>i*V *• V
t.<A
r*.
'^.
♦
J- <*-.
'/Tm
•«'
t^-^^A
'*^ ^t'
t^H
^^Ä:i^
*<»;iV^
. M Dt f *-
•^il^^
EINZELBEITRÄGE
ZUR
ALLGEMEINEN UND VERGLEICHENDEN
SPRACHWISSENSCHAFT.
ZWÖLFTES HEFT:
VOM ARAL BIS ZUR GANTGÄ.
LEIPZIG 1892
VERLAG VON V^ILHELM FRIEDRICH
K. R. HOFBUnUHÄNDLER.
VOM
ARAL BIS ZUR GANGÄ
HISTORISCH-GEOGRAPHISCHE UND
ETHNOLOGISCHE SKIZZEN
ZUR URGESCHICHTE DER MENSCHHEIT
VON
DR. HERMANN BRUNNHOFER
IN ST. PETERSBURG.
„Es ist mit Meinungen, die man wagt, wie
mit Steinen, die man voran im Brette bewegt :
sie können geschlagen werden, aber sie haben
ein Spiel eingeleitet, das gewonnen wird."
Goethe
5651S8
7. 53
LEIPZIG
VERLAG VON WILHELM FRIEDRICH
K. R. HOFBUCHHÄNDLER.
Alle Rechte vorbehalten.
SEINER DURCHLAUCHT
DEM FÜRSTEN
ESPERE ESPEROWITSCH ÜCHTOMSKIJ
DEM KENNER CENTRALASIENS
WIDMET DIESEN BAND IN HERZLICHER DANKBARKEIT,
ERGEBENHEIT UND HOCHACHTUNG
DER VERFASSER.
Inhaltsverzeichniss.
Seite
Einleitung IX
I. Indoiranische Wörter im Homer.
1. Indogermanische Göttergemahlinnen auf äni und (ovr/ 1
2. uv&Qwnog „der Feuerbewahrer" 4
3. Das homerische a'j^er/.iog = vedisch-avestisch kshatriya,
herrschend, königlich 8
4. Das lykische afitZQO/JrüJv und sanskritisches Amitraghäta 9
5. dxakaQQelxTiq „umströmend" , . . . . 11
.6. dani6i(atTjg, schildglänzend 12
7. aQiaxoq, der arischeste 14
8. Die xanvoßdrai und xziaxai oder Schlafwandler und Hage-
stolzen der mösischen Thraker bei Strabon ...:.. 14
9. Die leichenverzehrenden Hunde der Baktrier: 'Evza<pia(nal . 16
10. Der Jagiy/isSov^ der Sassaniden 17
II. Indo-iranisehe Landschafts-, Flxiss- und Bergnamen.
1. Vorderasiatische Landschaftsnamen 19
2. ^Avrloyog S^sog 'E7ii<pavijg und der Kavi Aipivanhu des
Avesta 21
3. Iranische Bergnamen 23
4. Iranische und indische Flussnamen 35
5. Eine falsche Namenslesart im Ammianus Marcellinus XXIV, 6, 12
(ed. Gardthausen, T. II, pag. 24) 48
6. Der Stadtname Herakleia in Iran 48
7. Das karpathische Meer , 49
III. Centralasiatische und indische Iiandschaftsnamen.
1. Der See Ära der Kaushitaki-Upanishad und der Aralsee . . 51
2. Die 'Aßioi des Homer als "Aqioi 59
3. Die Landschaften ^Aania>vo und TovQiovav in Baktriana . . 61
4. Die Ko/xTjöai und der Edelstein gomeda. 63
5. Die Maraphier und Maspier Herodots 65
6. Die Landschaften Ararat und Qaniratha 67
7. Die Insel Panchaia als Bengalen 70
VIII Inhaltsverzeicliniss.
IV. Iranische Hymnen des Rigveda.
1. Der Vöurukasha des Avesta und der Urühkäksha des
Rigveda 94
2. Die astronomische Orientirung der geographischen Lage des
von den A9vinau befahrenen Meeres 97
3. Ein Varunahymnus am Kaspischen Meere 99
4. üeber den historisch-geographischen Hintergrund der Sage
von Purüravas und Urva9i 109
5. Durgaha im Rigveda und das „schwerzugängliche" Kvirint
des Avesta 113
6. Suplan Sahadeva, der König der Svinjaya, als Sakenkönig. 115
7. Der Pftshanhügel bei Astrabad und das Sonnenlehen der
Parther 121
8. Der Sannatenkönig Asamäti von Bhajeratba am untern Ozus. 128
9. Der Panis Vorliebe für die Nacht 134
10. Der Turvaijahymnus des Va9a AQvya 141
V. Der Zusammenhang des Zoroastrismus mit dem Brahma*
nismus.
1. lieber die Sage von der Verschmelzung des Zoroastrismus mit
dem Brahmanismus durch Darius Hystaspes 164
2. Die Araritäsah turasah des Rigveda und die Amesha <;penta
des Avesta 167
3. Ein zarathustrisches Lied an Akömanö im Atharvaveda. 169
4. Das Thiermärchen von dem Wettstreit zwischen Adler und
Ross bezüglich ihrer Sehkraft, im ^atapatha-Brfilimana
und im Avesta 17:i
VI. Rhetorische Formeln des Veda.
1. Formeln des Hasses im Veda 179
2. Die Wiederholung des Refrains im Anfangsvers der folgenden
Strophe 183
3. Aelteste Quelle des Bildes: Der Staat ein Schifl' . . . . 192
VII. "Weisheit und Aberglaube im alten Hindostan.
1. Die ältesten Könige Indiens nach Arrian 194
2. Der Cultui-werth des Opfers im Bewusstsein der vedischen
Brahmanen 196
3. Ein philosophischer Ausspruch des Atharvaveda 198
4. Ein Blumenzauber des Atharvaveda 205
5. Die Zauberwelt des Atharvaveda 205
0. Der verlorene Schöpfungshymnus vom goldenen ^Vl ii. 'JÜt
Einleitung,
Ueber den Ursprung, das Alter und die Hoheit des Rigveda.
Als 1600 Jahre vor Chr. eine aegyptische Flotte in das
Meer des Südens auslief, brachte sie neben andern Produkten
des Ostens auch Affen heim, deren hieroglyphischer Name kafu*
nicht nur zu den qöf stimmt, die nach 1. Kön. 10, 22 die Flotten
König Salomons aus Ophir importirten, sondern mit diesem
hebräischen Worte und dem griechischen xfjnog unmittelbar
auf das Sanskrit wort 7>:api\ der Affe, zurückführt. , Damals also,
bemerkt Weber, Ind. Literaturgesch. 2, pag. 3, Anm. 2, müssen
die Arya schon am Indus gewohnt haben!" Denn das Land
Ophir ist, wie Weber a. a. 0. und Ind. Skizzen'-^, pag. 15 u. 75
ausführt, das Land der Abhira an den Mündungen des Indus.
Diese culturgeographische Thatsache des indischen Affen-
exports im siebzehnten Jahrhundert vor Christus ist bis jetzt
der einzig feste Anhaltspunkt, von welchem aus die Periode der
Rigvedapoesie mit annähernder Sicherheit bestimmt werden kann.
Denn von den astronomischen Angaben^ die sich in der indischen
Lehre von den Mondhäusern (den Nakshatra) vorfinden und die
für die krittikä-RQ\h.e derselben in runder Zahl das Jahr 2300
vor Chr. ergeben, bemerkt Weber (Ind. Literaturgesch. '-, pag. 2,
Anm. 2) selbst, dass die gesammte Nakshatra-Theorie der Inder
von Babylon aus mittelbar durch den Seeverkehr der Phoenicier
über Ophir -Abhira in die indische Astronomie übergegangen
sein könne.
* S. Dümichen, Die Flotte einer aegyptischen Königin aus dem
XVII. Jahrhdt. vor uns. Zeitrechng. Querfol. Lpz. 1868, pag. 17, Er-
läutergg. zu Taf. II.
Wohnten aber die Sanskrit- Arier schon um 1600 vor Chr.
an den Mündungen des Indus, so müssen sämmtliche Hymnen
des Rigveda schon gedichtet gewesen sein. Denn nicht eine
einzige Stelle der 1028 Hymnen, die wir besitzen, deutet auch
nur annäherungsweise eine Kenntniss der Indusmündungen, ge-
schweige denn den Aufenthalt der Sanskrit-Arier an denselben, an.
In dem berühmten Loblied auf die Flüsse (Rigv. X, 75) werden
blos die Ströme des obern Pandschab, der Indus selbst, sodann
seine Zuflüsse, der Kabul, der Koram, Goraal und einige andere
unbedeutendere, neben Ganges, Dschamna und Satletsch im Osten,
erwähnt. Es darf deshalb vorausgesetzt werden, dass, wenn in
einem der gewiss spätesten Hymnen des Rigveda von den Indus-
mündungen noch gar nicht die Rede ist, die Sanskrit- Arier wohl
erst frühestens ein Jahrhundert später, also keinesfalls vor 1750
vor Chr., in das Mündungsgebiet des Indus eingerückt sein
werden. Haben wir aber für den Aufenthalt der Sanskrit-Arier
am obern Indus in runder Zahl etwa das Jahr 1800 vor Chr.
gewonnen, so ergiebt sich aus der innern Chronologie des Rig-
veda, die sich auf die Genealogien der vedischen Sängerge-
schlechter stützt (worüber Ludwig im dritten Bande seines Rig-
vedawerkes eingehende Berechnungen angestellt hat) wiederum
mit unwiderleglicher Sicherheit für den Aufenthalt der Sanskrit-
Arier im obern Pandschab eine Dauer von mindestens zwei
Jahrhunderten, Wenn aber, was jetzt nicht mehr bewiesen zu
werden braucht, die Sanskrit- Arier aus dem Hochland von Iran
herunter ins Pandschab eingewandert waren, so ergiebt sich
demnach wiederum auf Grundlage der massigsten Berechnung
für den mittleren Zeitpunkt der ersten Betretung indischen
Bodens durch die Sanskrit-Arier ungefähr das Jahr 2000 vor Chr.
Nun aber ist durch meine Entdeckungen über den iranischen
Ursprung einer ganzen Reihe von Vedahymnen, denen sich im
Laufe der Untersuchungen noch mehrere andere zugesellen werden,
das jetzt nicht mehr umzustürzende Ergebniss gewonnen worden,
dass die ursprünglichen Stammsitze der Sanskrit- Arier, soweit
_ XT _
sich dieselben an der Hand historisch-geographischer Namen
rückwärts verfolgen lassen, Jahrhunderte lang an den Südufem
des Kaspischen Meeres, an den Nord- und Stidabhängen des
Alburs, in Mazanderan und in Chorasan gelegen haben, wohin
die brahmanischen Inder oder vielmehr Vorinder selbst erst von
den Südabhängen des Kaukasus, aus den Thalebenen des Kur
und Araxes, eingerückt waren. War, nach historisch-geogra-
phischen Gesichtspunkten, der Sabelän der einzig mögliche Pimkt,
von wo aus der Dichter des Hiranyagarbhahynmus (Rig. X, 121)
zugleich das Meer (das Kaspische), den Rasästrom (den Araxes)
und die schneebedeckten Berge des Himavat (der Alburskette)
unmittelbar vor sich sehen konnte (s. mein Iran und Turan
pag. 183 — 185 u. unten p. 217), war der Sabelän der Ägnavanta^ der
heihge OflPenbarungsberg der Zoroastrier und der A^vattha devasa-
dana, der Göttersitz der brahmanischen Sanskrit- Arier (s, VomPon-
tus bis zum Indus pag. 73 — 83), so müssen für die Einwanderung
der Sanskrit-Arier ins Kiunikshetra, d. h. in die Wohnsitze der
Sanskrit- Arier in Chorasan (s. Vom Pontus bis zum Indus, Ein-
leitung pag. XVI), wiederum nicht unter 500 Jahren Frist an-
genommen werden. Wenn nun aber für diesen Aufenthalt der
Sanskrit-Arier im Kurukshetra bis zu ihrer Einwanderung im
Pandschab selbst wieder nicht ein geringerer Zeitraum als 500
Jahre angenommen werden dürfen, so wird sich uns für den
ungefähren Zeitpunkt der Abfassung des Hiranyagarbhahynmus
etwa das Jahr 3000 vor Chr. herausstellen. Der Varunahynmus
Rigv. V, 85 oder die Dänastuti des Turva9adichters Va9a A9vya
Rigv. VIII, 46 (s. beide Hymnen unten, Abschn. IV, 3 u. 10)
gehören demnach in runder Summe etwa ins Jahr 2500 vor Chr.
Dieses Datum selbst findet wieder seine Stütze an dem Atreya-
hymnus (Rigv. V, 13), der die Eroberung Babylons durch die
sanskritarischen Meder feiert, welche Erobervmg (s. mein Iran
u. Turan pag. 223) nach historisch-positiver, selbst von kritischen
Geschichtsforschern wie Duncker nicht bezweifelter Angabe, ins
Jahr 245S vor Chr. fäUt.
_ XII _
Noch weiter zurück als die Atreyahymnen reichen diejenigen
der Gautama. Schon in meiner Abhandlung Ueber Dialekt-
spuren im vedischen Gebrauche der Infinitivformen
(Kuhns Ztschr. f. vglchde Sprachforschg., Bd. 25 (1881) hatte
sich mir das Resultat herausgestellt, dass die Liedersanunlun-
gen der Gautama (Mandala IV) und der Atreya (Mandala V s. dort
pag. 363, 4) die ältesten des Rigveda seien. Ich war damals
noch von dem zwar vielfach brauchbaren, aber nicht vollständig
durchschlagenden Gesichtspunkt ausgegangen, dass die Verwen-
dung der ältesten Flexionsformen, als welche z. B. die Infinitive auf
dhyai sich darstellen, über das relative Alter der verschiedenen
Bücher des Rigveda die zuverlässigsten Schlüsse gestatte. Gegen-
wärtig bin ich, trotz der damals gewonnenen Ergebnisse, die
theilweise dauerhaft bleiben werden, von der unzureichenden
Einseitigkeit meiner damaligen und überhaupt jeder andern
Methode überzeugt, die sich einredet, durch eine Flexionsstatistik
und wäre dieselbe die absolut lückenloseste, der Frage über das
gegenseitige Altersverhältniss der Familienbücher des Rigveda
gerecht zu w^erden. Unvergleichlich wichtiger als alle Flexions-
formen, bezüglich deren Verwendung insbesondere auch die
Rücksicht auf archaistische Anwandlungen in Betracht zu kommen
hat, die dann die Statistik wieder paralysirt, — entscheidungs-
voller und eindringender als alle SteUenvergleichung, die zwar
ebenfalls unerlässlich ist, wirkt die vergleichende Aufhellung
der Realien, als deren massenhaftestes Contingent die historisch-
geographischen Namen und ethnologischen Beziehungen sich
herausstellen. Bevor wir Hand an die Erklärung eines Textes
legen, müssen wir wissen, wo, unter welchen klimatischen Vor-
aussetzungen und durch wessen Stammes Kind der Text ent-
standen ist. Die historisch-geographische Orientirung ist das
wahre ö6g f^oi rtoi ario der Rigvedaexegese.
Von diesem Standpunkte aus bleibt zwar das von mir imter
Anwendung der Infinitivstatistik gewonnene Resultat, dass die
Gautamalieder des Mandala IV und in zweiter Linie die Atreya-
_ xm —
lieder des Mandala V die beiden ältesten Hymnensammlungen
des Rigveda sind, bestehen, die Gj-itsamadalieder des Mandala II
dagegen, die mir unter der Lupe der Infinitivstatistik als ganz
jung, d. h. sehr spät entstanden, vorkamen, dürfen von historisch-
geographischen Gesichtspunkten aus mit in die Reihe der in
Chorasan gedichteten hinaufrücken. Daneben ist bei einer, natur-
gemäss immer nur relativen Werth beanspruchenden Anordnung
der Rigvedabücher nach Massgabe ihrer Alterthtimlichkeit nie-
mals ausser Acht zu lassen, dass die Familiensammlungen, auch
wenn sie von beträchtlich verschiedenen Zeitpunkten an entstan-
den sind, doch nachher Jahrhunderte lang sich neben einander
(vermehrt und entwickelt haben, sodass dann die Erscheinung
keineswegs befremden kann, wenn in den Sammlungen der
ältesten Mandalas sich gleichwohl ganz junge, d. h. sehr spät
entstandene Lieder vorfinden. Dass in sehr spät zusammenge-
stellten Rigvedabüchem, ^vie in den Mandala I und X, uralte
Einzellieder und sogar kleinere Liedersammlungen, aufgehoben
sein können, beweisen die Sagartierhymnen des Agastya und
^'unah9epa Ajigarti für das erste, der Hiranyagarbhahymnus
(X, 121), das Saramälied (X, 108), das Lied von Deväpi Ärshti-
shena (X, 98), das von Devamuni Airammada (X, 146) und die
zahlreichen Lieder specifisch iranischer Dichter brahmanischer
Observanz, wie die von Gaya Pläta (X,92), Arbuda Kädraveya Sarpa
(X, 94), Mudgala Bhärmyä9va (X, 102), ^akapüta Närmedha
(X, 132) für das zehnte Mandala.
Ausserordentlich trügerisch erweist sich för die Bestimmung
des Alters eines Rigvedaliedes die Angabe von dessen Provenienz
aus dem Stamme der Aügiras. Während zweifellos die Angiras
nächst den noch älteren Bhiigu nach der indischen Heldensage dem
höchsten Alterthum angehören, muss die Hauptmasse der den Äh-
giras zugeschriebenen Lieder (im Mandala I und VEI) vne insbe-
sondere die zahlreichen des Mandala IX, unter die spätest ent-
standenen Rigvedahymnen gerechnet werden. So wenigstens er-
scheint uns die Sachlage vom historisch - geographischen und
_ XTV _
flexionsstatistischen Standpunkte aus heute, wir können aber nicht
wissen, ob uns dieselben Lieder nicht eines Tages von wieder neuen
Gesichtspunkten aus nicht wieder anders und vielleicht älter vor-
kommen, wiewohl dieselben von keinem Standpunkte aus jemals
in die Nähe von Man(Jala II, IV, V, VI, VII oder einzelner Lieder
von Mandala VIII werden gestellt werden können. Den von mir
gewonnenen Standpunkt derhistorisch-geographischenExe-
gese des Rigveda betrachte ich nur mit den Augen des Kakshivant
Dairghatamasa, der von der Morgenröthe singt, diejenige, die er
feiere, sei von den dahingegangenen zwar die letzte, aber nur
die erste von denen, die noch kommen werden (Rigv. I, 124, 2):
iyiisMnäm uparnä gu^vatindm
dyatindm prathamöshä lyy hdyaut
Nachdem ich in Bd. I und II und oben den Nachweis geführt,
in welche geographischen Zonen uns ein Theil der Rigvedahymnen
über das Pandschab westwärts zurückführt und welche Jahr-
hunderte alsdann für den Aufenthalt der Sanskrit-Arier auf
dem Hochland von Iran anzusetzen sind, erledigt sich die neuestens
zu Tage getretene Tendenz, das Alter des Rigveda möglichst
tief herunterzusetzen, von selbst. Wenn sich uns in „Vom Pontus
bis zum Indus", pag. 65 — 73 für das in der ganzen Sanskritliteratur
allein dastehende Triumphgeschrei alald dessen Identität mit
dem griechischen Feldgeschrei aXaXäy sowie mit dem Freuden-
ruf der griechischen Mysterien aXaXä^ olokni, ilelev und so-
dann mit dem armenischen alalak, aXdlayfia, ergeben hatte, so
muss dem gegenüber der Standpunkt von Pischel und Geldner
in deren „Vedischen Studien", Bd. I (Stuttg., Kohlhammer, 1889),
der Rigveda sei ein specifisch indisches, in Indien entstandenes
Geistesprodukt, das nur vom indischen Boden aus und deshalb
insbesondere nur von der Durchforschung der klassischen
Sanskritliteratur aus begriffen und interpretirt werden könne,
als vollkommen einseitig, irrthümlich und gänzlich unzureichend
erscheinen. Gewiss kann die Herbeiziehung und Vergleichung
des in den zahlreichen poetischen, philosophischen und wissen-
_ XV _
schaftlichen Werken der Sanskritliterutur aufgeschichteten sprach-
lichen, mythologischen, geographischen, naturwissenschaftlichen
Materials, das zur Aufhellung des Rigveda verwerthet werden
kann, nur von grösstem Nutzen sein, und die Verfasser der
„Vedischen Studien" haben diese Methode mit einer Belesenheit
geübt, in der es ihnen zur Stunde wohl kein Vedist gleich thun
wird. Ueberblicken wir aber die Reihe der nach dieser Methode
gewonnenen Funde, so müssen wir uns, bei aller Anerkennung
der für einzelne schwierige Wörter erreichten genaueren Be-
griffsbestimmungen, gestehen, dass auf diesem Wege neue, die
Gesammtstellung des Rigveda durchdringende Einblicke weder
gelungen sind, noch jemals werden gelingen können. Ja es lässt
sich nicht leugnen, dass unter der zwingenden Macht, die jede
Methode auf ihren Erfinder selbst ausübt, Pischel imd Geldner
zu einer den Ursprung, das Alter, die Frische und den ethisch-
aesthetischen Werth des Rigveda verkleinernden Auffassung
verleitet worden sind, gegen welche energisch Stellung genom-
men werden muss.
Zunächst gilt es, von den Dichtem des Rigveda den Vor-
wurf abzuwälzen, als seien dieselben eine Gesellschaft zunfb-
mässiger Ausbeuter der Reichen gewesen. ,Wir wissen," heisst
es Einleitung pag. XXIV, „dass die Dichtkvmst durchaus zunft-
massig als eine Erwerbsquelle geübt wurde. Der vedische
Dichter arbeitete für Geld, und die Lieder sind zum grossen
Theil auf Bestellung reicher Leute gedichtet." Hier wird mehr
behauptet, als die Verfasser der „Vedischen Studien" aus dem
Rigveda zu beweisen vermöchten. Dass die vedischen Dichter
im Grossen und Ganzen einen Stand, aber deshalb noch keine
Zunft bildeten, wird von Niemand bestritten werden, da doch
Dichtergestalten genug auftreten, die, wie der alte Kavasha
Ailüsha, keiner Dichterzunft angehören konnten. Dass aber die
Lieder des Rigveda ,zum grossen Theil auf Bestellimg reicher
Leute verfasst worden" seien, ist durchaus falsch, weil übertrieben.
Für Geld und Gut sind nachweisbar nur die eigentlichen Lob-
_ XVI _
lieder auf die Freigebigkeit und das Heldenthum vedischer
Grossen gedichtet worden, die sogenannten Dänastutis, deren es
aber kaum ein Dutzend giebt. Aber wo trifft die Behauptung
zu bei den Liedern auf die Morgenröthe, die Sonnengötter, die
Sturm- und Gewittergottheiten, auf die Weltherrscher Varuna,
Mitra, Aryaman, auf das Heldenideal Indra, auf die Ströme, und
vor allem auf die philosophischen Hymnen und die kleinen
Lieder am Schlüsse von Geldners und Kägis „Siebenzig Liedern
des Rigveda« (Tübingen, 1875)?
Allein selbst wenn es sich nicht herausstellte, dass nur ein
verschwindend geringer Theil der Rigvedalieder thatsächlich um
Lohn gedichtet worden ist, so sänke Pischel-Geldner's Vorwurf
gegenüber den vedischen Dichtern, auch wenn sie sämmtliche
Hymnen um Geld und Gut verfasst hätten, doch Angesichts der all-
gemeinen Geschichte der Poesie in eine schreiende Ungerechtigkeit
zusammen. Alle grossen Dichter aller Culturvölker haben um Lohn
gedichtet, und warum hätten sie es nicht gesollt? Wenn die Poesie
eine Kunst ist, warum hätten die Meister dieser Kunst nicht zu
allen Zeiten die Erzeugnisse ihrer gottverliehenen Fähigkeiten
mit demselben Recht verkaufen dürfen sollen, mit dem der
Bildhauer, der Gemmenschneider, der Maler, Musiker, Sänger
und Schauspieler aus seiner Kunst Gold schlägt? Pischel-Geld-
ner erklären pag. XXIV der Einleitung: „Schon ebenso corrum-
pirt [wie der Weise Kä9yapa in einer Legende des Mahäbhärata!]
ist die Moral der vedischen Dichterzunft. " Und dann werden
einige Stellen des Rigveda citirt, in welchen sich die Dichter
spöttisch oder verwünschend über den Geiz der Grossen aus-
sprechen. „Leid treffe den, der nichts giebt" (Rigveda I, 125, 7).
„Wecke auf, o Ushas, du Freigebige, die Geber; ohne aufzu-
wachen mögen die Geizhälse schlafen" (Rigv.I, 124, 10). Ach wie
unschuldig klingen doch diese gewiss nur allzu begründet gewese-
nen Ausbrüche der Enttäuschung gegenüber den gift- und gaUe-
strotzenden Hohnesäusserungen, mit welchen der grösste orien-
talische Dichter, der Perser Firdusi, seinem Zorn über den Geiz
_ XVII _
Luft macht, mit welchem sein fürstlicher Gönner, Sultan Mah-
mud von Ghazna, der Eroberer Indiens, ihn für die Vollendung
des Schähnäme abzuspeisen suchte, und der hohe Herr 'zahlte
doch 60000 Silberlinge an Stelle der allerdings versprochenen
60000 Goldstücke. Man lese doch die furchtbare Satire in vor-
trefflicher Uebersetzung am Schluss der Einleitung zu seinen
»Heldensagen des Firdusi" (pag. 68 — 73) bei Schack nach!
Aber nicht anders steht es bei den Lyrikern des Abendlan-
des. Der nächst Aeschylus ideenschwerste Vertreter griechischer
Ethik, der feierlichemste Pindar, hat seine sämmthchen Sieges-
gesänge und Loblieder (Enkomien) für theures Geld verfasst.
In der elften Pythischen Ode scherzt er darüber: ,Muse, deine
Sache ist es, wenn du es um Lohn verdungen hast, deine Stimme
um den Preis des Silbers zu leihen dem Pythischen Siegervater
oder auch jetzt dem Thrasydaios" (Bergk, Poetae Lyr. Gr. \
Pyth. XI, 42):
MoiaOf TÖ de tbov, ei uia&oi avvexi&sv naQiyaiv
q>iovav inciQyvQOv aXXoT akXa raQaaaf/xev
xb yi wv r^ Soaovdaüo.
Walther von der Vogel weide, ein fahrender Sänger wie
Va^a A^vya, wendet sich an den römischen König Philipp, den
König von Apulien, er möge sich doch des Dichters erbarmen,
auf dass man ihn nicht bei reicher Kunst dermassen verarmen
lasse. Er möchte, sagt er, wenn es irgendwie angienge, bei
eigenem Feuer erwarmen. Alsdann überschüttet er den König
mit beissendem Hohn:
yyick hän min leheii, al die werü, ich hdn tnin Wien,
nu enfürhte ich niht den hcnmunc an diu zehen,
und teil alle boese herren dester minre flehen.
Der edel künec, der mute künec hat mich beraten,
daz ich den sumer luft und in dem wmter hitze hdn.
min ndhgebüren dunTce ich verre baz getan:
si sehent mich niht mh- an in butzen lois als si e täten.
_ XVIII —
Ich bin ze lange arm gewesen an minen danc.
ich was s6 voller scheltens daz min äten starte :
daz hat der Tciinec geiruichet reine, und dar zuo minen sanc.
Ganz so tönt es über den Geiz der Grossen aus den Ge-
dichten unserer klassischen Dichterheroen wieder. In No. 35
von Goethes Venetianischen Epigrammen heisst es in Goethes
Danastuti auf Herzog Karl August:
Doch was preisest du ihn, den Thaten und Werke
verkünden?
Und bestochen erschien deine Verehrung viel-
leicht;
Denn mir hat er gegeben, was Grosse selten ge-
währen,
Neigung, Müsse, Vertraun, Felder und Garten
und Haus.
Niemand braucht' ich zu danken, als ihm, und Man-
ches bedurft' ich.
Der ich mich auf den Erwerb schlecht als ein
Dichter verstand.
Hat mich Europa gelobt, was hat mir Europa ge-
geben?
Nichts! Ich habe, wie schwer! meine Gedichte
bezahlt.
Und in einem seiner Reimsprtiche erklärt er noch viel ent-
schiedener:
„Ich hätte der Welt nichts aufgetischt,
Hätt' ich irgend fürstliche Renten."
So fasste man die Sache im klassischen Lager auf und das
Echo aus dem der Romantiker schallte weithin vernehmlich
durch das deutsche Land, als Aug. W. Schlegel seinen „Arion"
mit den Worten schliessen Hess:
„Fern mögt ihr zu Barbaren,
Des Geizes Knechte fahren.
Nie labe Schönes euern Muth*.
_ XIX _
Nachdem ich mit diesen Parallelen zu den Klagen vedischer
Dichter über den Geiz der Grossen den furchtbaren Vorwurf
der moralischen Corrumpirtheit, den Pischel- Geldner ihnen anzu-
heften gewagt, genugsam entkräftet zu haben glaube, halte ich
es für nöthig, den Angriff Geldners auf die Ethik der Priester
des Rigveda zurückzuweisen. Geldner behauptet Vedische
Studien pag. 145: »Wir haben keinen Grund, den Priestern des
Rigveda eine nach unsern Begriffen höher stehende Moral zu
vindicieren, als denen der Yajurvedaperiode. Dies geschieht
nur, um sie in dem trügerischen Gewand eines Mitteleuropäers
vorzufuhren, statt in dem echter Orientalen, die sie wirklich sind.
„Der Zweck heiligt die Mittel" ist seit Alters auch der oberste
Grundsatz des indischen Klerus. List aber ist bei den Orientalen
die höchste Weisheit und Tugend." Geldner gelangt zu dieser
Auffassung an der Hand seiner Aufhellung des Wortes vi-ijäna^
in welchem er ein ^ Opferfangnetz" nachweist, das der in man-
chen Hymnen, insbesondere der spätesten Rigvedabücher, auf-
tretenden Metapher entstammt, die Menschen suchten sich der
Gotter zu ihrem Beistand gleichsam wie die Jäger des Wüdes
zu bemächtigen. Bild ist Bild und wenn wir ein solches cultur-
geschichtlich verwerthen wollen, so dürfen wir es doch unzweifel-
haft nur nach dem ihm zu Grimde liegenden einfachen Sinne
verwenden, der hier in nichts anderem besteht, als in der eifrigen
Sehnsucht, der Anwesenheit der Götter und ihres Beistandes
möglichst rasch theilhaftig zu werden. Nähmen wir solche
Bilder buchstäblich, so gelangten wir dazu, in Rigv. IV, 56, 3,
wo es von dem uJcshd, dem Ochsen, in Strophe 1, heisst: yd
imS dyävdprithivi jajdna „der diese, Himmel und Erde, gezeugt
hat" (nämlich der Gott Agni), gläubig zu interpretiren : ein leib-
haftiger Ochse sei Schöpfer des Himmels und der Erde gewesen.
Die Ethik des Rigveda, die zugleich die wahre Ethik der
vedischen Priesterphilosophie ist, liegt in aller Fülle und Klar-
heit durch sämmtliche Liedersammlungen ausgebreitet vor.
Ludwig hat dieselbe in seiner Schrift „Die philosophischen
— XX _
und religiösen Anschauungen des Veda in ihrer Ent-
wickelung" (Prag, Tempsky, 1875) dargestellt. Der Eckstein
und die Axe der Weltanschauung des Rigveda ist der Begriff
des 'j-itdvi, n., das, ursprünglich unverkennbar mit rata, raflia,
Wagen (vgl. gaUisch-römisch^e^or-nVMwj, ein vierrädriger Wagen)
in Zusammenhang stehend, den ewig gleichmassigen Kreislauf
des Weltgeschehens, die physische und moralische Weltordnung
als urauföngliche Einheit bedeutet. Zuweilen ist der Begriff
des ritam vertreten durch das dhdrman, n., oder dhdrma, n., das,
etymologisch eins mit lat. ßrmum, das unwandelbare Weltgesetz
im Himmel [firmamentum — vi-dharmati) und auf Erden bezeich-
net, ganz entsprechend dem Begriff des dhamma im Buddhismus,
das nicht nur die Grundelemente alles Seins in Natur- und
Geistesleben, sondern auch die das Natur- und Geistesleben mit
unabänderlicher Consequenz regelnden Weltgesetze, sowie dann
die Idee des Alls selbst, nach seiner physischen und ethischen
Seite als Einheit gefasst, darstellt. Das ritmn bezeichnet wie
das dhdrman nicht allein das physisch-moralische Weltgesetz
als das Substrat alles Weltgeschehens, sondern auch die Ob-
jectivation des Weltgesetzes im Sinne des, etymologisch damit
zusammenhängenden lat. ritus^ insofern es nämlich die ganze
Fülle vedischer Opfergebräuche, Religionshandlungen und brah-
manischer Kirchensatzung umfassi Insofern das i-üdm in un-
abänderhcher Ordnung der Weltgesetze am Himmel und auf
Erden sich vollzieht und niemals von sich selbst abweicht,
ist es die Fülle aller Wahrheit, die Wahrheit selbst, das satydm,
das aber zugleich, insofern es ursprünglich das Seiende, ens,
bezeichnet, wiederum das All der Ideale in seiner concreten
Form, das durchschlagend Vernünftige im Hegeischen Sinne
ist: Gesetzgebung und Verfassung, Institutionen, Sitte, Brauch
und Rechtsgewohnheit. Für die Aufrechterhaltung des ri'tdm
sorgt der Weltherrscher Varuna, dessen Augen unausgesetzt
den Gang des richtigen Weltgeschehens im Himmel und auf
Erden verfolgen und dem auch das verschwiegenste Geheimnis»
_ XXI _
nicht verborgen bleibt. Die Bestimmung des Menschen aber
besteht in der Fördenmg der Aufrechterhaltung des Weltge-
setzes im irdischen Kreislauf des Weltgeschehens. Das Verbin-
dungsglied und Verbindungsmittel zwischen Himmel und Erde ist
das Opfer, i/aj'nd, n., insofern es das Feuer, agn(, m., als Götter-
boten mit dem Opferduft und Gebetshauch zu Varuna und seinen
Mitgöttern emporsendet, um diese für die gnädige Aufrechter-
haltung des ri'fdm noch besonders geneigt zu stimmen. Insofern
heisst nach vedischer Weltanschauung der Opferplatz mit Recht
der Mittelpunkt der Weltordnung (ritäsya sädas näbhi).
Es lässt sich nicht leugnen, dass an aesthetischer Gross-
artigkeit, logischer Consequenz und ethischer Erhabenheit die
Weltanschauung des Veda mit dem Axenbegriff des ritüm seines-
gleichen in der Culturgeschichte aller andern Naturvölker nicht
aufzuweisen hat. Diese Weltanschauung des Veda steht in ihrer
grandiosen Einfachheit, Innern Harmonie und praktischen An-
wendbarkeit hoch erhaben da über allen spätem Entwickelungen
des Brahmanismus, deren Mittelpunkt der Trimürtti geworden.
Aber ebensowenig lässt sich verkennen, dass, nachdem einmal
ffir die Vollziehung des zum Inbegriff des r?'<aw gewordenen Opfers
{yajna) ein eigener Stand, der der Opferpriester, sich heraus-
gebildet hatte, derselbe sich bald genug auch die Consequenz
der Opferwichtigkeit dienstbar zu machen sich bestreben konnte.
Ein Vers des Sophokles lautet: Tb (.lavTixöv yäg nüv (piXdoyvQov
yivog, welchen Wahrspruch Fallmerayer, Ges. Werke, Bd. IE,
pag. 517 umgetauft hat in: „Alles Geistliche liebt das Geld".
Kraft der Anwendung der Theorie von der Consequenz der
Opferhandlung zur Gnädigstimmung der Verwalter des Welt-
gesetzes, des ritdni, bildeten diese brahmanischen Handhaber des
rüdm par exceUence, des Opfers, die sophistische Lehre aus,
dass das Opfer, weil es das rüdm unter ihren Händen jedesmal
gleichsam von neuem, also nach ihrem Wunsch und WiUen, neu
erzeuge, eben desshalb auoh die wahre QueUe und der ewigfrische
Jungbrunnen des ritdm selbst sei, welchen Jungbrunnen denn
— xxn _
die geistlichen Liebhaber des Geldes um Geld und gute Worte
reichlich sprudeln Hessen. Wenn die Vollziehung des Opfers
nur dann bei den Himmlischen Anklang fand, insofern es selbst,
das i-itdm in höchster Potenz, gemäss dem in der tausendfach
verzweigten Opferwissenschaft sich offenbarenden richtigen Gang
der Opferhandlungen vollzogen wurde, so mussten, wenn ausser
den specifischen Opferpriestem Niemand das, langjährige theore-
tische und praktische Opferstudien voraussetzende ritüm voll-
ziehen konnte, die fachmässigen Opferpriester innerhalb des
Brahmanismus bald genug Herren der Situation werden. So
konnte sich dann oder musste sich vielmehr, da diese Herren der
Lage an Consequenz es niemals haben fehlen lassen, die frevel-
hafte Lehre ausbilden, dass, wenn sie, die Opferpriester, vermöge
ihrer Fähigkeit, das i-itdm beliebig zu produciren, die Kraft be-
sassen, auf die Götter, die Aufseher über das ritäm als Welt-
geschehens, jeden Augenblick bestimmend einzuwirken, sie offen-
bar die Götter selbst in ihrer Hand hätten, dieselben also auch
zur Vollziehung des rüdm im Sinne des priestergewollten Welt-
geschehens zwingen könnten. In Folge dessen musste sich
dann weiter auch die Lehre entwickeln, sie, die opferkundigen
Brahmanen, seien die Götter, die deva auf Erden, was Alles in
der Brähraanaliteratur weit und breit zur Darstellung gelangt.
Abor eben desshalb, weil diese Sophistik sich erst in der Bräh-
manaperiode, also gewiss erst ein halbes Jahrtausend nach den
letzten Ausläufern der Samhitäperiode, breit macht, ist es unge-
recht, den Vorwurf der Corruption, der allerdings den Opfer-
priestem der Brähmanaperiode gebührt, auch schon auf die
Opferpriester des Rigveda, wo die Lehre vom universellen Welt-
gesetz noch ungebrochen wirkt, zu übertragen.
Aus Pischel-Geldners Tendenz, das Alter des Rigveda mög-
lichst tief herabzudrücken, geht dann die in den „Vedischen Stu-
lien" mehrfach wiederholte Behauptung hervor, der Veda enthalte
überhaupt nichts Indogermanisches. Pischel, der offenbar diese
Tendenz am schärfsten vertritt, erklärt pag. 81: „Indogermanische
— XXIII _
Mythen sind uns im Veda überhaupt nicht erhalten; alle Mythen,
welche der Veda uns bietet, sind rein indische und nur aus
indischen Anschauungen und Verhältnissen heraus zu begreifen
und zu erklären." Allein erstens sind z. B. die A9vinau als
Götter von Reitervölkem offenbar durchaus nicht indischen,
sondern (vgl. Vom Pontus bis zum Indus, pag. 127—129) irani-
schen Ursprungs (desshalb waren sie vom brahmanischen Cultus
als ein fremdes Element ausgeschlossen), und dann ist der Zu-
sammenhang derselben mit den Dioskuren der Griechen doch
wohl zu offenbar (trotz dessen Leuguimg durch Pischel, Ein-
leitung pag. XX VII), als dass ein anderer als ein iranischer
Ursprung derselben, d. h. ein Ursprung auf iranischem Boden,
übrig bliebe. Ebenso behauptet die Einleitung pag. XXIX:
„dass ürva^I schon im Rigveda eine Apsaras ist, dass schon in
alter Zeit die Apsarasen als Götterhetären zu denken sind und
dass die Liebesgeschichte von Purüravas und Urva^i ganz in den
Rahmen der vielen schönen Apsarasgeschichten fällt, welche das
Mahäbhärata mit Vorliebe erzählt. Und damit ist die indoger-
manische Deutung oder Benützung des Märchens abgeschnitten."
Allein wir erinnern hier, was die Apsarasen als „Götterhetären"
betrifft, an die Nymphen der Griechen, die noch Niemand als
Hetären bezeichnet hat, und bezüglich der hasrä Ushas (pag. XXV
der Einleitung) an die (pi?.o}ifxeidrjg ^A(pQodiTr^, auch einer ehe-
maligen Göttin der Morgenröthe, und weisen sowohl für die
Apsarasen als die Ushas des Rigveda den Begriff der Hetäre
zurück, ohne hier näher auf die Sache einzutreten, was ander-
wärts der Fall sein wird. Für den iranischen Urspning des
Purüravas- und Urva^I-Mythus verweisen wir auf unten Abschn.
IV, N. 4, wo der indogermanische Ursprung des Namens des
Lustteiches Anyatahplaksha für ursprünghcheres, aber aus indi-
scher Sprach form nicht zu verstehendes * Änatyaplaksha nachge-
wiesen werden wird. Dann aber ist ferner zu bemerken, dass der
Schluss, die Benützung des Urva9i-Märchens zu Zwecken der
vergleichenden Mythologie der Indogermanen sei schon desshalb
_ XXIV _
abgeschnitten, weil dasselbe nur eine „der vielen schönen Apsa-
rasgeschichten" des Mahäbhärata sei, ganz und gar nicht Stich
hält, da, wie jeder, der sich mit vergleichender Mythologie
beschäftigt, sehr gut weiss, oft die allerwerthvollsten Mythen
sich gerade nur noch als Liebesgeschichten, manchmal sogar
nur noch als Lügenmärchen und abgeschmackte Anekdoten in
der Ueberlieferung vorfinden.
Die vergleichende Mythologie liegt aber den Verfassern der
„Vedischen Studien" überhaupt nicht recht, desshalb werden (pag.81)
auch Elard Hugo Meyers „Indogermanische Mythen I Gandharven
und Kentauren" Berlin 1883 als „durchaus verfehlt" bezeichnet, ohne
dass auch nur der Schimmer eines Gegenbeweises sichtbar würde,
wogegen i^gandharvd die Bedeutung „Foetus" als „Grundbedeu-
tung" nachgewiesen werden will. Aber woher kamen diej Gan-
dharva von dieser „Grundbedeutung" aus schon im Rigveda UI, 38,
6 zu dem Epitheton ornans väyükega „windhaarig" ? Und auf wel-
chem Wege wollen Pischel-Geldner die Untersuchungen Ad. Kuhns
über den Purüravas-Urva^I-Mythus in dessen „Herabkunft des
Feuers und des himmlischen Göttertranks" aus der Welt schaffen?
Wie wollen sie die Untersuchungen jenes Werkes über die
Zusammenhänge des Dionysosdienstes und des Somacultus der
Indo-Iranier widerlegen? Wie die Zusammenhänge zwischen
amritam und Ambrosia, zwischen Pramatha^ Pramdtha , pra-
manthä und nQoinrid^evg-nQOfiav&evg? Nicht nur enthält viel-
mehr der Veda in der That die ältesten, literarisch uns zugäng-
lichen Formen der indogermanischen Mythen — Indogermanen
zunächst nur im Sinne der Sanskrit-Arier, der Ost- und West-
iranier und der Ario-Hellenen — , sondern wir vermöchten die
Mythologien der indogermanischen Völker ohne fortwährend neue
Entdeckungen indogermanischer Zusammenhänge im Veda gar
nicht aufzuhellen. Specifisch indische, auf dem Boden Vorderindiens
entstandene Mythen, giebt es im Rigveda überhaupt gar keine,
sondern alle weisen auf Ursprung in Vorder- und Mittelasien,
von Kappadokien bis Chorasan, zurück. Das Mahäbhärata und
_ XXV _
die Puräna beherbergen dagegen eine Fülle von Mythen und
Heldensagen, die, alle dem Hochland von Iran entstammend,
blos der Amalgamation iranischer Ueberlieferungen mit den
klimatisch verschiedenen Verhältnissen und relativ späteren Orts-
und Personennamen der indischen Sanskrit- Arier ihr Dasein ver-
danken. Die ältesten Mythen der Westarier Vorderasiens, sowie der
Ario-Hellenen, in Homer, Hesiod und den Scholiasten, schlum-
mern, zum grössten Theil noch unerkannt, in der griechischen
Heldensage. Wird einmal erst die griechische Heldensage aus
ihrem Schlummer erweckt worden sein, so wird es dann, wie
in der vergleichenden Sprachforschung, möglich werden, speci-
fisch indische Mythengestaltungen arischen Ursprungs, aus dem
Reichthum der griechischen Heldensage heraus zu deuten,
wie ja auch zahlreiche Laut- und Wortverhältnisse des Sanskrit
erst vom Griechischen aus ihre Aufklärung erhalten haben und
noch erhalten. Auf diesem Wege wird alsdann die Einsicht ge-
wonnen werden, dass, wenn es im Veda Hymnen giebt, deren
Mythengebilde und Sprachformen eine weit über das Mass allge-
meiner Verwandtschaft hinausgehende Uebereinstimmung mit
ario-hellenischen Traditionsgestaltungen aufweisen, das Alter
des Rigveda, nämlich der ältesten Theile des Rigveda, noch weit
höher veranschlagt werden muss, als ich es oben gethan habe. Ein
uralter Hymnus ist z. B. das Vämadevalied von der Schenkelgeburt
Indra's, Rigv. IV, 18, in welchem sich älteste Sanskritformen mit
Präkritformen wundersam gemischt haben. Ich habe diesem
Hymnus seit dem J. 1865 ununterbrochene Aufmerksamkeit ge-
widmet und werde denselben in einem der nächsten Bände meiner
historisch-geographischen Forschungen ausführlich besprechen.
Der Veda ist eine Centralsonne, deren Strahlen die Uranfange
des indischen Lebens im Osten, des persischen im Süden, des
ario-hellenischen im Westen, des slavo-gerraanischen im Nord-
westen und des turanischen im Nordosten beleuchten.
Dr. H. Brunnhofer.
I. Indo-iranische Wörter im Homer.
1. Indogermanische Göttergemahlinnen auf äni und covri,
Pänini, der an Alles Denkende, widmet in seiner Sanskrit-
grammatik IV, 1, 49, den auf dni endigenden Namen der
indischen Göttergemahlinnen ein eigenes Sütra, das Patau jali.
sein Kritiker und Ergänzer, im Värttika zu IV, 1, 49 um
mehrere von seinem Vorgänger übersehene Namen bereichert.
Gleichwohl ist die von beiden Grammatikern gegebene Serie von
Femininen auf dni nicht vollständig und wird wohl auch nach
den hier gegebenen wenigen Zusätzen noch weiter vermehrt
werden können.
Ich gebe zunächst Päninis Frauennamen aus dem Veda.
Es sind Ijidränz, die Gemahlin Indra's, Varunäni, die Gemahlin
Varuna's, Äranyäni, die Genie der Wildniss und der Waldein-
samkeit. Ebenfalls noch vedisch ist die von Pataujali herbeige-
zogene Mudgaldni, die Gemahlin des ßishi Mudgala Rig. X,
102, 2. Von Beiden ist übersehen worden die Purukutsäni,
die Gemahlin des Rishi Purukutsa Rigv. IV, 42, 9. Dann bringt
Pänini aus dem spätem Sanskrit noch bei die Namen der ^iva-
Gemahlinnen Bhavdni, Gemahlin des Bliava, eines Gefährten
des Rudra (^iva und dann mit diesem identificirt, femer ^arväni,
die Gemahlin des Qarva-Qiva, Rudräni, die Gemahlin des Rudra^
Mridäni, die Gemahlin des Mrida, eines Beinamens des (^iva.
Pataujali fügt diesen noch bei Brahmdni, die Gemahlin Brahma's.
Von beiden Grammatikern vergessen sind ^iväni, die Gemahlin
des Qiva und Igänt, die Gemahlin des 19a, eines altem Qiva-Rudra.
Brunnhofer, Vom Aral bis zur Gangä. 1
Dann bringt Pänini ferner folgende Frauennamen oder viel-
mehr feminine Standes- und Kastennamen: mätuläni, die Frau
des Mutterbruders {mätula), dcäryäni, die Frau eines Lehrers
{äcärya). Patanjali fügt hinzu uryäni, die Frau eines Mannes
der dritten Kaste [arya), ferner kshatriyäyii, eine Frau aus der
Kshatriyakaste.
Ausser diesen Frauennamen kennt Pänini noch folgende
Bildungen auf äni^ denen Patanjali nichts hinzuzufügen weiss:
hiindnt, ein grosser Schneehaufen, tiefer Schnee (inahaddhimam'),
yavänt, verdorbene Gerste {dush(o yavah), yavanäni, die Schrift
der Griechen {yavcmdnäin li/jih).
Die in himäni und yaväni mit dem Begriff der Vergrösse-
rung oder Verachtung auftretende Ableitungssylbe äni scheint
sehr spät durch uns nicht mehr nachweisbare Vermittelungs-
formen italischer Dialekte hindurch in der vergrössernden , zu-
gleich aber den Nebenbegriff des Missfillligen ausdrückenden
Ableitungssylbe one im Italienischen wieder anfgelebt zu sein,
vgl. z. ß. ü nasone, die grosse Nase, la vecc/iiona, die steinalte
Frau u. s. w. Bombastischen Beigeschmack zeigen schon die
im spätrömischen Kaiserreich zahllos auftretenden Personennamen
auf -lanus.
Interessant sind nun die mit diesen altindischen Bildungen
stimmenden Göttinnennameu in den andern arischen Sprachen,
zunächst dem Iranischen und dem Griechischen.
Da bietet sich zunächst im Nordiranischen oder Zend, d. h.
in der Sprache des Avesta, die Göttin JJiuränt\ die aber nicht
Gemahlin, sondern Tochter des Ahura und Göttin der Wasser
ist. Sodann kennt der Avesta zwei Sterngöttinnen, beide jedoch
nur im Pluralis gebräuchlich, nämlich die Ttstrycni, gleichsam
die Gemahlin des Gestirns Tistrya, und die Faoiiymi^ gleich-
sam die Gemahlin des Faoirya, pluraliter die Plejaden. Ueber
beide Göttinneu vgl. Lagarde, Beiträge zur altbaktrischen Lexi-
kographie (1868), pag. 56 imd Weber, Ueber alt-iranische Stern-
namen (1888), pag. 8. Mit diesen beiden Göttinnennamen auf
— 3 —
cm stimmt wieder der Name der lydischen Königstochter
l^Qvrivig, die der medische Thronerbe Astyages heiraten soll,
3. Herodot I, 74,, vgl. Spiegel, Bramsche Alterthumskde, Bd. 11,
pag. 255. Die spätzoroastrische Mythologie des Bundehesh
unter den Sassaniden kennt neben dem Urmann Meska (skt.
inamishya, Mensch) auch ein Urweib Meshäna (gleichsam skt.
*manushyäni). Vgl. Spiegel, Eran. Alterthumskde, Bd. II, pag. 188.
Die griechische Mythologie hat von solchen Bildungen
iii>Tqvu als ehemalige *Atkwyänä = skt. *Aptyäna, nach Benfeys
Nachweis; kommt von dieser iranischen Äthtcyäna vielleicht
die Göttin Idhunn in der Edda? Ferner gehört hieher die mit
der Athene identische Tqitcovic, wozu der Thraetaona des Avesta
= ^Traitdna des Rigveda (wofür Rigv. I, 158, 5 allerdings nur
Traitana) stimmt. Dann gehören hieher die ziLcovrj, gleichsam
eine ehemalige sanskritische '^Divdni^ eine Gemahlin des Dyaus,
und aus der indogermanischen Form dieser Sanskritbildung
^Divdnä entstanden stellt sich hieher die Juno der Römer, die
wirkliche Gemahlin des ehemaligen Dyaus (Jupiter). Mir scheint
auch hieher zugehören die üppige Gemahlin des Schwelgers
Paris, die Olvtöpr^^ die ich als indogermanische "^Venänä, d. h. als
sanskritische *Veyiäm, als Gemahlin des Vena, d. h. des Soma,
fassen möchte, worüber ausführlicher in meinem Homerwerke.
Ohne Zweifel gehört hieher auch Latona^ wenn ^rjTO) nach
L. V. Schröder = *Bäfa, d. h. sanskritisch Bdtri, die Nacht, ist.
Von griechischen Formen sind hier noch hinzuzufügen IlXoi-
ttovig, die Gemahlin des Pluto: Persephone, ferner Kad^ieitüvrj,
des Kadmos Tochter Semele, l^/.Qiauovrj, des Akrisios Tochter
Danae, [xaQiwvr^, des Ikaros Tochter Penelope, endlich Nsnnvvig,
iöog, Beiname der Amazone Hippolyte bei Lykophron 1332,
wofür der Scholiast auch die Form Nemovvig hat. Wie sind
die lateinischen Göttinnennamen Ängerona und Sirona im Sinne
alter Göttergemahlinnen zu erklären?
3. avd-Qionog, der Feuerbewahrer.
Ein durch seine Lichtblicke in die Urgeschichte der Mensch-
heit hochverdienter Culturforscher, L. Geiger, sagt in seinem
Vortrag über die „Entdeckung des Feuers* (Zur Entwickelungs-
geschichte der Menschheit, Stuttg., 1871, pag. S7): „Das Feuer
gehört zu den unterscheidenden Besitzthümern des Menschen,
ohne welche wir uns keine Menschheit denken können, wie
Werkzeug und Geräthe, wie Sprache, wie Religion. Alle Berichte
über Völker, die es nicht kennen sollten, haben sich als fabel-
haft, ja undenkbar herausgestellt. Aber sicherlich nicht weniger
undenkbar ist es, dass ein Thier sich Feuer bereite, ja auch nur
sich dessen bediene. Die Wirkung desselben auf die höhere
Thierwelt ist Schrecken; der Wolf, der Löwe, der Elephant, sie
werden durch Feuer von den Lagern der Menschen femgehalten.
Und wenn wir in dem Genie nicht blos eine höhere intellektuelle
Begabung, sondern auch die Kühnheit bewundem, das noch von
Niemandem Gedachte denken, das noch nie Gethane unterneh-
men zu wollen, so war es wahrlich eine geniale That, als der
Mensch der gefürchteten Glut sich nahte, als er die Flamme an
der Spitze des entzündeten Holzscheites vor sich her über die
Erde tmg, ein Wagniss ohne Vorbild in der Thierwelt und in
seinen Folgen für die Entwickelung menschlicher Cultur wahr-
haft unermesslich. Wenn das Alterthimi in jenem Heros der
allbekannten Sage, in Prometheus, der das Feuer vom Himmel
herabgebracht, den Schöpfer aller Cultur erblickte, so werden
wir in dem Zeitalter der Industrie, wir, denen das Feuer Millionen
von Menschen- und Thierkräften ersetzt, nur geneigt sein, eine
solche Gabe noch höher zu schätzen." Solche Betrachtungen
erfüllten schon die Gedankenwelt der ältesten Griechen, die im
Mythus von der Entfühmng des Feuers durch Prometheus ihrem
Erstaunen über die vmnderbaren Folgen der Entdeckung künst-
licher Feuerbereitung plastischen Ausdruck gaben. Nur aus
solchem Jahrtausende langen Nachgrübeln des griechischen
— 5 —
Volksgeistes über eine ihr Leben so gründlich umgestaltende
Reform ist dann die, sonst aller Voraussetzungen entbehrende
Prometheustrilogie des Aeschylus zu begreifen, die um so gran-
dioser dasteht, als ihrem Dichter keine pfadweisende Tradition für
die dramatische Gestaltung des fast übermenschlichen Themas
zu Gebote stand. Nur aus solcher Jahrtausende alten Erbspe-
culation des griechischen Volksgeistes heraus begreift sich dann
insbesondere die schöne Stelle, in welcher der Dichter seinen
Prometheus die civilisatorische Thätigkeit des von ihm den
Menschen gemachten Feuergeschenkes schildern lässt:
OL nQWxa fiiv ßXenovzeg eßXenov fidzr^v,
y.lvovreg ovv. TJ/.ovoVy aAA' ovsiqcctwv
aXiy/.ioi (.lOQcpaioi tov f-iUAgov '/^qovov
€(pvQov elxfj rcdvictj xotT« nXLvd-vqteig
öofiovg ngooeiXovg rjaav, ov ^'Xorgyiav'
'KatioQvy/.g 6' evceiov waz driovQOi
^ivQHrjKsg avTQCOv iv fivxoig dvrikioig.
Wenn der griechische Volksgeist sich in solchen Specula-
tionen über den Urzustand der Menschheit vor der Erfindung
künstlicher Feuerbereitung ergieng und wenn er darüber zu
der Einsicht kam, dass das Leben des Menschen vor dieser Er-
findung sich in nichts von dem der Thiere des Feldes unter-
schied, so ist es ihm wohl zuzutrauen, wenn ihm unter den
zahlreichen Benennungen des Menschen auch aus dieser Einsicht
heraus eine solche erwuchs, die sich dann über alle andern hin-
weg zu allgemeiner Geltung im Volke durchzusetzen vermochte.
Wenn den Menschen vom Thiere vomehmhch die Aufbewahrung
des Feuers unterschied, was Wunder, dass dann der Urgrieche
in dem „Feuerbewahrer" den Menschen zar e^oxr(v sah. Damit
sind wir in die Nothwendigkeit versetzt, das Wort uvd-Qiorvog,
dessen zahlreiche Etymologien bis jetzt alle werthlos geblieben
sind, in dem schon verrathenen Zusammenhange darzustellen.
Indem wir uns von dem sirenenhaften Gleichklang von *avd^Qiü'
— 6 —
{nog) und *avciQo nicht bethören lassen, ziehen wir zunächst
die Gruppe ai>&Qa^ und Verwandte zur Betrachtung heran.
Das Wort avi>QaB, die Kohle, liegt den Bildungen av'jQav.ii,
Kohlenhaufen, glühende Kohlen, sowie uvögccx^rj (mit media
statt aspirata), Kohlenbecken, ferner, nach Kuhn, Die Herabkunft
des Feuers, pag. 37, 41 der Pflanze avÖQaxvri, zu Grunde. Nach
Theophrast bei Kuhn ist die Pflanze dd^gayevri, von dvögoxrij
offenbar nur mundartlich verschieden, eine sich um Bäume
rankende Schlingpflanze oder Schmarotzerpflanze. Die Pflanze
dd^Qayevi] bezeichnet nach Kuhn a. a. 0. die „feuerzeugende",
weil sie bei der durch quirlende Drehung zweier Hölzer bewerk-
stelligten Feuererzeugung den hervorspringenden Funken sofort
annahm und damit die Feuerbewahrung ermöglichte.
Kuhn erblickt mit Recht im Stamme dd^ga das zendische
dtar, das Feuer, wovon der Avesta zahlreiche Composita auf-
weist. An die aspirirte Form ad^Qa mahnen im Avesta und
Veda die identischen Namen des Feuerpriesters, zend. ätharvan,
vedisch atharvan. Unmittelbar verwandt sind wohl lat. atnum,
das gewiss mit zend. ätrya, Asche (nach Justi's Vermuthung im
Handb. d. Zendspr. pag. 50) zusammenhängt. Und da der Stamm
«^ vielfach auch als ad, ad, auftritt, so möchte ich sogar lat.
edera (mit unorganischem h stets hedera geschrieben) hieher-
ziehen, denn nach Plinius bei Kuhn a. a. 0. pag. 41 ist nihil
edera j/raestantius zur Feuererzeugung (s. auch ebendas. pag. 245
die Anm.) Vielleicht dass es neben W. idh, anzünden, brennen,
leuchten, auch eine Form der Wurzel auf ath, at, ad gab, aus
der sich dann wohl avi^og, wenn nicht überhaupt auch im
Sinne von Blüthe, Blume, so doch in der verbürgten Bedeutung
„Feuerglanz" erklären Hesse. Vgl. die Stelle der IL IX, 212
nach dem Scholiasten (die gegenwärtig approbirten Texte lesen
seit Aristarch anders):
uvxaQ Inti nvQog av^og dnimaxo navoaro de (pl6^.
Vgl. damit Aeschylos Prometheus (ed. Härtung, vgl. pag. 128
Anm.) v. 7. Kratos erzählt von Prometheus:
To o6v yciQ avd-og, Ttavxiyyov nvQog oi).ag,
&vrToToi y.Xixiicig lönaaev.
Diesen Formen möchte ich nun av&QO)7tog beigesellen, in
welchem ich ein altes ^aO^gance „feuerbewahrend" erblicke, ent-
sprechend dem zendischen Atarepäta, dem Namen eines Sohnes
des Königs Vistäspa, den man längst mit dem Titel des Satrapen
von Atropatene, mit IdxQonäcr^gj zusammengestellt hat. Der
„Feuerbewahrer" schwang sich in Medien zur höchsten Staats-
würde empor, während er von den ürgriechen zur Bezeichnung
der den Menschen am schärfsten von den Thieren unterscheiden-
den Thätigkeit gewählt wurde, einer Bezeichnung, die um so
weniger in Terwimderung setzen kann, als die ihr an Alter
vielleicht noch vorhergehende indogermanische, nach welcher
der Mensch, mamiskya, sich vom Thiere durch sein Denken
unterscheidet. Hängt aber civd-gconog unmittelbar, als älteres
*atraj}a, ^'athrapa mit atarepäta^ ^yixQondtr^g zusammen, so ist
zugleich ein neuer Fingerzeig gewonnen für die Urheimat der-
jenigen, die sich dieses Epithetons ornans zur appellativen Be-
zeichnung des Menschen bedienten. Möglich auch, dass sich
in Anlehnung an diese Formen nun auch das homerische aVr«f
f.eyonivov von II. \TI, 475 avöganoö erklären lässt. Wenn
avögänodov bei den spätem Griechen nicht einfach aus dieser
Stelle geschöpft ist, so mochte sich die Bedeutung Sklave, die
für avdodnoöov sicher ist, für dvöganödsaai, in der Ilias aber
blos angenommen wird, so aus dem altern Begriff „Feuerbe-
wahrer" entwickelt haben, dass, was ursprünglich eine priester-
liche, ehrenvolle Beschäftigung war {dvi^gionog und mamishya
sind gewiss nur Wörter priesterlicher Sprachschöpfung), dann
allmälig allgemein wurde (daher dann dvit^QionoL im Gegensatze
zu dem priesterlich gebliebenen IdTQOTtdzr^g), bis es zur Beschäf-
tigung und Aufgabe des Sklaven herabsank (daher dann eben
avdganod-g, dvöga/zodov). Denn dass dieses Wort nichts mit
dvr]g, avögog zu schaffen haben kann, geht wohl zu Genüge
hervor aus der Form '^avöga, während der Zusammenhang mit
avr^Q ein *uvöqo verlangen würde, avdqanod, avöqänodov ge-
hört somit zur Gruppe avögä^Xri^ avdQaxviq.
3. Das homerische axUlioc, = yedisch-avestisch Icsha-
triya, herrschend, königlich.
„Sehr Vieles, was man für gesammtindogermanisch ge-
halten hat, ist bloss ariohellenisch". Von diesem Gesichtspunkt
L. Geigers aus (Zur Entwickelunggeschichte der Menschheit,
pag. 127) wird auch oxtTXiog eine bekannte Physiognomie
zeigen. Die Grundbedeutung dieses epischen Wortes ist wohl
zweifellos: gewaltig, woraus dann die Nebenbedeutungen: ge-
waltthätig, grausam, frevelhaft, ruchlos sich secundär
abgezweigt haben. Den sichersten Fingerzeig zur Erkennung
des jeweiligen Sinnes von oxerlint; geben uns die begleitenden
Synonyma, so z. B. II. V, 403 von Herakles axhliog olioi^ioeg-
yoQy oder von Achilleus IL IX, 630 avTccQ l^/tAAevg [ aygiov
SV OTiqd^taat d^azo fieyakiqTOQa d-v(.i6v \ ox^T^iog. Oder
II. XXIV, 33 nennt ApoUon die Götter so: oxM'iol iare, ^tm\
driXri(.iovBQ, nachgeahmt in der Od. V, 118, wo Kalypso die
Götter so anredet: oxiTlioi eoTSy ^eoi, t,i]Xr^(xoveg l'^oxov älXvjv.
Auch durch die Antithese tritt der Sinn von axi%Xiog deutlich
hervor, so, wenn es Od. XIV, 83 heisst:
ov (.liv ax^rXia eqya ^eoi fid/MQeg (piXeovOLv^
aXXa diKtiv riovai xat aXaifia sgy dvd^gtvnwv.
Noch deutlicher enthüllt sich die Bedeutung von axezXiog
bei Hesiod in den Werken und Tagen v. 124, wo von den nach
ihrem Tode als öaiinopeg auf Erden wandelnden Menschen des
goldenen Zeitalters gesagt wird, sie wachten über Recht und
Unrecht:
Ol ga (pvkdaoovaiv rs di'Kag -/mI axirXta eqya.
Am offenkundigsten zeigt sich der ursprüngliche Sinn von
(JX^zXiog als Aeusserung des Uebermuthes in den Werken und
Tagen v. 236:
— 9 —
olg d' vßQig le ^i€fir^?>e zaxr] xat axirlia egya^
TOig de di/.iiv liQoviörß teApiaiQEzai evQvona Zeig.
Ueberlegen wir uns sämmtliclie Stellen, wo oyJrXiog vor-
kommt, so entspricht der Begriff der übermüthigen Gewaltthatig-
keit, wie er in den Sagen der sanskrit-arischen Inder über die
Frevelthaten des Bhrigu und in den Sagen der Griechen über
die Frevelthaten des Phlegyas und seines Geschlechts, alter
Kshatriyas, versinnbildlicht ist. Das Sanskritwort kshatriya be-
deutet aber „dem Herrscherstamme angehörig", dieselbe
Bedeutimg hat im Zend khshatkrya (s. Spiegel, Die arische Periode,
p^. 91). Vgl. darüber Kuhn, Die Herabkunft des Feuers pag.
22 — 23. Ihren schärfsten Ausdruck findet die in der indischen
wie in der griechischen üeberlieferung merkbar priesterlich an-
gehauchte Sage von dem Herrschaftsmissbrauch der Kshatriya
in der biahmanischen Legende von Käxtavirya, der den frommen
Einsiedler Jamadagni, seinen Gastwirth, beraubt und erschlägt,
welchen Kshatriyaübermuth dann Para^uräma durch die Erde
wandernd züchtigt. Kärtavirya, hier der offenkundige Repräsen-
tant der Kshatriya, ist aber von mir in Iran u. Turan pag. 199
als präkritisirte Abschleifung des Kshatravmrya des Avesta
nachgewiesen worden.
4. Das lykische d^iTQoxi'cwv und sanskritiselies
Amitrcujhdta.
Homer nennt die Lykier unter Sarpedon a/niTQOxirwvtg
s. II. XVI, 219:
^UQnridujv d' (hg ovv t'd' afiiTQOxitwvag fraigotg.
Die auch noch von Heibig, Das homerische Epos, pag. 291
gebilligte Erklärung dieses Wortes vom Alterthum bis zur
actuellen Gegenwart bringt das Wort in Beziehung zu fikgri und
y,iio)v, nebst a. privativum, äfiiTQOXiT^toveg bezeichne die Lykier
als solche, die unter dem xtTwx' keine (.tirgT] getragen hätten
jenes von den Kriegern zum Schutze unter dem CioaTrjg, d^coQrj^
— 10 —
und tüi^ia auf dem blossen Leib getragene, mit Wolle umwickelte
Blech, wie es IL IV, 137 beschrieben wird:
(.iLzgrig d-\ tJv ecpogei tQV(.ia yooög, fQv.og ay.nvrtav,
rj Ol nXeioiov s'qvto.
Schon der Name dieses unter dem Panzerhemd getragenen
Leibgurts verweist uns in den Orient, zu dem ja die Lykier so
wie so gehören, denn (.iiTQrj bezeichnet als egviiia xgoog eben
den mitra, den schützenden „Freund", resp. fem. „die Freundin".
Dann aber müsste das Epitheton ornans der Lykier, sofern ihm
wirklich die i-iizgri zu Grunde läge, offenbar lauten: *af.iiTQriX'-
TCüv, denn die Umwandlung des fem. /uitqtj in ein masc. oder
neutr. */liitqo innerhalb eines Compositums fände keine Analogie.
