraus geschlossen, dass die Strahlung eine
zusammengesetzte sei, unter der Annahme, eine einfache Strahlung
ändere bei Absorptionsvorgängen ihre Härte nicht. Es ist ja leicht
verständlich, dass von einem Gemisch aus weichen und harten Strahlen
ein absorbierender Körper mehr weiche Strahlen zurückhält, und
dass so eine Anreicherung an harten Strahlen entsteht. Das ist
denn auch der Vorgang, welcher dazu benützt werden kann, eine
Strahlung homogener zu machen, freilich unter Verlust an Gesamt-
258 H. Zuppinger.
Intensität. An Hand der obigen Gleichung ist diese Anreicherung
an harten Strahlen ersichtlich.
In seiner III. Mitteilung, 5. sagt v. Röntgen ^) :
„Wenn zwei Platten aus verschiedenen Körpern gleich durch-
lässig sind, so braucht diese Gleichheit nicht mehr zu bestehen, wenn
die Dicke dieser Platten in demselben Verhältnis und sonst nichts
geändert wird". Auch diese Tatsache hat ihren Grund darin, dass
die Strahlung eine zusammengesetzte ist. Hätte man es mit homo-
genen Strahlen zu tun, für welche die beiden Körper die Absorptions-
indices a und ß hätten, während die Plattendicken ö, und 8„ sind,
so ist nach Gleichung (6)
Werden nun beide Dicken mit dem beliebigen Faktor n multi-
pliziert, so kommt die weitere Gleichung
j.g-«"ö, ^ j.g-/y«<5„.
Für homogene Strahlen bliebe demnach die Gleichheit der Durch-
lässigkeit erhalten, auch wenn die Plattendicken in demselben Ver-
hältnis geändert werden.
Mit einem Strahlengemenge wird das Resultat ein anderes. Die
Komponenten mögen die Intensitäten a, b, c usw. haben, und die In-
dices des einen Körpers für die Komponenten seien a, , a„, a,,, usw.,
die des andern Körpers /i,, ß„, ß,,, etc. Dann ist bei gleicher Durch-
lässigkeit der Platten
Werden nun die Plattendicken mit n multipliziert, so kommt
die Ungleichheit
Für die Richtigkeit dieser Erklärung spricht die Beobachtung,
dass die Ungleichheit der Durchlässigkeit stark vermindert wird,
wenn durch Einschaltung eines absorbierenden Schirmes die Strahlung-
homogener gemacht worden ist.
VH.
Die Absorption vollzieht sich nicht in der Weise, dass ein Teil
der Röntgenstrahlung das Medium unverändert passiert, der übrige
Teil sich in eine andere Energieform, z. B. in Wärme umwandelt.
') Sitzungsber. der k. preussischen Akad. der Wissenschaften 1897.
Zur Absorption der Röntgenstrahlen. 259
Vielmehr erregen die Strahlen, die von der Antikathode ausgehen,
in dem Medium auch Strahlen, die von dessen Molekeln ausgehen.
Diese sekundären Strahlen sind zu dem absorbierten Teil zu rechnen,
insofern auf ihre Kosten die primären Strahlen an Intensität verloren
haben ; andrerseits erhöhen sie die nachweisbare Gesamtintensität
der aus dem Medium austretenden Strahlen. Für alle Untersuchungen
muss wegen dieser Unsicherheit danach gettachtet werden, die Se-
kundärstrahlen möglichst zu unterdrücken. Das kann geschehen
durch Arbeiten mit dünnen Schichten und durch Abblenden aller
unbenutzten Köhrenwand und der ganzen Umgebung des Objektes.
Eine gewisse Ungenauigkeit ist durch die Sekundärstrahlen immer
bedingt, das hat man sich gegenwärtig zu halten.
VIII.
Im folgenden habe ich mich ausschliesslich der radiographischen
Methode bedient, weil eine andere mir nicht zu Gebote stand.
Grundlage ist, dass, wenn zwei Stellen einer photographischen Platte
nach Bestrahlung mit der nämlichen Strahlenart und -intensität
gleiche Schwärzungen annehmen, die einwirkenden Strahlenmengen
gleich gross gewesen sind. Unter Strahlenmenge ist verstanden die
Intensität, multipliziert mit der Zeit t.
Bei allen vorzunehmenden Prüfungen haben die Röntgenstrahlen,
nachdem sie die Röhre verlassen, erst die atmosphärische Luft zu
durchsetzen, ehe sie zum Objekt oder zur photographischen Platte
gelangen. Es ist deshalb nötig, den Einfluss oder den Absorptions-
index der Luft festzustellen. Nach Gleichung (6) sollte das durch
zwei Bestrahlungen einer Photoplatte zu erreichen sein. Wird die
eine Plattenhälfte im Abstände r, während t, Sekunden der Strahlung
von bestimmter Intensität und Härte ausgesetzt, und ist R der Radius
der Röntgenröhre, so entsteht eine Schwärzung entsprechend dem
Ausdruck
J.rr'tre-"'-'-'''-
Auf der andern Plattenhälfte ist die gleiche Schwärzung hervor-
zurufen durch eine Exposition über die Zeit t„ beim Abstand r„
und sonst ungeänderten Bedingungen. Die Schwärzung entspricht
nun dem Ausdruck
welcher mit dem ersten gleichwertig ist. Wird zu den Logarithmen
übergegangen, so kommt
log t, — 2 log r, — 0,4343 (r, - R)a =
= log t„ — 2 log r„ — 0,4343 (r„ - R) cc.
260 H. Zuppinger.
Nach Vornahme der nötigen Kürzungen wird auf a reduziert,
und es ist schliesslich
2 log ^^ + log *-f-
" "" 0,4343 (y,, — /■,; "
Aus einer Reihe von Versuchen bei einer Stromstärke von fünf
Amperes und einem Röhrenwiderstand, der einer Funkenstrecke von
8 cm gleich war, ergaben sich gleiche Schwärzungen bei
r, = 705 mm t, = 30 sec
r„ = 1515 mm t„ = 150 sec.
Es waren also r„ — r, = 810 mm — ^= 0,465
' II
1=5,
Werden diese Werte eingesetzt, so ist
9,3350 + 0,6990 ^ Q^QQQQgg.
8 0,4343-810 —
Dieser Absorptionsindex der Luft gilt für eine Strahlenhärte,
die einer Funkenstrecke von 8 cm entspricht, und wenn der Milli-
meter die Masseinheit ist. Wenn also Röntgenstrahlen von der ge-
nannten Härte in der Luft sich fortpflanzen, so ist im Abstand r
vom Focus ihre Intensität
i = J f-^ . ^-0,000098 0- -S).
Die Abnahme der Intensität erfolgt schneller in der Luft als im
leeren Raum, weil g- ooooo^s r-- - b; jederzeit ein echter Bruch ist; dieser
Bruch wird kleiner mit wachsendem r.
Darnach ist bei einem Röhrendurchmesser von 20 cm und dem
Focalabstand die Intensität im Vacuum in der Luft
10 cm 1000 1000
20 „ 250 247,5
30 „ 111 109
40 „ 62,5 60,7
50 „ 40 38,5
60 „ 27,8 26,5
70 „ 20,5 19,25
80 „ 15,6 14,6
90 „ 12,4 11,5
100 „ 10 9,15
IX.
Zur Bestimmung der absoluten Indices fester oder flüssiger Stoff"e
kann die nämliche Gleichung (6) dienen ; es werden bei gleichem
Abstand der photographischen Platte zwei verschieden dicke Schichten
Zur Absorption der Röntgenstrahlen. 261
des zu prüfenden Stoffes bis zur gleichen Schwärzung durchstrahlt.
Die Luftschicht, welche zwischen dem Focus und dem Objekt sich
befindet, ist zwar bei beiden Bestrahlungen nicht genau gleich dick;
ist aber der Dickenunterschied nicht grösser als wenige Zentimeter,
so kann der Einfluss der Luft vernachlässigt werden.
Aus der Doppelaufnahme ergibt sich
t^.e-'''"' = t„ -e- '"''■■ oder
lg t, — ad, ^ lg t„ — aö„ woraus
1 '"
0,4343 {S„ — S,)
Für Glas (von photographischen Platten) war
d, = 6,5 mm t, = 60 sec
d„ = 9,75 mm . t„ = 120 sec
der Röhrenwiderstand = 8 cm Funkenstrecke.
Diese Werte eingesetzt, gibt
0,30103 _Q^213.
s 0,4343 • 3,25
In einem andern Versuch waren
d, = 3,25 mm t, = 30 sec
d„ = 8,125 mm t„ = 85 sec.
Daraus gleicherweise
«8 = 0,213
Für Wasser war bei Röhrenwiderstand = 4,5 cm Funkenstrecke
d, = 20 mm t, =132 sec
^„ ^ 10 mm t„ = 60 sec
daraus «^,-=0,077.
Bei längern Versuchsreihen mit dem nämlichen Stoff und gleicher
Röhrenhärte zeigt sich, dass die Differenz der Schichtdicken oder
auch diese selbst ohne Einfluss auf den Index sind, so lange die
Schichten nicht sehr dick oder sehr dünn genommen werden. Bei
sehr dicken Schichten wird der Index etwas kleiner, wahrscheinlich
durch reichlichere Sekundärstrahlen. Sind hingegen die Schichten
sehr dünn, oder gar die eine = 0, so fällt der Index grösser aus.
Die Ursache wird in den weichen Strahlen zu suchen sein, welche
die dünnen Schichten noch durchdringen, von dickern aber fast voll-
ständig zurückgehalten werden. Wenigstens hört diese Erscheinung
auf, wenn ein Schirm zwischen Röhre und Objekt eingeschaltet ist.
Meine bisherigen Untersuchungen lassen mich vermuten, dass
die oben abgeleitete Grundgleichung zutreffend ist, und dass mit
ihrer Hilfe trotz der Sekundärstrahlen und dem Auftreten weicherer
262 H. Zupi^inger.
Strahlen brauchbare Indices geliefert werden. Die Gleichung sowohl
als die Absorptionsindices scheinen mir eine Erleichterung für das
Verständnis und auch für die praktische Anwendung zu sein. Viel-
fache Nachprüfung ist allerdings geboten.
X.
Die Bestimmung eines absoluten Index ist immer eine mühsame
Arbeit. Wenn aber einmal einige absolute Indices festgestellt sind,
ermöglicht die Gleichung
a, d, =^- a„ d„
eine grosse Vereinfachung des Verfahrens. Es resultieren dann aller-
dings nur relative Werte, ihre Umrechnung in absolute Indices ist
aber höchst einfach.
Besitzt man von einem Stoffe mit bekanntem Index einen Keil
mit bekanntem Zuschärfungswinkel , so kann derselbe als Mess-
instrument dienen, und es ist dann je nur eine Aufnahme nötig.
Durch die Bestrahlung entsteht nämlich unter dem Keil ein Feld,
dessen Schwärzung von der Schneide gegen das Haupt hin allmählich
abnimmt. Bei entsprechenden Dimensionen des Keils und genügender
Exposition gelingt es leicht, eine Abstufung vom dunkeln Schwarz
bis zur Durchsichtigkeit zu gewinnen. Legt man neben den Keil
während der Bestrahlung den zu prüfenden Körper, der entweder
planparallel begrenzt oder ebenfalls keilförmig ist, so erhält man
ein zweites Feld, das an einer oder mehreren Stellen gleiche Schwärze
hat, wie sie auch im ersten Feld vorkommt. Das Auffinden und
Vergleichen der gleichen Tiefen ist nun sehr viel leichter, wenn die
fraglichen Stellen nebeneinander liegen. Das ist immer der Fall,
wenn der zu prüfende Körper eine planparallele Platte ist, oder,
wenn bei Keilform desselben je die Schneide des einen Keils neben
dem Haupt des andern liegt.
Für die beiden Stellen gleicher Schwärzung ist dann die Dicke
zu bestimmen. Die Dicken der beiden Stoffe verhalten sich um-
gekehrt wie die Absorptionsindices. Ist also der Index des einen
Stoffes gegeben, so resultiert sofort auch derjenige des andern ; sonst
aber erhält man nur das Verhältnis der beiden Indices.
Aus der Beobachtung v. Röntgens, dass bei Änderung der ab-
soluten Dicken auch die äquivalenten Dicken sich ändern, ergibt
sich die Notwendigkeit, bei dieser wie bei der vorigen Bestimmungs-
methode die Strahlen durch einen vorgeschalteten Schirm möglichst
homogen zu machen.
Zur Absorption der Röntgenstrahlen. 263
XL
Ebenso, wie die Indices verschiedener Stoffe für eine Strahlen-
qualität, ist nun weiter der Index eines Stoffes für die verschiedenen
Härten der Strahlen zu untersuchen. Ich selbst habe dazu keine
Zeit gefunden, hoffe aber, dass ein anderer diese Aufgabe übernehme.
Es wäre praktisch recht wichtig, über die Beziehung des Index zur
Härte wenigstens eine empirische Formel zu haben.
Bei dieser Gelegenheit könnte auch die Zuverlässigkeit der
parallel geschalteten Funkenstrecke, der Härteskalen und der durch-
leuchteten Hand einer Untersuchung unterzogen werden,
XIL
Aus der Gleichung
/ • J-2
t= - ^"■'
geht hervor, dass die Expositionszeit t direkt proportional ist der
Intensität der aus dem Medium austretenden Strahlen, dem Quadrate
des Fokalabstandes und der Potenz c"'\ umgekehrt proportional der
Strahlenintensität im Abstand 1 vom Focus. Einer Besprechung be-
darf nur die Abhängigkeit der Zeit t vom Index a und von der
Dicke d.
Es ist ohne weiteres ersichtlich, dass zwischen « und d einer-
seits, und t andrerseits eine Proportionalität nicht bestehen wird.
Nach der Formel wächst vielmehr t im Sinne einer geometrischen
Progression, wenn a oder ö in einer arithmetischen Progression zu-
nimmt. Bestätigt das Experiment dieses Gesetz, so darf auch die
Grundgleichung mit grosser Wahrscheinlichkeit als richtig angesehen
werden. Für zunehmendes a habe ich keine Bestimmungen gemacht,
für wachsendes ö bei Glas («g — 0,213) ergab Rechnung und Ex-
periment folgende Werte : ^)
6-
nach
t
Fol
i-rnel
gefunden
1
.1,625]
mm
15^gO,364)l
21,21 sec
20 sec
2
.1,625
I)
15(e«H'
30, „
30 „
3
.1,625
n
15 (e"'3")3
42,42 „
42 „
4
.1,625
!I
I5(g0,34«y
60,
60 „
5
.1,625
11
15 (eO'3iö)5
84,84 „
85 „
6
.1,625
H
15^gO,340^6
120, „
120 „
7
.1,625
n
15(gO,34Gy
169,65 „
170 .,
Die Übereinstimmung darf als eine ideale bezeichnet werden, nur
so lange ö kleiner als 2 mm, fällt t kleiner aus, als die Formel ver-
1) Es ist ganz zufällig e-o.au- 1,625 ^^-0,316 f.^g,^ ^^^^^^ ^ .2".
264 H. Zuppinger.
langt. Diese kleine Abweichung wird weichern Strahlen zuzuschreiben
sein, welche von so dünnen Schichten noch merklich durchgelassen
werden.
Nebenbei bemerkt, ist die obige Versuchsreihe für den Praktiker
sehr instruktiv. Eine Glasplatte von 1,625 mm Dicke macht, als
zweite aufgelegt, eine Expositionsverlängerung von 10 Sekunden, als
dritte aufgelegt, eine solche von 12 Sekunden. Weiter steigert sich
die Expositionszeit um 18, 25, 35, 50 Sekunden, wenn die gleiche
Glasplatte zu drei, vier, fünf, sechs hinzugefügt wird. Je dicker
also das Objekt bereits ist, einen um so grössern, verzögernden Ein-
fluss übt die gleiche Dickenvermehrung aus. Der Radiograph hat
deshalb viel eher Veranlassung, über die Tiefe dicker Körperteile
sich zu vergewissern als über diejenige dünner.
XIIL
Die photographische Platte kann auch dazu dienen, die Strahlungs-
intensitäten bei verschiedenen Belastungen einer Röhre miteinander
zu vergleichen. Für gleiche Schwärzung und im übrigen gleiche
Verhältnisse ist
J, t, = J„ t„ ,
d. h. die Intensitäten verhalten sich umgekehrt wie die Expositions-
zeiten. V. Röntgen sagt, die Intensität der Röntgenstrahlung sei
proportional der Stärke des primären Stromes; für die in praxi ver-
wendeten Stromstärken und für den Quecksilberunterbrecher kann
ich das bestätigen. Die Spannung im primären Stromkreis scheint
beim Quecksilberunterbrecher ohne Einfluss zu sein.
Für die zahlreichen Bestimmungen der Intensität oder Strahlen -
quantität, wie sie in der Radiotherapie nötig sind, eignet sich diese
Methode gleicher Schwärzungen einer Doppelaufnahme gar nicht.
Jede Bestimmung braucht eine Reihe solcher Doppelaufnahmen, die
dann noch zu entwickeln und fixieren sind.
XIV.
Da hier die photographische Schicht als Reagens benützt worden
ist, so kann es interessieren, zu wissen, wie gross die Strahlenmenge
ist, die bei einer Plattensorte, oder auch bei einer bestimmten
Strahlenqualität eben noch keine Schwärzung hervorzubringen vermag.
Wird ein keilförmiger Körper auf eine photographische Platte gelegt
und durchstrahlt, so müsste sich ein Feld ergeben, das an der Keil-
schneide am dunkelsten wäre und von hier nach der dicken Partie
hin an Helligkeit zunähme, ohne dass aber die vollständige Klarheit
Zur Absorption der Röntgenslralilen. 265
einer nicht exponierten Platte erreicht würde. Das ergibt sich aus
der Gleichung
in welcher ja e""''* niemals gleich Null werden kann.
Die Probe zeigt aber, dass bei nicht zu langer Exposition das
Feld in einem gewissen Abstand von der Keilschneide völlig klar
bleibt. Daraus muss geschlossen werden, dass eine Strahlenmenge,
die unter einem bestimmten Betrag bleibt, nicht imstande ist, eine
Schwärzung zu erzeugen. Nennt man diesen Strahlimgsbetrag, der
nach Plattensorte und Strahlenhärte variiert, L, so ist
worin ö die Dicke des Keils über dem Beginn der Schwärzung be-
deutet: a ist entweder bekannt oder wird durch Verwendung stets
des gleichen Keils elimiuierbar gemacht. Wenn J^ durch eine Mass-
zahl ausgedrückt werden kann, wird L ebenfalls eine Masszahl sein.
Sonst aber kann nur die Latenz einer Platte mit derjenigen einer
andern verglichen werden.
Man erkennt sofort, dass L gross ausfällt, wenn J^ oder t gross
oder wenn a oder 8 klein sind. Kleines 8 aber bedeutet ein Zu-
sammendrängen der dunkelsten und hellsten Feldpartien, eine steile
Graduation. Kleines a entspricht einem durchlässigen Medium oder
harten Strahlen. Die praktische Konsequenz ist, dass mit Platten
hoher Latenz kontrastreiche Bilder auch von Gebilden aus stark
durchlässigen Stoffen und unter Verwendung harter Strahlen zu er-
zielen sind.
Vierteljalirsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. 18
über die mehrfachen Sekanten algebraischer Raumkurven.
Von
A. Beck.
I. Die vorliegende Untersuchung bezieht sich auf die folgenden
drei Aufgaben der abzählenden Geometrie : Es soll bestimmt werden
1. die Ordnungszahl der Regelfläche der dreifachen Sekanten einer
Raumkurve, 2. die Anzahl der vierfachen Sekanten einer Raumkurve,
3. die Anzahl der gemeinschaftlichen Doppelsekanten zweier Raum-
kurven.') Diese Aufgaben sollen nach einer Methode behandelt werden,
die meines Wissens bis jetzt nicht auf dieselben angewandt worden
ist. Sie kann bezeichnet werden als die Methode der infinitesi-
malen zentrischen Kollineation.
Eine zentrische Kollineation zweier Räume ist bestimmt durch das
Kollineationszentrum, die Kollineationsebene und ein Paar entsprechen-
der Punkte auf einem Strahl durch das Zentrum. Rücken diese
beiden entsprechenden Punkte unendlich nahe zusammen, so wird die
Kollineation infinitesimal. Als spezieller Fall ist die infinitesimale
Parallelverschiebung hervorzuheben; bei ihr liegen die Koliine-
ationsebene und das Zentrum im Unendlichen. So lange im Folgenden
das Zentrum ganz beliebig ist, können wir uns die Transformation
als eine Verschiebung vorstellen. Gehen wir von einer Raumkurve 6
zu ihrer entsprechenden ©' in einer infinitesimalen Kollineation mit
dem Zentrum 0 über, so werden wir sagen, dass die Kurve nach 0
hin infinitesimal transformiert worden sei. Die Kollineationsebene
ist dabei immer willkürlich, ß und QJ liegen auf demselben Kegel
und schneiden sich in Punkten der Kollineationsebene; andere ge-
meinschaftliche Punkte haben sie im allgemeinen nicht.
') Man vergleiche über den Gegenstand: Cayley, Philos. Transactions Bd. 153
(1863) oder Papers, Bd. 5 ; Salmon-Fiedler, anal. Geometrie des Raumes,
Zeuthen, Annali di Mat. (2) Bd. 3; Picquet, Comptes rendus Bd. 77; Bull, de la
soc. math. Bd. 1; Schubert, Kalkül der abzählenden Geometrie, 1879; Geiser,
in memoriam Chelini, 1881; Berzolari, Palermo Rend. Bd. 9 (1895).
über die mehrfachen Sekanten algebraischer Raumkurven. 2G7
Die zu betrachtenden algebraischen Raumkurven sollen keine
besonderen Singularitäten haben, keine stationären Punkte und keine
wirklichen Doppclpunkte. Wir haben es also nur mit den folgenden
fünf Singularitäten zu tun : Ordnungszahl ni, Rang r (Klasse des pro-
jizierenden Kegels), Anzahl Jt der scheinbaren Doppelpunkte, Klasse n
(Anzahl der Inflexionstangentialebenen des proj. Kegels), Anzahl // der
Doppeltangentialebenen des proj. Kegels. Der Charakter der Kurve
ist dann durch zwei dieser Singularitäten bestimmt; wir wählen dazu
die Zahlen m und r. Die andern Zahlen werden durch sie ausgedrückt
nach den Cayley-Plückerschen Formeln:
(1) r = m {m —l) — 2h
(2) m = r (r — 1) — 2 ?/ — 3 w
(3) n = 3 (r — m).
Mit Benützung von 3. kann 2. ersetzt werden durch:
(2a) 2?/ = 8m — 10 r + r^.
Übrigens werden sich diese Formeln im Folgenden nebenbei
ergeben.^)
Wir benützen zur Bezeichnung von Regelflächen und gleich-
zeitig ihrer Ordnungszahl den Buchstaben R mit beigefügten Sym-
bolen, ebenso zur Bezeichnung bestimmter Geraden und gleichzeitig
ihrer Anzahl den Buchstaben G mit Symbolen. — Indem wir mit
der einfachsten Aufgabe über Doppelsekanten beginnen, schreiten wir
systematisch weiter zu den komplizierteren Aufgaben.
n. Anzahl G (P, 6^) oder h der Doppelsekanten einer
Raumkurve, welche durch einen beliebigen Punkt P gehen.
Wir transformieren d infinitesimal nach einem beliebigen Punkt 0 hin.
Dann werden wir die gesuchten Doppelsekanten erhalten, indem wir
die Geraden durch P betrachten, welche S und die transformierte
Kurve (i' je einmal schneiden. Aber es kommen nur diejenigen dieser
gemeinschaftlichen Sekanten in Betracht, für welche der Punkt auf ß
von dem Punkt auf ^ einen endlichen Abstand hat. Je zwei solche
Gerade sind zu einer der gesuchten Doppelsekanten von (5 unendlich
benachbart, weil die beiden Schnittpunkte einer solchen Doppelsekante
mit S auf zwei Arten auf die beiden Kurven 6, 6' verteilt werden
können.
Durch jede der gesuchten Doppelsekanten gehen zwei Mäntel
des Kegels P(5 und der eine Schnittpunkt der Doppelsekante mit S
ist unendlich benachbart zu einem Schnittpunkt von ß' mit dem
^) Vergl. meine Aufsätze in Math. Annalen Bd. 14 und Vierleljalirssclirin der
naturf. Gesellschaft in Zürich, Bd. 38 und TA.
208 A. Beck.
einen Mantel, der andere zu einem Schnittpunkt von 6' mit dem
andern Mantel. Von den m- Schnittpunkten der Kurve 6' mit dem
Kegel P6 sind also die folgenden zwei Arten abzurechnen, da sie
gemeinschaftliche Sekanten liefern, für welche die beiden Punkte auf
^ und 6' nicht getrennt sind:
1. Die m auf der Kollineationsebene liegenden Schnittpunkte von
S und 6', einfach zu rechnen, weil 6' in diesen Punkten den Kegel P6
nicht berührt.
2. Diejenigen Schnittpunkte, welche auf der betreffenden Erzeu-
genden des Kegels P(5 unendlich benachbart sind zu dem Punkt von 6,
durch welchen die Erzeugende geht. Diese Erzeugenden sind also,
da ® und ß' auf dem Kegel 0(^ liegen, Tangenten dieses Kegels 06.
Die Anzahl der Geraden durch P, welche den Kegel 06 in einem
Punkt von 6 berühren, ist aber offenbar = r. Somit haben wir:
(4) 2 O (P, 6'^) = 2h = m (m — 1) — r,
wodurch die Formel (1) bestätigt ist.
Hätte (5 noch einen wirklichen Doppelpunkt, so wären von den
Schnittpunkten von 6' mit dem Kegel PS noch zwei weitere un-
endlich benachbarte Punkte abzurechnen, und wenn der Doppelpunkt
zur Spitze würde, indem die Schleife sich bis zum Verschwinden
verkleinerte, so würde noch ein dritter Punkt zu jenen beiden un-
endlich benachbart werden und abzurechnen sein. Man würde also,
wenn die Kurve ß stationäre Punkte, aber keine wirklichen Doppel-
punkte hätte, die Formel erhalten:
(5) 2 /i = m (m - 1) — ?- — 3 /?,
und aus dieser würde sich durch dualistische Übersetzung die Formel
(2) ergeben.
Es ist noch zu untersuchen, wie sich die Anzahl G (P, 6'-) modi-
fiziert, wenn P auf 6 liegt. Wie viele Gerade /?* gehen durch einen
Punkt von 6, welche 6 ausserdem noch zweimal schneiden? — Die
Modifikation der obigen Ableitung durch infinitesimale Transformation
von 6 nach einem beliebigen Punkt 0 hin ergibt folgendes: der
Kegel P6 ist jetzt von der Ordnung m, — 1 und wird also von 6'
in 771 {m — 1) Punkten geschnitten. Von diesen sind aber die
folgenden abzurechnen :
1. Die in Schnittpunkte von 6 und 6' auf der Kollineationsebene.
2. Diejenigen Schnittpunkte, welche zu P unendlich benachbart
sind. Sei C ein solcher Schnittpunkt von 6' mit dem Kegel P6,
dann liegt C auf einer Erzeugenden des Kegels P6, die nach irgend
einem Punkt A von 6 geht. Da P und C auf dem Kegel 06 liegen,
so ist die Gerade PA eine Tangente des Kegels 06 im Punkte P und
über die mehrfachen Sekanten algebraischer Ranmknrven. 269
liegt also auf der Tangentialebene dieses Kegels längs OP. Es gibt
also so viele Punkte .4, als es Schnittpunkte dieser Tangentialebene
mit © gibt, die von P verschieden sind. Die abzuziehende Zahl ist
also = m — 2.
3. Diejenigen Schnittpunkte, welche auf der betreffenden Erzeu-
genden des Kegels P6 unendlich benachbart sind zu dem Punkt auf 6,
durch welchen die Erzeugende ausser dem Punkt P geht. Da G und (£'
auf dem Kegel 06 liegen, so ist jene Erzeugende eine Tangente
dieses Kegels, deren Berührungspunkt nicht in P liegt. Die Anzahl
solcher Tangenten ist offenbar = >• — 2. Wir haben also:
2 /<* = m {m — 1) — m — (m — 2) - (r —2)
(4 a) = (m — 1) {m — 2) — r + 2.
Natürlich hätte sich diese Formel aus (4) ableiten lassen, indem
man ni und /■ durch m — 1 und r — 2 ersetzte.
III. Ordnungszahl R (^, 6^..) der Regelfläche, deren Er-
zeugende eine Gerade g und eine Kurve 6 schneiden und in
dem letztern Punkt einen projizierenden Kegel von 6 be-
rühren. Eine beliebige Ebene durch [/ enthält offenbar i)i Er-
zeugende der Regelfläche und die Gerade g selbst ist auf der Fläche
von der Vielfachheit r, weil durch einen beliebigen Punkt von g
r Erzeugende der Regelfläche gelegt werden können. Also ist:
(6) Eig,&,) = m^r.
Weil alle Erzeugenden der Regelfläche den Kegel in Punkten von
6 berühren, so berühren sich die beiden Flächen längs der Kurve 6.
Der Kegel und die Regelfläche haben gemeinschaftliche Erzeugende,
nämlich diejenigen Erzeugenden des Kegels, welche durch die m Schnitt-
punkte von g mit dem Kegel gehen, und zwar berühren sich die beiden
Flächen längs jeder dieser Erzeugenden. Dies erkennt man, indem
man einen Punkt G die Gerade g durchlaufen lässt. Von den r Er-
zeugenden der Regelfläche, die durch jeden Punkt G gehen, werden
zwei unendlich benachbart, wenn G unendlich nahe an die Kegelfläche
rückt. Die Ebene dieser beiden Erzeugenden ist Tangentialebene der
Regelfläche in jedem Punkt der Erzeugenden und gleichzeitig Tangen-
tialebene des Kegels. Wenn auf dem Kegel irgend eine Kurve liegt,
so berührt dieselbe also die Regelfläche in allen den Punkten, in
denen sie die Kurve 6 oder eine jener ni Erzeugenden schneidet, die
dem Kegel und der Regelfläche gemeinsam sind.
IV. Ordnungszahl E {g, (i'-) der Regelfläche, deren Er-
zeugende eine Gerade ^ treffen und eine Raumkurve zweimal
schneiden. In jeder Ebene durch g liegen v '»* ("^ — 1) Erzeugende
270 A. Beck.
und g ist auf der Fläche von der Vielfachheit h, weil durch jeden
Punkt von g h Doppelsekanten von 6 gehen. Also haben wir:
(7) E(g,(i,') = \mim-l)-^h.
Wir können aber eine zweite Bestimmung dieser Ordnungszahl
erhalten, indem wir 6 infinitesimal transformieren nach einem be-
liebigen Punkt 0 hin. Die Regelfläche mit den drei Leitlinien g, ^, 6'
hat die Ordnungszahl
B(g, 6, 6') = 2^2- m.
Indem die Kollineation infinitesimal wird, löst sich aber von
dieser Regelfläche ein Teil ab, dessen Erzeugende 6 und 6' in zwei
unendlich benachbarten Punkten treffen. Der übrig bleibende Teil
ist die gesuchte Regelfläche B (g, ®^) und zwar zweimal, weil jede
Erzeugende von B {g, 6") zu zwei Erzeugenden von B {g, 6, 6') un-
endlich benachbart ist. — Der abgelöste Teil von B (g, (^, 6') ist die
in III. betrachtete Regelfläche B (g, 6^), einfach gerechnet. Wir
erhalten also :
2 B (g, 62) = 2 »i^ — m — (m + r),
(8) B (g, ©2) = m (m — 1) — | r.
Durch Vergleichung von (7) und (8) ergibt sich noch einmal die
Formel (1). — Auf der Fläche B {g, 6'-) ist 6 von der Vielfachheit m — 1.
V. Ordnungszahl B (ß,, 6^) der Regelfläche, deren Er-
zeugende die Kurve 6 zweimal treffen und in einem der
beiden Punkte einen projizierenden Kegel von ß berühren.
Wir gehen aus von der Regelfläche B (g, (^k) [HL] und suchen die
Erzeugenden derselben, welche 6 zweimal schneiden. Dazu machen
wir eine infinitesimale Transformation von (S nach dem Punkt P hin,
der die Spitze jenes projizierenden Kegels ist. Q! schneidet die Regel-
fläche in m (m -h r) Punkten. Von diesen kommen aber nur diejenigen
in Betracht, welche auf der betreffenden Erzeugenden der Regelfläche
endlich getrennt sind von dem Punkt von 6, in welchem die Erzeu-
gende den Kegel berührt. Von den Schnittpunkten von 6' mit der
Regelfläche sind also nach III. abzurechnen :
1. Die m Schnittpunkte von 6 und 6' auf der Kollineationsebene
und zwar jeder doppelt, weil 6' die Regelfläche in diesen Punkten
berührt (IIL).
2. Die m Schnittpunkte von C mit den m Erzeugenden, die dem
Kegel und der Regelfläche gemeinsam sind, und zwar jeder doppelt
aus demselben Grunde.
3. Die übrigen Schnittpunkte, welche auf der betreffenden Er-
zeugenden unendlich benachbart sind zu dem Punkt auf 6^, in welchem
über die mehrfachen Sekanten algebraischer Raumkurven. 271
die Erzeugende den Kegel berührt. Diese Erzeugenden liegen offenbar
in den n Inflexionstangentialebenen des Kegels, eine in jeder Ebene.
Auf diese Weise erhalten wir die Anzahl O (g, ß, (S^), welche
identisch ist mit R (6^, 6/,). Es wird:
(9) R (e, 6.) = m (m + r — 4) — w.
Nun kann man aber diese Ordnungszahl noch auf anderem,
kürzerem Wege bestimmen, nämlich dadurch, dass man durch den
Scheitel P des Kegels eine beliebige Gerade p legt und abzählt, wie
viele Erzeugende der gesuchten Regelfläche diese Gerade schneiden.
Zunächst gehen durch die Gerade r Tangentialebenen an den Kegel
und jede derselben enthält ni — 2 Erzeugende der Regelfläche. Ausser-
dem aber gehen durch den Kegelscheitel P selbst Erzeugende der
Regelfläche von besonderer Art, nämlich die Ji Doppelsekanten von 6,
und zwar ist jede zweimal zu rechnen, denn jede ist auf zwei Arten als
eine Gerade zu betrachten, welche jj trifft, ß zweimal schneidet und in
der Kegeltangentialebene des einen Schnittpunktes liegt. Man hat also:
R (g, g.) = r {m - 2) + 2 h,
oder, wenn man für h seinen Wert aus (4) einsetzt:
(10) R (6, e.) = m (m — 1) + r (;m - 3).
Durch Vergleichung von (9) und (10) erhält man:
9i = 3 (r — m),
wodurch Formel (3) bewiesen ist.
In bezug auf die Regelfläche R (6, 6/,) sind noch die folgenden
Bemerkungen zu machen : Durch jeden Punkt C von 6 gehen zweierlei
Erzeugende: a) solche, welche in C den Kegel berühren, b) solche,
welche ihn nicht in C, sondern in dem andern Schnittpunkt mit 6
berühren. Die Anzahl der Erzeugenden a) ist offenbar = m — 2, die-
jenige der Erzeugenden b) := r— 2. Die Erzeugenden a) liegen alle
in derselben Ebene, nämlich in der Tangentialebene des Kegels. Lassen
wir den Punkt C die ganze Kurve ® durchlaufen, so sehen wir, dass
m — 2 Mäntel der Regelfläche den Kegel längs ® berühren, während
andere r ■ — 2 Mäntel ihn längs 6 schneiden. Ferner ist schon be-
merkt worden, dass die Doppelerzeugenden des Kegels auch Doppel-
erzeugende der Regelfläche sind. Für jede solche Doppelerzeugende
sind die beiden Tangentialebenen des Kegels auch Tangentialebenen
der Regelfläche längs der ganzen Erzeugenden. Man erkennt dies
wieder, wenn man einen Punkt C die Kurve 6 durchlaufen lässt und
die r — 2 Erzeugenden der Regelfläche betrachtet, welche durch ihn
gehen und den Kegel anderswo berühren. Rückt C unendlich nahe
an eine Doppelerzeugende des Kegels, so werden von den r — 2 Er-
272 A. Beck.
zeugenden zwei unendlich benachbart, wobei ihre Ebene mit einer
der beiden Tangentialebenen des Kegels zusammenfällt. — Wenn also
auf dem Kegel eine Kurve liegt, so berührt sie die ni — 2 Mäntel der
Kegelfläche, welche den Kegel längs 6 berühren, in jedem Schnitt-
punkt mit 6 und ausserdem berührt sie einen Mantel der Regelfläche,
wenn sie durch eine Doppelerzeugende des Kegels hindurchgeht.
VI. Ordnungszahl R (6^) der Regelfläche der dreifachen
Sekanten einer Raum kurve. Wir gehen aus von der Regel-
fläche R {g, 6^) [IV.] und transformieren ß infinitesimal nach einem
beliebigen Punkt 0 hin. Jede dreifache Sekante von ® ist in drei-
facher Weise als eine Gerade aufzufassen, welche 6 zweimal und 6'
einmal schneidet. Diejenigen Erzeugenden von R (g, C"), welche drei-
fache Sekanten von ß sind, ergeben sich also aus den Schnittpunkten
von 6' mit der Regelfläche. Aber von diesen Schnittpunkten sind
abzurechnen :
1. Die m Schnittpunkte von 6' mit (J, von denen nach IV. jeder
m — 1 mal zu zählen ist.
2. Diejenigen Schnittpunkte, welche auf der betreffenden Er-
zeugenden unendlich benachbart sind zu einem der beiden Punkte
von © auf ihr. Die Anzahl dieser Schnittpunkte ist offenbar die in
(10) bestimmte Ordnungszahl R (6, 6/,).
Wir erhalten also, da G (g, 6^) = R {&^) ist:
3 R (ß,^) = m '^m (;m — 1) — --^ r] — m {m — 1) — m {m — 1) — r {in — 3),
(11) R (6^) = 1 w (m — 1) (»i — 2) — i.r {m — 2).
Auf R (6-') ist 6 von der Vielfachheit | {m — 1) (»i — 2) — | r + 1.
Dies ist nämlich die in (4 a) bestimmte Anzahl A* der dreifachen
Sekanten, welche durch einen beliebigen Punkt von 6 gehen.
VII. Zur Bestimmung von R (6^) kann man auch auf folgende
Weise verfahren:
Wenn drei Raumkurven ®, ^ , ß", die sich paarweise mp^p'^p"
Punkten schneiden, die Leitkurven einer Regelfläche sind, so ist die
Ordnungszahl der letzteren bekanntlich:
R (6, 6', ©") = 2m m m" — 2)m — ^Vm' — p" m'.
Wir nehmen nun an, 6' und ®" seien die entsprechenden Kurven
zu 6 in zwei zentrischen Kollineationen, die dasselbe Zentrum 0 haben,
im übrigen aber ganz beliebig sind. Wie modifiziert sich dann die
Ordnung der Regelfläche? (5 und ß' schneiden sich in m Punkten auf
der ersten Kollineationsebene, ® und 6" in m Punkten auf der zweiten.
Bekanntlich besteht aber zwischen dem zweiten und dritten System
ebenfalls eine zentrische Kollineation mit dem Zentrum 0, deren
über die mehrfachen Sekanten algebraischer Raumkurven. 273
Kollineationsebene durch die Schnittlinie der beiden gegebenen Kolli-
neationsebenen geht. Folglich schneiden sich auch 6' und d" in
m Punkten.
Ferner liegen alle drei Kurven auf demselben Kegel mit dem
Scheitel 0; dieser Kegel ist also ein Teil der Regelliäche, den wir
abrechnen M'ollen. Er ist hierbei aber doppelt zu zählen. Denn wenn
wir die Erzeugenden der Regelfläche konstruieren wollen, welche
durch einen Punkt C von 6 gehen, so haben wir die beiden Kegel C%'
und Cd" zu bilden, und da diese sich längs der Erzeugenden CO
berühren, so zählt diese im Schnitt beider Kegel für zwei. Wir er-
halten also für die reduzierte Ordnungszahl:
(12) B iß, d' , d") == 2 m^ — 3 m- — 2 m.
Nun können wir zu den dreifachen Sekanten von (5 gelangen,
wenn wir die beiden angenommenen Kollineationen infinitesimal werden
lassen. Jede dreifache Sekante wird dann durch sechs ihr unendlich
benachbarte Erzeugende von E(d,(i',d") repräsentiert, auf welchen
die drei Punkte von ©, d' 6" endliche Abstände voneinander haben.
Da aber auch Erzeugende vorkommen, für welche diese Abstände
nicht alle drei endlich sind, so lösen sich von der vorigen Fläche
Teile ab, welche abzurechnen sind, und zwar die folgenden zwei:
1. Von den drei Punkten auf 6, d' d" fallen zwei unendlich
nahe zusammen. Diese Erzeugenden sind als zweifache Sekanten von
d zu betrachten, welche in dem einen der beiden Punkte den Kegel Od
berühren, und zwar ist jede solche Erzeugende dreifach zu rechnen,
weil der Berührungspunkt zu d und d' oder zu d und d' ' oder zu d'
und d" gerechnet werden kann. Die von diesen Erzeugenden ge-
bildete Fläche ist die Fläche R (d, 6/,) von V., dreifach gerechnet (10).
2. Alle drei Punkte fallen unendlich nahe zusammen. Die Er-
zeugende liegt dann in einer Inflexionstangentialebene des Kegels.
Es lösen sich also ab die Strahlbüschel, die in den w = 3 (>• — m)
Inflexionstangentialebenen liegen und deren Scheitel Punkte von d
sind. Wir erhalten somit:
6 B (d^) = 2 m^ — 3 m- — 2 m — 3 m {m — 1) — 3 r {m — 3) — 3 (/•— m).
Hieraus folgt für E (d^) derselbe Wert wie in VI. (11).
VIII. Anzahl G {d,d,di,) der Geraden, welche die Kurve (5;
dreimal treffen und in einem der drei Punkte einen durch d
gelegten Kegel berühren. Wir gehen aus von der Fläche B {d,d,.)
(V.) und transformieren d infinitesimal nach dem Scheitel P des Kegels
hin. Jede der gesuchten Geraden kann auf doppelte Weise als eine
solche Erzeugende der Regelfläche betrachtet werden, welche durch
einen Schnittpunkt von d' mit der Regelfläche geht, weil die beiden
274 A. Beck.
Punkte, in denen jene Gerade ß schneidet, aber den Kegel nicht be-
rührt, auf zwei Arten auf 6 und 6' verteilt werden können. — Von
den Schnittpunkten von 6' mit E (6, 6^) sind aber die folgenden ab-
zurechnen, welche nicht der Aufgabe genügen:
1. Die m Schnittpunkte von 6 und ß' auf der Kollineationsebene,
deren jeder nach V. die Vielfacliheit 2 {m — 2) + r — 2 hat.
2. Die Schnittpunkte, welche auf den gemeinschaftlichen Doppel-
erzeugenden des Kegels und der Eegelfläche liegen, 6' schneidet jede
dieser Doj)pelerzeugenden in zwei getrennten Punkten, deren jeder
dreifach zu rechnen ist, weil 6' in dem einen dieser Punkte den einen,
in dem andern den andern der beiden Mäntel der Regelfläche berührt,
welche durch diese Doppelerzeugenden gehen (V.). Die abzuziehende
Zahl beträgt also 6 li oder 3 ni (in — 1) — 3 r (1.).
3. Diejenigen übrigen Schnittpunkte, welche auf der betreffenden
Erzeugenden der Regelfläche unendlich benachbart sind zu dem Punkte,
in welchem die Erzeugende den Kegel berührt. Dies führt offenbar
auf die n Inflexionstangentialebenen des Kegels, w^elche Schmiegungs-
ebenen von 6 sind. In jeder derselben liegen m — 3 Erzeugenden der
fraglichen Art. Die abzuziehende Zahl beträgt also {m — 3) n oder
3 {m — 3) (r — m).
4. Diejenigen Schnittpunkte, welche auf der betreffenden Er-
zeugenden der Regelfläche unendlich benachbart sind zu dem Punkt,
in welchem die Erzeugende die Kurve 6 schneidet, ohne den Kegel
zu berühren. Dies führt auf die y Doppeltangentialebenen des Kegels.
In jeder derselben liegt eine Erzeugende, welche doppelt zu rechnen
ist, da der eine oder der andere der beiden Berührungspunkte zu S'
gerechnet werden kann. Die abzuziehende Zahl beträgt also 2 y oder
8 w— 10r-4->". (2a.)
Auf Grund dieser Abzahlung ergibt sich das Resultat:
2 G (6, 6, 6.) = m- (m — 1) + mr (m — 3) — 2 <v« {m — 2) — m (r - 2)
— 3m (m — 1)+3 r — 3 (»i — 3) {r — m) — Sm-f-lO r — r^.
(13) G (6, 6, 6,) =\m (»r-3 m — 8) + \y {m- — 7 »i + 22 — r).
IX. Anzahl G (6^) der vierfachen Sekanten einer Raum-
kurve. Wir gehen aus von der Fläche U (6^) (VI.) und trans-
formieren ^ infinitesimal nach einem beliebigen Zentrum hin. Dann
sind die gesuchten vierfachen Sekanten unter denjenigen Erzeugenden
enthalten, welche 6' schneiden und zwar erscheint jede vierfache
Sekante viermal, da jeder ihrer vier Punkte auf 6 zu 6' gerechnet
werden kann. Von den Schnittpunkten von 6' mit R (6^) sind die
folgenden abzurechnen :
über die mehrfachen Sekanten algebraischer Raumkurven. 275
1. Die m Schnittpunkte von ®' und 6 und zwar jeder mit der
Vielfachheit ^ (m — 1) (»u — 2) - | r + 1 (VI.).
2. Diejenigen Schnittpunkte, welche auf der betreffenden Er-
zeugenden unendlich benachbart sind zu einem der drei Punkte auf (5.
Die Anzahl dieser Punkte ist aber die in VIII. gefundene Anzahl
O (©, 6, 6a). Somit haben wir das Resultat:
4 G (60 = ^m- (m - 1) (m - 2) -^mr {m - 2) - ~m(m-l)(m-2)
+ Y ^'i >' — "i — -ö" '"* ("^' — ^ "^ — ^) — T ^ ("^^ — 7 »i + 22 — r),
(14) G{(S,') = ~m(m-l)(m-2){m-S)'i-m-\r(m--bm+n)-i-\r\
X. Anzahl (? (6^,62,*) der Geraden, welche eine Kurve 6i
zweimal und eine Kurve 63 einmal schneiden und im letztern
Punkt einen durch 63 gelegten Kegel berühren. Wir gehen
aus von der Fläche B {g, 6a) von III., für welche gefunden wurde:
R (9, 6fc) = m + r.
Bezeichnen wir jetzt die Kurve mit 63 '^^^ ersetzen wir g durch
eine Kurve 61, so ist offenbar
B (6x, 62, a) = m, ■ R (g, 6,.a.) - m, (m, + r,).
Auf dieser neuen Regelfläche ist 61 von der Vielfachheit Vo, 63
von der Vielfachheit »ii , wobei die m^ Erzeugenden , welche durch
einen Punkt von 60 gehen, alle in der zu diesem Punkt gehörenden
Tangentialebene des Kegels liegen. Letzterer wird also längs 63 von
Dil Mänteln der Regelfläche berührt.
Ferner hat die Regelfläche mit dem Kegel diejenigen nii m^ Er-
zeugenden des letztern gemein, welche durch die Schnittpunkte von 61
mit dem Kegel gehen, und zwar findet längs dieser Erzeugenden
Berührung zwischen beiden Flächen statt. Letzteres erkennt man
auf dieselbe Weise wie in III., indem man einen Punkt, der 61 durch-
läuft, unendlich nahe an die Kegelfläche rücken lässt.
Nun transformieren wir 61 infinitesimal, indem wir das Kolline-
ationszentrum im Scheitel P des Kegels über 63 wählen, und be-
trachten die Erzeugenden der Regelfläche, welche die transformierte
Kurve 6i schneiden. Unter diesen Erzeugenden erscheint zweimal
jede Gerade, welche Sj zweimal und 63 einmal schneidet und im
letztern Punkt den Kegel berührt; denn man kann den einen oder
andern der beiden Schnittpunkte auf 61 als Punkt von S'^ betrachten.
Von den m\ (m^ -\- r^) Schnittpunkten von Sj mit der Regelfläche
sind abzurechnen:
1. Die nii Schnittpunkte von 6^ und 6^ und zwar jeder rg mal.
276 A. Beck,
2. Die Schnittpunkte auf den «i^ m^ gemeinschaftlichen Erzeu-
genden, einfach gerechnet, da 6i nicht auf dem Kegel Pßo» wohl
aber auf dem Kegel Pßj liegt.
3. Diejenigen übrigen Schnittpunkte, welche auf der betreffenden
Erzeugenden der Kegelfläche unendlich benachbart sind zu dem auf
ihr liegenden Punkt von 6^. Diese Erzeugenden werden gefunden,
indem man an die beiden konzentrischen Kegel P(Si und Pßg die
gemeinschaftlichen Tangentialebenen legt. Da in jeder dieser Ebenen
eine einfach zu rechnende Erzeugende dieser Art liegt, so ist die ab-
zurechnende Zahl = rj fg. Man findet also:
2 G (©1, ©2, k) = m\ i^nu + r^ — m^ r^ — m^ m^ — )\ )\.
(15) G ((£?, e,, ,) = \ m, {m, - 1) {m.^ -f r^) - | r, r^.
XL Anzahl G {j&\, C|) der gemeinschaftlichen Doppel-
sekanten zweier Raumkurven. Wir gehen aus von der Fläche
R {g, 6"') in IV. und ersetzen g durch ©2 und 6 durch ßj. Dann
erhalten wir aus IV. sofort:
E (6j 62) = "*2 • -ß [9^ ®i) = "h [>'h 0'*i ~ 1) ~~ Y^"i]-
Auf dieser neuen Fläche hat 63 die Vielfachheit /«j. Nun trans-
formieren wir 62 infinitesimal nach einem beliebigen Zentrum hin
und betrachten die Erzeugenden der Regelfläche, welche 6', schneiden.
Je zwei derselben sind zu einer Geraden G (6'f, 6|) unendlich benach-
bart. Von der Anzahl m^ • P (©'1 ©2) der Schnittpunkte von 60 i^^it
der Regelfläche sind abzurechnen:
1. Die m., Schnittpunkte von ^o und ^'o, jeder \ mal (4).
2. Diejenigen Schnittpunkte, welche auf der betreffenden Er-
zeugenden unendlich benachbart sind zu dem auf ihr liegenden Punkt
von 62. Ihre Anzahl ist G ((^'1, 62,7.) in X. Daher wird:
2 G (6f, 6|) = inz ^i (:»h — 1) — Y ^"1^1 — Y i^h '^^h 0"i — 1) + y "«2^1
— Y 1«! in2 (»ii — 1) — Y roi;?! Onj — ^ 1) + y ^ r2,
(16) G ((£2, 61) = i- m^ m., {m, — 1) (^nio - 1) — j ^ ^'^2 0'^2 — 1)
— j ra^i (?»i — 1) + j ri'/-2.
XII. Wir betrachten noch besonders den Fall, wo die beiden
Kurven 61, 62 zueinander in beliebiger zentrischer Kollineation stehen.
Beide Kurven haben dann dieselben Charaktere m, r, und weil sie
gemeinschaftliche Punkte haben, so treten gemeinschaftliche Doppel-
sekanten auf, welche abzurechnen sind, weil sie nicht vier getrennte
Punkte der Kurven enthalten.
über die mehrfachen Sekanten algebraischer Raumkurven. 277
1. Die beiden Kurven schneiden sich in m Punkten auf der Kol-
lineationsebene. Jede der 2 ^'^ (j^i — 1) Verbindungslinien dieser Punkte
ist abzurechnen.
2. Durch jeden dieser gemeinschaftlichen Punkte gehen ausserdem
[m — 1)' — {)»' — 1) andere Gerade, welche diesen Punkt mit zwei
andern, getrennten Punkten der beiden Kurven verbinden.
Bezeichnen wir die Anzahl der gemeinschaftlichen Doppelsekanten,
welche nach Abzug dieser uneigentlichen übrig bleiben, mit G* (ß'f, 65),
so haben wir (16):
Ö* (6f, 61) = I nr {ui - ly - |- rm {m - 1) -f | r'-
— Y m {m — 1) — Dl {ni — 1)'- + m {ni — 1)
(17) = Y m (ni — 1) {m- — 3 m H- 3) — | rm (w — 1) + -^ r-.
Es ist aber zu beachten, dass unter diesen gemeinschaftlichen
Doppelsekanten auch die h durch das Kollineationszentrum gehenden
Geraden enthalten sind, welche jede der beiden Kurven zweimal
schneiden.
Das zuletzt gewonnene Resultat kann dazu benützt werden, die
Anzahl G (6^) der vierfachen Sekanten einer Raumkurve noch
auf eine zweite Art abzuleiten. Lassen wir nämlich die soeben be-
trachtete zentrische Kollineation von 6^ und d., infinitesimal werden, so
sind unter den gemeinschaftlichen Doppelsekanten G* die vierfachen
Sekanten von 6 jedenfalls enthalten und zwar jede sechsmal, weil
die vier Schnittpunkte einer \ierfachen Sekante auf sechs Arten paar-
weise auf 6 und 6' verteilt werden können. Aber von der Gesamt-
heit G* der gemeinschaftlichen Doppelsekanten sind die folgenden
abzurechnen :
1. Diejenigen, bei welchen einer und nur einer der beiden Punkte
auf 6 mit einem der beiden Punkte auf d' unendlich benachbart ist.
Dies sind dreifache Sekanten von 6, welche in einem der drei Schnitt-
punkte den projizierenden Kegel von 6 und 6' berühren, dessen
Scheitel das Kollineationszentrum ist, und zwar wird jede dieser
dreifachen Sekanten auf zwei Arten erzeugt, da die beiden Schnitt-
punkte, in denen .der Kegel nicht berührt wird, auf zwei Arten auf
die beiden Kurven verteilt werden können. Die abzuziehende Zahl
ist also = 2G (ß, 6, 6,.) [VIII].
2. Diejenigen, für welche die beiden Punkte auf 6 unendlich
benachbart sind zu den beiden Punkten auf 6'. Solcher Geraden
gibt es aber zwei Arten :
278 A. Beck.
a) Die h Doppelsekaiiten durch das Kollineationszentrum (4),
b) Die Geraden, welche in den Doppeltangentialebenen des Kegels
liegen und die zwei Berührungspunkte auf 6 miteinander verbinden.
Die abzurechnende Zahl beträgt also ?/ = 4 «i — 5 r -[- -^r-, (2 a). So
erhalten wir schliesslich das Resultat:
6 G (gO = 1 '» ('» — 1) 0"' - 3 m + 3) -~rm (m - 1) ^~r^
— m{m-—3m — 8) — r(^nr—7m-h22 — r)—Y'm{m—l)
+ y r — 4 5u + 5 r — -| r^,
G!((S;4)= i,n (m— 1) (m-2) (m — 3)4-m -\r (m^— 5 m+ ll) + |r2.
Dieser Wert stimmt mit dem in IX. gefundenen überein.
Zürich, Juli 1907.
Vorläufige Mitteilung
über einen schweizerischen Sillimanitgneiss.
Von
U. Grubenmann.
Sillimanitgneiss ist bis jetzt aus den Alpen nicht bekannt ge-
worden und konnte auch kaum erwartet werden, weil die alpinen
kristallinen Schiefer nur selten die Charaktere ganz katogener Um-
wandlung aufweisen. Nun wurde aber auf einer Exkursion in den
Weihnachtsferien 1906 unterhalb Ronco an der Landstrasse zwischen
Ascona und Brissago am Langensee ein dunkler, biotitreicher, grob-
kristallinischer Schiefer gefunden, der, von hellen, grosskörnigen
Pegmatiten durchsetzt, zunächst als Belegstück mitgenommen wurde
dafür, dass die Gesteine im Kontakt mit Pegmatit gerne höhere
Kristallinität annehmen. Der Schiefer gehört zu der grossen Zone
ursprünglich sedimentärer, aber stark von eruptivem, saliscliem Mate-
rial injizierter Gneisse, welche in angenäherter Ostwestrichtung den
nördlichen Teil des Lago Maggiore überqueren und sich in ihrer
typischen Ausbildung durch eine ausgesprochene Lagentextur aus-
zeichnen. Diese Lagentextur ist beim dunklen Schiefer kaum an-
gedeutet, wohl aber sieht man vom Pegmatit aus kurze helle Apo-
physen in das Gestein eindringen, dessen Schieferung sehr deutlich ist.
Makroskopisch kann neben dem schwärzlichen Biotit nur etwas
Muskovit, Quarz und in obern Lagen auch reichlich Granat unter-
schieden werden. Das Vorhandensein von Feldspat bleibt zweifelhaft;
ausserdem wird auf den Biotiten vielfach noch ein feiner, pilzähnlicher,
gelblich-weisser Überzug wahrgenommen, den das Mikroskop mit
Sicherheit als Sillimanit enthüllt. Dieses Mineral ist hier reich-
licher vorhanden, als in irgend einem der altbekannten Sillimanit-
gneisse des bayrischen Waldes, des Schwarzwaldes, Sachsens oder
des niederösterreichischen Waldviertels. Es tritt für sich in dicht
gedrängten Büscheln geschart auf und durchsetzt auch in grosser
2S0 U. Grubenmann.
Menge einen Teil des Quarzes, besonders aber den Biotit. Der letztere
zeichnet sich in Schnitten parallel der Spaltbarkeit durch seine tief
rotbraune Farbe aus; senkrecht dazu ist er mattgelb. Sehr häufig
ist er chloritisiert und dann zugleich von Rutilnadeln erfüllt (Ent-
mischung!). Im allgemeinen bezeichnet er scharf die Ebene der
Paralleltextur; einzelne seiner Blätter jedoch schneiden diese in auf-
fallender Weise. Muskovit ist wenig vorhanden, mit dem dunklen
Glimmer verwachsen und vielleicht durch Ausbleichung aus diesem
hervorgegangen. Glimmer und Sillimanit bilden FJasern; zwischen
ihnen erscheinen Lagen von Quarz und solche von Quarz und Feld-
spat (Orthoklas und basische Oligoklase); auch Granat wird von jenen
Flasern umschmiegt. Ausserdem ist noch Rutil in grösseren Körnern
und ziemlich viel Zirkon anwesend. Ein nach Blau und Gelb pleo-
chroitischer, kleiner Einschluss eines Biotits wurde als Cordierit
gedeutet.
Die Struktur des Gesteins ist im allgemeinen kristalloblastisch ;
nur die Quarz-Feldspataggregate zeigen in ihrer eigentümlich zackigen
Verzahnung, in ihren myrmekitähnlichen und wurmförmigen Durch-
dringungen, sowie in ihrer wolkig verschwimmenden, albitischen und
perthitischen Lamellierung Kennzeichen, welche neuerdings als typisch
für pneumatolytische Injektion angesehen und in der Regel auch bei
Pegniatiten angetroffen werden.
Es wurden durch Frl. Dr. L. Hezner sowohl von einem granat-
führenden, als einem granatfreien Stück des Sillimanitgneisses chemische
Analysen ausgeführt mit nachfolgenden Resultaten:
I (granätführend) II (granatfrei)
SiO. 54,15 58,43
TiOs 1,31 1,18
■ AI2O3 27,38 25,06
FcoOg 1,37 0,68
Fe'o 4,65 4,57
CaO 1,42 0,43
Mg 0 2,80 2,48
K2O ■ 4,59 4,45
Na-0 1,12 1,33
H2O unter 110" 0,16 0,31
Glühverlust 0,95 1,42
99,90 100,34
s = 2,95 s -= 2,90
Vorläufige Mitteilung über einen schweizerischen Sillimanitgneiss. 281
Molekularprozente:
I
II
SiO.,
64,2
68,4
Al^O,
18,8 ■
17,0
FeO
5,8
5,0
CaO
1,8
0,5
MgO
4,9
4,3
K2O
3,3
3,3
NagO
1,2
1,5
100,0
100,0
G]
ruppenwerte;
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S
64,2
68,5
A
4,5
4,8
C
1,8
0,5
F
10,7
9,3
M
0,0
0,0
T
12,5
11,7
K
1,6
1,7
Die beiden Analysen und die daraus berechneten Werte sind
einander sehr ähnlich ; nur zeigt die granatführende Varietät etwas
mehr CaO und AI0O3, wie zu erwarten war, und etwas weniger SiOa-
Der chemische Charakter der Proben ist wesentlich durch den grossen
Tonerdeüberschuss (hohes T) bestimmt, der sich mineralogisch in
Sillimanit- und Granatbildung ausspricht, sowie durch das Über-
wiegen von Mg 0 und Fe 0 über die Alkalien ; dadurch werden die
Gesteine systematisch unter die Tonerdesilikatgneisse verwiesen
(zweite, sedimentäre Gruppe).
Für den Tonerdeüberschuss wäre eine direkte pneumatolytische
Herkunft denkbar, etwa nach den Gleichungen:
AL Fg -h 3 Ho 0 = AI2 O3 + 6 HF
SiF, +2H20 = Sib2 +4HF
AlaOa+SiOo =A]2Si05.
Wahrscheinlicher aber ist der grosse Tonerdereichtum dem ur-
sprünglich sedimentären Anteil des Gneisses zuzuschreiben ; denn der
Silliminat ist als Einschluss hauptsächlich im Biotit und jenem Quarz
vorhanden, welcher nicht mit Feldspat verbunden ist und nicht die
*) Vergl. U. Grubenmann, kristalline Schiefer, IL Teil, Berhn 1907, pg. 1:2 — 15,
Vierteljahrssclirift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. 19
282 U. Grubenmann.
Kennzeichen der Injektion trägt, d. h. also in jenen Komponenten,
welche ohne Zweifel dem ursprünglichen tonigen Sediment ihren
Stoff verdanken.
Ein Einfluss des intrusiven Materials wird aber bei der Sillimanit-
bildung doch stattgefunden haben ; nur bestand er nicht in Substanz-
zufuhr, sondern in Hitzewirkung, nach Art der Kontaktmetamorphose.
Der Sillimanitgneiss von Ronco ist also aus einem ursprünglichen
tonigen Sediment hervorgegangen, bei dessen Umbildung neben meta-
morphosierenden Druckkräften auch pneumatolytische Injektion und
Kontaktwirkung zur Geltung gekommen sind, wodurch ihm der
Charakter der tiefsten Gneisse aufgeprägt worden ist.
Ende Juli 1907.
Mineralog.-petrograph. Institut des Polytechnikums.
Reste von Ovibos moschatus Zimm. aus der Gegend
des Bodensees.
Von
K. Hescheler.
Hierzu Tafel XIII.
Die nachstehenden Zeilen sind ein wörtlicher Abdruck aus dem
Probeheft der projektierten, aber nicht ins Leben tretenden Zeitschrift
der Schweizerischen naturforschenden Gesellschaft, das am 28. Juli 1907
publiziert wurde. Neu sind noch einige Masse und Abbildungen des
unten beschriebenen Wirbels am Schlüsse beigefügt worden.
Unter den Artefakten, die bei der ersten Erforschung der Kessler-
lochhöhle bei Thayngen gefunden wurden, spielt die Skulptur, welche
man Moschusochsenkopf genannt hat, eine besondere Rolle. Die Richtig-
keit der Deutung ist mehrfach angezweifelt worden, so auch wieder
in neuerer Zeit. Körperliche Überreste von Ovibos fanden sich weder
bei der ersten Grabung, noch bei der zweiten, die von Nüesch vor-
genommen wurde. Die letzte Erforschung der Fundstelle, von Heierli
im Auftrage der Schaffhauser antiquarischen und naturforschenden
Gesellschaften durchgeführt, förderte unter dem Tiermaterial ein Stück
zutage, das dem Moschusochsen zugeschrieben werden kann, so dass
dieser jetzt als Mitglied der palaeolithischen Thayngerfauna aufgeführt
werden darf, mit einer gewissen Reserve allerdings nur. Der Nach-
weis des Vorkommens stützt sich nämlich bloss auf eine Phalanx I
der hinteren Extremität. Es soll hier auf eine weitere Diskussion
verzichtet werden, die zu erwägen hat, ob es möglich ist, mit Hilfe
des genannten Knochenstückes die Spezies zu bestimmen, und es sei
auf die Abhandlung, die in den Denkschriften der Schweizerischen
naturforschenden Gesellschaft erscheint, verwiesen.
Der erwähnte Fund musste nun natürlich anregen, nach weiteren
Skelettresten von Ovibos moschatus unter dem Kesslerlochmaterial
zu suchen. Die bisher angestellten Nachforschungen, die sich auch
auf die in den Museen von Konstanz und Schaffhausen aufbewahrten
284 K. Hescheler.
Stücke der ersten Ausgrabung erstreckten, blieben bis dahin ohne Er-
folg; dagegen spielte mir ein eigentümlicher Zufall ein unzweifelhaftes
Skelettstück des fossilen Moschusochsen aus der Bodenseegegend in
die Hände.
Bei einem Besuche im Rosgartenmuseum in Konstanz im ver-
gangenen Herbst zeigte mir Herr Stadtrat Leiner, dem ich seine
ausserordentliche Freundlichkeit, mit der er mir in jeder Weise be-
hilflich war, hier vielmals verdanke, einige Funde, die vor kurzer
Zeit in einer Kiesgrube beim „Jakob" gemacht worden waren, also
an der Spitze der bei Konstanz in südöstlicher Richtung gegen den
Bodensee vorspringenden Halbinsel, welche den Ueberlingersee ab-
trennt. Es handelte sich um ünterkieferfragmente von Equus caballus,
dazu drei untere Backenzähne vom Pferd (sie stimmen überein mit
den Zähnen des Kesslerlochpferdes), ferner um einen mächtigen Dorn-
fortsatz, der offenbar einem Wirbel von Elephas primigenius angehören
musste (wie sich nachher herausstellte, einem vorderen Rückenwirbel)
und schliesslich um einen Halswirbel, dessen Zugehörigkeit ich nicht
bestimmen konnte und der durch verschiedene Eigentümlichkeiten
auffiel. Er stammte jedenfalls von einem grossen Säugetiere; auf-
fallend erschienen besonders der plumpe Bau, die relative Kürze des
Körpers und die sehr kleinen Foramina transversaria. In Zürich
verglich ich das Stück mit den Wirbeln der Tiere, die etwa in Be-
tracht kommen konnten — ohne Erfolg. Der Gedanke an Ovibos
— ich möchte dies hervorheben — kam mir gar nicht in den Sinn.
Beim Durchblättern der Abhandlung von Tscherski (Posttertiäre
Säugetiere d. Janalandes und der neusibir. Inseln, Mem. Ac. St. Peters-
bourg, VII. ser. t. XL. 1892) erregten die Abbildungen 4 und 5 der
Tafel III mein grösstes Interesse — das musste der fragliche Wirbel
sein — die Abbildungen stellen den 5. Halswirbel von Ovibos moschatus
dar. Ein rezentes Ovibosskelett war kurz zuvor von der zoologischen
Sammlung der Hochschulen in Zürich erworben worden, das meiste
davon aber noch nicht präpariert. Es stammt vom Gaasefjord, Elles-
meere Land. Der später durchgeführte Vergleich ergab sodann eine*
gute Übereinstimmung, zum mindesten zeigt der rezente Halswirbel
vom Moschusochsen dieselben wesentlichen Eigentümlichkeiten, wie
das fossile Stück. Letzteres gehört aber einem grösseren Individuum
an und der Bogenteil des Wirbels ist bei ihm relativ stärker gebaut.
Um bei der Bestimmung des Stückes vollkommen sicher zu gehen,
habe ich mir erlaubt, dasselbe Herrn Dr. H. G. Steht in in Basel zur
Begutachtung vorzulegen. Er schreibt: „Ich habe das Fundstück aus
der Kiesgrube ,beim Jakob' nach allen Richtungen verglichen und bin
schliesslich in der angenehmen Lage, Ihrer Deutung desselben mit
Reste von Ovibos moschatus Zimm. aus der Gegend des Bodensees. 285
aller Entschiedenheit beipflichten zu können. Alles, was der Grösse
nach sonst etwa in Betracht fiele, also ßoviden, Alces, Cervus, Hippo-
potamus, Equus, Rhinoceros, steht in jeglicher Hinsicht so viel ferner,
dass die kleinen Differenzen, welche das Fossil auch gegenüber den
vorliegenden Oviboswirbeln aufweist, keinen Anlass zu ernsthaften
Zweifeln zu bieten vermögen." Auf Anregung von Herrn Dr. Stehlin,
dem ich auch hier herzlich danke, habe ich mir weiteres Vergleichs-
material aus der zoologischen Sammlung der landwirtschaftlichen
Hochschule in Berlin erbeten und freundlicher Weise zugesandt er-
halten die Halswirbel des Skelettes Nr. 2822 (0. m. cf von den Barren-
Grounds am Mackenzieflusse) und des Skelettes Nr. 6043 (Bullen, der
5 Jahre im zoologischen Garten in Berlin lebte und angeblich aus
Nord -Ost -Grönland stammen soll). Der Vergleich zeigte nun mit
aller Deutlichkeit, dass der fossile Wirbel mit seinen Besonderheiten
durchaus innerhalb die Variationsbreite fällt, wie sie durch die Wirbel
der zwei Berliner und des Zürcher Skelettes gegeben wird. So Hess
sich auch mit Sicherheit konstatieren, dass es sich um den fünften
Halswirbel handelt.
Über die geologischen Verhältnisse der Fundstelle ist in der
soeben erschienenen Abhandlung von W. Schmidle (Zur geologischen
Geschichte des nordwestlichen Bodensees bis zum Maximalstand der
Würmeiszeit, Schriften des Ver. f. Gesch. des Bodensees und seiner
Umgebung, 35. Heft, 1906) genaueres angegeben. Die Sand- und
Kiesschichten beim Jakob gehören nach dem Verfasser in die von ihm
als zweite und dritte Phase bezeichneten Zeitabschnitte nach dem
Maximum der Würmeiszeit, d. h. in Achenschwankung und Bühl-
stadium nach Penck, das Gros der Kiesbank jedoch in die dritte
Phase (pag. 107). In dem Profil auf pag. 107 ist auch die Fundstelle
eines Mammutstosszahnes eingetragen, der kurz nach den oben be-
schriebenen Stücken ausgegraben worden war und auch im Rosgarten-
museum liegt. Schon früher sind im Kiesgebiet der „Flachhügel-
länder" um Konstanz Tierreste entdeckt und auch Spuren des Menschen
nachgewiesen worden, die von Penck (Penck und Brückner, Die Alpen
im Eiszeitalter, Liefg. 5, pag. 426) ins Magdalenien verwiesen werden
und nach ihm ins Bühlstadium (dritte Phase nach Schmidle) fallen.
Nach dem Erscheinen der Schmidleschen Abhandlung habe ich
Herrn Leiner nochmals um weiteren Aufschluss über die Fundstelle
des Moschusochsenwirbels und der anderen erwähnten Fossilien vom
Jakob gebeten. Er schreibt: „Die Knochenreste aus der Kiesgrube
beim Jakob, die Sie in Händen haben, wurden in den Jahren 1903
oder 1904 gefunden. Die Zeit weiss ich nicht mehr genau. Der
Mammutstosszahn wurde im Sommer 1905 gefunden. Ob die Sachen
286 K. Hescheler.
alle in der gleichen Schicht lagen, ist nicht mehr festzustellen, da
die Kiesschichten vollständig abgegraben sind. Es ist aber sehr
wahrscheinlich, da die Fundstelle des Mammutstosszahnes ziemlich in
gleicher Höhe liegt wie diejenige, wo die anderen Knochenreste her-
stammen, so viel ich mich erinnern kann. Die beiden Fundstellen
sind auch weit auseinander, an den entgegengesetzten Enden der
grossen Kiesgrube."
Für uns kommt als wichtig insbesondere in Betracht, dass diese
Funde, speziell der beschriebene Moschusochsen wirbel, demnach nicht
älter sind als die Kesslerlochsiedelung, die nach den neuesten Fest-
stellungen von Prof. J. Meister in die Achenschwankung zu setzen
ist. Somit hat das Vorkommen von Ovibos in der Kesslerlochfauna
weiter an Wahrscheinlichkeit gewonnen. Der sichere Nachweis des
Moschusochsen im Magdalenien der Bodenseegegend ist natürlich für
die Beurteilung der klimatischen Verhältnisse dieser palaeolithischen
Kulturepoche von grösster Bedeutung. 1878 schon hat Ecker von
Langenbrunn im Donautale bei Sigmaringen Moschusochsenreste be-
schrieben (Arch. f. Anthrop., Bd. X), weiter südlich aber in der Gegend
der Schweiz war er bis dahin nicht bekannt geworden (siehe auch
Verh. d. Schweiz, naturf. Ges. 1906, Über die Tierreste aus der Kessler-
lochhöhle); in Frankreich freilich ging Ovibos bis zum 45. Breiten-
grad. Mortillet (Le prehistorique, 3. ed., 1900, pag. 399) sagt, dass
er in Zentraleuropa in der Mousterienepoche gelebt habe. Er würde
sich also in der Gegend der Schaffhauser Höhlen noch im Magdalenien
nachweisen lassen. Als parallele Erscheinung kann die Verbreitung
des Rhinoceros tichorhinus herangezogen werden, von dem Mortillet
pag. 386 schreibt, dass „en France, bien que cite a la base des depöts
de Solutre, il n'a presque pas depasse l'epoque mousterienne" ; in der
palaeolithischen Kesslerlochfanna spielte das Nashorn als Jagdtier des
Menschen aber sicher noch eine Rolle (S tu der, Knochenreste vom
Kesslerloch, Denkschr. Schweiz, naturf. Ges., 1904, und Verbreitung
des Rhinoceros im Diluvium der Schweiz, Mitteilg. d. naturf. Ges.
Bern a. d. Jahre 1904). Siehe übrigens auch Harle (Un cräne de
boeuf musque, des Eyzies (Dordogne), Bull. soc. geol. France, IV. ser.
t. 1, 1901), der Ovibosreste beschreibt, die aus einer Schicht kommen
mit Silex, „dont la plupart sont de type magdalenien, mais dont
quelques-uns se rapprochent des racloirs mousteriens."
Der oben beschriebene fossile Wirbel ist, wie die Abbildungen
auf Tafel XIII zeigen, lädiert, die Querfortsätze und der Dornfortsatz
sind abgebrochen.
Entsprechend den Angaben von Tscherski (1. c. pag. 96) Hessen
sich folgende Messungen ausführen:
Reste von Ovibos moschatus Zimra. aus der Gegend des Bodensees.
287
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288 K. Hescheler.
Die Grösse des Lumens der Foramina transversaria (Gefässkanäle),
die bei den Halswirbeln von Ovibos auffallend gering ist, zeigt bei
den verschiedenen Individuen, deren Skeletteile zu dieser Untersuchung
vorlagen, eine ganz bedeutende Variabilität; an einzelnen Wirbeln
können sich diese Kanäle bis zur Obliteration verengern; der Durch-
messer wird so klein, dass offenbar kein Gefäss mehr durchziehen
konnte; es wird das letztere in dem Falle ausserhalb des Wirbels
seinen Weg genommen haben.
Vierteljahrsschrifl der Naturf. Ges., Zürich. Jahr/r, 52. 1907.
Taf. XIII.
Fig. I. Ansicht von vorn.
Fig. 2. Ansicht von hinten.
Halswirbel von Ovibos iiioscliatus. fossil von Konstanz.
Reduktion .Uli ''/i
VlN^^itRö
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau.
Von
A. Ernst.
Hierzu Tafeln XIV -XIX.
Inmitten der Sundastrasse, zwischen Java und Sumatra, liegt eine
Gruppe kleiner Inseln, welche vor einem Vierteljahrhundert Schauplatz
des grössten vulkanischen Ausbruchs in historischen Zeiten gewesen
sind: Krakatau^), Verlaten Eiland und Lang Eiland. Die drei
Inseln umschliessen ein fast kreisförmiges Becken von etwa vierzig
Quadratkilometer Fläche. An dessen Stelle dehnte sich vor dem
furchtbaren Ausbruch vom 26. bis 28. August 1883, von den beiden
anderen Inseln nur durch schmale Meeresarme getrennt, der nördliche
Teil der damals noch 9 km langen und 5 km breiten Krakatauinsel.
In ihrem südlichen Teil erhob sich als steiler Kegel der 832 m hohe
Rakäta, an welchen sich im Zentrum der Insel der mehrgipfelige.
*) Die offiziellen inländischen Bezeichnungen sind Poeloe (Insel) Rakäta für
Krakatau, P. Sertoeng für Verlaten Eiland, F. Rakäta ketjil für Lang Eiland. Über
die Bedeutung des Wortes Krakatau oder Rakäta hat Verbeek weder aus der Lite-
ratur noch durch Erkundigungen Gewissheit erlangen können. Schon die offizielle
Benennung Rakäta scheint eine abgeänderte Form zu sein, denn in malayischen
Schriften tauchen noch andere Schreibweisen wie Kalkata, Karkata auf. Der letzte
Name findet sich auch schon auf einer kleinen Karte der Sundastrasse vom Jahre 161 L
Vielleicht stammt der Name der Insel von den Sanskritausdrücken Karta, Karkata,
Kartataka ab, welche Krebs, Krabbe bedeuten. Auch Junghuhn („Java, seine Ge-
stalt, Pflanzendecke und innere Bauart", Leipzig 1854, Band IV, Seite 1) gibt an,
dass Rekata oder Rakäta im Altjavanischen, der sog. Kawisprache, Krabbe bezeichne;
demnach würde der Name Poeloe Rakäta etwa „Krabbeninsel" bedeuten. Die jetzt
gebräuchliche Form „Krakatau" ist vielleicht aus der amtlichen Bezeichnung Rakäta
im Sprachgebrauch der Seeleute entstanden. Seit der Eruption ist dieser Name, der
auch den Eingeborenen vorher schon geläufiger war als Rak;ita, allgemein üblich
geworden. Andere Schreibweisen wie Krakataoe, Krakatoa, Krakatoea, denen man in
der Literatur begegnet, sind im malayischen Archipel unbekannt. Mit Verbeek be-
zeichnen wir daher die Insel als Krakatau, ihren höchsten Berg mit dem alten
Namen Rakäta.
Vierteljahrsschrift d. Katurf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. 19*
290 A. Ernst.
etwa 400 m hohe Danan, der Rest einer ringförmigen Krater wand,
anlehnte; nördlich erstreckte sich bis zur Küste hin das hügelige,
von mehreren Gipfeln überragte Gebiet des Perboewatan. Die ganze
Insel war vom Strande bis auf die Spitze des Rakäta von un-
durchdringlichem Urwald bedeckt. Nur im Gebiet des Perboe-
watan fand Verb eek ^), welcher dem nördlichen, seither verschwun-
denen Teil der unbewohnten Insel im Juli des Jahres 1880 einen
kurzen Besuch abstattete, einige bis zur Küste reichende Lavaströme,
die, von spärlicher Vegetation bedeckt, an ihrer Oberfläche nur wenig
verwittert waren. Wahrscheinlich stammten dieselben von dem einzigen
bekannten Ausbruch im Jahre 1680 her.
Schon seit langem hielt man die vulkanische Tätigkeit auf der
Insel für gänzlich erloschen. Am 20. Mai 1883 aber öffnete sich
plötzlich unter heftigen, weit über Java und Sumatra hin hörbaren
Detonationen ein neuer Krater am Perboewatan, dessen Auswurfs-
material, Bimsstein und Asche, schon nach wenigen Tagen einen
grossen Teil der Insel, ebenso Teile von Verlaten Eiland mit einer
bis 1 m hohen Schicht überdeckte. Auf der Nordseite des hohen
Hauptgipfels und auf dem ganzen nördlichen Teil von Krakatau ragten
hie und da noch einige Baumstämme, armselige Reste des früheren
üppigen Waldes, aus der grauen Decke hervor, während auf der Süd-
seite des Kegels, auf Lang Eiland und einer vierten zwischen diesem
und Verlaten Eiland gelegenen, seit der Eruption vom 27. August
völlig verschwundenen Insel „Poeische Hoed" die Vegetation noch
wenig gelitten hatte.
Im Juni öffnete sich ein zweiter, Asche und Bimsstein aus-
werfender Krater am Fusse des Danan. Anfang August bildeten
sich ein dritter Krater und zahlreiche dampf- und rauchausstossende
Spalten an dem Südabhang des Danan, welcher später vollständig
einstürzte und den Hauptkrater für die letzten Eruptionen bildete.
Die Heftigkeit der Ausbrüche steigerte sich am 26. und 27. August
zu der furchtbaren Katastrophe, deren Wirkungen zum Teil auf der
gesamten Erdoberfläche wahrgenommen werden konnten.
Die Detonationen wurden nicht nur im Gebiet des ganzen
malayischen Archipels, sondern auch in Ceylon, Birma, Manilla,
Neu-Guinea und an der Westküste Australiens gehört. In Batavia
undBuitenzorg auf Java, 150 km vom Explosionsort entfernt, wirkten
sie wie heftige, aus nächster Nähe abgefeuerte Artilleriesalven. Der
*) Verbeek, R. D. M., Topographische en geologische heschrijving van Zuid-
Sumatra. Jaarboek van het Mijnwezen in N. 0. J. ISSl . Deal I, pag. 154 — 156;
179—181; 214-215.
Verbeek, R. D. M., Krakatau. Batavia 1885, pag. 5.
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau. 291
erzeugte Luftdruck machte die Fensterscheiben klirren und erschütterte
die Häuser so stark, dass im Innern Gegenstände von Tischen und
Gestellen heruntergeworfen wurden.
Während des Ausbruchs überschüttete der Vulkan seine ganze
Umgebung bis in eine Entfernung von 35 km mit glühenden Steinen
und heisser Asche. Was nahe lag, wie die Dörfer auf der von zwei-
tausend Menschen bewohnten Insel Sebesi, erlitt das Los von Hercu-
lanum und Pompeji. Ein dichter Aschenregen fiel über ganz Süd-
Sumatra, nordwärts bis Benkoelen und Palembang, in Westjava bis
über Batavia und die Preanger Regentschaften hinaus; feiner Aschen-
staub wurde über eine noch grössere Fläche, etwa 600 000 Quadrat-
kilometer, hingestreut. In südwestlicher Richtung erstreckte sich der
Aschenregen sogar 1200 km weit und allbekannt ist, dass allerfeinste
Teilchen vermengt mit Wasserdampf in die obersten Luftschichten
gelangten, durch Luftströmungen über die ganze Erde verbreitet
wurden und die prächtigen Dämmerungserscheinungen veranlassten,
die im Dezember 1883 überall zu beobachten waren.
Die Gesamtmenge der von den Kratern der Krakatauinsel vom
Mai bis August 1883 ausgeworfenen Massen wurde von Verbeek auf
Grund eingehender Berechnungen auf 18 Kubikkilometer geschätzt —
eine Schuttmenge, die z. B. genügen würde, um das ganze Gebiet des
Kantons Zürich mit einer Schicht von 10 m Mächtigkeit zu überdecken.
Durch diesen ungeheuren Materialverlust wurden der Hauptkrater und
die benachbarten Teile der Insel in ihrer Basis unterhöhlt und am
Morgen des 27. August erfolgte die Hauptkatastrophe: ein grosser
Teil der Insel und des umgebenden Meeresgrundes stürzte gleich einem
mangelhaft unterstützten Gewölbe zusammen. Den Trümmern nach
drängte wie in einen Trichter von allen Seiten die See, türmte sich
über dem versunkenen Krater im Zusammenprall wieder empor und
erzeugte gewaltige Flutwellen, die, gegen 40 m hoch und Felsblöcke
bis zu 300 Kubikmeter Inhalt mit sich führend, zu wiederholten
Malen über die benachbarten Küsten Javas und Sumatras herein-
brachen. Mehrere Kilometer landeinwärts wurde alles zerstört; ganze
Dörfer verschwanden und gegen 30000 Menschen fanden in der toben-
den See den Tod. In der flachen Javasee drang die Flutwelle nur
mit geringer Gewalt vor. Immerhin erlitten die niedrigen Inseln in
der Bucht von Batavia beträchtlichen Schaden und in Tandjong
Priok, dem Hafen von Batavia, wurden am 27. August von Mittag
an während der nächsten 36 Stunden nicht weniger als 18 Flutwellen
verzeichnet, von denen die erste und stärkste eine Höhe von mehr
als 2 m besass. Viel günstigere Bedingungen für ihr Fortschreiten
fand die Welle im tiefen Wasser des indischen Ozeans. Noch am
292 A. Ernst.
gleichen Tage wurden in allen Häfen desselben heftige Stosswellen
wahrgenommen. Am 28, August hatte die Flut bereits den Weg in
den nordatlantischen Ozean gefunden und wurde in Rochefort, Cher-
bourg, Havre und anderen Orten verspürt.
Die geologische Expedition, die zwei Monate nach der Eruption
unter der Leitung von Verbeek die Untersuchung der Inselgruppe
vornahm , konstatierte ungeheure Veränderungen (vergleiche das
Spezialkärtchen von Tafel XIV). Die kleine Insel „Poeische Hoed",
ein Stück von Lang Eiland sowie zwei Drittel der Hauptinsel mit
einer Fläche von 22,85 km'^ waren versunken. Die Bruchfläche ging
mitten durch den Rakäta, dessen höchster Punkt noch erhalten ge-
blieben war. Vom Gipfel an fiel der Berg jetzt in steiler, fast senk-
rechter Wand bis zum Meeresboden ab. An seinem Fuss wie auch
draussen in dem neuen Meeresteil, der zwischen den früher dicht
beisammen liegenden Inseln entstanden war, erreichte das Lot erst
bei 100, 200, stellenweise 300 m Länge den Grund.
Lava schien während des ganzen Ausbruchs nicht geflossen zu
sein, dagegen zeigten sich die drei Inseln von Bimsstein und Aschen-
schichten überdeckt, deren Mächtigkeit häufig 60 m, im Mittel 30 m
betrug. Verlaten Eiland und Lang Eiland waren um diesen Betrag
höher geworden. Das erstere hatte überdies rings an Ausdehnung
gewonnen. Ebenso hatte sich an der Südwest- bis zur Südostküste
der Krakatauinsel ein neuer Randgürtel gebildet, und zwar waren
hier zu den erhalten gebliebenen 10,7 Quadratkilometern 4,6 Quadrat-
kilometer Neuland hinzugekommen. In der kurzen seit der Erup-
tion verstrichenen Zeit von zwei Monaten, waren durch die Tätig-
keit des Wassers schon tiefe Täler und Schluchten, teilweise mit
6 bis 8 m hohen senkrechten Wänden, in die lockeren Schichten ein-
geschnitten worden. Auch war in der Nähe des Gipfels, wo die
neuen Schichten von Anfang an am schwächsten gewesen sein mussten,
hier und da ein Stück der alten Felsoberfläche mit gestürzten und
verkohlten Baumstämmen blossgelegt. Überall aber waren die letzten
Reste pflanzlichen Lebens, welche die ersten Ausbrüche noch über-
dauert hatten, unter der hohen Decke glühenden Gesteins völlig ver-
nichtet worden. Die ehemals grünen Inseln lagen als Wüste traurigster
Art da, einsam — 19 bis 25 km entfernt von den benachbarten,
gleichfalls halb verödeten Inseln Sebesi und Seboekoe, 35 bis 45 km von
den nächstgelegenen Punkten der javanischen und sumatranischen
Küste — unbewohnt und aller Wahrscheinlichkeit nach auch für
lange Zeiten unbewohnbar. Aber bald stellten sich die ersten
Pioniere pflanzlichen und tierischen Lebens ein und schon heute,
kaum 23 Jahre nach der gänzlichen Vernichtung allen organischen
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ILLINOIS
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau. 29S
Lebens auf der Eilandgruppe, sind die Inseln von einem neuen
Pflanzenkleid überzogen, stellenweise in solcher Üppigkeit, dass es
des Haumessers bedarf, um mühsam einen Weg durch dasselbe zu
bahnen.
I. Ergebnisse der Besuche von 1886 und 1897.
Es ist ein grosses Verdienst des berühmten Leiters der bota-
nischen Institute zu Buitenzorg auf Java, des genialen Forschers
Melchior Treub, das Studium der neuen Krakatauflora begonnen
und weiterhin ermöglicht zu haben. Die bis heute zu drei verschie-
denen Malen vorgenommene botanische Durchforschung der 1883
vegetationslos gewordenen Inseln hat ausser zahlreichen Aufschlüssen
allgemein biologischer Natur durch die 'Feststellung des Ver-
laufs der Neubesiedelung einen der wichtigsten Beiträge zur
Lösung der viel diskutierten Frage nach der Herkunft der Flora und
nach der Besiedelungsgeschichte weit vom Festland entfernter Inseln
geliefert. Die ältere Literatur 0 über dieses interessante pflanzen-
geographische Problem war, sofern sie sich auf direkte Beobachtung
gründete, auf die Besiedelungsgeschichte junger, aus dem Meere
emporwachsender Koralleninseln, also flachen abgelegenen Neulandes,
und auf die Untersuchung der Verbreitungsmittel der Pflanzen von
älteren Korallen- und Vulkaninseln angewiesen. Auf Krakatau bot sich
nun Treub ^) Gelegenheit zum Studium des komplizierteren Problems:
wie entsteht die Vegetation eines inselbildenden Vulkans, der bei
einer Eruption seine ganze Pflanzendecke verloren hat, oder — was
auf dasselbe hinausläuft — wie entstellt die Vegetation einer plötz-
lich aus dem Meer emporgehobenen hohen Insel, und ferner: in
welcher Reihenfolge treten die neuen Florenelemente auf der Insel
auf und durch welche äussere Faktoren wird die Neubesiedelung über-
haupt vermittelt?
Den aus dem Meere emporwachsenden Koralleninseln werden
die ersten lebenden Keime von Landpflanzen durch die Meeres-
strömungen zugeführt, welche Früchte und Samen, die an der
Wasseroberfläche dahintreiben, an den flachen Strand tragen. Einzelne
*) Eine vollständige Zusammenstellung derselben befindet sich in: W. B. Hems-
ley, Report on present State of Knowledge of various Insular Floras, Introduction to the
first three Parts of the Botany of the Chall enger Expedition, Botany, Vol. I.
pag. 69.
^) M. Treub, Notice sur la nouvelle Flore de Krakatau. Annales du Jardin
botanique de Buitenzorg, Vol. VII, 1S8S.
M. Treub, Over het nieuwe Plantenklecd van Krakatau: Naturkundig Tijd-
schrift vor Neederlandsch-Indie, Band 48, 1889.
^94 A. Ernst.
der gelandeten Keime sind noch lebensfähig. Sie treiben aus und
wachsen, sofern die Lebensbedingungen nicht allzu ungünstig sind,
zu den ersten Pflanzen der Insel heran. Es ist schon lange bekannt,
dass nur eine verhältnismässig kleine Zahl von Pflanzen in dieser Art
ihr Verbreitungsgebiet auszudehnen vermag. Die Vergleichung der
Inselfloren hat gezeigt, dass es ausschliesslich Strandpflanzen sind —
im malayischen Archipel gibt es ungefähr 320 Arten — deren Früchte
oder Samen die zu einer solchen Verbreitung durch die Meeres-
strömungen erforderlichen Eigenschaften aufweisen, d. h. die Fähig-
keit besitzen, während Wochen oder Monaten auf Meerwasser zu
schwimmen, ohne ihre Keimkraft einzubüssen.
Als zweiter wichtiger Faktor für die Besiedelung der Korallen-
inseln hat sich die Mitwirkung der Vögel ergeben, welche sich auf
solchen Inseln zum Ruhen niederlassen oder nach Nahrung suchen.
Sie können auf verschiedene Art zur Bereicherung der Inselflora
beitragen. Fruchtfressende Vögel deponieren mit ihren Exkre-
menten Samen, die den Darmkanal unversehrt passiert haben. Ferner
werden beim Ordnen und Putzen des Gefieders häufig Früchtchen und
Samen abgestreift, die vermittelst Häkchen oder anderer Vorrich-
tungen an den Federn hafteten oder zusammen mit Erde und Schlamm
an den Zehen mitgetragen worden sind.
Den Meeresströmungen und den Vögeln verdanken zahlreiche
Koralleninseln die ersten und verbreitetsten Pflanzen. Durch den Wind
und gelegentlich durch andere Faktoren werden denselben später,
wie aus zahlreichen Beobachtungen hervorgeht, auch Sporen und Samen
anderer Pflanzen zugeführt, welche nun auf dem von ihren Vorgängern
schon veränderten Substrat zusagende Keimungs- und Wachstums-
bedingungen vorfinden und rasch die noch vorhandenen Lücken in der
Inselvegetation ausfüllen.
Für Krakatau erwartete nun Treub in Analogie zu der eben
angedeuteten Entstehungsgeschichte der Flora rezenter Koralleninseln
etwa folgenden Gang der Besiedelung:^)
„Le littoral de l'ile se couvre de plantes ä l'aide des graines
amenees par les courants oceaniques et par les oiseaux tout comme
chez les iles de corail. Les elements qui composent la flore de cette
bände littorale remonteront petit-ä-petit les versants de File; cela
est possible parceque la plupart de ces plantes, bien que preferant
une Station saline, croissent vigoureusement encore eloignees de la
plage et ä une assez grande altitude. Cependant, plus la bände vege-
tale originaire de la plage remonte et plus sa marche se ralentira.
») M. Treub, 1. c. pag. 210.
Die neue Flora der Vulkaniiisel Krakalau. 295
Finalement ce sera presque uniquement par Tentremise des oiseaux
que les parties les plus elevees de l'ile se peupleront de plantes. Une
fois toute l'ile couverte d'un tapis vegetal peu dense encore, le terrain
sera peu ä peu prepare ä recevoir d'autres plantes dont les spores
ou les graines sont amenees par le vent ou par d'autres causes,"
Ganz anders aber stellte sich der wirkliehe Gang der Besiedelung
dar. Im Juni 1886, als die Insel von Treub zum ersten Male be-
sucht wurde, waren überall, vom Strande bis zum Gipfel, Anfänge
einer neuen Vegetation vorhanden und Treub konnte die wichtige
Tatsache feststellen, dass die Besiedelung des Strandes und des
Innern sowie der Abhänge des Kegels gleichzeitig, aber in
verschiedener Weise und in der Hauptsache mit verschie-
denen Pflanzen erfolgte. Als erste pflanzliche Ansiedler auf den
Bimsstein- und Aschendecken, auf dem biossliegenden Gestein in den
Schluchten des Bergabhanges wurden blaugrüne Algen festgestellt,
denen — nach den Befunden der späteren Expeditionen zu schliessen
— wohl schon damals Diatomeen und Bakterien beigemischt waren.
Die schwarzgrüne, gallertig -schleimige Schicht, mit welcher diese
zweifellos vom Winde nach der Insel getragenen, kleinsten und ge-
nügsamsten Organismen Bimsstein und Asche überzogen, bildete ein
geeignetes, nährstoffreiches Substrat für die Keimung von Moos- und
Farnsporen und der Samen von Blütenpflanzen, welche wie die ersteren
infolge ihrer Kleinheit und ihres geringen Gewichtes durch die Luft-
strömungen auf die Insel gelangten. Besonders charakteristisch für
die erste Epoche der Besiedelung war das quantitativ bedeutende
Vorherrschen der Farne, die mit 1 1 verschiedenen, im indomalayischen
Gebiet weit verbreiteten Arten vertreten waren, unter denen aber
nur zwei in der Strandflora der Inseln vorzukommen pflegen.
Ausser Kryptogamen wurden 1886 auch schon Phanerogamen
auf der Insel getroffen, im Vergleich zu den Farnen allerdings erst
in verhältnismässig kleiner Arten- und Individuenzahl. In der Drift-
zone des Strandes fand Treub Keimlinge von 9 Arten von Blüten-
pflanzen, deren Samen, durch die Meeresströmung ans Ufer getragen,
dort gekeimt hatten, ferner Früchte und Samen von 7 weiteren Blüten-
pflanzen, welche wie die ersteren der typischen Strandvegetation des
malayischen Archipels angehören. Im Innern und an den Abhängen
des Rakäta betrug die Zahl der Phanerogamen- Arten 8, von denen
zwei mit an der Küste gefundenen identisch waren. Die übrigen
6 Spezies, vier Kompositen und zwei Gräser, also mit leichten, teil-
weise mit Flugapparaten versehenen Früchtchen ausgerüstete Pflanzen,
waren offenbar gleich den winzigen Sporen der Kryptogamen durch
den Wind aus der umgebenden Inselwelt dem Neuland des Krakatau
296 A. Ernst.
zugeführt worden. Durch Tiere oder durch Vermittlung des Menschen
eingeschleppte Pflanzen waren auf der unbewohnten und nur schwer
zugänglichen Insel noch nicht vorhanden.
Das Problem der Erst- oder Neu-Besiedelung einer weit vom
Festlande abgelegenen hohen Vulkaninsel war also durch Treubs Be-
obachtungen in überraschender Weise gelöst worden. In vollständiger
Abweichung von dem in Analogie mit den Koralleninseln zu er-
wartenden Besiedelungsverlauf hatte sich als wichtigster Befund er-
geben, dass in der ersten Periode desselben die Elemente der Strand-
flora, welche als erste Besiedler der Koralleninseln auftreten, nur
einen verschwindend kleinen Anteil an dem neuen Pflanzenkleid haben.
Die Flora des Inselinnern hatte sich nicht nur völlig unabhängig,
sondern auch viel rascher als diejenige des Strandes entwickelt. Die
Anzahl der im Innern vorkommenden Arten war grösser und die
Individuenzahl besonders einzelner Farne so bedeutend, dass das Ge-
samtbild der entstehenden Vegetation durch diese Farne bestimmt
wurde. Zwischen ihnen erschienen erst hie und da, im Gebirge so-
wohl wie am Strande, einzelne Phanerogamen eingestreut.
Es wäre nun von grossem Interresse gewesen, die allmählichen
Veränderungen dieser noch so artenarmen und merkwürdig zusammen-
gesetzten neuen Pflanzenwelt der Insel festzustellen. Eine von Treub
in Aussicht genommene eingehende Durchforschung der Inselgruppe
während der nächstfolgenden Jahre musste indes leider unterbleiben
und erst mehr als 10 Jahre später, im März 1897 wurde der Krakatau-
insel durch Treub, Penzig^), Raciborski, Boerlage und Clau-
triau der zweite Besuch abgestattet.
In den IO72 Jahren, welche zwischen der ersten und zweiten
botanischen Durchforschung liegen, hatte eine wesentliche Vermehrung
der Artenzahl von Küsten- und Binnenlandflora stattgefunden. Im
ganzen wurden im Jahre 1897 auf Krakatau und den ebenfalls be-
suchten, im Jahre 1886 noch völlig vegetationslosen Inseln Verlaten
Eiland und Lang Eiland 62 Arten von Gefässpflanzen, 50 Phanero-
gamen und 12 Gefässkryptogamen, gefunden, sowie am Strande die an-
geschwemmten Samen und Früchte von weiteren 26 Blütenpflanzen ge-
sammelt. Der Pflanzenbestand der Insel war ein dichterer, stellenweise
geschlossener geworden, die Bildung charakteristischer Pflanzen-
vereine, Formationen, hatte begonnen. Auf allen drei Inseln fand
sich am Strande vorherrschend die als Pes Caprae-Formation be-
zeichnete Pflanzengesellschaft. Mangrom fehlte gänzlich und zu
Strandwaldungen war erst auf Verlaten Eiland ein Anfang gemacht.
*) Penzig, 0., Die Fortschritte der Flora des Krakatau. Annales du jardin
botanique de Buitenzorg 1ÜÜ2. II. sene, Vol. III, pag. 92— 113.
"L
Vierte'jahrsschrift der Naturf, Ges. Zürich, Jahrg. 52. 1907.
taf. XV.
rhut. : A. Ernst.
Fig. 3. Ansicht der Krakatauiiisel von Norden.
(pag. 326).
: ,/
^^ämBBk^
1^^
^...;- ^^^^H
J'hot..- A.Ktnat.
Fiy. 4. Gipfel des Kakata (882 m) mit der Abbriicliwand.
(pag. 323).
.NivEBsnv M '^'•""'"'
t)ie neue Flora der Vulkaninsel Krakataü. 29?
Weiter landeinwärts bildete das Pflanzenkleid eine Art Savanne
oder Grassteppe mit zum Teil mehr als mannshohen Gräsern, die
vielerorts sich zu dichtem Dschungel vereinigten. Auf den Hügeln und
Gräten fanden sich niedrigere Gräser, mit zahlreichen Farnen und
spärlichen Phanerogamen gemischt. An den Felswänden herrschten
noch wie 1886 die Farne stark vor. Sträucher waren erst spärlich
vertreten und Bäume fehlten fast ganz.
Unter den bis 1897 auf der Inselgruppe aufgetretenen 53 Phanero-
gamen waren, wie Penzig annimmt, 32 Arten (60,39 ^o) durch die
Meeresströmungen, 17 Arten (32,07 7») durch den Wind der Insel
zugeführt worden und nur 4 (7,54 70) schienen durch Vermittlung
von fruchtfressenden Tieren oder von Menschen auf die verödeten
Inseln gelangt zu sein.
II. Die Exkursion vom 24.-27. April 1906 in das Gebiet der Snndastrasse
und nach Krakatau.
Während meines Aufenthaltes in Buitenzorg wandte ich mich
gemeinschaftlich mit Herrn C. A. Backer, dem Verfasser einer umfang-
reichen in Druck befindlichen „Flora von Batavia", mit der Bitte an
Professor Treub, noch einmal einen Ausflug zum Studium der
Krakatauflora zu organisieren. In liebenswürdigster Weise ging er
darauf ein. Auf seine Verwendung hin wurde von der Regierung für
die geplante Fahrt ein kleiner Küstendampfer zur Verfügung gestellt,
der in jener Zeit zur Ablösung des Leuchtturmpersonals einige
Küstenpunkte im Gebiete der Sundastrasse zu besuchen hatte. Die
Dauer der Exkursion wurde auf 4 Tage und die Abreise auf den
24. April festgesetzt. Leider war Herr Professor Treub durch Krank-
heit verhindert, an der Fahrt teilzunehmen, welche nunmehr noch zwei
weitere an 's Lands Plantentuin in Buitenzorg studierende Botaniker,
die Herren Dr. Pulle aus Holland und Prof. Dr. Campbell aus
Kalifornien, mitmachten.
I. Vegetation und Flora der Koralleninsel Edam.
Am Morgen des 24. April 1906 verliess die „Snip" („Schnepfe"),
bei prächtigem Wetter den Hafen von Tandjong Priok, um zwischen
den zahlreichen kleinen Koralleninseln hindurch, welche der Nord-
westküste Javas vorgelagert sind, westwärts zu steuern. Unser
erstes Ziel war die kaum 12 km entfernte Insel Edam, welche
früher wie Onrust, Leyden und andere der kleinen Inseln ausser-
halb des Hafens von Batavia bewohnt wurde. Heute haust auf der-
selben nur noch der europäische Aufseher des grossen Leuchtturmes
Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. 20
298 A. Ernst.
mit Familie und einigen javanischen Dienern. Die unwirtlichen Inseln
mit ihren Häusertrümmern und überwachsenen Strassen sind der Herd
einer gefährlichen Malaria. Ganze Schwärme von Mücken sollen nachts
die Bewohner überfallen und werden auch tags über beim Durch-
streifen des Dickichts lästig. Der intensive Geruch nach verwesenden
Meertieren und Pflanzen, die bei der grossen Luftfeuchtigkeit fast
unerträgliche Hitze lassen schon nach kurzem Aufenthalt ahnen,
welch verderbliche Folgen ein längeres Verweilen auf einem dieser
Eilande für den menschlichen Körper haben muss. Die Leuchtturm-
wächter halten es hier auch trotz relativ hoher Besoldung nichb lange
aus und kehren mit ihren Familien nach 1 — 3 Monaten Dienst für
längeren Urlaub nach Batavia, in ein gesunderes Klima zurück.
Die Insel ist von weisser Brandung umgürtet; auf schmaler Einfahrt
tanzt das Boot einem kleinen Steindamm entgegen, der auf dem
Korallenriff zur Erleichterung der Landung aufgebaut worden ist.
Während in wiederholter Fahrt die Nahrungsmittel für die wenig-
köpfige Inselbevölkerung, das Petroleum für die Leuchtturmlampe ge-
landet, Postsachen und Monatslöhne ausgeteilt werden, haben wir
Zeit, die Insel zu durchstreifen. Auf einer mit hohen Gräsern über-
wachsenen Strasse, am kleinen Gemüsegarten und einer Kokospflanzung
vorbei, gelangen wir durch verwildertes Kulturland ins Innere und
an den gegenüberliegenden Strand, wo in breitem Streifen die ur-
sprüngliche Vegetation erhalten ist.
Am Wege finden sich zahlreiche Exemplare einer grossen, baum-
artigen Euphorbiacee, PhijUanthus Emhlica. Von denselben hängen
wirre Strähnen und dichte Knäuel gelbgrüner und bräunlicher Fäden
herab. Alle Äste und Zweige dieser Bäume sind mit einem dichten
Netzwerk ähnlicher Fäden überzogen und gleiches Flechtwerk bedeckt
unter den Bäumen auch die Gräser und Kräuter. Die langen Fäden
sind die Stengel einer windenden Schmarotzerpflanze, Cassytha fili-
formis, die in ihrer ganzen Gestaltung auffallend an unsere ein-
heimischen Cuscutam^iQn erinnert, obschon sie, zur Familie der
Lauraceeii ^ehövcndi, mit jener, einev Co/ivolridacee, gar nicht näher
verwandt ist. Ihr Vegetationskörper setzt sich wie derjenige von
Cuscuta aus einem verzweigten System windender Achsen zusammen,
an welchen umgewandelte Adventivwurzeln als Saugfortsätze die Ver-
bindung mit den Geweben der Wirtpflanze herstellen. Die eigenen
Wurzeln sind verschwunden, die Blätter zu kleinen, unscheinbaren
und funktionslos gewordenen Schuppen reduziert. Die reproduktiven
Teile dagegen, Blüten und Früchte, sind reich entwickelt und sitzen
in grösseren kugeligen oder länglichen Ständen beisammen. Die
weissen Früchte heben sich scharf aus dem Geflecht von Wirt und
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau. 29d
Schmarotzer ab; die Vögel stellen ihnen eifrig nach und tragen durch
Verschleppung der Samen wesentlich zur Verbreitung dieser inte-
ressanten Strandpflanze bei, welche ihrer parasitischen Lebensweise
noch nicht so vollständig angepasst ist wie Cuscuta. Sie vermag
noch selbstständig zu assimilieren und geht als Onuu'ror fast auf
alle Pflanzen der Strandvegetation über. Im Innern der Insel findet
sich ein Dickicht verschiedenartiger Bäume und Sträucher. Neben
PliyUatithus Emhlica und PhijlUnfthus siuqjlex findet sich Aca-
hjpJie indica als weiterer Vertreter der an halophilen Arten reichen
Familie der Euphorbiaceen, von Leguminosen Bauhinia Blanroi und
Leucaena glauca, deren junge Früchte und reife Samen im Archipel
als Zutat zur Reistafel genossen werden. Der Boden ist mit Kräutern,
Stauden und Sträuchern, vornehmlich aus den Familien der Gräser,
Cijpe)-aceen, Compositen, Labiaten und Leyutninosen überdeckt.
Der uns begleitende Aufseher mahnt beim Eindringen in das Gebüsch
zur Vorsicht, da hier ausser der 3 bis 4 m langen, aber ungefährlichen
„Riesenschlange", Python reticularis, auch einige kleinere, gefähr-
liche Giftschlangen vorkommen.
Die Südküste der Insel ist flach und sandig. Ein breiter Streifen
wird von einer niedern, fast strauchlosen Vegetation überdeckt. Die
beiden Charakterpflanzen derselben sind Spiuifex squa/'rosus und
Ipomaea pes Caprae. Beide sind dem Leben im Strandgebiete in
vorzüglicher Art angepasst. Spinifex squarrosus ist ein starres, bläu-
lich schimmerndes Gras mit Büscheln gerundeter scharf - spitziger
Blätter, die durch harte, im Sande verborgene Ausläufer miteinander
verbunden sind. Die niedere Wachstumsform, die Verankerung der
Stöcke im lockeren Sande durch tiefgehende Wurzeln sind Anpassungen
an den häufigen und starken Winden ausgesetzten Standort.
In vorzüglicher Weise macht sich aber Spinifex diesen für die
vegetative Gestaltung ungünstigen Faktor zur Verbreitung der
Früchte dienstbar. Die Fruchtstände sind von auffallender Grösse
und vollkommen kugelig. Die Ahrchen sitzen dichtgedrängt im
Zentrum der kopfgrossen Kugeln an der Basis langer, steifer Spindeln,
die borstenförmig nach allen Seiten ausstrahlen. Die reifen Frucht-
stände fallen ab und werden vom Winde wie federleichte Bälle ') über
den Strand gerollt, bis sie an andern Pflanzen hängen bleiben oder
ins Wasser geweht ein Spiel der Wellen werden. Während des Fort-
rollens fallen einzelne Früchtchen heraus, andere aber bleiben länger
') S. a. Goebel, K., Pflanzenbiologisclie Schilderungen, Bd. 1, 1889, jiag. 135.
Die eigentümliche Verbreitungsweise dieser Fruchtstände ist aucli dem Javanen
wohlbekannt. Die malayische Bezeichnung der Pflanze ist djoekoet lari lari, d. h.
„laufendes Gras" (Miijuel 1. c. III, pag. 474).
300 A. Ernst.
mit dem Fruchtstaud in Verbindung, mit dem sie durch den Wind
über weite Strecken des Strandes oder durch das Wasser an andere
Inseln getragen werden. Zwischen den Rasen von Spinifex squarrosus,
der Ipomaea pes Caprae und Iponiaea pes Tigridis erheben sich
einzelne Sträucher und höhere Kräuter, von denen die in zahlreichen
stattlichen Exemplaren vorkommende Tacca pinnatiflda mit ihren
zwei bis vier grossen schirmförmigen Blättern und dem starken Frucht-
stand am meisten auffällt.
An der Nordostküste rücken Bäume und Sträucher bis zum
Wasser, ja bis in dasselbe hinein vor. Wir finden hier einen, wenn
auch nicht sehr mannigfaltigen Mangrovegürtel, an kleinen Korallen-
inseln sonst eine nicht gar häufige Erscheinung. Er setzt sich auf
Edam vornehmlich aus den Rhizophoraceen Bhizophora conjugata,
Brugiera gymnorhiza, Brugiera caryophylloides und den Lythra-
ceen Sonneratia alba und Pemphis acidula zusammen.
Ein grosser Teil des früher in Kultur genommenen inneren
Landes der Insel ist jetzt mit Gräsern, im besonderen der mehr als
mannshohen Imperata arundimicea bedeckt. An den Wegrändern
finden sich in Menge die auf Java überall zusammen vorkommenden
Verbenaceen Stachytaipheta indica mit blauen Blüten und Lantana
Caniara , deren Blütenstände in den verschiedensten Nuancen von
Gelb und Rot schimmern, ferner zahlreiche Compositen, die, wie
Bidens pilosus, Vernonia cinerea und Wedelia glabrata in den
wärmeren Gegenden der ganzen Welt verbreitet sind oder wie Tridax
procumhens und im besonderen Synedrella nodiflora aus der neuen
Welt sich über die Tropen der alten Welt verbreitet haben. Die
Ausbeute der kaum zweistündigen Exkursion war eine beträchtliche.
Sie bestand aus 75 Phanerogamen und 2 Gefässkryptogamen. Auf
dem Korallenriffe hatte ich ferner 12 verschiedene Grünalgen, vor-
wiegend Caulerpa-, Udotea-, Halimedaarten , ferner einige Rot- und
Braunalgen sammeln können.
Da die Zusammensetzung der Flora auf den benachbarten Inseln
wohl eine ähnliche sein dürfte wie auf Edam und unsere Funde
ein interessantes Vergleichsmaterial mit denjenigen auf anderen
Koralleninseln bieten, wie sie z. B. von Scliimper') und Guppy^)
beschrieben worden sind, sei es gestattet, an dieser Stelle das Ver-
zeichnis^) der Flora von Edam folgen zu lassen.
') Schimper, A.F.W., Die indo-malayische Strandflora. Jena 1891, pg.l85— 188.
'*) Guppy, H. B., The dispersal of Plants, as illustrated by the flora of the
Keeling or Cocos Islands.
^) Die von den Herren C. A. Back er und Dr. Pulle auf Edam und den andern
auf unserer Krakatauexkursion besuchten Inseln und Küstenpunkten gesammelten
Pflanzen sind von Herrn Back er bestimmt worden, der in gütiger Weise auch die
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau.
301
Angiospet^niae ,
Farn. Compositae :
Farn. Goodeniaceae .
Farn. Rubiaceae:
Farn. Lahiatae.
Farn. Verbenaceae
Farn. Borraginaceae:
Fam. Co/ivolvulaceae.
Farn . Asclepiadaceae :
Fam. Myrtaceae:
Fam. Rhizophoraceae .
Fam. Lijthraceae:
Fam. Passifloraceae .
Fam. Sterculiaceae :
Fam. Maluaceae:
Fam. Vitaceae:
Bidens pilosus L.
X Eclipta alba Hassk,
Synedrella nodiflora Gaertn.
Tridax procumbens L.
Vernonia cinerea (L.) Less.
• Wedelia glabrata B. et H.
X Scaevola Koenigii Vahl.
X Guettarda speciosa L.
xMorinda citrifolia L.
• Oldenlandia umbellata L.
• Anisomeles albiflora Miq.
Leucas linifolia (Roth) Spreng.
• Ocimum basilicum L.
X Clerodendron inerme Gaertner.
Lantana Camara L.
xPremna foetida Reinw.
Stachytarpheta indica Vahl.
X Vitex Negimdo L.
X Cordia subcordata Lam.
Calonyction asperum Chois.
Xlpomaea Pes Caprae Sw.
• Ipomaea Pes Tigridis L.
X Hoya spec.
• Eugenia Jambolana Lam. (?)
xBrugiera caryophylloides Bl.
X Brugiera gymnorhiza Lam.
xRhizophora conjugata L.
X Pemphis acidula Forst.
xSonneratia alba Smith.
• Passiflora foetida L.
Sterculia foetida L.
X Thespesia populnea Corr.
• Vitis trifolia L.
Revision und teilweise Bestimmung der von mir gesammelten Gefässpflanzen be-
sorgte. Das mir von Herrn Backer übermittelte alphabetische Verzeichnis unserer
Ausbeute an Phanerogamen und Gefässkryptogamen wird entweder im , Verslag van
's Lands Plante ntuin teBuitenzorg" oder in den ,Medeelingenuit's Lands
Plantentuin te Buitenzorg" im Druck erscheinen. Der Übersichtlichkeit halber
habe ich in dieser und den folgenden Pflanzenlisten die Anordnung nach Familien
getroffen und noch die Namen einiger Pflanzen eingesetzt, deren Vorkommen ich
n meinen ausführlichen, an Ort und Stelle gemachten Notizen vorgemerkt habe,
von denen indessen, da es sich um weitverbreitete und allgemein bekannte Pflanzen
handelte, keine Belegexemplare mitgenommen worden waren.
302
A. Ernst,
Fam. Rhamnaceae:
Farn. Sapindaceae :
Fam. Anacardiaceae .
Fam. Euphorbiaccae .
Fam. Meliaceae:
Fam. Leguminosae.
Fam. Lauraceae:
Fam. Portulacaceae:
Fam . Aizoaceae :
F am . ^'^z/ c tag ii i a ceae.
Fam. Amarcuitaceae .
Fam. Taccaceae:
Fam. Palmae:
Fam. Cyperaceae:
Fam. Gramineae.
X Colubrina asiatica Brongn.
•Sageretia oppositifolia Biongn.
X Zizyphus lujuba Lam.
• Allophylliis Cobbe Bl.
Schleichera trijuga Willd.
Buchanania florida Schauer.
• Acalyphe indica L.
X Euphorbia Atoto Forst.
• Phyllanthus Emblica L.
• Phyllanthus simplex Müll. Arg.
Ricinus communis L.
X Carapa molucceusis Lam.
xAbrus precatorius L.
Bauhinia Blancoi Baker.
X Canavalia obtusifolia D.C. ■
• Crotolaria Saltiana Andr.
xDesmodium triflorum D.C.
• Indigofera tinctoria L.
Leucaena glauca Benth.
• Zornia diphylla Pers.
X Cassytha filiformis L.
X Hernandia peltata Meisn.
• Portulacca australis Endl.
xPortulacca oleracea L.
X Sesuvium portulacastrum Willd.
xBoerhavia repanda Willd.
• Aerua lanata (L.) Juss.
X Achyranthes aspera Lam.
X Tacca pinnatifida Forst.
X Cocos nucifera L.
XCyperus pennatus Lam.
• Cyperus hyalinus Vahl.
• Fimbristylis spathacea Roth.
Andropogon contortus L.
Eleusine aegyptiaca Desv.
Eragrostis tenella R. et Seh.
Imperata arundinacea Cyr.
Paspalum distichum L.
Paspalum sanguinale Lamk.
X Spinifex squarrosus L.
X Thuarea sarmentosa Pers.
X Zoysia pungens Willd.
Die neue Flora der Yulkaninsel Krakatau. 303
JPtet'idoifJitjta:
Farn. PoJypodiaceae: XPolypodium quercifolium L.
Polypodium acrostichoides Forst.
Drymoglossiim spec.
Nicht weniger als 36 dieser Pflanzen (in der Liste mit X bezeichnet)
sind im Schimperschen Verzeichnis ^) der indo-mahiyischen Strandflora
als typische Halophyten aufgeführt und weitere 19 Arten (in der Liste
mit • bezeichnet) gehören Gattungen an, aus denen ebenfalls charak-
teristische Strandpflanzen bekannt sind. Für die Mehrzahl dieser
Pflanzen ist festgestellt, dass ihre Samen und Früchte leicht über das
Meer gelangen können und durch die Meeresströmungen verbreitet
werden. Für eine kleinere Zahl derselben dürfte in Anbetracht des
verhältnismässig kleinen Abstandes der Insel von Java auch Über-
tragung durch Winde stattgefunden haben. Es sind dies: EcJipUt
alba. Wedelia glahrata, Cyperus hyalinus, Fifnbrisfijlis spdthacea,
Polypodium quercifolium, oder durch Vögel: Scaevola Koenigii,
Morinda cifrifolia, Clerodemlron inerme, Premna foetida, Vifex
Ke(/u/ido, AllophyUus Cobhe, Cassytha ßliformis.
Ausser den zahlreichen Vertretern indo-malayischer Strandflora
haben sich auf Edam auch eine grössere Anzahl von Binnenland-
pflanzen angesiedelt. Einzelne derselben, wie Sterculia foetida,
Phylhnithus Emblica, P/iyllanfhus simplex, Leucaena glauca,
Schleichera trijuga. Ricinus communis und Indigofera tinctoria,
sind jedenfalls durch den Menschen eingeführt worden, für andere,
wie Synedrella nodiflora, Anisomeles albiflora, Leucas linifolia,
Lantana Caniara und Stachytarphefa itidica ist teils Einschleppung
durch Menschen, teils Übertragung durch Vögel möglich. Die beiden
Farne Polypodium acrostichoides und Drymoglossum spec, einzelne
der Compositen, Bidois pilosus, Trida x procumbens xxndi Ver/io/iia
cinerea, die Früchtchen der Gramineen Andropogon contortus.