Eine solche fände das Compositum, wenn es aus a-\-i4iTQri-\-xiTiov
bestände, auch sonst nicht, d. h., das Compositum der traditio-
nellen Erklärung ist ein Unding. Wesswegen auch sollten die
Lykier einer Leibwehr haben entbehren wollen, die von sämmt-
lichen Völkern Vorderasiens getragen wurde?
Erinnern wir uns aber an das sanskritische Adjektiv amitra,
„Nicht-Freund", d. h. „Feind", so gewinnt die Auslegung des
Wortes ai-iitQOxiTCDV sofort günstige Analogien, denn nun stellen
sich uns skt. amitra-khäda, Feinde verschlingend, Beiname des
Indra aus Rigveda X, 152, 1, ferner amüra-ghätin, Feinde tödtend,
aus dem Ramäyana und wieder aus dem Veda, aber nur von Pänini
erwähnt, amitra-glutta^ Feinde tödtend, zur Verfügung. Letzteres
Adjektiv ist zugleich der Eigenname des Vindusära, des Sohnes
des Königs Candragupta, der auch durch griechische Quellen
als l^f-ingoxcczr^g bezeugt ist. Vgl. über denselben Weber, Ind.
Literaturgesch.2 pag. 269 , Anm. Neben jenen Adjektiven be-
gegnen auch amitra-Jft, Feinde besiegend, und amitra-gkna,
Feinde tödtend.
Irgend ein Adjektiv, das den Tödter oder Bewältiger des
amitra bezeichnete, wird dem lykischen a^iiQOXitiov zu Gnmde
gelegen haben, vielleicht gar ein mundartliches *ainitra-hhidana
im Sinne des vedischen ami'fra-khuda, das dann von den Griechen
— 11 —
volksetymologisch auf yjTtov bezogen wurde. Vielleicht ist es
das vedische kht'd, bedrängen, niederdrücken, wovon das Adj.
kkidvas als Epitheton ornans des Indra „des bedräugenden"
ßigv. VI, 22, 4.
5. dyiaXaQQ£iTr]S „luiiströmend**.
Das Wort ist ana^ ).eyni.uvov, denn die Stelle Od. XIX,
434, wo es einzig ausser der IHas auftritt, ist dieser entlehnt
und zwar II. VII, 421—422:
rieXLog /^liv ensLTa viov nqooeßaXXtv aQOvgag,
i§ ccy,aXaQQeizao ßad-VQQoov ^Qy.ectvolo
ovQavhv eloaviüjv.
Nach der traditionellen Erklärung bedeutet ayM?MOQ€iTrjc
„sanftströmend" und man beruft sich auf ein von Hesychius
überliefertes Adj. a/.aXov ijav/ov, nqciov, ^ia?M/.6v, das aber
offenbar selbst wieder nur aus dem zu erklärenden a/.alaQQEiirjQ
erschlossen ist. Auch müsste, worauf schon Döderlein in
seinem Homerischen Glossarium, No. 200, Bd. I, pag. 133 auf-
merksam gemacht hat, in diesem Falle * u/.alooQehrig stehen.
Das Wort a/.aKa ist aus dem Griechischen nicht mehr zu
erklären. Dagegen bietet sich uns in der russischen Präp. oko.io,
rund um etwas herum, ein zutreffendes Etymon, das in iranischer
Lautform akala lauten musste. Dann bezeichnet a/.akaQQ^'n'Ki^
für '^a/.aXaaQEixvfi von W. oe'w, ursprüngl. *GQiio, skt. sni, soviel
als df.i(fiiQitov „den (die Erde) umströmenden", als welchen Welt-
umströmer Homer den Okeanos dargestellt hat auf dem Schilde
des Achilleus II. XVIII, 607—609:
iv d hid^BL noTa/iiolo /uiya od^ivog ^Q/.€avoio
avzvya naQ nvf.idzriv ady.sog rcvy.a noujioio.
Noch deutlicher schildert den Weltumströmer ein orphisches
Fragment (s. Orphica ed. G. Hermann, Fr. XLIV, pag. 498):
xt'xÄov d/M/xccTOV y.aDu^Qoov coysavolo,
og yaiav öivrjGi, nioi^ tyai d/nqiuli^ag.
Vgl. noch Her. IV, 8.
— 12 —
Das russische oko^o selbst stammt nach meiner Ansicht wie
so viele andere Wörter (vgl. die russ. Präpos. nocHt, nach, mit
der Zendpräposition pa(/ne, hinter) aus dem Iranischen, wo etwa
eine Form Viahala vorauszusetzen ist, die dem Sanskritadjektiv
sdkala entspräche. Vgl. im Zend auch noch das Adverb hakai
(Justi, Zendwb. pag. 314) „zugleich, in einem fort, im Ganzen."
6. aaTcidiwzr^g^ schildslänzeud.
In der Ilias II, 551 wird im Schiffskatalog als Anführer
der Athener Menestheus genannt, der in der Kunst, Rosse zu
schmücken und afsgag aaniöicoTas, schildgewappnete Männer,
vrie traditionell übersetzt wird, seines Gleichen auf Erden nicht
gehabt habe:
Tüiv avif-' r^yefiovev viög Jleiewo Meveoi^eig.
ZU) S* ov not TLg o^diog enixdoviog yivex avriQ,
xoafirjaai, 'iTtrrovg z« Tial dvegag damöiioTag.
Das Adj. doniöiaizrig begegnet dann nur noch einmal im
Homer II. XVI, 168, wo es jedoch rein formelhaft, also nur con-
ventioneU, vielleicht gegenüber IL II, 554 rein imitativ gebraucht
wird von Achilleus, der die Pferde antreibt und die schildge-
wappneten Männer:
iv (J' äqa zoloiv ägr^Log 'iaxax i^yj?.Xevg^
OTQvvcüv iTiTtovg TS '/, a l dvegag damduutag.
Das Adj. doniduoirig (s. Seilers Wörterb. zum Homer)
wird von Lobeck erklärt als entstanden zunächst aus daniönr^g
von donig, Schild, mit eingesetztem lo, oder aus doTtidiog ver-
längert. Es bedarf aber wohl kaum einer Bemerkung, wie un-
wahrscheinlich oder geradezu unmöglich eine derartige Ableitung
ist. Vielmehr wird in danL-diMirjg ein Compositum angenom-
men werden müssen, dessen zweitem Theil eine selbständige Be-
deutung zukommen muss. Dann aber bietet sich, da dn6T^]g
offenbar nur einen auf danig bezüglichen Sinn haben kann
keine andere Wurzel dar als die Sanskrit wurzel dyut, strahlen
— 13 —
leuchten, glänzen, erweitert aus W. dyu, div, die allgemein arisch
ist. Die Wurzel erscheint im Sanskrit auch in der aus dyut
präkritisch abgeschliffenen Form jyut (dschyut) und das aus
derselben abgeleitete Substantiv j^oVw, n. Licht, als „das leuch-
tende" bildet die Grundlage des Verständnisses von *(J/wtijc.
Das Adj. aa?rt-(JffJrr^g bedeutet demnach „schildglänzend," geht
also auf metallene Schilde. Dass die Wurzel dyut auch vom
Strahlen des Metalls gebraucht wurde, beweist die Stelle Rigv.
YYU-, 20, 11, wo es von den Maruts, den Sturmgöttem, mit Ver-
wendimg des Intensivs davidyut, heisst:
savidncivi anjy kshäm
vi bhräjante iniJcmäso ddhi hahüshu \
ddvidyutaty rtsh(ayak \
„Dieser (Maruts aller) ist derselbe Glanz, es strahlen die
Geschmeide an ihren Armen, es blitzen ihre Speere."
Wie alt das Missverständniss dieser Stelle, in welcher /.oo-
(.ir^aai im Sinne der Kunst, ein Heer aufzustellen und taktisch
zu ordnen, genommen wurde, ist, beweist die Aeussenmg des
Gesandten der Athener vor Gelon, dem Herrscher von Sicilien,
den die Lacedämonier und Athener im zweiten persischen Kriege
um Hülfe gegen Xerxes baten, wobei die Athener gegenüber
den Lacedämoniern die Führerschaft verlangten: „wir Athener,
das älteste Volk in diesem Bunde (der Hellenen), die einzigen
Hellenen, die ihr Stammland nie verlassen und von welchen
auch dem Sagendichter Homer zufolge der trefflichste Mann
gen Ilion kam, ein Heer aufzustellen und zu ordnen" (^d^t]valoL
. . aQxaiOTazov fxiv kd^og nagexönevoi, fiovvoi. di iorisg ov
^letavaaxai ^EXli^vcov, tcov xai ''OftrjQog 6 enorcoiog avdga
aoiOTov ^qr^oe ig 'Jkiov dnixead^ai, zä^ai ze y.al diaxoafif^oai
fngaznr. Her. VII, 161). Die IliassteUe U, 551, wovon die
Verse 553 — 555 schon im Alterthum aLs unecht angegriffen
wurden, wird später — in meinem Homerwerke — noch ein-
gehender besprochen werden.
14
7. ciQiGTog, der arischeste.
Neben dem Stamme art\ aq/a, arisch, trefflich, edel, muss
in der arischen Urzeit auch ein Stamm ara, ar bestanden haben,
wie z, B. der Name des Landes und dann, secundär, des Gebir-
ges Ara-rat, Arier-heim, (s. weiter unten) beweist. Nur aus
dem Stamme ara erklärt sich der Comparativ agsicov von *ara-\-
iyans und der Superlativ agiOTog, der nicht von aqsUov getrennt
werden kann, nur aus dem Stamme *ar+ishtha. Von welchem
bis zum Fanatismus entwickelten Nationalgefühl die Arier der
Urzeit im engeren Sinne, d. h. die Sanskritarier, die Zend-Arier
und die Griechen, beseelt gewesen sein müssen, geht noch zur
Genüge aus den Nachklängen im Rigveda hervor, die uns be-
lehren, dass sich die Arier zur Weltherrschaft bestimmt glaubten,
vgl. z. B. Rigveda IV, 26, 2: ahdm bhümim adaddm äryäya
„ich (Gott Indra) gab die Erde dem Arier." Wie der Franzose
von allem moralisch Vortrefflichen, ^ das ihm im Leben begegnet,
sagt: cest ^out framjais, so bezeichnete der Urgrieche mit
arischer [ageicüv) und im höchsten Grade arisch {aoiaxoc)
das Ausgezeichnetste, was ihm in der Heroenzeit bekannt war,
nämlich Tüchtigkeit, Tapferkeit und edle Abstammung.
8. Die ■/.anvoßä.Tai und y.vioxai oder Schlafwandler und
Hagestolzen der mösischen Thraker bei Strahon.
In seiner Abhandlung über die Iliasstelle XIII, 1 — 7, die
wir unten pag. 59 betrachten, kommt Strabon auch auf die euro-
päischen Myser, die er vielmehr in Moeser umgewandelt wissen
will, zu sprechen und berichtet nach dem Zeugniss seiner Quelle,
des Posidonius, die Myser enthielten sich der Fleischnahrung
und lebten nur von Honig, Milch und Käse, wie sie denn ein
ruhiges Leben führten, sie hiessen desswegen Frömmler und
Schlafwandler; auch gebe es gewisse Thraker, die ohne Weiber
lebten, diese hiessen Hagestolze, lebten im Gerüche der Heiligkeit
— 15 —
und würden mit Ehrfurcht behandelt, Die Stelle Strabon VII,
3, 3 (ed. C. Müller p. 246, 14—20) lautet: yliyti öi zovg DJvaovg
n Tlooeidiüving -/.ai Efi\pv%mv antxeoiyui xar* evotßaiav, dicc
de rovro y.ai ^o£//,«otwv (.iOuti de yoT^od^ai /.ai yaXu/.xi 'Aal
riQ(p twvTug y.ai)^ rjOiyJav, diu öe zotio y.a?.aTod^ai ^soaeßelg
T€ y.ai y.anvoßdxag' elvai öi zivag xiov &Q^y.iov, o'l x^^Q^
yivaiy.dg Lwaiv, ovg y.ziotag y.a?.elo0^ai , dviEQCüod-al ze öia
riur^v y.ai fieza aöeiag trjr.
Als Geten sind die Mysier oder Moeser unmittelbare Ver-
wandte der Daker und als solche gehören sie bekanntlich zu
den Iraniern, daher denn die noch unerklärten Wörter y.aavo-
ktzai und /.ziazui aus iranischem Gesichtspunkt aufzuhellen
ind. Das Wort *y.anro repräsentirt die Mittelstufe zwischen
zendischem qafna, m.. Schlaf, und litauisch sapna-s, m., Traum,
welche beide in skt. svapna, m. Schlaf, Traum, ihre Urform
haben. Ich fasse desshalb *y.anvoßccza oder y.anvoßdzrig als
-'chlaf- oder Traumwandler. Vegetarianische Lebensweise ent-
nervt, daher denn das Stillleben dieser Schwärmer, die, gewiss
nur spottweise, als Schlafhauben und Träumer bezeichnet wurden.
Die Tczlazai, die sich der Weiber enthalten, möchte ich
aus einem hypothetischen qadhi'ficta, oder einem kürzern *qadhigta,
auf Selbstbestimmung stehend, auf sich selbst stehend, (.loiayog^^,
erklären, das etwa einem skt. * svadhitistha oder ^svadhistha ent-
spräche. Bekannt ist das skt. svadhä, zend. qadhd, gr. i\d-og
und ti)-oQ, das deutsche Sitte, es bezeichnet ursprünglich:
Selbstsetzung, Selbstbestimmung. Daneben scheint ein svädhiti,
von W. dhi statt dha, bestanden zu haben, das aber bis jetzt
nur als Concretum im Sinne von Axt, Messer und als Name
eines bestimmten Baumes mit hartem Holze (Teakbaum?) nach-
gewiesen worden ist. Für dieses vedische svädhiti wäre eine
kürzere Form *svadhi mögHch, die iranisch qädhi lauten
müsste, daraus könnte sich *qädhicta und daraus /.{e)Tioiu ent-
wickelt haben.
— 16 —
9. Die leichenrer zehrenden Hunde der Battrier:
Strabon erzählt XI, 11, 3 (ed. C. Müller pag. 443, 30) von
den Baktriem den greuelvollen Brauch, alte, von Hinfälligkeit
oder Krankheit aufgezehrte Leute noch lebend den speciell zu dem
Zweck des Auffressens dressirten Hunden vorzuwerfen, die da-
von in der einheimischen Sprache 'EvTacpiaorai hiessen: tovg yag
dueiQTjxoTag dia y^^ccg rj voaov ^(mnag 7iaQaßd?J.€a&ai rgetpo-
laevovg y.vaiv eniTTjöeg ngög tovto, ovg fviaq^iaaTccg y.a-
Xelai^ai tfj nargioa ylcüZTj].
Wir haben es also in fvrcxcpLaoxai mit einem baktrischen
Worte zu thun, das nur rein zufällig zugleich an das grie-
chische ivTaq)iaorilg , Leichenbestatter, anklingt. Das Wort
muss sich desshalb aus baktrischem, mindestens arischem,
Sprachgut erklären lassen. Dann aber kann das Wort nur
anta-vyagtä „Auffresser" gelautet haben. Das Wort anta, Ende,
Tod, erklärt sich sofort von selbst; es steht hier entweder, was
sich aber nicht direkt beweisen lässt, im Sinne von „Todter,
Leichnam" oder im Sinne eines Adverbs antam „bis zu Ende".
Der zweite Theil des Compositums, vyaqtd^ ist ein masculines
Nomen agentis und würde im Sanskrit einem *vyagtn entsprechen,
wofür aber im Zend ein ta möglich ist vgl. cigta^ m., der Lehrer,
im Huzwäresh cashiiar, zareta, m., der Bedrücker, von W. zar,
peinigen, data, m., der Schöpfer, Nebenform von datar^ skt.
dhäti-i und viele andere bei Justi, Zend Wörterbuch, in der Gram-
matik, pag. 371, § 212. Das mit der Präposition vi zusammen-
gesetzte Verbum ag, essen, verzehren, begegnet mehrfach im
Rigveda, Atharvaveda und Sämaveda. Vgl. aus letzterem die
Stelle I, 6, 2, 2, 2:
acodäso no dhanvanto fiidavah
2)rd svändso brihäd devSshu hdrayah \
— 17 —
vi cid agndnd ishüyo drätayo
'yor nafy santu sdnishantu no dMydh, \
In Benfey's Uebersetzimg:
Rasch mögen eilen unsre Inda (Somatränke), treiberlos,
die ausgepressten, falben, herrlich götterwärts,
verzehret seien opferlos Begehrende,
all unsre Feinde, das sei unsrer Werke Frucht."
Im Zend erscheint die Wurzel innerhalb des uns überliefer-
ten Sprachgutes nur in hahrhdc^ m., der Geier, als der „hühner-
fressende" {kahrha + ag). Oder sollte das Verbum vyag etwa
auch dem adj. vyanura^ das von Justi Zendwb. pag. 288 als
„fressend," von Spiegel als „hässlich" wiedergegeben wird, zu
Grunde liegen, so etwa, dass ein, sonst allerdings nur etwa
von vyas, zerreissen, mögliches *vyahhra, als üebei^angsform
zu vyanura vorauszusetzen wäre? Vielleicht würde dann auch
zend. i-ydmbura, zerfleischend, Beiwort einer Klasse von Daeva,
hiehergehören, in welcher Form ein ursprüngliches *vyacra in
derselben Weise in vydmh{u)ra übergegangen wäre, wie wir
z. B., im Lateinischen, tenebrae sich aus skt. taniisra oder con-
sobrinics sich aus *consostrinus entwickeln sehen.
10. Der JaQiyfieöovfi der Sassaniden.
Spiegel in seiner Eranischen Alterthskde, Bd. III, pag. 624
bemerkt: „Dunkel bleibt auch die Würde, welche Theophylakt
(3, 18) mit dem Namen z/aQiyfiedovf.i bezeichnet und dem
KoigoTiaXaTTig der Byzantiner gleichsetzt. Es scheint dieselbe
Würde, welche Firdusi mit dem Worte KadMwdai bezeichnet,
welches ganz dem abendländischen Major domics entspricht und
eine der höchsten Würden gewesen sein muss." Ich möchte in
dem räthselhaften Worte ein iranisches ^daregho-maidhyomdo
voraussetzen, dessen Sinn „der lange Halbmond" ich mir im
Hinblick auf die Thatsache, dass der Halbmond bei den Iraniern,
Brunnhofer, Vom Aral bis zur Gangä. 2
— 18 —
wie dann bei den Sarazenen, ihren Nachahmern, ein Symbol der
Herrschaft ist, etwa wie die avestischen Adjektive daregho-qa-
dhdfa, lan ge Herrschaft habend, dareghö-khshatkra, lange Herr-
schaft, daregkofratemafhwa, lange Oberherrschaft, zurechtlegen
möchte. Das Wort kadhhoddi des Firdusi erklärt sich vielleicht
aus einem, allerdings nicht überlieferten, aber doch möglichen,
sanskritischen "^Icliadga-dhu, das im Sinne der Sanskritadjektive
Mia^gaha, hhadgin, zu deuten wäre: Schwertträger.
IL Indo-iranisclie Landscliafts-, FIuss-
und Bergnamen.
1. Yorderasiatisclie Landscliaftsnainen.
Im zweiten Bande meiner historisch-geographischen Unter-
suchungen (Vom Pontus bis zum Indus pag. 94 — 97) hatte ich
in den pontischen Landschaftsnamen Baf.io)vlTig, Oatru-iornig
und Ja^ifKovlzig Benennungen nachgewiesen, die auf ehemals
dort verehrte Amshaspands oder Adityas schliessen lassen. Zu
den dort erklärten möchte ich jetzt auch noch folgende Land-
schafts- und Ortsnamen derselben Gegenden stellen.
Strabon erwähnt XII, 3, 39 (ed. K. MiÜler pag. 480, 46)
der paphlagonischen Landschaften ^mxoTT?;»'// und nif.uo).iorjvrl:
eld-^ ij J laz-onr^vi] '/.al riiucoXiar^vrj yüga nuoa evdcd/ii(ov i-UyiQL
Tov ^IdXvoq. Diese Landschaften lagen am untern Laufe des
Halys und zeichneten sich durch grosse Fruchtbarkeit aus. Es
würde desshalb nicht auffallend sein, wenn dieselben, ganz wie
Bai-uovlxig und z/a^if.iiüviTig nach arischen, nämlich bald zara-
thustrischen, bald sanskritarischen Gottheiten benannt wären.
Und so möchte ich denn in Jicr/.OTirjvr] nicht auf ein griechisches
dia/.onr^, Zerschneidung, Durchbrechung, Wunde, schliessen,
sondern iranisches Sprachgut wittern und in J La/.onr(vri auf
ein *Jia.'/.onr^ fahnden, in dessen Jui der alte Bijaus, der schon
im Rigveda halb antiquirte Himmelsgott, zum Vorschein käme
und zwar in der regekechten Genitivform Divcis, dessen nomina-
tivische Ergänzung vielleicht etwa der Flussname Kiibhd sein
2*
— 20 —
könnte, der uns allerdings erst wieder im Kabulthal als Zufluss
des Indus begegnet. — In ^Ili/ncoXioa dagegen, das dem Land-
schaftsnamen nifiMXiarjViq zu Gnmde liegt, möchte ich ein drei-
faches Compositum sehen, dessen ursprünglichste Gestalt wäre
[A\thwya-Yima~urvig „Bahn des Athwya Yima''. Im Neuper-
sischen ist aus Äthroya über Atbin durch Metathesis Abtin ge-
worden (s. Justi, Zendwörterb. pag. 50). Nach iranischen Ana-
logien wäre die Anfangssylbe dt abgefallen (vgl. ^/nagdoi und
Magöoi, IdnaQvoL und IIccqvoi, s. auch mein Iran und Turan
pag. 162). Das Bi resp. ältere *Pt (dessen n in neupers. Ähtin
aus der erweiterten Form Athioijänä herstammt), wäre dann
mit Yima zu ^ITi^a zusammengeschmolzen und *fc>A«ra scheint
mir ein aus älterem zendischen urvig,, gehen, fortgehn, wan-
deln, kommen, abgeleitetes und abgeschwächtes, in russischem
yjHua, üliza, erhaltenes Substantiv zu sein, dessen Bedeutung
„Strasse, Bahn" dem Gesammtcompositum die Bedeutung „Bahn
des Athwya Yima" gäbe. Yima war aber nach altiranischer
Sage der Begründer des goldenen Zeitalters, während dessen die
Menschen in seinem grossen Garten {vara) ein paradiesisches
Leben führten, sodass also Yima zur Bezeichnung einer frucht-
baren Stromlandschaft {äthioya = skt. äptya bezeichnet ursprüng-
lich den „Wasserbewohner") sehr wohl passte.
In übereinstimmender Weise möchte ich den Namen der
bithynischen Landschaft Boydo^avtg bei Ptol. V, 1, 12 zurück-
führen auf ein iranisches *baga-demäna, Götterwohnung, Gottes
Wohnsitz, wovon dann der paphlagonische Landschaftsname
Jofxavlzig nur die Kurzform wäre.
Darf man in dem bithynischen Ortsnamen JaxißvKog die
iranische Form eines an Ja^ijucovlTig erinnernden Compositums
erkennen, das, nach Analogie von Meydßvtog = altpersisch Baga-
bukska, ein älteres *Dalcski-bulcsha „den (Aditya) Daksha ver-
ehrend" repräsentirte?
— 21 —
2. l^vTioxog ^€og 'Emq)avi]g nnd der Kail AipiTanhn
des Avesta.
Der Titel &£6g ^Eni(paviqg, naeli griechischer Auffassung
„der in die Erscheinung getretene Gott" war der auszeichnende
Beiname der Diadochen aus dem Geschlechte des Autiochos, die
abwechselnd bald über ganz Vorderasien, bald vom Hellespont
bis zum Indus regierten. Ihre ünterthanen bestanden zum
grössten Theil aus zarathustrischen Iraniern. Es dürfte desshalb
nicht Wunder nehmen, wenn ein im Geiste Alexanders des
Grossen regierender Herrscher sich schon aus politischen
(jründen einen Titel beigelegt hätte, der, zwar griechisch klin-
gend und auch auf griechischem Sprachboden die Macht des
Königs ins Ungemessene erhebend, doch rein iranisch ist und
den König auch bei den ünterthanen iranischen Sprachbewusst-
seins als leibhaftigen Heros erscheinen liess. Denn der Name
i^sog 'EnKpavrjg geht auf keinen andern Urspnmg zurück, als
auf den halbgöttlichen Kavi Aipivahhu, über den wir freilich
ausserordenthch wenig wissen und gerade nur soviel, um zu be-
greifen, warum die Antiochiden sich diesen Halbgott zum Träger
ihrer Herrscherwürde auserwählt haben. Die zwei einzigen
Stellen, an welchen dieser Ka\i erscheint, sind Farvardin Yasht
131 (Spiegel, Avesta-Uebersetzg. Bd. HI, pag. 136): „Den Fravashi
des reinen Kavi Kaväta preisen wir. Den Fravashi des reinen
Kavi Apivanhu preisen wir" u. s. w. Im Zamyäd- Yasht 70—71
(Spiegel, ebendas. Bd. HI, pag. 181) erfahren wir mehr; „Die
starke königliche Majestät, die von Mazda geschaffene, preisen
wir. 71. Die sich einte mit dem Kavi Kaväta, dem Kavi Aipi-
vohu" u. s. w. Wenn also die Antiochiden sich in die Würde
des Kavi Aipivanhu, der, nach Spiegels Eranischer Alterthums-
kunde, Bd. I, pag. 584 vielleicht der sonst unbekannte vierte
Sohn des Kaiqobad ist, kleideten, so genossen sie in der An-
schauung der zarathustrischen Iranier den unschätzbaren Vortheil,
die königliche Majestät, jenes unmittelbar von Ahura mazda
— 22 —
verliehene synibolische Kennzeichen legitimer Könige von Iran,
den das Haupt echter Könige radartig umflackernden Feuerkreis,
zu besitzen und nebenbei galten sie durch dasselbe Attribut bei
den Völkern griechischer Zunge als leibhaftige Halbgötter.
Nunmehr wird sich auch die seltsam erscheinende Benennung
einer Reihe vorderasiatischer Städte zum erstenmal aufklären,
die den Namen 'EnLcpävsia, als ob „Erscheinung" bedeutend,
führen. Es w^aren eben Städte, die zu Ehren des Kavi Aipi-
vanliu benannt waren, in welchem iranischen Namen das v
griechisch als cp ausgesprochen wurde. Stephanus von Byzanz
(ed. Meineke Bd. I, pag. 274) führt sie auf; ^Eniq^dveLa, noXig
^vQiag xazä Pacpavtag ev fte^ogloigl^gadovy acp 7]sEvq)QdTrjg
0 OTtor/.og (piXoooqiog. devrega Küu/Jag. rglrr] Bii^vviag. TSiäQxrj
/.a%d Tiyqiv. ixXi^^ri öi y.al l^Q/.€or/.€Qra, o toiiv i^Q/.soiov
/.xiG(.ia. 6 7T0?uTT]g ^Enicpavevg. Letztere Stadt ist nach der ver-
schiedenen Lesart l^grEOi-negaza ganz offenbar die Stadt Arta-
sigarta, die Sagartierstadt. S. Iran u. Turan pag. 69.
Wenn ich an das in der griechischen Kirche auf den Epi-
phanias-Tag fallende hochfeierliche Fest der Wasserweihe
denke, so möchte es mir scheinen, dass, wenn der hl. ^EnKpdviog,
dessen Legende mir gegenwärtig leider nicht zur Verfügung
steht, mit dem iranischen Gott Aipivanhu in religionsgeschicht-
licher Beziehung steht, alsdann der erste Theil seines Namens
auf skt. apya „auf das Wasser bezüglich", zu deuten wäre,
das zwar nicht im Avesta, wofür dort nur dfhwya = skt. dptya
erscheint, aber doch im Rigveda vorkommt. Ein solcher Aipi-
vanhu = ursprünglich *Apya-\-vasu steht zwar auch im Avesta
nicht ganz vereinzelt da, denn das bis jetzt nicht erklärte
Avesta wort aipi-dvänara^ wolkenreich, wird wohl ebenfalls
schwerlich auf das Adv. äipi „selbst, gerade" und dvunara
„Wolke", sondern nur auf dieses im Avesta, sonst verschwundene
aipi = skt apya zurückgeführt werden können. Oder ist Aipi-
vanhu = *apya-vami = skt. ap-htr, wassersclilagend? Vgl. zend.
vanhäu, f., Entscheidung des Kampfes, von W. van, sclilageii.
23
3. Iranische Bergiiainen.
In „Iran und Turan" pag. 102 — 103 hatte ich die Namen
der Berge Gandhamädana, Paripätra, Kailäsa, sowie das Koqio-
vov oQog, zu deuten versucht, pag. 95 den Arbuda. In „Vom
Pontus bis zum Indus" , pag. 73 — 86 hatte ich dann auch den
Aynavanta, den Mainäka, den Zeredhaz und das Idooviov oQog
in die Deutung hineingezogen. Inzwischen glaube ich zur
etymologischen und historischgeographischen Aufhellung einer
neuen Reihe von iranischen Bergnamen Anhaltspunkte gewon-
nen zu haben.
Im Zamyäd-Yasht I, 1 — 7 (Spiegel, Avesta-Uebersetzung
Bd. lU, pag. 171 — 173) finden wir folgenden Katalog iranischer
Bergnamen überliefert:
1. „Als erster Berg bestand, o heüiger Zarathustra, auf
dieser Erde die Höhe Haraiti. Diese umgiebt das Ganze der
vom Wasser umfluteten Welt gegen Osten(?). Der zweite Berg
ist Zeredho, unterhalb des Aredho-manusha. Auch hier umgiebt
das Ganze der von Wasser umflutheten Gegend gegen Morgen(?).
2. Von da aus sind die Berge hervorgewachsen: Ushidhäo^
Ushidarena, Erezifya^ sechstens der Arezura, siebentens Bumya^
achtens Raoidhüa^ neuntens Mazisisvdo, zehntens Antaredayhus^
elftens Erezisho, zwölftens Väiti-gaeco.
3. Und Adarana, Bayana, Iskata der oberhalb der Adler
ist. Kancotafedhra, Vafra^ zwei Berge Hamankuma, acht Berge
Va^ia^ acht starke Berge Frävanku, vier Vidhioana.
4. Aezakha, Maenakha, Väkhedhrakae, Agaya, Tudhagkae^
Ishvakae, Drdoshisväo , Q'ätrivdOj Nayhusmäo, Kakahyu, An-
tarekayha.
5. ^icindava, Akicna, JRaemana, Asha-(tembana , Urunyo-
väidhkae, A<jnaväo, Ushaoma, Usta-qarenäo , Cyämaka, Vaf-
rayäo, Vourusha.
— 24 —
6. An welchen (liegt) Jatara, Adhutavdo, Qn'ta-varenäo,
Cpento-däta , Kadrva-agpa^ Kaoiriga, Taera^ Baro-Qrayana,
Barana, und der Berg Frdpaydo und Udrya und Raeväo^ wegen
ihrer Nähe und Aufsicht haben die Menschen die Namen der
Berge behalten.
Bezüglich der Berge Zeredho^ Maenaldia, Jshvakae verweise
ich auf meine Untersuchungen in „Vom Pontus bis zum Indus",
pag. 73—83; 86—88.
Zur Erklärung des Bergnamens Aezahha in Abschn. 4
bietet uns vielleicht Hesychius einen Anhaltspunkt, der einen
tätownrten Volksstamm der Parther' kennt, Namens ^'Htay.sg.
Jedenfalls bildete der Aezahha einen Gipfel des parthischen
Alburs, da er neben Maenahha erscheint. Der homerische
Hynmus auf Apollon v. 40 kennt in Klaros an der jonischen
Küste auch einen, sonst unbekannten, Berg Alaayir^Q OQog:
-Kai KlciQog aiyh^eaaa y.at Alaaysrig OQog alnv.
Aus den folgenden Namen greife ich zunächst nur Kadrva-
aQpa und Kaoiriga heraus. Auf andern ßergnamen dieses
Kataloges komme ich bei anderer Gelegenheit zurück.
Der Berg Kadrva-agpa (s. mein Iran und Turan, pag. 95,
vgl. Justi, Beiträge zur alten Geographie Persiens Thl II, pag. 16)
hat seinen Namen von den „braunen" {kadm) Pferden, die an
seinen HtigeUandschaften gezogen wurden. Nach dem Bunde-
hesh (ed. Justi 22, 4), wo der Berg Konderasp lautet, lag der-
selbe bei Tüs in Taberistan. Die Form im Pahlava stimmt nicht
ganz zur Zendform, demi Konder entspräche etwa einem zend.
*kundara oder kwndere = skt. *kun4n. Wirklich kommt auch
Kigveda I, 29, 6 die Form kundrindci vor. Die Stelle lautet:
patdti kun4]'indcyd diiram vdto vändd adhi „es fliege mit der
Kundrinäcl weit der Wind über den Wald hinweg" (Ludwig).
Nach Grassmann, Wörterbuch des Rigveda pag. 328 kommt
der Name, der einen „Raubvogel" bedeuten soll, etwa von einem
hypothetischen *kun(^/iina = k\m4al<i, Kreis sodass also das
— 25 —
Wort „einen in Kreisen sich bewegenden {acy Raubvogel be-
deuten würde. Ich möchte aber diesen Unglücksvogel in Zu-
sammenhang bringen mit dem Vogel Itän'drava, Rigv. I, 50, 12;
"MIT, 35, 7, den Pauli in Kuhns Ztschr. f. vglchde Sprachforschg.
Bd. XVI, pag. 52 mit dem x^Qf^^Q^ös in Beziehung gesetzt hat
imd der von haridru kommend, den gelben Vogel bedeutet. Die
Form *kiüiiirin(inc würde alsdann „den (nach seiner Farbe) ins
Gelbschwarze gehenden" bezeichnen. Mit dieser Spielform
*Tcun(}nn-\-ahc möchte ich den Namen der Stadt Kudwus (oder
Kundnts) zusammenstellen, jener durch die Keilinschriften des
Darius berühmten Stadt, wo Darius den Aufrührer Fravartis in
einer Hauptschlacht gänzlich schlug (s. Spiegel, Eranische Alter-
thskde Bd, I, pag. 227). Spiegel sucht diese Stadt im Norden
von Kirmäushäh. Der König jener Saken, die die abgefallenen
Parther gegen die Meder schützen, der Bruder der sagenberühm-
ten Zarinaea, führt bei Ktesias den Namen Kvögaiog. Es giebt
aber ein Volk der Koöqol in Kolchis nach Lykophron 1389,
sowie eine Gegend KoÖQOfxr^vi], ovoua zonov, nach Suidas, wo
Lobeck, Pathol. ling. Gr. pag. 199, n. 17 Kodo/^r^vi] lesen will,
es soU eine Gegend der Landschaft Persis sein. Alle diese
Namen bezeichneten wohl nichts anderes, als das dunkle
Aethiopenvolk , das im Alterthum von Kolchis herunter sich
bis in den Osten Irans verfolgen lässt und das als KsöqiogooI,
KaÖQOvooiy raÖQioool (s. mein Iran und Turan pag. 109, 168),
in den gegenwärtigen Brahuis in Beludschistan noch fort€xistirt.
S. auch mein „Vom Pontus bis zum Indus", pag. 122. Vgl. auch
Spiegel, Eranische Alterthskde Bd. II, pag. 573, Anm.
Nachdem wir nunmehr neben kadni, schwarzgelb, braun,
eine alte Form *kundri, von derselben Bedeutung, wahrschein-
lich gemacht zu haben glauben, möchten wir an den Namen
des Berges Kadrva-agpa ^ Konde^-asp den Namen des Berges
Kovödaßr] ansohliessen, den wir Polyaen verdanken. Bei Ge-
legenheit der historischen Sage von des Dionysos Eroberungszug
nach Baktrien und Indien erzählt Polvaen I, 1. 3 (ed. Wölfflin
— 26 —
pag. 6) Folgendes Jiopvoog iv 'Ivöiyifj Trjg aTgariag ov q>EQOv-
orß zo (f).oyiodeg rov aegog, -/MTeXocßtro TQi/.oQKpov OQog T^g
'Ivöixilg. Twv '/.OQVcfüv 7i?.ritCszaL ds iq (.itv KoQaatßirj, iq
öi Kovöda ßrj, ti^v di tqIttjV avrlg ey.ukeae MrjQov, tr^g
avTOv y6via€(og vno/uvrjina. ^Evtat^a nr^yai noXXal^ rideJai,
nvAvui, d^i^Qüi nsQioaai, oJnoQai acpdovoi, '/loveg avaxpiyovoui.
^Ev TOVTOig ri OTgaziä öiaiTiufiivr] tolg iv rtp jreöiqj ßaQßdgoig
i^aicpvrig STiecpaivezo, xat dno zwv vipriXwv -/.al vneQÖE^uov
d/.ovTitovreg lovg nolefiioig daöiojg izQ£7tovto.
Indem wir nun an das von uns früher gefundene Resultat er-
innern, dass der Berg Meru, dessen Aufbau ohnedies an die von
Herodot beschriebene Gestalt des Belustempels in Babylon erinnert
(s. Iran u. Turan pag. 226) und somit in die Nachbarschaft
Babylons gerückt erscheint, ursprünglich nicht im Himälaya,
sondern drüben im Alburs gelegen haben muss, wo der ungeheure
Kegelberg des Demävend sein Prototyp gewesen ist (vgl. Vom
Pontus bis zum Indus pag. 63) und wo der Name des Weisen
Marici, des Vaters des Ka9yapa, d. h. eben des /CaaTrtov-Gebirges,
des Demävend, noch an Meru, von W. fiaigco, erinnert (anders
Weber, der den Namen vom vai(liirj/a-3eYge, ableitet), haben
wir die geographische Möglichkeit gewonnen, den Bergnamen
Kovödaßri mit dem Konderasj) (d. h. dem Kadrva-acpa) in
Taberistan zusammenzustellen. Zunächst freilich soUte*Äov(Jf «orr^j
erwartet werden. Bedenken wir aber vorerst, dass wir es in
Kovödaßri mit einem Bergnamen der Sanskrit-Arier zu thun
haben, so stimmt das ß in daßn] vorzüglich zu skt. agva, resp.
fem. a^vd, die Stute, während gerade ein do7irj auf Zend- Arier
schliessen liesse. Ferner würde man, wie schon erwähnt, eher
^Kovdqdaßr^ erwarten, entsprechend einem oben gefundenen skt.
*kundri. Es scheint aber in der That neben skt. *kadi-ti früh-
zeitig schon ein prakritisch abgeschliffenes *kadu existirt zu
haben. Aus einer solchen Form nämlich scheint mir der bis
jetzt räthselhaft gebliebene Name der Kadovoini, der Gelen,
abgeleitet werden zu sollen. Bekanntlich haben die Gelen noch
bis auf diesen Tag eine dunklere Hautfarbe, als die übrigen
Tränier und zur Stütze dieser Etymologie darf man vielleicht
sogar den Namen des Volkes der Karüsha herbeiziehen, dessen
Urahn (nach Böhtlingk-Roths Sanskritwb., Bd. II, pag. 117) für
einen Sohn des Manu Vaivasvata gehalten wurde. Der Manu
Vaivasvata führt uns aber (Vom Pontus bis zum Indus pag. 85)
zum Alburs. Andererseits ist von Karüsha nicht zu trennen
las Sanskritadjektiv halusha^ beschmutzt, unrein. Der Xame
der Kaöoiaioi würde somit nichts anderes sein als ein prakri-
tisches Kadgovaioi und beide würden die dunkelfarbigen Aethio-
pen des urzeitlichen Centralasiens bezeichnen.
"Wenn nach diesen Zusammenstellungen der Schluss berech-
tigt erscheint, in dem Berge Kovöcioßi] der polyaenischen Sage
den KonderasjJ-Kadrva-acpa im Alburs zu finden, so wird nun-
mehr auch der weitere Schluss nicht abgewiesen werden können,
dass der Berg KoQaoißir^, abgesehen von der Weiterbüdungs-
form /?tjj, die noch nicht durchsichtig ist, mit dem im Avesta
benfalls unmittelbar neben dem Kadrva-a^pa erwähnten Kaoi-
iiqa identisch sei. Das Etymon ist vielleicht skt. l^riqa^ zend.
Icereqa^ mager, schlank, lang (s. Justi, Zendwörterb. pag. 84).
Oder gehört KoQaoißir^-Kaoiriga zum Koga^^ag) ogog in Sar-
matien?
Interessant ist nun auch die Beschreibung, die uns die po-
lyaen'sche Sage von dem paradiesischen Leben auf dem Berge
Jhjoog entwirft: ewavd^a nriyal noXXal, r^^€lal, nv/.rai, d^jJQai
ni.QLOoaiy onioQUi dtpd^ovoi, yJovEg avaxpvxovoai. In solchen
Farben schildert den Meru das indische Epos. Vgl z. B. aus
der weitschweifigen Verherrlichung des Meru im Anfang der
Amritamanthanam-Episode des Mahäbhärata (I)ei Lassen in seiner
Anthologia sanscrita, pag. 72) nur folgende Züge: „v. 3 divyau-
shadkividipitam , von himmlischen Kräutern bestrahlt; v. 4, a:
nadivrikshasamanvitam , mit Flüssen und Bäumen ausgestattet;
V. 4, b: nänäpatangasamghaigca ndditam sumanoharaili durch-
tönt von den Schaaren von mancherlei Vögeln, herzfesselnden.
— 28 —
Ausführlichst schildert den Götterberg Meru z. B. auch das
(^ivapuräna bei Wollheim da Fonseca, Mythologie des alten
Indien, pag. 75 — 78. Diese Beschreibungen des Meru erinnern
aber ihrerseits wieder an diejenige des Gartens Yima's im Avesta.
Ich führe nur die Stelle aus dem Räm Yasht, 16 (bei Spiegel,
Uebersetzung des Avesta, Bd. III, pag. 153 — 154): »In der weiten
Herrschaft des Yima war kein kalter Wind, kein heisser, da war
nicht Alter noch Tod, kein Neid, der von Daevas geschaffene".
So auch im Zamyäd Yasht 32 (Spiegel, Bd. Ill, pag. 175). Nun
lag aber der Garten Yima's nach dem Bundehesh unter dem
Berge Damkän oder Jamkän, d. h. unter dem Demävend, den
wir bereits als Prototyp des indischen Götterberges Meru kennen.
Ueber den im Bergkatalog des Avesta nach dem Kadrva-
a9pa und dem Kaoiri9a unmittelbar folgenden Berg Tatra be-
darf es weniger Worte. Er ist der Mittelpunkt der Welt, um
ihn kreist die Sonne wie das Wasser um die Erde. Als höch-
ster Gipfel der Hara berezaiti, d. h. des Alburs, kann er nur der
Demävend sein.
Was nun den bis jetzt räthselhaften Namen Demävend be-
trifft, so ist es schwer, zu dessen ursprüngHcher Form zurück-
zugelangen und alsdann von dieser aus eine Etymologie zu
wagen. Zweifellos hat sich des ursprünglichen Namens früh-
zeitig die Volksetymologie bemächtigt. Wahrscheinlich liegen
in allen den Formen, in denen uns der Name überliefert worden
ist, nur die Produkte solcher volksthümlichen Zurechtlegungeu
des ursprünglichen Namens vor. Spiegel verzeichnet in seiner
Eranischen Alterthskde, Bd. I, pag. 70 — 71, Anm. die Formen
Demhavend (bei dem armenischen Geschichtschreiber Moses von
Khorni), Demävend (Firdusi), Demävend, Debävend, ja Danbä-
vend (beim arabischen Geographen Yäqüt), sogar Dunyävend
(bei Sehir eddin). Aus Abulfeda (trad. par Reinaud, T. I, pag. 93)
trage ich noch nach Dohävend. Nach den einen ist der Berg
benannt von den Winden, denen derselbe stets ausgesetzt ist,
nach den andern von dem Rauch, den er als Vulcan ausstösst
— 29 —
Ich glaube aber, dass, da alle diese Spielformen der Volksety-
mologie nur secundäre Formationen darstellen, mit allen zusam-
men nichts anzufangen sei. Anders gestaltet sich die Frage,
wenn wir sie im Zusammenhang mit folgenden Bildungen be-
trachten.
Der am Fusse des Demdvend, bei Danikan gelegene Garten
des Yima, das iranische Paradies, heisst Var Jem gerd, Var
Jam-Jcand, der Vara (Garten) Jem-gerd^ Jamkant, dieser selbst
ist aber wieder nur ein ursprüngliches skt, *Yama-garta, Garten
des Yama. Der Name Yama, Yima ist somit an den Demävend
geknüpft. Aber beide Namen sind ebenfalls nicht ursprünglich,
sondern gehen auf eine noch ältere, vor dem Sanskrit und Zend
liegende Form Dama zurück, die in der Form Jafxaonla, Ge-
mahlin Artaxerxes I, bei Ktesias erscheint. Nun erklärt Spiegel
in der Eranischen Alterthskde, Bd. III, pag. 404, Anm. 3 den
Namen Zä/nr^g, des zweiten Sohnes des Sassaniden Qobäd (522
nach Chr.) für ^^, Dsckam, Dschem, d. i. Yirtia, also Yama.
Da nun im Avesta die Form Jämägpa {DschämaQpa) auftritt,
welche wieder (bei Syncellus) einen ZafiäoTtrig, König der
Parther, und einen Zaf^aag)rig, König der Perser, beim Byzan-
tiner Theophanes, neben sich hat, so lässt sich die sowohl der
Form Jama (Dschamq) als der Form Za/m zu Grunde liegende
Form nur in einem hypothetischen *Djama finden, worin das j
der bekannte parasitische Einschubsvocal i wäre. Vielleicht hat
sich diese Vermittlungsform ^Djama erhalten in dem Namen
Jlofiog, der erstens als Fremder in Attika und als Priester des
Zeig Tlolievg, dann aber auch als Erfinder des ßovY.oliaO(i6g,
des Hirtengesanges, gilt, gerade wie Yima im Avesta als der
Begründer des goldenen Zeitalters und der Culturanfänge gilt.
Die Form Jama {Dschama) und Zafia hätte sich aus *Djama
gebildet, wie pers. jav^ gr. ^ia, die Gerste, aus skt. yava^ und
das skt. Yamä, das avestische Yima wären aus *Djama in der
Weise abgeschwächt, dass das Sanskrit und das Zend den ur-
sprünghchen Anfangsconsonanten zu Gunsten des parasitischen
— 30 —
Jod hätten fallen lassen, wozu im Iranischen unter dem Ein-
flüsse des Jod noch die Abschwächung des Vocals « zu i ge-
treten wäre.
Nachdem auf Grundlage der vorhergehenden Untersuchung
sich die Form Dama für Yama^ Yitna als die Stammform her-
ausgestellt hat, wird uns nunmehr ein den Bergnamen Demävend
zu Grunde liegendes ^Dam&vant im Sinne von Yamavant als
nothwendig erscheinen und eine solche Form Davidvandu für
den Demävend findet sich auch thatsächlich in dem, allerdings
persische Quellen benutzenden, indischen Geographie buche Roma-
kasiddhanta bei Aufrecht. Damävant stände für Damavant im
Sinne von *Yimavant, Yimahaft, wie devdvant im Rigveda für
devavant, götterhaft. Ich halte es sogar nicht für unmöglich,
dass dieses devavant, von Göttern umgeben, voll der Götter, auf
die Stellung des Berges Demävend, von dem uns ja auch die
Form Z>eiayenc7 begegnete, als Götterberg eingewirkt hat, wie
natürhch bei der religiösen Scheidung der brahmanisch gewor-
denen Sanskritarier von den zarathustrischen Zendariem, das
Zendadjektiv daevavant, den Dews ergeben, voll der Dews, die
Geltung des Demävend als Blocksberg herbeiführen musste.
Vgl. den arabischen Geographen Ihn Haukai (976 nach Chr.)
ed. Uylenbroek, pag. 9: Multae de eo (monte Dainawend)
fabulae natn-antur ; in Ms, praestigiatore^ ex omnibus orbis ter-
rarum parttbus huc se conferre solere.
Im Bundehesh wird ein Albursberg Namens Marh erwähnt:
„Der Berg Mark, der von Aparten wuchs, liegt in Rärän"
(Bundehesh 25, 8). Der Aparten ist der Berg Upairt ^aena,
der Berg oberhalb der Adler, die Bergkette, die sich nach
Bundehesh 59 von Sedschestan bis Chüzistan erstrecken soll,
die aber, als mythisch verschwommener Begriff, offenbar auch
den Alburs mit inbegreift. Von Rärän bemerkt Justi (Beitr. z.
Geogr. des alten Persien II, 8), dass darunter , offenbar Ltiristan"
verstanden sei. Läristan ist die Südküste der Landschaft Persis.
Dort ist ein Berg Mark nicht nachweisbar. Wohl aber ver-
— 31 —
zeichnet Melgunoff einen Berg Marhu in Gilan, im Distrikt
Sakhtesar, iu der Provinz La'idschan oder Lengerud. Lai'dscbau
aber ist nur eine Nebenform von Laridschan. S. Melgunoff,
Die südl. Ufer des Kasp. Meeres, pag. 208 und 59. Justi a, a. 0.
glaubt, der Name Mark stehe für Malk und scheine das arabische
Wort für König zu sein. Allein wir finden den Namen auch
in der Troas, bis wohin semitischer Einfluss niemals gereicht
hat. Stephanus Byzantius (ed. Meineke), pag. 433 verzeichnet
nämlich: Mäo/.aiov , ogog rrjg TQioaöog noög zf^ rioyid^i. oi
oixrJTogeg Mag/Miioaioi. Räthselhaft bleibt aber der Name
noch immer. Hat er Zusammenhang mit dem Namen Marici,
ursprünglich *3Iariki\ dem Vater des Ka^yapa, den wir als
Namensheros desKa^japa-Zfaff/rtov-Gebirges, d.h. des Demävend,
gefunden hatten? Oder hat er Verwandtschaft mit jenem eben-
falls noch unaufgeklärten Marka des Yajurveda, der gewöhn-
lich in der Dualverbindung mit ^anda vorkommt: ^andämarkau'?
Von beiden heisst es gleicherweise im Commentar zur Väjasa-
neyisamhitä- (ed. Weber pag. 194, 195, 197, 198 u. 199), VII,
16 — 18 und VII, sie seien Söhne des Cukra, des Planeten Venus
und Lehrers d er Asura, sie selbst Opferpriester der Asura {adhvaiyur)
imd Taitt. Samhitä heisst es: Brihaspdttr devänäm 2>u^'ohita
äste chuncldmarkäv asurändm. Wenn hier Brihaspati als Opfer-
priester der Götter im Gegensatz zu den Opferpriestern der
Asura speciell hervorgehoben wird, so müssen die Asura als
dem Cultus des Brahmanismus ganz besonders widerstrebende,
ausserb rahmanische, nicht den Sanskrit -Ariern angehörende
Götter aufgefasst, die beiden Opfei^priester f'aiida und Marka
müssen als Vertreter fremder Stämme gelten. Wenn es Gott-
heiten sind, so Hesse es sich sehr wohl begreifen, wenn Marka
einem gilanischen Berge seinen Namen gegeben hätte.
Zwischen Margiana und Ariana, also zwischen Merw und
Herat, setzt Ptolemaeus VI, 10, 4; 17, 2 seine ^ceQicpa ogr^ an.
Bumouf und nach ihm Justi im Zendwb. pag. 72 wollten die-
selben wiedererkennen in dem im Bergkatalog des Avesta, Zamyäd
— 32 —
Yasht 2 (Spiegel Bd. III, pag. 172) aufgefülirten Erezifija, dessen
lautliche Identität mit dem vedischen rijipya, der Falke, allge-
mein anerkannt ist. Spiegel freilich wollte in diesem Berge den
Iraj des Bundehesh erkennen, einen Berg, der sich von Hamadan
gegen Kharizm hin erstrecken soll (s. Spiegel, Avestaübersetzg,
Bd. III, pag. 49, Anm. 3). Die Metathese aber, die bei dieser
Gleichstellung anzunehmen wäre, spricht schon für sich allein
gegen die Identificirung beider Berge. Dagegen möchte folgende
Gleichsetzung kaum einer Schwierigkeit begegnen. Die ^dgicpa
ogr] sind eine rein landschaftliche Bezeichnung, es sind die Berge
der Landschaft die wir aus den persischen Keilinschriften als
Hariva, aus dem Avesta als Haraiva und Haroijit, kennen und
die im Veda dem gleichnamigen Sarayu, dem Herirud, entspricht.
Die Form *Sartva, die der altpersischen Hariva vorausgegangen
sein muss, und die wohl auch dem Namen der Stadt ^aoiya
(wohl = 2aQißa) in Aria, bei Ptolemäus IV, 17, 7, zu Grunde
liegt, wenn dieselbe nicht direkt Herat selbst bezeichnet, setzt
allerdings sanskrit- arische Provenienz voraus, während wir dafür
bis jetzt weiter keine Anhaltspunkte besitzen. Der Name müsste
also bei Ptolemäus auf sehr alten Quellen beruhen, denn da, wo
er sonst auftritt, bei Dionysius Periegetes (s. mein Iran u. Turan
pag. 129) zeigt er persisches Gepräge, in dem Acc. pl. 'AQißäg
und ebenso bei Rufus Festus Avienus, Descr. Orbis Terrae,
V. 1295— 1300:
Innumeras idevfi (Jndus) dispescit fiumine gentes,
Oritas, Aribasque et veloces Arachotas,
Et Sagam inßdum et qui per iiüiospita late
Discreti popuU, discreti ßnibus agri,
Arva agüant, uno sed nomine sunt Arieni.
Dieselbe Form, nur mit Ausfall des v, treffen wir bei Am-
mianus Marcellinus (ed. Gardthausen, Bd. I, pag. 335) XXIII, 6:
Ariani (die Bewohner der Landschaft iMgda = Hariva) vicunt
post Seros, Boreae obnoxii ßatibus: quorum terras amnis velteii-
— 33 —
dis sufßciens navibiis^ Ärias praeßxiit nomine^ faciens lacum
mgentem eodem vocahulo dictitatum.
In der fünften Reihe des Bergkatalogs erscheint bis jetzt
einzig der Acnaväo durchsichtig. Spiegel hat schon in der An-
merkung zu dieser Stelle (Avesta-Uebersetzg, Bd. III, pag. 172,
Anm. 8) die Ansicht ausgesprochen: „Vielleicht der Berg A9na-
vant in Aderbaijän." Ich verweise bezüglich desselben auf meine
Specialuntersuchung über den Acnavanfa-Sabelän in meinem
,Vom Pontus bis zum Indus" pag. 73—83.
Ausser diesem Ägnavdo lässt sich vielleicht auch der Asha-
ctembana, zwar nicht topographisch, aber doch etymologisch er-
klären. In ctemhana suchte schon Justi im Zendwörterbuch
pag. 31 und 301 sub voce, das sanskritische stambhana, Stütze,
Pfeiler. Fracrlich ist nur, was asha bedeutet. Im Avesta be-
zeichnet asha durchgehends die Reinheit, es entspricht zugestan-
denermassen etymologisch dem vedischen rita, ohne jedoch be-
grifflich mit aUen Bedeutungen des vedischen rita zusammen-
zustimmen. Ich möchte in ashactembana ein vedisches *rita-
stambhana im Sinne von Himmelspfeiler erkennen, einen «ZeVaA
skavxbUh, wie z. B. Rigv. IV, 13, 5; IX, 86, 46; IX, 74, 2;
vgl. Rigv. IX, 2, 5; vishtamblio dliarüno divcili, die Stütze, der
Träger des Himmels. Von Indra heisst es Rigv. X, 111, 5;
malihn cid dyäm ätanot süryena
cäskdmbha cit Tcämbhanena shdbhiydn \
„Den hohen Himmel hat er ausgespannt mit der Sonne,
jiestützt hat er ihn mit einer Stütze ihn stützend."
Indra und Soma werden gepriesen Rigv. VI, 72, 2:
indräsomd väsärjatlia ushäsam
üt süryam nayatho jijötishd sakd |
üpa dydm shambhdthuh shdmbhanena —
aprathatam prithivim mdfdrarn vt ||
-Indra und Soma, ilir lasst die Morgenrothe leuchten, ihr führt
die Sonne herauf zugleich mit Glanz, ihr stützt den Himmel
mit einer Stütze, sie breiteten aus die Mutter Erde."
Brunnhofer, Vom Aral bis ziir Gangä. 3
— 34 —
Bezüglich des asha = rüa im Sinne von „Himmel" möchte
ich auf folgende Rigvedastellen verweisen.
In Rigv. IX, 16, 7 heisst es vom Somatranke:
divö nd sdnu pijiydsM
dhard sutdsya vedlu'tsah \
vrühä pavüre arshati ||
„Auf des Himmels Gipfel (sänu für sdnavi loc.) rinnt strotzend
der Strom des Gepressten (Soma), des huldvollen, lustig in die
Seihe." Aehnlich lautet nun die Stelle Rigv. X, 123, 2:
samudräd ünnhn lid lyarti veno
nabhojäli prish(7idin haryatdsjja dargi |
ritdsya sänäv ddhi vish(dpi l)hi'ä(
samdndm yöniin abhy hmishata m'dli \\ 2 ||
„Vom Ocean (des Himmels) herunter setzt der Liebliche (Soma)
seine Woge in Bewegung, der Wolkengeborene erschien als der
Rücken des Goldglänzenden, auf des Himmels Gipfel, im Zenith,
erglänzt er, nach demselben Becken strebten die (Wogen-)
Schaaren."
Das Wort ^ifä würde sich hier schlechterdings mit keinem
andern Begriff decken, als mit dem des Glanzhimmels und
würde demnach einem älteren, in der uns erhaltenen Avesta-
sprache nicht nachweisbaren asha., Himmel, wie wir es für den
avestischen Bergnamen ashagtembana voraussetzen, vollkommen
entsprechen. Die Vorstellung übrigens, dass hohe Berge Säulen
des Himmels seien, erweist sich als echt arisch auch aus folgenden
zwei Stellen aus der Literatur der am weitesten nach dem fernen
Westen verschobenen Arier. Nach Herodot IV, 184 gab es in
Libyen, jener Colonie der alten Armenier und Meder nach Sallust,
einen Berg Namens Atlas: „der ist schmal und ganz kreisrund,
aber so hoch, dass, wie man sagt, seine Gipfel nicht zu erschauen
sind, weil die Wolken sie niemals verlassen, weder im Sommer
noch im Winter". Derselbe sei die Säule des Himmels, sagen
die Eingeborenen: Toviov de elvai tov xiova toi ovgavov,
- 35 —
Xiyovoiv o\ iyxioQioi. So auch lastet nach Pindar (PytK I, 35
ed. Bergk^ pag. 76) auf dem Drachen Typhon „die himmelhohe
Säule des Aetna, das ganze Jahr hindurch des scharfen Schnees
Amme:
y.iojv d' ovQavia airtysi
VKföioa , uii'iva, nürizEg xiovog o^iiag zi&rva.
4. Iranische und indische Finssnamen.
Diodor XVII, 75 kennt in Hyrkanien einen Fluss ^TißoiTr^g,
den Curtius (VI, 10) Ziobetis nennt. Der Name ist offenbar
derselbe, sein Anfangsconsonant ist augenscheinlich ein guttura-
ler Palatal, den der Grieche, wie der Lateiner nach seiner Sprach-
empfindung mit den dafür unzulänglichen Buchstaben des
griechLsch- lateinischen Alphabets wiedergeben mochte. Ohne
weitere Parallelnamen würde es schwer sein, dem iranischen
Laut, der zu Grunde lag, auf die Spur zu kommen. Nun aber
ist ims aus Hesychius und Diodor ein iranischer Königsname
überHefert, der wohl geeignet ist, uns auf das Etymon des hyr-
kanischen Flussnamens zu bringen. Ein bithyuischer König,
Sohn des Bas, heisst bei Hesychius ZEi7ioix\g^ bei Diodor
ZißoiTrig, ZißvTrjC, Zinoiirfg und Hesychius giebt an, LsiTioitr^g
und teiTiLzig bedeuteten neQixvrrjC. Mit dieser Glosse besitzen
wir den Schlüssel zur Wurzel von ^zißokrfi, Ziobetis. Diesel))e
kann nämlich offenbar nur die Sanskrit wurzel cxßi sein, die in
der, allerdings noch nicht nachgewiesenen Bedeutung von „aus-
giessen, träufeln" zunächst der Sanskritwurzel qcyu, gcyut „träu-
feln" steht, zweifellos aber im Zusammenhang gedacht werden
muss mit der graecoitalischen Wurzel cliu^ indogermanisch gltu
= griech. xüo für xtfio, X^^-Wj X^-ol-q, das Giessen, wozu lat.
font-s, m., die Quelle, aus *fov-ont, gleichsam *x^ovz-, ferner
lat. fu-ti-s, Wassergiessgefäss. S. Fick, Indogerman. Wurzel-
wörterb.^, pag. 445. Die Form Ziobetis, ^iißoizr^g, Zinoirrig
würde etwa einer skt. Participialform *gcyavanti entsprechen.
— 36 —
analog einer Form wie Dhvasanti, Eigenname eines Mannes im
Rigveda I, 112, 23 von Wurzel dhvas, stieben, spritzen. Unser
Flussname würde also seiner Form und Bedeutung nach
wenig von lat. fons, die Quelle, verschieden sein und nur einen
kleinern Fluss bezeichnen können, was denn auch historisch-
geographisch thatsächlich der Fall ist. Denn Spiegel, Bramsche
Alterthskde, Bd. II, pag. 537 Anm. kommt bei Betrachtung des
Weges, den Alexander der Grosse von Persien aus nach Hyr-
kanien einschlug, zu dem Resultat: „Der ^r iß o irrig oder Ziobetia
ist keinesfalls ein bedeutender Fluss, sondern nur ein Bach."
Zu derselben Wurzel in der erweiterten Form *ghud, giessen,
stelle ich den sicilischen Flussnamen yvöaq bei Ptol. UI, 4, 3
zwischen Kalakta und Alontion, einer der Flüsse Foriano, In-
ganno, Rosamarina. S. Holm, Gesch. Siciliens im Alterthum,
Bd. I, pag. 344, Anm. zu S. 34.
Der Kvövog in Cilicien dagegen, sowie der Kvöagog bei
Byzanz gehören wohl eher zur Sanskritwurzel cud, eilen, vgl.
\eaisch. cödana,m der causativenBedeutung begeisternd, antreibend.
Von der Sarasvati, die ich (s. mein Iran u. Turan pag. 98
— 101) als die Haraqaiti fasse, rühmt Vasishtha in den zwei Ein-
gangsstrophen zum Hymnus Rigv. VII, 95, 1;
Pfd hsliodasd dhätfosd sasra eshd
Sarasvati dharunam äyasi püli \
prabäbadhdnd rathißva ydtt
v{gvd ap6 viahind sindhur anyd |1 1 ||
Shdcetat Sarasvati nadindni
gucir yatt girihhya d samudrdt \
raydg cStanti bhdvanasya bhürer
ghritäin jwyo duduhe ndhushdya 1| 2 ||
„Vorwärts, mit furchtbarem Wogenschwall, strömt diese hier,
die Sarasvati, eine Festung und eherne Burg, vorwärts drängend
wie mit einem Wagenlenker eilt sie, ein Strom, alle andern
Gewässer an Grösse überholend. Einzig unter allen Flüssen hat
Sarasvati Verstand, glänzend laufend von den Bergen bis ins
— 37 —
Meer, die Reichtliümer beschauend der grossen Welt melkt sie
Butter und Milch dem Unterthanen des Xahusha."
Ohne mich hier bei andern, der Interpretation bedürftigen
Stellen dieser Strophen aufzuhalten, will ich nur den bis jetzt
unverstanden gebliebenen Ausdruck: eine Festung und eherne
Burg {dharünam äyasi puh) ins Auge fassen. Der Hilmend
mündet in den Hämünsee und das ist hier der samudrd, der
nach Edrisi selbst lun die Mitte des zwölften Jahrhunderts nach
Christus noch neunzig Meilen lang war, in der Urzeit also wohl
noch viel grössere Ausdehnung gehabt hatte (s. mein Iran u.
Turan pag. 123—124). Die Ausmündung ist durch eine mäch-
tige Festung geschützt. Es war dies altiranische Sitte. S. Spiegel,
Eranische Alterthskde, Bd. II, pag. 55, Anm. 1: „Es scheint in der
That, dass die Eranier in alter Zeit die Ausgänge der verschiedenen
Kanäle durch Festungswerke deckten, um nach Belieben das Wasser
abschneiden zu können. Cf. Herodot UI, 117." Vgl. auch Spiegel,
Eranische Alterthskde, Bd. I, pag. 207, wo nach Masudi die
Paradiesflüsse als aus goldenen Palästen herabträufelnd beschrie-
ben werden. Die Festung an der Einmündung des Hilmend in
das Hämünmeer beschreibt Abulfeda (trad. par Guyard T. II, 2,
pag. 108) also: Citadelle de Täq (^isn at-Täq) Täq, dit Ihn
Said, est situSe sur une haute montagne, pr^ du coude forviS
par la rivüre {de Hindmend). Gette citadelle est tres forte,
in expug nable. C'est le hoidevard du roi de ces conti'Ses, et
cest ta que les Sidjistaniens dSposent leurs trSsors.^'' Die Be-
zeichnung dieses gewiss schon in der Urzeit benutzt gewesenen
natürlichen Bollwerks als „eherne Burg" {äyasi puh) erinnert
an die Buyin dizh, d. h. die „eherne Festung", in welcher, fem
in Turän auf der Hochebene Pamir (Justi, Beitr. z. alten Geogr.
Persiens II, pag. 24) nach Firdüsi's Schähnäme der König Arjasp
die beiden Töchter König Gushtäsp's, Humäi und Beh-äferid,
gefangen hält. S. Spiegel, Eranische Alterthskde, Bd. I, pag. 716.
Wie sehr es übrigens in der altiranischen Anschauung lag, die
Ströme als natürliche Bollwerke gegen den Feind zu betrachten,
— 38 —
zeigt eine Aeusserung des Bessus, des Mörders des Darius, bei
Curtius. In seiner prahlerischen Rede beim Weingeiage, während
er zu fernerem Widerstände gegen den ungestüm vorrückenden
Alexander auffordert, versichert der Usurpator, er werde dem
macedonischen Eroberer den Oxus als Mauer entgegenstellen:
sibi placere in Sogdianae os recedere, Oxum amnem velut
muruvi objecturum hostt, dum ex finitimis gentibus vaMda
auxilia oceurrerent. Darauf erwiedert ihm der erfahrene Meder
Cobares, ein Magier: in vestibulo regiae tuae velocissimus con-
sistit rex. Ante ille agnien, quam tu inensam istam movebis.
Nunc ab Tanai exercitum äccerses^ et armis flumina oppones.
Scilicet, qua tu fugiturus es, hostis sequi non potest. So spricht
auch der Philosoph Seneca (Natural. Quaestiones Lib. VI, cap. 7;
ed. Fr. Haase, T. I, pag. 277) von den Strömen Donau und
Rhein als Bollwerken wider die Barbaren:- hinc Nikes per
aestatem ingentes aquas invehit^ hinc, qui tnedius inter pacata
et hostilia flaiti Danubius ac Rhenus, alter Sarmaticos impetus
cohibens et Europam Asiamque disterminans^alterGermanos,
avidam gentem belli, repellens. Was den Hilmendstrom selbst
betrifft, so schildert ihn der Reisende Malleson (s. Geiger, Ostira-
nische Kultur im Alterthum pag. 92) also: ^,Der Hilmend ist
ein schwer zu überschreitender Fluss. Im Juni ist seine
Tiefe etwa drei Fuss und neun Zoll, seine Breite in
dem breitesten Arm ist siebenzig Yards. Der Strom
läuft mit einer Schnelligkeit von drei Meilen in der
Stunde. Zu veilen muss man sich einer Fähre bedienen.
In Karamanien verzeichnet Ptolemaeus VI, 8, 4 den Fluss
lAxivdävag noTüfiog, der bei Marc. Heracl. periplus mar. exter. I»
27 auch l/4xiddvctg nora^iog heisst. Die Foi*m entspräche genau
dem vedischen ahihän, der Schlau gentödter, d. h. Indra als Tödter
des Vritra. In der von Ptolemaeus überlieferten Form '^//vda-
vag hätten wir eine Form, die regelrecht einer im Veda aller-
dings nicht vorkommenden Form *ahim-h/ma entspräche, deren
erster Theil aus dem vom Verbum Jum abhängigen Accusativ
- 39 —
sing, gebildet wäre. Auch das den zweiten Theü des Composi-
tums bildende öava ist ans vedischem Sprachgut nachweisbar
und zwar gerade aus dem des Agastya, dessen Sprache ich in
meinem Iran und Turan pag. 63 — 66 als halb iranisch nachge-
wiesen habe, wie er sich mir ebendort pag. 66—70 ethnologisch
als Sagaiiier ergeben hat. In seinem Hymnus auf Indra Rigv. I,
174, 2 lautet der erste Päda: ddno vCga indra mridhrdväcah. Hier
erklärt nun der Commentator Säyana danah mit adamaijah und
lügt unter andern Abenteuerlichkeiten (wie z. B. es könne durch
Buchstabenversetzung auch anadali „du schriest an" sein) noch
geflissentHch hinzu damer idavi rüpam „es ist das eine Form der
Wui-zel dam, bändigen.'* Diese Erklärung kommt dem Richtigen
zweifellos näher als diejenige von Böhtlingk-Roth und Grassmann,
die zwar eine Wurzel dan aufeteUen, derselben aber die Bedeu-
tungen gerade sein, zurechtweisen zuschreiben. In Wurzel
dan erkenne ich die regelrechte iranische Vertretung einer als
Verbum finitum im Sanskrit zwar nicht mehr nachweisbaren, aber
aus Nominalbildungen erschliessbaren Wurzel *dhan, die eine
Parallelbildung von Wurzel fian, tödten, ist und z. B. dem Substan-
tiv dhana, n., der Kampfpreis, die Beute, der Wettkampf, der Kampf,
\*ielleicht auch dem Substantiv dhdnus, dhänvariy n., der Bogen, zu
Grunde liegt. Die obige RigvedasteUe wurde also bedeuten: „Du
hast, 0 Indra, die Schmäher getödt^t." SoUte sich diese Etymologie
des Flusses lAxivdävag bestätigen, so würde sie von grossem
Werth aus dem Grunde sein, weü sie in Karamanien ein halb
iranisches, halb indisches Element voraussetzen Hesse, insofern
die Gutturalform l4yL nur auf sanskritarische, die Form dan,
wennsie = dhan^ hau ist, nur auf iranische Provenienz schliessen
lassen würde, die rein iranische Form müsste *l4uvddva lauten,
entsprechend der Zendform azhi = skt. ahi\ Schlange.
Vor dem Regienmgsantritt des Königs Kai Kobäd waren
Afrasiabs, des turanischen Eroberers Heere bis Zäbulistan (Kabul)
und Sistan (Sedschestan) vorgedrungen. Nach dem Bundehesh,
der Rehgionsencyclopädie der Sassaniden, kam Afrasiab aucli
— 40 -
an den Fluss Vaca^if wie Justi im Bundehesh 53, 13 für das
wahrscheinlich verschriebene Vadha^ni oder Vataeni Wester-
gaards corrigiren will (Beitr. z. alten Geogr. Persiens II, 13).
Diesen Fluss sucht Justi ebenfalls im Gebiet des Hämünsees.
S. übrigens die Bundehesh-Stelle unten Abthlg. III in der Ab-
handig über Suplan Sahadeva. Ich glaube, die Form Vaca^ii
durch eine Angabe des Procopius bestätigen zu können. Im
Bellum Gothicum IV, 10 nämlich (Corpus Script. Hist. Byz. ed.
Niebuhr, Pars II, Procopius T. II, pag. 504) berichtet der
Byzantiner Folgendes: latt de rig tv Jltgaaig OvaCatvrj x^Q^"
ayad-rj /ndkioTaj ov dtj noXig BrjXanaTcov xakovfuivri naleitaif
ema rnnsQiöv oöoj KzriGKpwvTog ötexovoa. Die 7 Tagereisen
sind wohl nur eine zahlensymbolische Bezeichnung der weiten
Entfernung der Landschaft Vacatni von der Sassanidenhaupt-
stadt Ktesiphon, ihre ausserordentliche Fruchtbarkeit würde vor-
züglich zu Sedschestan passen; vgl. über dieselbe mein Iran und
Turan pag. 131. Die Stadt Belajyaton oder Bilapaton ist mir
nicht nachweisbar. Oder liegt im Namen dieser Stadt etwa
das Chaldäerdorf Bilahi bei Amadia in den Vorbergen Kurdi-
stans verborgen? Ueber dasselbe s. Ritter, Asien Bd. XI, 592.
594. Alsdann würde die Entfernung ungefähr stimmen und
wir hätten in Ovall,divri (= Vaca^ni) nur die Bestätigung eines
nach dem Westen verpflanzten Namens Vacahii^ wenn nicht
umgekehrt das östliche Vacüeni eine Verpflanzung des vielleicht
ursprünglicheren westlichen ist.
Unter den vielen Flüssen, die den Namen Rasa führen,
erwähnt der Rigveda in dem berühmten Loblied auf die Flüsse
X, 75, 6 auch eines solchen, der ofi^enbar einen der Zuflüsse des
Käbulstromes bildet. Katalogs weise werden da hinter einander
aufgeführt die Trishtamayä, die Susartu, die Easd, die ^vetyä,
dann die Sindhu mit der Kubhä (dem Käbulstrom), die Gomati
(Gomal), die Krumu (der Kuram) und die Mehatnu. Ich glaube
nun, die hier aufgeführte Rasa aus folgender Stelle von Arrians
Beschreibung des indischen Feldzugs Alexanders des Grossen
— 41 —
nachweisen und localisiren zu können. Arrian berichtet nämhch
IV, 30, 5 (ed. Sintenis, T. II, pag. 60): ^.AQCtq tJ' h. Tiig nizgag
ig Tr^v 'u4ooay.r^v(üv ywqav B^iß6).Xti. Die nirga ist die steil
abfallende Südwand des Hindukush, der Fluss ^L4Qag erinnert
mit seinem Vorschlagsvocal an die iranische Form des Namens
der Rasa, nämlich Aranhd, Arang.
Aus Arrian wird uns auch der Flussname ld/.eoivr^g durch-
sichtig. Im Rigveda heisst der Fluss Asikni^ scheinbar ein
Femininum von asita^ schwarz. Aber offenbar liegt in Asikni
eine alte Volksetymologie für einen unverständlich gewordenen
vorhergehenden Namen vor. Denn der heutige Name des
Flusses Tschmdb, konnte niemals aus Asikni hervorgehen, son-
dern stimmt ^äelmelir zu dem Namen, den die Griechen Alexan-
ders hörten :L^y.£ami?. Der Anklang dieses Namens an griechisch
axelv, heilen, ist sicher ganz zuföllig. Hätten auch die Griechen
den von ihnen gehörten Namen, wenn er Asikni gelautet hätte,
volksetymologisch in einen ihnen besser zusagenden L^xfiatVijg um-
gewandelt, so ist doch nicht entfernt daran zu denken, dass ihnen
die Inder darin gefolgt wären. Vielmehr ist anzunehmen, da.ss
der lungekehrte Name lA/.Eoivr^g in der That der echte, einhei-
mische, bodenständige Name war. Dann erklärt sich auch der
moderne Name Tschmdb, dessen zweite Sylbe einfach das persische
db^ Wasser, Fluss ist und dessen erster Theil Tschin aus einem älteren
*\Ä^^C€sin^ ^A'^ksin wirklich hervorgehen konnte. Lautete aber der
ursprüngliche, einheimische Name '4x£ffii/ijg, so können wir
uns nunmehr umsehen, welcher Provenienz derselbe gewesen sein
mag. Nun berichtet Arrian in der Anabasis III, 8, 4 (und dann
noch eiomal UI, 11, 4), in der Schlacht von Gaugamela seien mit
den Medem unter dem Oberbefehl des Atropates auch die Kadusier,
die Albaner und die Sakesiner gestanden: ^vveidzTovco de Mr]-
öoig Kaöovaioi re /.cci IdXßavoi y.al ^a/.eoivai und III, 11,4: xai
Mröoi Sil v.axa tö öe^iov, ini öi ITaQ^vaioi y.ai ^dyMi, f.nt
ÖS TdnovQOL y.ai '^Yoy.avioi, eni öe uiXßavoi /.cd Uay.aoirai,
ovToi ftiv eore inl xo /.leoov ri^g näor^g cpcc?.ayyog. Die 2ay.€oivai
— 42 —
erscheinen hier in der landsmannschaftlichen Heeresaufstellung
der Perser als mit den Albanern und Kadusiern benachbart.
Die Albaner sassen aber an den Mündungen des Kur und des
Araxes, woselbst also auch die Wohnsitze der ^ciy.eoivui gewesen
sein müssen. Erscheint nun ^AyAöiring als Flussname des Pand-
schab, so ist, nach Analogie der Provenienz der geographischen
Namen des Pandschab aus dem iranischen Westen, in letztem
Hintergrund aus den Südabhängen des Kaukasus (vgl. die Wan-
derung der Ka9yapa-/iCa(T7r/ot in meinem Iran und Turan pag.
51 — 63), so ist der Schluss berechtigt, dass *2Ja/.eoivrj<; wohl
auch einen der Flüsse der Kur-Araxessenkung bezeichnet haben
mag. Nehmen Avir den Fluss l^/.eoivrig auf der Insel Sicilien
bei Thukydides IV, 25 hinzu, so haben wir eine fernere Ana-
logie zu der Wanderung arischer Flussnamen aus Transkaukasien
einerseits nach dem fernen Iran und Hindostan im Osten, ande-
rerseits nach Hellas und Grossgriechenland im fernen Westen,
eine Wanderung, die ich an den Namen des Kur und Araxes
schon 1884 in meiner als Vortrag erschienenen Abhandlung
„Ueber den Ursitz der Indogermanen" nachgewiesen habe. Die
Form ^ccAtoirai (resp. der Flussname *-a/(€a/vjjc) erschiene als-
dann als ursprüngliche, noch auf indogermanischer Lautstufe
stehende, wogegen die Form ldy,eoiv7\g im Pandschab und in
Sicilien als Vertretung eines nach iranischem Lautgesetz bereits
der Umwandlung des Anlauts s in h verfallenen ^Hakesines,
dessen h dann, wie häufig ebenfalls noch eingebüsst worden
wäre, zu betrachten sein würde. Dass aber iranische Flussnamen
sogar in Hindostan vorkamen, beweist z. ß. der Name des Neben-
flusses des Ganges: l^yÖQavi bei Arrian, Indica IV, 2 (s. Mega-
sthenis Indica ed. Schwanbeck, pag. 107). Denn l^yooavtg oder
l4yvoav ig int nur aus dem Namen der zarathustrischen Wasser-
göttin Ähuräni „Tochter des Ahura" zu erklären, über welche
ausführlich Spiegel, Bramsche Alterthskde, Bd. II, pag. 24.
Unter den übrigen bis jetzt unerklärten Flüssen des Pan-
dschab ist durch seinen vedischen Namen interessant der TovTCtnng
— 43 —
bei Aman, Indica IV, 9 (Megasthenis Indica ed. Schwanbeck
pag. lOS) Tovtanog de fuyag noia^ihg ig Tov^Ay.£oivr^v e/.didol.
Dieser Nebeufluss des Akesines repräsentirt nämlich nach meiner
Ansicht das vedische Adjectiv düdabha von dtish+dabha, vedisch
gewöhnlich geschrieben dulabha. Ueber die Bildung des Wortes
s. die Literatur der Sanskritgrammatiker in Böhtlingk-Roths Sans-
kritwörterb., Bd. III, pag. 716. Das Wort wird übersetzt, schwer
zutäuschen und ist Attribut des Daksha, der Devds, des Agni und
Varxinas. Der Xame des Flusses ist w^ohl einfach aus dem ver-
selbständigten Attribut eines Gottes hervorgegangen, wahrschein-
lich des Varuna, der ja auch Gott der Gewässer ist, wobei dann die
ursprüngliche Bedeutung dieses Attributes nicht mehr in Frage
käme. Anhaltspunkte für diese Annahme könnte man in der ähn-
lichen Verwendung des Namens der „Tochter des Ahura" zu dem
Flussnamen i^yngavig, l^yvgavtg, des ^Axivddva als Aliihdn zur
Benamung des karmanischen Flusses l^xivöarag oder des Bhagi-
ratha zur Benennung des Flusses Baycdöag in Karmanien oder
der Bhagirathi als Name der Gangä finden. In Rigveda II, 28, 8
figurirt das Attribut dulabha völlig für den Namen des Gottes
Varuna:
ndmah purä te varunotd nündm
lUdparam tumjäta braväma \
tvS hl ham pdrvate nd gritäni
dpracyutäni dulabha vratäni || 8 ||
, Deinen Preis möchten wir aussprechen in Vergangenheit
Gegenwart und Zukunft, Gewaltiger, denn in dir, o Schwerzu-
täuschender, als in einem Berge, beruhen die unerschütterKchen
Satzungen."
So auch ßigv. VII, 86, 4:
Keim dga äsa varuna jySshiham
ydt stotdram jighdnsasi sdhhdyam \
prd tan me voco dulabha svadhdvo
'va ivdnend ndmasd turd lydm || 4 ||
— 44 —
„Was war doch, Varuna, die ärgste Sünde, dass du den
Dichter, deinen Freund, mit Schlägen heimsuchst. Wohlan, sage
mir das, Untrüglicher, Selbstherrlicher, ich möchte ohne Sünde
eifrig mit Verehrung vor dich treten."
Der Fluss wird hervorgehoben als /tiiyag noxat^og, es wäre
also ganz gerechtfertigt, wenn derselbe den Namen des höchsten
Gottes erhalten hatte. Bezüglich der Consonanz würde man im
Griechischen eher *zJovdaq)og oder ^Jovöanog erwarten, vgl.
aber den mit TovTano(^ zugleich aufgeführten Namen des Flusses
Knvdnxortrig, in welchem schon Lassen und Schwanbeck (Mega-
sthenis Indica pag. 35) die indische Gandhakavati erkannt
haben, Schwanbeck erblickt übrigens in Tovianog die Qatadru,
den Sedletsch (Megasthenis Indica pag. 33).
Die 7. Mündung des Indus führt bei Ptolemaeus VII, 1, 2
den Namen yliovißaQe. Dieser Name entspricht, in präkritischer
Abschleifung, dem Sanskritadjektiv lavanäväri „salziges Wasser
habend". Böhtlingk-Roth im Petersburger Sanskritwörterbuch
Bd. VI, pag. 520 führen mehrere Flüsse Namens Lavant auf.
In „Vom Pontus bis zum Indus" pag. 119 hatte ich gezeigt,
■wie die Sita als alter Yaxartes, ähnlich wie die Rasä^ nach dem
Abzug der Sanskrit- Arier aus Iran, in Indien zum Himmels-
strome umgedeutet worden war. Es hatte sich uns dann ebendas
pag. 121 gezeigt, dass ein alter Name des Oxus einst Vasu, der
Gute, gewesen sein muss, da in Firdusi's Schähnäme der Oxus
Veh heisst, der auf zend Vanhu = skt. Vcisu zurückgeht. Als
nun nach der Eroberung Indiens für diesen Vasu keine An-
schauung, wohl aber noch mannigfache Erinnerung in der Hel-
densage vorlag, wurde auch dieser Strom Vasu zunächst auf
die Qangä bezogen, diese ehemalige Gangä aber ebenfalls im
mythischen Himmelsstrome gesucht. Und so finden wir denn
im Mahäbhärata XIII, 3789 die Vasor dhdrä, den Strom des
Guten (skt. adj. vasu, gut):
prasädd yatni sauvarnä Vasor dhdrä ca yatra ca \
gandharvdpsaraso yatra tatra yanti sahasradd |j
— 45 —
„Wo die goldenen Gnadengeschenke und der Strom der
Güter (die Vasor dhdra), wo die Gandharven und Apsarasen
wandeln, da spenden sie tausendfältig." S. die Stelle in Böht-
lingk-Roths Sanskritwörterbuch , Bd. VI, pag. 847. War der
Oxus das Prototyp für die Gangä gewesen, so zwar, dass alle
Namen der Gangä ursprünglich auf den Oxus bezogen werden
müssen, so führt nach meiner Auffassung in „Vom Pontus bis
zum Indus", pag. 123 auch Alaka-nandd, ein anderer Name
der Gangä, auf den Arg oder Arag rud, d. h. eben den Oxus
zurück. Alsdann, wenn der Oxus in Urzeiten selbst den Namen
Gangä gehabt hätte, würde es begreiflich sein, wenn alte Bibel-
erklärer in demselben den Paradiesesstrom Gihon erkennen.
Endlich ein mythischer Fluss Altindiens ! In des Palladius apo-
krypher Abhandlung de Bragmanibus in des Megasthenes Indica
(ed. Schwanbeck pag. 158) spricht der Weise Dandamis zu One-
sikrates: l^it^avÖQog öi d^sog ol'/c iariv siöcog arco^^vr^o■/.elv'
niög navTCüv iozl öeonoTr^g, 6g ov nag^ld^e noxaiibv TißsQO-
ßodf^, oid' slg x6<Jftov oXov top avtov d-govov ra&si/.ev; xai
IdXe^avÖQog ovöi tiuv sv aöov oidtno) nagr^X^ev , ovdi trß
(.leoonoQBiag r^llov olöe tov 6q6/.iov, yial {.led^oQioig /.agvocpo-
QOig avvOia (?)' ovdi yivwaxsi airov tö bvoua. Ambrosius
in seiner Paraphrase des PaUadius (Megasthenis Indica ed.
Schwanbeck pag. 158) giebt diese Stelle so wieder: Alexander
vero non est deus, qui'a et ipse moriturus est. Quemadmodum
igitur potest esse omnium dominus, qui nondtim Tybero-
boam f luv tum transfretavit^ neque per totum mundum
sedeni suam locavit, non zonam Gadeni transiit, non in medio
oi-bis cursum solis aspexit'l In diesem eigenthümlichen Gespräch
des Palladius liegen echt altindische Ueberlieferungen vor, unter
denen uns aber nur der mythisch-geographische Name des
Tißsgoßodg und der historisch -geographische von avvd-la be-
schäftigen sollen. „Euer Alexander kann nicht ein unsterblicher
Gott sein, erklärt der Brahraane, denn er hat noch nicht über
den Strom Tiberoboas gesetzt." Der TißeQoßodg oder Tyberoboas
— 46 —
war nach des Inders Glaubensansicht der die Welt der sterb-
lichen Menschen von der der unsterblichen Götter trennende
Weltstrom, eine Art indischen Okeanos, jenseits dessen Elysium
und die Welt der Seligen beginnt. Wir kennen diesen Welt-
strom und die sich an denselben knüpfende Vorstellung seiner
Unübersetzbarkeit recht wohl als die Rasa des Veda. In dem
Zwiegespräch zwischen der Götterbotin Saramä und den im
dämonischen Zwitterschein schwankenden Panis jenseits der
Rasa fragen die Letztern die Saramä sofort (Rigveda X, 108, 1):
katkdm rasäyd atardh pdyänsi „wie hast du über die Gewässer
der Rasa gesetzt?" Die Frage setzt voraus, dies sei eigentlich
gar nicht möglich. Die Unmöglichkeit, diesen als Weltmeer
gedachten Weltstrom zu durchkreuzen, ergiebt sich aus den
Ausdrücken der lateinischen Paraphrase, die neben dem ihr zu
Grunde liegenden Text des Palladius noch aus andern uns nicht
erkennbaren Quellen geschöpft haben mag, aus den Ausdrücken:
transfretavit, non zonam Gadem transiit. Das Verbum transfre-
tare bedeutet immer nur: übers Meer fahren, und die Fahrt
über die Zone Gades hinaus, wenn sie zunächst auch nur eine
Wendung ist, mit welcher der Lateiner sich den Weltstrom zu-
rechtzulegen sucht, beweist wiederum, dass man sich den Tybe-
roboas als den, den Erdkreis umfliessenden, Weltstrom Okeanos
vorstellte, was wiederum mit der altindischen Vorstellung über-
einstimmt, die Rasa ströme rings um das bewohnte Festland
der Erde herum, vgl. darüber mein Iran und Turan pag. SO.
Sehen wir uns nunmehr nach der Etymologie des Namens
Tyberoboas um, so ergiebt sich aus der lateinischen Form, dass
ursprünglich für Tf/?£po/Jdag gestanden haben muss*7t/9£ßO/?o'ag.
Damit sind wir auf die richtige Fährte geleitet. Ich halte für
das Etymon des Namens des Weltstromes Txjberoboas das vedische
Adjektiv tuvirdva, das auch in der erweiterten Form tumrdvant
vorkommt. Es ist diese zweite Form, die dem Namen zu
Grunde liegt. Das Adjektiv bedeutet nach Böhtlingk-Roth Sans-
kritwörterb., Bd. III, pag. 372: mächtig brüllend, dröhnend,
— 47 —
nach Grossmann: mäclitig tobend, zusammengesetzt aus dem
Adverb tuvi^ mächtig, stark, und ravci von Wurzel r«, brüllen.
Die Form tuviravanf steht nach Böhtlingk-ßoth für älteres
tuvirava-vant „mit mächtigem Gebrüll ausgestattet" und diese
ursprünglichere Form des Adjektivs ist es, die, ^enn wir für
das Suffix vant das dasselbe häufig vertretende kürzere Suffix
va setzen, in der Form tvvlrava-va Sylbe für Sylbe dem vor-
auszusetzenden ursprünglichen *TvßtQoßoäg entspricht. Das
Adjektiv tuvirava begegnet Rigveda X, 99, 6 und bezeichnet
dort den Däsa mit drei Köpfen {tri^rsliaii), den Wetterdämonen
Ahi Vritra. Im Liede X, 64, 4 und 16 ist es Attribut zu havi,
Dichter, Weiser. In Strophe 4 fragt der Liedverfasser:
hathd kavis tuvirdvän
kaifä gird bj-ihaspdtir
vävridhate suvriktihhih \
»Wie konnte wohl der weise, der mächtig dröhn ende, mit
welchem Liede Brihaspatir preisend erhoben werden?"
In der Rede des Dandamis erfordert nun noch die Bemer-
kung ihre Aufklärung: ovde if^g fiaooTiogeiag i]).iov oide lov
doofiov, y.ai fied^ogioig y.aQvotpoQoig avv&la: Alexander kenne
weder den Lauf der Aequatorialsonne, noch die angrenzenden
gewürznelkentragenden oird^ia. Ich möchte in aivO^ia einen
Ortsnamen erblicken, ^ivd^ia schreiben und darin die Sunda-
Inseln erkennen. Der zweite Theil des Wortes d^uc hätte wohl
sein Analogon in Xayüdißa und ^sXirdißay Ceilon, labadiu,
Java, oder den modernen ^Idlediven und Lakka<:?^r«^ , diva =
skt. dvipa, Insel. Die Stelle wäre wohl das älteste Zeugniss für
den Namen der Sunda-Inseln, wie andererseits auch von einem
Seeverkehr der Inder mit den östlichen Gewürzinseln.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich die Frage erheben, ob
nicht fiir Kcarr/aga bei Ptolemaens, worin man gewöhnlich die
Stadt Kanton sucht, zu schreiben wäre KazxixaQa, das die regel-
rechte Vertretung des gewöhnhchen Kaaaizfoa, {/.axxitTeoog,
Zinn) wäre, der Kassiteriden, in denen ich in „Vom Pontus bis
— 48 —
zum Indus" pag. 15 — 17 nach der Angabe des Stephanus von
Byzanz die beiden Zinninseln Banka und Billiton nachgewiesen
habe. Nach Ptolemäus soll KaxziyaQa unter dem 10. Grad
südlicher Breite, also mit Jabadiu, Äa^ac^eme unter demselben
Parallel liegen, was doch, selbst wenn wir die bekannten Verzer-
rungsverhältnisse des ptolemäischen Weltbildes in Rechnung
bringen, für Kanton unmöglich passen könnte, das bei Ptole-
maeus etwa unter dem Parallel von Meroe, also 16^ 25' nörd-
licher Breite, gesucht werden müsste. Unter dem 10^ südlicher
Breite setzt KartiyaQa auch Kiepert in seinem Atlas antiquus
auf der Erdtafel des Ptolemaeus an_, im Lehrbuch der alten
Geographie aber (pag. 44, § 44, Anm. 2) sucht er es merkwür-
digerweise in der „Gegend der mittalterlichen grossen Hafenstadt
Chan-fu oder des heutigen Hang-tschau-fu , nahe südlich der
Mündung des Yang-tse-Kiangy
5. Eine falsclie Namenslesart im Ammianns Marcellinus
XXIV, 6, 12 (ed. Gardtliausen, T. H, pag. 24).
Kaiser Julian rückte im J. 363 n. Ch. cum Piffrane et Su-
rena et Narsaeo potissimis ducibus ad usque Ctesiplwntis viuros
egi't etc. So nämlich liest der neueste Herausgeber des Ammian,
ohne die Lesart Tigrane der Handschriften b g a zu würdigen
Ein Pigranes ist aber ein Unding, so sehr, wie es etwa ein
*Turena wäre. Offenbar liegt hier eine handschriftliche Ver-
schreibung eines 7' in U vor, was auch sonst wiederkehrt. So
begegnet im Itinerarium Ant. pag. 38: Ti.yava (rj Uiyava r^
Tlr^yava rj Ilrjyaßa), wahrend in Plinius Büst. Nat. V, 2, 1, 21
Ttgaua castra gelesen wird und Ptol. IV, 2, 20 Tigauae, Castell
in Mauretanien, hat.
6. Der Stadtname Herakleia in Iran.
In der Nähe von Rhagae in Medien lag die Partlierstadt
'HQccyileia. An Herakles zu denken, verbietet der iranische
— 49 —
Charakter der Stadt, die gewiss schon bestand, bevor griechischer
Einfluss nach Pai-thien reichte. Ich erblicke in 'HgdyJ.Eia ein
iranisches Airyakälaya = Äiiyaka-\-älaya , Wohnung der Arier"
Arierheim. Wahrscheinlich werden noch eine ganze Reihe anderer
'^HQct/.Xeut, wenn nicht vielleicht alle, auf diese Etymologie zu-
rückgeführt werden müssen. V^gl. riav&iaXaJoi = Pancäla im
Sinne von *panthi-\rdlaya „Meeranwohner** in Vom Pontus bis
zum Indus pag. 37.
7. Bas karpathisclie Meer.
BekanntKch heisst das karpathischeMeer(Äao7ra^fov 7ts).a~
yog) bei Herodot III, 45 einfach Kagnad^og, welcher Name, als
der unabgeleitete, offenbar der ältere ist. Das karpathische Meer
reichte nach Strabon II, 5, 21 (ed. Müller pag, 102, 43 Kagnä-
i^LOV (TC€?Myog) fiexQi ttjs ^Pödov /.ai Kor^r^g /.ai Kvtiqov y.at
Tiüv TiQüniov (XBQiöv tilg l4aiag) von der Ostspitze Kretas bis
hinüber nach Kypros, nach andern allerdings nur bis Knidos.
Reichte es nach Strabon bis Kypros, so bespülte es seiner ganzen
Länge nach die Küsten karischer Niederlassungen, vom eigent-
lichen Karien bis hinüber nach Kilikien. Es wird demnach
wohl auch seiu Name aus karischem Sprachgut erklärt werden
müssen. Die Karier aber waren (s. Vom Pontus bis zum Indus
pag. 13) Arier, deren Sprache bald sanskrit-arische, bald iranische
Elemente erkennen lässt. Von diesem Standpunkt aus ergiebt
sich dann für KaQuad^og ein arisches kara-patJia , das, wie die
Form Kgdna^og (Ilias U, 676) für die Insel Karpathos beweist,
bald das inlautende, bald das auslautende a von kara einbüssen
konnte. Dann aber bezeichnete der Name Kdona^og, Kodrca-
^og, wenn wir in kara zendisches kara, der Fisch, und in patlia
das arische patha erkennen (vgl. ^atapathä, seil. Brähmana,
das Brähmana der hundert Pfade) den ,Pfad der Fische."
Diese sehr poetische Benennung hat ihr entsprechendes Analogon
im zendischen vis-pathan, der Weg der Vögel, von den höchsten
Brunnhofer, Vom Aral bis zur Gangä. 4
— 50 —
Berggipfeln, wo der Haoma (Soma) wächst (s. Justi Zendwörterb.
pag. 277). Dieses Wort hat übrigens seine Vertretung schon
im Rigveda, wo es (I, 25, 7) von Varuna, dem allwissenden
Weltherrscher heisst:
vSdd y6 vinäm paddm
antdrikshena pätatdm \
vSda nävdh samudriyah |[
„Er der den Pfad der Vögel kennt.
Der durch den Luftraum fliegenden,
Er kennt die Schiffe auf dem Meer."
Der Name des Karpatheugebirges hängt mit KccQTtaÜ^og
nicht zusammen, sondern gehört zum Namen der üarpi, die die
Südabhänge seiner nördlichsten Biegung bewohnten.
III. Centralasiatisclie und indisclie
Landscliaftsnameii.
1. Der See Ära der Kausliitaki-Upauisliad und der
Aralsee.
In derBesclireibung derBralimawelt {brahmaloha) erwähnt das
10. Buch der Chandogya-Üpanishad, deren Zergliedenmg zuerst
Weber in den Indischen Studien, Bd. I, pag. 270 gegeben hat, als
Mittel zur Erkenntniss des Allgeistes, des brahman, und folglich zur
Erlangung der Brahmawelt, das aranyäijanam, das In-den- Wald-
gehen. Denn durch dasselbe erlangt man die beiden Seen ara
imd nya^ welche in der Brahmawelt im dritten Himmel von hier
{trüryasyäm ito divi) sind, ebenso wie das airammadiyam saras,
der aqvattha somasavana, die apardjitä pur des braliman, dessen
goldener Palast prabhu {vimüam Juranmayam).
Auch die Kaushitaki-üpanishad (s. Weber, Ind. Stud. Bd. I,
pag. 396) weiss, dass die Welt des Brak man von einem See
{hrada) Namens Ara umgeben ist, an dessen anderm Ufer die
verlornen Stunden {yeshtihd muhürtä) sich befinden, darauf
folgt der alterlose Strom (vijard nadi^ der, nach Cankara,
dem Commentator, durch seinen Anblick jung macht), darnach
der Baum .11 ya (der nach Anquetil da Perron alle Früchte der
Welt trägt), weiterhin die Stadt {sanisthänam) Sdlajyam (deren
Helden Sälubäume zu Bogensehnen haben), worin sich des Brah-
man Palast {dyatanam) Apardjitam („unbesiegt") befindet. Die
weitere Beschreibung des Palastes hat hier für uns kein Interesse.
4*
— 52 —
Die beiden Upanishad-Stellen scheinen mir mjthiscli-geogra-
phische Namen zu enthalten, deren Zurückführung auf die ihnen
mit zu Grunde liegenden historisch-geographischen Anhaltspunkte
einige werth volle Bereicherungen der alten Geographie Central-
asiens bieten wird.
Zunächst ist es der See Ära der Chandogya-Upanishad, der
Ära der Kaushitaki-Upanishad, der unsere Aufmerksamkeit fesselt.
Es scheint mir, dass der See Airamviadiya nicht von den ge-
nannten Seen getrennt werden darf und dass in der Verbindung
des Ära mit dem aranydyana zwar unmittelbar wohl „ety-
mologische Spielerei"^ wie Weber sagt, aber doch noch etwas
mehr gesucht werden muss. Die Form Airammadiya scheint
mir nämlich die ursprünglichste Form zu sein, von welcher Ära
und Ära nur die secundären Kurzformen wären. War aber
Airammadiya die ursprünglichste Form, so verlangt dieselbe in
erster Linie die Aufhellung ihres Etymons. Ich glaube nun, dass
der ^2Va?n7na<^%a-See ursprünglich eine rein mythologische Vor-
stellung war, die sich erst in späterer Zeit geographisch locali-
sirte. Und zwar halte ich dafür, dass, wie die Inder bekannt-
lich ihr Land der Seligen oder auch das Schlaraffenland im
Norden gesucht haben, in dunkler Erinnerung an die von ihnen
auf dem Hochland von Iran und Turan verbrachte Jugendzeit,
so auch sämmtliche Namen des hrahmaloha, wie sie die Chan-
dogya- und Kaushitaki-Upanishad überhefern, soweit dieselben
historisch - geographische Anklänge bieten , auf das Hoch-
land von Iran und Turan gehören, ja zum Theil gar noch ira-
nisch-zarathustrischen Ursprungs sind, demnach also durch brah-
manisirte Iranier in die indische Tradition hineingedrungen sind.
Und zwar — um nicht lange hinter dem Berg zu halten —
erscheint mir der erst in der Chandogya-Upanishad und dann
auch in der Anukramanikä zum Rigveda auftretende Name des
Airammadiya saras, vollständiger noch der des Airammadiya
Devamuni als nichts anderes als eine brahmanische Aneignung
des airyama demdna, der Wohnung des Genius des Gebets
— 53 —
des Avesta. Zunächst heisst es im Yasht Ardibihist (Spiegel,
Avesta-Uebersetzg. Bd. III, pag. 3S, 5): (Asha vahista) sclüagt
alle dem Angra-mainyus angehörigen Zauberer und Pairikas
(Feen) durch Airyama, (der) von den Manthras (den Gebeten)
ist der grosste der Manthras, der beste der Manthras, der schönste
der Manthras, der aU erschönste der Manthras, der starke der
Manthras, der stärkste der Manthras, der feste imter den Manthras,
der festeste unter den Manthras, der siegreiche unter den Man-
thras, der siegreichste unter den Manthras, der heilende unter
den Manthras, der heilendste unter den Manthras." Sodann aber
heisst es im Vendidad XXII, 22 — 24 (Spiegel Avesta-Uebersetzung
Bd. I, pag. 266): „Dem Nairyo-^angha Hess sagen der Schöpfer
Ahura-Mazda, Versammler! (Eile} hinweg, fliege dorthin zur
Wohnung des Airyaman." Ganz entsprechend heisst es aber
in dem Rigvedahynmus des Iraniers Avatsära Kägyapa Rigv. V,
44, 9: samudnhn dsdni dva tasthe agrimä „iva. Samudra (Meere)
hat das vorzüglichste dieser (Lieder) seinen Standpunkt." Das
„vorzüglichste der Lieder" ist aber eben auch im Rigveda wieder
der Narägansa, „der Männer Lobpreis," d. h, der von den
Menschen durch Lieder gefeierte Gott des Lobgesangs, Agni,
dessen Aufenthaltsort das Meer, sei es als Wolkenocean, sei es
als irdisches Meer, schon ist wenn er als Apäm napdt^ als Enkel
oder Xabel der Gewässer, gepriesen wird. Die Vendidad- und
die Rigvedast^Ue sind demnach schon wegen ihrer grossen Ueber-
einstimmung in der von beiden besungenen Gnmdanschauung
höchlich interessant. Nun aber bemerkt Spiegel in der Anmer-
kung zu der VendidadsteUe, nach Anquetil du Perron, der aus der
unmittelbaren Parsentradition schöpfte, bezeichne Airyama eine
Gegend, was Spiegel bestreitet. Demnach also hatte Airyama
d^mdna für die Zarathustrier geographische Bedeutimg, d. h. die
Iranier hatten den ursprünglich rein mythologisch-allegorischen
Begriff der „Wohnung des Gebets" schon längst locahsirt und
zwar schon zu oder vor der Zeit, als derselbe in die Chandogya-
Upanishad eindrang. Hatte aber Airammadiya schon geogra-
— 54 —
phische Bedeutung zur Zeit der Chandogya-Upauisliad, so konnte
der Airammadiya Devamuni der Anukramanikä des Rigveda
dieselbe ebenfalls schon haben. Zunächst ist freilich zu be-
merken, dass der Rishi, der im Pancavin9a-Brahmana, wie wir
gleich sehen werden, so heisst, unter die Liedverfasser des Rig-
veda imd zwar Rigv. X, 146, nur in Folge des rein zufälligen
Anklangs seines Namens an Aranyäni, aranyäm, die Anfangs-
worte dieses Hymnus an die Waldfee Aranyäm, gerathen ist.
Aber die Beziehung des Namens Airammada Devamuni auf
dies zufällig anklingende Wort des Rigveda, zusammen mit der
Auflösung des Namens aranya in die beiden Seen Ära und
Nya in der Chandogya-Upanishad beweist, wenn sie auch an
und für sich gewiss weiter nichts als in der That nur „etymo-
mologische Spielerei" ist, dass zur Zeit der Chandogya-Upanis-
had, wie wahrscheinlich schon zur Zeit der Anukramanikä des
Rigveda, ein See, Namens Ära bekannt war, auf den man diese
Beziehung machen konnte. Wenn nun aber der Rishi Devamuni
im Pancavin9a-Brähmana (s. die Stelle in „Vom Pontus bis zum
Indus" pag. 169) Tura genannt wird, (also „Turanier") dieser Tura
Devamimi SibeY (s. ebendas. pag. 164 — 167) identisch ist mit dem
Tura Kdvasheya des Qatapatha-Brähmana, der selbst wieder nur
ein Enkel ist des Rishi Kavasha Ailüsha, dessen Name den Ab-
kömmling des llibica, resp. eines lU-vifa, eines Ili-Anwohners, be-
zeichnet, so wird es nicht zu kühn sein, den See Ära, Ära, als
Kurznamen des Airammadiya-saras oben in Turan und zwar
im Aralsee zu suchen. Bezeichnete das Airammadiyam saras
aber ursprünglich nur die „Wohnung des Gebets," nur aii-ya-
ma demdna, als Wohnung des Agni oder Aryaman, so begreift
sich nun auch die von Weber, Ind. Stud., Bd. I, pag. 399, Anm.
aus der Väjasaneyi-Samhitä XI, 76 (ed. Weber pag. 345) her-
beigezogene Bezeichnung des Agni als Irammadn, sowie die
Stelle Pänini III, 2, 37, wo der Scholiast irammado mit megha-
jyotih, nach Böhtlingk-Roth „Wetterleuchten oder Blitz" wieder-
giebt. Zweifellos ist dieser späte Irovonada nicht, wie der
— 55 —
Scholiast zivr obigeu Väjasaneyi- Steile will: irayd annena
mddyati tripyati tiishyati „sich der Speise erfreuend" aufzu-
fassen, sondern ganz einfach als Sautraform von Airammada,
als künstlich erschlossene Homunculusbildung. Die Sanskrit-
Arier des Rigveda haben den Ai-alsee höchst wahrscheinlich
schon lange gekannt. Das Rigvedalied X, 136, 5 lautet:
vdtasyägvo väyöh sdJchäiho deviskiio iminih
ubhüu samudrdv d ksheti ydg ca pürva utdparah [1 5 |j
„Des Windes Ross, Väyu's Freund, von den Göttern gesen-
det, der Muni, wohnt in beiden Meeren, im östlichen und im
westUchen."
Ich habe nun schon in ,Jran und Turan" pag. 7 gezeigt,
dass hier an „Wolkenmeer" nicht entfernt zu denken ist, sondern
dass in dieser Stelle augenscheinhch vom Kaspischen Meer als
dem westlichen {dpara), vom Aralsee als vom östlichen
(pürva) Meere die Rede ist. Der auch hier wieder oder vielmehr
hier schon auftretende Devamuni, nämlich als deveshito mum'h,
ist niemand anders als der Götterbote, devdndm dütah^ (s. Rigv.HI,
54, 19; V, 26, 6; VI, 15, 9; X, 137, 3), Agni als BHtzgott.
Galt den Sanskrit-Indern der ältesten Vedenzeit der Aralsee
für das Östliche Meer, das Kaspische Meer für das westliche,
so konnte diese Bezeichnung nur von Stämmen ausgegangen
sein, die in der Mitte zwischen beiden Meeren gewohnt hatten,
also am untern Laufe des ehemals in das Kaspische Meer ein-
mündenden Oxus oder, wie ein Theil der Sagartier (s. mein
Iran u. Turan pag. 73) an der Bay von Karabogas. Diese Orien-
tirung musste dann auch von den in Chorasan nomadisirenden
Stämmen angenommen werden und konnte sich traditionell, wenn
auch nur noch völlig unverstanden und rein mythisch geworden,
bis in die spätere Sanskritliteratur weiter vererben. Denn nur
so ist eine von Weber, Ind. Stud., Bd. I, pag. 399 Anm. mitge-
theilte Stelle der sehr späten Märchensammlung Kathäsaritsa-
gara XVIII, 225. 226. 342. 343 zu erklären, nach welcher am
andern Ufer des östlichen Meeres ein Fluss gitodd fliesse. hinter
— 56 —
welchem auf dem Berge Udaya ein siddhikshetram, si'ddka-
dhdman, ein „Land der Seligen" sei. Schon Weber hat a. a- 0.
auf die Stellen der Griechen und Römer hingewiesen, die diesen
Fluss, den sie Side nennen, gekannt haben müssen, wie denn
auch der Name des Yaxartes, von dem hier die Rede ist, das
skythische Suis, wieder an den, wie Weber a. a. 0. beibringt'
im Rämäjana ^ilodä genannten nördlichen Strom anklingt, dessen
Wasser lebende Wesen zu Stein macht, denn die (^'aüodd giebt
im ersten Theil ihres Namens nur die gesteigerte Form eines
^ila oder Qila. Die Qitodä ist die von Minayeff bei den Bud-
dhisten entdeckte Sidd für sanskritisches *Siddhd, die ich im
Vishnupuräna als Sita nachgewiesen habe. S. „Vom Pontus bis
zum Indus" pag. 117 — 119. Es ist kurzum die Rasa des Rig-
veda. Wenn diese, wie des Ktesias ^lÖTq (s. „Vom Pontus bis
zum Indus" pag. 119) so feines Wasser hat, dass nicht einmal
eine hineinfallende Pfauenfeder darin untersinken würde, so
stimmt das zu der Durchsichtigkeit des Wassers der Ranhä im
Bahräm Yasht 29, wo es vom Fisch Kar6ma9ya heisst: „der
sieht, wenn etwas von der Dicke eines Haares in die fernufrige,
tiefe, mit tausend Teichen versehene Ranhä fällt." Solches feines,
durchsichtiges Wasser führt eben nur ein Paradiesfluss , denn
sein Wasser ist eben das Wasser des Lebens, daher wird denn auch
der Name des Flusses, Sitd^ ursprünglich sicher Smiha, Sidhä,
hinübergedeutet in siddhi „Vollendung, Seligkeit", siddha „voll-
endet, selig" und erzählt, hinter dem Flusse gitodd {^td für sUä)
liege das Siddhilcsketram oder Siddhadlidman^ das „Land der
Seligen" auf dem Udaya, dem Berge des „Sonnenaufgangs.''
Dieser Paradiesfluss, die Sitd, Citd, ^idr], Qai'la, Silis ist derselbe
wie der „alterlose Strom" [vijard nadi), dessen Anblick wieder
jung macht. Der Paradiesfluss kann aber durch eine Verschie-
bung der religiösen Anschauung zum Höllenfluss werden und
so sehen wir denn aus der Rasa auch einen Strom Vaitarani
(„die schwer zu überschreitend^") hervorgehen „in dessen kochen-
den Fluten die Bösen versinkend in die darunter })efindliche
— 57 —
Welt des Yama mit ihren verschiedenen Höllenstufen gelangen,
wo ihrer arge Schmerzen harren." S. darüber die Stellen aus
dem Rämäyana und Mahäbhärata bei Weber, Ind. Stud., Bd. I,
pag. 399 Anm.
Eine verschwommene, durch Assimilation und Volksetymo-
logie dem sanskritischen Sprachbewusstsein vermittelte, mythisch-
geographische Vorstellung glaube ich auch in der Äpardjitä
pur der Chandogya-Upanishad, der Stadt Sdlajyam der Kaushl-
taki-Upanishad wahrnehmen zu dürfen. Beide haben einen
wunderbar prächtigen, goldenen Palast des Brahman. In der
Stadt Sälajyd möchte ich doppelten Anklang an reale historisch-
geographische Existenzen erkennen. Einerseits nämhch konnte
der Name auf die hyrkanische Stadt Säle deuten, die uns Am-
mianus Marcellinus Lib. XXIII, 6, 52 (ed. Gardthausen T. L,
pag. 331) kennen lehrt. Sodann aber könnte die Erinnerung
an diese hyrkanische Stadt noch verschmolzen sein mit derjenigen
an die Stadt Rhagae^ Raji, an den Südabhängen des Alburs.
Wenn dieser Anklang richtig gedeutet ist, so erscheint dann
auch der Sinn, der dieser Volksetymologie von Sälaj'ya zu Grunde
liegt: „Salbäume zu Bogensehnen habend" verständlich im Hin-
blick auf die Mächtigkeit des parthischen Bogens, auf die damit
angespielt wird. Aus Äpardjitä scheint mir ein iranischas
*ardji herausgelesen werden zu müssen, und zwar möchte ich
darin die Stadt Raji, nämlich Rhagae, im Avesta auch Ragka,
erkennen. Dass die Sanskrit-Arier des Veda dieselbe gekannt
haben, ist mir schon in »Iran und Turan" pag. 119 wahrschein-
lich geworden. Dort residirte, gewiss in einem ähnlich glanz-
vollen Palast wie die medischen Könige in dem von Ekbatana,
Zarathustra, d. h. ein Priesterfürst, der im Tempel des Ahura
Mazda dem höchsten Gotte gewiss in derselben Weise diente,
wie der oberste Magier dem Bei in dessen grossem Tempel zu
Babylon. Auf die Aehnlichkeit dieses Tempels mit der Vor-
stellimg des Götterberges Meru habe ich in ,.Iran u. Turan*
pag. 226 aufmerksam gemacht. Den Namen Araji ffer Raji
- 58 -
kann ich bis jetzt nicht belegen, dass er aber möglich war
und zweifellos auch noch wird nachgewiesen werden können,
geht mir hervor aus der Lesart ^y^gayag für den acc. plur. ^Päyag,
Rhagae, bei Strabon ed. C. Müller, Lib. XI, 9, 1, pag. 441, 22.
Ich leite den Namen 'Payai nicht mit Strabon ab von der griechi-
schen Wurzel Qijyvvf.li und den vielen dort stattfinden sollenden
Erdbeben, sondern, mit Rücksicht auf die bedeutungsvolle Lesart
l^gayai, von dem Wandernamen Ävang = zend. Aranhä, llanhä,
wie denn auch Neriosengh denselben durch i?f«jfrt, Ranga wieder-
giebt. S. Spiegel, Avesta-Uebersetzung Bd. II, pag. 212. Be-
währt sich meine Erklärung von vedisch Ärajji = Araxes,
nämlich Arang, Oxus, in „Vom Pontus bis zum Indus" pag.
124 — 125, so ist ein Schritt gethan, um *AraJi in Apardß'td,
Sälajya als iranische Spielform von Raß = zendisch Rhagha,
'Pdyat erkennen zu dürfen. Oder deutet Sälajyam auf die Stadt
ZarendscM S. Iran u. Turan pag. 123.
lieber den a^vattha somasavana, d. h. über den mythisch-
geographischen Zusammenhang des Agvattha devasadana, des
Göttersitzes Agvattha des Atharvaveda mit dem Berg der Offen-
barungen im Avesta, nämlich mit dem Agnavanta-Sabelän, habe
ich ausführlich gehandelt in „Vom Pontus bis zum Indus"
pag. 73 — S3.
Ueber die „Verlornen Stunden" {yeshtihd mvJiürtä) und den
Paradiesbaum llya, in welchen beiden naturmythische und
ethisch -kosmogonische Vorstellungen mit mythisch -geographi-
scher Beimischung vorliegen, bei anderer Gelegenheit. Die den
„Verlornen Stunden" zu Grunde liegende Vorstellung ist zwar
aus rein ethischen Seelenstimmungen erwachsen, hat aber, wie
ähnliche Vorstellungen anderer Völker, zugleich mythisch-geogra-
phische Gestalt angenommen und bezeichnete zweifellos irgend
eine Gegend des fernen Nordwestens von Iran, wohin sich die
Sehnsucht des sich seiner Urheimat später nur noch dumpf er-
innernden Sanskrit-Ariers wehmuthsvoll zurückschwang. Den
fern von seiner verlorenen Heimat, dem geheiligten Wohnsitz
— 59 —
der halbgöttlichen Urväter seines Geschlechts, unsicher umher-
wandernden Sanskrit- Arier mögen wohl Empfindungen beschlichen
haben, wie sie Freiligrath den nach Amerika auswandernden
Schwarzwaldbauem aus der Seele gelauscht hat:
„Wie wird das Bild der alten Tage
Durch eure Träume glänzend wehn,
Gleich einer stiUen frommen Sage
Wird es euch vor der Seele stehn."
3. Die "^ßcot des Homer als ^!Aqloi.
„Nachdem Zeus (in Ges. XII der IHas) durch Begünstigung
der troischen Waffen einen Erfolg herbeigeführt hat, der ihm
für ein Mal zu genügen scheint, wendet er, wie zur Erholung,
seine Augen vom Kampfplatze ab und auf einige wegen ihrer
Frömmigkeit von den Göttern geliebte thrakische Völkerschaf-
ten/ (Fäsi) II. XUI, 1—7:
Zeig (5' enEL ovv Tguidg te xal "E/.%0Qa vrivol nelaaaiv,
tovg (.lev h'a rtagv TfjOi novov x sxif^ev xal oitvv,
vio).Bf.iecoc, avTog öi ndXiv tqircEv oaae cfueivio,
v6o(fiv a(p Innonohiov QQr^/.iov y.ad^OQCui.i6vog alav
Mvawv X dyxsficix(ov y.ai äyavwv ' iTtnrifiolyiov
y?.ay.xorpäycov, lt4ßUov xe, öi/Mioxarcov dvd-Qconajv.
ig TQOir]v ö^ov -rcäfinav exe xqethv oooe cpaeivco.
Diese Homerstelle ist insbesondere dadurch merkwürdig,
dass sie die einzige ist, in welcher der Gesichtskreis Homers
nach dem hyperboreischen, nordpontischen Europa erweitert er-
scheint. Der Blick des Zeus schwebt von den Thrakern nord-
wärts zu den Mosern, von diesen zu den rossemelkenden Skythen
im Norden des Pontus und von diesen noch weiter bis zu den
nach Asien hinein nomadisirenden Abiem. Dass hier nämlich
unter den Mysem nicht die asiatischen Myser, sondern nur die
europäischen Moser an der Donau verstanden werden dürfen,
hat schon Posidonius eingesehen, auf welchen sich Strabon VIL
— 60 —
3, 2 (ed. C. Müller pag. 245, 38 ff.) beruft, indem er der vorliegen-
den Iliasstelle eine eingehende Betrachtung widmet, aus welcher
wir nur den Schlusssatz (pag. 246, 27) hervorheben: öelv öi
iv z(p [tQiaxai] öey-drcp \^lliaöog] ByyqcKpsiv avtt tov Mvgvjv
x ayyB^iayjav {WloioiJöv x ayyei.iayiov\. Strabon kommt noch
an verschiedenen Stellen seines Werkes auf diese merkwürdige
Homerstelle zurück, ohne indessen zur Erklärung derselben ne»es
Material von Bedeutung beizubringen. Auf die Mvooi Kanvoßaxai
des Posidonius kommen wir in einer eigenen Skizze zu sprechen.
Die '^ iTTnrif.io'kyoi yaXay.TOfpayoL erklärt Strabon a. a. 0.
pag. 249, 42 — 45 mit Recht als Skythen, indem er sich auf die
vereinzelte Hesiodstelle bei Eratosthenes beruft:
uild-ionäq xe Aiyvg xs lös 2/.vd^ag inm^fiokyovg.
Die ^u4ßioL fasst Strabon rein rationalistisch als Epitheton
Omans der Mvooi, als welche nämlich im Wittwerstand, der
Frauen sich enthaltend, ohne heimischen Herd und auf Wagen
lebten, d. h. also ein Leben führten, das kein Leben sei {xovg
aßiovg öi xovg xr^qovg [ov] (.laXXov ri xovg otveGtiovg xal xovg
a(ia^oiy.ovg di^an av xig), was er dann nach andern Zeugnissen
auf die Geten bezieht.
T>WL4ßLoi begegnen uns dann von Homer weg nicht wieder
bis bei Arrian, der, Lib. IV, 1 (ed. Sintenis, Bd. II, pag. 3) er-
zählt, Alexander der Grosse habe von Samarkand aus eine Ge-
sandtschaft an die, Abier genannten, Skythen jenseits des Täva'ig
geschickt, denselben seine Freundschaft anzubieten, in Wahrheit
aber, dieselben bezüglich ihrer militärischen Leistungs- und
Widerstandskraft insgeheim auszukundschaften: Ov nollalg
öi iqjuegaig vacegov cKpiy.vovvxai, nag '^Xl^avÖQOV 7XQioßeig
Tragd xe 2xvi^tüv xüiv l/4ßnov naXovf-Uviov {ovg /.ai "Oftr^gog
öixaioxdxovg dv^gtoTcovg ainiov iv xfj noitjaei. i7n]veatv' oi-
novai öi iv xfj \Aoi(f ovxoi avxovofxoi, ovx ^]y.iata ötd
neviav xe y.ai öiaatoTtixa) y.at nagd xwv iy. xi^g Evgcü/rtjg
^y.vi^iüVf oH dl) x6 juiytorov e'&vog iv xfj Eignmi] inoi/.ovai-
x«i xovxoig öi TTifirrsi l,4).i^avögog xiov (xaigiov x. x. A.
— 61 —
Die ziemlich allgemeine Annahme, die hier genannten
Abier am Yaxai-tes benihten nur auf der Verwechslung mit
den homerischen Tanaisanwohnern , scheitert offenbar an der
hier offenbar ganz absichtlich gemachten Unterscheidung
zwischen den europäischen und den asiatischen Skythen, und die
specielle Versicherung, die asiatischen Skythen würden Abier
genannt {^xvd^cov zcov It^ßiorv ■/.akov(.iiviov), beweist, dass wir
es hier mit einer positiven, nicht rerwechselungsweise phanta-
stischen, ethnologischen Angabe zu thun haben, sondern mit
einer solchen, die sich verwerthen lässt.
Nun sassen nach Ptolemaeus VI, 14, 14 und Plinius VI, 19
am Yaxartes Skythen, die ^l^Qia/.ai hiessen, d. h. also Aryakci
= Arya, Arier, Als solche 'L4qiol möchte ich Homers und Arrians
"Aßioi auffassen, insofern sich das o mlAoiou in Folge verweich-
lichter Aussprache in v, resp. b verwandelt hätte. Für diesen
Vorgang wäre wohl aus den Präkiitgrammatiken reiches Material
herbeizuschaffen. Dieselben stehen mir aber gegenwärtig nicht
zur Verfügung. Doch scheint mir flir die Vedensprache der
Uebergang eines auslautenden r in v durch das Sütra Päninis
VI, 113 erwiesen, wo es heisst: ato ror aplutad aplute und flir
die Lehre, es könne ein auf « folgendes r, wenn nämlich a nicht
gedehnt sei, durch den Vocal u ersetzt werden, beweisbar. Wenn
nämlich das Beispiel aus dem Veda angeführt wird: ehi susrotä
3 atia siiähi, „komm herbei, schönfliess ender, bade dich hier,"
so steht hier susrotä zunächst für susrotau, dieses aber für den
Vocativ siisi-otar. In Wirklichkeit aber wird die Aussprache
gelautet haben susrotav, nicht susrotau und nur aus dem dann
ins folgende a von atra hinüber gezogenen u, resp. v, wird sich
dann die Dehnung ä 3 erklären lassen.
3. Die Landschaften l4ani(ovo nnd TovQiovav in Baktriana.
Strabon kennt in dem von den griechischen Herrschern in
Centralasien eroberten Baktriana zwei Landschaften ^Aoniiavn
— 62 —
und TovQiovav^ deren Lage er leider nicht genauer angiebt und
die von den Partheru dem Eukratides wieder abgenommen
worden seien. Die Stelle XI, U, 2 (ed. C. Müller pag. 443, 17)
lautet: ol de y.araoxovTeg avrriv (Ba'ATQiavriv) ^'EXXrjveg y.al
eig ouTQaneiag öirjQrjxaaiv, lov tijv re IAotiuovov y.al r^r
TovQiovav acpf^Qr^vTO Ev/.Qaziöiqv ol IlaQ^vaioi. Veher^yioTriiovo
ist meines Wissens noch keine Deutung gewagt worden. Was
aber TovQiovav betrifft, so wird man wohl allgemein der Aeusse-
rung C. Müllers, des Herausgebers des Strabon pag. 1017 zu
pag. 443, 17, bezüglich früherer Deutungen zustimmen: Ouvi
nostro TovQiovav hodiemam 2'uran regionein vix recte com-
ponü üurnouf citante Lassemo in Ind. Altertlishde , T. 1,
pag. 14. Wenn wir uns aber der augenscheinlich analog ge-
bildeten Städtenamen auf avav, oava in Parthien erinnern als
i^0Tay,avav noXig bei Isidor von Charax, l>4QTax6ava bei Arrian,
Artacoana bei Plinius, ^AQzayMva bei Ptolemaeus, so ergiebt
sich das ovav von TovQiovav als zweifellos identisch mit dem
o)vo für oavo in Idoniiovo. Nun bezeichnet das sanskritische
diesem oava entsprechende vana (im Zend nur erhalten vana
in der Bedeutimg Baum und W. van., schützen, lieben), ursprüng-
lich die Wonne, die Lust, den Baum, Wald, aber auch ganz
allgemein (s. Böhtlingk- Roths Sanskritwörterb. , Bd. VI, pag.
667, g) Aufenthaltsort (nach den Lexicographen geha, nivdsa
älaya), sodass, wenn L4gTaXoi ein Ehrenname der Perser ist
und bei Stephanus Byzantinus rJQCüeg bedeutet, wenn femer nach
Hellanikus 'Aoraia Persien bezeichnete, alsdann i^graydava imd
seine Analoga nur bedeuten kann entweder „Heroenlust, Helden-
wonne" oder „Perserheim."
So wird nun auch ^^a/r/wvo, das etwa für zendisches^a^pi-vana
steht, nichts anderes als „Stutenlust" bedeuten, wobei wir uns an
die nisaeischen Gefilde zu erinnern haben, die zwischen Margiana
und Baktriana gelegen haben sollen, ungeheure Stutereien, in
welchen nach Strabon jahraus jahrein sechzigtausend Bosse ge-
weidet haben sollen.
— 63 —
Aehnliches bedeutet TovQiovav, es setzt ein iranisches *fun-
vana voraus. Mit dem dürftigen Sprachschatz des uns erhaltenen
Avesta reichen Avir nicht aus, sondern müssen auch hier zum
Sanskrit greifen, was übrigens um so weniger gewaltsam ist,
als, wie ich in Vom Pontus bis zum Indus pag. 93 nachgewiesen
habe, die Sprache der Parther specifisch sanskrit-arische Elemente
in sich barg. Nun bedeutet AT. tur im Skt. eilig sein, vor-
wärts drängen, rennen, davon kommt ein Adjektiv iura,
rasch, vgl. Rigv. X, 96. 7: hai-i turd, die beiden raschen Falben.
Böhtlingk-ßoth allerdings stellen das Beispiel unter 3. tura^
vermögend, kräftig, überlegen Bd. III, pag. 361. Wie nun von
turaiiga (= turain-\-ga, raschgehend), m. das Pferd, ein Feminin
turcmgi, die Stute gebildet wird und im Zend neben acpa, das
Rpss, ebenfalls ein Femininum auf i, acpi, die Stute, erscheint,
so möchte ich auch von fura im Sinne von turanga ein Femi-
ninum *tui% die Stute, ansetzen, das zwar allerdings noch nicht
nachweisbar, aber mögHch ist. Alsdann bezeichnet auch Tov-
Qiovav „Stutenlust," ^ Innoßoxog.
4. Die Kourßai und der Edelstein gomeda.
AmmianiLs Marcellinus kennt Lib. XXIII, 6, 60 (ed. Gardt-
hausen T. I, pag. 332) an der Grenze von Serica einen Berg
Namens Coinedus. Die Stelle lautet: His (den Städten Alexandria
Cjrreschata und Drepsa) contigui sunt Sacae natio fera, squor-
lentia tncolens loca soli jyecori fncciuosa, ideo nee civitatihus
culta cui Ascani'mi'a mons imminet et Comedus. Wahrschein-
lich von diesem Berge benannt war das Volk der Comedi, das
Ptolemaeus VI, 13, 3 kennt als i] oqeivi] oder (püqay^ Kojfirj-
ÖLÖv. Es waren also Saken, die dem Berge den Namen gaben ;
ob auch die Kwuf^dui selbst Saken waren, ist nicht festzustellen,
ist aber, wenn die nachfolgenden Zusammenstellungen sich be-
währen, wohl imwahrscheinlich.
Ich erblicke zunächst in Kcoiii\du das Sanskrit wort gomeda,
— 64 —
d. h. go-\-meda «Kuhfetf, „eine Art Edelstein." „Er wird im
Himälaya und am Indus gefunden und ist von weisser, rother,
gelblicher und blauer Farbe." Böhtlingk-Roth im Sanskritwör-
terb., Bd. II, pag. 811. Die Zusammenstellung der beiden Wörter
hat keine Schwierigkeit, denn die Vertretung eines indisch-per-
sischen anlautenden g durch griechisches x kehrt z. B. wieder
in Kof.irjTrig ftir den Oau-mäta der persischen Keilinschriften
S. Keiper, Les noms perso-avestiques pag. 36.
Nun verzeichnet Ptolemaeus VI, 16, 2 auch ein Gebirge
^'Avvißct oQtj in Serica und VI, 16, 4 ein entsprechendes Volk
der 'AwißoL im nördlichsten Serica, das oflFenbar ebenfalls vom
Gebirge den Namen hatte. Kiepert verlegt sie in den Altai.
Das Gebirge- Anniba kennt auch Ammianus MarceUinus a. a. 0.,
cap. 64 (ed. Gardthausen T. I, pag. 333): ap2)ellantur (in Serica)
aiitem ibidem montes Anniba et Auzacium et Asmira et Emodon
et Oporocorra. Der Name Auzacium ist vielleicht verschrieben
für *Aizacium und würde dann erinnern an den iranischen Berg-
namen AezahJia des Avesta, über welchen zu vergl. der Abschnitt
über die indo-iranischen Bergnamen. Der Name Oporokorta
ist ganz zweifellos verschrieben für das durch indische Quellen
bezeugte OrTOQoycoQQa, Uttarakuru, wobei das tt des griechischen
Namens verlesen worden ist für ein ti. Der Name Asmira er-
innert au den indischen Amcru, der auch durch des griechischen
Historikers Theognis Zeugniss (s. Fragmenta historicor. Graecor.
ed. C. Müller, T. IV, pag. 131, 10), &ls Aurjgng, d. h. 3lTjQ6g = Mcru
festgestellt wird. Auch der Name Anniba^ ^'Avvißa klingt arisch
und zwar klingt an das sanskritische adj. sdnnibha, ähnlich. Nun
bedeutet nach Böhtlingk-ßoths Sktwb. a. a. 0. gomeda-sannibha,
m., angeblich den Namen einer Pflanze = diujdhapnshäna. Dieses
Wort bedeutet aber selbst nur den Milchstein „daher bei Wil-
son (im englischen Sanskritwörterbuch) die Bed. Chalcedon oder
Opal}'' Wäre es nun nicht gedenkbar, dass entweder der Name
des Gebirges "dvvißa in regelrechter iranischer Vertretung der
Kurzname sein könnte ftir ein gomed(tsannibha -Qehirge? oder
— 65 —
ist in der Quelle des Ptolemaeus ein *Kcofir}davtißa als zwei
Namen verlesen worden, die dann von ungefähr auf Serica ver-
theilt worden wären?
Femer: ist es gedenkbar, dass die in den Belurdagh ver-
legten Koftrjdai etwa durch Vemiittelung eines allerdings nicht
nachweisbaren skt. *huimdin den Kimidin des Veda, einer Gat-
tung barbarischer Wesen, zu Grunde lägen?
5. Die Slaraphier und Maspier Herodots.
Als der junge Kyros den Abfall der Perser von der medi-
schen Herrschaft vorbereitete, wendete er sich an die Pasargaden,
Maraphier und Maspier. Herodot I, 125: eoTi de IJegaecov
avxva yevea, /.ai ra (xsv avTwv 6 KtQog avväliae y.al aveTieiae
anioTaod^ai ano Mr^diov eati de rdöe, ex tüv loXXol ndvreg
TfQTeaTai niguai, IlaaceQydöai 3IaQdcpioi MdanioL x. t. X.
Von diesen drei Stämmen sind bis jetzt nur die Pasargaden für
die historische Forschung verwendbar gewesen. lieber die
Maraphier und Maspier herrscht noch tiefes Dunkel. Weder
Stein noch Bahr wissen mit denselben etwas anzufangen. Der
Käme begegnet aber bei Herodot vdeder IV, 167. Dort wird
erzählt, dass Aiyandes, des Darius Oberbefehlshaber von Aegypten,
zum Feldherm der aegyptischen Landmacht ernannt habe Amasis
avdoa 3IaQdq)iov, zu dem der Seemacht, Badres, einen Pasar-
gaden von Geschlecht. Hier haben wir also wieder dieselbe
Combination von Maraphiern und Pasargadern, die auf die
höchsten Reichsämter Anspruch haben. Was Stephanus von
Byzanz bringt, ist nichtssagend: Magdcpioi, ed-vog ev FLegoidi,
dno Maqatpiov ßaoiXitog. Keiper (Die Perser des Aeschylus
pag. 89) bemerkt zu diesem Magdcpiog mit Recht, dass daraus
„erhellt, dass die Griechen nach ihrer Weise sofort einen Heros
eponymus für das Volk erfanden." Dieser König Magdtping
soll dann nach einem Eustathius-Schol. zur IL II, 400, 432 Sohn
des Menelaos und der Helena gewesen sein. Da jedoch dieser
Brunnhofer, Vom Aral bis zur Gangä. 5
— 66 —
Blagdcpiog nach einer andern Lesart MaQQ(x<piog heisst, so ge-
hört er offenbar in einen ganz andern Zusammenhang und hat
mit den Maraphiern gar keine Berührung. Dagegen ist es
wieder von hohem Werth, wenn, wie Keiper a. a. 0., pag. 88 — 89,
aus dem Kamen Mägacpic, in dem interpolirten Vers in des
Aeschylus Persem 778 und aus des Hellanicus (frg. 164) Mag-
g>iag schliesst, einer der mit Darius verschworenen sieben Männer
„nach einheimischer persischer Tradition" auch ein Magdguog
gewesen sein muss. Wenn Kyros zum Aufstand wider die
Meder nicht auf die Maraphier verzichten konnte, so durfte
unter den sieben Mitverschworenen des Darius der Maraphier
ebenso wenig fehlen. Denn die Magdcpioi waren die Bewohner
der Stadt und Landschaft Merw, im Avesta Möuru, deren Parsi-
form Marav offenbar älter ist als die Zendform. Ueber Marav
und die verwandten Formen s. Justi Zendwb. pag. 235.
Unter den Mdouioc wül Stein die Maka der Keilinschriften
verstehen, wozu auch nicht der allergeringste Grund vorhanden
ist. Vielmehr sind diese Maauioi nur der Kurzname für* die
Bewohner der sehr wichtigen Provinz Sedschestan, für die ^Aoi-
(idonai oder ^4Qidanai, über welche ich in Vom Pontus bis
zum Indus pag. 139 gesprochen. Diese Besitzer „folgsamer" oder
„vorzüglicher Pferde" waren die hochangesehenen iitf^/erat im
südlichen Drangiana, die sich, der Sage nach, schon vor Alters
um den Gründer des persischen Reiches, um Kyros, verdient ge-
macht hatten (s. Iran u. Turan pag. 131). Arrian in der Ana-
basis UI, 27, 4 (ed. Sintenis, Bd. I, pag. 207) bemerkt ausdrück-
lich, sie seien vor Alters Ariaspai genannt worden (roig nakcti
uev ^dgidanag xaXovfiivovg). Dass dieser Stamm neben den
Pasargaden und Maraphiern im persischen Reiche das höchste
Ansehen genossen hat, geht auch daraus hervor, dass ein Sohn
des Königs Artaxerxes II ^Aoidant^g hiess und auch der Vater
der Atossa, der Gemahlin Darius I. diesen Namen hatte, also
ein Ariasper war. Diese Ariaspen Drangiauas heissen aber (bei
Diodor und Stephanus von Byzanz) auch Arimaspen, wie sich
— 67 —
uns iu der Besprechung der am Pluton (Zarinmand = Hilmend)
wohnenden Uoi^iiäoTioi in Aeschylus Prometheus 806 in Vom
Pontus bis zum Indus a. a. 0. ergeben hatte.