Eleusine aegyptiaca, Eragrostis tenella, Imperata arundi)iacea,
Paspalum distichum und Paspalum sanguinale werden durch den
Wind vom benachbarten javanischen Festlande herübergetragen wor-
den sein. Wohl in ungefähr gleicher Art wie auf Edam dürfte sich
die Flora der anderen früher bewohnten Inseln vor dem Hafen Batavias
aus typischen Strandgewächsen und eingeschleppten Binnenlandpflanzen
zusammensetzen, während auf den entfernteren Inseln wie denjenigen
der „Duizend Eilanden", von denen einige von Schimper besucht
worden sind, die ganze Pflanzenwelt aus Arten der Strandformation
Javas gebildet wird.
1) Schimper, A. F. W., 1. c. pag. 100.
304 A. Ernst.
IpxS Gebiet der tausend Inseln geht nun zunächst auch unsere
Fahrt. Das Schiff steuert der 25 km entfernten Insel Pajoeng zu,
die, umgeben von den Hörn- und Agenieten-Eilanden, etwa 20 km
von der javanischen Küste abliegt. Auf der östlichsten von drei
Inseln, die von einem etwa 100 m breiten Korallenriff umzogen ist,
steht wieder ein Leuchtturm mit einigen Wohngebäuden. Der Küste
entlang zieht sich östlich ein niederer, ins Wasser vorgeschobener
Mangrovesaum, westlich erhebt sich hinter sandigem Strande, der mit
Ipomaea. Spinifex und Vigna lutea bewachsen ist und uns während
des kurzen Aufenthaltes eine reiche Sammlung grosser und bunter
Muschel- und Schneckenschalen spendet, der dunkle, von hellgrauen
Casuarinen durchbrochene Barringtoniawald.
2. Am Strande von Vlakke Hoek (Sumatra).
Vor Einbruch der Nacht erreichen wir Poeloe Babi, eine grössere
Insel mit bewaldeter Küste und während der Nacht trägt uns das
Schiff zwischen Sebesi und Seboekoe hindurch an die sumatranische
Küste. Am folgenden Morgen liegt die „Snip" schon vor Sonnen-
aufgang vor der Leuchtturmstation „Vlakke Hoek" an der Südspitze
der westlichsten von den drei Halbinseln Südsumatras. 60 m hoch
ragt der eiserne Turm aus dem dunkeln Strandwalde empor. Als am
27. August 1883 die Flut hier — 103 km von Krakatau entfernt —
15 m hoch über den flachen Strand hereinbrach, widerstand der Turm
der Gewalt der Wellen; die benachbarten aus Stein und Eisen kon-
struierten Bauten dagegen wurden weggerissen, Balken und Eisenteile
fanden sich später in grosser Entfernung im Gewirr der gestürzten
Bäume.
Noch heute sind in der Vegetation von Vlakke Hoek nicht alle
Spuren der vor 24 Jahren erfolgten Verwüstung verschwunden. In
der Umgebung der kleinen Ansiedelung ist ein neuer Kokoswald ent-
standen. Ein Teil des verwüsteten Kulturlandes aber ist mit Im-
perata arundinacea, dem im Archipel weit verbreiteten Alang
Alanggras bedeckt, das überall Waldschläge und verlassene Felder
mit hohem Teppich überkleidet und nur langsam dem neu empor-
wachsenden Walde weicht.
Der Strand von Vlakke Hoek (Tandjong Rata der Eingebornen)
ist flach und sandig. Östlich der Niederlassung ist dem Strande ein
grosses rechteckiges Korallenriff vorgelagert, an dessen äusserm Rande
sich die Wellen schäumend brechen. Die steigende Flut verhinderte
leider die algologische Durchforschung des Riffes, die, nach den
Vierteljahrsschrift der Naturf, Ges. Zürich. Jahrg, 52. 1907.
Taf, XVI.
Nt^
."■■■■-■1 '■ ■^^^*^Si^i^-^^^'~:J^^^^i^-^S^^^»^^^
I'/iot : A. Ernst.
Fiy. 5, Driftzone an der Südostküste von Krakatau.
Im Hintergrund Sfrandwald (pag. 316).
Hiul.: A. Ernst.
'i(j. 6. Stran<lel)ene zwischen der Al)l)riieh\\'and mid dem Vorf)el)ir(je „Zwarte Hoek'
Im Vordergrund die langen^ kriechenden Sprosse von Ipomaea pes caprae und Vigna lutea (pag. 324).
Of 'HE
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau. 305
interessanten Funden am Strande zu schliessen, offenbar eine reiche
Ausbeute geliefert hätte.
Mangrove fehlt in der Umgebung von Tandjong Rata. Spinifex-
und Barringtoniaformation wechseln mit einander ab. Vielerorts eilen
die Flutwellen über den feinen Sand bis zum halb fj-ei gelegten Wurzel-
werk der äussersten Bäume des Strandwaldes empor. Wo der Wald
sich weiter von der Küste entfernt, sind grössere und kleinere Flächen
mit Spinifex squan^osus, Ipomaea pes caproe überdeckt, finden sich
Sträucher von Hibiscus tiliaceus, Hernandia peltata, Coluhrina
asiatica, schimmern die graugrünen Blätter von Tournefortia
argentea. Unter den niedern Bäumen und Sträuchern der Legumi-
nosen Desmodium umhellatiun, Pongamia glahra, Sophora tomen-
tosa finden sich das schön blühende Gras lliuarea sarmentosa ;
ferner die Gräser, Zoijsia pilngens und Oi^Usmenus compositiis,
die Cyperacee Fimhristijlis spathacea, einige Farne mit einfach
gefiederten Blättern, Neplirolepis hirsutula und grosse Büsche von
Acrostichum aureum. Cassytha fiUformis schmarotzt auch hier
auf verschiedenen Kräutern und Sträuchern. Weiterhin finden sich
zahlreich Scaevola Koenigii, eine Goodeniacee mit Büscheln fleischig-
saftiger, hellgrüner Blätter an den Enden der langen Zweige und
regelmässig aufgebaute jüngere Exemplare von Terminalia Katappa
in dichtem Bestände. Einen seltsamen Anblick bieten einige Gruppen
von Barringtonia speciosa. Zahlreiche Bäume liegen halb ent-
wurzelt mit dem Stamm auf der Erde, die Krone halb aufgerichtet.
Es sind Veteranen, welche die Flutwelle von 1883 gefällt hat und
die sich inmitten des jungen Nachwuchses erhalten haben. Ihre
mächtigen Stämme und Äste sind mit einem dichten Kleide kleiner
Epiphyten, Flechten, Leber- und Laubmoose bedeckt, während den
andern Strandpflanzen Epiphyten noch völlig fehlen. In den Lich-
tungen finden sich Büsche von Crinum asiaticum, einer stattlichen
Amaryllidacee mit langen Blättern und zahlreichen weissen Blüten.
In phantastischer Gestalt stehen am Strande einige hohe Pandanus
mit dichten Schöpfen scharf und spitz bewehrter Blätter. Die nach
unten spitz kegelförmig endigenden Stämme werden durch Pfeiler-
wurzeln gestützt, die 1 — 2 m über dem Boden am Stamme entspringen
und schief auswärts dem Boden zustreben. Einige jüngere von diesen
1 — 5 cm dicken Adventivwurzeln haben den Erdboden noch nicht er-
reicht. Ihr Gewebe ist ausserordentlich weich und wasserreich (peri-
pherische Korkschichten verhindern eine allzustarke Wasserverdun-
stung) und die stumpf kegelförmige Vegetationsspitze ist von einer
gewaltigen, aus zahlreichen häutigen Schichten bestehenden Wurzel-
haube gegen Austrocknung und Beschädigung geschützt.
306
A. Ernst.
Zwei Stunden nur waren uns zur Durchstreifung der Umgebung
des Leuchtturmes vergönnt. Schon um 9 Uhr kehrten wir mit unserer
Ausbeute zu dem harrenden Boot zurück. Ich lasse das Verzeichnis der
gesammelten Gefässpflanzen (38 Phanerogamen, 4 Farne) hier folgen:
Fam. Compositae:
Farn. Goodenidceae
Fam . Rubia ceae :
Fam. Acanthaceae:
Fam . Verbenaceae :
Fam, Borragina ceae .
Fam . Convolvulaceae .
Fam. Myrtaceae:
Fam.
Fam.
Fam.
Fam.
Fam.
Fam.
Fam.
Comhretaceae.
Guttiferae :
Sterculiaceae :
Malvaceae :
Vitaceae:
Rha^nnaceae :
Sapindaceae :
Fam. Leguminosae :
Fam. Lauraceae :
Fam. Moraceae:
Fam. Casuarinaceae :
Fam. ÄTnaryllidaceae:
Fam . Flagellariaceae :
Fam. Gype7^aceae:
Fam. Gramineae:
• Wedelia glabrata B. et H.
X Scaevola Koenigii Vahl.
X Guettarda speciosa L.
• Ixora jDaludosa Boerlage.
• Eranthemum diversifolium Miq.
Lantana Camara L.
xPremna foetida Reinw.
Stachytarpheta indica Vahl.
X Tournefortia argentea L.
Xlpomaea pes caprae Sweet.
X Barringtonia speciosa Forst.
• Eugenia formosa Wall.
X Terminalia Catappa L.
X Calophyllum Inophyllum L.
• Pterospermum acerifolium Willd.
xHibiscus tiliaceus L.
• Vitis lanceolaris Wall.
X Colubrina asiatica Brongn.
• Allophyllus Cobbe Bl.
Aphania montana Bl.
X Dodonaea viscosa L.
• Crotalaria Saltiana Andr.
X Desmodium umbellatum DC.
xPongamia glabra Vent.
xSophora tomentosa L.
xCassytha filiformis L.
X Hernandia peltata Meisn.
• Ficus Leucantatoma Poir.
X Casuarina equisetifolia Forst.
X Crinum asiaticum L.
X Flagellaria indica L.
• Fimbristylis spathacea Roth.
Imperata arundinacea Cyrill.
Oplismenus compositus Beauv.
xSpinifex squarrosus L.
X Thuarea sarmentosa Pers.
XZoysia pungens Willd.
Die neue Flora der Yulkaninsel Krakatau. 307
Farn. Pfnid(UHicc(ie: »Pandanus spec.
Fain. PoIypodidCi'dc: X Acrostichum aureum L.
Asplenum nidus L.
Neplirolepis hirsutula. Pres!.
Lygodium dichotomum Swartz.
Die Flora von Tandjong Rata setzt sich also, wie aus dem vor-
stehenden \'erzeichnis hervorgeht, vorwiegend aus typischen Halo-
phyten zusammen. Nicht weniger als 22 der 38 Phauerogamen finden
sich in dem Schimperschen Verzeichnis der indo-malayischen Strand-
pflanzen wieder, und für 11 weitere Arten, welche ebenfalls Gattungen
angehören, die unter ihren Arten indo-malayische Strandpflanzen
zählen, dürfte die Zugehörigkeit zur Strandflora wahrscheinlich sein.
Nur 8 der aufgeführten Gefässpflanzen, darunter 3 Farne, haben ihr
Hauptverbreitungsgebiet im Binnenlande.
Die epiphytische Flora der alten Barringtoniastämme von Vlakke
Hoek weist nachfolgende Moose und Flechten') auf:
Miisci: Trichosteleum hamatum Dz. et Mb.
Calymperes Hampei Dz. et Mb.
Hyophila Micholitzii Broth.
Jungerniannidceae akrogijnae:
Cheilolejeunea parvula Schifln. n. sp.
Microlejeunia cucullata (Reinw., Bl. et Nees) St.
Acrolejeunia integribractea Schiffn.
Lophoiejeunia spec.
LicJienes: Parmelia perforata Ach.
Parmelia relicina Fr.
Physcia spec.
3. In der Sundastrasse; Winde und Meeresströmungen.
Gleichen Tages noch sollten wir Gelegenheit bekommen, an einem
ebenso selten betretenen Punkte der javanischen Küste zu botani-
sieren. Die „Snip" ging, die Sundastrasse in ihrem breiteren westlichen
Teile durchquerend, hinüber nach dem westlichsten Vorsprung von
Java, „Javas eerste Punt". Bei starkem Winde und hohem Wellengang
war diese Fahrt auf einem Schiffe von nur 300 Tonnen ein recht
^) Die Bestimmung der von mir auf der Krakatau -Exkursion gesanunelten
Kryptogamen ist in liebenswürdiger Weise von den Herren Prof. Dr. V. F. Broth erus
(Laubmoose), Prof. Dr. V. Schiffner (Lebermoose), Prof. Dr. A. Zahlbruokner
(Flechten). Prof. Dr. P. Lindau (Pilze) und Dr. E. de Kruyff (Bakterien) besorgt
worden. Ich spreche den genannten Herren auch an dieser Stelle für ihre Be-
mühungen meinen besten Dank aus.
308 A. Ernst.
zweifelhaftes Vergnügen, das die Seetüchtigkeit der Passagiere auf
eine harte Probe stellte. Glücklicherweise blieb der Himmel teil-
weise bedeckt und die Temperatur erträglich. In der Nacht war
sie auf 37° C gesunken und betrug auch zur Mittagsstunde nur 2972° C
im Schatten. Immerhin fiel die Präparation der gesammelten Algen,
das Einlegen der Pflanzen auf dem schmalen Deck des aufwärts und
abwärts, nach links und rechts schaukelnden Schiffes recht beschwer-
lich. Selbst mein weitgereister und fleissiger Diener Sahib fand auf
einmal die gewohnte Beschäftigung nicht mehr „enak" (schmackhaft)
und wir folgten dem Beispiel der anderen, die schon längst auf Stühlen
und Bänken ausgestreckt dem nachteiligen Einfluss des „Slingerens
und Trampelens" des Schiffes mit mehr oder weniger Erfolg zu ent-
gehen suchten.
Wir sind hier (die Krakataugruppe liegt ungefähr 105° 25' ö. L.
und 6° 10' s. Br.) inmitten des äquatorialen Streifens der Monsun-
bewegungen in Luft und Wasser. Es weht ein starker Südost-
monsun, der uns die Wellen gerade entgegentreibt. Während das
Schiff gegen Wind und Wellen ankämpfend dem nächsten Ziele zu-
steuert, erteilt mir der Kapitän, Herr Nix, der mit seinem kleinen
Küstendampfer seit Jahren jeden Monat 3 Fahrten im Gebiete der
Sundasee ausführt und dabei 21 Leuchtturmstationen an der Nord-
küste Javas und den benachbarten Küsten Sumatras und Borneos be-
sucht, bereitwilligst Auskunft über Winde und Strömungen im Java-
meer und im besonderen in der Sundastrasse. Die nachfolgenden
Ausführungen über die Luft- und Wasserströmungen, die ja für die
Besiedelungsgeschichte der Krakatauinseln von allergrösster Bedeutung
sind, beruhen zum Teil auf diesen Mitteilungen von Herrn Nix, sind
aber wesentlich ergänzt und erweitert nach den Angaben des Segel-
handbuches der deutschen Seewarte') und anderen Quellen^).
Der Südostmonsun setzt im weiteren Gebiete der Sundastrasse,
an der Nord- und Südküste Javas und im Süden Sumatras während
des Monats April ein, tritt aber erst im Mai als vorherrschender
Wind auf und ist in den Monaten Juni bis September am kräftigsten.
Seine Richtung bleibt während dieser Zeit nicht fortwährend dieselbe,
sie bewegt sich vorwiegend zwischen Südsüdost und Ost. Durch die
hohen, steilen Küsten von Java, welche namentlich im Nordwesten
') Neumayer, G., (Direktion der deutschen Seewarte) Segelhandbuch für den
indischen Ozean. Hamburg 1892.
^) Neumayer, G., Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen.
III. Aufl. 1906.
Hann, J., Handbuch der Klimatologie. II. Bd. Stuttgart 1897.
Boguslawski, G. v., und Krümmet, 0., Handbuch der Ozeanographie. I. Bd.
1884. n. Bd. 1898.
t)ie neue Flora der Vulkaninsel Krakatail.
3Ö9
nahe an Sumatra herantreten und die Sundastrasse stark einengen,
wird der Südostmonsun oftmals von der Strasse und Sumatra abge-
halten und an seine Stelle tritt dann ein westlicher oder südwest-
licher Seewind. Der Südostmonsun bringt die schöne Jahreszeit mit
vorwiegend trockenem Wetter und verhältnismässig leichtem Wind.
Zur Zeit seiner unbeschränkten Herrschaft, namentlich im Juli und
August, beträgt der mittlere Stärkegrad der Winde 3 Grad Beaufort
(5,5 m per Sekunde); heftigere Winde mit G bis 7 Grad Beaufort (13,5 bis
16,5 m per Sekunde) sind wohl im Gebiete der Sundastrasse wie in den
mehr nördlich gelegenen Gebieten, auf welche sich die Angaben der
nachfolgenden Tabelle ^) beziehen, selten.
Häufigkeit der verschiedenen Windstärlcen (Beaufort) im Gebiete der Javasee.
Mittel aus den
Beobachtungen
"Wind-
stärke
Mittel
Zahl der
Beobach-
tungen
Süd
-H^s-Br.
-7»s.Br.
Ost
lOG— 110')
107—1192)
fanuar und
Februar
0
0
6
14
10
4
6
6
15
31
8
7
5
2
■3°s.3r. 106—110
-70s. Er. 107-119
Juli und
Aug
ust
10
0
16
27
21
3
0
1
15
7
15
38
31
13
1
34
80
78
120
3,4
3,0
2,8
3,0
') Karimatastrasse zwischen der Westküste von Borneo und der Ostküste von
BilHton.
2) Javasee nördlich der Sundastrasse.
In der Zeit zwischen September und November vollzieht sich der
Monsunwechsel. Er wird eingeleitet durch das Eintreten von süd-
lichen und westlichen Winden. Die Zeit des typischen Nordwest-
*) Segelhandbuch für den indischen Ozean, pag. 56. Die am meisten in
Gebrauch stehenden Windstärke -Skalen sind die zwölfteihge Beaufortsche Skala
[0 = Windstille, 12 = Orkan] und die davon abgeleiteten sechs- und zehnteiligen
Skalen. Nach neuesten Untersuchungen (s. Kann, J., Lehrbuch der Meteorologie.
Leipzig 1901 , pag. 376/77) entsprechen den nach zwölfteiliger Beaufort-Skala ge-
schätzten Windstärken im Mittel folgende Windgeschwindigkeiten:
Beaufort - Stärke nach
Schätzung: 12 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Geschwindigkeitsmittel
m per Sek. (n. Koppen): 1,7 3,1 4,8 6,7 8,8 10,7 12,9 15,4 18,0 21,0 26 40-50.
Bei Reduktion auf die oben angewendete zehnteilige Skala:
Geschätzte Stärke (0—10 Beaufort) : 1 234 5 6 7 8 9 10
m per Sekunde: 2 3,5 5,5 8 10,5 13,5 16,5 22,5 28 30 u. m.
310
A. Ernst.
Prozentuale Häufigkeit der Winde im Gebiete der Sundastrasse.
(0— 10" s. Br. und 100—105 ö. L.
Monat
Breiten
^
0
^^%
0
0
0
0 0
cc
1
^
^
^
;2;
Windstille
und leichte
Winde
<1 ^
i 0"— 5» S.
Januar 1
50— loos.
20
4
4
4
—
—
—
—
—
—
8
8
2
16
4 20 16
24 15 22
16
17
61 65
5 57
Febr.
0"— 50 S.
5o_iuo y_
2
2
2
—
—
—
2
—
—
2
3
2
3
11
i 1
3 i 20 52
36 19 ' 24
13
4
40 1 70
38 j 86
März
0»— 50 s.
5°— 10« S.
11
2
3
1
1
5
1
9
1
11
5
5
—
3
1
2
3
10
6
4
16
9
21 20
17 14
i
13
G
39
67
20s
36S
April
0"— ö^S.
5"-100S.
2
4
6
4
3
8
20
2
5
2
1
2
2
3
2
1
13
7
18
5
2
5
1
2
12
6
1
7
4
17
2
2
3
4
7
10
1
15
2
3
15
4
1
1
0
2
73
51
251
48i
Mai
0"— 5« S.
5"— 10« S.
—
—
1
2
4
6
15
18
11
15
17
20
2i
4
25
4
5
3
9
3
10
2
4
4
6
6
70
67
41^
48?
Juni
0»— 50 s.
5o_ioo s.
2
1
7
5
8
3
25
10
13
37
16
11
2
61
59
29C
71^
Juli
0"— 5° S.
5«— 10«S.
2
1
1
1
2
8
26
19
19
25
27
12
11
3
8
4
2
5
2
1
1
2
5
4
6
2
43
56
45c
75]
August
0«— 5« S.
5«— 10« S.
1
2
2
3
4
2
20
16
22
30
29
21
8
7
4
5
14
6
8
4
5
,2
7
8
4
1
1
1
2
1
1
2
1
46
47
27c
48(
Septbr.
0«— 5«S.
5«— 10« S.
—
1
1
2
3
16
34
23
26
24
17
6
3
45
48
36(
41(
Oktbr.
0«- 5« S.
5«— 10« S.
2
—
—
6
3
18
14
11
30
31
35
6
2
10
7
9
7
4
2
—
2
—
1
—
64
35
27 (
22-^
Novbr.
0«- 5« S.
5«— 10« 9.'
.. ■:2
.'2
2
4
22
23
6
15
1
6
4
—
3
3
3
4
37
m
Dezbr.
0«- 5« S.
5«— 10« S.
—
—
—
—
21
32
—
5
—
—
—
5
11
—
26
48
5^
(Die halbfetten Ziffern der Windzahlen in obenstehender Tabelle zeigen an, dass mehr als '
(17«/o). die unterstrichenen, dass mehr als '/s (33«/o) aller Winde auf einen Strich kommer
(Aus dem Segelhandbuch für den indischen Ozean, pag. 556.)
t)ie neue t'lorä der Vulkaninsel KrakataU. 311
Monsuns (des nach Überschreitung des Äquators durch die Erd-
rotation nach links gedrehten Nordostmonsuns) beginnt im November
und dauert bis März. Er bringt schlechtes Wetter, die Regenmenge
nimmt zu und erreicht im Januar und Februar ihr Maximum. Die
Richtung der Winde (Tab. pag. 310) ändert zwischen West und Nord-
nordwest. Seine gewöhnliche Stärke ist ungefähr dieselbe wie diejenige
des Südost-Monsuns, + 3 Beaufort. In den Angaben der Schiffsbücher
sind gewöhnlich die Stärkegrade 1 — 3, seltener für mehrere Tage 5—6
und nur vereinzelt auch 7 notiert (siehe obige Tabelle). Ende März
oder im April findet wieder Monsunwechsel statt. Eine vor-
herrschende Windrichtung (Tabelle pag. 310) existiert während dieser
Zeit nicht: unregelmässig aus allen Himmelsgegenden wehende Winde
werden durch Windstillen, Fallwinde und Wirbelstürme unterbrochen.
Während allen Jahreszeiten kann auch ein täglicher Wechsel der
Windrichtung stattfinden und zwar so, dass der Wind am Vormittage
von Süden, am Nachmittage von Norden weht; dazwischen liegt eine
kurze Periode der Windstille.
Ausser den Monsunwinden sind auch Stürme, deren untere Ge-
schwindigkeitsgrenze 17 bis 23 m per Sekunde beträgt, nicht selten.
Bei Orkanen soll die Windgeschwindigkeit auf 30 bis 60 m an-
steigen. Von kürzerer Dauer und kleinem Ausdehnungsgebiete sind
die Böen, Stosswinde, die an den gebirgigen Küsten von Südostsumatra
und Westjava, wie in den übrigen Teilen des indischen Ozeans nament-
lich zur Zeit des Monsunwechsels, in grösster Zahl im Februar bis
April auftreten.
Die Strömungen des Wassers in der Sundastrasse sind von den
Winden abhängig, tragen aber zugleich den Charakter von Gezeiten-
strömungen. Die Stromrichtung wechselt täglich und zwar findet
innerhalb 24 Stunden nur ein Gezeitenwechsel statt, wobei der nörd-
liche Strom Hochwasser, der südliche Niederwasser bringt. Der Ein-
fluss der vorherrschenden Winde äussert sich im allgemeinen dahin,
dass zur Zeit des Südostmonsuns der nach Südsüdwest gerichtete
Ebbestrom, während der Herrschaft des Westmonsuns dagegen der
nach Nordnordost gehende Flutstrom sowohl an Dauer wie an Stärke
erheblich überwiegt.
Im Ostmonsun, von Mai bis Oktober, läuft der Strom ungefähr
18 Stunden ununterbrochen stark nach Südwest, während der übrigen
6 Stunden schwach nach Nordost, oder es ist Stillwasser. Umgekehrt
setzt in den Monaten des Westmonsuns, Dezember bis Februar, der
Strom ungefähr 18 Stunden lang stark nach Nordost ein und nur
für 6 Stunden schwach nach Südwest. Die Unterbrechungen des
vorherrschenden Stromes durch Ströme entgegengesetzter Richtung
3J3 A. Ernst.
oder Stillwasser finden bei Tage statt; die Nacht gehört dem jeweils
vorherrschenden Strom, der namentlich zur Zeit des Neu- und Voll-
mondes seine grösste Stärke erreicht, zur Zeit der Mondsviertel da-
gegen am schwächsten ist. In den Übergangsmonaten November,
März und April und auch zu anderen Zeiten, wenn die Windverhält-
nisse nicht stark ausgeprägt sind, sind die Unterschiede in Dauer und
Stärke der beiden Ströme mehr ausgeglichen.
Die Gesamtrichtung der Ströme ist Nordosten und Süd-
westen, im übrigen je nach der Örtlichkeit verschieden, da sie sich
stark dem Verlauf der Küste anpasst. Sie ist im nördlichen Ein-
gang der Strasse unter der Sumatraküste zwischen Nordinsel und
Strom-Rock (Stroomklip), sowie unter der Javaküste zwischen drittem
und viertem Punkt (derde punt und vierde punt) Nordnordost und
Südsüdwest; zwischen Krakatau und der Prinzeninsel (Prinsen
Eiland) Ostnordost und Westsüdwest, zwischen Seboekoe und Hog-
spitze (Varkens Hoek) Ostsüdost und Westnordwest. Im ganzen
geht die Strömung in der Sundastrasse das Jahr hindurch
viel mehr in südwestlicher als in nordöstlicher Richtung.
Im Ostmonsun ist das Überwiegen des Südweststromes gegen den Nord-
oststrom nicht selten so stark, dass bei den zugleich vorherrschenden
leichten Winden dieser Jahreszeit nordwärts fahrende Segelschiffe
tagelang am Weiterkommen verhindert sind oder sogar wieder zurück
und zur Strasse hinausgetrieben werden (Segelhandbuch pag. 567).
Mit grösster Stärke tritt der Strom im nördlichen Eingang der
Strasse auf, wo seine Geschwindigkeit oftmals über 5 km per Stunde
beträgt. Auch im grossen Kanal, zwischen Krakatau und der Prinzen-
Insel, ist eine Geschwindigkeit von 3 bis 4 km nicht selten, beträgt
aber im Mittel wohl nur 1 ^'2 bis 2 km. Erheblich schwächer ist der
Strom, wenigstens der in der Richtung nach Südwesten gehende, im
Prinzenkanal und unter der Javaküste vom zweiten bis zum vierten
Punkt.
4. An der Süd Westküste Javas: „Javas erster Punkt".
Etwa drei Stunden nach der Abfahrt von Vlakke Hoek sind
wir inmitten der Sundastrasse; östlich wird, mit dem Gipfel in die
schweren Wolken hinaufragend, Krakatau sichtbar. Unser nächstes
Ziel liegt aber noch weiter südlich. Um 3 Uhr taucht vor uns die
Küste von Java und derselben vorgelagert Prinsen Eiland auf.
Bald sind wir in dem ruhigen Fahrwasser hinter der Prinzeninsel und
fahren in die stille Bucht ein, welche von der javanischen Küste und
der kleinen Möveninsel, „Meeuwen Eiland", umschlossen wird. Ein
prächtiger Blick eröffnet sich uns auf das waldige Hügelland und den
Vierteljahrsschrift der Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52, 1907,
Tat. XVII.
I-h,.t..- A.Ernst.
Fig. 7. .Junge Kokospalme am oberii Rande der Flutzone (Südostküste von Krakatau).
Links Ipomaea pes caprae, rechts Strauch mit Cassytha fiiiformis.
I'hot.: A.ErvKt.
Flg. 8. Pandamis am vStrando (Ostküste von Krakatau).
Rechts im Bilde Saccharum sponlaiieum; im Hintergrund !inl<s Casuarinenwaid {pag. 320).
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau. 313
470 in hohen Vulkaukegel des Goenong Pajoeng. Vor uns erhebt
sich aus dem dunkelgrünen Waldsaume auf 40 m hohem, felsigem Vor-
gebirge der gemauerte, auch am Tage weithin sichtbare Leucht-
turm. Etwas weiter links steht einsam am Strande ein kleines Ge-
bäude, ein Lagerhaus und daneben die Ruine eines grossen, weit
ins Wasser vorgebauten Schutzhauses. Gegen dieses Mauerwerk hin
führt uns das Boot durch die Rififbrandung gegen 4 Uhr nachmittags
an den Strand. Bis Sonnenuntergang ist uns am Strande zu sammeln
gestattet. Vorsorglich hat uns der Kapitän aus der Waffenkammer
des Schiffes mit Gewehr und Munition ausgerüstet, denn Tiger und
Rhinoceros sind in diesen abgelegensten Teilen von Westjava noch
sehr häufig. Durch eifriges Knallen suchen wir uns die Bahn in den
dunkeln Strandwald und das angrenzende Grasdickicht zum voraus
zu sichern. Am Landungsplatze dehnen sich Rasen von Ipomaea
pes caprae^ blühen grosse Büsche von Hihiscus tiliaceus, Scaevola
Kooiigii, Tournefortia argentea. Unter mächtigen Exemplaren
von CalophijUum wachsen Iscliaemum muficiun, Euphorbia Atoto,
von Compositen Wedelia glabrata, Ageraturn conyzoides u. a. An den
Stämmen von Calophyllum rankt sich die dickblätterige Hoija empor.
Stämmen und Ästen schmiegen sich die breiten Rhizome von Poly-
podium quercifolium an, Blätter von zweierlei Gestalt tragend. Es
wechseln Nischenblätter von der Gestalt riesiger Eichenblätter
mit einfach gefiederten, sporentragenden Laubblättern ab. In
grosser Zahl und vielfach dicht zusammengedrängt sitzen an älteren
Rhizomteilen noch die ausgetrockneten und gebräunten Skelette
der humussammelnden Nischenblätter, während gewöhnliche Laub-
blätter vielfach nur an den jüngsten Teilen des Rhizomes vorkommen.
Stacheliger Rotang und niedriger Pandanus erschweren das Ein-
dringen ins Innere, wo Saccharum spontaneum, verschiedene Cype-
raceen, Farne den Boden überkleiden, Schling- und Kletterpflanzen
Baumstämme und auch die grossen Korallenblöcke schmücken, welche
1883 die Flut mehrere hundert Meter weit landeinwärts mitgerissen
hat. Hier finden wir als Epiphyt und Bodenbewohner Kephrolepis
c'xaltata, die Pflanzen des Unterholzes überziehend einen andern
zierlichen Farn, Lijgodium dichofomum , mit tief fingerlappig ge-
teilten Endfiedern der Blätter. Durch Blütenpracht lenken Aerides
odorafa und eine Zingiberacee, Costiis speciosus, die Aufmerksamkeit
auf sich. Wir bringen 36 Gefässpflanzen (32 Phanerogamen und 4 Farne)
zum Schiffe zurück. Sie sind in nachfolgender Liste aufgeführt:
Fam. Compositae : Ageratum conyzoides L.
• Blumea balsamifera D.C.
Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. 21
314
A. Ernst.
Farn, Compositae: Vernonia cinerea Less.
Farn. Goodeniaceae :
Farn. Ruhiaceae:
Farn. Verbe/iaceae:
Farn. Borraginaceae :
Farn. Convolvulaceae :
Farn. Asclepiadaceae :
Farn. Apocynaceae:
Farn. Lytkraceae:
Farn. GuttifeiYie:
Fani . Dilleniaceae :
Farn. Malvaceae:
Farn. Vitaceae:
Fam. Euphorhiaceae:
Fam, Leguminosae :
Fam. Orchidaceae:
Fam. Zingiheraceae:
Fam. AmarylUdaceae .
Fam. Liliaceae:
Fam. Cyperaceae:
Fam. Grmnineae:
Fam. Pandanaceae:
Fam. Schizaeaceae :
Fam. PoJyj)odiaceae:
• Wedelia glabrata B. et H.
X Scaevola Koenigii Vahl.
Sarcocephalus cordatus (Roxb.) Miq.
Gmelina villosa Roxb.
xViiex pubescens Vahl.
• Vitex Negundo L.
X Tournefortia argentea L.
Xlpomaea pes caprae Sw.
• Hoya spec.
X Cerbera Odollam Gaertn.
Lagerstroemia speciosa Pers.
X Calophyllum Inophyllum L.
• Tetracera Assa D.C.
xHibiscus tiliaceus L.
Leea sambucina Willd.
• Vitis arachnoidea Backer.
X Euphorbia Atoto Forst.
XDesmodium umbellatmn D.C.
xSophora tomentosa L.
Aerides odoratum Lour.
Costus speciosus Smith.
X Crinum asiaticum L.
Smilax spec.
X Cyperus brevifolius Valck. Sur.
X Cyperus cyperinus Valck. Sur.
Cyperus umbellatus Benth. (Mariscus um-
bellatus Vahl).
Xlschaemum muticum L.
Saccharum spontaneum L.
• Pandanus spec.
Lygodium dichotomum Swartz.
Nephrolepis exaltata Schott.
• Polypodium quercifolium L.
Pteris longifolia L.
Die Flora in der Umgebung von „Javas eerste Punt" zeigt also
eine wesentlich andere Zusammensetzung als in Tandjong Rata
(Sumatra) oder auf Edam. Die 36 Arten gehören nicht w^eniger als
24 verschiedenen Familien an. Besonders auffallend ist hier aber das
starke Zurücktreten der typischen Strandpflanzen. Während auf
Edam die Halophyten 46 7o, mit Einbezug der mit • bezeichneten
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau. 315
Arten 72 %, in Vlakke Hoek 57 % resp. 83 "/'o der Gesamtzahl aus-
machen, gehören von den hier gefundenen 36 Pflanzen nur 14(39 7o)
resp. 21 (58 7o) der indomalayischen Strandvegetation an. Indessen
sind auch die 15 anderen Arten fast durchweg solche mit weiten Ver-
breitungsgebieten. Die Compositen Ageratum comjzoides und Ver-
nonia cinerea bewohnen die wärmeren Gegenden der ganzen Welt,
SarcocejjJialus cordatus, Lagerstroeniia speciosa, Tetracera Assa,
Leea sambucina sind von Vorderindien bis Südchina, über den
malayischen Archipel bis zu den Philippinen und nach Australien ver-
breitet, und ebenso erstreckt sich das Vorkommen von Aerides odora-
tum, Saccharum spontaneum, Cyperus unihellatus weit über Java
und Sumatra hinaus. Nicht zu verwundern ist es also, dass wir nicht
weniger als 6 dieser 15 Binnenlandpflanzen, deren weite Verbreitung
offenbar auf ihrer Ausrüstung mit leicht transportabeln Samen oder
Früchten beruht, später auch auf Krakatau angetroffen haben.
Um 6 Uhr führt uns das Boot zum Schiffe zurück; eben taucht
die Sonne hinter dem Leuchtturm unter. Der Himmel ist noch von
roten Wolken bedeckt und leuchtet in prächtigen Farben, finster um-
schliesst der Wald die stille Bucht. Das Nachtleben des Waldes er-
wacht, Fledermäuse in allen Grössen flattern durch die Luft, lautlos,
mit langsamem Flügelschlag, zieht der fliegende Hund (Kalong), nach
einem Fruchtbaume suchend, über die Bucht dahin. Aus dem Walde
erschallt das Gekreisch lärmender Aö'en, während im Alang Alang-
dickichte schon die Wildschweine tätig sind, und Königstiger, Panter
und Wildkatze aus dem Tagesversteck herausschleichen und zur nächt-
lichen Beutefahrt sich anschicken.
Bis Mitternacht bleibt die „Snip" bei Javas 1. Punkt vor Anker.
Wir benutzen den ersten Teil der willkommenen Ruhezeit zur Prä-
paration und zum Einlegen der gesammelten Pflanzenschätze und
strecken uns nachher in den Liegestühlen auf Deck zur wohlverdienten
Ruhe aus. Sie wird nur zu früh unterbrochen, als das Schiff aus der
geschützten Bucht und der Strasse zwischen Prinsen Eiland und Java
wieder in die offene Sundastrasse hinaussteuert, das Schaukeln von
neuem beginnt und neugierige Wellen, ihren Weg über Deck suchend,
die Schläfer zu eiligem Rückzuge in die engen und schwülen Kabinen
zwingen.
5. Auf Krakatau und Verlaten Eiland.
In der Morgendämmerung des 26. April nähert sich unser Schiff
in langsamer Fahrt der Krakataugruppe. Vor uns erhebt sich in
geringer Entfernung das Ziel unserer Reise, Krakatau mit seiner
charakteristischen Vulkangestalt. Deutlich ist die durch die Spitze
31G A. Ernst.
gehende, senkrecht zum Meere abstürzende Bruchfläche zu erkennen.
Nach Südosten senkt sich der halbierte Kegelberg steil gegen einen
flacheren Fuss mit vorgelagerter kleiner Strandebene. Rechts von
Krakatau ist Lang Eiland, zwischen beiden Inseln hindurch Verlaten
Eiland sichtbar. Weiter rechts, in nordöstlicher Richtung triflft der
Blick die hohen bewaldeten Inseln Sebesi und Seboekoe, die Berge
Sumatras, nach Südosten die javanische Küste.
Mit steigender Verwunderung gewahren wir bei der Annäherung
an die Ostküste von Krakatau die erstaunlichen Fortschritte der Vege-
tation. Fast die ganze Südostseite, vom Strande bis an den Gipfel
und den Rand des steilen Abhanges ist mit Grün überdeckt. An der
Südostküste, wo wir zuerst zu landen gedenken, läuft dem Strande
parallel ein Waldgürtel, in welchem sich aus der Ferne schon die
zahlreichen graugrünen Casuarinen erkennen lassen. Weiter südlich er-
heben sich neben schlanken Laubbäumen mit quirlig gestellten Asten die
dunkeln Wedel einiger Kokospalmen. Auch auf der langsam zum Fusse
des Kegelberges ansteigenden Ebene sind vereinzelte Bäume und Sträu-
cher sichtbar. In einigen Schluchten auf halber Höhe des Berges ver-
einigen sie sich wieder zu waldartigen Beständen und weitere isolierte
Bäume und Sträucher sind auch an den obersten Abhängen und auf
dem Gipfel zu erkennen.
Um 6 Uhr fällt der Anker und das Boot trägt uns ungeduldig
Wartende über die noch immer mit Bimssteinen überdeckte Wasser-
fläche an den flachen Strand. Hier (Fig. 5 Tafel XVI), am oberen Rande
der von der Flut überspülten Zone, untersuchen wir zunächst, was die
Wellen dem öden Strande seit Jahr und Tag zuführen. Im Gewirr von
Baumstämmen und zerbrochenem Astwerk, welches den Strand be-
deckt, liegen auf dem lockeren Bimssteinboden, in dem man Schritt
für Schritt bis über die Knöchel einsinkt, grosse und kleine Korallen-
stöcke, braune Tange, zerbrochene Muscheln und Schneckenschalen,
grüne Algenballen. In grosser Zahl und bunter Mannigfaltigkeit sind
den Auswürfen des Meeres auch Früchte und Samen von Landpflanzen
beigemischt. Viele lassen deutlich die Spuren einer langen, bewegten
Reise erkennen, ihre Schalen sind bis zur Unkenntlichkeit zerfetzt
oder gänzlich abgerieben. Andere aber sind völlig frisch, wie eben
vom Baume gefallen. Nicht wenige dieser Früchte sind schon in
Keimung begriffen und haben sich mit langer Pfahlwurzel im Sub-
strate verankert; andere dagegen sind von Tieren siebartig durch-
bohrt oder völlig ausgehöhlt, so besonders die grössten der Drift-
früchte, die Kokosnüsse. Zahlreich finden wir hier die eiförmigen,
bis 1 dm langen Steinfrüchte von Gerber a Odollam, an welchen ge-
wöhnlich die äussere Schale fehlt und ein inneres, von zähen Fasern
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau. 317
durchzogenes, lockeres Gewebe, das Schwimmgewebe, blossgelegt ist.
Häufig sind ferner die schwarzbraunen, gerippten Früchte einer Strand-
palme, Aljxi frufica/is, die unregelmässig eckigen Samen aus der
kopfgrossen, goldgelben Frucht von Carapa, einzelne Früchte und
Teile des Fruchtstandes von Pandanus, die grossen, vierkantigen
Früchte von Baningtonia sjieciosa, die flachen, bootförmigen Stein-
kerne von Terminalia Kafappa, kugelige Früchte von Calophijllum,
die steinfruchtartigen Samen von Cycas und zahlreiche weitere kleine
und grosse Früchte und Samen. Fast dieselben Früchte und Samen
hatten wir an den Tagen zuvor am Strande der Koralleninseln Edam
und Pajoeng im Javameer, an den besuchten Punkten der javanischen
und Sumatranischen Küste gesammelt. Sie stammen alle von Strand-
pflanzen, deren Verbreitung sich nicht auf die Küsten Javas und
Sumatras und die zahlreichen Inseln der Javasee, auch nicht auf den
malayischen Archipel beschränkt, sondern sich vielfach von Afrika
bis Neu-Guinea, für einzelne sogar über den ganzen Tropengürtel
erstreckt. Es sind dieselben, welche auch die ersten Besiedler der
jungen Korallenriffe und -Inseln liefern. Luftführende Hohlräume in
Frucht- oder Samenschale, besondere voluminöse, aber leichte Schwimm-
gewebe bedingen ihr geringes spezifisches Gewicht und verleihen ihnen
Schwimmfähigkeit, während der Keimling durch eine innere harte
und undurchdringliche Schale vor der schädlichen Einwirkung des
Meerwassers geschützt bleibt. Diesen Eigenschaften ihrer Samen
und Früchte verdanken die Strandpflanzen ihre grossen Verbreitungs-
bezirke und machen sie zu den Pionieren der Vegetation, welche
zuerst von neuem Land im Meere Besitz ergreifen.
Typische Strandpflanzen sind es auch, denen wir in der neuen
Strandflora der Krakatauinsel begegnen. Innerhalb der Driftzone
finden wir zunächst, dem Waldgürtel je nach der Ufergestaltung in
wechselnder Breite vorgelagert, einen niederen Teppich tropischer
Dünenflora, der Pes Capra eiorm^iiion, wie sie von Schimper be-
nannt worden ist. Ihre auffallendsten und wichtigsten Vertreter
haben wir schon auf dem sandigen Strande von Edam kennen ge-
lernt. Auch hier kreuzen sich auf der lockeren Unterlage die langen,
weithin sich erstreckenden, an den Knoten bewurzelten Stengel von
Iponiaea pes caprae mit ihren grossen blauvioletten Blütentrichtern
und den dicken saftigen Blättern, und die Ausläufer von Spi/iifex
sqi/arfosKS. Dazwischen breiten sich noch die Sprosse einiger eben-
falls dem Substrate angeschmiegt wachsender Leguminosen, der gelb-
blühenden Vigna lutea und Vigna luteola und der grossblätterigen
CdnavaJia ohtusifoUa aus. Nur hie und da erheben sich aus dem
regelmässigen Ausläufernetz einige höhere Gräser und Cyperaceen,
318 A. Ernst.
eine Wolfsmilch mit wachsüberzogenen, bläulich schimmernden Blät-
tern und niedere Büsche, deren Zahl und Höhe gegen den Wald-
rand hin zunimmt. Wir begegnen zahlreichen Bekannten von Edam
und Vlakke Hook. Es findet sich hier die weit verbreitete Malvacee
HibiscHs tiliaceus mit den schönen gelben Blüten, Scaevola Koenigii,
Cley^odendron inerme, Premna foetida , und mit dichtem Gewirr
gelbgrüner, an sonnigen Stellen braunroter zylindrischer Fäden über-
zieht Cassytha filiformis wahllos Gräser, Kräuter und Stauden und
geht auch auf das Geäst der höheren Sträucher und Bäume des be-
nachbarten Strandwaldes über.
Der junge Strandwald auf Krakatau, der, allerdings noch von
zahlreichen Lichtungen durchbrochen, hinter dem niedern Gürtel der
Pes Capraeformation sich erhebt, setzt sich hauptsächlich aus solchen
Bäumen und Sträuchern zusammen, die der Botaniker auf den ersten
Exkursionen im javanischen Strandwalde kennen lernt und die wir
zum Teil auch auf Edam, in Vlakke Hook und Javas erstem Punkt
getroffen haben. Den grössten geschlossenen Bestand des Waldes
bilden 12 — 15 m hohe Casiiarinen. Jüngere Individuen desselben
Baumes sind mit den benachbarten Sträuchern durch dünne Schling-
pflanzen, Cassytha, Vigna, Canavalia, Caesalpinia BoiiduceUa,
Vitis trifolia zu einer fast lückenlosen Laub wand vereinigt, aus
welcher sich namentlich die Sprosse von Vitis trifolia in grosser
Zahl an den höchsten Casuarinen emporwinden, deren Stämme und
Äste mit üppigem Blattwerk umkleidend.
Am Rande der Casuarinengruppe entdecken wir ein riesiges
Exemplar von Cycas circinalis mit prächtigem Blätterkranze am
Scheitel des 1 m 65 cm hohen und 80 cm im Umfang messenden
Stammes. Die Pflanze ist weiblich ; ihre Vegetationsspitze ist umrahmt
von gelbbraunen Fruchtblättern, deren Samenknospen zu schrumpfen
beginnen. Sie sind wie diejenigen früherer Jahre, deren Reste noch
am Boden liegen, offenbar unbefruchtet geblieben. Auch in Zukunft
dürften wohl noch nicht so bald reife Cycassamen auf Krakatau er-
zeugt werden; denn wir haben trotz eifrigen Suchens weder auf
Krakatau noch auf Verlaten Eiland männliche (übrigens auch keine
weiteren weiblichen) Exemplare finden können.
Weiter südlich ragen aus dem Baum- und Strauchgürtel schlank em-
porstrebende Stämme von Caloj^hyllum Inopliyllum und Terminalia
Catappa mit quirlig angeordneten Ästen heraus (Fig. 9 Tafel XVHI).
Die Blätter dieser beiden Bäume sind lederig, während sie bei anderen
Arten, denen wir hier noch begegnen, bei Soj)hora tomoitosa ,
Clerodeudroninerme, PenqjJiis acidula, Morinda ci trifolia fleischig
saftig entwickelt ssind oder wie diejenigen von Tournefortia argentea,
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau. 319
namentlich an den jüngeren Teilen der Pflanze, ein dichtes Haarkleid
aufweisen. Es lassen die genannten wie die weiteren Bäume und
Sträucher des neuen Waldgürtels aus den Familien der Leguminosen,
Euphorbiaceen, Rubiaceen, Lythraceen u. a. m., die Gräser, Laura-
ceen, Leguminosen und Compositen, welche die Waldlichtungen be-
völkern, in ihrem vegetativen Bau, im besonderen in Gestaltung und
Anatomie des Blattes unschwer Anpassungen an die Lebensweise am
salzreichen und daher trotz des Wasserreichtums für die Pflanzenwelt
physiologisch trockenen Strande erkennen.
Über eine mit hohen Gräsern bestandene Lichtung hinweg er-
blicken wir einige Exemplare des schönsten Baumes der tropischen
Strandwälder, der Myrtacee Barvingtonia speciosa, nach welcher
der gesamte Pflanzenverein dieser Wälder als Barringtoniaformation
bezeichnet wird. Aus dem dichten Laubdache riesiger lanzettförmiger
Blätter treten die grossen weissen Blüten wirkungsvoll hervor. Ausser
den Blüten sind an den untersten Ästen gleichzeitig die verschiedensten
Entwicklungsstadien der mitraförmig gestalteten, leichten Früchte
vorhanden.
Etwas weiter südlich ragen über Baumgruppen die Kokospalmen
empor, deren dunkelgrüne Wipfel mit dem Fernglas schon vom Schifi'e
aus sichtbar waren (Fig. 10 Tafel XIX). Der Weg zu denselben, über
grobes Bimssteingeröll, durch Rohr- und Halmgewirr und dichtes Ge-
sträuch ist nicht ohne Mühe zu bahnen. Halbwegs stossen wir auf eine
Gruppe grossblättriger und reichlich fruchttragender Feigenbäume,
Ficus flava und F. ßsfulosa, die ihre Blüten und Früchte gleich zahl-
reichen anderen Tropenbäumen nicht an den jüngsten Zweigen, sondern
am Stamm und den älteren Asten bilden. Um Äste und Zweige der
Feigenbäume schlingen sich die dünnen Sprosse von Trichosanthes
tricuspidata, einer Schlingpflanze aus der Familie der Kürbisgewächse,
mit hellrot aus dem dunkeln Grün hervorleuchtenden Früchten. Die
Ficusbäume, die jetzt in 6 Arten auf Krakatau und Verlaten Eiland
vertreten sind, und Trichosanthes gehören zu denjenigen Ansiedlern,
deren Samen durch früchtefressende Vögel, also endozoisch, auf die
Inseln gebracht worden sein dürften.
Zu unserer nicht geringen Freude sind die Kokospalmen reich
mit Früchten beladen. Die Fruchtbildung hat offenbar schon vor
mehreren Jahren begonnen, denn der Boden ist mit einer grossen
Zahl reifer Nüsse bedeckt, von denen viele schon gekeimt und Pflan-
zen bis zu 1 m Höhe erzeugt haben. Für Nachwuchs ist also aus-
reichend gesorgt und gerne geben wir zu, dass einer unserer java-
nischen Begleiter eine Anzahl unreifer Früchte zur Erquickung aller
aus den Kronen herunterholt.
320 A. Ernst.
Zu tieferem Eindringen in das Innere der Insel und an die Ab-
hänge des Kegels schien uns das Gebiet nordöstlich des Casuarinen-
waldes am geeignetsten. Hier ist der Strandwald auf eine besonders
schmale Zone reduziert und der Gürtel der kriechenden Gewächse an
mehreren Stellen von dem bis an die Flutlinie herantretenden Gebüsch
verdrängt. An höheren Formen erheben sich aus demselben nur einige
Kokospalmen und prächtige 6 — 8 m hohe Pandanusgruppen (Fig. 8
Taf. XVII), deren schlanke, schlangenartig gebogene Stämme mit dicken,
pfeilerartig dem Boden zustrebenden Stützwurzeln im Wellenbereiche
verankert sind; in den dichten Schöpfen schmaler scharfrandiger Blät-
ter prangen ihre kopfgrossen gelben und roten Fruchtstände. In der
Nähe findet sich eine junge, noch nicht fruktifizierende Kokospalme
und zwar ein Exemplar der niedrigen, von den Eingeborenen als
„Kaiapa gading'^ bezeichneten Varietät, deren Früchte auch zur
Zeit vollkommener Reife von schön orangegelber Färbung sind.
In einem der breiten Bachbette, welche das bei heftigem Regen
rasch abströmende Wasser in die weichen Schichten gegraben hat,
ins Innere vordringend, sehen wir uns bald von einer von der Strand-
flora völlig verschiedenen Vegetation umgeben. Am Rande des Bach-
bettes finden sich Rasen kleiner Laubmoose (Philo nofis secunda,
[Dz. et Mb.] V. d. B. et Lac. und Bryuin coronatum Sch^waegr.) und
zierliche Farne, vor allem Gymnogramme calomelanos, deren junge
Blätter mit weissen Kalkschüppchen bedeckt sind. Einzelne in Ver-
tiefungen und untergrabenen Uferstellen liegende Bimssteinbrocken
und Lavastücke sind mit blaugrünem Algenüberzug bedeckt. Zu
Seiten des Bachbettes, auf leicht gewellter und bergwärts an-
steigender Fläche herrschen einzelne der auch am Strande vor-
kommenden Gräser und Cyperaceen vor. Ihnen gesellen sich andere
bei, von denen sich namentlich Saccharum spotita neuin, Gyni/iothrix
elegans und Phragniites Roxhurghii durch ungewöhnliche Dimen-
sionen auszeichnen. Stellenweise bilden ihre 3 — 4 m hohen Halme
und Rohre erst vereinzelte Büsche, anderwärts, zusammen mit den
hier als Schlingpflanzen entwickelten Vigna, Canavalia, Cassytha,
mit Sträuchern von Tournefortia, Scaevola und verschiedenen Farnen
förmliche Dickichte. Einmal raschelt es vor uns im Rohr, ein gelb-
brauner feister Leguan (Calotes) von fast 1 m Länge, der sich träge
gesonnt hat, ergreift eiligst die Flucht; auch einige kleine Vögel
fliegen lautlos aus dem Gebüsch auf, um sich in geringer Entfernung
wieder ruhig niederzulassen.
Die beschriebene, in ihrem Aussehen einer Grassteppe vergleich-
bare Vegetation bedeckt innerhalb des Strandwaldes die ganze leicht
ansteigende Fläche der Südostseite der Insel, zieht sich in geschlossenem
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Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau. 321
Bestände in den wilden Schluchten und auf den steilen Gräten
weit am Kegel empor. Nur hier und da wird das gleichmässige
Dschungel frischer und abgestorbener Halme und Rohre durch einen
Baum oder Strauch überragt. Vor uns, in mittlerer Höhe des Rakata,
zieht sich die tiefe Schlucht abwärts, deren dunkles, an Bäumen und
Sträuchern reiches Pflanzenkleid bei der Annäherung an die Insel
schon vom Schiffe aus unsere Aufmerksamkeit erregt hat. Wir suchen
das Dickicht zu durchdringen und gelangen an die ersten scharfen Gräte,
welche, durch tiefe Furchen und Schluchten getrennt, vom Abhänge
aus nach allen Seiten über den Fuss des Berges ausstrahlen (Fig. 11
Tafel XIX). Wir klimmen im Gewirr der über uns zusammenschlagenden
Gräser auf Gräte hinauf, in Schluchten hinunter, die Arbeit ist müh-
sam, die Flora wenig abwechselnd und die Ausbeute vorerst gering.
Überall Farne und Gräser; nur selten erfreuen die stattlichen Blüten-
stände einiger hoher, ebenfalls grasartig entwickelter Erdorchideen,
Arundlna speciosa, Sjmthoglottis lüicata, von Phajus oder Cym-
hidium, einige gelbblühende Compositen das suchende Auge. In
unangenehmster Weise nehmen uns dagegen die Vertreter der neuen
Krakataufauna in Anspruch. Unten im Casuarinenwalde hatten uns
zahllose Stechmücken freudig umschwirrt und beim Früchtesammeln
im Pandanusgebüsch störten wir gefährliche kleine Wespen auf.
Hier oben aber sind wir ins Reich zahlreicher roter und schwarzer,
kleiner und grosser Ameisen gelangt. Ihre Bauten sind teils in der
bis 1 m hohen Schicht von Wurzelstöcken, abgedorrter und abge-
brochener Halme und Rohre versteckt, teils nestartig an Sträuchern
und Grasbüschen aufgehängt. In Scharen fallen die aus ihren Woh-
nungen aufgestörten kleinen Beisser über die Eindringlinge her.
Noch immer sind wir durch mehrere, immer steiler werdende
Gräte und abgrundtiefe Rinnen von dem erstrebten Ziele getrennt.
Sengend heiss brennen die Strahlen der senkrecht über uns stehenden
Sonne auf uns nieder, abwechselnd handhaben wir an der Spitze der
kleinen Kolonne das Haumesser; Schritt um Schritt kämpfen wir
uns vorwärts in dem schattenlosen Dickicht, aufwärts und wieder
abwärts. Die Diener und Träger mit dem notwendigsten Gepäck
und den Pflanzenkisten vermögen kaum zu folgen. Schliesslich
müssen wir, wenn auch mit Widerstreben, erkennen, dass die Er-
reichung der Hauptschlucht und des Gipfels mit unserer primitiven
Ausrüstung und in der kurzen noch zur Verfügung stehenden Zeit
nicht möglich ist. Zu den durch die Terrainverhältnisse bedingten
Schwierigkeiten des Aufstieges, die zu überwinden den beiden früheren
Expeditionen 1886 und 1897 nicht möglich gewesen war, sind die-
jenigen des dichten und doch weder Halt noch Schatten bietenden
322 A. Ernst.
Pflanzenkleides gekommen , so dass auch unsere Bemühungen er-
folglos bleiben. Einer vierten Expedition, deren Teilnehmern es viel-
leicht möglich sein wird, mit vollkommener, kombinierter Gebirgs-
und Tropenausrüstung während eines mehrtägigen Aufenthaltes sich
der Erforschung der Krakatauflora zu widmen, bleibt also die Be-
steigung des Kegels und die Untersuchung seiner jetzt noch nicht
bekannten Pflanzenwelt vorbehalten.
Wir treten den Rückzug an. Um die Mittagsstunde sind wir
beim Schiffe zurück, das uns in geringer Entfernung vom Land an
der Ost- und Nordküste des Eilandes dahinführt. Bald verändert
sich das Küstenbild. Der flache Strand geht in eine Steilküste über,
an deren oberen Rand sich zerklüftete Abhänge des Kegels anschliessen,
ähnlich denjenigen, auf welchen wir kurz vorher den Aufstieg ver-
sucht hatten. Einen imposanten Anblick gewährt die Nordseite mit
der fast senkrechten, unter dem Gipfel 800 m hohen Rissfläche. Sie
zeigt uns den eigenartigen Verlauf von verschiedenfarbigen Schichten
und Gängen und bietet — wohl einzig in ihrer Art — den natürlichen
Schnitt durch einen Vulkankegel. Verbeek, der Monograph von
Krakatau (1. c. II pag. 167 u. 496), gibt von derselben nach seinem Be-
suche im Oktober 1883 die nachfolgende Beschreibung: „La paroi
presque verticale de 832 metres de hauteur, avec la mer bleu fonce
et profonde de 300 metres qui baigne son pied, fait sur tout le monde,
par son caractere etrangement grandiose, une irresistible Impression.
Dans l'effondrement de 1883 la montagne fut coupee presque verti-
calement par le milieu, de sorte que la structure interne de ce volcan
basaltique a ete admirablement mise ä decouvert. Quand on se trouve
au nord de la paroi ä pic, on voit ä gauche apparaitre au pied de
la montagne, sous les couches basaltiques et en discordance avec elles,
les bancs massifs de la röche ancienne ä tridymite et les couches de
lapilli qui les recouvrent. Ces couches appartiennent au bord du
cratere le plus ancien, et sont formees de la meme röche que Ver-
laten Eiland et Lang Eiland; en cela elles different beaucoup des
autres couches du Pic, qui consistent surtout en matieres incoherentes,
lapilli et fine cendre. Ces dernieres couches alternent avec quelques
bancs de lave et sont coupees transversalement par des filons lithoides.
Elles sont de couleur brunätre et tranchent fortement sur les matieres
ponceuses recentes, blanches ou gris clair, qui les recouvrent." Schon
in den Monaten August und September 1884 konstatierte Verbeek
einige Veränderungen im Aussehen der Abbruch wand: „La cendre
gris clair mouille, qui ä l'origine avait degoutte vers le bas et recouvert
la surface en divers points, surtout au milieu, etait maintenant en
grande partie detachee par l'incessant effritement de la röche. La
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau. 323
trainee de cendre grise etendue sur le sommet avait entierement
disparu, en laissant ä decouvert une grosse veine pierreuse, qu'on
peut suivre dans une direction presque verticale ä travers les couches
du pic, jusqu'ä la moitie de la hauteur totale de la montagne, oü eile
se termine en un renflement lenticulaire." Er fügt seiner Beschrei-
bung noch bei: „II est vivement ä desirer que l'on reussisse bientöt
ä obtenir de cette paroi une bonne repre'sentation photographique, sur
laquelle les differentes couches et les differents filons soient nettement
visibles. La tentative faite au mois de Septembre 1884 a echoue par
l'insuffisance de la lumiere. Comme il n'existe au nord de la falaise
aucune terre assez rapprochee, on est reduit ä prendre la vue photo-
graphique ä bord d'un navire; l'exposition ne peut donc avoir qu'une
tres courte duree et dans ces conditions un eclairement intense de
l'objet est absolument necessaire." So viel ich weiss, ist seither keinem
der wenigen Besucher von Krakatau Gelegenheit zu dieser Aufnahme
geboten worden und der Wunsch Verbeeks also nicht in Erfüllung
gegangen. Ich habe daher den diesen Mitteilungen über den
gegenwärtigen Stand der Flora von Krakatau beigegebenen Vege-
tations- und Pflanzenbildern auch eine der beiden Aufnahmen an-
gereiht, die mir bei ausnehmend günstiger Beleuchtung vom bei-
gedrehten und ruhig liegenden Schiff aus zu machen vergönnt ge-
wesen ist (Fig. 4 Tafel XV).
Auch jetzt noch erfährt die Felswand, wie ja übrigens alle
nicht mit einem dichten Pflanzenkleid bedeckten Teile der Insel, fort-
während Gestaltsveränderungen.
Wie wir während der schönen Fahrt entlang der wilden Nord-
küste auf Deck unser einfaches Mittagsmahl halten, werden wir auf
einmal eines auffallenden Phänomens gewahr. Über einem krater-
förmigen Einschnitt etwas links vom Hauptgipfel, einer Stelle, die
sich durch das Fehlen jeder Vegetation auszeichnet und sich daher
scharf von ihrer Umgebung abhebt, scheinen mehrere schwache Rauch-
oder Dampfsäulen aufzusteigen und sich über dem Berge zu einer
feinen Wolke zu sammeln. Auch von einigen anderen Stellen des
oberen Abhanges aus steigen ähnliche Wölkchen empor. Beginnt
etwa von neuem die vulkanische Tätigkeit der Insel? Von überall
her waren in den letzten Monaten und Wochen Berichte von vul-
kanischen Ausbrüchen (Vesuv, Hawai), von schrecklichen Erdbeben
(San Francisco) auch nach Java gelangt und auf Java selbst der
Merapi lebhaft tätig geworden; in den Padangschen Bovenlanden
Sumatras war der Tandikat nach langer Ruhe wieder ausgebrochen.
Sollten wir nun etwa noch die Botschaft vom AViedererwachen des
Krakatau nach Batavia zurückbringen müssen? Glücklicherweise er-
324 A. Ernst.
wies sich unsere Sorge bald als unbegründet. Mit unseren Feld-
stechern und dem Fernrohre des Kapitäns gelang es uns, die Ursachen
der beunruhigenden Erscheinung festzustellen. An den fraglichen
Stellen lösen sich fortwährend grössere und kleinere Steine und Sand-
massen los, die in den Rinnen nach unten rieseln und stürzen, während
die aufsteigende Luftströmung den feinen Staub emporträgt und über
dem Gipfel eine leichte, rauchähnliche Wolke bildet. Deutlich er-
kennen wir beim Näherkommen einzelne grosse Steine, welche in
mächtigen Sprüngen über die Felswand hinunterrollen, feineres Greröll
mit sich reissend und am Fusse der Felswand grössere und kleinere
Schuttkegel ansammelnd. Einzelne der letzteren sind auch auf der
Photographie wahrzunehmen.
Wir landen in einer weiten Bucht, die vom westlichen Teile der
Absturz wand und einem steilen Vorgebirge, „Z warte Hoek", um-
säumt wird, das früher den westlichsten Punkt der alten Insel biklete.
Hier ist von den Wellen viel Bimsstein- und Aschenmaterial ans
Ufer geschwemmt und im Laufe der Jahre eine kleine Strandebene
erzeugt worden. Die Besiedelung derselben ist noch nicht so weit
gediehen wie am östlichen und südöstlichen Strande der Insel. Die
mit Bimssteinbrocken und grossen Blöcken dunkler Lava übersäte
Sandfläche ist erst teilweise vom Maschennetz der Ipo)?iaea, Gana-
valia, Vigna überspannt, deren Sprosse hier, auf dem noch wenig um-
strittenen Boden, Längen bis zu 20 m erreichen (Fig. 6 Taf. XVI). Hier
und da finden sich junge Kokospalmen, Keimpflanzen von Barring-
tonia speciosa , die sich mit 3 bis 5 dm langen Wurzeln im Sande
befestigt haben, während die Stammspitze des Keimlings noch in
der Frucht verborgen ist. Auf kleinen Schuttkegeln am Fusse der
Felswand, im gelockerten Gestein der untersten Schichten, zwischen
den Lavablöcken, welche die Abhänge des „Z warte Hoek" überdecken,
erheben sich die schlanken Halme von Saccharum spontaneum und
anderer Gräser und Cyperaceen, finden sich vereinzelt Casuarinen,
Gebüsche von Scaevola Koenigii, an welchen die langen Rispen
kleiner weisser Blüten sich hübsch von den hellgrünen Blattrosetten
am Ende der Zweige abheben, Sophora tomoitosa mit Büscheln
rosenkranzartig gegliederter Hülsenfrüchte, Desmodium umhellatum
und andere der strandbewohnenden Leguminosen. Hier und da be-
merken wir Exemplare von Sp)i)nfex squarrosiis. NephroJepis exal-
tata, eine Polypodiacee mit einfach gefiederten Blättern, überdeckt
grössere Flächen. Im Schutze der Felsen finden sich einige schmäch-
tige Exemplare von Lycopodhim cernuum und am Fusse der Fels-
wände wie auf der Ebene schmarotzt Cassytha filifonnis auf den
verschiedensten Wirtpflanzen. An den Felsen sammeln wir auch
Die neue Flora der Viükaninsel Krakatau. 325
zierliche Keimpflanzen und zahlreiche Prothallien von Gymnogramme
und neben andern Farnen und Lycopodium auch Poli/podiiun qiierci-
folium, einen der wenigen Epiphyten der Barringtoniawälder, der
hier aber, ähnlich wie in der Umgebung der Solfataren und Krater
der Vulkane Javas, in Felsspalten wächst. Auch andere der von
uns auf Lava und Bimssteingeröll gefundenen Farne wachsen in den
Wäldern Javas und Sumatras als Epiphyten auf Bäumen. Da sie hier
ungefähr dieselben Lebensbedingungen vorfinden wie bei epiphytischer
Lebensweise: hartes und nicht zu feuchtes Substrat und intensive
Belichtung, sind sie, umsomehr als der Wettbewerb der Pflanzen um
den Boden noch wenig ausgeprägt ist, wiederum zu Erdpflanzen ge-
worden.
Am wolkenlosen Himmel steht immer noch die Sonne fast senk-
recht über uns. Brennend und blendend erzeugen ihre Strahlen auf
der weissen Ebene am Fusse der dunkeln Felswände drückende Hitze
und schwindelerregende Lichtfülle. Unsere Diener sind nicht im
Stande, uns mit ihren nackten Füssen über die heisse Sandfläche zu
folgen und bleiben in der von den Wellen gekühlten Strandzone
zurück. Wir selbst müssen bald davon abstehen, zwischen den losen
Blöcken des steilen Abhanges am Vorgebirge „zwarte Hoek" (schwarze
Landzunge) herumzuklettern, da es unmöglich ist, sich beim Klettern
am steilen Hange mit den Händen an dem heissen Gestein zu halten.
Bevor wir zum Schiffe zurückkehren, ruhen wir aus im schmalen
Schatten eines mächtigen, heruntergestürzten Felsblockes. Die vor
uns liegende Bucht mit dem kleinen schmucken Dampfer und die
von der Sonne beschienene in allen Farben schimmernde Felswand
bieten ein unvergessliches Bild, das die Mühe und Anstrengung der
vorausgegangenen Stunden vergessen lässt.
Eine dritte an der Westküste von Krakatau versuchte Landung
erwies sich als unmöglich. Wir beschlossen daher, noch einer der
beiden Nachbarinseln einen kurzen Besuch abzustatten. Das uns
näher liegende Lang Eiland mit vorwiegender Steilküste ent-
behrt der Strandvegetation fast vollständig. Bäume und Sträucher
sind auf der weiten, mit Gräsern überdeckten Fläche der Insel noch
selten. Dagegen erscheint schon vom Schiff'e aus gesehen die Vege-
tation von Verlaten Eiland viel weiter entwickelt. An der uns zu-
gekehrten Ostküste nehmen wir nicht weniger als 7 waldartige Be-
stände von Casuarina eqiiisefifoUa wahr, die durch Gruppen anderer
Bäume und Sträucher zu einem fast ununterbrochenen, mit dem
Strande parallel laufenden Gürtel vereinigt sind. Auf der Fahrt nord-
wärts gegen Verlaten Eiland hin, ungefähr im Gebiet des versun-
kenen Danan, lässt der zuvorkommende Kapitän das Schiff nochmals
326 A. Ernst.
anhalten und beidrehen, um mir eine Aufnahme der nunmehr mit der
ganzen Nordküste sichtbaren Krakatauinsel zu ermöglichen (Fig. 3
Taf. XV). Die Tiefenmessungen, die beim Annähern an Verlaten Eiland
angestellt werden, ergeben, dass die Zahlen der Seekarte nicht mehr
stimmen und seit den letzten Messungen offenbar beträchtliche Verände-
rungen in der Gestaltung des Meeresbodens in dem Einsturzbecken er-
folgt sind. Der Kapitän wünscht daher noch vor Einbruch der Nacht
das gefährliche Fahrwasser hinter sich zu haben und begleitet uns
selber ans Land, um sicher zu sein, dass wir zur bestimmten Zeit mit
dem Boote zurückkehren.
Wie auf Krakataa setzt sich auch auf Verlaten Eiland die Vege-
tation aus Strand- und Binnenlandflora zusammen. Hier wie dort
finden sich in der Driftzone mit den Früchten und Samen von Pflan-
zen des sandigen und steinigen Meeresstrandes auch Früchte und
Keimlinge von Nipa fruticans vor, während ältere Exemplare dieser,
sumpfiges Terrain liebenden Palme, ebenso die andern alsMangrove
zusammengefassten Bewohner der Strandsümpfe fehlen. Die Strand-
flora von Verlaten Eiland setzt sich also ebenfalls aus Vertretern der
Pflanzenvereine von Pescaprae- und Barringtoniaformation zusammen.
Zwischen den einzelnen Casuarinenbeständen, in welchen zahl-
reiche Stämme mit einem dichten Kleide von Schlingpflanzen, Vitis
trifolia, Mucuna pruriens, behangen sind , finden sich von w^eitern
Strandbäumen neben Barringtonia wieder Terminalia und CaJo-
phijllimi, Leguminosen, Pandanus litoraUs. Auf weite Ent-
fernungen hin ist die des dichten Haarkleides ihrer Blätter wegen
silbergrau erscheinende Tournefortia argentea zu erkennen. Von
weit verbreiteten Strandpflanzen kommen ferner Erythrina indica,
die Verbenacee Premua foetida, die Rubiaceen Morinda citrifolia
und Guettarda speciosa vor. Etwas weiter im Innern treffen wir
mehrere Ficusarten , Kokospalmen und eine zweite Kulturpflanze,
Carica Papaya. Ihre Samen sind vielleicht von Vögeln oder fliegen-
den Hunden, welche die weiche Papayafrucht sehr zu schätzen wissen,
auf die Insel gebracht worden, vielleicht auch ist diese Pflanze, da
Verlaten Eiland vor Jahren Vermessungsarbeiten halber während
einiger Zeit bewohnt wurde, von Menschen eingeschleppt worden.
Dagegen dürfte Melastoma polya)ithum, ein in Java über Berg
und Tal verbreiteter Strauch mit lederigen Blättern, grossen violetten
Blüten und saftigen Beerenfrüchten, die von zahlreichen Vögeln ge-
fressen werden , wohl sicher endozoisch an diesen neuen Standort
gekommen sein.
Durch die Lichtungen des Strandwaldes hindurch haben sich die
hohen Gräser, Cyperaceen, die Farne und Compositen des Innern
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau. 327
auch nach dem Strande hin bis zu dem aus Ipomaea pes caprae,
Spüiifex, IschaemiDu, Vigna, Cdtiavalia und Cassytha gewirkten
Teppich ausgebreitet. Das Innere der Insel wird, ähnlich wie auf
Krakatau, stellenweise von offenen, anderwärts von geschlossenen Be-
ständen der Gräser, Cyperaceen und Farne, durchwoben mit Schling-
pflanzen, Compositen und Orchideen, von vereinzelten Bäumen und
Sträuchern überdeckt. 1897 waren auf Verlaten Eiland erst 15 Arten
von Phanerogamen und Gefässkryptogamen gefunden worden. Unsere
Ausbeute besteht — wir sammeln nur noch zu zweien — nach kaum
einstündigem Aufenthalt aus 42 Arten, von denen 7 (Vitex Negundo,
Carica Papaya, Colubrina asiatica, Caesalpinia Bonducella, Mucuna
pruriens, Ximenia americana, Ficus hirta) auf Krakatau noch nicht
gefunden worden sind. Es ist wohl anzunehmen, dass bei längerem
Aufenthalt auch für Verlaten Eiland ungefähr derselbe Florenbestand
wie für Krakatau hätte festgestellt werden können. Unsere Er-
gebnisse genügen aber vollständig für den Nachweis, dass die Be-
siedelung von Verlaten Eiland sich in derselben Weise vollzieht,
von den gleichen Faktoren abhängig ist, wie auf der Nachbarinsel
Krakatau.
Nach 5 Uhr sind wir wieder auf dem Schiff. Noch vor Sonnen-
untergang liegt die ganze Inselgruppe hinter uns und die „Snip"
trägt uns, in weitem Bogen nordwärts zwischen Sebesi und Seboekoe
hindurch den Weg suchend, in das inselreiche Javameer und folgenden
Tags nach Tandjong Priok, ßatavias Hafen, zurück.
III. Der gegenwärtige Florenbestand der Krakatau-Inseln.
Die Vegetation von Krakatau und Verlaten Eiland ist in den
letzten 10 Jahren wesentlich reicher, stellenweise sogar üppig ge-
worden. Der Florenkatalog der Inselgruppe hat durch die Ergebnisse
unserer Exkursion erhebliche Zunahmen zu verzeichnen. Die gegen-
wärtige Krakatauflora umfasst Vertreter aller Abteilungen des
Pflanzenreiches: Schleimpilze, Bakterien, Algen, Pilze, Leber- und
Laubmoose, Farne, nacktsamige und bedecktsamige Blütenpflanzen.
Die Gesamtzahl der auf den Exkursionen von 1886, 1897 und 1906
auf der Inselgruppe gesammelten Arten beträgt 137.
In dem nachfolgenden Florenkatalog sind die auf den drei Ex-
kursionen gesammelten Arten nach Familien und Abteilungen des
natürlichen Systems, mit den Angiosx)erniae dicotyledoneae be-
ginnend, geordnet. In der mittleren Kolonne ist angegeben, auf
welchen der drei Inseln die betreffende Pflanze vorkommt und wann
dieselbe (1886, 1897 oder 1906) dort gefunden worden ist. (Abkür-
328
A. Ernst.
Zungen: K. = Krakatau; V. = Verlaten Eiland; L = Lang Eiland;
1 = Besuch im Juni 1886; 2 = Besuch im März 1897; 3 = Besuch
im April 1906).
Die Angaben über die Verbreitungsgebiete der Phanerogamen
und Gefässkryptogamen sind den unten aufgeführten Floren und syste-
matischen Werken entnommen.
Angiosperniae Dicotyledoneae,
Farn. Cotnpositae,
K. 2. 3; V. 3;
L. 2.
1. Blumea balsamifera DG.
2. Blumea hieracifolia DG.
3. Gonyza angustifolia Harn.
4. Gonyza indica Miq.
K. 2. 3.
K. 1. (?)
K. 1. 3.
3.
5. Emilia sonchifolia (L.) DG. K. 2.
6. Erechthites hieracifolia (L.) K. 3; V. 3.
Raf.
7. Pluchea indica (L.) Less. K. 2. 3; L. 2.
8. Senecio spec. K. 1.
9. Vernonia cinerea (L.) Less. K. 2. 3.
10. Wedelia asperrima Boerl. K. 2; L. 2.
Küstenvegetation von Vorder- und
Hinterindien und der Inseln des
indischen Ozeans bis zu den
Philippinen und Australien.
Vorder- und Hinterindien, Malay.
Archipel , Philippinen , Austra-
lien, trop. und subtrop. Afrika.
Indien, Malay. Archipel.
Hinterindien, Malay. Archipel, S.
China.
In den Tropen der alten Welt weit
verbreitet und in der neuen Welt
eingebürgert.
Im ganzen wärmeren und ge-
mässigten Amerika verbreitet u.
in der alten Welt eingeschleppt.
Von Ostindien bis Australien überall
verbreitet.
Gattung mit mehreren Arten im
Malay. Archipel vertreten.
In den Tropen der alten Welt
überall verbreitet.
1. Blume, G. L., Bijdragen tot de Flora van Nederlandsch Indie. Batavia 1825.
— Enumeratio Plantarum Javae et Insularum adjacentium. Haag 1830.
— Flora Javae 1829.
2. Bo erläge, J. G., Handleiding tot de Flora van Nederlandsch Indie I — III. Leiden
1890—1900.
3. Christ, H., Die Farnkräuter der Erde. Jena 1897.
4. Engler-Prantl, Natürliche Pflanzenfamilien. I. Teil, 4. Abteiig. bis IV. Teil,
5. Abteiig.
5. Engler, A., Syllabus der Pflanzenfamilien. 4. Aufl. Berlin 1904.
6. Hooker, J. D., Flora of British India. Vol. I— VIL London 1875—1897.
Hooker, W. J., Species fihcum. Vol. I— V. London 1846—64.
7. Koorders, S. H., Notizen über die Phanerogamenflora von Java (IV). Natuur-
kundig Tijdschrift voor Nederlandsch-Indie. Bd. 60. 1901.
8. Koorders, S. H. u. Valeton, Tb., Bijdragen t. d. Kennis d. Boomsorten of
Java. No. I— X. 1873—1904.
9. Miquel, F. A. W., Flora v. Nederlandsch Indie mit Suppl: Prodromus florae
Sumatranae. Amsterdam 1855 — 60.
10. Raciborski, M., Die Pteridophyten d. Flora v. Buitenzoi'g. Leiden 1898.
11. Smith, J. J., Die Orchideen v. Java. Leiden 1905.
12. Schimper, A. F. W., Die Indomalayische Strandflora. Jena 1891.
Vierteljahrsschrift der Naturf, Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907.
Taf. XIX.
Phot.: A. Ernst.
Fiy. lU. Liclitiuuj im vStraiulwakl.
Links vorn Scaevola Koenigii, hinter Gräsern (Saccharum spontaneum) eine Gruppe von Kol<ospalmen. Südostl<iJstB von Kral<atau. (pag. 319.)
Fi(j. 11. Gra.sstoppc im Iiincni von Krakatau.
Im Milteigrund die ersten Sciiluchlen und Gräto am Abhänge des Rakäta. (pag. 321.)
Wt ilBRARY
or THE
Vf ILLIWöiS
t)ie neue Flora der Vulknninsel Krakatau. 329
11. Wedelia glabrala B. et H. K. 1. (?) 3.
12. Wedelia scabriuscula Boerl. K. 2; h. "2.
13. Wollastonia spec. K. 1. Mehrere Arten im Malay. Archipel
verbreitet.
Faui. Goodeniaceae.
14. Scaevola Koenigii Vahl. K. 1.2.3;V.2. Trop. Üstasien, Malay. Archipel,
3; L. 2. Polynesien.
Fam. Cuczirbitaceae.
15. Trichosanthe? tricuspidata K. 3; V. 3. Vom Himalaya bis Ceylon und
Lour. Singapore, Malay. Archipel (Java
und Sumatra), China. Nordau-
stralien.
Fam. Bubiaceae.
IG. Guettarda speciosa L. K. 3; V. 3. Beinahe alle trop. Küsten.
17. Morinda citrifoHa L. K. 2. 3; V, 3; Trop. 0. Asien, trop. Australien,
L. 2. Polynesien auch im Binnenland
Fam. Lahiatae.
(kultiviert).
18. Hyptis brevipes Poit. K. 3. Tropisches Amerika, eingeschleppt
an den Küsten Afrikas und des
tropischen Asiens.
Fam. Verbenaceae.
19. ClerodendroninermeGaertn. K. 3, Vorder- und Hinterindien, Ceylon,
Malay. Archipel, Neu -Guinea,
Nord- Australien.
20. Premna foetida Reinw. K. 3; V. 3. Java, Borneo, Molukken.
21. Vitex Negundo L. V. 3. Nicobaren, Ceylon, Indien, Malay,
Archipel bis Philippinen.
Fam. Borrayifiaceae.
22. Tournefortia argentea L. K. 1,3: V, 3, Ceylon, Hinterindien, Nikobaren,
Malay. Archipel , Neu - Guinea,
trop, Australien,
Fam. Convolvtilaceae,
23. Cälonyction asperum Choisy. K. 3. Im Malay, Archipel verbreitet,
24. Ipomaea denticulata Choisy. K. 3. Ceylon, Hinterindien, Malay. Archi-
pel, Australien.
2.5. Ipomaea Pes Caprae Sw. K, 1.2. 3;V. 2. Alle tropischen Küsten.
3; L, 2,
Fam. Asclepiadaceae.
26. Cynanchum Blumei B. et H. K. 3.
Fam, Apocynaceae.
Tt. Cerbera Odollam Gaertn. K. 1.2.3: V,3; Trop. Ostasien bis Formosa und
L, 2, Neu-Guinea.
Fam. Melastonintaceae.
28. Melastoma polyanthum Bl. K. 3; V. 2, 3. Ostindien, China, Malay. Archipel,
Australien.
Fam. Myrtaceae,
29. Eugenia speciosa L. L, 2.
Fam. Combretaceae.
30. Terminalia Catapjia L. K.2.3;V.2.3; Malay. Archipel, Keeling- Inseln,
L. 2, Polynesien, Neu-Guinea.
Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. 22
330
A. Ernst.
Fam. LecytMdacecie.
31. Baningtonia speciosa Forst.
32. Barringtonia Vriesei Teysm.
et Binnend.
K. i2. 3; V. 3; Ceylon, Andamanen Inseln, Singa-
L. 2. pore, Malay. Archipel, tropisches
Australien.
L. 2. Java (Provinz Bantam).
Fam. Caricaceae.
33. Carica Papaya L.
Fam. Cruttiferae.
34. Calophyllum Inophyllum L.
Fam. Sterculiaceae.
35. Melochia arborea Bl.
36. Melochia indica(Houtt.)A.Gr.
Fam. Malvaceae.
37. Hibiscus tihaceus L.
Fam. Vitaceae,
38. Vitis trifolia L.
Fam. Rliamnaceae.
39. Colubrina asiatica (L.) Brongn.
Fam. Sapindaceae,
40. Dodonaea viscosa L.
Fam. Anacardiaceae,
41. Spondias mangifera Willd.
Fam. EupJiorhiaceae.
42. Euphorbia Atoto Forst.
43. Euphorbia pilulifera L.
Fam. Meliaceae.
44. Carapa obovata Bl.
Fam. Leguminosae.
45. Albizzia stipulata Boiv.
46. Caesalpinia Bonducella (L.)
Roxb.
47. Cassia siamea Lam.
48. Canavalia obtusifolia DC.
49. Derris uliginosa Lour.
50. Desmodium umbellatum DC.
51. Entada Pursaetha DC.
V. 3.
Aus Amerika als Kulturpflanze über
die ganze Tropenwelt verbreitet.
K. 1. 3; V. 3; Ind. Florenreich, Nordaustralien,
L. 2. Polynesien.
K. 3; V. 3.
K. 2.
Malayischer Archipel.
K. 2. 3; V. 3; Alle tropischen Küsten.
L. 2.
K. 3.
V. 3.
K. 3.
K. 3.
K. 3; V. 3.
K.2; L.2.
K.3.
K.2.
V. 3.
Vorder- und Hinterindien, Ceylon,
Malakka, Java, Sumatra.
Vorder- und Hinterindien, Ceylon,
Java, Borneo, trop. Australien.
Tropische Küsten von Südafrika
bis Australien und Neu- Seeland.
(Auch Binnenland).
Indisch-malayisches Gebiet.
Trop. u. subtrop. Oslasien.
Kosmopol. in trop. u. subtropischen
Gebieten (auch Binnenland).
Ceylon, Malay. Archipel.
Trop. u. subtrop. Asien, Malay.
Archipel.
Alle trop. Küsten.
K. 3. Vorderindien, Malay. Archipel.
K.2.3;V.2.3; Alle tropischen Küsten.
L. 2.
K. 3. Trop. Ostasien bis Hongkong, Poly-
nesien.
K.3;V.3;L.2. Trop. Ostasien, Austrahen.
V. 2. In den Tropen beider Hemisphären
weit verbreitet.
52.
53.
54.
55.
5G.
57.
58.
59.
60.
61.
62.
63.
64.
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau.
Erythrina indica Lam.
331
K. 1.(?)3;V.3; Indisches Florenreich (auch Bin-
L. 2. nenland).
Erythrina ovalifolia Roxh. V. 3;L. 2. Indisches Florenreich (auch Bin-
nenland).
Indigofera Teysmanni Miq. K. 3. Sumatra.
Mucuna pruriens DC. V. 3. In den Tropen beider Hemisphären.
Pongamia glabra Vent. K.3;V. 3. Indisches Florenreich.
Pithecolobium moniliferum K. 3. '
Bth.
Sophora tomentosa L. K.3;V.3;L.2. Alle tropischen Küsten.
Vigna lutea (Sw.) A. Gray. K. 2. 3; V. 3; Andamanen-Inseln , Malay. Archi-
L. 2. pel, trop. Australien.
Vigna luteola (Jacq.) Benth. K. 2; L. 2. Kosmopol. in den Tropen bis zum
Kap und Argentinien.
Farn. Hernandiaceae.
Hernandia peltata Meissn. K. 1.3.
Trop. Ostasien, Neu-Guinea, Poly-
nesien.
Farn. Lauraceae.
Cassytha filiformis L.
Fam. Olacaceae.
Ximenia americana L.
Farn. Urticaceae.
Pipturus incanus Wedd,
K. 2. 3 ; V. 2. Alle tropischen Küsten (auch Bin-
3; L, 2. nenland).
V. 3. Tropische Küsten der alten und
neuen Welt.
K. 3; V. 3.
Fam. Moraceae.
65.
Ficus fistulosa Reinw.
K. 3.
66.
Ficus fulva Reinw.
K.3;
V.
3.
67.
Ficus hirta Vahl.
V.3.
68.
Ficus hispida L,
L.2.
69.
Ficus leucantatoma Poir.
V.3;
L.
2,
70.
Ficus toxicaria L.
K.2;
L.
2.
71,
Malay. Archipel, Polynesien (auch
Binnenland).
Perak, Penang, Singapore, Malay.
Archipel (Java).
Java, Sumatra.
Malayischer Archipel, China.
Vorder-Hinterindien, Ceylon, Ma-
lay. Archipel, China, Australien.
Im Malayischen Archipel verbreitet,
Java und Sumatra.
Fam. Ulniaceae.
Trema amboinensis Bl. K. 3. Subtrop. u. trop. Asien u. Austral.
Fam. Casuarinaceae.
Casuarina equisetifolia Forst. K. 2. 3;V.2. 3; Hinterindien, Malayisch. Archipel
L. 2. (auchBinnenland),N.-Austrahen.
Angiosperinae ßlonocotyledoneae.
Fam. Orchidaceae,
Arundina speciosa Bl. K. 2. 3.
74.
Cymbidium Finlaysonianum K. 3.
Lindl.
75. Phajus spec.
K.2;L. 2.
Auf Java an sonnigen Stellen sehr
gemein (Vulkane!), Borneo, Su-
matra, Malacca, Ostindien.
Im Malay. Archipel verbreitet
(Java, Borneo, Sumatra, Cele-
bes, Riouw, Singapore, malay.
Halbinsel).
Im Malayischeii Archipel mit
ca. 20 Arten verbreitet.
332
A. Ernst.
76.
Spalhoglottis plicata Bl.
K. 2. 3; V. 3;
L. 2.
77.
Vanda sulingi Bl.
Farn. Palmae.
L.2.
78.
Cocos nucifera L.
Farn. Cyperaceae.
K.3;V.3;L.2.
79.
Cyperus digitatus Roxb.
K.1.(?)2;V.2.
80.
Fimbristylis spathacea Roth.
K. 1. (?) 2. 3.
V. 3;L.2.
81.
Mariscus umbellatus Vahl.
K. 3.
82.
Remirea maritima Aubl.
Fam. Gramineae,
K.3;L.2.
83.
Gymnothrix elegans Büse.
K. 1.2; V. 2;
L. 2.
84.
Imperata arundinacea Cyr.
K. 2. 3; L. 2.
85.
Ischaemum muticum L.
K. 2. 3; V. 3;
L. 2.
86.
Pennisetum elegans J.K.
K. 3; V. 3.
87.
Phragmites Roxburghii
K. 1. 2; V. 2;
Stand.
L.2.
88.
Pogonatherum crinitum Trin.
K. 2. 3; V. 3;
L. 2.
89.
Saccharum spontaneum L.
K. 2.3; V. 3;
L. 2.
90.
Spinifex squarrosus L.
Fam. Pandanaceae.
K.2.3;V.2.3
L. 2.
91.
Pandanus spec. (littoralis
Jungh.;?).
K.2.3; V.2.3.
Penang, Perak, Singapore, Malay.
Archipel (Java), Manilla, Neu-
Guinea.
Java.
Alle tropischen Küsten.
In den Tropen verbreitet, Indien,
Ceylon, Penang.
Ceylon, Vorder- und Hinterindien,
Singapore.
Von Afrika bis Neu-Guinea, Java,
Sumatra.
Alle tropischen Küsten.
Java.
Kosmopolitisch, Alang Alangfelder
im Malayischen Archipel.
Malay. Archipel, Birma.
Trop. Amerika, Afrika, Indien.
Trop. Afrika, Vorderindien, Ceylon,
Sumatra, Java, Australien.
Vorder-Hinterindien , Malay isch er
Archipel.
Tropen der alten Welt; Bestand-
teil der Alang Alangfelder im
Malayischen Archipel.
Vorder- und Hinterindien, Malay.
Archipel.
Mehrere Arten in der indo-
malayischen Strandformation,
i. b. auf Java und den Korallen-
inseln der Javasee häufig.
Fam. Cycadaceae.
92. Cycas circinalis L.
Gymnosperniae,
K. 3.
Vorder- und Hinterindien, Malay.
Archipel (auch Binnenland).
Pteriflophyta.
Fam. lAjcopodiaceae.
93. Lycopodium cernuum L. K.2.3. Inseln u. Küsten der Tropenzone;
i. b. Malayischer Archipel.
Fam. OpMoglossaceae.
94. Ophioglossum moluccanum. K. 2. Hügelland und untere Waldzone
Schlecht. von Java.
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau.
333
Fam. Polypodiaceae.
95. Acrostichum aureum L. K. l.:2. 3; V. 2.
96. Acrostichum scandens J.Sm. K. 1. :2.
97. Aspidium vile Kze.
98. Bleclinum Orientale L.
K. 2.
K. 1. 2; V. 2.
99. Gymnogramme calomelanos K. 1.2.3; V.3.
(L.) Kaulf.
100. Nephrodium calcaratum (BI.) K. 1.
Hook.
101. Nephrodium cuculIatum(Bl.) K. 1. 2. 3.
Bak.
102. Nephrodium flaccidum Hook. K. 1.
103. Nephrolepis exaltata Schott. K. 1.2.3; V.3.
104. Onychium auratum Kaulf. K. 1.
105. Polypodium quercifolium L. K. 2. 3.
106. Pteris aquilina L.
107. Pteris longifolia L.
108. Pteris marginata Borv.
Fam. Anthocerotciceae.
109. Anthoceros spec.
Fam. Sai-tramiaceae.
110. Philonotis secunda (Dz. et
Mb.) V. d. B. et Lac.
Fam. Bryaceae.
111. Bryum coronatum Schwaegr.
Fam. Agariciiieae.
112. Hygrophorus spec.
Fam. Polyporaceae.
113. Polystictus sanguineus (L.)
Fries.
114. Polystictus hydnoides.
Fam. SadllaHaceae.
115. Navicula spec.
116. Encyonema ventricosum
Kütz.
117. Nitzschia Sigrma (Kütz.j Sm.
K. 1. 2.
K.1.2.3; V.3.
K. 1.
Mangrovesümpfe u. Nipaformation
aller tropischen Länder.
Mangrove- und Barringtoniafor-
mation. Von Nordindien u. Süd-
china bis Nordaustralien.
Xerophil; Vulkane .Javas.
Von Nordindien und Südchina bis
Polynesien , Neu - Guinea und
Australien.
Tropen der neuen und alten Welt.
Von Osthimalaja und Südchina
südwärts; malesisches Gebiet.
Malay. Archipel; Ebene u. Hügel-
land.
Malay. Archipel (Java).
Epiphyt und Erdfarn von Nord-
indien u. Japan bis Australien u.
Neu-Seeland; Afrika u. Amerika.
Himalaya bis Philippinen.
Nordindien und Südchina bis Cey-
lon, Malay. Archipel.
Kosmopohtisch auf der ganzen Erde.
Wärmere Länder der alten Welt;
sehr verbreitet auf Java.
Vom östlichen Indien und Ceylon
durch die malayische Region bis
Nordaustrahen.
Brijophyta,
K. 2.
K. 1. (V) 3.
K. 1. (?) 3.
Euiiiycetes.
K. 2.
K. .3.
K. 3.
Zygophyta,
K. 2.
K. 2.
K. 2.
334 A. Ernst.
118. Cystopleura gibba (Ehrenb.) K. 2.
Kunze.
il'.l. Cystopleura gibberula K. !2.
(Ehrenb.) Kunze, var. pro-
ducta. Grün.
Schi^ophyta.
Farn. Chroococcaceae,
120. Aphanothece Castagnei K. 2.
(Breb.) Rabh.
1:21. Gloeothece rupestris (Lyngb.) K. 2.
Bor.
Farn. Oscillatoriaceae.
122. LyngbyaVerbeekianaTreiib. K. 1.
123. Lyngbya minutissima Tr. K. 1.
124. Lyngbya intermedia Tr. K. 1.
125. Microcoleus chlonoplastes Thr. K. 2.
126. Oscillatoria amphibia Ag. K. 2.
127. Schizothrix vaginata Gom. K. 2.
128. Symploca spec. K. 1.
Fam. Kostocaceae.
129. Anabaena spec. K. 1.
Fam. Scytonemaceae.
130. Scytonema mirabile Boss. K. 2.
131. Tolypothrix spec. K. 1.
Fam. JBacteriaceae.
132. Bactei'ium radicicola Beye- K. 3.
rinck
133. Bacterium Krakataui. De K. 3.
Kruyff.
134. Bacillus Mycoides Flügge. K. 3.
135. Bacillus Moire. (B. mega- K. 3.
therium de Bary?).
136. Bacillus fluorescens liquae- K. 3.
faciens.
Myxothullophyta,
Fam. Physaraceae.
137. Physarum cinereum. K. 2.
Die grösste Anzahl der in den letzten 10 Jahren eingewanderten
Arten entfällt auf die Blütenpflanzen, die nunmehr nicht nur das
Vegetationsbild des Strandes, sondern auch der Ebene und der Berg-
abhänge bedingen. Während die Anzahl der Farne nicht wesentlich
zugenommen hat, ist die Gesamtzahl der Blütenpflanzen (15 Arten
im Jahre 1886) von 56^) im Jahre 1897 bis April vergangenen Jahres
^) Pen zig gibt die Zahl 53 an; er hat von den Treubschen Funden die beiden
Conyza&xiQn und Senezio spec. bei der Berechnung der Gesamtflora von 1897 nicht
mitgezählt.
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau.
335
auf 92 angestiegen. Dieser Zuwachs verteilt sich fast gleichmässig
auf Strand- und Binnenlandflora.
Ausschliesslich oder vorwiegend dem Strandgürtel von Kraka-
tau und Verlaten Eiland gehören die nachfolgenden Arten an:
• Blumea balsamifera DC.
Conyza angustifolia Harn.
Pluchea indica (L.) Less.
• Wedelia glabrata B. et H.
Wollastonia spec.
• xGuettarda speciosa L.
xHyptis brevipes Poit.
• xPremna foetida Reinw.
• X Tournefortia argentea L.
Xlpomaea denticulata Choisy.
Cynanchum Blumei B. et H.
Eugenia speciosa L.
• X Barringtonia speciosa Forst.
• X Calophyllum Inophyllum L.
Melochia indica (Houtt.) A. Gr.
Vitis trifolia L.
• xDodonaea viscosa L.
•X Euphorbia Atoto Forst.
xCarapa obovata Bl.
Cassia siamea Lam.
xDerris uliginosa Lour.
Entada Pursaetha DC.
XErythrina ovalifolia Roxb.
Mucuna pruriens DC.
Pithecolobium moniliferum Bth.
xVigna lutea (Sw.) A. Gray.
• xHernandia peltata Meissn.
XXimenia americana L.
• XCasLiarina equisetifolia Forst.
Cyperus digitatus Roxb.
XRemirea maritima Aubl.
• X Spinifex squarrosus L.
• X Cycas circinalis L.
• xPolypodium quercifolium L.
Blumea hieracifolia DC.
X Conyza indica Miq.
Wedelia asperrima Boerl.
Wedelia scabriuscula Boerl.
•xScaevola Koenigii Valil.
• xMorinda citrifolia L.
•X Clerodendron inerme Gaertn.
•Vitex Negundo L.
• Calonyction asperum Choisy.
• xlpomaea Pes Caprae Sw.
• X Cerbera Odollam Gaertn.
• xTerminalia Catappa L.
Barringtonia Vriesei Teysm. et
Binnend.
Melochia arborea Bl.
• X Hibiscus tiliaceus L.
• xColubrina asiatica (L.) Brongn.
X Spondias mangifera Willd.
X Euphorbia pilulifera L.
• X CaesalpiniaBonducella(L.)Roxb.
• X Canavalia obtusifolia DC.
• X Desmodium umbellatum DC.
• XErythrina indica Lam.
Indigofera Teysmanni Miq.
• xPongamia glabra Vent.
• X Sophora tomentosa L.
X Vigna luteola (Jacq.) Benth.
• X Cassytha filiformis L.
Pipturus incanus Wedd.
• X Cocos nucifera L.
• Fimbristylis spathacea Roth.
• X Ischaemum muticum L.
• Pandanus spec.
• X Acrostichum aureum L.
Die Strandflora der Krakatauinseln besteht zu zwei Dritteln aus
Ubiquisten der tropischen Küsten. Von den 67 in vorstehender Liste
336 A. Ernst.
aufgeführten Pflanzen finden sich die mit X bezeichneten 42 in den
Verzeichnissen von Schimper^) und Hemsley-) als typische Strand-
pflanzen aufgeführt. 35 derselben sind auch ausserhalb des malayischen
Archipels, viele sogar über den ganzen Tropengürtel verbreitet und
häufig vorkommend. Für ihre Bedeutung für die Strandflora der
Küsten im Gebiete der Sundastrasse spricht schon die Durchsicht der
pag. 301—303, 306—307 und 313 — 314 gegebenen Listen unserer
Pflanzenfunde auf Edam, in Vlakke Hoek (Sumatra) und Javas
erstem Punkt.
Von den mit X bezeichneten 36 Halophyten Edams finden sich
18 auf den Krakatauinseln, mit dem Strande von Vlakke Hoek haben
die Inseln 21, mit demjenigen von Javas erstem Punkt 14 dieser weit
verbreiteten Arten gemein. Eine ebenso weitgehende Übereinstimmung
würde der Vergleich mit andern Küstenstrecken von Java und Sumatra,
mit Inseln der Javasee oder des Gebietes der Sundastrasse ergeben.
Von den 17 Strandpflanzen z. B., die Guppy^) für die von ihm be-
suchten Strecken der Südwestküste Javas angibt, gehören 14 der
Krakatauflora an. Die von Darwin^) (1836), Forbes^) (1878) und
Guppy (1888) besuchten Keeling- oder Kokosinseln (südöstlich
der Sundastrasse in 12'' s. Br. u. 98" ö. L.) weisen in ihrer ursprüng-
lichen, ca. 30 Phanerogamen umfassenden Flora 18 mit der jetzigen
Krakatauflora gemeinsame Vertreter auf. An den 5 Standorten (Edam,
Vlakke Hoek, Javas 1. Punt, Südwestküste von Java und Kokos-
inseln) zusammen finden sich 36 (mit • X oder • in der Liste vermerkt)
der Strandbewohner von Krakatau wieder. Auch die 25 weiteren
Arten, welche in der neuen Strandflora von Krakatau vorkommen,
gehören solchen Gattungen an, von denen die Listen Schimpers und
Hemsleys andere Arten als typische Strandpflanzen anführen.
Im Innern der Insel, auf der langsam ansteigenden Ebene und
den Abhängen des Kegels, finden sich neben zahlreichen, auch in der
Liste der Strandpflanzen aufgeführten Arten die nachfolgenden Phanero-
gamen und Gefässkryptogamen :
') Schimper, A. F. W., Die indo-malayische Strandflora, pag. lUO.
^) Hemsley, B. W., Report of Present State of Knowledge of various Insular
Floras. pag. 42.
^) Guppy, H. B., The dispersal of plants, as illustrated by the Flora of the
Keeling or Cocos Islands. Sep.-Abdr. 1890 pag. 30.
*) Die von Darwin gesammelten Pflanzen sind von Henslow, J. S., be-
arbeitet: Florula Keelingensis, Annais of Natural History (1838 vol. 1. pag. 337 — 347);
das Verzeichnis findet sich auch reproduziert in Challenger Reports. Botany. Vol. I.
part 3. pag. 113.
'") Forbes, 0., Wanderungen eines Naturforschers im Malayischen Archipel
von 1878—1883. I. Bd. Jena 1886. pag. 45.
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau.
337
Emilia sonchifolia (L) DC.
Senecio spec,
Trichosanthes tiicuspidata Lour.
Carica Papaya L.
Ficus fistulosa Reinw.
Ficus hirta Vahl.
Ficus leucantatoma Poir.
Trema amboinensis Bl.
Cymbidium Finlaysonianum Lindl.
Spathoglottis plicata Bl.
Mariscus umbellatus Vahl.
Imperata arundinacea Cyr.
Phragmites Roxburghii Stend.
Saccharum spontaneum L.
Lycopodium cernuum L.
Acrostichum scaiidens J. Sm.
Blechnum Orientale L.
Nephrodium calcaratum (Bl.) Hook.
Nephrodium flaccidum Hook.
Onychium auratum Kaulf.
Pteris longifolia L.
Erechthites hieracifolia (L.) Raf.
Vernonia cinerea (L.) Less.
Melastoma polyaiithum Bl.
Albizzia stipulata Boiv,
Ficus fulva Reinw.
Ficus hispida L.
Ficus toxicaria L.
Arundina speciosa Bl.
Phajus spec.
Vanda Sulingi Bl.
Gymnothrix elegans Büse.
Pennisetum elegans I.K.
Pogonatherum crinitum Trin.
Ophioglossum moluccanum
Schlecht.
Aspidium vile Kze.
Gymnogramme calomelanos Kaulf.
Nephrodium cucullatum (Bl.) Bak.
Nephrolepis exaltata Schott.
Pteris aquilina L.
Pteris margin ata Bory.
Auch die Pflanzen dieser Liste zeichnen sich, wie schon aus den
Angaben in der Hauptflorenliste (pag. 328 — 334) hervorgeht, durch
weite Verbreitungsgebiete aus. Einzelne derselben sind Kosmopoliten
und werden wie Lycopodium cernuum, Pteris aquilina u. a. in allen
Erdteilen und Zonen gefunden. Andere sind über die Tropen der alten
Welt (E)tiilia sonchifolia, Venionia cinerea, Saccharum sjjo/ifa-
neuni u. a.), über das ganze subtropische und tropische Asien oder
doch über das Gebiet des malayischen Archipels verbreitet. Sie ge-
hören innerhalb ihrer Verbreitungsgebiete zu den häufigsten und viel-
fach mit sehr verschiedenartigen Standorten vorlieb nehmenden Pflan-
zen. Auch diese Bestandteile der neuen Krakatauflora verdanken ihr
Vorkommen an dem neuen Standorte, wie ihre weiten Verbreitungs-
gebiete überhaupt, besonders günstigen Anpassungen ihrer Früchte
und Samen an den Ferntransport.
lY. Die Lebensbedingungen auf Krakatau.
Die neue Flora der Krakatauinseln zeigt auf das überraschendste,
wie schnell die Pflanzenwelt auch unter ungünstigen Bedingungen ein
steriles Gebiet zu erobern vermag.
338 A. Ernst.
Damit lebendige Keime, welche durch irgend ein verbreitendes
Agens auf Neuland wie Krakatau getragen worden sind, heranwachsen
und selbst neue Keime erzeugen können, bedarf es des Zusammen-
wirkens vieler Faktoren. Ein grosser Teil der auf das Neuland ge-
langten Keime geht zugrunde, weil sie die zu ihrer Entwicklung not-
wendigen Bodenverhältnisse und klimatischen Bedingungen nicht vor-
finden. Samen und Früchte anderer Pflanzen, denen vielleicht die
Wachstumsbedingungen des neuen Standortes zusagen würden, haben
während des Transportes durch Trockenheit oder zu starke Durch-
nässung ihre Keimfähigkeit eingebüsst, oder sie sind nur kurze Zeit
nach erfolgter Ausstreuung keimfähig und haben durch lange Dauer
der Reise bereits gelitten. Von den keim- und wachstumsfähigen
Samen wiederum können viele vor oder während ihrer Entwicklung
durch Tiere zerstört werden oder infolge Umgestaltung des Sub-
strates zugrunde gehen. Die Konkurrenz anderer Pflanzen um Raum
und Licht spielt vorerst bei der Besiedelung von Neuland keine
Rolle. Dagegen muss eine schon herangewachsene Pflanze auch die-
jenigen Verhältnisse vorfinden, welche die Befruchtung ihrer Blüten
und das Reifen ihrer Früchte begünstigen. Windblütige Pflanzen, die
auf solchem Terrain Fuss gefasst haben, werden also beispielsweise
reichlicher fruchten und daher besser zur Ausbreitung auf dem zu
besiedelnden Boden geeignet sein, als andere mit speziellen Anpas-
sungen an Bestäubung durch bestimmte Insekten, die auf entlegenem
Neuland noch fehlen können. Aus ähnlichen Gründen ist es um die
Verbreitung diöcischer Arten häufig schlimm bestellt. Wenn von
denselben auf dem Neuland nur ein Exemplar vorkommt (wie von
Cycas auf Krakatau), oder wenige über weite Gebiete verteilt sind,
so unterbleibt naturgemäss die Fruchtbildung. Die betreffende Pflanzen-
art wird also, wenn während der Lebensdauer des zuerst entstandenen
Individuums nicht neue keimfähige Samen auf die Insel gelangen,
welche andersgeschlechtliche Exemplare liefern, aus dem Pflanzen-
kleid wieder verschwinden.
Besonders hemmend mussten sich bei der Neubesiedelung von Kra-
katau in den ersten Jahren die nachteiligen Einflüsse der starken Inso-
lation und des fliessenden Wassers auf die Erstlinge der Vegetation der
Bimsstein- und Aschenfelder geltend machen. Während der schönen Jah-
reszeit, die vermutlich auf Krakatau, wie in Batavia und anderen Plätzen
der javanischen Nordwestküste, mit dem Südostmonsun ungefähr von
Mai bis September dauert, sind die Regen verhältnismässig selten. Da-
gegen wird der Boden jeden Tag, ebenso an hellen Tagen der Regenzeit,
auf Temperaturen erhitzt, welche das Wärmemaximum für Keimung
und Wachstum der meisten Pflanzen bedeutend übersteigen. Die Ge-
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau.
339
sanitregenmenge der Insel ') beträgt wahrscheinlich gegen 2 V2 m per
Jahr, wovon der grösste Teil während der Zeit von Dezember bis
März fällt. Namentlich während der ersten Jahre bewirkte jeder
heftige Regenguss durch die erodierende Kraft des abströmenden
Wassers Oberflächenveränderungen und mit der lockeren Unterlage
ist mancher auf die Insel gelangte Same, manche trotz der ungünstigen
Bedingungen entstandene Keimpflanze von ihrem Standort weg-
geschwemmt oder unter anderem Material begraben worden.
Die chemische Zusammensetzung des Substrates und seine
physikalischen Eigenschaften dagegen waren der Neubesiedelung
nicht so ungünstig, wie man sich zunächst vorzustellen geneigt ist.
Aus den von C. Winkler ausgeführten und von Verbeek (1. c. IL
pag. 305) mitgeteilten Aschen- und Bimssteinanalysen geht hervor,
dass in denselben fast alle für die Pflanze notwendigen Nährsalze
(Stickstoff"- und Phosphor Verbindungen ausgenommen) in gentigender
Menge und, was für das Pflanzenleben von besonderer Bedeutung ist,
zum Teil auch in wasserlöslicher Form vorkommen. Für Asche aus
den obersten Schichten der ersten Ausbrüche (a) und hellfarbigen
Bimsstein (b) u. a. wird folgende Zusammensetzung angegeben:
b.
SiOg
60.13
68.51
TiO.,
1.10
0.82
AlÖa
17.41
15.96
Fe.Og
4.30
2.61
FeO
MnO
CaO
MgO
1.68
0.40
3.36
2.27
Im Wasser
unlöslich
99.56 Vo
1.09
0.28
3.14
1.07
Im Wasser
unlöslich
99.31 7o
K2 0
2.46
1.82
Na. 0
4.88
4.01
CaSO^
Organ.
(Anhydrit)
Substanz.
1.57
in Spuren
—
NaCl
0.75
1.09
KCl
in Spuren
Im Wasser
in Spuren
Im Wasser
Nag SO
1
0.22
löslich
—
löslich
Ca SO,
Fe SO,
0.11
0.03
1.11 %
0.22
0.03
1.3470
') In Westjava im Mittel von 24 Stationen ^76 cm, in (Istsumatra im Mittel
von 10 Stationen 204 cm; für den {.-•anzen Archipel ist der mittlere Regentall zu
25:2 cm berechnet worden.
340 A. Ernst.
Die wasserlöslichen Substanzen stammen zum grossen Teil
aus dem Meerwasser, das bis zum Lavareservoir des Vulkanes durch-
gesickert oder im Momente des Einsturzes von oben her in den
Krater eingedrungen ist und bei der nachfolgenden Eruption mit
der Asche sich vermengt hat. Vielleicht stammt ein Teil des
Gipses nicht aus dem Meerwasser, sondern von alten Schichten
des Vulkans, womit auch die Tatsache übereinstimmt, dass der un-
lösliche Teil der Asche eine bedeutende Menge von Anhydrit ent-
hält. Von den übrigen Bestandteilen des Meerwassers fehlt unter
dem löslichen Teil der Asche das Magnesiumchlorid, das sich viel-
leicht bei der hohen Temperatur durch die Berührung mit dem
Wasserdampf in das unlösliche Magnesiumoxyd umgesetzt hat. Auch
Brom und Jod konnten weder in den Aschen noch im Bimsstein
nachgewiesen werden, was in Anbetracht des geringen Gehaltes
des Meersalzes an Brom- und Jodverbindungen (ca. 7^ "/«) leicht zu
begreifen ist.
In dem durch die Eruption selbst gegebenen Substrate waren
also einzelne der anorganischen Nährsalze der Pflanzen in mehr als
genügender Menge und in günstiger, löslicher Form vorhanden. Die
fehlenden Verbindungen können teilweise in Form von Staub in ähn-
licher Art wie die Keime von Lebewesen durch Wasser und Wind
auf die Eilande gebracht worden sein. Ferner werden durch die Flut
und bei Stürmen durch die anlaufenden Wellen stets grosse Mengen
organischer Reste, Meeresalgen und Meertiere an den flachen Strand
geworfen, so dass derselbe 50 und mehr Meter landeinwärts ein
immer gut besetztes Leichenfeld darstellt, dessen porösem Bimsstein-
und Aschenboden aus den verwesenden Körpern stetig organische und
anorganische Verbindungen zugeführt werden.
Für die Herstellung günstiger Ernährungsbedingungen im Innern
der Inseln dürften andererseits in Betracht kommen : die durch lokale
Winde vom Strande her getragenen Staubmassen, ferner kleinste
Teilchen anorganischer und organischer Substanz, welche mit den
Mikroorganismen, den Sporen von Moosen und Farnen, den Samen
von Blütenpflanzen durch die Passatwinde gebracht worden sind, und
schliesslich, was wohl eine Hauptquelle stickstoffhaltiger Nahrung
ist, die Zuführung von Salpetersäure und salpetriger Säure durch
den Regen. Wir dürfen annehmen, dass unter dem Äquator die
Oxydation des Stickstoffes zu Salpetersäure und salpetriger Säure
unter dem Einflüsse elektrischer Entladungen, der fast täglich
wiederkehrenden Gewitter wegen, mindestens so intensiv, wenn
nicht in bedeutend stärkerem Masse als bei uns erfolgt. Wenn nun
auch die durch die Niederschläge dem Boden zugeführten Stickstoff-
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakataii. 341
mengen ^) während eines Jahres verhältnismässig klein sind, so waren
sie doch hinreichend, um zusammen mit den in den Aschen enthaltenen
Nährsalzen und Spuren organischer Substanz schon in den ersten
Jahren eine reiche Mikroflora zu ermöglichen.
Auf den Bimsstein- und Aschendecken, auf dem blossliegenden Ge-
stein in den Schluchten des Bergabhanges wurden drei Jahre nach der
Eruption schwarzgrüne, gallertig -schleimige Schichten blaugrüner
Algen festgestellt, die Treub mit Recht als ein geeignetes und nähr-
stoffreiches Substrat für die Keimung der Sporen von Kryptogamen
und der Samen von Phanerogamen bezeichnete. Eine vielleicht noch
grössere Bedeutung für die Herstellung eines für höhere Pflanzen
günstigen Nährbodens dürfte den Bakterien und Schimmelpilzen
schon in der allerersten Zeit der Besiedelung zugekommen sein. Unter-
suchungen über die Bakterienflora von Krakatau sind zwar erst auf
unserer (der dritten) Exkursion angestellt worden, es ist aber ausser
allem Zweifel, dass diese kleinsten Organismen sich gleichzeitig mit
den Algen und Sporen, vielleicht noch vorher auf der Insel eingestellt
und weiterentwickelt haben.
Dr. E. De Kruyff, Bakteriologe an 's Lands Plantentuin zu
Buitenzorg, hatte die Güte, mir einige sterile Röhren nebst Zubehör
zur Entnahme von Erdproben, eine Papierplatte (Methode von Iter-
son) zum Nachweis von Pilzen mitzugeben und hernach die Unter-
suchung des gesammelten Materials zu übernehmen. Die bakterio-
logische Untersuchung der 4 Bodenproben (2 Proben aus dem Barring-
tonia- und Casuarinenwalde, 1 Probe aus der Strandzone, 1 Probe aus
dem Innern der Insel) ergab auf 1 Gramm Boden zwischen 1300000
und 2800000 (im Mittel für die 4 Proben 2 200 000) Bakterien, also
Zahlen, die auch für den Boden in Buitenzorg auf Java von
De Kruyff festgestellt worden sind und ebenso dem Bakterien-
gehalte verschiedener Böden in der Schweiz entsprechen dürften.
Die Anzahl der nachgewiesenen Bakterienarten ist nicht gross.
Wichtig aber ist, dass die vorkommenden den verschiedensten bio-
logischen Gruppen angehören. Von den gewöhnlichen Bodenbakterien
waren Bacillus mijcoides und Bacillus Moire [B. Megatherium
De Bary?) sehr häufig, von typischen Fäulnisbakterien Bacillus
fluorescens liquaefaciens. In allen 4 Proben fanden sich ferner Er-
reger der Cellulose-, Pektinstofl- und Stärkegärung, sowie Urobakterien,
die Erreger der Harnstofffäulnis, was in Anbetracht der noch ver-
hältnismässig schwach vertretenen Tierwelt nicht ohne Interesse . ist.
Auf der Papierplatte kamen zahlreiche Schimmelpilze zur Entwicklung,
') In Europa nach Boussingault 1 bis 0 mg Slickstoftsäuren im Liter Regen:
nach Berechnungen von Ad. Mayer per Jahr ca. 1 kg auf den Hektar.
342 A. Eriij^t.
während merkwürdiger Weise die Hefepilze auf der Platte wie in den
Bodenproben vollständig fehlten. Von allergrösster Wichtigkeit aber
für die Ernährung der Gefässpflanzen auf Krakatau ist das Vor-
kommen derjenigen Bakterien, die im Kreislaufe des Stickstoffs
eine Rolle spielen, der Nitrit- und Nitratbakterien und der
stickstoffbindenden Bakterien.
Bei der Zerlegung der stickstoffhaltigen Substanz toter Tiere
und Pflanzen durch Fäulnisbakterien und andere Mikroorganismen
werden die Stickstoffverbindungen im allgemeinen in Ammoniak über-
geführt. Ein Teil des bei der Verwesung entstehenden Ammoniakes
wird vom Boden fixiert und hernach durch die Nitrit- und Nitrat-
bakterien in salpetrige- und Salpetersäure umgewandelt, welche in
Form von Salzen von den Absorptionsorganen der Gefässpflanzen am
leichtesten aufgenommen werden. Ein anderer Teil des entstandenen
Ammoniaks geht in gasförmiger Gestalt in die Luft über und kehrt,
an salpetrige- und Salpetersäure oder an Kohlensäure gebunden, mit
den atmosphärischen Niederschlägen zum Teil wieder auf den Boden
zurück. Auch im Innern der Insel wird dem Boden also in Form
von Ammoniak eine weitere Menge von Stickstoff zugeführt, welche
von einzelnen der grünen Pflanzen direkt nutzbar gemacht werden
kann, andern dagegen erst nach erfolgter Nitrifikation durch die auch
hier vorhandenen Nitrit- und Nitratbakterien als Stickstoffquelle zu
dienen vermag.
Eine weitere Bereicherung des ursprünglich stickstofflosen Bodens
auf Krakatau mit Stickstoffverbindungen erfolgt durch die Tätigkeit
stickstoffbindender Bakterien. Die bekannten frei lebenden und den
atmosphärischen Stickstoff fixierenden Clostridium Pasteurianujn
und Azotobacter chroococcum konnten zwar in den Bodenproben
nicht nachgewiesen werden, dagegen gelang es De Kruyff 0, mit den
Methoden Beyerincks sowohl aus den Bodenproben des Wäldchens
wie der Pes Capraezone eine neue aerobe stickstoffbindende Bakterie,
Bacterium Krakatau'i, zu isolieren. Ausser dieser frei lebenden,
Stickstoff fixierenden Bakterie ist auch Bacterium radicicola von
den Winden auf die Insel getragen worden, das in Symbiose mit
Leguminosen, deren Wurzeln bewohnend, beträchtliche Mengen von
atmosphärischem Stickstoff zu binden vermag. An den Wurzeln aller
darauf hin geprüften Leguminosen, Vigna, Ganavalia , Erythrinn,
fand ich in grosser Zahl die charakteristischen Wurzelknöllchen vor.