6. Die Landschaften Ararat und Qaniratlia.
Nach der armenischen Volksetymologie, die uns der arme-
nische Geschichtsschreiber Moses von Khomi (500 n. Chr.) auf-
bewahrt hat, soll der Name Ararat, der schon in der Bibel,
wie bei den Armeniern, eine Provinz und zwar alles Land in
dem grossen Thalkessel des mittleren Araxes bezeichnet, Arayi-
arat, Arae macula, bezeichnen, weil dort in der Urzeit eine
grosse Schlacht vorgefallen sei, in welcher Arams, des Königs
von Armenien Sohn Ära, der durch seine Schönheit und seine
Liebe zu Semiramis sagenberühmt ist, gefallen sei, S. Spiegel,
Eranische Alterthskde, Bd. I, pag. 145, 736. Schon Spiegel be-
merkt aber an letzterer Stelle, dass ihm die durch das ältere
Zeugniss der Bibel besser verbürgte Form Ararat alterthüm-
licher und ursprünghcher erscheine als die armenische Form
Ayrarat. Gleichwohl scheint mir auch diese armenische Form
werthvoll, indem sie mir, in Verbindung mit der biblischen, ein
ursprüngliches *Aryarat anzudeuten scheint Mit einem solchen
aber gelangen wir zu dem kappadokischen Königsnamen Aoiu-
gäd^r^Qj wofür auch ^ igiägad^og vorkommt. Der Name Ariara-
thes, der iu einer langen Abfolge die Könige von Kappadokien
und der umliegenden armenischen Provinzen bezeichnet, scheint
mir, wie eben das armenische Ayrarat imd das biblische Ararat
bezeugen, ursprünglich nicht den Herrscher, sondern das Reich
bedeutet zu haben, sodass demnach der Name des Reiches für
den des Herrschers diente, wie z. B. in Arrian der indische
Fürst Abisares von Taxila gewöhnlich selbst nur als Taxüa,
Tctf/Atjg, auftritt. Der Name'^ot aga^o«; würde demnach ein vc^-
%Qh&& Arya-ratha bedingen. Was bedeutet nun aber Arya-rdtka?
Denn so muss der Name l4oiaoce&ric nach Justi's Bemerkung im
5*
— 68 —
Zendwb^ pag. 253 gelesen werden. Offenbar verbietet das lange
a von rätlia in -QÜOvig eine Beziehung zu ratha, Rad, das sonst
in iranischen Eigennamen vielfach als erster oder zweiter Theil
eines Compositums benutzt wird, vgl. die Namen Därayai-ratha,
Fräyat-ratha^ Skäraya(-ratJia, Aghao-ratha im Avesta (Keiper,
Les nonis propres perso-avestiques pag. 28). Zur Aufklärung
dieses iranischen ratha (räfha) müssen wir das Sanskritwort
ratha zu Hülfe nehmen. Nämlich 2. ratha bei Böhtlingk-Roth
im Petersburger Sanskritwörterbuch, Bd. VI, pag. 255, das von
W. ravi, sich freuen, kommt und „Behagen, Ergötzen, Lust''
bedeutet. Es tritt auch im Veda nicht selbständig auf, sondern
nur im Compositum ratha-jit, adj. Zuneigung gewinnend, lieb-
reizend, einem Attribut oder Namen der Apsaras im Atharva-
veda VI, 130, 1, woneben in derselben Stelle (s. dieselbe weiter
unten Abschn. VI, Die Zauberwelt des Atharvaveda) das Patro-
nymicum rdthajitheyi. Dann aber tritt ratha im Sinne von „Be-
hagen, Lust" auf in dem Substantivum vianoratha, ra. {manas-\-
ratha) (B.-R., Sktwb. V, 533 — 534), Wunsch (Herzensfreude),
nach Massgabe des Adj. manorama^ den Sinn erfreuend, reizend,
schön. Der Name Ararat^ armenisch Ayrarat^ kappadokisch
'Aoia-gad^og, ^ 4QiaQa^r]g bezeichnet demnach im Allgemeinen
das Land Kappadokien und das obere Araxesbecken um den Berg
Ararat als .^^des Ariers Lust und Heim."
Dieselben Gesichtspunkte werden uns bei der Aufhellung
von Qaniratha leiten müssen. Qaniratlia ist nach dem Bunde-
hesh (s. Spiegel, Einleitung zu Bd. 111 seiner Avestaübersetzung
pag. LllI, ferner Justi Zendwb, pag. 87) Bezeichnung der speci-
fisch iranischen Mittelwelt, umfassend Erän, Turän, Mäzenderän,
Cina9tän (China), Rüm (das byzantinische Reich), Qind (Vorder-
indien) und Turke9tän. Stets heisst es im Avesta: bämi, das
glänzende. Das Centrum dieser iranischen olnornivii ist der
Meru (s. Spiegel, Er. Alterthskde, Bd. I, pag. 203). Der Meru
aber ist, wie wir (s. Iran u. Turan pag. 60) gesehen haben, der
Demävend. Nur unter dieser Voraussetzung wird uns verstand-
— 69 —
lieh, wenn es im Mithra-Yasht 67 (s. Spiegel, Avesta-Uebersetzg.
Bd. 111, pag. 89 — 90) heisst: „Den Mithra . . . preisen wir . . .
der mit einem auf himmlische Weise geschaffenen Wagen mit
hohen Rädern fortfährt aus dem Kareshvara (Welttheil) Arezahi
hin zum Kareshvara Qaniratha, dem hohen [vielmehr: dem glän-
zenden,, verbunden mit passenden Rädern und mit der Majestät,
der von Mazda geschaffenen, mit dem Siege, dem von Ahura
geschaffenen." Da nun das Kareshvara Arezahi nach Paul de
Lagarde (Beitr. zur baktr. Lexicographie pag. 8 — 10) die
Stadt und Provinz En'zay oder Erez in Akilisene ist, so wird
Qaniratha ursprünglich das Dschebäl, Medien, gewesen sein.
Den Namen leitet Justi a. a. 0. mit Recht ab von zendisch
qaiyii, glänzend, von W. qari, glänzen, die selbst wieder auf
eine ursprüngliche W, svan, glänzen, hinweist, wovon aber im Sans-
krit nichts, wohl aber im Griechischen sich Spuren werden nach-
weisen lassen. Bezüglich ratha scheint Justi a. a. 0. im Zweifel
zu sein. Nach der oben citirten Stelle im Mithra-Yasht ist es
wohl nicht zweifelhaft, dass schon der Verfasser desselben an
Zusammenhang von Qaniratha mit ratha, Wagen, gedacht hat
und Spiegel äussert in der Anmerkung zu der betreffenden Stelle,
dass es nicht ganz unmöglich wäre, „dass das hier genannte Rad
ebenso ein Symbol der Herrschaft sein soll, wie bei den indi-
schen Cakravartins oder Weltherrschem." Ueberlegen wir uns
aber den Sinn des Compositums Qaniratha als Namen eines
grossen Kareshvara, als Name einer ungeheuren Ländermasse,
so wird ims für ratha, das doch nicht ursprünglich schon
einen symbolischen Sinn haben konnte, sondern in das er erst all-
mälig hineingetragen wurde, kein anderes Etymon übrig bleiben,
als das für Ärarat, Ayrarat, lioiagai^oc, ^Aoiagd^Tjg gewonnene
und Qaniratha wird ursprünglich nichts anderes bedeutet haben
als die „Heimstätte des Glanzes", als die Stätte nämlich, wo die
arische Majestät sich niedergelassen hat, wie es ja auch die obige
Stelle des Mithrayasht andeutet. Ist es erlaubt, bei Kungrat,
der alten Stadt an der Einmündung des Oxus in den Aralsee,
— 70 —
an eine Localisation des mythisch-geographischen Begriffs Qani-
ratha zu denken? Sollte vielleicht auch der Name Bhagiratha,
BhajSi-atha, BayQccöag, Bayoga^og, den wir sonst als „Götter-
wagen" deuten, nicht eher im Sinne von „Götterlust" aufgefasst
werden dürfen? Wie der Begriff ,,sich über etwas freuen, seine
Lust an etwas haben" übergehen kann in den des „wohnens",
beweist das Verhältniss der W. van, lieben (vgl. skt. vanas Lust
mit lat. Venus) zu Wunn und Weid.
7. Die Insel Paiichaia als Bengalen.
Diodor V, 41—47.
„Nachdem wir das nach Westen sich neigende und das
nach Norden sich erstreckende Land, sodann aber die Inseln
des Weltmeers durchgangen haben, wollen wir nun auch über
die Inseln im Süden handeln, die im Meere des nach Osten sich
neigenden und an das sogenannte Kedrosien angrenzenden
Arabiens liegen. Das Land wird von vielen Dörfern und nam-
haften Städten bevölkert und von diesen liegen die einen auf
beträchtlich hohen Dämmen, die andern sind auf Hügeln oder
in Ebenen gebaut. Die grössten von ihnen haben kostbar ein-
gerichtete Königsburgen, eine Menge Einwohner und ansehn-
liche Besitzthümer. Das ganze Land strotzt von Vieh jeder Art,
ist fruchtbar und bietet dem Weidevieh reiche Weiden. Viele
das Land durchströmende Flüsse bewässern dasselbe reichlich
und fördern das Wachsthum der Früchte zur Reife. Desshalb
hat es auch, Arabien den Vorrang ablaufend, in Folge seiner
Vorzüge den jenem eigenen Zunamen erhalten, es wird das glück-
liche genannt. Gegenüber den Vorsprüngen dieses Küstenlandes
liegen mehrere Inseln, von welchen drei der Erwähnung werth
sind, die eine davon heisst die Heilige (legci), auf welcher die
Beerdigung der Todten nicht gestattet ist, auf die andere, die
nahe daran, nämlich nur sieben Stadien davon entfernt liegt,
— 71 —
bringen sie die Körper der Verstorbenen, die sie des Begräb-
nisses würdigen. Die heilige Insel ist aller andern Früchte
baar, dagegen bringt sie eine solche Fülle von Weihrauch her-
vor, dass sie damit den ganzen Erdkreis zu gottesdienstlichen
Zwecken versorgt. Sie erzeugt auch eine Masse Myrrhen ver-
schiedener Art und verschiedene Gattungen der andern Räucher-
produkte, die einen reichlichen Wohlgeruch gewähren. Die
Natur aber und die Zubereitung des Weihrauchs ist folgende;
Es ist ein Baum von geringer Grösse, dem Aussehen nach der
aegyptischen Akanthusstaude ähnhch, während die Blätter des
Baumes denen der sogenannten Weide (Itscc) gleichen, die auf
demselben wachsende Blüte ist goldfarben, der aus derselben
gewonnene Weibrauch wird durch Einschnitte thränenartig ab-
gezapft. Der Myrrhenbaum ist dem Mastix ähnlich, sein Laub
enthält aber einen feineren und dickeren Saft, er wird angezapft,
nachdem man die Wurzeln rings herum biosgelegt, von denen, die
in gutem Erdreich gewachsen sind, wird zweimal jährlich Saft
gewonnen, im Frühling und im Sommer. Der rothe, der im
Frühling gewonnen wird, kommt zuerst, in Folge des Thaues,
der im Sommer gewonnene ist weiss. Die Frucht des Dorn-
strauches sammeln sie und gebrauchen sie zu Speisen und Ge-
tränken, sowie als Heilmittel gegen Durchfall.
Das Land wird unter den Eingeborenen vertheilt, der König
erhält den Hauptantheil und von dem Fruchtertrag der Insel den
Zehnten. Die Breite der Insel soll gegen zweihundert Stadien
betragen. Es bewohnen die Insel die sogenannten Panchaier, diese
exportiren den Weihrauch und die Myrrhe ins Ausland und ver-
handeln dieselben den Kauffahrern der Araber, von denen diese
Waaren wieder andere kaufen und nach Phönicien, Coelesyrien,
sogar nach Aegypten ausführen. Schliesslich werden dieselben
aus diesen Gegenden durch Kaufleute über den ganzen Erdkreis
verbreitet.
Es giebt nun aber noch eine andere grosse Insel, die von
der vorgenannten dreihundert Stadien entfernt ist, im östlichen
.4
— 72 —
Theile des Weltmeeres liegt und dieselbe wohl um viele Stadien
an Grösse übertrifft. Von dem östlichen Vorgebirge derselben
soll man Indien wegen der Grosse des Zwischenraumes in duf-
tigen Umrissen erkennen. Panchaüi enthält viele Merkwürdig-
^^keiten, es bewohnen dasselbe zunächst als Ureingeborene die
sogenannten Panchaier, sodann eingewanderte Oceaniten^ Inder,
Skythen und Kreter, Es giebt aufjderselben eine namhafte
Stadt, mit Namen Payiar« {Ilavaga^, ausgezeichnet durch-WoJbl-
stand. Die Bewohner derselben heissen Verehrer des dreieinigen
Gottes {xov Jihg tov Tqn^vklov), sie allein sind die Herren
der Einwohner des Landes Panchaia und stehen unter keinem
König. Sie stellen aber jährlich drei Regenten (agxovtas) auf.
Diese sind zwar nicht Herren über Leben und Tod, dagegen
haben sie die Gerichtsbarkeit über alles Uebrige. Aber auch
diese übertragen die wichtigsten Angelegenheiten den Priestern.
Von dieser Stadt etwa sechzig Stadien entfernt ist der Tempel
des dreieinigen Gottes, derselbe liegt in einer Ebene und wird
wegen seines Alters, der Kostbarkeit seiner Ausstattung und
der Schönheit seiner Umgegend höchlich bewundert« Die Ebene
um das Heiligthum wird von Bäumen mancherlei Art beschattet,
nicht allein von Fruchtbäumen, sondern auch von den andern,
die den Blick zu entzücken vermögen. Sie ist überreich an
durch ihre Grösse hervorragenden Cypressen, Platanen, Lorbeer-
bäumen und Myrten, da der Ort eine Fülle fliessender Gewässer
hat. Denn nahe dem Tempelhain entspringt eine Süsswasser-
quelle von solcher Grösse, dass sie einem schiffbaren Flusse den
Ursprung giebt. Da das Wasser desselben nach vielen Richtungen
hin vertheilt wird und diese bewässert, so spriessen über die
ganze Ebene hin dichtverschlungene Baumgruppen, in welchen
sich während der Sommerhitze zahlreiche Männer aufahlten, zahl-
reiche Vögel von mancherlei Art und verschiedener Farbe nisten,
die mit ihrem Gesang grosses Vergnügen gewähren, femer
mannigfaltige Blumengärten und viele Wiesen von mancherlei
Grasarten und Blumen, sodass dieselben durch ihre Pracht des
— 73 —
Anblicks der einheimischen Götter würdig erscheinen. Auch
giebt es da gewaltige Palnibäume, die verschiedenartige Früchte
tragen, ferner viele Xüsse von Fnichtbäumen, die den Eingebo-
renen den reichlichsten Genuss gewähren. Ausser diesen giebt
es auch viele Weinstöcke von mancherlei Art, die, in die Höhe
ragend und mannigfaltig verschlungen, zu jeder Jahreszeit den
bereitwilligsten Genuss bieten. Der bemerkenswerthe Tempel (
besteht aus weissem Stein, ist zweihundert Fuss hoch und ebenso |
breit als hoch. Er wird gestützt durch hohe und mächtige j
Säulen mit kunstvollen Bildwerken in erhabener Arbeit. Auch
giebt es da Götterbildnisse hervorragendster Art und mannig-
faltiger Kunst, die durch ihre ungeheure Grösse in Erstaunen 1
versetzen. Rings um den Tempel haben ihre Wohnungen die 1
die Götter bedienenden Priester, von welchen der ganze Tempel- I
dienst besorgt wird. Vom Tempel weg ist auch eine Rennbahn '
gebaut worden, die vier Stadien lang und ein Plethron (100
Fuss) breit ist. Zu beiden Seiten der Rennbahn stehen grosse
Kupferkessel von viereckiger Basis. Am Ende der Rennbahn
hat der obengenannte Fluss seine heftig sprudelnden Quellen.
Das denselben entströmende Wasser ist merkwürdig weiss und
süss, und denen, die es brauchen, der Gesundheit des Körpers
sehr zuträglich. Dieser Fluss (noza^og) heisst aber Sonnen-
quell (ijAtoi; vdcoQ). Die ganze Quelle fasst ein Quai von kost-
barem Stein {vt.Qr^nig Xi^ivri TiolvteXiqg) ein, der sich zu beiden
Seiten des Flusses vier Stadien lang hinzieht. Bis zum äussersten
Ende des Quais ist der Ort Niemandem ausser den Priestern zu
betreten erlaubt. Die darunter liegende Ebene ist auf zweihun-
dert Stadien den Göttern geheiligt und die aus derselben zu
den Opfern führenden Zugänge zerstören sie. Hinter der vor-
genannten Ebene liegt ein hoher Beig, den Göttern geheiligt,
Namens Thron des Uranos (Oigarnv öttpQog} und der Drei-
einige Götterberg (Tgiqiiliog ^'OXv(.inog). Sie erzählen nämlich
die Sage, vor Alters habe Olympos, der über den Erdkreis
herrschte, sich gern an diesem Orte aufgehalten und von der
Höhe desselben den Himmel und die Gestirne unter ihm betrach-
tet, dann sei derselbe später der Dreieinige Götterberg (TQupv-
liov ^'Olvfxnor) genannt worden, weil die Bewohner am Fusse
desselben aus drei Völkern beständen, dieselben hiessen nämlich
Panchaier, Okeaniten und Doer {Jittoi), die später unter Ammon
(!A^I.uov) vertrieben worden seien. Ammon soll nicht allein
das Volk in die Flucht geschlagen, sondern auch ihre Städte
D6a {di^a) und Ästerusia erobert und von Grund aus zerstört
haben. Die Priester sollen auf diesem Berge alljährlich ein
Sühnopfer mit grosser Feierlichkeit darbringen. Zwischen diesem
Berge und dem Lande Panchaia soll es eine Menge verschieden-
artiger Thiere geben, denn es habe viele Elephanten, Löwen,
Leoparden, Antilopen und viele andere Thiere verschiedener
Art, die sowohl nach ihrem Aussehen als ihrer Stärke Erstaunen
erregten. Diese Lisel hat auch drei bedeutende Städte, Hyiakia
('Yga-Aia), Dalis {JaXig) und Oheanis (Qy.eavlg). Das ganze
Land sei fruchtbar und habe eine Fülle verschiedeaaartiger Wein-
reben. Die Bewohner desselben seien kriegerisch und bedienten
sich in ihren Kämpfen altvaterischer AVaffen. Der ganze Staat
sei in drei Stände eingetheilt, den ersten Rang nähmen bei ihnen
die Priester ein, zu denen auch die Künstler gehörten, den zweiten
Stand bildeten die Ackerbauer, den dritten die Krieger, zu denen
auch die Hirten gehörten. Die Priester seien die Leiter von
Allem, indem sie sowohl die Streitigkeiten schlichteten, als
auch in souveräner Weise die öffentlichen Angelegenheiten be-
sorgten. Die Bauern^ die das Feld bestellten, brächten die
Früchte zu gemeinsamem Besitz zusammen und wer sich von
ihnen im Feldbau am meisten ausgezeichnet zu haben scheine,
empfange bei der Vertheilung der Früchte einen auserlesenen
Ehrenantheil, wobei von den Priestern der erste, der zweite und
die übrigen bis auf zehn ausgewählt würden, zur Aufmunterung
der andern. Ganz auf dieselbe Weise wie diese übergäben auch
die Hirten die Opferthiere und das andere Vieh dem öffentlichen
Schatz, sowohl nach Massgabe der Zahl als des Gewichts und
zwar mit aller Genauigkeit Denn insgemein dürfe keiner Pri-
vateigenthum besitzen, ausser Haus und Garten, alle Erzeugnisse
und alle Einkünfte nähmen die Priester in Beschlag, die dann
Jedem das ihm Zukommende gerecht und billig zutheilten, nur
erhielten die Priester das Doppelte, Sie trügen weiche Kleider,
da es bei ihnen Schafe gebe, die sich durch die Weichheit ihrer
Wolle vor andern Schafen auszeichneten. Sie tragen aber auch
Goldschmuck, nicht allein die Weiber, sondern auch die Männer,
um den Hals Perlbänder, um die Arme Spangen, an den Ohren
ähnlich wie die Perser herabhängende Ringe. Sie trügen Schuhe
von gewöhnhcher Art, aber auch solche von buntgestickten
Farben. Die Krieger, die regelmässigen Sold erhielten, bewach-
ten das Land, indem sie sich auf Festungen und Lager vertheilten.
Ein Theil des Landes leide nämlich unter den Räubereien ver-
wegener und gesetzloser Menschen, die diese Ackerbauer fort-
während durch hinterlistige Ueberfälle bekriegten. Die Priester
selbst ragen an Luxus und allem Comfort und Glanz der Lebens-
führung hoch über die andern empor, denn sie tragen leinene,
durch ihre Feinheit und Weichheit ausgezeichnete, zuweilen aber
auch aus der weichsten Wolle bereitete Kleider, ferner haben
sie auch golddurchwirkte Mützen (lUTgag). Als Fussbekleidung
tragen sie bunte, kunstreich verfertigte Sandalen. Ebenso tragen
sie Goldschmuck, wie die Weiber, ausser Ohrgehänge. Sie be-
schäftigen sich hauptsächlich mit gottesdienstlichen Angelegen-
heiten, sowie mit den Hymnen und Lobliedern auf die Götter,
indem sie mit Gesang die Thaten derselben und ihre den Men-
schen erwiesenen Wohlthaten darstellen. Die Priester erzählen
die Sage, ihr Geschlecht stamme aus Kreta und sie seien von
Zeus nach Panchaia geführt worden zur Zeit, da Zeus, als er
noch imter den Menschen lebte, den Erdkreis regierte. Und sie
bringen dafür Beweise aus ihrer Sprache an, indem sie zeigen,
dass sich in derselben viele kretische Ausdrücke erhalten hätten.
Ihre Verwandtschaft und Liebe zu denselben (den Kretern) hätten
si« von den Vorfahren überkommen, indem die Sage von der-
— 76 —
selben immerfort auf die Nachkommen überliefert worden sei.
Sie pflegen auch Aufzeichnungen darüber vorzuweisen, von
welchen sie sagen, dass Zeus dieselben gemacht habe, zur Zeit,
als er noch, unter den Menschen weilend, den Tempel gründete.
Das Land besitzt Metallreichthum an Gold, Silber, Kupferei'z,
Zinn und Eisen. Diese alle dürfen nicht aus der Insel exportirt
werden, auch dürfen die Priester unter keinen Umständen aas
dem geheiligten Land fortreisen. Wer aber einen, der doch aus
dem Lande reiste, trifft, hat das Recht, denselben zu tödten.
Weihgeschenke aber, goldene und silberne, zahlreiche und grosse,
sind den Göttern aufgestellt und im Laufe der Zeit ist die Menge
der geheiligten Weihbilder ausserordentlich gross geworden. Die
Pforten des Tempels tragen bewunderungswürdige Kunstarbeiten
aus Silber, Gold und Elfenbein, sowie Schnitzereien aus wohl-
riechendem Holz. Das Lager des Gottes hat sechs Ellen Höhe,
vier Ellen Breite, ist massiv golden und zum Theil mit Kunst-
arbeiten geschmückt. In der Nähe steht auch der Tisch des
Gottes, der an Grösse und sonst an Kostbarkeit dem Lager
nahe kommt. In der Mitte des Lagers erhebt sich eine grosse
goldene Säule, die Schriftzeichen trägt, welche bei den Aegyp-
tern heilig genannt werden und in denen die Thaten des Uranos
und des Zeus, und nach diesen diejenigen der Artemis imd des
Apollo, die von Hermes beschrieben sind."
Im sechsten Buch kam Diodor wieder auf die Insel Panchaia
zu sprechen. Leider sind uns aber aus demselben nur Auszüge
in des Eusebius Präparationes evang. 2 erhalten geblieben. Wir
geben dieselben, ihrer Wichtigkeit wegen, nach Bekkers Text
(T. 1, pag. 503—504) ebenfalls vollständig:
„Euhemeros wurde, nachdem er Freund des Königs Kasan-
der geworden war, von diesem beauftragt, für denselben einige
königliche Geschäfte und grosse Reisen ins Ausland auszuführen.
Derselbe erzählt nun, er sei nach Süden ins Weltmeer ausge-
fahren. Er hätte sich im glücklichen Arabien eingeschifft und
die Fahrt mehrere Tage durch den Ocean fortgesetzt. Da sei
— 77 —
er denn zu grossen Meerinseln gelangt, als deren eine die Insel
Namens Pauchaia, hervorrage. Er habe gesehen, A\de die Ein-
wohner derselben, die Panchaier, sich durch Frömmigkeit auszeich-
neten imd durch die Art, wie sie die Götter mit überaus pracht-
vollen Opfern und bedeutenden silbernen und goldenen Weihge-
schenken ehrten. Die Insel sei den Göttern heilig, und ent-
halte manches Bewunderungswürdige, sowohl in Bezug auf
Alterthümlichkeit als künstlerische Arbeit, worüber wir zum
Theil schon in den vorhergehenden Büchern berichtet haben.
Auf derselben erhebe sich auf einem hohen Hügel der überaus
heilige Tempel des Dreieinigen Gottes {Jiog TQicpvXiov), von
diesem gegründet zu der Zeit, als er, selbst noch unter den
Menschen weilend, König des ganzen Erdkreises war. In diesem
Tempel stehe eine goldene Säule, auf welcher mit Panchaiischen
Buchstaben die Thaten des Uranos, Kronos und Zeus übersicht-
lich beschrieben seien. Nach dieser Inschrift sei Uranos ein
gerechter (£7i:£€tx»jc), wohlthätiger {BV€Qyecr^g) und der Bewegung
der Gestirne kimdiger Mann gewesen, der auch die himmlischen
Gotter {ovQccvioi \^€oi) zuerst mit Opfern geehrt habe. Dess-
halb sei er denn auch IJranos zubenannt worden. Von seiner
Frau Hestia habe er zu Söhnen gehabt Titan und Kronos, zu
Töchtern Bhea und Demeter. Kronos sei nach Uranos König
gewesen, liabe Rhea geheirathet und den Zeus, die Hera und
den Poseidon gezeugt. Dann habe Zeus das Reich des Kronos
übernommen, Hera, Demeter und Themis geheh'atet, von der
ersten habe er die Kureten zu Kindern gehabt, Phersephone von
der zweiten und Athene von der dritten. Er sei nach Babylon
gekommen und von Belus gastfreundlich aufgenommen worden,
hernach sei er auf die im Ocean liegende Insel Panchaia ge-
kommen und habe seinem Grossvater Uranos einen Altar gegrün-
det. Von dort sei er dann durch Syrien gekommen zu Kasi'os,
der damals König gewesen sei, woher auch das Gebirge Kasion
seinen Namen habe. Darauf sei er nach Kilikien gekommen
und habe den Landesfürsten Kilix im Kriege besiegt. Er
— 78 —
sei auch zu den meisten andern Völker gekommen und von allen
geehrt und zum Gott erhoben worden,"
Dieser Reisebericht des Euliemeros von Messene, desselben,
der durch die nach ihm benannte Theorie der Mythenerklärung,
des Euhemerismus , eine gewisse Berühmtheit erlangt hat, ist
schon von den Alten aufs heftigste angegriffen worden. Nach
Strabon II, 4, 2 (ed. C. Müller pag. 86, 18) ist dem Euhemeros
allerdings mehr Glauben zu schenken, als dem (durch seine See-
reisen an die Nordsee ebenfalls berühmt gewordenen) Pytheas,
da Euhemeros doch wenigstens nur in Ein fremdes Land, nach
Panchaia, geschifft sei. Eratosthenes dagegen nenne den Euhe-
meros einen Lügner und wolle eher dem Pytheas Glauben
schenken (qp^ai d' ovv 6 JJo^vßiog . . . noXv öe cpTfiL ßlXxLOv
T(p Meaorjviq) [EvrifieQqt) nioxetEiv iq tovtq} {TIv&li^). 6 iniv-
TOI ye slg fiiav xtSgav tijv Ilayxctiav liyei nX^voai ^Egazood-i-
viqg de rov (.lev Evrj/LiSQOv Begyalov naXelv, Ilv&ecf öi Tnoxsveiv).
Und so ist denn auch bis zu dieser Stunde des Euhemeros
Panchaia nach dem Vorgange Strabons VII, 3, 6 (ed. C. Müller
pag. 248, 43) zu den durchaus fabelhaften Ländern gerechnet
und mit den antiken Berichten über die Hundsköpfe, Brustäugler
und Einäugler auf Eine Linie gestellt worden. Das einzig halb-
wegs Positive, was uns von den Alten noch über Panchaia berich-
tet wird, ist die Meldung des Plinius Hist. Nat. VII, cap. 56 (197),
die Erfinder der Goldschmelzung seien nach einigen Thoas und
Eaclis in Panchaia gewesen (auri metqUa et conflaturatn Cad-
mus Phoenix ad Pangaexini montem, tU alü, Thoas et Eaclis
in Panchaia, aut Sol Oceani ßlius, cui Gellius medicinae quo-
que inventionem ex melle assignat). Dass hier noch Cadmus als
Phoenix genannt wird, hängt verwechselungsweise zusammen
mit des Plinius Bericht Hist. Nat. X, cap. 2, der Vogel Phoenix
trage sein Nest nach Panchaia in die Stadt der Sonne und lege
es dort auf dem Altar nieder. "Wir kennen diese Sage aus Hero-
dot II, 73, nur dass wir durch Plinius um die werthvoUe Mit-
theilung bereichert werden, die Sonnenstadt Hehopolis, die Herodot
— 79 —
nach Arabien verlegt, sei in Panchaia. Wir werden bei anderer
Gelegenheit auf diesen Vogel Phoenix zurückkommen.
Den römischen Dichtern kam das wunderbare Land Panchaia
zur mosaikartigen Ausschmückung ihrer Gedichte sehr gelegen.
Tibullus verwendet es als das Land, das reich an theuern
Waaren sei (Lib. UI, Elegia 2, v. 23):
lllic quas mittit dives Panchaia merces
Eotqtie Arabes^ pinguis et Assi/ria.
Und Virgil vergisst nicht, unter den Ländern des Ostens,
die es, trotz ihres Reichthums, nicht mit Italien aufnehmen
könnten, das weihrauchreiche Panchaia anzuführen (Georgica U,
136—140):
Sed neque Medorum, süvae ditissima, terra,
Nee pulclier Ganges atque auro turbidus Herinus^
haudibus Italiae certent, non Bactra, neqxie Indi,
Totaque turtferis Panchaia pinguis harenis.
Verfolgen wir nun des Euhemeros Reisebericht auf seine realen
ßestandtheile hin, so gelangen wir zu merkwürdigen Ergebnissen.
Euhemerus lief vom glücklichen Arabien aus und schiffte, offen-
bar den Monsun benutzend, durch das erythräische Meer nach
Osten, üeber die heilige Insel '/«pa zwischen Arabien und
Kedrosien wage ich noch keine Deutung. Jedenfalls lag die-
selbe im indischen Ocean. Denn die Produkte der Insel gehen
zunächst in die Hände arabischer Kaufleute, die sie dann nach
Phoenicieu, Coelesyrien und sogar nach Aegypten {stl de
u4Xyvnzov) bringen. Aegypten muss demnach das vom Stapel-
platz im persischen Meerbusen unter den zunächst liegenden
Absatzländem das entfernteste gewesen sein.
Von dieser Insel */£o«, deren Name mögKcherweise nur
einem zendischen Äirya = Arya, wenn nicht gar dem ^yißiQia,
dem Lande der Abhira an den Mündungen des Indus, dem
Ophir des Königs Salomon (s. Weber, Ind. Skizzen - pag. 73 — 74
mit Anm. 1), seinen Ursprung verdankt, lag dreihundert Stadien
— 80 —
entfernt die Insel {rijoog) oder das Land (xw^«) Uayyala im
östlichen Theile des (Indischen) Oceans {elg t6 ngog tw fitgog
Tov w/.eavov xetfxivTj). Von dem nach Osten vorspringenden
Vorgebirge desselben könne man die Küste Indiens in duftigen
Umrissen erblicken (a/ro yccQ tov Tigog avaroÄäg ccrijy.ovrog
a/iQcorriQlov (paal ^ecoQsla&ai Ti]V ^lvdi/.r(v äigiov dice tn (xi-
yed-og tov öiaaTiqiiiaTog). Hier liegt keine andere Möglichkeit
vor, als dass Euhemerus die Insel Ceylon als einen Theil der
Insel Panchaia betrachtet habe, denn nur von der Nordostspitze
Ceylons aus ist ein Erblicken der indischen Küstenlinie möglich.
Diese Vermischung geographischer Beobachtung ist aber desshalb
werthvoll, weil sie uns das Land Panchaia nicht in Arabien, son-
dern in _ Vor derin dien suchen lehrt. Das Land Panchaia ist
nämlich nichts anderes als das Land Banga, Vanga der Sans-
krit-Inder, das Land Bangäla, Bengalen. Plutarch in seiner
Abhandlung Ueber Isis und Osins Cap, XXIII hat iv TlayyßvTi.
Vielleicht stand ursprünglich *ndyxovi, es würde dann die Form
IJayxov einem indischen *Bangan entsprechen und wenn das
von Böhtlingk-Roth im Sanskritwb., Bd. V, pag. 618 verzeich-
nete vangana, m., das == vanga, Solanum Melongena sein soll,
mit vanga, dem Namen des Volkes der Vanga, Bcmga, d. h. der
Bengalen, identisch ist, so würde, da der Endvocal a in indischen
Wörtern schon frühzeitig fallen gelassen worden ist, der Zurück-
führung des plutarchischen ^Jlayyov auf ein indisches *Ba^gan
nichts hinderlich sein. Dass der Name Vanga, Banga mit
scharfer Consonanz ausgesprochen wurde, beweist der Name der
Insel Bangha, der Zinniusel, insofern nämlich derselbe wieder
nichts anderes sein kann als sanskritisches banga, vanga, n. Zinn
(s. Vom Pontus bis zum Indus pag. 15). Unter den Produkten
Jlayxaiag führt denn auch Euhemeros bei Diodor in der That
Zinn {xaaaiTEQog) an. Dasselbe war kaum in Bengalen selbst
gewonnen, wenigstens ist über die Zinnproduction Bengalen»
nichts bekannt. Das in Bdngka, der Kassiterideninsel des Ste-
phanus von Byzanz gewonnene Zinn konnte aber, um nach
— 81 -
Indien und von dort in den fernen We ten zu gelangen, keinen
andern, weil keinen näheren Exportweg einschlagen, als an die
Gangesmündung, d. h. nach Bengalen, von wo es dann den
Ganges hinauf an den Indus und an die Malabarkiiste und von
dort durch das erythräische Meer entweder den persischen Meer-
busen hinauf nach Babylon oder durch das Rothe Meer nach
der Hafenstadt Eziongeber gelangte. Infolge seiner Provenienz
aus Bengalen mochte das Zinn, wie im Sanskrit der Fall, das
bengalische, d. h, eben banga heissen oder umgekehrt mochte
der Name des Landes, woher für den Grosshandel das Zinn zu-
nächst kam, vom Zinn hergenommen werden, sodass dann also
Banga, Vanga, ITayxaia das Zinnland bedeuten würde. Die bei
Plutarch a. a. 0. für den Namen der Bewohner des Landes
Banga vorkommende Variante TlayxiooL stammt unzweifelhaft
von einer Nebenform Bangu, die im Sanskrit in Vangula, Van-
gdla (Petersburger Sanskritwb., Bd. V, pag. 618) vorkommt,
welches letztere die Personification einer, doch gewiss nur »die
bengalische" bezeichnenden musikalischen Weise ist.
Das Land Tlayxala soll ausser von den IlayxaXoi (Uayxcooi)
als den Ureingeborenen bewohnt sein von zugewanderten Okeani-
ten, Indern, Skythen und Kretern. Die Okeaniten sind zweifellos
nur Maldien, die Inder bedürfen keiner Erklärung, in den Sky-
then erblicke ich die (^aha, die ja in den Qäkya, aus denen
(^dkyamuni hervorgieng, für das untere Gangesthal bezeugt ge-
nug sind. Schwierig zu erklären sind die Kreter. Von einer
Einwanderung der alten Bewohner der Insel Kreta in Indien
kann natürlich gar keine Rede sein. Sondern hier haben wir
es wieder mit einer griechischen Assimilation fremdländischer
Namen zu thun. Die Kreter führten allgemein auch den Namen
KnvQtiTeg, Kotgr^Tsg, an welche die Kuru der Inder anklangen
Zwar ist von einer so tief in den Osten erstreckenden Wande-
rung der Kuru aus der Sanskritliteratur nichts bekannt, dagegen
spricht das Kurumandala, der Name der Koromandelküste
im Südosten der vorderindischen Halbinsel, wohl für die Mög-
Brunnhofer, Vom Aral bis zur Gangä. 6
— 82 —
lichkeit, dass ein Theil der Kuru sich sogar nach Bengalen
wendete.
Die Hauptstadt des Landes ist Pandra {Ilavaga). Ich stehe
nicht an, darin die heilige Stadt Benares zu erblicken. Der Sans-
kritname derselben ist im Sanskrit Väränäsi, Varänasi, wofür aber
auch Vandrasi vorkommt; der gegenwärtige Name beweist die
Möglichkeit, dass IJavaga schon frühzeitig in der ümsteDung
Vdndrasi vorkommen konnte, das U für B oder V erklärt sich
wie in Uayxaia für Banga, Vanga. Die andern Städte 'F^axm,
JaXig und 'ßjteat'/g wage ich noch nicht zu deuten. Deutungs-
fahig dagegen scheint mir der Name der Stadt J(^a und das
Volk der Jwoi. Dieselben werden wohl die aus dem Rigveda
wohlbekannten Ddsa sein, ein Wort und Begriff, mit welchem
die Arier die barbarischen Ureinwohner auf der ganzen Linie des
specifischen Arierthums zu benennen pflegten. Dieses Ddsa, im
Zend DdJia, griechisch Jäoi und Jaoi, konnte präkritisch Dda
und wohl auch Doa werden, wobei an das macedonische und
phrygische ^cog für Jccög, lat. Davus, erinnert werden mag.
Die Stadt ^Aotsgovala könnte die griechische Uebersetzung eines
sanskritischen Tdrdvati, Sternenstadt, sein.
Im Zusammenhang mit den ethnologischen Verhältnissen
des Landes Panchaia steht die Heldensage seiner sanskrit-arischen
Einwanderer, der sogenannten Kreter, d. h. der Kureten, der
Kuru, wobei möglicherweise der Name des Landes der Kuru,
skt. KuruksJietra, mit in Betracht kommt. Nach den Trägern
der Sage von der Abkunft aus Kgrjrri = KurtiJcshetra , nach
den Priestern, d. h. ofl'enbar nach den Brahmanen, wurden die
Kreter, d. h. die Sanskrit- Arier, die Kuru, von Zeus in das
Land Panchaia geführt, was nur auf Indra, den Gott der sans-
kritarischen Eroberungsarbeit, deuten kann. Denn Indra rühmt
ja im Rigveda: ahavi bJmmim adaddm drydya „ich habe die Erde
dem Arier gegeben". Von höchstem Interesse ist die Nachricht,
diese Priester seien sich auch noch des Zusammenhanges ihrer
Mundart mit der der (Kuru-)Kreter bewusst gewesen und hätten
— 83 —
zahlreiche Belege dafür ans beiden Mundarten aufgeführt, also
standen sie offenbar auch noch mit den zurückgebliebenen Be-
wohnern (Kurukshetra-)Kretas in Verkehr oder hatten die alte
Sprache als Literatur- und Kirchensprache traditionell fortge-
pflanzt, denn die Priester wiesen sogar Schriften vor, die aus-
sagten, dass Zeus (Indra) ihren heiligen Tempel in der Urzeit
gegründet habe. Wir werden auf diese Angabe sofort wieder
zurückkommen.
Von unschätzbarem Werth ist die Sage, der (Kuru-)Kre-
ter Gott Zeus (Indra) sei nach Babylon gekommen und dort
von Bei gastlich aufgenommen worden. Von dort aus sei er
dann direkt nach Panchaia am Ocean gezogen und habe dort
seinem Grossvater üranos einen Altar errichtet, üeber diesen
üranos sofort das Weitere. Aber der Zug des (Kuru-kretischen)
Zeus-Indra nach Babylon erinnert beredt an die Eroberung Baby-
lons unter Qvaitreya Brihaduktha Rigv. V, 13, die ich in Iran
und Turan pag. 217 — 227 ausführlich besprochen habe. Nur
bleibt bis jetzt noch vollständig räthselhaft, wie die Sage, Zeus-
Indra sei von Babylon aus unmittelbar nach Panchaia gekommen,
zu deuten sei. Denn sie lässt den Schluss zu, diese Wanderung
sei zur See erfolgt, was über alle uns bis jetzt bekannten
mythisch-historischen Nachrichten, sowie über alle uns bis jetzt
geläufigen Begriffe von der Wanderung der verschiedenen
Stämme der Sanskrit-Arier hinausgeht. Jedenfalls ist Ein Resul-
tat aus diesem Theil der brahmanischen Heldensage Panchaias
zu ziehen, die Thatsache, dass sich die Brahmanen Bengalens
eines uralten Zusammenhanges mit Babylon noch bewusst
waren.
Wenn die Heldensage der (Kuru-)kretischen Panchaier dann
weiter erzählt, ihr Zeus-Indra sei dann aus Panchaia nach Syrien
gekommen zu dem damahgen Bewohner des Landes, NamensÄa^b*,
von dem der Berg Kasios in Syrien seinen Namen habe, so kann
natürHch nicht im Traum an eine Zurückwanderung der Sans-
krit-Arier, oder eines Theiles derselben, aus Panchaia nach Syrien
6*
— 84 —
gedacht werden, sondern hier hat der griechische Berichterstatter
wieder sanskritische Namen an griechische angelehnt. Denn
nach meiner Auffassung haben wir in 2vQia an den Sonnengott
Sürya und in Kaaiog an den Kagyapa zu denken und dass
in der That zwischen Kagyapa^ dem alten Repräsentanten des
Ka9yapa-/iCo(T7rtov- Gebirges und Sürya, der Sonne, die nach
dem Veda über dem Ka^yapa-Gebirge aufgeht, Zusammenhang
walte, habe ich dargestellt in Iran und Turan pag. 58 — 63.
Es ist aber auch möglich, dass sich KaoiOi; geradezu auf Kd^,
die Stadt Benares {UavaQa) und den dort verehrten Sürya,
wie er aus dem iqllov vöcog zu erschliessen ist, bezieht. Der
Kaaiog wäre dann etwa Käginätha „der König von Benares"
d. h. (^iva, der wohl auch Kdgya heissen konnte.
Ganz in derselben Weise erklärt sich die Sage, Zeus-Indra
sei nach Kilikien gekommen und hätte den Landesfürsten KlXi/.a
im Kriege besiegt. Auch hier ist in Wahrheit nicht entfernt
an Kilikien zu denken, sondern der Grieche hatte von den Brah-
manen offenbar von Oiriga (ursprünglich ausgesprochen *Oiricha)
gehört, gewiss nicht im Sinne des Gir-iqa „Herr der Lobgesänge",
eines Beinamens des Gottes Brihaspati, sondern, worauf die
Bezeichnung TonaQxrig deutet, im Sinne des Oiri-iga, , Fürst
der Berge", des Himavat-Himälaya.
Sollte — entgegen der obigen Auffassung — möglicher-
weise auch die Sage, Zeus-Indra sei nach Babylon gekom-
men und dort vom Gotte Bei gastlich aufgenommen worden,
{ini^svio&rlvai) in derselben Weise erklärt worden müssen?
Man hätte dann an Babhru zu denken, das, als adj. braunroth
braun bedeutend, als Subst. im Rigveda von Gott Rudra, Soma
oder Agni gebraucht wird und das in späterer Zeit (nach dem
Petersburger Sanskritwb., Bd. V, pag, 23) auch Beiname Krishna's
oder Vishnu's wurde. Die gastliche Aufnahme leitet wohl auf
Soma, allein der Sonnengott Bei deutet wohl eher auf den Son-
nengott Vishnu (oder Agni im Rigveda), vielleicht aber noch
eher auf irgend einen Namen wie Bäldrkavarna, die eben auf-
— 85 —
gegangene Sonne, d. h. Q^va, ähnlich wie das gleichbedeutende
Bäldditya oder Bäldtapa^ wofür vielleicht hypokoristisch auch
einfach Bdla (als Subst. m. der Knabe) galt.
Die Angaben über das Göttersystem der Panchaier sind zum
Theil sehr durchsichtig brahmanisch, zum Theil, insofern Euhe-
meros die indischen Gött^mamen durch entsprechensollende
griechische ersetzt, räthselhaft. Ganz durchsichtig ist der drei-
einige Zeus mit dem nach ihm benannten Tempel des Jwg Tqi-
(pvXiov und dem Götterberg TgicpiXiog^Olvfinoc. Es ist zweifel-
los der Tritnüitti, d. h. der dreieinige Brahma, Vishnu_ und
Qiva. Sollte bei letzterm Götterberg an den aus dem Atharvaveda
(IV, 9, 8) wohl bekannten oerg Ti-ikakud „Dreigipfel " im Hima-
vat zu denken sein? Man könnte freilich ebensogut an den Tri-
kakubh des Vishnupuräna oder an den Triküia des Epos denken.
Da es aber heisst, die Priester brächten auf dem TQiq)v?.iog"OXvf.i-
nog alljährlich ein grosses Opfer dar {&vaiav te kot svLavröv «v
TOVT^ T(p OQti noulv xovQ Jf^fiZc /UfT« noX?.fjg zf^Q äyveiaq),
so möchte ich an das Trikakud-Opfer denken, das, nach den
wenigen und allzukurzen Angaben über dasselbe (Petersburger
Sanskritwb., Bd. UI, pag. 424) zehn Kächte lang unter Hymnen-
gesang gefeiert wurde. Man könnte allerdings bei Zeig Tqi-
qwkiog auch an Tripura, eine Form des ^'iva, denken, wozu
dann die Sage stimmen würde, dass ^^Af^fucov die Städte der
Panchaier, z/^Ja und lr4az£QOvoia (es gehört wohl noch 'Q/.e-
aviq hinzu) erobert und von Grund aus zerstört habe. Hier
kann ^'Af^fiotv nur Vdmana oder Vdma-deva, eine Form ^va's
oder Amharisha, die personificirte Schlacht, ebenfalls eine Form
Qiva's, sein. Dieser hatte nämlich nach dem indischen Epos die
Dreistadt Tripura, die drei Asuraburgen, durch Feuer zerstört,
welche Maya, ein grosser Zauberer, den Dämonen aus Gold, Süber
imd Eisen, im Himmel, im Luftraum und auf der Erde gebaut hatte.
Von dieser That her hiess ^iva denn der Tripuravernichter: Tripu-
raghna, Tnpurahan, Tripuradvish, Tripuravijaya, Tripnradahana,
Tripurdntakä, Tripurdntakara, Tripurdri, Tripurdrdana^ s. bei
— 86 —
Böhtlingk-Roth, Sanskritwörterb., Bd. III, pag, 437. Wenn
diese Auffassung des Zevg TQicpvXiog als des Qiva Tripura
richtig ist, so lässt sich dann auch die fernere Sage begreifen,
wornach der TQKpvliog ^'OlvjUTtog seinen Namen davon erhalten
habe, dass die Bewohner am Fusse desselben aus drei Völ-
kern beständen, nämlich aus den Panchaiem, Okeaniten und
Döern.
Nächst dem Zsvg TgicpvXiog oder Qiva galt in Panchaia als
höchster Gott Ovgavog, nach welchem der heilige Götterbei^
Ovqavov öicpQog benannt war. Im Tempel des Zevg TQiqrvXiog
stand eine goldene Säule, auf welcher in Panchäischen Buch-
staben die Thaten des Uranos, des Kronos und des Zeus sum-
marisch beschrieben waren. Uranos sei der erste König gewesen,
ein gerechter, wohlthätiger und des Laufs der Gestirne kundiger
Mann, der die himmlischen Götter zuerst mit Opfern geehrt
habe, desshalb habe man ihn auch Himmel {OvQavog) zubenannt.
Die Stelle ist so wichtig, dass es hier des Originaltextes bedarf:
iv rovrq) zqj uQ(p OTt^kTjv €ivai XQ^^^i^) ^^ J] ^olg TlayxaiOLg
ygafif-iaaiv Inaqxsiv 'yEyQcc(.i(xevag rag ze Ovqovov y.al Kgövov
y.aL Jiog Tigä^eig x€(paXauodiüg. ^laza ravra qy^ai tiqwzov
OvQavbv ßaaiXea yeyovivai, €7tieik'^ rivä avöga xal
£V€QyerT]v y.al rrjg twv aargiov yiivT^aewg iTtiaril^ova,
ov xal TiQüiTov i)-voiaig Tiiuriaai rovg ovQuviovg S^eovg'
öiö xat Ovgavov ngoaayoQSvd^ijvai.
Es kann hier keinen Augenblick zweifelhaft sein, dass wir
es in Ovgavog mit Varuna zu thun haben, der unverkennbar
mit Kronos und Zeus (wer sind diese Götter im Sanskrit?) eine
Trinität bildet. Der Thron des Uranos {Ovgavov diq>gog)
als Berg hat zunächst ein Analogen in dem Varunddri (Fa-
runa-adri), Vanina-Berg im Paücatantra (s. B.-R.). Der Name
ist die geographische Localisiruug der himmlischen Göttersitzes
des Varuna, wie wir denselben Rigv. VIU, 41, 9 finden, wo
es heisst:
— 87 —
ydsya gvetd vicakshand
tisro bhümir adhikshi'tdh |
trir üttardni paprdtur
Vdrunasya dhruvdm sädah
sä saptdnäm irajyate
ndbhantävi änyakS same || 9 ||
„Dessen glänzendes Augenpaar über die drei Erden strahlt,
die drei oberen (Welten), den festen Sitz Varuna's erfüllt,
der herrscht über die sieben." (Hillebrandt).
Der „feste Sitz des Varuna" ist der Himmel, denn Rigv. I,
25, 10 heisst es:
ni shasdda dhrädvrato
Vdrunah pastydsv d \
sdinräjyäya suhrdtuh ||
„Nieder Hess sich Varuna, dessen Satzungen fest sind, in
den Wohnungen (des Himmels), der einsichtsvolle, zur Ausübung
der Gesammtherrschaft."
Daher denn die Sage der Panchaier, dass üranos- Varuna,
sich gern an diesem Ort (den Bergen Ovqavov dicpQog und Tgi-
(pvXiog"OXvfX7iog) aufgehalten und von der Höhe desselben herab
den Himmel und die Gestirne unter ihm betrachtete {juvd^oXo-
yoioc yoQ x6 nakaibv Ovgavdv ßaaiXevovxa xr^g oixovfuevrig
7iQ0(JrfV(dg ivöiargißeiv iv xcpds t(^ xotui), xat anb rov viffovg
icpooäv %6v xe ovoavbv y.al xa "kccx avxöv aaxQo). Indem so
Oü^avog- Varuna als „König der ganzen Welt" (vfgvasya bhü
vanasya rdjd Rigv, V, 85, 3) hoch über der Welt, wie Qiva auf
dem Berge Kailäsa, im Himavat thronend, den Lauf der Gestirne
betrachtet, wird er zum sternkundigen Weisen {xr^g xwv aoxgcüv
■/.ivr^oeiog srcLOxr^fxova). Der Rigveda rühmt die weltordnende
Weisheit Varunas in den begeistertsten Ausdrücken. Varuna hat
Himmel und Erde auseinandergestützt Rigv. VII, 89 1:
dhtrd tv hsya viahind janünshi
v( yds tastdmbha rodasi cid urvt \
— 88 —
„Ja weis' und hehr sind seine Schöpferthaten,
Der Erd' und Himmel auseinander stützte."
Varujia kennt die geheimen Namen der Morgenröthe
Rigv. VIII, 41, 5:
yö dhartä bhüvanänäm
yd usi'änäm apicyä
vSda nämäni gühyä \
„Der da, der Aufrechterhalter der Welten,
Der da der Morgenröthen verborgene geheime Namen kennt."
Varuna ist der weiseste Weise. Der Atharvaveda V, 11, 4
rühmt von ihm:
nd tvad anyo havitaro nd medhdyd dhirataro
Varuna svadhävdn \
tvdm td vigvd bhüvandni vettha
„Es giebt keinen grössern Seher als dich, keiner ist an Ein-
sicht weiser als du, o Varuna, du selbstherrlicher, du kennst
diese Welten aUe."
Als „Lenker der Weltordnung" {netd ritdsya Rigv. VII, 40, 4)
und als König der Götter {(^ai. Br. XII, 8, 3, 10, ed. Weber
pag. 945: Vdruno vai devdnäm rdjd) ist Varuna auch zum
„Lehrer der Götter" geworden, denn Agni gilt Atharvaveda 11,
29, 4 als Varunena gishtah „durch Varuna unterrichtet'' (s. Hille-
brandt, Varuna und Mitra pag. 81). Desshalb hat denn auch
Varuna die Opfer eingesetzt. Rigv. X, 90, 16 (auch I, 164, 50)
heisst es von den Göttern:
yajnSnd yajtidm ayajanta devds
(dm dhdrmdni prathamdny dsan \
„Mit dem Opfer opferten die Götter das Opfer, dieses waren
die ersten Satzungen."
Nun ist aber Varuna der Schöpfer und Träger aller Satzun-
gen, was im Rigveda immer und immer wieder betont wird
(vgl. z. B. Rigv. VII, 89, 5: Varuno . . tdva dhdnnd „Varuna
dein sind die Satzungen"). Es ist desshalb vollkommen begreif-
lich, wenn Euhemeros von Uranos berichtet, derselbe habe zuerst
— 89 —
die himmlischen Götter durch Opfer zu ehren gelehrt (oV xal
7iQ(JL)iov xh;aiaig Tifirjaai Toig ovgaviovg ^lovg).
Ebenso verständlich ist der Bericht der Sage Uranos sei
ein freundlicher, wohlwollender Mann gewesen {inier/.ii rivä
avdga xai eveQyhtjfv). Im ßigveda, z. B. VII, 35, 6 heisst
Varuna: stigansa, huldvoU, segnend, wohlgesinnt, und Rigv. I,
129, 3 und I, 136. 6 sumrilikd, huldreich, gnädig. An letzterer
Stelle fleht der Dichter Paruchepa Daivodäsi:
ndmo divi brihatS rodasibkyäm
mitrdya vocam Vamnäya milhüske
sumrilikdya milhushe \
„Anbetung möchte ich aussprechen dem hohen Himmel, den
beiden Räumen, dem Mitra, dem Varuna, dem segenspendenden,
dem huldreichen, dem segenspendenden."
Die andern, im Gewände griechischer Umschreibung erwähn-
ten Gottheiten der Panchaier sind nur zum Theil nach ihrem
ursprünglichen Urbüd wiederzuerkennen. Die Thaten des Ura-
nos und Zeus, dann diejenigen der Artemis und des Apollo, die
von Hermes beschrieben sind, beziehen sich wohl auf den Rig-
veda und dessen Hymnen, auf Varuna und Indra, die zwei
Angelpunkte des vedischen Götterglaubens, die der Artemis
können nur auf Ushas, die Göttin der Morgenröthe gehen, die
des Apollo nur auf Mitra oder Sürya und Hermes wird wohl
als Aryaman oder als der Götterbote Agni verstanden werden
müssen. Für mich bis jetzt ganz undurchsichtig ist die Auf-
zählung der Göttergenealogien im zweiten kleinem Bericht des
Euhemerus. Ist dort die Frau des üranos(- Varuna), die 'Eavla,
als Varujidni oder als Ushas zu fassen? Liegen hier Itihäsa-
oder Puräna-Elemente zu Grunde?
Hochinteressant und von noch nicht absehbarer Tragweite
für die Geschichte der indischen Kunst sind des Euhemerus
Berichte über den Tempelbau und Tempelschmuck der Panchaier.
Ich halte es für möglich, dass aus irgend einer der zahlreichen
Schilderungen der Mirabilia Romae des Brahmanismus, in irgend
— 90 —
einem Kä^Istotra oder Kä^imähätmya oder in dem Kä^ikhanda
des Skandapuräna, wo speciell nur Benares dargestellt wird, die
Beschreibung der Herrlichkeiten der heiligen Stadt Jlaväqa
noch gerechtfertigt werden könnte. Das reichste Material dar-
über würde wohl den Sanskritgelehrten und Archäologen von
Benares zu Gebote stehen. Auch die Topographie von Panara,
wie sie Euhemerus giebt, wird wohl nur in Benares selbst con-
trollirt werden können.
Wichtig für die Geschichte der indischen Schrift und der
zahlreichen, von der Beantwortung dieser Frage abhängigen
Verhältnisse der Entwickelung der Sanskritgrammatik imd Ueber-
lieferung der Vedatexte ist die Nachricht von der den Panchaiem
eigenen Buchstabenschrift. Dass dieselbe zur Aufbewahrung
alter Poesie benutzt wurde, geht hervor aus dem Bericht über
die Aufzeichnungen der Priester (der Brahmanen) bezüglich
ihrer eigenen Sprachverwandtschaft mit der Sprache ihres
Mutterlandes Kreta (Kurukshetra). Diese Nachricht kann sich
nur auf lexicalisch-grammatische Werke beziehen. Ebenso kann
die Mittheilung, die Priester beschäftigten sich hauptsächlich nur
mit dem Dienst der Götter, sowie mit den Hymnen und Lobge-
sängen auf dieselben, nur auf die Liederpoesie des Yeda gehen.
Benutzte man in Panchaia um 300 v. Chr. und schon eine
ganze Urzeit früher die Schrift zur Aufzeichnung archaisti-
scher Sprachelemente und zu Lischriften, so wird man sie natur-
gemäss auch zur Ueberlieferung der Vedenpoesie benutzt haben.
Die zwei überaus wichtigen Stellen (in 1mm. Bekkers Diodor-
ausg., Lips., Teubner, 1853, T. I, pag. 462 und pag. 504) lauten
so: uQoaeÖQStovai öi ^dXiaxa taig tc5v ^ewv -d^eganeiaig xai
tdig negl rovriov vjuvoig rt xai iy/aü/.iioig, ^et <^dr]g rag ngd^eig
avxuv xal tag elg dvif-Qwnovg evegyaolag öianoQevöixevof
Ixv&oXoyovov 6* ol IsQeig tb yivog avzolg i/c KQ^vrig vTtdqxeLV,
vnb ^log riy/nivoig eig ttiv /Zaj^amv, ore xut dv&Qionovg
ü V ißaaiXeve xfjg olxov^tvrjg' xat zovtcov oi\^tsla q)iQOvoi ZTJg
SiakeKTOVy öeinvvvzeg tä noXXä dtafiiveiv naq avroig
— 91 —
KQTiTi/twg ovofia^ofieva' tijV t« ngog avtovg oly.€iOTr]Ta xal
qnXav&fjojniav ix nQoyoviov nagsilriipivai, Ttjg q>^iixrß zamr^g
Tolg kxyovoLg nagadiönuivrig aei. edtLv.vvov de v.ai avayqa-
qiag xoviiov, ag l'cpaaav zbv Jia nenoirio^aL y.ai)- ov y.aiQov
Iri xcci av&Qiö/iovg cov tögiaazo xb \sq6v. Das ÖEixvvvtEg
und iöeixvvov können offenbar an beiden Stellen nur von
scliriftlichen Vorlagen verstanden werden. Die zweite Stelle
lautet: if rovritj ro) UQip oxr^Xr^v elvai XQ^^^i^y ^^ ''1 ^^Zg Ilay-
Xaioig yga^ifiaaiv vnäqxeiv yey()af.iusvag xdg xs Ovqavov xal
Kqovov xal Jibg nga^eig xecpaXaiioöäJg. Also inschriftliche
Vedahymnen.
Die im Heiligthum aufgestellte goldene Säule selbst ist wohl j
ein Lingam gewesen, wie es der, wie wir oben sahen, in Bena- \
res herrschende Civacultus erklärlich macht.
Mit der hochent^-ickelten Baukunst, Plastik und Bild-
schnitzerei in Holz hängt zusammen das Kunsthandwerk und I
der Luxus, wie sie sich in der Tracht zum Ausdruck bringen.
Die Träger des Comforts und Luxus waren die Priester, die
Brahmanen, aus denen auch die Künstler und Kunsthandwerker
(xexvlxai) hervorgiengen. Sie trugen Goldschmuck, die Weiber
auch Ohrgehänge wie die Perser {rcaocxnXr^ouog xoig negoaig),
femer, was wieder persisch, golddurchwirkte Mitren {uixoag
XQvaovcpeig). Von besonderer Feinheit und Weichheit waren
ihre WoUenkleider. Es waren wohl baumwollene Stoffe, wie
sie unter dem Namen Kdei'kasükshma „Benares-fein" jetzt noch
berühmt sind. S. BöhtHngk-Roth Sanskritwb., Bd. II, pag. 271,
Merkwürdig sind des Euhemerus Berichte über die Ver-
fassung des Landes. Ueberraschend ist die Angabe, die Be- |
völkerung Panchaias gUedere sich in drei Kasten, wofür wir I
vier erwarten würden. Die Sache ist wohl so zu verstehen, dass
die vierte Kaste in den Augen des Euhemerus mit der dritten,
von deren Beschäftigung sie sich zu wenig unterschied, zusam-
menschmolz. Wir hätten also 1. Priester (Isgelg) und Künstler
(raxvixai), also BrahTtianen. 2. Ackerbauer {yawqyoC). 3. Krieger
- 92 —
(oTQaruoTai) und Hirten (vo/ueZg). Hiemach wären die Kshat-
triya aus dem zweiten in den dritten Rang versetzt und die
Vaigya aus dem dritten in den zweiten Rang erhöht. Die Qüdra
als vierte Kaste wären in die dritte, in die der Kshattriya, ein-
geschmolzen. Die Herunterdrückung der Kshattriya Hesse sich
begreifen aus der nach Euhemerus in absoluter Souveränität
dominirenden Stellung der Brahmanen, die in ihrem rein hierar-
chischen Staate sich auch keine Könige gefallen liessen, sondern
aUe geistlichen und politischen Angelegenheiten selbst besorgten
(avTOVofiOL xal dßaoiltvToi, ferner oi f.iiv ovv IsQEig %iüv anäv-
Tü)v rfiav riyejiiovEg, zag xe rtöv a(.icpioßriTt]aeiov KQiaeig noiov-
fuevoi xal twv aXXcov rdJv dri(j,00L(ji rrgaTroitievcüv xvgiot) und
nur Geschäftsvorsteher mit einjähriger Gewalt, aber ohne Ge-
richtsbarkeit über Leben und Tod (also eben ohne jede Souverä-
nität) wählten {agxovrag de xad^iGTaai xar iviavTov tgelg-
ovTOL de d^avarov /iiiv ovx eial y.vQioi, xa de Xoincc ndvxa
diaxQivovot). Die socialistisch zugespitzte Ausschliessung alles
Privateigenthums, sowie die souveräne, ob zwar auch gerechte
Verfügung der Brahmanen über sämmtliche Erzeugnisse der
Bodencultur und des Handwerks, sowie über alle Einkünfte des
Staates, erinnert an die analogen Einrichtungen des Priester-
staates der Jesuiten im Paraguay im siebzehnten Jahrhundert.
Die Bestimmung, dass kein Priester das geheiligte Land
verlassen dürfe, wenn er nicht Gefahr laufen woUe, vogelfrei
zu werden, entspricht dem noch jetzt mit aller Strenge gehand-
habten Gesetz des Brahmanismus. Das Verbot des Exports da-
gegen ist zweifellos ein Missverständniss des Euhemerus, dem
erstens die Thatsache widerspricht, dass die Brahmanen ausser
über alle Erzeugnisse des Landes auch über alle Einkünfte
{nQooodoi) verfügten. Diese Einkünfte konnten und könnten in
einem sich selbst genügenden, auf jährlicher Gütervertheilimg
basirenden Staatswesen nur in Zöllen bestehen, die aber wieder
den Export des Ueberschüssigen zur Voraussetzung haben. Und
dass der indische Export an Zinn {y.aoaiTSQoc), sowie an Perleu
— 93 —
Edelsteinen, Gewürzen, Farbhökem und wohl auch Produkten
des Kunsthandwerks, wie schon der Edelsteinexport voraus
>etzt, schon im höchsten Alterthum sehr beträchtlich gewesen
;ein muss, hat sich uns schon früher ergeben. Dass die
MetaUproduction ein wesentliches Element Panchaias gewesen
sein muss, geht herror aus der uns von Plin. Hist. Nat. VII,
197 überlieferten Sage, die bergwerksmässige Goldschmelzerei sei
von Thoas und Eaclis in Panchaia erfunden worden: auri
metalla et conjlaturam Cadmus Phoenix ad Pangaeum montem,
ut alü, Thoas et Eaclis in Panchaia, aut Sol Oceani ßlius, cui
Gellius medicinae quoque inventionem ex melle assignat. In
Thoas und Eaclis haben wir es natürlicherweise nicht mit
griechischen, sondern panchaiischen Namen zu thun, d. h. also
mit Sanskritwörtern. Und diese sind nicht schwer zu erklären.
In Thoas erblicke ich ein hypothetisches *dhavas von W. dhü,
ffriech.in &v-eX).a etc., blasen, deren Identität mit B)^.dham. blasen,
feststeht. Aber dham^ blasen, bedeutet auch schon schmelzen,
wie dhmä, blasen, schmelzen, wovon im Rigv. V, 9, 5 das Sub-
stantiv dhmätrij der Bläser, Schmelzer. In Eaclis erkenne ich
ein hypothetisches ayaJi-cri „der Ruhm des Erzes", wie zahl-
reiche mit cri componirte Substantive, z. B. vijaya-gri, der Ruhm
des Sieges, Siegesruhm, cri in seiner ursprünglichen Aussprache
als chri gesprochen. Vgl. über cri als zweiten Theil eines Com-
positums auch Pischel in den „Vedischen Studien", Bd. I, pag. 55,
wo für cri die Bedeutung „Kraft, Macht, Herr" erschlossen wird.
Der Bericht des Euhemerus über Panchaia hat übrigens
weltgeschichtliche Bedeutung erlangt, dadurch dass Campanella
seinen Sonnenstaat {Civitas Solis) auf denselben gebaut hat.
Campanella's Sonnenstaat ist aber eines der Urevangelien des
modernen Socialismus!
IV. Iranische Hymnen des ßigveda.
1. Der Vourukasha des Avesta und der ürühkdksha des
Rigreda.
In einem dem Rishi Qamyu Bärhaspatya zugeschriebenen
Hymnus der Liedersammlung des Bhäradväja, Rigveda VI, 45,
dessen Anfangs vers den Indra, „unsem jungen Freund" lobt,
dass er „mit schöner Leitung" (süniti) „Turva^a-Yadu aus der
FemeJ her geführt habe" {yd dnayat pardvdtah suniti turvd-
gam), erheben sich die Schlussstrophen 31 — 33 zum Preise der
Freigebigkeit des Panifürsten Bribu. Die drei wichtigen Stro-
phen lauten:
ddht bribdh paninam varshish(he mürclhänn asthdt,
wiih kdksho na gängydJ}, || 31 ||
ydsya vdyör iva draväd bhadrd rdtth sahasrmi,
sadyö ddndya mdiihate |] 32 |[
tat sü no vigve aryd a sddd grinanti kdrdvah,
brtbiim sahasraddtamam sürim aahasrasdtamam || 33 \\
„üeber den Pani's stand auf höchster Spitze Bpbu, [wie
das weite Dickicht an der Gangä"] || 31 |1
Anmerk. Dieser Bogen war schon in der zweiten Revision, als
mir Weber seine Abb. Episches im vedischen Ritual zuschickte,
in welcher er pag. 28, Anm. 5 die Gleichung Vourukasha = Urukaksha
antecipirt.
— 95 —
„er, dessen segensreiche Gunst, die tausendfache, rasch zur
Hand ist, wie vom Wind her gleichsam, sie neigt sich rasch
zum Schenken" |1 32 ||
„Desshalb preisen denn auch alle unsere frommen Sänger
fort und fort den Bribu als tausendschenkenden Opferherm, als
tausendspendenden" |j 33 [j
Ueber den freigebigen Opferherm Bribu, der nach Strophe
31 xmter den sonst als geizig verschriebenen Pani (s. mein Iran
u. Turan pag. 113) eine Ausnahme bildete, erfahren wir aus
dem Veda weiter nichts. Dagegen macht ihn die Anukramanika
des Rigveda, das Sängerverzeichniss, zum taksJian, txcoq. Zimmer-
mann und wohl aus ihr schöpft Qänkhäyana in Qrautasütra XVI,
11, 11 (bei Bohtlingk-Roth Sanskritwörterb., Bd. V, pag. 111):
yathd bharadvdjo bribau takshni praMoke ca sdrnjaye sanim
sasäna „wie Bharadväja beim Zimmermann Bribu und Prastoka
dem Sohne des Srilljaya eine Spende empfing." Wenn Bribu
als Zimmermann von grossem Reichthum, woraus seine Frei-
gebigkeit floss, gepriesen wird, so wird er wohl in einer holz-,
also waldreichen, Gegend, gewohnt haben, was zu dem Aufent-
halt der Pani am untern Laufe des ehemals ins Kaspische Meer
mündenden Oxus vorzüglich passt. S. Iran u. Turan pag. 113.
Dieser Bribu ist übrigens sehr interessant wegen seines Namens-
anklangs an den ebenfalls wegen seines Reichthimis und seiner
Freigebigkeit hoch gepriesenen Däsd Balbüthd Tdruksha Rigv.
VIII, 46, 32. Die Parner und Daher bildeten eine Volkseinheit
als welche sie von den antiken Geographen stets zusammen IlaQ-
voi-Jaai aufgeführt werden vgl. z. B. Strabon Lib. XI, cap. 7, 1;
ed. C. MüUer, Paris 1877, pag. 435, 50; femer Lib. XI, cap. 9,
3, pag. 442, 4. Ist am Ende dieser Paraer Bribu, der oflfenbar
für ein älteres "^Barbu steht, mit dem Däsa (Pama) Balbüthd
Täruksha (einem Türken?) identisch? Oder ist Tdruksha viel-
leicht nur eine hypokoristische, des Anfangs-a (wie in IldQvoi
==v4/rapvo/) verlustig gegangene, synkopirte Form des iranischen
dtarevaksha im Avesta für älteres dtarvdksha, dem Titel des
— 96 —
Mobed, welcher den Feuerdienst besorgt (Justi Handb. d. Zendspr.,
pag. 50)? üeber Tdruksha = Türke s. schon Iran u. Turan,
Einl. pag. XII. Ebendort pag. XII dachte ich bei Balbütha
(für ein im Ski. unmögliches *Bablüiha) an Babylon.
Bribu ragt über alle Pani um Haupteslänge hinaus, so hoch
hinaus urüh kdksho nd gängyah. Bei dieser Vergleichung nun
beginnt die liebe Noth der Rigvedainterpreten. Ludwig und die
Tradition übersetzen: ,wie das weite Dickicht an der Gangä,"
indem sie gängyah als adj. von Oangä fassen. Nun giebt es
aber kein solches Adjektiv und ein von Böhtlingk-Roth im Sans-
kritwörterbuch (Bd. II, pag. 12) mit Recht für mruh kdksho ver-
mutheter Eigenname Urukdksha ist an der Gangä ebenfalls nicht
nachweisbar. Zudem würde diese Vergleichung, als vollständig
lahm, hinken. Und obendrein fehlte das tertium comparationis,
das offenbar in gängyah oder in dem Wort, das ursprünglich
für gängydh gestanden haben muss, enthalten gewesen sein
muss. Hier hilft nun weiter nichts als die Annahme, dass für
gängyah ursprünglich, wie auch Säyana interpretirt, gestanden
habe: Oangäyäh, sodass also die Stelle einstweilen zu übersetzen
wäre: „wie ürukaksha über die GaHgä."
Was ist nun Urukdksha oder Uruh käksha? Ich glaube,
nicht mehr und nicht minder als der VSurukasha des Avesta,
das Kaspische Meer! Ich glaube auch, dass der Name in seiner
altern Form, die für Vouru, resp. uru ein varu verlangt, noch
wiederklingt aus dem Namen der Seestadt BuQvyaCa, dem
heutigen Barotsch am Busen von Cambay. Das Wort bezeich-
net das weitufrige, wie denn auch die Huzvaresh-Uebersetzung
des Avesta das Wort mit dem dasselbe bedeutenden Feräkhkant
wiedergiebt. Die Vergleichung lautet nunmehr: „wie das
Kaspische Meer über die Gangä." Das ist eine zutreffende
Vergleichung. Bribu zeichnet sich durch die Grösse seiner Frei-
gebigkeit vor allen andern Panis aus, wie sich das Kaspische
Meer durch seine Grösse über die der Gangä, d. h. hier, des
Oxus, erhebt.
— 97 —
Wir stehen in diesem Hymnus auf dem Boden der Turva^a-
Yadu in Parthien, es kann demnach von der spätem Grangä,
die die Sanskrit- Arier in Hindostan so benannten, noch keine
Rede sein. Sondern hier ist als tertium comparationis nur die
Gangä im Sinne des Oxus mögHch. Und dass der Oxus in fer-
ner Urzeit Gaiigd geheissen haben muss, geht hervor aus dem
Namen des Paradiesflusses Gihon, der schon längst (s. Knobel,
Die Völkertafel der Genesis, Giessen 1850, pag. 249) als der
Oxus erkannt worden ist. Es deutet darauf auch der Name der
Alaka-nandä im Yishnupuräna, den Wilson (s. Vom Pontus bis zum
Indus pag. 123) als den Ganges gefasst hat und den ich ebeu-
dort als hervorgegangen aus Arg rut, einem bekannten Namen
des Oxus = Arang, Araxes, Arajj'i gedeutet habe (s. dort pag.
124). Diese Bedeutung von Oxus möchte ich der Gaiigä auch
in dem berühmten Hynmus zum Lob der Flüsse (Rigveda X,
75, 5) zuweisen. Die Nadistuti rühmt die Flüsse des Pandschab,
beginnt aber mit einem Lob auf die grossen Ströme Hochirans.
Bedeutet in Vers 5 in der Stelle imdm me Gange Yamune SarasvcUi
die Gahgä den Oxus, so ergiebt sich dann, wenn zugleich
Yamund = Hamunseestrom (s. mein Iran u. Turan pag. 99 — 100)
und die SarasvcUi die Haraqaiti^ der Hümend der Vasishtha
(ebendort pag. 98 — 99), die von Nord nach Süd gehende Reihen-
folge: Gangd (Oxus), Yamund (Hamun), Sarasiati (Haraqaiti-
Hilmend), während, wenn wir in den drei Namen die später
erst kennen gelernten Flüsse Hindostans suchen, alsdann keine
Reihenfolge herauskommt.
2. Die astronomische Orientining der geographischen
Lage des von den A^vinau befahrenen Meeres.
In »Vom Pontus bis zum Indus" pag. 127 — 129 hatte ich
nachgewiesen, dass die Heilthätigkeit der vedischen A9vinau
auf die erfrischende Wirkung des Morgen- und Abendwindes
zu beziehen ist, über deren Heilkraft uns der persische Geograph
Brunnhofer, Vom Aral bis zur Ganga. 7
— 98 —
Qazwini werthvolle Anhaltspunkte gewährte, wie uns derselbe
auch über den nicht mythologischen, sondern vollständig realen
Charakter des ron den A^vinau verstreuten Honigthaus Aufklä-
tung gab. Die A^vinau kommen auf ihrem goldenen Wagen
iin Abenddunkel und bei der Morgenröthe herangefahren (vgl.
Rigv. X, 39, 1) und zwar kommen sie über das Meer gefahren
(RigT. I^ 30, 18 samudrS . . . (yate\ von ferne her (Rigv. VIII,
5, 31 <$ vahethe paräkät) , sie fahren von Osten nach Westen
(Rigv. VIII, 10, 5 ydd adydgvinäv dpäg ydt prdk sthö vdjinwasu).
Nach Rigv. VIII, 9, 14 wel-den die A^vinau zum Somaopfer bei
den Turva9a Yadu eingeladen und nach Rigv. VlII, 10, 5 ver-
weilen sie bald bei den Druhyu-Anu im Westen, bald bei den
Turva^a-Yadu im Osten.
Nun hatte sich uns in „Iran und Turan" pag. 41 ergeben,
dass die Turva9a als Verbündete der Vi-tcivant^ die wir als Vnica
= Hyrkanier erkannt hatten, in der Nachbarschaft Hyrkaniens,
vielleicht in Taberistan gewohnt haben müssen, wo möglicher-
wieise der Name der alten Stadt Tüs, der einstigen Hauptstadt
ton Chorasan, noch Zeugniss von ihtem einstigen Aufenthalt
ablegt. Wohnten aber die Turva^a in Taberistan oder Hyrka-
nien, so kann das Meer, welches die A^vinau befahren, nur das
Kaspische Meer gewesen sein.
Zu demselben Resultate gelangen wir, wenn wir die A^vi-
nau blos als Morgen- und Abendstem betrachten. Wenn der
Morgenstern mit dem Morgenwind im Osten aufgeht und über
das Meer nach Westen fährt, so giebt es auf ganz Iran nur
zwei Meere, von denen diese Ajigabe gemacht werden kann,
nämlich der Aralsee und das Kaspische Meer. Wenn aber zu-
gleich gesagt wird, der Morgenwind bringe Honigthau, so lässt
sich diese Angabe nur auf den Südrand des Kaspischen Meeres,
beziehen, da die Lage des Aralsees, der volle 10 Breitengrade nörd-
lichei" liegt, als der Südraud des Kaspischen Meeres, solchen
Honigthaufall nicht zulässt. Wenn nun die A^vinau das Meer von
Osten nach Westen befahren, so muss das Land der Druhyu-Anu
— 99 —
im Westen offenbar südwestlich von dem Land der Turva9a-
Yadu im Osten des Kaspischen Meeres liegen, wenn die Druhyu-
Anu zugleich einen Theil des Fünfvölkerbundes ausmachen
konnten, der seinen Sitz im Südostwinkel des Kaspischen
Meeres hatte.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich, in Anlehnung an meine
Deutung der A^vinau als Morgen- und Abendwind auf Iran,
(Vom Pontus bis zum Indus, pag. 127—129) für das häufigste
Attribut derselben, Ndsatyau, eine neue, vielleicht auch bessere
Etymologie vorschlagen. Mir wenigstens will es nicht ein, die
beiden Heilgötter von ihren langen IS'asen benannt zu sehen,
wie doch neuerlich vorgeschlagen worden ist. Sondern ich leite
das adj. näsatya ab von einer Participialform Praes. Gaus, näsat
von. W. nas (die allerdings im Sanskrit nicht nachweisbar ist),
enthalten im gothischen Gaus, nas-jan, heilen, retten. Den dem
Wort, nicht jedoch dem mythologischen Begriff nach entspre-
chenden Dämon Näonghaithya des Avesta halte ich nur für eine
zarathustrische Diabolisirung des brahmanischen Götterpaares,
letzteres als Einheit gedacht. Näonghaithya ist der Dämon des
Hochmuths, der Taromaüi, und geht nicht auf einen arischen
Gott zurück, sondern ist die bewusste Caricatur des sanskrit-
arischen, vorindischen, brahmanischen Heilgötterpaares des Rig-
veda. Der arische Sagenschatz über die A9vinau ist enthalten
in den zahlreichen Dioskurensagen der Griechen, worüber
später in meinem Homerwerke.
3. Ein Yaruiialiyinnns am Kaspischen Meer.
Rigveda V, 85.
1. Auf! dem Allherrsch er ein hohes singe, ein tiefes Lied,
ein liebes, dem Varujpa, dem berühmten, ihm der da auseinan-
derschlug — wie ein Schlächter die Haut zum Ausbreiten an
die Sonne — die Erde.
7*
— 100 —
2. TJeber den Wäldern hat er den Himmel ausgespannt,
Kraft hat er emgesetzt in die Rosse, Milch in die Kühe, in die
Herzen Verstand, Varuna, in die Wässer das Feuer, an dem
Himmel die Sonne, den Soma auf der Fluh.
3. Nach unten gekehrt hat Varuna den Schlauch und den-
selben sich in die Luft nach Himmel und Erden ergiessen lassen,
mit diesem benetzt der König alles Wesenden den Erdboden
wie der Regen das Gras.
4. Benetzt den Boden, die Erde wie den Himmel, sobald
er, Varuna (aus diesem Schlauch) Milch wünscht, mit Gewölk
umhüllen sich die Berge, die rüstigen Männer lösen (die Schnüre
des Schlauches.)
5. Diese auch wahrlich, des Göttlichhehren, des Berühmten
grosse Kunst, des Varuna, will ich preisen, der mit einem
Massstab gleichsam in der Luft stehend, ausmisst die Erde ver-
mittelst der Sonne.
6. Dieser auch, des weisesten Gottes grosser Kunst hat sich
noch keiner vermessen, dass alle blinkenden Ströme sich in das
Eine Meer ergiessend mit ihrem Wasser dasselbe nicht fiillen.
7. Wenn wir an dem blutswerwandten, o Varuna, oder dem
befreundeten Genossen oder dem Nachbarn oder Bruder, wenn
wir an dem Einheimischen, o Varuna, oder an dem Fremden,
eine Sünde begangen haben, erlöse uns von derselben.
8. Wenn wir als Schelme beim Spiel betrogen haben,
sei es in Wahrheit, sei es dass wir es nicht wussten, alle
diese Fallstricke löse, o Gott, möchten wir, o Varuna, dir
lieb sein.
Bevor wir uns zur Erklärung des Einzelnen wenden, wobei
wir, von unserm Standpunkte aus, zunächst das historisch-geo-
graphische und ethnologische Element berücksichtigen, wird es
vor allem nothwendig sein, uns nach der geographisch einzig
möglichen Proveniez dieses in sich vollendet abgeschlossenen
Varunaliedes umzusehen. Ich finde den Schlüssel zur Beaut-
wortimg dieses Räthsels in Strophe 6. Der Dichter spricht
— 101 —
hier aus dem Volksmunde heraus seine Verwunderung darüber
aus, dass die unendliche Zahl der in das Meer mündenden Ge-
wässer dasselbe niemals zum Ueberfliessen bringen. Das nakir
d dadharsha, noch keiner hat sich dieser Kunst {imäm mäyäm)
unterstanden, beweist,, das seit ältesten Zeiten diese Beobachtung
das Erstaunen der Meeresanwohner hervorgerufen hat. Es kann
nun, nach dem, was sich uns schon in Iran u. Turan pag. 5 — 9
ergeben hatte, kein Zweifel darüber herrschen, dass der sämudra
des Rigveda, wo er nicht schon zum Wolkenocean verhimmelt
ist, nur das Kaspische Meer sein könne. Und die in Strophe 6
zum Ausdruck gelangende Volksverwunderung über den immer
gleichen Stand des samudra befestigt uns in dieser Ansicht.
Wie wir nämlich gesehen haben, dass, wie nakir d dadharsha
bewies, diese Volksverwundenmg traditionell war, so hat sich
dieselbe bis auf die Neuzeit erhalten. Olearius nämlich, der
i. J. 1634 das Kaspische Meer befuhr und den Südrand bereiste,
erzählt uns pag. 408 seiner Persischen Reisebeschreibung: „Es
wundern sich ihrer viel, woher es doch komme, dass
diese See soviel Ströme in sich sauffe, und doch keinen
merklichen Ausgang hat." Und aus neuester Zeit berichtet
Melgunoff, Die südlichen Ufer des kaspischen Meeres pag. 32:
,4)ie Landesbewohner sagen, dass Mazanderan allein eben soviele
Flüsse habe, wie das Jahr Tage. Am ganzen kaspischen Ufer
von den tiirkmenischen Steppen, oder dem Flusse Gurgan, im
Osten, bis zum ZoUhause in Astara, am westlichen Ufer, will
man 1362 (?) Flüsse zählen!"
Diese Auffassung der geographischen Herkunft unseres
Varunaliedes bestätigt sich nunmehr durch die werthvolle An-
gabe im Schlusspäda der Strophe 2: adadhät somam ddrau „er
setzte den Soma auf der Fluh ein." Denn ganz übereinstimmend
heisst es im Avesta, Ya9na X, 27 — 28: Dich (Haoma), den gros-
sen Spender der Weisheit, setzte ein kunstreicher Gott nieder
— auf der Hara berezaiti {nidadät . . . haraithyo paiti hare-
zaydo). Die Hara berezaiti ist aber bekanntlich der Alburs,
— 102 —
das südliche Randgebirge des Kaspischen Meeres. Diese Angabe
des Avesta stimmt wieder überein mit der Mittheilung Anquetil
du Perrons (s. auch Justi, Beiträge zur alten Geogr. Persiens I, 5
der Hom wachse auf den Bergen von Gilan, Mazanderan, Shir-
wan (und Yezd). Vgl. darüber insbesondere auch meine Ab-
handlung über den A9navanta-A9vattha-Sabelän als Sitz des
Soma in „Vom Pontus bis zum Indus" pag. 77—82.
Stehen wir hiemit auf geographisch festem Boden, so er-
klärt sich nun auch die Angabe von Strophe 2 unseres Varuna-
liedes: apsv ägn{m, . . . adadhdt „er setzte in die Wässer das
Feuer ein." Hier kann es sich nicht um das aus dem Meeres-
schooss aufsteigende Gewölk, resp. um den aus der, dem Meeres-
schooss entstiegenen Wolke herausfahrenden Blitz handeln, da in
sämmtUchen Schöpfungswerken, die in Strophe 2 erzählt wer-
den, es sich überall um unabänderliche feststehende Schöpfungs-
verhältnisse handelt. So ist hier denn auch von dem den Wässern
unabänderlich innewohnenden Feuer die Rede. Ich möchte darin
eine Hindeutung auf die zahlreichen Thermen der Alburskette
erblicken. Die wunderbaren Heilwirkungen der heissen Schwe-
felquellen konnte den arischen Bewohnern dieser vulkanischen
Gebirge schon urzeitlich nicht entgehen, üeber diese Thermen
erfahren wir aus MelgunoflF, Die südlichen Ufer des Kaspischen
Meeres, pag. 23, Folgendes: „Es ist bekannt, dass der Demavend
ein Vulkan ist, aus dem jedoch nur zu Zeiten Rauch aufsteigt;
man zählt an 70 Krater. Der Berg hat viele Schwefelquellen
und enthält viele Mineralien, vorzugsweise Steinkohle" und
pag. 24: „Die Schwefelquellen sind so heiss, dass man Eier
darin kochen kann. Einige derselben werden von den Persem
auch als Heilquellen besucht." Naturgemäss mussten solche
warme Quellen auf den Feuergott bezogen werden. So auch
führten die Griechen dieselben auf Hephaistos zurück, wie der
Scholiast zu des Aristophanes Wolken v. 1052 berichtet: "//?t-
xdg <pTtiai, ibv ^'Hq)aiOTOv xatä Siogeav dvaöovvat 'HgaicXel
XovT^ä d^eQfiiiiv vddtiov, £| tav ra d^sQfia Tiveg (paoiv ^HQdx.XeKx
— 103 —
liyead^ai. S. des Ibykos Fragm. 4^ bei Bergk, Poetae Lyriißi
Graeci (Lips. 1843), pag. 662. S. darüber auch noch Lauer,
System der griechischen Mythologie, p, 382, Anm. 1620.
Betrachten wir nunmehr noch die ander» realen Aphalts-
punkte, die uns das Varunalied zur Unterstützung unserer An-
sicht von der kaspischen Provenienz desselben bietet, so werden
wir dieselben in erwünschter Uebereinstimmung mit den schon
gefundenen treffen.
Gleich der Anfangspäda von Strophe 2: vdneshu vy cmtd-
riksham tatdna „über den Wäldern hat er den Himmel ausge-
breitet" lässt uns einen Schluss ziehn auf den Waldreichthum
und die Baumriesen Mazanderans. Denn soviel ist sicher, dass
dem Dichter dieses Anschauungsbild nur in einem wälderreichen
Lande mit hohen Bäumen sich aufdrängen konnte. Vgl. über
diesen Waldreichthum die armenische Etymologie des Wortes
Mazanderan, sowie über die „staunenmachende Grösse und
Höhe der Wälder" Mazanderans die Schilderung des bri-
tischen Reisenden Morier vom J. 1815 in meinem Iran und
Turan pag. 142—143. Hülebrandt (Varuna und Mitra pag. 71)
sowie Geldner (in den Vedischen Studien, Bd. I, pag. 114) über-
setzen vdneshu mit „in den Bäumen." Geldner begründet seine
Uebersetzung mit den Worten: „Bäume oder Wald und Jjuft
sind für die Beobachter unzertrennlich. Er hört dieselbe in
dem Rauschen, nimmt sie wahr in dem Zittern des Laubes und
atmet sie besonders gern in dem kühlen Schatten des Baumes.
Varuna hat es gefügt, dass die Luft durch die Bäume streichen
kann. Vgl. „die luftigen Eichen" bei Wieland." Geldner, dessen
realistischer Erklärung des Rigveda wir sonst zustimnjien, hat hier
vollständig übersehen, dass er ein rein idealistisches Princip in
die Rigveda-Erklärung hineinträgt, Motive aesthetischer Natur-
verzücktheit, zu denen der indische Geist erst durch den yer-
innerhchenden Einflugs des Buddhismus gelangt ist, ja die zum
Theil erst durch Rousseau's oder Bernardin de St. Pierre's
Naturschwärmerei für die moderne Menschheit gewonnen worden
— 104 -
sind, von denen aber der ßigveda noch so vollständig frei ist,
dass wir mit Erstaunen die Wahrnehmung machen, wie un-
empfänglich der Inder des Veda sich selbst noch für den Blumen-
reichthum Kashmirs oder des Pandschab zeigt. Der Inder des
Veda staunt nur über diejenigen Naturerscheinungen, die ihm
durch die Macht, Grösse, Glanz oder durch ihren Nutzen impo-
niren und selbst in denjenigen Liedern, wo, wie in den Hymnen
auf die Morgenröthe, zum ersten Mal in der Urgeschichte der
Menschheit ein freies sich Hingeben an die Natur zum Durch-
bruch gelangt, geschieht es nur unter der Illusion, die Schön-
heit einer Göttin, ja, nach Geldner, die Reize einer Hetäre zu
besingen. Wie sehr der Dichter unseres Varunahymnus die
Natur in echt antiker Gebundenheit des Geistes nur unter der
Vorstellung des Nutzens betrachtet, woneben dann noch der
Eindruck des räumlich Grossartigen aufkommt, beweist gerade
Strophe 2, wo für die „Kühe" ein Wort gebraucht wird, das
sonst die „Morgenröthen" als die „röthlich aufflammenden" be-
zeichnen könnte und an diesen gleichsam leibhaftigen Morgen-
röthen weiss er nur die von Varuna in sie gelegte Milch zu
bewundern. Wie dem Dichter in Strophe 2 die Höhe des
Fundorts des Soma imponirt, an der Sonne die Höhe ihres
Standpunktes, so ist er betroffen über die Höhe der Wälder
und ihrer Baumriesen, über welchen erst der Luftraum ausge-
spannt erscheint. Das Wort antäriksha bezeichnet immer nur
den Luftraum in der Höhe, niemals die Luft als das auch
dem Erdboden entlang streichende Lebenselement, als das selbst
die Tiefen erfüllende Fluidum, das durch das Laub der Bäume
rauscht. Ich möchte desshalb den Locativ vdnesku mit „über
den Wäldern" (oder Bäumen) wiedergeben.
In Strophe 3 möchte ich hdvandham nicht nach allgemein
gültiger Auffassung als „Tonne" fassen, da der vom Appellati-
vum hdvandha nicht abzulösende Mythus vom Dämon Kavandha
Züge enthält, die sich mit dem Begriff des Apellativums hivandha
im Sinne von „Tonne" nicht vereinigen lassen. Es scheint mir
— 105 —
unzweifelhaft, dass zwischen dem altindischen Wolkendämon
Kavandha oder Kabandha und dem griechischen Dämon der
Trockenheit Käav&og ursprüngliche Wesenseinheit herrscht,
wie sehr auch, wie sich gleich zeigen wird, beide Dämonenge-
stalten sich später ihrem Wesen nach differenziirten. Herrscht
aber zwischen beiden Dämonen ursprüngliche Identität auf indo-
germanischem Boden, so kann nur die Form kavandha die ur-
sprüngliche sein und fallen daher alle auf die Form hahandha
gegründeten Etymologien, die von einer Zusammensetzung des
Interrogativpronomens ha mit dem Substantiv bandhä, womach
es „also als die viele oder starke Bänder oder Reifen habende"
(Grassmann) bezeichnet wäre, in sich zusammen, zugleich mit
der Bedeutung „Tonne", die sich nur an diese falsche Etymo-
logie anlehnt. Der Wolkendämon Kavandha, in verhärteter
Aussprache später auch Kabandha^ war nach indischer Sage
im Rämäyana ein Dänava, der, ein Sohn der Anmuthsgöttin (^ri,
von Indra für seinen TJebermuth dadurch bestraft wurde, dass
ihm der Gott Kopf und Schenkel in den Leib drückte, dagegen
ungeheure Arme und einen Mund im Rumpfe verlieh. S. Weber
in den Ind. Stud., Bd. I, pag. 218 Anm. Wäre die ursprüngliche
Gestalt des Kavandha eine Tonne gewesen, so hätte sich dieser
Mythus unmöglich aus derselben entwickeln können. Ganz
anders stellt sich die Sache, wenn Avir daran denken, dass die
ursprünglichsten Wasser-, Wein- und Milchbehälter Schläuche
gewesen, wie sie es gerade in den Ländern ums Kaspische Meer
bis auf diesen Tag geblieben sind. An das Bild eines gefüllten
Ziegenschlauches, wie solche in Transkaukasien und drüben an
den Ostufern des Kaspischen Meeres noch bis zur Stunde ge-
bräuchlich sind, konnte sich dagegen leicht genug die Vorstellung
eines Wolkenschlauches anknüpfen, dessen zum Zwecke des
Trinkens abwärts gewendete Oeffnung, in Verbindung mit den
zwei als Handhaben hervorragen Schenkeln wiederum leicht zur
mythischen Vorstellung Veranlassung geben konnten, als sei
diese hässliche Figur des unter dem Bilde eines ungeheuren
— 106 —
Wolkenschlauchs angeschauten Wolkendämons das Werk eines
dem Dämon aufsätzig gewesenen Gottes.
Die Etymologie von kavandha^ Kdav9og bleibt vorläufig
noch dunkel. Der griechische Kdavd-og war nach Pausanias IX,
10, 5 ein Sohn des Okeanos. Von seinem Vater abgeschickt, um
seine Schwester Melia zu suchen, fand er diese in der Gewalt
des ApoUon und warf deshalb Feuer in das Ismenion, den
heiligen Hain des Apollon bei Thebe. Der Gott tödtete ihn
mit Pfeilen. An der Quelle des Ares zeigte man sein Grabmal
Hahn in seinen Sagwissentschaftlichen Studien pag. 504 fasst
den Kdav^og als „Blumenversenger", in des Kaanthos Anzün-
dung des ismenischen Hains erblickt er ein mythisches Bild fiir
die Waldbrände im Hochsommer und Apollons Rache führt er
auf die Herbstgleichensonne zurück. Es ist wohl kaum fraglich,
dass die griechische Volksetymologie thatsächlich in Kdavd^og
an y.aieiv, Y.avEiv, brennen, und wohl auch avd^og, die Blume,
gedacht hat. Und vielleicht liegt in der That auch dem indir
sehen Dämon Kavandha, insofern er mit dem griechischen
Trockenheitsdämon Kdav&og ursprünglich eins gewesen ist,
eine Wurzel *ku, brennen, leuchten, zu Grunde, wovon dann
eine später zu kavandha nasalirte Participialforra , *kavarUa
sich bilden konnte. Fick in seinem Indogermanischen Wurzel-
wörterbuch pag. 44, stellt diese Wurzel ku auch wirklich auf
und leitet von der allerdings nur erschlossenen Form derselbe
im Sanskrit, *gu, gvi nicht nur skt. go-na, flammend, m. Feuer,
sondern auch gve-ta, weiss und gvas, morgen „eigentlich beim
Aufleuchten" (= lat. cras) ab, zu dieser Form stellt er dann das
griechische xa/w für xaf-w, xav^aca, xixav-fiaij ir-xav-r-d^tjv,
brennen. Es hat nun zwar den Anschein, als ob auch der in-
dische Dämon Kavandha sich in diesen Zusammenhang füge,
denn, wie Weber Ind. Stud., Bd. I, pag. 295 Anm. beibringt,
gab es einen Gandharva Namens Kabandha Atharvana, der
Ätharvana, als Sohn des Atharvan, führt aber auf einen „Feuef-
priester" zurück und vom Wolkendämonen KaJ»w<jUbij^, d^m
— 107 —
Indra den Kopf in den Rumpf drückte, erzälilt die Sage inj
Rämäyaua, Räma und Lakshmana hätten dem Ungeheuer seine
langen Arme abgehauen und den Rumpf verbrannt, wodurch
Kabandha, von dem auf ihm lastenden Fluche befreit, seine
frühere schöne Gestalt wieder erlangte (s. Böhtlingk-Roth's
Sanskritwörterb. Bd. II, pag. 71). Lässt sich dieser Zusammen-
hang zwischen den beiden Dämonengestalten Kdavi^og und
Kavandha nicht leugnen, so würde der mythische Name älter
und iirsprüngKcher sein, als das ApeUativum kavandha und es
würde dann das indische Appellativ havandha^ kabandha^ zwar
schon urzeitlich früh, aber doch erst secundär aus dem Dämonen-
namen abgeleitet worden sein, da ihm im Griechischen kein Appel-
lativ xdavd^og zur Seite steht — oder darf das erst nachhomerische
xvad^og, Becher, Hohlmass für Flüssigkeiten, als ungunirte Farallel-
form von Kdavd-og, kabandha betrachtet werden? Die secundäre
Entstehung des Appellativs aus der verblassenden Bedeutung des
Dämonennamens hätte nichts übermässig Auffallendes an sich,
da z. B. bekanntlich der spätlateinische Apellativname für Jagd-
hund vertagus, veltragus aus dem altpersischen Verethraghna,
der Vyitratödter, im Veda Vritraghna stammt und im Franzö-
sischen ogre „der Stellenvermittler, Lumpenhändler" Niemand
mehr an dessen Abkunft aus dem römischen Unterweltsgott"
Orciis denkt.
Die Wiederaufnahme des Refrains unatti hhüina vom Schluss
der Strophe 3 zu Anfang der Strophe 4 bezeugt den echten
Volksliedscharakter unseres Varunahymnus, vgl. darüber meine
Specialabhandlung in Abthlg. V. Ich füge hier noch die SteUe
bei Taittirlya Samhita (ed. Weber) IV, 5, 1, 3:
utai 'nam gopd adi-igrann *
ädrigrann udahdryah \
utai ^nam vigva bhütänt,
,und ihn sahen die Hirten, es sahen ihn auch die Wasser-
trägerinnen, ihn auch aUe Wessen." Die „rüstigen Männer"
{tavishhfantah . . . mrä^) , die den Wolkenschlauch von seinen
— 108 -
Riemen lösen, sodass die Milch aus der nach unten gewendeten
Oeffnung fliessen kann, sind die Winddämonen, die Maruts.
Ueber den Varuna in Strophe 5 als äsurd, als „Sohn des
Asura" vgl. P. von Bradke, Dyäus Asura, Ahiura Mazda und
die Asuras, pag. 73. Der „Sohn des Asura" ist Varuna als
indischer Nachfolger des in die indogermanische Urzeit hinauf-
steigenden Himmelsgottes Dyäus Asura, der im Rigveda noch
deutlich als der dem Varuna in der Verehrung noch vorauf-
gehende Himmelsgott auftritt.
Die Ausmessung der Erde vermittelst der Sonne als Mass-
stabes, die hier wie wiederholt bald Varuna, bald Mitra zuge-
schrieben wird, erhält ihre meteorologische Erklärung durch
die Thatsache, dass die Sonne besonders im Süden als Licht-
säule auf- und unterzugehen scheint, worüber ausführlich in
meinem Iran und Turan pag. 14 — 18. Vgl. daselbst die Abbil-
dung einer solchen Lichtsäule der Sonne.
Was nun zum Schlüsse das aussergewöhnlich zarte Schuld-
bewusstsein anbetrifft, das in Strophe 7 sich ausspricht und das
in dieser nahezu an buddhistische Erlösungsbedürftigkeit gren-
zenden Stärke im Rigveda nicht wiederkehrt, so lässt sich in
dieser frühen Urzeit, aus welcher unser Varunalied stamant,
eine derartige Feinheit der Empfindung nur begreifen bei einer
Kaste oder, da in diesem Hymnus, wie gerade Strophe 7 beweist,
noch kein Kastenbewusstsein existirt, bei einer Gesellschaftsklasse,
die, wie ich schon in Iran und Turan pag. 176 nachgewiesen
habe, durch ihre aller Sorgen um die menschhche Bedürftigkeit
enthobene Ausnahmestellung sich rein und ausschliesslich der
Betrachtung und der Pflege des innern Lebens widmen durfte.
Wo die Grösse der Natur wie die Schönheit und Mannigfaltig-
keit ihrer Erscheinungen ununterbrochen auf das Gemüth des
Menschen einwirken, da fühlt er sich unwillkürlich und unbe-
wusst zu weihevoller Stimmung angeregt. Und so stimmt es
denn völlig zu der kaspischen Provenienz unseres Vaninahym-
nus, wenn uns Melgunoff, Die südlichen Ufer des kaspischen
— 109 —
Meeres, pag. 39 nachfolgende Beobachtung mittheilt: ,^ine
Eigenthümüchkeit der Bewohner dieser Uferprovinzen ist ihre
ßeligiosität und ihr Eifer in ErfülluDg der vorgeschriebenen
Gebräuche; man behauptet sogar, dass das Volk hier mehr als
in dem ganzen übrigen Persien unter dem Einflüsse der Geist-
lichkeit stehe, der hier selbst den der Regierung über^N-iege,
üeberall sieht man zahlreiche Takie (heilige Gebäude), in den
Städten fast auf jeder Strasse, in denen sich das Volk versam-
melt, um die Erzählungen von den traurigen Schicksalen der
Söhne AU's anzuhören." So wird es dort auch in der vedischen
Urzeit schon gewesen sein.
4. Ueber den historisch-geographischen Hintergrund der
Sage von Puiüravas und IJrva^i.
Jüngst hat Geldner in den von ihm mit PLschel herausge-
gebenen Vedischen Studien (Stuttg., 1889), pag. 243—295 die
Sage von Purüravas und Urva9i nach ihren märchenhaften Be-
standtheilen eingehend untersucht, um dann das Rigvedalied X
95, jenes merkwürdige Zwiegespräch zwischen Purüravas und
Urva9i, mit grosser Einlässlichkeit und einer Fülle kleiner Ein-
zelresultate dermassen aufzuhellen, dass das betreffende Lied nun-
mehr in einem ganz neuen Lichte erscheint. Die historisch-
geographischen Anhaltspunkte aber, die zwar nicht das Rigveda-
lied, wohl aber das (^atapatha-Brähmana und das indische Epos
bieten, hat er mit keiner Sylbe berührt. Da nun aber die Purü-
ravas-Urva^I-Frage durch Geldner wieder so sehr in den Vor-
dergrund der Rigvedaphilologie gerückt worden ist, nehme ich
die Gelegenheit wahr, das meiner Methode zugängliche Material
der Sage ins richtige Licht zu setzen. Manche der vom indi-
schen Epos gegebenen mythisch -geographischen Namen sind
mir allerdings auch noch nicht durchsichtig geworden, ich werde
aber bei einer andern Gelegenheit auf die ganze Purüravas-Ur-
va^i-St^e zurückkommen.
— 110 —
Daa ^atapatha-Brähmana erzählt XI, 5, 1, 4 (ed. Weber
pag. 856) von dem über das Verschwinden seiner leidenschaft-
lich geliebten Urva9l halb wahnsinnig gewordenen Purüravas
sd ddhyd jdlpan kurukshetrdm samdyä cncärdnydtdhplakshMi
Msavati tdsyai hddhyantSna vavräja tdddha td apsardsa dtdyo
bhütvd pdripuplumre || „Vor Liebessehnsucht irreredend wanderte
er durch Kurukshetra. Dort ist ein Lotusteich, Anyatahplaksha
geheissen. An dessen Gestade wandelte er. Dort schwammen
gerade die Apsaras in Schwanengestalt herum." (Geldner). Die
hier gegebenen Andeutungen Kurukshetra und Anyatahplakslia
klären sich gegenseitig auf, insbesondere, wenn wir die vom
indischen Epos überlieferten mythisch -geographischen Namen
zur nähern Orientirung herbeiziehen.
Nach den von mir im zweiten Band meiner historisch-geo-
graphischen Untersuchungen gewonnenen Resultaten (s. Vom
Pontus bis zum Indus, Einleitung pag. XIV — XVI, wo die
üebersicht über die einschlägigen Einzelabhandlungen im Bande
gegeben ist), lag das Kurukshetra ursprünglich nicht zwischen
Yamunä und Gangä in Hindostan, sondern auf dem Hochland
von Iran in Chorasau, wohin das Koqiovov ogog und die flav-
^lalaloL als auf die ursprünglichen Wohnsitze der Kuru und
der Paficdla hinweisen. Wir gelangen zu dem nämlichen Resul-
tat, wenn wir die Angaben des indischen Epos über die Gegend,
wo Purüravas und Urva9i dem Liebesspiel lebten, verwerthen.
Nach dem Harivam^a (bei Geldner a. a. 0., pag. 250) wohnten
die beiden Liebenden „in dem Lusthain Caitraratha und am
Gestade der Manddki'm, in Älakd, in VYgdld^ in Nandana dem
schönsten Haine, im nördlichen Kurtdand, wo alle Wünsche
wie an Bäumen reifen, am Fuss des Gandhamddana und auf
dem nördlichen Gipfel des Meru."
Hier leuchtet vor Allem Eins ein: das Kuruksheb*a liegt
nicht in Indien, sondern im Norden Indiens. Denn der Gan-
dhamadana liegt auch nach indischer Auffassung im hohen Nor-
den. Bestätigt sich aber meine Deutung des Namens (s. mein
— 111 —
Iran und Turan pag. 102), nach Welcher derselbe unr die indische
spätere Assimilation des Huzväreshnamens des Berges Gadma-
nomand „der Majestätische" in Chwarzim wäre, so ständen wir
dem ursprünglichen Kurukshetra in Chorasan nahe genug.
Das „nordliche Kuruland" ist kein anderes als das der Uttara-
kuru des Aitareya-Brähmana VIII, 14 (ed. Aufrecht pag. 223):
tasmäd etasyävi udicyäm digi ye Tceca parena Hiviavantam jana-
padd Uttarakurava Uttaramadrd iti vairdjyäyaiva te' bhishi-
cyante „die im Norden jenseits des Himälaya wohnenden Völker-
schaften, Namens Uttarakuru und Uttaramadra, leben nicht
unter Konigen." Ohne mich hier bei den Uttarakuru ausführ-
lich aufzuhalten — als ^OrTogay.OQQa begegnen sie später bei
Ptölemaeus in Ost-Turkestan — mache ich darauf aufmerksam,
dass (s. auch mein Iran und Turan pag. 227) schon Weber im
Nachtrag zur Magavyakti (Monatsberichte der Berliner Akademie
23. Oct. 1879, pag. 812) in den Uttaramadra eine Hindeutung
auf Medien erkannt hat, gestützt auf die vorher von Nöldeke
gegebene Erklärung des spätem Sanskritwortes mäfhi, das aus
dem Persischen mädhi, der Ringelpanzer, ins Sanskrit und Aj:a-
bische eingedrungen ist.
Zu demselben Resultat führt uns die historisch-geographische
Aufhellung der Mandäkmt Nilakantha, der Scholiast des
Mahäbhärata, erklärt nämhch (s. Böhtlingk-Roths Sanskritwb.,
Bd. VI, pag. 847 s. v. vasu) die Manddhini in der von uns oben
pag. 44 ausgehobenen Stelle mit Vasor dhdrd, dem „Strom der
Güter", in welchem wir den untern Oxus erkennen mussten,
dessen „goldene Gnadengeschenke" wir nun- im Hinblick auf den
sich den Oxus hinunter bewegenden indischen Edelstein- und
Perlenhandel sehr wohl verstehen. Dann aber, da wir schon in
„Vom Pontus bis zum Indus" pag. 123 die Alahanandd des
Vishnupuräna als eine volksetymoiogische Zurechtlegung eines
älteren Arg oder Arag rud erkannt hatten, bezeichnet auch AlaJcd
und Nandana nur wieder denselben Strom Oxus.
Interessant ist nun der Lotusteich Anyaiahplakshd. Nach
— 112 —
Analogie des von Böhtlingk-Roth im Petersburger Sanskritwor-
terbuch (Bd. I, pag. 265) aus der Väjasaneyi-Samhitä XXX, 19
angeführten anydto Wanya {anyaias-\-arariya) „bald da bald dort
waldiges Land" roüsste Anyatahplakshä etwa bedeuten „bald da,
bald dort Gewässer." Eine solche Bedeutung kann aber ein
Lotusteich niemals gehabt haben. Der Name ist offenbar durch
Volksetymologie verwirrt, d. h. dem spätem Sprachgefühl der
Sanskrit-Arier assimilirt worden. Die Angabe, die Apsarasen
seien, in Schwäne {ätciyah) verwandelt, auf diesem Teich herum-
geschwommen, wird ims auf den wahrscheinlich ursprünglichen
Namen desselben zurückführen. Denn, wie schon Weber, Indische
Studien, Bd. I, pag. 197 eingesehen hat, das Wort äti^ für welches
auch der indische Commentator nur „Wasservogel" (Jalacara-
pahshivigeshasyai ^shä saihjnä pag. 590) anzugeben weiss, ist
ursprünglich anti, lat. anatis, lit. anti^ gr. vijaaa für vrit-ia,
Ente. Der Teich, auf welchem die Apsarasen als anti, anati
herumschwammen, war offenbar ursprünglich ein *anatyah-
plakshä, 'aus dem dann, nachdem sich anti, anati im Sanskrit
zu äti zusammengezogen hatte, wobei nun für anatyah kein
Etymon mehr übrig blieb, ein anyatah herausgedeutet wurde.
Auch pldkshä war frühzeitig unverständlich geworden. Es be-
zeichnet die ptlalcshd devi sunritä punyä devi Sarasvati, die
heilige Sarasvati, das masculinum plahsha die Ficus infectoria.
Die beiden Wörter haben nichts mit einander gemein. Das
masculinum hängt offenbar zusammen mit paldca, dem Paläya-
oder Parnabaum, das dem femininum plakshd zu Grunde liegende
masculin plaksha entspricht dagegen dem griechischen niXayog,
das Meer. Und dass es sich hier um ein Meer handelt, beweist
die Angabe der indischen Märchensammlung Kathäsaritsägara
(bei Geldner a. a. 0., pag. 257), in der Nähe der im Nandana-
hain einander erblickenden Purüravas und Urva^I habe sich
Vishnu, der sich nachher des Liebeskranken annimmt, im Milch-
meer ijcshirasamudra Icshiroda) aufgehalten. Das Milchmeer ist
aber, wie ich (s. mein Iran und Turan pag. 7—8) gezeigt das
- 113 —
Kaspische Meer, dessen süsses Küstenwasser dem ganzen Alter-
thum wunderbar vorkam.
5. Dnrgaha im Rigveda das „sehwerzngängliche" Kyirint
des Aresta.
In ,.Iran und Turan'- pag. 33—34 hatte ich die Mridhah,
Durgahä {rdkshdnsi) und Apämivä als die Marder, die Leute
des Durgaha und die Stadt l^nafuia erkannt. Ich hatte aber
mit DurgaJia noch nichts anzufangen gewusst. Gegenwärtig
glaube ich auch dieses Durgdhd räkshdnsi deuten zu können.
Ich werde dabei auf die a. a. 0. im Urtext und in der Ueber-
setzung gegebenen Strophe aus Rigreda X,98, 12 einfach verweisen.
Es handelt sich in dieser Stelle offenbar um Niederwerfung
feindlicher Stämme und Städte des südlichen Mediens von den
Zagrospässen bis zu den Kaspischen Pforten. Da aber giebt
es nach den bis jetzt bekannten Namen, die einen Platz als
„schwer zugängUch" bezeichnen, nur einen, der in diesen Zu-
sammenhang zwischen die Amarder und die Stadt Apameia
hineinpasste und das ist das Kvirihta des Avesta, das Justi im
Zendwörterbuch pag. 157 als das Kaoiva des Isidor von Charax
wieder erkannt hat. Dort „auf dem schwerzugänglichen Kvi-
riuta" [upa kvirintem ditzhüem, Räm Yasht 19, Spiegel Avesta-
übersetzung Bd. III, pag. 154) opferte Azhis Dahäka auf goldenem
Throne, auf goldenem Schemel, mit zusammengebundenen Bare9ma,
bei überströmender Fülle dem ^peäta Mainyu. Geiger, Ostira-
nische Kultur im Alterthum pag. 207 findet den Beinamen ,.schwer
zugänghch" in Bezug auf die „Festigkeit und strategische Wich-
tigkeit des Passes" vortrefflich. „Derselbe war allerdings von
Bedeutung, weil über ihn die assyrischen Fürsten ihre Heer-
schaaren geführt haben müssen, wenn sie zur Bekämpfung der
Bewohner des iranischen Hochlandes auszogen."
Als „schwer zugänglich" werden sonst noch Merw und Balkh
bezeichnet. Als Ninus, König von Assvrien, zur Eroberung
Brunnhofer, Vom Aral bis zur Gangä. 8
— 114 —
Baktriens auszog, fand er dasselbe nach Diodor II, 2, 31 (ed.
J. Bekker) schwer zugänglich {Tf^S (Jfi Baxzoiavrjg oiorig dia-
siaßoXo V.) Und so wird es auch noch im Mahäbhärata,
Sabhäparvan v. 1030 als durgamana „schwerzugänglich" darge-
stellt. Und von Merw berichtet übereinstimmend Plinius Hist.
nat. VI, 16, 46: sequüur regio Margiane, apncitatis inclytac,
sola in eo tractu vitifera^ undique mcliisa montibus amoems,
ambi'tu stadiorum mtlle quingentorum, dtfficilis aditu propter
arenosas soUtudmes per CXX M passuum.
Da sowohl Merw als Balkh von dem Lande der Amarder
und Apameia viel zu weit entfernt sind, als dass unter den
Durgahä rakshätisi irgend eine dieser Gegenden als gemeinsame
Feinde zusammen mit diesen weit im Osten gelegenen Ländern
aufgeführt werden könnte, so wird wohl unter Durgaha nur
das den Mardern und Apameia zwar auch nicht nahe, aber doch
noch genügend benachbarte Kerend verstanden werden dürfen.
Vielleicht wird diese Annahme noch bestärkt durch eine Angabe
des (^atapatha-Brähmana XllI, 5, 4, 5 (ed. Weber pag. 994}.
Unter den Königen der Vorzeit, die das A(;vamedha-Opfer dar-
gebracht haben, wird dort auch Purukutsa Daurgaha, der Sohn
des Durgaha, Sohnes des Ikshväku, aufgeführt. Nach dem
Commentator Harisvämin zu der dabei angeführten Rigveda-
stelle IV, 42, 8 soll aber Daurgaha (der Commentator schreibt
daurgraha, bei Weber pag. 1015) ein Pferd bezeichnen {daur-
grahd ndma daurgrahenagvena). Erinnern wir uns nun, dass
gerade in jener durch die uns vorliegende Rigvedastelle X, 98, 12
berührten Gegend die berühmten Rossegefilde der nysäischen
Felder lagen, so könnte ein Daurgaha-Pferd eine Sanskritbe-
zeichnung für nysäisches Pferd sein und diese Bezeichnung
wiederum unsere Deutung von Durgaha als auf Kerend, Kvi-
riuta bezüglich, bestärken.
115
6. Siiplan Sahadera, der König der Srinjaya
ein Sakenkönig.
Das Qatapatha-Brähmana II, 4, 4, 4 (ed. Weber pag. 147)
erzählt folgende Legende von dem Uebergang des Däkshäyana-
Opfers von Prajäpati, dem höchsten Gotte, auf den König Pra-
tidarga ^vai'kna und von diesen auf den König der Snnjaya,
Suplan Sahadeva: ta7n {Pratidargam (^ v aihnam) djagäma,
Süplä Sdrhjayo hrahmacaryam^ tdmnäd tarn ca yajncim anüce
'nydvi ti ca so 'nucya piinah Srinjayän jdgäma tS ha Srinjayd
vidäm cahriir yajnam vai no' nücydgann iti tS hocuh saha vai
nas täddevair dgan yo no yajnäm anücydgann iti sa vai 8 aha -
devah Sdrnjayas tad apy etdn nivacanam ivdsty anyad vd
are Süpld ndvia dadhd iti sd etSna yajnSneshfvd yeifam Snn-
Jaydndm prdjdtir yd grir etdd babhüvaitdm hat vai prdjdtim
prdjuyata etdm grfyam gachati yd evdm vidvdn etSna yaJnSna
ydjate tdsmdd vd etina ynjeta || 4 || Zu ihm (nämlich dem Pra-
tidar9a (^vaikna) ging Suplan Särujaya, um sich unterrichten zu
lassen, wie man zu Brahman gelangt und so wurde er denn
auch in dem dazu dienenden Opfer unterrichtet und noch in
einem andern. Als er es gelernt hatte, ging er wieder zu den
Srinjayas zurück. Die Sriajayas aber wussten, dass er zu ihnen
komme, nachdem er das Opfer für sie gelernt hatte. Sie sprachen:
„Wahrlich, mit den Göttern (saha devaih) ist er zu uns ge-
kommen er, der gekommen, nachdem er das Opfer flir uns ge-
lernt hat." Er hiess nun in der That Sahadeva Särujaya. Und
noch jetzt geht das Gerede von ihm: „Merkwürdig, Suplan
hat einen andern Namen angenommen." Er opferte nun mit
diesem Opfer und was nun an Nachwuchs und Wohlfalirt bei
den Srinjaya erwuchs, diesen Nachwuchs lässt der erwachsen,
diese Wohlfahrt erlangt der, der, dieses wissend, mit diesem
Opfer opfert, deshalb möge er mit diesem Opfer opfern."
(Delbrück).
Das Däkshäyanaopfer war nach dem Scholiasten zum Aita-
— 116 —
reya-Brähmana III, 40 (ed. Aufrecht pag. 296) eine Gattung des
Dar^apürnamäsau-Opfers, des vereinigten Neumond- und Voll-
mondopfers, das sich über 15 Jahre statt 30 erstreckte. Es
wurde bei demselben frischgemolkene Milch in einen glühend
gemachten Topf gegossen und galt dem König Soma, also dem
Mond. Nach Qatapatha-Brähmana XII, 8, 2, 3 (ed. Weber
pag. 940) lernte Suplan Särujaya bei demselben Pratldar9a, der
aber hier Aibhävata heisst, auch das Sauträmani-Opfer, ein
Somaopfer, das dem Gott Indra als Suträman, als , gutem Be-
schützer" galt. Damit steht wohl in Zusammenhang, dass, wie
schon Weber in den Indischen Studien Bd. I, pag. 208 mittheilt,
neben dem Sahadeva Särujaya im Aitareya-Brähmana VII, 34
ein Somoka Sähadevya als Schüler des Parvata und Närada
erwähnt wird, der auch schon in einem Vämadevaliede, Rigv.
IV, 15, 9 (nebst den Versen 2, 7, 8) als Snfijayaftirst verherr-
licht erscheint. Im Rämäyana erscheint sogar ein Somadatta,
der Enkel des Sahadeva, als Zeitgenosse Rämas. S. Weber
a. a 0. Es ist jedoch hier nicht der Ort, die sehr verwickelte
Srinjaya-Frage , wozu Weber a. a. 0. reiches Notizenmaterial
zusammengetragen, eingehend zu besprechen. Jedenfalls ist,
was schon aus Webers Zusammenstellungen hervorgeht, von
vornherein festzuhalten, das die Wohnsitze dieses Volkes im
Epos nicht mehr dieselben gewesen sind wie in den Brähmana
und in den Brähmana nicht dieselben wie im Rigveda, nur dass
in den Brähmana, wie noch im Epos auch Ueberlieferungen
aus der Vedenzeit der Syiujäya mit enthalten sind.
In „Iran und Turan" pag. 122—125 hatte ich, in Anlehnung
an die mittelalterliche Namensform Zarend^h, die Snnjaya als
^ccQayyai, ZuQayyalot der griechischen Geographen, nämlich
als die Umwohner des Zareh- oder Hamunsees gefasst. Ich
glaube, nunmehr neue Belege zu dieser Auffassung beibringen
zu können. Was die Gleichstellung von Srinjaya = ^agayyai
des Herodot betrifft, so mache ich zunächst darauf aufmerksam,
dass schon Weber in den Ind. Stud. I, 276 den üpanishad-
— 117 —
Namen Sarang in Anquetil du Perron's zweitem Upanishad-
Mscr. fragend zu Srinjaya gestellt hat. Dazu tritt nun noch
Folgendes. Wenn nämlich (s. oben) ein Parvata als Lehrer des
Sriüjayafürsten Somaka Sähadevya erwähnt wird, so möchte ich
in diesem Parvata einen Vertreter der an den Südabhängen des
Hindukush erwähnten TlaQvr^xai, IdnuQvrui der Alten erblicken,
die, im Rigveda Pärävata genannt, von mir früher schon (1886)
als feste Stütze meiner Ansicht beansprucht worden sind, dass
der älteste Schauplatz des Rigveda auf dem Hochlande von Iran
zu suchen sei. S. den betreffenden Artikel wieder abgedruckt
in „Vom Pontus bis zum Indus" pag. 169 — 170. Vielleicht
weist uns auch die von Weber a. a. 0. pag. 209 erwähnte
Schimpfbezeichnung der Sriujaya, als Püti-srihjaya^ auf dieselbe
Spur. In Iran u. Turan pag. 125 hatte ich dieselbe wohl richtig
als „Stink-Sriöjaya" gedeutet, unterstützt durch den parallelen
Uebernamen Gha(a-srihjaya sLotter-Sriujaya". Wie diese letztere
Titulatur beweisst, war Puti-srmjaya jedenfalls in demselben
höhnenden Sinne verwendet worden, und zwar in Folge des
Neides, den ihre Wohlhabenheit, die ja auch das Qatapatha-
Brähmana in der obigen Legende rühmt (vgl. prajäti und gri)
bei den ärmeren Xachbarstämmen, die im Gebirge wohnten, er-
regte. Die ursprüngliche Bedeutung des Namens Püti-srin-
jaya könnte aber doch eine andere gewesen sein. Ich habe in
»Vom Pontus bis zum Indus" pag. 107 — lOS darauf aufmerksam
gemacht, dass wenn Quintus Curtius VII, 3, 11, 4 den Hamun-
see Fonticum mare nennt, an dem die Arachosier wohnen, dies
schwerlich als grosser geographischer Schnitzer genommen wer-
den dürfe, sondern dass vielmehr hier wieder eine der zahlreichen
Namensassimilationen der macedonischen Soldaten Alexanders
vorliege, die wahrscheinlich als einen Namen des Sees gehört
hätten Püitica^ der aus dem Avesta bekannt ist, imd sich dann
denselben als Uovii/.nv zurechtgelegt hätten. Dieses Püitica
des Avesta Hegt nun wahrscheinlich auch der, später als Schimpf-
bezeichnung gedeuteten, Benennung der Piiti-srinjaya , als der
— 118 —
Sriajaya am Hamunsee zu Grunde, denn es gab verschiedene
Srinjaya.
Nun nennt (s. Weber a. a. 0. pag. 2u8 unten) das Mahä-
bhärata I, 5476 die Sviüjaya Bundesgenossen der PaFlcäla. Das
Qatapatha-Brähmana aber kennt II, 4, 4, 5 (ed. Weber 147) den
Devabhäga Qrautarsha als gemeinschaftlichen Oberpriester der
Kuru und Srifijaya {sd uhMyeshäm Kürünäm ca Srifijayäriäm
ca purohita äsd). Hier nehmen also die Sriüjaya völlig die
Stellung der Pancäla ein. Dem entspricht wieder die genealo-
gische Sage des Vishnupuräna IV, 14 (bei Wilson-Hall, Bd. IV,
pag. 102 — 103), dass Pdn^u (der Repräsentant der Pändu-Paü-
cäla) zu seiner zweiten Frau Mädri hatte, die von den Zwillings-
söhnen des Aditya, von den A^vinau, nömlich von Näsatya und
Dasra, zwei Söhne hatte: Nakula und Sahadeva. Damit ist doch
Sahadeva selbst ein Nachkomme des Pändu. Zugleich aber ist
wichtig der Name der Mädri, die wir nun nach dem Vor-
gange Webers (vgl. mein Iran und Turan pag. 227) in der
Bedeutung Mederin nehmen dürfen, sowie ich geneigt wäre,
in Nakula eine Erinnerung an den Titel des Grosskönigs des
Fünfvölkerbundes der Turva^a Yadu Anu Püru und Druhyu, an
den Nahusha zu erkennen (s. schon Iran und Turan pag. 50.)
Wie sollen wir nun nach alledem den Namen Sahadeva
deuten? Dass er schon sehr früh nicht mehr verstanden wurde,
geht gerade aus der Volksetymologie hervor, die nur das ^ata-
patha-Brähmana aufbewahrt hat. Denn dass die Deutung, als
bestehe der Name aus einer Composition von saha, mit, und
deva, Gott, nur Spielerei ist, braucht nicht bewiesen zu av erden.
Hier kommt uns nun ein vortrefTlicher Einfall Webers zu gute.
Weber fragt in den Ind. Stud , Bd. I, pag. 232 am Schluss seiner
Abhandlung „Zwei Sagen aus dem Qatapatha-Briihmana": „War
etwa Sahadeva ein stehender Name der Fürsten dieses Volkes"
(der Sriajaya)? Wenn nämlich Nakula den Titel des Gross-
fürsten des Fünf Völkerbundes, Nahicsha, repräsentirt, so dürfte
der Analogie wegen dann allerdings für Sahadeva auf eine ent-
— 119 —
sprechende Bedeutung dieses Namens für das Volk der Srinjaya
geschlossen werden. Dann aber entsteht sofort die zweite Frage:
welches war der ursprüngliche Sinn dieses Titels des Fürsten
der Srinjaya? Hier nun möchte ich erinnern an den unserm
Sahadeva in der Composition entsprechenden Namen des Ugra-
deva, des Königs der im Rigveda nur erst halb-arisirten Turva9a-
Yadu, der noch den auf einen ehemals turanischen Ursprung
deutenden Namen Turviti trägt und den ich in Iran und Turan
pag, 7S als den Titel des , Königs der Ugren*', nämKch der
Ugana, Ogana, der Ungarn, gedeutet habe. Nun lautet eine
Sage des Bundehesh Cap. XX (ed. Justi pag. 29 — 30): »Von
Pourusha^pa ist gesagt: er sprang in den See Kän^ava . . . und
er sprang in die Quellen des Flusses Vacaeni, in sieben schiff-
bare Gewässer, in den See und siedelte Menschen an." Tn der
Anmerkung fordert nun Justi: „man lese Frangra^yan statt
Fourusha9pa''. An andern Stellen nämlich, wo dieselbe Sage
erzählt wird, z. B. Bundehesh 53, 10 (s. Justi Beiträge zur alten
Geographie Persiens II, 12) heisst es: „Afrasiäb (Frangra^yan)
sprang in den Kian^eh, er sprang in den See des Zarinmand,
den man Hetömand heisst." Das Schwanken der Sage zwischen
Pourusha9pa und Frangra9yan beweist nur, dass die Sage uralt
ist und dass sie sich selbst nicht mehr deutlich darüber war,
ob die Besiedelung Sedschestans in der Urzeit durch Meder oder
durch aus dem Norden, aus Turan gekommene Völker, erfolgt
war. Wir werden bei anderer Gelegenheit sehen, dass die Sage
Recht hatte, wenn sie zwei solcher Besiedelungen annahm,
zwischen denen sie nun rathlos hin und her schwankte. Jeden-
falls, da dies die gewöhnliche Version war, 1^ die Ueberliefe-
rung von einer Besiedelung der Hamunsenkung aus dem Norden
dem späteren Bewusstsein näher. VTenn nun (s. mein Iran u.
Turan pag. 228 und Einleitung pag. XVI zu Vom Pontus bis
zum Indus) Qakum, der Hauptveranlasser des Krieges zwischen
den Kurn und Pändu, Repräsentant der aus dem Norden in
Iran eingebrochenen Qaka ist, dieser Qakuni selbst aber in der
— 120 —
Sage ein Königssohn der Gandhdra heisst, so müssen die Qaka
schon einmal in der Urzeit, nicht erst im zweiten Jahrhmidert
vor Christus, die mitteliranische Tiefebene besetzt haben. Mög-
lich nun, dass diese ^aka die Urväter des Volkes waren, das,
wenn Srinjaya = ZaQayyaJoi ist, wohl nur von seinen Nach-
barn als die „Seeumwohner" bezeichnet wurde, während es
sich selbst Qaka nannte. Der König dieser (^aka hiess dann
*^akadeva, woraus, bei aspirirter Aussprache des k und Um-
wandlung des p in s ein Sahadeva hervorgieng. Allerdings fehlt
es mir vorläufig an Analogien zu einer vorauszusetzenden Form
*^aha (mehrfach begegnet man in antiken Autoren Saga fOr
Qaka), während sich der Tausch von s und c nicht selten wieder-
holt, wie z. B. schon die Doppelform ^rinjaya und Srinjaya
beweist. Aber wenn z. B. im Mahäbhärata V, 2732 (wie ich
aus dem Petersburger Sanskritwörterbuch Bd. VII, pag. 862 er-
sehe) ein Fürst der Cedi und Matsya Sahaja heisst, so ist doch
wohl kaum daran zu denken, dass derselbe Name mit dem adj.
saha-ja „mitgeboren, gleichzeitig geboren", identisch sei, sondern,
da die Cedi, wie ich in Iran und Turan, pag. 125 unten, fand,
ein Stamm der Sriiljaya waren, so wird wohl der Name Sahaja
kaum anders gedacht werden können wie der ^akapüta des
Rigveda, in welchem ich schon 1881 einen (^akaputra erkannt
habe. S. Iran u. Turan pag. 149 und 156.
Jedenfalls war der Srinjayakönig Suplan nicht rein arischer
Abkunft, sondern zum Brahmanismus erst gewonnen worden,
sonst hätte er es nicht nöthig gehabt, sich brahmanischen
Ritualunterricht ertheilen zu lassen. Auch sein Name Suplan
klingt nichts weniger als rein sanskritisch. Ich halte denselben
vielmehr für einen durch halbbarbarische Aussprache entstellten
Suparna „schöngeflügelt", ausgesprochen etwa Supar{a)na, vgl.
Jnd{a)ra = Indra in den Hymnen des Sagartiers Agastya (Iran
u. Turan pag. 64). Der „schön geflügelte" bezeichnet gewöhnlich
den Adler, dann aber auch die Sonne, sowie den Somatrank,
wozu nun der Somadeva Sähadevya stimmen würde.
— 121 —
7. Der Püshaiishügel bei Astrabad und das Sonnenlehen
der Parther.
Melgunoff berichtet in seinem Werke über „Die südlichen
Ufer des Kaspischen Meeres", pag. 105: »Als die Stadt Gurgän
(durch den arabischen Feldherrn Jezid-ibn-Muhallib i. J. 98
(716 nach Chr.) zerstört wurde, wanderten die Bewohner der-
selben nach Astrabad aus und die Stadt erstreckte sich damals
bis an den jetzt zwei Werst von Astrabad entfernten Hügel
Kala-handän, ^IJoLä xxJLs- Auf dem Gipfel dieses Hügels
stand ein Fort, von dem aus eine Mauer um die ganze Stadt
lief; dieses Fort soll aus den Steinen eines alten Tempels derjFeuer-
anbeter erbaut worden sein. An den Mauern waren feste Thürme
und Bastionen und rings um die Stadt lief ein tiefer Graben.
Der Hügel wird auch Klialatpüshdn .Li.«j ooJLi». genannt;
man erzählt, dass hier früher die Cerimonie der Investitur des neu-
erwählten Statthalters von Astrabad vorgenommen wurde. Von
der ehemaligen Festimg ist jetzt nichts mehr zu sehen. Für
die Bewohner von Astrabad ist der Hügel jetzt ein beliebter Ver-
gnügungsort."
Der Name der Stadt Asterdbäd wird von der einheimischen
Volksetymologie wohl mit Recht zurückgeführt auf persisch
JLmS astar, Maulthier und i^bl äbäd, Weide, Aufenthaltsort.
„Als noch die alte Stadt Gnrgan stand (also vor der Erobenmg
durch die Araber 716 n. Chr.) lebten hier Esel- und Maulthier-
treiber*. Melgunoff, Die südlichen Ufer des Kaspischen Meeres,
pag. 104. Das Wort astar ist uralt und geht zurück auf skt.
agvatara, m., Maulthier, eig. der Comparativ von agva, das Pferd.
Das Wort hat zweifellos schon in arischer Zeit bestanden, denn es
entspricht ihm (Homer hat dafür r^ftiovog) das griechische
dazoäßri, Maulthier. Demaratos, Konig von Sparta, erfährt durch
seine Mutter und die Wahrsager, dass er der Sohn des Heros
IdoxQaßa/.og, des Eselschutzgottes sei, der im Hofraume des
— 122 —
Königs eine Kapelle hatte, Herodot VI, 68—69. Ich möchte
desshalb den Namen des Königs Astrabudhna, den ich in Iran
und Turan pag. 111 wegen seines nahen Verhältnisses zu Prithin
Vainya als Partherfürsten gefasst habe, jetzt nicht mehr von
dem Namen des hyrkanischen Flusses ^zQazog herleiten, sondern
in demselben ein ursprüngliches *astra-vant „reich an Maul-
thieren" erkennen, worin sich das Suffix vant ganz wie im
spätem Namen des Berges Raihund von raevant, reich, zu bund
verwandelt hätte, das dann volksetymologisch in budhna imige-
deutet worden wäre. Wenn die Sage erzählt, die Einwohner
der Stadt Gurgan seien nach der Zerstörung derselben durch
die Araber nsch Astrabad gezogen und dieses habe sich damals
bis nach dem zwei Werst entfernten Hügel Kala-liandän erstreckt,
so deutet die Sage durch letztern Namen an, dass das Haupt-
element der Bevölkerung dieser Stadt in ältester Zeit, wenn
nicht damals noch, sanskrit-arisch gewesen sein muss.
Der Hügel Kala-handän kann nur als der Hügel der Inder
erklärt werden, was um so weniger Schwierigkeit verursacht,
als Melgunoff in Gilan und Mazanderan noch eine ganze Reihe
von Ortschaften namhaft macht, deren aus der Urzeit erhaltene
Namen auf den einstigen Aufenthalt von Sanskrit-Ariern
schliessen lässt, die nach der grossen Auswanderung nach dem
Pandschab in der alten Heimat als zerstreute Häufchen sitzen
geblieben, aber ohne Zweifel mit den nach Osten gezogenen
Stammbrüdern in Contakt geblieben waren, woher dann in nocli
relativ sehr später Zeit ihre Benennung als Hindu, als arische
Inder, sich erklären lässt, Melgunoff nennt pag. 208 ein Dorf
Händu-kelä bei Amol, ferner ein Dorf Ilindu-khale im Mahal
Tulem bei Resht am Ufer des Murdab (pag. 249), femer einen
Fluss Hindua-lceran zwischen Assalim und Astara in Gilau
(pag. 229). Dass in diesen Gegenden noch spät uralte Reste
ehemaliger Sanskrit- Arier, später nach ihren Stammesgenossen
in Indien ebenfalls Hindu genannt, weiter sassen, beweist die
Thatsache, dass noch der Ethnograph Stephanus Byzantius in
— 123 —
Hyrkanien Jaoai, d. h. vedische Ddsa, zfaoi kennt S. „Vom
Pontus bis zum Indus" pag. 93 und ^Iran u. Turan" pag. 97.