Infolge ihrer Symbiose mit Bacteriuin radicicola, das ihnen auf dem
') E. De Kruyff, Sur une bacterie aerobe, fixant l'azote libre de Tatmosphere:
Bacterium KrakatauT. Bulletin du Dep. de l'agriculture aux Indes neerlandaises.
No. IV. (Micro-Biologie II). Buitenzorg 1906.
l)ie neue Floni der Vulknninsel Krakatau. 343
an Stickstoff- und Phosphorverbindungen armen Bimsstein- und Asehen-
boden durch Assimilation des atmosphärischen Stickstoffs den Kampf
um die Nährstoffe wesentHch erleichtert, sind die Leguminosen für
die Neu-Besiedelung der Insel von ganz besonderer Bedeutung ge-
worden. Sie sind jetzt mit 16 Arten, die 14 Gattungen angehören,
im besonderen in der Pes Caprae- und Barringtoniaformation des
Strandes, durch Vigna, Gnnai'üUa, Gaesdlpinia und Mucioui auch
in der Binnenlandflora vertreten und übertreffen hier wie dort fast alle
anderen bäum- und strauchartigen Blütenpflanzen an Individuenzahl.
V. Bedeutung der verschiedenen Verbreitungsagentien pflanzlicher Keime
für die Besiedelung der Krakatauinseln.
Unter den Verbreitungsagentien von Früchten, Samen und vege-
tativen, zur Fortpflanzung bestimmten oder geeigneten Organen kamen
für die Besiedelung der Krakatau gruppe die gleichen in Betracht wie
für neu entstehende Inseln überhaupt: Transport durch Vögel, Winde
und Meeresströmungen.
I. Die Meeresströmungen.
Die Früchte und Samen der Strandpflanzen, die sich überall in
der Driftzone der Küsten vorfinden, werden fast ausnahmslos durch die
Meeresströmungen transportiert. Für viele derselben ist die Fähig-
keit, auf Meerwasser oder Kochsalzlösung während längerer Zeit zu
schwimmen, ohne die Keimfähigkeit einzubüssen, durch Experimente
von Guppy^), Schimper u. a. festgestellt worden. Das Schwimm-
vermögen ist nicht bei den Früchten und Samen aller Strandpflanzen
in gleichem Masse entwickelt. Einzelne derselben schwimmen frisch
vom Baume gefallen ebensogut wie im ausgetrockneten Zustande.
Andere dagegen werden erst dann vom Wasser getragen, wenn sie
während längerer Zeit trocken gelegen haben. Bekannt ist die lang-
andauernde Schwimmfähigkeit der grossen Driftfrüchte, der Kokos-
nüsse, der Früchte von Gerhera Odollam, von Nijm fruticans, der-
jenigen von Barringtonia, Galophyllutn und Terminalia Catappa.
Auch kleine Früchte und Samen schwimmen während langer Zeit.
Bei den Versuchen von Guppy keimten die Samen von Giiet tarda
speciosa, Scaevola Koenigü, Morinda citrifolia, Tournefortia
argentea und anderer der auch auf Krakatau vorkommenden Strand-
pflanzen noch, nachdem sie 40 bis 53 Tage auf Seewasser flottiert
') Guppy, H. B., I.e.
— — The Solomon-Islands, London 1SS7, pag. 305.
:'ÄA A. Ernst.
hatten. Auf 3 V2 "/<> Kochsalzlösung schwammen bei den Experimenten
Schimpers Samen von Dodoiiaea viscosa noch nach 60, diejenigen
von Hibisciis tiUaceus sogar noch nach 121 Tagen. Für andere
ebenfalls weit verbreitete Strandpflanzen ist allerdings durch ähnliche
Versuche eine bedeutend geringere Schwimmfähigkeit der Samen fest-
gestellt worden. Nach Schimper schwimmen die Samen von Euphor-
bia Atoto nur 4 bis 5 Tage; Samen von Pemphis acidula sinken,
nach Guppy, wenn frisch vom Baume gefallen, sofort, nach vierzehn-
tägigem Trockenliegen erst nach 2 bis 5 Tagen. Die Schwimm dauer
der Zäpfchen von Casuarina equisetifolia soll sich sogar nur über
1 bis 2 Tage erstrecken. Während die kurzen Schwimmzeiten von
2 bis 5 Tagen offenbar nicht genügen, um eine Übertragung von
Früchten und Samen der zuletzt genannten Pflanzen auf weit vom
Festland entfernte Inseln zu ermöglichen, sind sie doch hinreichend,
um das Vorkommen dieser Pflanzen auf Krakatau zu erklären. Die
Entfernung der Krakatauinseln von den Küsten Javas und Sumatras
und zahlreichen Inseln im Gebiet der Sundastrasse ist verhältnis-
mässig gering. Die beim Ausbruche von 1883 nur teilweise ihrer
Vegetation beraubte Insel Sebesi ist von Krakatau nur 19 km, von
Verlaten Eiland und Lang Eiland nur etwa 15 km entfernt. Nur
wenig grösser ist der Abstand von Seboekoe. Von den nächsten
Punkten der sumatranischen Küste, Telong Kelapa und Varkens-
hoek, beträgt der Abstand 37 und 40 km. Etwa gleich gross ist die
Entfernung vo-n Javas drittem Punkt; bis zur Nordspitze der Prinzen
Insel beträgt sie 43 km. Von all den benachbarten Küstenstrecken
Javas und Sumatras, von den Inseln der Sundastrasse und der Javasee
können also die ins Wasser gelangten Früchte und Samen von Strand-
pflanzen durch die in ihrer Richtung wechselnden Strömungen ganz
wohl an den Strand der Krakatauinseln getragen werden. Im be-
sondern ist vom Nordeingang der Strasse her, von der sumatranischen
Küste bei Varkenshoek, den Zutphen Eilanden, von der Insel
Dwars in den Weg, St. Nicolaaspunt und Javas viertem Punkt
an der javanischen Küste der Transport von schwimmenden Pflan-
zen und Ptlanzenteilen durch die nach Südwest verlaufende
Strömung unter günstigen Umständen in weniger als einem
Tage möglich. Zur Zeit des Ostmonsuns wird diese Stromrichtung
bis zu 18 Stunden ununterbrochen beibehalten und da gerade in dem
breiteren mittleren Teile der Strasse, in der Richtung gegen Krakatau
hin, die Stromgeschwindigkeit mindestens 3 km per Stunde beträgt,
ist also zwischen zwei Gezeitenwechseln Transport bis über eine Ent-
fernung von mehr als 50 km möglich. Es können also auch Samen
und Früchte mit geringem Schwimmvermögen direkt durch die Strö-
Die neue Flora der Yulkaninsel Krakatau. 345
mung auf die Krakatauinseln getragen werden. Indessen sind für
deren Transport die anderen Möglichkeiten, die Guppy z. B. für die
Besiedelung der Kokosinseln angibt, durchaus nicht ausgeschlossen.
Gc.ppy hat festgestellt, dass in den Kissen und Spalten und den
von Muscheln und Würmern herrührenden Löchern und Gängen ge-
strandeter Baumstämme oder angeschwemmten Astwerkes sich ausser
Sand vielfach auch kleine Samen von Strandpflanzen wie Tournefortia
argentea, Scaevola Koenigii, Pemphis acidula etc. vorfinden. Sie
sind gleich dem Sand durch den Wind in jene Vertiefungen hinein-
geweht worden. Wird dieses Holzwerk bei Stürmen oder Hochfluten
vom Wasser wieder weggetragen und durch Strömungen an den
Strand entfernter Inseln geführt, so können die in den Ritzen ver-
borgenen Samen und Früchtchen in keimungsfähigem Zustande an
den neuen Standort gelangen. Vermittelst solchen Samentransportes
können also auch diejenigen Strandpflanzen zu Ansiedlern neuer
Strandgebiete werden, deren Samen ein ausgeprägtes Schwimm-
vermögen abgeht, ferner ebensowohl Pflanzen des Binnenlandes.
Auch in anderer Art und Weise ist eine Verbreitung pflanzlicher
Keime auf dem Wasser möglich.
Überschwemmungen und Tluten an Küsten, Hochwasser von
Flüssen im Landinnern führen häufig frisch entwurzelte Bäume in die
See. Auf dem über das Wasser emporragenden Teil des Wurzel-
werkes, in dem mitgeführten Erdreich sind zahlreiche Keime und
Samen enthalten, wurzeln noch Gräser, Cyperaceen etc.; auf den
ebenfalls in die Luft emporragenden Ästen entgehen einzelne Epi-
phyten der nachteiligen Einwirkung des Seewassers und nicht selten
werden auf diesen treibenden Stämmen auch Tiere der verschiedensten
Art mitgeführt. Semon') schreibt dieser Transportform sogar eine
nicht unbedeutende Rolle für die Verbreitung der Tiere im malayischen
Archipel zu. Dass einzelne Tiere, im besonderen Reptilien, auf
Treibholz sehr lange Seereisen zurücklegen können, geht auch aus den
Angaben von Guppy hervor, nach welchen im Laufe weniger Jahre
auf Bambusrohren und Baumstämmen vier lebendige Schlangen
und einmal sogar ein Krokodil auf einem grossen Baumstamme
am Strande der Kokosinseln gelandet worden sind.
Baumstämme und Astwerk als verbreitende Agentien spielen auch
bei djr Neubesiedelung der Krakatauinseln mit Pflanzen und Tieren
ihre Rolle. Überall finden sich am Strande grosse Haufen ange-
schwemmter Bäume, Stämme, Äste, Bambusen, oberhalb der Flut-
*) Semon, R., Im australischen Busch und an den Küsten des Koralleiimeeres.
"2. Aufl. Leipzig 1903. Pag. 349.
Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. 23
34f) A. Ernst.
Knie. Einzelne sind ziemlich weit landeinwärts abgelagert worden.
Auf solchem Treibholz dürften einzelne der auf der Insel gesehenen
Tiere die Reise zurückgelegt haben, wie der fette Leguan, der sich
im Bachbette sonnte, wie vielleicht auch die Vorfahren der zahlreichen
Ameisen, ganz sicher aber Pflanzen. Auf einem der offenbar schon
vor längerer Zeit gestrandeten Bäume fand ich die beiden Röhren-
schwämme Polystictus sangumeus und P. lujdnoides. Das Myce-
lium derselben hatte offenbar im Innern des Holzes den Seetransport
überdauert und bereits eine grosse Anzahl neuer Fruchtkörper erzeugt,
von denen namentlich die blutroten von P. sanguineus schon auf
grössere Entfernung hin auffielen.
Auch Bimssteinbrocken, die seit dem grossen Ausbruche des
Krakatau an allen Küsten im Gebiete der Sundastrasse und über das-
selbe hinaus den Strand und die Oberfläche des Wassers in stillen
Buchten überdecken, können, wie Guppy beschrieben hat, dem Trans-
porte von Früchtchen und Samen dienen. Schwimmende und am
Strande liegende Bimssteinstücke können durch die Flut bis unter die
Strandbäume oder auf sandiges Terrain getragen werden, wo die zahl-
reichen Vertiefungen und Höhlungen derselben, ähnlich wie die Risse
und Vertiefungen des Schwemmholzes, mit Sand und kleinen Früchtchen
vollgeweht werden. Eine nächste Flut trägt die beladenen Bimsstein-
brocken wieder weg und eine Strömung, in die sie geraten, befördert
sie an andere Küsten. Auf den Kokosinseln ist die Keimung von
Pemphis acidida, Scaevola Koenigii, Truimfetta procumhens aus
Samen, die in den Höhlungen von Bimssteinen verborgen waren, wieder-
holt beobachtet worden. Dass ein solcher Transport für die Besie-
delung der Krakatauinseln noch viel mehr in Betracht kommen muss,
als für die abgelegenen Kokosinseln, lassen schon die grossen Bims-
steinmengen erkennen, die nicht nur an allen benachbarten Küsten
angehäuft sind, sondern auch grosse Flächen der Sundastrasse selbst
bedecken und vielfach wieder ihrem Ursprungsort, der Krakatauinsel,
zugeführt werden, wo sie sich mit den anderen Auswürfen des Meeres
in der Driftzone anhäufen (Fig. 5 Taf. XVI).
Alle diese verschiedenen Möglichkeiten des Transportes auf dem
Wasser, der verhältnismässig geringe Abstand Krakataus von den
Küsten Javas, Sumatras und zahlreichen anderen vegetationsbedeckten
Inseln und besonders die ungewöhnlich günstigen Strömungsverhält-
nisse haben dazu beigetragen, dass dem Strande der Krakatauinseln
in kurzer Zeit die Keime einer grossen Zahl vop Pflanzenarten und
darunter auch solcher zugeführt worden sind, deren Samen und
Früchte nicht oder nicht in hervorragendem Masse der Verbreitung
durch das Wasser angepasst sind. Die Flora der Strandzone Kraka-
Die neue Flora iler Yulkaninsel Krakatau. 347
taus umfasst daher neben überall verbreiteten Strandpflanzen auch
weniger spezifisch ausgeprägte Strandbewohner.
Die Artenzahl des Strandgebietes (67) erscheint im Verhältnis zur
Artenzahl der indomalayischen Strandflora (ca. 320) noch gering, zahl-
reiche typische und weitverbreitete Vertreter der Pes Caprae- und
Barringtoniaformation fehlen bis jetzt. Vergeblich suchten wir z. B.
zwischen den Spinifexbüschen die auf Edam so häufige schönblätterige
Tavca pinnatißda. Es fehlen noch die stattlichen Büsche von Critnun
asiaticuni, welche die schattigen Stellen der Barringtoniawälder
mit ihren weissen Blüten zieren, und die am sandigen Strande sonst
so häufige, hochstaudige Calotropis gigantea, eine Asclepiadacee mit
grossen violetten Blüten, deren Samen mit langen seidenartig glänzen-
den Haaren bedeckt sind und diese Pflanze als eine der wenigen auch
an Wind Verbreitung angepassten Pflanzen des Meeresstrandes er-
kennen lassen. Vor allem aber fehlt dem Strande der Krakatauinseln
noch die ganze Pflanzengesellschaft der Mangrove mit ihren an mor-
phologischen und ökologischen Merkwürdigkeiten so reichen (ca. 20)
Arten. Das Fehlen dieser und anderer typischer Strandpflanzen ist auf
verschiedene Ursachen zurückzuführen. Die einen derselben sind viel-
leicht an denjenigen Küstenstrecken, von denen vornehmlich Drift-
früchte nach Krakatau getragen werden, nicht oder in geringer Zahl
vertreten. Andere dagegen werden zwar an den Strand geworfen,
finden aber auf dem bimsstein- und aschenbedeckten Strande nicht
die richtigen Lebensbedingungen. Die Früchte und Samen, die wir
in der Driftzone von Krakatau und Verlaten Eiland am häufigsten
vorfanden, sind dieselben, die bereits in den Listen von Treub und
Penzig aufgeführt sind und denjenigen Arten angehören, welche
in der neuen Strandflora mit zahlreichen, zum Teil schon selbst
fruktifizierenden Pflanzen vertreten sind. Daneben finden sich freilich
auch andere, welche, in grosser Zahl angeschwemmt, einzelne Keim-
pflanzen liefern, dann aber, wie Nipa fruticans, nicht heranwachsen,
sondern gleich den an den Strand geworfenen grossen Keimlingen
von Rhizophora zugrunde gehen. Das Fehlen bestimmter Strand-
pflanzen, wie Nipa und der Mangrovepflanzen, deren Keime wohl auf
die Inseln gelangen, aber nicht gedeihen, ist auf die besonderen Stand-
ortsverhältnisse zurückzuführen. Eine andere Art der Selektion, Ver-
nichtung bestimmter Samen und Früchte des Driftmaterials durch
Tiere, im besonderen durch Einsiedlerkrebse und Krabben, wie
sie von Schimper^) und Guppy-) für andere Küsten beschrieben
w'orden ist, scheint hier nicht stattzufinden. Die kleinen, in Schnecken-
*} Schimper, A. F. W., Indomalayische Strandflora, pag. 75.
") Guppy, H. B., 1. c. pag. 11.
348 A. Ernst.
schalen steckenden Einsiedlerkrebse, deren geschäftiges Treiben ich
am Strande von Sumbawa und Noesa Kambangan zu beob-
achten Gelegenheit hatte, fehlen auf Krakatau und Verlaten Eiland.
Auch für das Vorkommen von Krabben, welche nach den interessanten
Mitteilungen von Guppy am Strande der Kokosinseln sich vorwiegend
von den Driftfrüchten und -Samen nähren, ergaben sich auf Krakatau,
dessen Name nach früher angeführter Auslegung „Krabbeninsel" be-
deuten würde, keine Anhaltspunkte. Während auf den Kokosinseln
von den in der Drift vorkommenden entwickelungsfähigen Keimen
50 bis 60 verschiedener Strandpflanzen nur diejenigen von etwa einem
Dutzend Arten der Zerstörung durch die Krabben entgehen und in-
folgedessen trotz reichhaltiger Driftauswürfe nur eine artenarme Strand-
flora zur Entwicklung gelangt, finden sich auf Krakatau zahlreiche
erwachsene Pflanzen auch derjenigen Arten, deren Früchten, Samen
oder Keimpflanzen von den Krabben am eifrigsten nachgestellt wird:
Gerhera Odollam, CalophijUum, Carapa , Cocos nucifera. Über-
raschend ist besonders die grosse Zahl von Kokospalmen, die jetzt
schon auf Krakatau vorkommen. Es finden sich in der Literatur
Angaben^), nach welchen die Kokosnüsse des Driftmaterials nur
selten zur Keimung gelangen; auch findet man anderwärts in der
Drift vielfach nur leere Nüsse. Nicht alle sind von Krabben geöffnet
worden; die meisten gelangen schon geleert ins Wasser und eine
kreisrunde Öffnung von 1 bis 2 cm Durchmesser deutet an, dass die
Frucht von den im Archipel so häufig vorkommenden Eichhörnchen
ausgefressen worden ist.
2. Samentransport durch Vögel.
Ausser durch das Wasser können einzelne der Strandpflanzen
Krakataus durch Vögel auf die Insel getragen worden sein. Die
Samen von Pemphis acidula haften nach Guppy oft in grosser
Zahl im Gefieder von Vögeln fest, welche in den Gebüschen der
Küstenvegetation nisten oder hier ihr Nestmaterial suchen; für nicht
wenige der Krakataupflanzen dürfte überdies der Samentransport im
Magen von Vögeln geschehen sein. In Hemsleys Liste der von Guppy
und Mosely-) im Kröpfe oder im Gedärme früchtefressender Vögel
gefundenen unversehrten Samen begegnen wir den nachfolgenden,
auch in der Liste der Krakatauflora aufgeführten Namen: Ximetiia
atnerica/ia , Eiigerna , Preuma, CassijfJia filiformis. Schimper
hält den gleichen Verbreitungsmodus bei Morinda citrifoUa und
') Engler, A., Entwicklungsgescliichte der Pflanzenwell. II. Pag. 183.
*) Hemsley, W. B., I.e. Challenger Reports, Botany. Vol. I. 1. Pag. 43— 44.
Die neue Flora der Yulkanin?el Krakataii. 349
Scaevola Koenigii für möglich ; schliesslich dürften auch die saftigen
Früchte von Clerodendron inerme, Vitex Negundo und Vltis tri-
folia früchtefressenden Strand- und Waldvögeln als Speise dienen
Nach der Beschaffenheit der Früchte ist also für neun der aufgeführten
Strandpflanzen Verbreitung durch Vögel, endozoisch, möglich. Die
Zahl derselben darf vielleicht noch grösser angenommen werden, wenn
berücksichtigt wird, dass die früchtefressenden Vögel nach den Mit-
teilungen von Guppy und Beccari^) in der Auswahl ihrer Nahrung
manchmal nicht heikel sind, dass nicht ausschliesslich saftige Früchte
als Nahrung dienen und auch eine beträchtliche Grösse der Samen
deren Verschlingung nicht hindert. Im Magen von Fregattenvögeln
fanden die Bewohner der Keelinginseln vielfach die grossen, kugeligen
Samen von Caesalpinia BonduceUa, einer Leguminose, die ebenfalls
der Strandflora von Krakatau angehört. Auch bei früchtefressenden
Tauben sollen sich im Kröpfe und Magen häufig Samen von ansehn-
licher Grösse vorfinden und Beccari gibt an, auf Neu-Guinea im
Magen von Casuaren Samen einer Palme, Orauia ariiensis, mit einem
Durchmesser von 6 cm gefunden zu haben.
Die Bedeutung des Samentransportes in Kropf und Magen von
Vögeln über weite Entfernungen hin wird deswegen vielfach in Frage
gestellt, weil die Zeit zwischen Futteraufnahme und Entleerung des
Darmes für viele Vögel eine überraschend kurze sein soll. Im Kote
von Drosseln fand Kerner-) bereits ^U Stunden nach erfolgter
Fütterung mit Beeren von Bibes zahlreiche Samen derselben. Die
Samen von Sambuciis hatten sogar schon nach V'-^ Stunde den Darm-
kanal passiert. Die meisten Samen brauchen zu dieser Wanderung
1 \/2 bis 3 Stunden. Für die Besiedelung der Krakatauinseln würde
auch bei ebenso kurzen Verdauungszeiten der namentlich in Betracht
kommenden früchtefressenden Tauben eine Mitwirkung immerhin mög-
lich sein, denn manche Vögel fliegen mit einer Geschwindigkeit von
50 km, Tauben sogar mit einer solchen von 80 und mehr Kilometern
in der Stunde. So ist nicht ausgeschlossen, dass Vögel, welche an
irgend einem Küstenstriche im Gebiete der Sundastrasse Früchte
genossen haben, nach weniger als einstündigem Fluge auf den Kra-
katauinseln mit den Exkrementen auch die verschlungenen, aber nicht
verdauten Samen fallen lassen.
Auch von den im Inneren der Insel vorkommenden Pflanzen
sind sicher eine ganze Anzahl durch Vermittlung der Vögel auf die
Inseln gelangt. Endozoisch, im Magen oder Kropf von beschwingten
') Beccari, 0., Malesia. Vol. I. Pag. 1.
2) Kerner, A., Pflanzenleben. II. Pag. 8O0.
350 A. Ernst.
Besuchern, gelangten hierher vor allem die Samen der verschiedenen
Ficusarten. Auch Schimper nimmt diese Art der Ausbreitung für
die in den Tiefländern des malayischen Archipels so zahlreich vor-
kommenden Feigenbäume an, und nach Guppy ist es auf die Ver-
breitung der Samen durch die fruchtfressenden Tauben zurückzuführen,
dass im Inneren der kleinen Koralleninseln des Solomon-Archipels
die Feigenbäume mit den Casuarinen die häufigsten und wichtigsten
Bäume sind. Für Melastoma polijanthum ist schon von Penzig')
Einschleppung durch Vögel angegeben worden. Von den neueren
Kolonisten wird ohne Zweifel auch Trema amhoinensis, eine Celti-
doidee mit kleinen saftigen Früchten, zu den zoochoren Elementen
der Insel zu rechnen sein. Für die auf Verlaten Eiland vorkommende
Carica Pai^aya ist ausser der Verbreitung durch Vögel auch die-
jenige durch fliegende Hunde (Pteropus) möglich, die wie u. a.
aus den Mitteilungen von Forbes (1. c. pag. 34) hervorgeht, ebenfalls
zu weiten Flügen über Meer befähigt sind. Da Verlaten Eiland vor
Jahren einmal, wenn auch nur für kurze Zeit, bewohnt war, könnte
die Einschleppung dieser im Archipel so beliebten Kulturpflanze, wie
bereits bemerkt wurde, auch durch den Menschen erfolgt sein.
3. Beförderung von Früchten und Samen durch die Winde.
Von ausserordentlicher Bedeutung für die Entstehung der neuen
Krakatauflora ist, wie schon durch den ersten Besuch Treubs in
überraschender Weise gezeigt worden ist, das dritte Verbreitungsagens
für Früchte und Samen, der Wind. Bevor die Ergebnisse des ersten
Krakataubesuches vom Jahre 1886 bekannt wurden, waren über die
Mitwirkung des Windes bei der Besiedelung neuen Landes, im be-
sonderen weit entlegener Inseln, die Ansichten geteilt.^) Vorherrschend
war die Meinung, dass die Verbreitung von Sporen und Samen durch
die Luftströmungen nur von lokaler Bedeutung sei und erst durch
ihre häufige Wiederholung im Laufe der Generationen von geo-
graphischer Bedeutung werde. Ihre Stütze hatte diese Ansicht in
zahlreichen Beobachtungen über die Besiedelung neuen Landes auf
dem Festlande, wo durch Bergstürze und Überschwemmungen, durch
Bildung von Schuttkegeln, Geröllhalden, Gletschermoränen im Gebirge,
von Sandbänken in Flussbetten und Flussmündungen, von Lava- und
Aschenfeldern an Vulkanen ganz oder nahezu vegetationsloser Boden
geschaffen und hernach von den benachbarten Gebieten aus besiedelt
wird. Da schon bei geringer Entfernung des Neulandes von vege-
*) Penzig, 0., 1. c. pag. 111.
2) s. Schimper, A. F. W., Pflanzengeographie. 1S98. Pag. 90.
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau. 351
tationsbedeckten Gebieten wenigstens im ebenen Lande die Wind-
wii-kung vielfach in ihrer Bedeutung für die Verbreitung der Gefäss-
pflanzen hinter andern Faktoren zurücktritt'), ist es erklärlich, dass
man die Möglichkeit eines Transportes über weite Distanzen, also z. B.
die Übertragung von Samen und Sporen auf entlegene Inseln, bezweifelte
oder sie höchstens für Sporen zugab. Für die Fernwirkung des Windes
sprach allerdings der Umstand, dass die Hauptvegetation vulkanischer
Inseln in grösserer Entfernung von Kontinenten vorwiegend aus Farnen
besteht und auch das Vorkommen von Farnen und bestimmten Blüten-
pflanzen auf Koralleninseln nicht wohl anders als durch Vermittlung
des Windes zu erklären ist. Es fehlte daher auch nicht an Forschern,
welche die Bedeutung der Windwirkung für die Besiedelung solcher
Gebiete vollkommen anerkannten. Im besonderen hat Engler-) in
seinen Arbeiten über die Inselfloren und die Floren der tropischen
Hochgebirge die Ansicht vertreten, dass leichte Samen in den höheren
Luftschichten durch zeitweise heftige Winde über grosse Strecken
hinweg transportiert werden. In seiner vergleichenden Betrachtung
der Floren der grösseren Inseln im stillen Ozean, im besonderen der
Sandwichinseln, kommt er auf Grund seiner Studien über die
Verbreitungsmittel von Früchten und Samen der Pflanzen zu dem
Schlüsse, dass z. B. von den 675 Arten der Sandwichinseln für
140 Sporen- und 14 Samenpflanzen Verbreitung der Keime durch den
Wind, für 322 Verbreitung durch Vögel (für 56 Arten durch Küsten-
vögel, für 241 im Darmkanal von Vögeln und für 26 im Gefieder
derselben) möglich ist. Aus der Tatsache, dass von den 669 ein-
heimischen Arten der Sandwichinseln nicht weniger als 500 (74,6 °/o)
endemisch sind, geht allerdings hervor, dass nur äusserst selten
Samen, sowohl durch Wind wie Vögel, über solch weite Entfernungen,
wie sie für die Sandwichinseln in Betracht kommen, getragen werden.
Auf die Bedeutung des Windes für die Verbreitung von Pflanzen im
malayischen Archipel hat vor Treub schon Beccari^) hingewiesen
*) In den Alpen, wo Standortsverschiebungen viel häufiger vorkommen als in
der Ebene, sind die anemochoren Arten (d. h. diejenigen, bei welchen die
Samenverbreitung durch den Wind erfolgen kann) im Vorsprung, wie Vogler
(Über die Verbreitungsmittel der schweizerischen Alpenpflanzen. Flora. 89. Bd.
1901. Pag. 73 d. Sep.-Abdr.) besonders schön am Beispiele des Vordringens der
Vegetation auf dem durch den Rückzug des Rhonegletschers frei gewordenen Terrain
zahlenmässig nachwies.
^) Engler, A., Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Pflanzenwelt, II. Teil.
Die extratropischen Gebiete der südhchen Hemisphäre und die tropischen Gebiete.
Leipzig 1882.
Engler, A., Über die neueren Fortschritte der Pflanzengeographie (seit 1899) pg. 90.
3) Beccari, 0., Malesia. Vol. I. Fase. III. 1878. Pag. 214— 238.
— — Beiträge zur Ptlanzengeographie des malayischen Archipels (im
Auszuge mitgeteilt von A. Engler), Botan. Jahrbücher I. Bd. 1881.
352 A. Ernst.
und zwar auf Grund der Wahrnehmung, dass eine grössere Anzahl
von Arten in ihrem Vorkommen auf Berggipfel beschränkt ist, die
bis 3200 km voneinander entfernt liegen, und dass ferner auch nahe
verwandte Arten nur in grosser Entfernung voneinander vorkommen.
Im malayischen Archipel befinden sich nach Beccari die Berggipfel
in einer Region, in welcher während eines Teiles des Jahres, besonders
vom November bis April zur Zeit des Westmonsuns, die Winde von
andauernder Heftigkeit und konstanterer Richtung sind als in den
unteren Regionen und an der Küste des Meeres. Es ist also wohl
möglich, dass der Nordwestmonsun, Staub und auch kleine staubartige
Samen aus den westlichen Teilen des Archipels mit sich führend, die-
selben auf den Gipfeln der östlicheren Inseln wieder absetzt. Beccari
erinnert hierbei an die grossen Entfernungen, welche vulkanische Aschen
(Ausbruch des Tamboro auf Sumbawa im Jahre 1815) unter dem Ein-
fluss der in den höheren Regionen treibenden Luftströmungen zurück-
legen können, und teilt auch einige Zahlen mit, welche eine Vor-
stellung von der Leichtigkeit derjenigen Samen geben, derön Transport
durch Winde er annimmt. Ein Same von Nepenthes phyllam-
phora wiegt 0,000 035 g, von Rhododendron verticillatum
0,000028 g, von Dendrohium attenuatuin 0,000 00565 g. Da im
malayischen Archipel der Nordwestmonsun von grosser Intensität
ist, so sei leicht einzusehen, warum sich auf den Berggipfeln der
Molukken und von Neu-Guinea Rhododendron, Nepenthes
und andere den Gebirgen westlicher Gebiete eigentümliche Pflanzen
vorfinden und auf den Gebirgen Javas, wie z. B. auf dem Panger-
ango, zahlreiche Pflanzen der alpinen indischen Region (Gentiana
quadiHfaria Bl. , Ranunculus javanicus Reinw. , Ranunculus
dijfusus DC, Valeriana javanica Bl., Prirnula imperiaUs Jungh.,
Gnaphaliuni javanimiin Reinw. u. a. m.) vorkommen. Sie sind nach
Beccari durch den Nordwestmonsun, zum Teil auch durch Vögel aus
westlicheren Gegenden, zunächst von Sumatra und dorthin von den Ge-
birgen Indiens gebracht worden.^) Auch für das schweizerische
^) Beccari misst also im besonderen dem vom November bis April wehenden
Nordwestmonsun eine grosse Bedeutung zu für die Übertragung von Samen und
zwar aus den westlichen Teilen des Archipels nach den östlichen Inseln. Hiermit
lassen sich die Junghuhn sehen Beobachtungen über das Verhältnis der Monsun-
winde auf Java nicht in Einklang bringen. Der West- oder Nord w est monsun,
der in den Monaten Dezember bis Februar in Java das Gewölk herantreibt, soll sich
nach Junghuhn nur bis zu einer geringen Höhe über Meer, höchstens bis zu 1600 m
an den Abhängen der Berge ausdehnen, dagegen der Südostpassat in allen Luft-
schichten oberhalb 2000 m das ganze Jahr hindurch wehen. Während des Zeit-
raums von 12 Jahren, während welcher er der Richtung, in der die Dampfwolken
der Vulkane als meilenlange Streifen durch die Atmosphäre ziehen, seine Aufmerk-
samkeit geschenkt habe, seien dieselben stets nach W., WNW,, zuweilen WSW
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau. 353
Alpengebiet ist in neuerer Zeit durch Vogler') die Möglichkeit des
Windtransportes über grosse Distanzen nachgewiesen worden. Auf
Grund zahlreicher Angaben über den Transport von Blättern etc. auf
Gletscher und Schneefelder und Bestimmung des nächsten normalen
Standortes der betreffenden Pflanzen kommt Vogler zum Schluss,
dass bei Sturmwinden im Alpengebiet ein Transport von Samen über
Distanzen von 20 km möglich ist. Als Beleg für die Wahrscheinlichkeit
noch grösserer Transportdistanzen, selbst für ziemlich schwere Samen
und Früchte, führt er den merkwürdigen Salzhagel am St. Gotthard vom
30. August 1870 an, bei welchem Salzkristalle mit einem Gewicht bis
zu 0,76 g fielen, die durch Windströmungen von Nordafrika oder doch
von den nächsten Punkten der Meeresküste, also 1000 oder mindestens
250 km weit hergetragen wurden.-)
Den schönsten Beweis für Transport von Pflanzenkeimen über
grosse Distanzen bilden aber die Angaben über die Wiederbesiede-
lung Krakataus. Hier stehen grosse Transportdistanzen völlig sicher,
denn die nächste vegetationtragende Insel, Sebesi, liegt 18,5 km, die
nächsten Punkte von Java und Sumatra sind 40,8 und 37,1 km entfernt.
Die Ergebnisse der Treub sehen Durchforschung der Insel im
Jahre 1886 sind bereits eingangs (pag. 295) besprochen worden. Die
erste Besiedelung des Vulkankegels, überhaupt des Inselinnern, ist in
ganz anderer Weise als diejenige des Strandes und zwar fast aus-
schliesslich durch Windtransport von Pflanzenkeimen erfolgt.
Durch die Luftströmungen sind Keime blaugrüner Algen, Bakterien,
Diatomeen, die Sporen von Leber- und Laubmoosen, von Farnen und
schliesslich auch die Samen von mindestens 6 der 8 Phanerogamen,
und niemals nach 0. gezogen, auch dann nicht, wenn in den Monaten Januar und
Februar ein starker W.- oder WNWwind das trübste Regengestöber über die niedrigen
Alluvialflächen hinblies. Der Einfluss des Westwindes dehnt sich also nach Jung-
huhn niemals bis in die Zone von '2000 m hinauf aus. (Junghuhn, F., Java, seine
Gestalt, Pflanzendecke und innere Bauart. Leipzig 1853. Bd. I. pag. 165.
Auch Verbeek (Krakatau. II. Teil, pag. 149) gibt an, dass in Java der Wind
in den höheren atmosphärischen Schichten konstant von Osten (SO., 0. und seltener
NO.) weht und zwar unabhängig davon, ob in tieferen Luftschichten der Ost- oder
Westwind weht. Als untere Grenze dieses Höhenwindes nimmt er ebenfalls 2000 m
an. Er ist ferner der Ansicht, dass die Geschwindigkeit desselben mit der Höhe
zunehme und berechnet sie aus den Erscheinungen des Aschentransportes beim
Krakatauausbruch für die Höhe von 50 km auf 121 km per Stunde.
') Vogler, P., Über die Verbreitungsmittel der schweizerischen Alpenpflanzen.
Flora. Bd. 89. 1901. Sep.-Abdr. pag. 8^ u. f.
2) Ein ähnliches Vorkommnis aus neuerer Zeit ist der Steinregen von Trelex
(1906), bei welchem es sich um Transport von erbsen- bis haselnussgrossen, weissen
Qua rzge rollen aus einer quarzreichen Gegend (Öüdfrankreich oder Spanien) durch
Luftströmungen handelt. Eine ausführliche Mitteilung über diesen Steinregen wird
Dr. L. Kollier in den „Verhandlungen der Schweiz, naturforsch. Gesellschaft, Frei-
burg 1907" veröifentlichen.
354 A. Ernst.
welche Treub im Innern fand, auf die Insel getragen worden. Die
erste Besiedelungsperiode war charakterisiert durch das Vorherrschen
der Farne, die mit 11 im indomalayischen Gebiete weit verbreiteten
Arten vertreten waren. Seither ist eine beträchtliche Vermehrung
der Zahl anemochorer Arten erfolgt, an welcher neben den Farnen
besonders die Familien der Gramineen, Cyperaeeen und Orchideen
Anteil haben.
Penzig nimmt an, dass von den bis 1897 auf der Krakatau-
gruppe gefundenen Pflanzen alle Kompositen (8 Arten: M^'edelia
asperrima, Wedelia scabriusctila, Blumea balsamifera, Bhmiea
hieracifoUa , Pliichea indica , Vernonia cinerea, Emilia sonchi-
folia, WoUastonia spec), ferner 5 Gramineen (Gijinnothrix ele-
gans, Phragmites Roxhurghii, Imperata arundinacea, Saccha-
rum spontaneum, Pogonatheriim crinituin) und die 4 Orchideen
(Sp)athoglottis plicata, Vanda Sulingi, Ariuidina speciosa und
Phajus spec), also im Ganzen 17 Arten (327o der Gesamtflora) auf
Flügeln des Windes den Inseln zugetragen worden seien. Die
Cyperaeeen (Cyperus digitatus, Fimhristijlis spathacea , Lipo-
carpha foliosa) teilt er mit den beiden Gräsern Spiiiifex sqiiar-
rosus und Ischaemum muticum der Gruppe der „roophilen", d. h.
durch Wasserströmungen verbreiteten Arten zu. Im April 1906 ge-
hörten dem Florenbestande der 3 Inseln 12 Kompositen (seit 1897
hinzugekommen: Comjza angustifoUa, Conyza indica, Erechthites
hieracifolia , Wedelia, glahrmta; Senecio spec.^), 6 Gramineen
(Ischaemum und Spinifex nicht einbezogen; seit 1897 neu hinzu-
gekommen Peniiisetum elegans), 4 Cyperaeeen (neu: Mariscus
UTuhellatus) und 5 Orchideen (neu: Cynibidiuni FinlaysonianuTn)
an. Für alle diese 28 Arten (307« der Phanerogamenflora) ist Über-
tragung durch Windtransport, für einzelne auch durch die anderen
verbreitenden Agentien möglich und bei der Besiedelung von Krakatau
vielleicht erfolgt. Von diesen 28 vermutlich anemochoren Arten kommen
einzelne auch in der Strandvegetation von Krakatau vor und werden
auf Java und Sumatra nicht nur im Binnenland, sondern ebenso
häufig am Strande getroffen. Die Verbreitung ihrer Früchtchen durch
das Wasser ist also nicht von vornherein ausgeschlossen, zum min-
desten nicht für Vertreter wie Conyza indica, die Blumea-, Wedelia-
und Wollasto)iia2iViQx\, die am Strande besonders häufig sind und z. B.
von Schimper zu den typischen Strandpflanzen gerechnet werden.
Auch in der Flora der auf unserer Exkursion besuchten Insel Edam
und den Küstenpunkten Javas und Sumatras waren Kompositen nicht
1) Senecio spec, vermutlich auch Conyza indica, Conyza angustifoUa
schon 1886 durch Treub aufgefunden. (1. c. pag. 218: „deux especes de Conyza".)
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau. 355
selten; auf Edam fanden wir deren 6 (worunter 2, Vernonia cinerea,
Wedelia glabrafa, gemeinsam mit Krakatau), in Vlakke Hoek die
überall am Strande verbreitete Wedelia fjlabrata, in Javas 4. Punkt
deren 4 (worunter 3, Blumea halsamifera, Wedelia glahrata und
Vernonia cinerea gemeinsam mit Krakatau). Auch von den in der
Liste aufgeführten Gramineen kommen einzelne nicht nur auf Kra-
katau, sondern auch auf Java, Sumatra etc. häufig in der Küsten-
flora vor und von Hemsley wird z. B. Imperata arundinacea unter
die Strandpflanzen mit Verbreitung durch die Meeresströmungen ein-
gereiht. Dagegen hält er diese letztere Verbreitungsart von Kompo-
siten für fraglich, während andererseits Schimper hervorhebt, dass
die Früchtchen der meisten Strandkompositen und auch derjenigen
Art mit grösster überseeischer Verbreitung, Wedelia biflora , ohne
Pappus sind und daher die Windverbreitung derselben wenig
wahrscheinlich sei. Wir gehen kaum fehl, wenn wir mit Schimper
für einzelne der Strandkompositen Verbreitung durch die Meeres-
strömungen nicht ausschliessen, dagegen sein Argument gegen die
Windverbreitung als nicht stichhaltig bezeichnen. Bei der Verbreitung
von Samen oder Früchten über weite Strecken durch starke Winde
kommt weniger die besondere Flugausrüstung als das geringe Gewicht
der Samen in Frage. Je grösser die Geschwindigkeit eines Windes
ist, um so wirksamer ist derselbe für den Samentransport. Samen,
die in der schweizerischen Mittelebene dem Winde noch Widerstand
leisten, oder nur über kurze Strecken hin mitgeführt werden
können, werden nach Vogler in grösserer Höhe, wo die Wind-
geschwindigkeit eine bedeutendere ist, weiter getragen. Die obere
Gewichtsgrenze der flugfähigen „leichten Samen" ist in höheren Lagen
mit ihren heftigen Winden höher anzunehmen als im Tale, wo massige
Winde vorherrschen. Für Windstärken von 30 m per Sekunde, wie
sie in den Alpen vorkommen, hält Vogler besondere Flugapparate
kaum mehr für nötig. Solche Windstärken sind nun bei den Stürmen
im indomalayischen Gebiete nichts Seltenes. Ein Transport von
leichten Samen und Früchten ohne andere Anpassung an die Wind-
verbreitung, als sie im leichten Gewicht gegeben ist, ist also auch
im Gebiete der Sundastrasse nicht ausgeschlossen. Immerhin geht
aus den Befunden auf Krakatau hervor, dass auch bei Transporten
über grosse Distanzen die mit Flugapparaten ausgerüsteten Arten
(Pappusbildungen der Kompositen, haarförmige Flugorgane der
Gramineen, Samen mit häutigem Saum wie bei den Orchideen) doch
bevorzugt sind. Ganz leichte und der Wind Verbreitung besonders
angepasste Samen, wie diejenigen der Orchideen, die Sporen der
Farne und der anderen Kryptogamen, werden wohl schon durch
356 A. Ernst.
die gewöhnlichen Passatwinde mitgeführt, während die grösseren,
schwereren und zum Teil besonderer Flugeinrichtungen entbehrenden
Früchtchen der Kompositen, Gramineen und Cyperaceen, wenn sie
tatsächlich durch Windwirkung auf die Inseln gelangt sind, durch
die heftigeren Stürme und Cyklone verbreitet worden sein müssen.
4. Anteil der einzelnen Verbreitungsagentien an der Entstehung der
gegenwärtigen Krakatauflora.
Aus der vorstehenden Betrachtung über die Bedeutung der Ver-
breitungsagentien pflanzlicher Keime für die Besiedelung der Krakatau-
Inseln geht hervor, dass die Einteilung der bis jetzt gefundenen
Pflanzen nach ihren Verbreitungsmitteln und Verbreitungsagentien
nicht leicht ist und keineswegs eine scharfe sein kann. Sieht man
von den 5 Orchideen ab, für welche die Übertragung durch die Luft-
strömungen am wahrscheinlichsten ist, die anderen Verbreitungs-
agentien (wie z. B. in Spalten von Baumstämmen) aber immerhin nicht
vollständig ausgeschlossen sind, so sind für die anderen vermutlich ane-
mochoren Pflanzen auch noch Verbreitung der Samen oder vegetativer,
reproduktionsfähiger Teile im Wurzel- oder Astwerk von Treibholz,
für die Gramineen und Cyperaceen, die an der Küste vielfach auch
in sumpfigen Gebieten vorkommen, an den Füssen und im Feder-
kleide von Schwimm- und Sumpfvögeln möglich. Auch für die Strand-
pflanzen kommt, wie ausgeführt worden ist, ausser der charakte-
ristischen und für viele sicher festgestellten direkten Verbreitung der
Früchte und Samen durch die Strömungen die indirekte auf Treibholz,
auf angespülten, mit Sand und Samen beladenen Bimssteinen, für
einzelne auch Verbreitung durch Vögel in Frage. Von der Gesamtzahl
der bis 1906 auf der Inselgruppe gefundenen Phanerogamen sind sicher
36 (397o) durch die Meeresströmung auf die Insel gelangt. Werden auch
diejenigen Strandpflanzen Krakataus einbezogen, die Gattungen mit sehr
bekannten halophilen Arten angehören, und diejenigen typischen Strand-
pflanzen, für welche Übertragung durch Vögel nicht ausgeschlossen ist,
werden ferner die strandbewohnenden Kompositen, Gräser und Cypera-
ceen mitgerechnet, bei welchen ausser der Verbreitung durch Wind und
Vögel auch die durch Meereströmungen möglich ist, so steigt die An-
zahl der in dieser Gruppe zu vereinigenden Pflanzen auf 67 oder 72 7«
der Gesamtzahl.
Auch die Anzahl der durch Vögel eingeschleppten Pflanzen ist
nicht genau festzustellen. Wohl ziemlich sicher steht diese Art der
Übertragung für die pag. 350 angeführten, namentlich im Binnenlande
vorkommenden 9 Arten (107o der Gesamtzahl), möglich ist sie noch
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau. 357
für 9 Arten aus dem Verzeichnis der Strandpflanzen, insgesamt also
für 18 Arten oder 19"/o der Gesamtflora, wobei der gar nicht zu über-
sehende Anteil der Sumpf- und Schwimmvögel an der Verbreitung
der Gramineen und Cyperaceen nicht berücksichtigt worden ist.
Ebenso unsicher sind Angaben über die Anzahl anemochorer
Arten. Werden nur die Orchideen, die Gramineen mit Ausschluss
von Spinifex und Ischae/nu/n, von den Cyperaceen Mariscus um-
bellatus mitgerechnet und von den Kompositen alle ausgeschlossen,
welche am Strande vorkommen, so beträgt ihre Anzahl 15 Arten
oder 16Vo, mit Einrechnung aller Kompositen und aller 4 Cyperaceen
28 Arten oder 30 7» der Gesamtzahl.
Wie aus den in der Florenliste enthaltenen Angaben über die
Verbreitung der einzelnen Arten hervorgeht, gehören sie fast ohne
Ausnahme zu den Ubiquisten des Tropengürtels oder doch des
malayischen Archipels. Der Ver-such, die wenigen nicht allgemein
verbreiteten Arten unter Berücksichtigung der herrschenden Meeres-
strömungen und Windrichtungen von Java, Sumatra oder der übrigen
Inselwelt abzuleiten, bleibt, besonders weil die in Betracht kommen-
den Teile von Java und Sumatra wie auch die übrigen Inseln der
Javasee und der Sundastrasse floristisch zu wenig bekannt sind,
gegenwärtig noch resultatlos.
Von der Gesamtzahl der Phanerogamen sind also je nach der Art
der Berechnung 39 bis 72 % durch die Meeresströmungen, 10 bis 19 "/o
durch die Vögel und 16 bis 30 7» durch die Luftströmungen auf die
Inseln getragen worden. Die Bedeutung des Transportes von Keimen
durch die Winde erscheint erst im richtigen Lichte, wenn wir berück-
sichtigen, dass auch die Farne mit 16 Arten, ferner die niederen
Kryptogamen fast ohne Ausnahme (s. Polystictus pag. 346) durch das-
selbe Verbreitungsagens befördert worden sind. Von der Zahl der
Gefässpflanzen bilden die anemochoren Arten (25 Blütenpflanzen,
16 Farne) 37 V»- Die grosse Zahl der Farne und der übrigen Krypto-
gamen ist offenbar darauf zurückzuführen, dass die Verbreitung ihrer
Keime schon durch die gewöhnlich im Gebiete herrschenden Winde
über Entfernungen von ungefähr 30 km hin erfolgt, während für sehr
weit abgelegene Inseln auch die Übertragung leichtester Keime nur
durch ungewöhnlich starke Winde, also verhältnismässig selten zu er-
folgen scheint. Hierfür spricht z. B. die Tatsache, dass auf den Kokos-
inseln, die mit Krakatau eine grössere Anzahl von Phanerogamen gemein
haben, die Farne merkwürdigerweise ganz fehlen und von den drei Be-
suchern der Inseln (Darwin, Forbes, Guppy) überhaupt nur drei Krypto-
gamen, ein Laubmoos (Hijpnum fuscois Hook et Arn.), ein Pilz
(Polyporus luridus Fries) und eine Flechte, gefunden worden sind.
358 A. Ernst.
VI. Bildung von Pflanzengesellschaften und zukünftige Gestaltung des
Vegetationsbildes von Krakatau.
Nicht weniger überraschend als die bedeutende Zahl und die
Mannigfaltigkeit der Arten der neuen Krakatauflora ist die ziemlich
vorgeschrittene Differenzierung des Pflanzenkleides in Pflanzen-
gesellschaften, Formationen. Schon 1897 hatte, wie Penzig
berichtet, die Bildung der Pflanzengesellschaften begonnen. Am
Strande herrschten die Pflanzen der Pes Capraeformation vor.
Die Pflanzenwelt des Inselinneren zeigte den Charakter einer Gras-
steppe. An den Abhängen des Kegels dominierten die Farne.
Seither hat sich das Vegetationsbild wieder wesentlich geändert.
Die Strandflora ist in zwei Formationen geschieden. Ein äusserer
Gürtel von wechselnder Breite, hier und da bis zur Flutlinie sich
ausdehnend, besteht aus niederen kriechenden Gräsern und Kräutern,
Büschen und Sträuchern, der eigentlichen Pes Capraeformation.
Hinter derselben erhebt sich der Strandwald (Barringtonia-
formation), der in seiner Zusammensetzung noch nicht die Mannig-
faltigkeit und die düstere Pracht des Barringtonia-Strandwaldes an den
Küsten Javas und Sumatras erreicht hat noch auch sobald erreichen
wird. Beide Strandformationen sind noch nicht geschlossen. Durch
die Lichtungen des Strandwaldes hindurch dringen die Gräser, Cypera-
ceen, Farne und Kompositen der inneren Grassteppe bis zu den niederen
Ipomaea- und Spinifexrasen vor, während andererseits Gruppen von
Strandpflanzen selbst noch 300 bis 500 m landeinwärts vorkommen.
So befindet sich die schöne Gruppe hoher Kokospalmen (pag. 319)
etwa 400 m innerhalb der Strandlinie. Auch Gruppen älterer
Exemplare von Barringtonia , Calophijllum, Casuarina finden
sich in verschiedenen Abständen von der Küste, andere, jüngere
Kokospalmen und Pandanusgebüsche sind dagegen dem Strande so
nahe, dass ihre Stämme zur Flutzeit von den Wellen umspült
werden. Die Strandvegetation ist an der Südwestecke von Krakatau,
wo sie am weitesten gediehen ist, aus Beständen verschiedenen Alters
zusammengesetzt, von denen die ältesten am meisten landeinwärts,
die jüngsten dagegen an der Flutlinie stehen. Diese Verteilung der
jungen Litoralflora über einen verhältnismässig breiten Gürtel findet
ihre Erklärung am ehesten in der Annahme einer allmählichen Grössen-
zunahme der Insel in diesem Strandgebiete, einer im Laufe der Jahre
erfolgten beträchtlichen Verschiebung der Strandlinie nach aussen.
Schon in den ersten Monaten nach dem grossen Ausbruch erfolgten,
wie durch die Messungen von Verbeek festgestellt wurde, in der
ganzen Umgebung der Krakatauinseln starke Niveauveränderungen
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau. 359
des Meeresbodens. Ein Teil der ins Meer gefallenen Bimsstein- und
Aschenniassen wurde bei heftig bewegtem Meere hin und her verschoben.
Einzelne kurz nach dem Ausbruche über die Oberfläche emporragende
Sandbänke verschwanden wieder völlig, während an anderen Orten
das leicht bewegliche Material zu neuen unterseeischen Bergen und
Bänken aufgehäuft oder an den Strand der drei Inseln gespült wurde.
So ist namentlich an der Süd- und Westküste von Krakatau und an
der Südküste von Verlaten Eiland das flache Strandgebiet bedeutend
vergrössert worden. Seither haben diese Materialablagerungen am
Strande, wenn auch in schwächerem Masse, angedauert. Es ist augen-
scheinlich, dass die ältesten Strandpflanzen, die aus den in der Drift
der ersten Jahre enthaltenen Samen und Früchten hervorgegangen sind,
nach und nach vom Strande durch eine immer breiter werdende Zone
getrennt wurden und dass während dieser Strandverschiebung in der
jeweiligen Driftzone mit den Bimssteinmassen stets neue Keime zur
Entstellung des jetzigen von Lücken durchbrochenen Strandwaldes
gelandet worden sind. Natürlich ist bei der Entstehung desselben
die Mitwirkung anderer Faktoren, welche sonst bei der Besiedelung
von Koralleninseln oder anderen Küstenstrichen zuweilen eine Ver-
breitung von Strandpflanzen oberhalb der eigentlichen Driftlinie er-
möglichen, nicht ausgeschlossen, immerhin im Vergleich zu der bereits
versuchten Erklärung weniger wahrscheinlich. So ist z. B. eine Ver-
schleppung der angeschwemmten Früchte und Samen aus der Drift
landeinwärts durch Tiere bei dem gegenwärtigen Bestände der Tier-
welt Krakataus nicht wohl anzunehmen. Immerhin ist ja anderwärts
festgestellt worden, dass auch Saurier, Eidechsen und Schild-
kröten, also Tiere, die z. T. auf der Insel schon vorkommen, wesent-
lich zur Pflanzenverbreitung beitragen. Beccari z. B. berichtet,
dass er grosse Quantitäten von Pandanaceenfrüchten im Magen von
Lophura amboinensis gefunden habe, und dass auf Borneo einzelne
Schildkröten regelmässig die Früchte eines Durio verspeisen und die
Samen mit den Exkrementen wieder abgeben. Dagegen ist die Mit-
wirkung von Krabben, durch welche nach Guppy auf den Kokos-
inseln die Keime einzelner Pflanzen, im besonderen von Moruula
ciffifolia , Hema/idia peltata und Cordia suhco)'data , über das
Innere der Inseln verbreitet werden, ausgeschlossen, da ja gerade die-
jenigen Samen und Früchte (Cocos, Barringto)üa , CaloplujUum,
Pinidaniis) am weitesten landeinwärts transportiert worden sind,
die von den Krabben am eifrigsten aufgesucht werden und ihren An-
griffen am wenigsten entgehen.
Hinter dem Strandwalde werden das flache, gegen den Fuss des
Kegels leicht ansteigende Terrain wie auch die untersten Gräte und
360 A. Ernst.
Schluchten des Berges noch wie vor zehn Jahren vornehmlich von den
Gräsern, Cijperaceen und Compositen eingenommen, während die
Farne schon etwas zurücktreten. Von den Phanerogamen des Strandes
fand Treub erst zwei Vertreter, Scaevola Koenigii und Tourne-
fortia argentea, im Innern vor. Seither sind die Bäume und Sträu-
cher auch hier, in dem steppen- oder steinwüstenähnlichen Gebiete,
zahlreicher geworden. Sie sind vom Strandwalde aus in Gruppen oder
einzeln über die Ebene vorgedrungen und, wie früher beschrieben
worden ist, in den Schluchten des Kegels zu grösseren waldartigen
Beständen vereinigt.
Wird die weitere Entwicklung der jetzigen Krakatauvegetation
nicht durch neue vulkanische Ausbrüche unterbrochen, so dürfte die
Insel mit Ausnahme der schroffen Absturzwände im Laufe der nächsten
50 bis 60 Jahre — innerhalb einer ähnlichen Zeitdauer hat sich der
Vulkan Tamboro auf der Insel Sumbawa wieder mit einem dichten
Wald bedeckt — völlig überwaldet sein. Am Strande werden zu-
nächst infolge der Ausdehnung der waldartigen Bestände die mit
Kräutern und Stauden überdeckten Lichtungen verschwinden. Viel-
leicht erstehen während der Bildung einer geschlossenen Barringtonia-
formation unter dem Zuwachs von Arten, der in Zukunft noch er-
folgen wird, einzelnen bisherigen Vertretern scharfe Konkurrenten.
Die endgültige Gestaltung und Zusammensetzung der Formation wird wie
anderwärts unter Reduktion der Artenzahl stattfinden. Weniger
gut angepasste Formen verschwinden oder werden gegen den Strand
hin gedrängt, wo sie sich unter die Bestandteile der Pes Caprae-
formation mischen und dieselben an einzelnen Stellen verdrängen. Eine
fast ungehinderte Verbreitung der im hohen Barringtoniawald nicht
mehr fortkommenden niederen oder langsam wachsenden Bäume und
Sträucher ist landeinwärts möglich. Im besonderen werden diejenigen
bisherigen „fakultativen" Strandbewohner bald auf das Innere der
Insel übergehen, deren Samen oder Früchte, ohne zu den eigentlich
anemochoren zu gehören, vom Winde doch über kleine Strecken land-
einwärts getragen werden können, ferner die anderen, deren Früchte,
wie z. B. diejenigen der verschiedenen Ficusarten, den Vögeln eine
willkommene Speise gewähren. Vielleicht setzt sich der Wald in der
Ilauptschlucht des Bergabhanges schon jetzt aus diesen Bestandteilen
der Küstenflora zusammen, vielleicht auch werden zukünftige Besucher
der Insel dort noch zahlreiche weitere Pflanzen vorfinden, deren Keime
ebenfalls durch Vögel, insbesondere aber durch den Wind nicht von
den Strandpartien Krakataus, sondern von der umgebenden Inselwelt
zugeführt worden sind. Namentlich ist zu erwarten, dass hier oben
später Pflanzen gefunden werden, die nicht, wie die meisten
Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau. 361
der von uns gesammelten, der Strandvegetation und den
Niederungen der umgebenden Inseln, sondern den höheren
Regionen der javanischen und sumatranischen Gebirge ent-
stammen, deren leichte Samen durch die in den höheren Regionen
herrschenden starken Luftströmungen, insbesondere durch den wäh-
rend des grössten Teiles des Jahres wehenden Südost, von den hohen
Vulkankegeln Javas hergetragen worden sind. Zu erwarten sind vor
allem diejenigen anemochoren und zoochoren Arten, welche auch auf
Java und Sumatra die nach Ausbrüchen vegetationslos gewordenen
Vulkankegel wieder besiedeln. Hier finden sich, wie Schimper')
am Goenong Goentoer konstatierte und wie ich in einer weiteren
Veröffentlichung über die Besiedelung vulkanischen Bodens im
malayischen Archipel (Gedeh, Pangerango, Papandajan, G. Goentoer,
Dieng- und Tenggergebirge auf Java, Merapi und Singalan g auf
Sumatra) ausführen werde, ausser Gräsern, Cyperaceen, Farnen,
Orchideen, auch strauch- und baumartige Phanerogamen mit Wind-
verbreitung der Samen und Früchte, im besonderen Bhoclodefidron-
und Gnaphaliumarten, während die Übertragung anderer, Vaccinium,
GauUeria, Mijrica, Aredia usw., vorwiegend durch Vögel stattfindet.
Viele der zuletzt genannten Pflanzen, welche im Walde als Epiph^'ten
leben, werden auf vulkanischem Boden, wo die Konkurrenz anderer
Pflanzen zunächst gering ist, wiederum zu Bodenpflanzen und gehen
erst später, wenn das Pflanzenkleid dichter wird und baumartige
Pflanzen das Feld behaupten, wieder zur epiphy tischen Lebensweise
über. In dem nach oben und unten sich ausdehnenden Bergwalde
werden nach und nach auch neue Existenzbedingungen geschaffen.
Sporen von Kryptogamen und Samen von Blütenpflanzen, die jetzt
auf der Insel noch nicht die zum Keimen und Gedeihen notwendigen
Bedingungen finden, liefern später neue Florenbestandteile. Lianen,
epiphy tische Moose, Farne, Orchideen stellen sich ein. Die Felsen
des Bergabhanges überkleiden sich an beschatteten Stellen mit Leber-
moosen und Laubmoosen, an sonnigen Stellen siedeln sich auf den-
selben Flechten an. Das modernde Laub am Waldboden durchwuchern
die Mycelien von Schimmelpilzen und der im Archipel so häufigen
Phalloideen und Agaricineen. Vielleicht finden auch die bleichen Fäulnis-
bewohner aus der Abteilung der Blütenpflanzen sowie Schmarotzer des
Ast- und des Wurzelwerkes hierher ihren Weg.
Der Mensch wird in diesen Entwicklungsgang weder hemmend
noch fördernd stark eingreifen. Noch sind die westlichen Gebiete
Javas, der ganze Süden Sumatras wenig bevölkert, noch liegt in
') Scliimper, A. F. W., Pflanzengeographie. 1898. Pag. 201.
Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. 24
362 A. Ernst.
diesen Gegenden überall viel fruchtbarer Boden für fleissige Hände
brach und Krakatau wird noch lange Zeit wie vor der grossen
Eruption unbewohnt bleiben und höchstens dann und wann von
einigen Fischern oder auch von Forschern zu kurzem Aufenthalte
besucht werden. Ein immer grösser werdender Teil der Insel wird
sich vom Strande und von den Abhängen des Berges aus mit Wald
überdecken, die Grassteppe der mittleren Zone wird schmäler und
schmäler werden und zuletzt verschwinden. Erst sehr spät aber wird
auf der verwüsteten Insel das Pflanzenkleid wieder in derjenigen
Mannigfaltigkeit und Fülle erstanden sein, wie sie uns entgegentritt
in dem Machtvollsten, was die Natur geschaffen hat, im Urwald der
Tropen.
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Professor A. L. Pictet erwähnt in seinem Bericht über die Er-
stelhmg einer meteorologischen Station im Hospiz des Grossen St.
Bernhard vom Jahre 1817, dass schon vor 1817 zuerst die Akademie
in Turin, dann die Aargauische Gesellschaft für vaterländische Kultur
den Impuls gegeben haben, meteorologische Beobachtungen durch die
Mönche im Kloster des Grossen St. Bernhard anstellen zu lassen und
dass auch die nötigen Instrumente abgegeben worden seien: Beobach-
tungen wurden ausgeführt, aber die Resultate wie auch die Instru-
mente sind aus unbekannten Gründen verloren gegangen.^)
Tatsächlich hat um das .Jahr 1750 herum die ökonomische Ge-
sellschaft in Bern die Erstellung eines schweizerischen meteorologischen
Beobachtungsnetzes angestrebt und es gelang ihr auch, durch Abgabe
von Barometern, Thermometern und Regenmessern an eine Anzahl
von Stationen längere Beobachtungsreihen zu erhalten, indessen war
es damals noch nicht möglich, die Mönche auf dem Grossen St. Bern-
hard zur Übernahme einer Station zu bewegen. Auch die schon er-
wähnte „Aargauische Gesellschaft für vaterländische Kultur" hat sich
um 1812 bemüht, ein ausgedehntes meteorologisches Beobachtungsnetz
zu erstellen und durch Zusendung von Instrumenten und Instruktionen
an einzelne Stationen korrespondierende Beobachtungen ins Leben zu
rufen. Die Beobachtungen sollten sich erstrecken auf eine ausgedehnte
Linie von Norden nach Süden : Kiel, Andermatt, St. Bernha,rd, Pisa,
Turin, Neapel, und auf Stationen in einer von Westen nach Osten
laufenden Linie: Glasgow, Hanau, Prag, Lemberg, Charkow.-) Prak-
') Bibl. Univ. Sciences et arts, VI Geneve 1817, p. 109.
^) Rudolf Wolf, Geschichte der Vermessungen in der Schweiz, Ziärich 1879,
pag. 301.
Ein neues Präzisionsnivellement auf den Grossen St. Bernhard. 365
tische Resultate hat dieses Projekt indessen keine gehabt, dagegen
gelang es Pictet einige Jahre später für die Genferbeobachtungen,
die auf 1774 zurückreichen und in der Bibl. Univ. publiziert vor-
liegen, auf dem Grossen St. Bernhard eine Parallelstation zu errichten,
von der er bei einer Vergleichung mit der Sternwarte Genf sagt : ')
„Elle est situee sous un parallele peu distant, sous un meridien
„d'un degre seulement plus ä Test, au centre de la haute chaine des
„Alpes; oü trouver dans notre Europe une habitation de toute l'annee,
„voisine de la limite des neiges perpetuelles ? Oü trouver des hommes
„assez devoues pour y vi vre et assez instruits pour aprecier l'utilite
„de ces observations et pour les faire avec la regularite et la precision
„requise? Toutes ces conditions sont heureusement reunies dans l'hos-
„pice celebre, connu sous le nom de couvent du Grand St-Bernard."
Professor Pictet hat in Genf bei Mechaniker Gourdon die nötigen
Instrumente nach spezieller, der Höhenstation angepasster Vorschrift
bestellt, nämlich ein Quecksilberbarometer, ein Quecksilberthermo-
meter und ein Harhygrometer. Mit diesen Instrumenten ist er am
13. September 1817 von Genf abgereist, am 14. abends im Hospiz
angekommen und hat am gleichen Abend noch die Aufstellungsver-
hältnisse für die meteorologischen Instrumente rekognosziert, so dass
am 15. früh die Instrumente an Ort und Stelle waren und die Be-
obachtungen mit dem 16. September 1817 beginnen konnten.
Diese Reise ist den Mönchen des Grossen St. Bernhard in viel-
facher Weise zu gute gekommen und wir wollen nicht unterlassen auf
folgende Stelle im Nekrolog aufmerksam zu machen, den P. Vaucher
im 29. Bande der Bibl. Univ. S. et A. über Pictet veröffentlicht hat,
die den liebenswürdigen Charakter des Genfer Gelehrten besonders
beleuchtet :
„Ce fut apres avoir visite ces pieux cenobites, que, frappe des
„rigueurs de leur long hiver et des maladies qui en etaient la suite,
„il fit un appel ä la generosite de l'Europe, et il reussit si bien ä
„depeindre les privations et les souffrances de ces hommes respec-
„tables, qu'il leur procura des sommes süffisantes non seulement pour
„etablir des poels et des tuyaux de chaleur, mais encore pour reparer
„et agrandir leur hospice."^)
Eine nutzbringende Vergleichung und Auswertung der meteoro-
logischen Beobachtungsreihen in Genf und dem Grossen St. Bernhard
>) Bibl. Univ. S. A. 1817, pag. 109.
*) Vergl. auch Rud. Wolf, Biographien zur Kulturgeschichte der Schweiz, III.
pag. 387, Zürich 1800.
366 J. Hilfiker.
konnte erst erreicht werden, wenn es gelang, den Höhenunterschied
der beiden Stationen mit ausreichender Genauigkeit zu ermitteln.
Bald nach der Erstellung der meteorologischen Station im Kloster
unternahm es Alexandre Roget von Nyon, trigonometrisch die Höhe
des Montblanc und anderer Bergspitzen, wie die der Dent de Mordes
über dem Genfersee, resp. Pierre du Niton abzuleiten und späterhin
die Höhe des Klosters auf dem Grossen St. Bernhard zu bestimmen,
indem er zunächst in der Nähe des Klosters sorgfältig mit Stäben
eine Basis abmass, aus derselben trigonometrisch die Höhen über
dem Kloster von einigen der umgebenden Punkte, von denen aus der
Montblanc und die Dent de Mordes sichtbar sind, bestimmte, woraus
er dann mit Hülfe der auf diesen Zwischenstationen angestellten
Winkelmessungen die Barometerhöhe des Klosters aus den für Mont-
blanc und Dent de Mordes gefundenen Höhen ableiten konnte. Er
fand so für die Höhe
des Montblanc über Pierre du Niton 4435,5 m
der Dent de Mordes „ „ „ „ 2594,3 „
und daraus für die Barometerhöhe des Klosters:
aus dem Montblanc 2101,78 m über Pierre du Niton
„ der Dent de Mordes 2103,54 „ „ „ » » ^)
Dieses Resultat hat Professor E. Plantamour in Genf im Verein
mit Oberst Burnier in Morges und den Ingenieuren Chappex und
Torcapel 1855 durch eine neue Operation von Genf aus, in der die
Methode des geometrischen Nivellements zur Anwendung gekommen
ist, geprüft und für die meteorologische Station auf dem Grossen St.
Bernhard die bis heute als definitiv angenommene Höhe über Pierre
du Niton bestimmt.-)
Der Ausgangspunkt der neuen Höhenmessung ist der kleinere
Pierre du Niton im Hafen von Genf, in dessen Scheitelpunkt General
H. Dufour im Jahre 1820 eine Bronzeplatte hat einzementieren lassen,
die später von der schweizerischen geodätischen Kommission als Null-
punkt des 1865 begonnenen Präzisionsnivellements der Schweiz ge-
wählt worden ist. An diesen Punkt wurde einerseits das Barometer
der Sternwarte in Genf, andererseits das Barometer der meteorolo-
gischen Station im Kloster des Grossen St. Bernhard angeschlossen.
Den Anschluss der Sternwarte in Genf hat Plantamour vermittelst
^) Roger, Elevation du Montblanc sur le lac de Geneve, Bibl. Univ. S. et A. 1828.
„ Operations trigon. au Grand St-Bernard, ,, „ „ „ „ 1858.
Rud. Wolf, Geschichte der Vermessungen in der Schweiz, pag. 113.
2) F. Burnier et E. Plantamour, Nivellement du Grand St-Bernard, Bibl. Univ.
et A. 1855, p. 99.
Ein neues Präzisionsnivellement auf den Grossen St. Bernhard. 367
■eines Doppelnivellements durchgeführt, das nachstehende Resultate
ergeben hat:
Pierre du Niton bis Punkt am Boden
vor Barometer 1855 26 VII + 30,527 m
22 VIII + 30,586 „
Mittel + 30,557 m
Cuvette des Barometers über diesem Punkt 0,803 „
Pierre du Niton bis Sternwarte Genf, Cuvette des Barom. -f- 31,360 m
Der Anschluss des Klosters auf dem Grossen St. Bernhard an
Pierre du Niton zerfällt sowohl nach der in Anwendung gekommenen
Methode der Beobachtung, als auch was das Personal und die In-
strumente betrifft, in folgende vier Sektionen :
1. Pierre du Niton bis Bouveret,
2. Bouveret bis Martigny,
3; Martigny bis Bourg St-Pierre,
4. Bourg St-Pierre bis Hospiz Grosser St. Bernhard.
In der ersten Sektion Pierre du Niton-Bouveret hat Plantamour
•den glücklichen Gedanken verwirklicht, den Höhenunterschied mittelst
Beobachtung und Vergleichung des Seespiegels in Genf und Bouveret
zu ermitteln. In Bouveret diente als Ausgangspunkt für die zweite
Sektion eine Höhenmarke auf der Mauer des linken Widerlagers der
Brücke über die Bouverette, nahe bei der Mündung des Baches in
den See und dieser Repere war gleichzeitig mit Pierre du Niton in
Genf an das Niveau des Sees anzuschliessen. Plantamour schreibt
hierüber : ')
„Pour nous mettre ä l'abri des causes d'erreurs pouvant resulter
„de l'alteration locale et momentanee de la surface du niveau du lac,
„qui se presente assez frequemment et qui est connue sous le nom
„de seiche, la hauteur du lac a ete mesuree non seulement au limni-
„metre de Geneve. mais aussi aux limnimetres etablis dans plusieurs
„ports du canton de Vaud, au meme instant ou M. Torcapel mesurait
„au Bouveret la hauteur du repere de la Bouverette au-dessus du
„lac. Les limnimetres des ports vaudois, etablis et compares par les
„soins de M. Burnier, ont ete relies ä celui de Geneve et au repere
„de la Pierre du Niton par une tres nombreuse serie d'observations,
„en Sorte que leurs iudications peuvent fournir ä un moment donne
„la hauteur des eaux dans chacun de ces ports au-dessous du repere
„de la Pierre du Niton."
Die Simultanbeobachtungen vom 16. Mai haben dann folgende
Resultate ergeben :
>) Bibl. Univ. S. et A. 18.55, p. 101.
368 . J. Hilfiker.
Limnimeter Höhe von Pierre du Nitort
von über dem See
Geneve + 1,91 m
Morges 1,88 ,
Ouchy 1,85 „
Vevey 1,89 „
Mittel 1,88 m
Gleichzeitig gemessene Höhe der Höhenmarke der
Bouverette über dem See .... 2,08 „
Pierre du Niton bis Höhenmarke Bouverette . + 0,20 m
Das Nivellement der zweiten Sektion, Le Bouveret bis Martigny ,
ist 1854 von einem Walliser Ingenieur Chappex^) als Doppelnivelle-
ment zu Eisenbahnzwecken ausgeführt worden. Alle Strecken, die
bei zwei aufeinanderfolgenden Höhepunkten zwischen der ersten
und zweiten Operation eine Differenz von 1 cm oder mehr ergaben,
sind ein drittes Mal nivelliert worden. Als Endpunkt in Martigny
resp. als Ausgangspunkt der dritten Sektion wurde der Scheitelpunkt
des Obelisk auf dem grossen Platze benützt und es ist dankenswert
von der geodätischen Kommission, dass sie diesen Punkt im Jahre
1872 an N. F. 78 an der Pfarrkirche, resp. an das zwei Jahre früher
von Ingenieur Benz zwischen Lausanne und Brig ausgeführte Prä-
zisionsnivellement hat anschliessen lassen.^) Als Resultat des Doppel-
nivellements Chappex wird angegeben:
Bouveret, Repere Bouverette bis Martigny, obelisque + 97,87 m.
Von Martigny bis Bourg St-Pierre hat Ingenieur Torcapel im
Auftrag von Plantamour und Burnier ein Doppelnivellement in der
Zeit von Ende April und Anfang Mai 1855 ausgeführt. Einige Strecken
sind ein drittes Mal nivelliert worden, indem das Nivellement wieder-
holt worden ist, wenn die Differenz aus den zwei ersten Operationen
zwischen zwei aufeinanderfolgenden Höhenpunkten 4 oder 5 cm über-
schreitet. Torcapel hat sein Nivellement beim Eingang ins Dorf
Bourg St-Pierre auf der Türschwelle der zweiten Scheune links, des
Schnees wegen, der noch auf der Strasse lag, abbrechen müssen. Als
Resultate seines Doppelnivellements wird angegeben :
Martigny -Bourg St-Pierre: Nivellement aufwärts 1149,14 m
abwärts 1148,92 „
Mittel 1149,03 m
Übertragen wir diese Höhendifferenz mit dem Nivellement Plan-
tamour auf Türschwelle Kirche, Nordfassade, welcher Punkt zwar
') Später Staatsrat des Kantons Wallis und Ständerat.
^) Niv. de prec. suisse, p. 267.
Ein neues Präzisionsnivellement auf den Grossen St. Bernhard.
369-
nicht weiter bezeichnet ist, aber doch mit ca. 1 — 2 cm Unsicherheit
heute wieder ermittelt werden kann, so erhalten wir als Resultat:
Martigny-Bourg St-Pierre + 1158,16 m.
Die letzte Sektion endlich von Bourg St-Pierre bis Hospiz ist
von Burnier und Plantamour zusammen in der Zeit vom 29. Juli bi&
4. August nivelliert worden. Plantamour schreibt hierüber:
„Chacun de nous operait separement avec un niveau ä lunette
„et une niire, et nous contrölions au für et ä mesure les resultats,.
„obtenus entre des points de reperes communs pris de distance en
„distance. L'ecart entre la valeur obtenue par chacun de nous pour
„la difference totale de niveau entre St-Pierre et l'hospice n'est que
„de 6 centimetres."
Als Resultat wird angegeben:
Bourg St-Pierre, Kirche bis Hospiz, Barometergefäss + 845,47 m.
Wir erhalten so die folgende Zusammenstellung, wenn wir in
derselben auch die Resultate des alten, sowie diejenigen eines neuen,
1905 und 1906 erstellten Präzisionsnivellements, von dem auf den
folgenden Seiten die Rede sein wird, aufnehmen. Plantamour rundet
seine Resultate auf Zentimeter ab ; wir tun hier dasselbe für di&
Neunivellemente.
Punktbezeichnung
Kiiellrment Bornier,
Plantamonr,
fhsppei, lortipd
NenniTellenifDt
Altes XiT.-IenniT.:
Sternwarte Genf, Barometergefäss
bis Pierre du Xiton ....
Pierre du Niton bis Bouveret,
Brücke
Bouveret, Brücke bis Martigny,
Obelisk
Martigny, Obelisk bis Bourg St-
Pierre, Kirche
Bourg St-Pierre, Kirche bis Hos-
piz, Barometer
m
- 31,36
+ 0,20
+ 97,87
+ 1158,16
+ 845,47
m
— 31,37 1905
.+ 98,14 1870/82
+ 2004,09 1905/06
m
+ 0,01
— 0,07
— 0,46
Genf, Pierre du Niton bis Hospiz,
Barometer
Genf, Barometer, Sternwarte bis
Hospiz, Barometer ....
+ 2101,70
+ 2070,34
+ 2102,23
+ 2070,86
— 0,53
— 0,52 i
Für die richtige Würdigung der Schwierigkeiten, die im Nivelle-
ment Plantamour-Burnier auf der letzten Sektion Bourg St-Pierre—
Hospiz zu überwinden waren, ist es notwendig, daran zu erinnern,.
:370 J. Hilftker.
dass die jetzige Strasse ganz neuern Datums ist und dass früher der
ganze Verkehr durch den schlechten, steilen Saumweg ging, der heute
von Cantine de Proz an als Abkürzung für Fussgänger benutzt wird.
Nach Vollendung der Kunststrasse auf italienischem Gebiet hat das
Militär-Geographische Institut in Florenz 1904 ein Präzisionsnivelle-
ment bis zum Hospiz ausführen lassen, nachdem es bereits früher an
die Abteilung für Landestopographie der Schweiz das Ansuchen hatte
ergehen lassen, dass auch schweizerischerseits einNivellementsanschluss
im Hospiz erstellt werde. *) Dieses Nivellement ist im Herbst 1905
nach Vollendung des Simplonnivellements von Martigny bis Orsieres
geführt, dann im Sommer 1906 vollendet worden, und hat ca. zwei
Monate Zeit gebraucht, wobei bemerkt werden muss, dass das Nivelle-
ment auch auf italienisches Gebiet bis zur Cantine d'Aosta, d. h. auf
eine Entfernung von 4 km vom Hospiz mit 260 m Gefälle ge-
führt worden ist, um im Falle des Auftretens von systematischen
Fehlern, wie sie von einer unsichern Kenntnis der wahren Latten-
längen bei einer stetigen Steigung bis zur Höhe des Hospizes hätten
herrühren können, eine Kontrolle durch ein Nivellement mit starkem
Gefälle zu erhalten. Glücklicherweise haben in diesem Bergnivelle-
ment, wie wir weiter unten sehen werden, die von den Lattenlängen
abhängigen systematischen Fehler fast vollständig vermieden werden
können, und ich erlaube mir, mit Erlaubnis der Direktion der schwei-
zerischen Landestopographie, im Folgenden auf die Vorbereitungen
zu diesem Nivellement und die hauptsächlichen Resultate desselben
etwas einzugehen.
Zunächst hat die Abteilung für Landestopographie grosse Sorg-
falt auf die Anlage der Höhenmarken verwendet und da es sich
herausgestellt hat, dass hauptsächlich die mit wagrechter Achse in
vertikale Mauerflächen mit aus dem Mauerwerk frei hervorragenden
Kopf einzementierten Höhenpunkte der Beschädigung und Zerstörung
ausgesetzt sind, so hat die Landestopographie auf dieser Linie zum
erstenmal Bolzen mit Schutzkappen eingeführt.^) Der Kopf des
Metallbolzens hat ein Bohrloch, auf dessen Zentrum sich die Höhen-
angabe bezieht. Über den Kopf des vollständig in den Stein einge-
lassenen Bolzens wird eine Schutzkappe sehr fest aufgeschraubt, so
dass sie nur mittelst eines starken Schlüssels losgeschraubt werden
^) Prof. R. Gautier hat bereits 1901 in der Sitzung der Schweiz, geod. Kom-
mission die Anregung hiezu gegeben.
2) Von den 128 Metallbolzen, die Ing. H. Frey in den Jahren 1898—1900 auf
der Simplonstrasse zwischen Brig und Iselle hat anbringen lassen, ist heute kaum
ein einziger zu finden, der nicht Spuren von Beschädigungen trägt.
Ein neues Präzisionsnivellement auf den Grossen St. Bernhard. 371
kann. Die Löcher zum Einsetzen der Schlüsselstifte werden mit
Glaserkitt ausgefüllt. Der Nivellierstift, der ins Bohrloch eingeführt
werden muss, trägt an seinem vordem Ende eine gratförmige Er-
hebung (Schneide), auf welche die Mire aufzusetzen ist. Diese Schneide
entspricht genau dem Mittelpunkt des Bolzens und Stiftes und be-
findet sich somit in jeder Lage des letztern in der Mitte des Bohr-
loches.
Der Ausgangspunkt des Neunivellements ist N. F. 78 an der
Kirche in Martigny Ville und dessen Versicherungen, welch letztere
1897 erstellt, sich 1905 noch alle als intakt erwiesen haben. Das
Präzisionsnivellement ist als vollständig unabhängiges Doppelnivelle-
ment durchgeführt worden, indem Ingenieur R. Gassmann die Messung
talabwärts übernahm, während der Berichterstatter in der Richtung
Martigny -Grosser St. Bernhard nivelliert hat. Die Strasse ist an
vielen Stellen so schmal und der Wagenverkehr im untern Teile
während der Weinlese so ausgedehnt, dass es ein Ding der Unmög-
lichkeit gewesen wäre, die beiden Latten gleichzeitig nebeneinander
aufzustellen. Wir haben deshalb im Simplonnivellement und hier die
pag. 27 des Nivellementsberichts 1893-1903 angegebene Nivellements-
methode') unter Billigung von Seiten der Direktion der Landestopo-
graphie und nach einem sehr günstig ausgefallenen Versuche auf der
Strecke Nyon-Geneve insoweit abgeändert, dass, während Mire 1 auf
den Ausgangspunkt gestellt wird, die andere Latte 2 gleichzeitig in
gleicher Entfernung vom Instrument wie Nr. 1 in Richtung der fort-
schreitenden Arbeit zur Aufstellung kommt. Die Aufstellungspunkte
werden zum voraus für Instrument und Latte mit einer Schnur
möglichst scharf festgelegt, so dass beim Übergang vom Rückblick
in den Vorblick der Auszug des Fernrohrs nicht verändert werden
muss. Hat der Ingenieur das Instrument richtig gestellt, so wird
bei einspielender Libelle zuerst Latte 1, dann Latte 2 abgelesen und
hierauf die Ablesung in der gleichen Reihenfolge wiederholt, nach-
dem, wenn nötig, das Instrument inzwischen eine nochmalige Be-
richtigung erfahren hat. Alsdann kommt Latte 1 über Latte 2 hin-
aus in ihre nächste Station und das Instrument kommt wieder in
die Mitte zwischen beide Miren. Auf diese Weise wird es möglich,
eine allfällige Veränderung des Instrumentenstatifs zwischen Rück-
und Vorblick zu kontrollieren; auch wird bei unsicherem Terrain
das Einsinken der Lattenplatten geringer und nimmt nicht nahe
') J. Hilfiker, Bericht der Abteilung für Landestopographie an die Schweiz,
geodätische Kommission über die Arbeiten am Präzisionsnivelleinent der Schweiz
in den Jahren 1893—1903. Zürich 190.5.
372 J. Hilfiker.
denselben Betrag für beide Miren an, wie das der Fall ist, wenn
die zwei Lattenträger gleichzeitig hart nebeneinander zu stehen
kommen.
Wir haben auch versucht, einen vielfach konstatierten Übel-
stand zu beseitigen, der mit der Unterlagsplatte der Miren zusammen-
hängt und der darinbesteht, dass bei ungenügender Sorgfalt der Latten-
träger beim Wenden der Mire die Unterlagsplatte verrückt werden
kann. Um möglichst zu verhüten, dass die Unterlagsplatten der
Miren zwischen dem Rück- und Vorblick eine Senkung erleiden,
wird den Lattenträgern ein Scharreisen mitgegeben, mit dem sie
den Strassenstaub und nach Niederschlägen die oberste Schicht der
Strasse wegkratzen müssen, um so der Platte eine unveränderliche
Lage zu sichern. Seit 1902 waren wir bestrebt, für die Latten ein
Grestell zu konstruieren, das eine sichere Aufstellung der Latte und
insbesondere das Einspielen der Dosenlibelle der Mire mit Schrauben
ermöglicht und ein Drehen um die vertikale Achse der Latte in der
Fussplatte gestattet. Ein erster Versuch schlug fehl infolge zu ge-
ringer Widerstandskraft des Gestelles gegen Wind, dagegen gelang
es 1904, durch Anbringen von zwei Streben mittelst drehbaren Ge-
lenken am oberen Ende der Latte das Problem zu lösen: Im schwei-
zerischen Präzisionsnivellement ist die erste Latte mit Gestell im
Sommer 1904 vom Berichterstatter auf der Strecke Saanen Mont-
bovon-Freiburg verwendet worden. Bei diesem ersten Lattengestell
wurden die Streben aus Bambusstäben verfertigt, die aber mit der
Zeit durch das Gewicht der Metallteile des Schraubenapparates eine
starke Verbiegimg zeigten, die ein leichtes Drehen der Latte um
ihre Achse störte. In neuerer Zeit verwendet Kern in Aarau leichte
Messing- und Stahlröhren zu den Streben und es dürfte möglich
werden, das Gewicht des Gestelles durch Verwenden von Holzstreben
erheblich zu vermindern.
Das Längenprofil längs der Bergstrasse zeigt von N. F. 78 in
Martigny bis zum Hospiz des Grossen St. Bernhard ein kontinuier-
liches Ansteigen im Betrage von nahe 2000 m. Es war deshalb
notwendig, sorgfältige und häufige, wenn immer möglich tägliche
Bestimmungen der Lattenlänge auszuführen, denn bei einer so grossen
Erhebung des Endpunktes über dem Ausgangspunkte können auch
kleine Fehler in der Annahme des Wertes für den Lattenmeter zu
bedeutenden, den Dezimeter erreichenden systematischen Fehlern an-
wachsen. Bislang sind im schweizerischen Präzisionsnivellement für
die Lattenvergleichungen vom Jahre 1893 an Stahlstäbe von 1 m
Länge verwendet worden, die als einzige Teilung auf einer abge-
schrägten Kante die 0 und 1 Meter-Striche, sowie anschliessend eine
Ein neues Präzisionsiiivelleinent auf den Grossen St. Bernhard. 373
Nonienteilung von 9 mm gleich 10 Teile des Nonius tragen. In
einer Vertiefung in der Mitte des Stabes wird ein Quecksilber-
thermometer angebracht, das zur Bestimmung der Stablänge bei
verschiedenen Temperaturen dienen soll. Die Vergleichung am Kom-
parator in Bern geschieht im Mittel bei einer Temperatur von ca.
18" C, bei den Feldvergleichungen dagegen treten Temperaturen
von 5" bis ca. 30" auf, so dass für die Reduktion meist ein sehr
beträchtliches Temperaturintervall in Frage kommt. Es ist aber
gar nicht leicht, die wirkliche Temperatur eines Stahlstabes im Felde
zu bestimmen, denn man ist nie sicher, ob die Thermometerablesun-
gen nicht vielmehr die Temperatur der umgebenden Luft als die-
jenige des Stahlstabes anzeigen. Nun sind in den letzten Jahren
hauptsächlich im Internationalen Meterbureau in Breteuil Versuche
mit einer Legierung von Nickel und Stahl angestellt worden, die
beweisen, dass bei einem bestimmten Prozentsatz und einer gegebenen
Temperatur ein Metall (Livar) erhalten wird, das einen viel gerin-
gern Ausdehnungskoeffizienten als Stahl aufweist ^) und somit sich
zu Vergleichsstäben eignet. Es hat deshalb die Abteilung für Landes-
topographie im November 1904 bei der „Societe Genevoise pour la
construction d'instruments de physique et de mecanique" an Stelle
des Stahlstabes einen Invarstab mit |l 1 I-förmigem Querschnitt be-
stellt, der den Stab möglichst gegen eine Durchbiegung schützt. An
beiden Stabenden sind in ausgelochte Öffnungen Glaslamellen unver-
rückbar eingesetzt, auf deren Unterseite die vor- und rückwärts-
laufenden Nonien auf 1 m Distanz eingraviert sind. Die Nonien-
ablesung geschieht mittelst einer einfachen Luppe. Jeder der beiden
Nivellementsingenieure erhielt einen solchen Invarstab zugeteilt und
da die Unverrückbarkeit der Glaslamelle erst noch nachzuweisen war,
wurden 1905 die bislang verwendeten Feldstäbe auch mitgeführt.
Der Ausdehnungskoeffizient des Invarstabes Nr. 1 hat sich aus
Vergleichungen von Ingenieur R. Gassmann am Komparator der
Landestopographie ergeben zu
0,0018 mm,
während für die Vergleichsstäbe aus Stahl im Mittel anzunehmen ist
0,012 mm,
so dass das Resultat für den Feldstab Invar Nr. 1 sich sieben mal
günstiger stellt als für Stahl.
Die Längenvergleichungen am Komparator haben ergeben:
1905 Frühlingsvergleichung 1000,149 mm;
Herbstvergleichung 1000,154 „
Im Winter 1905/06 sind die Stäbe in die Reparatur gekommen.
'J Yergl. eil. Guillaume, Les applications des Aciers au Nickel, Paris 1904.
374
J. Hilfiker.
1906 aus 15 Beobachtungen in 4 Lagen Stablänge = 1000,044 mm
1907 Frühling 4 „ „ 4 „ „ = 1000,046 „
Eine Veränderung der Glaslamelle ist somit nicht nachweisbar.
Feldvergleichungen mit 2 Stäben sind vom Referenten 1905 an
57 Tagen angestellt worden. Die Differenz der Lattenkoeffizienten,
abgeleitet aus Invarstab 1 und Stahlstab 4, ist für beide Miren über-
einstimmend im Mittel 0,011 mm und bestätigt somit das Resultat,
das im „Nivellementsbericht 1893—1903" pag. 15/16 angegeben
wurde; der Maximalbetrag geht aber bis zu 0,042 mm, und zeigt
somit, wo bei Gebirgsnivellements noch Quellen für systematische
Fehler zu suchen und zu heben sind. Sicher spielt die Beleuchtung
bei den Stabvergleichungen eine grosse Rolle und dann muss ver-
sucht werden, die Luppe durch ein Ablesemikroskop mit beweglichem
Doppelfaden zu ersetzen, so dass auf beiden Stabenden das Intervall
Lattenstrich-Nullstrich des Stabes eventuell bei künstlichem Licht
mit der Trommel gemessen werden kann. Diese wichtige Umformung
ist für unsere Invarstäbe im Winter 1907 von Mechaniker Zulauf in
Zürich nach Zeichnungen der Abteilung für Landestopographie durch-
geführt worden. Die zwei Mikroskope können für die Vergleichungen
auf dem Stab festgeschraubt werden; für den Transport kommen sie
in ein Etui. Eine Umdrehung der Messchraube entspricht 0,2504 mm.
1 Trommelteil = 2,504 ^ = 0,0025 mm.
An Latten sind in Verwendung gekommen :
1. Von Herrn Gassmann im Jahre 1905 Mire Nr. 7 vom Typus
des alten Präzisionsnivellements und eine neue Reversionsmire mit
Gestell, 1906 zwei Reversionsmiren mit Gestell.
2. Vom Referenten zwei Kompensationsmiren Nr. 9 und 10 nach
System Goulier, von denen No. 10 mit Lattengestell.
Die angewandte Beobachtungsmethode verlangt eine genügend
scharfe Ableitung der Gleichung des Lattenpaares. Zu dem Zwecke
werden beide Miren nacheinander auf denselben Fixpunkt gestellt;
die Differenz der Ablesungen gibt alsdann die Gleichung der Miren.
Für das Paar der Kompensationsmiren Nr. 9 und 10 wurde z. B.
erhalten :
Meter
Mittel
Differenz 9—10
Anzahl
der Beobachtungen
0,535
1,517
2,248
+ 0,135 mm
+ 0,155 ,
+ 0,168 ,
11
20
6
Mittel
+ 0,153 ± 0,011
37
Ein neues Präzisionsnivellement auf den Grossen St. Bernhard.
375.
Bei den mit horizontaler Achse in vertikale Mauer- oder Stein-
flächen einzementierten Höhenmarken ist der aus dem Mauerwerk
hervorragende Kopf fast nie völlig horizontal, sondern meist etwas
nach oben geneigt, so dass in diesem Falle auf eine der vier Ecken
des stählernen Lattenfusses gestellt werden muss. Es sind somit
noch Konstanten aus dem Nivellement abzuleiten, welche die Reduk-
tion auf Lattenmitte angeben. Für das obige Lattenpaar ist diese
Reduktion :
Mira
1
Reduktion auf Mitte Lattenfuss
Vorn rechts
Vorn links
Hinten links
Hinten rechts i
9
10
1
mm
— 0,07
— 0,04
mm
0,00
0,00
mm
— 0,21
— 0,07
mm
— 0,01 '
+ 0,05
1
Die Kompensationsmiren haben den grossen Vorteil, dass die
Kontrolle für die Lattenlänge sich mehrmals täglich wiederholen
lässt, während man sich bei Stabvergleichungen des grossen Zeit-
aufwandes wegen zufrieden geben muss, wenn überhaupt pro Tag
eine Vergleichung erhalten werden kann, Nun zeigen aber die Kom-
pensationsmiren infolge des Gewichtes der Metallstäbe immer Durch-
biegungen, die sich bei der Vergleichung mit einem Meterstab trotz
aller Vorsicht und Anwendung von Unterlagsklötzchen sehr störend
bemerklich machen, indem hiebei die Lattenlänge meist zu kurz er-
halten w^ird. Es ist deshalb notwendig, bei den grundlegenden Ver-
gleichungen am Komparator die Ablesung der Kompensationsteilungen
mehrfach zu wiederholen, daran anschliessend, eine Vergleichung mit
dem Feldstab auszuführen und aus der Differenz der Lattenlänge aus
Komparator und Stabvergleichungen Konstanten abzuleiten, welche
an die Feldvergleichung anzubringen sind, um letztere auf den Kom-
parator zu reduzieren,
Feldvergleichungen mit Stäben sind auch bei Kompensationsmrren
nicht zu umgehen, um ein Kontroll mittel an der Hand zu haben,
falls der Kompensationsmechanismus aus irgend einem Grunde ver-
sagen sollte. Vor allem dürfen Kompensationsmiren nicht fallen und
es müssen Miren in Gestellen bei unruhigem böigem Wetter stets
im Auge behalten werden.
Bekanntlich ist im Präzisionsnivellement der Wind ein sehr
störendes Element, besonders wenn er in der Nivellementsrichtung
bläst. Nun soll bei starkem Wind nicht nivelliert werden. Bei.
376 J. Hilfiker.
massigem Wind kann man mit Vorteil einen Windschirm verwenden,
der aus einem mit Segeltuch bespannten zerlegbaren Rahmen besteht.
Herr Ingenieur H, Frey hat sich bereits in seinem Simplonnivellement
Tom Jahre 1900 durch Einführung eines Windschirms zu helfen ge-
sucht und da in Nivellementsrichtungen von Westen nach Osten
und umgekehrt die Sonnenstrahlung ebenfalls äusserst störend ein-
wirkt, der bei tiefstehender Sonne durch einen Sonnenschirm allein
nicht beizukommen ist, hat Ingenieur R. Gassmann den Windschirm
auch gegen die Sonne anwendbar gemacht, indem er im Schirme
eine Öffnung hat anbringen lassen, durch welche die Ablesung im
Fernrohr geschieht. Ist das Wetter ruhig, so gibt die Kombination
■des Sonnen- resp. Regenschirms mit dem Windschirm ein schätzbares
Mittel, um in der Sonnenrichtung arbeiten zu können. Solche Wind-
schirme werden seit 1904 beständig verwendet.
Als Nivellierinstrumente wurden benützt: Von Herrn Gassmann
•das im Winter 1901/02 bei F. W. Breithaupt bestellte Nivellier-
instrument nach System Seiht, vom Referenten ein neues, 1905 bei
Kern & Co. in Aarau bestelltes Instrument mit Zeissoptik. Beide
Beobachter haben durchwegs mit einer vierzigfachen Vergrösserung
gearbeitet.
In der Zusammenstellung pag. 378 bilden wir ab N. F. 78 Kirche
Martigny-Ville die im Hin- und Rücknivellement zwischen den Fix-
punkten erster Ordnung gefundenen Höhendifferenzen und aus dem
Mittel derselben die Coten über Pierre du Niton.
Die nach bekannten Formeln durchgeführte Fehlerrechnung lässt
für Miren, in welche die Millimeterstriche mit der Teilmaschine ein-
geritzt sind, in überraschender Weise den günstigen Einfluss von
sehr kleinen Distanzen erkennen, wie sie im Gebirgsnivellement nicht
zu vermeiden sind und durch welche die bei grossen Distanzen und
unbewölktem Himmel sonst so störenden Anomalien der Refraktion
fast gänzlich eliminiert erscheinen. Hiebei muss erwähnt w^erden,
^ass wir zu unseren Nivellements hauptsächlich die Frühstunden des
Vormittags, sowie die Zeit von 4 Uhr nachmittags ab verwenden.
In jedem Fall dürfen wir aus der Zusammenstellung pag. 378 den
Schluss ziehen, dass unsere im Nivellementsbericht 1893-1903 pag. 33
aufgestellte Behauptung, der mittlere Einkilometerfehler werde sich
auch im gebirgigen Lande auf 1 mm herabmindern lassen, zu Recht
besteht, denn der für die 46 km lange Strecke Martigny-Hospiz
des Grossen St. Bernhard gefundene Einkilometerfehler des Doppel-
nivellements von nur + 0,45 mm deckt sich fast vollständig mit
den Resultaten der Fehlerrechnung, welche sich aus dem 1905 von
Ein neues Präzisionsnivellement auf den Grossen St. Bernhard.
377
denselben Beobachtern durchgeführten Neunivellement auf der Sim-
plonstrasse zwischen Brig und Iselle ergeben haben. Damals wurde
gefunden ;
Strecke
Dist.
Höhen-
unterschied
Mittel
Differenz D
EillJkFrGassiBanii
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Brig Fixpunkt 100. Nordportal des
Simplontunnels bis Fixp. 61 Pass-
höhe
Passhöhe, Fixp. 61 bis Iselle, Fixp.
91 Südportal des Simplontunnels .
24,56
25,17
+ 1322,5472
— 1374,8890
— 4,6
+ 2,2
± 0,41
± 0,52
± 0,46
± 0,22
Brig Fixpunkt 100, Nordportal des
Simplontunnels bis Fixp. 91 Süd-
portal des Tunnels . . . . . .
49,73
— 52,3418
2,4
± 0,47
± 0,17
Im Folgenden geben wir die Hauptresultate im Neunivellement
auf der Strecke Martigny-Grosser St. Bernhard und bemerken dazu,
dass jeder Beobachter sein Nivellement selbst reduziert hat. Herr
Gassmann besorgte dann eine erste Zusammenstellung der Resultate,
während der Referent im Juli 1907 eine Revision derjenigen Sektio-
nen unternahm, für welche der Unterschied der beiden Nivellements-
resultate pro Kilometer 1,5 mm überschreitet. Es waren so 3 km
nachzunivellieren auf die Gesamtlänge von 46 km, d. h. also 6,5 7o-
Das Barometer Gourdon im Hospiz des Grossen St. Bernhard
hängt noch an derselben Stelle wie zur Zeit, da Plantamour das
Nivellement ausgeführt hat und ist auch im Oktober 1900, als in-
folge eines Neubaues die Thermometer und Hygrometer anderweitig
plaziert werden mussten, nicht verändert worden. ') Auch auf der
Sternwarte in Genf hat man nichts an der alten Aufstellung des
Normalbarometers geändert. Nun ist bei Anlass des Neunivellements
Nyon-Geneve-Moillesulaz im Jahre 1905 die Sternwarte Genf mitein-
bezogen worden, so dass auch hier eine direkte Vergleichung möglich
ist. Wir haben gefunden
Pierre du Niton bis S 63 Sternwarte, Sockel der Meridianspalte :
') R. Gautier, Resume meteorol. de l'annee 1901 pour Gen^ve et le Grand
St-Bemard, Genfeve 1902 p. 22. 29, 37.
Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. 25
378
J. Hilfiker.
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Ein neues Präzisionsnivellement auf den Grossen St. Bernhard. 379
1905 30 VI Hilfiker 4- 31,7254 m
1905 8 VI Gassmann -f- 31,7242 „
1905 Mittelwert + 31,7248 m
1903 ©63 bis Boden vor Barometer — 1,1614 „
Pierre du Niton bis Boden vor Barometer -f 30,5634 m
Boden bis Cuvette Barometer + 0,803 „
Pierre du Niton bis Cuvette Barometer + 31,366 m
statt -h 31,360 m nach Plantamonr, wobei aber zu bemerken ist,
dass nach pag. 367 das Resultat Plantamour ein Mittel aus 2 Einzel-
werten darstellt, die um 6 Zentimeter auseinander gehen. Es folgt
somit in Verbindung mit den Ergebnissen pag, 369:
Barometer Sternwarte Genf bis Barometer Hospiz -i- 2070,86 m
statt + 2070,34 m.
Für die übrige Vergleichung mit den Resultaten Plantamour,
welch letztere pag. 381 zusammengestellt sind, ist der Umstand
erschwerend, dass die Höhenmarken des alten Nivellements nicht
dauernd bezeichnet und auch in der Beschreibung ungenügend fest-
gelegt worden sind. Immerhin lässt sich zwischen Pierre du Niton
und N. F. 78 in Martigny eine Vergleichung zwischen dem Nivelle-
ment Plantamour-Chappex und dem Präzisionsnivellement ausführen,
wenn wir im ersten den Höhenpunkt Scheitel des Obelisk in Mar-
tigny nach den Angaben des Catalogue des hauteurs auf N. F. 78
übertragen. Wir erhalten alsdann die pag. 369 mitgeteilten Resultate.
Die Hauptresultate unserer Zusammenstellung pag. 369 geben
zu erkennen, dass in der relativ ebenen Strecke von Genf bis Mar-
tigny das Nivellement Plantamour-Burnier-Chappex nur um 6 — 7 cm
vom Präzisionsnivellement der geodätischen Kommission abweicht,
während dagegen in der 45 km langen Bergstrecke Martigny-Hospiz
der Fehler im Nivellement Torcapel-Plantamour-Burnier auf 46 cm
ansteigt, der zweifellos vorwiegend der Unsicherheit in der Latten-
länge im alten Nivellement zur Last fällt, denn Lattenvergleichungen
wurden zu jener Zeit gar keine ausgeführt ; dazu treten dann noch
die grossen Schwierigkeiten des Nivellements längs des Saumweges
Bourg St-Pierre- Hospiz, wie wir sie weiter oben angedeutet haben.
Bilden wir in der Zusammenstellung pag. 378 für die Höhe
über Pierre du Niton die Mittelwerte und rechnen wir ab N. F. 78
Martigny die orthometrische Reduktion nach der Formel
y = — 0,0053 sin 2cp ^ Hmdcp
380
J. Hilfiker.
wo Hm den Mittelwert der absoluten Höhen von zwei aufeinander-
folgenden Punkten darstellt, und fügen wir zu y die Konstante + 9,4 mm
hinzu, um die orthometrische Reduktion ab Pierre du Niton zu er-
halten,^) so ergeben sich die nachstehenden einfachen und ortho-
metrischen Höhen über Pierre du Niton für die Höhenmarken auf
dem Hospiz des Grossen St. Bernhard bis zur Cantine d'Aosta, die
wir zum Zweck des Nivellementsanschlusses zwischen der Schweiz
und Italien eingemessen haben. Durch Hinzufügen der Konstante
373,60 m gehen die Höhen über Pierre du Niton in absolute Höhen
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Laee der Höhenmai'ken
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Orthom. Reduktion
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Ouest
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angle Ouest . . :
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Sud
Fixp. C Hospice, Rocher de la Cioix
Fixp. D Frontiere, rocher, ä 22 m du
milieu du ponceau frontiöre . . .
Ital. Fixp. 33 Frontiere, ponceau sur le
ruisseau, qüi marque la fronti^re .
Ital. Fixp. 29 A Gantine d'Aosta . .
-f 2096,5243
2097,8411
2096,0216
2100,1058
2076,7800
2074,6415
1836,2566
+ 29,0
+ 29,0
+ 29,0
+ 29,0
+ 28,8
+ 28,8
+ 30,5
+ 38,4
+ 38,4
+ 38,4
+ 38,4
+ 38,2
+ 38,2
+ 39,9
+ 2096,5627
2097,8795
2096,0600
2100,1442
2076,8182
2074,6797
1836,2965
•) J. Hilfiker, Höhenverhältnisse der Schweiz, pag. 67.
«) , r, r, r, pag- 92.
Ein neues Präzisionsnivellement auf den Grossen St. Bernhard.
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Einige physikalische Eigenschaften des gegossenen Quarzes.
Von
H. Stierlin.
Einleitung.
Die Physik braucht zu Mess-, resp. Vergleichszwecken Körper,
deren Eigenschaften möglichst wohldefiniert und genau bekannt sind.
Das erste Erfordernis, dem ein solcher Vergleichskörper genügen muss,
ist das, dass er vollständig homogen ist. Ferner muss er leicht
chemisch rein erhältlich sein; er soll möglichst unempfindlich sein
gegen äussere Einflüsse (Druck, Schlag, Erschütterungen, raschen
Temperaturwechsel, chemische Agentien); seine Eigenschaften sollen
sich in weiten Temperaturgrenzen untersuchen lassen und sollen sich
mit der Temperatur nur wenig ändern.
Der amorphe Quarz, wie er von Heraus in Hanau hergestellt
und in den Handel gebracht wird, genügt den meisten dieser An-
forderungen: die von genannter Firma verfertigten Geräte werden aus
reinem Bergkristall, also aus kristallisiertem, chemisch reinem, in der
Natur reichlich vorhandenem , daher auch billigem Ausgangsmaterial
gegossen; sie sind wenig spröde, sehr hart, höchst unempfindlich gegen
raschen Temperaturwechsel, und werden unter allen häufiger auf-
tretenden chemischen Feinden physikalischer Apparate nur von den
Alkalisalzen etwas angegriffen. Dagegen muss hier schon bemerkt
werden, dass die Homogenität der Quarzstücke in mehrerer Hinsicht
noch zu wünschen übrig lässt: grössere Stücke können bis jetzt noch
nicht völlig blasenfrei hergestellt werden; auch machen sich Span-
nungen in der erkalteten Flussmasse bei optischen Untersuchungen
störend bemerkbar. — Der Schmelzpunkt des Quarzes liegt bei etwa
2000", also höher wie die Schmelzpunkte der meisten Edelmetalle.
Sein thermischer Ausdehnungskoeffizient ist sehr klein und ändert
sich wenig mit der Temperatur. (Es geht dies schon hervor aus der
Einige physikalische Eigenschaften des gegossenen Quarzes. 383
oben erwähnten Unempfindlichkeit gegen rasche Temperaturwechsel.)
Dieses Verhalten des Ausdehnungskoeffizienten Hesse erwarten, dass
^uch andere Eigenschaften keine grosse Abhängigkeit von der Tem-
peratur aufweisen.
Zweck der vorliegenden Arbeit ist, einige physikalische Eigen-
schaften, nämlich
1. die Dichte,
2. die magnetische Drehung der Polarisationsebene,
3. die spezifische Wärme
•dieses amorphen Quarzes genauer zu untersuchen. Es soll gezeigt
werden, inwiefern der amorphe Quarz vermöge dieser Eigenschaften
sich zu Messzwecken eignet.
Ferner sollen die genannten Eigenschaften des gegossenen Quarzes
verglichen werden mit denen des Bergkristalls. Es liegt hier einer
der nicht sehr häufigen Fälle vor, wo die Eigenschaften einer und
■derselben chemischen Verbindung in verschiedenen Modifikationen,
kristallinen und amorphen, leicht untersucht werden können. Eine
Vergleichung dürfte also für die Theorie der Kristallstruktur von
^Nutzen sein.
I. Dichte.
Material. Das zu dieser Untersuchung verwendete Quarzstück
hat Zylinderform, ist ca. 25 mm lang und 15 mm dick; seine Ober-
fläche ist vollständig glatt. Es zeigt im Innern nur einige ganz kleine
Luftblasen, deren Volumen ich insgesamt auf höchstens '/lo mm^ oder
also auf 0,03Voo des Gesamtvolumens schätze.
Versuchsanordnung. Die Messung wurde nach der Auftriebs-
methode ausgeführt.
Der Quarzzylinder wurde an einem möglichst dünnen Kokonfaden
in destilliertem Wasser aufgehängt, dann dieses gekocht, bis das
Kochen nur mehr stossweise geschah, hernach das ganze Gefäss im
Uezipienten einer Wasserstrahlpumpe bei abnehmendem Druck auf
Zimmertemperatur abgekühlt.
Die sämtlichen Wägungen wurden ausgeführt mit einer kleinen
Wage von Hermann, Mechan. Werkstätte, Zürich, die per 1 mg bei den
in Betracht kommenden Belastungen einen Ausschlag von ca. 4 Sk. T.
zeigt. Da die Sk. T. ca. 1 mm messen, können also Gewichtsdifferenzen
von 0,02 mg noch leicht abgeschätzt werden.
Der verwendete Gewichtssatz stammt aus der Fabrik von Hughers-
Tioff, Leipzig. Die grösseren Stücke bis abwärts zu 1 g sind aus Berg-
kristall geschliffen; die Stücke 0,5 g bis 0,005 g bestehen aus Pt, die
2 und 1 mg Stücke aus AI. Die Fehler sind in einer Aichtabelle der
384 Hans Stierlin.
phys. Reichsanstalt für die Quarzstücke auf 0,1 mg, für die kleineren
Gewichte auf 0,01 mg angegeben. Die nämliche Tabelle enthält die
Volumina der einzelnen Gewichtsstücke auf \/ioo cm^. Ausserdem
wurde noch ein 0,5 mg Stück aus einem andern Gewichtssatz ver-
wendet. Der Fehler dieses 0,5 mg Stückes liegt nach eigener Ver-
gleichung unter der Grenze des bei der angegebenen Empfindlichkeit
Bemerkbaren.
Die einzelnen Wägungsserien wurden nach folgendem Schema
ausgeführt :
1. Nullpunktsbestimmung,
2. Wägung, 1 Empfindlichkeits-
3. Wägung mit 0,5 mg Übergewicht j bestimmung,
4. Nullpunktsbestimmung,
5. Wägung, 1 Empfindlichkeits-
6. Wägung mit 0,5 mg Übergewicht j bestimmung,
7. Nullpunktsbestimmung.
Jede Ruhelagebestimmung ergab sich aus 7 aufeinanderfolgenden
ümkehrpunkten. Das Mittel zweier benachbarter Nullpunktsbestim-
mungen wurde als Gleichgewichtslage der unbelasteten Wage für die
zwischenliegende Wägung angenommen.
Die Wägungen in Wasser und in Luft wurden in je 2 solchen
Serien durchgeführt. Zur Reduktion auf den luftleeren Raum wurden
Luftdruck und Temperatur im Wagekasten vor und nach jeder gan-
zen Serie abgelesen und die hieraus sich ergebenden Mittel in Rech-
nung gebracht.
Die Messresultate sind die folgenden:
I. Wägung in
Wasser:
1. Serie.
2. Serie.
Aufgelegte Gewichte
4829,0 mg
4829,0 mg-
Korrektur auf Nullage
-0,19 „
- 0,06 „
Korrektur der benutzten Gewichtsstü«
ßke
+ 1,11 .
+ 1,11 .
Gewicht in Wasser
4829,92 mg
4830,05 mg
Barometerstand
730 mm
725 mm
Temperatur
16,8»
16,8»
Dichte der Luft^)
0,001173
0,001165
Volumen der Gewichtsstücke
1,55 cm^
1,55 cm^
Korrektur auf den luftleeren Raum
— 1,82 mg
— 1,81 mg
Gewicht in Wasser (korr.)
4828,10 mg
4828,24 mg
1) Nach Tabelle 6, Kohlrausch, Praktische Physik 9. Aufl.
Einige physikalische Eigenschaften des gegossenen Quarzes. 385
II. Wägung in Luft.
Aufgelegte Gewichte
Korrektur auf Nullage
Korrektur der benützten Gewichtsstücke
Gewicht in Luft
Barometerstand
Temperatur
Dichte der Luft
Volumen des Quarzes
Volumen der Gewichtsstücke -=r-
Korrektur auf den luftleeren Raum
1. Serie.
2. Serie.
8826,0 mg
8826,0 mg
-0,16 „
-0,19 „
4-2,31 „
+ 2,31 „
8828,15 mg
8828,12 mg
725 mm
718 mm
16,7»
17,5°
0,001162
0,001145
Vg = 4,00 cm^
F^=3,06 „
Vf. = 0,94 cm^
+ 1,09 mg
+ 1,08 mg
8829,24 mg
8829,20 mg
= 4001,14 mg
4000,96 mg
Masse des Quarzstückes
Daraus ergibt sich für die Masse des
verdrängten Wassers: A
Spez. Volumen des Wassers bei 16,8°^)
V = 1,001165
also Volumen des Quarzstückes 4005,80 mm^ 4005,62 mm*
Hieraus ergibt sich die Dichte des
amorphen Quarzes zu d = 2,2041 2,2042
und im Mittel d , = 2,2042 bei 16,8^
aniorp// '
In der Literatur sind für die Dichte des amorphen Quarzes fol-
gende Angaben vorhanden:
Deville-) 1855 d = 2,21—2,23 geschmolzener Quarz,
H. Rose-) 1859 c^ = 2,190— 2,218 amorphe Kieselsäure aus Sili-
katen und Fluorkiesel.
Eine neuere Dichtebestimmung, die von Herrn P. Chappuis in
Basel an einer in der optischen Werkstätte von Zeiss, Jena, herge-
stellten, vollständig blasenfreien Quarzlinse vorgenommen wurde,
lieferte den Wert:
d = 2,2016 bei 0«. »)
Dieser Wert ist um den relativ grossen Betrag von 1,2'' oo kleiner wie
der von mir gefundene. Eine Differenz von dieser Grössenordnung
schien zum vornherein unwahrscheinlich und machte eine Nachprüfung
') Nach Landolt-Börnstein Tabellen (1905) 14.
2) Landolt-Börnstein, Tabellen 1905.
^) P. Chappuis, Eigenschaften von geschmolzenem Quarz. Verhandlungen der
naturforschenden Gesellschaft Basel 16 (1903). pag. 172—183.
386 Hans Stierlin,
des von mir gefundenen Wertes nötig. Herr Merkens, der im Physik-
Laboratorium der Universität Zürich diese zweite Messung der Dichte
des untersuchten Quarzstückes vornahm, erhielt genau denselben Wert
wie ich.
Nachträglich bestimmte ich die Dichten der beiden bei den op-
tischen Untersuchungen (s. u. pag. 12) benutzten Quarzzylinder.
Ihre Massen sind:
m^ = 20,3985 g
ma = 27,8307 „
ihre Volumina:
= 9,2633 cm^
= 12,6337 „
bei 22,0^
Zylinder I enthält einige grössere und mehrere kleine Blasen;
ich schätzte ihr Gesamtvolumen 'auf 3 mm^; Zylinder II dagegen nur
wenige ganz kleine, deren Volumen zusammen höchstens 0,3 mm^ aus-
macht. Werden die Volumina ?;, resp. v.^ um diese Beträge korrigiert,
so ergeben sich die Dichten dieser beiden Quarzstücke zu
d, = 2,2028
ck = 2,2029.
Diese beiden Werte sind um ca. 0,67oo kleiner wie der früher ge-
fundene d = 2,2042 und um ca. 0,67oo grösser wie der von Chappuis
bestimmte Wert d = 2,2016.
Im Anschluss hieran sei darauf hingewiesen, dass auch für den
Ausdehnungskoeffizienten des geschmolzenen Quarzes verschiedene
Werte gefunden wurden. Für die lineare Ausdehnung dieses Körpers
liegen die Ausdrücke vor:
1. Chappuis^):
l^ = Z^ (1 + 0,384741 • 10~' • ^ + 0,1150 • 10" V)
2. Phys. techn. Reichsanstalt-):
l^ = Z^ (1 + 0,322 . 10"' • i+ 0,147 • 10~ V).
Hieraus ergeben sich z. B.
1. nach Chappuis, 2. nach phys. techn. Reichsanstalt
l^^ = ^^ . 1,00002212 ^^. 1,00001978
/, 00 = i- 1,00004997 l^ ■ 1,0000469
^200 = K • 1,00012295 l • 1,0001232.
^) P. Chappuis 1. c.
2) Wissenschaftliche Abhandlungen der phys. techn. Reichsanstalt Heft 1. 1904.-
pag. 35—60.
Einige physikalische Eigenschaften des gegossenen Quarzes. 387
Daraus erhält man für den mittleren Ausdehnungskoeffizienten :
1. n. Chappuis 2. n. Reichsanstalt Untersch. (1 — 2)
zwischen 0 u. 50«: 0,4^2 • 10~^ 0,396 • 10"*^ -f- 10,4Vo
Ou. 100«: 0,500-10"^ 0,469 • 10~^ -h 6,27o
Ou.200*': 0,615-10"'' 0,618-10"^ — 0,5Vo.
Man steht also vor der Tatsache, dass verschiedene Stücke ein
und desselben chemisch reinen Körpers physikalische Konstanten be-
sitzen, die erheblich voneinander abweichen. Worin dies seinen Grund
hat, werden weitere Untersuchungen zeigen müssen.
Für die Dichte des kristallisierten Quarzes wird angegeben:^)
d = 2,650 Forster d = 2,653 Schaffgotsch
2,651 Rose 2,654 Bendant
2,653 Scheerer 2,656 Deville.
Um den Unterschied zwischen den Dichten beider Modifikationen
möglichst genau feststellen zu können, führte ich parallel mit
der obigen Messung und unter Befolgung genau desselben Schemas
eine Bestimmung der Dichte von kristallisiertem Quarz durch. Ich
benützte hiezu ein Stück eines vollständig wasserklaren Bergkristalls
von ca. 10 g.
Es ergab sich:
1. Serie. 2. Serie.
Gewicht in Wasser von 16,8« auf luftleeren
Raum reduziert 6,26493 g 6,26500 g
Masse 10,05582 „ 10,05582 „
Auftrieb in Wasser von 16,8« 3,79089 g 3,79082 g
Volumen 3,79530 cm^' 3,79523 cm^
Dichte: 2,6495 2,6496
oder Mittelwert ^rÄ^,.^•sf.J = 2,6496 bei 16,8«.
Aus den gefundenen Werten ergibt sich, dass bei 16,8« die Dichte
des amorphen (gegossenen) Quarzes 83,19 «/o derjenigen des Berg-
kristalls ausmacht.
Der amorphe Quarz würde sich sehr gut eignen als Senkkörper
bei der Untersuchung der spezifischen Gewichte von Flüssigkeiten,
speziell also auch zur Messung der kubischen Ausdehnungskoeffizienten
von Flüssigkeiten. — Vorzüge des amorphen Quarzes in dieser Hin-
sicht sind:
') Landolt-Börnstein, Tabellen 1905.