Ohnedies hiess Mazanderan bei den muhamedanischen Geogra-
phen des Mittelalters Hmdu-seßd, das weisse Indien, s. Iran u.
Turan pag. 142.
Bezeichnet der Hügel Kala-Handdn den Hügel der Inder,
so wird nun auch die Erklärung des Khale-Pushän als Hügel
des Püshan nicht mehr befremden.
Der Sonnengott Püshan ergab sich uns schon im Iran und
Turan pag. 144, bei Gelegenheit der Erklärung des Hymnus
Rigveda I, 42 als der die Sanskrit- Arier in Hyrkanien auf sichern
Pfaden führende Sonnengott, der gegen den Uebels sinnenden,
wegelagemden, räuberischen, auf Schaden erpichten Yrika, näm-
lich den Hyrkanier (nicht den Wolf, wie die Vedainterpretation
bis dahin erklärt hatte) um Beistand angefleht wurde. Hatte
ich damals gezeigt, dass die Epitheta omantia des Vi-ika, d. h.
des Hyrkaniers, als: duhgSva, paripantMn, musMvdnt, Tiuraccit
ganz unmöglich auf einen Wolf, sondern ausschliesslich nur
auf einen Hyrkanier bezogen werden können, so will ich jetzt
noch ganz besonders auf die Attribute dvayävin, doppelzüngig
und agkd^y'isa, Böses anwüuschend, verweisen, wobei die Bitte:
Püshan möge dieses Bösewichts Brandfackel {täpushi) mit dem
Fusse auslöschen, gewiss auch dem zähesten Vertreter der tradi-
tionellen Interpretation die Augen öflfnen wird, dass es sich hier
schlechterdings nicht um einen Wolf, sondern nur um einen
Hyrkanier handeln kann.
Hat sich uns schon durch Rigv. I, 42 herausgestellt, dass
das Mutterland der Verehrung Püshans Transkaspien gewesen
sein muss, so gewinnt dieses Resultat noch festeren Halt durch
die Bharadväja-Hymnen auf den Sonnengott Rigv. VI, 53 — 58.
Da fleht der Dichter zum Nahrungsspender und Herrn der
Pfade V. 3 u, 4 also:
ädüsantäm cid dghrine Püshan dänäya codaya \
Panec cid vi inradd mdnah jj 3 j|
— 124 —
v{ patho väjasätaye cinulii vi Mridho jahi |
sddhantdm ugra no dhiyaJ}, || 4 ||
Jeglichen Nichtspendenden, o glühender Püshan, rege an
zum Geben, erweiche jeglichen Pani's Herz! || 3 |!
Mach die Pfade frei zum Nahrungsspenden, schlage nieder
die Marder! Lass, o Gewaltiger, unser Bitten in Erfüllung
gehen!" | 4 j]
Diese Bitten wiederholen sich in Parallelen v. 5 und 6.
Die Panis, deren harte Herzen der Sonnengott erweichen
soll, hatten sich in „Iran u. Turan" pag. 112 — 113 als die Farne r
erwiesen, die, in Hyrkanien wohnend, den auf der Wasserstrasse
des alten, ins Kaspische Meer mündenden Oxus, sich von Indien
bis Transkaspien und an den Pontus bewegenden Transithandel
betrieben und die Mridhas waren uns ebendort pag. H3 und 120
als die Maredha des Avesta erschienen, die schon Geiger, Ost-
iranische Kultur im Alterthum pag. 203 als die wilde Völker-
schaft der MaQÖoi erkannt hatte.
Nachdem wir so durch Vrika, Pani und Mridhah. durch
Hyrkanier, Parner und Amarder, geographisch orientirt, dem
Sonnengott Püshan die Albursabhänge am südöstlichen Ufer des
Kaspischen Meeres zur Heimat seiner Verehrung nachgewiesen
haben, sonach also ein Pilshanshügel bei Astrabad nichts
Fremdartiges mehr an sich hat, bleibt uns nunmehr noch die
Erläuterung jenes Sagenznges übrig, nach welchem in alten
Zeiten auf diesem Sonnenhügel an den neuerwählten Statthaltern
von Astrabad die Ceremonie der Investitur vorgenommen wurde.
Püshan ist der Gott, der Wohlstand und Gedeihen schafft,
Heerden und Reichthümer bringt und behütet, dem Arier auf
seinen Wanderungen die Pfade sicherstellt, er ist somit Herr
von Wunn und Weid und als solcher die letzte und ursprüng-
liche Quelle alles Besitzrechtes , in dessen Namen gewiss auch
rechtlich Besitz ergriffen wurde. Wir gelangen damit zu der
Rechtsinstitution des Sonnenlehens, über welches Jacob Grimm
— 125 —
in seinen Deutschen Reclitsalterthttniem (3. Aufl. 1881), pag.
27S — 2S0 ein reiches Material zusammengetragen hat. Das
Sonnenlehen war ein freies, nicht einmal vom Landesfürsten
oder Kaiser verleihbares Besitzthum, das nur aus Gott und der
heiligen Sonne abgeleitet wurde. Grimm verweist zugleich auf
Herodot YIII, 137, ohne jedoch auf die Stelle selbst einzutreten.
Da es sich hiebei um ein uraltes Rechtssymbol handelt, das uns,
bei späterer Gelegenheit, nach Armenien, das Stammland der
Arier, fuhren wird, so erscheint es nothwendig. die herodotische
Sage nach ihrem hier in Betracht fallenden Hauptzuge zu er-
zählen-
Aus Argos flohen zu den Illyriem drei Brüder von Teme-
no.s' Geschlecht, Gauanes, Aeropos und Perdikkas. Und aus
Illyrien gingen sie hinüber in das obere Makedonien und kamen
in die Stadt Lebaea. Hier wurden sie nun Lohnknechte bei
dem König: da der Eine die Pferde weidete, der Andere die
Rinder, der Jüngste aber, Perdikkas, das Kleinvieh. Es waren
aber vor Alters auch die Machthaber in den Landen wenig be-
mittelt, nicht blos das Volk, und so buk die Frau des Königs
selber für sie. So oft nun das Brod des jungen Lohnknechtes
Perdikkas gebacken ward, hef es noch einmal so gross auf.
Und da das immer wieder geschah, sagte sie's ihrem Mann.
Wie der das hörte, gieng ihm gleich bei, das sei ein Wunder-
zeichen und gehe auf etwas Grosses. Er berief denn die Lohn-
knechte und bedeutete sie, sein Land zu verlassen. Sie aber
sagten, billigerweise müssten sie ihren Lohn bekommen, ehe sie
giengen. Der König sofort, wie er von Lohn hörte — und es
schien gerade die Sonne zum Rauchfang herein ins Haus —
sprach, von Gott geschlagen: „Zum Lohn geb' ich euch nach
Verdienst das dal^, wozu er auf die Sonne wies. Gauanes nun
vmd Aeropos, die altern Brüder, standen ganz verdutzt, wie sie
das hörten ; der Knabe aber, der gerade ein Messer in der Hand
hatte, sprach: .Wir nehmen's an, o König, was du giebst"
und dabei umschrieb er mit dem Messer den Sonnenschein auf
— 126 —
dem Estrich des Hauses; dann schöpfte er von dem umschrie-
benen Sonnenschein dreimal in seinen Busen, und so zog er ab
und die Brüder mit ihm. (138) Die giengen denn fort, dem König
aber erklärte seiner Schöffen einer, was der Knabe gemacht habe,
und wie mit Bedacht der Jüngste von ihnen das Gebotene an-
genommen. Wie er das hörte, ward er scharf und schickte
ihnen Reiter nach, sie zu tödten. In dieser Gegend ist aber ein
Fluss, dem opfern die Nachkommen dieser Männer aus Argos
als Retter. Der lief, sobald die Temeniden durch waren, so ge-
waltig an, dass die Reiter nicht durchkonnten. Sie aber kamen
in eine andere Landschaft Makedoniens, und wohnten da nahe
den sogenannten Gärten des Midas , Gordios' Sohn , in welchen
die Rosen wild wachsen, jegliche von sechzig Blättern und von
ungemeinem Wohlgeruch. In diesen Gärten ward auch Seilenos
gefangen, wie man bei den Makedonien! hört. Und über den
Gärten liegt ein Gebirg, Bermion mit Namen, unersteiglich vor
Kälte. Von da aus nun, wie sie diesen Strich eingenommen,
unterwarfen sie auch das übrige Makedonien.
In dieser Sage häufen sich die Sonnensymbole. Ich will
hier auf die Namen der drei Brüder noch nicht näher eintreten,
sondern nur bemerken, dass Favav, unter Berücksichtigung des
makedonischen Lautgesetzes, das immer die Media für die Aspi-
rata verlangt und wodurch sich die Makedon ier auf den Stand-
punkt der Iranier stellen, auf zend. havana, n., hindeutet, das,
nach Justi Handb. der Zendsprache, pag. 323, die Morgenröthe
bezeichnet. Aeropos lässt ebenfalls auf eine Lichtgottheit
schliessen und Perdikkas, dessen Name wohl schwerlich mit
ntQÖi^ etwas zu thun hat, zeigt sich als offenbarer Sonnenheros.
Der Brodkuchen, den ihm die Königin zu backen hat, lauft
regelmässig höher auf als für die zwei andern Brüder, denn ihm,
dem ursprünglichen Sonnengotte, gebührt ja der Kuchen von
Rechtswegen, wie auch der Sonnengott Pilshan im Rigveda mit
einem Kuchen {karambha) verehrt wird (vgl. z. B. Rigv. VI, 57, 2).
Femer versteht Perdikkas das besitzverleihende Gold des Sonnen-
— 127 —
lichtes in seinen Busen zu schöpfen und vergleicht sich damit
dem jüngsten Sohne des Skythenkönigs Targitaos, dem KolaxaYs,
der ebenfalls einzig unter seinen zwei andern Brüdern mit dem
flammenden Sonnengold umzugehen wusste (s. Herodot IV, 5).
Dann wieder erinnert an das Sonnengold die sechzigblättrige
Rose in den Gärten des Midas, dem selbst alles, was er berührt,
zu Gold wird, dessen Sonnenstrahlen sich denn auch in Rosen
verwandeln, die in den Gärten des Oordios, des Rosenherm (vgl.
neupers. gul, Rose mit zend. varedha, Rose „Vom Pontus bis
zum Indus", pag. 103) wild wachsen. Das Messer schliesslich,
mit dem der Sonnenheros Perdikkas den Sonnenschein auf dem
Estrich seines Gastherrn umschreibt, ist das Goldschwert Pü-
shans (Rigv. 1, 42, 6: lnranyavdr;imattav\ali), mit dem der Gott
Reichthum spendet und Besitz verleiht. Es ist das Schwert, das
z. B. noch der ungarische König Kaiser Franz Joseph bei seiner
Investitur i. J. 1S66 nach altungarischem Brauch (s. Grimm,
Rechtsalterth.3, pag. 279, Anm.) bei seiner Krönung auf einem
Hügel vor Buda-Pesth nach allen vier Weltgegenden schwang.
Die Vorstellung, die dieser symbolischen Besitzergreifung aller
vier V^eltgegenden zu Gnmde liegt, findet sich am deutlichsten
ausgesprochen in dem merkwürdigen, zum Theil zarathustrisch
angehauchten Vasishthahjmnus Rigv. VII, 104, den ich in „Vom
Pontus bis zum Indus" pag. 209 — 216 übersetzt und erklärt
habe. In diesem altindischen Hexenhammer heisst es Strophe
19, Indra möge die bösen Geister, die Rakshas, aus allen vier
Weltgegenden heraushauen:
yrä vartaya divö dcmänam indra
somagitam maghavant sdm cigddM \
prdktdd dpdhtad adhardd xidaktdd
abhi jahi rakshdsah 2>drvatena
„Wirf deinen Donnerkeil vom Himmel, Indra,
Doch schärf' ihn erst im Somarausch, Gewaltiger!
Vertreib das Rakshaspack mit Donnerschlägen
Aus Ost und Westen wie aus Nord und Süden!"
— 128 —
Die Localadverbien von Päda 3 sind hier zweifellos im Sinne
der Weltgegenden aufzufassen.
8. Der Sarmatenkönig Asamäli Yon Bhajeratha
am unterm Oxns.
Die erste Hälfte des Hymnus Rigv. X, 60 bildet bis
Strophe 6 ein unabhängiges Ganze. Dieser selbständige Hym-
nus hat zum Hauptinhalt eine Adoration des Königs der Mahl-
nas, mit dem Wunsch, es möchte doch die Herrschaft lange bei
der Dynastie Asamäti bleiben. Die in diesem Hymnus auf-
tauchenden Namen sind von solcher Wichtigkeit, dass wir dieselben
einer eingehenden Prüfung unterwerfen, während uns das andere
Interpretationsmaterial hier weiter nicht beschäftigen wird.
SoUten gegenüber dem gewonnenen Resultate Bemerkungen laut
werden, die an demselben den Beweis vermissen, so rufen wir
denjenigen, welche nichts erschaut, sondern Alles abgeleitet haben
wollen, den Satz zu, mit welchem P. de Lagarde (Ge.sammelte
Abhandlgg., pag. 15) diejenigen abwies, die seine Wiedererkennung
der Zarathustrischen Amshaspands Haurvatät und Ameretät in
den Engeln Härüt und Märüt ebenfalls bewiesen haben wollten.
Lagarde ruft ihnen zu: „Beweisen lassen sich solche Kombina-
tionen nicht, so etwas sieht man eben."
Der Hymnus lautet also:
A Jdnam tveshäsaindii'^am mahindm tlpastutam |
dganma Mbhrato ndmah \\ 1 ||
äsamdtvm mtöganam tveshätn ntyayhiam ratham \
hhajSratJiasija sätpatim || 2 ||
?/o Jdnän mahishäh ivätitasthaü pdviravän \
lUäpaviravdn yudhd || 3 1|
ydsyehshvdhiir üpa vi'atS revän marayy Sdhate \
diviva pdüca hrtsh(dyali || 4 ||
indra lishatrdsamdttshu rdthaproshtheshu dlidraya \
divtva suryam drigS || 5 ||
— 129 —
agästyasya nddbhyah sdpti yunak^hi röhitd \
pantn ny akravur abhi vfcvdn rdjann arädhdsah ^ 6 \\
Nach Ludwigs zutreffender Uebersetzung lautet der Hym-
nus also:
1. Zu dem Mann von blendendem Antlitz, dem gepriesenen
der Mählnas, sind wir gekommen, Anbetung bringend.
2. Zu Asamäti, dem Gaben strömenden, dem blendenden,
der den Wagen niedergehen lässt, den Fürsten Bhajeratha's,
3. der die Menschen überwältigt, wie Rinder mit seiner
Waffe, und ohne Waffe auch im Kampfe.
4. In des Dienste Ikshväku, reich und glänzend, gedeiht, wie
am Himmel die fünf Geschlechter.
5. 0 Indra, erhalte die Herrschaffc bei Asamäti's Ratha-
proshtha's, wie die Sonne am Himmel zu sehen.
6. Für Agastya's Schwestersöhne jochst du die zwei rothen
Rosse an, alle Pani tratst du nieder, die nichts schenkenden.
Die Panis, die nichtsschenkenden, die Asamäti niedertrat,
Orientiren uns vorzüghch. Wir stehen in diesem Hymnus am
untern Laufe des Oxus, wo die Pamer-Daer einen lucrativen Tran-
sithandel trieben, der sich von Indien über den Hindukush und den
Oxus hinunter ins K aspische Meer bewegte, an dessen jenseitigem
Ufer er dann durch Iberien bis an die Ostküste des Pontus gieng.
S. Iran u. Turan pag. 113. Wenn aber ein Asamäti ^ Besieger
der Pani gepriesen wird, so ist das nur wieder eine neue Form
für das Verhältniss, in welchem wir (Iran u. Turan pag. 114 — 115)
die Saramd zu den Panis erblickten. Wir hatten die Saramd
unter Hinweis auf die Stadt ^agafiawr^ in Hyrkanien, als Re-
präsentantin der Sarmaten angesehen, die im Südosten des
Kaspischen Meeres sassen, wo sie Plinius Hist. Nat. VI, 16 neben
den Derbikkem aufführt: Derbices quorum medios ßnes secat
Oxus amnis ortus in lacu Oxo: Syrmatae, Oxydracae, HeniocM,
Bateni, Saraparae, Bactri. Diese brahmanisirten Ost-Sarmaten
betrachteten die handeltreibenden Pamer, die als Daer, Däsa,
Jaaai, wie sie Stephanus von Byzanz noch kennt, jedenfalls
Brunnhofer, Vom Aral bis zar Gangä. 9
— 130 —
unarischer Rasse oder doch stark mit turanischem Blut durchsetzte
halbarisirte Türken waren, wahrscheinHch als Barbaren. Auflallig
ist bei Asamätij wenn dieser Name den Sarmaten bezeichnet,
das Fehlen des r, die Form ^afxarai begegnet jedoch thatsächlich
neben EaQixäxai für das gewöhnliche ^agfiazai und ^avQoi^arai
bei Dionysius Periegetes (ed. Bemhardy, pag. 23), v. 304:
rEQjxcivol 2ccfidTai ts Fetau d^ a/ia BaoraQvai re,
^aytöiv % aajteuog aia xal aX'Kr'jSVTeg ^AXavoi ...
Die Form 2ä/näzai wird vom Commentator Eustathius zu
der Stelle (pag. 144) noch ausdrücklich bestätigt: ^aindiac Tjtoi
^aQixdrai, yiciTd elXsirpiv tov g dixeraßo'Kov.
Das Vorschlags-a in Asamäti begegnet in iranischen Namen
bekanntlich häufig, vgl. flagvot, 'l^noQvoi, Magdoi 'L4fiagdoi
u. s. w. Ist diese Zusammenstellung richtig, so muss der vor-
liegende Hymnus, in welchem die Sarmaten anden Parnem wahr
gemacht haben, was sie im Hymnus Rigv. X, 108 nur angedroht
hatten, offenbar später sein als jener Saramä-Hymnus. Denn hier
im Hymnus X, 60 finden wir in V. 6 pantn ny hkraimh eine
vollständige Niederwerfung der Panis angezeigt.
Asamäti herrscht nach V. 2 als Fürst über die BhajSratha.
Da dieser Name sonst unbekannt ist, so haben schon Böhtlingk-
Roth im Sanskritwörterbuch s. v. vorgeschlagen, bhajS rathasya
zu schreiben, resp. bhajS zum Dativinfinitiv zu stempeln. Dem
wehrt aber folgendes Verhältniss. In V. 6 wird Asamäti in
freundschaftliche Beziehung zu Agastya's Enkeln gesetzt, denn
ich erblicke in nadbhyas nur den Dat. plur. eines aus nnjmf
verkürzten Stammes *napt^ sodass die „Schwestersöhne", wie Lud-
wig übersetzt, nicht nöthig sind. Dieses Freundschaftsverhält-
niss der Oxus-Sarmaten zu den Sagartiern, als welche wir die
Agastya in Iran und Turan pag. 68 erkannt hatten, gestattet
uns neuerdings, unsere Gleichstellung der Sagartier mit den
Sagaras der indischen Heldensage zu betonen. Die Sagaras,
deren Name schon an sdgara, das Meer, erinnert, waren nach
unserer Darstellung identisch mit den ^ayagavxai des Ptole-
— 131 —
maus, die sich uns in Iran u. Turan pag. 74 als sanskrit-arische
sagara-{-o7ca, als -Meeranwohner" ergeben hatten. Von den
Sagaras nun aber, die von den antiken Geographen an den
untern Lauf der nördlichen Einmündung des Oxus ins Kaspische
Meer angesetzt werden, berichtet die indische Heldensage, (s. in
Kürze ßöhtlingk-Roth Sktwb., Bd. V, pag. 174—175): Bhaglratha
ein alter König, Sohn des Dilipa, leitete mit Hülfe ^iva's die
Grangä vom Hinmiel zur Erde und von da ins Meer, um die
Asche seiner Väter, der Söhne des Sagara, zu entsühnen, die
beim Suchen des ihnen geraubten, zum Opfer bestimmten ßosses
die Erde durchwühlt hatten und dafür von Vishnu in der Ge-
stalt des Weisen Kapila zu Asche verbrannt worden waren.
Von diesem Könige Bhagiratha erhielt die Gahgä den Namen
Bhagirailti-sutd, Tochter des Bhaglratha, oder BhägiratM.
Ohne mich weiter auf die vielfache Verschlingung der my-
thologischen Beziehungen des Bhagiratha und der Bhägirathi
einzulassen, mache ich blos aufmerksam auf die Nähe, in
welcher sich die Sage die Sagara zum Meer und zur Gf^gä
denkt. Die Sagara nomadisirten an den Mündungen des Oxus,
von dem wir oben pag. 96 nachgewiesen hatten, dass er einst
als noch Sanskrit- Arier an seinen Ufern sassen, selbst Gangä
geheissen und dann, nachdem die Sanskrit- Arier Hindostan er-
obert hatten, das Namensprototyp für die indische Gangä abge-
geben habe. War aber die Tochter des Königs Bhagiratha der
Oxus, so kann wohl kaum bezweifelt werden, dass wir nunmehr
auch Bhuj4i'atha^ mit dessen König Asamäti die Enkel Agastyas
nahe befreundet, also auch geographisch benachbart sind, als
Name des Oxus, d. h. 5Aä^2ra<Aa(-Bhägirathi) betrachten dürfen-
Damit aber sind wir wieder bei dem obigen Ergebniss angelangt,
dass die brahmanisirten Sarmaten am untern Laufe des Oxus
sassen, wo sie in Rassenfehde mit den, wahrscheinlich türkischen
aber halbiranisirten Pamem (den Pani's) lebten.
Soweit über den Namen Bhajeratha-Bhagiratha im Klaren,
wollen wir nun denselben aus den griechisch-römischen Quellen
— 132 —
beleuchten. Zunächst der bei Ktesias aufbewahrte Mannsname
BayogaCog, Götterwagen (oder Götterlust?). S. Keiper, D. Perser
des Aesch. pag. 95. Was der Götterwagen bedeuten will, vermag
ich gegenwärtig nicht anzugeben. Er scheint, wenn man den
Namen Geiov oyriiiia, ein Gebirge in Libya inferior, der auf ira-
nische Tradition schliessen lässt, ferner den Namen Bhagiratha als
Name eines Berges in Indien (s. Böhthngk-Roth Sktwb., ßd. V,
pag. 175) erwägt, ein Gebirge zu bezeichnen, woraus dann klar
würde, warum GaSgä, d. h. der Oxus, Tochter des Berges Bha-
giratha = Bhägtrathi heisst. Es ist aber möglich, dass Bha-
garatha, Götterwagen, in derselben Weise ursprünglich schon
den himmlischen Götterwagen des Gewitters bezeichnete, wie
der Wodanswagen in der deutschen Sage und von dieser Bedeutung
aus musste dann der Name bald auch irdischer Flussname werden.
Mit Recht erinnert desshalb Rochholz in seinen Schweizersagen
Bd. I, pag. 217, wo er den Gewitterwagen des Wilden Heeres
bespricht, an Klopstocks Gleichniss in der Hermannsschlacht:
„Die Räder an dem Kriegeswagen Wodans
Rauschen, wie des Waldes Ströme, die Gebirg' herab."
Dann aber ist Bhagiratha, d. h. ursprünglich *Bhagaratha,
iranisch *Bagaratha ein Fluss- Wandername. Wir treffen näm-
lich einen Küstenfluss BayQciöag sowohl als Grenzfluss zwischen
der Landschaft Persis und Karmanien (derselbe, der bei Arrian
per metathesin den Namen JlaöayQog führt), sodann taucht
der Name wieder auf in Neu-Iran an der Küste Afrikas, wo
wir einen BayQccöag nma(.i6g bei Utica finden. Schliesslich
wird wohl auch der Name der Paropanisadenstadt Baydgöa bei
PtolemaeuB VI, 18, 5 hieher gehören.
Fragen wir uns nun, woher Sarmaten an den untern Oxus
gekommen seien, da dieselben, nach unserer Theorie der arischen
Völkerwanderung, weder vom Pamirplateau im Osten, noch vom
Norden herunter gekommen, sein können, da ihr Wohnsitz doch
am Pontus ist und niemals ein arisches Volk nachweisbar den
Weg nach Centralasien um die Nordküste des Kaspischen Meeres
— 133 —
herum genommen hat, so bleibt uns nur der Südwesten übrig.
Zunächst fanden wir die Sarmaten ansässig an der Südküste
des Kaspischen Meeres, wo die Stadt und Landschaft ^aQct(.iävvrj
uns Zpugniss vom Dasein der Sarmaten giebt. Nunmehr gilt
es aber, die Spuren derselben noch weiter zu verfolgen,
Asamäti heisst in unserm Hymnus der Gepriesene der
Mdhina. Wir finden aber keine Mähina am untern Oxus. Da-
gegen erwähnt Isidor von Charax in seiner Liste parthischer
Reisestationen zwischen Konkobar und Ekbatana eine Stadt
MaLivictvav. Ebenso berichtet der arabische Geograph Abul-
feda (trad. par StanisL Guyard), T. IP, pag, 186 von einer Stadt
Mäzinän, deren Lage ungefähr derjenigen von Mati-viavccv
entspricht: Quant h Mazinän, c'est, au dire du Lobäb, une petite
localiti süuSe sur rextr^me frontib'e du Kkordsdn, dans la di-
rection de VIraq. Quelques savants en portent le nom d'oriqine.
Die Tabulae geographicae ülug Beigii (Geogr. veteris scr. gr.
min., Oxonii 1712, T. lU) geben für Mazinän (^Loyo) Long. 90,
30; Lat. 36, 0. Darf man diesen Namen Mdhina, der iranisch
Mazina lauten konnte, irgendwie (vgl. Nöldeke's Ableitung von
skt. mddhi, Ringelpanzer als dem medischen) mit dem Namen
der Meder zusammenbringen? Wenn diese Vermuthung sich bewäh-
ren sollte, dann würde auch der Name der ^vgnjiirjdoL klar, die
nach Ptolemaeus (IV, 2, 6) in den Süden Mediens verlegt, von
Ammianus Marcellinus XXIII, 6, 39 (ed. Gardthausen T. I, pag.
32S— 329) aber an den Südabhängen des mons Jasonius ange-
setzt werden: opihus et maynitudine moenium conspicuae sunt
Heraclia et Arsada et Europos et Cyropolis et Ecbatana sub
Jasonto monte in terris Syroniedorum. Alle diese Städte tragen
ein so durchaus arisches Gepräge und ist von ihnen so ganz
und gar nichts Syrisches überliefert, dass es wohl AUes für
sich hat, wenn wir in diesen Syromedi ganz einfach volksety-
mologisch zurechtgedeutete ßyi'matae erblicken. Dort aber, im
Lande der Syromedi-Syrmatae, fanden wir oben auch die Heimat
- 134 -
der MäMna, als deren gewaltiger Fürst der Bändiger der Panis,
der Beherrscher Bhajeratha's, der Freund der Agastyas, der Mann
von blendendem Antlitz, Asamäti, verherrlicht wird.
9. Der Panis Vorliebe für die Nacht.
In einem seiner Hymnen (Rigv. I, 184, 2) fleht der Rishi
Agastya, den ich in Iran u. Turan pag. 63 — 76 als ^ayÜQtiog
nachgewiesen habe, zu dem göttlichen Zwillingspaar der A9vinau,
den Göttern des Morgen- und Abendwindes (s. Vom Pontus
bis zum Indus pag. 127 — 129), sie möchten die Panis, „die sich
der Nacht erfreuenden", vertreiben:
asmS ü shü vrishanä mädayethdm
■dt pamnr katam ürmyd mädantd ||
„Berauscht euch, ihr beiden Stiere, zu unserm Heil, scheucht
auf die Pani's, die sich der Nacht erfreuenden"!
Uns wird hier zunächst das interessante Attribut der Panis
beschäftigen.
In „Iran u. Turan" pag. 112 — 116 hatte ich die Pa^is, die
„glaubens- und opferlosen" {a^raddha und ayajna) „geizigen"
{arevän) „Kaufleute" in dem historisch-geographischen Hinter-
grund ihres Namens als üaQvoi-Jdai nachgewiesen, die am
untern Laufe des Oxus mit ihren Handelskarawanen den anwoh-
nenden Sanskrit-Ariern Ross, Rind und Güter räuberischer Weise
abzunehmen pflegten. Zu ihren Karawanenzügen, die, den noch
nomadisirenden Sanskrit- Ariern gegenüber, häufig genug zugleich
räuberischen Ueberföllen gleichen mochten, benutzten sie offen-
bar die Nacht, daher das ihnen von Agastya beigelegte Attribut.
Warum sie gerade die Nacht zu ihren Räubereien benutzten,
bedarf der Aufklärung. Dieselbe ergiebt sich aus den Lebens-
gewohnheiten der Iranier, resp. auch der noch auf dem Hochland
von Iran nomadisirenden Sanskrit- Arier des Veda, deren späte
Repräsentanten, in culturhistorischer Beziehung, am hellen Tag
— 135 —
der antiken Geschichte, noch die Parther sind (s. schon Iran u.
Turan pag. 22), die ihrerseits wieder das Conterfei altpersischer
Lebensart waren. Parther und Perser waren strenge Sonnen-
verehrer. Unter dem Schutze Mithra's marschirten ihre Heere
nach Curtius III, 3, 8 (bei Spiegel, Eranische Alterthskde, Bd. III,
pag. 642). Desshalb, weil man dann des Schutzes der Gottheit
des hellen Sonnen- und Tageslichtes entbehrte, vermieden die
Iranier wo inuner mögUch den Kampf zur Nachtzeit. So erzählt
uns Quintus Curtius V, 12, 6 schon von den Persem, gegen
welche Alexander der Grosse kämpfte: Jamgue nox appetebat^
cum, JPersae, more solito^ armis positis, ad necessaria ex proximo
vico ferenda disciirrunt. Dasselbe erzählt denn auch Xenophon
in der Anabasis III, 4, 34 (ed. Breitenbach pag. 100) von den
das Heer der Zehntausend verfolgenden Persem unter Tissapher-
nes. Niemals, so berichtet Xenophon, hätten die Perser weniger
als sechzig Stadien von den Griechen entfernt ihr Lager aufge-
schlagen, aus Furcht, die Griechen möchten sie Nachis über-
fallen, denn das 'persische Heer sei zur Nachtzeit feige. Den
wirkhchen, rein religiösen Grund findet zwar Xenophon nicht
heraus, sondern er sucht denselben in der zur Nachtzeit den
persischen Panzerreitem erwachsenden Schwierigkeit, die Pferde
zu besteigen. Die Stelle lautet: ovnozs yäq (xelov ansorqazo-
TtedevovTO ol ßccQßagoi xov '^EXlrivt/.ov e^iy/covra OTadliov, q)0-
ßov^ievoi, [x^ tfig vvxTog ol '^'EX^.r^vsg eni^tüvzai aizolg. Tiovrj-
Qov yccQ vv'/.zog iariv argdtsifia üeqgixov. ot zs yocg Xnnoi
avTöig dedevzai xal log snl zb noXv nenodia^evoi elai zov
^ri qisvyuv svexa ei /irj Ivd^eir^aarj sdv ze ztg ^ÖQvßog yiyvr^-
zai, del emad^ai zov %7inov Uigorj dvdqL, xal xaXLVtoaai det
y.ai d^cooa/.iod^ivza dvaßrjvai eni zov tnnov. zavza ds ndvza
XaXenu vv/.ztüQ /.ai d-OQvßov ovxog. Wiederum ein halbes Jahr-
tausend später berichtet uns von der Scheu der Parther vor
Nachtkämpfen Plutarch im Leben des Crassus cap. XXIX (ed.
Sintenis Vol. II, pag. 574). Wie Xenophon mit seinen Griechen
während der Nacht vor den ihm nachstellenden Persern unter
— 136 —
Tissaphernes zu entschlüpfen sucht, so Crassus mit seinen Römern
vor den Parthern unter Audromachus: ^E7cel di vvKzoftaxilv ov
TcatQiov avTolg (rolg Jldgi^oig) eoviv ovöi ^(^öiov, i^f]€i vvxtcoq
o KgaoGog, oniog (xr) xa^aTeQtjaioai noXv zfj diw^ei OTQUtrj-
ytov o ^vÖQOfiaxog aXXoxe ixXXag bdovg ixpr^yelto xat tikog
s^aTQEXpBv elg tlrj ßa&ea Kai xw(>/a Tciq)Qwv /.leoTCc xriv nogelav
Xakenipf xal noXvukavij yevojiisvTjv rolg STtianoiiivoig.
Die schon im Rigveda zu gespenstischen Sonnen- und Wol-
kendieben vermythologisirten Panis, die reichen, sich aber um
die ReUgionsanschauungen der sanskrit-arischen Hirten wenig
bekümmernden Kaufleute werden die Nacht zu ihren Karawaneu-
zügen gerade desshalb benutzt haben, um vor den ihren Gütern
gierig nachstellenden Nomaden, die unter der Macht ihres Aber-
glaubens standen, nach Möglichkeit sicher zu sein. Wo grosser
Handel ist — und das war in der Südostecke des Kaspischen
Meeres bis ins späte Mittelalter der Fall (s. Iran u. Turan pag.
113) — da ist immer auch grosser Reichthum und diesen müssen
die Pani-/7a(>vo< besessen haben, da, nach Rigv. X, 108, 7 aus
Stein aufgeführte Fondachi {nidJdh ädribudhnah) mit ihren
Schätzen {göbkir ä^vebhir vdsuhhir nyi^h(ah) gefüllt waren. Auf
ihren Karawanenzügen, die wir etwa denjenigen der Araber im
Innern Afrikas, z. B. den nach Elfenbein trachtenden Untemeh-
mungszügen Tippu Tipps oder Stanleys, wobei denn naturge-
mäss auch die Viehherden mitgehen, vergleichen müssen, holen
die Panis zwar Kaufmannsgüter (vgl. das obige vdsubhir), allein
nebenbei werden Ross und Rind der sanskrit-arischen Hirten,
deren Gebiet man durchzieht oder berührt, offenbar auch nicht
verschmäht (vgl. das obige göbkir u<jvebhir). Ross und Rind er-
scheinen natürlich dem noch naiven Nomaden als die Hauptsache
und werden desshalb in obiger Stelle in den Vordergrimd gestellt.
Ich glaube, wir müssen die Stellung der Pai^s und der Sans-
krit-Arier im Spiegelbild, d. h. gerade umgekehrt, betrachten.
Geldner und Pischel haben in der Einleitung zu ihren Vedischen
Studien darauf hinge^viesen, wie sehr die Sucht, Gold, Rinder
— 137 —
und Pferde für sich zu erwerben „den Reichen auszubeuten"
durch den ganzen Rigveda geht (pag. XXV). Hirt und Räuber
sind in Centralasien von der Urzeit bis zur Gegenwart wohl
ein und derselbe Begriff gewesen und geblieben. Der noch naive
Räuber aber sieht in allem Reichthum ausserhalb seines Stam-
mes einen unberechtigten Besitz, den die Eigenthümer geizig
genug sind, nicht herauszugeben. Und so möchte ich auch das
ständige Attribut der Panis, arddhds, nicht spendend, geizig,
z. B. Rigv. VIII, 53, 2 oder X, 60, 6, nicht auf der Panis Nach-
lässigkeit, den Göttern Opfer] darzubringen, beziehen, sondern
vom Standpunkt des Hirten und Räubers aus in dem Sinne
fassen, dass diese reichen Pfeffersäcke dem armen Manne nichts
herausgeben, wofür sie natürHch dessen ganzen Hass ernten
werden und sich auf gelegenthche UeberfäUe gefasst machen
müssen, die der Hirt imd Räuber unter dem Beistand Indras
unternehmen wird. Da aber dieser Hirt und Räuber noch unter
der ihn streng beherrschenden Macht abergläubischer Motive
steht — und die Furcht vor der Nacht, wo Mithra nicht helfen
kann, ist doch wohl so^gut Aberglaube, als des Ariovist Furcht,
den Römern am Neumondstage eine Schlacht zu liefern — , so
benutzt der reiche Kaufmann, der Pani, der über solchen Aber-
glauben hinaus ist, diese abei^läubische Schwäche des ihn be-
drohenden Nomaden und zieht mit seiner Karawane zur Nacht-
zeit durch dessen Gebiet.
Betrachten wir nunmehr noch die geographische Gesammt-
situation, aus welcher heraus der vorliegende Vers Rigv. I, 184, 2
gedichtet worden ist. In Iran u. Turan pag. 73 hatte ich es
wahrscheinlich gemacht, dass die Landschaft EayoQfiia des
Stephanus von Byzanz, eine xeÖQOvriOog naou %fj Kaanlce ^a-
Xdaorj- to idvr/.ov ^ayccgiioi, eins und dasselbe sei mit den
nach Ptolemaeus an der Südostseite des Kaspischen Meeres
wohnenden ^ayaQavxai, in welchen ich rein sanskrit- arische
sagara-{-oka „Meeranwohner", erkannte. Wenn nun Agastya
selbst = ^ayccQTing ist, so würden wir einen werthvollen An-
— 138 —
haltspunkt ffir die geographische Lage, aus welcher heraus
Agastya seinen Hymnus gedichtet hat, besitzen. Zu demselben
geographischen Resultat gelangen wir aber auch bei der Unter-
suchung über die Himmelsgegend, in welcher man sich die
A^vinau, an welche der Hymnus gerichtet ist, einheimisch
dachte. Weber ist in seiner Abhandlung über altiranische Stem-
namen 1888 vom Standpunkt der historischen Astronomie aus
zu dem Ergebniss gelangt, dass das Sternbild der Gemini, die
Agvinau in der indischen Astronomie, die agvini, ßy Arietis,
nur secundär dieses „viel geringere Sternbild" bezeichnen könne,
dass dasselbe vielmehr erst mit der Wanderung der Sanskrit-
Arier aus seiner ursprünglich viel bedeutenderen Stellung zu
dieser Unbedeutendheit herabgesunken sein könne. (S. die
betreffende Stelle in den Monatsberichten der Berliner Akademie,
Gesammtsitzung vom 12. Jan. 1888, pag. 15 und 16). Nun hat
Weber in derselben Abhandlung pag. 11 nachgewiesen, da.s8
das avestische Sternbild ^atavaega, „hundert Wohnungen habend",
das als steter Genosse des Sternbilds Tistrya, des Sirius, bei
der Vertheilung des Wassers über alle arischen Länder, geprie-
sen wird, sich an den See Vöurukasha, das Kaspische Meer,
knüpfe und zwar, da der Tistar Yasht wahrscheinlich in Khwä-
rizm verfasst worden sei, offenbar an die Südostseite des
Kaspischen Meeres. Bezeichnete vielleicht ^atavaega geradezu
das im Alterthum bis zur Eroberung durch die Mongolen äusserst
dicht bevölkerte Land Khwärizm? Nach dem Bundehesh (s. Justi,
Beitr. zur alten Geogr. Persiens I, 9) liegt der See Pütih auf
der Seite (neben) dem Var Satves und dieser Var Satves hat
flache Ufer. Diese können schlechterdings nur von Khwärizm
verstanden werden. Ich möchte alsdann ein Attribut der A^vi-
nau im Atharvaveda VH, 73, 1 auf dieses ^atavaega beziehen.
In jener Atharvanstelle heissen nämlich die A9vinau merkwür-
digerweise — das Wort i.st äna^ Xeyo^Bvov — ptwttdamdsaJi
„viele Häuser besitzend":
— 139 —
vayäm M väni puniddmdso agoind
hdvämahe aadhamddeshu kärävah (|
„Ayvinä, die ihr viele Häuser besitzt, wir rufen euch, o Sän-
ger, bei euern Trinkgelagen an."
Ist das purudamdsah des Atharvaveda die sanskrit- arische
Fassung des ^atavaega des Avesta? In diesem Falle würden
dann auch die im Agastyahymnus Rigv. I, 184, 2 angerufenen
Agvinau ursprunglich in das Gebiet zwischen dem Südostufer
des Kaspischen Meeres und des Aralsees, d. h. nach Khwärizm,
gehören.
Wenn wir uns schliesslich fragen, worin denn wohl der
Handel der Panis bestanden haben möchte und was unter
ihren idsuni, Kaufmannsgütem, zu verstehen sei, so müssen wir
uns zunächst die Frage vorlegen, zu welcher Gattung von Handel
dieser Handel der Pani gehört habe. Schon in Iran u, Turan
pag. 113 habe ich nach antiken und mitteralterlichen Quellen
gezeigt, dass der in den Küstenstädten Hyrcaniens blühende
Handel Transithandel war. Nach Strabon XI, 7, 3 (ed. Car.
Müller pag. 436, 52 ff.) bewegte sich der indische Exporthandel
nach dem Westen den Oxus hinunter ins Kaspische Meer und
von dessen Westküste durch Albanien den Strom Cyrus hinauf
nach der Ostküste des Pontus Euxinus: q>r^al Ö€ (^giOToßoilog)
xai ^TtXotv [tbv ^Q^ov] uvai {7(.tti oixog 'Kai 'EQazoa^evijg
naget IlaTQOKkiovg Xaßtov) xai TioXXa zcöv ^Ivöixwv q)OQTicov
xaraysiv elg zr-v 'Yq/mviuv d^dXcmav, evreid^ev 6* elg zi^v
yiXßaviav JTSQaiovod^ai, -/.al dia zov Kvoov v.al züv f^fjg z6-
nwv eig zov Ev§6ivov y.azaqieQeo&ai. Am Ausmündungspunkte
dieses Handelsweges, an der Ostküste des Pontus Euxinus, nah-
men dann nach Strabon die an der Tana'is zwischen der Mäotis
und dem Kaspischen Meere sitzenden Aorsen, ein finnisches
Volk, den indischen, zusammen mit dem babylonischen Transit-
handel auf Kameelen wieder auf und förderten denselben mit
grossem Gewinn, wie die Pskni-TIdQvoi, in die Waldwüsteneien
des fernen europäischen Ostens und Westens weiter. S. die be-
— 140 —
betreffende Strabonstelle in meinem ^Vom Pontus bis zum Indus"
pag. 14. Aber aus den von dem Panis aufgestapelten, den Oxus
herunter ihnen zuströmenden Handelsgütern, den vd»üni, erhellt
nun erst recht die oben pag. 44 gewonnene Bezeichnung des
Oxus als Vasor dhdra „der Strom der Güter" des Mahäbhärata.
Besorgten die Pani-JTö^vot in Hyrcanien im Transitwege
den indischen Exporthandel nach dem fernen Westen, so konnten
demnach ihre in Stein gebauten Fondachi {nidhih adribudhnah)
nur indische vasünt aufstapeln. Der indische Export konnte
aber in der Urzeit aus nichts anderm bestehen, als in der Gegen-
wart, abgesehen etwa von den im Laufe der Jahrtausende durch
die kunstgewerbliche Technik neuhinzugetretenen Handelsgütern.
Der Hauptbestandtheil des indischen und malaisischen Exports
von den Sundainseln und den Molukken wird bestanden haben
aus Gewürzen, Arzneipflanzen, Edelsteinen und ceilonesischen
Perlen. Kam vielleicht auch das Metall /MOOiTsgog (vgl. dar-
über „Vom Pontus bis zum Indus" pag. 15 — 17) auf diesem
Wege zur Kenntniss der kleinasiatischeu Griechen Homers?
Und so doch wohl auch das Elfenbein, ebur, dass doch schwer-
lich getrennt werden kann vom sanskritischen, schon im Rigveda
vorkommenden tbha, der Elephant, von welchem indischen Worte
vielleicht in einer Form *ibhas, das lateinische ganz wie eine
sanskritische Gunaform *ebhas, aussieht, das durch iranische
Vermittelung zu *ebas werden musste?
Die Kenntniss von diesen kostbaren, die geizigen Panis so
sehr bereichernden Handelsgütern Indiens, welche die noch am
Alburs und in Hyrcanien nomadisirenden Sanskrit-Arier von
ihren gehassten Todfeinden, die den Transit dieser Waaren be-
sorgten, empfangen mussten, war gewiss das Hauptmotiv ge-
wesen, das die nach Reichthum, Gold und Gut so lüsternen
Sanskrit- Arier aus der zum Theil doch sehr armen Hochfläche
Centralasiens mit unwiderstehlichem Heisshunger hinüber trieb
zur Eroberung des Goldlandes im Osten, einem Heisshunger,
der gewiss nicht geringer war, als ein Jahrtausend später bei
— 141 —
den Macedoniem Alexanders des Grossen oder wieder ein Jahr-
tausend später bei den Persem des Sultans Mahmud von Ghazna
oder bei den farchterhchen Mordbanden der Mongolenkhane,
von den Oesta dei per Francos der europäischen Culturvölker
der Neuzeit zu geschweigen.
10. Der Tnrva^ahymniis des Va(ja A^yya.
Rigv. Vm, 46, 21-33.
Schon in Iran und Turan pag. 153 habe ich darauf auf-
merksam gemacht, dass der erste Theil der Dänastuti des Ya^a
A9vya, v. 1 — 21, nur als später angefügtes Präludium zu dem
eigentlichen Danklied v. 21 — 33 zu betrachten und der Dichter
als Turva9a aufzufassen sei. Da dieser erste Theü für uns ohne
Belaug ist, so lasse ich denselben hier auch vollends weg und
gebe zunächst nach Aufrechts zweiter Rigveda-Ausgabe meine
Uebersetzung des zweiten Theüs, der eigentlichen Dänastuti.
21. „Herbei möge kommen, der, ohne an Götter zu glauben,
ein so gewaltiges Geschenk empfangen hat, wie es nur Va^a
A^vya bei Prithu9ravas, dem Sohne des Kanita, diesen Morgen
empfangen hat.
22. Sechzig Tausend, ja eine Myriade von Rossen, an Ka-
meelen zwanzig Hundert^ zehn Hundert schwai-zer, zehn (Hun-
dert) dreifachrothgefleckter, kurzum zehn Tausend Kühe.
23. Zehn schwarze lauftüchtige Renner mit geflochtenem
Schweife setzten den Radkranz in quirlende Bewegung.
24. Die Geschenke des Prithu^ravas, des Sohnes des Kanita,
des reichlich Spendenden (sind diese): einen Wagen, einen gol-
denen, hat er geschenkt, sehr freigebig war der Opferherr, er
hat sich den höchsten Ruhm erworben.
25. Komme zu uns, Väyu, auf lange Dauer, dem Helden
zum Glänze, denn wir haben dir ein LobHed zubereitet, dir dem
mächtig Schenkenden, dem auf Einmal Grosses Schenkenden.
— 142 —
26. Der da mit Rossen einherfährt, er kleidet sich in die
Morgenröthe, dreimal sieben mal siebzig, durch diese Somatränke,
durch die Somapresser, o du Somatrinker, fühlst du dich zum
Schenken geneigt, du Trinker von hell geklärtem Soma,
27. Er, der gerade diesen, den PrithuQravas, geneigt machte,
mir aus freiem Ermesen den Glänzenden (Wagen) zu schenken,
(dazu) silberne "Wageuachsen (?) beim Nahusha, dem Frommen,
(diese mir zu schenken) dem Frömmeren, er der Weise.
28. Und (ebenso) hat mir der Selbstherrscher, o Väyu, er,
der von preiswürdiger Schönheit ist, er der im Fett schwimmt,
(geschenkt) einen Zug der von Rossen gezogen wird, einen von
Antilopen gezogenen und einen von Hunden gezogenen, das ist
dieses, ja das.
29. Sodann habe ich — dem Rüstigen ein liebes (Ge-
schenk) — sechzig Tausend Rosse und Stiere zum Geschenk
erhalten.
30. Wie Kühe zur Herde, so kommen zu mir die ver-
schnittenen Stiere, ja, kommen zu mir die verschnittenen Stiere.
31. Und bei den Caratha hat er (mir) ein Hundert von
Kameelen zubrüllen gemacht und bei den Qvitna zwanzig
Hundert.
32. Hundert Sklaven hat der Dichter bei Balbütha imd bei
dem Türken empfangen, (wir), diese Leute freuen sich deiner,
o Väyu, die wir Indra und die Götter zu Schutzherrn haben.
33. Und nun wird auch diese Jungfrau, die herrhche, über
und über mit Goldschmuck behangen, dem Va^a A^vya als Ge-
schenk zugeführt.''
Diese Dänastuti ist eine der räthselvoUsten und zugleich
reichhaltigsten Hymnen des Rigveda. Wenige andere Lieder
der grossen Anthologie vedisoher Dichtkunst werden uns ftir
die Culturgeschichte imd Sprache der brahmaniscben Vorinder
auf dem Plateau von Iran reichere Ausbeute gewähren. Denn
dass es sich in diesem Lobhed auf Pj-ithu^ravas, der in Strophe
27 Nahtts heisat, um den Grossherm der Parther handle, geht
— 143 —
schon aus dem hervor, was ich in Iran und Turan, pag. 48 — 49
über den Nahiis erschlossen habe.
Bevor wir uns aber an die Aufhellung der culturhistorischen
Angaben dieses Hynmus begeben, wird es nothwendig sein, aus
rein sprachlichen Elementen den iranischen Charakter desselben
nachzuweisen. An eine Erschöpfimg des Materials nach dieser
Richtung hin kann aber ebensowenig gedacht werden, wie bei
den nachfolgenden Bemerkungen über die culturhistorischen
Thatsachen des Lobliedes. Jeder wird von seinem Standpunkt
aus geben, was er hat und mit grösstem Danke die Belehrungen
entgegennehmen, welche andere, noch weiter Blickende, auf
Grundlage noch reicheren Materials von neuen Gesichtspunkten
aus werden geben können.
Zunächst muss aufmerksam gemacht werden auf die rein
zendischen Declinationserscheinungen. Die Flexion des Yerbums
hält sich durchaus innerhalb der Schranken des Sanskrit, wobei
wir freilich zugeben müssen, dass wir ja nicht wissen können,
in welchem Grade der Sanskritisirungsprocess der Vedensammler
oder der ihnen vorangegangenen Tradition diesen, ursprünglich
gewiss ganz anders als in unserm Text lautenden Hymnus um-
gestaltet hat.
Eine reine Zendform ist z. B. in Strophe 32 die Form dä^e
im Sinne eines Accus. Plur. für dasän., was schon Roth im
Petersburger Sanskritwb., Bd. III (1861), pag. 604 an die Stelle
setzen wollte. Mit Unrecht, denn wir haben es eben in unserm
Dichter mit einem Manne zu thun, der entweder das Sanskrit
noch nicht vollständig beherrschte oder aber aus dem Sprach-
gefühl eines Stammes herausdichtete, in welchem sich Sanskrit-
und Zendelemente vermischten. Denn Accusative Plur. auf e,
von Masculinen auf a, kennt das Zend als etwas gar nichts Un-
gewöhnliches, vgL z. B. za^tS (skt. hasfdn), Hände, Yt. 13, 147;
ya^ke, Krankheiten, Vendid. 22, 6 und solche auf es z. B. aciecca,
Knochen, Yt. 10, 72; daeveg<M (skt. devängca) Yt. 11, 6. S. Justi,
Zendwörterb. pag. 387.
— 144 —
In V. 32 muss der Name Balbüthe metri causa Balbüthac
gelesen werden, ein loc. sing., der vollständig dem zendischen
agpaiga entspricht. (Oder ist semitisch zu lesen Baaldüthe?)
lieber die nur aus dem Zend zu erklärende Form Kdnitd,
Strophe 21, für skt. khanitar, s. weiter unten pag. 145 — 148.
Den Prithugravas haben wir schon oben als Partherfürsten
{Frtthu-gravas „der Ruhm der Parther" wie zugleich „ausgedehn-
ten Ruhm besitzend") kennen gelernt. Er heisst nach dem
Paucavinya-Brahmaria (Petersburger Sktwb. Bd. IV, pag. 865)
auch Ndga und wird demnach von genanntem Wörterbuch als
, Schlangendämon" gefasst. Da er aber nach Str. 27 unserer
Dänastuti Nahusha ist, so wird er, nach dem oben und in Iran
u. Turan pag. 49 und 227 Bemerkten auch sprachlich mit dem
Nahusha^ Nahus, Naicxda identisch sein und die Sage des Epos,
König Nahusha sei von Agastya verflucht worden, zehntausend
Jahre auf der Erde als Schlange {ndga) zu leben, ergiebt sich
als eine volksetymologische Deutung des Namens Nahusha,
dessen Zusammenhang mit ndga der Tradition noch verschwom-
men vorschwebte. Dieser Prithu^ravas erscheint nun im Vish^u-
puräna (s. die SteUe in Iran u. Turan pag. HO) als Sohn des
^a^ahindu oder ^agavindu^ der (da (jagavindu „Hasentropfen"
ein Unsinn) zweifellos rein iranische Suffixbildung verräth und
als *pafavanto = ^agavant, hasenreich, erklärt werden muss.
Dieser ist Sohn des Citraratha^ dieser Sohn des Rushadgu
(offenbar == rugad-gu^ leuchtende Kühe habend), dieser ist Sohn
des Svdhi, dieser ist Sohn des Vrijinivat, den ich schon in Iran
u. Turan a. a. 0. als Vertreter der vedischen Vrtcivant= Var-
cin = Vrilca, d. h. als Hyrcanier erkannt habe, dieser ist wieder
Sohn des Yadu, also des Vertreters der Turva^a- Yad%i, des die
Hegemonie übenden Fünfvölkerbundes des Rigveda, und wenn
Yadu selbst wieder Sohn des Krosh(u (Schakal) heisst, so stimmt
dies zu der turkotatarischen Heldensage, nach welcher alle Völker
dieser Race von einer Hündin abstammen. S. Vambery a. a. 0. Dass
(^Jagaündu, Qagavindu ursprünglich = ^kiQavant ist, geht hervor
— 145 —
aus dem von Weber lud, Stud. Bd. I, pag. 276 aus Anquetil du
Perrons Schriften angeführten Namen einer Upanishad Sckasck-
band, die Weber auf skt. ^agavindit zurückführt. Nach der
indischen Heldensage gehört also Prithu^ravas, nach Hyrcanien,
ins Land der Tiurva^a-Yadu, d. h. ins Partherland, wohin uns
schon sein Name „Parther-Ruhm"' und seine Herrscherwürde
als Nahus, Ndga gefuhrt hatte. Diese Pai-ther waren, wie die
Genealogie der indischen Heldensage beweist, ursprünglich Tu-
ranier gewesen, die allmählig arisirt und dann brahmanisirt
worden waren. So löst sich Spiegels Zweifel (Eranische
Alterthskde, Bd. III, pag. 548), ob die Parther Iranier oder Tu-
ranier waren.
Untersuchen wir nunmehr den Beinamen dieses Parther-
fürsten, der nach Strophe 28 Selbstherrscher, svaräj, war, wie
sich denn noch die Arsaciden aiToy.QcczcoQ nannten. Prithu9ra-
vas heisst Kdmtd, nach Säyana Sohn des Kanita. Aber was
ist Kanita'^ Jedenfalls haben wir es nicht, wie Zimmer, Altin-
disches Leben pag. .334 will, mit einem kdmna, einem „Jungfem-
sohn' zu thun. Sondern, da Prithu9ravas ein Parther, also ein
Iranier ist, so müssen wir den Namen auf seine iranische
Lautgestaltung hin untersuchen. Dann aber ergiebt sich für
kanita die regelrechte Sanskritform Tchanitar, khanitri, insofern
im Zeud für das Suffix nom. agentis tar, tri, sehr häufig das
der Bedeutung entsprechende Suffix ta gebraucht wird, vgL data,
der Geber, für skt. ddtar, ddtri, ferner ciqta, der Lehrer, wofür
im Huzväxesh casMtar^ bereta, der Träger, woneben auch im
Zend das gleichbedeutende beretar und baretar. Noch viele
andere dergleichen Zendbüdungen auf ta für tar s. bei Justi,
Zendwb., pag. 371, § 212. Zum Ueberfluss kommt die für ka-
nita, Kanalgräber, vorauszusetzende Sanskritform khanitar, khd-
lutri, im Rigveda wirklich vor X, 97, 20, wo sogar khanUaa
für das geschriebene klianitd zu lesen ist:
mä vo rishat khÄnitaa
ydsmai cdhdm khdndmi vah ||
Brnnnhofer, Vom Aral bis zur Gangä. 10
— 146 —
„Möge euch der Gräber nicht verletzen, für welchen ich
euch ausgrabe."
Es handelt sich hier um das Ausgraben von Heilkräutern,
was aber für die Wortform und Bedeutung gleichgültig ist,
denn daneben kommen Rigv. VIT, 49, 2 neben den dpah divydh,
dem Regen wasser, und neben den äpah svayainjdh, den Quellen,
Bächen und Flüssen, auch äpdh hhanitrimd vor, Kanalgewässer,
wie denn das lateinische can-ali-s, Graben, Rinne, Kanal, selbst
nur von dieser Wurzel hJian, graben, herstammt. Der Name
KanUa war also ein Ehrenname, denn nichts wird von Zara-
thustra eindringlicher empfohlen, als die Förderung des Acker-
baues durch Hebung der Bewässerung. Im Vendidad HI, 11
(Spiegel, Avesta-Uebers., Bd. I, pag. 79) fragt Zarathustra
den Ahura Mazda „Schöpfer der mit Körper begabten Welten,
reiner! Was ist zum dritten dieser Erde am angenehmsten?
Darauf entgegnete Ahura Mazda: . . . Wo man trockenes Land
bewässert, oder feuchtem Lai)de das Wasser benimmt."
Wenn wir uns nun die geographische Situation überlegen,
in welcher dieser Ehrenname „der Kanalgräber" von einem
parthischen Fürsten der Urzeit erworben werden konnte, so
müssen wir uns vor allem aus der Thatsache erinnern, dass
die Anlage eines ausgedehnten Kanalisationssystems immer
nur in Ebenen möglich ist. Hyrkanien, das ohnediess durch
die reichen Niederschläge an den Nordabhängen der Alburs-
kette reichlich bewässert war, kann also für einen Kanalisator
kein Feld der Thätigkeit geboten haben, ebenso wenig das Hoch-
land von Taberistan, das allerdings an Trockenheit leidet, aber
in Folge seines gebirgigen, wenigstens hügeligen Terrains jeder
ausgedehnteren Kanalisation widerstrebt. Dagegen mussten die
grossen Ebenen um Merw und weiter hinauf, wenn diese Land-
striche zum parthischen Reiche der Urzeit gehörten, die Oasen
rechts und links vom alten Oxus reiche Gelegenheit bieten, die
Wassermassen des Ochus und Oxus zur Bewässerung zu ver-
wenden. Dies ist denn auch in der Urzeit schon geschehen.
— 147 —
Von Merw bemerkt Spiegel in seiner Eranischen Alterthumskde.
Bd. U, pag. 50: „Merw (ist) die bedeutendste Stadt an den Ufern
des Murghäb (Ochus) und auch die älteste .... Sie wurde
offenbar gegründet wegen der Fruchtbarkeit der Umgegend,
die blos bewässert zu werden braucht, um in üppigster FüUe
imd ohne weitere Beihülfe Alles gedeihen zu machen." Und
so auch Ritter, Asien, Bd. VIII, pag. 230 — 231. „Die blosse
Bewässerung des Bodens ist hier (im Murghäbthale bei Merw)
auch ohne Dünger hinreichend zu seiner Befruchtung; das Korn
Dschawari (sonst Durra genannt, Holcus sorghum) erhält hier
Halme bis zur Dicke eines Stockes. Der fruchtbare Boden ge-
stattet hier, am Rande der Wüste, die Zucht zahlreicher Kameel-
herden." Und dasselbe gilt von Chiwa. „Die heutige Oase Chiwa
ist ein äusserst fruchtbares Land, da sie von einem Netz von
Kanälen aus dem Oxus nach allen Richtungen durchschnitten ist,
in älterer Zeit und noch im Mittelalter war ein grosser Theil
der jetzigen Wüste zwischen Chiwa und dem Atrek ein bevöl-
kertes Land nrit grossen Städten." Nun hat Albiruni, wie Justi,
Gesch. d. alt. Persiens, pag. 19, vorstehende Bemerkung einleitet,
eine Notiz aufbewahrt, dass Kai Chosru Chorasmien Huvarazmija
der persischen Keilinschrifken, das heutige Chiwa) erobert und
daselbst die Dynastie der Schahija gegründet habe. Dieser Kai
Chosru ist aber der Kava Hugrava des Avesta, hoch gepriesen
als der ..männliche Vereiniger der arischen Gebiet« zu einem
Reiche"* und zugleich als Günstling der Ardvi9üra Anähita, der
eigentlichen Göttin der Bewässerung und der Kanalisation, von
welcher er die Gnade erhält, ohne Krankheit und ohne Tod zu
leben. S. Duncker, Geschichte der Arier, Bd. IP, pag. 462.
Wie nun, wenn zwischen dem Kanita oder gar Prithugravas
Kämta und diesem mythisch-historischen Günstling der Ardvi-
9ura Anähita ein historisch realer Zusammenhang waltete? Vgl.
über die Ardviyüra Anähita noch die zusammenhängenden Dar-
stellungen von Spiegel, Eranische Alterthskde, Bd. II, pag. 51 — 66.
Duncker, Gesch. d. Arier, Bd. II, pag. 446 — 447.
10*
— 148 —
Leider lässt uns der Rigveda mit näheren Nachrichten über
Pyithu9ravas im Stich. Nur an einer Stelle, im Mandala I,
116, 21 wird derselbe noch einmal erwähnt und zwar wieder
mit Va^a, im Kampfe gegen die unheilvollen Unholde:
Skasyä vdstor ävatam rdndya
Vagam Agvinä sandye sahäsra \
nir ahatam duchünä tndravantä
Prühugrdvaso in-ishandv drätili ||
„An einem Morgen halfen die Agvinä dem Va^a zu seiner
Lust tausende (von Geschenken) zu empfangen, die beiden Stiere
(die gewaltigen A9vin), in Gemeinschaft mit Indra, schlugen die
unheilvollen Widersacher des Pi'ithu9ravas nieder."
Hier finden wir Prithu^ravas im Kampfe gegen nicht-arische,
unbrahmanische, ungläubige Feinde, welche nach der geographi-
schen Situation des Reiches des Prithuyravas, nur Turanier sein
können. Und so auch kämpft, im Avesta Kava Huyrava gegen
die Feinde L-ans, gegen die Turanier und deren Herrscher, den
verderblichen Franghra9yan , ein Kampf, den dann Firdusi in
seinem Schähnäme in den Sagen von Kai Khosru und seinen
Kriegen mit Afrasiäb episch ausgeführt hat. Vgl. über diesen
Kampf insbesondere Spiegel, Eranische Alterthskde, Bd. I, pag.
607 — 664. Vgl. auch Duncker, Gesch. d. Arier^, pag. 462.
Schon Spiegel hat a. a. 0., pag. 661 darauf aufmerksam gemacht,
wie der von der persischen Heldensage geschilderte Kampf
zwischen Iran und Turan unter Kaikhosrav aus einem frülier
rein politischen in einen rein religiösen umschlägt: „Der Gegen-
satz zwischen Erän und Turän wird ein rein religiöser, was er
früher nicht war." Und so sehen wir auch in der obigen Rig-
vedastelle, der einzigen, in welcher von einem Kampfe des Pyi-
thu9ravas die Rede ist, den Krieg gegen die Feinde als gegen
dem Brahmanenthum feindliche Dämonen geführt. Und wie im
persischen Epos Kaikhosrav selbst hulbturanischer Abkunft ist.
— 149 —
als Sohn nämlich des Iranierfürsten Siävaksh und der Feringis,
der Tochter des Turanierkönigs Afrasiäb, so ist, wie Ludwig
(Rigvedawerk, Bd. III, pag. 148) erkannt hat, Su9ravas = Tur-
vayä^a, welcher Name deutlich genug den ursprünglichen Ab-
kömmling eines Turaniers anzeigt. So aber auch ist Prithu^ra-
vas, wenn er von Vrijinivat, d. h. vedisch, Vridvat, einem Bei-
namen der Turva9a (s. Zimmer, Altind. Leben pag. 124) und
Yadu stammt (s. oben pag. 98), von Abkunft seines Geschlechtes
ebenfalls nur arisirter Turanier.
Des Prithu9ravas Sänger, der auch wirklich seines gross-
herrlichen Gönners Angedenken auf die Nachwelt gebracht hat,
ist Vaca Agiya. Seine Dänastuti VIII, 46 giebt uns über ihn
selbst wenig Aufschluss. Doch wird sein Name an verschiedenen
Stellen des Rigveda mit andern Persönlichkeiten zusammen er-
wähnt, denen die A^vinä HüKe geleistet hatten, wobei aber überall,
ausser in dem Hymnus des Ängirasa Kutsa I, 112, 10 nur Vaea
als Name erscheint. Dagegen erhält dann dieser Va^ an meh-
reren Stellen Epitheta omantia, die für die Aufhellung seiner
Persönlichkeit von grossem Werth sind. Er wird nämlich
Rigv. VIU, 8, 20 genannt dd^avraja und so auch Välakhilya II, 9.
Dieser Name bezeichnet aber einen, der zehn Ställe hat.
Der Mann war also ein grosser Pferdehändler, daher sein Bei-
name Agvya, daher aber auch seine Verehrung für die Acviiiä,
die zweifellos die besondem Schutzgottheiten der agva, der
Pferde, waren. Daher aber auch des Va^a Verehrung für die
Gottheit des Väyu, der Luft, des Windes, die, gleich der zoro-
astrischen Gottheit Vayu, insbesondere wegen ihrer Schnelligkeit
und Stärke angerufen wird und auf glänzendem Wagen mit
leuchtenden Pferden einherfährt (Rigv. I, 134, 3: Väyür yunkte
rohitd Väyür aruna Väyü ruthe ajird dkuri voUiave; Rigv. I,
23, 2 sind Indra-Väyu , gedankenschnell" manojüvä), gerade
wie der iranische Vayu auf goldenen Wagen mit goldenen
Rädern fährt. S. Spiegel, Eranische Alterthskde, Bd. 11, pag.
101—104. lieber den iranischen Vavu s. insbesondere auch
— 150 —
Duncker, Gesch. der Arier 2, pag. 444. Ziehen wir nun in Be-
tracht, dass Prithu^ravas seiner Abkunft nach aus den vereinigten
Stämmen der Turva^a-Yadu hervorgegangen ist (s, oben pag. 144),
so wird wohl der Schluss berechtigt sein, dass der Rosskamm
(agvya) Vaga mit den ohnediess berühmten Tw/'^afa-Pferden
handelte, die, worauf zuerst Weber in den Ind. Stud., Bd. I,
pag. 220 aufmerksam gemacht hat, den Pancäla dienten. Da.s
(^at. Brähm. XIII, 5, 4, 16 (ed. Weber pag. 995) hat darüber
folgende wichtige Stelle: trayastringdstomena Qönah Säträsähd
ije Päncdlo rajd täd etad gdtliaydbMgitam:
sdtrdsdhe yajamdne ^gvamedhena Taurvagdh \
■ddirate trayastrii'igdh shd( sahdsrdm vannindm ifi
„Mit dem 33 stolligen Loblied opferte Qona Säträsäha,
König der Paucäla, dieses wird durch ein altes Volkslied besun-
gen: Als Säträsäha das A^vamedha (das Pferdeopfer) opferte,
machten sich 6033 Turva^arosse von Panzerreitern auf die Beine."
Der Commentator zu dieser Stelle giebt (pag. 1016) nur an:
TaurvagdJ}, agvdh \ varmijidm rdjajputrdndm havacmdm
agvai)dldndm. Wenn hier rdjaputra seinen ursprünglichen Sinn
„Königssohn, Prinz" und nicht den von „Radschpute" hat, so
waren es offenbar sehr edle Pferde. Die Zahl 6033 ist offenbar
eine symbolische, auf die Heiligkeit der Dreizahl gegründete
Zahl und braucht ebenso wenig buchstäblich genommen zu
werden, als die Zahl der dem Rosskamm Va^a-Agvya von König
Prithu9ravas geschenkten Pferde, wie wir gleich sehen werden.