388 Hans Stierlin.
1. seine grosse chemische Beständigkeit (keine Volum-
änderung wegen Auflösung an der Oberfläche, leicht zu
reinigen);
2. seine physikalische Beständigkeit:
1. grosse Härte, 2. ziemliche Unempfindlichkeit gegen Stoss,
3. ist verwendbar bis gegen 2000", 4. erträgt plötzliche
Temperaturänderungen, 5. besitzt sehr kleinen Ausdehnungs-
koeffizienten.
IL Magnetische Drehnng der Polarisationsebene.
Mit der Tangentenbussole absolute Stromstärkemessungen aus-
zuführen ist heutzutage wegen der lästigen Störungen durch nahe
Starkstromleitungen in den meisten Laboratorien ein Ding der Un-
möglichkeit. Galvanometeraichungen mit Hilfe des Silbervoltameters
sind, wenn sie genügend genaue Resultate liefern sollen, ziemlich um-
ständlich und zeitraubend. Es ist deshalb schon wiederholt der Vor-
schlag gemacht worden, die von Faraday entdeckte elektromagnetische
Drehung der Polarisationsebene in durchsichtigen Medien zu Strom-
stärkemessungen zu verwenden. Kopp ^) untersuchte die Verwend-
barkeit von Schwefelkohlenstoff, dessen spezifische Drehung gross ist,
aber ungünstigerweise ziemlich starke Abhängigkeit von der Tem-
peratur zeigt. Joubert, Mascart, Quinke untersuchten verschiedene
Gläser, auch Zinkblende und Eisensalzlösungen, u. a. ; Junghans-) und
Pollak^) eine Serie von schweren Silikat- Flint-Gläsern und Barium-
Silikat -Gläsern von Schott & Gen. Jena. Die Drehung in diesen
Gläsern ist noch grösser (bis auf das 2,33 fache) wie diejenige von
CS., und ist wenig abhängig von der Temperatur. Dagegen sind eben
Gläser Mischungen, die praktisch unmöglich immer von genau gleicher
Zusammensetzung, also von zuverlässig gleichen Eigenschaften sind.
Diesen Übelstand weist der Quarz als Verbindung nicht auf; es scheint
deshalb dieses Material für den angeführten Zweck sehr geeignet zu
sein. Und zwar käme in erster Linie in Betracht der Bergkristall. —
Man könnte daran denken, einen Quarzzylinder parallel der op-
tischen Achse zu verwenden; die magnetische Drehung homogenen
Lichtes würde sich dann einfach zur natürlichen addieren und könnte
aus der Differenz zweier Ablesungen am Teilkreis des Polarisations-
apparates ermittelt werden. Um eine magnetische Drehung von nur
einigen Graden zu erhalten, müssten Quarzschichten von mehreren
') R. Kojjp, IX. Jahresber. der phys. Ges. Zürich.
^) Junghans, Inaug. Diss., Zürich 190:2.
ä) Pollak, Inaug. Diss., Zürich 1903.
Einige physikalische Eigenschaften des gegossenen Quarzes. 389
cm Länge verwendet werden. Bei einer Schichtlänge von 5 cm z.B. wäre
aber die natürliche Drehung für eine Na Welle ') ca. 50 • 21,7" = 1085°.
Da sich diese Drehung pro 1" Temperaturänderung um ca. 0,157oo, also
um 0,16" ändert, so ist leicht ersichtlich, dass genaue Messungen der
magnetischen Drehung unmöglich wären. BoreP) hat die natürliche
Drehung durch Hintereinanderschalten von 2 entgegengesetzt drehen-
den Quarzzylindern möglichst gleicher Länge kompensiert und ist so
zu genauen Resultaten gekommen.
Der von mir untersuchte gegossene Quarz zeigt als homogener
Körper keine natürliche Drehung, und kann daher in einfachster
Weise verwendet werden.
Versuchsanordnung. Die mir zur Verfügung stehenden Apparate
waren dieselben, die von Pollak^) verwendet wurden. Ich operierte
mit Na Licht und wählte als vorteilhaftesten Schattenwinkel des als
Halbschattenapparat gebrauchten Wildschen Polaristrobometers bei
allen Messungen den Winkel — 7". Die felderzeugende eisenfreie
Spule wurde mit Strom beschickt, der von einer SOzelligen Akku-
mulatorenbatterie geliefert wurde. Zur Messung der Stromstärke
diente ein mit der Spule in Serie geschaltetes Siemensches Milli-
Amperemeter mit passendem Shunt.
Material. Ich verwendete zu diesen Untersuchungen zwei Quarz-
zylinder I und II von ca. 50, resp. 72 mm Länge und etwa 13 mm
Durchmesser, deren Grundflächen in der optischen Werkstätte von
Zulauf & Cie., Zürich, planparallel geschliffen wurden. Auch diese
Zylinder wiesen vereinzelte kleine Luftbläschen auf; störender als
diese machte sich eine in Vorversuchen konstatierte, offenbar von
unvorsichtiger Kühlung herrührende Doppelbrechung der Quarzstücke
bemerkbar. Durch längeres Erhitzen der Zylinder auf über 800° in
einem elektrischen Ofen und nachheriges langsames Abkühlen gelang
es, die vorhandenen Spannungen zum grössten Teil wegzubringen:
Zwischen gekreuzte Nicols gebracht und bei homogenem Licht unter-
sucht, lieferten die Zylinder annähernd gleichmässig dunkles Ge-
sichtsfeld, während dasselbe vor der beschriebenen Behandlung fleckig
aufgehellt war.
') Praktisch könnte das sonst so bequeme Na Licht wegen seiner Inhomogenität
bei solchen Schichtlängen gar nicht verwendet werden.
^) A. Borel, Sur la polarisation rotatoire magnetique du Quartz, Dissertation.
Geneve 1903.
*) Vergl. S. Pollak, Magnetische Rotation der Polarisationsebene, Inaug. Diss.
Zürich 1903.
390 Hans Stierlin.
Versuche.
Meine Untersuchungen erstreckten sich auf folgende drei Punkte:
1. Abhängigkeit der Drehung von der Feldstärke;
2. Bestimmung der Verdetschen Konstanten;
3. Änderung der Verdetschen Konstanten mit der Temperatur.
1. Nach Faraday und Verdet ist die elektromagnetische Drehung
der Polarisationsebene direkt proportional der Feldstärke. Um die Gül-
tigkeit dieses Gesetzes für den amorphen Quarz nachzuweisen, mass ich
die Drehung im (damals zur Verfügung stehenden) Zylinder No. I bei
4 verschiedenen Feldstärken (Maximum i?=ca. 800 cm^'/^ gr.V-' sec.-^).
Da bei der Felderzeugung durch eine Spule die Feldstärke proportional
der Stromstärke ist, seien die abgelesenen Drehungen als Funktionen
der Stromstärke angegeben.
Es bedeute 2 a die Differenz der Ablesungen am Analysatorteil-
kreis nach Einstellungen bei positiver und negativer Richtung des
Stromes i Ampere in der Spule; 1= 5,0182 cm die Länge des Quarz-
zylinders. Dann ergaben sich als Mittel von je 10 Doppelablesungen:
2 a i Amp. —^
i. l.
0.497
2.10
0.1184
0.02359
1.186
4.85
0.1223
0.02437
1.455
5.99
0.1214
0.02420
1.875
7.70
0.1218
0.02426
Fig. 1 zeigt, dass die Kurve, welche die Drehung als Funktion
der Stromstärke darstellt, fast genau eine Gerade wird. Bei
der Stromstärke 2.10 Amp. weicht der für —^ gefundene Wert von
dem Mittel der drei letzten Werte um ca. 2,87» ab. Da bei dieser
kleinen Stromstärke die doppelte Drehung weniger wie 0,5*^ beträgt,
und weil, wie aus der weiter unten in extenso angeführten Beob-
achtungsreihe ersichtlich ist, die einzelnen Ablesungen trotz grösst-
möglicher Anstrengung des Auges bei den Einstellungen noch maxi-
male Unterschiede von mehreren Hundertstelgraden aufwiesen, so ist
die Abweichung des Wertes ^ vom Mittelwert um 2,8 ''/o leicht er-
klärlich.
Es darf also angenommen werden, dass die magnetische Drehung
der Polarisationsebene in Quarz im Untersuchungsgebiet der Feldstärke
proportional ist.
Einige physikalische Eigenschaften des gegossenen Quarzes.
391
2. Das elektromagnetische Drehvermögen eines Körpers ist defi-
niert durch seine Verdetsche Konstante, d. i. die Drehung pro Längen-
einheit beim magnetischen Potentialgefälle 1, Die Verdetsche Kon-
stante drückt sich demnach aus in der Form:
C =
$
Dabei bedeutet O^
das magnetische Poten-
tial in der Eintritts-
fläche u. O dasjenige
in der Austrittsfläche
der Lichtstrahlen. Für
nicht ferromagnetische
Medien wird demnach:
C =
Hl
wobei a in Minuten
H in Gauss
und l in cm anzu-
geben sind.
Pollak ^) leitet nach
dem Beispiel von Köp-
seP) für die benützte felderzeugende Spule folgende Formel ab:
-vr J^ Fl 1 '-^'^ + ^' '^*" + ^" "1
O^ — Q_ = H ' l = 4:71 i
Darin ist
i = die Stromstärke in COS
N= 3911 Windungszahl der Spule
b = 24,35 cm halbe Spulenlänge
a = 0,93 cm Radius der innersten Windungslage
a"= 5,15 cm Radius der äussersten Windungslage
p = 3,598 cm halbe Länge der drehenden Schicht
(Quarzzylinder No. II).
Daraus bekommen wir für C:
C =
a • b
Ani
^■p[l-j 623^2 J
») Pollak 1. c.
«) Köpsel, Annalen d. Physik und Chemie, Bd. ^26. 188.5.
392 Hans Stierlin.
Zur Bestimmung dieser Konstanten wurden bei einer Stromstärke
von ca. 7 Amp. 3 Versuchsreihen mit Quarzzylinder 11 ausgeführt,
deren eine ausführlich beschrieben sei:
Es wurde hierbei nach jeder Einstellung die Stromstärke am
Amperemeter abgelesen, dann der Strom unterbrochen, damit keine
merkliche Erwärmung der Spule eintrat, hernach der Teilkreis Nonius
abgelesen und darauf das Ganze bei umgekehrter Stromrichtung
wiederholt.
Die Einstellungen geschahen in einem sorgfältig verdunkelten
Raum ; für die Ablesungen wurde nur kurze Zeit eine eben genügende
Oasflamme hochgedreht, so dass das Auge für geringe Lichtunter-
schiede möglichst empfindlich blieb.
Die Ablesungen waren die folgenden:
Temperatur 25*.
0,691
184,49<>
0,702
182,09«
0,690
49
0,695
08
0,687
52
0,695
10
0,687
53
0,693
09
0,685
50
0,690
06
0,695
51
0,700
08
0,692
50
0,696
12
0,690
52
0,696
10
0,690
51
0,696
09
0,688
52
0,693
14
0,6895
184,509
0,6956
182,095
Mittel;
Daraus ergibt sich :
2 a = 2,414« = 144,84'
2 i = 1,3851 gr.V« cm'/-° sec -i
und demnach durch Einsetzen der Werte in obigen Ausdruck für C:
A
C, = 0,01453' — 0,00006
analog aus zwei weiteren C^ == 0,01468' + 0,00009
Beobachtungsreihen C3 = 0,01456' — 0,00003
Mittel: Cgao^ 0,01459' + 0,00005 oder 0,34 7o
cm— V2 gr.-'h sec. (mittlerer Fehler).
3. Eine Vorrichtung, um die magnetische Drehung bei genau
messbarer höherer Temperatur zu untersuchen, stand mir nicht zur
Einige pliysiicalische Eigenschaften des gegossenen Quarzes. 393
Verfügung. Doch gelang es, durch Stromüberlastung der Spule
zwischen den einzelnen Ablesungen die Temperatur während längerer
Zeit bei ca. 100'' innerhalb 5** konstant zu erhalten. Als Mittel aus
20 Doppelablesungen wurde erhalten:
2 1 = 1,1813 COS.
2« = 1,447« = 86,82'
p = 2,509 cm (Zylinder I).
Temperatur, aus 5 über die ganze Serie gleichmässig verteilten
Ablesungen an einem geaichten Quecksilberthermometer, das jeweilen
an das Quarzstück herangeschoben wurde, im Mittel 102". Hieraus
berechnete sich C (102'^) zu
CiQ.o = 0,01465' cm-V2 gr -V2 sec.
Vergleicht man diesen Wert mit dem bei 25'' gefundenen, so
ergibt sich, dass das magnetische Drehvermögen von 25" bis 102"
mit der Temperatur wächst, und zwar beträgt die Zunahme pro 77"
0,00006' oder 0,41 "/o, folglich für 100" extrapoliert ca. 0,5 "/o.
Diese Änderung der Verdetschen Konstanten mit der Temperatur
ist aber so klein, dass das erhaltene Resultat nur als qualitativ richtig
angenommen werden darf.
Vergleichung mit andern Messungen.
Die magnetische Drehung in kristallisiertem Quarz ist, wie schon
erwähnt, von Borel ^) des genaueren untersucht worden.
Borel findet für die Verdetsche Konstante des Bergkristalls bei
Na Licht:
Q^o^ = 0,016843'
Cggo = 0,017008'.
Es zeigt sich also, dass das Drehvermögen des amorphen Quarzes,
entsprechend der Dichte, kleiner ist wie das des kristallisierten, und
zwar beträgt
C ; ca. 86,2 "/o von a . ,
amorph. ' ' krtst.
oder das Verhältnis beider Drehvermögen ist:
^amorph. ^ ^^o entsprechend Dichten Verhältnis:
^' kr ist ' =0.832.
Borel findet auch für den kristallisierten Quarz eine Zunahme des
Drehvermögens mit der Temperatur. — Beide Modifikationen unter-
scheiden sich hierdurch prinzipiell von den meisten übrigen Körpern:
•) Borel 1. c.
Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. 26
394 Hans Slierlin.
Gläser, Zinnchlorid, Wasser, hauptsächlich aber Schwefelkohlenstoff
weisen bei höherer Temperatur entsprechend der geringeren Dichte
ein kleineres Drehvermögen auf wie bei tiefer Temperatur.
Zur Stromstärkemessung mittelst Beobachtung der magnetischen
Drehung der Pol. Ebene eignet sich der amorphe Quarz wegen seiner
konstanten Zusammensetzung besser wie Gläser; als fester Körper ist
er für diesen Zweck geeigneter wie Schwefelkohlenstoff, dessen
Schlierenbildung störend ist. Er hat aber ein kleineres Dreh-
vermögen *), müsste also in längeren Schichten angewandt werden,
um dieselbe Empfindlichkeit der Strommessung zu gestatten. Vor-
sichtige Behandlung beim Giessen dürfte seine ihm etwa anhaftende
störende Inhomogenität verunmöglichen.
III. Spezifische Wärme.
Einleitung.
Wird einem Körper Wärme zugeführt, so ruft dieselbe im Kör-
per drei verschiedene Wirkungen hervor:
1. Die kinetische Energie der Massenteilchen wird vergrössert
(Temperaturerhöhung).
2. Die potentielle Energie, welche den Massenteilchen vermöge
der Anwesenheit benachbarter Teilchen zukommt, wird verändert
(innere Arbeit).
3. Es wird äussere Arbeit geleistet.
Der Betrag von zugeführter Energie, der in äussere Arbeit ver-
wandelt wird, ist bei festen Körpern sehr klein, darf also vernach-
lässigt werden.
Nach Clausius ist die kinetische Energie eines kleinsten Massen-
teilchens direkt proportional der absoluten Temperatur des Körpers.
Wird die Temperatur der Masseneinheit eines Körpers um 1** erhöht,
so wird hierzu (abgesehen von innerer Arbeit) immer die gleiche
Energiemenge verbraucht, wie auch die Anfangstemperatur des Kör-
pers sei.^) Wenn daher die spezifische Wärme eines festen Körpers
nicht eine Constante ist, so muss der Grund dafür darin liegen, dass
') Bezeichnet man das Dreh vermögen des amorphen Quarzes mit 1, so beträgt
dasjenige
des schwersten von Junghans (1. c.) untersuchten Glases 6,71
von CS2 (Köpsel, W. A. 26 1885 pag. 456) ^2,88
von H2O (Arons, W. A. 24 1885 pag. 161) 0,89.
^) Damit dieser Schluss gültig ist, müssen wir die Annahme machen, dass sich
die Zahl der kleinsten Teilchen in der Masseneinheit des betrachteten Körpers mit
der Temperatur nicht ändert. (Dissoziation ausgeschlossen.)
Einige physikalische Eigenschaften des gegossenen Quarzes. 395
•der Betrag an zugeführter Energie, der parallel der Temperatur-
erhöhung um 1" in innere Arbeit verwandelt wird, bei verschiedener
Temperatur verschiedenen Wert hat.
Die innere Arbeit besteht in der Überwindung der zwischen den
einzelnen Massenteilchen wirkenden Kräfte längs eines bestimmten
Weges, nämlich längs der Vergrösserung der mittleren Abstände von
Massenteilchen zu Massenteilchen. Das Wachsen dieser Abstände geht
aber parallel der Yolumzunahme des ganzen Körpers. Demnach
müsste der Betrag der in innere Arbeit verwandelten Wärme mit dem
Ausdehnungskoeffizienten eines Körpers wachsen, und Körper mit
grossem Ausdehnungskoeffizienten müssten eine grosse Wärmemenge
zu innerer Arbeitsleistung beanspruchen. Umgekehrt: ist der Aus-
dehnungskoeffizient eines Körpers klein und ändert er sich wenig mit
der Temperatur, so wird die pro 1" Temperaturänderung geleistete
Arbeit klein ausfallen und sich auch wenig ändern.
Der amorphe, durch Schmelzen von Bergkristall erhaltene Quarz
besitzt einen sehr kleinen Ausdehnungskoeffizienten (vgl. pa»-. 390). ^s
Hesse sich also erwarten, dass seine spezifische Wärme anormal klein
ist (z. B. kleiner als die des kristallisierten Quarzes, dessen Aus-
dehnungskoeffizient grösser ist *), und dass sie nahezu unabhängig ist
von der Temperatur.
Dies zu untersuchen war neben den eingangs erwähnten Punkten
^weck des folgenden.
Versuchsmethode.
Alle Versuche wurden ausgeführt nach der Mischungsmethode.
Als Calorimeterflüssigkeit diente destilliertes Wasser. Die Temperatur-
messungen im Calorimeter wurden mit Thermoelementen ausgeführt,
im Heiz-, resp. Kühlgefäss teils auch mit Thermoelement, teils mit
Quecksilber-, resp. Toluol-Thermometern.
Versuchsmaterial.
Ca. 5 mm weite Quarzröhren, von Heraus in Hanau geliefert,
wurden in 30 mm lange Stücke geschnitten. Solcher Röhrchen, deren
Masse je etwa 1 g betrug, wurden je nach Anfangstemperatur und
Wasserwert des Calorimeters eine günstige Anzahl (Max. 7) mit feinem
Pt-Draht in ein Bündel zusammengebunden. Diese Form der Calori-
*) Lin. Ausdehnung des Beigkristalls;
parallel derHauptaxe: lt = lo{i -f 7,U4 • 10 ~® • ^ + 0,815 • 10~^ • f^)
senkrecht zurHauptaxe: Ausdehnungskoeffizient grösser.
Wissenschaftliche Abhandlungen der phys. -techn. Reichsanstalt. Heft 1. 1904.
pag. 35 — 60.
396 Hans Stierlin.
metrischen Substanz ist äusserst günstig: 1. wird die Gefahr de»
Zerspringens bei rascher Abkühlung (wie es z. B. beim Abschrecken
von Bergkristall eintritt) durch die geringe Dickendimension bedeutend
vermindert: 2. geht der Wärmeaustausch infolge der relativ grossen
Oberfläche des Körpers sehr rasch vor sich, was die immer unsichere
Strahlungskorrektur auf ein Minimum beschränkt. Bei den Versuchen,
bei welchen das Quarzbündel aus dem Ofen direkt ins Calorimeter-
wasser fiel, betrug die Zeit zwischen Einwurf und Erreichung der
höchsten Temperatur nur 30 Sek., die Strahlungskorrektur nie über
4Voo der Gesamtwärme.
Ein Zerspringen der Quarzröhrchen trat auch bei den rasantesten
Temperatursprüngen, welche dieselben durchzumachen hatten, nie ein..
Calorimeter.
So lange die Anfangstemperatur unterhalb 600" blieb, wurde das^
Quarzbündel immer direkt ins Calorimeterwasser eingeworfen. Das
zu diesen Versuchen verwendete Calorimeter besteht aus dünnem
Kupferblech, besitzt einen Inhalt von ca. 30 cm^, ist mit einem hinter
dem eingeführten Quarzbündel sich automatisch schliessenden Deckel,
einem an der Wand befestigten feinen C«-Röhrchen zur Aufnahme
des Thermoelementes und einem ebenfalls aus Cu bestehenden Rührer
versehen. Der Wasserwert des Ganzen beträgt 0.452 Cal.
Das Rühren wurde auf folgende Art besorgt: Neben dem Calori-
meter^), auf dem gleichen Fussbrett montiert, steht eine C/-förmig
gebogene Röhre; der eine Schenkel ist mit einer kugelförmigen Er-
weiterung versehen und mündet oben in einen Schlauchansatz aus.
Der untere Teil der ?7-Röhre ist mit Quecksilber gefüllt. Im geraden
Schenkel schwimmt auf dem Quecksilber ein gläserner Hohlkörper,
der eine senkrechte, in Führungen leicht bewegliche Stange trägt.
Ein hölzerner Arm, oben an der Stange angebracht, besorgt schliess-
lich die Verbindung mit dem Rührer. Ein längerer Gummischlauch
führt vom Ansatzrohr zu einem Gummiball am Beobachtungsort.
Durch Druck auf diesen Ball wird pneumatisch das Hg in die Steig-
röhre hinübergedrängt, der Rührer dadurch um nahezu Calorimeter-
höhe gehoben, beim Loslassen des Balls wieder gesenkt. Diese Ein-
richtung wurde bei allen Versuchen angewendet und erwies sich
dadurch als praktisch, dass ein regelmässiges, ununterbrochenes
Rühren vom entfernten Standpunkt des Beobachters aus möglich war.
Als die Anfangstemperatur über 600** gewählt wurde, machte sich
beim Einwurf des Körpers ins Calorimeterwasser ein deutliches-
') Siehe Fig. i2.
Einige physikalische Eigenschaften des gegossenen Quarzes. 397
Zischen bemerkbar, was bei tieferen Anfangstemperaturen nicht beob-
jachtet werden konnte. Wägungen des Calorimeters vor und nach
dem Versuch ergaben eine Differenz, die beträchtlich (bis 15 mgr.)
grösser war wie die Masse des sonst während der gleichen Zeit und
bei gleichen Umständen von der Oberfläche aus verdunsteten Wassers.
Es wurde also bei diesen hohen Anfangstemperaturen des Körpers
beim Einwerfen desselben ins Calorimeter Wasser verdampft. Ich
schreibe diesen Umstand, der von früheren Beobachtern auch bei noch
höheren Anfangstemperaturen ausdrücklich nicht konstatiert werden
konnte, der eigentümlichen Form meines Untersuchungskörpers, seiner
grossen Oberfläche zu.
Zur Vermeidung dieser Fehlerquelle wurden alle Versuche von
600° aufwärts so ausgeführt, dass der erhitzte Körper nicht direkt
ins Wasser fiel, sondern erst nachdem er sich unter 100'^ abgekühlt
hatte, mit dem Calorimeterwasser in Berührung gebracht wurde. Das
diesem Zwecke dienende Doppelcalorimeter ist in Fig. 2 veranschaulicht.
Das innere, aus Silber bestehende Calorimeter C, ist leer und
schwimmt, durch Führungen orientiert, in der Mitte des mit Wasser
fast ganz gefüllten äusseren 0.2- Ein aus der Figur ersichtlicher
Fadenzug hält Cj in solcher Höhe fest, dass sein oberer Rand wenig
unter dem oberen Rand von C^ liegt. Der Rührer des äusseren Calori-
meters ist mit der oben beschriebenen Rührvorrichtung verbunden.
Die Versuche mit diesem Calorimeter nahmen folgenden Verlauf:
Nachdem das Rührwerk in regelmässigen Gang gebracht und die
'Temperatur des Calorimeters bestimmt war, wurde das erhitzte Quarz-
bündel in das sorgfältig getrocknete innere Calorimeter fallen gelassen.
Unmittelbar nachher wurde die Arretierung des mit einer Schliess-
feder versehenen, blank versilberten Deckels (2. Fig.) gelöst und also
das äussere Calorimeter verschlossen. Der Wärmeaustausch ging
nun zunächst hauptsächlich durch Strahlung vor sich. War die
Temperatur des Quarzes etwas unter 100° gesunken, was aus dem
Verhältnis der schon eingetretenen Temperaturerhöhung des Calori-
meters zu der im voraus ungefähr ausgerechneten gesamten Tempera-
turerhöhung leicht erkannt werden konnte, so wurde durch Zug am
Faden das innere Calorimeter ganz auf den Boden des äusseren
heruntergebracht. Dabei füllte sich C, zu etwa 'h mit Wasser,
und sein Rührer, dessen Stiel mit einer Öse den Stiel des äusseren
Rührers lose umfasst, wurde von diesem Moment an durch die Ver-
zückung A am Stiel des äusseren Rührers gehoben und gesenkt. Durch
Wärmeleitung geschah jetzt der endgültige Wärmeausgleich sehr rasch.
Die Zeitdauer zwischen der Ablesung der Anfangs- und der End-
temperatur des Calorimeters war natürlich ziemlich grösser wie bei
398
Hans Stierlin.
den früheren Versuchen. Sie stieg aber nie über 6 Min.; die Strah-
lungskorrektur betrug gewöhnlich etwa 57oo der Gesamtwärme; sie
stieg in einem einzigen Falle auf 11 7oo.
Nimmt man an, dass die Strahlungskorrektur auf 107o ihres
Wertes genau sich berechnen lässt, was mit Sicherheit möglich ist,.
Fig. 2.
Thermoeffifient'
-flnsoU z.fluFnafime
-JjolationshOHe
Querzdü»del
-Rührer des snnern C^i.
-Führer c/9s au&^ern C&/'
Gesamtgewicht des Doppelcalorimeters: 26,290 ^r.
Wasserwert „ „ 2,052 „
so ist ein Fehler, durch die Strahlung verursacht, immer kleiner als^
die angestrebte Genauigkeitsgrenze ca. 3 "Zoo der Gesamtwärme. Dass
auch der Fehler, der etwa durch Entweichen von erwärmter Luft aus-
dem inneren Calorimeter entstehen könnte, unter die Grenze der ge-
wünschten Genauigkeit der Messungen fällt, soll durch folgende Über-
legung erwiesen werden.
Die Zeit zwischen Einwurf des erhitzten Körpers und Verschliessen
des äusseren Calorimeters betrug höchstens eine Sekunde. Während
dieser Zeit konnte ein merklicher Verlust nicht eintreten. Nachher
aber konnte erhitzte Luft nur langsam unter den Rändern des zwar
leicht konstruierten, aber möglichst gut schliessenden Deckels ab-
fliessen, und war so gezwungen, längere Zeit mit den Wänden des
inneren Calorimeters in Berührung zu bleiben, und dort den Haupt-
teil der aufgenommenen Wärme wieder abzugeben. Jedenfalls aber
Einige physikalische Eigenschaften des gegossenen Quarzes. 399
war ein Einströmen von kalter Ersatzluft ausgeschlossen. Nehmen
wir an, dass bei einer Versuchsanfangstemperatur von 900 ** die Luft
im inneren Calorimeter in der Nähe des heissen Quarzstückes auf
900" erhitzt werde, dass sie in Q aufsteigend mit einer Temperatur
von 100°, was sicher zu hoch gegriffen ist, beim Deckel ankommt.
Die mittlere Temperatur im inneren Luftraum wäre also gestiegen
von 20° auf ca. 500°; das Volumen der Luft wäre dadurch auf
den 2V2fachen früheren Betrag ausgedehnt worden, und es müssten
also V^ der früher vorhandenen Luft abfliessen.
Nun beträgt der Inhalt des inneren Calorimeters ca. 35 cm^, ent-
hält also bei Zimmertemperatur 35 • 1,2 mgr. = 42 mgr. Luft. Davon
fliessen ab Vs oder 25 mgr., und zwar bei 100°. Hierdurch gehen
für die Beobachtung verloren: 25 • 0,25 • 80 = 500 mgr. Calorien.
Da die bei der Versuchstemperatur 900° ins Calorimeter ein-
geführte Wärmemenge (siehe unten) über 800 gr. Calorien betrug, fällt
der Fehler, der infolge Wärmetransportes durch abfliessende Luft ent-
steht, ebenfalls unter die Grenze der verlangten Genauigkeit.
Herr Brunner^), der im Physik -Laboratorium der Universität
Zürich die spezifischen Wärmen von Calcium und Magnesium unter-
suchte, hat unmittelbar nach meinen Messungen mit einem ähnlichen
Doppelcalorimeter gearbeitet. Eitie ganz analoge Berechnung ergibt,
dass auch bei seinen Versuchen der Fehler, entstehend durch Wärme-
verlust beim Entweichen von erhitzter Luft, kleiner wie l°/oo aus-
fällt, dass also der Einwurf der Rezension'), es könnte in einem
solchen Wärmeverlust eine erhebliche Fehlerquelle liegen, unbe-
gründet ist.
Kühl- und Heizapparate.
Als Anfangstemperaturen wählte ich für meine Versuche
ca. — 80°, + 100°, 200°, 300°, . . . 900°.
Die Temperatur — 80° wurde hergestellt mittelst eines Ge-
misches von fester Kohlensäure und Äther in einem Gefäss , wie es
Fig. 3 zeigt.
Bei diesen Versuchen ist hauptsächlich dafür Soi'ge zu tragen,
dass während der Abkühlung keine Spur von Wasser, resp. Eis sich
auf dem Quarz niederschlagen kann, weil sonst die ganze Schmelz-
wärme dieses Eises nachher dem Calorimeter entnommen wird, was
die spezifische Wärme des untersuchten Körpers zu gross ausfallen
*) R. Brunner, Die Abhängigkeit der spezifischen Wärme des festen Calciums
und Magnesiums von der Temperatur. Inaug. Diss., Zürich 19üö.
*) Annalen der Physik, h. 19U7, Beiblätter (Dr. H. Alt, München).
400
Hans Stierlin.
Totuol Thermometer
Hesse. Es sind dagegen folgende Vorsichtsmassregeln getroffen wor-
den: Das den Körper aufnehmende, in der Mitte des Kühlgefässes
stehende Glasrohr R ist oben und unten mit gut paraffinierten Kork-
pfropfen verschlossen. Der eiserne Draht Z), an welchem der Quarz
hängt, läuft durch ein feines Kapillarrohr, das wie auch das Toluol-
thermometer mit Paraffin im oberen Pfropf eingedichtet ist. Ein
Tropfen Quecksilber in einer
Erweiterung der Kapillare
macht den luftdichten Ab-
schluss oben vollständig. Den
unteren Pfropf durchdringt
auch eine Kapillare, die un-
mittelbar über dem Kork in
ein grösseres Gefäss erweitert
ist. Dieser Trichter ist mit
wasserfreiem Chlorkalcium an-
- Bevor das Kühl-
Fig. 3
Ca eil
gefüllt.
gefäss mit der CO^- Äther-
mischung beschickt wurde,
trocknete ich jeweilen sorg-
fältig die innere Röhre längere
Zeit mit Ca Cl.^. Die Luft, die
während der Abkühlung ins
Innere des Glasrohres durch die
untere Kapillare eindrang,
wurde in der Ca Cl^ Schicht
vollständig getrocknet.
Das Kühlgefäss war so hoch über dem Experimentiertisch auf-
gestellt, dass das Calorimeter unmittelbar unter die untere Mündung
des Glasrohres geschoben werden konnte. Der Quarz konnte also,
nach Entfernen des unteren Pfropfens, direkt ins Calorimeter fallen
gelassen werden.
Der Transport des auf konstante Temperatur abgekühlten Quarz-
bündels ins Calorimeter nahm daher so wenig Zeit in Anspruch, dass
weder eine Erwärmung, noch eine Kondensation von Wasserdampf
aus der durchlaufenen Schicht der Zimmeduft möglich war.
Die Ablösung des Quarzbündels vom Aufhängedraht geschieht
folgendermassen : Durch Zug an diesem Draht wird das Bündel etwas
gehoben, stösst gegen einen fest im Rohr sitzenden Drahtring und
kann dem Zug nicht weiter folgen. Dadurch wird das aus feinem
Ft Draht bestehende Aufhängehäkchen aufgebogen; der Körper wird
frei und fällt nach unten.
Einige physikalische Eigenschaften des gegossenen Quarzes.
401
Ein doppelwandiges Gefäss (siehe Figur 4), in welches aus
einem ca. 2 1 fassenden Siedegefäss Wasserdampf in kräftigem, kon-
tinuierlichem Strom eingeleitet wurde, diente zur Herstellung der
Anfangstemperatur bei 100^ Ein Schlangenkühler nimmt den Ab-
dampf auf; ein offenes Wassermanometer erlaubt die Druckmessung
im Heizgefäss.
Alle höheren Anfangstemperaturen wurden mittelst eines von
Heraus in Hanau gelieferten elektrischen Ofens erzielt. Der Heiz-
strom wurde einer 30 zelligen
Fig. 4.
Manometer
z. Condensationsgefäss
Akkumulatorenbatterie entnom-
men, die währenddessen nicht
anderweitig beansprucht war.
Das Anheizen geschah mit ziem-
lich hoher Stromstärke. Xäherte
sich die Temperatur in der Mitte
des Ofens dem gewünschten Wert,
so wurde nach und nach die
Stromstärke verkleinert, bis
schliesslich der stationäre Zu-
stand eintrat. Nachher genügt
eine kleine Regulierung des Yor-
schaltwiderstandes, um die Tem-
peratur innerhalb 2 bis 3 ° kon-
stant zu halten.
Dieser Ofen besteht aus einem
60 cm langen Porzellanrohr von
20 mm Lichtweite. Es ist auf einer Strecke von 45 cm mit einer
P^- Bandspirale umwickelt, die den Heizstrom führt. Nach aussen
isoliert thermisch eine 6 cm mächtige Asbestschicht. Das Ganze ist
auf einem Brett montiert, das um eine horizontale Axe umgekippt
werden kann und ist so hoch über dem Arbeitstisch aufgestellt, dass
die Mündung des Porzellanrohres bei schiefer Stellung des Ofens fast
die Calorimeteröflfnung berührt. Während des Heizens steht der Ofen
horizontal. Das Porzellanrohr ist auf beiden Seiten mit Asbestpfropfen
verschlossen; der Quarz liegt in der Mitte des Rohres, an die Löt-
stelle des zur Temperaturmessung dienenden Thermoelementes mit
feiner Pt Drahtöse angebunden. Das Fallenlassen des Körpers ins
Calorimeter geschieht bei Kipplage des Ofens nach Entfernung des
vorderen Asbestpfropfens durch eine Manipulation, wie sie bei den
Versuchen bei — 80" beschrieben wurde.
Die Temperaturverteilung in diesem Ofen wurde bei zwei ver-
schiedenen Mittentemperaturen aufgenommen. Fig. 5 zeigt das Resultat.
402
Hans Stierlin.
Wie aus der Figur ersichtlich ist, fällt die Temperatur von der
Mitte des Ofens gegen aussen rasch ab. Z. B. bei der Mitten-
temperatur 304*^ betrug der Temperaturfall auf einer Strecke von
10 cm 20". Da die Länge der Quarzröhrchen nur 3 cm betrug, und
weil das Bündel gut in der Mitte des Ofens unmittelbar neben der
Lötstelle des Thermoelementes lag, konnte wohl die Angabe des
Thermoelements höchstens einen Fehler von 1° aufweisen, also das
Resultat im schlimmsten Falle um 3%o unrichtig ausfallen.
Ofen- Mitte.
'77177 7 T,
Temperaturmessungen.
a) Temperaturen in den Kühl- und Heizapparaten.
Das Toluolthermometer, das im Kühlapparat angebracht war, ist
von Baudin, Paris, hergestellt und kalibriert. Es zeigte nach eigener
Prüfung bei 0*^ keinen merklichen Fehler.
100": Vor jedem Versuch wurde der Luftdruck mittelst Queck-
silberbarometer bestimmt; dazu wurde addiert der Überdruck im
äusseren Raum des Heizgefässes (Fig. 4), der als Mittel einiger Ab-
lesungen der Niveaudifferenz im Manometer durch Umrechnung auf
Millimeter Hg erhalten wurde. Die Temperatur des Dampfes bei
Einige physikalische Eigenschaften des gegossenen Quarzes. 40S
dem so bestimmten Druck wurde nach der Tabelle von Wiebe,
Braunschweig 1894, in Rechnung gebracht.^)
200": Hier wurde ein Richter Hg Thermometer, bis 360" zeigend,
verwendet. Das kurze Hg Gefäss desselben wurde ganz an das Quarz-
bündel herangebracht, um den Fehler wegen der schlechten Tempera-
turverteilung im elektrischen Ofen möglichst klein zu machen. Die
Ablesestelle fiel bei dieser Lage noch ins Innere des Ofens; es musste
also das Thermometer zur Ablesung etwas herausgezogen werden.
Damit während der möglichst rasch besorgten Ablesung das Hg Ge-
fäss sich nicht wesentlich abkühlen konnte, war es mit einer dicken
Asbestschicht umwickelt. Wegen des ziemlich raschen Abfalls der
Temperatur von der Mitte des Ofens gegen die Enden musste an
der Ablesung des Thermometers eine Fadenkorrektur angebracht
werden. Diese wurde nach einer speziell für diesen Zweck vor-
genommenen Bestimmung der Temperaturverteilung im Ofen ab-
schnittweise berechnet, die Summe der gefundenen Korrekturen zur
Ablesung addiert und die so verbesserte Ablesung nach dem Prüfungs-
schein der P. T. Reichsanstalt korrigiert.
Alle höheren Anfangstemperaturen wurden mit einem Thermo-
element aus Platin -Platinrhodium von Heraus, Hanau, gemessen.-)
Für dieses Thermoelement sind die elektromotorischen Kräfte ent-
sprechend den Temperaturen der Lötstellen 0" einerseits und 250"^
300" etc. bis 1300" andererseits durch Vergleichung mit den Angaben
des Luftthermometers bestimmt.^) Das eine Ende dieses Thermo-
elementes war so in den elektrischen Ofen eingeführt, dass die hart-
gelötete Verbindungsstelle beider Drähte an das Quarzbündel zu liegen
kam; zur Isolation der beiden Drähte voneinander war der eine bis
zur Lötstelle durch ein Tonpfeifenrohr gezogen. Das andere Ende
(Verbindung des Pt- und des Pt i^/?- Drahtes mit den kupfernen Zu-
leitungen) stak in einer unten geschlossenen Glasröhre, die durch
Einstellen in einen grossen, mit Schabeis gefüllten Trichter auf 0"
gehalten wurde. Das Thermoelement war in Serie geschaltet mit
einem Siemens'schen Drehspulengalvanometer von der Empfindlichkeit
ca. 1,8 -10^ , einem Neusilber-Vorschaltwiderstand und einem Aus-
schalter; der Gesamtwiderstand der Leitung betrug 1470 ü. Der
Widerstand des Thermoelements (ca. 1,6 ü) und also auch seine
Änderung konnten bei diesem grossen Gesaratwiderstande vernach-
lässigt werden. Zur Aichung des Galvanometers wurden dessen Zu-
leitungsdrähte an zwei Punkte eines sehr grossen (Min, 9000 -ß)
') Kohh-ausch, Praktische Physik, 9. Aufl., pag. 583.
2) Vgl. Adler, Spezifische Wärme des Chroms. Diss. Zürich 190^2. Pag. 3G-41-
»} Drudes Annalen II. 1900. pag. .520.
404
Hans Stierlin.
Widerstandes angelegt, durch den der von einem Clarkelement ge-
lieferte Strom floss.
Sollte z. B. die Aichung für die Temperatur 500" vorgenommen
werden, wobei laut Angabe der Reichsanstalt die EMK des Thermo-
elementes 4,145 Millivolt beträgt, so berechnete sich der einzuschaltende
Widerstand R nach der Formel :
War die elektromotorische Kraft E des Clarkelementes für die
momentan in demselben bestehende Temperatur E = 1,4272 und
wurden für W^ 30 .ß gewählt, so ergab sich für R der Widerstand
10780 ß. Je am Anfang
und Schluss einer bei der Galuanometerluj^
nämlichen Temperatur ^^ ^-^Thermoelement
ausgeführten Vei'suchs-
reihe wurde das Galvano-
meter für die beiden ein-
schliessenden Tempera-
turpunkte geaicht ; also
z. B. je für 500" und 550''
als die Versuche bei der
Anfangstemperatur etwas
über 500** vorgenommen
wurden.
Der vom Clarkelement gelieferte Strom blieb bei diesen Aichungen
nur möglichst kurze Zeit geschlossen, nämlich etwa 35 Sekunden, in
welcher Zeit das Galvanometergehänge zur Ruhe kam. Von Zeit zu
Zeit wurde die EMK des gebrauchten Elementes mit derjenigen
-eines andern, ruhenden, verglichen. Ein Spannungsabfall konnte bis
auf l%o genau nicht konstatiert werden.^)
Fig. 6.
Clarh-Element
b) Temperaturdifferenzen im Calorimeter.
Um den verschiedenen Schwierigkeiten und Fehlerquellen, welche
die Temperaturmessung im Calorimeter mittelst Quecksilberthermo-
metern mit sich bringt, aus dem Wege zu gehen, wurde auch hier ein
Thermoelement verwendet. Die Vorteile dieser Methode sind folgende:
sehr geringer Wasserwert der thermometrischen Vorrichtung, keine
') Auch bei der zitierten Arbeit des Herrn Brunner, der für seine Aichungen
das nämhche Clarkelement bei gleicher Schaltung und ähnlich grossen Vorschalt-
widei'ständen verwendete , dürfte eine hikonstanz der Vergleichsspannung ausge-
:Schlossen gewesen sein.
Einige physikalische Eigenschaften des gegossenen Quarzes. 405>
Fadenkorrektur, keine Unterbrechung des Rührens, bequeme Ablesung:
an einem vom Calorimeter genügend weit entfernten Standpunkt.
Das hier verwendete Thermoelement bestand aus 0,2 mm dicken,
ca. 2 m langen, doppelt mit Seide isolierten Konstanten und Eisen-
drähten, deren Enden zur Vermeidung des Röstens mit Zink verlötet
waren. Die eine Lötstelle wurde während der Versuche in ein dünnes,
an der Innenwand des Calorimeters befestigtes Cn-Röhrchen gesteckt;
die andere Lötstelle blieb dauernd inmitten eines thermisch gut ge-
schützten Wasserbades von ca. 15 1 Inhält, dessen Temperaturgang
mittelst eines Beckmannschen Thermometers verfolgt wurde, das
seinerseits nach dein bei den weiter unten beschriebenen Aichungen
verwendeten Baudin-Thermometer geaicht war. Der i^e-Draht war
in der Mitte entzwei geschnitten; die beiden Teile mündeten in zwei
dünnwandige, unten geschlossene, mit Hg gefüllte R-öhrchen, die neben-
einandergebunden in einem grösseren Quecksilbergefäss standen.
Von diesen beiden Röhrchen aus gingen dickere Kupferleitungen nach
einem zweiten, ohne Widerstand geschalteten Drehspulengalvanometer
der oben beschriebenen Art. Diese Anordnung verhinderte das Auf-
treten von Temperaturunterschieden zwischen den beiden Verbindungs-
stellen des Thermoelementes mit den C?*- Leitungen. Der Aus-
schlag, der in diesem Galvanometer entsteht, ist nun aber abhängig
nicht nur von der Temperaturdifferenz der beiden Lötstellen, der
Empfindlichkeit des Galvanometers und dem Gesamtwiderstand, son-
dern auch: 1. von der Änderung des Gesamtwiderstandes; 2. von der
absoluten Temperatur der einen Lötstelle; 3. von etwa an Kontakt-
punkten auftretenden fremden Thermospannungen. Es war wünsch-
bar, die Temperaturänderungen im Calorimeter auf V'ioo" sicher be-
stimmen zu können. Da dieser Temperaturdifferenz der beiden Löt-
stellen eine EMK von ca. 5.10 ~ ' Volt entspricht, ist leicht ersichtlich,
dass die oben erwähnten äusseren Einflüsse sich in erheblichem Masse
bemerkbar machen und also berücksichtigt werden müssen. Ein voll-
ständiges Ausschalten derselben schien mir unmöglich; ebenso die
Berechnung oder Schätzung eines Korrekturgliedes. Eine Aichung
mittelst bekannter elektromotorischer Kraft und Abzweigung, wie sie
beim Pt- Ft- ÄA-Thermoelement ausgeführt wurde, war daher hier
ausgeschlossen. Ich half mir schliesslich so, dass ich durch dicke
Isolationsschichten eine zeitlich rasche Änderung dieser äusseren,
hauptsächlich thermischen Einflüsse verhinderte. Zu diesem Zwecke
wurden alle Leitungsdrähte durch Kautschukschläuche gezogen, alle
Kontaktstellen und das ganze Galvanometer in viel Watte eingewickelt.
Unmittelbar vor und nach jedem Versuch wurde dann geaicht, indem
die sonst im Calorimeter befindliche Lötstelle in Wasserbäder ge-
406 Hans Stierlin.
bracht wurde von ungefähr Anfangstemperatur und ungefähr End-
temperatur, die beim Versuch im Calorimeter eintraten. Als Tem-
peratur dieser Wasserbäder wurde das korrigierte Mittel aus zehn
hintereinander an einem Baudin-Therniometer gemachten Ablesungen
eingesetzt. Abwechselnd mit diesen Temperaturablesungen wurden
zehn Ablesungen des Galvanometerausschlages vorgenommen und das
Mittel derselben als Mass der Temperaturdifferenz beider Lötstellen
verwendet. Schliesslich wurden je die zwei entsprechenden Aichungs-
punkte, wie sie vor und nach dem Hauptversuch gefunden wurden,
durch Mittelnahme zusammengefasst und aus ihnen und den während
des Versuches gemachten Galvanometerablesungen die Temperatur-
änderung im Calorimeter berechnet. Das eben erwähnte Baudin-
Thermometer umfasst den Temperaturbereich 0—30*^ und ist in ^jifP
eingeteilt. Diese Skalenteile messen noch ca. 1 mm; die Ablesungen
wurden mit einer Zeiss-Lupe gemacht; es konnten also mit Leichtig-
keit die Vioo" geschätzt werden. Das Thermometer zeigt laut bei-
gelegtem Aichungsschein bei 0*^ den Fehler — 0,04, seine Kalibrie-
rung ist bis auf hundertstel Grade richtig.
Wie man sieht, wurde die Temperaturmessung im Calorimeter
im Grunde genommen mit diesem Baudin-Thermometer ausgeführt.
Doch hat der Umweg via Thermoelement vor der direkten Anwendung
des ^<7- Thermometers u. a. den Vorteil einer wesentlich grösseren
Genauigkeit. Der Ausschlag pro 1 ^ betrug bei meinen Versuchs-
anordnungen ca 110 Skalenteile. Zur Aichung können Thermometer
beliebig grosser Empfindlichkeit verwendet werden; bei direkten
Messungen sind sehr empfindliche Thermometer wegen ihres grossen
Wasserwertes und eventuell auch wegen ihrer Form ausgeschlossen.
Ferner kann jede einzelne Ablesung des Thermometers während der
Aichung mit aller Ruhe und Genauigkeit gemacht, die Fadenkorrektur
kann ganz vermieden oder auf ein Minimum beschränkt werden; all
dies ist kaum möglich, wenn das Thermometer dem raschen Tem-
peraturgang im Versuchscalorimeter folgen soll.
Die Versuche und deren Berechnung.
Nach dem Gesagten ist zur Illustration des Verlaufes eines Ver-
suches nur noch folgendes anzuführen: der Quarz blieb vor jedem
Versuche mindestens 1 V2 Stunden im Heizapparat; als Anfangs-
temperatur wurde die Ablesung im Moment des Einwurfs in Rech-
nung gebracht. Die Temperaturbestimmungen im Calorimeter er-
folgten unter gleichmässigem Rühren von 10 zu 10 Sek.; sie begannen
10 solcher Zeiteinheiten vor dem Einwurf und schlössen 10 Zeit-
Einige physikalische Eigenschaften des gegossenen Quarzes. 407
einheiten nach derjenigen Ablesung (Endablesung des Versuchs), von
welcher an der Temperaturverlauf ein linearer wurde. Durch den
Rumfordschen Kunstgriff wurden die Strahlungskorrekturen klein ge-
halten (INIaximum 1 1 °/oo). Ihre Berechnung geschah im allgemeinen
nach der neuestens in Winkelnianns Handbuch der Physik, 2. Aufl.,
S. 157 angegebenen Methode, mit dem Unterschied, dass die Aussen-
temperatur nicht berechnet, sondern als Mittel zweier direkter Mes-
sungen mit dem Thermoelement an der Innenwand der Calorimeter-
hülle gefunden wurde. Die ganze Strahlungsberechnung wurde nicht
mit den Temperaturen des Calorimeters, sondern mit den Ablesungen
am Galvanometer durchgeführt, so dass die Temperaturkorrektur in
Skalenteilen erhalten wurde und zur Endablesung addiert werden
konnte. Erst dann geschah nach der zugehörigen Aichung die Um-
rechnung in Grade der Celsiusskala. Die Masse des Calorimeterwassers
bestimmte ich je am Schlüsse eines Versuches durch Wägung.
Für das folgende seien nachstehende Bezeichnungen eingeführt:
Q = Masse des Quarzes,
Pt = Masse des die Quarzröhrchen verbindenden P^-Drahtes,
W^^j= Wasserwert des leeren Calorimeters,
m = Masse des Calorimeterwassers,
T = Anfangstemperatur des Quarzes,
T = Endtemperatur des Quarzes und Calorimeters (korr.)
t = Anfangstemperatur des Calorimeters.
JT — T — T = Temperaturänderung des Quarzes,
^ t ^ T — t = Temperaturänderung des Calorimeters,
T - T-M-r
C^ = mittlere spez. Wärme des Quarzes zwischen t und T,
Cp^. = „ V r, V Platins „ t und T,
C ^r = „ V V V Wassers , t und t;
bezogen auf die 15" Calorie ').
Zw = Tl^^^-hm C^j^r Gesamtwasser wert des Calorimeters. Dann ist:
und daraus
rp Sic- dt— Pt- Cpf- ^T
Q-dT
Die gesamte von 1 gr. Quarz bei der Abkühlung von T'^ auf r'^
abgegebene Wärmemenge W^ wird darnach:
W_ = C: 'ZJT
Zw- Jt — Pt- Cpf -AT
') Zur Berechnung der mittleren spezifischen Wärme des Wassers zwischen
t und X für Cjs = 1 wurden die Angaben benutzt, die in Kohlrausch, Prakt. Phys.,
9. Aufl., pag. 180 als Mittel neuerer Beobachtungen angeführt sind.
408 Hans Stierlin.
Zusammenstellung der Versuchsdaten.
Um die Versuche bei ungefähr gleicher Anfangstemperatur unter-
einander vergleichen zu können, wurde bei jedem einzelnen die mittlere
spezifische Wärme C'f berechnet. Das arithmetische Mittel aus den
so gefundenen Werten gibt dann den wahrscheinlichsten Wert von
C^ für diese Versuchsgruppe. In den folgenden Tabellen bedeuten
z/ die Abweichungen der einzelnen Resultate vom Mittel, £ die hieraus
sich ergebenden mittleren Fehler der einzelnen Messungen und E den
mittleren Fehler des Mittelwertes, und zwar berechnen sich £ und E
nach den Formeln :
— r n — 1 ' — 1 n{n—\) — y „, '
{n Anzahl der Versuche einer Gruppe).
Schliesslich ist der mittlere Fehler E des Mittelwertes noch in
Promillen des Mittelwertes ausgedrückt.
I. Versuchsreihe bei — 80°.
No. Q Pt ZW T z ^T M Cj" ^ ^^^^
1. 6,8090 0,1279 21,615 —77,0 18,1 95,1 4,592 0,15268 —15
% 21,577 —77,0 17,9 94,9 4,608 0,15327 +44
3. 21,541 — 76,6 18,2 94,8 4,589 0,15254 —29
— 76,9 18,1 94,9 0,15283
H7- 76-9 ^_ 14 519 £= + 0,00039
^— £ = + 0,00022 = ±1,4 7oo.
II. Versuchsreihe bei -|- 100".
No. Q Pt ZW T X AT M Cj ^f^^
4. 6,8077 0,1203 22,588 98,73 19,67 79,06 4,557 0,19078 —06
5. 23,520 98,63 19,52 79,11 4,384 0,19097 +13
6. 24,200 99,01 20.29 78,72 4,236 0,19076 —08
98,79 19,83 78,96 0,19084
IF^^'" = 15,076 £ =+0,00012
19,83 ' —
E = ± 0,00007 = + 0,4 o/o
III. Versuchsreihe bei 200°.
No. Q Pt ZW T T. AT M Cl ^^^
' 7. 6,8090 0,1279 25,526 218,4 26,4 192,0 10,537 0,20514 + 13
8. 25,549 218,1 26,4 191,7 10,485 0,20463 —38
9. 25,644 217,1 26,4 190,7 10,399 0,20470 —31
10. 25,628 218,3 26,8 191,5 10,490 0,20556 + 55
218,0 26,5 191,5 0,20501
TF^^^'^ = 39,259 « =+0,00043
^^^^ E = ± 0,00022 = + 1,1 7o
Einige physikalische Eigenschaften des gegossenen Quarzes. 409
IV. Versuchsreihe bei 300".
No.
Q Pt ZW
T
r
JT
dt
T
= 0,00
11.
3,8863 0,0706 25,025
312,4
24,7
287,7
9,620
0,21452
+ 034
12.
24,523
315,4
25,4
290,0
9,886
0,21490
+ 072
13.
24,356
312,6
24,7
287,9
9,834
0,21312
- 106
313.6
24,9
288,5
0.21418
j^r 313,6 ^61834
f =+0,00094
E = ± 0,00054 =
= ± 2,57c
V. Ver
• s u c h s
rei he
bei 400».
No.
Q Pt ZW
T
r
JT
dt
c;
= 0,000
14.
2,8614 0,0438 26,274
409,7
25,9
383,8
9,355
0,22339
— 49
15.
25,627
411,8
26,2
385,6
9,675
0,22435
+ 47
16.
25,490
411,8
26,5
385,3
9.700
0,22390
+ 02
410,9
26,2
484,9
0,22388
Tr^J^'^ = 86.127
£ = + 0,00048
VI. Versuchsreihe bei 500".
No.
Q
Pt
ZW
T
T
dT
dt c""
r
d
= 0,000
17.
2,3860
0,0459
2.5,6.50
512,8
25,1
487,7
10,.584 0,23268
+ 55
18.
26,217
511,0
25,1
485,9
10,282 0,23189
— 24
19.
26,500
511,0
24,6
486,4
10,176 0,23174
— 39
20.
TP
511.6_ ,,
25.0
25,872
12.955
511,8
511,6
25,1
25,0
486,7
486,6
10,4.50 0.23220
0.23213
f =+0,00042
7«; = + 0.00021
+ 07
= 0,90/00-
Vll. Versuchs
• r e i h (
} bei 600».
No.
Q
Pt
ZW
T
T
ZIT
dt c'^
T
d
= 0,000
21.
5,7864
0,1428
107,79
614,0
^2d,7
590,3
7,496 0,23.576
— 73
22.
108,27
609,1
23,8
585,3
7,424 0,23665
+ 16
23.
109,11
613,5
612,2
23,8
23,8
589,7
58S,4
7,439 0,23707
0,23649
+ 58
W
T3'8= 139,151
f = + 0,00067
£;= + 0,00039 =
= l,6 7o(K
VIII. Versuch
s r e i h
e bei 1
(00*.
No.
• Q
Pt
ZW
T
T
JT
dt c''
T -
J
= 0,000
24.
4,9350
0,1115
109,60
705,8
23,9
681,9
7.488 0.24316
+ 73
25.
108,79
705,3
24,0
681,3
7,498 0,24189
-54
26.
108,67
701,6
704,2
23,9
23,9
677,7
680,3
7,477 0.24223
0,24243
- 2(»
W
-;^= 164,925
f = ± 0,00()66
E = ± 0.00038 =
= l,6»/oa-
Viertel.iahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrj^. 5S
:. 1907.
27
410 Hans Stierlin.
IX. Versuchsreihe bei 800».
No. Q Pt J:W T t ziT Jt C^ ^
^ = 0,00
27. 3,8866 0,0809 108,50 801,8 23,7 778,1 6,852 0,24521 —117
28. 109,63 800,0 24,0 776,0 6,828 0,24757 + 119
29. 106,77 818,1 24,4 793,7 7,136 0,24636 —002
806,6 23,9 782,7 0,24638
n^806,6 ^ 192 842 £ = + 0,00097
E = ± 0,00056 = + 2,3 "/oo.
X. Versuchsreihe bei 900».
No. Q Pt J:W T t ^T M C^ ^^^
30. 3,8866 0,0809 108,09 896,5 24,3 872,2 7,939 0,25237 + 194
31. 109,51 899,1 24,5 874,6 7,760 0,24939 — 104
32. 108,25 904,0 24,7 879,3 7,897 0,24953 — 090
899,9 24,5 875,4 0,25043
p^899,9 ^ 219,226 B -= + 0,00168
24-0 —
E = ± 0,00097 = ± 3,9 "/oo.
Aus den gefundenen Werten W^ berechnete ich zunächst die
Gesamtwärmen zwischen 20** und T^. Da t bei allen Versuchen in
der Nähe von 20" liegt, ist die Umrechnung von W^ auf IFg^ mög-
lich, sobald ein Näherungswert der wahren spezifischen Wärme bei
20" bekannt ist. Ein solcher ergibt sich leicht aus den Versuchs-
reihen I und II. Dort wurde gefunden: C^^ ' = 0,15283 und
(7^^'g = 0,19084. Nehmen wir an, dass für diese beiden Intervalle
die mittleren spezifischen Wärmen gleich den wahren spezifischen
Wärmen bei den mittleren Temperaturen sind, so wird
G~'Z = ^-2M = 0'1528 und Cf,; = C,,, = 0,1908
und daraus
CgQ = 0,1740 (Näherungswert).
Nun ist
'^^20 '*^ r ^^ "^20
und
W^^ = (r - 20) . C20 = 0,1740 (t - 20) für t ^ 20".
Die folgende Tabelle zeigt diese Korrekturglieder W^^, die zu
rp rp
W ^ addiert, IFgo ergeben.
Einige physikalische Eigenschaften des gegossenen Quarzes. 411
< T-20 Tf;„ < T
— 14,519 — 1,9 — 0,331 — 14,850 — 76,9
+ 15,076 —0,2 —0,035 +15,041 +98,8
39,259 +6,5 +1,131 40,390 218,0
61,834 4,9 0,853 62,687 313,6
86,127 6,2 1,079 87,206 410,9
112,955 5,0 0,870 113,825 511,6
139,151 3,8 0,661 139,812 612,2
164,925 3,9 0,679 165,604 704,2
192,842 3,9 0,679 193,521 806,6
219,226 4,5 0,783 220,009 899,9.
Die Gesamtwärme TF^o ist eine Funktion von {T — 20); ich wählte
als solche, um den Messresultaten geringen Zwang anzutun, eine
Funktion 4. Grades, stellte also ITgo ^^^ ^^ ^^^ Form:
Wl = a{T- 20) -hß(T- 20f + y (T - 20)' + ö • (T- 20)*.
Aus den 10 Versuchsreihen ergaben sich so 10 Gleichungen von
der eben angeführten Form, aus denen die 4 unbekannten Koeffizienten
«, ß, y, d nach den Regeln der Ausgleichimgsrechnung berechnet wurden.^)
ß, ß, y, d bekamen die Werte:
«^4-0,174743
ß = + 0,000168292
y = — 0,000000132352
d = + 0,0000000000432990.
Es wird also:
W^^= 0,174743 (r- 20) + 0',168292(r- 20)' — 0',132352(r-20)'
+ 0^^432990(^— 20)* L
Die wahre spezifische Wärme bei bestimmter Temperatur ist der
Zuwachs der Gesamtwärme pro 1" Temperatursteigerung; wir be-
kommen also die wahre spezifische Wärme als Funktion von Z"— 20,
wenn wir den Ausdruck für TF^ nach T differenzieren:
r d W4
20
'2'=^^^ = « + 2|3(r— 20) + 3y(r— 20)' + 4(5(2'-20)'.
Diese Funktion kann einfacher dargestellt werden in der Form:
CT=a-\-'bT ^ cT^-hdT\
wobei für ah c d durch Gleichsetzen der Glieder desselben Grades in
T beider Ausdrücke Ct erhalten wird:
') Siehe Weinstein, Handb. der physikal. Bestimmungen, I. Seite 421 f.
412 Hans Stierlin.
a = a — 2'20ß-hS-20"^y— 4 • 20^ ö = 4-0,167851
6=- 2/3 — 2- 3 -207 + 3 -4 -20^0 = +0,000352674
c = 3y — 3-4-20ö = — 0,000000407447
d= 4 0 = 4-0,000000000173196.
Die wahre spezifische Wärme von amorphem (geschmolzenem)
Quarz bei der Temperatur T^C ist also:
C'y = 0,167851 + 0^352674 • T — 0^407447 T^ + 0^173196 T^ IL
Die aus den Grleichiingen I und II von 100 zu 100° berechneten
Werte sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt.
T
<
0 iji
273"
0,03769
lOO''
- 18,30
— 14,88
0,12834
0»
— 3,42
0
0.16785
100«
+ 14,98
18,40
0,19922
200«
36,18
39,60
0,22348
300«
59,48
62,90
0,24166
400«
84,34
87,76
0,25482
500«
110,32
113,74
0,26398
600«
137,04
140,46
0,27018
700«
164,28
167,70
0,27448
800«
191,91
195,33
0,27790
900«
219,87
224,29
0,28149
1000«
248,28
251,70
0,28627
überdies sind auf der Tafel pag. 413 durch Kurve I die Gesamt-
wärme W^ und durch Kurve II die wahre spezifische Wärme C j,
je als Funktion der Temperatur dargestellt. Die in der Nähe der
Kurve I markierten Punkte repräsentieren die Gesamtwärme TF.,q^
wie sie unmittelbar aus den Versuchen sich ergaben. Wie ersicht-
lich, folgt die Kurve ziemlich gut dieser Punktreihe; es ist also in
der Tat W^ mit genügender Annäherung an die Wirklichkeit durch
eine Funktion 4. Grades in T darstellbar. In Kurve II macht sich
in der Gegend zwischen 700 und 800« eine Änderung der Krümmungs-
richtung bemerkbar. Die Lage dieses Wendepunktes ergibt sich
genauer durch zweimalige Differenziation von Cj, nach der Tem-
peratur und Nullsetzen dieses 2. Differentialquotienten zu T ^ 784«.
Einige physikalische Eigenschaften des gegossenen Quarzes. 413
414 Hans Sti erlin.
Ein ähnliches Verhalten ist von Bontschew ^) bei Aluminium, voa
Adler ^) bei Chrom, von Brunner ^) bei Calcium und Magnesium be-
merkt worden. Frühere Beobachter haben meist die spezifische
Wärme als Funktion 2. Grades von t darstellen können. Ein zweites
vermehrtes Anwachsen der spezifischen Wärme mit der Temperatur
machte sich ihnen also nicht bemerkbar. Doch scheint es nicht aus-
geschlossen, dass bei Untersuchungen mit grossem Temperaturbereich
auch bei andern Körpern eine sqlche Inflexion der Kurve der spezifischen
Wärme gefunden wird, dass dies also eine ziemlich verbreitete Eigen-
schaft der festen Körper ist. Ob ein Zusammenhang zwischen diesem
Verhalten der spezifischen Wärme und der Änderung gewisser
elastischer Eigenschaften (Stabilisierungspunkt, Anlasstemperatur etc.)
fester Körper besteht, werden weitere Untersuchungen klarlegen,
müssen.
Vergleichung meiner Resultate mit denen anderer Untersuchungen
über die spezifische Wärme des Quarzes.
Im Verlaufe meiner Arbeit publizierte C. Dietrici^) eine Arbeit
über die spezifische Wärme des Wassers bei hohen Temperaturen,
(bis 300"). Dietrici schloss bei seinen Versuchen, die mit dem Eis-
calorimeter ausgeführt wurden, Wasser in Quarzröhren ein, musste
also die spezifische Wärme dieser Einschlussröhren durch Neben-
versuche bestimmen. Er erhält für die wahre spezifische Wärme des
amorphen Quarzes im Temperaturbereich 0 — 300" den Ausdruck:
Cf = 0,16791 + 0,000350 • t — 0,0000003075 • f,
und zwar ist C^ hier ausgedrückt in Bunsenschen Calorien. Zur Ver-
gleichung mit meinen Ergebnissen, denen die 15" Calorie zugrunde
liegt, müssen die von Dietrici gefundenen Werte durch das Verhältnis
der 15" Calorie zur 0 — 100" Calorie dividiert werden. Dieses Ver-
hältnis ist nach Rowland^) 1,0032, nach einer neueren Bestimmung
von Behn«) 1,0003.
Die folgende Tabelle zeigt in der zweiten Kolonne nochmals die
gefundenen Werte von C^, in den beiden folgenden die nach Rowland
^) Bontschew, Spezifische Wärme des Aluminiums. Diss. Zürich 1900.
^) Adler, Spezifische Wärme des Chroms. Diss. Zürich 1902.
^) Brunner 1. c.
*) C. Dietrici, Spezifische Wärme des Wassers bei hohen Temperaturen^
Drudes Annalen 1905, Heft 4.
^) WüUner, Wärme pag. 506. Mit dem angegebenen Wert stimmt gut übereirfc
der von Veiten zu 1,0035 gefundene.
*) Behn, Drudes Annalen 1905, pag. 653.
Einige physikalische Eigenschaften des gegossenen Quarzes.
415
resp. Behn auf die 15*^ Calorie umgerechneten Resultate Dietricis samt
den Abweichungen in Prozenten von den meinigen:
t
Vo
a
7o
gefunden
nach Bowland
umgerechn.
nach Behn
umgerechn.
0
0,16785
0,16738
— 0,28
0,16786
0,00
100
0,19922
0,19919
— 0,01
0,19977
+ 0,28
200
0,22348
0,22489
+ 0,63
0,22554
+ 0,92
300
0,24166
0,24444
+ 1,15
0,24515
+ 1,45
Alle andern mir bekannten Untersuchungen der spezifischen
Wärme des Quarzes behandeln nicht gegossenen amorphen Quarz,
sondern kristallinischen. Die angegebenen Resultate stimmen aber
nicht gut überein, was vielleicht seinen Grund z. T. in der Ver-
schiedenheit des Versuchsmaterials hat.
Die ausgedehnteste Arbeit dieser Art stammt von Pionchon ^),
der die spezifische Wärme bis gegen 1200'' bestimmte. Er vergleicht
die Gesamtwärme, die der Quarz bei der Abkühlung auf 0" abgibt,
mit der Gesamtwärme einer auf dieselbe Temperatur erwärmten
P?- Kugel und nimmt für die spezifische Wärme des Pt den von
Violle-) gefundenen Wert als richtig an. Pionchon erhält so für
Gesamtwärme und wahre spezifische Wärme die Ausdrücke:
6'1= 0,1737- ^ + 0,000197 i^
0,00000009 . f
a = 0,1737 + 0,000394 t — 0,00000027 f
gültig von
0—400°.
und
17^= — 26,57 + 0,305-^
a
0,305
zwischen 400 und 1200°.
In der Tafel pag. 36 sind diese Resultate graphisch dargestellt.
Wie ersichtlich, steigt die Kurve für die wahre spezifische Wärme
anfangs rasch an und wird über 400° horizontal.^) Die spezifische
>) Pionchon, C. R., 1U6, pag. 1344. Leider findet sich in dieser Abhandlung
keine Angabe über die Art und Form des verwendeten Materials. Ferner hat sich
hier offenbar in der Literatur ein Druckfehler eingeschlichen: Sowohl in C,. R. 1. c.
wie auch in VVinkelmann. Handb., Bd. III, Wärme, 1906, pag. 183 sind die Aus-
drücke angegeben :
Wl == 0,1737 t + 0,000197 t^ - 0,000000009 t^ (8 Nullen !)
Cf = 0,1737 + 0,(X)0394 t - 0,000000027 f (7 Nullen!),
während aus den angegebenen Daten sich die obigen Werte ergeben.
2) Violle, C. R. 8.5, pag. 543, spez. Wärme des Pt: Cf = 0,0317 + 0,000006 • t.
^)- Die Kurvenstücke für C^ berechnet aus den beiden Formeln t ^g 400"*
schliessen bei 400" nicht aneinander an!
416 Hans Stierlin.
Wärme des kristallinischen Quarzes wäre demnach von 400" an kon-
stant. — Neuere Untersuchungen des Platins 0 liefern für dessen
spezifische Wärme Werte, die etwa 4"'o kleiner sind wie die von
Violle erhaltenen; also dürften auch die spezifischen Wärmen des
Quarzes nach Pionchon ca. 47o zu gross ausgefallen sein.
Eine direkte Messung der spezifischen Wärme des kristallisierten
Quarzes schien mir wünschenswert. Bei einer ersten Versuchsreihe
erhitzte ich ein ziemlich wohlgestaltetes Stück Bergkristall von
ca. 9 gr. auf die Anfangstemperatur 138*^,
Beim ersten Versuch ergab sich zwischen 138*^ und 20° eine
mittlere spezifische Wärme
Die darauffolgenden Versuche lieferten:
C'Z - 0,177.
2.
„ = 0,188
3.
„ = 0,200
4.
„ =-- 0,20147
5.
„ = 0,20339
6.
„ = 0,20328
Dieses merkwürdige Verhalten hat folgenden Grund: Bei der
plötzlichen Abkühlung des Bergkristalls im Calorimeter von 138" auf
etwa 20*^ bildeten sich im Innern des Stückes eine Masse von Sprüngen.
Der Wärmewert der Arbeit, die bei dieser Sprengung geleistet wird,
geht für die calorimetrische Messung verloren : die gesamte ans
Calorimeter abgegebene Wärme, und mit ihr die spezifische Wärme,
fallen zu klein aus. Beim 2. Versuch wurde die Anzahl der Sprünge
noch vergrössert; nach dem dritten sah der früher glasklare Kristall,
der im übrigen seine äussere Form beibehielt, milchweiss undurch-
sichtig aus. Offenbar bildeten sich in der Folge nicht mehr viele
neue Sprünge; die spezifische Wärme blieb vom 4. Versuch an un-
gefähr auf demselben, jetzt richtigen Wert. Bei einem späteren Zer-
bröckeln des Kristalls zeigte es sich, dass selbst die kleinsten dadurch
erhaltenen Teilchen noch weiss aussahen, dass also der ganze Quarz-
kristall in sehr kleine Teile zersprungen war. Die Wärmemenge,
die bei diesem Pulverisieren aufgewendet wurde, berechnete sich aus
den angeführten Versuchen zu insgesamt etwa 20"/o der Gresamtwärme
zwischen 138 und 20'', was pro 1 gr. ungefähr 5 Calorien oder 2 mkg.
ausmacht. Ob Pionchon bei seiner Untersuchung der spezifischen
Wärme auf das Zerspringen der Quarzstücke Rücksicht genommen
oder aber dasselbe durch Verwendung von fein pulverisiertem Material
vermieden hat, ist mir nicht bekannt (vergl. Anm. 1 pag. 415).
Berechnet man aus den drei letzten Versuchen die Gesamtwärme,
Tf^'o, so ergibt sich: W^H =23,96.
1) Tilden, Proc. Royal Soc 71. pag. 220 (1903).
Einige physikalische Eigenschaften des gegossenen Quarzes. 417
Eine zweite Versuclisreihe, bei welcher aus Bergkristall her-
gestellter feiner Quarzsand, in einer Hülse aus dünnem Silberblech ein-
geschlossen, auf ca. 600'^ Anfangstemperatur gebracht wurde, lieferte
als Mittel: W'^^= 145,65 Cal. In der Tafel sind diese beiden Punkte
bezeichnet. Beide Werte sind kleiner als die von Pionchon gefundenen
(24,15 resp. 156,03), aber je um ca. 4,57o grösser wie die Gesamt-
wärmen des gegossenen amorphen Quarzes zwischen den entsprechenden
Temperaturen.
Vergleichung der Resultate mit den Gesetzen von Neumann und Kopp.
Neumann stellt in Analogie mit dem Dulong-Petitschen Gesetz
den Satz auf: In chemisch ähnlich zusammengesetzten Körpern ist
das Produkt aus Molekulargewicht und spezifischer Wärme: die
Moleki;larwärme, konstant. Untersuchungen von Regnault ergaben
im Mittel für die Molekularwärme der Oxyde von der Form RO^ den
Wert 14,35.0 Da das Molekulargewicht des SiO^ M = 28,4 + 32 = 60,4
beträgt, ergibt sich aus meinen Versuchen für die Molekularwärme
■des Quarzes:
bei 0°: 60,4 • 0,1679 = 10,13
100": 0,1992=12,03
200«: 0,2235 = 13,50
300'^: 0,2417 = 14,60.
Zwischen 200 und 300" ist die Molekularwärme des Quarzes normal.
Koppscher Satz: Die Molekularwärme einer Verbindung ist gleich
der Summe der Atom wärmen ihrer Komponenten.
Für die Atomwärme des 0 in Verbindungen findet Regnault im
Mittel 4,2.-) Nach den Versuchen von H. F. Weber ^ sind die spezi-
fischen Wärmen des Siliciums bei verschiedenen Temperaturen:
Co = 0,160 C200 = 0,205
^00= 0,196 (7300 = 0,210.
Demnach wird:
Temperatur
Atomwärme
des Si
Molekularwärme
von O2
MolekularAvärme
von Si O2
gefunden
0
4,5
8,4
12,9
10,1
100
200
300
5,6
5,8
6,0
8,4
8,4
8,4
14,0
14,2
14,4
12,0
13,5
14,6
*) WöUner, Wärme, 5. Aufl., pag. 6:23.
^) VVüllner, Wärme, 5. Aufl., pag. 627.
') H. F. Weber, Spezifische Wärmen von C, B und Si, Programm zur
56. Jahresfeier der Akademie Hohenheim.
418 Hans Stierlin.
Die gefundene Molekularwärme stimmt zwischen 200 und 300**
mit der aus den Komponenten berechneten überein.
Resultate.
Die spezifische Wärme des amorphen gegossenen Quarzes nimmt
mit der Temperatur im ganzen untersuchten Bereiche zu. Die Zu-
nahme ist am grössten bei den tieferen Temperaturen, nimmt nachher
ab, um von ca. 800** an neuerdings zu wachsen. Die spezifische
Wärme ist im untersuchten Gebiet wesentlich kleiner wie diejenige
des kristallisierten Quarzes.
Es ist eingangs erwähnt worden, dass die spezifische Wärme
vom Ausdehnungskoeffizienten abhängig ist, dass sie diesem /^ sich
ändert. Es wäre also zu erwarten gewesen, dass der amorphe Quarz
entsprechend dem kleinen Ausdehnungskoeffizienten eine anormal
kleine spezifische Wärme besitzt, und dass dieselbe kleiner ist wie
die des Bergkristalls. ^) Das letztere ist der Fall; dagegen ist die
spezifische Wärme nicht anormal klein, sondern folgt dem Gesetz
von Kopp, wie sich nach dem Verhalten der ^S'i-Komponente erwarten
liess, bei etwas erhöhter Temperatur, nämlich bei 200 bis 300**.
Nach Untersuchungen von Regnault") wird die spezifische Wärme
einer Substanz unter sonst gleichen Umständen kleiner, wenn die
Dichte der Substanz grösser wird. Die Dichte des geschmolzenen
Quarzes ist um ca. 17**/o kleiner wie die Dichte des kristallisierten
Quarzes. Das umgekehrte Verhalten der spezifischen Wärme des
Quarzes gegenüber dem anderer Körper lässt sich zum Teil dem
wesentlich kleineren Ausdehnungskoeffizienten der amorphen Modifi-
kation zuschreiben, teils aber wohl auch der Verschiedenheit des
molekularen Aufbaues der beiden Modifikationen, wie dies bei ß, As
u. a. der Fall ist.
Der gegossene Quarz darf für die praktische Verwendung bei
thermischen Messungen sehr empfohlen werden. Seine Unempfind-
lichkeit gegen rasche Temperaturwechsel, seine grosse Festigkeit und
seine chemische Beständigkeit machen ihn hierzu sehr geeignet. Ins-
besondere wird er, wie dies die zitierte Arbeit von Dietrici beweist,
als Einschlussmaterial bei der Bestimmung der spezifischen Wärme,
der Schmelzwärme, Verdampfungswärme und Dissoziationswärme etc.
von an der Luft oxidierenden Körpern, von Flüssigkeiten und Gasen
grosse Dienste leisten können. Die hier bestimmte spezifische Wärme
des amorphen Quarzes vermittelt seine Verwendbarkeit bis zu Tem-
peraturen von 900**.
*) Vergl. pag. 390. 2) Regnault, Poggend. Ann. LXII u. LI.
Mitteilungen aus dem botanischen Museum der Universität Zürick
(XXXVI).
1. Beiträge zur Kenntnis der afrikanischen Flora (XX).
(Neue Folge.)
Herausgegeben von Hans Schinz (Zürich).
Mit Beiträgen von
E. Ilaekel (Attensee). Alfred Cogniaux (Nivelles). Hans Schinz (Zürich).
Gramineae.
E. Hackel (Attensee).
Ischaenium Jtinodii Hack. nov. spec.
Culmus erectus plus 80 cm altus (incompletus exstat), teres, infra
nodos et paniculam appresse pubescens, circ, 6 — nodus, simplex, fere
ad apicem usque foliatus. Vaginae internodia superantes, teretes^
appresse pubescentes, nodis pilosulis, ore longius barbatae. Ligula
brevissima, membranacea, truncata, ciliolata, intus pilis stipata. Lami-
nae ex angustata basi lineari-lanceolatae , acutae, circ. 20 cm lg.,
10 — 15 mm lt., planae, rigidulae, subtus appresse pilosae, supra glabrae
V. pilis adspersae, marginibus scabrae, tenuinerves. Racemi in apice
culmi 3 — ^, in rbacheos communis vix 1 cm longae nodis solitarii v.
bini, sessiles, subaequales, 8 — 10 cm longi, circ. 4 — 5 mm lati, patentes,
subflexuosi, livide purpurascentes. Rhacheos subtenacis articuli spicula
sessili duplo breviores, crassiusculi (0,6 mm lt.), obtuse trigoni, basi
rectilinei, ciliati, ciliis exterioribus et superioribus articulum sjibae-
quantibus. Spiculae sessiles cum callo 15 mm longo semicylindracea
obtuso basi breviter barbato 6 mm longae, oblongae: gluma I. in
Vs inferiore chartacea, brunnescens, glabra, scabra, in medio herbacea
viridis, pilis longiusculis appressis obsita, in \'3 superiore utrinque ala
membranacea latiuscula glabra purpurascente instructa, apice bidentata,
marginibus anguste inflexa, 9-nervis, nervis prominulis subpercurren-
tibus; IL P™ aequans, ovato-lanceolata, subulato-acuminata, carina
superne scabra, medio parce pilosa, 5-nervis, chartaceo-membranaceo;
III. quam I paullo brevior, elliptica acuta, membranacea, hyalino-alata,
ciliolata, 1 -nervis, ejus palea lanceolata, acuta, 2-nervis, floris <S
antherae 2 mm longae. Gluma IV. quam IL 7^ brevior, in Vs superiore
bifida, laciniis lineari-deltoideis acutis ciliolatis, inferne 3-nervis, e sinu^
aristam emittens circ. 10 mm longam perfectam, cujus columna subu-
420 Hans Schinz.
lam basi laxe tortam subaequat. Palea glumam aequans ovato-
lanceolata acuta hj^alina, tenuissime binervis. Spiculae pedicellatae
pedicello quam articulus paullo longiore illi simillimo fultae, 5 mm
longae, lanceolatae, purpurascentes: gluma L acuta, integra, superne
haud alata, sed subapice a latere compressa, tota chartaceo-membra-
nacea, toto dorso pilosa, 11-nervis, II, us in spicula sessili sed tota
pilosa, reliqua ut in sp. sessili sed arista brevior.
Südafrika: Transvaalkolonie, Haut Bokhahe bei Shilouwane,
1000 m, leg. A. Junod 2365a.
Diese Art ist mit keiner altweltlichen verwandt, sondern nähert
sich dem südamerikanischen Ischaemum latifolhim Kunth, dem sie
auch habituell ähnlich ist, das sich aber durch viel zahlreichere
.Scheinähren (eigentlich Trauben) unterscheidet, deren Spindelglieder
dünner und undeutlich kantig sind ; die erste Hüllspelze des sitzenden
Ährchens hat bei I. latifolium einen 2 — 3 mm langen, stielförmigen,
am Grunde langbärtigen Callus, ist lanzettlich, im oberen Teile ohne
die bei /. Junodii auftretenden häutigen Flügel, kahl, 5 — 7-nervig.
Die vierte Spelze ist bei /. latifolium ganzrandig oder nur ganz kurz
zweizähnig, ihre Granne entbehrt meist einer deutlichen Scheidung in
Columna und Subula, sie ist nur am Grunde schwach gedreht und
bloss 6 — 8 mm lang.
L.eguininosae.
Hans Schinz (Zürich).
Crotalaria paucifolia Schinz nov. spec.
Herba annua, erecta, a basi ramosa, ramulis adpresse sericeo
pilosis ; foliis petiolatis, 3-foliolatis, foliolis lineare oblanceolatis, apice
acutis, basi acutis, subtus serieeis, supra subglabris; racemis termi-
nalibus longo pedunculatis, pauciiloris, floribus pedicellatis ; calyce
profunde in lacinias anguste lanceolatas sericeas partito ; vexillo dorso
sericeo, carina longe rostrata; legumine oblonge, 7 — 10 spermo, griseo
pubescente.
Deutsch-Südwestafrika (Amboland): Namakunde in Uukuanyama,
im Sandboden, Rautanen 553, bl. und fr. 30. III.
Eine grazile, vom Grunde an stark verzweigte Pflanze mit
schlanken Zweigen, an denen die Laubblätter auffallend spärlich ver-
treten sind. Die Blattstiele erreichen eine Länge von + 20 mm; die
Blättchen sind bis über 40 mm lang und + 3 mm breit. Die + 12 cm
langen Blütenstände sind zwei- bis achtblütig. Blütenstiele + 3 mm,
Kelchzähne 4 — 5 mm, die Blüten selbst + 18 mm lang. Das Schiffchen
ist an der untern Kante gegen den Grund zu wollig behaart. Die
Länge der Hülsen beträgt, bei einer Breite von 5—6 mm, 10 mm.
Mitteilungen aus dem bot. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 4ät
Crotalaria hirsntissitna Schinz nov. spec.
Herba perennis (?), a basi ramosa, hirsutissima; foliis 3-foliolatis,
petioiatis, foliolis ellipticis, apice obtusis, apiculatis, supra sparse — ,
subtus dense hispidis; racemis paucifloris; floribus breviter pedicellatis;
calyce profunde in lacinias 5 anguste lanceolatas partito; vexillo
glabro; legumine plurispermo, glabro, oblonge, stipitato.
Deutsch-Südwestafrika (Hereroland): Otavi, Dinter 663, bl. und
fr. 17. IV.
Ausgezeichnet durch die auffallend starke, aus steifen langen
Trichomen bestehende Behaarung. Blattstiel 10—15 mm, Blättchen
(getrocknet) schmutzig dunkelgrün, + 15 mm lang und + 4 mm breit.
Kelchabschnitte in eine Spitze ausgezogen, + 7 mm lang. Blütert
+ 13 mm, Hülsen 20 — 25 mm lang und 8 — 10 mm dick.
Crotalaria hisjnda Schinz tiov. spec.
Herba annua, a basi ramosa, ramis ramulisque hispidis; stipulis
oblique lanceolatis; foliis-3 foliolatis, petioiatis, foliolis ellipticis, obtusis
vel subacutis, apice mucronulatis, basi acutis, supra glabris, subtu»
hispidis; racemis oppositifoliis , 5-8-10 floris; floribus breviter pedi-
cellatis; calyce adpresse piloso, ad medium 5 dentato, dentibus lanceo-
latis, subacutis; corolla glabra; legumine oblonge globoso, pluriovulato,
stipitato, adpresse ferrugineo-sericeo.
Deutsch-Südwestafrika (Hereroland): Omboatjipiro, Dinter 447,
bl. und fr. 29. Hl.
Eine offenbar einjährige, krautige Pflanze, deren untei'ste Zweige
dem Boden anliegend, mit den Spitzen aufstreben. Die Behaarung^
ist an Jüngern Trieben gelbrot. Blattstiel + 9 mm. Blättchen bis 30,
ja bis 50 mm lang und 3 — 8 mm breit. Infloreszenzen f 75 mm lang.
Blütenstiel 2V2 — 4 mm, Blüten bis 5 mm lang. Hülsen anliegend
gelbrot behaart, eiförmig kugelig, 10 mm lang und 7 — 8 mm dick.
Crotalaria Idndneri Schinz ?iov. spec.
Annua, erecta, caule adpresse piloso ; foliis 3-foliolatis, petioiatis,
foliolis anguste ellipticis, obtusis vel truncatis et mucronulatis, basin
versus cuneatis, subtus pilosis, supra glabris; stipulis subulatis:
racemis terminalibus, paucifloris; floribus pedicellatis; calyce adpresse
piloso, profunde 5 partito; corolla (?); legumine oblongo, pluriovulato,
glabro.
Deutsch-Südwestafrika (H ereroland): In sandigem Boden um
Otjimbingue, Lindner, bl. V.
Wenigverzweigte Exemplare. Blattstiel + 2 mm, mehrmals
länger als die unscheinbaren Nebenblätter. Blättchen + 20 mm lang
422 Hans Schinz.
bei einer Breite von + 3 mm. Blütenstiel 3—4 mm, Früchte im Kelche
^gestielt, dick walzlich, 18 — 20 mm lang und +10 mm dick.
So unvollständig die mir vorliegenden Exemplare sind, so glaube
ich doch dieselben mit einem Namen belegen zu dürfen, ich habe
weder in unseren Herbarien, noch in denjenigen des britischen Museums
und Kews eine Crotalaria gefunden, die sich mit der oben skizzierten
Pflanze decken würde.
Crotalaria Kurtii Schinz nov. spec.
Caulibus numerosis, elongatis, pubescentibus ; foliis 3-foliolatis,
breviter petiolatis, foliolis subtus adpresse pubescentibus, obovato
■ellipticis, spatulatis vel oblanceolatis, rotundatis, mucronatis; stipulis
lanceolato subulatis, brevissimis; racemis oppositifoliis ; calyce ad
medium 5 partito; vexillo extus puberulo; legumine oblonge, ovoideo,
2 — 3 spermo, pubescente.
Deutsch -Südwestafrika (Hereroland): Waterbergplateau, Kurt
Dinter bl, 9, IX,
Wohl mehrjährig und vom Grunde an viel verzweigt und
zwar buschig. Blattstiel 4 — 8 — 15 (selten) mm lang. Blättchen
6 — 15 — 20 (selten) mm lang und fast durchgehends 4 — 5 mm breit,
Blütenstiele 3—4 mm lang, Kelch + 6 mm lang, hiervon beanspruchen
die lanzettlichen Kelchabschnitte + 3 mm. Die Krone hat eine Länge
von + 13 mm, die Hülse eine solche von 11 mm bei einer Breite
von + 8 mm.
Crotalaria mutabilis Schinz nov. spec.
Erecta, annua, caule hirsuto; foliis 3-foliolatis, petiolatis, foliolis
anguste lanceolatis vel lineare ellipticis, aristato mucronatis, supra
glabris, subtus hirsutis, glaucis; racemis terminalibus, paucifloris vel
plurifloris, floribus pedicellatis; calyce hirsuto, ultra medium 5-partito;
legumine oblongo, glabro,
Deutsch-Slidwestafrika (Amboland): Olukonda, Schinz 2062,
ster, H,, Rautanen 373, bl, H., 374, bl. V.
Eine aufrechte Staude mit zerstreut langbehaarten Stengeln,
Blattstielen, Laubblättern, Blütenständen und Kelchen. Die Blattstiele
sind + 3 cm lang und werden von lanzettlichen, zugespitzten, + 10 mm
langen Nebenblättern begleitet. Blättchen 2V2 — 6 cm lang und + 4 mm
breit, unterseits mit vereinzelten langen Haaren, oberseits kahl und
hellgelbgrün (getrocknet), Blütenstiele + 5 mm. Der Kelch hat eine
Länge von + 8 mm und ist bis über die Mitte geteilt; die Kelch-
zipfel sind breit lanzettlich und zugespitzt. Die 13—15 mm lange
Krone ist mit Ausnahme des an den beiden obern Kanten wollig be-
Mitteilungen aus dem bolan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 423
haarten Schiifchens völlig kahl. Hülse oblong (unreif), kahl und
mehrsamig.
Lotononis Dinteri Schinz nov. spec.
Herba perennis (?), basi ramosa; ramis teretibus, sericeo villosis;
stipulis foliaceis, lanceolatis, villosis, foliorum petiolo aequilongis
longioribusve ; foliis erecto patentibus, longe petiolatis, villosis
foliolis anguste lanceolatis acutis; floribus fasciculatis ; calyce villoso,
segmentis subulatis; vexillo unguiculato spathulato villoso; carina
obtusa, vexillo alisque carina brevioribus; ovario pluriovulato , apice
villoso.
Deutsch-Südwestafrika (Hereroland): Otavi, Dinter 664, 17. VI.
Eine anscheinend mehrjährige, krautige, aufrechte Pflanze, die
ausgezeichnet ist durch eine etwas ins Gelbliche tönende lange, weiche
Behaarung, die nur dem Androeceum und zum Teil dem Fruchtknoten
mangelt. Die Blätter sind bis 25 mm lang und dreizählig, die Blätt-
chen sind schmal lanzettlich, + 20 mm lang und + 3 mm breit, spitz
und werden von Nebenblättern begleitet, die ungefähr die Länge der
Blattstiele erreichen, in den meisten Fällen habe ich pro Laubblatt
nur ein einziges Nebenblatt wahrgenommen. Die sitzenden Blüten
entspringen zu mehreren den Blattachseln. Der Kelch misst + 7 mm
und zwar entfallen hiervon auf die Kelchröhre 5, auf die fünf pfriem-
lichen Kelchzipfel 2 mm, die beiden rechts und links von der Mediane
vorn gelegenen Kelchabschnitte sind etwas tiefer voneinander getrennt.
Der stumpfe Kiel misst + 10 mm und überragt an Länge die Fahne
und die Flügel um bis zu 3 mm. Die Fahne ist spateiförmig, ober-
wärts + 274 mm breit und 7 mm lang. Der Fruchtknoten ist
gegen die Spitze zu lang behaart und + 7 sämig.
X. Dinteri Schinz var. amboensis Schinz nov. var.
Unterscheidet sich vom Typus wesentlich nur durch die kleineren
Blätter und das mehr silbergraue Indument.
Deutsch-Südwestafrika (Amboland): Namakunde in Uukuanyama,
Rautanen 549, 28, HL
L. Dinteri Schinz gehört in die Sektion Lei)tis (Harvey und
Sonder, Flora Capensis, II (1861/62), 49, und würde etwa in die Nähe der
L. villosa Benth. zu stellen sein, einer Art, die mir allerdings nur
aus der Beschreibung bekannt ist.
Tephrosia shiluwanensis Schinz nov. spec.
Suflfrutex erectus, sparse ramosus, ramulis sericeo pilosis, demum
glabris; foliis petiolatis, 3 — 5 jugatis, foliolis oblongo obovatis vel
424 Hans Schinz.
cimeatis, truncatis vel emarginatis et subaristatis, subtus sericeo pilosis,
supra glabris; racemis axillaribus et terminalibus; calyce piloso; vexillo
piloso; legumine glabro.
Südafrika (Transvaalkolonie): Shiluwane, 600—700 m,
Junod 2355.
Bis 1 m hohe Staude, aufrecht, anscheinend spärlich verzweigt, die
Jüngern Zweige anliegend seidig behaart, später verkahlend. Die Laub-
blätter sind + 2V2 cm lang gestielt; die Blättchen sind 3— 5paarig,
länglich verkehrteiförmig bis keilförmig, + 1 mm lang gestielt, oben
abgestutzt bis flach ausgerandet und grannenspitzig (Grannenspitze
mindestens 1 mm lang), + 2V2 cm lang und + 1 cm breit, sie sind
unterseits nicht sehr dicht anliegend seidig behaart (die grüne Farbe
überwiegt noch), oberseits kahl. Die lanzettlichen, behaarten Neben-
blätter sind in eine lange Spitze ausgezogen. Die traubigen, blatt-
achselständigen oder terminalen Blütenstände sind mindestens 10 cm
lang, nicht sehr reich-, aber auffallend grossblütig. Die Blüten sind
2 — 3 mm lang gestielt. Der mit langen weissen Seidenhaaren besetzte
Kelch ist becherförmig; zwei der Kelchzähne sind etwas höher hinauf
untereinander verwachsen als die übrigen Abschnitte. Die Fahne ist
auf der Aussenseite mit goldbraunen, anliegenden Seidenhaaren be-
kleidet und mindestens IV2 cm lang und 12 mm breit. Die Hülsen
sind kahl, vielsamig, + 6 mm lang und + 8 mm breit, dicklederig.
Tephrosia Difiteri Schinz nov. sj^ec
Herba basi fruticosa, ranuilis hirtis; foliis longo petiolatis, pinnatis
2-jugis, foliolis anguste ellipticis vel oblongo lanceolatis, basi acutis,
apicea piculatis, brevissime petiolulatis, subtus et supra griseo serieeis
vel substrigosis; stipulis subulatis; floribus longe pedicellatis in race-
mos elongatos dispositis; calyce dense sericeo, dentibus lanceolato
triangularibus ; vexillo extus sericeo; ovario sericeo strigoso.
Deutsch-Südwestafrika (Gross-Namaland): Inachab, Dinter
II. 54, bl. X.
Vom Grunde an stark verzweigte, wohl einjährige Pflanze mit
sehr schlanken, langen Infloreszenzen. Laubblätter bis 6 cm lang,
+ 5 mm breit. Nebenblätter +^ 4 mm lang, abstehend. Blütenstiele
+ 6 mm. Kelchröhre + 2 mm lang. Kelchzähne + IV2 mm.
Tephrosia (?) monox^liylla Schinz nov. spec.
Caule erecto, dense adpresse argenteo sericeo; foliis breviter
petiolatis, 1-foliolatis, oblongo ellipticis, mucronulatis, supra glabris,
subtus serieeis; floribus axillaribus solitariis, breviter pedicellatis;
calyce sericeo villoso; vexillo extus sericeo; legumine?
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 425
Deutsch-Slidwestafrika (Hereroland): Fleck (ohne nähere Stand-
ortsangabe) 463.
Laubblattstiel + 4 mm, Spreite 4 — 6 cm lang, 4—8 mm breit.
Blütenstiel IV2 — 2 mm lang. Kelchröhre + 4 mm, Kelchzähne + 1 mm.
Prucht bis 2V'2 cm lang und + 4 mm breit, angedrückt behaart.
Die im Verhältnis zur Kelchröhre so überaus kleinen Kelchzähne
passen nicht so recht zu Tephrosia, ich kann indessen die seltsame
Pflanze anderswo nicht unterbringen.
Tejyhrosia lactea Schinz nov. spec.
Suffruticosa, ramulis cinereo holosericeis; foliis 13 — 14 jugatis,
petiolo communi holosericeo; foliolis oblongo obovatis, apice emarginatis
vel rotundatis, mucronatis, basi cuneato acutis, supra glabris, subtus
lacteo-vel cinereo holosericeis; racemis terminalibus , pedunculatis,
plurifloris, holosericeis: floribus pedicellatis; calyce holosericeo, dentato,
dentibus trianguläre lanceolatis; ovario sericeo, stylo piloso.
Deutsch-Südwestafrika ^^Hereroland): Epako, in sandigem Boden,
ßautanen 530, bl. u. fr. 2. IL, A. Lüderitz (ohne nähere Standorts-
bezeichnung).
Die prächtige Behaarung bildet für die Pflanze ein auffallendes
Merkmal. Die 1 — 2 cm lang gestielten Laubblätter sind bis 12 cm
lang, die kurz gestielten Blättchen, deren grösste Breite über der
Mitte gelegen ist, sind nach dem Grunde zu keilförmig verschmälert,
18 — 25 mm lang und 5 — 9 mm breit. Die Blütenstiele messen + 5 mm.
Die Kelchröhre ist + 3 mm lang, der längste Abschnitt misst + 5, der
kürzeste + 3 mm. Flügel und Fahne sind auf der Aussenseite seidig
behaart und zwar hat die Fahne eine Länge von + 14 mm. Blüten-
farbe blaurot. Die Hülsen messen + 5 cm in der Länge und + 4 mm
in der Breite.
TejyJti'osia salicifolia Schinz nov. spec.
Herba basi suffruticosa, ramulis dense ferrugineo serieeis: foliis
breviter petiolatis vel subsessilibus. 1-foliolatis, oblongo lanceolatis
vel anguste ellipticis, basi acutis, apice obtusis et mucronatis, supra
glabris, subtus serieeis; stipulis minutis, subulatis; floribus breviter
pedicellatis, in racemos elongatos multifloros dispositis: calyce
densissime ferrugineo sericeo, dentato. dentibus lanceolato trian-
gularibus; vexillo extus densissime ferrugineo sericeo; stylo barbato,
ovario ferrugineo sericeo.
Südafrika (Transvaalkolonie): bei Hammanskraal. 1460 m^
Schlechter 4193, bl. 16. L; zwischen Koedoes und Middle Letabariver.
Junod 1554, bl.L; Boshveld, Elandsrivier and Elandsdrift, Rehmann 4927.
Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. 28
426 Hans Schinz.
Die Laubblätter dieser Art sind bis 15 cm lang und bis 10 mm
breit; das auf die Unterseite beschränkte Indument ist, wenn man
die Blätter von der Spitze gegen die Basis zu bestreicht, rauh. Die
Nebenblätter sind + 2 mm lang, Die endständigen, traubigen Blüten-
stände tragen durch + SVs cm lange Internodien getrennte Blüten,
deren Kelch + nim lang ist. Die Kelchzähne sind + 2\^2 mm lang,
die Fahne hat eine Länge von + 1 cm. Die unreifen Hülsen sind
dicht braunrot-, am Rande dunkelbraun-seidig behaart.
Hhynchosia JUehinannii Schinz nov. spec.
Scandens, caule dense hirsuto, viscidulo; foliis longo petiolatis,
3-foliolatis, foliolis rhomboideo-ovatis, basi rotundatis, apice rotundatis
vel subacutis, mucronatis (terminalibus longe petiolatis), supra sparse
hirsutis, subtus ad nervös hirsutis, margine revolutis; stipellis late
lanceolatis vel subovato-lanceolatis, acuminatis; pedunculo elongato,
hirsuto, viscidulo, multiflori; floribus breviter pedicellatis, bracteis
lineare lanceolatis; calyce flavo hirsuto, tubo brevi, dentibus lanceo-
latis, acutis, inter se fere aequalibus, infimo ceteros excedente; coroUa
glabra; ovario dense hirsuto, stylo glabro.
Südafrika (Kapkolonie): Rondebosh, Rehmann 1669; (Trans-
vaalkolonie): Hoggeveld, Standarton, Rehmann 6809.
Laubblattstiel + 2 mm lang, Laubblättchen + 272 cm lang und
+ 2 cm breit, Endblättchen + 10 mm lang gestielt. Die Nebenblätter
haben eine Länge von + 7 und eine Breite von + 4 mm. Die Blüten-
trauben sind + 9 cm lang. Der Kelchtubus misst + 5 mm, die
Kelchzipfel sind 12 mm lang und mindestens 2 mm breit.
Charakteristisch für diese Art ist die stark drüsige Behaarung;
auffallend sind des weitern die breiten Kelchzipfel und die grossen
Blüten, deren Fahnen gestreift sind.
Mhynchosia Totta (Thunb.) DG. var. Fenchelii Schinz
nov. var.
Scandens, caule breviter griseo puberulo; foliis petiolatis, foliolis
anguste lanceolatis, acutis mucronatis, basi rotundatis, utrinque griseo
puberulis; stipulis lineare lanceolatis; racemis axillaribus, 1-vel 2-floris;
floribus pedicellatis; calyce puberulo, dentibus subulato lanceolatis,
acutis; ovario longe hirsuto.
Deutsch-Südwestafrika (Grross-Namaland): Keetmanshoop,
Fenchel 195.
Laubblattstiel bis 7 mm lang, meist aber nur + 3 mm. Spreite
+ 20 mm lang und + 5 mm breit, selten breiter. Der Blütenstand-
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 427
stiel misst bis 15 mm; die Blütenstiele haben eine Länge von + 2'/2 mm.
Die Blüten sind bis 15 mm lang.
Ich war zuerst geneigt, die Pflanze als eine neue Art aufzustellen,
bin aber nach erneuter Untersuchung und Vergleichung mit E.puherula
(Eckl. et Zeyher) Harvey und R. Totta (Thunb.) DC. doch wieder
davon abgekommen. Von R. puberula unterscheidet sie sich durch
die Infloreszenzen, die bei letztgenannter Art kürzer als die Laub-
blätter zu sein pflegen. R. Totta hat entweder kahle oder abstehend
behaarte Laubblätter, auch scheinen die Blüten bei ihr kleiner zu
sein. Eine Entscheidung ist angesichts der grossen Zahl neu be-
schriebener Arten schwierig zu treffen.
Rhynchosia congestiflora Schinz nov. spec.
Suffrutex (?), ramulis volubilibus (?), lignosis, elongatis, superiore
parte velutinis, demum subglabrescentibus et rubiginosis ; foliis petio-
latis, trifoliolatis , foliolis rhomboideo-ovatis, acuminatis, lateralibus
obliquis, basi subcuneatis, utrinque molliter pubescentibus; stipulis
lanceolatis; racemis axillaribus, pedunculatis , congesto multifloris,
puberulis; floribus pedicellatis; calyce velutino, glanduloso, dente
superiore late, apice bifido, lateralibus superiori ca. aequilongis, late
lanceolatis; vexillo extus puberulo, glanduloso, alis basi biappendi-
culatis; ovario velutino hirsuto, glanduloso, stylo glabro.
Deutsch -Südwestafrika (Hereroland): Waterberg, auf dem
Plateau, Dinter 365.
Die + 20 mm lang gestielten Laub blättchen sind bis 40 mm lang
und bis 30 mm breit, die Endblättchen haben Stielchen von + 8 mm
Länge. Die Blütenstiele messen + 3 mm. Der Kelch besteht aus einem
+ 3 mm hohen Tubus und + 3V2 mm langen und + 2 mm breiten
Abschnitten.
RhyncJiosia natuaensis Schinz nov. spec.
Caulibus procumbentibus(r'), canelicnlatis, villosulo pilosis, viscosis;
foliis longe petiolatis, 3-foliolatis , foliolis ovatis vel obovatis, basi
saepe cuneatis, utrinque villosis; racemis axillaribus, pedunculatis,
multifloris; floribus breviter pedicellatis; calyce viscidulo, vexillo
glabro; legumine juniore dense hirsuto et viscidulo,
Deutsch-SUdwestafrlka (Gross-Namaland): an Flussrinnen im
Gebirge südlich von Rehoboth, Fleck 698.
Eine kriechende (?) Pflanze, deren gelbgrüne Stengel mit langen
Haaren, kurzen Samthaaren und kurzen Drüsen besetzt sind. Die von
eiförmig lanzettlichen, spitzen, bis 2 min langen und bis 3 mm breiten
Nebenblättern besetzten Blattstiele sind kantig, + 25 mm lang. Die
428 Hans Schinz.
Spreiten der einzelnen Blättchen sind eiförmig bis verkehrteiförmig,
meist kurz bespitzt, beiderseits + kurz weichbehaart, drüsig und ge-
wimpert. Sie werden von drei vom Grunde an eintretenden, bogig
nach oben verlaufenden Nerven durchzogen, die namentlich auf der
Unterseite deutlich zutage treten. Während die zwei Seitenblättchen
nur 1 — V-k mm lang gestielt sind, besitzen die Endblättchen einen
bis 10 mm langen Stiel. Die Länge der Spreite beträgt durchschnitt-
lich 20 mm, die Breite ca. 15 mm. Die blattachselständigen Blüten-
stände sind ungefähr zweimal länger als die Laubblätter, traubig,
+ 15 blutig und stark drüsig. Die unansehnlichen Tragblätter sind
von lanzettlichem Umriss, + P/a mm lang, d. h. von der Länge der
Blütenstiele. Die Kelchröhre misst + 3 mm, die breit-lanzettlichen
Abschnitte sind + 3 mm lang und spitz. Die Kronblätter sind kahl,
die Fahne zeigt eine deutliche Längsstreifung. Die Hülsen (nur in
unreifem Zustande vorliegend) sind behaart und drüsig.
Rhynchosia (§ Gopisma) Fleckii Schinz ?iov. spec.
Scandens, caule hirsuto; foliis petiolatis, 3-foliolatis, foliolis late
obovatis, basi cuneatis (lateralibus obliquis), apice mucronatis, interdum
emarginatis, utrinque molliter pubescentibus; stipulis lanceolatis; race-
mis axillaribus, pedunculatis, paucifloris; floribus breviter pedicellatis;
calyce dense hirsuto et puberulo; vexillo glabra; ovario et legumine
hirsutis et puberulis.
Südwestafrika (Kalachari): Uschi, Fleck 693.
Schlingpflanze mit im April erscheinenden gelben Blüten. Die
Blattstiele sind + 1 cm lang, die Blättchen bis 25 mm lang und bis
22 mm breit, am Grunde dreinervig. Hülse + 22 mm lang und
+ 8 mm breit.
Bei der grossen Zahl der in den letzten Jahren neu beschriebenen
Arten, die ich allerdings zum grösseren Teil in London und Kew ein-
sehen und mit den von mir als nov. spec. erachteten und diagnosti-
zierten Exemplaren vergleichen konnte, erscheint es vorläufig unmög-
lich, nach den sonst so beliebten „Verwandschaften" zu suchen. Der-
artige Feststellungen erheischen zur Zeit, wenn sie ernst genommen
sein sollen, beinahe für jeden einzelnen Fall, sagen wir für jede arten-
reichere Gattung, eine monographische Bearbeitung.
Rhf/nchosia elegantissima Schi/iz nov. spec.
Scandens; caule sericeo; foliis petiolatis, trifoliolatis, foliolis
brevissime petiolulatis, anguste lanceolatis, basi rotundatis, apice acutis
et breviter aristatis, margine leviter revolutis, supra subsericeis, subtus
dense niveo serieeis, reti nervorum subtus prominulo; stipulis lanceo-
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 429
latis; racemis parvifloris (+ bifloris), axillaribus; floribus pedicellatis ;
bracteis lineari lanceolatis; calyce dense hirsuto tubo brevi, dentibus
subulato lanceolatis, inter se fere aequalibus; corolla glabra, calycem
excedente; ovario niveo sericeo, legumine incano.
Südafrika (Transvaalkolonie): Makapansberge , Streydpoort,
Rehmann 5545.
Die Blattstiele messen + 2 cm, die Spreiten der Blättchen 3 bis
5 cm in der Länge und 2 — 7 mm in der Breite, sie sind oberseits
braun, unterseits silberweiss. Die Länge der Blütenstiele beträgt
13 mm. Der Kelchbecher ist 2V2 — 3 mm lang, der längste Kelchzahn
misst 5 mm, der kürzeste 37^ mm. Die Hülsen sind + 20 mm lang
und + 6 mm breit.
Rhynchosia cinnaniomea Schinz not. spec.
Scandens, caulecinnamomeo hirsuto; folii strifoliolatis, longepetio-
atis, foliolis oblonge ovatis vel ovato lanceolatis, subacutis, mucro-
natis, basi rotundatis vel subcuneatis, utrinque velutinis, reti nervorum
subtus prominulo; stipulis anguste lanceolatis; pedunculo elongato,
5-floro; floribus breviter pedicellatis; bracteis lineari lanceolatis; calyce
hirsuto, dentibus anguste lanceolatis acuminatis; corolla glabra, calycem
excedente; ovario dense hirsuto, stylo glabro; legumen cinnamomeo
hirsuto.
Südafrika (Transvaal kolonie): Im Gebüsch auf dem Magaliis-
berg bei Aapiesrivier, 1600 m. Schlechter 4162, 14. L
Die Pflanze fällt sofort durch die braungelbe, an den Jüngern
Trieben fast fuchsige Behaarung auf. Die Laubblätter sind bis 25 mm
lang gestielt, die Blättchen sind bis 35 mm lang und bis 15 mm breit,
das Endblättchen ist + 8 mm lang gestielt. Die Blütenstände haben
eine Länge von bis 10 cm, die einzelnen Blütenstiele eine solche von
+ 3 mm. Der Kelchbecher ist 3—4 mm, die Kelchzipfel sind + 5 mm
und das Schiffchen ist 10 mm lang.
Die Art scheint an den Formenkreis der F. Totta (Thunb.) DC.
anzuklingen, an der oben erwähnten Behaarung ist sie unschwer zu
erkennen.
Dichilns pilosus Conrafh ined. nov. spec.
Villosus; foliis oblonge obovatis, mucronatis, subtus villosis, supra
subglabris, petiolatis; calyce profunde bilabiato, alis breviore, villoso,
dentibus lineare lanceolatis.
Südafrika (Transvaalkolonie):
Eine, mit Ausnahme der Kronblätter und des Staubblattapparates,
durchwegs mit langen, weichen, weissen Seidenhaaren besetzte Pflanze
430 Haus Schinz.
mit 6 — 7 mm lang gestielten, fingerig dreizähligen Laubblättern. Die
meist gefalteten, länglich verkehrteiförmigen Blättchen sind bis 12 mm
lang und + 5 mm breit, unterseits lang behaart, oberseits fast kahl
und von einer kleinen, unscheinbaren Weichstachelspitze überragt. Die
entweder einzeln oder auf gemeinsamem Blütenstandstiel zu zweien
blattachselständigen Blüten sind + 2V2 mm lang gestielt. Die weit-
trichterförmige Kelchröhre ist + 2 mm hoch und trägt zwei 4 — 5 mm
lange Lippen, die zwei- bezw. dreiteilig sind, die Lippen schnitte sind
pfriemlich-lanzettlich. Die Flügel überragen den Kelch um IV2 mm.
Die 4- höckerigen Hülsen sind weich behaart und 20 — 25 mm lang
und + 3 mm breit.
Die Behaarung ist so eigenartig, dass diese Art unschwer von
den übrigen wenigen bis jetzt beschriebenen Dichüus -Arten unter-
schieden werden kann. Der Sammler, Herr Conrath, ein vorzüglicher
Kenner der Transvaalflora, hat die Spezies pilosus genannt und ich
habe mir erlaubt, diesen Manuskriptnamen beizubehalten.
Caesalpinia obovata Schinz nov. spec.
Frutex, ramulis junioribus dense glanduliferis, adultis glabrescenti-
bus; foliis pinnatis, breviter petiolatis, 3-jugis, foliolis subsessilibus,
glabris, obovatis, basi cuneatis, saepe obliquis, apice truncatis vel
emarginatis; racemis terminalibus, plurifloris, glandulosis; receptaculo
oblique campanulato, uti sepala extus glanduloso, intus glabro, petalis 5.
inaequalibus , oblongis, late unguiculatis, glabris; legumine oblonge,
piano, purpurascente, glanduloso.
Deutsch-Südwestafrika (Gross-Namaland): Inachabberg, Dinter
1169, bl. XIL
Ein 2 — 2V2 m hoher Strauch mit auffallend roten Zweigen. Die
jungen Triebe sind dicht mit langen, tentakelartigen, groben Drüsen
besetzt, welche Anhängsel sich auch auf den Blattstielen, den Blüten-
stielen, dem Kelch und auf den jungen Hülsen finden. Diese Drüsen
bestehen aus einem massiven, vielzelligen, von ein oder wenigen langen,
als mechanische Verstärkung dienenden Bastzellen durchzogenen Stiel
und einem vielzelligen, roten Kopfe. Die Laubblätter sind sehr kurz-
gestielt, einfachpaarig gefiedert. Die zu vier oder sechs vorhandenen
Blättchen sind paarweise durch Rhachiszwischenräume von 2 mm von-
einander getrennt, von verkehrteiförmigem Umriss, abgerundet oder
seicht ausgerandet, oberwärts am Rande rötlich und häufig pubes-
zierend, am Grunde keilförmig, drüsenlos, lederig und + 5 mm lang
und bis 5 mm breit. Die Zweigstipein sind kurz, dornig stechend,
leicht abbrechend, an der Rhachis pfriemlich. Die Blütenstände sind
4 — 5 cm lang. Die Blütenstiele erreichen eine Länge von 7 mm und sind
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 431
dicht mit gestielten Drüsententakeln besetzt. Die Kelchröhre und der
helmförmige Kelehabschnitt sind stark-, die übrigen Kelchabschnitte
etwas schwächer drüsig. Die zwei seitlichen Abschnitte sind schmal;
zur Zeit der Bestäubung lösen sich die Abschnitte vom Kelchtubus
durch einen scharfen Kreisschnitt los. Die Fetalen, von denen zwei
in der Knospe im helmförmigen Kelchabschnitt geborgen sind, sind
verkehrteiförmig, keilförmig in den Nagel verschmälert, kahl. Das
vordere Kronblatt ist + 8 mm lang und + ^ nim breit, die seitlichen
messen 5 mm in der Länge und 2 mm in der Breite. Staubblätter 10,
die Staubfäden unterwärts breit und flaumig behaart, oberwärts kahl
und fädlich. Die Hülsen sind flach, blutrot und stark drüsig.
Ich bin zuerst, namentlich auf Grund der einfach gefiederten
Laubblätter, versucht gewesen, die oben beschriebene Pflanze zum
Typus einer neuen Gattung zu machen, durch ein erneutes Studium
der in Frage kommenden Genera in den Sammlungen Kew's und des
britischen Museums bin ich von diesem Gedanken wieder abgekommen
und belasse die seltsame Fflanze bei der Gattung Caesalpmia, mit
der sie in mehrfacher Hinsicht Übereinstimmung zeigt, wie auch in
dem eigenartigen Verhalten des Kelches, indem nach stattgehabter
Anthese die Kelchabschnitte sich durch einen scharfen, etwas schief
verlaufenden Kreisschnitt vom stehenbleibenden Kelchtubus loslösen.
Die Gattung Mezoneurum, die übrigens auch doppelt gefiederte Laub-
blätter besitzt, hat einkantig geflügelte Hülsen.
RuMaceae.
Hans Schitiz (Zürich).
Oldenlanclia Junodii Schinz nov. spec.
Herba probabiliter perennis, basi sublignosa, caulibus gracilibus,
ramosissimis, glabris, tetragonis; foliis petiolatis, rotundato ovatis,
acutis vel mucronatis; stipulis vaginatis setulosis; floribus pedicellatis;
sepalis glabris, acutis; corolla calycem 2-plo superante, lobis acutis,
glabris; staminibus apicem loborum attingentibus; ovario glabro.
Südafrika (Transvaalkolonie): Mount Mamotsuiri, 1500 bis
1700 m, Junod 2007.
Der an den Knoten wurzelnde Stengel ist kantig und kahl und
trägt mit breitem, kurzem Blattstiel versehene, rundlicheiförmige bis
eiförmig breitelliptische, abgerundete bis bespitzte, unterseits kahle,
oberseits und am Rande mit kurzen breiten Haaren versehene Laub-
blätter von + 4 mm Länge und + 3 mm Breite. Die meist achsel-
ständigen Blütenstiele sind + 2V2 lang. Die trichterförmige Kelch-
432 Hans Schinz.
röhre hat eine Lauge von 3—4 mm; die vier Abschnitte sind eiförmig
lanzettlich, spitz bis bespitzt, kahl und + 2 mm lang. Die + 4 mm
lange Kronröhre ist unterwärts streng zylindrisch, oberwärts etwas
erweitert und trägt länglich eiförmige, stumpfe, + 3 mm lange und
2 mm breite Saumlappen. Die mit + 1 V2 mm langen Staubfäden ver-
sehenen Antheren ragen aus dem Schlund heraus, so dass die Spitzen
der IV2 mm langen Staubbeutel die Spitzen der Kronlappen erreichen.
Der Fruchtknoten ist behaart, die Narbe ist kurz zweilappig.
Oldenlandia Schlechteri Schinz nov. spec.
Herba probabiliter annua, humilis; caule parce ramoso anguloso,.
papilloso hispido; foliis late ovatis, petiolatis, supra scabridis^, papillis
hyalinis subtus in nervo mediano inspersa; vagina stipulari membra-
nacea hyalina, setis 3 — 4 vaginam aequantibus vel duplo et ultra
superantibus, foliformibus ornata; floribus pedicellatis; ovarii sub-
globoso scabrido; sepalis acutis scabridis; corolla 5-plo calycem
superante, in 4 lobos divisa, papilloso hispida, staminibus inclusis,
filamentis brevibus.
Südafrika (Transvaalkolonie): Krantzkloof, 1500 m. Schlechter
3196, 13. IX. 1893.
Eine zarte, krautige Pflanze mit behaarten Stengeln und breit-
eiförmigen, spitzen, selten stumpfen, bis 12 mm langen und bis 8 mm
breiten Laubblättern, die oberseits und unterseits auf dem Mittel-
nerven die für zahlreiche Oldenlandien charakteristischen Haare tragen.
Die Nebenblätter sind zu einer vielfransigen Scheide verwachsen, die
einzelnen Fransen sind sehr zierlich fein kurz gefiedert. Die 3 bis
4 mm langen Blüten haben einen behaarten Kelch mit vier spitzen,
+ 2 mm langen Abschnitten. Die auf der Aussenseite behaarte Krone
besteht aus einer 7 bis 8 mm langen Röhre und + 3V2 mm langen
Saumlappen. Die sitzenden Staubbeutel sind etwas unterhalb der
Saumbuchten inseriert, so dass die Staubbeutelspitzen zur Not noch
aus der Kronröhre hervorgucken. Der Griffel ist kürzer als die Kron-
röhre und erreicht daher die Staubbeutel nicht.
Nur nach der Tracht zu urteilen, möchte man fast vermuten, es
liege hier eine Schattenform der oben beschriebenen 0. Junodii vor^
dagegen spricht aber nicht nur die auffallende Behaarung, sondern
sprechen noch mehr die erwähnten morphologischen Unterschiede, wie
Fehlen der Staubfäden und die eigenartige Ausgestaltung der Stipeln.
Beide Arten erinnern gewissermassen an 0. irinerma Retz., eine Art,
die ausgezeichnet ist durch kurze Kronröhren.
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI.) 433
Cucurbitaceae.
Alfred Cognianx (Nivelles).
Coccinia parvifoUa Cogn. nov. spec.
Foliis brevissime petiolatis, eglandulosis, indivisis, anguste cordato-
ovatis interdum subpanduriformibus, basi piofundiuscule emarginatis,
apice obtusis, margine remotiuscule acuteque dentatis, supra tenuiter
calloso-scabris, subtus brevissime subsparseque hirtellis; cirrhis simpli-
cibus; racemis masculis 3 — 5-floris, foliis circiter aequilongis; calyce
subtiliter puberulo, dentibus brevibus, anguste triangularibus.
Rami gracillimi , sulcati, brevissime sparseque pubescenti-scabri-
usculi. Petiolus gracilis, subtiliter puberulus, 3 — 8 mm longus. Folia
submembranacea, supra intense viridia et albo-punctata, subtus paulo
pallidiora, 4 — 5V2 cm longa, 3 — SV.^ cm lata. Cirrhi filiformes, vix
pilosuli. Pedunculi masculi saepissime geminati, filiformes, sulcati, vix
pilosuli, inaequales, brevior uniflorus 4 — 3 cm longus, longior pluri-
florus 4 — 5 cm longus; pedicelli capillares, 4 — 10 mm longi. Calyx
late cyathiformis, tubo apice 4—5 mm lato, dentibus 1^/2 — 2 mm longis.
CoroUa brevissime pubescens, 5 — 6 mm longa. Flores feminei et fructus
ignoti. — Affinis Cocciniae senensis Cogn.
Südafrika (Transvaalkolonie): Mount Marovounge, Junod 2491.
2. Beiträge zur Kenntnis der Schweizerflora (VIII).
1. Beiträge zur Adventivflora der Schweiz
von
A. Thellung (Zürich).
Die folgende Aufzählung enthält eine Zusammenstellung der sämt-
lichen mir bekannt gewordenen, seit dem Erscheinen der zweiten
Auflage der „Flora der Schweiz" von Seh in z und Keller (1905)
gemachten Funde neuer adventiver Arten im Gebiete der
Schweizerflora, ferner eine Auswahl neuer Standorte seltener und
kritischer Adventivpflanzen, endlich die in der Schweiz selbst nicht
nachgewiesenen adventiven Arten der Grenzgebiete der Schweizer-
flora (französisches Gebiet um Genf, Elsass und Baden im Gebiet der
Flora von Basel, Bodenseegebiet, Vorarlberg, Veltlin, Comer- und
Langensee etc.), deren Florenbestand in Zukunft in der „Flora der
Schweiz" berücksichtigt werden soll.
Als Quellen haben mir hauptsächlich gedient: die Herbarien der
Herren Dr. A. Binz-Basel, H. Lüscher-Solothurn, Dr. 0. Naegeli-
Zürich, Dr. R. Prob st- Langendorf, W. Werndli-Zürich, die mir ihre
neuen Funde in zuvorkommender Weise zur Bestimmung bezw. Revision
und Publikation zur Verfügung gestellt haben, ferner zufällige Beob-
achtungen noch nicht publizierter Vorkommnisse in den Herbarien
der Universität und des Polytechnikums in Zürich (hauptsächlich
Funde der Herren J. Bär, Branger, Bucher, Schnyder, Dr. Sul-
ger-Buel, Vetter) und eigene Funde, endlich folgende Publikationen:
Lüscher, H., Nachtrag zur Flora des Kant. Solothurn (Grenchen 1904).
Probst, Dr. R. , Beitrag zur Flora von Solothurn') und Umgebung
(Mitteil. d. Naturf. Ges. Soloth., 2. Heft [XIV. Bericht], 1902—04
[Sep. 1904]).
Binz, Dr. A., Flora von Basel und Umgebung, 2. Aufl. (1905).
') Unstreitig die an Adventivpflanzen i-eichste Lokalität der Schweizerflora war
in den letzten Jahren die , Turnschanze " in Solothurn, eine Aufschüttung, zu der
nach Mitteilung von Dr. Probst als Material häufig Abfälle aus der benachbarten
Malzfabrik verwendet werden. Der evidente Rückgang der zürcherischen Adventiv-
flora etwa seit 1904 dürfte wohl mit der Einrichtung einer Kehrichtverbrennungs-
anstalt in Zusammenhang zu bringen sein.
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 4S5
Den genannten Herren, sowie den Direktoren der beiden erwähnten
zürcherischen Museen, meinen verehrten Lehrern Prof. Dr. Hans
Schinz und Prof. Dr. C. Schröter, sei für die gütige Erlaubnis zur
Publikation der interessanten Befunde in ihren Herbarien auch an
dieser Stelle mein wärmster Dank ausgesprochen.
Zürich, im Oktober 1907.
Die für das Gebiet neuen Arten sind fett gedruckt. Mit einem
Stern (*) sind diejenigen Spezies bezeichnet, die in Höcks Zusammen-
stellung , Ankömmlinge in der Pflanzenwelt Mitteleuropas während
des letzten halben Jahrhunderts" X (Zusammenfassung) in Beih. Bot.
Zentralbl. XVHI 2. Abt. (1905) noch nicht genannt sind und auch in
Kochs Synopsis ed. 2 (1843—45) fehlen, die also seit 1905 für das
Gebiet der mitteleuropäischen Flora neu sein dürften.
*Andropof/on sericeus JR. Br. (Austral., N. Caled., Philippinen).
— Kammgarnfabrik Derendingen bei Solothurn (australische
Schafwolle), 1907, Probst!
* JEriochloa 27nnct€ita (L.) Hamilton det. Hackel (in den wärmeren
Zonen verbreitet). — Ebenda, 1907, Probst!
*Eriochloa acrotvicha (Steudel) Hackel teste Hackel (Heiopus
acrotrichus Steudel; trop. Afr., As., Austral.). — Derendingen
bei Solothurn, auf Kompost bei der Kammgarnspinnerei (Abfälle
aus australischer Schafwolle), 1906—7, Probst!
Panicum jyvoliferinn Lam. (Trop.) var. "^ deconipositwni (R. Br.
pro spec. Austral.). — Mit der vorigen Art, 1906—7, Probst!
*Panicum gracile R. Br. det. Hackel (Austral.). — Ebenda, 1907,
Probst!
Phalaris paradoxa L. (Medit.). — Zuchwilstrasse bei Solothurn,
1904, Probst!; Turnschanze Solothurn, 1905, Probst!, Binz!,
1905 — 6 Lüscher!; Malzfabrik Solothurn, 1905, Lüscher!; Solo-
thurn beim Baseltor, 1907, Probst!; Kiesgrube im Hard Zürich HI,
1907. Thellung.
Phalaris truncata Guss. (Medit.). — Kiesgrube beim Hardplatz
in Zürich III, 1902, Thellung (in der Ruderal- u. Adventivfl. d.
Kt. Zürich [1905], 15 irrig als Ph. brachystachys publiziert);
Biberiststrasse und Turnschanze in Solothurn, 1904, Probst!,
1905, Lüscher!
*Cornucopiae cucullattnn L. (Griech. Inseln, SVV.-As.). — Turn-
schanze Solothurn, 1906, Probst!
Phleum subidahim (Savi) A. u. G. (Medit.). — Turnschanze u. Biberist-
str. in Solothurn, 1904-6, Probst!, 1905, Binz!, 1905-6 Lüscher
43Ü Hans Schinz.
— var. *ciliatum (Boiss.) A. u. G. (Hüllspelzen auf dem Kiel bewimpert^
oft länger und schmäler als beim Typus, Ahrenrispe oft dicker.
— O.-Medit.). — Kiesgrube beim Hardplatz Zürich III, 1902,
Thellung (= Phl. graecum x subulatum Yolkart! in Naegeli und
Thellung, Rud.- u. Adventivfl. d. Kt. Zürich [1905], 15); Turn-
schanze Solothurn, 1906, Lüscher!, Probst! An beiden Orten
mit Phl. graecum und subulatum, so dass der Gedanke an einen
hybriden Ursprung der fraglichen Form ziemlich nahe lag.')
Phleum, graecum Boiss. u. Heldr. (O.-Medit.). — Turnschanze Solo-
thurn, 1904—6, Probst!; Buchs, 1906, Schnyder!
Alopecurus j^ratensis L. ssp. ventrieosus (Pers. pro spec.) Thell.
(A. arundinaceus Poir,; A. nigricans Hornem.; A. pratensis
X agrestis Brügger! in Jahresber. d. Naturf. Ges. Graub. XXIII^
XXIV. (für 1878—80) (1881), 120; A. turicensis Brügger! 1. c.
XXV (1882), 111—2 2); ^ myosuroides x pratensis A. u. G. Syn.
II, 140 (1898). - Frankr., K- u. O.-Eur., W.- u. Zentr.-As., Alger.)
var. exserens (Griseb.) A. u. G. — Wiese beim Seefeld Zürich,
1848, C. Gramer!; Zürichhorn [sechziger Jahre], Lutz!; Seeufer
(Phragmitetum) beim Venedigli in Enge-Zürich, 1866, Brügger!
(A. turicensis Brügger!); Au bei Ossingen (Zürich), trockene
Riedtwiesen, 1907, H. Freitag- Ossingen!; Kanton Schaff hausen :.
Wiesen beim Bargamer (?) Hof, beim Schlauch und bei Meris-
hausen, 1861, Schalch!, Schieitheim (gemischt mit A. pratensis!)^
Vetter!; Kunstwiesen beim Bahnhof Aarburg, 1869, Jäggü;
Wauwyl, 1859, Siegfried!; La Brevine (Neuenburger Jura)^
1854, Herb. Favrat!; Sion, 1888, F. 0. Wolf!, 1892 Jaccard
und Wolf! — Das Vorkommen des A. ventrieosus an natürlichen
Standorten, wie Seeufern, in schon relativ früher Zeit lässt bei-
nahe die Vermutung aufkommen, dass die Pflanze bei uns als
ursprünglich wild zu betrachten sein dürfte, umsomehr, da,
wie mir Dr. A. Volkart-Zürich mitteilt, sich unter den von ihm
in der Schweizerischen Samenkontrollanstalt untersuchten Mustern
von Haudelssaat des A. pratensis keine Ährchen von der Form
des A. ventrieosus vorfanden und auch früher nie solche beob-
M Die Durchsicht eines reichlichen Herbarmaterials von Phl. subulatum (im
Herb. Berol.) hat mich gelehrt, dass diese Art im Orient nicht selten etwas in der
Richtung gegen Ph. graecum abändert, ohne dass jedoch der Rahmen der Art über-
schritten würde.
^) Es handelt sich um eine auffallend schlankährige Form des A. ventrieosus
Brügger hebt richtig einige Unterschiede seiner Pflanze gegenüber A. pratensis
hervor, z. B. die kleineren, nur 4 mm langen Ährchen; dass jedoch die Form der
Hüllspelzen die von A. agrestis wäre, wie Brügger angibt, trifft keineswegs zu,
vielmehr unterscheiden die auswärts gebogenen Spitzen der Hüllspelzen den angeb-
lichen Bastard sehr scharf von den präsumierten Stammarten.
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 437
achtet wurden, so dass eine Verschleppung mit Grassamen nicht
ohne weiteres anzunehmen ist. — Ausser den oben aufgezählten
Vorkommnissen — die Zahl derselben wird sich durch die Durch-
sicht weiterer Herbarien unschwer vergrössern lassen — traf ich
auch Übergangsformen zu A. pratensis, z. B.: Ermatingen, auf
Wiesen am See, 1904, und am Grenzbach ob Tägerwilen, auf
schweizerischem und deutschem Gebiet, 1907, E. Baumann!
(aus diesem Gebiet ist weder reiner A. pratensis noch der echte
A. ventricosus bekannt). Der einzige konstante Unterschied
zwischen A. pratensis L. und A. ventricosus Pers. besteht in der
Form der Hüllspelzen ^), deren Spitzen bei A. pratensis gerade vor-
gestreckt, bei A. ventricosus + stark auswärts gebogen sind;
auch dieses Merkmal ist mehr gradueller als prinzipieller Natur
und reicht bei dem mir vorliegenden Material zu einer spezifischen
Scheidung nicht aus, so dass ich, im Gegensatz zu Ascherson
& Graebner, zu der Auffassung des A. ventricosus Pers.
als einer Subspezies von A. pratensis L. gedrängt werde,
im Gegensatz auch zu Kupffer"^), der die Ansicht vertritt, die
von den Floristen erwähnten Übergangsformen zwischen den zwei
genannten Arten seien als an dem mischkörnigen Pollen leicht
erkenntliche Hybride und Rückkreuzungen mit den Stammarten
zu deuten.
Wie dem auch sei, auf jeden Fall möchte ich die Aufmerk-
samkeit der schweizerischen Floristen auf diese bisher verkannte
Alopecurus-Sippe gelenkt haben, in der Hoffnung, dass weitere
Nachforschungen in der Natur und in den Herbarien Beiträge
zur Lösung der Frage des Indigenates und der spezifischen Selb-
ständigkeit des A. ventricosus liefern dürften.
Alopecurus utricidatns (L.) Solander (W.-, Zentr.-'U. S.-Eur., Kl. -As.,
Alger.). — Solothurn, Vorstadt beim Transformatorenhaus, 1907,
Probst!
Polifpogon niaritinius Willd. (Medit., W.-Eur.; von P. nionspe-
liensis (L.) Desf. wohl nicht spezifisch verschieden). — Frontenex
bei Genf: Ronie nachSchmidely in Bull. Soc. bot. Geneve 111(1884).
150; Turnschanze Solothurn (mit P. monspeliensis), 1900, Probst!
Avena sterilis L. (Medit.). — Güterbahnhof Zürich und Umgebung
mehrfach, 1902 — 5, Naegelil, Thellung: Turnschanze Solothurn,
1906, Lüscher!
*) Dass die Insertion <ier Granne zur riitersclieiduuLr unzuverlässig^ ist, hel)t
neuerdintrs Kupffer (Allg. Bot. Zeitschr. XI. rUK).5), Xo. li!. S. 199 mit Xachdruck
hervor, und kann ich nach meinen eigenen Untersuchungen nur bestätigen.
2) Allg. Bot. Zeitschr. XI (19(i.ö), No. \'-2, S. 199 und Xil (I90(i). Xo. -J. S. 28
438 Hans Schinz.
Chlovis truncata R. Br. (wärmere Gebiete der Alten und Neuen
Welt). — Kammgarnfabrik Derendingen bei Solothurn, mit
australischer Schafwolle eingeschleppt, 1906—7, Probst!
*Chloris ventricosa R. Br. (Austral.). — Mit der vorigen Art,
1906—7, Probst!
Dactylocteniuni aegyptiuni (L.) Richter (D. aegyptiacum Willd..
Kosmopolit der wärmeren Gegenden) var. radulans (R. Br.) Hackel
comb. nov. (Eleusine radulans R. Br., Austral.). — Kammgarn-
fabrik Derendingen bei Solothurn (australische Schafwolle), 1907.
Probst! (det. Hackel).
* Leptochloa chinensis (L.) Nees teste Hackel (trop. As., Austral.).
— Wie die vorige Art, 1906—7, Probst!
Diplachne fiisca (L.) Pal. (trop. Afr., As., Austral.). — Mit der
vorigen Art, 1906 — 7, Probst!; z. T. in einer Var. lutescens
Probst u. Thell. var. nov. (spiculis flavescenti-viridibus), mit gelb-
grünen Ährchen.
Eragt'ostis abyssinica (Jacq.) Link (trop. Afr.). — Sihlkanal
Zürich, 1902, Naegeli, Thellung (= „E. cf. tenuiflora Rupr. \
Naeg. u. Thell. Rud.- u. Advfl. d. Kt. Zürich [1905], 18).
Eragrostis pilosa (L.) Pal., eine exotische, nicht näher benennbare
Form (Hackel): Kammgarnfabrik Derendingen bei Solothurn
(australische Schafwolle), 1907, Probst!
ssp. Damiensiana (Bonnet) Thell. comb. nov. (E. pilosa a Moritzi) Fl. d.
Schweiz (1844), 601 excl. syn. Cav.^); E. pilosa var., Cosson et
Balansa! Congr. intern, bot. (1867), 117; E. inconspicua hört.
Paris, ex Coss. et Bai. 1. c. 118 [in syn.]; E. pilosa var. glabra
Ducommun Taschenb. f. d. Schweiz. Bot. (1869) 872 2); E. pilosa
var. Damiensiana E. Bonnet! in Soc. Dauph. 1881 n. 3100 [exsicc.
sine descr.] et in Le Naturaliste 3" anne'e [1881] No. 52, 15 mai,
p. 412 — 15; E. Damiensiana E. Bonnet ibid. in textu [pro syn.];
E. pilosa var. condensata Hackel ! in Allg. bot. Zeitschr. VH [1901], 13
ex exsicc: Kneucker Gram. exs. IV, 1901, n. 115). Laubblätter
völlig kahl (auch an der Scheidenmündung), ebenso die Rispen-
äste an ihrem Grunde ohne lange Haare ; Ährchen kürzer gestielt,
der Stiel des vorletzten eines jeden Astes nur etwa 1 mm (statt
') Moritzi (l. c.) beschreibt seine Varietät folgendermassen: \i'>. pilo.m
Beauv. — a Mit ganz unbehaarten Blattscheiden. Bei Genf. Poa verticillata Cav." ;
die Pflanze Cavanilles' (Je. I [179l[, 6.3 t. 93!) ist jedoch typische E. pilosa! Als
Typus von Moritzis Varietät glaube ich die von Ayasse „aux Tranchees* in
Genf gefundene Pflanze betrachten zu dürfen.
'■*) Ducommun bezieht sich auf die eben erwähnte Pflanze Moritzis.
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 439
mindestens 2) lang; Deckspelze sehr spitz oder fein zugespitzt, mit
geraden oder etwas konkaven Seitenrändern (statt stumpf oder
spitzlich mit + deutlich konvexen Rändern); Blüten meist etwas
länger und von der Axe mehr abstehend. — Ich sah Exemplare
dieser Unterart (ausser den gleich zu erwähnenden, wohl adven-
tiven europäischen Vorkommnissen) aus Ostasien (Japan: Yoko-
hama!; Ussurü), sowie aus Brasilien (Prov. Rio de Janeiro:
Theresopolis!, wo die Pflanze indessen wohl eingeschleppt sein
dürfte). — In Europa vertreten durch die var. condensata (Hackel)
Thell. comb. nov. (E. pilosa var. condensata Hackel 1. c. sens.
strict, ex descr. ^); E, caroliniana Aschers. & Graebner Syn. II,
374 [1900] saltem ex p., quoad loc. Dresden! et Breslau! et
versim. etiani Berlin'-^) — non Scribner): Rispenäste meist zu
1 — 2, selten 3 (statt 3 — 5), fast vom Grunde an mit kurzgestielten
Ahrchen besetzt, Rispe daher viel dichter erscheinend als beim
Typus der E. pilosa und bei manchen ostasiatischen Formen der
ssp. Damiensiana, wo die Rispenäste meist erst von der Mitte
oder vom unteren Drittel an mit mehr locker gestellten Ahrchen
besetzt sind. — Diese Varietät war bis jetzt nur als Unkraut
in botanischen Gärten^) (Paris!, Karlsruhe!, Dresden!, Breslau!,
Berlin?) bekannt, was einen exotischen Ursprung vermuten lässt;
ich glaube seinerzeit im Berliner Herbar eine ähnliche oder iden-
tische Form auch aus Ostasien gesehen zu haben. In mancher
Hinsicht (so durch die etwas grösseren Blüten) nähert sie sich
der nordamerikanischen E. Purshii (Beruh.) Schrader (E. caro-
liniana Scribner), für die sie denn auch von manchen deutschen
Floristen gehalten worden ist (so gehören die von A. u. G. zu
E. caroliniana gezogenen Pflanzen von Dresden und Breslau ent-
schieden zu E. Damiensiana), von der sie sich jedoch, wie der
Typus der E. pilosa, durch die sehr ungleichen, zarthäutigen
Hüllspelzen und die nur schwach- (nicht stark kantig) vorsprin-
genden Seitennerven der Deckspelzen unterscheidet ; des Ferneren
weist E. Purshii, wie E. pilosa typica, konvexränderige Deck-
spelzen auf und ist namentlich durch dieses Merkmal von E.
') Hacke! macht (1. c, 1901) bei der Beschreibung seiner Var. hauptsächUch
auf den von E. pilosa abweichenden Bau der Rispe, Bonnet dagegen bei der Auf-
stellung der Var. Damiensiana (1881) auf die kahle Blattscheidenmündung und die
Form der Deckspelzen aufmerksam: die Originalexsikkaten beider Varietäten sind
jedoch völlig identisch !
') Das Unkraut im alten Berliner botanischen Garten, das ich seinerzeit an
Ort und Stelle sah. gehört, soviel ich mich erinnere, ebenfalls zu E. Damiensiana :
leider liegt mir jedoch zur Zeit kein Beleg dafür vor.
') Oft zusammen mit Euphorbia maculata L. und humifusa Willd.
440 Hans Schinz.
Damiensiana relativ leicht zu trennen.*) — Geneve, les Tranchees
[nicht sehr weit vom alten botanischen Garten entfernt!], 1866,
Ayasse!; Strassenpflaster in Aarau (Buchdruckerei Sauerländer,
Laurenzenvorstadt), 1888, Lüscher!; Locarno, bei der Post,
1903, J. Bär!
"^Eragrostis zeylanica Nees u. Meyen det. Hackel (nach Stapf in
Hooker Fl. Brit. Ind. nicht verschieden von der indisch- australischen
E. elongata [Willd.] Jacq.). — Kammgarnfabrik Derendingen bei
Solothurn (australische Schafwolle), 1907, Probst!
Vulpia ciliata (Danthoine) Link (V. Danthonii [A. u. G.] Volkart;
Medit., selten bei Genf) var. imberbis (Vis.), Spelzen fast oder
völlig kahl. — Ebenda, 1907, Probst!
Brotnus macrostachys Desf. (Medit.). — Solothurn bei der Malz-
fabrik und Vorstadt beim Transformatorenhaus, 1907, Probst!
Bro7niis scoparius L. (Medit.). — Turnschanze Solothurn, 1905,
Lüscher!, Probst!
Bi^ofnus arve?isis L. var. splendens (Velen.) A. u. G. (SO.-Eur.). —
Turnschanze Solothurn^ 1905, Probst!
Bronms unioloides (Willd.) Humb. Bonpl. u. Kunth (S.-Am.). —
Ruchfeld bei Basel, 1903, zwischen St. Jakob und „Neue Welt",
1903: Binz, Fl. Basel, 2. Aufl. (1905), 39; Kornhaus am Sihlquai
Zürich III, 1907, Thellung.
Lolium temulentum L. var. macrochaetoji A. Br. subvar. laeve Thell.
n. var., caule laevissimo (Stengel völlig glatt). — Malzfabrik Solo-
thurn, 1905, Lüscher!; Turnschanze Solothurn, 1905, Probst!
LeiHtirus filifovmis (Roth) Trin. (Küstenländer von Eur., N.-Afr.,
SW.-As.). — Güterbahnhof Zürich, 1905, Naegeli!
Agropyruni intermedimn (Host) Pal. ssp. trichophorum (Link)
Volkart {A. Savignonii De Not.; SO.-Eur., SW.-As.). — Schmeizi
ob Grenchen (Kt. Solothurn), 1906, Lüscher!
Triticum ovatum (L.) Gren. u. Godron (Medit.). — Zuzgen (Kt. Aar-
gau): Lüscher nach Binz, Fl. Basel, ed. 2 (1905), 41.
— ssp. triaristatum (Willd.). — Basel: St. Margrethenstrasse (Bahn-
linie), 1902: Binz, Fl. Basel, ed. 2 (1905), 41.
Triticum cylindricum (Host) Ces. Pass. u. Gib. (SO.-Eur., SW.-As.,
N.-Afr.). — Ruchfeld bei Basel, 1903: Binz, Fl. Basel, ed. 2
(1905), 41; St. Margrethenstrasse, 1906, Binz!
— var. hirsutum Binz n. var. (in litt.): rhachidis articulis et glumis
') Ich möchte beinahe behaupten, E. Damiensian;i sei von E. pilosa mindestens
so scharf geschieden wie E. Purshii, da die zwei letztgenannten Arten oft recht
schwer auseinanderzuhaUen sind, so dass man an ihrer spezifischen Selbständigkeit
zu zweifeln geneigt ist.
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 441
• ad nervös dense hirsuto-villosis. Glieder der Ährenspindel und
Hüllspelzen auf den Nerven dicht behaart. — Basel: St. Mar-
grethenstrasse (Bahnlinie), 1902, Binz!
Triticum sjyeltoüles (Tausch) Gren. (SW.-As.). — Jabergbrücke
bei Kiesen bei Bern, 1903, Wicki!
Hordeum marinuni Hudson 1778 (H. maritimum With.'); Medit.,
W,-Eur.) ssp. Gussoneanum (Pari, pro spec.) Thell. (S.-Eur.,
Ungarn). — Bahnhof Zürich, 1903, Thellung; Turnschanze
Solothurn, 1904, Probst! An beiden Fundorten mit dem Typus
der Art, aber später blühend. — Solothurn, Vorstadt beim Trans-
formatorenhaus, 1907, Probst!; Damm der Verbindungsbahn in
Basel, 1907, P. Vosseier! (Herb. Binz).
Mordeuni Jubatnni L. (N.- u. S.-Am., Sibir.). — Samaden, auf
Schutt, 1906, Candrian!
Dracunciilus vulgaris Schott (S.-Eur. [schon Tessin], Kl.-As.), —
In Weinbergen zwischen Zollikon und Herrliberg (Kt. Zürich):
Schinz (niscr.).
Juncus tenuis Willd. (Am.). — Kreis Konstanz: Waldwege bei Mark-
dorf (Gehrenberg) und zwischen Riedheim und Raderach stellen-
weise zahlreich: Th. Linder in Mitteil. d. Bad. bot. Ver. No. 222/3
(Nov. 1907), 167.
Ornithogalutti narhotiense L. (Medit.). — Orbe, dans un pre:
G. Gaillard 1905 nach Beauverd in Bull. Herb. Boiss. 2. ser.
VI (1906), 973; ebenda, 1906, W. Barbey!
Sisyi^inchium migustifoUum Miller (N.-Am.). — Bellach bei Solo-
thurn (Bahndamm), 1905, Probst!, 1906 Lüscher!
JSroussonetia papyriferci (L.) Vent. (China, Japan, malay. Ins.).
— Tessin-Korrektionen bei Bellinzona, in Menge verwildert, 1907:
Albisetti nach Schröter.
Humiilus Jajyonicus Sieb. u. Zucc. (China, Japan). — Kiesgrube
Hardau in Zürich III, 1905, Bucher!, 1907 Thellung.
Runiex dotnesticus Hartm. (N.-Bur., N.-As., N.-Am.). — Buchs
(St. Gallen), auf Schutt, 1907, Schnyder!
*Miiniex Brownii Campd. (Austral.). — Kammgarnfabrik Deren-
dingen bei Solothurn (australische Schafwolle), 1907, Probst!
— Wurde auch schon in Südfrankreich bei Montpellier gefunden.
') Bot. Arr. Brit. pl. ed. il (1787), X^il (nach freundlicher Mitteilung von Dr.
E. Janchen-Wien): nach einer mir gütigst zur Verfügnng gestellten Mitteilung von
Herrn J. Britten- London an meinen Chef Herrn Prof. Dr. Hans Schinz findet sich
diese Art nicht, wie allgemein (auch im Ind. Kew.) angegehen wird, .schon in der
1. Auflage von Witherings Bot. Arrangement (177G), 17!2.
Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. 29
44:2 Hans Schinz.
Polijgonum BeUardn All. (Medit., O.-Eur., W.-As.). — Bergeä du
Bief d'Ependes pres Yverdon (Vaud), 1890, Moehrlen! (Herb.
Vetter);? Turnschanze Solothurn, 1905, Lüscher! (zu jung!);
Bahnhof Zürich, 1905. Naegelü; Kiesgrube Hardau, Zürich III,
1903, J. Bär!, Bucher!, 1907 Thellung.
* Polt/gomi in cf. equiseti forme Sibth. u. Sm. (Medit.). — Turn-
schanze Solothurn, 1904, Probst!
^Beta cf. patnla Alton (Madeira). — Bellach (Kt. Solothurn) auf
Schutt, 1907, Probst! (zu wenig entwickelt).
Ghenopodium hirci7ium Schrader (S.-Am.). — Kuchfeld bei Basel,
1902—6: Binz.
Chenopodiuiu earinatum R. Br. teste Murr. (Austral., Polynes.).
— Kammgarnfabrik Derendingen bei Solothurn (australische
Schafwolle), 1907, Lüscher!
AhHjjlex tataricum L. (A. laciniatum auct. niult. non L.; Medit.,
W.-As.) —Basel: zwischen St. Jakob u. „Neue Welt", 1905, Binz!
— var. decipiens Murr! in Zimmermann, Adventiv- u. Ruderalflora v.
Mannheim (1907), 79 (Laubblätter länglich-lanzettlich bis lanzett-
lich, fast ganzrandig). — Schuttablage bei St. Jakob (Basel), 1905,
E. Suter! (Herb. Lüscher).
Salsola Kalili. (kosmopolitische Küstenpflanze der gemässigten Zonen),
var. tenuifolia Rchb. {ß. Tragus L.; Binnenlandsform). — Maggi-
mühle in Zürich III, 1906, Werndlü; Kammgarnfabrik Deren-
dingen bei Solothurn, 1907, Probst!
Kochia scoparia (L.) Schrader (O.-Eur., W.-As.). — Ruchfeld bei
Basel, 1902-3, zwischen St. Jakob und „Neue Welt", 1903:
Binz, Fl. Basel, ed. 2 (1905), 106.
Amarantus retroflexus L. (trop. Amer.; eingebürgert in N.-Am.,
Europa etc.), var. Delilei (Richter et Loret pro spec.) Thell. (als
Heimat dieser Varietät wird das Mittelmeergebiet angegeben;
doch dürfte sie im ganzen Verbreitungsgebiet der Art vorkommen')
und ursprünglich gleichfalls aus Amerika stammen). Unterscheidet
sich vom Typus durch die kürzeren, schwächer dornigen Vor-
blätter, deren längste meist 3—4 (statt 4 — 6) mm lang sind und
die Blüten nur wenig (statt ums Doppelte) überragen. — Genf,
1873, Ayasse!; Bern in einem Gazon, 1879, v. Tavel!; Belvoir
bei Zürich und Maggimühle am Sihlquai , 1907, Thellung;
Langendorf (Solothurn) in einem Hühnergarten, 1907, Probst!
— Angenähert auch: Güterbahnhof und Hardplatz in Zürich III,
1906, Thellung.
*) Ich sah die Varietät aus Frankreich, Griechenland, Algier; ferner aus
Deutschland (Baden!, Thüringen, Sachsen, Schlesien, Berlin) und Schweden.
Mitleilungren aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 443
Amarantus chlorostachys Willd. (Trop. Amer. ; eingebürgert im
Mittel nieergebiet).
— var. pseudo-retroflexus Thell. n. var., spicis crassioribus et brevi-
oribus (^terminali lateralibus haud multo longiore), bracteis
robustioribus (inde habitu ad ^4.. retroflexuin L. accedens, a quo
semper differt forma tepalorum et caiile minus piloso). Schein-
ähren dicker und kürzer als beim Typus (die endständige nicht
viel länger als die seitlichen), Vorblätter kräftiger; dadurch
habituell dem A. retroflexus L. genähert, von dem sich meine
Varietät noch immer durch die Form der 9 Tepalen (eiförmig-
lanzettlich, spitzlich) und durch weniger stark behaarten Stengel
unterscheidet. — Kammgarnfabrik Derendingen bei Solothurn, 1907,
Probst! — [Strassburg, Heleneninsel, 1903, A. Ludwig!].
Aniarantus bfitoides S. Watson (N.-Am.). — Güterbahnhof
Zürich III, 1905, 0. Naegeli!
Ajnarcmtus deflexus L. (A. prostratus Balbis; Medit., ursprünglich
vielleicht trop. Amer.). — Neuer Standort: Basel, St. Margrethen-
strasse (Bahnlinie), 1904, Binz!
*Atnarantus jnacj'OCdtjnis Bentham (Austral.). — Kammgarn-
fabrik Derendingen bei Solothurn (australische Schafwolle), 1907,
Probst!
Amarantus cris^^its (Lespinasse u. Theveneau) Terracc. (Euxolus
crispus Lesp. u. Thev. !; Amarantus cristulatus Spegazzini. Wurde
um die Mitte des letzten Jahrhunderts adventiv in Südfrankreich
[Montpellier, Agde], ferner in Italien und Nordamerika gefunden;
als Heimat hat sich jetzt Argentinien erwiesen). — Basel, Bundes-
bahnhof, 1901-5. Binz!
* Aniarantus vulgatissinius Spegazzini Nov. Addenda ad Fl. Pata-
gon. III in Ann. Mus. nac. Buenos Aires VII (April 1902), 135
(steht der vorigen Art nahe und stammt gleichfalls aus Argen-
tinien; unterscheidet sich durch die robustere Ausbildung aller
Teile, grössere, kaum krause Laubblätter, meist zu einer end-
ständigen Scheinähre zusammengedrängte obere Blütenknäuel,
namentlich aber durch die Form der ? Perigonblätter, die deutlich
benagelt sind, mit rundlich verkehrteiförmiger [fast 1 mm breiter],
abstehender, in den Nagel plötzlich zusammengezogener Platte,
während bei A. crispus die 9 Perigonblätter länglich spatelig
[oberwärts ca. V^ nim breit] und auch an der Spitze aufrecht
sind). — Kreuzungen, 1904, E. Baumann! — Die Pflanze wurde
auch in Deutschland (Mannheim) adventiv gefunden.
"^Gotnphrena gfobosa L. (Wärmere Zonen der ganzen Erde, oft
kultiviert; ursprünglich heimisch wohl im trop. Am., nach anderen
444 Hans Schinz.
jedoch in 0. -Indien ; Zierpflanze). — Locarno, an der Strasse von
Madonna del Sasso nach Contra in einem Steinbruch, 1907, Fr.
Zimmermann-Mannheim!
Claytonia jjerfoliata Donn (N.-Am., W.-Indien). — In einem
Rebberg auf der Insel Mainau, mit Pferdezahnmais aus Virginien
1892 eingeschleppt: Ries nach Jack in Mitteil. Bad. Bot. Ver.
No. 141 (1896), 363; „ob noch zu finden?" Jack, Fl. Bad. Kr.
Konstanz (1901), 53. „Die Pflanze ist sehr bald wieder gänzlich
verschwunden, so dass man sie getrost aus der Flora streichen
kann": Oberhofgärtner Nohl nach E. Baumann briefl. (X. 1907).
Silene conica L. (Medit., W.- u. O.-Eur., W.-Sibir.). — Am neuen
Damm der Bötzbergbahn ob Brugg, 1905: P. Arbenz (briefl.);
Basel, Eisenbahndamm zwischen St. Jakob und „Neue Welt",
1907, P. Vosseier! (Herb. Binz).
J^lene cretica L. (Medit. ; ursprünglich heimisch wohl nur im Orient).
— Bahnhof Buchs, 1905, Schnyder!; Solothurn, südlich der Vor-
stadt, 1906—7, Probst!
Silene pendula L. [Portugal [spontan?}, Ital., Kreta, Cypern, Kl. As.;
Zierpflanze). — Basel, Rheinböschung unterhalb der Gasfabrik,
1907, H.Schnitter! (Herb. Binz).
Miene Jiirsuta Lag. (Span., Portug., Marokko). — Solothurn, süd-
lich der Vorstadt, 1906, Probst!
■■'Miene jpor^etisis L. (SW.-Eur.). Ruchfeld bei Basel, 1902, Binz!
*Dianthus Cyri Fischer u. Meyer (Ägypt., SW.-As.). — Solothurn,
Schutt in der Vorstadt beim Transformatorenhaus, 1907, Probst!
MoencMa mantica (L.) Bartl. f. ccerulea (Boiss.) E. Janchen in Mitteil,
d. Naturw. Ver. a. d. Univ. Wien V (1907) No. 5, 59 (Krone flachs-
blau; die Spielart bisher bekannt aus Kleinasien und Steiermark). —
Bahnhof St. Margrethen (St. Galler Rheintal), 1907, Sulger-Buel!
"^JVigella hisx^anica L. (Spanien, S.-Frankreich, Algier), ssp. gallica
Jordan) Rouy u. Fouc. (N. hispanica y. parviflora Coss.; Span.,
S.-Frankr.). — Grenchen bei Solothurn, Unkraut unter Sommer-
flor, 1905, Lüscher!
Cleniatis Flaniniula L. (Medit.). — Verwildert bei Genf (Cham-
besy): Schmidely in Bull. Soc. bot. Geneve III (1884), 82.
Manunculus ^) cf. trilohus Desf. (Mediterrane Ssp. von R. sardous
Crantz). — Turnschanze Solothurn, 1904, ein kümmerliches Exem-
plar, Lüscher!
') ^Rcmu7iculus j^arinfiorus" , von Probst (Beitr. Fl. Soloth. [1904], 33) von
Solothurn angegeben, ist R. sardous Crantz: B. parmfloriis L. ist also bis auf
weiteres aus der Adventivflora der Schweiz zu streichen.
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 445
Hypecomn pr^ociinihens L. (Medit.) ssp. aequilobum (Viv.) Rouy
u. Fouc. (H. grandiflorum Bentham; S.-Eur., SW.-As.). — Basel,
an der Verbindungsbahn (Hardstrasse - Gellertstrasse) , 1907,
P. Vosseier! (Herb. Binz).
^rajMiver HeldreichU Boiss. (Kl. As.). — Verschleppt am Saleve
ob Veyrier, 1904, J. Bär!
Fumaria Kraliki Jordan (F. anatolica Boiss.; SO.-Eur., SW.-As.).
— Adventiv im botan. Garten Zürich, 1907, T hellung.
Fumaria densiflora DC. (F. micrantha Lag.; Medit.). — Tum-
schanze Solothurn, 1906, Probst!
Lepidium Draba L. (Medit., W.-As.) var. matritense (Pau) Thell.
in Neue Denkschr. d. Schweiz. Ges. f. Naturw. XLI (1906), 87
(Stengel blätter schmäler, spitz, wie die ganze Pflanze fast kahl;
so z. B. in Spanien). — Turnschanze Solothurn, 1905 — 6, Probst!,
1905, Binz!
Lepidium heterophyllum (DC.) Bentham (SW.-Eur). — Auf einer
Gartenmauer beim alten Dolder in Zürich V, 1907, Thellung.
Lepidium perfoliatumlj. (SO.-Eur., SW.-As.; Span., ob spontan?). —
Schutt bei St. Moritz (Engadin) 1905: M. Candrian briefl.
(XL 1907).
Lepidium virginicum L. (N,-Am.) ssp. eu-virginicum Thell. in
Vierteljahrsschr. d. Zürch. naturf. Ges. LI (1906), 163.
— var. sublateriflorum Thell. n. var., racemus terminalis ramo axil-
lari, in ipsius caulis directione sito, longissime superatus et inde
in parte inferiore plantae situs et quasi folio oppositus; rami
principales saepi basi eodem modo ramosi. — 'Der ursprünglich
endständige Blütenstand von einem achselständigen Ast, der die
Scheinfortsetzung des Stengels bildet, weit überragt und dadurch
im untern Teil der Pflanze gelegen und scheinbar blattgegen-
ständig; bei üppig entwickelten Exemplaren zeigen auch die
grössten Aste an ihrem Grunde die gleiche Art der Verzweigung,
während sie oberwärts den normalen Verzweigungstypus der ssp.
eu-virginicum (endständiger Blütenstand + in der Fortsetzung
des Astes bleibend, von den axillären Ästchen bezw, Blüten-
ständen nicht oder nur wenig überragt) aufweisen. — Güterbahn-
hof Zürich III, mehrere Exemplare, 1907, Thellung.
Lepidium densifiorum Schrader (L. apetalum auct. non Willd. ; N.-
Am.). — Noch unpublizierte Funde: Monbijou bei Bern, 1899,
Lüscher!; Bahndamm Celerina-Samaden und Beverstal, 1905,
Branger! — Über die sonstigen adventiven Vorkommnisse dieser
Art vergl.: Ascherson in Verhandl. Bot. Ver. Brandenb. XXXIII
(1891), 108 seq.; Thellung in Bull. Herb. Boiss. 2. ser. IV (1904),
446 Hans Schinz.
696 seq. et in Neue Denkschr. d. Schweiz. Ges. f. Naturw. XLI
(1906), 234, sowie Naegeli u. Thellung, Ruderal- u. Adven-
tivfl. d. Kt. Zürich (1905), 39.
^ZiejyuHufn hyssopifolium Desv., DC; Thellung Monogr. Lepid.
(1906), 304 (Austral.), var. integerrimum Thell. n. var., foliis caulinis
Omnibus integerrimis. Alle Stengelblätter völlig ganzrandig. —
Kammgarnfabrik Derendingen bei Solothurn (australische Schaf-
wolle), 1907, Probst!
Sisyjnhrium Loeselü L. (Span., O.-Eur., W.-As.). — Bahnhof Sitten,
1903, Thellung; zwischen St. Jakob und „Neue Welt" bei Basel,
1906: Binz.
Sisymhrium. Orientale L. (S. Columnae Jacq. ; Medit.). —Wald zwischen
Pontresina und der Alp Languard, 1905, Branger!; Solothurn
in den letzten Jahren mehrfach, Lüscher!, Probst!; Basel an
der Verbindungsbahn, 1907, P. Vosseier! (Herb. Binz).
Sisymbrium Orientale L. var. subhastatum (Willd.) Thell. in Zimmer-
mann, Adventiv- und Ruderalfl. Mannheim (1907), 96 (Brassica
subhastata Willd.!). Obere Stengelblätter (bis ziemlich tief herab)
lanzettlich, ohne Spiessöhrchen; Pflanze fast kahl. — Z. B.: Güter-
bahnhof Zürich, 1902, 0. Naegeli!
Erucaria myagi'oides (L.) Haläcsy (E. aleppica Gaertner; Span.,
Griech., SW.-As.). — Hardplatz in Zürich III, 1903, Thellung
(ein blühendes Exemplar, in der Ruderal- u. Adventivfl. d. Kt.
Zürich [1905], 41 irrig als Cakile inaritinia publiziert; diese
letztere Art ist somit aus der Schweizerflora zu streichen).
Myagrmn perfaiiatum L. (S.- u. Zentr.-Eur. [oft advent.], W.-As.).
— Seestrasse bei St. Moritz, 1905, Branger!
Diplotaxis erucoides (L.) DC. (Medit.). — Bern, Areal des abge-
brochenen Zuchthauses, 1900, Lüscher!
Brassica incana (L.) Doli (Erucastrum Koch; Medit., W.-Eur.) var.
geniculata (Desf.) Thell. (Erucastrum incanum var. geniculatum
Cosson ; süd- und ostmediterrane Varietät mit längerem, mit den
Fruchtklappen einen Winkel bildendem Fruchtschnabel). —
Biberiststrasse Solothurn, 1904, Lüscher!; Belvoir Zürich II,
1907, Thellung.
Brassica armoracioides Czern. (S.-RussL, SW.- Asien). — Turnschanze
Solothurn, 1905—6, Lüscher!, Probst (briefl.); am Weg von
Grenchen (Solothurn) auf den Grenchenberg (900 m), 1906: Probst
(briefl.); Getreidelagerhäuser in Brunnen, 1907, Thellung.
Rapistrum rugosuni (L.) Bergeret 1784, All. 1785 (S.- u. Zentr.-
Eur., N.-Afr., W.-As.). — Für diese polymorphe Art schlage ich
in Anlehnung an Rouy u. Foucaud folgende Gliederung vor:
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 447
ssp. I. eu-rugosum Thell. (R. iiigosum «. rugosum Cosson Comp,
fl. Atl.)- Fruchtstiel ziemlich kurz und dick, so lang bis 1^/2 mal
so lang als das untere Glied der Frucht; oberes Glied eiförmig,
bei der Reife tief längsgefurcht, in den längeren, fädlichen Griffel
verschmälert. — Im grössten Teil des Verbreitungsgebietes der
Art, doch aus Algerien nicht erwähnt.
— var. tt. typicum Thell. Untere Laubblätter leierförmig, mittlere
und obere Stengelblätter ungeteilt, nur + gezähnt oder schwach
gelappt. Krone lebhaft hellgelb oder (subvar. pallldiflorum Thell.,
floribus albidis, z. B. Freiburg i. B. !) weisslichgelb. Frucht steif-
haarig (subvar. scabrum [Host pro spec] Rouy u. Fouc. Fl.
France II [1895], 72 [pro var.]) oder kahl (subvar. glabrum [Host
pro spec] Rouy u. Fouc. [pro var.]; vergl. auch Koch Syn.
ed. 2, I [1843], 83). — Die subvar. glabrmn besonders in süd-
lichen Gebieten, bei uns wohl nur adventiv, z. B. : beim Chemie-
gebäude (Länggassequartier) Bern, 1897, Biberiststrasse Solothurn,
1904, Lüscher!; Turnschanze Solothurn, 1904, Probst!
— var. ß. nemausense Roux ex Cabanes in Bull. Soc. etud. sc. nat.
Nimes n. ser. XXX. 1902 (nov. 1903), 57 cum ic. ! Laubblätter
tief fiederlappig, mit breiten, abgerundeten Buchten und entfernten,
unter sich ziemlich gleich grossen, buchtig gezähnten Lappen und
schmaler, deutlicher Spindel. — Heimisch z. B. in Südfiankreich
(Nimes, Montpellier!); bei uns adventiv: dans une jeune luzerniere
ä Lavigny pres Aubonne (^Vaud), 1878, Vetter! — Angenähert
auch: Wohlen (Aargau), auf einem Bauplatz beim Bahnhof, 1888,
Fischer! (Herb. Lüscher).
ssp. II. Orientale (L.) Rouy u. Fouc. 1. c. 74 (R. Orientale DC. ;
R. rugosum var. Orientale Cosson). Fruchtstiel oft schlanker,
1 V2 — 3 mal so lang als das ziemlich dünne untere Glied der
Frucht; oberes dick, breit eiförmig bis kugelig, bei der Reife
meist tief l^ngsgefurcht und höckerig, plötzlich in den kürzeren
Griffel zusammengezogen, kahl oder (subvar. hispidum [Godron!
pro spec] Cosson Comp. fl. Atl.) rauhhaarig. — Mediterran-
gebiet. — Gliederung nach Rouy u. Fouc. (sehr schwache
Varietäten !) :
— cc. microcarpum Rouy u. Fouc, oberes Glied der Frucht klein,
1 — IV2 mm im Durchmesser.
— ß. genuinum Rouy u. Fouc, oberes Glied mittelgross, 2 — 2 '/s mm dick.
— y. macrocarpum Rouy u. Fouc, oberes Glied gross, 2V2 — 3 mm dick.
Neue Funde in der Schweiz (var. genuinum oder macrocarpum in
der fahlfrüchtigen Form): Bolligenstrasse bei Bern, an der Bahn-
linie nach Thun, 1899, Lüscher!; Ruchfeld bei Basel, 1903—6:
448 Hans Schinz.
Binz; Ischern bei Solothurn, 1904, Lüscher!, Probst!; Langen-
dorf (Solothurn), aus Hühnerfutter von der Malzfabrik, 1907,
Probst!; Belvoir Zürich II, 1907, Thellung. — Übergangsform
zur ssp. hispaniciun: Turnschanze und Malzfabrik Solothurn,
1904, Probst!
ssp. III. hispanicum (L.) Thell. comb. nov. (Myagrum hispanicum
L. 1753; Rapistrum hispanicum Boiss. et Reuter 1842, non
Medikus 1792, quod = Crambe hispanica L. 1753; Rapistrum
Linnaeanum Boiss. et Reuter 1842; R. rugosum ß Linnaeanum
Cosson ; R. rugosum ssp. R. Linnaeanum Rouy u. Fouc). Frucht-
stiel schlank, 2 — 4 mal so lang als das meist dünne untere Glied
der Frucht; oberes klein, eiförmig, bei der Reife ziemlich glatt,
meist allmählich in den etwas kürzeren bis etwas längeren Griffel
verschmälert, kahl (subvar. glabrum [Cariot] Thell. = R. Linnae-
anum a glabrum Cariot ex Rouy u. Fouc. 1. c. 73) oder steif-
haarig (subvar. hirsutum [Cariot] Thell. = R. Linn. j3 hirsutum
Cariot 1. c). — S.-Europa, NW.-Afrika.
— var. ß. microcarpum (Jordan) Thell. (R. microcarpum Jordan;
R. rugosum |3 Linn. s.-var. microcarpum Cosson ; R. Linnaeanum
„forme R. microcarpum Jord. [pro spec.]" Rouy u. Fouc). Frucht-
stiel besonders schlank und verlängert, Frucht beträchtlich kleiner
als bei der Ssp. eu-rugosum, ihr unteres Glied stielförmig.
Neue Funde der ssp. hispanicum (meist var. microcarpum
subvar. glabrum)'. ? Schwanenpromenade Bern, 1894, Dutoit!
in Herb. Lüscher (zur sichern Bestimmung zu jung) ; Turnschanze
und Malzfabrik Solothurn, 1904, Probst!, 1905, Binz!, 1906,
Lüscher!; Val Calanca: Grono, adventiv: E. Steiger in Verh.
Naturf. Ges. Basel XVIII (1906), 305; Belvoir Zürich II, 1907,
Thellung; Niederwil bei Solothurn (Kartoffelacker), 1907,
Probst!; subvar. hirsutum: Belvoir Zürich II, 1907,
Thellung.
Moripa fiiistriaca (Crantz) Besser (Nasturtium Crantz; O.-Eur.,
SW.-As.; ob spezifisch verschieden von R. amphibia [L.] Besser?).
— Villeneuve, ca. 80er Jahre, Vetter! (als N. amphibinm, zu-
sammen mit einem Exemplar dieser Art) ; Bahnhof Romanshorn,
1890, 0. Naegeli!
Atibrietia ffelfoides (L.) DC. (S.-It.il., Griech., Kl.- As.). — Bei
einer Villa am FusswegJogny-Granges(Waadt), 1907, P. Vosseier!
(Herb. Binz).
Erysimum repandum L. (Span., N.-Afr., SO.-Eur., W.-As.). —
Thusis, 1903, Thellung; St. Moritz und Samaden, 1905, Branger!;
Bahnhof Buchs, 1907, Schnyder!; Solothurn, 1907. Probst!;
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI.) 449
Basel, Verbindungsbahn (Hardstrasse-Gellertstrasse), 1907, P,
Vosseier! (Herb. Binz).
— var. (?) graciiipes Thell. n. var., pedicellis fructiferis quam in typo
gracilioribus (crassitie sua sub-5-pIo longioribus), siliquis minus
angulosis, valde torulosis. Fruchtstiele schlanker als beim Typus,
ca. 5 mal so lang als dick; Frucht weniger deutlich vierkantig,
mehr dünnwandig, daher stark gebuckelt. Die Frucht stimmt
in der Behaarung, der Länge des Griffels und der Form der
Narbe völlig mit E. repandum überein; leider fehlen jedoch die
Blüten, so dass die Bestimmung doch nicht so ganz sichergestellt
ist. — Kunstmühle Bärtschi in Solothurn, mit dem Typus, 1907,
Probst!
Alyssum campestre L. (Medit.). — Solothurn, westlich der Malz-
fabrik, 1906, Lüscher!
Bunias orientalis L. (S.-Russland bis Armen, u. Sibir.). — In einer
Wiese ob Samaden mehrfach: M. Candrian briefl. (XL 1907).
Chorispora tenella (Pallas) DC. (S.-Russl., SW.-As.). — Rheinufer
bei Äugst, etwas unterhalb der Ergolzmündung, 1906: Binz;
Diessenhofen, bei der Laag, 1907, H. Brunner!
Conringia austriaca (Jacq.) Sweet (Erysimum Roth ; SO.-Eur.,
Kl.-As., Kauk.). — Solothurn, Schutt südlich der Vorstadt, 1907,
Probst!, Lüscher!
Reseda lutea L. var. longifolia Ten. Syll. fl. Neap. 1830 (var. stricta
Müller-Arg. 1857, var. mucronata [Tineo 1827 pro spec] Fiori u.
Paoletti 1898; Medit.). Stengel und Äste + aufrecht, verlängert;
Zipfel der Laubblätter schmal, lang ausgezogen, zugespitzt-
stachelspitzig; Blütenstände schmal, Blüten kleiner, Frucht tiefer
dreizähnig als beim Typus. — Turnschanze Solothurn, 1904,
Probst!, 1905 Binz!, Lüscher!; Getreidelagerhäuser in
Brunnen 1), 1907, Güterbahnhof Zürich III, 1907, Thell ung;
Kiesgrube im Hard Zürich III, 1907, Bucher!
') An dieser gleichen Lokahtät und in ihrer Umgebung sammelte ich 1907 auch
die folgenden, von Rh in er in seinem „Prodrom der Waldstätter Gefilssptlanzen"
(1870) für Schwyz noch nicht erwähnten Arien: Bromus arvensis L., B. japonicus
Thunb., Silene dichotoma Ehrh. (Seeufer), Vaccaria pyramidata Medik. var. grandi-
flora (Fischer) Celak. (aus der Schweiz noch nicht angegeben, kommt aber in VV.,
T. u. Gr. häufig vor, ferner in der JVordschweiz, z. B. um Zürich, hin und wieder
adventiv auf Ruderalstellen), Lepidium Draba L., L. virginicum L. (Seeufer). Sisym-
brium Orientale L., S. altissimum L. (S. Sinapistrum Crantz), S. Sophia L.. i^q)istrum
perenne (L.) Bergeret, Conringia orientalis (L.) Dumort., Alyssum Alyssoides L. (A.
calycinum L.), Berteroa incana (L.) DC, Bunias orientalis L., Trifolium hybridum L.
vers. ssp. elegans (Savi), Yicia villosa Roth, Caucalis daucoides L., Salvia silveslris L.,
S. verticillata L., Galium parisiense L. (190i2 auch im Bahnhof Flüelen), G. tricorne
Stokes, Anthemis ruthenica M. Bieb., Achillea nobilis L., A. setacea VV. K., Chrysan-
themum inodorum L,
450 Hans Schinz.
Savracenia et psittacina Michx. (N.-Am.). — „In einem Torf-
moos der bernischen Freiberge am 17. Juli 1904 entdeckt; aus
Nordamerika. Eingepflanzt? Glacialrelikt?" : Lüscher, Nachtr.
Fl. Soloth. (1904), 3. Zweifellos angepflanzt! Vergl. auch: Arch.
Fl. Jurass. No. 52 (1905), 92, wo „S. purpurea L. (oder psitta-
cina Michx.?)" aus dem Berner Jura (Torfmoor von Fuet zwischen
Tavannesu. Bellelay) angegeben wird, und ebenda No. 58/9(1905),
150, wo diese Standortsangabe von Lüscher dementiert wird.
Sedum spurium M. Rieb. (Kaukas.). -- Solothurn, Kiesgrube beim
Spitalhof, verwildert, 1903, Probst!
Sedum 02U^ositifolMtfii Sims 1816 (ob spezifisch verschieden von
S. spurium M. Bieb. 1808 P^) — Kaukas., Pers.). — Romen-
schwanden bei St. Margrethen (St. Galler Rheintal), in Reben
eingebürgert, 1906, Sulger-Buel!; Solothurn, Schutt bei der
Schalenfabrik Marti (Gartenflüchtling), 1907, Probst!
Sedum hispanimmi L. var. hithynicum (Boiss.) Schinz u. Keller (Zier-
pflanze aus Kl. -As.). — Langendorf (Solothurn), ausserhalb eines
Gartens verwildert, 1906, Probst!; Walenstadt, Strassenrand
bei einem Garten, 1907, Hans R. Schinz!
* Saxifvaga Cynibalaria L. (Zierpfl. aus SW.-As.). — Stäfa, am
Bach oberhalb der Station verwildert, 1906—7, J. Weber!
^Saxifraga Htietiana Boiss. (wohl Var. von S. Cymbalaria L.;
Kl. As., Armen.). — St. Imier (Berner Jura), auf verlassenem
Gartenland verwildert, 1906, Ch. Linder!
Saxifraga canaltculata Boiss. u. Reuter (Spanien). — In Fried-
höfen etc. als Beeteinfassung kultiviert und zuweilen halbver-
wildert.
Saxifraga caespitosa L. ssp. rosacea (Mönch 1794 pro spec.)
Thell. (S. decipiens Ehrh. 1790 sine descr.!; S. caespitosa ssp.
decipiens Rouy u. Camus; Mitteleur. von NO.-Frankr. bis österr.).
— In Kirchhöfen angepflanzt und zuweilen halb verwildert. Ein-
gebürgert in den Vogesen: Herrenfluch, Kirschleger; Hart-
mannsweiler Kopf, Rossberg: Issler nach Binz, Fl. Basel, ed. 2
(1905), 155.
Saxifroga umhrosa L. (W.-Eur.). — Vogesen: Sulzer Beleben,
eingebürgert: Binz, Fl. Basel ed. 2 (1905), 155.
Saxifraga Geuni L. (W.-Eur.) var. dentata Link (S. hirsuta L.;
Span., Irland). — Vogesen: Hohneck, eingebürgert: Binz, Fl.
Basel, ed. 2 (1905\ 155.
^) Im botan. Garten Zürich iinden sich Gberg-änge zwischen S. spurium und
S. oppositifolium, die allerdings möglicherweise liybriden Ursprungs sind.
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 451
Fhysocarpus opulifolius (L.) Maxim. (Spiraea L.; N.-Am.). — Kies-
grube Hardau Zürich III, 1907, J. Bär!
Basilima sorbifoIi(f (L.) Raf. (Spiraea L.; Sibir.). — Lugano, Cas-
sarinoschlucht gegen Sorengo. 1905, Schwing ruber!
PotentiUa twrvegica L. (N.-Eur., W.- u. N.-As., N.-Am.). — Schutt
beim Kurhaus St. Moritz, 1905, ßranger!
PotentiUa intermedia L. (^Russl.) — Mönchenstein bei Basel, zwischen
1900 und 1904: E. Suter nach Binz rascr. ; am rechten Rhein-
ufer unterhalb der Johanniterbrücke, 1895: Gustav Müller nach
Binz, Fl. Basel, ed. 2 (1905). 171.
— var. ternata Thell. n. var., foliis caulinis fere omnibus trifoliolatis
(Stengelblätter fast sämtlich dreizählig; von P. norvegica durch
das charakteristische Indument noch immer leicht zu unterscheiden).
— Gretreidelagerhäuser in Brunnen, 1907, Thellung.
Gleditschia trificanthos L. (mittl. u. südl. N.-Am.)- — Im süd-
lichen Tessin zuweilen verwildert, z. B. zwischen Gordola und
Magadino, 1903, J. Bär!
Lujnnus albus L. (Medit., oft kult. ; einheimisch vielleicht nur im
östl. Teil; trop. Afr.). — Solothurner Malzfabrik, 1905, Lüscher!
Trigonella Foenuin graecum L. (W.- Asien; kult. u. verwildert im
Mediterrangebiet u. in Zentr.-Eur.). — An der Thiele (Neuen-
burg), 1887, A. Rüedü; Solothurner Malzfabrik, 1904, Lüscher!
Nachtr. Fl. Solothurn (1904), 5; Turnschanze Solothurn, 1905,
Lüscher!, 1906 Probst!; Ruchfeld bei Basel, 1902: Binz, Fl.
Basel, ed. 2 (1905), 202; Lugano, in Wiesen gegen Cadepiano,
von Anpflanzung herrührend, 1906, Schwingruber !
Trigonella cwrulea (L.) Ser. (angeblich wild in Ungarn, Russland,
- Kaukas.). — Ilgenstrasse Zürich V, 1898, R.Hess! Die Exem-
plare neigen, wie dies bei auf magerm Boden verwilderten Pflanzen
oft der Fall ist, in einigen Merkmalen zu der Wildform: ssp. /»ro-
cumbens (Besser) (= Tr.Besseriana Ser.; SO.-Eur., Kaukas.. Kl. As.).
Medicago orbicularis (L.) All. (Medit.). — Turnschanze Solothurn,
1904, Probst!, 1905 Lüscher!
Medicago litoralis Rohde ') (Medit.). — Hardplatz Zürich III, 1902,
Thellung (ad M. obscuram Retz. vergens, det. Urban); ? Turn-
schanze Solothurn, 1905, Lüscher! (zu jung).
— var. breviseta DC. — Malzfabrik Solothurn, 1907, Probst!
•) Die von Naegeli u. Tii ellung, Ruderal- u. Adventivfl. Kt. Zürich (1905), 49
von Zürich angegebene ,Var. cilindracea (DC.) Urb." ist zu streichen (Verwechslung
mit M. globosa).
452 Hans Schinz.
Medicago tuberculata Willd. (Medit.). — Turnschanze Solothurn^
1905, Lüscher!; Solothurn beim Transformatorenhaus, 1907^
Probst!
Medicago Miirex Willd. (Medit.) ssp. inermis Guss. var. Sorrentint
(Tineo). — Turnschanze Solothurn, 1906, Probst!
Medicago aculeata Gärtner (M. turbinata [L.] Willd.; Medit.). —
var. typica Thell. (M. turbinata var. aculeata Moris). — Turn-
schanze Solothurn, 1905, Lüscher!, 1906 Probst!
— var. olivaeformisXGuss. pro spec). — Turnschanze Solothurn, 1905,
Lüscher!, 1906 Probst!
Medicago rigidula Desr. (Medit.). — Hardplatz Zürich III, 1903,
Thellung (det. Urban).
— var, agrestis (Ten.) Burnat. — Turnschanze Solothurn, 1905^
Lüscher!
Medicago trtincatiila Gärtner (Medit.). — Hardplatz Zürich III,.
1902, Thellung (det. Urban).
— var. longeaculeata Urban. — Turnschanze Solothurn, 1905,
Lüscher!
Medicago glohosa Presl det. Urban (M. constricta Durieu ; Sizil. [?],.
Rhodos, Kl.-As., Syr.). — Hardplatz Zürich III, 1904, Thellung
(= „M. litoralis var. cilindracea" Naegeli u. Thellung, Ruderal-
u. Adventivfl. Kt. Zürich [1905] 49).
Medicago praecox DC. (S.-Eur., von Spanien bis zur Krim.) —
Kammgarnfabrik Derendingen bei Solothurn (australische [!]
Schafwolle), 1907, Probst!
Medicago hispida, Gärtner, Urban (Medit.). Von dieser veränder-
lichen Art v/erden folgenden Varietäten unterschieden:
— var. or. confinis (Koch) Burnat, Dornen der Frucht auf kurze, stumpfe
Knötchen reduziert, die nicht länger als breit sind. — Bei uns
selten, z. B.: Turnschanze Solothurn, 1905, Lüscher!
— var. ß. apiculata (Willd.) Burnat, Dornen so lang wie die Dicke
einer Windung bis V» so laug als der Radius derselben. — Ziem-
lich häufig.
— var. y. denticulata (Willd.) Burnat, Dornen so lang oder länger als
die halbe Breite der Frucht, Durchmesser einer Windung 4 — 6 mm.
— Bei uns wohl die häufigste Form.
— var. 8. lappacea (Desr.) Burnat, Dornen wie bei der vorigen Var.,
aber Frucht grösser (Durchmesser [ohne Dornen] 7 — 10 mm), oft
mit zahlreicheren (bis zu 4) Windungen, Blütenstandstiel oft nur
zwei- bis dreiblütig, Blütenstiele kürzer als die Kelchröhre. — Z.B.:
Solothurn, 1906, Lüscher! (Wohl oft mit der Var. denticulata
verwechselt).
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 453
— var. £. nigra (Willd.) Burnat, von der vorigen Var. durch noch
zahlreichere (4— ö) Windungen der Frucht verschieden. — Im
Gebiet noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen.
Medicago minima (L.) Bartal. var. recta (Desf.) Burnat (M. poly-
morpha var. recta Desf., M. recta Willd., M. minima var. longi-
seta DC; südliche Varietät, in der Schweiz nicht einheimisch),
Dornen der Frucht verlängert, + so lang wie der Durchmesser
einer mittleren Windung, stark gefurcht. — Kammgarnfabrik
Derendingen bei Solothurn, 1907, Probst!
Jledicago laciniata (L.) Miller (N.- u. S.-Afr., SW.-As., adv. in
S.-Eur.). — Kammgarnfabrik Derendingen bei Solothurn (austra-
lische [!] Schafwolle), 1907, Probst!
— var. integrifolia Godron. — Ebenso, 1907, Probst!
Melilotus^) officinalis (L.) Lam. var. micranthus 0. E. Schulz (Ungarn,
S.-Russl., W.-As.). — Blüten nur 4 — 4,5 mm lang. — Turnschanze
Solothurn. 1904, Probst!
Melilotus italicus (L.) Lam. (Medit.). — Tirano im Veltlin:
Massara Prodr. nach Brockmann, Fl. Puschlav (1907), 161.
Melilotus sulcatus Desf. (Medit.).
— var. genuinus Gren. et Godron. — Turnschanze Solothurn, 1904,
Lüscher!, Probst!
Melilotus sulcatus Desf. var. segetalis (Brot.) Rouy (approx). — Ebenda
1904, und auf Schutt beim Transformatorenhaus, 1907, Probst!
Melilotus tnessanensis (L.) All. (Medit.). — Turnschanze Solo-
thurn, 1904, Probst!, 1905 Lüscher!
Trifolium resupinatum L. (Medit.). — Turnschanze Solothurn, 1904,
Probst! 1905 Lüscher!; Solothurn. Vorstadt beim Transfor-
matorenhaus, 1907, Probst!; Samaden, 1905, Branger!; Belvoir
Zürich II, 1907, Thellung; Güterbahnhof Zürich III seit 1902
alle Jahre (auch 1907!), aber spärlich, Thellung.
— var. majus Boiss. (T. suaveolens Willd. ; vorzugsweise osteuropäisch-
westasiatische Var.). Stengel kräftiger, Blüten bedeutend grösser
(6— 8 mm). — Angenähert: Basel an der Verbindungsbahn (Hard-
strasse-Gellertstrasse), 1907, P. Vosseier! (Herb. Binz).
"^Trifoliinn sxmniosuni L. (Medit.). Turnschanze Solothurn, 1905,
und Vorstadt beim Transformatorenhaus, 1907, Probst!
Trifolium xerocephalutn Fenzl (Rhodos, Kl.-As., Syr.). — Solothurn,
Vorstadt auf Schutt beim Transformatorenhaus, 1907, Probst!
») ^Melilotus gracjlis DC.\ von Probst (Beitr. FI. Soloth. |19ü4|, ;^4) von
der Turnschanze aufgeführt, ist M. officinalis (L.) Lam., M. neapolitana Ten.
(= M. gracilis DC.) also für die Schweizer Adventivflora fraglich.
454 Hans Schinz.
Trifolium suhterraneu/m L. (Medit., W.-Eur.)- — Turnschanze Solo-
thurn, 1905, Lüscher!, Probst!
^Trifolium fadicosiim Wahlenb. 1828 (T. nidificum Griseb. 1843;
S.-Balkan, Kl.-As.). — Turnschanze Solothurn, 1904. 1907,
Probst!, 1905 Lüscher!
Trifolium Cherleii L. (Medit.). — Ebenda, 1904, Probst!
Trifolitini Mrtuni All. (Medit.). — Ebenda, 1905, Lüscher!
Trifolium diffusum Ehrh. (S.- u. SO.-Eur., Kaukas., Kl.-As.). —
Maggimühle in Zürich III und Kiesgrube im Hard, 1906, WerndliT
Trifolium pallidum W. K. (O.-Medit., O.-Eur., Alger.). — Turn-
schanze Solothurn, 1904-05, Probst!, 1905 Binz!, Lüscher 1
Trifolium lappaceum L. (Medit.). — Ebenda, 1904—05, Probst!,
1905 Lüscher!
Tinfolvum stellatum L. (Medit.). — Ebenda, 1905, Lüscher!. Probst!
Trifolium angustifolium L. (Medit). — Ebenda, 1905, Probst!
Trifolium pu?jjureum Loisel. (T. Loiseleuri Rouy; S.-Frankreich,
SO.-Eur., SW.-As.). — Wie vorige Art, 1905, Probst!
Trifolium maritimum Hudson (Medit., W.-Eur.). — Güterbahnhof
Zürich III, 1905, 0. Naegeli!
Trifolium echinatum M. Bieb. (T. supinum Savi ; SO.-Eur., SW.-As.).
— Biberiststrasse und alte Bernstrasse in Solothurn, 1904, Turn-
schanze 1904 - 05, Probst! (dies ist „ T. dalmaticum Yis. [oder
ligusticumBalb.?]" Lüscher! Nachtr. Fl. Soloth. [1904], 5), 1906
Lüscher!; Vorstadt beim Transformatorenhaus, 1907, Probst!;
Basel an der Verbindungsbahn (Hardstrasse-Gellertstrasse), 1907,
P. Vosseier! (Herb. Binz).
* Trifoliiini constcmtinoj^olitanuni Ser. (T. alexandrinum Boiss.
Fl. Or. ex p., non L.; vielleicht Ssp. von T. echinatum. — SW.-
As.). — Turnschanze Solothuin, 1904—05, Lüscher!, 1905
Probst!, Binz!; Malzfabrik Solothurn, 1904—05, Lüscher!
1907 Probst!; Kiesgrube im Hard Zürich III, 1906, Werndli!
— var. Carmelii (Boiss. pro spec.) Thell. Pflanze höher, üppiger,
Köpfe grösser (über 2 cm lang), Krone intensiver gelb. — Turn-
schanze Solothurn, 1905, Probst!
Trifoliitrn alexcifulrinnm L. verum! (Ägypt. , kult.). — Solo-^
thurn, Schutt an der alten Bernstr. (mit T. echinatum!), 1904,
und Malzfabrik Solothurn, 1907, Probst!
Trifolium, nigrescetis Viv. (Medit.). — Turnschanze Solothurn, 1905,
Probst!, Binz!; Vorstadt beim Transformatorenhaus, 1907,
Probst!
— var. polyanthenium (Ten.) Lojac. — Belvoir und Kiesgrube im
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 455
Hard Zürich III, 1906, Werndlü; Solothurii, Vorstadt beim
Transformatoreiihaus, 1907, Probat!
Trifolium Michelianum Savi (Medit.). — Turnschanze Solothurn,
1905, Probst!
Securif/ei-a Securithaa (L.) Thellung ap. E. Janchen in Mitteil.
d. Naturw. Ver. a. d. Univ. Wien V (1907), 94 (April) et in
Zimmermann, Adventiv- u. Ruderalfl. Mannheim (Juli 1907). 138
(Coronilla L.; Securidaca lutea Miller; Bonaveria Securidaca Desv.;
Securigera Coronilla DC. — Medit.). — Turnschanze Solothurn,
1905, Lüscher!
Lotus angus'HssiiiiH.s L. (Medit., W.- u. O.-Eur., W.- u. Zentr.-
As.). — Turnschanze Solothurn, 1905, Probst!
* Psoralea cinerea Lindley (Austrat. ). — Kammgarnfabrik Deren-
dingen bei Solothurn (australische Schafwolle), 1907, Probst!
*Sesbaiiia aegyptlura Pers. (tiop. Afr., As.. Austral.). — Kamm-
garnfabrik Derendingen bei Solothurn (australische Schafwolle),
1907, Probst!
"^Scorpiurus snlcatus L. (S.-Medit. ; Ssp. des mediterranen S.
muricatus L. emend. Fiori u. Paoletti). — Solothurner Malzfabrik,
1904, Lüscher! Nachtr. Fl. Soloth. (1904), 6; Tnrnschanze Solo-
thurn, 1904, Probst!; ? Vorstadt beim Transformatorenhaus
1907, Probst! (zu jung!).
iyt^nithopus compressus L. (Medit.) — Turnschanze Solothurn,
1905, Lüscher!; Ruchfeld bei Basel, 1906: Magnat nach Binz
mscr.
*A7'arJiis hypogaea L. (Brasil; Kulturpfl. der Tropen, auch in
S.-Eur.). — Solothurn auf Schutt beim Baseltor, 1906, Probst!
Vicia bithynica L. (Medit.). — Solothurner Malzfabrik, 1904, Probst!
Vicia 7iarbo7iensis L. (Medit., O.-Eur., W.-As.). — Malzfabrik und
Turnschanze Solothurn. 1904, Lüscher! Nachtr. Fl. Soloth.
(1904), 5; Turnschanze, 1906, Lüscher!, Probst!
— ssp. serratifolia (Jacq. pro spec). — Bellach bei Solothurn im
Getreide, 1906, Probst!
Vicia lutea L. var. violascens Rouy (Krone + violett überlaufen), —
Turnschanze Solothurn, 1904, Probst! (dies ist V. peregrina.
Probst, Beitr. Fl. Soloth. [1904], 35), 1906 Lüscher!
Vicia hybrida L. (Medit.). — Langendorf (Solothurn) bei der Tuch-
fabrik, 1905, Probst!; Turnschanze Solothurn, 1906, Lüscher!,
Probst!
Vicia graciUs Loisel. (W.- u. S.-Eur., N.-Afr., W.-As.: von V. tetra-
sperma [L.] Mönch wohl nicht spezifisch verschieden). — Solo-
thurn, Vorstadt beim Transformatorenhaus, 1907, Probst!
456 Hans Schinz.
liothyrus Cli/nieniini L. (Medit.). — Schutt an der Landstrasse
in Gordola bei Locarno, 1894, L tisch er!
Lathyrtis Ochvus (L.) DC, (Medit.)- — Turnschanze Solothurn,
1904, Probst!
* JjatJi i/mis hievosolyniitanus Boiss. (SW.-As.) var. grandiflorus
Boiss.! — Hardplatz Zürich III, 1902, Thellung {„L. annuus L.?"
in Ruderal- u. Adventivfl. d. Kt. Zürich [1905], 53); Turnschanze
Solothurn, 1906, Lüscher!, Probst!
Geranium rutheniciitu Uechtr. (G. sibiricum auct. Ross. ex p. ;
Russl., Sibir.; eingebürgert in Ostpreussen). — Beim Kurhaus
St. Moritz, 1905, Branger!
"^Geranium collinuni Steph. (G. longipes DC; Russl., W.-As.;
früher oft in botan. Gärten kult.). — Basel, Wartembergerstrasse,
1904, P. Vosseier! (Herb. Binz).
"^Erodium liftoreum Leman det. Brumhard (W.-Medit.). — Tuch-
fabrik Langendorf (Kt. Solothurn), 1906, Probst!
Oxalis corniculata L. var. purpurea Parlat. (0. tropaeoloides Hort.).
— Gartenunkraut in Aubonne (seit 15 Jahren), 1876 und 1879,
Vetter!; Herbetwil (Kt. Solothurn) im Garten von Lehrer Otto
und Aedermannsdorf (Solothurn) 1899, sehr häufig: J. Bär;
Rheineck, 1905, Sulger-Buel!
^Oxalis Martiana Zucc. 1823—24 (0. floribunda Lehm. 1826,
Link u. Otto Abb. seit. Gew. I [1828], 19, t. 10! non Lindley
Bot. Reg. [1828], t. 1123! — Brasil., W.-Ind., Ascension, Mauri-
tius). — Unkraut auf einem Acker hinter dem Schänzli in Bern,
1901, A. Keller!
JEuphorMa Chaitiaesyce L. vera! (Medit.) var. canescens (L.)
Roeper. — Genf: introduit ä la Campagne de Charmilles (Chäte-
laine), 1848, Fauconnet! (Herb. Deless.).
Euphorbia Engehnanni auct. helv. (non Boiss.) besteht aus:
1. JE, Tnaculata L. (N.-Am.). Pflanze rauhhaarig, Same quer-
gefurcht.
2. E. humifusü Willd. (W.-, N.- u. O.-As.). Pflanze (bei uns) kahl,
Same glatt.
Beide Arten finden sich im Tessin und in mehreren botanischen
und anderen Gärten eingebürgert; vergl. Thellung in Bull. Herb.
Boiss. 2. ser. (VII), No. 9, p. 741—772.
Euphorbia JEsula L. (fast ganz Eur., W.- u. N.-As.). — Tessin:
Mte. Generoso, in cultis: Penzig nach Rhiner „Abrisse" in Ber.
d. St. Gall. naturw. Ges. 1890 91 (1892), 149. Da von dieser
Pflanze seither nichts mehr verlautet, dürfte es sich wohl um
ein adventives Vorkommnis gehandelt haben.
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 457
^Eirphorhia cyhirensis Boiss. (Kl.-As., Syr., Mesopot.). — Malz-
fabrik Solothurn, 1904, Lüscher!; Turnschanze Solothurn,
1904—05, Probst! — [Auch schon bei Marseille gefunden.]
Impatiefis Boylei Wa\^. (I. glandulifera Royle 1839 non Arn. 1835;
L glanduligera Lindley. — Himal.). — Ufer der Birs zwischen
Aesch und St. Jakob bei Basel seit einigen Jahren, Binz!; zwischen
Mönchenstein und „Neue Welt", 1904, Abderhalden! in Herb.
Binz.
Abutilon Avicennae Gärtner (SO.-Eur., N.-Afr., SW.-As.). — Ruch-
feld bei Basel und zwischen St. Jakob und „Neue Welt", 1906:
Binz mscr.
Lavaleva j^^ttictata All. (Medit.)- — Turnschanze Solothurn, 1904,
Probst! (dies ist L. thuringiaca Probst, Beitr. FL Soloth.
[1904], 35).
Lavatera trimestris L. (Medit.; Zierpfl.), — Schutthaufen in
Sarmenstorf (Aargau), rot- und weissblühend, 1906, Jos. Meier!
Viola tiicoJor L. var. hortensis DC. — In der Nähe von Bauern-
gärten zuweilen verwildert, z. B. im Kt. Zürich: Hittnau 1899,
Andelfingen 1904, Ossingen 1907, Thellung; Sarmenstorf (Aar-
gau), 1907, Jos. Meier!
Clarkia pidchella Pursh (Kaliforn.) var. integripetala Hort, ex Vil-
morin f. marginata Hort. — Moren (Luzern) in einem Kartoffel-
acker, 1907, Jos. Meier!
Oenothera muricata L. (N.-Am.). — Schanzengraben Zürich (Nähe
des botan. Gartens!) (ca. 70er Jahre), Vetter!; seither im Kan-
ton Zürich nicht mehr gefunden. — Eine gegen Oe. hiennis L.
neigende Form (Kelchzipfel ca. V/2 so lang als die Kelchröhre ;
morphologisch von dem Bastard 0. bienni-muricata A. Braun
[= 0. Braunii Doli] kaum zu unterscheiden) : Rasen beim Museum
in Solothurn, 1904, Lüscher!
— var. latifolla Ascherson. — Solothurn, adventiv im Garten der
Uhrmacherschule, 1907, Probst!
*Gattra Metmis L. (N.-Am.). — Lisiere S.-W. du bois de Bude pres
Ferney (Ain): Beauverd in Bull. Herb. Boiss. 2.ser. VI(1906), 428.
Ery ngium planum L. (SO.-Eur., W.- u. N.-As.). — Solothurn, Heiden-
käppli, 1906, Keller! (Herb. Probst); Industriequartier Solo-
thurn, Lüscher!
^Lagmcia ciitninoides L. (Medit.). — Turnschanze Solothurn,
1906, Probst!
*Scan(7ix niact'orrJii/ncha C. A. Meyer (S. hispanica' Boiss.; Ssp.
der S. Pecten Veneris L. nach Rouy. — S.-Eur., SVV.-As.). —
Turnschanze Solothurn, 1904, Probst!
Vierteljahrsschrilt d. Naturf. Ges. Zürich. Jabrg. 52. 19Ü7. 3ü
458 Hans Schinz.
Torilis arvensis (Hudson) Link var. purpurea (Guss, pro spec.) Fiori
u. Paoletti [excl. f. b. heterophylla] (heimisch z. B. in Italien). —
Turnschanze Solothurn, 1904, Probst!
Torilis lieteropliylla Guss. (Ssp. von T. arvensis [Hudson] Link?
— Medit.). — Hardplatz Zürich HI, 1902, Thellung; Turn-
schanze Solothurn, 1906, Probst!
Torilis lej)tophyIIa (L.) Rchb. (Medit.). — Turnschanze Solothurn,
1904—05, und südlich der Vorstadt, 1906, Probst!
Oflciya x>lOjtycfif'pos (L.) Koch (Medit.). — Solothurner Malzfabrik,
1904, und Vorstadt beim Transformatorenhaus, 1907, Probst!
Biqjleuriwi subovatum Link (B. protractum Hoffmannsegg u. Link;
Medit. - Bahnhof Buchs, 1907, Schnyder!
üui^leufuni Odontites L. ex Desf., Rchb., Boiss. (B. Fontanesii
Guss.; Medit.). — Solothurn^ südlich. der Vorstadt, 1904, 1906,
Probst!; westlich der Malzfabrik, 1906, Lüscher!, Probst!
Jßuplem'uni teniiissinium L. (fast ganz Eur., Kauk., N.-Afr,).
— „Les Croisettes" am Genfersee [wohl nur vorübergehend ad-
ventiv], 1864, leg.? (Herb. Univ. Zürich).
Hidolfia segetuin (L.) Moris (Medit.). — Orbe (criblures de bles
etrangers), 1883, Vetter!; Ruchfeld bei Basel, 1907, E. Suter!
(Herb. Binz).
Arnmi majus L. (Medit.).
— var. serratum Mutel (= var. genuinum Gren. et Godron), Grund-
blätter einfach fiederschnittig, mit gesägten Abschnitten. Die bei
uns am häufigsten eingeschleppte Form ; z. B.: Solothurn, Vorstadt,
1907, Probst!
— var. intermedium (DC.) Gren. et Godron, untere Laubblätter doppelt
fiederschnittig, mit keilförmigen, eingeschnitten gezähnten Ab-
schnitten. — Solothurn, Vorstadt, 1907, Probst!
— var. glaucifolium (L.) Noulet, alle Laubblätter fein zerteilt, mit
linealischen, grösstenteils ganzrandigen Zipfeln. — Turnschanze
Solothurn, 1904, und südlich der Vorstadt, 1906—07, Probst!
Oenanthe pimjnnelloides L. (Medit.). — ? Güterbahnhof Zofingen
1882^ — 83, Lüscher! (zur sichern Bestimmung zu jung!); Turn-
schanze Solothurn, 1905—06, Probst!
Pharbitis purpiirea (L.) Ascherson (trop. Am.). — Kirchenfeld bei
Bern verwildert (fl. olbo), 1901, Lüscher!
*I*harbitis JSHl (L.) Choisy (trop. Am.). — Tessin: Fornasette,
Bez. Lugano, 1904, Chenevard!
Coiivolvulus daJiuriciis Sims (Calystegia Choisy; Tatarei, Sibir.).
— Zürich: Hofacker, 1882: Itschner nach Schinz mscr.; Rhein-
eck, an einer Hecke verwildert, 1906, Sulger-Buel!
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 459
"^Convolvulus irubescens (Lindley) Thell. comb. nov. [non Soland.
in Russell 1794, qiii = C. betonicifolius Miller 1768 (= C. hirsutus
M. Bieb. 1808), nee Willd. 1809, qui = Ipomoea pubescens Lam.
1791] (Calystegia pubescens Lindley Bot. Reg. XXXII. t. 42! —
China). — Alte Kiesgrube Hardau in Zürich III, 1905, Buch er!
Cnscuta corymhosa Ruiz u. Pavon ist aus der Adventivflora der
Schweiz zu streichen. Die in Schinz und Keller, Fl. d. Schweiz,
ed. 2, II (1905), 177, sowie bei Naegeli und Thellung, Ruderal-
u. Adventivfl. d. Kt. Zürich (1905), 61 unter diesem Namen auf-
geführte Pflanze gehört zu C. raceinosa Mart. (S.-Am.); Syn. :
C. corymbosa Choisy Cusc. et auct. gall. et helv., non R. P.;
C. suaveolens Ser. ; G. hassiaca Pfeiffer.
CoUomia hiflora (Ruiz u. Pavon) Brand (C. coccinea Lehm.; Chile,
Boliv.; Zierpflanze). — Solothurn bei der Malzfabrik, 1903,
Lüscher!
* Heliotropium sujnnum L. (Medit.). — Solothurn beim Basel-
tor, 1906, Probst!
JLap2)ula 2^f'tiila (Lebm.) Ascherson (Span., N.-Afr., S.-Russl., SW.-
As.y — Getreidelagerhäuser in Brunnen, 1907, Thellung.
SympJif/tiim asperiun Lepechin 1805 (S. asperrimum Denn 1806;
Kauk.. Armen., Pers.). — Ormonts (Yaud), introduit, 1886, G.
Mermod!; Tesserete (Tessin), 1903, M. Jägglü: verwildert am
Bodenseeufer bei Ermatingen (Thurgau), 1904 — 07, E. Baumann!
Syniphytuni ccernlemn Petitmengin! n. spec. ined. 1903^) [an
Hort. angl. ex Steud. Nom. ed. 2 (1841), 654 (nomen nudum!)?]
(S. peregrinum Bot. Mag. t. 6466! [1879] et bort., Ascherson
& Graebner Fl. Nordostd. Flachl. [1898—9], 577 — non Ledeb. ! 2)
— Kaukasus nach Bot. Mag. 1, c. ; oder vielleicht .Gartenbastard :
'J Mit kurzer Beschreibung auf der mit Tinte geschriebenen Herbaretikette
{Herb. Montpellier). — Diagnose (hier zum erstenmal veröffentlicht):
Affine S. officinali L., a quo distinguitur foliis superioribus imperfecte (ad
medium tantum internodii) decurrentibus, corolla carulea (non violacea vel flave-
scenti-alba) calyce (saepe ad tertiam partem inferiorem tantum, non fere ad basin
fisso) 3 — 4 plo (non subduplo) longiore, filamentis antherae subaequahbus (non
subduplo brevioribus). — Die Art wird demnächst auch in der im Druck befind-
lichen Flore analytique de Lorraine von Petitmengin und Gadfuin beschrieben
werden.
^) S. peregrinum Ledeb. ! Cat. h. Dorpat. (1820), 4 ist, wie schon aus der
Beschreibung bei A. DG. Prodr. X (1846), 37 und bei Ledeb. Flora Boss. III, 1
(1846?), 114 hervorgeht, nach einem von Fischer aus dem Hort. Dorpat. über-
mittelten, anscheinend authentischen Exemplar im Herb. DC. Prodr. beträchtlich
verschieden durch die gar nicht herablaufenden Stengelblätter und den folglich
völlig flügellosen Stengel; ich schliesse mich daher der Auflassung Boissiers an,
der (Fl. Or. IV [1879], 175) S. peregrinum Ledeb., wie auch S. echinatum Ledeb.,
als „formae hortenses forsan hybridae" zu S. asperum. Lepechin zieht.
•460 Hans Schinz.
S. asperum Lepechin X officinale L.?), — Botan. Grarten Zürich
als Unkraut, 1907, Thellung; Sion, 1905, F. 0. Wolf! (ob
kultiviert?).
Die Pflanze des Züricher botan. Gartens ist mit dem von Petit -
mengin ausgegebenen' Exsikkatum von Doumartemont [Meurthe et
Moselle] (Petit bois en dessous de la forme Ste. Grenevieve, wo die Pflanze
zweifellos verwildert ist) völlig identisch und stimmt auch mit der im
Bot. Mag. 1. c. als S. peregrinum abgebildeten und beschriebenen Pflanze
gut überein mit Ausnahme des wohl ziemlich geringfügigen ümstandes,
dass bei der ersteren die Schlundschuppen die Antheren etwas über-
ragen, während bei der letzteren das Gegenteil der Fall ist.
*Syniphytiiiii Vettert ') Thellung n. spec.
Perenne? Partes basilares mihi ignotae. Planta elata, habitu
S. officinalis L. Caulis ramosus, indumento fere destitutus, foliis
imperfecta decurrentibus hinc inde subalatus, epilosus, primo
intuitu glaberrimus et laevis, aculeolis tamen minutis retrorsum
curvatis remote in inflorescentia tantum densius obsitus. Folia
caulina media et superiora alterna, ovato-lanceolata, acuta, basin
versus quasi in petiolum late alatum contracta, infra insertionem
-f longe (plerumque ad dimidium internodii) et saepe inaequa-
liter decurrentia, (exceptis summis) glabra (i. e. epilosa), su-
perne pustulis albidis conspicuis, saepe in aculeolum minutissi-
mum terminatis, elevato-punctata, margine aculeolis curvatis
obsita. Inflorescentiae eis S. officinalis similes, satis multiflorae ;
axis et pedicelli (calyce subbreviores) aculeolis et pilis molliori-
bus hirsutuli. Calyx + 7 mm longus, ad quintam fere partem
inferiorem in lacinias 5 triangulari-lanceolatas acutissimas, co-
rollae tubum subaequantes, post anthesin paulo auctas, facie
glabras et laeves, margine aculeolato-ciliatas partitus. Corolla
tubuloso-infundibiliformis limbo subventricoso, 13—15 mm longa,
calyce suduplo longior, purpurea, limbo tubum longitudine sub-
aequante, dentibus limbi parvis triangularibus revolutis. For-
nices inclusi (limbum non aequantes), anguste triangulari-lan-
ceolati acutissimi, antheris subaequilati et eis vix longiores.
') Ich dedizieie diese Art Joh. Jak. Vetter, geb. 11. .Jan. 1826 in Stein
(Schaffhausen), Konservator am Herbarium Barbey in Valleyres, hochverdientem
Erforscher und vorzüglichem Kenner der schweizerischen Adventivflora; von Be-
deutung ist namentlich sein Aufsatz: Quelques notes sur la Flore des environs
d'Orbe, in Bull. Soc. Vaud. des sc. nat. XXII Nr. 9.5 [1886], 268—277 (vgl. das
Referat in Jusfs Bot. Jahresber. XV, 2 [1890], 428 n. 186). Das von Prof. Dr.
Hans Schinz dem botan. Museum der Universität Zürich geschenkte Herbarium
Vetter ist ausserordentlich reich an schweizerischen Adventivpflanzen; ich ent-
deckte darin unter anderen noch nicht publizierten interessanten Funden auch das
oben beschriebene merkwürdige Symphytum.
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 461
Antherae filamento IV2 — 2 plo longiores. Nuculae, a latere
visae , oblique ovato - semicirculares , laeves. Maxime affine
S. officinali, a quo tarnen indumento singulari et foliis imper-
fecte tantum decurrentibus manifeste differt. — Patria ignota;
in Helvetia semel adventicium :
Orbe (Waadt), au Sechon, bords de l'ancien lit de l'Orbe,
1892, Moehrlen! in Herb. Vetter (Univ. Zürich).
S. Vettert unterscheidet sich von allen mir bekannten
Arten der Gattung durch fast völlig haarlose und nur sehr fein
und entfernt stachelige Stengel und Laubblätter ^), von S. offi-
«inale L., dem es zweifellos sehr nahe steht, ausserdem auch
durch die nur halb herablaufenden Blätter und die viel grösseren
(oft V* ^^^ breiten), in ein ganz kurzes Börstchen endigenden
Pusteln der Oberseite der Laubblätter.
Die Stellung des S. Vetteri zu S. officinale L. und den
übrigen in Europa gelegentlich adventiv beobachteten Symphijtum-
Arten dieses Verwandtschaftski'eises kommt in der folgenden
Tabelle zum Ausdi-uck:
1. Stengel von + stark seitlich zusammengedrückten, abwärts gebogenen Stacheln
rauh. Laubblätter gar nicht hei ablaufend. Kelchzähne so lang oder länger
als die Kelchröhre, V^ — Vs der Krone erreichend. Staubfäden ± so lang wie
die Antheren. — Kaukasus, Armenien, Persien. — S. asperrimum Don.; Bot.
Mag. t. 929!
S. asperum Lepechin.
1*. Stengel weichhaarig oder borstig bis fast kahl, aber nicht mit zusammenge-
drückten, gebogenen Stacheln besetzt; seltener mit solchen, aber zugleich die
Laubblätter herablaufend.
2. Kelchzipfel länger als die Kelchröhre.
3. Kelch tief öteilig; oder, wenn nur bis zum unteren Drittel gespalten,
Pflanze mit zusammengedrückten Stacheln. Laubblätter ganz oder halb
herablaufend.
4. Stengel und Laubblätter dicht borstig rauhhaarig; Indument aus
Stachelborsten und Haaren gemischt.
5. Obere Laubblätter nur halb herablaufend. Krone 3 — 4 mal so
lang als der oft nur bis zum unteren Drittel gespaltene Kelch,
blau. Staubfäden Az so lang wie die Antheren. — Kaukasus?
Oder Bastard: S. asperum X officinale? — S. peregrinum Bot.
Mag. t. 6466 ! non Ledeb. !
S. coeruleum Petitmengin,
5*. Laubblätter (in der Regel) vollkommen herablaufend. Krone dop-
pelt so lang als der tief geteilte Kelch, violett oder gelblich weiss.
Staubfäden + V« so lang als die Antheren.
S. officinale L.
^) S. peregrinum Ledeb. wird von A. DC. Prodr. als ,caule glabriusculo
nudiusculo" beschrieben, unterscheidet sich aber von meiner Pflanze durch die
sitzenden oberen Stengelblätter und den im Verhältnis zur Krone kürzeren Kelch.
462 Hans Schinz.
4*. Stengel und Laubblätter haarlos, nur sehr entfernt mit kleinen, auf
Pusteln aufsitzenden Stachelchen besetzt. Laubblätter halb herab-
laufend. Krone doppelt so lang als der Kelch. Antheren IV2— 2 mal
so lang als die Staubfäden. — Heimat?
S. Vetteri Thell.
3*. Kelch nur bis zum unteren Drittel gespalten. Pflanze weichhaarig und
ausserdem mit am Grunde verdickten Borsten, aber ohne zusammen-
gedrückte Stacheln. Obere Laubblätter nicht oder sehr kurz herablaufend.
■ Krone 3 mal so lang als der Kelch. — Krim, Pontus, Armenien. —
Bot. Mag. t. 1787!
S. tauricum Willd.
2. Kelchzipfel kürzer als die Kelchröhre. Pflanze weichhaarig, fast ohne Borsten.
6. Obere Laubblätter sitzend. Krone doppelt so lang als der Kelch (?). —
Kleinasien. — Bot. Mag. t. 1912!
S. Orientale L., Boiss.
6*. Obere Laubblätter kurz herablaufend. Krone 3 mal so lang als der
Kelch. — Kaukasus. — Bot. Mag. t. 3188!
S. caucasicum M. Bieb.
Anchusa italica Retz. 1779 (A. azurea Miller 1768 P^); Medit.,
selten und unbeständig in der Südschweiz). — Böschung der
Strasse St. Moritz- Campfer (Engadin), 1905, Branger! Auch
sonst hin und wieder verschleppt, z. B. : Lommiswil (Solothurn),
Bahnlinie im Bau, 1907, und Hauterive bei Freiburg, 1907,
Probst!
— var, sublanata Thell. n. var., caulis partes superiores et inflores-
centiae axes setis densissimis longis patulis albis subcompressis
mollibus quasi albo-lanuginosi; foliorum pustulae minimae
vix conspicuae; flores quam in typo minores. Oberer Teil des
Stengels und Infloreszenzachsen mit sehr dichtstehenden, langen,
abstehenden, weissen, etwas bandartig zusammengedrückten,
weichen Borsten besetzt und dadurch weisslich-z ottig er-
scheinend; Pusteln der Laubblätter sehr klein und wenig auffällig;
Blüten kleiner als beim Typus; sonst scheint die Pflanze von
A. italica nicht verschieden. — Langendorf (Solothurn) in einem
Hühnergarten (Futter von der Malzfabrik), 1907, Probst! Ähn-
lich, aber mit etwas steiferen Borsten : Kiesplatz an der Strasse
Walenstadt-Berg, 1905, J.Bär und Hans R. Schinz! (scheint
den Übergang der Var. zum Typus zu vermitteln).
^) Die von Miller Gard. Dict. ed. 8 (1768), n. 9 gegebene Beschreibung der
A. azurea ist zur sichern Erkennung der Art unzulänglich, und auch das Synonym
Zanoni's (Hist. [1675], 51!) ist höchst unklar. Ein authentisches Herbarexemplar
der Millerschen Art scheint nach Mitteilung von Herrn J. Britten-London an
Prof. Schinznicht zu existieren.
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 4-63
*Anc7iusa sfylosa M, Bieb. (Griech., Türkei, Krim, Kl. -As.). —
PSolothurn, Vorstadt, 1907, Häberli! (Herb. Probst; ein dürf-
tiges Exemplar mit nur 1 Blüte).
Anchusa hybrida Ten. (A. undulata L. vai-. hybrida Fiori &
Paoletti; Medit.). — Solothurn beim Baseltor, 1907, Probst!
Lijcopsis orientalis L. (Anchusa Rchb. ; Span., S.-Russl., SW.-As.).
— Bahnhof Buchs, 1907, Schnyder!; Langendorf (Solothurn),
Bahndamm, 1907, Probst!
Nonnea pulla (L.) DC. (SO.-Eur., SW.-As.). — Dans un champ de
trefle ä Essert-Pittet pres Orbe (Vaud),. 1894, Moehrlen! (Herb.
Vetter); Ruchfeld bei Basel, 1902—3: Binz Fl. Basel ed. 2
(1905), 262; Bahnhof Buchs, 1905, Schnyder!
Cerinthe minorlj. (Medit.). — Turnschanze Solothurn, 1904, Probst!;
Ruchfeld bei Basel, 1906: Magnat nach Binz mscr.
— var. macidata (M. Bieb.) (Krone im Schlund purpurn, beim
Typus rein gelb). — Basel: Schutt an der Margrethenstrasse,
1900: Baumberger nach Binz FL Basel ed. 2 (1905), 263.
Echiinn plantagineum L. (Medit.). — Turnschanze Solothurn, 1904,
Probst! Vergi. Lüscher Nachtr. Fl. Soloth. (1904), 12. Von
Probst Beitr. Fl. Soloth. (1904), 36 als E. italicum aufgeführt.
*Clei*o<Jendron fcetidurn Bunge (China). — Verwildert um Lo-
carno: zwischen Hotel Belvedere und Madonna del Sasso, 1906:
Fr. Zimmermann-Mannheim, J. Bär.
Scutellaria altissima L. (SO.-Eur., Kauk.). — Bains de Lavey
1880, Moehrlen!; Botan. Garten Zürich, am Abhang gegen den
Schanzengraben seit längerer Zeit in grosser Menge verwildert!
*Lavandiila latifolia (L. L) Vill. (W. -Medit. bis Dalmatien). —
Kiesgrube Hardau, Zürich HL 1906, J. Bär!
Sideritis montaua L. (Medit.). — Maggimühle Zürich HI, 1907,
Werndlü; Oberdorf bei Solothurn, in frisch gesäter Luzerne,
1907, Probst!
Nepeta grandiflora M. Bieb. (Kaukas.). — Schanzengraben Solo-
thurn, 1892, Herb. Sophie Lang-Solothurn! ; Sitten, 1905,
F. 0. Wolf!
Dracocephalurn parviflorum Nutt. (N.-Am.), — Solothurn, Lager-
platz des Münsterbahn-Baues bei Langendorf, 1907, Probst!
Stach ys italicus Miller (St. salviaefolia Ten. ; S.-Eur. von Frankreich
bis Griechenl.). — Turnschanze Solothurn, 1904, Probst! (vergl.
Lüscher Nachtr. Fl. Soloth. [1904], 14); Seeufer beim Hotel
Reber in Locarno, vor 3 oder 4 Jahren: Chenevard briefl. an
Prof. Schinz; Ruchfeld bei Basel. 1907, E. Suter! (Herb. Binz).
*Salvia viridis L. (Medit.). — Turnschanze Solothurn, 1904, Probst!
464 Hans Schinz.
*Salvia virgata Ait. (SO.-Eur., SW.-As.). — Orbe, 1886, Vetter!;
Turnschanze Solothurn, 1906, Probst!
Salvia austriaca Jacq. (SO.-Eur.). — Bahnhof Buchs, 1907,
Schnyder!
Salvia Aethiopis L. (S.- u. O.-Eur., W.-As., N.-Afr.). — Solothurn
auf Schutt beim Baseltor, 1907, Probst!
Monarda fistiilosa L. (N.-Am.). — Biberist bei Solothurn, an
Stelle eines eingegangenen Gartens: Probst Beitr. Fl. Soloth.
(1904), 27.
Physalis peruviana L. (Ph. pubescens L. ß peruviana Fiori &
Paoletti; S.-Am., kult. u. verwildert in wärmeren Gegenden,
z. B. in Italien) var. esculenta (^Salisb.) Fiori & Paoletti (Ph. edulis
Sims), mit deutlich gezähnten Laubblättern. — Runkelfeld, Juch,
Altstetten bei Zürich, 1907, A. Yolkart!
Solanum rostratum Dunal (N.-Am.). — Kiesgrube im Hard Zürich III,
1907, Thellung.
"^Solamini pseudo-Capsiciim L. (trop. Am. ; Madeira, Mauritius
[ob spontan?]). — Kiesgrube im Hard Zürich III, 1901. Thel-
lung (in der Ruderal- u. Adventivfl. des Kts. Zürich [1905], 61
irrig als S. bonariense L. aufgeführt; letztere Art ist für die
Schweiz zu streichen).
Petunia violacea Lindley (Zierpflanze aus dem östl. S.-Am.). —
Basel, St. Albanring, 1907, P. Vosseier! (Herb. Binz).
Verbascuni sinuatum L, (Medit.). — Zürich, vor der Kaserne
beim bot. Garten (anno?), Osw. Heer!; Turnschanze Solothurn,
1904, Probst! (vergl. Lüscher Nachtr. Fl. Soloth. [1904], 12).
^Verbascufn cf. graciliflorum Del. (früher adventiv bei Mont-
pellier; Heimat unbekannt). — Eine dieser Art nahestehende,
aber durch grössere Blüten (Kelch 4 statt 2^2 — 3 mm lang) und
auffallend glänzende Blattoberseite verschiedene Pflanze: Orbe,
adventice pres du moulin, 1894, Moehrlen! (Herb. Vetter).
* Linaria pallida Ten. ( Appennin). — Verwildert auf Felsen und in
Schluchten der Rochers de Naye (Waadt), Flüchtling aus dem
botan, Garten „Rambertina": Boissieu in Bull. Soc. bot. France
LIH (1906), n. 7, 524.
Linaria genistifolia (L.) Miller (O.-Eur., W.-As.). — Turnschanze
Solothurn, 1904, Probst!, 1905 Binz!, Lüscher! (vergl. Probst
Beitr. FL Soloth. [1904], 36 und Lüscher Nachtr. Fl. Soloth.
[1904], 12); Bahnhof Solothurn, 1906, Werndlü; Bahnhof
Buchs, 1905, Schnyder!
Linaria purpurea (L.) Miller (Ital., Griech., Tunis) ist wohl aus
der Adventivflora der Schweiz zu streichen. Die Pflanze
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 465
sollte nach Hegetschweiler Fl. Schw. (1840), 606 von Monard
bei Romainmotier beobachtet worden sein; doch vermutet schon
Ducommun (Taschenb. Schweiz. Bot. [1869J, 566), dass es sich
um eine Verwechslung mit L. striata handeln dürfte. Tatsäch-
lich gehören Exemplare der „L. purpurea" von Romainmotier
im Herb. Helv. Univ. Zürich zu L. repens (L.) Miller (= L. striata
[Lam.] DC).
Antirrhinum Orontimn L. var. grandiflorum Chav. (A. calycinum
Lam.; Medit.). — Ruchfeld bei Basel, 1906, Binz!
^Martsia Trixago L. (Medit.). — Turnschanze Solothurn, 1905,
Lüscher!, Probst!
Plantag 0 Coronopus L. (Medit., W.-Eur. bis zur Nordsee). — Turn-
schanze Solothurn, 1904, Probst!
Plantago Psyllium L. (Medit.). — Turnschanze Solothurn, 1904,
Probst!, 1905, Lüscher!
J*laiitago JBellardii All. (P. pilosa Pourret; Medit.). — Ebenda,
1904, Probst!, 1905, Lüscher!
Asperula arvensis L. f. albiflora Probst!, flore albo. Krone rein-
weiss. Da, soviel mir bekannt, die europäischen Floren keine
Abänderungen in der Blütenfarbe der A. arvensis angeben, wohl
aber Boissier Fl. Or. III (1875), 80 („variat coroUa pallide
coerulea vel subcarnea"), so dürfte unsere Pflanze wohl aus
grösserer Entfernung, etwa aus dem Orient, eingeschleppt sein.
— Solothurn, Schutt beim Baseltor, 1907, Probst!
Galiuin divaricatum Lam. (mediterrane Ssp. des G. parisiense
L.). — Solothurn südlich der Vorstadt, 1906, Probst!
Knaiitia integrifolia (L.) Bertol. (Kn. hybrida (All.) Coulter;
S.-Eur., Kl.-As., Syr.) var. lyrata (Lara.) Rouy. — Solothurn,
Vorstadt beim Transformatorenhaus, 1907, Probst!
"^Cucumis inyriocarpits Naud. (C. Grossularia & grossularioides
Hort.; Zierpfl. aus S.-Afr.). — Kompost bei der Kammgarn-
fabrik Derendingen (Solothurn), 1907, Probst!
"^Campanula alliariifolia Willd. (Kaukas., Kl.-As.). — Saleve
(Grand-Sarrot) in der Nähe der Schweizergrenze: Beauverd in
Bull. Herb. Boiss. 2« ser. V (1905), 1194.
^Legousia jyentagonia (L.) Thell. comb. nov. (Specularia A. DC. ;
Türkei, Kreta, Kl.-As. u. Inseln, Syr., Kauk. ; eingebürgert in
Spanien, S.-Frankr. etc.). — Solothurn, Schutt beim Transfor-
matorenhaus (Vorstadt), 1907, Probst!
*Gritidelia deciimbens Greene! 1896 (Colorado) (G. Brownii
Heller! 1899 [Idaho], der nordamerikanischen G. squarrosa (Pursh)
Dunal nahestehend). — Ruchfeld bei Basel, 1906, Binz!
466 Hans Schinz.
Solidago graminifolia (L.) Ell. (S. lanceolata L. ; N.-Am.). —
Basel: rechtes Rheinufer unterhalb der Schiffbrücke (auf deut-
schem Boden), 1903: Binz mscr.
Callistephus chinensis (L.) Nees (China, Japan). — Tägerweilen
(Thurgau), beim Kirchhof seit ca. 1895 regelmässig verwildernd:
J. Bär; Ruchfeld bei Basel, 1905, Binz!; in einer Kleewiese bei
Aesch (Luzern), 1907, Jos. Meier!
Aste?^ novi helgii L. (N.-Am.). — Bei uns die häufigste der ver-
wildernden nordamerikanischen Aster-Arten. Dazu gehört als
Synonym: A. dmnosus Probst !i) Beitr. Fl. Soloth. (1904), 29
non L.
— var. (?) stenolepis Thell. n. var., squamis pro more speciei angustis-
simis (V2 mm latis). Hüllblätter ungewöhnlich schmal (ca. V2 mm
breit), Laubblätter schmallanzettlich ; sonst scheint die Yar. vom
Typus der Art nicht verschieden ; von A. salicifolius differiert sie
durch die sehr ungleich langen Hüllblätter, deren äussere nur
die Hälfte der inneren erreichen, und durch deutlich umfassend
geöhrte Stengelblätter. — Am Tägelbach östlich Niederwil (Thur-
gau), 1906, We gelin!
ssp. laevigatus (Lam.) Thell. (A. novi belgii var. laevigatus A. Grray;
A. brumalis Nees). Vom Typus durch traubigen (statt dolden-
rispigen) Gesamtblütenstand mit grösstenteils Iköpfigen Asten
verschieden. — Hieher als Synonym : A. nebraskensis Probst ! ')
Beitr. Fl. Soloth. (1904), 22 non Britton. — Von dieser bei uns
verbreiteten Ssp. sah ich aus der Schweiz die 2 folgenden be-
merkenswerten Varietäten :
— var. ovatus Thell. n. var., foliis ovatis (1:2 — 3), ad 3 cm
latis, acuminatis, basi ambitu rotundatis et amplexicaulibus.
Laubblätter eiförmig (1 : 2— 3), bis 3 cm breit, zugespitzt, am
Grunde im Umriss abgerundet und stengelumfassend (= A. ob-
lofigifolius Probst !>) Beitr. Fl. Soloth. [1904], 29 non Nutt.).
— Ufergebüsch der Aare oberhalb Büren (Kt. Bern), 1903—4,
Probst! — Angenähert auch: Marais d'Orbe (Vaud), 1883,
Vetter!
— var. subprenanthoides Thell. n. var., foliis apicem versus den-
tatis, infra medium integerrimis et subpanduriformi-constrictis,
inde formam A. jjrejianfhoidis Mühlenb. referentia. Laubblätter
oberwärts gezähnt, unter der Mitte etwas geigenförmig zusam-
1) Mithin sind die folgenden Arten aus der Adventivflora der Schweiz zu
streichen: A. acuminatus Michx., A. nebraskensis Britton und A. oblongifolius
Nutt.; vielleicht auch A. dumosus L., dessen Vorkommen in der Schweiz nicht
mit Sicherheit nachgewiesen, jedoch keineswegs unwahrscheinUch ist.
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 467
mengezogen und ganzrandig, dadurch in der Form etwas an
Ä. py^enanthoides Mühlenb. erinnernd, mit welcher Art meine
Pflanze jedoch sonst nichts gemeinsam hat (= A. acuminatus
Probst!^) Beitr. Fl. Soloth. [1904], 29 non Michx.). — Lac de
Neuchätel: Champreveyres, entre Neuchätel et St-Blaise, 1888,
Tripet!; im Bürengrien ob Büren a. d. Aare (Kt. Bern), 1904,
Probst!
Aster ?iovi helgii L. var. ? — Einen Aster, der nach seinen mor-
phologischen Merkmalen sehr wohl A. novi helgii X Trades-
canti L. (A. parviflorus Neos) sein könnte, der aber wegen des
Vorkommens ohne die mutmasslichen Stammarten nicht ohne
weiteres als Bastard angesprochen werden kann, sammelte
E. Baumann 1906 am Bodenseeufer (Seewiesen) bei Triebol-
dingen (Thurgau). Die Pflanze unterscheidet sich von A. novi
helgii durch viele kleinere Köpfe (längste Hüllblätter nur 4 mm
lang) mit sehr ungleich langen Hüllblättern, deren äussere nur
Va — V'2 der inneren erreichen, sowie durch am Grunde nur
schwach halbstengelumfassende Laubblätter; von A. Trades-
canti (parviflorus) durch etwas umfassende Stengelblätter,
breitere Hüllblätter mit nach vorn stärker rhombisch verbreiterter
grüner Mittelpartie und bläuliche Strahlblüten.
Aster salicifolius Scholler (A, paniculatus Lam.?; N.-Am.). — Be-
deutend seltener als die vorige Art; die Mehrzahl der Angaben
beruht wohl auf Verwechslung mit A. novi helgii und dessen
ssp. laevigatus. — Neue gesicherte Fundorte : Bodensee, Seeriet
bei Stiegen oberhalb Stein a. Rh., 1906, E. Baumann!; Sangen
bei Weinfelden, 1906, Schüepp!; Thurbett bei Üsslingen (Thur-
gau), 1906, Herrn. Huber!; Belvoir Zürich H, 1907, Thellung.
* Astet' laterißorus (L.) Britton (A. diffusus Ait. ; N.-Am.). —
Marais d'Orbe, 1884, Vetter!
Aster acer L. (S.- u. O.-Eur., W.-As.) ssp. trinervis (Desf. pro spec.)
(S.-Frankreich). — Dornach (Kt. Basel), 1906, [E. Suter nach]Binz!
E)'igei'on Karivinsh'yamis DC. var. mucronatus (DC.) Ascherson
in Verhandl. bot. Ver. Brandenb. XLI. 1889 (1890), XXXVII
(= Vittadinia triloba Hort, non DC; Mexiko, Guatemala, Vene-
zuela; in Südeuropa häufig kultiviert, verwildert in Portugal, Ita-
lien etc.). — Eingebürgert am Langensee bei Intra und Pallanza,
zuerst von Solms- Laub ach angegeben (vergl. Ascherson 1. c.
^) Mithin sind die folgenden Arten aus der Adventivllora der Schweiz zu
streichen: A. acuminatus Michx., A. nebraskenais Britton und A. oblongifol/'us
Nutt. ; vielleicht auch A. durnosus L., dessen Vorkommen in der Schweiz nicht mit
Sicherheit nachgewiesen, jedoch keineswegs unwahrscheinlich isl.
468 Hans Schinz.
p. XXXIII seq. und L. Micheletti in N. Giorn. bot. ital. n.
ser. VIII [1901], 189).
Ih'igeron crispus Pourret (E. linifolius Willd. ; Conyza ambigua DC.
— Wärmere Zonen, schon Mittelmeergebiet; nach Ascherson
vielleicht aus S.-Am. stammend). — Kammgarnfabrik Derendingen
bei Solothurn (australische Schafwolle), 1907, Probst!
Odo7itosj)e7^mwn aquaticum(Jj.)^chM\iz Bip. (AsteriscusLess.;Medit.).
— Turnschanze Solothurn, 1904, Probst!
Iva xanthiifoUa (Fresen.) Nutt. (N.-Am.). — Ruchfeld bei Basel,
1902—03, Binz! Fl. Basel ed. 2 (1905), 352 (hierher gehört auch
Atnbrosia psilostachya Binz! 1. c).
Atnbrosia trifida L. var. integrifolia (Mühlenb.) Torrey u. Gray (N.-
Am.). — Angenähert: Mönchenstein bei Basel, 1900, Binz!
^anthium echinattim Murray 1785 (excl. fig., quae pessima!)^),
Nocca u. Balbis, Pollini, Torr. u. Gray — non Willd. herb, nee
Wallr. Monogr. (X.americanum Walter 1788; X. occidentale Bertol.
1822; X. italicum Moretti 1822; X. riparium Lasch 1856; X.
macrocarpum DC. Prodr. ex p., Bluff u. Fing., Bertol., Koch Syn.
quoad loc, auct helv. ex p. — non DC. FL frauQ.; X. canadense
A. Gray, Britton u. Brown — non Miller; X. Orientale Cav., Ind.
Kew. ex syn. — non L. — N.-, Zentr.- u. S.-Am.; eingebürgert in
S.- u. 0-. u.im östl. Zentr.-Eur.). — Tuchfabrik in Langendorf bei
Solothurn (ungarische Wolle), 1907, Probst! — Bisher gaben die
Schweizerfloren nur „X. macrocarpum DC." aus dem Gebiet an,
unter welchem Namen jedoch sicherlich neben der echten
DC.'schen Art (der Flore fran^aise !) auch, wie in DC.'s Prodro-
mus, X. echinatum (italicum) verstanden wurde. Auf diese beiden
Arten ist weiter zu achten und ihre Standorte sind zu verifi-
zieren. Die Nomenklatur des X. macrocarpum DC. ist nach meiner
Auffassung folgende :
JT. otHentale L. 1763 (excl. loc), Schkuhr, Gärtner, A. u. G.;
X. canadense Miller 1768 (non auct. Am. bor.); X. cuneatum
Mönch 1794; X. macrocarpum DC. 1815; X. echinatum Willd.
herb., Wallr. Monogr., Aschers, etc. — non Murray (Span.,
S.-Frankr. ; selten in Zentr.-Eur. [meist aus botan. Gärten ver-
wildert]; stammt wohl gleichfalls aus Am., obgleich in den Her-
barien nicht von dort aufzufinden).^) — Unterscheidet sich von
X. echinatum (italicum): Fruchthülle länglich (statt ellipsoidisch),
^) Eine eingehende Begründung dieser Nomenklatur gedenke ich demnächst
•an anderer Stelle zu geben.
*) Sämtliche amerikanischen Exemplare des „X. macrocarpum" im Berliner
Herbar gehören zu X. echinatum (italicum).
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 469
mit Dicht sehr dichtstehenden, kräftigen, von der Mitte an ge-
bogenen und an der Spitze hakigen Dornen besetzt, die kürzer
sind als der Durchmesser der Fruchthülle (X. echinatum: Dornen
sehr dicht, schlanker, so lang wie der Durchmesser der Frucht,
bis unter der hakigen Spitze gerade); Schnäbel stark einwärts
gekrümmt (statt mit Ausnahme der hakigen Spitze fast gerade).
— Beide Arten unterscheiden sich von X. strumarium L. : Frucht-
hülle bedeutend grösser (mindestens 20 statt 12 — 15 mm lang)^
stärker behaart, bis zur Spitze mit Dornen besetzt; Fruchtschnäbel
an der Spitze meist hakig; Laubblätter am Grunde meist keil-
förmig (statt herzförmig).
Helianthus debilis Nutt. (H. cucumerifolius Hort.; N.-Am.). — Langen-
dorf (Solothurn), 1904, Probst!
Meluinihus giganteus L. (N.-Amerika.). — Kiesgrube Hardau
Zürich III, 1906, Werndlü, 1906—07, Thellung.
Guizotia abijssinica (L.) Cass. (trop. Afr.). — Zwischen St. Jakob und
„Neue Welt" bei Basel, 1905: E. Suter nach Binz mscr.; Com-
post bei der Irrenanstalt Rosegg bei Solothurn, 1906, ProbstI
Coreopsis tinctoria Nutt. (Calliopsis DC; Zierpflanze aus N.-Am.).
— Basel an der Verbindungsbahn (Hardstr.— Gellertstr.), 1907,
P. Vosseier! (Herb. Binz).
Galvnsoga parviflora Cav. (westl. S.-Am.). — Seeufer und Ödland
bei Markelfingen am Untersee (Bodensee) in Menge, 1907, E. Bau-
mann!
^Lagia platgglossa (Fischer u. Meyer) A. Gray (Callichroa Fisch,
u. Mey,; Zierpfl. aus Kaliforn.). — Beim Schlachthof Zürich III,
1907, Werndlü
Antheniis Cotula L. — Die zwei folgenden Varietäten scheinen bei
uns nur adventiv vorzukommen :
— var. latisecta Thell. n. var., foliorum lobis latioribus, + 1 mm latis.
Laubblattzipfel durchschnittlich 1 mm (statt V2 mm) breit. — Hard-
platz in Zürich III, 1903, Naegeli, Thellung (hierher gehört
A. arvensis x Cotula ? Naeg. u. Thell. Ruderal- u. Adventivfl.
Kt. Zürich [1905J, 75); Turnschanze Solothurn. 1905, Probst!
— var. canescens Thell. n. var., pedunculis et involucris canescentibus.
Kopfstiele und Hülle weisslich zottig. — Malzfabrik Solothurn,
1904, Probst!
Antheniis austriaca Jacq. (SO.-Eur., Kauk., Kl,-As.). — Turnschanze
Solothurn, 1905—06, Probst!, 1905 Binz!; Vorstadt beim Trans-
formatorenhaus, 1907, Probst!; Basel an der Verbindungsbahn
(Hardstr.-Gellertstr.), 1907, P. Vosseier! (Herb. Binz).
470 Hans Schinz.
Anthemis austriaca Jacq. var. truncata Thell. in Schinz u. Keller,
Fl. d. Schweiz, 2. Aufl. II (1905), 218. - Belvoir Zürich II, 1907,
Thellung.
Anthemis Cota L. (A. altissima L.; Medit.) — Lugano, Gartenunkraut,
1902, Schwingruber!; Turnschanze Solothurn, 1906, Probst!