Dagegen wird uns gleichwohl sofort die Frage beschäftigen, wo
denn diese, unter dem Schleier symbolischer Zahlen aufgeftihrten
Rossherden ihre Weide fanden. Zunächst aber müssen im An-
schluss an diese TaMrrafa- Rosse noch andere Fragen und Zu-
sammenhänge erörtert werden.
Wenn nämlich des Rosskamms Va9a A9vya Schutzherr,
König der Parther, von Hause aus ursprünglich ein Turva^a-
Yadu war, so wird wohl sein Sänger, der mit Turva^a-Rossen
— 151 —
handelte, der ohuediess Vcuja-Äcüya hiess, wohl kaum andern
Ursprungs gewesen sein, als sein gefeierter König selbst. Wenn
dies zutrifft, so wird dann sein Name Vciga kaum etwas anderes
als die Kurzform und das Hypokoristicon von Turvaca sein.
Diese Vermuthung gewinnt um so mehr Boden, als das Aita-
reya-Brahmana ein zu den Kuru-Paücäla in nächster Verbindung
stehendes Volk, Namens Vaga kennt. Die Stelle VHI, 14 (ed.
Aufrecht pag. 223) lautet: tasmäd asyäm dhruväyam viadhya-
mäyäm pvatCsh(häyäm digi ye keca Kurupancäldndm rdjdnah
sa Vagoginardnäm rdjydyaiva te ^hhishicyante, rdjety etdn abhi-
shiktdn dcakshata e(dm eva devdndm vihitim anv „Hoch im Norden
im Lande der Mitte (in Medien?) werden die Konige der iLM/7<-Pan-
cdla zugleich auch zur Königswtirde über die Vaga und Uginara
geweiht, „König", so nennen sie die geweihten, so geschieht
es nach der Satzung der Brahmanen." Ueber die ursprünglich
an den Südabhängen des Koqwvov, d. h. des Kuründm-Gi^vcgQSi,
des Demävend sitzenden Kuru und ihre Bundesgenossen, die
Paucäla- //av^mAalot s. mein Iran u. Turan pag. 103 imd Vom
Pontus bis zum Indus pag. 37. Ueber die Uginara hatte ich
in Iran u. Turan pag. 83 die Vermuthung geäussert, sie hiengen
bezüglich ihres Namens zusammen mit dem Namen der beiden
Berge Ushi-daö und Ushi-darena des Avesta, die in Sejestan
liegen sollen. Ist aber dieser Ushiddo nach Windischmann,
Zoroastr. Stud. identisch mit dem Berg Hocinduin des Bunde-
hesh, der aber im Avesta selbst Hindva heisst, so wären wir
mit diesem Berg Hi'ndva, dem , Indischen Berg", wiederum am
Demävend (s. mein Iran u. Turan pag. 9), wo demnach die
Uginara zusammen mit den Kurtu-Pancäla und den (Turvaca)
Vaga zusammen wohnten. Zweifellos aber waren sie nach der
oben citirten Stelle des Aitareya-Brähmana nicht Turanier, wie
ich in Iran u. Turan pag. 83 vermuthet hatte, sondern gehörten
dem Brahmanismus an, es wäre denn, dass, wenn die Eu^eni-
Usün, wie ich an der eben angeführten Stelle ausgesprochen,
mit den Uginara zusammenhiengen, diese von Norden herunter
— 152 —
mit den Turva9a-Yadu erobernd in Iran eingebrochen und mit
diesen brahmanisirt worden wären.
Wir sind nunmehr genügend orientii*t, um Va^a A^vyas
Beinamen Py•e«^ Rigv. I, 112, 10 zu begreifen. Schon Eingangs
dieser Untersuchung, sodann gelegentlich des Patronymicons
Känita und weiterhin hatte sich uns gezeigt, dass die Sprache
der Turva^a-Yadu vielfach iranisch, d. h. zendisch oder baktrisch,
afficirt war. Unter diesem Gesichtspunkt dürfen wir auch das
arta^ lEyöfxtvov Preni, für welches das Sanskrit keine Analogie
besitzt, mit FrSni^ dem Namen der Tochter des Zarathustra,
zusammenstellen. Was er aber, etymologisch allerdings mit
der Sanskritwurzel p'i, zend fri, lieben, zusammenhängend, be-
deutet, darüber wage ich keine Vermuthung, vielleicht ist es
soviel wie priya^ der Freund, priijä^ die Freundin.
Wir können nunmehr auf die Geschenkliste der Dänastuti
selbst eingehen. Diese überrascht uns vor Allem durch Angabe
von Zahlen, die den Stempel des üebertriebenen tragen. Schon
das indische Alterthum hatte den Eindruck, dass die vedischon
Dichter von Dankliedern sich in Hyperbeln ergiengen und die
Käthakopanishad (wie Weber, Indische Streifen, Bd. I, pag. 9S
beibringt) nennt solche Dankverse geradezu Lügen : am-itam
hi gäthci, 'nri'tam närägansi „das Lied ist eine Lüge, eine Lüge
ist das Männerlob." Wie sehr der Zahlenschwulst der Dank-
lieder des Rigveda im Charakter der Iranier, der zur Selbstüber-
hebung hinneigt, begründet ist, habe ich an einem modernen
Beispiel nachgewiesen in Vom Pontus bis zum Indus, pag. 218
— 219. Wie die dort aus Vambery's Skizzen aus Mittelasien
pag, 281—282 mitgetheilte „Forderung Jussufs an Güzel Schah"
sich in den höchsten Wunschzahlen nach Rossen, Kameelen,
Rindern, Schafen, Sklaven und Sklavinnen ergeht, ganz so
schon der Rosskaram Va^a A^vya. Wie in der Gegenwart auf
demselben Fleck Erde, wo die Turva^a-Yadu sasseu, der Turk-
mene Mittelasiens täghch betet: „Mehr Stuten! Mehr Kameele!-*
(Ritter, Asien, Bd. VIII, 413), so klingt es, allerdings aus dem
— 153 —
Dankgeftihl eines in seinem Gebet Erhörten, aus dem Jubel-
lied des Turva^a-Dichters hervor!
Zunächst sind die Rossegeschenke ins Auge zu fassen. Der
Partherkönig Prithu9ravas Känita hat dem Dichter 60,000 Rosse,
ja eine Myriade geschenkt. Diese Zahl stimmt gerade zu der-
jenigen, welche Diodor XVII, 110 (ed. Imm. Bekker, T. III,
pag. 225) von den Pferden angiebt, die zu Alexanders des
Grossen Zeiten auf den nisaeischen Feldern weideten, vor
Alters soUen es sogar 160,000 gewesen sein, netct öi xaita
7iaQ£).&0)v eig xiva x^Q*^^ dvva^avriv i/.TQecpsiv ayiXag nay.-
TvXri^üg Xnntav iv rj xb rtaXaiov eq)aaav k'/ixaide/M jxvQiädag
i'TtTiOJV yeyovivai (poqßadoyv, xuxct de zr^v LiXe^ävögov Tcagov-
oiav e§ jiwvai fiioiädsg r^oi&firdifioav. Nach Strabon XI, 13, 7
(ed. C. Müller pag. 450, 17) waren es zur Perserzeit 50,000
Stuten (auch nach Arrian VII, 13), die auf diesen nisäischen
Feldern weideten. Die hier gezüchteten Pferde, die in den
königlichen Marstall übergiengen, waren die grössten und besten.
Es waren die sog. Nesäischen Pferde, welche aber nach andern
aus Armenien kamen: irc7i6fioTog de xal atrij iozi öia^peqövtiüg
%ui 1] ^Agiitvia, /.aXenai de xig xal leifxiov '^Innößoiog, ov
xal di€§iaaiv oi ix T^g Tlsgaldog xal BaßvXwvog elg Kaortiovg
nvXag odsiovreg, iv o) nevre (.ivQiadag 'iTcmov ^rjXeiiov vefxe-
ad-ai (paaiv ijcl ttov Usgatüv, elvai öe rag dyeXag taizag
ßaaiXixag. xotg Si Nrfiaiovg 'innovg^ oJg ixQiovxo o\ ßaoiXeig
agioToig ovoL xal fieyiozoig, o\ fiiv ivd-ivöe Xeyovot, zb yevog,
Ol d i^ u4Qfxeviag' oi d* ldi6f.ioQ(pOL de elaiv, üoneo xal oi
IJaQ&i/.oi Xeyouevoi vvv naqu loig 'Ek?.adi/.oi g xal zoig a/J.ovg
zoig nag* rifitv. Strabon gesteht, nicht genau zu wissen, ob
die berühmten Nyseischen Gefilde in Medien, zwischen Bagistana
und Rhagae, also zwischen Bisutun und Rai, gelegen haben.
Die Alten schon stritten sich darüber, ob dieselben nicht viel-
mehr zwischen Merw und Balkh gelegen hätten. Victor Hehn,
der in seinen -Kulturpflanzen u. Hausthieren" die Streitfrage am
gründhchst^n untersucht hat, entscheidet sich (pag. 36, 2. Ausg.)
— 154 —
für die Rossegefilde am Murghäb. Vgl. darüber noch Bahr zu
Herodot VII, 40, Vol. III, pag. 515. Ebenso Duncker, Gesch.
d. Arier2, pag. 586. Ob 160,000 oder 60,000 oder 50,000, es
ist immer eine heilige, symbolische Zahl, die bei den alten Irauieru
und so auch an unserer Stelle Rigv. VIII, 46, 21 vom Turva9a-
dichter und Pferdehändler Vaya A9vya für eine ungemessene
Menge vorzüglicher Rosse gebraucht wurde.
Lagen die Pferdegefilde, aus welchen die nysäischen, nisäir
sehen oder nesäischen Pferde hervorgiengen, am Murghäb, so
stammten die Turva9a Pferde der vorindischen Urzeit ebendort
her, sie wurden, wie wir oben (pag. 150) aus dem Qatapatha-
Brähmana gesehen haben, schon in jener Urzeit, wie dann später
unter den Perserkönigen, für den Marstall des Grossherrn und
seiner Verwandten bestimmt. Gerade dort müssen aber auch
die grossen Kameelstutereien gelegen haben, aus denen des
Prithu9ravas Känita Geschenk von 2000 Kameelen hervorgehen
konnte, wenn wir natürlich auch diese Zahl für hyperbolisch
nehmen müssen. Nur im Murghäbthal und sonst nirgends auf
ganz Iran konnten solche Herden von Kameelen gezüchtet
werden, von welchen die 2000, die Va^a A^vya vom Grossherrn
der Parther zum Geschenk erhalten haben will, herrühren
mochten. Die mittelalterlichen Geographen rühmen einstimmig
Sarachs als die grosse Kameelstuterei. Istachri im Buch der
Länder (übers, von Mordtmann pag. 118) rühmt die Stadt ums
J. 1000 also: „Sarachs ist eine Stadt zwischen Nisabur und
Merw in einer Ebene ohne fliessendes Wasser, ausser einem
Kanal, der einen Theil des Jahres, jedoch nicht immer, fliesst,
und aus dem Flusse von Herat abgeleitet ist. Die Stadt liegt
eine halbe Parasange von Merw, ist bevölkert und hat ein ge-
sundes Klima, das Gebiet hat nur wenige Dörfer. Der gross te
Reichthum der Bewohner besteht in Kameelen; sie trin-
ken Brunnenwasser, ihre Mühlen werden von Zugvieh getrieben,
ihre Gebäude sind aus Lehm." Idrisi (trad. par Jaubert, Vol. I,
pag. 451) berichtet um 1150: »Quant ä Sarakhs, eile possede
— 155 —
un sol fertile et un climat tempere. Cependant [selon Istachri]
eile n'a point uu territoire ni des dependances considerables.
Les habitants de ces campagnes sentendent parfaitement axi
choix et h la production des bonnes races de chameaux* u. s. w.
Und so bei Abulfeda (trad. par Guyard, VoL 11, 2, pag. 193
nach Ibn Haukai um 976) um 1330: „On lit chez Ibn Haukai:
Sarakhs est une ville entre Naisabour et Merw, dans une plaine.
Elle n'a pas d'autre eau courante qu'une riviere qui coule pen-
dant une partie seulement de l'annee et qui est l'excedent des
eaux de Herat. Les paturages dominent ä Saraklis, et son
district renferme peu de vülages. La fortune de ses habifanis
corisiste prmcipalement en chameaux.^
Nach Strophe 31 unserer Dänastuti hat nun femer Va9a
A9vya bei dem Gärathe ganS 100 Kameele und bei den ^vit-
neshu 2000 Kameele zum Geschenk erhalten. Offenbar ist Cd-
raiha ein Yolksname und zwar Adjektivableitung von Cdratha,
die Schaar oder der Stamm der Cdratha. Ich halte dieselben
für die Zagazai, eine skythische Völkerschaft am Imaus, bei
Ptolemaeus VI, 14, 11. Die varia lectio Zaghat beweist
wenigstens die Kürze der zweiten Sylbe, entsprechend dem
Metrum der Rigvedastrophe. Interessanter sind die ^vttna als
Kameelzüchter, die es offenbar an Kameelreichthum mit den
Turva9a um Sarakhs aufnehmen konnten. Wir fanden in Iran
und Turan pag. 120, dass die ^vitna mit den Tritsu identisch
sind, die an der Sarasvatl-Haraqaiti, dem Hilmend, wohnten,
dessen Herrlichkeit von den Sängern der Tritsu, den Vasishtha,
so hoch gefeiert wird. Diese Haraqaiti- W^a;fwaia nennt aber
Isidor von Charax „das Weisse Indien": l^Qaxcoala. Tavxriv
öi ol riaQ&oi ^Ivdiy.r^v Asvat^v /.alovon: (S. vom Pontus bis
zum Indus pag. 168). Schon Zimmer, Altind. Leben, pag. 126,
hatt« die Bezeichnung der Tritsu als BWeisse"* zurückgeführt
auf die Tracht der Vasishtha und in Iran u. Turan pag. 129
hatte ich dann nach Dionysius Perieget«s v. 1096 den Nachweis
geleistet, dass diese Tracht in weissen Leinkleidem bestand
— 156 —
(vgl. die livox^ccivovs t l^QaxcoTag). Dass in dieser Landschaft
noch verhältnissmässig sehr spät Sanskrit- Arier sitzen geblieben
waren, scheint mir daraus hervorzugehen, dass noch Aeschylus
in den Hiketiden v. 284 (ed. Dindorf) von Hörensagen (azoi'w),
also wohl aus alter Tradition, von Indem weiss „die nomadisch
auf der trabenden Kameele Saumthierrücken fem das Heideland
längs Aethiopias Marken scheu durschweifen sollen":
^Ivödg X anovco vojucidag irrnoßccf^toaiv
Ttag ^l&loxpiv aaivyeiTovov/ntvag.
In Vom Pontus bis zum Indus pag. 141 habe ich nachge-
wiesen, dass diese indischen Kameelreiter längs dem Strome
Aethiops nur die berühmten Kameelreiter Drangianas sein kön-
nen, über welche ausführlich a. a. 0. Noch heutzutage zeichnet
sich das Kameel von Sedschestan durch seine Ausdauer, Kraft
und Schnelligkeit aus. Die Qvitna kommen übrigens in der
Brähmanaliteratur als Qvtkna vielfach vor, insbesondere im (^ata-
patha-Brähmana; es lässt sich aber aus ihren Königsnamen kein
ethnologischer Schluss ziehen.
Bei den Geschenken an Zugvieh kommen wir auf die Rosse
zurück und zwar auf die Strophe 33. Hier ist es vor allem
das a7Ta§ Xeyo/nevov niathrä, das wir oben, vorläufig der Tra-
dition folgend, mit „quirlend" übersetzt haben. Böhtlingk-Roth
s. V. geben „zerrend". In dieser Auffassung wird es schon von
Säyana von W, math, mantJi, drehen, quirlen, reiben, rupfen,
abgeleitet. Allein eine Durchsicht sämmtlicher, vom Peters-
burger Sanskritwörterbuch Bd. V, pag. 462 — 466 aufgeführter
Stellen über die zahlreichen Präpositionalverbindungen des Ver-
bums math, sowie über die Ableitungen des Wurzelstammes,
ergiebt auch nicht ein einziges Beispiel, dass W. math jemals
dazu verwendet worden ist, auch das Umdrehen der Räder eines
Wagens oder das Ziehen und „Zerren" eines solchen darzustellen.
Wir müssen also auf dieseAbleitimg durchaus verzichten. Dagegen
— 157 —
gelangen wir wohl zu einer zutreffenden Erklärung von mathrd^
wenn wir dasselbe ethnologisch fassen, analog unserer Pferde-
racenbeschreibung als: Araber, Trakehner u. s. w. Dann aber
bleibt uns nur übrig, das Wort als JlJeder zu nehmen, wobei wir
zunächst an die Madra (s. Tran u. Turan pag. 227, und oben
pag. 111, 118) zu denken haben. Dass auch die aspirirte Form vor-
kam, ergab sich uns in Vom Pontus bis zum Indus pag. 37 aus
dem Namen der TTairil^ia^ot, der Meer-Meder. Auch kommt hier
in Betracht, dass Madrä eine Tochter Raudrä^'as genannt
wird, lieber die Grösse und Vortrefflichkeit der medischen
Pferde hatte uns oben pag. 62, 153 die Stelle Strabons belehrt.
Vgl. auch noch Duncker, Gesch. der Arier^, pag. 584. Zogen
medische Pferde den goldenen Wagen, so waren sie wohl auch
nach medischer Mode aufgezäumt. Die Meder waren aber in
jeder Kleinigkeit der Etiquette die Nachahmer der Assyrer.
Wenn wir nun bei Heibig, Das homerische Epos, pag. 134 den
altassyrischen Wagen (Fig. 27) und den neuassyrischen (Fig. 28,
pag. 135) betrachten, so fällt uns an den Pferden auf, dass sie
geflochtene Schweife tragen. In diesem Sinne fasse ich denn
auch das adj. vitavdra „geflochtene Schweife habend," vom
Partie. Perf. Pass. der W. vi, winden, flechten, lat. viere.
Der goldene Wagen, den Prithu9ravas seinem Sänger
(Strophe 24) schenkt, erinnert an den goldenen Wagen des
Sonnengottes Mithra oder, da hier Prithu9ravas und seine Sänger
offenbar specielle V'erehrer Väyu's sind, an Vayu's goldenen Wagen
mit goldenen Rädern (Räm-Yasht 57 bei Spiegel, Avesta-Uebers.,
Bd. UI, pag. 158). In diesem Zusammenhange möchte ich auch
araive akshe in Strophe 27 fassen. Böhthngk-Roth sehen darin
einen „Wagen aus dem Holze des Baumes ara^u, m., Calosan-
thes indica Bl. Allein aksha- heisst nie und nimmer Wagen,
sondern Achse und eine Achse aus Holz wäre absurd. Ludwig
will daraus „Würfel aus Aratu-holz" machen, allein der Dichter
kann doch unmöglich mit seinem Schutzherm um freie Geschenke
würfeln. Ich möchte desshalb in araive äJcshe erstens aksha
— 158 —
als Achse fassen, in ara(va aber ein aus araj{a)tu (= zend.
erezata, skt. raj'afa, oskisch arageto, lat. argentum, Silber) regel-
recht in aratu umgewandeltes Substantiv sehen, woraus ara(va
als Adjectiv durch das Suffix a ebenso gebildet worden wäre,
wie z. B. im Zend die Form ^pithvm aus pitu^ m. Speise, in
tart-pitliwa , n. schlechte Nahrung. Ich nehme dess wegen
ara(vS dicshe als acc. pl. wie in Strophe 32 ^atärn dds4 (s. oben
pag. 143). „Silberne Achsen" an goldenem Wagen würden
ganz und gar Mithras goldenem Wagen mit silbernen Speichen
entsprechen, dessen Rosse goldene Vorderhufe und silberne
Hinterhufe haben. (Mithra-Yasht 125, s, auch Spiegel, Avesta-
Uebers., Bd. II, pag. 99 und Duncker, Gesch. d. Arier^, pag.
437). Vielleicht war auch der goldene Wagen des Vayu in
der iranischen Mythologie ebenso ausgerüstet wie der Wagen
Mithras. Ist vielleicht in Str. 27 citrcim (seil, rdtham, Wagen)
mit ara(vS äkshe so zu construiren: einen gleissenden (Wagen)
auf silberner Achse, im Sinne eines loc. sing.?
In Strophe 28 folgt nun noch ein neues Wagengeschenk,
nämlich ein ajman, n. (lat. agmen), einen Zug, der von Rossen
gezogen wird, einen von Antilopen und einen von Hunden ge-
zogenen. Der von Rossen gezogene {dgveshüawi) bedarf natür-
lich keiner weiteren Erklärung, die zwei andern aber sind
ausserordentlich merkwürdig. Schon das indische Alterthum
hat rujeshitam nicht mehr verstanden. Es ist durchaus ana^
leyofievov. Der Padapä^ha erklärt es durch rujah-ishitam, gegen
alle Lautgesetze. Aber, da ein rdj'a oder rajä, das einzig mög-
liche Wort, aus dem, in Verbindung mit ishitam, ein räjeshi-
tam hervorgehen konnte, aus der übrigen Sanskritsprache nicht
erklärt zu werden vermochte, so wurde offenbar an das im
Sanskrit sich einzig bietende rnjas, Fiusterniss, gedacht, ohne
dass auf diesem Wege ein Sinn in das Wort kommen konnte.
Säyana erklärt es mit ushira gardahha vdf Kameel oder Esel.
Da jedoch in unserer Dänastuti das Kameel ganz speciell als
uskfra hervorgehoben wird, kann raJa nicht Kameel bedeuten,
— 159 —
aber ebensowenig Esel, wofür, sowenig als för die Bedeutung
„Kameel", sprachvergleichend ein Anhaltspunkt oder gar eine
Begründung gefunden werden könnte. Es bleibt uns aber
wirkhch nur die Sprachvergleichung zur Aufhellung des Wortes
rdja übrig, Sie führt uns auch auf den wirklich richtigen Pfad.
Curtius vergleicht in seinen Grundzügen der griech. Etymologie-^,
pag. 131 und 132: al/.r^, Elchthier, skt. i-tga, ]-i^a, Bock einer
Antilopenart, lat. alces, althochd. elaho, skandinav. elg-r. In diese
Reihe gehört unser räja^ es bedeutet Alk, Antilope. In Strophe
28 wird offenbar Väyu, der Windgott, mit dem freigebigen
König absichtlich verwechselt und amalgamirt. Xun reitet oder
fährt Yäyu in der indischen Mythologie auf Antilopen (s. z. B.
WoUheim da Fonseca, Myth. d. alt. Indien, pag. 113). So war
es denn wohl auch der Väyuverehrer würdig, auf mit Elchen
bespannten Wagen zu fahren. Oder hatten die Turvaya, die
aus dem turanischen Norden, wo man mit Elen- und Renthieren
fährt, hergezogen waren, diese nordische Sitt« in Parthien ein-
gebürgert? Aus iranischen Traditionen scheint mir ein Elchge-
spann nicht weiter erklärbar. Dagegen widerstrebt ein von
Hunden gezogener Wagen als Ehrengeschenk dem indischen
Geiste ganz und gar, aber allerdings nicht dem iranischen. In
Iran und Turan, pag. 72 hatt« ich die Hundeverachtung der
Sanskrit- Arier, sowie die Hunde Verehrung der Zend- Arier in
dem Avesta dargestellt. „Im Gesetzbuch", sagt Duncker, Gesch.
d. Arier 2, pag. 553 (s. auch ff.), -erscheint die Liebe und Achtung
der Iranier vor ihren wachsamen Hunden so hoch gesteigert,
dass der Hund fast höher gestellt wird als der Mensch.^ Ich
kenne aus der indischen Mythologie nur einen Gott, der auf
einem Hunde reitet und der davon den Namen (^vdgva „einen
Hund {cvaii) zum Pferd {acva) habend", hat, das ist Bhairava
oder Qiva. Das Wort ist aber nicht zu belegen, sondern be-
gegnet nach dem Petersburger Sanskritwörterbuch s. v. nur im
englischen Sanskritlexicon von Wilson, der es aus einem indi-
schen Lexicographen hat.
— 160 —
Nachdem nunmehr die Geschenke an Wagen und Zugvieh
erörtert worden sind, erübrigt noch die Besprechung der reichen
Geschenke an Rindern und Kühen. Der Panegyriker will von
König P}ithu9ravas 1000 schwarze Kühe und 10,000 Kühe
mit drei hellen Flecken empfangen haben. Nach Säyana müssen
sich diese drei weissen Flecken auf der Stirn, auf dem Rücken
und auf den Seiten der Kuh befinden. Dazu kommen dann
noch (in Strophe 29) 60,000 Stiere, ferner (in Str. 30) ganze
Herden Ochsen (verschnittener Stiere). Das ana^ Xay6(.ievov
tryarusM ist doppelt interessant, einmal für die Geschichte der
vedischen Rindviehzucht, worüber gelegentlich später, dann aber
für die Geschichte des indischen, resp. vorindischen Cultus.
Denn die drei rothen Flecke der Kühe stehen in Verbindung
mit den drei Augen des Rudra-^iva Tryahshauj dieser ist aber
nach zahlreichen Stellen der Brähmana und des Epos „der Herr
des Viehes" pagupati. Wenn dieser drei feuerrothe Augen
hatte, so galt es für den frommen und zugleich klugen Hirten,
Kühe zu züchten, die des Schutzes des „Herrn des Viehes"
schon desshalb in hohem Grade würdig waren und theilhaftig
werden mussten, weil sie des Schutzgottes eigenstes Merkmal
und Symbol auf dem Leibe trugen.
Es folgt nun noch das für den Dichter der Dänastuti kost-
barste Geschenk, das er absichtlich als Glanzeffekt auf den
Schluss seines Dankliedes aufhebt, das ist die jugendschöne,
goldbehangene Sklavin. Da aber der Dichter aus aesthetischen
Rücksichten auf das Geschenk an Rossen, Stieren, Ochsen und
Kameelen nicht unmittelbar das Geschenk einer schönen Sklavin
folgen lassen kann, so lässt er das Lob für das bei Balbrttha
Taruksha empfangene Geschenk von hundert männlichen Skla-
ven vorausgehen.
Die 100 Sklaven {gatdm däsS), wenn wir, was wohl unum-
gänglich ist, in däsS einen zendischen Acc. plur. für dusän er-
blicken dürfen, haben ihr Analogen in den gatäm ddsän der
Välakhilya Dänastuti (Rigv. VIII, 56, 3), denen ebenfalls 100
— 161 —
Esel (^atdvi yardubhdnam) und lUO Lämmer {gatdm ürndvati-
näm) vorausgehen. Und zwar ist diese Dänastuti dadurch merk-
würdig, dass sie dem Kanvadichter Praskanva zugeschrieben
wird. Die Kanva standen aber, wie Zimmer, Altind. Leben
pag. 122 bewiesen hat, in naher geographischer Beziehung zu
den Turva9a-Yadu. So ist es denn ganz entsprechend, wenn
Rigv. X, 62, 10, der einzigen Stelle, ausser den zwei obigen,
wo ddsa als Sklaven erwähnt werden, Yadu- Turva ebenfalls
zwei Sklaven zum Geschenk machen. Es ist wohl damit die
hochwichtige Thatsache erwiesen, dass die brahmanischen Sans-
krit-Arier des Rigveda den systematischen Menschenraub zum
Zwecke des Sklavenhandels nicht betrieben, sondern denselben
vielmehr den Halb- Ariern, den arisirten Turaniern überliessen.
Ist dies richtig, so kann seinerseits Balhutha Taruksha^ der
Spender der hundert Sklaven an Va9a A(}\ja., nur ein Turva9a
sein. Der Name Balbüthd wird von Böhtlingk-Roth, Ludwig,
Zimmer und Grassmann als lat. balbus, balbuti&ns erklärt, still-
schweigend also ein Verbalstamm *baU)üth oder *balb ange-
nommen, wofQr allerdings das Paacavin9a-Brähmana (bei Böhtl.-
Roth) balbaläkri, balbalä-machen , stammeln, aufweist. Das
Suffix ütha bildet jedoch immer nur solche Nomina, die den
Accent auf der Wurzelsylbe haben, vgl. die vedischen Substan-
tive vdrutka, n., Schutz, Schirm, von W. i^-e", schützen, j'drütha,
m. nach Grassmann „der abzehren machende" von Wurzel jri^
abzehren, Name eines von Agni besiegten Dämons. Mir will die
Deutung „Stammler" nicht recht einleuchten. Ich möchte vielmehr
diesen Balbüthd, dessen Schlusssylbe thd möglicherweise ein prä-
kritisch abgeschliffenes stka ist, wofür allerdings tilia zu erwarten
wäre, mit Bin'bu (für ursprüngliches *Barbu) in Zusammenhang
bringen, der nach Rigveda VI, 45, 31 König der Pani ist (ddki
BribuJi Panindrn varshishihe mürdhdnn asthdt „an der höchsten
Spitze der Pani stand Bribu) und der an derselben SteUe Str. 33
als überaus freigebig geschildert wird {Bribum sahdsraddtamam)
Nach ^'ankhäyana's Qrautasütra 16, II, 11 (bei Böhtl.-Roth)
Brunnhofer, Vom Aral bis zur Gangä. 11
— 162 —
hat Bharadväja bei Bribü, dem Zimmennann oder Bauherrn urnl
bei Prastoka, dem (König der ?) Srinjaya, eine Spende empfan-
gen, üeberdie Pani, als die Parner-Daher, s. oben pag. 134 — 141.
Sie besorgten den indischen Transithandel, der sich den Oxus
liinunter über das Kaspische Meer nach Armenien und dem
Pontus bewegte, waren reiche Kaufherrn und konnten sich die
glänzende Protection fahrender Minstrels wohl gestatten, ihre
Mittel erlaubten es ihnen. Wenn sie aber, wie wir oben pag.
130 gesehen hatten, arisch übertünchte Turanier waren, so stimmt
das wieder zu der Annahme, dass dieser Bribu ethnisch in Zu-
sammenhang stehe mit Balbüthd. Diese Annahme erscheint
um so gerechtfertigter, als dieser Balhüthä noch Tdi-ulcsha
heisst, den ich nicht anstehe, als Türken zu fassen. Der Sans
kritname derselben ist sonst TürtishJca, nach Lassen, Ind. Alter-
thskde, Bd. I, pag. 728 entstanden aus *Turvaska, also aus
TurvOQa. Im Romakasiddhänta in Aufrechts Katalog der Ox-
forder Sanskrithandschriften pag. 339* heisst aber Turkeatan
nicht ^Turuslihasthdna^ sondern vielmehr Turashhustlidna. Viel-
leicht findet sich auch noch Tdruksha als Türkenname. Der
Name begegnet erst wieder in der buddhistischen Literatur,
wo ihn Weber, Ind. Stud., Bd. III, pag. 159 aus dem Anfang
des tevijja (t^raividyä)-sttTa.m (Dighanikäya T, 13) nachweist.
Da wird erzählt: In Manasäkata an der Aciravati, im Lande
der Kosala, lebten mehrere reiche und gelehrte Brahmanen,
so Tdrukkha und Nodeyya. Weber macht darauf auf-
merksam, dass Tdrukkha an den Tdrukski/o des Aitareya
Aranyaka erinnert, den er aber freilich im Katalog der Berliner
Sanskrithandschriften, Bd. II, pag. 8 als Tdrkshya auffahrt.
Den Nodeyifa fasst er als Nachkommen des Nodhas (Gautama)
des Rigveda. Der Reichthum des Tdruksha hatte sich also in
der inzwischen in den Brahmanenstand beförderten Familie
Jahrhunderte lang fort erhalten, wenn nicht die buddhistische
Erzählung selbst aus vedischen Zeiten stammt. Ist aber Tdrkshya
= Tdn'ukshya (ein Tdrnk^hya, erklärt als Tarnh'-shasydiyatyam
— 163 —
Aitareya-Aranyaka bei Weber, Ind. Stud. Bd. 1, pag. 391, Anm.),
der nur im gana Gargädi bei Pän. IV, 1, 105 begegnet, so dürfen
wir mit um so grösserer Wahrscheinlichkeit das Wort Tdruksha
als Türke nehmen, als das Wort Tärkshija als masc. schon
im Rigveda das Sonnenross, dann aber auch rein appellati-
visch das Ross bedeutet, mithin, nach dem Zusammenhang des
bereits Vorgebrachten, wohl nichts anderes ist als eine Parallele
zu Taurvaga, das Ross, im Sinne von: der Türke, wie wir
,der Araber, der Ungar "im Sinne von Pferderacen sprechen.
Indem ich nachträghch den sich hier bietenden freien Raum
benutze, um auf die 'nach der ersten Correctur dieses Bogens
mir von Weber zugekommene Abh. „Episches im vedischen
Ritual* in Kürze einzugehen, bemerke ich bezüglich des von
Weber pag. 29 u. 30 über Bribu und Balbüthd Beigebrachten
Folgendes.
Bei BcUbuthd, der möglicherweise eher BaaJbüthd gelesen
werden muss, womit er dann so wie so als Semit gekennzeich-
net wäre und nach Babylon wiese, habe ich auch daran gedacht ,
ob der Name nicht im Sinne eines sanskritisch unmöglichen
(das Sanskrit kennt die Lautverbindung bl nicht) *Bahluthä fÜ r
*^a^/7M-s^Ärt ..König von Babylon "^ gedeutet werden solle? Jeden-
falls ist mit Weber Balbüthd als besondere Persönlichkeit von
Tdruksha zu trennen. Den Tdruksha habe ich schon pag. XII
der Einleitung zu „Iran und Turan" (1889) als Türken auf gefasst.
Ebendort hatte ich auch schon die Vermuthung ausgesprochen,
dass vedische Rishis bis nach Babylon gekommen seien.
11
V. Der Zusammenliaiig des Zoroastrismus
mit dem Bralimanismus.
1. Uel)er die Sage YOn der Verschmelzung des Zoroastris-
mus mit dem Bralimanismus durch Barius Hystaspes.
Ammianus Marcellinus berichtet Lib. XXIII, cap. 6, 32 (ed.
Gardthausen, T. I, pag. 327), an einer Stelle, die schon A. Weber
in den Ind. Skizzen'-^, pag. 108 „sonderbar" gefunden hat, dass
Hystaspes, der Vater des Darius, die Geheimnisse des oberen
Indiens durchforschte und darüber zu einer Waldwilduiss kam,
von deren feierlicher Stille sich der hehre Geist der Brahmanen
ergriffen fühlte. Bei diesen habe er sich soweit er nur gekonnt
habe, über die Bewegungen der Himmelskörper und die Opfer-
wissenschaft unterrichten lassen, wovon er dann einiges in die
Lehre der Magier habe einfliessen lassen. Die ganze, merkwür-
digerweise bisher noch wenig beachtete Stelle lautet: In hi^
tractihus (in Medien) Magorum agri sunt fertüesj super qv/yruni
sectd studiisque^ quoniam Mc mcidimus, pauca conveniet expedin.
magiani opinionum tnsignium auctor amplissimus Plato macJui-
yistiam esse verho mystico docet, dCmnorum incon-uptissimum
cultum^ cujus scientiae saecutis pi-iscis muUa ex Chaldcteorum
arcanis Bactrianus addülä Zoroastres^ deinde Hystaspes rex
prudentissimus Darei pater. 33, qut cum super toris Jndtae
secreta fidentius penetraret, ad neviorosum quandam
venerat solitudinem^ cujus tranquillis silentiis prae-
— 165 —
celsa Brahmanorum ingenia potiuntur eorumque monitu
rationes mundani motus et stderum purosque sacro-
rum ritus quantum colligere potuit eruditus, ex his,
guae di'dictt, aliqua sensi'bus inagorum tnfudt't, quae
tili cum disciplints praesentiendifutura per suam quis-
que progeniem posteris aetatihus tradunt.
Die werthvolle Mittheilung des Animianus Marcellinus ist
zu reich ausgestattet mit Einzelangaben, als dass sie für eine
Träumerei gehalten werden darf. So gut der Magier Mani um
250 nach Chr. in Babylon es wagen konnte, christliche, zara-
thustrische und buddhistische Religionselemente zu verschmelzen,
80 gut konnte schon ein persischer König der Urzeit es versucht
haben, zarathustrische mit brahmanischen zu amalgamiren.
Was zunächst die Lehre der Mager betrifft, die Plato macha-
gistia nenne, so erklärt sich dieses Wort aus einem aus höch-
stem Alterthum stammenden Sanskritwort *'mahä gishti, nach
ursprünglicher Aussprache also machd chisti „die grosse Beleh-
rung." Denn maha ist sanskritisches inahd, worin, wie zum
Theil noch vedisch, h als gh, 7, und c als ursprüngliches / aus-
zusprechen ist. Das Wort ist desshalb interessant, weil es die
Lehre der Mager, doch eines medischen Stammes, mit einem
Worte bezeichnet, das nicht den specifischen Charakter irani-
scher Sprache, nämlich Umwandlung des ä in z (vgl. zend
maza, gross), zeigt, sondern das volle sanskrit-arische Wort
maha mit Bewahrung der aspirirten Gutturalmedia
Von allerhöchster Wichtigkeit ist die Meldung, dass Hy-
staspes, der Vater des Darius, im „obem Indien {superiöris
Indiae)", gewesen sei und dessen „unbekannte Gegenden erforscht"
habe (secreta ßdentius penetraret), dass er alsdann in eine „Wald-
wildniss" {nemorosam quundam venerat solitutudiTiem) , „von
deren feierliche Stille die erhabenen Geister der Brahmanen
ergriffen würden" (cuj'its tranquälis süentiis pra^celsa Brahma-
norum iagenia potiuntur\ dort habe er sich auf deren Mahnung
in die Lehre von der Bewegung der Welt imd der Gestirne
— 166 -
einweihen lassen und sich, .soweit er es nur vermocht habe, die
Kenntniss ihres Opferrituals verschafft {eoi-umqtie vionüu ratt'ones
mundani motus et siderum purosque sacroruin rüus quantuni
colligere potui't eruditus), „alsdann habe er einiges von dem was
er (bei den Brahmanen) gelernt, in die Lehre der Magier ein-
fliessen lassen {ex Ms quae didick, aliqua se^isibics magorurn,
Infudtt). Die ferneren Mittheilungen Ammians über die Magier
dürfen uns hier nicht weiter beschäftigen. Dagegen wird es
.sich in hohem Grade lohnen, obige Traditionen auf ihren histo-
rischen Werth hin zu prüfen.
Wenn hier mitgetheilt wird, Hystaspes, der Vater des Da-
rius I, sei im „obern Indien" gewesen, so ist vor Allem darauf
hinzuweisen, dass historisch nichts davon bekannt ist. Darius
hat niemals einen Feldzug ins Obere Indien, d. h. ins Pandschab,
unternommen. Wohl aber wissen wir aus den Behistaner Keil-
inschriften des Darius, dass sein Vater Vistä^pa in Parthien
war, um den Aufstand der Parther und Hyrkanier zu dämpfen,
die sich dem Aufrührer Fravartis angeschlossen hatten. (Vgl
Duncker, Geschichte dee Arier ^, pag. 8-33). Nun wissen wir,
(s. mein Iran undTuran pag. 142), dass der persische Geschicht-
schreiber Ahmed Razi das Land Mazanderan Hindu sefid
„Weiss -Indien" genannt hat. Es ist wahrscheiuHch , dass das
supenor India der uns unbekannten Quelle des Ammian (Kte-
sias?) dieses Hindu sefid der Perser des Mittelalters gewesen
ist. Dann wird die Angabe, Hystaspes sei von dort aus in
eine „Waldwidniss" [nemorosa solitudo) gekommen, sehr ver-
ständlich im Hinblick auf den noch bis zur Stunde andauernden
Charakter Mazanderans als einer zu stillem Hinbrüten einladen-
den Waldlandschaft (s. mein Iran u. Turan pag. 176 — 167).
Ob zu des historischen Vistä^pa, des Vaters des Darius,
Zeiten, noch brahmanische Sanskrit- Arier in ihren alten Wohn-
sitzen in Mazanderan sitzen geblieben waren, ist zwar nicht
absolut unmöglich, aber wenig wahrscheinlich. Ausserordent-
lich wahrscheinlich ist dagegen, dass uralte Ueberlieferungen,
— 167 —
die sich an den Familiennamen der Viata^pa anhefteten, auf den
historischen Vistä^pa, den Vater des Darius, übertragen wurden.
Die angeblich von Hystaspes,dem Vater des Darius, vorgenommene
Verquickimg der brahmanischen Lehren und reinen Opferge-
bräv^che mit denen der Magier, d. h. des Zoroastrismus, beweist
nur, für wie nahe verwandt das persische Alterthum den Brah-
manismus und Zoroastrismus gehalten hat.
Die rationes mundani motus et sidei-um purosque sacrorum
ritus mochte ich einfach auf das vedische ritdm, den gesetz-
mässigen Lauf der physischen und moralischen Weltordnung,
beziehen, der im Opfer das Bindeglied zwischen Himmel und
Erde neben sich hat: ,jEs (das ntam) durchdringt die ganze
Welt; der Lauf der Flüsse, die Bewegung der Gestirne, der
Wechsel der Jahreszeiten sind seine Manifestationen." Ludwig,
Die philosophischen und reUgiösen Anschauungen des Veda,
pag. 17. Das in augenfällige Erscheinung tretende ritdm ist
das Opfer, desshalb heisst der Opferplatz ntdsya sädas youi
nßbhi, „das Centrum der Weltordnung." S. darüber oben Ein-
leitung pag. XII — XIV.
2. Die Amritäsah tiiräsah des RigTeda nnd die
Amesha ^penta des Avesta.
In seiner Eramschen Alterthskde Bd. I, pag. 435 ff. und
Bd. II, pag. 27 ff. hatte Spiegel die Amesha 9penta der Zoro-
astrier mit den Aditya der sanskrit-arischen Inder zusammenge-
stellt und dabei insbesondere auf die Siebenzahl aufmerksam
gemacht, iu welcher beide Göttergruppen bei ihren Anhängern
auftreten. Später jedoch, in „Die Arische Periode" pag. 198
hat er diese Zusammenstellung wieder vollständig zurückgenom-
men, da ihm inzwischen Zweifel an der Identität mehrerer von
ihm früher mit einander verglichener Götter der Zoroastrier und
Brahmanen aufgestiegen sind. Ich habe nicht die Absicht,
Spiegel in der Bezweiflung der mythologischen Identität des
— 168 -
Vyitahan und des Verethraghna zu folgen oder daran Anstoss
zu nehmen, dass die Aditya auch in der Achtzahl vorkommen.
Dagegen mache ich aufmerksam auf eine Stelle eines der ältesten
Mandala des Rigveda, wo die ami'itdsdh turdsak dem Begriff
nach mit den Amesha-Qpenta zusammenzustimmen scheinen.
Die Stelle Rigv. V, 42, 5 lautet:
dev6 Bhägah Samtd räyo Anga
Indro Vritrdsya samjüo dlidnänä'm \
Ribhuhshä Vdja utd vd Püramdhir
ävantu no Amritäsah turdsah |j
^Der Gott Bhaga, Savitar (der Spender des Reichthums),
Ari^a, Indra (der Besieger des Vritra), — die Eroberer von Reich-
thtimern, — ferner Ribhuksha Väja und Puramdhi, sie mögen
uns helfen, die unsterblichen Tüchtigen."
Von den genannten Göttern kommen Bhaga und Anca im
spätem System der sieben Aditya vor — Mitra, Aryaman,
Bhaga, Varuna, Daksha, An^a — die andern dagegen passen
weder in das System der Aditya, noch der Amesha 9penta,
Dagegen scheint es mir auffällig, dass in dieser Stelle, je nach-
dem man Ribhuksha Väja als Einheit oder als zwei Götter fasst,
entweder sechs oder sieben Amptdsah turdsah angerufen werden.
Ich möchte Ribhuksha Vdja als Einen Gott fassen, als welcher
er in der überwiegenden Anzahl der Stellen, wo er erwähnt
wird, auftritt, nämlich Rigv. VI, 50, 12; MI, 37, 1; VII, 48, 1
und 3; X, 64, 10; X, 93, 6. Nehmen vdr aber diesen Ribhuh-
shd Väja als Einheit, so erhalten wir solcher Amrftdsah turd-
sah gerade sechs und diese stehe ich nicht an, mit den sechs
Amshaspands des Nanm ^täisni des Khorda-Avesta (Spiegels
Avesta-Uebers., Bd. lU, pag. 20) zu vergleichen. Wer diese
sechs Amshaspand seien, wird leider in der Avestastelle nicht
angegeben.
Ich möchte nun aber in den Amrüdsah turiinah eine direkte
vedische Wiederspiegelung der Amesha i^penta der Zoroastrier
— 169 —
erblicken, wobei es frei steht, anzunehmen, dass die obige Rig-
yedastelle vielleicht älter ist, aLs die Ausbildung des, nach
Spiegel nicht sehr alten Systems der Amshaspands. Ueber
amrita = amesha natürlich kein Wort. Was üira betrifft, so
sfrimmt, sein Begriff: tüchtig, kräftig (öfters Beiname der Aditya),
vollkommen zu dem ursprünglichen Begriff von cpenta.
Denn dieses Adjektiv, ursprünglich Partie. Perf. Pass., bedeutete
ursprünglich auch nichts anderes als vermehrt, gefördert, ge-
kräftigt, kräftig, von W. cpan, fördern, wachsen (Justi Zendwb.,
pag. 302). Analog dieser Begriffsentwrckelung ist die von
zend. gura, stark, hehr, heüig, vgl. den Namen der Wasser-
und Fruchtbarkeitsgöttin Ardvi Qüra Anähita im Avesta, femer
ist analog die von griechisch uqoq, das man mit skt. isJiira,
kräftig, zusammenstellt und ähnlich ist auch im Germanischen
das Verhältniss von heil und heilig. So könnte auch turä in
der Verbindung amritdsali turdsah eine Gleichung bilden mit
dem zendischen amesha gpenta, die unsterblichen Heüigen oder
die heüigen ünsterbKchen, es könnte ein vedisches Aequiva-
lent sein für die Amshaspand des Avesta.
3. Ein zarathnstrisches Lied anAkömanö im AtharTayeda.
VI, 45.
Paröpehi Manaspäpa htm d^stdni ^iisasi\
pdreht nd tvä kamaye vrtkshdn vdnäm sdm carä
gi-ihSshu göshu me mänah || 1 \\
avagdsä m'hgdsd ydtparägdsd
uparima j&graio ydt svapdntah \
agnir vigvdny dpa dushkritdny
djnshfdny drS asmdd dadhdtu || 2 ||
ydd indra brahmanaspatS ''pi mrisha cdrdmasi
prdcetd na dngirasö duritdt pdtv dnhasah j| 3 ||
Pack dich hinweg, du Böser Geist, was lehrst du uns
Ruchlosigkeit?
— 170 —
Pack dich! nicht lieb' ich dich, spazier du in den
Wald hinaus, mein Herz
Ist bei den Küh'n im Haus daheim || 1 ||
Was wir im Wachen und im Traum gesündigt
In Schmähung, Zwietrachtstiftung und Verleumdung
Möge doch Agni alle unsre Frevel
Und Missethaten fern weg von uns nehmen! || 2 ||
0 Indra, Brahmanaspati, wenn wir uns strauchelnd je
vergehn,
Möge der weise Angiras uns schützen vor Versündi-
gung!|l3i|
Nicht mehr und nicht weniger als ein Lied an Akömanö,
an den Bösen Geist des Avesta! Zunächst ist die Form des
Wortes Manaspäpa merkwürdig. Zweifellos aus manasTP^pO'
zusammengesetzt, wird das Wort trotzdem auch vom Atharva-
veda-Präti9äkhya II, 79 nicht als Compositum betrachtet, denn
es müsste dann manahpdpa lauten. Das Wort stammt also aus
einer Zeit, wo das specifische WohUautsgesetz des Sanskrit,
wornach das Schluss-s eines vorhergehenden Wortes sich vor
dem Anfangs-/* des unmittelbar folgenden Wortes in den
Viaarga, ä, verwandelt, noch keine Geltung hatte. Das Wort
wäre eigentlich ein Neutrum vianah päpam^ böser Geist, es wird
hier aber offenbar als masculinum manaspäpah gefasst, also als
Personenname, nicht als AppeUativum, behandelt. Ein Manas-
pdpcJi, kehrt aber sonst in der ganzen Sanskritliteratur nicht
wieder und dass er hier durchaus als Person gedacht wird,
geht zur Genüge aus den zwei ersten Versen hervor, inbesondere
aus der Aufforderung, er möge sich doch in den Wald scheren.
Das Lied ist von einem brahmanisirten Zarathustrier gedichtet
und dass es solche schon im höchsten Alterthum gegeben haben
wird, lehrt die Analogie des leichten Eintritts der Magapriester
in die brahmanische Gemeinschaft, wie er für die spätere Zeit
durch Webers Edition, Uebersetzung und Erklärung der Maga-
vyakti bekannt geworden ist.
— 171 —
Spiegel fasst das Wesen des Akömano in seiner Eranischen
Alterthskde, Bd. IL pag. 12S also zusammen: „Sein Streben ist,
in den Menschen die Liebe zu den guten Werken erkalten zu
lassen, w^m Menschen in Streit gerathen, so sucht er ihre
Aussöhnung zu hindern, er strebt vielmehr ihren Hass zu ver-
grössern, so dass womöglich Mord und Todschlag die Folge
des Unfriedens werden. Wenn die Menschen die Vorschriften
des Verstandes ausser Augen setzen und thun, was sie nicht
thun sollten, so ist dies ein Werk des Akömano," Vgl. die
Avestastelle Yayna XXXII, 5 (bei Spiegel Bd. U, pag. 126):
^Wenn euch, die Daevas, durch schlechte Gesinnung, Akamainyu
schlechte Thaten und Worte lehrt." In unserm Spruch ent-
spricht der schlechten Lehre des Akömano die Anrede an den
Manaspäpah: k(m ckastäni gansast? Der Inhalt der schlechten
Lehre, der ikastäni, offenbart sich dann in Strophe 2 durch die
Dreiheit avacds^ nihgds und pard^ds^ Verkleinerung, Zwietracht-
stiftung und Verleumdung, denn dies etwa wird der Sinn der
mit den Präpositionen ava^ herunter, nü}, entzwei-, parä über
piiier: die Wahrheit] hinaus, verbundenen Wurzel caiis, lehren,
sein. Da diese Verbindungen bis jetzt nicht anderwärts nach-
gewiesen worden sind, hält es schwer, den richtigen Sinn dieser
Verbalsubstantive zutreffend zu fassen. Die dushkritdni ajush-
fäni repräsentiren die schlechten Thaten. Wir finden also in
diesem Spruche die litui-gische Trias des Zarathustra wieder:
Gedanken, Worte und Werke, über welche vgL mein Iran
und Turan pag. 191 — 195 Str. 1: Mana^päpa, Str. 2: avagdsd,
nth^dsdjpardgdsdj Str. Z' dushk-t-itdni dj\isktdni, ganz entsprechend
der Dreiheit der Formel in oben citirter Ya9nastelle.
In dem Verhältniss des ManaspdpaJi des ersten Fäda der
ersten Strophe zu dem manas des Beters im zweiten Päda dieser
Strophe drückt sich der Gegensatz aus des zu friedlicher Cultur-
arbeit geneigten sesshaften Viehzüchters, dem im festen Wohn-
sitze bei seinen Kühen wohl ist, gegenüber dem eigentlich in
die Wildniss hinaasgehörenden treulosen Nomaden. Dieser
— 172 —
Gegensatz wiederholt sich dann nochmals im Verhältniss des
Manaspdpah zu dem präcetä Ängirasa, d. i. zu Agni, dem Be-
schützer von Haus und Heim, dem grihdspati. Wie AkSmanS,
die schlechte Gesinnung, der Widersacher des Vohümano, der
guten Gesinnung ist, so soll in unserm Spruch der prdcetd
Angirasd^ der weise Agni, das Ideal der frommen Gesinnung
bei den Brahmanen, die unter dem Einflüsse des ManaspapäTj,
vom Beter begangenen oder etwa noch zu begehenden Sünden
wieder gut machen.
Schliesslich ist noch zu bemerken, dass die Aufforderung
an den Manaspdpah^ er möge sich in den Wald scheren, ganz
zarathustrisch erscheint. Wenn der ausgelemte lebensmüde
Brahmane in den Wald zog, um sich im Genüsse schöner Natur
in Andacht zu versenken, so konnte der Wald nichts an sich
haben, was ihn in seinen Augen zima Bestimmungsort schlechter
Gesinnung machte, da er dem Sanskrit- Arier ohnedies als Stätte
der Wonne [vana) erschien. Ganz anders beim Zarathustrier.
Für diesen ist der Wald die Stätte der Finstemiss. Desshalb
gehört die schlechte Gesinnung als personificirter Ausdruck der
Finsterniss in den Wald. Die Seele dessen, der einen Hund
tödtet, schweift yatlia vehrTco vaydtuU^ draninJe barezist^ razuire
„als Wolf in dem Grauen erregenden tiefen Walde." Ven-
didad XIII, 24. Die Alliteration vrilcshdn vandn entspricht der
entgegengesetzten griheslm goshu und ist ?v diu dvoiv. Der
zarathustrische Brahmane hatte wohl das Zendwort varesha =
skt. vnksha in unmittelbarer Vorstellung, der sich das folgende
vanän aus seinem secundären sanskritischen Sprachbewusstsein
tautologisch ergänzend anschloss.
Die Frage: wie konnten zarathustrisch concipirte Zauber-
sprüche in den Atharvaveda kommen, entscheidet sich durch
die höchst werthvolle, bis jetzt nicht erklärte, Mittheilung der
Magavyakti (ed. Weber, pag. 455), die 18 von König (^ämba
aus dem Qdkadm2>a (!) nach ^ämbapura an der Candrabhaga
im Pandschab herbeigeholten Familien der Maga hätten die
— 173 —
vier Vedas gehabt unter den Namen Vada, Vigvavada, Vidut^
Angirasa. Die ersten drei deutet Weber zweifellos richtig als
Yagna, Vispered und Vendidad. Ueber deu vierten schweigt er.
Wenn nun aber (s. Weber, Ind.Literaturgesch.^, pag. 165, Anm. 3)
die Gesetzbücher des Yäjnavalkya und Manu den Atharvaveda
nennen: Atharvangirascdi , so wird wohl für den vierten Veda
der M^a, den Angirasa, kein anderer Schluss übrig bleiben,
als dass derselbe eben geradezu der Atharvaveda oder etwas
diesem direkt Entsprechendes, Theile des Atharvaveda Enthal-
tendes, gewesen sein muss. In diesen Angirasa- Veda der Maga
würde unserer Spruch gehören.
Ich mache hier übrigens noch aufmerksam auf den Namen
der vierten Klasse der (^äkadvipiya-ßrahmanen , nämlich Man-
daga (s. Weber in der Magavyakti pag. 455). Das Qäkadvipam
liegt nach letzterer (s. dort pag. 454) jenseits des Lavanoda
(des Salzmeeres, offenbar, vom indischen Standpunkt aus, des
Arabischen Meeres) und ist vom Kshiroda, dem Müchmeer, um-
geben. Das Milchmeer ist aber, wie wir wiederholt gesehen
haben (vgl. übrigens mein Iran und Turan pag. 7— S), das Süd-
ufer des Kaspischen Meeres. Nun kennt aber Ptolemaeus VI,
2, 11 im nördlichen Medien eine Stadt MavdayaQa und VT, 2, 2
eine Stadt MavdäyaQOiq im nördlichen Küstenstrich von Medien.
Ist Mavdäyaqaig = skt. *MandagarsM = * Mandaga-i-ishi'i
4. Das Thiermärchen von dem Wettstreit zwischen
Adler nnd Ross bezüglich ihrer Sehkraft, im Catapatha-
Brähmana und im Avesta.
Schon in meinem „Iran und Turan" pag. 157 — 163 habe
ich auf eine Reihe von Berührungspunkten aufmerksam gemacht,
die das Qatapatha-ßrähmana, jene Encyclopädie altbrahmanischen
Traditionswissens von etwa rund 800 vor Chr., mit dem Avesta,
d. h. mit dem im Avesta überlieferten Traditionalwissen der
— 174 —
zarathustrischen Tränier, gemein liat, so zwar, dass, da eine Ein-
wirkung des Qatapatha-Brähmana auf den Avesta historisch-
geographisch wie auch rehgionsgeschichtlich undenkbar ist,
umgekehrt an eine Einwirkung iranischer und zwar vielleicht
schon zarathustrischer Traditionselemente auf das ^atapatha-
Brahmana angenommen werden muss. Zu diesen von mir bereits
nachgewiesenen gemeinsamen Elementen tritt nun noch ein
Thiermärchen , das auf indischem Boden, im Mahäbhärata wie
schon im ^atapatha-Brähmana, zwar noch als Märchen, resp.
als Legende, erzählt wird, im Avesta aber bereits der Rhetorik
verfallen erscheint, sodass es hier niu- noch als Bild verwendet
wird. Die weiterschreitende Forschung 'sWrd zweifellos noch
mehr und weiterreichende Beziehungen zu diesem ehemaligen
Thiermärchen entdecken. Quod hamus damus.
Das ^atapatha-Brähraana III, 6, 2, 2 erzählt Folgendes,
welches, da es Delbrück in seiner Abhandlung „Die altindische
Wortfolge aus dem Qatapathabrähmana (Syntaktische Forschun-
gen von B. Delbrück und E. Windisch, Heft III, Halle 1878)
pag, 18 in Transcription und Uebersetzung gegeben hat. ich
hier nach Delbrücks Wortlaut hinsetze:
„Im Himmel war der Soma, die Götter dagegen hier auf
der Erde. Die Götter wünschten: „möchte doch der Soma zu
uns kommen, wir möchten dann mit ihm das Opfer vollziehen."
Sie schufen die zwei Zauberwesen Suparni und Kadrü. Denen
erregten sie Zwiespalt. Die beiden stritten mit einander und
sprachen: „welche von uns weiter in die Ferne sieht, die soll
die Herrin sein." Gut. Darauf .sprach dann Kadrü: „schau in
die Feme!" Suparni nun sprach: „am jenseitigen Ufer dieses
Meeres steht ein weisses Pferd am Pflock, das sehe ich, siehst
du das auch?" „Allerdings." Da sagte aber Kadrü: sein Schweif
hängt herab — jetzt bewegt ihn der Wind — den sehe
ich." Da sprach Suparni: ,.koram, ynr wollen hinfliegen, um
zu erfahren, welche von ims die Herrin ist." Da sprach Kadrü:
„fliege du hin, du wirst uns verkünden, welche von uns beiden
— 175 —
die Herrin ist." Suparni flog hin, und es war so, wie Kadrü
gesagt hatte. Als sie nun wieder zusammenkamen, begrüsste
Suparni sie mit den Worten: „du bist Herrin geworden".
„Ich?" „Ja, du." Kadrü sprach: „dich habe ich jetzt zur
Sklavin bekommen. Wohlan! der Soma ist im Himmel, den
bring" den Göttern herbei, und damit kaufe ich dich von den
Göttern los."
Es folgt nun eine andere Legende, wie Suparni (das Vers-
mass) Gäyatrt schuf, die nunmehr an ihrer Stelle den Soma
herbeiholte. Da diese Legende mit der von uns im Zusammen-
hang mit der alten Thiersage betrachteten weiter nichts zu
schaffen hat, so gehen wir über dieselbe hinweg und fassen nur
die Spuren ins Auge, die uns der Avesta von derselben hinter-
lassen hat.
Der sechszehnte Yasht nämlich, der Din-Yasht 10, 11, 12
13 und nahezu wörtlich übereinstimmend der vierzehnte Tasht,
31, 32, 33 erzählen Folgendes, was ich nach dem Din-Yasht
in Spiegels Uebersetzung des Avesta (Bd. III, pag. 160) gebe:
„Zarathustra opferte der richtigsten Weisheit:
„Damit ihm geben möge die richtigste Weisheit, die von
Mazda geschaffene, reine: Kraft für die Füsse, Gehör für die
Ohren, Stärke für die Arme, Gesundheit für den ganzen Körper
und die Sehkraft, wie sie besitzt das männliche Pferd,
welches in einer dunkeln Nacht, einer regnerischen,
schneeigen, eisigen, hagelnden neunfach (entfernt)
vom Reiche ein auf der Erde liegendes Pferdehaar
sieht, ob es ein Kopfhaar oder Schwanzhaar ist".
Dann fährt der Yasht nach einer Wiederholung des oben
(abgekürzt) vorausgeschickten Einleitungsatzes unmittelbar
wieder fort:
„Dass ihm geben möge die richtigste Weisheit, die von
Mazda geschaffene, reine: Stärke der Arme, Gesundheit des
ganzen Körpers, Gedeihen des ganzen Körpers und die Seh-
kraft, wie sie hat der goldfarbige Geier {kahrkdgd
— 176 —
zarenumamis), welcher neunfach von der Gegend ent-
fernt, etwas Graunvoiles wie von der Grösse einer
Faust erblickt, soviel wie den Glanz einer glänzenden
Nadel, soviel wie eine Nadelspitze".
Dass hier in der Beschreibung des Pferdes, wie des gold-
farbigen Geiers nicht eine gewöhnliche allgemeine Beschreibung
vorliegt, hat schon Spiegel eingesehen. In Anm. 1 nämlich zu
der entsprechenden Stelle in der Schilderung des Pferdes im
Bahräm-Yasht bemerkt er (Avesta-Üebersetzung Bd. III, pag. 146):
„Ich glaube kaum, dass hier von einem gewöhnlichen Pferde
die Rede ist. Höchst wahrscheinlich ist es ein fabel-
haftes Thier, von dem wir nichts Näheres wissen."
Aus den Brähmanas erfahren wir leider auch nichts Näheres.
Gemäss der Sucht derselben, die alten Traditionen allegorisch
auszulegen, erblicken sie in Suparni die Väc, das Wort als
loyog, in der Kadrü die Erde. Sie heissen mäye, weil sie, nach
Säyana, zur Bethörung der weiberlustigen Gandharva {yoshü-
hämä gandkarväli) geschaffen wurden {paravijämohana <^aktir
mäyä). S. darüber insbesondere Weber, Indische Studien Bd. 1,
pag. 224, Anm. 2. Allein wenn wir in Betracht ziehen, dass
inä/ye ein durch die Tradition sanctionirtes episches Epitheton
Omans ist, so kommen wir auch vom Standpunkte dieses mäyd
aus nur wieder zu dem Schlüsse, zu dem Spiegel in der oben
angeführten Anmerkung gelangt ist, dass es sich hier um Reste
einer sonst verschollenen Thiersage handelt.
Vor allem fällt es auf, dass die indische Tradition die beiden
Thiere — denn soviel ist sicher, dass auch Kadru nur ein
Thier sein kann — als Feminina auftreten lässt, während die
zarathustrische Sage dieselben masculin behandelt. Ich möchte
die iranische Fassung für die ältere, die indische für die jüngere,
vielleicht schon im Hinblick auf die allegorische Ausdeutung
auf F(Äc und iÄa?/w' umgemodelte halten. Denn die älteste indische
Tradition, die des Rigveda, kennt keine Supann, sondern nur
einen Suparna, den dt'nya suparna, den schöngefiederten Hirn-
— 177 —
melsvosel und zwar im Sinne eines Adlers oder Geiers, der
vielfache Beziehungen hat, nämlich hald zur Sonne, bald zum
Mond, bald zu Agui, bald zu den Somapresssteinen, bald zu
Soma selbst.
Nicht so durchsichtig wie der Geier, Suparna, resp. Siiparni,
ist Kadrü. Das adj. kadru, zeud. hadrva, bedeutet schwarz-
gelb, braun. Wer ist die Braune? Ich möchte mit Rücksicht
auf die beiden Thiere in den Yashts, in Kadrü eine Stute er-
kennen. Denn (s. schon mein Iran und Turan pag. 95) der
Bimdehesh 22, 4 kennt einen Berg Kadrvoacpa, im Huzväresh
K(mderdgp „schwarzbraune Pferde habend.*' Der Berg liegt
nach dem Bundehesh bei Tüs an den Quellen des Tedschend.
Ich habe a. a. 0. in „Iran u. Turan- den im Rigveda X, 94 er-
wähnten Arbuda Kddraveya verglichen. Ergiebt sich diese
Deutung der Kadrü als einer „schwarzgelben Stute" als richtig,
so klärt sich dann vielleicht auch die Angabe der indischen
Tradition auf, Kadrü sei die Gemahlin des Kagyapa, die Toch-
ter des Daksha gewesen. Der heüige Kacyapa steht sonst
niemals in Verbindung mit Pferden, sondern vielmehr mit
Vögeln. Wie nun, wenn der Zendname des goldfarbigen
Geiers in den Yashts, wenn der kahrkdga zarenumaini in Folge
des Anklangs von *kä^a an *Kagya volksetymologisch auf den
Kacyapa bezogen worden wäre? Einer ähnlichen Deutung
scheint mir auch die Angabe der indischen Tradition zugäng-
lich, wonach Kadrü die Tochter des Daksha gewesen sei.
SoUte das nicht einfach eine brahmanische Zurechtlegung der
Beschreibung der Kadrü sein: Kraft für die Füsse, Starke
für die Arme, Gesundheit für den ganzen Körper, Ge-
deihen für den ganzen Körper? Denn im Rigveda bedeu-
tet das adj. daksha (vgl. Grassmanns Wörterbuch zum Rigveda
pag. 570): tüchtig, kunstreich, kräftig, stark, weise;
alsSubst. m.: Tüchtigkeit, Kraft, Verstand, Wohlwollen,
als Eigenname bezeichnet es einen des Aditya- Götter.
Sollte sich diese Auffassung bewähren, so müsste auf eine
Brunnhofer, Vom Aral bis zur Gangä. 12
— 178 —
direkte Einwirkung der Yashts auf die brahmanische Tradition
im ^atapatha-Brähmana geschlossen werden, andrerseits wären
wir auch historisch-geographisch über die Urheimat der Kadrü^
als schwarzgelber Stute, orientirt. Die Beziehung endlich
auf den Ka^yapa, den ich in „Iran u. Tiiran" pag. 61 als einen
altem Berggott, als die Personification des Kdo/iiov oqog, des
Demävend, nachgewiesen habe, würde wiederum zu der Lage
des an schwarzgelben (kadru) Pferden reichen Berges Konde-
rä9p bei Tüs im alten Parthien vortrefQich stimmen.
YI. Klietorisclie Formeln des ßigveda.
1. Formeln des Hasses im Veda.
In Kakfhivant Dairghatamasa's wunderbar herrlichen Hym-
nus auf die Morgenröthe (Rigveda T, 124^ preist der Dichter die
schrankenlose Güte der Ushas, indem er von ihr Strophe 6 singt:
ev4d eshd purutämä drice kam .
ndjdmim na pari vrinahti jdmim |
„So bietet sie sich reichlich zum Beschauen
Dem Fremden gönnt sie Gleiches wie dem Eignen" (Roth).
Und so auch lobt ein Dichter des Atharvaveda (XIII, 4,
41; 42) den Maghavan, den Indra
.•i'i stanayati sä vi dyotate sd u ägmdnam asyati |j 4:1 |j
pdpdya vd bhadrdya vd purushdydsurdya vd \\ 42 1|
Er ist's, der donnert, er der blitzt, er schleudert seinen
Wetterstrahl
Dem Bösen wie dem Guten, so dem Menschen wie dem
Unhold an.
So kennt die indische Urzeit schon zwei Jahrtausende vor
Christus den erhabenen Standpunkt, von dem aus Christus, nach
Matthäus V, 45, von Gott gesprochen hat: Er lässt seine Sonne
scheinen über Böse und Gute. S. schon Geldner u. Kaegi, S. L.
d. R., pag. 37.