— var. latisecta Thell. n. var., foliorum segmentis latioribus, rhachi
primaria 17* — 3 mm lata, paleis 17^ — 272 rnm (in typo 1 mm)
latis. Abschnitte der Laubblätter breiter, primäre Blattspindel
l3/4_3(^stattl — lV2) mm breit, Spreublätter 1^4— 2 V2 (statt 1) mm
breit (so heimisch z. B. auf der Insel Rhodos). — Turnschanze
Solothurn, 1904 — 5, Probst!, 1905 Binz!; angenähert auch
Solothurn, Vorstadt beim Transformatorenhaus, 1907, Probst!
Anthemis tinctoria L. — Eine Form(?) mit blassgelben Strahlblüten:
St. Jakob bei Basel, 1907, P. Vosseier! (Herb. Binz).
Anthemis ruthenica M. Bieb. (SO.-Eur., Kauk.). — Basel an der
Verbindungsbahn (Hardstr.-Gellertstr.), 1907, P. Vosseier! (Herb.
Binz); Getreidelagerhäuser in Brunnen, 1907, Thellung.
Anthemis mixta, L. (Medit.). — Monbijou bei Bern, 1901, Lüscher!
Chrysanthenmni coronariiim L. (Medit.). — Turnschanze Solothurn,
1904, Probst!; Turnschanze und Malzfabrik Solothurn, 1905,
Lüscher!; Getteidelagerhäuser in Brunnen, 1907, Thellung.
Chrysanthemu/iu Myconis L. (Medit.). — Kiesgrube bei der
Hardau Zürich III, 1905, Bucher!
^Cotula auHtralia (Sieber) Hooker fil. (Austral., N.-Seeland, Tristan
d'Acnnha). — Kammgarnfabrik Derendingen bei Solothurn (austra-
lische Schafwolle), 1907, Probst!
Artenvisia scopavia W. K. (O.-Eur., W.-As.). — Orbe (Vaud),
1893, Moehrlen!
^Afteniisia selengensis Turcz. (A. Verlotorum Lamotte; ob
spezifisch verschieden von A. vulgaris L. ? — Zentr.-As., advent.
in Frankreich), — Kiesgrube bei der Hardau Zürich III, 1906,
Thellung; ? Genf beim neuen botan. Garten (Ariana), 1907,
Thellung. (Die Pflanze von Genf ist nicht typisch; während sie
in der Blattform völlig mit A. selengensis übereinstimmt, neigt
sie in der Form der Hüllblätter vielmehr zu A. vulgaris. Für
A. selengensis spricht die gegenüber der daneben wachsenden
A. vulgaris beträchtlich verspätete Blütezeit.)
*Senecio gallictis Chaix (W. -Medit.). — Genf, auf Schutt beim
Plainpalais, 1905, Thellung.
Ecliino2)S hanatieus Rochel (SO.-Eur.). — Genf: talus d'un nouveau
chemin conduisant de la route de Vernier au Bois des Freres,
1905: Beauverd in Bulh Herb. Boiss. 2. ser. VI (1906), 428.
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 471
Xeranthemuni cijlindraceum Sibth. u. Sm. (S.-Eur., SW.-As.). —
Solothurn bei der Malzfabrik, 1907, Probst!
* Carduus 2)ijcnocephalus (L.) Jacq. (Medit., Genf). — Turnschanze
Solothurn, 1904-05, Probst!, 1905 Binz!, 1905—06 Lüscher!
^Carduus acicularis Bertol. (S.-Frankr., Ital., Dalmat.). — Mit
der vorigen Art, Probst!, Hinz!, Lüscher! (= C. leucographus
Probst! Beitr. Fl. Soloth. [1904], 87 non L.; die echte Linnesche
Art ist also für die Schweiz zu streichen).
CartJiaiHHS tinctorius L. (trop. Afr.?; kult. im Mittelmeergebiet,
Zentr.-Eur., W.-As., Ind., Japan etc.). - Schuttplatz bei Kreuz-
lingen, 1907, E. Baumann!
Cnicus henedictus L. (Medit.). — Dornach bei Basel: E. Suter nach
Binz mscr.
Cichorium Intybus L. ssp. *pumilum (Jacq. pro spec.) (C. divaricatum
Schousb., C. Intybus ß divaricatum DC. Prodr., C, Intybus var.
pumilum Fiori u. Paoletti. — Medit.). — Tuinschanze Solothurn,
1905, Lüscher !
Tolpis harhata (L.) Gärtner (W. -Medit. u. Griechenl. ; oft Zierpfl.).
— Zürich III, Bahnlinie beim Schlachthof, 1907, Werndli!
Zacintha verrucosa Gärtner (Medit.). — Turnschanze Solothurn,
1904-05, Probst!, 1905 Binz!; Malzfabrik Solothurn, 1905,
Lüscher!
Rhagadiohis stellatus (L.) Gärtner (Medit.). — Turnschanze Solo-
thurn, 1904—06, Probst!; Ruchfeld bei Basel, 1906: Binz mscr.
Hedypnois cretica (L.) Willd. (Medit.). — Turnschanze Solothurn,
1904, Probst!
Picris Sprengeriana (L.) Poir. (Medit.). — Ruchfeld bei Basel, 1903:
Binz mscr.; Turnschanze Solothurn, 1906, Probst!; Solothurner
Malzfabrik, 1906, Lüscher!; Solothurn beim Baseltor, 1907,
Probst!
Picris echioides L. (Medit.).
— var. crepidiformis Thell. n. var., capitulis multo minoribus (involucro
6 — 7 mm diam.) et numerosioribus, in corymbum densum congestis;
involucfi foliolis exterioribus quam interiores ^s brevioribus, quam
in typo angustioribus. Köpfe viel kleiner (6 — 7 mm im Durch-
messer) und zahlreicher als beim Typus, dicht gedrängt in einem
doldentraubigen Gesamtblütenstand; äussere Hüllblätter um ein
Drittel kürzer als die inneren, relativ schmäler als beim Typus;
sonst von diesem nicht verschieden, — Von allenfalls in Frage
kommenden bereits beschriebenen Varietäten der P. echioides
finde ich in der Literatur erwähnt: wd^v. pratensis {ChevdX.), unter-
scheidet sich von meiner Pflanze durch die äusseren Hüllblätter,
472
Hans Schinz.
die die inneren an Länge erreichen ; var. humifusa (Willd.) durch
schlanke, niederliegende oder aufsteigende und ziemlich kahle
Stengel, sowie durch fast wehrlose innere Hüllblätter, während
bei meiner Varietät der Stengel kräftig und aufrecht und in auf-
rechte Äste verzweigt ist und die Hüllblätter gerade so stachelig
sind wie beim Typus; Helminthia lusitanica Welw. differiert
durch den sehr kurzen (statt der Frucht an Länge etwa gleich-
kommenden) Fruchtschnabel und relativ viel breitere äussere
Hüllblätter. — Turnschanze Solothurn, 1904, Probst!
*Itodigia eominutata Sprengel (SO.-Eur., SW,-As.). — Turn-
schanze Solothurn, 1904, Probst!
Crejns rubra L. (ItaL, Balkan, Kreta). — „Stalden", Herb. Baur!
(vielleicht nur als Zierpflanze kultiviert).
Nachtrag.
Sicyos angulatus L. (N.-Am.; eingebürgert in O.-Eur.).
matingen 1907: E. Baumann (briefl.).
— Er-
Register der Gattungsnamen.
Abutiton 457
Agropyrum 440
Alopecurus 436/7
Alyssum 449
Amarantus 442/3
Ambrosia 468
Ammi 458
Anchusa 462/3
Andropogon 435
Anthemis 469/70
Antirrhinum 465
Arachis 455
Artemisia 470
Asperula 465
Aster 466/7
Atriplex 442
Aubrietia 448
Avena 437
Bartsia 465
Basilima 451
Beta 442
(Bonaveria 455)
Brassica 446
Bromus 440
Broussonetia 441
Bunias 449
Bupleurum 458
Callistephus 466
Campanula 465
Carduus 471
Carthamus 471
Ceriathe 463
Chenopodium 442
Chloris 438
Chorispora 449
Chrysanthemum 470
Cichorium 471
Clarkia 457
Claytonia 444
Clematis 444
Clerodendron 463
Cnicus 471
Colloniia 459
Conrinaria 449
Convolvulus 458/9
Coreopsis 469
Cornucopiae 435
Cotula 470
Crepis 472
Cucumis 465
Cuscuta 459
Dactyloctenium 438
Dianthus 444
üiplachne 438
Diplotaxis 446
Dracocephalum 463
Dracunculus 441
Echinops 470
Echium 463
Eragrostis 438/40
Erigeron 467/8
Eriochloa 435
Erodium 456
Erucaria 446
Eryngium 457
Erysimum 448/9
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 473
Euphorbia' 456/7
Fumaria 445
Galinsoga 469
Galium 465
Gaura 457
Geranium 456
Gleditschia 451
Gomphrena 443
Grindelia 465
♦
Guizotia 469
Hedypnois 471
Hehanthus 469
HeHotropium 459
Hordeum 441
Humulus 441
Hypecoum 445
Impatiens 457
Iva 468
Juncus 441
Knautia 465
Kochia 442
Lagcecia 457
Lappula 459
Lathyrus 456
Lavandula 463
Lavatera 457
Lyaia 469
Legousia 465
Lepidium 445/6
Leptochloa 438
Lepturus 440
Linaria 464/5
Lolium 440
Lotus 455
Lupinus 451
Lycopsis 463
Medicago 451/3
Melilotus 453
Mosnchia 444
Monarda 464
Myagrum 446
(Nasturtium 448)
Nepeta 463
Nigella 444
Nonnea 463
Odontospermum 468
Oenanthe 458
Oenothera 457
Orlaya 458
Ornithogalum 441
Ornithopus 455
Oxalis 456
Panicum 435
Papaver 445
Petunia 464
Phalaris 435
Pharbitis 458
Phleum 435/6
Physalis 464
Physocarpus 451
Picris 471/2
Plantago 465
Polygonum 442
Polypogon 437
Potentilla 451
Psoralea 455
Ranunculus 444
Rapistrum 446/8
Reseda 449
Rhagadiolus 471
Ridolfia 458
Rodigia 472
Roripa 448
Rumex 441
Salsola 442
Salvia 463/4
Sarracenia 450
Saxifraga 450
Scandix 457
Scorpiurus 455
Scutellaria 463
Securigera 455
Sedum 450
Senecio 470
Sesbania 455
Sicyos 472
Sideritis 463
Silene 444
Sisymbrium 446
Sisyrinchium 441
Solanum 464
Solidago 466
(Specularia 465)
Stachys 463
Symphytum 459/62
Tolpis 471
Torihs 458
Trifolium 453/5
Trigonella 451
Triticum 440/1
Verbascum 464
Vicia 455
Viola 457
Vulpia 440
Xanthium 468/9
Xeranthemum 471
Zacintha 471
Vierteljahrssclirift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907
31
Trapa natans L. in der Schweiz und in Oberitalien.
Von
Hans Schinz (Zürich).
(Hiezu Tafel XX.)
Über Trapa ist von schweizerischer Seite schon mehrfach ge-
schrieben worden, so. wenn ich absehe von den Publikationen über
die fossilen und halb fossilen Vorkommnisse, von Jäggi im Neujahrs-
blatt der zürcherischen naturforschenden Gesellschaft auf das Jahr
1884 (J. Jäggi, die Wassernuss, Trapa natans L. und der Tribulus
der Alten) und von Schröter in den Archives des sciences phys. et
naturelles, quatr. periode, t. VIII, 1899 (C. Schröter, contribution ä
l'etude des varietes de Trapa natans L.) ; beides Abhandlungen von,
für den uns hier interessierenden Gegenstand hoher Bedeutung. An-
lässlich der Bearbeitung der Gattung für die kritische Flora der
Schweiz von Schinz und Keller bin ich der Frage der Verbrei-
tung der Wassernuss in der Schweiz auch näher getreten und habe
gesucht, ein paar Fragen der Lösung näher zu bringen. Das Resultat
dieser Nachforschungen, in denen mich neben meinem Sohne Hans
und dessen Freunde Max Schläpfer namentlich die Herren Dr. Am-
berg, Dr. E. Vinassa und J. Schwingruber erfolgreich unterstützt
haben und denen ich daher zu aufrichtigstem Danke verpflichtet bin,
liegt den nachfolgenden Ausführungen zu Grunde.
Die mich in erster Linie interessierenden Fragen waren:
Gibt es ein untrügliches Unterscheidungsmittel zwi-
schen der Trapa natans und der var. verbanensis?
Kommt Trapa natans var. verbanensis im Varese-See
und vielleicht auch in der Schweiz vor?
Wie verhalten sich die Früchte der verbanensis in Be-
zug auf die Variabilität in der Ausbildung der Kelchfort-
sätze?
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 475
Gibt es Übergänge zwischen der natans, der verbanen-
sis und der muzzanensis?
Gehört muzzanensis zur natans- oder zur verbanensis-
Reihe?
Wohin gehören die von Dr. Amberg in der Bucht von
Agno gesammelten Wassernüsse?
Entspricht die von Dr. Vinassa, Schwingruber, mir und
meinem Sohne im Origlio-See gefundene Wassernuss zur
natans- oder zur verbanensis-Reihe?
Kommt Trapa natans, abgesehen von der var. muzza-
nensis, überhaupt in der Schweiz noch vor?
Trapa natans L. var. verbanensis (De Notaris), Cesati, Passerini
et Gibelli.
Meine Befunde betreifend die aus der Bucht von Angera, der
klassischen Lokalität im Langensee stammenden, 1900 von Dr. Pesta-
lozzi dort gesammelten Früchte der var. verbanensis (De Notaris)
stimmen vollständig mit jenen meines Kollegen Schröter überein
(1. c. pag. 7, Sep.-Abdr.). Unter den 138 Früchten, die alle noch mit
dem Epikarp versehen sind, ist auch nicht eine einzige anormale:
alle haben nur die transversalen Kelchspitzen ausgebildet und allen
fehlt die so ausserordentlich charakteristische, scharfe „ Umrahmungs-
linie''^). Genau dasselbe Resultat berichtet Schröter von seinen,
ihm durch Prof. Mariani in Locarno, natürlich ebenfalls von Angera
stammenden 162 Stück. Daneben lagen Schröter noch 28 ganze,
von Malinverni gesammelte Früchte vor, unter denen sich vier Stück
befanden, die auch die medianen Kelchspitzen — diese allerdings
stumpf — ausgebildet hatten. Ob diese letztern in der Tat aus
der Bucht von Angera stammten, muss ich dahin gestellt sein lassen,
bis zur Stunde ist mir noch keine vierspitzige oder auch nur vier-
buckelige Trapa natans vor die Augen gekommen, die nachweisbar
dem Langensee entstammt wäre. Wie schon Schröter hervorhebt,
können die zu Rosenkränzen gereihten, des Epikarps entbehrenden
Früchte zur Beurteilung keineswegs beigezogen werden, denn eine
Unterscheidung zwischen verbanensis und den verschiedenen Formen
abnorm ausgebildeter, im übrigen aber typischer Trapa natans ist
nur möglich an Hand der „Umrahmungslinie", da tatsächlich die
Kerne mancher unzweifelhafter natans täuschend solchen der ver-
banensis gleichen. Dass natans in der Tat hinsichtlich der Aus-
') Unter der Umrahmungslinie (der „ligne saillante" Schröters 1. c.) verstehe
ich die sehr scharfe, die seitlichen Kanten der Kelchforlsätze begleitende Linie,
wie sie auf der Tafel bei verschiedenen Figm-en (18 — 22) sehr deutlich zu Tage tritt.
476 Hans Schinz.
bildung der medianen Kelchspitzen grossen Schwankungen unter-
worfen ist, geht unter anderm aus meinen Kulturversuchen hervor :
aus zwei- und dreispitzigen natans-Früchten habe ich Pflanzen mit
normalen natans-Früchten (vierspitzigen) und umgekehrt aus vier-
spitzigen natans-Früchten zwei-, drei- und vierspitzige Früchte, die
aber ausnahmslos die „Umrahmungslinie" besassen, hervorgehen
sehen. Die verbanensis entbehrt somit, das steht fest, der
„Umrahmungslinie" und kann auf den ersten Blick von
der natans unterschieden werden, sofern — und das ist
allerdings unbedingt notwendig — das Epikarp erhalten
ist. Die entfleischten Kerne lassen uns dagegen im Stich, denn, ob-
wohl die verbanensis gar nicht variiert, sind zweispitzige natans,
wie ich im Nachfolgenden zeigen werde, nicht gerade selten.
Hinsichtlich der Verbreitung der verbanensis ist zu bemerken,
dass die Form, abgesehen von der Bucht von Angera im Langensee,
noch angegeben wird für die Seen von Mantova (Cesati, Passerini
und Gibelli in Comp. Fl. Ital. [1869/70], 646, Arcangeli, Flora italiana
[1894], 561, Fiori e Paoletti, Flora analitica d'Italia, II [1899],
135), für Veronese nelle valli del Tartaro (Fiori e Paoletti , 1. c,
IV, App. [1907], 148) und endlich von Thiselton - Dyer (Journ.
Linn. Soc. XX [1883], 414) für den Varese-See, welche Notiz auch
übergegangen ist in das höchst interessante Referat Aschersons über
das. Die Wassernuss, Trapa natans L. und der Tribulus der Alten
betitelte Neujahrsblatt der Zürcher, naturforschenden Gesellschaft-
für das Jahr 1884 von Jäggi, im botanischen Zentralblatt XVII
(1884), 244 und in die vortreffliche Flora analitica von Fiori und
Paoletti. Thiselton- Dyer's Notiz beruht auf einer Mitteilung Sir
George MacLeay; ich möchte aber fast mit absoluter Sicherheit be-
haupten, dass die Angabe irrig ist. Unter den vielen mir vorge-
legenen, aus dem Varese-See stammenden Früchten ist mir niemals
auch nur eine einzige verbanensis vorgekommen, wohl aber recht
viele abnorm ausgebildete Früchte der natans, die, namentlich wenn
sie des Epikarps entbehrten, vom Nichtkenner ganz sicher zu ver-
banensis gestellt würden. Wahrscheinlich liegt bei MacLeay eine
ähnliche Täuschung vor, und wir werden daher besser tun, den
Varese-See, bis wir eines bessern belehrt werden können,
von der Liste der Fundorte der verbanensis zu streichen.
Damit komme ich überhaupt auf die Trapa natans des
Varese-Sees zu sprechen.
Entgegen der von Fiori e Paoletti, Ascherson u. A. vertretenen
Ansicht, halte ich, wie oben bemerkt, dafür, dass im Varese-See nur
eine Trapaform, nämlich die natans vorkommt, allermindestens ist
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 477
das Vorkommen der verbanensis bis zur Stunde noch durch nicht
«inen einzigen Fund belegt.
Die Trapa des Varese-Sees zeichnet sich aus durch eine überaus
grosse Variabilität in der Ausbildung der medianen Kelchspitzen ; sie
stimmt in dieser Hinsicht in auffallender Weise überein mit den Früchten
aus dem Gross-Kühnauer-See bei Dessau und dem Gross- und
Klein-See bei Grünewalde in der Niederlausitz. Von 137 Früchten
des erstgenannten Standortes waren (vergl. Schröter 1. c, pag. 3 des
Sep.-Abdr.) 125 normal, d. h. alle 4 Spitzen waren entwickelt, 12
<3agegen waren anormal, d. h. es waren entweder nur 3 oder nur 2
Spitzen ausgebildet, wozu Schröter bemerkt, dass die Nicht-
ausbildung eines der beiden transversalen Kelchfortsätze ein sehr
seltener Fall sei. Hinsichtlich der in den genannten Seen der
Niederlausitz gesammelten Trapafrüchten drückt sich Jacobasch
(Abhandl. des bot. Ver. Prov. Brandenburg XXVI [1884], 65) folgender-
massen aus:
„Die in beiden erwähnten Seen gesammelten Früchte sind teils
typisch vierdornig, teils zeigen sie drei und zum grössten Teil nur
zwei Dornen. Es kommen diese drei Formen in allen Übergangs-
stadien und zwar an derselben Staude vor. Die mit drei und vier
Dornen sind meist grösser, also augenscheinlich vollkommener ent-
wickelt. Eine in diesem Jahr erhaltene „Nuss" hat sogar nur einen
entwickelten Dorn, während der gegenüberliegende wie amputiert
erscheint, ohne dass irgend eine Verletzung daran wahrzunehmen
wäre. "
Aus dem Varese-See sind mir zwei Sendungen von Trapa-
früchten zugekommen; eine erste Sendung stammt aus dem Jahre
1900, und zwar verdanke ich dieselbe Frau Baumann in Gavirate,
sie zählt 2133 Stück, die zweite Kollektion wurde im Laufe dieses
Herbstes von einem sehr strebsamen, jungen Naturwissenschafter
namens Max Schläpfer, am Ost-Ufer des Sees zusammengebracht und
beziffert sich auf 212 Stück. Die sämtlichen 2345 Früchte dieser
beiden Serien sind vollständig, d. h. das Epikarp war zur Zeit der Unter-
suchung oder ist zur Stunde noch vorhanden, und an den sämtlichen
Exemplaren lässt sich, es liegt auch nicht eine einzige Ausnahme
vor, unschwer die starke Kantenlinie (Umrahmungslinie) nachweisen.
Von den 2133 Stück der ersten Kollektion sind 1911 normal,
der Rest zeigt alle Übergänge vom beginnenden — bis zum voll-
ständigen Abortus des einen oder beider medianen Kelchfortsätze.
Unter den 212 Früchten der Serie Schläpfer waren 154 normale
und 58, wiederum alle nur denkbaren Zwischenstadien aufweisende,
anormale Früchte zu konstatieren.
478 Hans Schinz.
Die Schwankungen in der Ausbildung der Kelchfortsätze be-
schränken sich, und das scheint mir erwähnenswert, fast ausschliess-
lich auf die medianen Kelchzipfel, unter zirka 2500 untersuchten
Früchten der natans habe ich nur 5 Stück gefunden, bei denen einer
der transversalen Kelchfortsätze deformiert, d. h. stumpf und im
Wachstum zurückgeblieben war.
Ich möchte vorläufig noch vermuten, dass Witterungsverhältnisse
zur Zeit der Anthese und nachdem, die Hauptschuld an diesen
Schwankungen in der Kelchspitzenausbildung tragen, wenigstens habe
ich mehrfach in meinen Kulturen beobachtet, dass die erst spät im
Jahre sich entwickelnden Blüten abnorme Früchte zeitigten, mehrfach
Formen, die zu var. elongata Nathorst hinneigten oder in der Ausbil-
dung der medianen Spitzen alle nur denkbaren Variationen aufwiesen«
Hält man sich alle diese Tatsachen und Befunde vor Augen, so
ist es erklärlich, wie man zu der Ansicht kommen konnte, im.
Varese-See finden sich beide Trapaformen, die natans wie die
verbanensis, denn die extrem anormalen Exemplare der natans
gleichen im „Kern" so sehr der „entfleischten" verbanensis, dass
eine Verwechslung für den mit diesem Variationsvermögen ünver-
trauten sehr entschuldbar ist. Und wenn daher Gibelli (Ascherson;
im bot. Zentralblatt XVH [1884], 244) an in Modena kultiviertem
Früchten beobachtet haben will, dass aus verbanensis-Früchten
Pflanzen mit dreizackigen Früchten hervorgingen, so liegt für mick
die Vermutung sehr nahe, dass Gibelli überhaupt nicht verbanensis -
Früchte, sondern anormale, zweizackige Früchte der natans ver-
wendet hat.
Von natans und verbanensis ist sehr leicht die in dem kleinen,
bei Sorengo ob Lugano im Kanton Tessin gelegenen Muzzano-See
vorkommende muzzanensis zu unterscheiden. Die Frucht derselben
besitzt nämlich zwischen den vier Kelchspitzen je einen deutlichen,
abgesetzten, stumpfen Zwischenhöcker, eine Zugabe, die sowohl der
natans wie der verbanensis fehlt. An den noch vom Epikarp
umhüllten Früchten (Fig. 22) tritt die Umrahmungslinie der Kelch-
fortsätze deutlich hervor!
Als weiteren Fundort der Wassernuss wird schon von Comolli
(Flora Comense, I [1834] 201) und 1888 von Lenticchia (Franzoni,
Le plante fanerogame della Svizzera insubrica, pag. 88) die Bucht
von Agno des Ceresio erwähnt. Tatsächlich sind denn auch im
Herbst 1895 von Dr. Amberg an dortiger Stelle acht, zum Teil et-
was zertrümmerte Steinkerne einer Trapa gefunden worden, dercR
sowohl Schröter (1. c, pag. 6) wie auch Schinz und Keller in
deren Flora der Schweiz (zweiter Teil, kritische Flora [1905], 160)
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 479
Erwähnung tun. Seitdem ist die Pflanze, bezw. die Frucht, dort
nicht mehr gefunden worden, obschon ich selbst mehrfach in Beglei-
tung meines Sohnes Hans die ganze Bucht sorgfältig abgesucht habe.
Ich habe auch meine beiden Freunde Dr. Vinassa und Schwin-
gruber in Lugano, die beide die verloren geglaubte Origlio-Trapa
wieder entdeckt haben, gebeten, Nachschau zu halten, mit demselben
negativen Erfolg. Dr. Vinassa schreibt mir am 16. X. 06:
„Der heutige Tag galt der Trapa im Luganersee bei Figino bis
Magliaso ; doch konnten wir nichts entdecken, obwohl der Barken-
führer früher Unterförster war. Früher sei sie so häufig gewesen,
dass man sie korbweise auf den Markt nach Varese (?, Schinz)
brachte. Seit zwei Jahren sind sie verschwunden." Wir werden
daher wohl die Hoffnung aufzugeben haben, die Agno-Trapa wieder
in unseren Floren aufführen zu können, und sind gezwungen, uns an
die von Amberg gefundenen letzten „Zeugen" zu halten. Da an
keiner dieser Früchte das Epikarp erhalten geblieben ist, lässt uns
das einzige Unterscheidungsmerkmal zwischen verbanensis und der
natans, die mehrfach erwähnte Umrahmungslinie im Stiche. Die
Vermutung, es möchte sich um eine zu verbanensis gehörende
Form handeln, lag s. Z. für mich sehr nahe, da den Ambergschen
„Nüssen" nur zwei spitze Kelchfortsätze zugeschrieben worden waren.
Nachdem ich nun aber über 2000 natans geprüft habe und ich mit
dem grossen Variationsvermögen dieser Form bekannt geworden bin,
hege ich gar keinen Zweifel mehr, dass die Frucht der Agnobucht mit
verbanensis nichts zu tun hat, sondern vielmehr zu natans gehört,
wie ich denn auch aus dem Varese-See natans -Exemplare besitze, die
nahezu in jeder Einzelheit mit der Agno-natans übereinstimmen (z. B.
Fig. 13 u. 19). Zu all dem kommt noch, dass bei einzelnen der Agno-
Exemplare die Anlage eines medianen Fortsatzes ganz deutlich wahrzu-
nehmen ist, mindestens so gut wie bei zahlreichen Varese-Früchten.
Damit, d. h. unter Zuziehung der Befunde an den gleich zu er-
wähnenden Origlio-Früchten, scheint mir diese Frage endgültig ge-
löst zu sein. Bedauerlich ist es, dass die Pflanze selbst verschwunden
ist, war sie doch, meiner frühern Auffassung entsprechend, bis anhin
noch der letzte Zeuge auf Schweizerboden des ehemaligen Vorkom-
mens der typischen Trapa natans. — Um so erfreulicher ist es
nun, dass es gelungen ist, einen verloren geglaubten weitern Stand-
ort der Wassernuss neuerdings aufzufinden, nämlich die Lokalität im
Origlio-See. Der 250m lange und 125m breite, 413m über Meer,
79 m über dem Muzzano-See und 136 m über Lugano gelegene See
befindet sich in einer Senke der Pieve Capriasca, 572 km nördlich
von Lugano. Er erhält seinen Zufluss von Osten her und sendet
480 Hans Schinz.
seinen 2V2 km langen Ausüuss durch Wiesen und ein kleines Tobel
zum Yedeggio, in den er in 345 m mündet. Der Vedeggio gibt sein
Wasser an den Ceresio ab und zwar in der Bucht von Agno.
Schon Lenticchia (1. c, pag. 88) gibt den Origlio-See als Fundort
an; Exemplare sind aber meines Wissens niemals bekannt geworden,
und ich habe mich daher in den letzten 10 Jahren fast alljährlich
bemüht, der Sache auf die Spur zu kommen. Nachdem meine eigenen
Bemühungen resultatlos geblieben waren, ersuchte ich meine so
überaus findigen Freunde Dr. Vinassa und Schwingruber, dem
Seelein einen Besuch zu machen, und beide sind im Herbste ver-
gangenen Jahres (1906) anlässlich einer von ihnen vorgenommenen
gemeinsamen Begehung der Lokalität so glücklich gewesen, einige,
4, Früchte (Steinkerne) zu finden. Später hat dann Dr. Vinassa die
Lokalität mit seinem Sohne wiederum besucht, wobei der letztere in
den See hinausgeschwommen ist und mich in der Folge in den Be-
sitz zwei von lebenden Pflanzen setzte, von denen ich eine im botani-
schen Garten in Zürich weiter kultivierte. Diese eine Pflanze zei-
tigte eine reife Frucht im Warmhaus unseres bot. Gartens, und von
dieser Frucht habe ich heuer im Freiland des Gartens eine weitere
Pflanze gezogen, von der ich vor kurzem 10 reife Früchte geerntet
habe. Die Mutterfrucht besass zwei perfekte transversale Kelch-
spitzen, eine starke mediane und eine nur schwach ausgebildete,
vierte, mediane Spitze; die heuer geernteten Früchte sind alle nor-
mal, allerdings zum Teil sehr klein und sicherlich nicht durchwegs
keimfähig, sie haben sich zu spät entwickelt, die Mutterpflanze war
bereits erschöpft, und der Sommer war längst zur Neige gegangen.
Im Besitze eines verhältnismässig so reichen Materials, ist die Zuge-
hörigkeit dieser Form' nun unschwer zu erkennen : die Umrahmungs-
linie ist vorhanden (Fig. 20), die Variation in der Ausbildung der Kelch-
fortsätze bewegt sich innerhalb der für die Varese-Nuss angegebenen
Grenzen, Zwischenhöcker fehlen, also wird es sich um die natans
handeln, und damit wäre das Vorkommen der typischen Trapa
natans für die Schweiz nochmals sicher gestellt. Nun erklären
sich auch die Funde bei Agno: die Bucht von Agno und der
Origlio-See stehen durch den Vedeggio und den Ausfluss des
letztern in Kommunikation; wahrscheinlich sind die Pflanzen, ich
möchte annehmen die Früchte, vom Origlio-See abwärts in den
Ceresio gewandert.
Ich füge nun noch hinzu, dass ich im Frühjahr dieses Jahres
den See in Begleitung meines Sohnes Hans auch besucht habe, und
dass wir an einer bestimmten Stelle, aber nur an dieser, binnen
ganz kurzer Zeit 9 Früchte auflasen, von diesen hatten:
irteljahrsschrift der Xafurf. Ges. Zürich. Joltni. ry2. t'.KH.
Tof. XX.
"^ ^^
8
11
V ^ 4i
15
16
17 T 19
20
21
22
Fruchlformen von Trapa natans L.
THE LiePARY
OF THE
UNIVERSITY OF ILLINOIS
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 481
4 Stück vier wohlausgebildete Kelchfortsätze; bei einem dieser vier
Exemplare waren die vier Spitzen tadellos, bei dreien war einer
der medianen Fortsätze + stumpflich ;
bei 3 Früchten waren die transversalen Fortsätze spitz, die beiden
medianen zwar deutlich, aber stumpf;
bei 1 Exemplar war nur ein transversaler Fortsatz spitz, der zweite
gleich den medianen stumpf;
1 letztes Exemplar war unvollständig, d. h. zertrümmert ^).
Von Comolli (1. c, pag. 203) werden auch noch die Sümpfe bei
Colico und bei Porlezza, beide ausserhalb der Schweiz, aber doch
unweit der Grenze gelegen, als Standorte der Trapa genannt. Bei
Colico habe ich, bei Porlezza hat Dr. Vinassa vergeblich nach
der Pflanze gesucht, und ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich
für beide Lokalitäten die Wassernuss als ausgestorben registriere.
Jäggi, Schröter und auch ich (in der Flora der Schweiz)
haben bis anhin die verbanensis wie die muzzanensis als Varie-
täten der na t ans aufgefasst, als Varietäten, denen die Nathorstschen
Varietäten subcoronata, coronata, elongata coordiniert wurden.
Ich neige heute zu einer etwas andern Auffassung. Subcoronata
Nathorst, coronata Nathorst, elongata Nathorst sind für mich
Varietäten im Wettsteinschen Sinne (Handbuch der System. Botanik,
I [1901], 13)-), die nicht oder in geringen Masse vererbbar sind und
^) Hoffentlich bemächtigen sich die ,En gros "-Sammler nicht auch etwa
dieses einsam gelegenen Standortes, denn sonst wird dieser vermutlich letzte Zeuge
schon in wenigen Jahren verschwunden sein. In dem von dem verdienstvollen Wiener
Botaniker Dörfler herausgegebenen Herbarium normale ist kürzlich unter der Num-
mer 4719 Trapa natans var. muzzanensis aus dem Muzzano-See verteilt worden, von
einer Lokalität also, die in absehbarer Zeit hinsichtlich der Trapa auch nur noch
historische Bedeutung haben wird, denn die Zahl der Pflanzen nimmt dort Jahr füi*
Jahr zusehends ab, nicht zum geringsten Teil, weil ihr Liebhaber und Botaniker so
i'astlos auf den Leib rücken. Die im Herbarium niedergelegte Pflanze zeigt
die Unterschiede, auf die es ankommt, nicht einmal, die sind nui- an der mehr
oder minder ausgewachsenen Frucht zu erkennen, und bei der Muzzano-Form ge-
nügt zudem der tote „Kern*. Damit will ich indessen, wohlverstanden, dem Heraus-
geber des Herbarium normale, keinen Vorwurf machen, wohl aber den auf der
Etikette genannten Sammler bitten, nicht etwa im kommenden Jahre auch die
natans aus dem Origho-See zur Verteilung zu bringen! Hinsichtlich der Etikette
zu der erwähnten Nummer 4719 habe ich übrigens zu bemerken, dass Jäggi die
aus dem Muzzano-See stammende Frucht im Neujahrsblatt der zürch. naturforschen-
den Gesellschaft auf das Jahr 1884 nicht benannt hat, sondern dass die Beschrei-
bung und Benennung, unter Beibehaltung der Autorschaft meines frühern Lehrers
Prof. Jäggi dmch Schröter im Jahrb. der kgl. preussischen geologischen Landes-
anslalt und Bergakademie (1884), 432 erfolgt ist.
2) So habe ich mehrfach bei Kulturen Formen der Varietäten subcoronata
neben solchen der coronata beobachtet und feststellen können, dass zwischen beiden
zahlreiche Übergänge existieren. Ich halte diese Formen nicht für vererbbar.
482 Hans Schinz.
die abhängig sind von den Witterungsverhältnissen, während den For-
men verbanensis und muzzanensis, bei geringem Variationsver-
mögen, entschieden ein dem Artbegriff näherstehender Rang zukommt.
Ich würde daher vorschlagen, drei Unterarten aufzustellen, die unter
dem Sammelbegriff Trapa n|atans L. zusammengefasst würden:
Trapa natans L.
ssp. natans (L.) Schinz mit den var. subcoronata Nathorst,
coronata Nathorst, elongata Nathorst.
ssp. verbanensis (De Notaris) Schinz.
ssp. muzzanensis (Jäggi) Schinz,
Meine Antworten auf die eingangs gestellten Fragen würden
somit nun lauten:
Verbanensis- und natans-Früchte sind leicht an Hand
der Umrahmungslinie zu unterscheiden.
Trapa natans ssp. verbanensis fehlt dem Varese-See
und kommt auch in der Schweiz nicht vor.
Die Früchte der verbanensis zeigen überraschend ge-
ringe Neigung zu Variation.
Zwischen verbanensis, natans und muzzanensis sind
keine Übergänge bekannt.
Trapa natans ssp. muzzanensis steht der ssp. natans
näher als der ssp. verbanensis. (Umrahmungslinie!).
Die Ambergschen Früchte vom Ceresio-See (Agno-Bucht)
gehören zur ssp. natans.
Die im Origlio-See gefundenen Trapapflanzen gehören
gleichfalls zur ssp. natans und nicht zur ssp. verbanensis.
Die Wassernuss kommt heute in der Schweiz, abgesehen
vom Muzzano-See, noch spontan im Origlio-See vor.
Mitteilungen aus dem botan. Museum der Universität Zürich (XXXVI). 485
Erklärung der Tafel XX.
Fig. 1—4. Von im botanischen Garten Zürich kultivierten Pflanzen geerntete Früchte
von Trapa natans L. ssp. natans (L.) Schinz; Ururenkel von aus dem Varese-
See stammenden Früchten.
Fig. 5. Trapa natans L. ssp. natans (L.) Schinz aus dem Origlio-See.
Fig. 6 u. 7. Unvollkommen ausgebildete Früchte von Trapa natans L. ssp. natans (L.)
Schinz (Kulturpflanzen wie 1—4); bei Frucht 7 sind die medianen Kelch-
spitzen nur angedeutet.
Fig. 8 — 10. Trapa natans L. ssp. natans (L.) Schinz aus dem OrigUo-See, mit 5 ge-
sammelt von Dr. Vinassa und Schwingruber (Fig. 8 teilweise zertrümmert),
mit abortierten medianen Spitzen.
Fig. 11 — 13. Trapa natans L. ssp. natans (L.) Schinz von Agno, gesammelt von
Dr. Amberg; Fig. 11 mit zwei gut entwickelten transversalen Spitzen, der
vordere mediane Fortsatz kräftig, der abgewendete (nicht sichtbare) et^vas
schwächer, bei 12 und 13 die medianen Höcker noch schwächer ausgebildet
nichtsdestoAveniger nachweisbar,
Fig. 14 — 16. Trapa natans L. ssp. muzzanensis (Jäggi) Schinz aus dem Muzzano-See,
Fig. 17. Trapa natans L. ssp. verbanensis (De Notaris) Schinz; Frucht noch im
Epikarp steckend.
Fig. 18 u. 19. Trapa natans L. ssp. natans (L.) Schinz (Kulturfrüchte wie 1 — 4 und
6 u. 7); alle Früchte im Epikarp, 19 mit abortierten medianen Fortsätzen.
Fig. 20. Trapa natans L. ssp. natans (L.) Schinz (kultiviert im botanischen Garten
Zürich, stammend von im Origlio-See von Dr. Vinassa gesammelter Frucht)
Die Frucht mit dem Epikarp.
Fig. 21. Trapa natans L. ssp. natans (L.) Schinz vom Varese-See, mit dem Epikarp;
die medianen Fortsätze abortiert.
Fig. 22. Trapa natans L. ssp. muzzanensis (Jäggi) Schinz mit Epikarp. An den
Früchten 18 — 22 ist die „ Umrahmungslinie " deutlich wahrnehmbar (auch
bei 20 mit der Lupe, noch besser als im Bilde am Objekt selbst); Frucht IT
entbehrt derselben durchaus.
Oliederung und Facies der Berrias-Valangien-Sedimente
in den helvetischen Alpen.
Von
Arnold Heim.
Inhalt:
Methoden der Altersbestimmung.
Bisherige Auffassungen über Berrias-Valangien.
Grenze von Berriasien und Valangien.
Das Valangien (oberes, mittleres, unteres).
Das Berriasien (Öhrlikalk, Öhrlimergel, Baifriesschiefer).
Die helvetischen Faciestypen.
Die helvetische Geosynclinale.
Stets zu vergleichen Tabelle pag. 495 und Figur pag. 498.
Methoden der Altersbestimmung.
Zur relativen Altersbestimmimg der Sedimente können wir zweier-
lei Methoden anwenden: die paläontologische und die vergleichend
lithologische. Unter allen Umständen müssen wir die erste zum
Ausgangspunkt wählen. Allein das einseitige Vorgehen nach der
alten paläontologischen Methode hat namentlich in den Schweizer-
alpen zu vielfachen Fehlschlüssen geführt — im besonderen betrifft
dies die Stratigraphie der Berrias-Valangien-Sedimente. Verschiedene
Facies enthalten verschiedene Fossilien und Facies-Petrefakten dürfen
nicht zur genauen Fixierung der geologischen Zeitabschnitte ver-
wendet werden. Nur reiche Cephalopodenfaunen dürfen wir vorläufig
als feststehende Skalenteile der geologischen Zeitrechnung betrachten.
Mit der paläontologischen Methode können wir aber nur solche Ge-
steine zeitlich bestimmen, die reiche Faunen enthalten, und bekannt-
lich sind unsere helvetischen Alpen im allgemeinen sehr arm an
solchen. Wenn wir zu einem energischen Fortschritte in der Strati-
graphie unserer Alpen gelangen wollen, so müssen wir folgender-
massen vorgehen: Wir suchen nach reichen Cephalopodenfaunen,
deren stratigraphisches Niveau sich mit grösster Schärfe bestimmen
lässt. Dann gehen wir den bestimmten Schichten entlang durch das
ganze Falten- und Deckenwerk hindurch, indem wir diese in richtiger
Weise abgewickelt denken. Wir finden alle lithologischen Übergänge
von der einen Facies in eine ganz andere, die keine zur paläonto-
logischen Bestimmung brauchbaren Petrefakten mehr enthält; aber
Gliederung und Facies der Berrias-Valangien-Sedimente etc. 485
wir erkennen immer noch die gleichen Schichtfugen und können
auch die Horizonte der anderen Facies mit aller Schärfe bestimmen.
Mittelst vergleichend lithologischer Methode haben Kilian') und
Baumberger-) das Alter des früheren unteren Valangien (Desor 1854)
als Berriasien bestimmt, und es ist sehr erfreulich, dass sich ein
Paläontologe (E. Baumberger 1. c. pag. 13) darüber folgendermassen
ausspricht :
„Die Frage der zeitlichen Äquivalenz ist nicht durch die palä-
ontologische Methode zu lösen, sondern nur durch eine oft mühsame
Untersuchung der lateralen Übergänge."
Mit der vorliegenden kurzen Mitteilung gebe ich nur einen kleinen
Auszug über Studien, die noch nicht abgeschlossen sind. Es ist ein
Versuch, die vergleichend lithologische Methode in die Stratigraphie
der helvetischen Alpen einzuführen. Ich wähle hierzu die bis jetzt
am wenigsten bekannten Sedimente der tiefsten Kreide. Nachdem
nun der Zusammenhang der helvetischen Decken in grossen Zügen
klargelegt ist, wird sich eine grosse Zahl von stratigraphischen Pro-
blemen mit der vergleichend lithologischen Methode lösen lassen.
Bisherige Auffassungen über Berrias-Valangien.
Bis 1905 wurde meistens der untere Teil des Kieselkalkes (oder
der ganze) als Valangien aufgefasst, so namentlich seit Kaufmann 1867.
Im Säntisgebirge kannte Arnold Escher schon vor mehr als 50 Jahren
die Pj^gurusschichten mit Pygurus rostratus Ag., die er schon damals
richtig als Valangien auffasste. Die liegenden grauen Kalke fasste
er zum Teil als Valangien, zum Teil als Schrattenkalk auf. Mösch^)
meinte, die Pygurusschichten stellen das tiefste Valangien dar.
Die bathyale Facies des Valangien wurde von U. Stutz, C. Mösch,
Mayer-Eymar, Alb. Heim, C. Schmidt bis 1893 als Tithon aufgefasst.
Mösch veränderte seine Auffassung 1893 und zum Teil schon 1881,
verneinte die Pygope diphj^a, bestimmte sie als P. diphyoides und
stellte infolgedessen ebenso wie Vacek*) 1879 und 1880, Kaufmanu 1886,
Burckhardt 1896, Tobler 1895 und 1899, P. Arbenz 1905, J. Pannekoek
1905, A. Tobler und A. Buxtorf 1905, Gerber und Helgers bis 1906 die
Kalk-Schichten, aus denen Pygope diphyoides und Aptychus Didayi
stammen, zum Berriasien. Die genannten Faciesfossilien haben einen
*) W. Kilian et P. Lory. Notices geologiques sur divers points des Alpes fran(;aises.
^) E. Baumberger, Über Facies und Transgressionen der unteren Kreide etc.
Ber. d. Töchterschule Basel 1901.
*) In Escher, Säntis-Gruppe. Beitr. z. g. K. d. Schw. 1878 pag. i±
*) M. Vacek, Über Torarlberger Kreide. Jahrb. d. k. k. g. R. 1879.
486 Arnold Heim.
verhängnisvollen Einfluss beim ausschliesslichen Gebrauch der paläon-
tologischen Methode ausgeübt, obwohl schon durch Kilian 1888 nach-
gewiesen war, dass diese keineswegs auf das Berriasien beschränkt sind,
und durch Paquier 1900 gezeigt wurde, dass die Pygope diphyoides in
Südost-Frankreich sogar bis ins Barremien hinaufgeht.
M. Vacek verwundert sich (1. c. 1879 pag. 661), dass sich in den
schweizer Museen die Petrefakten der „Berriasschichten" unter der
Bezeichnung Valangien vorfinden. Yacek hat wie alle anderen den
Fehler gemacht, ausser dem wirklichen Berriasien auch das Valangien
in bathyaler Facies als Berrias anzusprechen, während umgekehrt in
der Schweiz die korallenführende und oolithische Facies des Berriasien,
wo nicht mit Schrattenkalk (Escher, Säntis, Albert Heim 1891 Silbern-
gebiet, Rothpletz, Säntis) oder Jura (Baltzer, Glärnisch) verwechselt,
allgemein als „Valangien" bezeichnet wurde.
A. Rothpletz hat 1898 einen vereinzelt stehenden, glücklichen
Griff gemacht, indem er den hellen Kalk am Glärnisch-Guppen zum
Berrias rechnete. Ebenso erkannte er, dass der vermeintliche ver-
kehrte Schrattenkalk am Wiggis dem Valangien angehört. Allein auch
bei ihm erscheinen an andern Orten die gebräuchlichen Verwirrungen.
Noch 1905 wurde von Arbenz, Pannekoek, A. Tobler und A. Bux-
torf der dem mittleren Valangien angehörende Diphyoideskalk als
Berrias aufgefasst, während der stratigraphisch tiefer liegende Kalk
■der corallogenen Facies von A. Tobler und A. Buxtorf als „Korallen-
oolith" ins Valangien gestellt und von mir gleichzeitig als „Unterer
Valangienkalk" bezeichnet wurde.
Grenze von Berriasien nnd Valangien.
Ich fasse in Übereinstimmung mit fast allen neueren Autoren
das Valangien als Zeitbegriff im engeren Sinne auf und stelle es dem
tieferen Berriasien als gleichwertige Zeitstufe gegenüber.
Die untere Grenze des Valangien ist im neritischen Faciesgebiet
lithologisch äusserst scharf, aber paläontologisch kaum zu ermitteln.
Im bathyalen Faciesgebiet ist eine lithologische Grenze kaum erkenn-
bar, und die seltenen Cephalopoden lassen zur Zeit ebenso keine
sichere Grenze ermitteln. Es bleibt für die Abgrenzung vorläufig
nur folgende Ermittelung:
1. Über den durch eine Ammonitenfauna als Tithon festgelegten
Zementsteinschichten hat die Sedimentation in der Ost- und Zentral-
schweiz bis zum sicheren Valangien keinen Unterbruch erfahren. Die
unmittelbar über dem Tithon liegenden Sedimente müssen also dem
Berriasien angehören.
Gliederung und Facies der Berrias-Valangien-Sedimente etc. 487
2. Die lithologische Übereinstimmung der entsprechenden cephalo-
podenreichen Sedimente von Südost - Frankreich mit dem bathy-
alen Faciesgebiet und die Übereinstimmung des Juragebirges bei
Valangin mit dem neritischen oder subneritischen Gebiet der hel-
vetischen Alpen ist so gross, dass wir kaum fehlgehen können, wenn
wir die stratigraphisch gleichhohen Sedimente auch als gleichalterig
betrachten. Es ergibt sich hieraus
„Marnes valanginiennes" = „marnes ä Ammonites pyriteux" =
Zone des Hoplites pexiptychus und Duvalia lata von Südost-Frankreich
= „untere Coulonischichten"^) der Zentralschweiz (Stutz, Tobler und
Buxtorf 1905) = obere Valangienmergel des Säntisgebirges (Arn.
Heim 1905) = Valangienmergel = unteres Yalangien.
„Marbre bätard" des Juragebirges ^ „Korallenoolith" der Zentral-
schweiz (Tobler und Buxtorf 1905) = „unterer Valangienkalk" des
Säntis (Arn. Heim 1905) = Ölirlikalk = korallogener und ooli-
thischer oberer Teil des Berriasien.
Das Yalangien.
A. Buxtorf hat 1905 eine ausserordentlich reiche Cephalopoden-
fauna des oberen Yalangien am Pilatus entdeckt. Daraufhin fand
ich die gleiche Ammonitenschicht, die wir mit A. Buxtorf nach der
Fundstelle am Pilatus als Gemsmättlischicht bezeichnen, auch in
den Churfirsten. Ferner fand ich eine an der Basis des Kieselkalkes
liegende, bisher unbekannte Ammonitenschicht am Mattstock '^), die
durch die palaeontologische Untersuchung von E. Baumberger^) mit
aller Schärfe als Hauterivien bestimmt werden konnte. Dadurch ist
die obere Grenze des Valangien in der Ostschweiz messerscharf be-
stimmt worden. Wir benützen diese Grenze als Ausgangspunkt für
die Altersbestimmung der anderen helvetischen Facies.
Das obere Valangien: Pygurusschichten und Gemsmättlischicht.
Das obere Valangien ist im allgemeinen in den helvetischen Alpen
sehr lückenhaft entwickelt und aus dem bathyalen Faciesgebiet un-
bekannt.
') Die Bezeichnungen „obere" und , untere Goulonischichten" müssen fallen
gelassen werden, weil auch im Berriasmergel (unter dem Ohrhkalk) Schichten voll
Exogyra Conloni vorkommen.
^) Vergl. geologische Karte der Gebirge am Walensee 1 : 2500Ü v. Arnold Heim
und J. Oberholzer 1907.
^) Ernst Baumberger, Arnold Heim und A. Buxtorf: Palaeontologisch-strati-
graphische Untersuchung zweier Fossilhorizonte an der Valangien-Hauterivien-Grenze
im Churfirsten-Mattstockgebiet. Abb. d. schw. pal. Ges. Vol. XXXIV. 1907.
488 Arnold Heim.
In den östlichen Schweizeralpen ist es zweiteilig und besteht
von oben nach unten aus
b) Pygurusschicht. Echinodermenbreccie bis grober Quarz-
sandstein, bis 15 m mächtig im Säntisgebirge, meist aber nur
wenige Meter, mit Neithea atava Rom. (Pecten) und Pygurus
rostratus Ag. Meist scharfe Grenze nach unten und oben,
a) Gemsmättlischicht. 10 — 30 cm dicke, etwas sandige, mehr
oder weniger glauconitische Kalkschicht ganz mit Petrefakten,
meist Ammonitensteinkernen erfüllt. Bekannt vom Pilatus
und den Churfirsten (näheres in der zitierten Arbeit. Abb. d.
schw. pal. Ges. 1907).
Hoplites (Neocomites) neocomiensis d'Orb.
Hoplites pseudopexiptychus Baumberger etc.
Verfolgen wir das obere Valangien nach ursprünglich südlicheren
Regionen, so beobachten wir, wie die Gemsmättlischicht auskeilt und
auch die Pygurusscbichten verschwinden. An Stelle dessen finden
wir eine zwar nicht immer sichtbare scharfe Gesteinsgrenze von
Schiefer oder schieferigem Kieselkalk auf schieferigem Diphyoides-
kalk (Alvier, Pragelpass etc.; vergl. Figur pag. 498).
In den ursprünglich nördlicheren, tieferen helvetischen Decken
sind die Pygurusscbichten als braune Echinodermenbreccie mit zu-
rücktretendem Quarzsand nicht so scharf vom liegenden Valangienkalk
unterschieden. Die Gemsmättlischicht fehlt, oft fehlt auch (Deyenstock,
Silbern, Schönerkulmpass etc.) dazu noch die Echinodermenbreccie.
Der kurze Zeitabschnitt des oberen Valangien hat stellenweise keine
Sedimente geliefert.
Die Gemsmättlischicht ist bekannt vom Thunersee bis in die
Churfirsten (Vorarlberg ?). Ihr Verbreitungsgebiet fällt nach Aus-
glättung der Falten und Decken in eine schmale Zone annähernd
parallel dem jetzigen Alpenrand. Sie entspricht vielleicht dem Zu-
sammentreffen zweier nahe dem Rand der helvetischen Geosynclinale
entlang ziehenden Meeresströmungen.
Das mittlere Valangien: Valangienkalk.
Bekannt ist der „obere Valangienkalk"') aus dem Säntisgebirge
als ein grau angewitterter, spätiger Kalk mit häufigen Kieselknauern.
Er wird über 50 m mächtig ; sein unterer Teil ist häufig ausgezeichnet
durch braun angewitterte, grobe Echinodermenbreccie (Säntis-Mesmer,
Dreifaltigkeits-Zähne, Mattstock).
^) Meine frühere Bezeichnung oberer Valangienkalk hat keinen Sinn mehr,
seitdem ich den , unteren" Valangienkalk ins Berriasien stelle. Es genügt also zu
sagen Valangienkalk.
Gliederung und Facies der Berrias-Valangien-Sedimente etc. 489
Verfolgen wir diesen nach ursprünglich südlicheren Regionen,
so sehen wir ihn ganz allmählich gegen die östlichen Churfirsten hin
schieferiger werden. Die spätigen Partieen treten zurück ; der Kalk
wird dichter, plattiger bis schieferig, verliert die Kieselknollen, wittert
gelblich an, enthält Aptychen und Pygope diphyoides. Die Milioliden
treten zurück zu Gunsten kleiner, feinschaliger Foraminiferen. Es
ist die bathyale Facies des mittleren Valangien. Die gleiche Ver-
änderung von der Facies des Säntis in die bathyale Diphyoidesfacies
können wir zwischen Reuss und Rhein sonst einzig noch in der
Rädertendecke (Rädertenstock) beobachten.
In gleicher bathyaler Ausbildung wie am Alvier ist der Valangien-
kalk bekannt aus dem Vorarlberg, der Rädertendecke südwestlich
des Rädertenstocks, der Drusbergdecke: Schweinalp 0, Pragel, Frohn-
alpstock, Sisikon-Axenstrasse, Bauen, Brisen, Brünig, Brienzerrothorn,
Morgenberghornkette etc.). Er erreicht in der östlichen Schweiz seine
maximale Mächtigkeit am Alvier und Pragel mit ca. 60 m. Sonder-
barerweise ist die Mächtigkeit in der Übergangszone vom nördlichen
(subneritischen) zum südlichen (bathyalen) Faciescharakter am ge-
ringsten, so bei Obersäss in den Churfirsten (ca. 13 m), am Rä-
dertenstock (6 m, mechanisch reduziert?), Gemsmättli am Pilatus
(ca. 8 m), woselbst die gelbliche Anwitterungsfarbe schon die Nähe
der Diphyoidesfacies verrät, während Textur, Querbruch und Kiesel-
knollen aber noch ganz den Charakter des Valangien der Säntis-
gruppe zeigen.
Der unter der „Diphyoidesbank" liegende Valangienkalk(= „Kiesel-
kalk g") im Justistal am Thunersee scheint nach Kaufmann'-) noch
den Säntistypus zu haben (vergl. Tabelle pag. 495).
Im ursprünglich nördlicheren Gebiet der tieferen helvetischen
Decken (Mürtschendecke, Glarnerdecke, Deyenstockstirn, Säntis Nord-
rand), hat der Valangienkalk lithologisch den gleichen Charakter wie
in der südlichen Säntisfacies, ist jedoch weniger mächtig (am Deyen-
stock nur 15 m) und geht nach unten nicht in Valangienmergel über,
sondern ruht mit scharfer Grenze transgredierend direkt auf dem
Öhrlikalk.
Der Valangienkalk entspricht dem „Calcaire du Fontanil" der Um-
gebungen von Grenoble.
') Von Burckhardt 189<i an der Scliweinalp-Brü.scliali) als Seewerkalk, bei
Richisau als Neoconiien oder Flysch, am Pragel als Berrias kartiert worden.
*) F. J. Kaufmann. Beiträge Lfg. "24 1886 pag. 26.3. Kaufmann bezeichnete
den Valangienkalk mit Kieselknollen (Justistal) als „unteren Kieselkalk'' (Xeocom),
den bathyalen Valangienkalk der Brienzerrothorn-Kette stets als „Berria.skalk".
Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. .32
490 Arnold Heim.
Das untere Valangien („Latuszone"): Valangienmergel.
Die Valangienmergel sind als „ Coulonischichten " früher all-
gemein mit den Drusbergschichten verwechselt worden, obwohl sie
ganz anders aussehen. Die Bezeichnung Coulonischichten ist zu ver-
meiden.
A. Rothpletz hat 1898 zuerst erkannt, dass die vermeintlich
untereocänen Mergel Burckhardts an der Basis des Wiggis dem
Valangien angehören. Im „Säntisgebirge" ist der Valangienmergel
1905 als „oberer Valangienmergel" eingehend beschrieben worden.
Im Säutisgebirge, der Mattstockgruppe, den oberen Stockwerken des
Glärnisch, südlich der Silbern, in der Axenkette bis zur Axenstrasse
haben die Schichten einen littoralen, neritischen bis subneritischen
Charakter. Es sind braune, pyrithaltige Mergel mit knolligen Kalk-
lagen, oft in Bänken erfüllt mit zahllosen Exemplaren der schwarz-
schaligen kleinen Form von
Exogyra Couloni d'Orb.
Ferner sind für diese Facies bezeichnend:
Alectryonia rectangularis Römer.
Pinna Robinaldina d'Orb.
Mytilns Couloni Pictet
Terebratula Moutoniana d'Orb.
Der Valangienmergel ruht mit scharfer Grenze auf dem Ohrli-
kalk, wo dieser vorhanden ist. Nach oben geht er stets allmählich
in den Valangienkalk über.
Am Nordrand des Säntis (Öhrli) ist Valangienmergel ebenso wie
in den tieferen Decken, Mürtschendecke, Glarnerdecke, nicht entwickelt,
indem der Valangienkalk mit scharfer Transgressionsgrenze direkt auf
dem Öhrlikalk aufliegt. Weiter südlich stellt er sich allmählig ein und
wird immer mächtiger, bis er im Säntisgewölbekern III südlich Bog-
arten über 60 m mächtig und voll Exogyren wird. An den Churfirsten
scheint die normale Mächtigkeit des Mergels zwischen Öhrlikalk und
Valangienkalk auf über 100 m anzusteigen. Ganz die gleiche Er-
scheinung treffen wir im Klöntalgebiet, wo am Deyenstock Valangien-
mergel fehlt, weiter südlich am Glärnisch in der gleichen Decke etwa
20 m Valangienmergel sich deutlich abheben und in der Axenkette
ihre Mächtigkeit weiter ansteigt.
Noch weiter südlich (östliche Churfirsten, Alvier, Rädertendecke,
Drusbergdecke) lässt sich ihre genaue untere Grenze nicht mehr er-
mitteln, weil der (3hrlikalk verschwunden ist, doch wird die Mächtig-
keit 150 m nicht übersteigen. In der oberen Partie des Valangien-
Gliederung und Facies der Berrias-Yalangien-Sedimente etc. 491
mergeis (Pragel, Dornibach-Sisikon) sieht man noch die gewohnten
unregelmässigen Kalkbänke, aber die Exogyrenbänke sind verschwun-
den. An Stelle dessen findet man in dieser bathyalen Facies einzelne
Belemniten, die aus der Austernfacies unbekannt sind.
Das Berriasien.
Das Berriasien zeigt noch grössere Faciesunterschiede ; wir gehen
auch hier wieder von der eine Mittelstellung einnehmenden Facies
des Säntisgebirges aus.
Öhrlikalk.
Diesen Namen habe ich 1907 im Bericht zur Exkursion des
oberrheinischen geologischen Vereins eingeführt. Der Kalk ist nach
dem klassischen „Öhrli" im Säntisgebirge benannt, dessen Gipfel aus
Öhrlikalk besteht. Ich verstehe darunter den korallogenen und
oolithischen Kalk unter dem Valangienmergel resp. Valangien-
kalk und über Berriasmergel (Ohrlimergel) resp. Tithon.
Ich vermeide die einfache Bezeichnung Berriaskalk aus zwei
Gründen; einmal wurde sie bisher allgemein für den bathyalen Va-
langienkalk angewendet und andererseits lässt sich der neritische Kalk
nach der paläontologischen Methode nicht scharf zeitlich bestimmen.
Der Öhrlikalk soll die Schrattenkalkfacies unter dem Valangien vor-
stellen. Die neue Bezeichnung ist gerechtfertigt, da es sich um ein
sehr wichtiges und mächtiges Glied der helvetischen Schichtreihe
handelt, das nur im südlichen bathyalen Gebiet der helvetischen Geo-
synklinale fehlt, in den nördlicheren Zonen aber vom Vorarlberg durch
die ganze Schweiz hindurchzugehen scheint. Am Glärnisch (und
Deyenstock) scheint der Öhrlikalk die maximale Mächtigkeit mit über
250 m zu erreichen. Er bildet nicht nur die imposanteste, sondern
auch die am schönsten geformte weisse Felswand in mittlerer Höhe
am Nordabsturz des Glärnisch-Ruchen, Feuerberg und Nebelkäppler ^).
Der untere Teil ist am Öhrli wie überall ein feiner bis grober
Oolith mit weisser calcitisch fein-faseriger Zwischensubstanz. Die
Oolithkörner sind teils gerollte Echinodermentrümmer, teils Foramini-
feren aus der Familie der Milioliden oder andere Petrefaktentrümmer.
Der obere Teil ist dicht, spätig, von Schrattenkalk im Handstück
meist nicht zu unterscheiden (= Öhrligipfel) und oft reich an schönen
Korallen (Rotsteinpass-Säntis, Schönerkulmpass, Bannalp). Am Mu-
schelenberg (Säntis) sind die regelmässig geschichteten Bänke ganz
') Von Baltzer, (Der Glärnisch, ein Problem alpinen Gebirgsbaues. Zürich 1873.)
noch als Malm kartiert.
492 Arnold Heim.
erfüllt von Nerineen. Häufig sind auch Requienien, Bryozoen, Tere-
bratein; kurz, es ist genau der Faciesvorläufer des Schrattenkalkes.
Aber es muss betont werden, dass der Öhrlikalk ebensowenig wie
der Schrattenkalk ein Korallenriff vorstellt — es sind geschichtete,
subrecifale Bildungen.
Am Muschelenberg und Öhrli ist der Öhrlikalk 80 — 100 m mächtig.
Nach unten findet ein allmählicher Übergang in die Ohrlimergel
(Mergel der Ohrligrube) statt, jedoch so, dass am Öhrli unter dem
eigentlichen Öhrlikalk (= oberer Öhrlikalk) zuerst 15 — 20 m braune
Mergel (obere Ohrlimergel), dann abermals ein ca. 12 m mächtiger
Kalk (unterer Öhrlikalk) und erst dann die Mergel der Ohrligrube
folgen. ^) Dieser untere Öhrlikalk ist braun angewittert und besteht
aus grober Echinodermenbreccie und üolith mit gerundeten Echi-
nodermensplittern.
Gehen wir weiter südlich, so finden wir ebenso noch am Rot-
steinpass und in der Passlücke Bötzel zwischen Meglisalp und Widder-
alp im Gewölbekern III die gleiche Zweiteilung des Öhrlikalkes; allein
der obere oder eigentliche Öhrlikalk ist auf 7 — 12 m reduziert und
führt nur noch in den obersten 1— 2 m dichten Korallenkalk.
In den mittleren Churfirsten ist der untere Öhrlikalk verschwun-
den und der obere keilt zwischen Mergeln aus. In den ursprünglich
südlicheren Regionen der Alviergruppe, Rädertendecke, Drusbergdecke
(Pragel-Sisikon-Brisen etc.) fehlt er vollständig — an seiner Stelle
liegen die bathyalen Baifriesschiefer.
In den ursprünglich nördlicheren Gegenden der tieferen helve-
tischen Decken ist der Öhrlikalk im Gegensatz dazu überall vor-
handen — man wird ihn auch noch mit dem Valangien im oberen
Teil des autochthonen „Hochgebirgskalks" finden.^) Am Glärnisch
scheint der subrecifale Öhrlikalk am Nordabsturz des Milchplanggen-
stocks (fast) das ganze Berriasien zu vertreten. Auf Alp Tros am
Mürtschenstock ist zwischen Öhrlikalk und dem in gleicher Facies
entwickelten Troskalk kaum mehr die Grenze angedeutet, und über
der schwarzen Schnur am Mürtschenstock sind Jura und Kreide in
gleicher subrecifaler Facies miteinander verwachsen — ein grosser
Unterschied gegenüber dem bathyalen Faciesgebiet, wo im Gegensatz
dazu die Berrias-Tithongrenze meist sehr scharf ausgeprägt ist.
') Vergl. die Zeichnung von Albert Heim, Säntisgebirge 1905, Atlas Tat". VHI
Fig. 4 und Phot. Taf. XVHI.
^) Ich vermute, dass der autochthone „ Tschingelkalk " des Berneroberlandes
nichts anderes sei als Öhrlikalk und Valangienkalk in der Facies der Mürt-
sch endecke.
. Gliederung und Facies der Berrias-Valangien-Sedimente etc. 493
Der Öhrlikalk zieht in bedeutender Mächtigkeit durch die ganze
Axenkette bis nach Unterwaiden hindurch und fehlt nirgends primär
in der Mürtschendecke und Glarnerdecke.
Öhrlimergel, Baifriesschiefer.
Unter Öhrlimergel verstehe ich diejenigen Mergel des nördlichen
Faciesgebietes, die unter dem Öhrlikalk, über dem Tithon liegen. Weitaus
am schönsten können sie in der Öhrligrube im Säntis studiert werden.
Es sind bräunliche, uneben schieferige, etwas sandige Mergel, am Öhrli
über 50 m mächtig. Im oberen Teil findet man in den Grenzschichten
gegen den Öhrlikalk am Muschelenberg zu hunderten Alectryonien.^
In sehr ähnlicher Ausbildung, mit 30 — 40 m Mächtigkeit finden
wir sie in der Faulen-Axenkette z. B. am Schönenkulmpass unter
dem Öhrlikalk und über dem Tithon.
In der tieferen Mürtschendecke sind sie im östlichsten Teil noch
deutlich (Walenstadt ca. 30 m), auf Alp Tros-Mürtschenstock nur
noch in Rudimenten oder ganz verschwunden. Das gleiche gilt von
der noch tieferen Glarnerdecke (Abhang des Schild).
Eine andere Facies finden wir, wenn wir den Öhrlimergel vom
Säntisgebirge nach Süden verfolgen. Wo der Öhrlikalk auslöscht
treten die Öhrlimergel mit dem Valangienmergel zusammen. Sie
werden immer mächtiger, die Austern verschwinden bis auf einzelne
schwarzschalige Exogyren, die sehr ähnlich aussehen wie diejenigen
aus dem Valangienmergel. W^ir gelangen von den östlichen Chur-
firsten in die Alviergruppe und auf die Baifriesterrasse, und finden
liier den bathyalen Typus der Öhrlimergel mit dem Valangienmergel
in ungeheurer Mächtigkeit (über 600 m) als
Baifriesschiefer (^Escher) = Rossfelderschichten des Vorarlberg
(Richthofen).
Über diese von Escher nach der Baifriesalp am Alvier benannten
Schiefer ist schon viel geschrieben worden. Die einen Forscher
(Escher, Mosch vor 1881, Mayer-Eymar, Albert Heim) hielten die
Baifriesschichten für Tithon, die andern (Vacek 1879 — 80, Mösch
1893, Burckhardt 1896, Rothpletz 1898, Lorenz 1900) erklärten sie
für eine Facies des Berrias. Nur wenige haben selbst die Balfries-
alp besucht und niemand hat in Eschers Tagebüchern (Polytecknikum
Zürich) nachgesucht, was Escher darunter verstanden.
Der Streit kann in folgender Weise gelöst werden: Escher ver-
stand unter Baifriesschichten die mergeligen Schichten zwischen
*) Vergl. Alhert Heim, Säntisgebirge 190.5 pag. 35—36.
494 Arnold Heim.
Quintnerkalk und Diphyoideskalk, das sind die Zementsteinschichtert
(Tithon), Berriasmergel und Valangienmergel in bathyaler Facies. Da
nun die Zementsteinschichten leicht abgetrennt werden können, und die
Alp Baifries (= Palfris) selbst nicht mehr auf Tithon steht, können wir
die Baifriesschiefer definieren als die Mergel zwischen Diphyoides-
kalk (Valangienkalk) oben und Zementsteinschichten (Tithon)
unten. Es ist die bathyale Facies von Berrias- und Va-
langienmergel, die zu einer lithologischen Einheit von ge-
waltiger Mächtigkeit miteinander verschmolzen sind.
Auf der Alp Baifries sind es bräunliche Mergel mit feinsandigen
Kalkplatten, die meist weniger als 15 cm dick sind und häufig auf
der Oberfläche Algen und Tierfährten erkennen lassen. Weiter
westlich von der Alp Baifries finden wir die Baifriesschiefer in den
von Burckhardt 1896 als Flysch kartierten Flächen vom Deyenstock
über Richisau, vor allem aber auf der weiten Fläche der Schweinalp
und des Prageis in ausserordentlicher Mächtigkeit. Schon Mösch
wusste, dass es sich nicht um Flysch handeln kann; er nannte die
Baifriesschiefer Aptychenschiefer,
Man kann sich leicht überzeugen, dass es sich nur um Valangien
und Berriasmergel handelt, indem der Diphyoideskalk an der von
Burckhardt als Überschiebung eingezeichneten Linie sehr allmählich
in normal liegenden Valangienmergel übergeht und man auch tiefer
unten im Berrias noch Belemnitenquerschnitte finden kann.
Endlich finden wir an der klassischen Stelle bei Sisikon in der
gleichen Drusbergdeck"e die Baifriesschiefer ununterscheidbar von den-
jenigen der Baifriesalp, wieder mit den typischen Kalkplatten. Auch
hier findet man keine Grenze zwischen Valangienmergel (Dornibach)
und Berriasien. Die Mächtigkeit ist auch hier gross ^), jedoch stellen-
weise tektonisch reduziert. Die bisher, insbesondere durch A. Tobler'-)'
bekannt gewordenen Petrefakten sind leider ohne Unterscheidung von
Valangien und Berriasien gesammelt.
Weiter nach Westen setzen die Baifriesschiefer immer in grosser
Mächtigkeit über den Brisen, Brünig, Brienzerrothorn bis Morgen-
berghorn usw. fort. Selbst in der nördlicheren Facies des Justitales
fehlt schon der Öhrlikalk, sodass auch jene Valangienmergel (mit
verkiesten Cephalopoden) und Berriasmergel zusammen als Baifries-
schiefer bezeichnet werden könnten.^)
') P. Arbenz gibt 1905, Beiträge Lfg. XVIII n. F. p. 9, nur ^20—50 m an. Ich
halte das für zu wenig. Man vergleiche auch das Profil v. P. Arbenz Taf. I. Fig. 1.
^) A. Tobler, Die Berriasschichten an der Axenstrasse. Neues Jahrb. 1899 Bd. II.
^) Auf der beihegenden stratigr. Tabelle ist die Gliederung nach Stufen gegeben.
Herr Prof. Dr. Kilian hatte die Freundlichkeit, meine Auffassung nach Vergleich der von
Kaufmann und Mayer-Eymar (ßeitr. Lfg. i24 1S86) gegebenen Fossillisten zu bestätigen.
Gliederung und Facies der Berrias- Valangien-Sedimente etc.
495
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Kalkfacies des
Marbre bätard,
Zone der
oolitliischen Kalke
und Mergel.
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496 Arnold Heim.
Das Liegende der Baifriesschiefer ist Tithon, das auf der Alp-
fläche von Baifries durch
Perisphinctes Lorioli Zittel,
„ . Richteri Oppel,
Hoplites micracanthus Oppel
bestimmt ist.
Die helvetischen Faciestypen.
Wenn wir das Gebiet der helvetischen Decken der Schweizer-
alpen an Hand der beiliegenden Faciestafel pag. 498 überblicken, so finden
wir nach Abwickelung der Falten und Decken eine kontinuierliche
Faciesveränderung innerhalb ein und desselben Meeres-
beckens. Es fallen uns sofort zwei Extreme auf:
a) Die neritische, recifale und subrecifale Facies im Norden,
mit relativ geringer Mächtigkeit der Ablagerung in der
Berrias- und Valangienzeit: wir nennen sie nach der Mürtschen-
decke die
Mürtschenfacies. Bezeichnend ist für diese das Fehlen von
Mergeln mit Ausnahme des Öhrlimergels, der hie und da in geringer
Mächtigkeit auftritt. Die Kalke sind meist erfüllt mit Milioliden.
Wir finden die Mürtschenfacies in der Mürtschen- und Glarner-
decke, der Wagetenkette, am Nordrand des Säntis, am Deyenstock
(autochthon im Hintergrund des Lauterbrunnentales, Tschingelkalk?).
b) Die bathyale Facies mit sehr grosser Mächtigkeit der Mergel-
Ablagerungen zur Berrias -Valangienzeit im Süden : wir nennen
sie die
Alvier-Drusbergfacies. (^ Melchtalfacies von A. Tobler?),
Bezeichnend ist das vollständige Fehlen zoogener Kalke.
Wir finden diese Facies in den südlichen Vorarlberger Kreide-
ketten, in der Alviergruppe, der Rädertendecke, der Drusbergdecke
vom Pragel über Sisikon - Brisen -Brienzerrothorn-Morgenberghorn-
kette etc.
Diese beiden Facies sind so ausserordentlich verschieden, dass
es unmöglich wäre , die zeitlich entsprechenden Sedimente mit Hilfe
der paläontologischen Methode zu bestimmen. Im Norden sind es
helle steile Kalkfelswände, im Süden breite sanfte Mergelhänge und
Alpweiden. Die einzige Möglichkeit bietet die vergleichend litho-
logische Methode. Wir suchen und finden alle Übergangsformen und
können so zwischen beiden Extremen einen in der Mitte liegenden
Zwischentypus herausgreifen; wir nennen diesen
Gliederung und Facies der Berrias-Valangien-Sedimente etc. 497
c) südliche Säntisfacies.
Bezeichnend für diesen Typus ist das Vorhandensein von Valangien-
inergel in littoraler Ausbildung mit massenhaft Exogyren (und Mytilus)
zwischen spätigem Valangienkalk mit Kieselknollen oben und Öhrli-
kalk unten. Im ganzen hat die Fauna noch ganz benthonischen
Charakter. In dieser Facies treten die ersten Ammoniten auf. <
Wir müssen von „südlicher" Säntisfacies sprechen, weil am
Nordrand des Säntis die Mürtschenfacies vorhanden ist.
Wir finden die südliche Säntisfacies in den südlichen Säntisketten
III, IV, V, VI, im ganzen westlichen Säntis, in der Mattstockgruppe
den westlichen Churtirsten, Wiggisgruppe, Glärnisch, Rätschtal, Axen-
kette, Urirotstockgebiet, Vitznauerstock ') etc.
Die drei genannten Faciestypen der helvetischen Alpen erinnern
uns unmittelbar an die drei von südfranzösischen Geologen längst
eingeführten Bezeichnungen: „Facies alpin", „facies mixte", „facies
jurassien". (Lory, Kilian). Die alpine Facies entspricht unserer Alvier-
Drusbergfacies, die jurassische etwa der Mürtschenfacies. Ich muss
von diesen Ausdrücken absehen, da meine Beobachtungen gezeigt
haben, dass der „jurassische" Typus für die östlichen Schweizeralpen
ebenso bezeichnend ist, wie der „alpine".
Die helvetische Geosynclinale.
Aus dem vorhergehenden Abschnitt geht als wichtiges Resultat
hervor, dass zur Berrias-Valangienzeit das westliche Juragebiet
mit den Alpen durch ein zusammenhängendes Meer ver-
bunden war, dessen Littoral im Norden lag.
Die „jurassische" Facies ist bezeichnend für die nördlichen Teile
der Geosynclinale. Vom Bielersee im Jura müssen sich die „Trans-
gressionsgrenzen" in östlicher oder ostsüdöstlicher Richtung unter
dem Molasseland zum autochthonen Gebirge der Alpen hindurch
ziehen. Gegen Süden vertiefte sich das Meer; die zoogenen, recifalen
Bildungen verschwinden. Eine grosse Menge von Schlamm wird gegen
das offene Meer hin abgesetzt, während im Norden Echinodermen,
Korallen, Requienien, Nerineen gedeihen und zoogene Kalke entstehen.
Der Nordrand der Geosynclinale fällt jedoch nicht
mit dem jetzigen Alpenrand genau zusammen, sondern er
schneidet diesen und zieht sich im grossen und ganzen von
') Vergl. A. Buxtorf, Exkursionen am Yierwaldstättersee, Eclogae geol. helc. 1905.
In dem soeben erschienenen Führer zu den Exkursionen der deutsch, geol. Ges. hat
A. Buxtorf meine Auffassung: Diphyoideskalk =: Valangien und Ölirlikalk = Berri-
asien angenommen und be.stäligt.
498
Arnold Heim.
ii'pyw
Tith.
Berriasien
Valarigien
Hauteriv.
XJl
50 100
100
300
500 m.
Gliederung und Facies der Berrias-Valangien-Sedimente etc. 499-
Osten nach Westen. So kommt es, dass wir im Autochthonen der
Schweiz von Nordosten nach Südwesten uns immer weiter vom Rand
des Meeres entfernen. Im Berner Oberland scheint die Mürtschen-
facies auf das autochthone Gebirge überzutreten, während die hel-
vetischen Decken, die von weiter südlich herkommen, schon alle die
südliche Säntisfacies und Alvier-Drusbergfacies (Cephalopodenfacies)
aufweisen. Endlich ist die Gegend von Berrias (Ardeche), weit
ausserhalb der Alpen, durch rein bathyale Facies gekennzeichnet.
Man vergleiche zum Schluss das Faciesprofil, das E. Baumberger^)
1901 über den westlichen Jura und Südost-Frankreich veröffentlicht
hat mit der Faciestafel in dieser Arbeit, um sich vollends zu über-
zeugen, dass es sich an beiden Orten im Prinzip um die gleichen
Erscheinungen handelt.
Sehen wir von jeder tektonischen Betrachtungsweise ab, so finden
wir durch rein vergleichend lithologische Methode das Resultat der
Deckentheorie vollkommen bestätigt :
Je höher in einem Querprofil eine Decke liegt, umso
südlicher ist ihr Ursprungsgebiet. Umso tiefer ist aber
auch die helvetische Geosynclinale, in der die Ablagerung
stattgefunden hat.
Die Fjord-Stratigraphie ist überwunden; an Stelle des strati-
graphischen Chaos am Alpenrand erkennen wir eine einfache, gross-
artige Gesetzmässigkeit.
*) Über Facies und Transgressionen der unteren Kreide am Nordrande der
mediterrano-helveti sehen Bucht im westhchen Jura. Beilage z. Ber. d. höheren
Töchterschule Basel 1900-1901.
Zürich, August 1907.
über Membranen II')
Die Bedeutung der Membranen und Membranfunktionen in Physiologie
und Pathologie.
Von Heinrich Zangger.
Unter Membranen verstehen wir im allgemeinen bekanntlich dünne
Häutchen, die zwischen zwei Flüssigkeiten gebracht, diese mechanisch
trennen, so dass Strömungen gröberer Art verhindert werden, während-
dem Austausch von Flüssigkeit und gelösten Stoffen in verschiedener
Richtung möglich sind. Die Bedingungen dieses Austausches sollen
hier untersucht werden.
Die Bedeutung aller Komponenten, der vielen Parallelvorgänge,
die bei der Durchströmung von Membranen eine Rolle spielen, wird
viel zu wenig betont. In den Lehrbüchern sind die Funktionen der
Membranen unter „Diffusion und osmotischer Druck" abgehandelt und
alles scheint klar zu sein. Nirgends ist der Membranbegriff
ins Zentrum der Betrachtung gerückt.
Sobald man aber in die komplizierteren Verhältnisse kommt, wie
sie sich in der Physiologie und Pathologie unabweisbar ergeben,
tauchen einem Rätsel auf, vor allem bei der Resorption und Sekretion;
noch unabweisbarer drängen sich diese Probleme in der Pathologie
vor, weil sie bei allen Krankheitsprozessen eine Rolle spielen und
weil wir bei fast allen therapeutischen Eingriffen von diesen Funk-
tionen und, vor allem deren Variationen abhängig sind, speziell
auch bei den Fragen nach Giftwirkung einerseits, anderseits bei den
Heilungsprozessen von Infektionskrankheiten und der Zerstörung der
Bakterien im Körper etc.
Diese gut untersuchten Gebiete, das grosse Tatsachenmaterial
brachten mich vor Jahren darauf, die physikalische Seite der Vor-
gänge in einzelne Faktoren zu zerlegen. Als prinzipiell wichtiges
^) Nach dem Vortrag vom 14. Januar 1907 in der Naturforschenden Gesellschaft
in Zürich. Der erste Teil befindet sich Jahrgang 1906, S. 43:2.
über Membranen II. 501
Ergebnis hat sich damals die Bedeutung des neuerdings eingehend
charakterisierten coUoidalen Zustandes der reagierenden Körper, speziell
derjenigen im flüssigen Zustand (flüssige Colloide) herausgestellt (ver-
gleiche folgende Arbeit).
Die heutige physikalische Chemie hat sich die letzten 20 Jahre
fast nur mit den homogenen Lösungen befasst und die verblüffenden
Erfolge auch für die Biologie mussten die Forscher auf dem Gebiet
gefangen halten. Alle andern Gebiete sind kaum erst angebrochen,
wie der komplexe Begriff des heterogenen Systems.
Die Lösungstheorien etc. sprechen nur von Zahl der Moleküle
und deren dynamischen Funktionen bis zu einem Endstadium (Gleicii-
gewicht); der Raum, resp. die Zwischenmasse, das flüssige Milieu ist
belanglos (mindestens wurden noch sehr wenige Untersuchungen auf
dem Gebiet gemacht). Das stimmt nun gerade nicht für die Bio-
logie und deren Colloidmilieu, wo alle Veränderungen der Einzel-
substanz das Gesamtmilieu beeinflussen.
Es treten Verschiebungen, Absorptionen, Verfestigungen, Aus-
dehnungen auf, die von den Biologen, speziell den Fflanzenphysiologen
immer beachtet wurden, aber die Verhältnisse liegen komplexer als
die physikalischen Chemiker sich denken. Es ist auch analytisch viel
mehr gearbeitet von physiologisch - pathologischer Seite, als man
gewöhnlich annimmt, aber die Einzelbeobachtungen sind nicht unter
einem Gesichtspunkt vereinigt und manchmal für eine theoretische
Verwendung unvollständig.
Wir stehen in einer Zeit, in der es den Biologen und Medizinern
bewusst wird, dass der zeitliche und quantitative Verlauf von
physikalisch-chemischen Gesetzen beherrscht wird und es wird immer
klarer, dass die physikalische Chemie sich mit der Ausarbeitung der
Methodik auf diesem Gebiet beschäftigen muss.
Die physikalische Chemie wird heute von einer grossen Zahl
Medizinern beachtet und überall der Versuch gemacht, die physikal-
chemischen Gesetze meist tel quel in die Biologie zu übertragen. Ich
möchte jetzt schon davor warnen, die immer auf ein bestimmtes Ziel
orientierten physikalisch-chemischen Versuche und deren mathematische
Behandlung auf die Biologie ohne weiteres anwenden zu wollen,
denn es existieren viele bedeutsame Faktoren in dem biologischen
Geschehen, von denen die Physiko-Chemiker, die nicht mit dem Mate-
rial arbeiten, keine Vorstellung haben können, während der Biologe
gerade sie spüren und aufsuchen soll und muss: Faktoren, die der
Chemiker und Physiko-Chemiker mit allen Mitteln eliminiert, die
aber dem biologischen Geschehen gerade auch das Charakteristische^
die Verlaufsrichtung, aufzwingen.
■502 Heinrich Zangger.
Ausser den flüssigen Milieux kommt in der Biologie häufig
ein Experimentalmittel in Betracht: die festen Schichten, die die
mechanische Vermengung hemmen, die die Struktur, das Bestehen
■des Systems garantieren und charakterisieren, die Membran. Die
Eigenschaft der Membran als Experimentalmittel bestrebt man sich
möglichst konstant zu erhalten, die immer beobachtete Veränderung
■wurde nicht auf ihre Gesetzmässigkeit untersucht, sondern als eine
nicht zu vermeidende Störung des Experimentes betrachtet. Was
aber gerade den Mediziner interessiert, weil in dem Gebiet die Haupt-
ursache der pathologischen Stoffwechselverschiebung und der Heilungs-
vorgänge liegt, das sind die Veränderlichkeiten des zeitlichen Ablaufes,
deren Ursachen erklären auch wieder die Ursache der Restitution. Alle
diese Vorgänge entsprechen nicht der heutigen Annahme und den
erwähnten Vorstellungen von den Membranen, denn :
1. Ist die Membran nicht eine konstante Funktion des sie von
Anfang an aufbauenden Materials, sondern sie ist eine variable: je
nach den Flüssigkeiten, mit denen sie in Berührung steht, den ge-
lösten und absorbierbaren Substanzen, speziell Colloiden, ferner der
Reihenfolge der Einwirkung und alles das zusammen ist wieder ab-
hängig von Temperaturen und vor allem von der Zeit (also sind da
keine Gleichgewichte, keine Gesetze des Gleichgewichtes verwendbar,
weil sie ja gerade das Charakteristische vernachlässigen:
die Variabilität in der Zeit durch im System vorhandene Tendenzen).
2. Die Membran selbst absorbiert und stört dadurch das Gleich-
gewicht im System, wenn auch sehr verschiedenartig.
In diesen Eigenarten der Colloid- Membranen: der Absorption,
Quellung, Intussusception , Erstarrung etc. liegen nun gerade eine
grosse Zahl biologischer Rätsel, von diesen sind einige in der Patho-
logie und der Immunitätslehre früher und leichter zu fassen als in
der Physiologie.
Die Beziehungen der Lösungen von kristallisierten Substanzen
und gelösten Colloiden zu den verschiedenen Eigenschaften der Mem-
branen setzen sich naturgemäss aus den Eigenschaften sowohl der
Membran, wie der Lösungen zusammen, so dass die Vorstellungen
über die Dynamik der Lösungen allein, die heute bei diesen Problemen
fast ausschliesslich berücksichtigt werden, die ausserordentlich wich-
tigen Verschiedenheiten der Beziehungen durch die Membran hin-
durch und der verschiedenen Substanzen zur Membran nicht erklären
können.
1. Die Lösungen haben ihre bestimmten Eigenschaften. Bei ge-
gebenen Substanzen und einfachen gleichbleibenden Verhältnissen
gehen eine ganze Reihe von Funktionen der Konzentration und der
über Membranen II. 503
Temperatur parallel, so zum Beispiel der osmotische Druck und auch
die Oberflächenspannung.
Diese Funktionen wären ausschlaggebend für die Gesetze des
Austausches durch ein Septum hindurch, wenn dieses Septum (capillare)
Öffnungen hätte und seine Substanz in keiner Weise, oder mindestens
in sehr vorübergehender und reversibler Weise die Beziehungen der
Lösungsmittel zu den gelösten Stoffen ändern würde.
2. Nun ist aber Voraussetzung jedes Durchtrittes von Substanzen
durch eine Membran, dass mindestens eine der Flüssigkeiten netzt und
in innigere Beziehungen zur Membran tritt (Brücke. Ludwig, Cloetta,
Liebig, später Lhermite, Nernst, Tammann, Flusin).
Die Membranen entziehen aber den Lösungen Lösungsmittel
(Ludwig, Cloetta, Brücke), zum Teil aber auch gelöste Stoffe (Meerburg,
Tammann, Waiden, Spiro, Malfittano), aber in ganz ungleicher Art,
so dass von vorneherein durch das Eintreten einer Membran in das
System, auch ohne Osmose, die Beziehungen in der Lösung geändert
werden müssen, besonders in Verhältnissen, wo die Masse der Membran
im Verhältnis zur Flüssigkeit gross ist, wie übei'all bei Prozessen im
Körperinnern. (Auch Kapillaren ziehen die verschiedenen Komponenten
ungleich an. Absorption sogar unter Wärmeentwicklung, aber nicht
so elektiv und halten, solange keine typischen Colloide dabei beteiligt
sind, die Stoffe nicht in dem Grad zurück, d. h. trennen, wenn nicht
Colloide vorlagen, sie nicht dauernd von der Flüssigkeit ab).
Diffusion durch Kapillaren endet immer mit absolut identischen
Flüssigkeiten beiderseits, sobald sie überhaupt netzen. Membran-
Osmose endet vielleicht in den wenigsten Fällen so. sondern das End-
ziel hier ist immer eine Art Spannungszustand ') in der Membran,
die eben die eine oder andere Komponente ungleich und oft fast gar
nicht durchtreten lässt; auf alle Fälle ist der Verkehr durch die
Membran hindurch absolut charakterisiert durch die Menibraneigen-
schaft. durch die in Bezug auf die einzelnen Komponenten äusserst
verschiedene Beeinflussung der Diffusion.
So wird also jede Differenz in der Membran, wie Dicke, Kon-
zentration, resp. Quellungsgrad die durchtretende Flüssigkeit (Gemisch)
modifizieren und die Zeitfunktionen beim diosmotischen Austausch
beherrschen und also in der Biologie, wo die Konzentrationen durch
Strömungen ständig sich ändern, den zeitweiligen Zustand und das Ge-
samtresultat des Austausches durch Membranfunktionen bedingen.
') Amar. Schmidt, Yiolle, Lehrbuch der Phy.sik 1889. Dieser aus.serordentlich
wichtige Punkt muss quantitativ genauer untersucht werden, diese Art Elastizität
gegen Osmot-Druck würde selir viel physikalisch klarer machen. (Event, vorüber-
gehende Anpassungsfähigkeit an chemische Konstitutionen).
504 Heinrich Zangger.
(Brücke, Ludwig, Cloetta, Liebig, Tammann, Lhermite, Nernst, Flusin,
Amar, Compte rend. sc. 142. 1906 p. 872. These de Paris 1906/07,
Meerburg, Zeitschr. f. physik. Chemie XL 1893 p. 446, Waiden, Zeit-
schrift f. physik. Chemie X. 1892. p. 699.)
Als Membran(system) muss also zum Beispiel das gesamte nicht
bewegliche Plasma einer Pflanzenzelle (das Ectoplasma) betrachtet
werden. Die (gequollene) Hülle eines Milzbrandbazillus im Tier etc.
Als Membran wirkt jedes Colloid. das so konzentriert und struk-
turiert ist, dass es nicht zerfliesst, das heisst sich nicht merkbar
verschiebt.^)
Ein solches System aus festem Colloid wird Substanzen absorbieren,
absorbiert aber nicht gleich wie scharfe konstante Oberflächen (ich
halte das nach den Färbeversuchen für erwiesen). Hydrophile Colloide
haben keine scharfen mathematisch definierten Übergänge, keine
Grenzflächen.
Einen Überblick über die Bedeutung der Membranfunktionen in
der Biologie kann man heute nur geben, wenn man die Existenz-
bedingungen der Membran, ihre Entstehungsarten und ihre Gesetz-
mässigkeiten kennt, ferner die Beeinflussbarkeit des Stoflfaustausches
durch die Membran, die Diffusion und die Eigentümlichkeiten der
durch die Membran veränderten Diffusion.
Die Membran ist keine Konstante:
Wovon sind ihre Veränderungen abhängig?
Inwiefern sind sie reversibel, nicht reversibel?
Inwiefern verhalten sich feste Colloide anders als flüssige Colloide
in bezug auf Beeinflussbarkeit, Absorption etc. ?
Inwiefern lassen sich die allgemeinen Colloidgesetze auf die festen,
flächenförmigen Membran-Colloide ausdehnen ?
') Dass Colloide auch schon in Lösungen in leicht beweglichem aber ge-
ruhtem Zustand, als Sole, die Eigenschaften haben, auf Substanzen, die durch
sie hindurch getrieben werden sollen, einen Einfluss ausüben, der analog ist dem Ein-
fluss der Membranen, gibt Hardy an. Von der successiven Konzentrierung des CoUoides
ausgehend, können nach meiner Ansicht wahrscheinlich diese für Membranen charalc-
teristischen Einflüsse untersucht werden, indem die Membraneigenschaften langsam
nach irgend einer Gesetzmässigkeit sich steigern und in den Vordergrund treten.
Auch hier schon möchte ich darauf hinweisen, dass konzentrierte, feste Colloide, wie
sie in den Membranen vorliegen, in festen trennenden Schichten, auf Salze anders
(meist weniger) empfindlich sind als die Sole, resp. jene Einflüsse infolge ihrer
festeren Struktur mehr widerstehen, elastischer sind, weniger leicht sich anpassen.
Spring, Bull, seien ce Beige 1900, Le trouble de mastic fait en apparence
le meme office d'un parois permeable en ce sens qu'il retient pour se precipiter
avec elles (Jons polyvalens) analog van Bemmelen. Hardy, Zeitschrift für physi-
kalische Chemie 33, p. 326. Dass Colloide die Beziehungen der Jonen zum Lösungs-
mittel ändern, geht aus der veränderten Leitfähigkeit hervor, die nach Dumanski
viel intensiver ist als die Herabsetzung des Gefrierpunktes.
über Membranen II. 505
Über primäre and sekundäre Folgen des Eintrittes der Membranen in
ein Flüssigkeitssystem.
Eine Membran führt zwischen das System zweier sich berührender
und diffusionsfähiger Flüssigkeiten drei neue Momente ein:
1. Die eigene (elektive) Absorption, die eine Quantität des Stoffes
unwirksam macht.
2. Die mindestens quantitative ungleiche Durchlässigkeit für die
einzelnen Komponenten.
3. Eine die Strömung beeinflussende Potenzial-Differenz spez. bei
Salzen, die ihrerseits bedingt ist
A. durch Strömungen (Quincke),
B. durch Diffusion bei Konzentrationsdifferenzen (Helmholtz,
Becquerel, Jahn),
C. durch ungleiche Hemmung der Jonenwanderung resp. ungleiche
Absorption (Ostwald, Nernst, Willi Bein, Tower, Chanoz etc.).
Dazu kommt als äusserst wichtiger Punkt noch die Permeabilitäts-
änderungen reversibler und irreversibler Art, die in ihrer Resultante
immer abhängig ist von den drei eben erwähnten Punkten, Der
wesentliche Grund liegt immer wieder in der Tatsache der
Colloidal-Strukturen der Membran.
Die Membranen wurden bis heute hauptsächlich als Mittel zu
einem Zweck betrachtet und nur eine allgemeine Eigenschaft fast
aller Membranen in den Vordergrund gestellt: die Durchlässigkeit
für Kristalloide in netzenden Flüssigkeiten und eine Undurchlässigkeit
resp. geringere Durchlässigkeit für Colloide und zwar wurden sie
hauptsächlich verwendet als Mittel zur Erforschung der Theorie der
Lösung.
Über Durchlässigkeit und Konstanz der Membran.
Die zwei wesentlichsten Merkmale der Membran, die bis heute
fast nur beachtet wurden, fast Dogmen waren, sind also:
Die ungleiche Permeabilität der Membranen für verschiedene
Kristalloide- und Colloide -Substanzen, die schon von dem ersten
Beobachter industriell verwendet wurden (Dutrochet), die dann auf
die Spitze getrieben wurde durch Graham, der den Satz aufstellte:
dass es zweierlei Substanzen gebe: durch Membranen durchgehende
Kristalloide und durch Membranen nicht durchgehende: Colloide. Erst
in den letzten Jahren wurde darauf hingewiesen, dass einerseits auch
die Colloide spurweise passieren würden und dass verschiedene Gruppen
von Membranen unterschieden werden müssen, je nach ihrer Benetz-
barkeit durch Lösungsmittel.
Viprtel.lahrsscbrift d. Natnrf. Gf>s. Zürich. Jahrg. 52. 1907. :;;;
506 Heinrich Zangger.
Angenommen wird ferner eine Konstanz der Membraneigen-
schaften, die nur abhängen würden von der Eigenschaft der Grund-
substanz der Membran, ferner von Dicke und Dichte,
Dass die verschiedenen Membranen, wenn sie in ihren Lösungs-
verhältnissen gegenüber den Lösungsmitteln sich ganz verschieden
verhalten, den Diffusionsvorgang in absolut charakteristischer Weise
beeinflussen, betont schon Dutrochet 1827, Ann. de chim. et phys.,
35, p.393. Brücke, 1843, Pogg. Ann. der Physik 28, p. 77. Mousson, 1871,
Physik I, p. 310. Tammann 1892—97, Zeitschr. f. physik. Chemie.
Raoult 1895, Compt. rend. Ac. sc, p. 121 — 187, Zeitschr. f. phys. Chem.
XVII, 895, p. 737. Flusin, Compt. 1898 rend. Ac. sc, 126 p. 1497,
und 131 p. 1308.
Das Wesentliche und Neue, was ich in den Vordergrund
aller Membraninteressen stellen muss, sind:
1. Funktionsänderungen der Membran, spez. durch die Gegenwart
von Körpern und Körpergemischen, die sich gegenseitig beeinflussen,
so dass die Durchlässigkeit der Membranen, resp. fester Colloid-
schichten, nicht mehr eine konstante Funktion der Membranart ist
und des Konzentrationsgefälles, sondern dass gerade die Membranart
temporär ihre Permeabilitätseigenschaften sehr weitgehend verändern
können. Beispiele :
Es ist schon längst bekannt, dass Fette durch eine von Wasser
benetzte Membran nicht durchgehen, dagegen wenn Natrium Taurocholat
und Ol gemischt werden, gehen beide durch dieselbe nasse Membran durch
(Wistinghaus 1851). Diffusion mit blossem Wasser entfernt Na Tauro-
cholat und damit die Durchlässigkeit der Membran für Fette. (Cit.
nach Buchheim, Arch. f. physiol. Heilkunde 1853).
Ein anderes anschaulicheres Beispiel: Eine tierische Haut be-
kommt durch Fettimprägnation ganz andere Diffusionseigenschaften,
Entfernung des Fettes stellt die früheren Eigenschaften zur Haupt-
sache wieder her.
2. Muss ich als eine fast ganz übersehene Tatsache betonen, dass
die Membranen, also feste Colloide, für andere Colloide nicht undurch-
gängig sind, oder nur spurweise durchgängig, wie der allgemeine
Lehrsatz lautet, sondern sie sind verschieden durchgängig, je
nach der^ Charakter der beiden Colloide (Membran und flüssiges Colloid)
und anderen Umständen : spez. Elektrolytart, Reaktion und Quellungs-
grad. Die Durchlässigkeit ist also keine konstante, sondern auch hier
wie bei flüssigen Colloiden eine abhängige, durch viele äussere Um-
stände bedingte Funktion und zwar:
A. Von den entstehenden elektrischen Potenzialen, durch differente
Ladung des Membrancolloides und des flüssigen Colloids gegenüber
über Membranen II. 507
der Flüssigkeit; deshalb auch vom Elektrolytgehalt und der Elektro-
lytart in der Flüssigkeit.
B. Von der Oberflächenspannung und Qiiellungstendenz des neuen
Colloidkomplexes (flüssiges Colloid und Membrancolloid) gegenüber
der Flüssigkeit der andern Seite, denn das heraustretende Colloid und
das Membrancolloid bilden einen neuen eigenartigen Komplex.
C. Von der Löslichkeit (Quellbarkeit) des neu entstandenen
Colloidkomplexes durch vorhandene Substanzen, speziell Nicht-Elektro-
lyte. Diese beeinflussen viel mehr als man beachtet die Durchlässig-
keit für noch restierendes (also noch nicht an die Membran gebundenes
flüssiges Colloid), durch Imprägnation der Membran mit Alkohol,
Äther, Aldehyden, Fetten, Zucker, Glycerin etc.
So kann ein Komplex, der im Wasser colloidal ist, z. B. durch
Fett gelöst werden.
Wir können also allgemein den Satz aufstellen, dass mit der
Konzentration des Colloides die ursprüngliche Eigenschaft der Flüssig-
keit zurückgedrängt wird. Es diffundieren zwar die in der Flüssig-
keit löslichen Substanzen in konzentrierte Colloide hinein; aber es
treten nach und nach sehr grosse Differenzen in Zeit und Konzen-
tration auf, so dass man von einer Selektion sprechen muss, indem
die Eigenschaften des Colloides immer mehr in den Vordergrund treten
neben den Eigenschaften der das Colloid durchtränkenden Flüssigkeit,
die immer mehr zurückgehen.^)
Anmerkung. Die Beziehungen der Flüssigkeit zur Membran und die gegen-
seitige Veränderung ist nicht sicher bekannt, ob Hydration, blosse Absorption
und KontakUvirkung oder sogar auch Veränderung des Aggregatzustandes. Vergleiche
Diskussion und ferner Ponsot und Guillemin. Compt. rend. sc. 13S, 1904, p. 356.
Wasser gehe als Gas durch die Membran.
Das Wesen der Membranfunktion, speziell eben deren Durch-
lässigkeit elektiver Art ist Voraussetzung für das Verständnis einer
sehr grossen Zahl physikalischer und physiologischer und speziell auch
pathologischer Prozesse. Die Erklärungsversuche der verschiedenen
Zeiten waren ausserordentlich verschieden, Dutrochet, Graham etc.
und alle stützten sich auf eine Erklärung einzelner Beobachtungen.
(Raoult, Compt. rend. science 121 — 187; Raoult, Zeitschr. f. physik.
Chemie, 17, 1895, p. 737; Tammann, Zeitschr. f. physik. Chemie, 1892,
Bd. 22, 1897 (Absorptionsschnelligkeit); Lh er mite, Compt. rend.
Sciences 39. 1854, p. 1177; Flusin, 1. c, Graham, Thomas. Compt.
r. Ac. scienc, 63, p. 973. Sur l'endosmose et la dialyse.
') Stein brink, Untersuchungen über die Kohäsion strömender Flüssigkeiten.
Jahrb. f. wissenschaftl. Botanik 1904. 42, p. 579.
508 Heinrich Zangger.
Anmerkung: Die Theorien des Durchtrittes des Wassers durch die Mem-
bran waren sehr verschieden: Reuss. Porret, Wollastone nahmen elektrische
Kräfte als treibende Ursachen an, andere. Veränderung der Membran durch das
Wasser (Dutrochet, Graham), vergl. L'hermite: ,La force motrice de l'endosmose
est l'attraction de la membrane pour l'eau".
Vor allem dachte man an eine chemische Vereinigung zwischen Flüssigkeit
und Membran. Chevreul nahm chemisch und daneben kapillar gebundenes Wasser
an, weil es so ungleich schwer entfernt werden könne. Quincke und Lüdeking
nehmen eine Art Affinität an, weil die Quellung anfangs mit Wärmeproduktion er-
folgt, die maximale Quellung und Lösung unter Wärmeabsorption, während Picke-
ring (1891) die „chemische Residualaffinität" als Erklärung für die physikalische
Natur der Lösung annimmt und auch als Grund für die Absorption.
Voraussetzung jedes Transportes ist eine treibende Kraft und dass die Teile,
die bewegt werden sollen, in einer Form vorliegen, die ihnen den Durchtritt erlaubt,
also nicht zurückgehalten werden, absorbiert werden etc.
So kommt bei der Diffusion der osmotische Druck nur dann als bewegende
Kraft zur Geltung, wenn die Lösungsmittel oder eine der Substanzen im System durch
die Membran durchtreten kann — von ihr nicht zurückgehalten wird.
Wenn Substanzen nur in mit Flüssigkeit getränkten Membranen löslich sind, können
sie selbstverständlich nur dann durchtreten, wenn diese Flüssigkeit ein kontinuier-
liches System durch die Membran hindurch und in die andere Flüssigkeit hineinbildet.
Beeinflussung des Gleichgewichtes durch die Membranen vor
der Diffusion.
Wenn die gelösten Stoffe durch den Vorgang des Grelöstwerdens
mit ihren Molekülen und dem Lösungsmittel infolge irgend einer
Form von Anziehungskraft Komplexe bilden und anderseits die quell-
baren, kohärenten, membranbildenden CoUoide in ganz verschiedener
Abstufung sich mit Wasser verbinden ^), so muss notwendigerweise
an einer bestimmten Konzentrationsgrenze eine Konkurrenz um das
Lösungsmittel zustande kommen, resp. eine Art Gleichgewicht^)'
') Van Bemmelen.
^) Cloetta 18.51, Diffusionsversuche durch Membranen. 18.51, Zürich, u. Ludwig
haben dieses Gleichgewicht bewiesen dadurch, dass sie zeigten, dass konzentrierte
CoUoide und speziell ausgetrocknete Membranen — z. B. Wasser aus gesättigten,
Lösungen — absorbieren und Salz zum Ausfallen bringen. In allen Fällen Avurde
von den festen colloidalen Massen Salz aus der Flüssigkeit weggedrängt, sie im-
bibierten sich mit einem viel geringeren Prozentgehalt der Salzlösung. Nach eigenen
Experimenten variiert der Salzgehalt der absorbierten Flüssigkeit mit dem Quellungs-
grad. Vergl. Buchheim, Arch. f. physiol. Heilkunde 1:2, 1853, p. "217; Olechnowicz,
Experim. quaedam de endosmosi Dorpat 1851. Aber notwendigerweise wird sich nach
dem Vorhergehenden zuerst ein Gleichgewicht in der Membran einstellen zwischen
Flüssigkeit einerseits und gelöstem Stoff und Membran andererseits und erst dann
wird ein Austausch, eine Diffusion eintreten — diese wird abhängig sein von Kon-
zentration, Temperatur, Diffusionsweg (gleich Dicke der Membran).
Oker-Blum, Zeitschrift f. physik. Chemie, 1901. Wenn man auf die eine Seite einer
senkrechten Ferro(;yankupfermembran eine starke Kochsalzlösung bringt und auf die
andere Seite eine starke Kupfersulfatlösung, so fällt zuerst das Niveau der Cu SO*-
Lösung, geht durch ein Minimum und steigt nachher wieder an. bis Kochsalzgleich-
gewicht auf beiden Seiten erreicht ist. Vergl. die Resultate von Kahlenbersr: On
über Meml)riiiien II. 509
(auch Avenn die Natur der Kräfte ganz verschieden angenommen
werden muss).
Die notwendige Folge wird also sein, dass eine sehr starke Kon-
zentrierung von netzbaren Colloiden, wie sie in Membranen vorliegen,
eine Verschiebung der Beziehungen Lösungsmittel — gelöster Stoff
zur Folge haben muss und damit auch eine Verschiebung der Aus-
tauschverhältnisse: die Membranfunktion tritt auf.
Soll das Lösungsmittel diffundieren können, so muss es in der
Membran löslich sein, die Membran netzen. (Brücke, Liebig, NoUet,
cit Dastre, Lhermite, Flusin, auch Amar, Cohnstein etc.)
Wenn wir die komplizierten physiologischen und pathologischen
Vorgänge nachher in ihren Beziehungen zu Membranfunktionen be-
trachten wollen, müssen wir jetzt schon im Auge haben, dass dort
sowohl die Membranen nach Komponenten (colloider und nicht colloider
Art) und nach Schichtung kompliziert sind und variieren, ferner
dass in den in Betracht kommenden Lösungen immer Gremische vor-
liegen von Colloiden, Kristalloiden, Elektrolyten und dass die Mög-
lichkeit des Durchtrittes einer Substanz oft an das Vorhandensein
einer andern Substanz gebunden ist, also sehr komplexe Vorgänge
vorstellen, deren Gesamtvariation später diskutiert werden soll. Nur
eine systematische, experimentelle Synthese der verschiedenen Mög-
lichkeiten der Variationen der Membranfunktion lässt überhaupt die
Pathologie verstehen.
Beeinflussung des Stoffaustausches durch eine Membran,
durch die Konzentration eines trennenden Colloides.
Die wichtigste und bis heute in ihren Ursachen und Bedeutung
nur äusserst selten beachtete Eigenschaft der Membran ist die Ver-
änderlichkeit der Permeabilitätseigenschaften, die, wie ich nun
systematisch durchführen möchte, als Hauptthema dieser Arbeit, auf
Colloideigenschaften beruht.
Die Annahme konstanter Eigenschaften von Membranen ist heute
eigentlich noch die allgemein herrschende (vergl. Overton), wenigstens
sind es nur sehr wenige Autoren, die sich bis heute mit dieser Frage
beschäftigt, trotzdem es ja eine sehr auffällige Tatsache ist, dass in
the nature of the process of osmosis and osmotic pressure with observations con-
cerning dyalysis. Transact. Wisconsin Accad. XV. 1904/05, p. 209.
Durch den Umstand, dass in das System mit der Membran ein festes CoUoid
eingetreten ist, das mit allen Diffusionsvorgängen in Beziehung tritt, müssen wir
die verschiedenen Möglichkeiten analysieren, die auftreten durch den verschiedenen
Charakter des Lösungsmittels, des Membrancolloides und vor allem des gelösten
Stoffes.
510 Heinrich Zangger.
der Physiologie und speziell in einer äusserst grossen Zahl patholo-
gischer Prozesse Veränderungen von Membraneigenschaften
reversibler und irreversibler Art die Hauptrolle spielen
und erst die Möglichkeit schaffen, uns eine genaue Vorstellung zu
machen von den pathologischen Prozessen, natürlich zusammen mit
den durch die Morphologie gegebenen Werten (Dicke, Verteilungs-,.
Fällungs- und Entmischungsformen durch Fixation und Färbung).
Die reversiblen Veränderungen der Membraneigenschaften, die die
wesentlichen Erscheinungsformen des Lebens bedingen, sind zu unter-
scheiden von der nicht reversiblen Veränderung, die sich nach sehr
verschiedenen Richtungen erstrecken kann, durch Aufnahme fremder
Körper und Fixation (Jonen und Colloide) durch Schichtbildung, durch
Auflösung und Flüssigwerden (Aufhebung der Strukturen durch fermen-
tative und bakterielle Prozesse).
Die Diffusion von Kristalloiden in Flüssigkeiten hinein, in denen
andere Substanzen, mit denen sie nicht chemisch reagieren, gelöst
sind, ist der allgemeinste Fall, von dem wir zur Untersuchung der
Membrandiffusion ausgehen müssen.
Graham hat die ersten Versuche gemacht, die Substanzen in
gequollene Colloide hinein diffundieren zu lassen. Er kam zu dem
Schluss, dass ein wesentlicher Unterschied der Diffusion in CoUoide^
hinein nicht vorhanden sei gegenüber von Diffusion in Flüssigkeit.
Zu demselben Schluss kamen noch Brown und Escombe.^)
Stefan wies aber nach den Zahlen von Graham schon 1879 nach,
dass eine Verlangsamung des Diffusionsstromes durch Colloide bedingt sei.
Für das Verständnis der Membraneigenschaften und speziell deren
Variationsfähigkeit ist es zweckmässig, zu untersuchen, wie die
charakteristischen Membraneigenschaften successive bei Variation einer
Komponente sich zeigen.
Machen wir den Versuch, zu einem Flüssigkeitsmilieu Colloid zu-
zusetzen und beobachten den Diffusionsvorgang, dann sehen wir zuerst
fast gar keine Veränderungen (Graham, Reformatzky, Voigtländer,
Levy, Brown und Escombe).
Erst bei hohen Konzentrationen wird der Einfluss merklich und
zuletzt treten die Eigentümlichkeiten der Membran ausserordentlich
stark in den Vordergrund; die Diffusion wird vor allem in bezug auf
die einzelnen Anteile zeitlich sehr stark verschoben. Erhöhung
des Flüssigkeitsgehaltes der Membranen bringt die früheren Diffusions-
eigenschaften der ursprünglichen Flüssigkeit wieder zur Geltung.
') Brown und Escombe, Trans, roy. soc. 193, Bd. 1900, p. 223. De Vries
recueil de travaux chim. Pays-Bas 3, 1884, p. 375.
über Membranen II. 511
In diesem Beispiel tritt etwas typisch vor uns, was wir festhalten
müssen: Zusatz von Ho 0 drängt die Membraneigenschaften zurück,
Entzug stellt sie wieder her; also: das Vorhandensein eines Körpers
in der Membran ändert die Permeabilitätsverhältnisse parallel der
Konzentration kontinuierlich, successiv und reversibel.
über die Enistehungsbedingungen der Membranen.
SpezialStellung der Grenzflächen.
Bis jetzt haben wii- die Colloidschicht, die als Membran funk-
tionieren soll, als bestehend vorausgesetzt, aber betont, dass sie ein
instabiles Gebilde sei, das variiere, sich verfestige etc., aber auch sich
lösen und seine Struktur aufgeben könne und damit die mechanische
Voraussetzung der Membraneigentümlichkeiten.
V^ann treten bei Stoffverschiebungen in flüssigen Systemen
Schichten von Membrancharakter auf?
In der Theorie der Lösung, speziell der verdünnten Lösungen,
wird eigentlich nur mit der Zahl der Moleküle und der Jonen ge-
rechnet, währenddem alles was dazwischen ist (das Lösungsmittel) als
eine leere Raumfunktion betrachtet wird, ohne durch den gelösten
Stoff veränderliche Eigenschaften.
Gerade diese Hypothese an der Theorie der Lösung wird dann
verhängnisvoll, wenn das Lösungsmittel durch Zusätze (und uns
interessieren speziell die Colloide) so verändert wird, dass es in gesetz-
mässiger Weise die Beziehungen vom gelösten Stoff zum Lösungsmittel,
die die Theorie der Lösung als nicht bestehend voraussetzt, beeinfiusst.
Man kann nicht genug betonen, dass die Membranen variable,
oft passagere Gebilde sind , die verschiedene Arten der Entstehung
haben (mit und ohne gleichzeitige chemische Reaktionen), ver-
schiedene Resistenz und Existenzbedingungen und dass vor allem
die Funktionen der Membran abhängig sind von deren Vergangenheit.
Die Grenzflächen zwischen zwei Medien haben andere Eigen-
schaften als das Innere der Massen und diese SpezialStellung der
Grenzzonen schaffen wichtige Veränderungen. Diese Verändei-ungen
in der Oberflächenzone sind:
1. Die Oberflächen haben gegenüber der Innenmasse eine be-
stimmte Elastizität durch die Oberflächenspannung, die sich normaler-
weise parallel der Temperatur verändert '),
') Monti. Nuovo Cim (4) 5, 1899, p. lS(i. Ramsay, Sliield. Kein krit. Punkt
bei 4» 7.. B. bei Wasser. Jäger, Wien. Ber. 1897. u. 1891, No. 100 etc.
512 Heinrich Zangger.
2. ferner scheint die Oberfläche eine grössere Lösungsgeschwindig-
keit zu haben oder mindestens einen schnellen Wegtransport der ge-
lösten Substanzen, so dass ein in die Flüssigkeit getauchter Stab in
der Höhe der Oberflächenzone viel schneller durchgefressen wird, als
in der Tiefe des Lösungsmittels selber (Spring),
3. variiert die Oberflächenspannung durch elektrische Beeinflussung
(Lippmann-Phänomen und dessen Beeinflussung).
Diese Spezialeigenschaften der Oberfläche haben nun verschiedene
Folgen, indem sie verschiedene Veränderungen bedingen, die speziell
bei einzelnen Lösungen ihrerseits die Oberflächeneigenschaften
verändern.
Die biologisch wichtigste Veränderung der Grenzschichten, die
diese SpezialStellung der Oberflächen schafft, ist eine Konzentrierung
von Substanzen in der Grenzfläche, wenn damit eine Herabsetzung
der Oberflächenspannung einhergeht. ^) Der Schaum mit vielen Ober-
flächen enthält mehr gelöste Substanz als die Flüssigkeit.
Diese Konzentrierung geht soweit, bis die Oberflächenspannung
bis zu dem Punkte heruntergesetzt ist, dass die Lösungsdifferenz in
der Oberfläche und in der Masse durch ungleiche Verteilung aus-
geglichen.
Diese Konzentrierung muss abhängig sein von der Tiefenausdehnung,
in der die Oberflächenkräfte wirken. Mit dem Moment, wo die Ober-
fläche in der Schichtdicke, die dieser Kraftzone entspricht, gesättigt
ist, wird eine Konzentrierung aufhören. Es entsteht also eine be-
stimmte Schichtdicke, ^) als primäre Folge der Oberflächenkräfte.
Dieses Gleichgewicht stellt sich nun bei verschiedenen gelösten
Substanzen und bei Gemischen ungleich schnell ein. Bei Kristalloiden
im allgemeinen viel schneller als bei Colloiden. Bei Colloiden kommt
nun die neue und äusserst wichtige Funktion des Colloidalzustandes
zur Geltung, dass Colloide, speziell quellbare hydrophile Colloide sich
verändern, verfestigen und successive ohne kritischen Punkt dem
festen Zustand nähern.^)
') Vergl. ausser I.Teil Melsens, Sur les Modifications apportees ä ralbumine etc.
tlompt. rend. sc. 33, 1851, p. M7. Karting, Neederlandsch. Lancet I, 1851, M. 4.
Marangoni, Nuovo Cim. Avrile 1872. Gibbs, Trans Connecticut Acad. III, 1874,
p. 343 u. 380. Die übrige Literatur Metcalf u. Freundlich, Absorption in Lösungen
und Zangger, Ergebnisse der Physiologie 1907.
2) Alte Beobachtungen: Schon Melsens beobachtete die Entstehung von Ober-
flächenhäulchen und bezog sie auf eine Wirkung der Oberflächenkräfte, auch er
schon suchte mit allen Mitteln chemische Veränderung und Austrocknung etc. aus-
zuschliessen, so dass eigentlich nur noch die Oberflächenspannung übrig bheb. Ver-
gleiche Harting 1. c.
^) Hierher gehören die ersten Erscheinungen der Wundheilung, des auto-
matischen Abschlusses nach aussen (speziell in der in den Ergebnissen der Physio-
über Membranen II. 513
Wenn diese Verfestigung an den in der Oberfläche konzentrierten
Colloiden eintritt, werden wir eine zusammenhängende, feste Schicht
bekommen, die, sobald sie kontinuierlich und eine bestimmte Dicke
erreicht, eine Membran bildet, also ein Häutchen, eine mechanische
Trennung erzeugt.^)
Diese Membran wird nun die Vorgänge in der Grenzfläche in
einer bestimmten Weise beeinflussen.
Die Stofi'e, die wir als physiologische Membranbildner betrachten
wollen, sind hydrophile Colloide von elektrisch indifferentem Charak-
ter, weniger elektrolytempfindlich und in vielen Beziehungen reversibel.
Die Veränderung der Beziehung zwischen zwei Medien durch eine
Einlagerung in die Grenzfläche ist natürlich abhängig von der Kohärenz
und Kontinuität. Vor allem aber ist eine bestimmte minimale Schicht-
dicke notwendig, bis diese Beziehungen in einer für diese Membran
charakteristischen Weise verändert werden. Speziell Devaux und
andere haben für Colloide bestimmt, dass eine Schichtdicke von
0,000006 mm z. B. die Oberflächenspannung sprunghaft heruntersetzt.
(Ich habe im ersten Teil darauf hingewiesen, dass diese Grössen-
ordnung in auffallender Weise in der Physik häufig wiederkehrt.'^)
Diese Schichtdicke ist Voraussetzung für das Zustandekommen der
Membraneigenschaften, die für eine bestimmte Substanz charakte-
ristisch sind (vergl. Anm.).
Wie weit sich eine solche Membran nun sekundär noch in der Dicke
ausdehnt, muss abhängig sein von der Oberflächenspannung, die durch
das Festwerden des Colloides wieder auftreten kann, oder aber die
Oberflächenkräfte wirken, sich langsam verlierend weiter in die Tiefe,
so dass ein allmählicher Übergang von der konzentrierten Colloid-
schicht zur Lösung zustande kommt, dass also diese Konzentrations-
logie 1907 zitierte Litei-atur), ferner Frowaceck, Biolog. Zentrbl., Nov. 1907. Ver-
se ha f feit, Reaction cicatricielle chez les Araarylidees. Rec. bot. Neerland. 4, 1907.
Abscheidung von Suberinen, also hoher 8 C-Ketten, die sich zu Colloiden polymei'i-
sieren. Marcus, Har., Aggregatszustand der Keimmembran. Sitzungsber. mor-
pholog.-physiolog. Gesellschaft München 23 (1907), p. 61.
') Milner, On surface concentration and the formation of liquid tilms. Phil,
mag. (6), "Vol. 73, p. 90, 1907. Shorter, London, phil. mag. (7) Vol 11, No. 62.
1906, p. 317. Rhode, Ann. der Physik (4), XIX. 1906, p. 935. Forch, Drude Ann.
der Physik 17. 1905, p. 744 (Oberflächenspannung in Salzlösungen). Metcalf, Zeit-
schrift f. phys. Chem. 5:2 (Ij, 1905, p. 1 (Peptonhäutchen auf Wasserlösung). Devaux,
Proc. Verb. Bordeaux 1903—04. Zawidsky, Zeitschr. f. phys. Chem. XLIII, 1903,
p. 612. Über die Absorption und deren Bedeutung für die Veränderung der Grenz-
flächen vergl. auch Gouy, Sur la Fonction electro-capillaire, Ann. d. Chimie et de
Phys. 7, t. 29, 1903, p. 145 und folgende Bände. Freundlich 1. c.
'') Müller-Erzbach, Über das Wesen und über Unterschiede der Adsorption
Wien. Sitz.-Ber. d. math. naturwiss. Klasse Hl. IIa. 1902, p. 684, und Wirkungsweite
der Molekularkräfte. Wied. Ann. 67, 1899, p. 899 gibt grössere Schichtdicken an.
514 Heinrich Zangger.
membran ein asy metrisches Gebilde ist mit zwei ganz verschiedenen
Seiten, dessen dem Colloid inhaerente successive Veränderungstendenz
die Ursachen immer weiterer Yeränderungen ist, die nicht auf beiden
Seiten gleiche Funktion zu haben braucht. Die Ungleichheit der
beiden Seiten kann eine Ungleichheit der Funktion bedingen.
Die Membranen entstehen in der Natur zwischen zwei
ungleichen Medien, also in Trennungsflächen. Der Charakter
dieser Trennungsflächen und der darin entstehenden und durch die
Funktion der Trennungsfläche lokalisierten Grenzzone (Schichten) ist
nun sicher sehr verschieden und hat vor allem eine bestimmte Dicken-
ausdehnung, die den zeitlichen Verlauf aller Vorgänge beeinflusst
(meist verzögert).
Solche Schichten entstehen durch blosse Oberflächenkonzentration,
speziell colloidaler Substanzen, die sich nach und nach verfestigen,
1. entweder direkt infolge der Konzentration oder 2. infolge von
Oxydation oder chemischen Einwirkungen anderer Art (Niederschlags-
membranen, ebenfalls Colloide).
Konzentrationsveränderungen kommen fast in allen Grenzflächen
vor, (Konzentrationsveränderungen die natürlich positiv oder negativ
sein können), die aber, wenn keine Colloide vorhanden sind, oder ent-
stehen, im allgemeinen keine typischen Membranen bilden, wie sie
speziell in Lebewesen vorkommen. — Sobald sich aber solche Sub-
stanzen mit schon bestehenden Membranen verbinden, so haben wir
mit durch die Einlagerung bedingten Veränderungen der Permeabilitäts-
eigenschaften zu rechnen.
Alle Substanzen, die die Oberflächenspannung heruntersetzen,
haben die gemeinsame Eigenschaft kompressibel zu sein, das gibt
Anhaltspunkte für die Deutung der Art des Oberflächendruckes.
Alle Stoffe, deren Wirkung auf die Oberflächenspannung sich
durch Temperaturerhöhung nicht gleichmässig (geradelinig) verändern,
liegen nach aller Wahrscheinlichkeit bei den betreffenden Temperaturen
in der Oberfläche in Komplexen vor; das deutet darauf hin, dass sie unter
der Wirkung der Oberflächenspannung andere Formen und Beziehungen
haben als im Milieu, also strukturiert sein müssen (Homphrey und Gouy).
Unter den Colloiden gibt es nun auch eine Gruppe, die leicht
in die Oberflächen geht und dabei die speziellen Colloideigenschaften
mitnimmt, nämlich: durch Konzentration sich zu verändern, ver-
festigen, elastisch oder viskos zu werden und damit werden neue
Eigenschaften gerufen.
Anmerkung: Dass zu diesen Vorgängen und Verschiebungen Lösungseigen-
schaften gehören, die durch bestimmte Atomgruppen bestimmt sein können und
verändert werden können, ist klar; gerade so wie durcii gleichzeitig in der Lösung
vorhandene weitere Körper.
über Membranen II. 515-
Die Membranen haben also Colloideigenschaften : Infolge der Kon-
zentration, der Zeit und unter dem konstanten Einfluss der Ober-
flächenwirkung entstehen Strukturen, die verändert werden können.
Als CoUoide können sie einerseits gelöst werden durch andere Colloide
im Überschuss, durch kombinierte chemische Prozesse (Fermente und
Oxydation und Salze), anderseits können sie verdichtet werden durch
Anlagerungen, gegerbt durch Einlagerungen anderer Colloide und
Jonen oder sich dehnen (wachsen) durch lokalisierte Intussuszeption
anderer Colloide (folgende Kapitel).
Veränderangsmöglichkeiten der Membranen.
1. Permeabilitätsänderungen: durch Zusätze und Strukturveränderungen.
Das wesentlich Neue und der Grund, warum ich eine ausführliche
Arbeit über das Membranproblem publizierte, liegt in der Erkenntnis,
dass die für das Verständnis der pathologischen Vorgänge vielleicht
wichtigste Vorstellung darin besteht, dass die Membraneigen-
schaften keine unveränderlichen Grössen , sondern dass sehr ver-
schiedene Einwirkungen auf ein Membransystem den Austausch sehr
weitgehend (ja sogar praktisch qualitativ) verändern können und zwar
in einer Weise, dass die veränderte Eigenschaft bleibt, in anderen
Fällen jedoch tritt die Veränderung nur für kurze Zeit auf.
Vorübergehende reversible Veränderungen in den Durchtritts-
gesetzen können auf folgenden Wegen erreicht werden : Dadurch, dass
man von aussen temporär eine treibende Kraft zuführt, die je nach
Art verschiedene Substanzen fortbewegen kann: wie elektrische
Ströme oder hydrostatischer Druck (Filtration) und zwar in befördernder
oder hemmender Richtung oder aber durch Zusätze : Lösung einer
weiteren Substanz bewirkt Erhöhung oder Herabsetzung der Durch-
lässigkeit durch ihre Gegenwart im System, resp. in der Membran.
Durch Entfernung dieser Substanz treten die alten Permeabilitäts-
eigenschaften wieder auf und zwar beziehen sich diese Permeabilitäts-
änderungen auf Kristalloide, aber auch sehr langsam durch-
tretende Colloide.
Von diesen Permeabilitätsveränderungen können wir aber nur
dann als von reversiblen Zuständen sprechen, wenn die Einwirkung
kurze Zeit dauert (je nach dem Grad und dem Verhalten, Minuten
bis Tage), bei jahrelang dauernden Zustandsänderungen kehrt der
ursprüngliche Zustand nie wieder.
Regelmässig ergeben aber Beeinflussung der Membranen durch
entgegengesetzt geladene Colloide Dauerveränderungen, ebenso durch
516 Heinrich Zangger.
Schwermetallsalze, mit mehrwertigen, der Membran entgegengesetzt
geladenen Jonen.
Gleichsinnig geladene Colloide können Membranen verquellen und
lösen; je länger die Membran besteht, desto weniger wird sie quellen
(vergl. Kapitel: Über dauernde Veränderungen Colloidwirkungen).
Stofifel hat in meinem Institut im Lauf des letzten Jahres eine
prinzipiell wichtige Tatsache für die Charakteristik der Membran-
funktionen gefunden : nämlich, dass speziell bei reinen Colloiden (ohne
Kristalloide) auch sehr geringe, bis jetzt ganz unbeachtete Einwir-
kungen, wie ungleich schnelles Erstarren, den Diffusionsweg beein-
flussen können und zwar unter Umständen entgegengesetzt für Kristal-
loide und Colloide.
a) Zusätze, die die Membranefi reversibel verändern können.
1. Variation durch Verschiebung der Konzentration der
Bestandteile — denn zur Membranfunktion ist bei Flüssigkeits-
diffusion immer ein kompliziertes System (Colloid und Flüssigkeit
oder andere Körper) notwendig, die alle verändert werden können.
Der Grad der Quellung, also die relative Masse des Wassers oder
der Lösung in der Membran, bedingt die Durchlässigkeit.
Die Tatsache, dass in der Membran ein Teil des Wassers nicht
frei, sondern in irgend einer Form gebunden sich befindet, verschiebt
das Verhältnis von den drei Körpern (Colloide der Membran, Wasser
und gelöstem Stoffe) zueinander.
2. Aber noch viel unerwartetere Folgen stellen sich oft bei Zusatz
von mehreren neuen Körpern ein, da in einer Colloidmembran die
Massen zu einem grossen Teil in einem Übergangszustande vorliegen,
den Grenzschichten fest flüssig entsprechend und die Verteilung der
Körper infolgedessen unter der Wirkung spezieller Kräfte steht. Kräfte
von grosser Flächenausdehnung, aber geringer Tiefenwirkungen in die
homogenen Massen hinein, so müssen flächenhafte Konzentrierungen
entstehen. Dass ein solches neues spezifisches Substanznetz von grosser
Flächenausdehnung für Transportverhältnisse durch die Membran
hindurch von grösster Bedeutung sein wird, ist klar, da ja gerade
ein Stoff, der in der Grenzzone sich anordnet, eine Verbindung spezi-
fischer Art zwischen beiden Seiten der Membran herstellen kann.
Kann der Stoff' entfernt werden, (herausgespült oder chemisch-
physikalisch verändert), so bekommt die Membran andere Eigenschaften,
^um Teil wieder die früheren.
Die Veränderungen der Permeabilität von Membranen für eine
Substanz sind sicher ausserordentlich häufig, aber es existieren relativ
über Membranen IL 517
wenig experimentelle Untersuchungen darüber. Die Gesetze gehen
natürlich im Sinn den so komplizierten Gesetzen der Lösungsbeein-
flussung parallel.')
Die in der Membran vorhandenen oder in sie eintretenden Sub-
stanzen erleichtern den Durchtritt anderer Substanzen, die zu diesen
in einer gewissen Beziehung, resp. Verwandtschaft stehen, je nach
der Konzentration. Durchlassen spezieller Substanzen, z. B. der Fer-
mente, ist sicher nicht sehr weitgehend spezifisch, aber unter den
gegebenen Umständen eben doch nur auf eine Substanz passend, von
einer der vorhandenen Substanzen spezifisch provoziert.
Es ist sehr auffällig, dass sogar bei den grossen industriellen Ver-
wendungen der Membran, die Variationen der Membraneigenschaften
nicht untersucht worden sind. So lässt Dutrochet das Wesen der
Membran unbeachtet (Lhermite sagt: il laissa toujours dans le vague
l'action de la membrane), während Graham selbst in der spätem Zeit
der Ansicht ist, dass eine Veränderung der Membran die Voraus-
setzung der Osmose sei.
In dieser Beobachtung von Graham liegt schon die Erkenntnis,
dass Membranen sich verändern.
Tatsächlich verändern die Membranen auch ihr Aussehen, je nach
der Flüssigkeit und der durchtretenden Substanz; so kann man leicht
sehen, dass Membranen bei einzelnen Flüssigkeiten quellen und dunkler
oder durchsichtiger erscheinen, in andern Fällen weiss werden, uneben,
in wieder andern Fällen sich färben, gefärbte Substanzen absorbieren.
Im ersten Teil wurde betont, dass die Veränderungen reversibel
oder irreversibel sein können.
Reversibel besonders, wenn eine Verschiebung der Durchlässig-
keit eintritt durch blosse Gegenwart bestimmter Substanzen,
die die Durchlässigkeit für andere Substanzen (und deren Absorption)
erhöhen oder bedingen.
Wir haben hervorgehoben, wie wir die Veränderung der Diffusion
durch successive Konzentrierung des Colloides verfolgt haben (also
bei successiver Steigerung der Annäherung an die Membranverhält-
nisse), dass die Gegenwart bestimmter Stoffe, wie z. B. Wasser, die
Durchlässigkeit erhöhen, eventuell auch erniedrigen kann.
Die experimentelle Beweisführung, dass Gegenwart bestimmter
Substanzen die Durchlässigkeit verändert, ist speziell von Bechhold
*) Die meisten frülieren hierhergehörigen Beobachtungen, die diese Gesetze
verfolgen, sind auf pflanzen physiologischem Gebiet gemacht, Anpassungen, Regu-
lationen etc. Die neuere Zeit bringt uns Probleme (Bakt. Anpassung. Erhöhung
der Giftwirkungen und Virulenz etc.), die vorläufig in der Variation der Perme-
abilität die erste vergleichbare Parallele haben.
518 Heinrich Zangger.
und Ziegler geführt worden. Der Ausgangspunkt für die Wahl der
Zusätze war, dass die Diffusion wohl der Festigkeit, resp. Viscosität
parallel gehen dürfte, oder dass Substanzen, die den Schmelzpunkt
heruntersetzen, wohl auch die Diffusion erleichtern würden.')
Bei organischen Substanzen zeigte sich eine Art Parallelismus in
einer andern Richtung, wenn auch nicht durchgehend, dass eine Sub-
stanz den Durchtritt der Verwandten in der Weise beeinflusst, dass
gut Durchtretende allgemein den Durchtritt der Verwandten er-
leichtert.-)
Es drängt sich hier wieder die für die Colloide so typische und
so verwickelte Eigenart in den Vordergrund, dass nebeneinander viele
gleichwertigen Faktoren wirksam sind bei den gewöhnlichen Tempe-
raturen etc.
So spielt hier nach allem neben der rein, resp. zu mechanisch
aufgefassten Viscosität und Widerstand, die Lösungsbeeinflussung die
grösste Rolle, wie Stoffel, von diesen Gesichtspunkten ausgehend, fest-
stelleh konnte.^)
Das für die Biologie Wesentlichste an den Fermeabilitätsände-
rungen der Membran liegt in der Tatsache, dass Membranen unter
bestimmten Umständen auch Colloide besser resp. leichter in grossen
Quantitäten durchtreten lassen, und dass auf dieser Tatsache eine
Reihe der wichtigsten biologischen Probleme beruht, z. B. die temporäre
Absonderung der Fermente, wohl auch bestimmter Immunkörper etc.
Es liegen bereits einige Befunde vor in der Physik und in der
physikalischen Chemie, vor allem aber eine grosse Reihe biologischer
Tatsachen, die nur durch die Annahme einer Permeabilitätsänderung
erklärt werden können.
Wir können die Befunde gruppieren in Beeinflussung von Colloid-
<lurchtritt unter folgenden Bedingungsänderungen :
1. Begünstigung des Ausgleiches im System durch
Kristalloide
Colloide,
') Bechhold und Ziegler, Niedersclilagsmembran in der Gallerte und die
Konstitution der Gelatinegallerte. Ann. d. Physik (4) '20. p. 900 (1906). Zeitschrift f.
physikal. Chemie 56, p. 105.
^) Diskussion: Dr. Kaufler hebt hervor, dass diese Tatsachen über die Ver-
änderung der Durchlässigkeit der Membranen auch erklären, warum der Geruch
bestimmter Substanzen durch nicht riechende Zusätze sehr erhöht werden könne.
Eine Erfahrung, von der in der Riechstofftechnik ausgiebig Gebrauch gemacht werde.
') Aus den Publikationen geht hervor, dass nicht jeder Stoff, der den Schmelz-
punkt verändert, auch den Diffusionsweg für alle Stoffe verschiebt, sondern im
Gegenteil, dass chemisch verschiedene Stoffe von analoger Wirkung auf den Schmelz-
punkt, den Diffusionsweg ganz verschieden, ja entgegengesetzt beeinflussen können
{wie wir auch bei andern Einflüssen fanden, vergleiche Stoffel).
Über Membranen II. 519
durch von aussen zu-
geführte Kräfte ')
Filtration (resp. spezifisches Gewicht,
Hydrostatischer Druck),
elektrischen Potentiale resp. Strom
(Kataphorese).
3. Veränderung der Permeabilität durch Strukturdifferenzen fester
Colloide (Stoffel), die sich nach und nach ausgleichen können.
Dem gegenüber stehen die dauernden Veränderungen in bezug
auf Colloiddurchlässigkeit, die vor allem bedingt sind durch elektrische
Eigenarten der einwirkenden Substanzen: spez. mehrwertiger Jonen.
(Einzelne chemisch einfache organische Körper, die die Lösungsfähigkeit
von organischen Substanzen beeinflussen, z. B. Aminosäure etc., er-
höhen die Durchlässigkeit dauernd).
Harnstoff etc. bedingt Verquellungen, Lösungen von festen col-
loidalen Gelatinemassen, ebenso Überschuss des gleichartigen Colloides.
Entgegengesetzt geladene Colloide bedingen Verfestigung, selten
Lösung. Es gibt Colloidkomplexe aus positiven und negativen Col-
loiden, die nicht ausfallen, noch festwerden. Gewöhnlich ist die typische
Art der Präzipitatbildung bei Colloiden nur leicht möglich bei Gegen-
wart von Elektrolyten. Friedemann fand, dass die Fällungszone ohne
Salze sehr eingeengt wird. Larguier des Bancels hat Lösung von
ausgefällten festen Colloidkomplexen durch Glyzerin, Alkohol, Aceton
nachgewiesen.
Dass einzelne Colloide überhaupt durch Membranen durchtreten,
wenn auch sehr langsam und ungleich, wurde experimentell haupt-
sächlich von Tammann'-), Meerburg ^) untersucht.
Meerburg fand, dass Ferrocyankupfermembranen Farbstoffe, wie
Fuchsin, Ponceau lange Zeit zurückhalten, dass sich aber die Mem-
branen successive in der ganzen Dicke durchfärben und dass sie dann
den Farbstoff nachträglich auch durchtreten lassen.
Wenn man die Reihen von Untersuchungen, die Anhaltspunkte
geben über Durchlässigkeit der verschiedenen künstlichen Membranen,
überblickt, so kommt man hier zu dem Schluss, dass die Membranen
für diejenigen Colloide durchlässig sind, die sie absorbieren.
Je nach der Dicke und der Quantität der Membransubstanz braucht
es aber eine relativ grosse Menge Colloid zur Imprägnation dieser
Membran und diese Menge ist für die Permeabilität verloren (be-
') Wird hier nicht besprochen.
*) Tammann, Über die PermeabiHtät der Niederschlagsmembranen, Zeitschrift
f. phys. Chemie 10, 189l2, p. "2bö.
^) Meerburg. Zur Abhandlung Tammanns: Permeabilität der Niederschlags-
membranen, Zeitschr. f. phys. Chemie 11, 1893, *p. 446. Waiden, Über Diffusions-
erscheinungen an Niederschlagsmembranen. Zeitschr. f. phys. Chemie 10, 189:2, p. 699.
520 Heinrich Zangger.
sonders wenn sie erstarrt), denn nur nach Sättigung der Membran
ist Durchtritt inöglich, also tritt vor allem eine enorme Verzöge-
rung auf.
Für die physikalischen Bedingungen des Colloiddurchtrittes durch
feste Colloide haben folgende neuere Untersuchungen Bedeutung:
1. Hat Malfitano ^) gezeigt, dass positives Fe (0H)3 durch negative
Collodiummembranen nur spurweise durchtritt, dass sich das positive
Colloid in der negativen Membran niederschlägt und dass von einem
bestimmten Punkt an keine Eisenhydrate durchtreten.
2. Hat Henri und Mitarbeiter^) darauf aufmerksam gemacht, dass
Colloidgemische mit ausgesprochenen elektrischen Eigentümlichkeiten
nur so lange CoUoidmassen durchtreten lassen, bis der als Membran
funktionierende Teil so imprägniert ist, dass er das der durchtretenden
Masse entsprechende Zeichen angenommen. Ferner wird von Henri
und Iscovesco betont, dass frisch entstehende Niederschläge, die als
Membran funktionieren, sich nur anfangs in Colloiden leicht lösen lassen.
3. Bechhold^) hat gefunden, dass, je nach der Filterdicke, resp.
Membrandicke, verschiedene Colloide durch Gelatinefilter unter Druck
passieren.
Als Prinzip muss man hier beachten, dass:
1. Colloide elektrisch gleichen Zeichens und gleicher Ladung
sich mischen, lösen, quellen können.
Also werden speziell Colloide elektrisch gleichen Zeichens
andere imbibieren, durchtreten.
2. Ganz anders verhält es sich mit Colloiden ungleichen Zeichen:
Sie werden sich bis zur Neutralisation verfestigen (verfolgt
von Malfitano, Henri).
Nachdem wir gesehen, dass die Membranen aus Colloiden be-
stehen, die sich verändern, vor allem quellen können und dass sie für
einzelne Colloide permeabel werden, für andere nicht, tritt sofort die
Frage an einen heran, ob verschiedene Gruppen von Einwirkungen
auf die Membranen diese soweit verändern, dass unter bestimmten
Bedingungen sonst nicht durchtretende Colloide durchtreten können.-
1) Malfitano, Compt. lend. sciences 143, No. 3, 1906, p. 11'2.
^) Girard et Henri, Recherches sur l'electricite animale. Compt. rend. scien-
ces 196, Nr. 26, p. 142, p. 1463. Variations de peremeabilite des membranes pour les
differents Jons et formations de combinaisons d'absorptions entre les colloides des
tissus et les Jons des electrolytes qui les baignent.
*) Bechhold, Verhandlungen der Naturforscher Versammlung, Stuttgart 1906,
Zeitschr. f. Chemie und Industrie der Colloide, Über fraktionierte Filtration der
Colloide 1, Bd. 1, p. 107 (1907). Auffällig ist hier, dass Fermente und Toxine sehr
intensiv absorbiert werden von den Filtern aus Gelatine, währenddem gewöhnliches
Eiweiss und Eiweisskoinplexe sich indifferent verhalten, resp. ohne stärkere Ab-
sorption durchtreten können.
über Membranen II. 521
Diese Veränderungen können natürlich erst dann die Permeabilität
verschieben, wenn die ganze Schichtdicke der Membran beeintiusst
wird, deshalb werden diese Veränderungen speziell bei den dünnen
(Zell)menibranen untersucht werden können.
Untersuchungen über vorübergehende, reversible Änderungen der
Zellmembran liegen vor, speziell über Kohlenhydratfermente.
Sekretion von Invertin oder Invertase: Man kann den Versiu-b machen, sezer-
nierende Zellen an der Sekretion zu verhindern oder Zellen zu Sekretion zu veran-
lassen, das heisst die Permeabilität zu ei'zeugen.
So haben Bechamp, Fernbach. O. Sullivan, Pantanelli für Hefe festgestellt, dass
verschieden organische Kristalloide das Hefeferment aus den Zellen austreten lassen:
einmal Alkohol selbst (deshalb Zunainne der Gärung in der ersten Zeit), dann aber
auch Äther, Aldehyde, Aceton etc.
0. Sullivan hat nachgewiesen, dass aus Bierhefe Invertin austritt, das heisst
die Membran für Colloide durchlässig wird unter Einwirkung von OK-Jonen und
H-.Jonen und Äther. Er betrachtet das als pathologisch und sagt nichts von Re-
versibilität.*)
Bei Untersuchung von Austritt coUoidaler Fermente aus lebenden Zellen muss
die Innenkonzentration, das heisst die Produktion, mitbeobachtet werden. (Pantanelli).
Inwiefern die Entstehung der Immunkörper und der Toxine etc. nach den Ge-
setzen der transitorischen Permeabihtätsveränderung verlaufen, ist nicht festgestellt;
weil die Verhältnisse äusserst kompliziert und speziell weil bei den CoUoiden so
unendliche Möglichkeiten vorliegen, darf man nicht verallgemeinern.
Bei der Agglutination der Hefe werden sicher Eiweiss ähnliche Substanzen aus
der Zelle ausgeschieden. Ob eine transitorische Sekretion, angeregt durch ent-
sprechende Stoffe, auch bei den bekannten Bakterien-Agglutinationsvorgängen eine
Rolle spielen, ist eine mindestens noch nicht entschiedene Möghchkeit, die neben
der Absorption bestehen könnte und die einen Teil der Anpassungserscheinung er-
klären könnte.
Aus den Untersuchungen geht hervor, dass Zusatz von durch-
dringenden Substanzen die Permeabilität auch für andere Substanzen
erhöhen und dass schlecht durchtretende die Permeabilität häufig
herabsetzen.
Strukturänderungen.
Stoffel hat in meinem Institut die Beobachtung gemacht, dass
nicht allein Zusätze den Diffusionsweg verändern, sondern auch andere
Umstände physikalischer Art und zwar für die als Bestandteile der
Membran in Betracht kommenden chemischen Individuen indifferente
Einwirkungen.
') Austritt von Invertinferment. 0. Sullivan, Transaction of the chemical
Society 61, 1892, p. 926, 59.3. Xathanson, Jahrbuch f. wiss. Bot. 88. 1902, p. 24:
39, 1903, p. 607; 50, 1904, p. 403. Ob die Membranen stereochemisches VVahl-
vermögen haben können, ist noch nicht erwiesen, aber wenn es Fermente haben,
wenn sich Fermente anpassen, ist die Eigenschaft auch bei Membranen zu erwarten,
denn daraus leiten sich ja im wesentlichen notwendigerweise die Anpassungen z. B-
der Pilze her.
Vierteljahrsschrift d. Naturl". Ges. Zürich. .Jahrg. .V2. 1907. 34-
522 Heinrich Zangger.
Wenu Gelatinröhren, von ganz gleicher Gelatine und gleicher
Konzentration, bis zum Einfüllen in die Diffusionsröhren als eine
Masse, also absolut gleich behandelt wurden und erst während
des Erstarrens entweder in Eiswasser oder zum Teil in Watte ge-
wickelt, bei Zimmertemperatur (20*') erstarren, dann zeigen die gleichen
Substanzen grosse Differenzen im Diffusionsweg und zwar:
Colloidale Substanzen (speziell Farben, die bis jetzt allein unter-
sucht wurden) zeigen eher eine Beschleunigung in den schnell ge-
kühlten Zylindern, die Kristalloide eine Verlangsamung und zwar tritt
in Gelatinezylindern von 10 cm Länge eine Niederschlagsbildung von
Ag Cl aus Ag N Og und Na Cl mindestens einige Stunden später ein,
aber an gleicher Stelle. Also hat der differente Strukturzustand
der Gelatine auf beide Kristalloide einen analogen Einfluss.
Gegen Zusätze sind nun solche different behandelten abgekühlten
festen Colloide eigenartig empfindlich : Es scheint aus allem das Gesetz
sich abzuleiten, dass die Strukturdifferenzen durch ungleich schnelles
Erstarren um so deutlicher werden, je reiner die Gelatine, denn alle
Zusätze, die wir versuchten, um den zeitlichen Verlauf der Diffusion
durch Zusatz von Indikatoren verfolgen zu können, haben schon keine
sehr deutlichen Differenzen mehr gegeben. Andere Zusätze, die wir ver-
suchten, organische, speziell aromatische Körper, Phenol, Resorcin etc.
haben noch ausgeprägtere Wirkung.
Mittel zum Nachweis auf spektroskopischem Weg oder durch
Untersuchung der Brechungen standen nicht zur Verfügung, so be-
schränkten wir uns auf den Nachweis mit Niederschlägen und Farben.
Verschiedene Spannungszustände im Colloide als Ursache diffe-
renter Durchlässigkeit zu untersuchen, haben wir uns im Institut
schon längere Zeit zur Aufgabe gestellt. Denn schon der Umstand,
dass die organogenetisch wichtigen Colloide in festem Zustand durch
Druck, Zug, das Licht polarisieren, also optisch aktiv werden, beweist
eine bestimmte Strukturveränderung, die auch für Durchtritt von
Einfluss sein kann und unter Umständen sein muss.
Beobachtungen : Bestimmte Salze, wie Silbernitrat, die man gegen
NaCl diffundieren Hess in freien und lokal gepressten Gelatinezylindern
zeigten eine auffällige Verlangsamung ihres Weges (Stoffel).
Es ist weiter noch ein Befund von Stoffel hervorzuheben, dass
nämlich die sogenannten Liesegangschen Schichtungen nicht auftreten
in schnell gekühlten Gelatinen, während sie in derselben Gelatine bei
langsamer Erstarrung sofort eintreten.
Es ist also hier eine weitere experimentell fixierte Bedingung,
eine auf verschiedene Weise erreichbare Eigenart der Gelatine zu
schaffen, die nichts weiteres sein kann, als die Folge einer im System
über Membranen IL 523
■des festen Colloides bestehenden strukturellen Tendenz, dass nicht der
Prozentsatz, nicht die Zusätze, resp. verschiedene Arten von Zerfalls-
produkten (wie Liesegang annimmt) die einzige Ursache für die
Schichtungen der Niederschläge bildet, dass es eine viel eigenartigere
rein physikalische Ursache gibt.
Damit ist wohl auch der Ostwaldschen Erklärung, dass diese
Liesegangsche Schichtung Folgen von lokaler Übersättigung sei, eine
spezielle Fragestellung gegenüberzustellen; nämlich:
1. Inwiefern die Colloide die Sättigungsbeziehungen beeinflussen,
da nur Strukturverschiedenheiten sie bedingen?
2. Wie soll man sich vorstellen, dass Übersättigungen in langsam
gekühlten Massen besser entstehen und lokalisiert werden, wenn nicht
die Schichtung zum Teil vorgebildet wäre? —
Die transitorischen Veränderungen von sehr dünnen festen Col-
loidschichten sind also experimentell noch sehr wenig untersucht, es
existieren sicher noch eine grosse Zahl von gesetzmässigen, passageren
Durchlässigkeiten, deren Bedingungen wir nicht definiert haben,
speziell in der Pathologie und Pharmacologie.^)
Aus dem Colloidcharakter, der speziellen Art der MembrancoUoide
einerseits und vor allem auch den Erfahrungen der Pathologie ander-
seits können wir eine Reihe von Möglichkeiten ahnen und wohl auch
die experimentellen physikalischen Bedingungen voraussehen, wenn
wir die Tatsachen, speziell der experimentellen Pathologie etc. nach
diesen Gesichtspunkten untersuchen.
Anmerkung: Bei der orthostatischen Albuminurie kommen wohl auch in
erster Linie transitorische GoUoidpermeabilitäten in Frage.
Die Aufhebung der Ventilwirkung der Nieren gegen den normalen Partialdruck
des Zuckers durch CO (bei Vergiftung), wohl auch die gerichtlich-medizinisch längst
bekannte Erhöhung von Giftwirkungen durch andere Substanzen (vergl. z. B. Lacas-
sagne 1905), gehören zu Permeabihtätserhöhungen durch andere Substanzen.
Das Auftreten von Amyloid bei Toxinwirkung, dessen Verfestigung, Hyalin-
werden, die sekundäre Wiederauflösung, wenn der feste Zustand nicht zu lange be-
stehen blieb muss auch hierher gehören.
Ausspaltung von CoUoiden aus Colloidkomplexen, leichteres sich Loslösen vom
Lösungsmittel durch die CoUoidreagentien scheint heute schon sicher für die Immu-
nitätsfragen und die sekundären Infektionsfolgen von Bedeutung zu sein. (Leichte
Fällbarkeit und Absorbierbarkeit bestimmter Komponenten.)
Die transitorische Änderung der Virulenz der Bakterien muss eine andere Aus-
scheidung und einen andern Stoffwechsel als Ursache haben und muss bedingt sein
durch eine veränderte Diffusion und Permeabilität. Durch die Möglichkeit einer
Permeabilitätsänderung ist eine Virulenzänderung möghch, so dass die Virulenz als
neues Problem vor uns steht: die Permeabilitätsänderung der Pilz- und Bakterienhülle.
') Literatur vergleiche: Stoffel, Dissertation 1907/08 aus meinem Institut. Über
Diffusionshemmungen durch Colloide.
^) VergL Straub, Pflügers Archiv 119 (1907) p. 127.
524 Heinrich Zangger.
Inwieweit die Bakterien -Veränderungen, die wir Anpassung nennen, wie
Kapselbildung bei Milzbrand, Verlust der Agglutinabilität im Tierkörper, der latente
Mikrobismus, von diesen Gesetzmässigkeiten abhängig sein dürften, folgt in der
nächsten Arbeit.
Die notwendige Voraussetzung vieler Latenzperioden ist eben die
Notwendigkeit einer Imprägnation von Membranen durch die neu-
eintretenden Stoffe, bevor die nötige Konzentration erreicht werden
kann, resp. ehe eine wesentliche Verschiebung der Durchlässigkeit
durch diesen Stoff erfolgt.
Die Übergänge von reversiblen (und irreversiblen) Verfestigungen
colloidaler Substanzen, die transitorischen Permeabilitäten, sind ein
Hauptgebiet der Pathologie, soweit sie ausser der morphologischen
Empirie der „Diagnose aus der Regel des gleichzeitigen Auftretens"
auf die Feststellung der Ursachen und vor allem auf die Rückführung
der morphologischen und chemischen Einzelphasen und die Ursachen des
durch viele Polgereaktion bedingten Endzustandes ihr Augenmerk
richtet und versuchen will, analytisch die einzelnen Komponenten
herauszuheben; diese können eben allein diejenigen Vorgänge sein,
die wir anfassen und modifizieren können.
b) Zusätze, die die Membran als Colloid dauernd verändern.
Hierher gehören zwei Grruppen von Beeinflussungen, die abhängig
sind von Eigenschaften, die die Colloide, speziell die quellbaren,
stabilen, chemisch komplizierten Colloide der Physiologie und Patho-
logie charakterisieren.
Bei den Membranen handelt es sich in erster Linie um Ver-
änderungen der Durchlässigkeit, die bei den stark gequollenen Col-
loiden weniger in Betracht kommen in der Form, sondern eher als
Komplexbildung und Ausfällung. —
Ich möchte die Beeinflussungen der Permeabilität in zwei Gruppen
einteilen :
1. Die Beeinflussung des Quellungszustandes speziell durch Krista 1 -
loide. Elektrolyt -Wirkungen, speziell bei einwertigen Jonen
sind zur Hauptsache reversibel, jedoch bei höherwertigen
Kationen werden sie immer irreversibel (den elektrischen
Eigenschaften parallel, Tendenz der Hydratbildung).
a) Verfestigung,
b) Lösungs- und Verquellungswirkung von Salzen und Ab-
hängigkeit von Jonenwirkungen und Konzentration.
2. CoUoidwirkungen : '
a) durch leicht ausfallende, schlecht lösliche Salze und neue
in der Membran entstehende Körper,
über Membranen II. 525
b) Lösungen, Verquellungen, Verlust der Struktur durch
Colloide.
1. Die Beeinflussungen der Membranen durch Elektrolyte gehen
parallel den Gesetzen der Beeinflussbarkeit der Colloide. Für die
liiologisch wichtigen Colloide hat Hofmeister festgestellt, dass die
Anionen sich in einer Keihe ordnen, deren Glieder successive die
Quellung begünstigen, währenddem die Kationen sich eigentlich mehr
nach ihrer Wertigkeit in Gruppen teilen lassen. Diese Reihe der
Anionen (CH3 COO, SO,, Cl, Br, J, SCN) kehrt nun merkwürdiger
Weise häutig wieder.
a) Bei Begünstigung, resp. Zurückdrängung von Löslichkeiten,
b) Pauli u. a. haben dieselbe Reihe bei den verschiedensten Unter-
suchungen über Eiweissfällung wiedergefunden (ferner Höber, Neue
Theorie der Narkose).
c) Für unsern Fall am wichtigsten sind die Untersuchungen von
Mathew, Lillie, Fischer, Webster. So hat z. B. Lillie gefunden, dass
die Schwimmblättchen in molekular gleichen Lösungen gegen Ende
der Reihe schnell zum Stillstand kommen infolge Aufquellung der
Häutchen.
d) Für die Membranen ist vielleicht auch die Beobachtung von
Gouy von Bedeutung, der in den letzten Jahren in derselben Reihen-
folge eine die Oberflächenspannung herabsetzende Wirkung der
Anionen festgestellt hat.
Untersuchungen über die Viscositätsbeeinflussung dieser Reihen
sind bei mir seit Frühjahr 1907 im Gang.
Bei der Diskussion dieser Punkte nach dem Vortrag vom 14. Januar 1907 in
der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich :
Dr. Höber fragte Prof. Werner, ob er nicht der Ansicht sei, dass hier die Hydrat-
bildungen in der Reihe der Anionen die eigentliche Ursache dieser Wirkung sei.
Prof. Werner ist der Ansicht, dass sich das jetzt nicht entscheiden lasse, zur
Hydratbildung, Jonenhydraten, neigen sich mehr die Kationen, als die Anionen, die
ja hier speziell die Reihe bedingen.
Dr. Berl macht auf Untersuchungen von Abegg aufmerksam, nach dem speziell
Sulfate Selbstkomplexe bilden und dann sich eventuell CoUoid nähern.
Physikalische Experimente mit Membranen wurden bis jetzt auf
diesem Gebiet wenig ausgeführt. — Hier möchte ich auf Unter-
suchungen aus der photographischen Technik hinweisen, wie: Das
Gerben der Platte durch Säuren (z. T. reversibel, Lüppo-Cramer).
Bekannt sind die verquellenden Säure und Alkaliwirkungen be-
stimmter Konzentration auf feste durch Membranen bedingte Struk-
turierungen. Das sind die Voraussetzungen bei Verätzungen und
der Histologie verätzter Wunden.
Histologisch-technisch können solche Salze bei der Difl"erenzierung
Ton gefärbten Colloiden zur Verwendung kommen als Mittel, um
526 Heinrich Zangger.
ein anderes Colloid (z. B. Farbe oder Beize) aus einem Komplex
herauszulösen. Viele Analogien finden sich auch hier in der Behandlung
der festen Colloidmembranen in der photographischen Technik.
Salze, speziell Schwermetallsalze, verändern die Membranen
dauernd und zwar, indem sich die Metalle in der organischen Mem-
bran niederschlagen („fixieren"). Die Wirkung geht in vielem parallel
der Ausfällung bei flüssigen Solen.O
Inwieweit die eigenartigen Jonen Wirkungen , speziell der soge-
nannten Antagonismen (in denen einzelne Jonen allein giftig wirken),
die durch andere aufgehoben werden können, auf die Colloide der
Membran wirken und nicht auf die Colloide des Protoplasmas, ist
bis heute noch wenig diskutiert worden.
Es ist nun von vorneherein einleuchtend, dass das erste, das-
äusserste Colloid, das heisst die Membran der lebenden Organismen,
mindestens mit beeinflusst werden muss, ferner ist im Innern der
Zelle eine Wirkung direkt nur möglich, wenn Substanz hineingeht.
Loeb nimmt ein Durchtreten der Salze, resp. Jonen durch die
Membran an. Overtonsche und Höbersche Versuche sprechen nun
dafür, dass die Dififusionsverhältnisse der Membranen geändert werden.
Höber fand, dass durch Eintauchen des Muskels in eine Sr-Salz-
lösung die spätere Beeinflussbarkeit herabgesetzt wurde.
Viele Experimente dieser Art, dass sie zur Diskussion dieser
Frage angeführt werden können, haben Amerikaner gemacht (vergl.
Zangger: Ergebnisse der Physiologie 1907).
Sie haben vor allem eine Regelmässigkeit gefunden, die auf die
Membranen Bezug haben muss, die auch für Colloide schon lange
gefunden worden ist: Nämlich, dass die Salze, resp. die Kationen
und Anionen in ganz bestimmter Reihenfolge, je nach Art des Col-
loides verflüssigend (quellend), verfestigend (koagulierend) wirken auf
Colloide (Hofmeister^), Pauli) (allerdings fanden einzelne Autoren auch
andere Reihenfolgen).
In der Pflanzenphysiologie liegen eine Reihe von Untersuchungen
vor, allerdings vereinzelt und wenig systematisch, die zeigen, dass
Elektrolyte, Nicht-Elektrolyte und vor allem Veränderung der Reak-
tion, resp. der H- und OH-Jonenkonzentration, die Permeabilität
verändern und zwar anfänglich reversibel, aber auch in engen
') Die Dauerveränderungen der Membranen durch Dialyse von Cu-Salzen etc.
war schon lange bekannt (Zott, Bein und andere). Praktisch von Bedeutung sind
diese Kenntnisse für die Histologie, die ja so ausserordentlich häufig sich der Schwer-
metallsalze als Fixatoren der festen Colloidstrukturen bedient (vergl. pag. 53^).
^) Hofmeister. Gelatine absorbiert weniger Wasser, wenn sie Sulfate, Tatrate^
und Acetate enthält, als Chloride, Nitrate, Bromide.
über Membranen II. 527
zeitlichen und Konzentrationsgrenzen (Wächter, Nathansonhs, Pan-
tanelli).
Wenig bekannt ist die Tatsache, dass es konzentrierte Salzlösungen
gibt, die z. B. feste Gelatineschichten zur Lösung bringen (konzentr.
Rhodankalium-, K Br-Lösung etc., Lüppo-Cramer). Hierher gehören
die schon früher erwähnten Lösungswirkungen der Rhodanate, zum
Teil auch der Jodide auf Lecithin (Borges), der Säuren und Alkalien
in bestimmten Konzentrationen. Viele Salzzusätze zu CoUoidlösungen
schaffen erst die Durchtrittsmöglichkeit. Leplay, W, Meyer.
Diese Vorgänge wurden eher zufällig gefunden und waren meist
nur störend, deshalb liegt ein ausgedehnteres Material nicht vor,
systematische Versuche sind relativ kostbar, weil sehr konzentrierte
Salzlösungen aller Reihen nötig sind.
2. Colloid- und Fällungswirkungen.
a) Eine dauernde Veränderung der Permeabilität von kon-
zentrierten Colloidschichten tritt in zweiter Linie dann ein, wenn sich
während der Diffusion Salze bilden, die relativ leicht ausfallen,
speziell in der betreffenden Colloidschicht, denn es ist eine beachtens-
werte Tatsache, dass kristallinische Substanzen wie BaSO^, Ag Cl in
konzentrierten Colloiden meist colloidal ausfallen, sie bilden also eine
Colloidalmembran in einer andern (Traube, de Vries, Liesegang, Bus-
calioni und Purgotti, Bruni und Vanzetti). Aber es können auch
kristallisierende Kräfte überwiegen, die die Struktur des Colloides
umformen (Liesegang, Molisch, Ambronn).
Eine solche Schicht eines colloidal ausgefallenen Salzes kann nun
die Durchlässigkeit eines Systems ausserordentlich weitgehend ver-
ändern. Ein Punkt, der speziell für die Pathologie sehr wichtig ist.
Anderseits fallen Kristalloide nicht unter allen Bedingungen im Col-
loid-Medium colloidal aus, sondern hauptsächlich an den Stellen, wo
colloidale Massen sind, die infolge irgend einer (häufig herdförmigen)
Veränderung weniger Wasser anzuziehen vermögen als die Umgebung
oder vielleicht ein besonderes elektrisches Zeichen erlangt haben.
Die Entstehung des Niederschlages eines unlöslichen Salzes in
einer Colloidschicht hat ausserordentlich merkwürdige Veränderungen
der Eigenschaften zur Folge. Bei gleichem osmotischem Druck beider-
seits der Membran diffundieren von einer bestimmten sehr geringen
Dicke an keine Jonen durch die Membran hindurch. Bei ungleichem
osmotischem Druck diffundiert das konzentriertere Salz in seinen
Komponenten durch, so dass sich der Niederschlag des neu gebildeten
Salzes immer in die Zone der niedrigeren Konzentration hinein fort-
Ö28 Heinrich Zangger.
setzt (de Vries, Pringsheim). Inwieweit andere Salze durchtreten
können, ist noch nicht systematisch untersucht, aber es scheint, dass
eine solche doppelte Membran die Durchlässigkeit für Colloide kom-
plett ausschaltet und für viele Kristalloide, speziell die membranogenen
Elektrolyte gestattet. Jedoch lässt eine Ferrocyan- Kupfermembran
kein Ferrocyan-Kali passieren.
Diese membranartigen Niederschläge in Membranen geben also
der gesamten Schicht die Eigentümlichkeit, dass sie als Doppelschicht
zusammen nicht durchtreten lassen, was die eine oder andere Membran
allein infolge ihrer Eigentümlichkeit nicht durchtreten Hesse. So wird
also die Gresamtpermeabilität in einer ausserordentlich weitgehenden
und dauernden Weise eingeschränkt.
Ich habe Versuche gemacht, solche Niederschlagsmembran aus
animalen Colloidschichten zu entfernen nach den Gesetzen der Massen-
wnrkung und Umsetzung in leicht lösliche Salze, aber die Struktur
der Schicht, in der die Salze lagen, blieb verändert. (Vergl. Befunde
über Folgen vom Gefrierenlassen bei Ambronn, Molisch, Liesegang.)
Man konstatiert bleibende Veränderungen der Struktur durch das
neue Colloid, das sich also nicht nur in Zwischenräume lagert in
vielen Fällen, sondern durch eine formative Tendenz die Struktur des
primären Colloides dauernd umgestaltet. Anwendungen auf biologische
Probleme drängen sich einem massenhaft auf, so z. B. die Entstehung
und Ablagerung der Calciumsalze in der Entwicklung der Knochen
und Zähne, in schlecht ernährten, nekrotischen Bezirken, dauernd
gespannten Gefässen etc. Harnsäure fällt in der Colloidmasse eben-
falls leichter aus, besonders in zur Fällung neigenden Colloiden.
b) Veränderung der Membrandurchlässigkeit und deren Struktur
durch Colloide :
1. Verfestigung durch präexistierende Colloide. In Betracht kom-
men folgende Kombinationen, die zugleich einen Übergang zu einer
Reihe von neuen Dauereigenschaften der Membran bedeuten.
Die physikalische Ursache ist die Absorption in die Membran
(Intussuszeption) und ferner die Kombination der Eigenschaften bei
den vereinigten Colloiden unter Prävalenz der Eigenschaften des einen
oder andern Colloides, so lange keine Schichtungen existieren.
Physikalisch entsprechen daher diese Vorgänge :
a. einer Verfestigung, einer Quellung, sogar einer Lösung der
Membran, bei quantitativ sehr starker Absorption eines
hydrophilen Colloides;
ß. einer Schichtung bei Absorption an die Oberfläche.
Colloide gleichen elektrischen Zeichens wie die Membran im-
bibieren die Membran und drängen der Membran neue Eigenschaften
über Membranen II. 529
auf. welche die Eigenschaften des eindringenden Colloides sind. Dieses
imbibierte Colloid dringt bei Konzentrationserhöhung auf einer Seite
schnell durch, währenddem andere Colloide nur dann durchdringen
können, wenn sie mit dem einen oder andern Colloid, die die Mem-
bran zusammensetzen, Lösungsverwandschaft haben.
Colloide entgegengesetzten elektrischen Zeichens schlagen sich
bis zu einer bestimmten Konzentration in der Membran nieder, im-
bibieren die Membran ebenfalls, geben ihr in vielen Fällen entgegen-
gesetzte elektrische Eigenschaften und damit auch ein ganz entgegen-
gesetztes Verhalten in Bezug auf Durchlässigkeit für weitere Colloide.
(Die Folgen, die Schichten von ungleich geladenen Colloiden haben
können, später.)
Im Prinzip muss wohl der Satz gelten, dass eine Membran, die
mit einer colloidalen Lösung, die sie netzt, in Beziehung gekommen
ist. in irgend einer Weise von dem flüssigen Colloid langsam in sich
aufnimmt, oder an der Grenzfläche mindestens absorbiert, also eine
neue Schicht bildet. Colloide gleichen elektrischen Zeichens, können
die Membran langsam durchdringen, doch ist zu betonen, dass sie in
relativ grossen Quantitäten von der Membran absorbiert werden und
erst nach Sättigung der Membran aus der andern Seite austreten
können, also diffundieren (^Tammann, Henri, Malfitano, Bechholdj.
Colloide gleichen Zeichens mit der Membran können auch Quel-
lung des Gesamtkomplexes veranlassen und zwar natürlich eventuell
an verschiedenen Stellen der Membran verschieden, z. B. je nach dem
Krümmungsradius, der das Colloid absorbierenden, z. Zt. scharf be-
grenzten Oberfläche.
Die Durchlässigkeit von Membranen für Colloide ist bei folgenden Kombinationen
beobachtet worden :
Dauwe: Pepsin dringt in Eiweiss ein und zwar ist, was sehr beachtenswert,
die Absorption der Masse der Eiweisswürfel parallel und nicht den Oberflächen
(Hofmeisters Beiträge 6, 1905, p. 4:^6), und geht nur durch feste Eiweissmembranen
wenn auf der andern Seite flüssiges (imbibierendes) Eiweiss. Tierkohle, koagulierte
Seren, Casein. Fleischpulver, sogar frisch gefälltes Ba, SO4, Seide absorbieren Fer-
mente, diese Stoffe müssten also Fermente bei grosser Konzentration oder bei sehr
dünnen Schichten auch durch sich durchtreten lassen.
Nicht absurbiei't werden die Fermente durch Sand, Glas, Talg, Stärke, folglich
müsste eine mit Stärke imprägnierte Membran kein Pepsin durchtreten lassen.
Absorption und Retention von Fermenten durch die Cellulose des Filtrierpapiers
(Urase) vergl. Levy, Some physical properties of enzyms — Sludies from the Rock-
feller Institut for medical research, vol. 4, 1906. Journ. of infection Diseases :2, l, 1905.
Van de Velde stellte fest, dass eine ganze Reihe von Fermenten durch entfettete
Darmwände durchzutreten imstande ist, während kein einziges durch Cellulosewände
durchgeht. Van de Velde, Über Diffusion von Enzymen durch Cellulosemembraneii,
Biochem, Zeitschr. 1906, 1. Henri: Colloid Ag (feine Form) tritt in die Sekrete über,
nicht in Liq. cerebrospinaUs. Slodel: Emulsin tritt normaler Weise in den Pankreas-
saft über. Compt. rend. soc. biol. 1906.
530 Heinrich Zangger.
Toxine diffundieren in Gelatine (Arrhenius und Madsen, Marino),
ebenso Ziegenpräzipitine, (Bechhold), Pyorganeustoxine diffundieren
(nach Ruffer, Creudiropolis, Grosline, Rodet et Guechoff) durch Collo-
diummembranen.
2. Dauerveränderungen durch neue, in der Membran in Schichten
entstehende CoUoide (durch chemische Reaktion, Kondensation etc.
in und an den Membranflächen),
Die Absorption von Colloiden an Colloide, das heisst Annäherung,
Fixierung kann verschiedene Motive haben, osmotischer Druck, Quel-
lungstendenz, Verteilungstendenz elektr. Ladung.
Bei grosser Nähe etc. kann elektrische Attraktion das Eintreiben
in die Oberfläche allein bewirken — oder Fixation kann allein als
Colloidaffinitat erfolgen, oder mit einem Zwischenkörper (Beizen, Fette,
Lösungsbeeinflussung), der Zwischenkörper kann sich lösen oder zum
Teil die Oberflächenspannung heruntersetzen und gleichzeitig andere
Substanzen lokalisieren durch irgend eine Funktion.^)
Wenn wir auch heute noch die einzelnen Funktionen nicht nach
der quantitativen Bedeutung einschätzen können, müssen wir doch
immer wieder an die Möglichkeiten, die konkurrieren können, denken.
Inwiefern pathologische Vorgänge von Hyalinbildung und Auf-
lösung etc. diesen Gesetzen folgen, kann heute nicht entschieden
werden.
Inwiefern Lösungen, Verquellung, eine Zerstörung des Zeil-Indi-
viduums durch Aufheben der Kohärenz der einzelnen Teile vorkommen,
als eine sehr wesentliche Erscheinung von Colloidwirkungen auf Col-
loide-Membranen, behandelt die folgende Arbeit: Über Immunitäts-
vorgänge etc.
Viele Vorgänge in der Bakteriologie und der Immunitätsforschung
scheinen mir der Betrachtung vom Standpunkt der Membraneigen-
schaften aus leichter verständlich und es lassen sich Möglichkeiten
zeigen, an die bis heute nicht gedacht wurde.
Die Vernichtung eines Bazillus kann auf verschiedene Weise er-
folgen: Er kann isoliert werden, dass er keine Nahrung mehr be-
kommt und keine Stoff Wechselprodukte abgeben kann, oder er kann
selbst in seinen wichtigsten Organen geschädigt werden. Das kann
nun zur Hauptsache geschehen durch eine Störung der Intracellulären-
Fermente oder der Membran, und an der Membran wieder durch Ver-
änderung der Permeabilitätseigenschaften oder. Aufhebung der Festig-
keit der Membran durch Quellung, Verflüssigung.
') Anmerkung: Nicht alle hydrophilen Colloide setzen die Oberflächenspannung
herab (Zlobicki ; vergl. Arbeit Kobler).
über Membranen II. 53f
Alle diese Vorgänge kommen nun tatsächlich vor:
1. Tod durch Isolierung, Abgrenzung ^) und Eintrocknung.
2. Läsion des Zellinnern durch fettlösliche, leicht eindringende-
Stoffe, wie viele Desinfizientien.
3. Veränderung der Membraneigenschaften:
a) durch Schwermetallsalze und positive Colloide, Eisensalze
und Kupfersalze etc. (oder Imprägnation),
b) vor allem aber durch Quellung und Aufhebung der Struk-
turfestigkeit der Membran, sei es allgemein oder nur lokal
und damit zur Aufhebung der Struktur, also auch Auf-
hebung des Individiums und der Vermehrungsfähigkeit.
Dieser letztere Prozess, das heisst Auflösung der Zelle, entspricht
der Lysis. Von den Möglichkeiten zur Auflösung der Bakterien, die
wir kennen gelernt haben, kommen in Betracht, quellend wirkende
Jonen und quellend wirkende Colloide.
Verschiebung der Jonenkonzentration kommt im Orga-
nismus nicht sehr weitgehend vor, vielmehr nur in engen Grenzen,
viel ausgedehnter sind Verschiebungen des Colloidalzu-
standes. Und zwar spricht für diese Auffassung einerseits, dass
die natürlichen Auf iösungs Vorgänge in Seren, wie ich schon vor
Jahren zuerst betont und nachgewiesen habe, vollständig den Col-
loideigenschaften entsprechen und zweitens kann man die Vorgänge
der Lysis mit künstlichen Colloiden reproduzieren.
Es scheint, dass die quellend wirkenden Colloide, speziell an Stellen des kleinen
Krümmungsradius absorbiert werden. — Ursache der Plasmoptyse.
Fragen dieses letzten Abschnittes: Dauernde Beeinflussimg der
Colloidenmembran von verschiedener Festigkeit, bilden auch eines der
Hauptprobleme der Histologie, der histologisch-morphologischen Tech-
nik, sei es Färbung, sei es Fixation, das heisst : wir können hier ein
grosses Material zur Interpretation vorfinden, analog wie bei der
Technik der photographischen Platte etc.
Es geht vor allem aus den Erfahrungen hervor, dass alle orga-
nischen Membranen, bis zur Zellmembran, ungleich feste Colloide sind,
dass eine Reaktion mit colloidalen Farben von der Art der Membran-
') Es scheint mir nicht unwahrscheinlich, dass Eintritt von Bakterienprodukten in
den Tierkörper Antikörper erzeugt, die dann mit anderen aus bazillenhaltigen Zonen
kommenden ßakterienprodukte präzipitieren und sich zu sehr schwer löslichen
Komplexen (Membranen) uni die Bazillenherde herum ablagern (Impfungsprinzipj.
Anmerkung: Es wäre interessant, genau festzustellen, ob, wie es den An-
schein hat, speziell auch sich absorbierende Substanzen zur Phagozytose vorbereiten
können. Dass die Membranfunktion für die vorliegende Tatsache noch äusserst
komplex, ist sehr klar, aber wir sehen doch die Prinzipien, auf denen sich die
Variation physikalisch entwickeln kann.
532 Heinrich Zangger.
struktur abhängen muss, weil auch bei chemisch indifferenten Fixa-
toren die Färbbarkeit sehr stark verschoben wird (Alkohol, Aceton),
organische Säuren (Verquellung) je nach Konzentration.
Vor allem aber gehört die Zellfixation hierher, weil hier das
Gesetz der Absorption hochwertiger Metalle (deren Hydroxyde) eine
so grosse Rolle spielt und weil die organischen Colloide dadurch
konstant und dauernd verändert werden; alle der Fixation folgenden
Prozeduren sind durch das absorbierte Metall bedingt.
Ich habe schon 1902 (diese Zeitschrift) betont, dass gute Fixa-
tionsmittel in die lebende Zelle dringen müssen. Ich machte auch
darauf aufmerksam, dass zu Metallbeizen am besten organische Säuren
zugesetzt werden, die gewissermassen die Metallsalze in die Zellen
hinein zu leiten scheinen. (Weil keine colloiden Hydroxyde entstehen,)
Ich betonte auch, dass Abtöten und Fixation gleichzeitig erfolgen
müsse. Mit Metalloxyden in alkalischer Lösung ist es deshalb un-
möglich, weil sich dieselben hydrolytisch spalten und die Hydroxyde
ja Colloide sind, die Eiweiss aus Lösungen fällen, wenn sie in der
Flüssigkeit verteilt sind, aber nicht diffundieren. Wenn man al-
kalische Lösungen verwenden will, so muss man alkalisch reagierende
Substanzen suchen, die weniger intensiv wirken und die, wenn mög-
lich, zugleich die Zellmembranen permeabel machen. Überhaupt
wurde in der histologischen Technik von der Tatsache, dass leicht
eindringende Substanzen auch andere in ihnen gelöste leichter durch-
treten lassen resp. mitreissen, recht häufig Gebrauch gemacht.^)
Für Fixation in Histologie, Pathologie und Bakteriologie haben
folglich die Perm eabilitäts Verhältnisse der Membranen sehr grosse
Bedeutung, die aber erst spät erkannt wurde. Die künstlichen Lücken
bei der früher angewandten Härtung der Präparate, die Schrumpfung,
vor allem die ungleiche Schrumpfung und Verziehung waren lange
wenig bekämpfte Übelstände. Nach einer mehrjährigen experimen-
tellen Arbeit über Fixation und Färbung, Diss. 1902 Verhandl. der
Naturf. Ges. 1902, habe ich gesagt, dass zur Fixation schnell in
die lebende Zelle eindringende und das Plasma ohne Wasserentzug
fällende Reagenzien notwendig seien, wenn man die topographischen
Verhältnisse normal erhalten wolle. Die färbbare Masse sei unter
allen Umständen nach Fixation ein Kunstprodukt aus dem Zustand
des vorliegenden Materials plus fällendes Reagenz.
') Dieselben Gesichtspunkte kommen natürhch in Betracht bei der Pharmako-
therapie, denn die Membranen müssen die Verteilung der Mittel zur Hauptsache
beherrschen und erst in zweiter Linie kommt der Teilungskoeffizient zwischen den
JMassen zur Geltung, besonders bei bewegten Systemen.
über Membranen II. 533
(Ich machte damals darauf aufmerksam, dass Schwermetall, Salze und Oxyde
speziell in Lösungen mit Essigsäure und Ameisensäure, also niedern organ. Säuren
viel leichter und tiefer in lebende Zellen vor Laesion der Membranen eindringen
können, und dass ein solches Vehikel für alle guten Schwermetallbeizen notwendig sei.)
Mit der Einführung der Colloidgesetze in die Histologie versuchte
ich einfach die Vorgänge, die wir speziell in der Pathologie als
morphologisch prognostisch zu denken gewohnt sind, in die bestimmten
Gesetzen folgenden Einzelkomponenten zu zerlegen und deren isolierte,
zielbewusste Beherrschung und Berücksichtigung, als Notwendigkeit
zu zeigen.
Wenn wir versuchen, aus den Fällungs- und Imprägnationsgesetzen
der Colloide auf die Ursache der histologisch beobachteten Struktur
zu schliessen, so suclien wir eben die Endresultate von komplexen
(allgemein angewandten akzeptierten) Einwirkungen, in die sich folgen-
den — sich bedingenden Einzelvorgänge zu zerlegen — und uns nicht
mehr mit der Konstanz der morphologischen Erscheinung allein zu-
frieden zu geben und damit mit den Schlüssen, die die Empire ge-
lehrt hat: Was für morphologisch nachweisbare Verschiebungen ent-
sprechen bestimmten Funktionsänderungen etc.?
Wir beurteilen bis jetzt also Kunstprodukte, die unter vergleich-
baren Bedingungen entstanden. Wir haben uns gew^öhnt, empirisch-
prognostisch und diagnostisch damit zu denken.
Die Identifizierung der Colloide durch Zeit-Konzentrations-,
elektrische Funktionen etc. wird, aber jeder Zeit auch in Zukunft er-
gänzt werden müssen durch die morphologische Untersuchung, die
für die Art unseres Denkens das Wesentlichste der Colloide, die
Struktur und Strukturdifferenz, uns am Nächsten bringt.
Auch wenn wir die Colloide kennen aber nicht alle Bedingungen
kennen, müssen wir immer darauf ausgehen, konstante Punkte zu
finden. Wir müssen immer suchen Beobachtungen in morphologisch-
physikalische Konstanten zu fassen (wie es die Biologie intuitiv ge-
macht, weil das am meisten der Eigenart des Materials entsprach).
Wir kommen nur durch reproduzierbare Kontrolle der Vorstellung
zur Basis einer Theorie. Jede Phase der Colloid-Theorie sollte mor-
phologische Äquivalente haben.
Wenn sich eine Colloidtheorie in Bildern bewegen würde ohne
die entsprechende morphologische Kontrolle, müsste sie bei der Kom-
pliziertheit der Möglichkeiten irren, deshalb wird das synthetische Auf-
suchen von bestimmten Reaktionsfolgen, wie es ja alle CoUoidreaktionen
sind, ausserordentlich viel Experimente brauchen, da ja die Colloid-
technik selbst noch zur Hauptsache geschaffen werden muss und die
Abhängigkeiten von Vergangenheit und momentanen Bedingungen
534 Heinrich Zangger.
fast unvorstellbar kompliziert sein können (wie schon die Stoffeischen
Resultate beweisen).
Die Membranen sind bei allen Einwirkungen auf Lebewesen die
nächstliegenden zugänglichen Colloide, die zuerst angetroffen werden.
Durch Beeinflussung der Membran können die zeitlichen Prozesse ver-
schoben werden, aber auch Prozesse können in die Membran lokalisiert
werden durch Colloidabsorption, Lokalisation von Fermenten etc.
Anmerljung: Loicalisation von Fermenten in einer Membran aus ungleichen
Schichten kann nicht nur einen Prozess lokalisieren in die Membranen: sie kann
auch den Verlauf des Austausches in spezifischer Weise gerade durch die Ferment-
lokalisation bedingen (einseitiger Transport).
Das Membranproblem, wie ich es im Vorhergehenden zu ent-
wickeln suchte, wird in der Zukunft wohl der Hauptpunkt sein, in
dem sich Chemie und Physik mit der Morphologie treffen. Durch
den Membranbegriff und seine physikalische und chemische isolierbare
typische Eigenart bekommen die morphologischen Begriffe, also
Distanzen, Dicken, Strukturen neue Bedeutung, indem sie uns,
zusammengehalten mit den Membranbegriffen, eine Einsicht in den
zeitlichen Verlauf der physiologischen und pathologischen Vorgänge
gestatten.
Solange wir sehen, dass in dem Membranproblem viele rätsel-
hafte Vorgänge sich durch physikalische Gesetze aufklären lassen,
liegt der Erfolg darin, diese komplexen physikalischen Funktionen
aufzulösen, denn nur so lernen wir sie beeinflussen und beherrschen
und mit der Definition der Beeinflussbarkeit für den Einzelfall haben
"wir schon viel für die Zukunft gewonnen.
Rückweichen von diesen komplexen physikalischen Rätseln drängt
uns auch hier in die Annahme von vitalen Rätseln und damit in
systemlose Empirie zurück.
Übersicht über die Hauptpunkte des IXIembranproblems
(zu Membranen I und II).
Die heutige Auffassung: Die meisten Untersuchungen beachten das Membran-
Problem gar nicht, das Experimentalsystem wird so gewählt, dass die uns interessieren-
den Störungen vernachlässigt werden können. Es gibt aber Gebiete, in denen viel
Material vorliegt, das eine allgemeine Diskussion der Membraneigentümlichkeiten
erlaubt und eine Rückführung der Eigenschaften auf allgemeine Prinzipien. (Wir
sprechen von Membranfunktionen, wenn die Beziehungen, von zwei Flüssigkeiten,
die durch die Membran bestehen, in typischer Weise beeinflusst werden.) Heutige An-
nahme: Krystalloide gehen durch colloide Membranen, Colloide werden
zurückgehalten. Ferner Constanz der Membran: die Membranfunktion
sei vollständig bedingt und immer charakterisiert durch die Stoffart,
aus der sie besteht.
über Membranen II. 535
Dazu kommen aber eine Reihe anderer Folgen der Eigenart der Membran :
1. Absorptionen durch die Membranmasse (Imbibition als Colloid).
2. Ungleiche Permeabilität (Election) auch für Kristalloide, aber auch für Colloide.
3. Entstehung elektrischer Potenziale.
4. Dazu kommt die unbeachtete Veränderlichkeit:
a) Reversibler Art (Anpassung, automatische Regulation).
b) Irreversibler Art (Absorptionen, Verfestigung, Verquellung).
Diese Funktionsänderungen sind meist Folgen von Gemischen und komplexen
Verhältnissen :
1. Variationen durch Zusätze von Körpern, die durch ihre Gegenwart die Durch-
lässigkeit verschieben, bedingen oder aufheben, speziell auch für Kristalloide.
2. Variation der Permeabilität für Colloide, bedingt durch:
a) Elektrische Potenziale (Verhalten der elektrischen Ladung zum Colloid der
Membran).
b) Veränderung der Oberflächenspannung, (Absorption an die Grenzflächen und
Imbibition in die Membran hinein), auch bei neu entstandenen Colloid-
komplexen.
c) (Imprägnation durch in der Flüssigkeit unlösliche Stoffe).
Ursachen der Membranbildung und kritische Dicke der Membran.
Folgen und Funktionen der Membran im allgemeinen.
Biologisch kommen speziell Membranen in Betracht als Funktionen von Kon-
zentrationen in Oberflächen und Niederschlagsmembranen.
1. Nachweis, dass die Oberflächen-Grenzzonen verschieden sind von der Innenmasse:
a) Oberflächenspannung.
b| Lösungsgeschwindigkeit.
c) Elektrische Beeinflussbarkeit.
2. Folgen dieser Dif!erenz der Eigenschaften der äussern Zone auf Vorgänge in der
Masse und der Grenzzone: Konzentration von Substanzen in der Oberfläche und
die Folgen davon: Kristalloide: Fettsäuren (Bernsteinsäure und Wasser) etc. Bei
CoUoiden: Membranbildung als Konzentrations- und Zeilfunktion.
a) Dicke, d. h. Zone der Tiefenausdehnung der Wirkung der Oberflächen-Kräfte,
Schichtdicke für sehr viele Funktionen gleich. Physikalische Grössenordnung,
die sehr häufig in der Physik erscheint.
b) Wirkungen der Konzentrationsveränderungen auf Colloide.
c) Folgen von entstehenden Membranen:
of) Mechanische Trennung.
ß) Ungleiche Verzögerung. Veränderung im Austausch, zeitlich, quantitativ.
y) Elektive Wirkung bei stark ungleicher Hemmung der Bewegung.
(Selbst-Abgrenzung aller lebenden Organismen.)
Daneben treten elektrische Erscheinungen auf, die äusserst merkwürdig, wichtig
und die lange Zeit die Vorstellung des Membrantransportes beherrscht haben :
1. Die entstehenden Potenziale:
a) Durch Elektrolyte.
b) Durch Strömungen.
2. (Beeinflussung des Systems durch den entstehenden Strom.)
Veränderlichkeit der Membranen.
Ungleiche Quellung, d. h. diff'erenter Wassergehalt lässt in Wasser gleichschnell
diffundierende Substanzen ungleich schnell diffundieren. Die Colloidkonzentration
resp. im Colloid anwesende andere Körper verändern die Permeabilitätsverhältnisse
für verschiedene Körper ungleich. Unter gleichen Temperatur- und Konzentrations-
verhältnissen kann die Membrandurchlässigkeit verschieden sein und auf ver-
schiedene Art verändert werden:
536 Heinrich Zangger.
a) Reversible Permedbilitätsänderungen.
I. Durch Zufuhr von Kräften in das System von aussen:
a) Durch einen elektrischen Strom oder b) durch Einführung von hydro-
statischen Druckdifferenzen (Filtration).
II. Veränderungen der Membranpermeabilität durch Zusätze, die entfernt werden
können aus der Membran (oder zerstört oder als CoUoid aufgelöst): ohne dass
die Membran wesentlich verändert wurde. Konzentrationsverhältnisse sind je
nach der Netzungsfähigkeit des Gemisches von entscheidender Bedeutung.
a) Zusätze von Nichtelektrolyten : Harnstoff wirkt in einzelnen Fällen be-
fördernd auf Farben in Gelatine; Zucker. Alkohol, Aether wirken nach
Konzentrationen verschieden. In der Membran als feste Substanz auf-
tretende Imbibitionsmasse (Fette, Lipoide) verändern die Permeabilität
maximal. Imprägnation.
b) Zusätze von Elektrolyten, speziell Säuren und Basen können in geringen
Konzentrationen reversible Zustandsveränderuniren schaffen bei sehr di^hinen
Membranen, auch hier ist der Zustand der CoUoide wie überall, wo
Elektrolyte vorliegen, eine Funktion der Jonen.
III. Veränderungen der Colloidpermeabilität durch ungleiche Erstarrung (passagere
Differenzen).
h) Dauernde Veränderungen durch Substanzen, icelche die Membran
als CoUoid irreversibel ver aridem.
I. Elektrolyte, speziell Schwermetallsalze: verfestigende, lösungs-
hemmende aber auch quellende, lösende Funktion der Jonen (unter Fixation
eines Teiles). Bedeutung für die Fixation und Färbung in der Histologie.
IL Niederschläge von schwer lösHchen, leicht coUoid ausfallenden Salzen in der
colloiden Membran, Einfluss dieser Substanzen auf die Struktur der Membranen.
Bedeutung von veränderten Colloiden für das Ausfallen.
III. Veränderung der Membrandurchlässigkeit durch präexistente und durch in der
Membran entstehende Colloide, für Kristalloide und speziell für Colloide; durch
Einlagerung, Anlagerung, Verfestigung, Verquellung, Auflösung; Anwendung
der Erfahrungen auf verschiedene biologische Gebiete, speziell Pharmokologie
und Pathologie.
Die Schnelligkeit des Eintrittes der Substanz in die Membran, die Schnellig-
keit des Durchtrittes, der Massenaustausch, ist in der Biologie (deren wechselnden
Systemen) das Wesentlichste. (Die theoretischen Grenzwerte bei Semipermeabilität
können rechnerisch in der Biologie nicht verwendet werden).
Die Literatur zu den verschiedensten Punkten des Membranproblems, vergl.
Zangger: Über Membranen und Membranfunktionen, Ergebnisse der Physiologie 1907,
eingereicht August 1907.
Notizen zur schweizerischen Kulturgeschichte.
Von
Ferdinand Rudio und Carl Schröter.
21. Der zweihundertjährige Geburtstag von Leonhard Euler.
Der zweihundertjährige Geburtstag Eulers (geb. am 15. April
1707 in Basel, gest. am 18. Sept. 1783 in St. Petersburg) ist in der
ganzen wissenschaftlichen Welt festlich begangen worden. Berichte
über Festakte liegen vor von Basel, Berlin, Breslau, Dresden, Görliz,
Hamburg, Petersburg, Worchester usw. Allein die Deutsche Mathe-
matiker-Vereinigung hat in ihrer .Jahresversammlung zu Dresden
(15. — 18. Sept. 1907) zwei ganze Sitzungen ausschliesslich dem An-
denken Eulers gewidmet, und es haben darin die Herren A. v. Brill,
L. Schlesinger, A. Pringsheim, E. Brauer, F. S. Archenhold,
B. Gans, E. Timerding, W. Hort, E. Hoppe die unvergänglichen
Verdienste, die sich Euler auf den verschiedensten Gebieten der reinen
wie der angewandten Mathematik erworben hat, gebührend gewürdigt.
Wir würden aber den uns zur Verfügung stehenden Raum weit
überschreiten, wollten wir alle die Huldigungen, die dem Andenken
Eulers in dem abgelaufenen Jubiläumsjahre dargebracht worden sind,
einzeln besprechen. Auch die stattliche Eulerliteratur. die das Jubi-
läumsjahr gezeitigt hat und die nur zu einem Teil durch die Namen
W. Ahrens, Fritz Burckhardt, G. Eneström, J. H. Graf,
A. Kneser, F. Kötter, E. Lampe, E. Landau, W. Lorey, Felix
Müller, S.Schulz-Euler, P. Stäckel, G.Valentin, K. Vonder-
Mühll repräsentiert ist, kann hier nur gestreift werden. Und so
beschränken wir uns darauf, über den akademischen Festakt zu be-
richten, den die Vaterstadt Eulers zu Ehren ihres grossen Sohnes
veranstaltet hat : 0
*} Das folgende Referat wurde zuerst in No. 123 (4. Mai 1907) der „Neuen
Zürcher Zeitung" veröffentlicht. Inzwischen ist auch der offizielle „Festbericht,
erstattet im Auftrage e. e. Kegenz der Universität von dem Rektor Prof. Dr. John Meier",
erschienen unter dem Titel: „Festakt der Universität Basel zur Feier des zweihun-
dertsten Geburtstages Leonhard Eulers. Basel 1907."
35
Vierteljahrsschrift d. Naturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. l'J07.
538 Ferdinand Rudio und Carl Schröter.
Zu Ehren des zweihundertjährigen Geburtstages des
grossen Mathematikers Leonhard Euler veranstaltete die Basler
Universität letzten Montag, den 29. April, eine Gedächtnisfeier, die
einen höchst würdigen und weihevollen Verlauf nahm und die allen
Teilnehmern eine unauslöschliche Erinnerung zurücklassen wird. Was
der Feier einen besonderen Glanz verlieh, war natürlich der Umstand,
dass neben den sämtlichen schweizerischen Hochschulen die kaiser-
lich russische Akademie der Wissenschaften zu Petersburg und
die königlich preussische Akademie der Wissenschaften zu Berlin
durch persönliche Abordnungen vertreten waren.
Am Vorabend waren die sämtlichen Delegierten, zu denen sich
auch noch Vertreter der benachbarten deutschen Hochschulen (Frei-
burg, Karlsruhe, Strassburg), sowie der Deutschen Mathematiker-
Vereinigung gesellten, einer Einladung des Rector magnificus, des
Herrn Prof. Dr. John Meier, gefolgt, wo sie auf das Liebens-
würdigste empfangen und schliesslich noch mit einem prächtigen
Gastgeschenk, dem von Friedrich Webers Künstlerhand her-
rührenden Stiche von Eulers Porträt, überrascht wurden.
Der eigentliche Festakt fand nun am Montag vormittag in der
Martinskirche statt. Die Kirche war prächtig geschmückt, vor der
Rednertribüne erhob sich die über lebensgrosse Büste Eulers in
einem förmlichen Lorbeerwalde. Ln Schiff war der letzte Platz be-
setzt, als um halb elf Uhr die Professoren und Studenten, diese
natürlich in vollem Wichs mit ihren Fahnen, in feierlichem Zuge
und unter Orgelklange erschienen und im Chor zu beiden Seiten der
Rednertribüne Platz nahmen. Nachdem das akademische Orchester
Glucks Ouvertüre zu Iphigenie vorgetragen hatte, erhob sich Herr
Professor Dr. K. VonderMühll, um die eigentliche Festrede zu
halten. Er knüpfte an die Gedächtnisfeier an, die die Basler Natur-
forschende Gesellschaft 1883 zum hundertjährigen Todestage Eulers
abgehalten hatte, um dann besonders eingehend die Jugendzeit und
die Lehrjahre Eulers zu behandeln. Hat auch Euler von seinem
neunzehnten Jahre an im Auslande — in Petersburg, Berlin und
wieder in Petersburg — gelebt, so darf ihn doch auch die Basler
Universität zu den ihrigen zählen. Hat er doch an ihr von seinem
vierzehnten Lebensjahre an als Schüler der grossen Bernoulli
studiert und an ihr 1724 die Magisterwürde erlangt. Und Basler
war er nicht nur seiner Abstammung nach, sondern auch nach
Sprache und Sitte, und er bewahrte sich die heimatliche Eigenart
bis zu seinem Ende.
In dem etwa drei Viertelstunden währenden inhaltsreichen und
fesselnden Vortrage verbreitete sich der Redner sodann über die
Notizen zur schweizerischen Kulturgeschichte. 539
weiteren Lebensschicksale des grossen Mathematikers und seine ge-
radezu ans Fabelhafte grenzende wissenschaftliche Tätigkeit. Indessen
ist darüber in diesem Blatte^) bei Anlass des eigentlichen Geburtstages
(15. April) ausführlich berichtet worden, so dass wir darauf verzichten
müssen, nochmals auf alle die unvergänglichen Leistungen einzu-
treten, die sich an den Namen Euler knüpfen. Hoffentlich wird der
Vortrag des Herrn VonderMühll durch den Druck weiteren Kreisen
zugänglich gemacht. '^)
Als Vertreter der Petersburger Akademie richtete nun Herr
Dr. 0. Backlund, Direktor der Sternwarte in Pulkowa, eine An-
sprache an die Versammlung, wobei er sich eines feinen, gewählten
Lateins bediente. Er übermittelte die Grüsse seiner Akademie, dankte
für die Einladung und gab sodann eine von höchster Bewunderung
diktierte Würdigung der Tätigkeit Eulers, insbesondere seiner Ver-
dienste um die Petersburger Akademie, der Euler von 1727 bis 1741
und dann wieder von 1766 bis zu seinem am 18. September 1783
erfolgten Tode angehört hat. Mit Dank und mit Stolz gedenkt heute
die Akademie dieses ihres unsterblichen Mitgliedes.
Nach Herrn Backlund ergriff Herr Prof. Dr. G. Frobenius
das Wort, als Vertreter der Berliner Akademie. Dass gerade Herr
Frobenius als Abgesandter der preussischen Akademie nach Basel
gekommen war, durfte als eine besonders freundliche Fügung an-
gesehen werden. Denn nicht nur hat Herr Frobenius viele Jahre,
von 1875 bis 1892, am eidgenössischen Polytechnikum gewirkt, son-
dern er führt auch seinen Stammbaum auf jenen berühmten Buch-
drucker Johannes Proben zurück, der um 1500 in Basel gelebt
und dort z. B, die Werke des Erasmus verlegt hat. So konnte sich
denn Herr Frobenius am Vorabende im Hause des Herrn Rektors in
einer scherzhaft gehaltenen Rede als Basler vorstellen.
Nachdem sich Herr Frobenius seines offiziellen Auftrages, Gruss
und Dank der Berliner Akademie, entledigt hatte, teilte er mit, dass
auch in Berlin der denkwürdige Geburtstag Eulers in würdiger Weise
gefeiert worden sei. Die Berliner mathematische Gesellschaft hat
dem Andenken Eulers eine besondere Festsitzung gewidmet, in der
die Professoren Valentin, Kneser und Kötter die grossen, den
verschiedensten Gebieten angehörenden Verdienste Eulers gewürdigt
haben. An dem Wohnhause Eulers in der Behrenstrasse wird eine
*) Nämlich der Neuen Zürcher Zeitung. Der Aufsatz stammte aus der Feder
des Herrn R. F[ueter], der inzwischen an die Basler Hochschule berufen worden ist.
") Das ist nun geschehen durch die Veröffenthchung des oben zitierten , Fest-
berichtes, erstattet von dem Kektor Prof. Dr. John Meier".
540 Ferdinand Rudio und Carl Schröter.
Gedenktafel angebracht werden und eine Strasse in Berlin wird
den Namen Eulerstrasse erhalten.
Im Hinblick auf den Vortrag des Herrn VonderMühll, in dem
die wichtigsten Werke Eulers einzeln namhaft gemacht und be-
sprochen worden waren, glaubte Herr Frobenius sich auf eine all-
gemeine Charakteristik der Gesamterscheinung Eulers beschränken
zu sollen: „Nehmen Sie irgend ein Lehrbuch der Elementarmathe-
matik", mit diesen Worten wandte sich der Redner an die studierende
Jugend, „der analytischen Geometrie, der Differential- und Intregal-
rechnung, der analytischen Mechanik, der Astronomie, der mathe-
matischen Physik oder was sie wollen in die Hand, was Sie darin
finden, das kommt von Euler". Man kann sagen, alles was vor
Euler geschaffen worden ist, das hat er in die Form gegossen, deren
wir uns heute bedienen. Fürwahr, eine gewaltige Leistung ! Wer
aber glauben wollte. Euler sei nur ein grosses Talent gewesen, nicht
aber auch ein Genie, der sei auf Eulers Behandlung des Imaginären
verwiesen, auf den von ihm gefundenen Zusammenhang zwischen der
Exponentialfunktion und den Kreisfunktionen, auf die Eulerschen
Polyeder, auf das Reziprozitätsgesetz in der Zahlentheorie, von dem
erst Kummer hat nachweisen müssen, dass es in seinem ganzen
Umfange Eulers Eigentum sei, und auf so manches andere noch.
So vermittelt Euler den Übergang von der alten zur neuen Mathe-
matik: „Er hat bereits alle Fäden in der Hand gehalten, aus der
das bunte Gewebe der modernen Mathematik hervorgegangen ist".
Wahrlich, an Genie hat es ihm nicht gefehlt. In einem Punkte sind
ja vielleicht die Modernen genialer: in der Unklarheit. Aber die
hatte freilich Euler nicht nötig, davor schützte ihn auch sein guter
Verstand und seine Ehrlichkeit. Er hat stets mit grosser Offenheit
die ganze Entstehungsgeschichte seiner Entdeckungen mit allen Wegen
und Umwegen, die ihn dazu geführt hatten, mitgeteilt, und dann war
er erst recht noch imstande, zum Schlüsse noch einen besonders
feinen Weg zu bezeichnen, der direkter und noch eleganter zum Ziele
führe. Einer so liebenswürdigen Freigebigkeit können sich nicht
viele Mathematiker rühmen. Gauss z. B. hat stets vorsichtig die
Brücken hinter sich abgebrochen, damit man nicht allzu deutlich er-
kenne, wie er zu seinen Resultaten gelangt sei.
Herr Frobenius schloss mit dem Hinweise auf den auffallenden
Umstand, dass gleichzeitig mit Euler noch so viele andere hervor-
ragende Schweizer an der Berliner Akademie tätig gewesen seien:
Sulzer, Merian u. a. Euler freilich war weitaus der grösste,
während eines Vierteljahrhunderts war er die eigentliche Seele der
Notizen zur schweizerischen Kulturgeschichte. 541
Akademie, und wenn auch nicht dem Titel nach, so doch tatsächlich
ihr Präsident. Auch bei Friedrich dem Grossen stand er in
höchstem Ansehen.
Nunmehr erhob sich der Rektor, Herr Prof. Dr. John Meier,
um den Vertreter der beiden Akademien und auch diesen selbst im
Namen der Universität zu danken. Wer seine grossen Männer ehrt,
ehrt sich selbst. Petersburg hat Euler auch ein Denkmal gesetzt;
über seinem Grabe auf dem Petersburger Friedhof erhebt sich ein
Block aus finnländischem Granit mit der Inschrift: Leonardo Eulero
Academia Petropolitana.
Im Namen der schweizerischen Universitäten und des eidgenös-
sischen Polytechnikums überbrachte sodann Herr Prof. Dr. F. Rudio
den Gruss der sämtlichen Hochschulen unseres Landes. Mit dem
Grusse verband er zugleich den Dank für die Einladung, mit der die
Basler Universität die Schwesteranstalten beehrt habe. Die Universität
Basel habe damit dem schönen Gedanken Ausdruck verliehen, dass
ein Festakt, der dem Andenken Leonhard Eulers geweiht ist, zu-
gleich ein Fest sei, an dem die wissenschaftliche Welt der ganzen
Schweiz freudigsten Anteil nehme. Und fürwahr, freudigen Herzens
sind wir dem Rufe gefolgt in diese altehrwürdige Stadt, um teilzu-
nehmen au der Gedächtnisfeier, die Basel einem der gross ten Söhne
des Schweizerlandes bereitet.
Wer immer als Mathematiker Basels Boden betritt, der wird ja
nicht anders können, als den Manen der Bernoulli, den Manen Eulers
eine stille Huldigung darzubringen. Heute aber, da wir die Geburts-
stätte Eulers betreten, um seinen zweihundertjährigen Geburtstag
zu feiern, da führt uns der Gedanke an all das Grosse, was von
diesem einen und einzigen ausgegangen ist, zu wahrer Andacht, da
ist uns, als müssten wir jene biblische Stimme vernehmen: ^Zeuch
deine Schuh aus von deinen Füssen. Denn der Ort, da du auf stehest,
ist ein heilig Land."
Herr Rudio wandte sich nun noch besonders an die Vertreter der
beiden grossen Akademien. Die Schweiz wird der Petersburger und
der Berliner Akademie stets das Gefühl der Dankbarkeit bewahren,
dass sie unserm Euler, für den das eigene Vaterland zu klein
war, ein grösseres geboten und ihm die Möglichkeit bereitet haben,
in ungetrübter Schaffensfreudigkeit sein gtosses Lebenswerk zu
vollenden. So bedeutet schon der Name Euler allein ein unlösbares,
edles Band, das die Schweiz mit diesen hochangesehenen wissen-
schaftlichen Instituten verbindet. Und doch ist ein Wunsch noch
unerfüllt geblieben, noch bleibt eine grosse und dankbare Aufgabe
zu lösen übrig, die die Schweiz allein wohl nicht zu bewältigen im-
542 Ferdinand Piudio und Carl Schröter.
stände sein wird, so sehnlichst und so laut auch seit Jahren die
Lösung verlangt wird: Eine Gesamtausgabe der Werke Eulers!
Die Erfüllung dieses Wunsches wäre nicht nur ein Akt der Pietät,
sondern auch — darin sind alle einig — eine eminent wissen-
schaftliche Tat. Möge die heutige Feier, möge die Teilnahme der
beiden Akademien an dem schweizerischen Feste den Grund legen zu
diesem Werke! Wenn dann dereinst durch vereinte Anstrengung
dieses Werk vollendet sein wird, dann ist ein Denkmal errichtet,
das gewaltiger zur Menschheit reden wird als Erz und Stein, ein
Denkmal mit der unsichtbaren und doch weit hinaus leuchtenden
Inschrift: Leonardo Eulero Academia Petropolitana, Aca-
demia Berolinensis, Confoederatio helvetica!
Nochmals erhob sich der Herr Rektor, um auch den schwei-
zerischen Hochschulen für ihre Beteiligung zu danken. Dem Vor-
redner danke er noch besonders, da dieser schon an der hundert-
jährigen Todesfeier Eulers die schweizerischen Hochschulen mitver-
treten habe. Sodann verlas der Rektor noch ein Telegramm der
physikalischen Gesellschaft in Petersburg, die bei dem Feste nicht
zurückbleiben wolle und von Herzen teilnehme an der Ehrung Eulers.
Zum Schlüsse kam nochmals die Musik zum Wort, die ja auch
Euler so sehr geliebt hat. Pflegte er doch seine Mussestunden am
Klavier zuzubringen und hat er doch sogar eine Theorie der Ton-
kunst geschrieben. Mit dem herrlichen Kriegsmarsch der Priester
aus Athalia von Mendelssohn, den das akademische Orchester treff-
lich vortrug, erreichte die erhebende Feier ihr Ende.
Die auswärtigen Festteilnehmer aber folgten einer Einladung in
das gastliche Haus des Herrn Prof. VonderMühll, wo sie mit einer
stattlichen Zahl von Vertretern Basler Wissenschaft und Kunst zu-
sammentrafen und wo noch manch treffliches Wort gesprochen wurde.
Und am Abend veranstaltete die Basler Studentenschaft einen Euler-
kommers, an dem als Gäste ausser den Professoren und ihren Damen
auch fast alle fremden Delegierten teilnahmen.
22. Der Plan einer Gesamtausgabe von Eulers Werken.
Die Schweizerische Naturforschende Gesellschaft hat im abge-
laufenen .Jubiläumsjahre durch ihre Denkschriftenkommission einen
Beschluss gefasst, der hoffentlich dazu führen wird, dass endlich ein
seit Jahrzehnten von den Mathematikern gehegter Traum verwirk-
licht werde. Am 29.. Juli 1907 stellte der Schreiber dieser Zeilen
in der Jahresversammlung zu Freiburg folgenden Antrag:
Notizen zur schweizerischen Kulturgeschiclite. 543
Herr Präsident !
Hochgeehrte Herren!
Am 15. April dieses Jahres waren es 200 Jahre, dass Leon-
hard Euler in Basel das Licht der Welt erblickt hat. In einer
{jesellschaft wie der Schweizerischen Naturforschenden ist es nicht
nötig, auseinander zu setzen, wer und was Euler war. Es genügt
zu sagen: er war der unbestritten grösste Mathematiker, der je aus
der Schweiz hervorgegangen ist, er war der unbestritten grösste
Mathematiker des ganzen 18. Jahrhunderts und er gehört zu den
ganz wenigen, die mit den Jahrhunderten wachsen. So wurde denn
auch der zweihundertjährige Geburtstag Eulers in der ganzen wissen-
schaftlichen Welt festlich begangen: Ich erinnere an die wahrhaft
erhebende Feier, die die Universität Basel veranstaltet hat, ich erin-
nere an die Festakte in Berlin, Petersburg und so vielen andern
Städten und ich verweise auf die zahlreichen Publikationen aller Art,
die dieses Jahr zu Ehren Eulers veröffentlicht worden sind. Und
alle diese Kundgebungen, sie klangen aus in dem einen Satze: Es
bleibt noch eine Ehrenpflicht zu lösen übrig, mit der nicht
länger gezögert werden darf, die Gesamtausgabe der Werke
Eulers! Wohl kann diese gewaltige Aufgabe nur durch das Zusam-
menwirken Vieler bewältigt werden, aber die Blicke der ganzen
mathematischen Welt sind dieses Jahr doch zunächst nach der Schweiz
gerichtet, weil man von dem Heimatlande Eulers eine tatkräftige
Initiative erwartet. Und diese Aufgabe darf die Schweizerische
Naturforschende Gesellschaft nicht von sich weisen !
Nach unseren Statuten fällt die Aufgabe in die Kompetenz der
Denkschriftenkommission. Ich erlaube mir daher, zugleich im Namen
von Prof. Geiser, Prof. Kleiner und Prof. Moser der Denkschriften-
kommission den folgenden Antrag vorzulegen: Es wird eine Kommis-
sion von sieben Mitgliedern bestellt mit dem Auftrag: Die Mittel
und Wege zu studieren, die zu einer Gesamtausgabe der
Werke Eulers erforderlich sind. Die Kommission wird die
notwendigen vorbereitenden Schritte tun und der nächsten
Jahresversammlung Bericht erstatten.
Der Präsident der Denkschriftenkommission, Herr Prof. Dr.
Schinz, erklärte sich sofort zur Entgegennahme des Antrages bereit
und versprach, dass die Denkschriftenkommission in ihrer Herbst-
sitzung diese Eulerkommission bestellen werde.
Die Sitzung der Denkschriftenkommission fand nun am 2. Okto-
ber 1907 im Bundesrathause zu Bern statt. Es wurde beschlossen,
die Eulerkommission aus 11 Mitgliedern zu bestellen, und zwar wur-
544 Ferdinand Rudio und Carl Schröter.
den gewählt: Prof. Dr. F. Rudio-Zürich, als Präsident, Prof. Di\
H. Amstein-Lausanne, Prof. Dr. Ch. Cailler-Genf , Prof. Dr.
R. Gautier-Genf, Prof. Dr. C. F. Geiser-Zürich, Prof. Dr. J. H.
Graf-Bern, Prof. Dr. E. Hagenbach-Basel, Prof. Dr. Chr. Moser-
Bern, Prof. Dr. A. Riggenbach-Basel, Prof. Dr. K. VonderMühll-
Basel und der Präsident der Denkschriftenkommission als solcher,
nämlich Herr Prof. Dr. H. Seh in z- Zürich.
Inzwischen hatte auch die Deutsche Mathematiker-Vereinigung,
die ja zwei Sitzungen ihrer Dresdener Jahresversammlung (15. bis
18. September 1907) nur mit Eulervorträgen gefüllt hatte, in ihrer
Geschäftssitzung vom 18. September 1907 Veranlassung genommen,
sich mit der Frage der Gesamtausgabe der Werke Eulers zu be-
schäftigen. In dem gedruckt vorliegenden Protokolle der Dresdener
Versammlung (Sonderabdruck aus dem Jahresbericht 1907, Heft
11/12) heisst es:
„Rudio hat dem Vorstande mitgeteilt, dass die Schweizerische
Naturforschende Gesellschaft eine Kommission von 7 [die Zahl wurde,
wie wir gesehen haben, auf 11 erhöht] Mitgliedern bestellt hat mit
dem Auftrage, „Die Mittel und Wege zu studieren, die zu einer
Gesamtausgabe der Werke Eulers erforderlich sind", und hat den
Wunsch ausgesprochen, dass auch die Deutsche Mathematiker- Ver-
einigung eine Kommission mit dieser Aufgabe betraue. Auf Vor-
schlag des Vorstandes wählt die Versammlung: Pringsheim, Stäckel
und den Schriftführer [Krazer] in diese Kommission und beauftragt
sie, sich mit Rudio in Verbindung zu setzen, um, wenn möglich,
schon dem IV. Internationalen Kongresse in Rom Vorschläge unter-
breiten zu können."
Diese deutsche Eulerkommission wählte Herrn Stäckel zu ihrem
Vorsitzenden, der sich auch sofort mit dem Vorsitzenden der schwei-
zerischen Kommission in Verbindung setzte. Indessen ist es begreif-
lich, dass bei der Grösse des geplanten Unternehmens diese Verhand-
lungen im abgelaufenen Jahre noch nicht zu bestimmten Resultaten
haben fuhren können.
Dagegen wurde dem Vorsitzenden der schweizerischen Euler-
kommission noch im Berichtsjahre eine ganz besondere Freude zu
teil: Ein hochherziger Gönner der Wissenschaft, der aber
ungenannt bleiben will, hat ihm mit Schreiben vom 24. Ok-
tober die schöne Summe von 12 000 Fr. für die Euleraus-
gabe zugesichert. Die Eulerkommission ist dem Donator um so
dankbarer, als nun doch endlich einmal ein wirklicher An-
Notizen zur schweizerischen Kulturgeschichte, 545
fang gemacht ist! Hoffentlich wird diese hochherzige Handlung
noch recht viele Freunde der Wissenschaft veranlassen, das schöne
Unternehmen tatkräftig zu unterstützen.
Die schweizerische Eulerkomniission trat am 24. November im
Bundesrathaus zu Bern zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Nach-
dem sie sich konstituiert hatte (^Vizepräsident: Herr Prof. Riggen-
bach, Aktuar: Herr Prof. Graf), gab der Vorsitzende zunächst einen
Überblick über die umfangreiche Vorgeschichte des Unternehmens,
die im vergangenen Jahrhundert besonders durch die Namen N. Fuss,
P. H. V. Fuss, C. G. J. Jacobi, J. Hagen bezeichnet ist. Er ver-
wies zugleich auf die Abhandlung Bibliographisch-historisches
zur Erinnerung an Leonhard Euler, die der unermüdliche
Kämpfer für die Eulerausgabe, Herr Felix Müller, zum Euler-
jubiläum im Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-
Vereinigung hatte erscheinißn lassen, und er unterliess nicht, im
voraus schon auf die bevorstehende hochbedeutende Publikation
des Herrn P. Stäckel hinzuweisen, in der dieser den wertvollen, der
Veranstaltung einer Eulerausgabe gewidmeten Briefwechsel zwischen
dem grossen Mathematiker Jacobi und P. H, v. Fuss der mathe-
matischen Welt und insbesondere „allen, die es angeht", vorlegen wird.
An diese Mitteilungen schlössen sich Betrachtungen darüber, wie
wohl eine Eulerausgabe zweckmässig einzurichten sei. Entsprechend
den Gebieten, auf denen Euler tätig gewesen ist, nämlich dem der reinen
Mathematik, der Mechanik, der Physik, der Astronomie und anderen,
dürfte sich eine Einteilung in etwa 4 oder 5 unabhängige Serien
empfehlen, was auch die praktische Durchführung des Unternehmens
erleichtern würde. Jedenfalls aber müsste auch der umfangreiche
Briefwechsel, soweit möglich, vollständig aufgenommen werden, dessen
Bedeutung allein schon durch die von Herrn Eneström in den letz-
ten Jahren publizierte Korrespondenz Eulers dargetan wird, gar nicht
zu reden von den Briefen Eulers, die in der zweibändigen, 1843 von
P. H. Fuss herausgegebenen Correspondance mathematique et
physique de quelques celebres geometres du XVIII siecle
enthalten sind.
Zum Schlüsse kamen — last not least — Darlegungen des
Kostenpunktes. Da die Schätzungen indessen noch nicht abgeschlos-
sen sind, so sollen an dieser Stelle weitere Mitteilungen unterbleiben.
Der Vorsitzende vertrat aber lebhaft den Standpunkt, dass die Schweiz,
als Eulers Vaterland, es als eine Ehrenpflicht betrachten müsse, an
die freilich nicht unbedeutenden Kosten einen ganz namhaften Bei-
trag zu leisten. Denn nur durch ein von kleinlichen Bedenken freies,
wirklich opferwilliges Beispiel, wie es der hochherzige Zürcher Do-
546 Ferdinand Rudio und Carl Schröter.
nator bereits gegeben habe, werde es der Schweiz möglich sein, im
Auslande die nötige Begeisterung zu entfachen und sich die erforder-
liche Mitwirkung zu sichern.
An diese Mitteilungen schloss sich nun ein allgemeiner Ratschlag
an, an dem alle Anwesenden lebhaft teilnahmen. Es wurde in Aus-
sicht genommen, die Unterstützung des Bundes, der Kantone, zumal
Basels, und auch privater Kreise anzurufen. Mit Rücksicht aber
darauf, dass bei den massgebenden Behörden die Budgetberatungen
für das laufende Jahr längst vorüber seien, sah die Kommission da-
von ab, jetzt schon bestimmte Beschlüsse zu fassen. Auch wünsch-
ten einige Mitglieder zunächst noch Vervollständigung des vorgeleg-
ten Materiales. Der Vorsitzende wurde beauftragt, das Nötige vor-
zubereiten und die Kommission in den ersten Monaten 1908 zu einer
zweiten Sitzung einzuberufen.
Der Schreiber dieser Zeilen hofft, in einer der nächsten Num-
mern der „Notizen" recht erfreuliche Mitteilungen über den Verlauf
dieser zweiten Sitzung der Eulerkommission und über den Erfolg
ihrer Beschlüsse machen zu können.
23. Nekrologe.
Charles Mayer-Eymar (1827—1907, Mitgl. d. Gesellsch. seit 1872).
Am 25. Februar starb im hiesigen Kantonsspital als müder Greis Professor
Charles Mayer, der es verdient, dass seiner in der Öffentlichkeit mit Pietät
gedacht wird.') Er ist bei Lebzeiten vom Glücke nicht gerade verhätschelt wor-
den und seine äussere Stellung war bescheiden. Zu sehr Sonderling, um sich
eine glänzende Laufbahn zu schaffen, vertrat er dennoch sein Spezialgebiet, die
Paläontologie, als Forscher in so erfolgreicher Weise, dass sein Name in der
Nachwelt nicht verloren gehen kann.
Charles Mayer ist gebürtig aus der Stadt St. Gallen; er verbrachte seine
erste Jugend in Frankreich und besuchte später die Schulen seiner Vaterstadt.
Frühzeitig zeigte sich bei ihm ein auffallendes Interesse für Versteinerungen
und er warf sich mit Feuereifer auf das Studium der Geologie. In Paris fes-
selte ihn neben Elie de Beaumont der berühmte Paläontologe Aleide d'Orbigny
durch seine Vorlesungen über Stratigraphie. Als dessen spezieller Schüler
entwickelte er später die Ideen seines Meisters weiter. Mit besonderem Eifer
widmete er sich dem Studium der tertiären Gesteine. Ihre Leitfossilien kannte
er genau und er erwarb sich im Laufe der Zeit in diesem Wissenszweige eine
solche Autorität, dass er von Fachgenossen des Inlandes und Auslandes viel-
fach zu Rate gezogen wurde. Wie uns von eingeweihter Seite bemerkt wird,
begann Charles Mayer seine ersten Untersuchungen im Kanton Bern und sein
Name erscheint bereits 1853 in den „Denkschriften" der Schweizerischen Natur-
forschenden Gesellschaft. Im Jahre 1857 trat er mit einem Versuch zur Eintei-
*) Dieser Nekrolog war zuerst in der Neuen Zürcher Zeitung veröffent-
licht. Er .stammt aus der Feder des Herrn Prof. Dr. C. Keller.
Notizen zur schweizerischen Kulturgeschichte. 547
lung der tertiären Ablagerungen Europas an der Xaturforscherversammlung
in Trogen hervor. Später baute er diesen Gegenstand immer mehr im einzel-
nen aus. Für die geologische Chronologie der Sedimentgesteine hegte er ein
besonders lebhaftes Interesse und ihm gebührt ein wesentlicher Anteil, hier
die richtigen Wege geebnet zu haben. Es sind fünfzig Jahre her, seit Escher
von der Lintli auf den jungen Gelehrten aufmerksam wurde und ilin nach Zürich
zog. Damit war für Charles Mayer ein günstiges Feld der Tätigkeit eröffnet,
denn die schweizerische Paläontologie war noch wenig ausgebaut. Für diese
dankbare Aufgabe brachte er reiche Kenntnisse und einen ganz ungewöhnlichen
Scharfblick für Formen mit. Als leidenschaftlicher Samnüer lebte er im Ge-
birge glücklich bei seinen Versteinerungen. Bald dehnte er das Gebiet seiner
Forschungen aus und er wurde ebensogut zu Hause im Tertiär von Italien,
Frankreich und Österreich. In neuerer Zeit wanderte er mit Vorliebe nach
Nordafrika, besonders nach dem für den Paläontologen so dankbaren Tertiär
des Nillandes und wenn er mit Steinen beladen von den ehrwürdigen Pyra-
miden nach dem glanzvollen Kairo heimkehrte, erregte er das gerechte Er-
staunen der dortigen Araber. Auch in der ägyptischen Gelehrtenwelt sah man
ihn gerne. Er nahm unseres Wissens, an den Sitzungen der Geographischen
Gesellschaft Anteil, zu denen Nubar Pascha, der die Verhandlungen leitete,
illustre Persönlichkeiten einlud. Die Zahl der wissenschaftlichen Arbeiten
Mayers ist sehr gross, sie sind vorzugsweise niedergelegt in den schweizerischen
„Denkschriften", in der „Vierteljahrsschrift" der Zürcherischen Naturforschen-
den Gesellschaft, im „Bulletin de la Societe geologique de France", im , Journal
de Conchyliologie" usw.
In seinen Bestimmungen der versteinerten Gegenstände galt Mayer als aus-
serordentlich zuverlässig; sein sicherer Blick und seine Kenntnis der Lite-
ratur waren anerkannt. Wie enthusiastisch er unter Umständen an eine Arbeit
ging, habe ich selbst gelegentlich erfahren. Vor Jahren sammelte ich in Ost-
afrika und stiess im Somaliland in der Nähe des Webistromes auf früher un-
bekannte Kreideablagerungen, die Versteinerungen in sehr gutem Erhaltungs-
zustand enthielten. Charles Mayer interessierte sich ausserordentlich dafür und
übernahm sofort die Bearbeitung der neuen Arten. Er legte sich einen Vorrat
von Eiern und anderen haltbaren Viktualien an und war selbst über die Mit-
tagszeit bei der Arbeit, die er in wenigen Wochen vollendete; sie erschien
schon im nächsten Heft der Vierteljahrsschrift und wurde im Ausland viel be-
merkt.
Als Mensch besass Charles Mayer eine Reihe vortrefflicher Eigenschaften.
Von Natur aus grundehrlich, war er allen, die ihn näher kannten, durchaus
sympathisch. Sein harmloses Wesen war ohne Falsch; Feinde hat er wohl nie
besessen, dafür mehr Freunde, als er vermutete. Noch im Vorjahre konnte
er sich davon überzeugen, als in St. Gallen die Naturforscherversammlung ihm zu
seinem 80. Geburtstage eine wohlverdiente Huldigung darbrachte, die den ge-
brechlichen Greis innig erfreute. Er hatte das Bedürfnis, im Kreise gleichge-
sinnter Freunde zu verkehren, doch wurde es in den letzten Jahren einsamer
um ihn herum. Sein urwüchsiges Wesen fügte sich je länger je weniger ei-
nem äussern Zwang und mit der Zeit wuchs er sich zu einem Typus aus, der
lebhaft an den genialen solothurnischen Geologen Gressly erinnerte, mit dem
er in der Jugend befreundet war.
Begegnete man ihm etwa auf seinen Exkursionen, so gewann man die
Überzeugung, dass der wetterfeste Mann von Europas übertünchtcr Kultur
548 Ferdinand Rudio und Carl Schröter.
nicht angekränkelt war; aber im Verkehr trat bei ihm stets die gewinnende
Art hervor. Das Geschick hat ihm eine glänzende äussere Stellung versagt,
was billig denkende Naturen oft lebhaft schmerzte. Mayer kam zu früh oder
zu spät, wie man will. Als er seine Laufbahn als Paläontologe begann, war
die Spezialisierung der Wissenschaft noch nicht so weit gediehen, um ihm eine
passende Professur zu schaffen, und als die Zeit da war und die Universität
Zürich ihn zum Professor ernannte, um ihm wenigstens äusserlich eine Genugtu-
ung zu verschaffen, da stand er bereits in einem Alter, in dem man sich kaum
mehr so anpassen kann, um in der eigenartigen Dozentenlaufbahn Erfolg zu
haben.
In Jüngern Jahren hat Mayer unter diesen Verhältnissen stark gelitten,
später hat er sich mit einer guten Dosis Bonhomie und einer unverwüstlichen
Begeisterung für seine Wissenschaft über den Mangel an äusserem Erfolg hin-
weggeholfen. Er behielt seine geistige Frische auffallend lang; auch körperlich
vermochte er sich bis in die jüngste Zeit leidlich aufrecht zu erhalten. Dann
brach er plötzlich als hülfloser Greis zusammen und die milde Hand des Todes
erlöste ihn.
Seinem unermüdlichen Arbeitseifer verdankt unsere Sammlung eine Anhäu-
fung reichen Materials. Im Kreise der Paläontologen wird Charles Mayer nicht
nur im Inland, sondern auch im Ausland stets an hervorragender Stelle ge-
nannt werden. Wir hätten ihm ein freundlicheres Schicksal gegönnt und hoffen,
dass die Zukunft bei uns milder sei und das wirkliche Verdienst, auch da wo
es etwas unbeholfen ist, besser anerkenne.
Evariste Hertens (1847—1907, Mitgl. d. Gesellsch. seit 1886).
Samstag den 23. März ist nach kurzer Krankheit Evariste Rene Frangois
Mertens zur ewigen Ruhe eingegangen. ^) Obwohl nicht Zürcher von Geburt,
hat er doch für die Entwickelung der Gartenanlagen Zürichs so viel gewirkt,
dass es eine Ehrenpflicht ist, kurz seiner Verdienste zu gedenken.
Er war am 9. Januar 1847 in Brüssel geboren, wo sein Vater eine Buch-
druckerei besass. Frühzeitig regte sich in dem begabten Knaben die Freude
an der Pflanzenwelt. Dieser Zug war es, der ihm den Beruf vorschrieb, und
diese Freude an den Naturschönheiten hat ihn geleitet bis an seines Lebens
Ende. Sie war es aber auch, die dem rastlosen Manne die Erfolge in seinem
Berufe, der Landschaftsgärtnerei, sicherte und ihm über die Mühen des Lebens,
von denen er auch nicht verschont blieb, hinweg half.
Neben einem tüchtigen Lehrmeister hatte Mertens das Glück, an der
Gartenbauschule in Gent seine Ausbildung zu gemessen. Diese Schule galt
damals nicht allein als die beste Belgiens, sondern auch als eine der besten
der ganzen Welt. Später ging er nach Paris und dann nach England. In diesen
Wanderjahren kam er durch die Beziehungen eines Schulfreundes Anfang der
Siebziger Jahre nach der Schweiz. Es gefiel dem jungen Manne in unserm an
Naturschönheiten reichen Lande so gut, dass er sich entschloss, in der Heimat
seines Freundes, in Schaft'hausen, sich zu etablieren. Dort gründete er seinen
Hausstand. Anfang der Achtziger Jahre siedelte er nach Zürich über, um als
Associe in die Firma Froebel & Mertens einzutreten. Im Jahre 1887 erfolgte
') Dieser von Herrn Prof. Dr. H. C. Schellenberg verfasste Nekrolog er-
schien zuerst in der Neuen Zürcher Zeitung.
Notizen zur schweizerischen Kulturgeschichte. 549
die Trennung; Mertens gründete sein eigenes Geschäft, das sich unter seiner
trefflichen Leitung zu einer der grössten und angesehensten Landschafts-
gärtnereien der Schweiz entwickelt hat.
Die Hauptleistungen von Mertens sind auf dem Gebiete der Landschafts-
gärtnerei. Sein guter Blick für Naturschönheiten und eine echt künstlerische
Auffassung seines Berufes hat ihn vor allerlei Extravaganzen bewahrt, die man
heute in Gartenanlagen trift't. Seine Gartenschöpfungen verraten überall den
Künstler, der grosse, einheitliche Züge seinen Projekten zugrunde gelegt hat
und das Ganze dem Land^chaftsbilde anzupassen wusste. Dabei ging er seine
eigenen Wege. Wenn auch die grossen französischen Meister der Gartenkunst
ihm als Vorbild dienten, so wusste er doch Mannigfaltigkeit in die Details des
Gartens hineinzubringen und auch modernen Bestrebungen gerecht zu werden.
Die Quaianlagen Zürichs geben von seinem Können beredtes Zeugnis. Mit
Stolz darf Zürich diese Musteranlage die Seine nennen. Als es galt, die alt-
ehrwürdige Baumallee im Platzspitz den Anlagen um das Landesmuseum an-
zupassen, waren es seine Ratschläge, die die heutige glückliche Lösung her-
beiführten. Seiner Pflege verdankt der Tonhallegarten die heutige Ausgestal-
tung. Und gar manche Villa Zürichs, die sich einer schönen Gartenanlage
rühmt, verdankt deren Erstellung der Firma Mertens. Sein Ruf als Landschafts-
gärtner geht weit über die Grenzen Zürichs hinaus.
Neben der Landschaftsgärtnerei war Mertens seit 188.5 Dozent für Obstbau
am eidgenössischen Polytechnikum. Gründliche Fachbildung und reiche Er-
fahrung waren die beiden Momente, die seinen schlichten Vorlesungen den
Stempel der Gediegenheit verliehen. Wenn Mertens auch nicht über ein grosses
Rednertalent verfügte, so fühlte der Student sich doch zu diesem Manne hin-
gezogen, denn in jedem Wort empfand er das gewissenhaft abgewogene Urteil
des sorgfältig beobachtenden Praktikers. Dazu kam sein offener und liebens-
würdiger Charakter, der es bewirkte, dass zwischen ihm und den Studierenden ein
von aufrichtigem Vertrauen getragenes Freundschaftsverhältnis sich entwickelte-
Literarisch ist Mertens nie stark hervorgetreten. Die reiche Betätigung
in seinem Geschäft Hess ihm dazu keine Zeit. In Furrers Volkswirtschafts-
lexikou der Schweiz hat Mertens den Artikel Gartenbau bearbeitet und im
landwirtschaftlichen Jahrbuch der Schweiz 1892 findet sich eine Abhandlung
über den Obstgarten des eidgenössischen Poljtechnikums. Daneben hat er ge-
legentlich in der Tagespresse und in Gartenbauzeitschriften kleinere Artikel
publiziert.
Mit Vorträgen ist er besonders im engeren Kreise seiner Fachgenossen
hervorgetreten. An den Vortragszyklen für praktische Landwirte am Poly-
technikum hat er sich regelmässig beteiligt. In der Gartenbaugesellschaft
, Flora", deren Präsident er war, hatte er öfters Referate gehalten. Und auch
in der zürcherischen Naturforschenden Gesellschaft beteiligte er sich mit
Demonstrationen aus seiner reichen Praxis. In diesen einfach und sachlich
gehaltenen Referaten kam immer seine ausgezeichnete Naturbeobachtungsgabe
zum Ausdruck.
In seinem Charakter war Mertens gewissenhaft, liebenswürdig und stets
dienstbereit gegenüber seinen Mitmenschen ; nie ist bei ihm vergebens um Rat
oder Mithülfe angeklopft worden. Gegenüber seinen Untergebenen war er
wohlwollend und rücksichtsvoll; so sind denn auch seine Bemühungen zur
Hebung des Gärtuerberufes zahlreich. In seinem Auftreten war er bescheiden ;
äussere Ehrungen machten auf ihn wenig Eindruck.
550 FenJinand Rudio und Carl Schröter.
Der Zürcher Gartenbaugesellschaft , Flora" war er das leitende Mitglied
und ihr langjähriger Präsident; im schweizerischen Gartenbauverein bekleidete
er die Stelle des Vizepräsidenten. Er war ein eifriges Mitglied der zürcherischen
und schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft. Ferner gehörte er der
Aufsichtsbehörde der interkantonalen Schule für Obst-, Wein- und Gartenbau
in Wädenswil an. Seit Jahren war er Mitglied der Promenadenkomraission der
Stadt Zürich und es ist keine grössere Anlage erstellt worden, in der nicht
sein Rat mitgeholfen hätte.
Nun ruht Mertens von seiner Arbeit aus, und bald werden die Blumen,
mit denen er so innig verbunden war, auch seinen Grabeshügel schmücken. Wir
aber stehen dankbar an seinem Grabe und anerkennen es, dass mit ihm ein
guter Mensch, der redlich sein ganzes Leben bestrebt gewesen ist, den Mit-
menschen zu nützen und zu dienen, nach strenger Arbeit die wohlverdiente
Ruhe gefunden hat.
Ludwig Fischer (1826—1907, EhreiimitgL d. Gesellsch. seit 1883).
Es möge einem Fachgenossen und Freund der Familie vergönnt sein, an
dieser Stelle dem vor kurzem dahingeschiedenen Nestor der schweizerischen
Botaniker einige Worte dankbarer Erinnerung zu weihen.')
Fischer stammt aus einer alt eingesessenen, angesehenen Berner Familie,
die während 150 Jahren die Post für Bern und später auch für benachbarte
Kantone in Pacht hatte; sein Vater war Postdirektor. Seine Mutter war eine
geborene von Graffenried von Burgistein. Der junge Fischer wuchs auf
dem schön gelegenen Landgute Wabern (der jetzigen „Grünau") auf; er erhielt
den ersten Unterricht durch Hauslehrer, von denen besonders der spätere
Pfarrer von Hiltertingen, Moser, anregend auf ihn wirkte. Von 1838 bis 1844
besuchte er die bürgerliche Realschule in Bern, an der damals der spätere
Direktor der Zürcher Sternwarte, Prof. Rudolf Wolf, als Lehrer der Mathe-
matik und Astronomie wirkte. Fischer hat diesem trefflichen Manne zeitlebens
ein dankbares Andenken bewahrt.
Der junge Mann wandte sich zunächst der Pharmazie zu. Nachdem er
bis Herbst 1846 an der Berner Universität Naturwissenschaften studiert hatte
(bei Brunner, Bernhard Studer, Wydler u. a.), machte er bis 1848 seine
Lehrzeit bei Apotheker Kerner in Besigheim (Württemberg) durch und trat
dann als Gehilfe in die Apotheke Müller an der Kreuzgasse in Bern.
Seine Universitätsstudien vor Erwerbung des Apotheker -Patents machte
der junge Pharmazeut in Genf (1849-1850), wo er bei Alphonse De CandoUe,
Pictet de la Rive und Wartmann hörte. Innige Freundschaft verband ihn
damals mit einigen gleichstrebenden jungen Männern: den Botanikern J.Müller-
Argoviensis, dem spätem berühmten Systematiker und Flechtenforscher, und
J. S-chwendener, dem jetzt in Berlin wirkenden genialen Begründer der
physiologischen Anatomie; ferner mit dem vor Jahren in Strassburg verstor-
benen Altmeister der Pharmakognosie, Flückiger. Auf ausgedehnten Ex-
kursionen studierten die. Freunde die Flora: im Mai 1850 im Wallis, im Juli
in Oberitalien und Tirol; an dieser Reise beteiligten sich Pfarrer Duby, de
Morsier und F. Burckhardt.
') Der (von G. S. verfasste) Nekrolog ist zuerst in der Neuen Züricher
Zeitung erschienen. Für die Mitteilung der biographischen Daten ist der Verfasser
Herrn Prof. Dr. Ed. Fischer in Bern, dem Sohne des Verstorbenen, zu herzlichem
Dank verpflichtet.
Notizen zur schweizerischen Kulturgeschichte. 55t
Wohl erwarb sich Fischer im Februar 1851 das Apotheker -Patent, aber
die Botanik hatte es ihm angetan: wie so mancher seiner pharmazeutischen
Standesgenossen (ich nenne nur Pfeffer in Leipzig und Chodat in Genf)
ging er ins Lager der Pflanzenkunde über. Er sass zunächst ein Jahr in Jena
zu Füssen des geistvollen Schieiden; dann hörte er in Berlin bei Alexander
Braun und mikroskopierte bei Schacht, bei dem er mit A. de Barj- zu-
sammentraf. Unterdessen war in Zürich ein neuer Stern in der Botanik auf-
gegangen: C. V. Nägeli, der eine begeisterte Schar jüngerer Schweizer-Bota-
niker um sich sammelte; zu ihnen gesellte sich Fischer. Es war eine an-
regende, gewinnbringende Zeit für den werdenden Gelehrten. Er schloss sich
besonders an Carl Gramer, unsern unvergessliclien Zürcher Botaniker, und
an Bernhard Wartmann, den ausgezeichneten St. Galler Pädagogen, an.
Das unzertrennliche Botaniker - Trio machte zahlreiche Exkursionen in die
engere und weitere Umgebung Zürichs, wobei ebenso eifrig Kryptogamen wie
Phanerogamen gesammelt wurden. Mit Xägeli, Oswald Heer, A. Regel,
dem Flechtenkenner Dr. Hepp und andern kamen sie in einem „botanischen
Kränzchen" zusammen, das viel Anregung brachte. Auf Nägelis Laboratorium
wurden Algenstudien betrieben; Fischer arbeitete an seiner Dissertation, welche
im Jahr 1853 erschien: , Beiträge zur Kenntnis der Nostochaceen und Versuch
einer natürlichen Einteilung derselben". Als Nägeli im Herbst 1852 einem
Rufe nach Freiburg im Breisgau folgte, begleitet von C. Gramer und Wartmann,
trennte sich das Kleel;latt: Fischer kehrte in seine Vaterstadt zurück, um sich
dort im Frühjahr 1853 zu habilitieren ; im Jahr 1860 wird er ausserordentlicher,
1863 ordentlicher Professor als Nachfolger von VVydler. Er leitete die Neu-
anlage des botanischen Gartens an seinem gegenwärtigen Platz und führte
seit 1860 die Direktion desselben.
In dieser Stellung, als Professor der Botanik an der Universität Bern
und als Direktor des botanischen Gartens hat Fischer von 1860—1897 treu
gewirkt. Er las allgemeine und spezielle Botanik, leitete die mikroskopischen
Praktiken und die Exkursionen, administrierte den Garten und führte in Spezial-
kollegien und Praktiken zahlreiche Schüler in die Kryptogamenkunde ein.
Schlicht und anspruchslos wie seine ganze Persönlichkeit waren auch seine
Vorlesungen; aber mit grösster Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit suchte
er sie auf der Höhe zu halten. Er war in der Literatur seines Gebietes zu
Hause wie Wenige.
Auch nach seinem Rücktritt vom Ordinariat hat er als Honorarprofessor
am akademischen Unterricht teilgenommen, solange es ihm seine Kräfte er-
laubten. Ganz besonders lieb waren ihm die „Demonstrationen zur Kryptogamen-
kunde", zu denen er jeden Sonntag nachmittag eine Anzahl Studenten in seiner
Wohnung zu vereinigen pflegte. Er zeigte die seltenen Formen aus seinem
Herbar, besprach die neuere Literatur und machte in frühern Zeiten Exkur-
sionen, auch im Winter. Noch im Winter 1906/07 hat er dieses Kolloquium
abgehalten, und im Herbar des botanischen Gartens an den Einordnungsarbeiten
sich beteiligt. So hat er im ganzen 54 Jahre an der Berner Hochschule gewirkt 1
Seine wissenschaftliche Tätigkeit, soweit sie in Publikationen zum Aus-
druck kam, erstreckte sich hauptsächlich auf zwei Gebiete : Kryptogamenkunde
und Floristik seiner engern Heimat. Neben zahlreichen, in den Mitteilungen
der Berner Naturforschenden Gesellschaft publizierten kleinen Notizen hat
Fischer ein „Verzeichnis der in Berns Umgebung vorkommenden krypto-
gamischen Pflanzen" herausgegeben (1858, mit Nachträgen 1872). In den Be-
552 Ferdinand Rudio und Carl Schröter.
richten der Schweizerischen Botanischen Gesellschaft hat er von 1898—1904
über die neue Literatur und die neuen Standorte von Algen und Moosen re-
feriert. Äusserst praktisch eingerichtete „Tabellen zur Bestimmung einer Aus-
wahl der wichtigsten und am häufigsten vorkommenden Thallophyten und
Bryophyten, als Anleitung zum Gebrauch der systematischen Spezialwerke" hat
er seinen kryptogamischen Bestimmungen zugrunde gelegt und als Manuskript
drucken lassen.
Ein eigenes von ihm aufgestelltes System der Thalloptyta, das mit den
später von Sachs herausgegebenen, auf die Fruktitikation gegründeten nahezu
völlig übereinstimmte, hat Fischer nie veröffentlicht : es wurde nur durch Sachs
bekannt, dem er es schriftlich mitgeteilt hatte.
Gesammelt hat Fischer neben Blütenpflanzen hauptsächlich Algen und
Moose. Die „schweizerischen Kryptogamen" von Wartmann und Schenk
enthalten manchen Beitrag von seiner Hand, und sein reiches Herbar bildet
jetzt eine Zierde der Sammlung des botanischen Gartens in Bern.
Sein Hauptwerk in der Floristik der Blütenpflanzen ist seine , Flora von
Bern", welche als „Taschenbuch" 1885 zu ersten Male, 1903 in siebenter Auf-
lage erschien, von 139 auf 315 Seiten angewachsen. Dieses Buch ist ein
Muster an Sorgfalt in den diagnostischen und standörtlichen Angaben ; mit un-
endlicher Gewissenhaftigkeit wurde jedes Datum geprüft und bei jeder Auflage
wieder da und dort gefeilt; auch das System immer wieder den neuen For-
schungen angepasst. Es ist mit Bestimraungstabellen und Diagnosen versehen
und leistet für die akademische Botanik in Bern ausgezeichnete Dienste.
Aber auch die Berner Alpenflora hat Fischer studiert; die Resultate
dieses Studiums liegen in einem Standortskatalog vor, betitelt: Verzeichnis der
Gefässpflanzen des Berner Oberlandes, mit Berücksichtigung der Standortsver-
hältnisse, der horizontalen und vertikalen Verbreitung. — Ein Beitrag zur
Pflanzengeographie der Schweiz — 196 Seiten 8<*. Bern 1876, mit drei Nach-
trägen von 1882, 1890 und 1905.
Neben der akademischen Lehr- und Forscherwirksamkeit betätigte sich
Fischer auch mannigfach an öffentlichen Werken; der bescheidene zurück-
gezogene Mann Hess sich freilich suchen für solche Dinge, war aber, einmal
gewonnen, ein treuer, eifriger Mitarbeiter. So amtete er von 1886—1906 als
Mitglied der Denkschriftenkommission der Schweizerischen Naturforschenden
Gesellschaft; von 1894—1907 war er in der Preisfragenkommission derselben
Gesellschaft tätig; und noch in weiteren neun Kommissionen und Ämtern
diente er dem Lande, seinem Kanton und seiner Vaterstadt.
Auch an Ehrungen fehlte es ihm nicht; der Schweizerische Apotheker-
Verein, die Zürcher und St. Galler Naturforschende Gesellschaft haben ihn zum
Ehrenmitglied, und die Botanische Gesellschaft Belgiens und Genfs zum kor-
respondierenden Mitglied ernannt.
In der Ehe war ihm hohes Glück beschieden; 42 Jahre lang lebte er in
ungetrübter Harmonie mit seiner Gattin Mathilde Berri ; sie schenkte ihm vier
Kinder, von denen eines im jugendlichen Alter starb. Der ältere Sohn folgte
dem Vater nach als Professor der Botanik und Direktor des Botanischen
Gartens von Bern; es war für den Verstorbenen eine hohe innige Freude, seinen
Sohn als angesehenen Gelehrten auf demselben Lehrstuhl zu sehen, den er
37 Jahre innegehabt hatte! Er lebte mit ihm zusammen und sah den Haus-
stand seines Sohnes wachsen und gedeihen ; drei blühende Enkelkinder waren
Notizen zur schweizerischen Kulturgeschichte. 553
die Sonne seiner sich neigenden Tage. Der zweite Sohn wirkt als Pfarrer in
Ringgenberg, wo der Vater öfters schöne Tage verbrachte; die Tochter war
seine Stütze bis zur letzten bangen Stunde.
Der Grundzug in Fiscliers Charakter war absolute Ehrlichkeit und Ge-
wissenhaftigkeit, gepaart mit einer seltenen Bescheidenheit und genährt von
tiefer Religiosität.
Still und stetig ging der stattliche hagere Mann mit dem feingeschnittenen,
bartlosen Gelehrtenantlitz seinen Pflichten nach. Aber wenn es not tat, trat
er kräftig und bestimmt für seine Überzeugung in die Schranken; so wirkte
er u. a. mit Begeisterung für die Abstinenz. Trotz seiner zarten Konstitution
blieb ihm seine Leistungsfähigkeit bis zuletzt erhalten, dank wohl hauptsäch-
lich seiner regelmässigen Lebensweise. Wohl begannen seine physischen Kräfte
in den letzten Jahren abzunehmen, aber seine geistige Klarheit ist ihm bis
zum letzten Tage vollkommen erhalten geblieben! Sein Ende kam so völlig
unerwartet, dass sein Sohn, Prof. Eduard Fischer, ahnungslos sich tags zuvor,
von der Universität als Delegierter zur Linne-Feier nach Stockholm abgesandt,
auf die Reise begab, von der ihn die Trauernachricht zurückrief. In der Nacht
vom 20. auf den 21. Mai stellte sich bei dem Verstorbenen schwere Atemnot
ein und morgens gegen 7 Uhr schlummerte er sanft und kampflos ein.
Er wird in der Erinnerung aller fortleben, die ihn gekannt haben als
ein treuer Familienvater, ein gewissenhafter Forscher und Lehrer, ein guter,
edler Mensch.
Oustav Zeuner (1828—1907, Mitgl. d. Gesellsch. seit 1856, Präsi-
dent von 1867 bis 1869, Ehrenmitglied seit 1896).
Zum 70. Geburtstage hatte die Schweizerische Bauzeitung
eine mit dem Bildnisse Zeuners geschmückte Festnummer herausge-
geben, in der die Tätigkeit des Jubilars eine eingehende Würdigung
fand. Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion bringen wir zu-
nächst jenen Aufsatz vom Jahre 1898 zum Abdruck:
Gar manchem unserer älteren Leser werden die Züge des Mannes, dessen
Bildnis diese Nummer der Schweizer. Bauzeitung ziert, Veranlassung sein, freu-
dig und dankbar seiner Studienzeit am eidgen. Polytechnikum zu gedenken.
Wenn in weiten Kreisen die gesamte technische Welt am kommenden 30. No-
vember, seinem siebzigsten Geburtstag, Herrn Geheimrat Dr. Gustav Zeuner,
den hochverdienten Förderer der technischen Wissenschaften feiert, so kommen
für uns noch einige besondere Momente in Betracht, welche uns zu einer Be-
sprechung an hervorragender Stelle unseres Blattes veranlassen müssen. „Denn
er war unser" — die Wurzeln seiner Grösse, die Anfänge der verschiedenen
Richtungen, nach welchen er eine so erfolgreiche Tätigkeit entfaltet hat, sie
liegen auf schweizerischem Boden, in Zürich, wo er bis zum Jahr 1871 eine
Zierde des eidgenössischen Polytechnikums bildete, an dem er seit der Grün-
dung im Jahr 1855 gewirkt hat; ein nicht geringer Teil des Ruhmes und An-
sehens, welche die junge Hochschule sich bald und auf die Dauer errungen
hat, ist auf Zeuners Wirksamkeit zurückzuführen.
Als anspruchslosen Festgruss widmen wir diese Zeilen dankbarer Erinne-
rung dem hochverdienten Mann, der nunmehr nach 42jähriger, erfolgreichster
Lehrtätigkeit in voller Frische des regen Geistes in den wohlverdienten
Ruhestand getreten ist, um die ihm noch vergönnten Jahre der Wissenschaft
36
Vierteljahrsschiift d. Naturf. Ges. Zürich. Jalirg. 52. J'JOT.
554 Ferdinand Rudio und Carl Schröter.
allein zu widmen, dergestalt das Wort Goethes bewahrheitend: „Der ist der
glücklichste Mensch, welcher das Ende seines Lebens mit dem Anfang in Ver-
bindung setzen kann!"
Man darf es als ein Glück für die technischen Wissenschaften wie für
Zeuner selbst bezeichnen, dass gerade in dem Augenblick, als der 27jährige
Mann, einer Empfehlung seines stets hochverehrten Lehrers Weisbach folgend,
im Begriffe stand, als Bergingenieur nach Spanien auszuwandern, ihm die Pro-
fessur für Mechanik und Maschinenlehre an der neu gegründeten polytechni-
schen Schule in Zürich angetragen wurde. Wenn irgend eine der Berufungen,
welche unser unvergesslicher Dr. Kern bewirkte, seinem genialen Scharfblick
Ehre machte, so war es diese; wer erinnerte sich nicht beim Anblick der
geistvollen, scharfgeschnittenen Züge, wie sie unser etwa aus dem Jahre 1870
stammendes Bild so sprechend wiedergibt, vor allem an den unvergleichlichen
Lehrer, welcher wie kaum ein zweiter es verstand, seine Schüler zu begeistern
und zu fördern. Zeuner war der geborene Professor; mit unübertreftlicher
Klarheit und Anschaulichkeit wusste er in schlichtem, ungekünsteltem Vortrag
ein Problem allseitig zu entwickeln, in der knappsten und elegantesten Form
mathematisch einzukleiden und, unterstützt durch die ungemeine Lebhaftigkeit
und Beweglichkeit seines Wesens den Eindruck hervorzurufen, als ob er eben
jetzt, im Augenblick des Vortrages, die Lösung gefunden hätte. Unter seiner
Behandlung verschwanden die Schwierigkeiten, alles wurde einfach und leicht
verständlich, es war jedesmal wie eine Neuschöpfung des betreffenden Kapi-
tels; kein Wunder, dass seine Schüler begeistert an seinen Lippen hingen,
besonders da, wo er über seine eigenen Untersuchungen vortrug.
Während diese Seite seiner Begabung;zunächst dem engeren Kreis seiner
Schüler zu gute kam, zog er von Anfang an durch seine wissenschaftlichen
Arbeiten die Blicke der technischen Welt auf sich; die in rascher Folge er-
scheinenden Werke legten ein glänzendes Zeugnis ab für seine hervorragende
Fähigkeit, die verschiedensten technisch-wissenschaftlichen Fragen in einer
Weise zu behandeln, welche neben der Theorie auch die Anwendung zu ihrem
vollen Rechte kommen Hess.
Schon in den Jahren 1856 und 1857 erschienen im „Civilingenieur", welcher
bis zu seinem letzten Band der Feder Zeuners eine Reihe der wertvollsten
Beiträge verdankte, zwei Arbeiten über Lokomotivsteuerungen und im ersten
Band der „Schweizerischen polytechnischen Zeitschrift" 1856 eine Arbeit über
die Stephensonsche Coulisse; diese Erstlinge schon wurden von der Praxis
sehr günstig aufgenommen, weil darin ein neues, sehr einfaches und durch-
sichtiges Verfahren angegeben war, um auf graphischem Wege die Dampfver-
teilung durch Schieber zu studieren. In rascher Weiterführung des fruchtbaren
Grundgedankens entwickelte sich hieraus das im Jahr 1857 in erster, 1888 in
fünfter, wesentlich erweiterter Auflage erschienene Buch ,Die Schieber-
steuerungen", welches bald ins Französische und Englische übersetzt, den
Namen des Verfassers in weitesten Kreisen bekannt machte.
War Zeuner schon mit diesem Werk einem Bedürfnis entgegengekommen,
so gilt dies in noch höherem Grad von einer zweiten, im Jahr 1859 erschiene-
nen Arbeit, welche ein ganz anderes Gebiet betrifft ~ wir meinen die „Grund-
züge der Wärmetheorie". Wenn es richtig ist, dass für die Wirkung eines
wissenschaftlichen Werkes von höchster Bedeutung ist, dass es gerade zur
rechten Zeit erscheint, so kann von diesem Buch mit Recht gesagt werden,
dass es eine glückliche Geburtsstunde geliabt hat. Auf theoretischem und ex-
Notizen zur schweizerischen Kulturgeschichte. 555
perimentellem Wc^' waren durch Mayer, Clausius, J. und W. Thomson, Cla-
peyron, dann durcli Joule und Hirn die Anschauungen über den Zusammen-
hang zwischen Wärme und Arbeit von den verschiedensten Standpunkten aus
geklärt worden; allein es fehlte an einem Werk, welches dem schaffenden
Techniker in übersichtlicher Weise die zerstreuten Ergebnisse der Forschung
vermittelt hätte — dies leistete Zeuner in seinen „(jrundzügen der Wärme-
theorie\ der Ansicht Redtenbachers folgend, welcher ihm in jenen Jahren ein-
mal schrieb: „ ich halte es von nun an für lohnender, sich über die
Wärme den Kopf zu zerbrechen " Indem Zeuner die klassisclien Ver-
suche Regnaults mit heranzog und in der Behandlung des Gegenstandes,
namentlich in der Theorie der Dämpfe, vielfach neue, eigene Wege eröffnete
und mit seiner fesselnden, ungemein klaren und überzeugenden Darstellungs-
weise verfolgte, gelang es ihm, in rastloser, fortwährender Verbesserung, Er-
weiterung und Vertiefung ein Werk zu schatten, welclies von 11 Bogen der
ersten Auflage auf deren 63 angewachsen, als „Technische Thermodynamik"
zum eisernen Bestand der Eachbibliothek des Maschineningenieurs gehört, dem
es eine Fülle von Belehrung und Anregung in den mit der Anwendung der
Wärraetheorie zusammenhängenden Fragen gewährt. Ja noch mehr — Zeuners
„Technische Thermodynamik" ist für alle literarische Forscherarbeit in dieser
Richtung grundlegend und bahnbrechend geworden und hat unmittelbar be-
fruchtend auf die technische Entwicklung einzelner Gebiete des Maschinen-
wesens gewirkt. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die ausserordentliche
Entwicklung der modernen Kältetechnik darauf zurückgeht, dass Linde als
ehemaliger Schüler Zeuners seine Kältemaschine von Anfang an auf der rich-
tigen thermodynamischen Grundlage aufbaute, wie sie von Zeuner gelehrt
wurde. Auf dem gleichen Boden sind W. Schmidt's Heissdampfmaschine, so-
wie der Dieselmotor erwachsen, und wenn heute, der gesteigerten Intensität
wissenschaftlichen Schaffens und Lehrens entsprechend, auch die Ergebnisse
der technischen Thermodynamik Gemeingut der technischen Welt geworden
sind, so ist darin nur ein Grund mehr zu erblicken, desjenigen sich dankbar
zu erinnei-n, welcher in erster Linie durch seine Forscher- und Lehrtätigkeit
dieses Resultat herbeigeführt hat.
Die eingehenden Studien über Wärmetheorie, speziell über die Dämpfe,
wirkten noch nach andern Richtungen anregend auf Zeuner, so bei der Be-
handlung verschiedener, mit der Lokomotive zusammenhängenden Fragen. Im
Jahr 1863 erschien das „Lokomotivenblaserohr", ein Buch, welches so recht
charakteristisch zeigt, wie meisterhaft der Verfasser es verstand, ein Problem
zu vertiefen, verwandtes heranzuziehen und sich zu allgemeineren Beziehungen
zu erheben; er versäumt dabei nicht, seine theoretischen Ergebnisse der ex-
perimentellen Kontrolle zu unterwerfen. Es ist zu bedauein, dass die damals
gehegte Absicht, in einer Reihe von Schriften nach und nach die einzelnen
Teile der Lokomotive und alle damit in Zusammenhang stehenden Fragen zu
behandeln, nicht zur Ausführung gekommen ist. Als Beweis von der merk-
würdigen Vielseitigkeit von Zeuners Interessen darf nicht unerwähnt bleiben,
dass er neben zahlreichen, an sein Hauptwerk sich anlehnenden kleineren
Ax'beiten: über das Ausfiussproblem u. s- f. u. s. f., auch auf dem Gebiet der
mathematischen Statistik bahnbrechend gewirkt hat und als einer der ersten
die Überzeugung aussprach, „dass der Volkswirtschaftslehre noch reicher Ge-
winn erblühen wird, weini in ihr die Mittel, über welche die Mathematik ver-
fügt, allgemeine Anerkennung und Verwendung hnden." Er hat sich mit Knapp
556 Ferdinand Rudio und Carl Schröter.
bemüht, die Statistik zu einer Messungsdisziplin im Dienst der Gesellschafts-
wissenschaft, gewidmet dem Studium der realen Verhältnisse, zu erheben ; 1869
erschienen die „Abhandlungen aus der mathematischen Statistik", welchen 1876
und 1885 noch andere Arbeiten auf diesem Gebiet folgten, die in Fachzeit-
schriften erschienen. Das Versicherungswesen machte er wiederholt zum Ge-
genstand von Vorlesungen.
Die ungemeine Arbeitskraft Zeuners wird durch nichts besser illustriert,
als durch die Tatsache, dass er neben seiner umfassenden Lehrtätigkeit, neben
den in seinen Hauptwerken niedergelegten, eingehenden Studien noch Zeit fand
zur Beteiligung an Organisation und Verwaltung der Anstalten, welchen er als
Lehrer angehört hat An der Einrichtung der mechanisch-technischen Abtei-
lung des eidgenössischen Polytechnikums, sowie an den gesamten Verwaltungs-
angelegenheiten der Schule nahm Zeuner von Anfang an den tätigsten und
lebhaftesten Anteil; von 1865 bis 1867 als Direktor an der Spitze der Anstalt
stehend, zeigte er seine besondere Befähigung für diesen Posten in glänzend-
ster Weise; die reichste Gelegenheit zur Betätigung seiner organisatorischen
Talente bot sich ihm aber, als es 1871 dem Rufe in seine Heimat Sachsen
folgte, wo er zuerst als ständiger Direktor der Freiberger Bergakademie an
"Weisbachs Stelle und 1873 zum Direktor des Polytechnikums in Dresden er-
nannt wurde.
Bis zum Jahr 1890 hat Zeuner die Leitung der letzteren Anstalt in Hän-
den gehabt und sich ganz besondere Verdienste dadurch erworben, dass er
dem Dresdener Polytechnikum eine ganz neue Verfassung gegeben und das-
selbe durch Erhebung zum Rang einer Hochschule der Universität ebenbürtig
gemacht hat. Er begründete zu den bestehenden Abteilungen für Ingenieur-
wesen, Maschinenbau und technische Chemie nicht nur eine Hochbauabteilung,
sondern schuf auch die allgemeine Abteilung, teils für Mathematik und Natur-
wissenschaften, teils für allgemeine Wissenschaften (Volkswirtschaft, Betriebs-
lehre, Verwaltungsrecht, allgemeine Geschichte, Kunst- und Literaturgeschichte,
Geographie und neuere Sprachen). Unter steter Festhaltung des grossen Ge-
samtgedankens der technischen Hochschule hat Zeuner mit rastlosem Eifer
seine ganze Persönlichkeit eingesetzt, um die schwierige Aufgabe einer gedeih-
lichen Lösung entgegenzuführen und in 17 jährigem treuem, stets opferwilligem,
immer die Sache im Auge behaltendem Wirken sie glänzend gelöst. Es war
ihm vergönnt, noch bis zum Jahre 1897 als Lehrer zu wirken, wieder zu seiner
wissenschaftlichen Tätigkeit zurückzukehren, an deren Entfaltung seine ver-
antwortungsreiche und mühevolle Stellung als ständiger Direktor uaturgemäss
ihn vielfach gehindert hat — heute ist er der Wissenschaft ausschliesslich
zurückgegeben und wir wollen dem verehrten Manne den herzlichen Wunsch
aussprechen, dass ihm noch recht lange vergönnt sein möge, „das Ende seines
Lebens mit dem Anfang in Verbindung zu setzen!"
Wiederum der Schweizerischen Bauzeitung entnehmen wir
den kurzen Nekrolog, den sie Zeuner in ihrer No. 20 vom 16. Nov.
1907 gewidmet hat:
Zu Dresden ist um die Mittagsstunde des 17. Oktober Geh. R. Professor
Dr. Gustav Anton Zeuner fast 79 Jahre alt sanft verschieden. Wir haben be-
reits zu seinem siebzigsten Geburtstage am 30. November 1898 (Bd. XXXII,
S. 171) unsern Lesern eine Darstellung der Wirksamkeit des beliebten Lehrers,
dessen Namen dauernd mit unserer polytechnischen Hochschule verknüpft ist,
Notizen zur schweizerischen Kulturgeschichte. 557
geboten und ein Bildnis aus der Zeit seiner zürcherischen Lehrtätigkeit bei-
gefügt. In das p]nde der neunziger Jahre tiel auch sein Rücktritt vom Lehr-
amte. Zeuner widmete zunächst seine Arbeitszeit einer Neubearbeitung seiner
„Technischen Thermodynamik", die 1900 in neuer, abermals vermehrter Auf-
lage erschien. Sodann gab er seine „Vorlesungen über Theorie der Turbinen"
1899 bei Arthur Felix in Leipzig heraus. Auch sein Buch über „Schieber-
Steuerung" ist erst vor wenigen Jahren neu gedruckt worden. Im übrigen hat
der Heimgegangene seine letzten Jahre der Familie gelebt und sich von der
Beteiligung am öffentlichen Leben immer mehr zurückgezogen.
Wir haben deshalb dem bereits gebotenen Lebensbild heute nichts wesent-
liches beizufügen.
Da Zeuner schon 1871 von seiner Lehrtätigkeit in Zürich auf ein anderes
Wirkungsfeld übergegangen ist, lichten sich auch die Reihen der Kollegen
immer mehr, die an unserer Hochschule zu J'üssen des begeisterten Lehrers
sassen. Den Überlebenden aber stellt sein Bild noch heute unverj^esslich
vor Augen, wie er mit jugendlichem Feuer und einer seltenen, klaren Dar-
stellungsweise es verstand, seine Zuhörerschaft für den Gegenstand des Vor-
trages zu gewinnen und mit sich fortzureissen.
Mit Zeuner ist der letzte ') aus der Zahl unserer Hochschullehrer dahin-
gegangen, die im Jahre 1855 bei Eröffnung des Polytechnikums ihre Lehrtätig-
keit an der Schule begonnen und durch ihr glückliches Zusammenwirken der
jungen Anstalt in kurzer Zeit den hervorragenden Rang unter ihren Schwester-
anstalten errungen haben. Dafür ist die Hochschule auch dem nun, nach über-
aus arbeitsvollem Leben zur Ruhe Eingegangenen bleibend zu Dank verpflichtet.
Und nicht nur als Lehrer, sondern auch als Direktor hat Zeuner dem eidge-
nössischen Polytechnikum, von 1865 bis 1867 an seiner Spitze stehend, mit
grossem Erfolg gedient durch seinen tiefen Einblick in die Bedürfnisse aller
der einzelnen Abteilungen und seine klaren Dispositionen bei Aufstellung der
Studienordnung und der Lehrpläne.
Zeuner zählte, wie er bei jedem Anlass zu wiederholen liebte, seinen Zür-
cher Aufenthalt zu den schönsten Zeiten seiner Lehrtätigkeit und hat auch,
als ihm Freunde und dankbare Schüler zu seinem 70. Geburtstage einen grös-
sern Geldbetrag zur Verfügung stellten, diesen zu gleichen Teilen zu Stipen-
dienfonds an das Zürcher Polytechnikum, an die Bergakadmie Freiberg und
an die technische Hochschule zu Dresden bestimmt.
So ist mit dem Entschlafenen wieder eine Erinnerung aus den ersten,
schönen Zeiten unserer technischen Hochschule zu Grabe getragen worden.
Mögen wie das gegenwärtige auch die kommenden Geschlechter, derer stets
mit Dankbarkeit gedenken, die wie Zeuner zum Aufblühen unserer schweize-
rischen Anstalt ihr bestes beigetragen haben. —
Wir fügen diesen beiden Aufsätzen noch einige erzänzende Notizen hinzu.
Zeuner war geboren in Chemnitz am 30. November 1828. Er studierte 1848-1851
an der Bergakademie Freiburg und übernahm nach mehrfachen Studienreisen
die Redaktion der von ihm gegründeten Zeitschrift „Civilingenicur", deren Lei-
tung er aber nur bis zum Jahre 1857 behielt. Gleich bei Errichtung des eid-
genössischen Polytechnikums in Zürich wurde er als Professor der technischen
Mechanik und tlieoretischen Maschinenlehre dorthin berufen. Vom Herbst 1865
*) Diese Notiz bedarf der Berichtiji:ung: Georg Sidler hat Zeuner noch um
einige Wochen überlebt.
558 Ferdinand Rudio und Carl Schröter.
bis Herbst 1867 war er Direktor des Polytechnikums. Im Jahre 1871 folgte
Zeuner als erster ständiger Direktor der Bergakademie Freiburg. Im Jahre
1873 wurde er zum Direktor und zum Professor für technische Mechanik und
Maschinenlelire am Polytechnikum Dresden ernannt, von welcher Stelle er 1898
zurücktrat.
Nicht nur das eidgenössische Polytechnikum, auch unsere Zürcher Natur-
forschende Gesellschaft bewahrt Zeuner ein dankbares Andenken. Er war ein
sehr anregendes und tätiges Mitglied der Gesellschaft und 1867—1869 ihr Prä-
sident. Sein Bildnis schmückt denn auch unsere Jubiläumsschrift des Jahres 1896,
Georg Sidler (1831 — 1907, Mitgl. d. Gesellsch. seit 1855).
Nur der Vollständigkeit halber sei der Name dieses trefflichen Mannes,
der mehr als ein halbes Jahrhundert unserer Gesellschaft angehört hat, auch
hier genannt. Ein ausführlicher, mit dem Bildnis des Verstorbenen geschmückter
Nekrolog soll den Jahrgang 1908 unserer Vierteljahrsschrift eröffnen.
Sitzungsberichte toxi 1907.
Sitzung' Yom 14. Jannar 1907 anf Zimmerleuten.
Beginn S'i Uhr. Vorsitzender: Herr Prof. Dr. A. Werner.
Das Protokoll der letzten Sitzung erlullt die Genehmigung. Als Mitglieder
werden einstimmig in die Gesellschaft aufgenommen die Herren Dr. Fritz
von Wyttenbach, Dr. Br ockmann-Jerosch.
Zur Aufnahme in die Gesellschaft haben sich angemeldet die Herren Emil
Beck und Dr. Emil Meier, beide empfohlen durch Herrn Prof. Beck.
Herr Prof. Dr. Zaugger hält einen Vortrag über , Membranen, spez.
deren Bedeutung in der Physiologie und Pathologie\
An der Diskussion beteiligen sich die Herren Dr. Höber, Prof. Werner,
Prof. Zangger, Dr. Berl und Dr. Kauffler.
Schluss der Sitzung 10 Uhr.
Sitzang vom 28. Jannar 1907 auf Zimmerleuten.
Beginn 8 7* Uhr. Vorsitzender: Herr Prof. Dr. A. Werner.
Das Protokoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt. Als Mit-
glieder werden einstimmig in die Gesellschaft aufgenommen die Herren Emil
Beck und Dr. Emil Meier.
Herr Privatdozent Dr. Ernst Berl hält einen Vortrag „Neuere Ver-
fahren zur Gewinnung einfacher Stickstoffverbindungen".
An der Diskussion beteiligt sich Herr Prof. Dr. Lunge.
Schluss der Sitzung 10 Uhr.
Sitzung vom 11. Februar 1907 auf Zimmerleuten.
Beginn 8'A Uhr. Vorsitzender: Herr Prof. Dr. A. Werner.
Das Protokoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt. Herr Prof.
Dr. Kleiner hält einen Vortrag, betitelt „Übersicht über die Resultate
der neuesten experimentellen und spekulativen Forschung auf
physikalischem Gebiet".
An der Diskussion beteiligen sich die Herren Professoren Werner und
Kleiner.
Herr Prof. Heim bringt eine Mitteilung über von ihm selbst beobachtete
Ringe und Nebensonnen.
Schluss der Sitzung 10' A Uhr.
Sitzung vom 25. Februar 1907 auf Zimmerleuten.
Beginn 8\ 4 Uhr. Vorsitzender: Herr Prof. Dr. A. Werner.
Das Protokoll der letzten Sitzung wird wegen Abwesenheit des Aktuars
nicht verlesen.
Zur Aufnahme in die Gesellschaft hat sich angemeldet Herr Dr. phil.
Eichhorn, empfohlen durch Herrn Prof. Kleiner.
Herr Dr. Leo Wehrli hält einen Vortrag „Die Kohlen der Schweizer
Alpen\
560 Emil Schoch.
An der Diskussion beteiligt sich Herr Prof. Heim.
Der Vorsitzende macht Mitteilung vom Hinschied unseres Mitgliedes Herrn
Bodmer im Beckenhof und ladet die Anwesenden ein, sich zu Ehren des
Verstorbenen von den Sitzen zu erheben.
Schluss der Sitzung 10 Uhr.
Sitzung vom 11. März 1907 auf Zimmerleuten.
Beginn 87* Uhr. Vorsitzender: Herr Prof. Dr. A. Werner.
Die Protokolle der letzten und vorletzten Sitzung werden verlesen und
genehmigt. Zum Eintritt in die Gesellschaft hat sich angemeldet Herr Dr.
Conr. Schindler, empfohlen von Herrn Dr. Veraguth.
Der Vorsitzende macht Mitteilung vom Tode des Herrn Prof. Dr. Mayer-
Eymar, Mitglied der Gesellschaft seit 1872. Die Versammlung erhebt sich zu
Ehren des Verstorbenen von ihren Sitzen.
Herr Dr. 0. Veraguth hält einen Vortrag „Über einige körperliche
Aeusserungen psychischer Vorgänge" (mit Demonstrationen).
Die Diskussion wird benützt von Herrn Dr. Schellenberg.
Herr Dr. G.Eichhorn wird einstimmig in die Gesellschaft aufgenommen,
ebenso Herr Dr. Conr. Schindler, dessen Wahl in Anbetracht der letzten
Sitzung dieses Winters heute schon vorgenommen wird. Der Vorsitzende dankt
für den zahlreichen Besuch und das rege Interesse, das den Darbietungen
unserer Gesellschaft entgegengebracht worden ist und schliesst damit die
Sitzungen des Winterhalbjahres 1906/07.
Schluss der Sitzung 10 Uhr.
Hauptversammlung vom 3. Juni 1907 auf Zimmerleuten.
Beginn 7 Uhr. Vorsitzender: Herr Prof. Dr. A. Werner.
Das Protokoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt. Der Vor-
sitzende gedenkt der seit der letzten Sitzung hingeschiedenen" Mitglieder, der
Herren K. Ott, früher langjähriger Bibliothekar der Gesellschaft; H. St u der,
Ingenieur; E. Mortons, Landschaftsgärtner. Zu Ehren der Verstorbenen er-
heben sich die Anwesenden von ihren Sitzen.
Zur Aufnahme in die Gesellschaft haben sich angemeldet die Herren
Dr. A. de Quervain, eingeführt durch Herrn Prof. Heim und Dr. L. G. Du
Paquier, eingeführt durch Herrn Prof. Rudio.
In sofort vorgenommener Abstimmung werden beide Herren einstimmig-
in die Naturforschende Gesellschaft aufgenommen.
Der Quästor, Hr. Dr. H. K r o n a u e r, legt die Rechnung für das Jahr 1906 vor :.
Fr. Rp.
Einnahmen: Zinsen des Haupt- und Illustrationsfonds 4,225.50
Beiträge der Mitglieder 4,859. —
Verkauf der Neujahrsblätter 395.68
Verkauf von Katalogen 88. —
Vierteljahrsschrift 266. 75
Beiträge von Behörden und Gesellschaften 8,200. —
Allerlei 297. 25
Summe der Einnahmen: 13,832.18
dazu die Legate Kölliker und Bodmer 1,613. 50
Gesamtsumme der Einnahmen: 14,945.68
Sitzungsberichte von 1907.
561
Ausgaben:
Büclier
Buchbinderarbeiten
Neujahrsblatt
Vierteljalirsschrift
Katalogisierungsarbeiten
Miete, Heizung und Beleuchtung
Besoldungen
Verwaltung
Allerlei
Fr. Rp.
4,379. 67
870.35
715.-
4,987. 80
13.20
92.50
2,465. 20
468.-
33.-
Gesamtsumme der Ausgaben: 14,024.72
Gegenüber dem Voranschlag ergibt sich für die Einnahmen ein Mehrbetrag
von Fr. 1,296. 18, herrülirend vom Legat Bodmer-Beder und einem etwas
grösseren Betrag der Zinsen und der Vierteljahrsschrift. Im Voranschlag für
die Ausgaben waren Fr. 500.— weniger ausgesetzt gewesen, als für die Einnahmen^
da nach einem Beschluss der Gesellschaft vom letzten Jahre vom Legat Kölliker
ein Betrag in dieser Höhe dem Stammkapital zuzuschlagen war, als Reserve
für die Weiterführung der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, im Falle
diese Zeitschrift nicht mehr geschenkweise eingehen sollte. Die wirklichen
Ausgaben überschritten den Voranschlag um I"r. 875. 22. Während sämtliche
übrigen Posten auch derjenige für Bibliothekausgaben etwas unter dem Vor-
anschlag blieben, betrug beim Neujahrsblatt die Mehrausgabe Fr. 165.— und
bei der Vierteljahrsschrift Fr. 987.80, verursacht durch den reichen Inhalt, das
vergrösserte Format und die vermehrte Auflage der Zeitschrift, verbunden mit
einer beträchtlichen Erhöhung der Druck kosten. Der Überschuss der Einnahmen
über die Ausgaben beträgt Fr. 920. 96, von denen Fr. 500. — eben als die oben
erwähnte Reserve anzusehen sind. Das Gesamtvermögen der Naturforschenden
Gesellschaft stellt sich Ende 1906 auf Fr. 88,802. 14, wovon auf den Hauptfond
Fr. 82,304.14 und auf den Illustrationsfond Fr. 6,500. - entfallen.
Die Rechnungsrevisoren, die Herren Prof. Dr. B u r k h a r d t und Dr. Gysi, hab en
die vorliegende Rechnung geprüft, mit den Belegen verglichen und alles richtig
befunden ; sie beantragen dem Herrn Quästor die Rechnung abzunehmen, unter
bester Verdankung seiner sorgfältigen und umsichtigen Rechnungsführung.
Zum Budget für 1907 macht Herr Dr. Kronauer folgende Vorschläge:
Einnahmen.
Ausgaben
[.
Zinsen von Kapitalien
Fr.
4,300. -
Bücher
Fr.
4,350. —
Beiträge der Mitglieder
!1
4,830. -
Einbände
»
1,100. -
Neujahrsblatt
n
400.-
Neujahrsblatt
„
400. —
Katalog
n
36.-
Vierteljahrsschrift
„
4,000. -
Vierteljahrsschrift
»
200. -
Katalogisierungsarbeiten
)i
20.-
Beiträge von Behörden
Miete, Heizung und Be-
und Gesellschaften
)i
3,200. -
leuchtung
n
150.-
Allerlei
))
74.-
Besoldungen
H
2,500. -
Verwaltung
n
500. -
Allerlei
n
20.-
Total
Fr.
13,040. -
Total
f7.
13,040. -
Als Staatsbeitrag sind wieder Fr. 1,500. — in Aussicht genommen. Die
übrigen Ansätze entsprechen im Ganzen denjenigen des Voranschlages für 1906.
562 Emil Schoch.
Eine kleine Vermehrung zeigt der Posten Bücher, eine kleine Verminderung
die Posten Katalogisierungsarbeiten und Allerlei. Ebenfalls eine Verminderung
erfährt der Posten Neujalirsblatt, für den Fr. 400. — angenommen werden.
Kechnung und Budget werden dem Herrn Quästor nochmals bestens verdankt.
In der an den Kechnungsbericht anschliessenden Diskussion wünschen die
Herren Prof. Werner und Prof. Grubenmann, es möchte das Budget bezüglich
des Neujahrsblattes und der Vierteljahrsschrift unter keinen Umständen über-
schritten werden. Herr Prof. Rudio bedauert die Überschreitung des letzt-
jährigen Budgets, die leider ohne Pieduktion der Vierteljahrsschrift nicht zu
vermeiden war. Doch können Mitarbeiter nicht gut zurückgewiesen werden.
Beim Neujahrsblatt waren die Tafeln die Ursache der Überschreitung.
Herr Prof. Burkhardt, derzeit Rechnungsrevisor, macht aufmerksam auf die
die Druckerrechnung stark belastenden Korrekturen. Herr Prof. Rudio weist
nach, dass die Schuld daran nicht an der Druckerei liegt, die gut und korrekt
arbeitet; anschliessend bemerkt Herr Prof. Rudio, dass durch die Erhöhung der
Setzerlöhne um 107o eine erhebliche Mehrbelastung des Druckerkontos ein-
getreten ist.
Der Aktuar, Herr Dr. E. Schoch, verliest den Bericht über die wissen-
schaftliche Tätigkeit und den Bestand der Naturforschenden Ge-
sellschaft 1906/1907.
Im Berichtsjahr wurden, die heutige Generalversammlung eingerechnet,
9 Sitzungen abgehalten. Die Besuchsfrequenz blieb ungefähr gleich, wie im
vorigen Jahre. Mit Bedauern vermisste der Berichterstatter einige der ehr-
würdigen Häupter der Naturwissenschaften in Zürich, die früher fast regel-
mässig an den Veranstaltungen unserer Gesellschaft, deren Zierde sie sind und
bleiben werden, teilnahmen. Ob vermehrte Berufstätigkeit, ob vorgerücktes
Alter oder Krankheit sie von uns fernhielten, wir hofi'en doch, dass sie je und
je wieder in unseren Sitzungen erscheinen werden.
In den neun Sitzungen wurden 12 Vorträge und Mitteilungen gegeben, die
in folgende Disziplinen fallen. 1 auf Physik, 1 auf Zoologie, 1 auf Botanik,
2 auf Mineralogie, 5 auf Geologie, 2 auf Physiologie.
a) Vorträge:
1. Herr Dr. Paul Arbenz: Der Ausbruch des Vesuv im Jahre 1906.
2. „ Privatdozent Bruno Zschokke: Die Metallographie, eine neue ünter-
suchungsmethode der Metalle.
3. , Prof. Dr. Zangger: Über Membranen, speziell deren Bedeutung in
der Physiologie und Pathologie.
4. „ Prof. Dr. Kleiner: Übersicht über die Resultate der neuesten experi-
mentellen und spekulativen Forschung auf physikalischem Gebiet.
5. „ Dr. Leo Wehrli: Die Kohlen der Schweizeralpen.
6. „ Dr. Veraguth: Über einige körperliche Aeusserungen psychischer
Vorgänge.
b) Mitteilungen und Demonstrationen:
1. Herr Prof. Dr. Heim für Dr. Arnold Heim: Demonstration eines Chur-
firstenpanoramas und Photographien von Karren.
2. „ Prof. Dr. Heim: Wüstenphänomene; Herr Dr. Thellung: Eine Wüsten-
pflanze.
3. „ Prof. Dr. Standfuss: Weitere Untersuchungen über die Vorstufe der
Art.
Sitzungsberichte von 1!)07. 563
4. Herr Prof. Dr. Schröter: Glaciale Parallelformeii montaner Alchimillen und
myrmekochore Pflanzen.
5. „ Prof. Dr. Grubenmann: Ein neuer Granatolivinfels im Tessin.
Wie in früheren Jahren erschienen aucli diesmal über die Mehrzahl der
Vorträge kurze Berichte in der N. Z. /. Den Herren Verfa.ssern dieser Referate,
die zugleich zu Gunsten der Gesellschaftskasse auf das Honorar verzichtet
haben, sei der Dank der Gesellschaft ausgesprochen.
Vorstands Sitzung.
Der Vorstand behandelte in einer Sitzung die Konstituierung der zürcherischen
Kommission für Naturschutz, ferner eine Eingabe bezüglicli Einführung einer
internationalen Hilfssprache und diskutierte über die Frage, ob es angezeigt
sei, auswärtige Persönlichkeiten von wissenschaftlicher Bedeutung zu unseren
VVintervorträgen heranzuziehen.
Vi e r t e 1 j a li r s s c h r i f t.
Der 51. Jahrgang der Vierteljahrsschrift umfasst 559 Seiten mit 22 wissen-
schaftlichen Abhandlungen von 18 verschiedenen Verfassern. Von diesen Ab-
handlungen stammen aus dem Gebiet der Mathematik 3, der Physik 2, der
Botanik 5, der Physiologie 2, der Geologie 8. 2 Beiträge gehören zu den
Notizen zur Schweiz. Kulturgeschichte. Das Schlussheft enthält die Sitzungs-
berichte und den Bibliothekbericht für 1906, sowie ein auf 31. Dez. 1906 abge-
schlossenes Mitgliederverzeichnis.
Das Neujahrsblatt, herausgegeben von der Naturforschenden Gesellschaft
auf das Jahr 1907, 109. Stück, wurde verfasst von Herrn Privatdozent Dr.
M. Rikli. Es trägt den Titel „Kultur- und Naturbilder von der spanischen
Riviera" und umfasst 46 Seiten mit 6 Tafeln.
Bestand der Gesellschaft.
Er zeigt gegenüber dem Vorjahre folgende Veränderungen. Neu aufge-
nommen wurden 12 Mitglieder. Andererseits hat der Tod der Gesellschaft
einige hervorragende Mitglieder entrissen.
Es btarben im Berichtsjahr die Herren :
A. Bodmer-Beder,
Prof. Dr. Wilh. Ritter,
Prof. Dr. A. Weilen mann,
C. Bodmer im Beckenhof,
Prof. Dr. Mayer-Eymar.
Ausgetreten ist Herr Sekundarlehrer Aeppli.
Am 31. Dezember 1906 zählte die Naturforschende Gesellschaft 18 Ehren-
mitglieder, 2 korrespondierende und 286 ordentliche Mitglieder.
Der Bericht des Aktuars wird genehmigt und bestens verdankt.
Der Bibliothekar, Herr Prof. Dr. Hans Schinz, verliest den
Bibliotheksbericht.
Die Zahl der Entleiher von Büchern aus dem Bücherbestand unserer Ge-
sellschaft belicf sich im Jahre 1906 auf 114 (1905: 97) und zwar wurden, abge-
sehen von den bei den Professoren Lang, Werner und Schinz deponierten
Serien, 1151 (1905; 1151) Werke ausgeliehen. Die durchschnittliche Zahl der
Lesesaalbesucher belief sich auf 10—12 (1905: gleichfalls 10-12). Anzahl der
Tauschgesellschaften: Schweiz 40, Deutschland 110 (1905: 106), Oesterreich-
564 Emil Schoch.
Ungarn 41, Holland 13, Dänemark, Schweden und Norwegen 20, Frankreich 37
(1905: 36), Belgien 11, England 32 (1905: 31), Italien 29, Spanien, Portugal 7,
Russland, Rumänien 22 (1905: 21), Amerika 98, übrige Länder 22. Total 482
(1905: 475).
Aufgegeben wurde keine Verbindung.
Zahl der angeschafften Periodica: Akademien, Allgemeines 31 (1905: 31),
Astronomie, Meteorologie 4 (1905: 4), Botanik 16 (1905: 16), Geographie, Ethno-
graphie 8 (1905: 11), Geologie, Petrographie, Mineralogie 19 (1905:21), Mathe-
matik 14 (1905: 15), Physik, Chemie 16 (1905: 15), Zoologie 17 (1905: 16).
Zusammen 125 (1905: 130).
Der Rückschlag rührt zum Teil davon her, dass im Berichtsjahre mehrere
Lieferungswerke zum Abschluss gelangt sind, zum Teil auch darin, dass der
Bibliothekar sich veranlasst gesehen hat, in Anbetracht unverhältnismässig
grosser unerwarteter Kreditüberschrcitungen auf anderen Rechnungsposten, im
Berichtsjahre mit der Anschaffung neuer Werke möglichst zurückhaltend zu sein.
Eine Revision der Bibliothek hat im Berichtsjahre nicht stattzufinden gehabt.
Von den gemeinsamen Zuwachsverzeichnissen der stadtzürcherischen Biblio-
theken sind im Jahre 1906 veröffentlicht worden:
1905, Band IX, 3. und 4. Teil; 1906, Band X, 1. und 2. Teil.
Der Verkehr mit dem Lesemuseum, die Mappenzirkulation und die Ab-
wicklung des Tauschverkehrs geben zu keinen Bemerkungen Anlass.
Der Bericht des Herrn Bibliothekars wird genehmigt und ihm für seine
Mühe der wärmste Dank der Gesellschaft ausgesprochen.
Wahlen: An Stelle des verstorbenen Herrn Bodmer-Beder, Vertreter der
Mineralogie, Geologie in der Bibliothekskommission wird vom Vorstande vor-
geschlagen und durch die Hauptversammlung gewählt Herr Dr. Paul Arbenz.
Geolog.
Als Delegierte unserer Gesellschaft zur Jahresversammlung der Schweiz,
naturforschenden Gesellschaft nach Freiburg werden gewählt die Herren Prof,
Dr. C. Hescheler und Dr. E. Schoch.
Vortrag: Herr Dr. Adler hält einen Vortrag ,Über einige Ergebnisse
thermodynamischer Studien".
An der Diskussion beteiligen sich die Herren Prof. Dr. Stodola, Prof. Dr.
Rudio und Dr. Adler.
Schluss der Sitzung 8 ',2 Uhr.
Den Verhandlungen schliesst sich ein gemeinsames Abendessen an.
Sitzung vom 4. November 1907 auf Zimmerleuten.
Beginn 8 Uhr. Vorsitzender: Herr Prof. Dr. A. Werner.
Das Protokoll der Hauptversammlung wird verlesen und genehmigt. Der
Vorsitzende macht Mitteilung vom Tode unseres Ehrenmitgliedes, Herrn Ge-
heimrat Prof. Dr. Gustav Zeuner in Dresden, zu dessen Ehren sich die An-
wesenden erheben.
Als Andenken an unser langjähriges Mitglied Herrn Ott ist uns ein hoch-
herziges Legat von Fr. 200.— zugegangen, das vom Vorstande gebührend ver-
dankt wurde.
Ferner verdankt der Vorsitzende, die von der hob. Regierung gewährte
jährliche Subvention von Fr. 1500.—.
Zur Aufnahme in die Gesellschaft hat sich angemeldet Herr J. Hilfiker
vom eidg. topograph. Bureau, empfohlen durch Herrn Prof. Rudio und den
Vorstand.
Sitzungsberichte von 1907. 565*
Der Vorsitzende bittet die Mitglieder, sich für die Gesellschaft recht rege
zu interessieren, Vorträge anzumelden und neue Mitglieder anzuwerben.
Herr Prof. Dr. 4. Lang hält einen Vortrag: ,Eine neue cytologische
Theorie über die Geschlechtsbestimmung\
An der Diskussion beteiligen sich die Herren Escher-Kündig, Prof. Schröter
und Prof. Lang.
Schluss der Sitzung 10' < Uhr.
Sitzung vom 18. November 1907 auf Zimmerleuten.
Beginn 8 Uhr. Vorsitzender: Herr Prof. Dr. A. Werner.
Das Protokoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt.
Zur Aufnahme in die Gesellschaft haben sich angemeldet die Herren:
Dr. Diebold, Arzt, emijfohlen durch Herrn Prof. Schinz und den Vorstand.
Otto Brunn er, Apotheker, empfohlen durch Herrn Prof. Schröter, Dr.
Meyer und den Vorstand.
Dr. Edgar Meyer, Physiker, empfohlen durch Herrn Dr. Adler und den
Vorstand.
Dr. Hans Strohl, Zoologe, empfohlen durch die Herren Prof. Lang und
Prof. Hescheler.
Wies mann, Sek. -Lehrer, empfohlen durch die Herren Dr. Bretschcr und
Prof. Hescheler.
Dr. Schwarzenbach, Arzt, empfohlen durch die Herren Prof. Silber-
schmidt und Dr. Ulrich.
Herr Prof. A. Heim hält einen Vortrag, betitelt: ,Die neuen Entdeckungen
über den Bau der Alpen".
An der Diskussion beteiligen sich die Herren Prof. Becker, Dr. Arnold
Heim, Prof. Schröter und Prof. Heim.
Herr Dr. Hilf ik er, Ingenieur wird einstimmig als Mitglied in die Xatur-
forschende Gesellschaft aufgenommen.
Schluss der Sitzung 10^/2 Uhr.
Sitzung vom 2. Dezember 1907 auf Zimmerleuten.
Beginn 8 Uhr. Vorsitzender: Herr Prof. Dr. A. Werner.
Das Protokoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt. Der Vor-
sitzende macht Mitteilung vom Tode unseres verdienten Mitgliedes, des Herrn
Prof. Dr. G. Sidler in Bern, zu dessen Andenken sich die Mitglieder von ihren
Sitzen erheben.
Herr Dr. W. Fiedler wünscht aus der Naturforschenden Gesellschaft aus-
zutreten.
Zum Eintritt in unsere Gesellschaft hat sich augemeldet:
Herr Karl Emil Gogarten, Bergingenieur, empfohlen durch die Herren
Prof. Dr. Heim und Dr. Arbenz.
Herr Prof. Dr. Constam hält einen Vortrag, betitelt: „Methoden zur Be-
wertung der Brennmaterialien".
Im Anschluss an denselben ladet er die Mitglieder ein zur Besichtigung
der Eidg. Prüfungsanstalt für Brennstoffe. An der Diskussion beteiligen sich
die Herren Prof. Werner und Prof. Constam.
Die Herren Otto Brunn er, Apotheker; Dr. phil. Edgar Meyer, Dr.
Hans Strohl, Wiesmann, Sek.-Lehrer und Dr. med. Schwarzenbach
werden einstimmig als Mitglieder in die Gesellschaft aufgenommen.
Schluss der Sitzung 9 Uhr 20. .
•566 Emil Schoch.
Sitzung vom 16. Dezember 1907 auf Zimmerleuten.
Beginn 8 Uhr. Vorsitzender: Herr Prof. Dr. A. Werner.
Das Protokoll der letzten Sitzung wird verlesen und genehmigt. Der Vor-
sitzende teilt mit, dass Herr Dr. Schoch infolge Trauerfall in der Familie ver-
hindert ist, die Aktuariatsgeschäfte zu besorgen. Herr Prof. Dr. Pfeiffer ist so
freundlich, in der Zwischenzeit Herrn Dr. E. Schoch zu vertreten.
Zum Eintritt in unsere Gesellschaft haben sich angemeldet:
Herr Prof. Mauderli, Solothurn, empfohlen durch Herrn Prof. Werner.
Herr Prof. Dr. M. Grossmann am eidgen. Polytechnikum, empfohlen durch
Herrn Prof. Schinz.
Der Vorsitzende macht dann Mitteilung von einem Schreiben des Quästorats
der Schweiz. Naturf. Gesellschaft, in welchem die Kollekte für die Pierre des
Marmettes in empfehlende Erinnerung gebracht wird.
Herr Dr. Arnold Heim hält einen Vortrag, betitelt: „Die Brandungszone
der Schweizeralpen\ An der Diskussion beteiligen sich die Herren Prof.
Grubenmann, Prof. Früh, Dr. Heim, Dr. Arbenz, Prof. Heim, Direktor Huber.
Herr Gogarten wird einstimmig als Mitglied in die Gesellschaft aufge-
nommen.
Schluss der Sitzung 9 Uhr 55.
Der Aktuar: E. Schoch.
Bibliotheksbericht von 1907.
Der Bibliothek sind vom 15. Dezember 1906 bis zum 15. Dezember 1907
nachstehende Schriften zugegangen :
A. Geschenke.
Von Herrn Gr. Claraz, Zürich:
Revue scientilique, Paris, 5« serie, 1906, 2" semestre, nos. 16—26; 1907,
1"'' semestre, nos. 1—26; 2® semestre, nos. 1—14.
Von f Herrn Geh.-Bat Prof. Dr. Alb. v. Kölliker, Wärsburg
(bezvv. von der Buchhandlung W. Engelmann, Leipzig):
Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, Bd. LXXXV, Heft 1-4; Bd. LXXXVI,
Heft 1-4; Bd. LXXXVII, Heft 1-4; Bd. LXXXVIH, Heft 1-3.
Von Herrn Prof. Dr. J. Heuscher, Zürich F.-
Schweizer. Fischereizeitung 1906, Bd. XIV, No. 11-12; 1907, Bd. XV,
No. 1-10.
Von Herrn Prof. Dr. Ant. Magnin, üniversiie, Besangon:
Archives de la fiore jurassienne, annec VH, 1906, no. 67.
Von Herrn Dr. Paul Choffat, Landesgeolog, Lissabon:
Especes nouvelles ou peu connues du Mesozoique portugais. IL Cretacique.
SA. Paris 1906.
Von Herrn Prof. Dr. F. Eiidio, Zürich V:
Ferd. Rudio. Besprech. von: Max C.P.Schmidt. Kulturhistorische Beiträge zur
Kenntnis des griechischen und römischen Altertums. Heft 1 : Zur Entste-
hung und Terminologie der elementaren Mathematik. SA. Berlin, 1907.
Ferd. Rudio. Kleine Bemerkungen zur zweiten Auflage von Cantors „Vor-
lesungen über Geschichte der Matliematik". S. A. o 0. 1907.
Die angebliche Kreisquadratur bei Aristophanes. S. A. Leipzig, 1907.
Ferd. Rudio und Carl Schröter. Notizen zur schweizer. Kulturgeschichte.
19-20. SA. Zürich, 1906.
Von Frau Prof. Dr. W. Bitter, Bemismühle:
G. Thurnherr. Prof. Dr. Wilh. Ritter. Nekrolog. Zürich, 1906.
Von Herrn Dr. Ernst Blumer, Zollilcon:
Zur Kenntnis des helvetischen Alpen-Nordrandes. Vortrag. SA. Zürich, 1906.
Von Herrn Dr. Arnold Heim, Zürich V:
I. Die Brandung der Alpen am Nageltiuhgeblrge.
II. Die Erscheinungen der Längszerreissung und Abquetschung am nordschwciz.
Alpenrand. Vorträge. SA. Zürich, 190().
Eine Anzahl Einzelheftc aus russischen Zeitschriften.
568 Hans Schinz.
Von Herrn Prof. Dr. Ulrich Gruhenmann, Zürich V:
Die kristallinen Schiefer. IL Spezieller Teil. Berlin, 1907.
üeber einige schweizer. Glaukophangesteine. SA. Stuttgart, 1906.
Von der tit. Stadthibliothek, Zürich:
Joh. Matth. Bechstein. Naturgeschichte der Stubentiere. 2 Bände. 8. Auflage.
Gotha, 1807, 1812.
Mor. Seubert. Die Pflanzenkunde. Bd. I— IL Stuttgart, 1849—1850.
Carl von Linne. Lehr-Buch über das Natursystem, so weit es das Tierreich
angehet. Bd. I— H. Nürnberg, 1781—1782.
Pflanzens)'stem im Auszuge. IIL Teil. Nürnberg, 1792.
Therese, Prinzessin von Bayern. Yon Ihrer Kgl. Hoheit der Prinzessin Therese
von Bayern auf einer Reise in Südamerika gesammelte Insekten. Fortsetz.
und Sciiluss. SA. Berlin, 1901-1902.
108 Dissertationen naturwissenschaftlichen Inhalts der Universitäten Bern und
Königsberg etc. aus den Jahren 1905—1907.
Von Herrn Louis Bourdeau, Paris:
Le Probleme de la mort. 4® edition. Paris, 1904.
Von Herrn Prof. Dr. A. Wolfer, Stermvarte, Zürich IV:
Astronomische Mitteilungen No. 97. Zürich, 1906.
üeber einen neuen Messapparat für photographische Platten von 0. Toepfer
& Sohn in Potsdam. SA. Berlin, 1907.
Vom Minister e des iravanx publics, Paris:
Etudes des gites mineraux de la France. 13 Bände Text und 11 Bände Tafeln.
Von Herrn Dr. Otto Schlag inhaufen, Assistent, Dresden:
Beschreibung und Handhabung von Rud. Martins diagraphen-technischen Appa-
raten. SA. Braunschweig, 1907.
Ein Canalis craniopharyngeus persistens an einem Menschenschädel und sein
Vorkommen bei den Anthropoiden. SA. Jena, 1907.
üeber das Leistenrelief der Hohlhand- und Fussohlen-Fläche der Halbafl'en,
Affen- und Menschenrassen. SA. Wiesbaden, 1906.
Ein Fall von Ossification des Ligamentum apicis dentis epistrophei beim Men-
schen und entsprechende Bildungen bei den Affen. SA. Leipzig, 1907.
Untersuchungen über den Sagittalumfang u. seine Komponenten an 100 Schädeln
aus Melanesien. SA. Dresden, 1907.
Von der „Kartographia Winterthur" . vormals Topograph. Anstalt Winterthur,
J. Schlumpf:
Die Jvartographia Winterthur". Neujahr 1907. Winterthur, 1906.
Von Herrn Lic. Alfonso Toro, Zacatecas (Mexico):
Estudio sobre el origen del horabre en America. Zacatecas, 1906.
Von f Herrn Th. Würtenherger in Emmishofen:
Die Tärtiärflora des Kantons Thurgau. Frauenfeld, 1906.
Der üeberlinger Tunnel und seine Bedeutung für die Bodensee-Geologie. Frauen-
feld, 1901.
Von Herrn Prof. Dr. Arnold Lang, Zürich IV:
Agricultural Gazette of New South Wales. Vol. XVII, 1906.
Von Herrn C. Escher-Hess, Zürich I:
üeber einige Vorkommnisse der oligocänen und miocänen Molasse und Nagel-
fluh der östlichen Schweiz. Zürich, 1907.
Bibliotheksbericht von 1907. 569
Von Herrn Iwan Tywonowijcz, Wien XVIII, Genizt/asse 21:
Die Erde als Quelle der Wärme. Eine Theorie von J. T. Wien, 1907.
Von Herrn Dr. phil. Gustav Eichhorn^ Zürich II:
Die drahtlose Telegraphie auf Grund eigener praktischer Erfahrungen. Leipzig,
1904.
Wireless telegraphy. London, 1906.
B. Im Tausch gegen die Yierteljahrssclirift.
a) Schweiz.
Basel. Naturforsch. Gesellschaft, Verhandlungen, Bd. XIX, Heft 1—2.
Bern. Schweiz, naturforsch. Gesellschaft, Verhandlungen, Bd. LXXXIX, 1906;
Geologische Kommission: Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz,
neue Folge Liefg. XXVI, Heft 1; XXIX, Heft 1; Beiträge zur Geologie
der Schweiz, Geotechnisclie Serie, Liefg. IV.
Bern. Eidgen. Oberbauinspektorat, Hydrometrische Abteilung, Hauptergebnisse
1892, 1902; Wasserverhältnisse der Schweiz : Rheingebiet von den Quellen
bis zur Tamina, 2. und 3. Teil, Nachtrag 1.
Bern. Naturforschende Gesellschaft Bern, Mitteilungen, 1905, No. 1591-1608;
1906, No. 1609-1628.
Bern. Schweizer, botanische Gesellschaft, Berichte, Heft XVI (Register zu Heft
I-XV).
Chur. Naturforschende Gesellschaft Graubündens, Jahresbericht, neue Folge
Bd. XLVm, 1905-1906; XLIX, 1906-1907.
Fribourg. Societe fribourgeoise des sciences naturelles, Memoires: Botanique,
vol. n, No. 2—3; Geologie et Geographie, vol. IV, No. 3; Chimie, vol. II,
No. 3-4; m No. 1.
Geneve. Societe helvetique des sciences naturelles, Compte-rendu des travaux,
Session LXXXIX, 1906.
Geneve. Societe de physique et d'histoire naturelle, Memoires, vol. XXXV,
fasc. 3; Beilage: E. Ador, Oeuvres completes de J.-C. Galissard de Marignac.
2 tomes.
Glarus. Naturforschende Gesellschaft, Neujahrsblatt Heft 2.
Lausanne. Societe vaudoise des sciences naturelles, Bulletin, 5*^ serie, vol. XLII,
No. 156-157; XLIH. No. 158-159.
Liestal. Naturforschende Gesellschaft Baselland, Tätigkeitsbericht 1904—1906.
Neuchätel. Societe de geographie, Bulletin, tome XVII, 1906.
Neuchätel. Commission geodesique suisse, Proces-verbal, No. LIII, 1907.
Schaffliausen. Schweizerische entomologische Gesellschaft, Mitteilungen, Bd. XI,
Heft 5-6.
Sion. Societe valaisanne des sciences natur., Bulletin de la Murithienne, fasc.
XXXHI, 1904.
Solothurn. Naturforschende Gesellschaft, Mitteilungen, Heft III, 1904—1906.
Winterthur. Stadtbibliothek, Neujahrsblatt für 1907.
Zürich. Schweizer. Ingenieur- und Architektenverein, Schweizer. Bauzeitung
1906, Bd. XLVIII, No. 20-26; 1907, Bd. IL, No. 1-26; Bd. L, No. 1-21.
Zürich. Zuwachsverzeichnis der Bibliotheken, 1906, Bd. X, Heft 2-4; 1907,
Bd. XI, Heft 1.
Zürich. Stadtbibliothek, Jahresbericht 1906.
Zürich. Schweizer, meteorologische Centralanstalt, Annalen, Jahrg. XLII, 1905.
Vierteljahrsschrift d. Nuturf. Ges. Zürich. Jahrg. 52. 1907. 37
570 Hans Schinz.
Zürich. Ph3'sikalische Gesellschaft, Mitteilungen, 1906, No. 10.
Zürich. Museumsgesellschaft, Jahresbericht 73, 1906, und Beilage.
Zürich. Zentralkatalog, Jahresbericht VIII, 1906.
Zürich. Schweizer. Landesmuseum, Jahresbericht XV, 1906.
h) Dcutscläand.
Augsburg. Naturwissenschaftlicher Verein für Schwaben und Neuburg, Bericht
XXXVir, 1906.
Berlin. Deutsche chemische Gesellschaft, Berichte, Jahrg. XXXIX, No. 14—18
und Beilage; XL, No. 1—15.
Berlin. Gesellschaft Naturforschender Freunde, Sitzungsberichte 1906, No. 7—10;
1907, No. 1-7.
Berlin. Deutsche geologische Gesellschaft, Zeitschrift, Bd. LVIII, Heft 2— 4; LIX,
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Berlin. Kgl. preuss. Akademie der Wissenschaften, Sitzungsberichte 1906,
Heft 39-53; 1907, No. 1-38.
Berlin. Botanischer Verein der Provinz Brandenburg, Verhandlungen, Jahrg.
XLVIII, 1906.
Berlin. K. preussische geologische Landesanstalt und Bergakademie, Jahrbuch
Bd. XXIV, 1903.
Berlin. K. preussisches meteorologisches Institut, Veröffentlichungen: Ergeb-
nisse der Niederschlagsbeobachtungen 1903, 190i; Ergebnisse der Gewitter-
beobachtungen 1901-1902.
Berlin. Preuss. Landesanstalt für Gewässerkunde, Jahrbuch, Besondere Mittei-
lungen, Bd. I, Heft 1.
Berlin. Naturwissenschaftlicher Verein für Neu-Vorpommern und Rügen in
Greifs wald, Mitteilungen, Jahrg. XXXVIII, 1906.
Bonn. Niederrheinische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde, Sitzungsberichte
1905, Teil II; 1906, Teil L
Bonn. Naturhistorischer Verein. Verhandlungen, Jahrg. LXII, 1905, IL Hälfte;
LXIII, 1906, I. und II. Hälfte; Sitzungsberichte 1906, Teil IL
Braunschweig. Naturwissenschaftliche Rundschau, Jahrg. XXI, 1906, No. 46—52;
XXH, 1907, No. 1-47.
Braunschweig. Deutsche physikalische Gesellschaft, Verhandlungen, Jahrg. VI,
No. 22-24: VII, No. 1-24; VIII, No. 1-24; IX, No. 1-20.
Bremen. Naturwissenschaftlicher Verein, Abhandlungen, Bd. XIX, Heft 1.
Bremen. Deutsches meteorologisches Jahrbuch für 1906, Bd. XVII.
Colmar. Naturhistorische Gesellschaft, Mitteilungen, neue Folge, Bd. VIII,
1905-1906.
Darm Stadt. Verein für Erdkunde und geologische Landesanstalt, Notizblatt,
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Dresden. Naturwissenschaftliche Gesellschaft „Isis", Sitzungsberichte und Ab-
handlungen, Jahrg. 1906, Juli-Dezember; 1907, Januar-Juni.
Dresden. Verein für Erdkunde, Mitteilungen, Heft 4—6.
Dresden. Gesellschaft für Natur- und Heilkunde, Jahresbericht 1905—1906.
Dürkheim. Polichia, Naturwissenschaftlicher Verein, Mitteilungen 1906, No. 22
und Beilage.
Emden. Naturforschende Gesellschaft, Jahresbericht, Bd. XC, 1904—1905.
Erlangen. Ph^sikal-medizinische Societät, Sitzungsberichte, Bd. XXXVIII, 1906.
Bibliotheksbericht von 1907. 571
Frankfurt a. M. Senckenbergsche naturforschende Gesellschaft, Abhandlungen,
Bd. XXIX, Heft 2; Bericht 190G.
Frankfurt a. M. Physikalischer Verein, Jahresbericht 1905—1906.
Giessen. Oberhessische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde, Bericht, Xatur-
wissenschaftliche Abteilung, Bd. 1, 190i— 1900; Medizin. Abteilung, n. Folge
Bd. n.
Görlitz. Naturforschende Gesellschaft, Abhandlungen, Bd. XXIV; XXV, Heft 1-2.
Göttingen. K. Gesellschaft der Wissenschaften, Nachrichten, niathemat. -natur-
wissenschaftliche Klasse, 1906, Heft 3—5; 1907, Heft 1-3; Geschäftliche
Mitteilungen 1907, Heft 1.
Greifswald. Geographische Gesellschaft, Jahresbericlit X, 1905—1906.
Halle. Verein für Erdkunde, Mitteilungen, Jahrg. XXXI, 1907.
Halle. Kaiserl. Leopoldinisch- Carolin, deutsche Akademie der Naturforscher,
Leopoldina, Heft XLII, No. 10—12; XLIII, No. 1—10; Nova Acta, Bd.
LXXXV-LXXXVI.
Hamburg. Naturhistorisches Museum, Mitteilungen, Jahrg. XXIII.
Hamburg. Mathematische Gesellschaft, Mitteilungen, Bd. IV, Heft 7 u. Beilage.
Hamburg. Naturwissenschaftl. Verein, Abhandlungen Bd. XIX, Heft 1—2; Ver-
handlungen, 3. Folge, Bd. XIV, 1906.
Heidelberg. Naturhistorisch -medizinischer Verein, Verhandlungen, n. Folge,
Bd. VIII, Heft 3-4.
Hirschberg i. Schi. Deutscher und österreichischer Riesengebirgs-Verein, Der
Wanderer im Riesengebirge, No. 290—301.
Karlsruhe. Grossherzogl. Sternwarte zu Heidelberg, Verötfentlichungen, Bd. IV;
Mitteilungen, Bd. VII— IX.
Karlsruhe. Astrophysikal. Observatorium Königstuhl-Heidelberg, Publikationen,
Bd. n, No. 1-12; III, No. 1-3.
Karlsruhe. Naturwissenschaftlicher Verein, Verhandlungen, Bd. XIX, 1905—1906.
Kassel. Verein für Naturkunde, Abhandlungen und Bericht, Bd. LI, 1907.
Kiel. Kommission zur wissenschaftlichen Untersuchung der deutschen Meere
in Kiel und der biologischen Anstalt auf Helgoland, Wissenschaftliche
Meeresuntersuchungen, Abt. Helgoland, n. Folge, Bd. VIII, Heft 1.
Kiel. Naturwissenschaftlicher Verein für Schleswig-Holstein, Schriften, Bd. XIII,
Heft 2.
Leipzig. Kgl. sächsische Gesellschaft der Wissenschaften, Mathemat.-physikal.
Klasse, Abhandlungen, Bd. XXIX, No. 7-8; XXX, No. 1-3; Berichte über
die Verhandlungen 1906, Bd. LVIII, Heft 3-8; 1907, Bd. LIX, Heft 1-3.
Leipzig. Naturforsch. Gesellschaft, Sitzungsberichte, Jahrg. XXXII, 1905.
Leipzig. Fürstl. Jablonowskische Gesellschaft, Jahresbericht 1907.
Lüneburg. Naturwissenschaftlicher Verein, Jahreshefte, Bd. XVII, 1905—1907.
Magdeburg. Museum für Natur- und Heimatkunde, Abhandlungen und Berichte,
Bd. 1, Heft 2-3.
Mannheim. Verein für Naturkunde, Jahresbericht 71 — 72, 1904—1905.
Mcissen. Naturwissensch. Gesellschaft „Isis", Mitteilungen 1906-1907 u. Beilage.
München. Bayerische botanische Gesellschaft, Berichte, Bd. XI; Mitteilungen,
Bd. n, No. 1-4.
München. K. bayer. Akademie der Wissenschaften, Mathemat.-physikal. Klasse,
Sitzungsberichte 1906, Heft 3; 1907, Heft 1-2.
München. Gesellschaft für Morphologie und Physiologie, Sitzungsberichte,
Bd. XXII, 1906.
572 Hans Schinz.
München. Ornithologische Gesellschaft in Bayern, Verhandlungen 1905, Bd. VI.
München. Hydrotechnisches Bureau, Abteilung der obersten Baubehörde, Jahr-
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Wien. Österr. Touristen-Club, Sektion für Naturkunde, Mitteilungen, Jahrg. XVHI
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Wien. K. K. Zentralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus, Jahrbücher,
n. Folge, Bd. XLH, 1905; Allgem. Bericht und Chronik über Erdbeben
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Budapest. Kgl. ungar. geolog. Anstalt, Jahresbericht 1905; Mitteilungen, Bd. XV,
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matik, Astronomie und Physik, Bd. III, Heft 2 und Beilage; Kemi, Mine-
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u. Beilage; Annuaire meteorolog. 1901—1906; Annales astronon)i(jues, nouv.
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Dublin. Royal Academy of Medecine, Transactions, vol. XXV, 1907.
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Edinburgh. Royal Society, Proceed., vol. XXVI; No. 5-6; XXVII, No. 1-4;
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Edinburgh. Geological Society, Transactions, vol. IX, part 1.
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No. 7-12; XXIII, No. 1-12; XXIV, No. 1-5.
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Montevideo. Museo Nacional, Flora üruguaya, tomo III, fasc. 1—2.
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1906, XXIII, Januar-Juni; 1907, XXIY, Juli-November.
New Haven. Connecticut Academy of Arts and Science, Transactions, vol. XII,
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Ottawa. Literary and scientific Society, Transactions 1906—1907, No. 4.
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Philadelphia. Academy of Natural Sciences, Proceedings vol. LVIII, part
2-3; LIX, part I."
Philadelphia. American Philosophical Society, Proceedings, vol. XLV;
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Philadelphia. Zoological Society, Annual Report, vol. XXXV, 1907.
Philadelphia, üniversity of Pennsylvania, Contributions from the Zoological
Laboratory, vol. III, No. 1; üniversity Bulletin, 7. Series, No. 3, part 2, 6,
No. 4, part 1; No. 5, part 4; 8. Series, No. 1, part 1.
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580 Hans Schinz.
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mento, Boletin 1906, Anno I, No. 1—8.
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St. Louis. Missouri Botanical Gardens, Report, vol. XVII, 1906.
Topeka. Kansas Academy of Science, Transactions, vol. XX, part 2.
Washington, ü. S. Naval Observatory, Publications, 2. Series, vol. IV, part 1-4.
Washington. Smithsonian Institution, Bulletin : U. S. National Museum, No. 39,
part P, Q, No. 50, 53 part II, 56—59; Annual Report 1905; Proceedings
U. S. National Museum, vol. XXXI— XXXII; Annual Report of the ü. S.
National Museum 1905, 1906; Contributions from the ü. S. National Her-
barium, vol. X, p. 3—5; XI; Bureau of Ethnology, Annual Report, vol.
XXIV, 1902—1903; Bulletin, No. 30 part 1; 32; Smithsonian miscellaneous
CoUections, No. 1652, 1656, 1694, 1695, 1703, 1717, 1720-1721.
Washington. Philosophical Society, Bulletin, vol. XV, pag. 1—56.
Washington. Department of the Interior, U. S. Geological Survey, Bulletin,
No. 275, 277-303, 305-308, 310, 312, 314—315; Report, vol. XXVII,
1905— 1906; Monographs, vol. L; Professional Papers, No. 46, 50—52, 54-55,
57; Mineral Resources 1905; Water Supply and Irrigation Papers, No.
155-156, 158-164, 170, 172-194, 196, 200.
o) TJehrige Länder.
Batavia. Kon. magnetic en meteorolog. Observatorium, Regenwaarnemingen in
Ned.-Indie, vol. XXVII, 1905; Observations vol. XXVII, 1904.
Bombay. Bombay Brauch of the Royal Asiatic Society, Journal, vol. XXII, No. 61.
Bombay. Anthropological Society, Journal vol. VII, No. 7—8.
Calcutta. Geological Survey of India, Memoirs, Series XV, vol. V, No. 1—2;
Palaeontologica Indica, new Series, vol. II; No. 3; Records, vol. XXXIV,
1906, part 2-4; XXXV, 1907, part 1-3.
Calcutta. Asiatic Society of Bengal, Memoirs, vol. I, No. 10-19 und Supple-
ment; II, No. 1—4; Journal and Proceedings, vol. II, No. 4—10; III, No. 1-4.
Calcutta. Department of Agriculture, Botanical Series, No. 1, part 2 ; Memoirs,
vol. I, No. 3, 6 ; II, No. 1 ; Entomological Series, vol. I, No. 2, 5.
Cape Town. South African Philosophical Society, Transactions, vol. XIII, pag.
289-546; XVI, part 4-5; XVII, part 1.
Colombo. Royal Botanic Gardens, Peradeneya, Annais, vol. III, part 2; IV,
part 1; Circulars, vol. III, No. 16-25; IV, No. 1-2.
Kyoto. College of Science and Engineering, Imperial üniversity, Memoirs, vol.
I, No. 3.
Madras. Government Museum, Anthropology, Bulletin, vol. V, No. 2 u. Beilage.
Melbourne. Royal Society of Victoria, Proceedings, n. Series, vol. XIX, part 2;
XX, part 1.
Sidney. Australian Museum, Records, vol. VI, No. 4—5; Report, vol. LH,
1905—1906; Memoirs, vol. IV, part 10.
Tokyo. College of Science, Imperial Üniversity, Journal, vol. XXI, No. 2—6;
XXII; Mitteilungen aus der mediz. Fakultät, Bd. VII, No. 1—2.
C. Anschaffungen.
Akademien und Allgemeines.
Annee biologique 1904, vol. IX.
Archiv für Anthropologie, n. Folge, Bd. VI, Heft 1—3.
Bibliotheksbericht von 1907. 581
Arcliiv für gesamte Physiologie (Pflüger), Bd. CXV, Heft 5-12; Bd. CXVI-CXIX
Bd. CXX, Heft 1-5.
Archiv für mikroskopische Anatomie, Bd. LXIX, Heft 2—4; LXX, Heft 1—4;
LXXl, Heft 1.
Bulletin etMemoires de laSociete d'Anthropolog. de Bruxelles, tome XXIV, 1905.
Centralblatt, biologisches, Bd. XXVI, 1906, No. 24; XXVII,, 1907, No. 1-23.
Centralblatt für Physiologie, Bd. XX, 1906, No. 16—26, 26a und Beilage; XXI,
1907, No. 1—16; Bibliographia physiologica, 3. Serie 1906, Bd. II, No. 3-4;
1907, Bd. III, No. 1.
Comptcs-rendus de l'Association frangaise pour l'avancement des sciences,
Session XXXV, 1902, part 1-2.
Denkschriften der Akademie der Wissenschaften, Wien, Mathematisch-natur-
wissenschaftliche Klasse, Bd. LXXI, part 1; LXXX.
Denkschriften, neue, der Schweizer. Naturf. Gesellschaft Bd. XXXV, (2. Auf-
lage); XL, Heft 4; XLI, Heft 1-2; XLII, Heft 1.
Journal, the quarterly, of microscopical Science, new Series, vol. L, part IV,
No. 200; vol. LI, part I, No. 201; II, 202; III, 203.
Magazine, philosophical, and Journal of Science, vol. XII, 1906, November-
Dezember; XIII, 1907, Januar-Juni, XIV, 1907, Juli-November.
Naturalist, the American, vol. XL, No. 479—480; XLI, No. 481—490.
Report of the british Association for the Advancement of Science, vol. LXXVI,
1906.
Science, new Series, vol. XXIV, No. 619-626; XXV, No. 627-653; XXVI,
No. 654-671.
Transactions, philosophical, of the Royal Society of London, Series A, vol. 206;
Series B, vol. 198.
Verhandlungen der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte, Bd.
LXX VIII, Teil 1, Teil 2, 1. und 2. Hälfte, und Beilage.
Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie, Bd. XXIII, Heft 3—4; XXIV,
Heft 1-2.
Astronomie, Meteorologie.
Connaissance des teraps, publ. par le Bureau de Longitudes pour 1908.
Jahrbuch, Berliner astronomisches, für 1909.
Nachrichten, astronom., Bd. 172, No. 4128; Bd. 173, No. 4129-4155; Bd. 174,
No. 4156-4176; Bd. 175, No. 4177-4200; Bd. 176, No. 4201-4213.
Zeitschrift, meteorologische, 1906, No. 11—12. 1907, No. 1—10.
Botanik.
Annales des sciences naturelles, Botanique, 9" Serie, tome IV, No. 4 — 6; V,
No. 1-5.
Annales du Jardin botanique de Buitenzorg, 2^ Serie, vol. VI, part 1—2.
Annais of Botany, vol. XXI, No. 81-84; Index zu vol. XI— XX.
Bibliotheca botanica, Heft 64; 65 No. 1—4; Q^.
Bulletin de la Societe botanique de France, 4« Serie, tome VI, 1906, No. 7—10;
VII, 1907, No. 1—6; Session jubilaire, 1904, tome LI, fasc. 2; Session extra-
ordinaire, tome LIII, vol. VI, 1906, Memoires, tome LIII, 1906, No. 4,
6-8 Teil 1, 10.
Bulletin of the Torrey botanical Club, vol. XXXIV, No. 4.
582 Hans Schinz.
Engler und Prantl, die natürlichen Pflanzenfamilien, Lfg. 227— 229; Ergänzungs-
heft II, Lfg. 3.
Hedwigia, Organ für Kryptogamenkunde, Bd. XLVI, Heft 1—6; XLVII, Heft 1-2.
Jahrbücher für wissenschaftl. Botanik, Bd. XLIII, Heft 4; XLIV, Heft 1—4.
Journal de Botanique, 1906, Annee XX, Xo. 1—6, pu-Gbis.
Memoirs of the Torrey botanical Club, vol. XII, No. 2—3; XIII.
Kabenhorst, Kryptogamenflora, Bd. I, Abt. YIII— IX, Pilze, Lfg. 103—105;
Bd. VI, Abt. Lebermoose, Lfg. 3—5.
Reichenbach, Deutschlands Flora, 1. Serie, Bd. XIX, Teil 2, Lfg. 10-15; XXIV,
Lfg. 11, Heft 260, Lfg. 12-14
Roth, Geo. Die europ. Torfmoose. Nachtragsheft zu den europ. Laubmoosen.
Leipzig, 1906.
Schmidt, Atlas der Diatomaceenkunde, Heft 67.
Schönfeldt, H. v. Diatomaceae Germaniae. Die deutschen Diatomeen des Süss-
wassers und des Brackwassers. Berlin, 1907.
Geographie^ EthnograpJäe.
Archiv, internationales, für Ethnographie, Supplement zu Bd. XVII. Bd. XVIII,
Heft 3.
Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde, Bd. XVI, Heft 4—5.
Jahrbuch des Schweizer. Alpenklubs, Jahrg. XLII, 1906—1907 und Beilagen.
Jahrbuch, geographisches, Bd. XXIX, 1906, 1. u. 2. Hälfte.
Mitteilungen der geographischen Gesellschaft, Wien, Bd. XLIX, No. 10—12;
L, No. 1-8.
Pechuel-Loesche, Loango-Expedition, Abt. III, 2. Hälfte.
Penck, Geographische Abhandlungen, Bd. IX, Heft 1—2.
Süd-Polar-Expedition, deutsche (Drygalski), Bd. V: Erdmagnetismus, Bd. I,
Heft 1; Bd. VIII: Botanik, Heft 1; Bd. IX: Zoologie, Bd. I, Heft 4-5.
Geologie, Feirographie^ Mineralogie und Palceontologie.
Abhandlungen der Schweiz, palteontologischen Gesellschaft, 1906, Bd. XXXIU.
Abhandlungen, geologische und paloeontologische, n. Folge, Bd. V, Heft 4; VIII,
Heft 3; Supplement Bd. I, Lfg. 1, Text und Tafeln.
Annales des Mines, 10« Serie, tome X, No. 8—12; XI, No. 1—6; XII, Xo. 7.
Annales de Paleontologie 1906, tome I; 1907, tome II, No. 1—3.
Beiträge zur Paläontologie und Geologie Oesterreich-Ungarns und des Orients,
Bd. XIX, Heft 2-4; XX, Heft 1-3.
Centralblatt für Mineralogie, Geologie und Palaeontologie, 1906, No. 22—24;
1907, No. 1-22.
Eclogse geologicae helvetise, Mitteilungen, Bd. IX, No. 2—4.
Jahrbuch, neues, für Mineralogie, Geologie und Paläontologie, Hauptwerk,
1906, Bd. II, Heft 3; 1907, Bd. I, Heft 1-3; II, Heft 1-2; Beilagebände,
XXII, Heft 3; XXHI, Heft 1-3; XXIV, Heft 1-3.
Jahreshefte, geognostische, Jahrg. XVIII, 1905.
Journal, the quarterly, of the geological Society, vol. LXII, No. 248; LXIII, No.
249-251.
Lory, Ch. Description geologique du Dauphine, 3 parties avec planches. Paris,
1860-1864.
Bibliotheksberichl von 1907. 583
Magazine, geological, new Series, Decade V, vol. III, No. 509—510; IV, Xo.
511-519, 521.
PaUeontographica, Bd. LIII, Lfg. 4-G; LIV, Lfg. 1—3; Supplement Bd. IV,
Lfg. 2.
Tschermaks mineralogische und petrograph. Mitteilungen, n. Folge, Bd. XXV,
Heft 5-6; XXVI, Heft 1-4; Register zu Bd. XI-XXV.
Zeitschrift für Krystallograplüe, Bd. XLII, Heft 6; XLIIl, Heft 1-G.
Matliematili.
Archiv für Mathematik und Physik (Grunert), 3. Reihe, Bd. XI, Heft 1-4, XH,
Heft 1-3.
Gauss, Carl-Friedrich: Werke, Bd. VII. Leipzig, 1906.
Giornale de Matematiche, vol. XLIV, September-Dezember; XLV, Januar- April.
Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik, Bd. XXXV, 1904, Heft 2-3.
Journal de Mathematiques, 6«^ Serie, tome II, 1906, No. 3—4; III, 1907, No. 1-4.
Journal für reine und angewandte Mathematik, Bd. CXXXII, Heft 1—4;
CXXXm, Heft 1.
Journal, tlie quarterly, of pure and applied mathematics, vol. XXXVIII,
No. 2-4.
Messenger of Mathematics, new Series, vol. XXXVI, No. 6—12; vol. XXXVII,
No. 1—6.
Revue de Mathematiques, Beilage: Bollettino di bibliogratia. Anno IX, No. 3—4;
X, No. 1-2.
Fhysik., Chemie.
Annalen der Physik, 4. Folge, 1906, No. 11—15; 1907, No. 1-12.
Annales de chimie et de physique, 8" serie, tome IX, No. 11 — 12; X, No. 1— 6;
XI, No. 7-8; XII, No.^9-11.
Beiblätter zu den Annalen der Physik, 1906, No. 21-24; 1907, No. 1-22.
Charlier, Carl Ludwig. Die Mechanik des Himmels. Bd. II (Schluss).
Gazetta chimica, anno XXXVI, parte II, fasc. 2, 4—6; XXXVII, parte I, fasc
1—6; II, fasc. 1—5.
Gerland, Geo., BeitTcäge zur Geophysik, Bd. VIII, Heft 2-4; IX, Heft 1.
Jahresbericht über die Fortschritte der Chemie, 1900, Heft 1—9; (Schluss);
1901, Heft 1-2; 1904, Heft 10-11; Generalregister 1887-1896, Teil II;
Sachregister 1. und 2. Hälfte.
Journal de physique, 4« serie, tome V, 1906, No. 11—12; VI, 1907, No. 1-11.
Journal für praktische Chemie, neue Folge, Bd. LXXIV, No. 19—24; LXXV,
No. 1-12; LXXVI, No. 13-21.
Journal of the Chemical Society, 1906, November-Dezember; 1907, Januar-
Oktober; Supplement: Index zu Bd. 89-90 II).
Liebigs Annalen der Chemie, Bd. CCCL-CCCLVI, Bd. CCCLVII, Heft 1.
Lorentz, Abhandlungen über theoretische Physik, Bd. I, Lfg. 2.
Zeitschrift für physikalische Chemie, Bd. LVII, Heft 2-6; Bd. LVIII-LX; Bd.
LXI, Heft 1.
Zoologie.
Annales des sciences naturelles, Zoologie, 9^ Serie, Annee LXXXII, tome IV,
No. 4-6; LXXXIII, tome V, No. 1-6; VI, No. 1-2.
584 Hans Scliinz.
Arcliiv für Naturgeschichte, Jahrg. 66, Bd. II, Heft 1; 67, Bd. H, Heft 1, 3; 68,
Bd. II, Heft 1; H, 2. Hälfte, Lfg. 2; Heft 3; 69, Bd. II, Heft 2, Lfg. 2;
72, Bd. I, Lfg. 3; Bd. II, Heft 2, Lfg. 1; 73, Bd. I, Lfg. 1-2.
Archives de Zoologie experiment. et gener., 4« Serie, tome III; IV; V, No. 1-5;
Notes et Revue, 4^ Serie, torae V, No. 1—4.
Boveri, Theod. Zellen-Studien. Heft 6. Jena, 1907.
Cellule, la, tome XX, No. 2; XXI, No. 1-2; XXII, No. 1-2; XXIII, No. 1-2;
XXIV, No. 1.
Fauna und Flora des Golfes von Neapel, Heft 29—30.
Jahresbericht, Zoologischer, herausg. von der Zoologischen Station zu Neapel
für 1906.
Journal de Conchyliologie, vol. LIV, No. 2-4; LV, No. 1—3.
Journal für Ornithologie, Jahrg. LV, 1907, Heft 1—4.
Mitteilungen aus der zoologischen Station zu Neapel, Bd. XVIII, Heft 1—3.
Plankton-Expedition, Ergebnisse der, Bd. IIL L. f. ß.: H. Popofsky, Acantharia;
in. L. h. 2: Borgert, Tuscaroridae ; IIL L. h. 4.: Borgert, Medusettidae.
Transactions of the P^ntomological Society, London, 1906, part I— V; 1907, p. I.
Der Bibliothekar:
Hans Schinz.
Verzeichnis der Mitglieder
der
Naturforschenden Gesellschaft In "^
(31. Dezember 1907).
a. Ordentliche Mitglieder.
1. Hr. Escher-Bodmer, Johann Jakob, Dr. jiir., a. Oberrichter
2. - Rahn-Mej-er, Konrad, Dr. med
3. - Escher-Hess, Johann Kaspar, Kaufmann ....
4. - Graberg, Friedrich, Zeichenlehrer
5. - Huber-Werdmüller, Peter Emil, Oberst ....
6. - Rose, Edmund, Dr. med., Professor a. d. Universität Berlin
7. - Beck, Alexander, Dr., Professor
8. - Fliegner, Albert, Dr., Professor am Polytechnikum
9. - Heim, Albert, Dr., Professor am Polyt. und a. d. Univ.
10. - Affolter, Ferdinand Gabriel, Dr., Prof. am Polytechnikum
11. - Suter, Heinrich, Dr., Professor an der Kantonsschule .
12. - Bollinger, Otto, Dr. med., Professor a. d. Univ. München
13. - Schulze, Ernst, Dr., Professor am Polytechnikum
14. - Tobler, Adolf, Dr., Professor am Polytechnikum .
15. - Kleiner, Alfred, Dr., Professor a. d. Univ. und Erziehungsra
16. - Gnehm, Robert, Dr., Präsident des Schweiz. Schulrates
17. - Seitz, Johann, Dr. med., Privatdozent an der Universität
18. - Stickelberger, Ludwig, Dr.. Prof. a. d. Univ. Freiburg i. B
19. - Wundt, Wilhelm, Dr. med., Professor a. d. Univ. Leipzig
20. - Escher, Rudolf, Professor am Polytechnikum
21. - Weber, Heinr. Friedr., Dr., Professor am Polytechnikum
22. - Meister, Jakob, Professor a. d. Kantonsschule Schaffhausen
23. - Stoll, Otto, Dr., Professor an der Universität
24. - Keller, Konrad, Dr., Professor am Polytechnikum
25. - Lunge, Georg, Dr., Professor am Polytechnikum .
26. - Brunner, Rudolf, Chemiker, Küsnacht ....
27. - Schöller, Caesar, Fabrikant
28. - Huguenin, Gustav, Dr. med., Professor a. d. Universität
29. - Schröter, Karl, Dr., Professor am Polytechnikum .
30. - Stehler, Friedr. Gottl., Dr., Vorstand der schwm. Samenkontrollanslult
Aufn.
Jahr.
1846
1854
1856
1860
1863
1868
1870
1870
1870
1870
1871
1871
1872
1873
1873
1873
1874
1874
1874
1874
1875
1875
1875
1875
1876
1877
1878
1878
1878
1879
38
586 Verzeichnis der Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich.
31. Hr. Abeljanz, Harutjun, Dr., Professor an der Universität .
32. - Wolfer, Alfred, Dr., Professor am Polyt. und a. d. Univ.
33. - Haab, Otto, Dr. med., Professor an der Universität
34. - Rothpletz, August, Dr., Professor a. d. Univ. München .
35. - Denzler, Albert, Dr., Privatdozent am Polytechnikum .
36. - Rudio, Ferdinand, Dr., Professor am Polytechnikum .
37. - Maurer, Julius, Dr., Direktor der meteorol. Centralanstalt
38. - Goldschmidt, Heinrich, Dr., Prof. a. d. Univ. Christiania
39. - Egli-Sinclair, Theodor, Dr. med
40. - Constam, -Joseph Emil, Dr., Professor ....
41. - Beust, Fritz v., Dr., Direktor d. Erziehungsanstalt F. Beust
42. - Beyel, Christian, Dr., Privatdozent am Polytechnikum
43. - Keller-Escher, Karl, Dr., a. Kantonsapotheker
44. - Imhof, Othmar Emil, Dr., Brugg
45. - Bühler, Anton, Dr., Professor an der Universität Tübingen
46. - Kronauer, Hans, Dr., Mathematiker d. Schweiz. Rentenanstalt
47. - Schottky, Friedrich, Dr., Professor a. d. Universität Berlin
48. - Wyss, Oskar, Dr. med., Professor an der Universität .
49. - Burkhard-Streuli, Werner, Ingenieur ....
•50. - Mende-Ernst, Theophil, Dr. med
51. - Escher-Kündig, Jakob Christoph, Kaufmann .
52. - Geiser, Karl Friedrich, Dr., Professor am Polytechnikum
53. - Schwarz enbach, Julius, Thalwil
54. - Stadler, Salomon, Dr., Rektor der höheren Töchterschule
55. - Muralt-v. Planta, Wilhelm v., Dr. med
56. - Zollinger, Ernst, Fabrikant
57. - Culmann, Paul, Dr., Paris
58. - Gaule, Justus, Dr. med., Professor an der Universität
59. - Fick, Adolf, Dr. med., Privatdozent a. d. Universität .
60. - Monakow , Konstantin v., Dr. med., Professor a. d. Univ.
61. - Wenk, Ernst, Dr., Direktor des Institutes Erica .
62. - Emden, Robert, Dr., Pmatdozent an der techn. Hochschule Miiucheii
63. - Krönlein, Ulrich, Dr. med., Professor an der Universität
64. - Flury, Philipp, Assistent der forstlichen Versuchsstation
65. - Huber-Stockar, Emil, Direktor der Maschinenfabrik Oerlikon
66. - Annaheim, Joseph, Dr., Chemiker
67. - Messerschmitt, Johann Baptist, Dr., Hamburg, Seewarte
68. - Bommer, Albert, Apotheker
69. - Hommel, Adolf, Dr. med
70. - Bänziger, Theodor, Dr. med
71. - Schulthess-Scliindler, Anton v., Dr. med.
72. - Zschokke, Erwin, Dr., Professor an der Universität
73. - Standfuss, Max, Dr., Professor am Polytechnikum
74. - Grimm, Albert, Dr. med.
75. - Schall, Karl, Dr., Privatdozent a. d. Universität Leipzig
76. - Ritzmann, Emil, Dr. med
77. - Bleuler, Herm., Oberst, a. Präsident d. schweizer. Schulrates
78. - Heuscher, Johann, Dr., Professor an der Universität
79. - Lang, Arnold, Dr., Professor a. Polyt. und a. d. Univ.
80. - Fiedler, Ernst, Dr., Professor an der Kantonsschule
Aufü.
Jahr.
1880
1880
1880
1880
1881
188]
1881
1881
1881
188]
188]
1882
1882
1882
1882
1883
1883
1883
1883
1883
1883
1883
1883
1883
1883
1884
1885
1887
1887
1887
1888
1888
1888
1888
1888
1888
1889
1889
1889
1889
1889
1889
1889
1889
1889
1889
1889
1889
1889
1889
81. Hr. Schinz, Haus, Dr., Professor an der. Universität .
82. - Aeppli, August, Dr., Professor an der Kantonsschule
83. - Martin, Paul, Dr., Professor an der Universität Giessen
84. - Stöhr, Philipp, Dr. med., Professor a. d. Univ. Wiirzburg
85. - Overton, Ernst, Dr., Professor a. d. Universität Würzburg
86. - Zschokke, Achilles, Dr., Direktor der Weinbanscliule, Neustadt (Pfalz)
87. - Pfister, Rudolf, Dr., Lyon
88. - Gamper, Eduard, Apotheker, Winterthur
89. - Bretscher, Konrad, Dr., Privatdozent an der Universität
90. - Martin, Rudolf, Dr., Professor an der Universität
91. - Roth, Otto, Dr. med., Professor am Polytechnikum
92. - Felix, Walter, Dr. med., Professor an der Universität
93. - MüUer-Thurgau, Herrn., Dr.. Prof., Direktor d.ScIin-eiz.VersnclisanslaltWädenswil
94. - Ris, Friedrich, Dr. med., Direktor d. Pflegeanstalt Rheinau
95. - Driesch, Hans., Dr., Heidelberg
96. - Herbst, Kurt, Dr., Heidelberg
97. - Fritschi, Friedrich, Erziehungsrat
98. - Bosshard, Heinrich, Dr., Professor an der Kantonsschule
99. - Swerinzew, Leonidas, Dr., Petersburg ....
100. - Hurwitz, Adolf, Dr., Professor am Polytechnikum
101. - Hartwich, Karl, Dr., Professor am Polytechnikum
102. - Zuppinger, Emil, Fabrikant, Wallisellen
103. - Disteli, Martin, Dr., Prof. a. d. t. Hochschule Dresden
104. - Werner, Alfred, Dr., Professor an der Universität
105. - Zuberbühler, Arnold, Sekundarlehrer, Wädenswil
106. - Franel, Jeröme, Dr., Professor am Polytechnikum
107. - Denzler, Wilhelm, Ingenieur, Küsnacht
108. - Bührer, A., Apotheker, Clarens-Montreux
109. - Wyssling, Walter, Dr. Prof. am Polytechnikum, Wädenswil
110. - Ribbert, Hugo, Dr. med., Professor a. d. Universität Bonn
111. - Kleiber, Albert, Dr., Kantonschemiker, Glarus
112. - Wettstein, Walter, Sekundarlehrer ....
113. - Meister, Otto, Dr., Chemiker, Thalwil .
114. - Winterstein, Ernst, Dr., Professor am Polytechnikum
115: - Meister, Friedrich, Sekundarlehrer, Horgen .
116. - Grubenmann, Ulrich, Dr., Professor a. Polyt. u. a. d. Univ.
117. - Bissegger, Eduard, Direktionssekretär der Rentenanstalt .
118. - Stauflfacher, Hch., Dr., Prof. a. d. Kantonsschule Frauenfeld
119. - Gysi, Alfred, Dr. med
120. - Schulthess, Wilhelm, Dr. med., Privatdozent a. d. Univ.
121. - Oppliger, Fritz, Dr., Seminarlehrer, Küsnacht
122. - Bohbeck, Kasimir, Professor, Przemysl, Galizien
123. - Claraz, George, A
124. - Stodola, Aurel, Dr., Professor am Polytechnikum
125. - Präsil, Franz, Dr., Professor am Polytechnikum .
126. - Treadwell, Ferdinand P., Dr., Professor am Polytechnikum
127. - Wild, Paul F., in Firma Orell Füssli & Cie
128. - Grete, E. August, Dr., Vorstand der Schweiz. landwirtschaftliclien Versnchsstation
129. - Schärtlin, Gottfr., Dr., Direktor der Schweiz. Rentenanstalt
130. - Rikli, Martin, Dr., Privatdozent am Polytechnikum
588 Verzeichnis der Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich.
131. Hr. Kiefer, Adolf, Dr., Professor am Institut Concordia .
132. - Hescheler, Karl, Dr., Professor an der Universität
133. - Bartsch, Roland, Dr., Direktor des Institutes Concordia
13-1. - Bloch, Isaak, Dr., Prof. a. d. Kantonsschule Solothurn
135. - Stehler, Karl, Lehrer
136. - Lehner, Friedrich, Dr., Fabrikdirektor ....
137. - Wartenweiler, Traugott, Sekundarlehrer, Oerlikon
138. - Früh, Johann Jakob, Dr., Professor am Polytechnikum
139. - Wehrli, Leo, Dr., Lehrer an der höhern Töchterschule
140. - Kehlhofer, Wilhelm, Wädenswil
141. - Schellenberg,. Hans, Dr., Privatdozent am Polytechnikum
142. Lüdin, Emil, Dr., Professor am Gymnasium Zürich .
143. - Burri, Robert, Dr., Professor am Polytechnikum
144. - Frei, Hans, Dr., Seminarlehrer, Küsnacht
145. - Lacombe, Marius, Professor am Polytechnikum .
146. - Brunner, Friedrich, Dr. med
147. - Holliger, Wilhelm, Dr., Seminarlehrer, Wettingen
148. - Eggeling, Heinrich, Dr. med., Professor a. d. Univ. Jena
149. - Schellenberg, Kaspar, Dr., Tierarzt
150. - Herzog, Albin, Dr., Professor am Polytechnikum
151. - Dörr, Karl, Dr. med., Frankfurt a./M
152. - Kopp, Robert, Dr., Professor a. d, Kantonsschule St. Gallen
153. - Minkowski, Hermann, Dr., Professor a. d. Univ. Göttingen
154. - Raths, Jakob, Sekundarlehrer
1.55. - Lorenz, Richard, Dr., Professor am Polytechnikum .
156. - Burkhardt, Heinrich, Dr., Professor an der Universität
157. - ßachmann, Hans, Dr., Professor a. d. Kantonsschule Luzern
158. - Rüge, Georg, Dr. med., Professor an der Universität ,
159. - Frey, Max v., Dr. med., Professor a. d. Univ. Würzburg
160. - Höber, Rudolf, Dr. med., Privatdozent a. d. Universität
161. - Schäfer, R. William, Dr. {z. Z. in Baden-Baden) .
162. - Sperber, Joachim, Dr., Lehrer
163. - Wegmann, Gustav, Ingenieur
164. - Gouzy, Edmund August, Professor
165. - Schoch-Etzensp erger, Emil, Dr
166. - Erismann, Friedrich. Dr. med., Professor, Stadtrat
167. - Gramann, August, Dr., Bezirkslehrer in Unter-Kulm .
168. - Erb, Joseph, Dr.
169. - Durst, Joh. Ulrich, Dr., Privatdozent am Polytechnikum
170. - Lalive, August, Prof. a. Gymn. La Chaux-de-Fonds
171. - Field, Herbert Haviland, Dr., Direktor des Concilium bibliograpMcum
172. - Zulauf, Gottlieb, Fabrikant opt. Apparate
173. - Volkart, Alb., Dr., Assistent a. d. Samenkontrollanstalt
174. - Huber, Hermann, Ingenieur
175. - Burri, Franz Xaver, Forstinsp. der Gotthardbahn, Luzern
176. - Ernst, Julius Walter, Meteorolog
177. - Bleuler, Eugen, Dr. med., Professor an der Universität
178. - Sigg-Sulzer, Johann Gottfried, Kaufmann
179. - Walder, Franz, Dr., Chemiker
180. - Schmidt, Jakob Oskar, Dr., Direktor der Accumnlatorenfabrik Oerlikon
Aiii'n.
Jahr.
181. Hr. Flick, Theodor, Dr. med., Zahnarzt ....
182. - BoUeter, Eugen, Dr., Sekundarlehrer ....
183. - Bächler, Emil, Konservator a. naturhist. Museum, St. Gallei
184. - Künzli, Emil, Dr., Prof. an der Kantonsschule Solothuni
185. - Seiler, Uh'ich, Dr., Professor an der Kantonsschule .
186. - Ernst, Paul, Dr. med., Prof. an der Universität in Heidelberg
187. - Pfeiffer, Paul, Dr., Privatdozent an der Universität .
188. - Ernst, Alfred, Dr., Professor an der Universität .
189. - Meyer-Hürlimann, Karl, Dr. med
190. - Scherrer, Otto, Dr., Professor an der Kantonsschule
191. - Cloetta, Max, Dr. med., Professor an der Universität
192. - Keller, Konrad, Landwirt, Oberglatt ....
193. - Bircher, Max, Dr. med
194. - Bircher, Ernst F., Dr. jur., Rechtsanwalt
195. - Maurizio, Adam, Dr., in Lemberg
196. - Schaufelberger, Wilhelm, Dr
197. - Gugler, Karl, Ingen., a. Direktor d. v. Rollschen Eisenwerke
198. - Schweitzer, Alfred, Dr., Professor am Polytechnikum
199. - Beglinger, Johann, Fabrikant, Wetzikon
200. - Weiss, Pierre, Dr., Professor am Polytechnikum
201. - Nägeli, Otto, Dr. med., Privatdozent a. d. Universität
202. - Ziegler, Konrad, Pfarrer in Ilanz
203. - Brandenberger, Konrad, Dr., Professor a. d. Kantonsschule
204. - Amberg. Otto, Dr., Rektor der Bezirksschule in Menziken
205. - Ulrich, Alfr., Dr. med., ärztl. Leiter d. Anstalt f. Epileptische
206. - Osterwalder, Adolf, Dr., Assistent, Wädenswil
207. - Wehrli, Hans, Dr. -
208. - Hegi, Gustav, Dr., Kustos am bot. Garten, München .
209. - Zeller, Heinrich, Dr. jur., Rechtsanwalt
210. - Stoppany, Giovanni Ambrosio, Dr. med.
211. - Oswald, Adolf, Dr. phil. et med., Priratdozent an der UnlTersität
212. - Jordan, Hermann, Dr., Privatdozent an der Universität
213. - Jaccard, Paul, Dr., Professor am Polytechnikum
214. - Grisch, Andreas, Assistent an der Samenkontrollanstalt
215. - Pestalozzi-Bürkli, Anton, Dr
216. - Veraguth, Otto, Dr. med., Privatdozent a. d. Universität
217. - Rothpletz, Gottlieb Friedrich, Stadtgärtner .
218. - Bernheim-Karrer, Jakob, Dr. med., Pri?atdozent an der Universität
219. - Hirsch, Arthur, Dr., Professor am Polytechnikum
220. - Wild-Schläpfer, Felix, Direktor bei Orell Füssli .
221. - Meister, Ulrich, Dr., Oberst und Nationalrat
222. - Ernst, Theodor, Optiker
223. - Silberschmidt, William, Dr. med., Prof. a. d. Universität
224. - Stäubli, Karl, Dr. med., München
225. - Dilthey, Walter, Dr., Privatdozent an der Universität
226. - Rubel, Eduard, Dr
227. - Büeler, Hermann, Chemiker
228. - Ehrhardt, Jakob, Dr., Professor an der Universität
229. - Schlaginhaufen, Otto, Dr., Berlin
230. - Staub, Joh., Dr., Lehrer a. d. höhern Töchterschule Luzern
500 Verzeichnis der Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich.
231. Hr. Lüthi, Adolf, Lehrer am Institut Concordia
232. - Beck, Bernhard, Rektor des freien Gymnasiums
233. - Zangger, Heinrich, Dr., Professor an der Universität .
234. - Reitz, Wilhelm, Oberingenieur bei Escher Wyss & Co.
235. - Bühler, Anton, Dr. med., Privatdozent an der Universität
236. - Schäppi, Theodor, Dr. med
237. - Huber, Paul, Assistent, Wädenswil ....
238. - Bluntschli, Hans, Dr., Assistent am anat. Institut
239. - Machwtirth, Josef, Dr., Prof., Zahnarzt ....
240. - Wettstein, Ernst, Dr., Professor an der Kantonsschule
241. - Weber, Friedrich, Dr., Geolog
242 - Rollier, Louis, Dr., Priyatdozent am Polytechnikum nnd an der Universität
243. - Kienast, Alfred, diplom. Math.
244. - Fenner, Karl, Dr., Lehrer an der Kantonsschule .
245. - Rascher, Max, Buchhändler
246. - Beer, Robert, Buchhändler i. F. Fäsi u. Beer
247. - Arbenz, Paul, Dr
248. - Müller, Albert, Buchhändler
249. - Jabs, Asmus, techn. Direktor
250. - Willstätter, Richard, Dr., Professor am Polytechnikum
251. - Grandmougin, Eugene, Dr., Professor am Polytechnikum
252. - Schmid, Eduard, Dr., Assistent an der Universität
253. - Heubner, Wolfgang, Dr. med
254. - Steiger, Adolf, Dr. med
255. - Ernst, Heinrich, Regierungsrat
256. - Egli, Karl, Dr., Professor an der Kantonsschule .
257. - Ganz, Emil, Photograph
258. - MoUison, Theodor, Dr. med., Assistent a. anihrop. Institut der Unirersität
259. - Gassmann, Theodor, Dr., Zahnarzt
260. - Fingerhuth, Max, Dr. med
261. - Gerlach, Rudolf, Dr., Seminarlehrer in Küsnacht
262. - Minnich, Walter, Dr. med
263. - Lämmel, Rudolf, Dr., Lehrer
264. - Daiber, Marie, Dr., Assist, am zool. Inst.
265. - Wreschner, Arthur, Dr., Privatdoz. a. Polyt. u. a. d. Univ
266. - Zschokke, Bruno, Privatdozent am Polytechnikum
267. - Zürcher, Heinrich, in Firma Zürcher & Furrer
268. - Eggenberger, Johannes, Dr., Versicherungsmathematiker
269. - Zietzschinann, Otto, Dr., Professor an der Universität
270. - Bürgi, Oskar, Professor an der Universität .
271. - Schläpfer-Rippstein, Apotheker . . .
272. - Heim, Arnold, Dr., Geolog
273. - Adler, Fritz, Dr
274. - Brökmann-J rosch, Henryk, Dr
275. - v. Wyttenbach, Friedr., Dr
276. - Meyer, Emil, Dr., Gymnas. -Lehrer ....
277. - Beck, Emil, Fachlehrer für Math, und Physik
278. - Schindler, Konrad, Dr. med
279. - Eichhorn, Gustav, Dr
280. - Du Pasquier, L. Gustav, Dr., Assistent am Polytechnikum
Aufn.
Jahr.
1904
1904
1904
1904
1904
1904
1904
1904
1904
1904
1904
1905
1905
1905
1905
1905
1905
1905
1905
1905
1905
1905
1905
1905
1905
1905
1905
1905
1905
1905
1905
1906
1906
1906
1906
1906
1906
1906
1906
1906
1906
1906
1906
1907
1907
1907
1907
1907
1907
1907
Verzeichnis der Mitglieder der Naturfbrschenden Gesellsciiaft in Zürich. 59 i
281. Hr. De Quervain, Alf., Dr., Adjunkt d. meteorol. Centraianstalt n. I'riutdoz. a. i. üni?.
282. - Hilfiker, Jakob, Dr., Ingen, für Schweiz. Landestopographie
283. - Wiesmann, Theodor, Sekundarlehrer
284. - Meyer, Edgar. Dr.
285. - Schwarzenbach, Ernst, Dr. med.
286. - Strohl, Hans, Dr.
287. - Brunner, Otto, Apotheker .
288. - Diebold, Fritz, Dr. med. .
289. - Gogarten, Karl Emil, Bergingenieur
Aufn.
Jahr.
1907
1907
1907
1907
1907
1907
1907
1907
1907
b. Ehrenmitglieder.
1. Hr. Kohlrausch, Friedrich, Dr., Professor, Marburg
2. - Amsler-LalYon, Jakob, Dr., Professor, Schaffhausen
3. - Dedekind, Richard, Dr., Professor ander tecimisdien Hochschule Brannschweig
4. - Gräffe, Eduard Heinrich, Insp. d. zoolog. Station, Triest
5. - Eberth, Karl Joseph, Dr. med., Professor a. d. Univ. Halle
6. - Hermann, Ludimar, Dr. med., Prof. a. d. Univ. Königsberg
7. - Reye, Theodor, Dr., Professor a. d. Universität Strassburg
8. - Schär, Eduard, Dr., Professor a. d. Universität Strassburg
9. - Weber, Heinrich, Dr., Prof. a. d. Universität Strassburg
10. - Schwarz, Hermann Amandus, Dr., Professor an der üniTersität Berlin
11. - Choffat, Paul, Dr., Landesgeolog, Lissabon
12. - Frobenius, Georg, Dr., Professor an der Universität Berlin
13. - Hantzsch, Arthur, Dr., Professor a. d. Universität Leipzig
14. - Forel, Fran^ois Alphonse, Dr., Professor, Morges .
15. - Hagenbach-Bischoff, Eduard, Dr., Prof. a. d. Univ. Basel
16. - Schwendener, Simon, Dr., Professor a. d. Universität Berlin
1883
1894
1896
1896
1896
1896
1896
1896
1896
1896
1896
1896
1896
1896
1896
1899
c. Korrespondierende Mitglieder.
1. Hr. Cornaz, Edouard, Dr. med., Neuchätel
2. - Margerie, Emmanuel de, Dr., Paris .
1856
1883
59^ Verzeichnis der Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich.
Vorstand und Komnnissionen.
GewäliU
V orstand. bestätigt.
Präsident: Hr. Werner, Alfred, Dr., Professor . . . . 1906
Vicepräsident: - Standfuss, Max, Dr., Professor .... 1906
Sekretär: - Schoch, Emil, Dr 1906
Quästor: - Kronauer, Hans, Dr., Mathem. der Rentenanstalt 1904
Bibliothekar: - Schinz, Hans, Dr., Professor 1906
- Grubenmann, Ulrich, Dr., Professor . . . 1906
Huber-Stockar, Emil, Direktor .... 1906
Drucksclirif ten-Kommission .
Beisitzer:
{:
Präsident: Hr. Riidio, Ferdinand, Dr., Professor.
Mitglieder: - Heim, Albert, Dr., Professor.
- Lang, Arnold, Dr., Professor.
Engere Bibliotheks-Kommission (Fachbibliothekare).
Präsident: Hr. Schinz, Hans, Dr., Professor.
Mitglieder: - Martin, Rudolf, Dr., Professor.
- Bretscher, Konrad, Dr., Privatdozeut.
- Aeppli, August, Dr., Professor.
- Beck, Alexander, Dr., Professor.
- Burkhardt, Heinrich, Dr., Professor.
- Pfeiffer, Paul, Dr., Privatdozent.
Die weitere Bibliotheks-Koinmission besteht aus dem Präsidenten der
Gesellschaft, den Fachbibliothekaren und den Herren: Prof. Dr. K.Keller,
Prof. Dr. F. Rudio, Prof. Dr. K. Schröter, Prof. Dr. H. F. Weber, Prof. Dr.
A. Werner, Dr. H. H. Field und Dr. M. Rikli,
Abwart: Hr. H. Koch: gewählt 1882.
u
;-^
S«/^
Vierteljalirssclirift
der
Naturforschenden Gesellschaft
Zürich.
Unter Mitwii-kung der Herren
Prof. Dr. A. HEIM und Prof. Dr. A. LANG
heraussre»eben
Dr. FERDINAND RUDIO,
Professor am Eidgenössischen Polyteclinilcum.
Zweiundfünfzigster Jahrgang. 1907. Drittes und viertes Heft.
Hierzu Tafel XHl bis XX.
Ausgep:el)en am 4. April 1908.
Zürich,
in Koinniission ])ei Fäsi & Beer.
)(1S.
iiiiNiiiii!!;ii!i'iiinir
^/il\H>.>
Inhalt.
Seite
H. Zuppinger. Zur Absorption der Röntgenstrahlen .... 249
A. Beck. Über die mehrfachen Sekanten algebraischer Raumkurven . 266
F. G-rubenmann. Vorläufige Mitteilung über einen schweizerischen Silli-
manitgneiss ........... 279
K. Hescheler. Reste von Ovibos moschatus Zimm. aus der Gegend des
Bodensees. Hierzu Tafel XIII 283
A. Ernst. Die neue Flora der Vulkaninsel Krakatau. Hierzu Tafel XIV
bis XIX 289
J. Hilfiker. Ein neues Präzisionsnivellement auf den Grossen St. Bernhard 364
H. Stierlin. Einige physikalische Eigenschaften des gegossenen Quarzes 382
H. Schinz. Mitteilungen aus dem botanischen Museum der Universität
Zürich (XXXVI).
1. Beiträge zur Kenntnis der afrikanischen Flora (XX). (Neue Folge).
Mit Beiträgen von E. Hackel (Attensee), A. Cogniaux (Nivelles) und
H. Schinz (Zürich) 419
2. Beiträge zur Kenntnis der Schweizerflora (VIII).
1. Beiträge zur Adventivflora der Schweiz. Von A. Thellung (Zürich) 434
2. Trapa nalans L. in der Schweiz und in Oberitalien. Von H. Schinz
(Zürich). Hierzu Tafel XX 474
A. Heim. Gliederung und Facies der Berrias-Valangien-Sedimente in
den helvetischen Alpen 484
H. Zangger. Über Membranen II. Die Bedeutung der Membranen und
Membranfunktionen in Physiologie und Pathologie . . . 500
F. Rudio und C. Schröter. Notizen zur schweizerischen Kulturgeschichte
21. Der zweihundertjährige Geburtstag von Leonhard Euler . . 537
22. Der Plan einer Gesamtausgabe von Eulers Werken . . . 542
23. Nekrologe. Charles Mayer-Eymar, Evariste Mertens, Ludwig
Fischer, Gustav Zeuner, Georg Sidler ..... 546
E. Schoch. Sitzungsberichte von 1907 .
H. Schinz. Bibliotheksbericht von 1907
Verzeichnis der Mitglieder auf 31. Dezember 1907
559
567
585