Die weitaus überwiegende Stimmung freilich, die den Inder
des Veda in Bezug auf den Fremden und, was für die Urzeit
damit eins und dasselbe ist, in Bezug auf den Feind selbst er-
12*
— 180 —
füllte, ist glühender Hass, der am Gegner kein Stäubchen unan-
getastet wissen will. Dieser urheidnische Hass gegen den Feind
hat dem Sanskrit- Arier des Veda als etwas so Selbstverständ-
liches gegolten, dass er sich sogar in conventioneUe Formeln
eingesponnen hat. Diese Formeln kehren insbesondere im Athar-
vaveda und in der Taittiriya-Samhitä so häufig wieder, dass
man wohl sagen kann, dieselben machen einen Theil der vedi-
schen Rhetorik aus. Und da eine solche noch zu den frommen
Wünschen gehört, so mag die Zusammenfassung der Formeln
des Hasses einen kleinen Beitrag zu einer solchen wohl auch
noch kommenden Rhetorik des Veda büden.
Wohl die mildeste Formel, in welcher der Hass des vedischen
Inders sich äussert, ist der Wunsch, der sich im Pintschgauerlied
an den heiligen Florian mit der Bitte richtet: „Verschone unsre
Häuser, zünd' andre Leute an." So lautet ein Wunsch in Ath.
Veda VI, 93, 2: anydträsmad agluivishä nayanta ,.sie (der Höllen-
gott Yama, der Tod {mrityu), der schlimmen Tod bringende
Verderber, der braune (^arva (Rudra), der schwarzlockige Schütze)
sie mögen die, verderbliches Gift führenden (Schlangen) anders-
wohin geleiten als zu uns." So auch wird der Gott Qarva-Rudra Ath. -
Veda XI, 2, 19 angefleht: anydträsmad divyam gähhdm v( dhunu
„schüttle den himmlischen Zweig (den Blitz) anderswo als bei uns."
Und unmittelbar darauf Strophe 2(1 : anyatrdsmadvidyutam patayai-
tdm „lass diesen Blitz anderswo als bei uns niederfallen !" Und von
der Liebesgöttin Anumati wird Ath.-V. VI, 11, 3 gewünscht: strai-
shüyam anyatra dadkat pumäiisavi udadhadiha „möge sie anders-
wo ein Mädchen schenken, hier gewähre sie doch einen Knaben."
Schärfer schon wird die Tonart in folgenden Verachtungs-
formeln. Ath.-V. X, 5, 15 = XVI, 1, 5 lautet sie: ithia täm
abhyatisrijämo yo ^»viän dv^h(i ydin vaydm dvismdh „mit ihm
(dem Agni) wollen wir (verachtungsvoll) an dem vorübergehen,
der uns hasst und den wir hassen." Geradeso in Taittiriya Sam-
hitä lU, 5, '6: yh 'sinän dvSsh(.i ydm ca vaydm dvishvw vishnoh
hrdmend 'ty endn hramämi „wer uns hasst und den wir hassen,
— 181 —
über den wollen wir mit dem (raschen) Schritte (des Sonnen-
gottes), Vishnu's hinwegsckreiten."
Der Widersacher muss runter, sei es in die HöUe, unter
die Füsse oder ins Gefängniss. Taitt. Samh. I, 6, 12: adhaspa-
ddm tarn im kridhi yo asmän abhiddsati „tritt den unter die
Füsse, der uns nachstellt.-' Taitt. Samh. I, 1, 9: yo 'smdn
dvS^hii yäin ca vaydm dvtskmus, tdin dto mä mauy „den der uns
hasst und den wir hassen, den lass von hier nicht mehr los!"
Taitt. Samh. 111, 1, 4: aräti'ydntam ddharain knnomi ydm dvish-
mds tdsmin prati muncdmi pdqam „den Widersacher bringe ich
unter mich, um den wir hassen, dessen Fessel ziehe fest an!"
Die Widersacher mögen zur HöUe fahren! Taitt. Sanah. I, 3, 9:
iddin ahdm räksho 'dkamdm tdmo nayämi, yo 'smän dvesh^i ydm
ca vaydm dvishmd, iddm enam adhamdm tdmo naydmi „dieses
Rakshaspack bringe ich ins tiefste Dunkel, den der mich hasst
imd den wir hassen, hier in dieses tiefste Dunkel hinunter will
ich ihn schaffen."
Noth und Elend sollen den Feind aufreiben! Taitt. Samh. I,
3, 11: (pxy asi, tarn ahhi goca yo 'smdn dveslifi ydm ca vaydm
dvishmus „du bist die Sorge, quäle den mit Noth und Sorgen,
der uns hasst und den wir hassen. -^ Taitt. Samh. V, 4, 4, 2:
ydm, evd dveshfi, tarn, asya hshudhd ca riccd cd 'rpayati „wen
er hasst, den peinigt er mit Hunger und Sorge."
Auch die Zauberei dient zur Bedrohung. Ath.-V. II, 11, 3:
prdti tarn ahhi cara yo ^smän dvSshti ydm vaydm dvishmds „mit
Gegenzauber tritt dem entgegen, der uns hasst und den wir
hassen!" Ath. V. XVI, 6, 4: ydm dviskmo yd^ ca no dvSsh{i
tasmd enad gamaydmah „den wir hassen und der uns hasst,
den lasst uns zauberisch yerwaudeln." Ath. VII, 13, 1: ydthä
suryo ndkshatrdndm udyans tejdnsy ddade, evd stnnäm ca pun-
sdm ca dvtshatdm vdrca d dade „Wie die Sonne bei ihrem
Aufgang den Sternen (eig. den Mondhäusem) den Glanz nimmt
(so dass sie verschwinden), so wiU auch ich die Lebenskraft der
mich hassenden Weiber und Männer auslöschen."
— 182 —
Noch kräftiger als Zauber wirkt Gift. Taitt. Samh. I, 4, 45:
sumitra na äjja oshadJtayali santu, durnuträs ta^mai bhüyäsur
yö 'smdn dvSshfi yäm ca vaydm dvishmds „freundgesinnt sollen
uns die Kräuter sein, feindgesinnt sollen sie sein dem der uns
hasst und den wir hassen."
Lieber aber den Feind gleich ersticken lassen! Ath.-V. VII,
31,1: yo no dvSshfi ddharah sam padishta ydm u dvtshmas tarn
u pränö fahdtu „der uns hasst, möge zur Hölle fahren, den wir
hassen, dem möge der Lebensathem ausgehen!" Ath. VII, 81, 5:
yö 'smdn dvSs7i(t ydm vaydm dvishmas tdsyat tvdm 2^^dnSna
pydyasva „der uns hasst und den wir hassen, den lass ersticken!"
Unter die Zähne des Verderbens mit dem Feinde! Taitt.-
Samh. IV, 5, 11, 2: fe ydm dvishmö yd<;, ca no dvSsh(i tdm vo
jdmbhe dadhämi „der den wir hassen und der uns hasst, den
lege ich auf euren Zahn, Unholde." Geradeso T. S. IV, 4, 3, 3.
IV, 5, 10, 1; 2.
Hals abschneiden! Taitt. Samh. I, 3, 1: yo 'smdn dv4sh(i
ydm ca vaydm dvishmd, idd^n asya grivd dpi hrintdmi „er (der
Räkshasa), der uns hasst und den wir hassen, dessen Kopf will
ich abschneiden." So auch T. S. VI, 1, 8, 4. VI, 2, 10, 1. Den
Hals wiU ich ihm brechen! Taitt. Samh. I, 6, 5: nirhhaktah sä
ydm (^vzsÄmas „zerschmettert werde er, den wir hassen!" So auch
T. S. IV, 2, 1. Und Ath.-V. III, 6, 1; 3; 5 wird die Ficus reli-
giosa, A^vattha, angerufen: sd hantu gdtrün mdmahdn ydn ahdm
dvishmi y& ca mdm „möge er meine Feinde todtschlagen , die,
die ich hasse und die, die mich hassen."
Besser ist noch, gleich ins Feuer mit den Widersachern!
Ath. V. n, 19, 1: agne ydt tS tdpas tSna tdm prati tapa y6
'smdn dvSshii ydin vaydm dvishmah „Agni, die Glut, die in dir
ist, mit der verbrenne den, der uns hasst und den wir ha.ssen."
Taitt. Sa ,h. IV, 1, 10: yi stenä yS ca tdskards tdns te agn6
'pi dadhdmy dsrtje „die Diebe und die Räuber, die überliefere
ich deinem Rachen (Feuergott)." Taitt. Samh. IV.. 1, 10: y6
asmdhhyam ardttydd yd^ ca no dv^sliate jdnaTj, nfnddd yo asmdn
— 183 —
dtpsäc ca sdrvam tarn masmasd kuru „wer uns hinterlistig
nachstellt, wer uns hasst, wer uns mit Neid verfolgt oder uns
schädigen möchte, den verwandle in Asche!"
2. Die Wiederholung des Refrains im Anfangsvers der
folgenden Strophe.
Eine rhetorische Formel des Rigveda.
Richard Heinzel hat in seinem inhaltsreichen Büchlein
„Ueber den Stil in der altgermanischen Poesie" (Strassbui^ 1875)
far die altgermanische Poesie eine Reihe rhetorisch-poetischer
Formeln aufgestellt, deren besonders auflföllige Wiederkehr in
der Sagaliteratur der Norweger, der altsächischen und angel-
sächsischen Literatur ihr Prototyp in der Sprache des Rigveda
findet. Heinzeis Entdeckung dieser Formeln ist für die Inter-
pretation des Rigveda vielfach werthvoll, weil pfadweisend. Es
ist ihm jedoch eine der wichtigsten Formeln altindogermanischer
Poesie entgangen, nämlich die Formel: Die Schlusszeile einer
Strophe wird in der Anfangszeile der folgenden Strophe wieder-
holt. Die Beispiele, die ich nachfolgend gebe, sind natür-
lich bei weitem nicht vollständig. Zunächst wird es nichts
schaden, wenn ich meine Formel an der Hand des deutschen
Volksliedes darstelle. In Goedeke's und Tittmanns Deutschen
Volksliedern des sechszehnten Jahrhunderts (Lpz., 1867) lauten
die drei ersten Strophen des Liedes 4 (pag. 11) also:
Schein uns du liebe Sonne,
Gieb uns ein hellen Schein,
Schein uns zwei Lieb zusammen,
Ei, die gerne bei einander wollen sein.
Dort ferne auf jenem Berge
Leit sich ein kalter Schnee,
Der Schnee kann nicht zerschmelzen,
Denn Gottes Wille der muss ergehn.
— Ib4 —
Gottes Wille der ist ergangen,
Zerschmolzen ist der Schnee,
Gott gesegne dich, Vater und Mutter,
Ich seh euch nimmermehr.
Wie tief diese Formel ins deutsche Volksbewusstsein ein-
gedrungen ist, beweist zum Beispiel das schöne Soldatenlied,
das man von den Emmenthaler Bauern des Kantons Bern bis
hinauf bei den deutschrussischen Rekruten Livlands hören kann,
und welches ich, der ausländischen Leser wegen, hier folgen
lasse als, meines Wissens, classischestes Beispiel für meine Fonnel.
0 Strassburg, o Strassburg!
Du wunderschöne Stadt!
Darinnen liegt begraben
So mannicher Soldat.
So mancher und schöner
Auch tapferer Soldat,
Der Vater und lieb Mutter
Böslich verlassen hat.
Verlassen, verlassen,
Es kann nicht anders sein!
Zu Strassburg, ja zu Strassburg,
Soldaten müssen sein.
Der Vater, die Mutter,
Die gieng'n vor's Hauptmann's Haus,
Ach Hauptmann, lieber Hauptmann,
Gebt mir meinen Sohn heraus!
Euern Sohn kann ich euch nicht geben
Für noch so vieles Geld;
Euer Sohn und der muss sterben
Im weit' und breiten Feld.
— 185 —
Im weiten, im breiten,
Wohl draussen vor dem Feind,
Wenn gleich sein schwarzbrauns Mädichen
So bitter um ihn weint.
Sie weinet, sie greinet,
Sie klaget also sehr:
Ade, mein allerliebst Schätzichen!
Wir sehn uns nimmermehr!
Vgl. auch das von Goethe übersetzte und unter seine Ge-
dichte aufgenommene itahenische Volkslied: „0 gieb vom weichen
Pfuhle Träumend ein halb Gehör" u. s. w.
Nunmehr die Formel im Rigveda. Vi9vämitra hält HI, 33,
9; 10 Zwiesprach mit den Flüssen:
6 shii svasdrah l'drdve grinota
yayaü vo düräd änasd rdthena |
ni shü namadhvam bhdvatä supdrd
adhoakshdh, sindhavah srotydbhih || ^ |
ä te hdro grinavdmd vdcdnsi
yaydtha dürdd dnasd rdthena \
ni te nansai pipydnSva yoshd
Tudrydyeva hanyd cacvaccu te |j 10 jj
In der üebersetzung von Geldner und Kaegi (Siebenzig
Lieder des Rigveda, Tübingen 1875, pag. 133) lauten diese
Strophen also:
Vi^vämitra:
Und ihr, ihr Schwestern, merket auf den Sänger:
Von ferne kam ich her mit Ross und Wagen.
Drum neiget euch und macht mir leicht den Durch-
gang,
Und netzt die Achsen nicht mit euren Wellen.
— 186 —
Die Flüsse:
Wir merken wohl, o Sänger, deine Worte,
Von Ferne kamst du her mit Ross und Wagen,
Ich neige mich und öffne meine Arme
Für dich, wie für den Mann die blühnde Jungfrau.
In Rigveda IV, 26, 6 und 7 holt der Adler vom höchsten
Grebirg herunter einen Somastengel:
rijzpz gyenö dddamäno angäm
pardvätdh gakunö mandräm mddam \
somam bharad dädi-ihänö devävän
divö amiishmäd littaräd ddäya || 6 ||
ddaya gyenö abharat somam
sahdsram savän ayutam ca säham \
uträ pHramdhir ajalidd drdtir
meide sömasi/a milrä aviuräh [[ 7 ||
6. Gestreckten Fluges den Somastengel ergreifend hat der
Vogel den erfreuenden Rauschtrank, den Soma von fernher
gebracht, fest ihn fassend, er der götterhafte, ihn vom höch-
sten Himmel dort oben holend.
7. Den Soma holend hat der Adler denselben her-
gebracht, zu tausend Rauschtränken, ja zu Myriaden. Nun-
mehr möge Puramdhir im Somarausche die Unholdinnen ver-
jagen, die Maren, er der nichts mit den Maren zu schaffen hat.
In Rigv. IV. 30, 10 und 11 besingt Vämadeva die Nieder-
lage der Königin des Abendlandes, der Ushas (vgl. Iran u. Turan
pag. 208 — 217, Uebersetzung von Geldner und Kaegi);
dposhd dnasall sarat
sdmpishfdd aha bibhyusM
ni yät sim figndthad vrishd || 10 \\
dtdd asyd du ah gaye
susampish(am vfpdgy d \
sasdra sim. pardvdtah || 11 ||
— 187 —
Die Ushas sprang vom Wagen ab,
Von dem zerschmetterten, voll Angst,
Als ihn zusammenhieb der Stier. 10.
Ja, argzerschmettert liegt er da,
Ihr Wagen tief in der Vipä^,
Sie fuhr ihn aus der Feme her. 11.
In Rigveda V, 85, 3; 4 rühmt der Rishi Atri die befruch-
tende Thätigkeit des regenspendenden Götterkönigs Varuna:
nicinabdram vdrunah Tcdbhandham
prä sasarja rodasi äntdnkshavi \
tSvui vigoasya hhwranasya rdjä
ydvani nd i^i-ishtir vy unatti bhüma [j 3 ||
undtti bhümim prithivim utd dydm
yadd dugdhdm vdruno vdshty ad it \
sdm abhrSiia vasata pdrvatdsas
taviskiydntah grathayanta virdh \ 4 ||
im dm IC shv dsurdsya gnitdsya
mahtm maydm vdrunasya prd vocam |
maneneva tasthivdn antdrikshe
vi yo mamS pi-ithwtm süryena H <5 |
im dm ü nü havitama»ya mdydm
m.akiin devdsya ndkir d dadharsha \
ikam ydd udnd nd prindnfy Snir
dsincantir avdnayah samudrdm || 6 ||
Den Wolkenschlauch nach unten hängen lassend
Goss Varuna den Himmel und die Erde,
Mit ihm, als wie des Feldes Frucht der Regen,
Bespritzt der Herrscher aller Welt den Boden. |{ 3 |
— 188 —
Bespritzt den Boden, Erde und den Himmel,
Wenn Varuna die Lust nach Milch anwandelt,
In Wetterwolken hüllen sich die Berge,
Und rüst'ge Männer lockern dann den Schlauch ihm || 4 |
Und dieses auch, des hochberühmten Gottes
Gewaltges Wunder Varuna's lobpreis ich:
Der, wie mit einem Massstab in der Luft steh'nd,
Der Erde Weiten ausmass mit der Sonne.
und auch an dies, des weisesten der Götter
Gewalt' ges Wunder, hat Niemand gewagt sich:
Dass aller Ströme schwellende Gewässer
In Ein Meer sich ergiessend, es nicht füllen.
Andere solche Wiederaufnahmen des Refrains einer Strophe
im Anfangssatze der unmittelbar folgenden Strophe begegnen
insbesondere zahlreich im X. Mandala des Rigveda. Ich mache
auf folgende Beispiele aufmerksam.
Rigveda X, 98, 2; 3; 4:
d devö dütö ajiräg cikitvdn
tvdd deväpe ahlii onäm agacliat \
praticinah prdti mdni d vavi^ttsva
dddhämi te dyumdtim väcam dsdn || ^ || ,
asmS dheJn dyuindtiin vdcam dsu)i
brihaspate anamwam isliirdm \
ydyd w-ishffm gdmtanave vdndva
div6 drapso mddhumdn a vivega || 3 ||
d no drapsd madhumanto vigantv
indra deliy ddhiratham salmsravi \
n{ sMda hotrdm ii'tufhd yajasva
devan devdpe hat^tshd saparya || 4 ||
— 189 —
Von dir, Deväpi, ist der Gotterbote,
Der schnelle, kundige, zu mir gekommen.
Wende doch huldvoll, her zu mir dein Antlitz
Glanzvolle Stimme leg ich in den Mund dir.
Lege glanzvolle Stimme in den Mund uns,
Brihaspati, nicht schwache, sondern kraft'ge,
Durch die wir dem Camtanu Regen wirken,
Der süsse Himmelstropfe ist gefallen.
Mögen zu uns die süssen Tropfen fallen!
Indra, gieb tausendfache Wagenlast uns!
Sitz nieder zu den Opfer nach der Satzung!
Deväpi, ehr die Götter opferspendend!
Rigveda X, 109, 6; 7:
pünar vai devd adaduJi
pünar manusJiyd utd \ •
räjänali satyä m kr in vänä
hrahtnajdydim pundr daduli jj 6 \
punardäya brahmajdydm
hritvt devair nikilhishäm \
ürjam pi-ithivyd bhahtvdya
urugdydm updsate \ 7 ||
Die Götter gaben sie zurück,
Zurück die Menschen ebenfalls.
Die Könige, dem Versprechen treu,
Entliessen die Brahmanenfrau.
Haben sie, die Brahmanenfrau
Entlassend, so die Schuld gesühnt,
Geniessen sie der Erde Mark
Und steigen auf zu Macht und Ruhm.
— 190 —
Rigveda X 135, 1—2; 5—6:
Ydsmin vrikshS su2)aläg6
devaih sampibate yamdh \
dtrd yo vigpätili pitd
purdnan dnu venati\\ 1 j|
purdndn anuvSnantain
carantam pdpäydmuyd \
asüyänn abhy acdkaijam
täsmd asprikayam puncüj, \2\
hall humdrdin ajanayad
rdtham kö nir avartayat \
hdli svit täd adyd no brüydd
anudSyi ydthdhhavat || «5 ||
ydthdbhavad anudeyi
tdto dgram. a^dyata |
purdstdd budhnd dtatali
pagcdn nirdyanam ki-ttam \\ 6 ||
Dort auf dem schönbelaubten Baum,
Wo Yama mit den Göttern zecht,
Dort huldigt er, des Hauses Herr.
Der Vater, seiner Ahnen Brauch.
Den seinen Ahnen huld'genden,
Ins böse Dort hinwandelnden,
Sah ich mit Widerwillen an
und sehnte mich ins Hier zurück.
Wer hat den Knaben denn gezeugt?
Den Wagen wer in Gang gesetzt?
Wer wohl verriethe heut' uns das,
Wie die Brautjungfer damals war?
— 191 —
Wie die Brautjungfer damals war,
So kam die Spitze auch zur Welt,
Vorn dehnte sich der Boden aus
Nach hinten kam der Ausgang hin
Rigv. X, 165, 2. 3:
givdh hapota ishito no astv
andgd deväh ^dkuno grihSshu
aynir M vipro jushätäin havtr nah
pari hetfh pakshini no vrinaktu || 2 \
h,et(h pahshini nd dabhdty asmän
dshtryäm padäm Tcrinute agnidhdne \
gdin no gohhyag ca püi'ushebhyag cäslu
mä no hinsid ikä deväh hapotah || 3 ||
Heilvoll sei uns die rasche Taube, Götter,
Nicht unheilvoll, der Vogel in den Häusern!
Agni, der Sänger, koste unser Opfer!
Möge der Pfeil, beflügelt, uns verschonen.
Der Pfeil, beflügelt, mög' uns nicht verwirren;
Nimmt er doch seinen Platz am Feuerherde.
Mög' er uns gnädig sein, den Kühn und Menschen,
Mög' uns die Taube, Götter, hier nicht schaden.
So auch Atharvaveda VI, S9, 1 und 2a:
idäm ydt prenyäh giro
dattam soinena vrishnyam \
tätah pari prdjätena
härdivi te ^ocdyämasi\ 1 ||
gocdyämasi te härdim
Qocdyämasi te mdnah \
„Dieser dein Kopf, der durch den Soma stierkräftig gemacht
werden ist, aus dem setzen wir dein Herz in Glut mit (?)
aus, wir setzen in Glut dein Herz, setzen in Glut
deine Seele. "^
— 192 —
3. Aelteste Quelle des Bildes: Der Staat ein Schiff.
Unter die populärsten Bilder der Weltliteratur gehört wohl
das: Der Staat ist ein Schiff, dessen Wohlfahrt oder Untergang
von der Ruhe oder der Aufgeregtheit der im Volke herrschenden
Zustände abhängt. Wohl die zierlichste Form hat es in dem
Triolet des französischen Dichters Rivarol( 1754 — 1801) gefunden;
Un grand royaume est un vatsseau,
Dont le monarque est le pHote;
Gravons le bien dans le cerveau:
Un grand royaume est un vaisseau.
8i le nocher tombe ä vau-l 'eau,
Au hasard le navire flotte:
Un grand royaume est un vaisseau
Dont le monarque est le pilote.
Möglich dass Rivarol sich unmittelbar an die Ode des Ho-
raz, Carmina I, 14 anlehnte:
0 navis, referent in mare te novi
Fluctus! u. s. 10.
Dem Horaz selbst mag seinerseits die Ode seines Vorbilds
Alcaeus, Fragm. 18 (ed. Bergk^, pag. 574) vorgeschwebt haben:
^AowkirifAt, rwv dvef.i(ov aiäoiv
t6 ixEv yotQ evd^ev yiv^ia TivXiidezai,
t6 d' i'vd-ev aftf^eg J' ov tb ^ioaov
vui (fOQr^(.iad^a ovv ^leXaLv^y
'/et(.uüvi (.lOxiyBvxeg fieyalq) fidka' x. z. /.
Das Bild war im Alterthum auch sonst sehr populär. Orelli
in seinem Excursus zur horazischen Ode I, 14 weist dasselbe
nach bei Archilochus, Aeschylus, Theognis, Plato, Polybius und
Cicero. Das Bild ist aber weit älter, (denn wiewohl es mir
nicht einfällt, hier einen bewussten oder unbewussten Zusammen-
hang mit Indien aufzustellen) es begegnet uns schon im Atharvaveda,
— 193 —
1000 Jahre vor Christus. In einem langen Spruch nämlich, in wel-
chem die greulichen Folgen geschildert werden, die über ein
Reich hereinbrechen, wo man sich gegen die Priesterschaft feind-
selig verhalte, Ath. V., 19, 8 (vgl darüber schon mein Iran und
Turan pag. 125) heisst es:
tad vai räsh(ram ä sravati nävavi bhinnäm ivodakam \
brahmdnavi ydtra hiinsanti tad räshtrain hanti duchünd || 8 ||
Das Reich geht unter wie ein Schiff, ein leckes, in das
Wasser dringt,
Wo man den Priesterstand verfolgt, das Reich sucht das
Verderben heim.
S. die Uebersetzung des ganzen Spruches bei Grill, Himdert
Lieder des Atharvaveda, pag. 29 — 30.
Und noch im Hitopade9a (ed. Johnson pag. 58) in der
Eiuleitimg zum Kriegsabschnitte, heisst es:
yadi na sydn narapatih samyan netd tatcüi prajd \
ahaniadhdrd jaladJiau viplaveteha naur tva {| ^ |1
„Wenn es keinen König gäbe, einen durchschlagenden
Führer, aldann würde das Volk hin und her schaukeln und
untergehen, wie ein Schiff ohne Steuermann auf der See."
Biunnhofer, Vom Aral bis zur Gangä. 13
VII. Weisheit und Aberglaube im alten
Hindostan.
1. Die ältesten Könige Indiens nach Arrian.
Arrian erzählt in den Indica VIII (Megasthenes Indica ed.
Schwanbeck pag. 148) von Dionysos als Civilisator Indiens und
fährt dann fort: ^uiniovxa ds «x Trjg ^ Ivömv y-rjg, tog oi raiza
x€'^0GiiieaT0, v.axaoxriaai ßaoilea zfig xtoQtjg ^Ttagref-t-
ßav, TCüV exaiQWV sva tov ßaxxMÖeozaxov. TskevT'^aavTog
ÖS ^Ttagrefißa tr^v ßaaiXeirjv ixde^aad^at Bovötav xov xovxöv
Tittida' xal xnv (xev nevT^xovxa xal ovo exea ßaaii-evaai
^Ivöiüv, TOV naxega' xov de nalda sl'xooiv sxsa' xai xovxov
Ttalöa inöi^aa&ai xriv ßaOiXeiiqv Kgccöevav xal x6 dno
xovde, xb noXv i-iev xaxa yivog a(.ieißeiv ir(v ßaoiktlrjv, ncuöa
naqa. naxQog iy.öexdfievov el de eyilsinoi xo yivog, ovxo) 6^
aQiaxivöriv yiad^ioxaad^at ^IvöoXai ßaoiXtag.
Nach indischer, resp. vedischer Ueberlieferimg ist der erste
König der Welt und also auch Indiens: Hiranyagarbha, vgl. den
Hiranyagarbhahymnus Rigv. X, 121 in meiner Uebersetzung in
„Iran u. Turan" pag. 179 — 185. Hiranyagarbha ist aber nach
Str. 10 des genannten Hymnus, die ich in meiner Uebersetzung
desselben als unorganischen Zusatz weggelassen habe, die aber
d esshalb nichts destoweniger aus altvedischer Anschauung her-
aus gedichtet ist, = Prajdpdti, der Herr der Geschöpfe, der
Schöpfer, dieser selbst ist aber wieder Soma nach Rigv. IX, 5, 9:
indur indro vrishd hdrih pdvaindnah prajapatih
— 195 —
»Der lichte (Soma-)Tropf6n, der Indra, der Stier, der blonde,
der Herr der Geschöpfe."
Ist aber Prajäpati = Soma, so stimmt das vorzüglich zu
Arrians Angabe, der von Dionysos, der selbst Soma ist, einge-
setzte erste König von Indien sei gewesen zwv sTaiQO)v eva t6v
ßa-^xiodioTUTOv , emer der begeistertsten Bacchusverehrer. Er
heisst ^nagrifißag, in präkritischer Abgeschliffenheit flir skt.
*svar-\-sthambha, derjenige der dem Himmel eine Stütze gab,
denn nach Strophe 5 des Hiranyagarbhahymnus ist er es ySna
sväh stabhitdm:
y&na dyaür ugrd pritMvi ca driUiä
ySna sväh stabhitdm ySna naka^ \
„Durch welchen der Himmel, der gewaltige, und die Erde,
die feste, durch welchen das Firmament befestigt worden ist,
durch welchen (auch) der Ueberhimmel."
Aus ^svarstambha müsste nach den Lautregeln des Sanskrit
allerdings ^svahstambha werden, die Form ^naxif-ißa, die als
Variante neben ^uaQxefAßa einhergeht, ist vielleicht auch ein
Nachschimmer derselben, immer unter der Voraussetzung, dass
alsdann die Wurzel stabh schon in präkritisirter Form *thämb
oder tamb an das schon im Veda neben svar auch in der Form
sbar ausgesprochene Substantiv svar (wie Baru neben Varu)
hinzugetreten wäre. Zu der Form *T€fißa vgl. im Zend asha-
gtembana, über welches Substantiv weiter oben pag. 33. Vgl.
auch das hesiodische aoxefxcprig Theogonie v. 812. Die 52 Jahre
von Spartemba's Herrschaft werden wohl eine astronomische
Andeutung auf die 52 Wochen des Jahres enthalten.
Sein Sohn und Nachfolger Bovdvag muss jedenfalls, nach
Massgabe seines Sohnes Kgaöevag, *Bovdevag gelesen werden.
Dieses ist aber ganz einfach skt. bhü-deva „der Gott der Erde",
ein Brahmane; ferner ein Beiname Qiva's, schliesslich Name
verschiedener Männer (s. Böhtlingk-Roth's Sanskritwb., Bd. V,
pag. 345).
13*
— 196 —
Der dritte Urkönig von Indien, Kgadevag, ist nichts als
eine Kurzform von [<^a]kra-deva, das, von Qakra, der Gewaltige,
einem steten Beinamen des ludra im Veda, abgeleitet, Name
mehrerer von Böhtlingk-Roth, Bd. VlI, pag. 22 verzeichneten
Fürsten geworden ist.
2. Der Culturwerth des Opfers im Bewiisstsein der
Tedischen Brahmanen.
Das Opfer (yajnd) als Mittelpunkt und Endzweck alles
Gottesdienstes bildete nach der Ueberzeugung der Inder des
Veda das Mittel, durch welches der Mensch seinerseits im Stande
war, an der durch den Allherrscher Varuna-Mitra besorgten
Aufrechterhaltung der Weltordnung {rita) thätigen Antheil zu
nehmen. Die nach den ewigen Ordnungen des Gestimlaufes
in ewig unabänderlicher Form immer wiederkehrende Opferhand-
lung war in dem unaufhörlichen Wechsel der Wohnsitze, vne
er aus dem Erobererleben der vorindischen Sanskrit- Arier mit
Noth wendigkeit folgte das einzige unangetastete und unantastbare
Lebenselement der brahmanischen Arier. Mythen, Sagen, Legen-
den, Lieder mochten im nieruhenden Kampf um neue Wohnsitze
dem Anpassungsvermögen anheimfallen und ihre Gestalt verän-
dern oder auch ganz und gar verloren gehen — aber im ewigen
Wechsel alles Gewordenen oder Werdenden blieb das Eine von
jeder Veränderung seines Kernes völlig imberührt, das Opfer,
das desshalb im Veda häufig genug im Sinne des allem End-
lichen zu Grunde liegenden Absoluten, als das alle Schöpfungsge-
stalten in sich beschliessende, alles Individuelle in sich mnfassende
All verherrlicht wird.
War es aber dem Seherblicke der Brahmanen verliehen,
im Opfer das Bleibende im Wechselvollen, im Opferplatz den
ewigen Mittelpunkt der Weltordnung {ntdsya siidas, yoin\
ndbki) zu erkennen (vgl. Ludwig, Die philosophischen und
religiösen Anschauimgen des Veda in ihrer Entwickelung, Prag
— 197 —
1875, pag. 17), so musste ihnen umgekehrt der ewige Wechsel
der Wohnsitze, wie ihn das Nomadenleben natumothwendig
mit sich brachte, so musste das ewige Wanderleben selbst als
die Quelle alles Uebels, als der Inbegriff alles Widerwärtigen
erscheinen. Und so hat denn schon Duncker in seiner Geschichte
der Arier der Urzeit^, pag. 543 mit Recht bemerkt: „Gewiss
gefiel auch den Priestern Irans der Nomadismus so wenig als den
Brahmanen Indiens.'* Es ist desshalb von Interesse, gerade in
den allerältesten Liedersammlungen des Rigveda schon brahma-
nische Stimmen zu vernehmen, in welchen sich die üeberzeugung
ausspricht, dass das Leben in festen Wohnsitzen^ culturschaffend
wie es sei, selbst nur aus der segen wirkenden Anregung des
Somatrankes erfolge. In einem Vämadevaüed an den Sonnengott
Savitar, Rigv. IV, 54, 5 heisst es:
(ndrajyesh^hdn brihadbhyah pdrvatehhyah
hshdyän ebhyaJ}, suvasi pastydvatah \
ydthd-yathä patdyanto viyertiird
evaivd tasthuh savüah saväya te ||
Ludwig übersetzt: „Die, deren erster Indra, für die hohen
Berge (von den hohen Bergen her), feste Wohnsitze mit Häu-
sern schaffst du diesen hier, wie sehr sie auch fliegend aus
einander streben, immer und immer wieder stehen sie, Savitar,
unter deinem Treibstock." Was hier Ludwig mit „Treibstock"
übersetzt, nämlich saväya, dat. sing, von savd^ bedeutet ganz
einfach „Anregung, Belebung", zugleich aber auch „Somatrank."
Noch intensiver drückt seine Üeberzeugung von dem Frieden
schaffenden, das Leben schön gestaltenden Einflüsse des Opfers
ein Atreyadichter aus, Rigv. V, 66, 2:
ddha vratSva mänusham
svär nd dhdyi dargatdm
Ludwig übersetzt sehr schön: „und durch die heiligen
Handlungen ward die menschliche Welt schön wie' die Licht-
welt gemacht." Noch deutlicher in christlich-moderne Aus-
drucksweise übersetzt, hätte svär mit „Himmel" wiedergegeben
— los-
werden müssen. Die Religion hat nach der üeberzeugung dieses
Sehers der indischen Urzeit den Himmel in all seiner Schönheit
zu den Menschen auf Erden hemiedergebracht.
3. Ein philosophischer Ausspruch des Atharraveda.
Wie nicht selten im Atharvaveda, so treffen wir in dem
langen Spruch X, 8 unter vielem Wortschwall in v. 37 eine
Perle philosophischen Tiefsinns. Die Stelle lautet:
yö vidydt sutram vÜatam
yäsminn 6tdh praj'ä imdh \
sutram sutrasya y6 vidydt
sä vidydd brahmanam mahnt ||
„Wer da das Garn kennte, das ausgespannte, in welchem
die Geschöpfe ein gewoben sind, das System des Systems, wer
es kennte, der durchschaute auch das grosse Gottes- und Welt-
geheimniss."
Das Wort sutra bezeichnet zugleich das Garn, den Faden,
den Leitfaden, das Lehrbuch und das System. In vidydt
habe ich den, durch das lateinische videre gegebenen ursprüng-
lichen Wurzelbegriff des Sehens, mit dem des Kennens und
Wissens in der Sanskritwurzel tvVi? verschmolzen, zur Darstellung
gebracht.
Der Ausspruch des Atharvandichters wäre des grossten
Philosophen würdig.
4. Ein Blumenzauber des Atharvaredu.
Ath. IV, 20.
Ä pagya^ prdtt pagyati pdrd pagyati pdgyati \
divam antäinksham dd bhümim sdi'vam tdd dem pagyati || 1 ||
tisrö divas tis)'ah in-ithivil} shdf c4 'müli prad/gah pi-ithak \
tvuydhdin sdrvd bhutdni pagydni devy oshadhe I| / ]|
— 199 —
divyäsifa supanidsya täsya häai haninikd \
sä bhüniim ä rurohitha vahi/din gräntd vadhur iva \\ 3 ||
tdm ine sahasräkskö devo dakshine hästa ä dadhat \
täyäJidin sdrvam pd^dmi ydg ca güdrd utdiryah || 4 1|
ävfsh knnushva rupdni nätmdnam dpa gühathah \
dtho sakasracaksho tvdm prdti pagyäh Tcimidinah || 5 ||
dargdya nid ydtudhdnän darcdya ydtudhdnyäh \
piqdcdnt sdrvdn dargaySti tvd Wahha oshadhe || ^ ||
kdeydpasya cdkshur asi (pinydq ca caturdkshydh \
vidhre süryam iva sdrpantam md pi^dcdm tirdskarah || 7 ||
lid agrabham paripdndd ydtudhdnain kimidinam \
tendhdm sdrvam pagydini utd güdrdm utdryain || 8 ||
yo 'ntdrikshem pdtati divam ydq cdtisdrpati \
bhümim yo manyate näthäm tdm pigdcdm prd dargaya || 9 ||
Sie sieht herab und schaut umher, blickt in die Fern' hinaus
und späht:
Den Himmel, Luftraum und die Erd', das Alles schaut die
göttliche il 1 II
Drei sind der Himmel, Erden drei und der Weltgegenden
da sind sechs,
Ich will die Wesen alle sehn, o göttlich Kraut, durch deine
Kraft II 2 ||
Du bist der lichte Augenstern des Himmelsvogels schönbe-
schwingt,
Du hast zur Erde dich geschmiegt wie an den Pfühl ein
müdes Weib i| 3 ||
Der Gott mit tausend Augen gab dich mir in meine rechte Hand
Und nun erblick' ich jegliches, den (^'üdra wie den Arya || 4 ||
Lass die Gestalten all mich sehn, verhüUe mir dein Wesen
nicht I
Und du, o Tausendäugige, erspähe die Kimidin aus || 5 ||
„Lass mich die Zauberer erschaun, lass mich die Zauberinnen
schaun i
— 200 —
Lass die Pi9äcas all mich schaun", so, Zanberkraut, fass' ich
dich jetzt II 6 II
Du bist das Auge Kä^yapa's und der vieräugigen Hündin
auch I
Verhülle den Pi9äca nicht, als wie die Sonn' am Tages-
licht II 7 II
Ich zieh' aus seinem Schutzversteck den Unhold, den Kiml-
din auch j
Und nunmehr seh' ich Alles klar, den Qüdra wie den
Ärya || 8 ||
Den, der sich in den Luftraum schwingt, ihn, der am Him-
mel droben kriecht |
Der in der Erde sucht den Hei-m, lass den Pi(?äca mich
erschaun. 1| 9 ||
Das Kau^ikasütra (ed. Bloomfield pag. 79) hat zu diesem
Atharvanspruch nur die kurze Bemerkung : „d pagijatiti sadam
2)uskpdmanim badhndti'^ (Mit den Worten) ,.sie sieht herab"
u. s. w. knüpft er (der Zauberer, ein Amulet aus einer immer-
blühenden" (Pflanze). Vgl. auch Ludwig, Rigveda Bd. III,
pag. 525, ferner Grill, Hundert Lieder des Atharvaveda, pag. 46.
Der Talisman, der den Träger auch die verborgensten Dinge
schauen lässt,ist eine, leider nicht näher zu bestimmende Schling-
pflanze von gelber Blüte. Von einem hohen Baum herab biegt
sich die Liane zur Erde nieder {sd bhüinim d rurohitha) und
überblickt auf diesem Wege Alles, was im Himmel {div), im
Luftraum {antdnksha) und auf der Erde vorgeht {bhümi, vgL
V. 2). Als im Himmel droben geboren {divavi . . . pa<;yati) ist
sie göttlich {devi) und da sie der Augenstern des schönbeschwiug-
ten Himmelsadlers, sowie der vieräugigen Hündin heisst, da sie
dann femer geradezu als das Auge des häufig mit der Sonne
in Verbindung gesetzten Kä^yapa gefeiert, da sie femer als das
Auge der vieräugigen Hündin, wohl zweifellos des Mondes, ge-
priesen wird, so prangt ihre Blüte in der Farbe des Sounengoldes
— 201 —
und des Mondscheins, ist allsehend und verleiht dem, der sie
in der rechten Hand hält, die Kraft, Alles zu erspähen, was auch
noch so verborgen scheint. Mag desshalb der böse Zauberer
noch so hoch fliegen {antdrikshena patati), mag er sich über
den Himmel hinaus verkriechen {divam yaq cätisdrpati)^ — die
Zauberpflanze wird ihn mit Adlerblick erspähen, denn die weiss
und schaut ja AUes, was im Himmel droben, in der Luft und
auf der Erde geschieht (v. 2).
Ich gebe hier nur wenige Bemerkungen zu den etwa noch
unklaren Punkten in diesem Spruche. Dazu gehört wohl die
Angabe in v. 3, die Zauberblume sei der Augenstern des schön-
beschwingten Himmelsvogels, also der Sonne. Das Diminutiv
hamnikä, der Augenstern, ist eine Nebenform zu dem gleichbe-
deutenden haninahä. Es bezeichnet ursprünglich das Mädchen,
denn es ist eine Ableitung von kanina, jung, imd hängt un-
mittelbar zusammen mit kanyd, das Mädchen. Vgl. Böhtlingk-
Roth, Sktwb. Bd. II, pag. 34. Da auch das lateinische pupilla^
ebenfalls ein Diminutiv, das Mädchen und den Augenstern,
bedeutet und da auch im Griechischen das Wort v.oqri dieselben
ßedeutimgen hat, so liegt unzweifelhaft dieser Bezeichnung des
Augensterns eine sehr alte Anschauung zu Grunde. Die Vor-
stellimg nun von dem Augenstern des schönbeschwingten Him-
melsadlers erhält ihre Erklärung durch Stellen der Taittiriya
Sanihitä. Da begegnen vdr folgender Anschauung I, 2, 4, 1 und
VI, 1, 7, 3: süfyasya cdhshur d roham agnSr ahshndh kantnikäm
-ich stieg zum Auge der Sonne empor, zu dem Augenstern des
Auges Agni's."^ Wenn nun schon die menschliche Pupüle für
Zauber kräftig gilt, weil sich in ihrem Glänze die Energie der
Seele am entschiedensten äussert (vgl. Grimm, Mythologie 2,
pag. lü2S, 1133; Forbiger, Hellas und Rom, Bd. II, pag. 212
und Tylor, Anfänge der Cultur, Bd. I, pag. 425), xvax wie viel
m^scher muss da erst der Stern des Sonnenauges wirken,
dessen irdisches Ebenbild die rothgoldene Blüte unserer Zauber-
pflanze ist. Denn dass dieses die Farbe der Zauberblume sein
— 202 —
muss, ergiebt sich aus dem, was Naumann, Naturgesch. d. Vögel
Deutschlands, Bd. I, pag. 209 über das Auge des Steinadlers,
falco fulvus X., d. h. unseres auf Schneebergen horstenden (vgl.
Atharvaveda V, 4, 2: suparnasuvane gtraü .... Mmdvatas) su-
parna bemerkt: „Die Iris ist stets goldfarbig und zwar in der
Jugend ins Braune übergehend, im Mittelalter schön goldgelb
und im hohen Alter fast feuerfarbig."
Merkwürdigerweise finden wir die Vorstellung von dem
zauberkräftigen Augenstern des Sonnengottes auch auf den Augen-
stern des Gewittergottes übertragen, wenn nicht vielmehr um-
gekehrt der Sonnengott das Erbe des ihm in der Verehrung
vorangegangenen Gewittergottes angetreten hat (vgl. darüber
meine Abhandlung „üeber den gemeinsamen Ursprung des
Sonnendienstes und der Erdverehrung" in Culturwandel und
Völkerverkehr, Leipzig, W. Friedrich, 1891, pag. 169). In der
Taittirlya-Samhitä erscheint nämlich eine Zauberblume mehrfach
als der „Augenstern des Vritra" und Taitt. Samh. VI, 1, 1, 5
giebt gleich auch die dieser Vorstellung zu Grunde liegende
Legende : Endro vriträm ahan, tasya haninikd pdrä 'patat, tadd
^njanam abhavad\ ydd ä 'ünhtS cdkshur evd bhrätrivyasya vi-inkte;
ddksliinam pürvam, vrvnkte; däkshinam pürvam a 'nkte, savydm
M. pürvam ä 'nkte , savydm M pürvam inamishyd d-njdte. „In-
dra tödtete den Vritra ; dessen Augenstern fiel herunter, da wurde
er ein Zaubersalbenkraut; wenn das Auge damit bestrichen wird,
so lenkt es Nachstellung ab; das rechte wird zuerst gesalbt,
denn die Menschen (im Gegensatz zu den Brahmanen als deva,
Göttern) salben das linke zuerst." Aehnlich erzählt diese Legende
von dem Gewitterdämon Qushna das ^^t^ip^'^ha-Brahmana III,
1, 3, 11 (ed. Weber pag. 228): ydti-a vaf deväh asurarak^-hasdni
jaghnus tdchiishno ddnavdh prait/än2)atttvd mamishydndm dkshiiu
prdvivega, sd eshd kaninakaJi kumdrahi iva pdrtbfidsate , tasmd
evaltdd yajndm upapraydnt sarvdio '^napurdm pdridadhdty
dgmd hy diljanam „als die Götter die Asura und Rakshasa töd-
teten, da drang der Unhold ^ushna, der rücklings fiel, in der
— 203 —
Menschen Augen ein. Dieser Kleine (die Pupille) erscheint
gleichsam als ein Knäblein, desshalb wirft derjenige, der sich
zu einem Opfer anschickt, gegen diesen (^ushna) gleichsam eine
steinerne Wehr auf, denn steinern (aus Stein bereitet) ist die
Salbe." In der Taittiriya-Samh. I, 2, 1, 2 wird dann diese Pflanze
angeredet: öshadhe .... vi-itrdsya hamnikd 'si, caksku-shpä ^si
„Pflanze, du bist der Augenstern des Vritra, du bist der Augen-
beschützer." Offenbar liegt der Verwendung der Zauberblume
zu einer Augensalbe, sowie der Vorstellung, die Zauberblume
sei der Augenstern des Vritra gewesen, die Anschauung von dem
stechenden, alles durchdringenden, desshalb stets gesunden Glänze
des die schwarzen Gewitterdämonen verscheuchenden Blitzauges
zu Grunde.
Kä9yapa, oder Ka^yapa in v. 7 ist ein alter Berggott, das perso-
ücirie K dam ov oooc, der Meru-Demävend (s. mein Iran undTuran
pag. 58 — 63). Er kehrt im Veda nicht eben häufig wieder und
wird, gleich Agni, dem Feuer- und Sonnengott, bald als der
beste {ci-esh(ho) Gandharva (s. Taitt. Samh. I, 5, 10, 2), bald als
der himmlische {divyo) Gandharva (Taitt. Sai?ih. I, 7, 7, 1 ; Athar
vav. U, 2, 1), bald als der Gandharva (Sonnengott) schlechthin
verehrt. Als solcher gilt er im Atharvaveda für einen zauber-
kundigen Weisen, der sich vorzüglich auf die Wunderkräfte
der Pflanzen versteht. Im Ath. VIII, 5, 14 wird er als Hervor-
bringer eines Talismans gepriesen {Kagydpas tvdm asrijata
Kaqifäpas tvä sdmairayat) xmd Ath. IV, 37, 1 todtet er mit dem
Zauberkraut ajagi-mgi^ Bockshorn, die Unholde der Vorzeit
{tvdyä pürvam dtharvdno jaghnü rakshdnsy oshadhe, tvdyd ja-
ghdna Kagydpas u. s. w.). In diesem Zusammenhange erklärt
sich denn auch die Bezeichnung der in unserm Blimienzauber
das Auge des Kä^yapa genannten Zauberpflanze.
Nun der vieräugige Hund in v. 7. Ein vieräugiger Hund
ist nach dem Scholiasten zu Taitt. Samh. V, 5, 19, 1 {cafurak-
skdh: akshnor upai-i vindudvayavdn) ein schwarzer Hund, der
über seinen Augen je einen weissen Fleck hat. In der vedi-
— 204 —
sehen Mythologie erscheint als Hündin und zwar als Götter-
hündin [devaguni) die Saramä, die, selbst vi eräugig, ein paar
scheckiger vieräugiger Jungen hat (Rigv. VIT, 6, 15 und Athar-
vaveda XVIII, 2, 12: Särameyaü gvdnau caturakshaü gabdlau).
Kuhn hat in derselben die Personification des in der schwarzen
Gewitterwolke daherbrausenden Sturmwindes und in dem scharf-
blickenden Doppelaugenpaar nichts anderes als den aus der
schwarzen Gewitterwolke herauszuckenden Blitz erkannt (Haupt 's
Ztschr. f. dtsch. Alterth., Bd. VI, pag. 131). Die Bezeichnung
unserer Zauberblume als des funkelnden Auges der Götterhtindin
stimmt überein mit der Vorstellung von dem Augenstern des
Gewitterdämons Vritra in Taitt. Samh. I, 2, 1, 2 und VI, 1, 1, 5.
Vieräugig ist dann auch die Sonne und zwar aus dem von
Säyana angegebenen ganz plausibeln Grunde, weil Agni catura-
kshah mit seinen Lichtflammen nach allen vier Weltgegenden
hinleuchtet. Vgl. Säyana zum Rigveda I, 31, 13: agmli cafw-
akshah : dikcatushtaye 'phidriyastlianiyajväläyuhtah san. Im
weitern wird dann „vieräugig" zum stehenden Epitheton für
alles Dämonische. Ath. VIII, 6, 22 heisst so ein Kimidin und
Ath. II, 32, 2 der König der Eingeweidewürmer des Rindviehs.
Nicht unmöglich wäre aber auch, dass die vieräugige Hündin
hier auf den , himmlischen Hund" (gi-an divya), nämlich auf den
nach allen vier Himmelsgegenden leuchtenden (?) Mond sich
bezöge, von dem es Atharvaveda VI, 80, 1 heisst:
antankshena patati vigvd bhütävacdkagcU
güno dtvyäsya ydn mahds tSnä te liavishd vtdhema \
„Am Himmel fliegt er hin und schaut hernieder auf die
Wesen all,
Die Herrlichkeit des Himmelshunds, wir brächten gem dies
Opfer dir."
Auch die Mondgöttin Hekate muss als Hündin vorgestellt
worden sein, wenigstens war sie von Hunden umschwärmt, vgl.
— 205 —
Theokrit 11, 12: tccv xai OKvkaxsg XQOiaeovti. Der Mond würde
hier, v. 7 unseres Blumenzaubers, als Nachtgestirn die Parallele
zum Auge des Kä^yapa, dem Glanzgestirn des Tages, zur Sonne
bilden.
üeber Kimidin s. zimächst oben pag. 65. Die Kimidin
sind ein kanibalisches Dämonengeschlecht. Im Rigveda VII,
104, 2 erscheint der Kimidin als Fresser rohen, noch blutigen
Fleisches, als kravyäd. In Ath. I, 7, 3 begegnen sie uns als
atrino yS himidinah „die Kimidin die da Fresser sind." In Ath. II,
24, 1 werden die Kimidin angeredet: ydsya stha, tum atta, yö
iah pidhaü, tarn aticu, svd mänsäny atta „Wessen ihr seid, den
fresset; wer euch geschickt hat, den fresset, fresset euer eigenes
Fleisch!" In Ath. VIU, 6, 22 heisst es von ihnen vollends:
yd ämäm mäiisdiii ddanti patinisheyain ca ye kravih \
gdrbhdn Ichddanti hSgaväs tan i'to nägat/dviasi \\
„Sie, die da essen rohes Fleisch und die da schlingen Men-
schenfleisch,
Die Kinderfresser haar'gen Leibs^ auf! räumen wir sie fort
von hier!"
5. Die Zaiil)erwelt des Atliarvaveda.
Neben den Liedern des Rigveda, die zu Opferzwecken ge-
dichtet und lange Zeit familienweise fortvererbt worden waren,
bis ein Sammler die einzelnen Familienbücher zu einem Ge-
sammt<5odex zusanmienstellte , ragen an culturgeschichtlichem,
mitunter aber auch an poetischem, ja philosophischem Werth
eine beträchtliche Anzahl von Zaubersprüchen hervor, die,
meistentheils späteren Ursprungs als die Hymnen des Rigveda,
gleich von allem Anfang an Gemeingut sämmtUcher Stämme
gewesen sind Den grössten Theil dieser bald kleineren, nur
aus zwei, vier, sechs, acht, zehn, dann aber auch grösseren, aus
— 206 —
zwölf, vierzehn, sechszehn, achtzehn, zwanzig und mehr Versen
bestehenden Sprüche umfasst der Atharvaveda.
Der Atharvaveda spiegelt nun im Gegensatze zum Rigveda
und Yajurveda, deren Lieder und Sprüche sich in den Anschau-
ungen der oberen Kasten, zumal der Brahmanen, bewegen, das
Leben und Streben der untern Volksschichten wieder. Und
wenn in den Opferhymnen der andern Veden eine Weltanschau-
ung zum Ausdruck gelangt, die ihren Mittelpunkt findet in der
Ehrfurcht vor dem das physische, wie das geistige Leben un-
wandelbar ordnenden Weltgesetz, dem rüdm, welchem Götter und
Menschen gleicherweise sich unterordnen und gehorsamen, so
finden wir dagegen in den Zaubersprüchen des Atharvaveda eine
Lebensauffassung vertreten, welche zwar die auf der Wahrheit,
dem satydm, beruhende Weltordnung des ritdm nicht leugnet,
dieselbe aber nicht, wie im Rigveda, für absolut unwandelbar
hält. Vielmehr macht sich durch Scämmtliche Atharvansprüche
hindurch die Ansicht geltend, dass es unter Umständen wohl
mögHch sei, den starren Bann des Weltgesetzes zu brechen und
über dasselbe hinweg oder trotz desselben, diejenigen Ziele zu
erreichen, die dem bedrängten Herzen des von tausend Uebeln
heimgesuchten Sterblichen am wünschenswerthesten erscheinen.
Der in den Liedern des Rigveda so erhaben auftretende Glaube
an eine das Dasein in Natur und Geistesleben unwandelbar
regelnde Weltordnung zeigt sich im Atharvaveda herabgesunken
zu einem diese Weltordnung nur noch äusserlich, aber verständ-
nisslos zugebenden Aberglauben, der dem Wahne huldigt, es
sei, bei Anwendung der richtigen, dafür vorhandenen Mittel,
wohl möglich, der Weltordnung beizukommen und dem strengen
Gesetz der Nothwendigkeit ein Paroli zu bieten oder auch ein
Schnippchen zu schlagen.
Sonne, Mond und Sterne haben ihren durch das Weltgesetz
geordneten Gang, nach dem Weltgesetz kommen und gehen die
Morgenröthen, wie auch das Jahr nach seinen vier Zeiten in
gemessener Regelmässigkeit verläuft und Tage und Nächte in
— 207 —
völliger Aiisnahmslosigkeit aufeinander folgen. Nach dem Welt-
gesetze stehen Himmel und Erde fest, ragen die Berge, strömen
die Flüsse, wachsen die Pflanzen und vermehren sich die Men-
schen und Thiere.
Aber mitten im nothwendigen Verlaufe dieser die Natur
und das Menschenleben bedingenden V^orgänge treffen den armen
Sterblichen Ereignisse und Plagen, deren Einreihung in den
allgemeinen Weltprocess schon dem im Glücke schwelgenden
Vornehmen, um wie viel weniger dann dem vom Missgeschick
Überfallenen gemeinen Manne gelingen will, ünglücksfölle aller
Art erschrecken das Gemüth, Misswachs auf dem Felde, Krank-
heiten im Haus und im Stall, Verwundung im Krieg oder durch
reis.sende Thiere, Hass, Neid und Fluch der Widersacher imd
Feinde. Wenn es selbst der Weise nicht über sich bringt, diese
Uebel als aus der Nothwendigkeit des Weltprocesses herfliessend
zu betrachten, so ist es dem Ungebildeten noch weniger zu ver-
argen, wenn er sich die ihn quälenden Leiden als neben der
ehernen Nothwendigkeit herlaufende Zufalle zurechtlegt, für
deren rechtzeitige Abwendung oder Heilung es nur des Ge-
brauchs der in der Natur und der Ueberlieferung vorhandenen
Mittel bedürfe.
Als solche Mittel aber galten die Heüsäfte der Pflanzen,
die Kräfte der Metalle, vor allem aus aber die wunderbare
Stärke richtig vorgetragener Gebete und Sprüche. Aus dem
bräJiTTKin, der die Seele in die Höhe tragenden Inbrunst des
Gebetes, war die Welt entstanden, mit HüKe des brdhman zogen
die Priester der Götter Gunst auf Erden hernieder zu Sieg und
Reichthumsgewinn des eignen, zu Niederlage und Verarmung
des fremden Stammes; sollte es da nicht im Reich der Mög-
lichkeit liegen, mit Gebetssprüchen auch Krankheiten abzuwen-
den, Fruchtbarkeit in Haus und Stall herbeizuzwingen und kurz-
weg vermöge geeigneter Gebetssprüche alles dasjenige zu
erlangen, was nun gerade dem Hülfsbedürftigen das Herz er-
leichtem kann? Sollte es nicht angehen, die Inhaber einzelner
- 208 —
Naturkräfte, als Götter, Riesen, Zwerge, Nixen, Feen, Dämonen
und Zauberer durch Anwendung von Beschwörungen herumzu-
bringen und des Anrufenden Wünschen dienstbar zu machen?
Es ist beachtenswerth , in welchen Formeln die Zauberei
der Inder des Veda ihr Heil suchte. Es lassen sich folgende
drei Beschwörungsmethoden unterscheiden. Zunächst erwartet
man den günstigen Ausgang einer Anrufung von dem sympathi-
schen Verhalten der Naturprocesse, die man der Reihe nach
darstellend herzählt. So rasch der Gedanke sich fortschwingt,
so rasch der Pfeil fliegt, so rasch der Sonne Strahl dahinschiesst,
so rasch soll auch der Husten verschwinden. Oder der Erfolg
des Zauberspruches wird hergeleitet von der Anrufung kosmo-
gonischer Mächte, die man gleichsam zu Mitzeugen und Helfers-
helfern der Beschwörung aufrufen will. Man wünscht des
eignen Herzens geheimste Regungen gleichsam zum Ausfluss der
im Hintergrunde alles Geschehens waltenden Weltgesetze zu
machen. Wie der christliche Aberglaube zum Anfang magischer
Zaubersprüche gern die ersten Verse des Evangeliums Johannis
wählt — „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei
Gott und Gott war das Wort" — , so verwendet der Zauberer
des Atharvaveda gern die Anfangs verse kosmogonischer Rig-
vedalieder, vorzugsweise des Hiranyagarbhahymnus:
Im Anfang stieg empor Hiranyagarbha
Er war des Daseins eingeborner Meister;
Der trug die Erde, trug den Himmel droben:
Wer ist der Gott, dem wir das Opfer brächten?
Von ganz besonderer Wirkung erscheint aber dem indischen
Zauberer die Anrufung des Namens dessen, der beschworen
werden soU. Dem Inder der Urzeit bedeutete der Name einer
Person oder eines Gegenstandes nicht allein das Erkennungs-
merkmal, sondern er hatte für ihn den Werth eines das ganze
Wesen in sich schliessenden Substrats, der Name war das mit
dem Wesen verwachsene, dasselbe im letzten Hintergrunde
— 209 —
tragende Urbild, der Name war gleichsam der Spiritus familiaris,
der metaphysische Dämon des Wesens, sodass also, wer sich
des Xamens versichert hatte, auch des Wesens habhaft wurde.
Desshalb denn die häufig wiederkehrende Versicherung: Ich
kenne deinen Namen, ich ergreife denselben, du heisst so und
so, wobei der Zauberer stillschweigend voraussetzt: das genügt,
das Uebrige wird sich finden.
1. Gebete für Haus, Hof, Feld und StalL
Ath. Vn, 69.
Zum Heile wehe uns der Wind, zum Heil geb' uns die
Sonne heiss, |
Die Tage seien uns zum Heil, zum Heile brech' die Nacht
uns an, |
Zum Heil geh' uns die Morgenröthe auf! || 1 ||
Ath. XI, 4.
Ein Frühlingslied.
Verehrung sei dir, Lebensgeist, in dessen Huld das Weltall ruht,
Verehrung dir, dem Herrn des Alls, in welchem Alles lebt
und webt. |j
In Ehrfurcht beug' ich mich vor dir, du bist der Herr des
Donnerhalls,
Ich beuge mich in Ehrfurcht dir, des Blitzes und des
Regens Herrn. || 2 ||
Weim du die Pflanzen, Lebensgeist, mit deines Donners
Ruf beglückst.
Regen sie sich, befruchten sich und dann gedeihen sie
zu Häuf. II 3 II
Und kommt der Frühling und du nahst der Flur dich, Herr,
mit Donnergruss,
Dann jubelt AUes frohgerauth, was nur auf Erden leb<-
und webt. :[ 4 |!
Brunnhofer, Vom Aral bis zur Gangä. 14
— 210 —
Und wenn du dann, o Lebensgeist, die Flur mit Regen
mild erquickst,
Dann hüpft auch unser Vieh vor Lust und schafft uns
Reichthum, Macht und Glanz. || 5 ||
Die Pflanzen, regengusserfrischt, sprechen dann wohl zum
Lebensgeist:
Du hast das Leben uns verlängt und Jedem Wohlgeruch
verliehn. || 6 ||
Verehrung sei dir, wann du kommst, Verehrung sei dir,
wann du gehst,
Verehrung sei dir, wann du stehst, Verehrung sei dir, wann
du ruhst. II 7 ||
Verehrung, wann du hauchest ein, Verehrung, wann du
hauchest aus.
Ath. II, 8.
Gegen Feldschaden.
Aufgieng das glückverheissend Paar der Sterne, Namens
Vicritau,
Feldschadens Fessel mögen sie auflösen oben, unten dann! || 1 1|
Hinschwinden möge jetzt die Nacht, verschwinden die ün-
holdinnen!
0 Zauberkraut, Feldschadens Tod, mach' den Feldschaden
schwinden hin! || 2 |j
Mit dem Strohhalm der Hirse dann, der oraunen, silber-
stenglichen, mit weissen Sesams Ranke dann,
0 Zauberkraiit, Feldschadentod, mach' den Feldschaden
schwinden hin. || 2 ||
Verneigung deinen Pflügen sei, den Deichseln und den
Jochen dein,
0 Zauberkraut, Feldschadentod, macli' df^ii Feld-chadfii
schwinden hin. || 3
— 211 —
Verneigung den Zwinkäugigen, Vemeiguug den Willfährigen,
Verneigung sei dem Feldesherrn !
0 Zauberkraut, Feldschadentod, mach' den Feldschaden
schwinden hin. || 4 ||
Vgl. Weber, Ind. Stud., Bd. XIII, pag. 149—153.
Ath. VI, 59.
Gebet um Schutz für das Vieh.
Den Stieren, wie den Kühen auch schenk' deine Huld, Arun-
dhati,
Milchlosem Vieh, den Hühnern dann, auch anderem Vier-
füsslerthum! || 1 ||
Er schenke Huld Arundhati, die Pflanz' und Göttin ist zugleich.
Sie schaffe Milch in unsern Stall imd dem Gesinde Lebens-
kraft II 2 II
Dich, farbenbunte, reichen Hort, heiss' ich willkommen,
Lebenskraut,
Sie lenke Rudra's Wurfgeschoss von unsern Kühen fern-
hin ab! II 3 II
Vgl. dazu Grill, Hundert Lieder de^ Atharvaveda, übers,
und mit HemerJcimgen versehen {Tübingen 1879), pag. 41.
^ Ath. III, 24.
Gebet um Viehmast.
Die Kräuter strotzen voller Milch und Milch ist auch in
meinem Spruch:
Von den milchreichen trag' ich drum zu tausenden herbei
zur Mast. || 1 1|
Ich kenn das Zwerglein Milchreich wohl, es hat uns reiches
Korn gemacht.
Das Wichtchen Namens Tragzuhauf, das rufen betend wir
herbei aus der Nichtopfernden Gehöft. || 2 ||
Mögen die fünf Weltgegenden, der Menschen Stämme alle fünf,
14*
— 212 —
Wie nach dem Regen Holz der Fluss, Gedeihn und Wohl-
fahrt bringen her. || 3 ||
Schöpf aus dem hundertstrahl'gen Born, dem Tausend-
strahl'gen, für und für.
So lohne dieses Korn denn auch uns tausendfältig für und
für. II 4 II
0 Hunderthänd'ger, schaff herbei, o Tausendhänd'ger,
raff heran!
Für das Gebrachte und was noch zu bringen, erbitten wir
von dir Gedeihn und Mehrung. || 5 ||
Für die Gandharvas Garben drei, für die Hausherrin
ihrer vier,
Mit der, die die gedeihlichste von diesen, rühren wir
dich an. || 6 ||
Aufhäufer und Ansammler sind dein Dienerpaar, Prajäpati,
Dies Zwergleinpaar bring' uns Gedeihn^ Reichthum und
Wohlfahrt für und für. || 7 ||
Vgl. Weber, Ind. Stud., Bd. XVH, pag. 286—290.
Ath. VI, 142.
Gebet um Hirsesegen.
Wachs' hoch empor und werde dicht aus eigner Kraft, o
Zauberkorn,
Zersprenge die Gefässe all, nicht treffe dich des Himmels
Strahl! II 1 II
Wenn wir als Gott dich grüssen, der noch auf uns hört,
0 Hirsekorn,
So wachs empor, dem Himmel gleich, gedeih' unendlich
wie das Meer. || 2 ||
Unendlich sei'n die Speicher all, unendlich sei'n die Haufen all,
Unendlich sei'n die Käufer all, unendlich sei'n die Esserall! || 3
Vgl. dazu Grill, a. a. 0., pag. 41. S. auch meine Abhand-
lung „Ueber den Hirsebau der Arier im Veda und
Avesta'* in Vom Pontus bis zum Jndus, pag. 188 — 209.
— 213 —
Ath. IV, 3.
Gebet gegen allerlei Diebsgesindel und Raubgethier.
Von hier weg mögen drei sich scher'n: das Tigerthier, der
Mensch, der Wolf.
Hinweg treiht auch der Ströme Flut, hinweg das Holz,
das göttliche,
Hinweg auch krieche, wer uns hasst. ]| 1 j|
Weit weg vom Pfade flieh der Wolf, am weitesten reiss'
aus der Dieb,
Es gleite weg der biss'ge Strick, der Missethäter drücke
sich. Ij 2 II
Das Augenpaar und deine Schnauz', zermalmen, Tiger,
wir zuerst,
Auch deine zwanzig Krallen dann. || 3 jl
Den Tiger tödten wir zuerst von allem, was da Zahne hat.
Sodann den Dieb und dann die Schlang', den Hexenmeister
und den Wolf. || 4 ||
Wer heut' als Dieb heran sich schleicht, geht mit zermalm-
ten Gliedern fort.
Auf dem geheimsten Nebenpfad erschlag' ihn Indra mit
dem Blitz. || 5 |I
Vgl. chizu Grill, a. a. O., pag. 23.
2. Liebe, Hochzeit, Geburt, Familiengedeihen, Würfel-
glück und Reichswohlfahrt.
Ath. VI, 130.
Liebeszauber.
Der Apsarasen, deren Macht die Liebe, ist der Liebesgott:
0 Götter, schickt den Liebesgott, dass Jener doch nach mir
sich sehn'! || 1 ||
„Er liebe mich, es sehne sich mein Liebster nach mir" gebt
ihm auf!
— 214 -
0 Götter, schickt den Liebesgott, dass Jener doch nach
mir sich sehn'. || 1 |]
Dass jener nur nach mir sich sehn', ich aber nicht etwa
nach ihm,
Schickt, Götter, doch den Liebesgott, dass jener doch nach
mir sich sehn'. || 3 ||
0 Stürme, macht ihn liebestoll, o Aether mach ihn liebestoll,
0 Feuer, mach ihn liebestoll, dass er sich liebend nach mir
sehn'! |1 4 ||
I^<//. dazu Grill, a. a. O., pag. 36.
Ath. VT, 8.
Ein andrer Liebes 7, au b er.
Wie die Liane um und um sich liebend um den Baum-
stamm schlingt,
So auch umschlinge liebend mich, auf dass du meine
Buhle seist,
Auf dass du nicht mehr von mir lässt. || 1 ||
Gleichwie der Adler, flugbereit, die Schwingen auf am
Boden schlägt,
So schlag' und fessl' ich deinen Sinn, auf dass du nicht
mehr von mir lässt. || 2 ||
Wie um den Himmel und die Erd' die Sonne kreist in
Ewigkeit,
So auch umkreis' ich deinen Sinn,auf dass du meine Buhle seist,
Auf dass du nicht mehr von mir lässt. || 3 ||
Vgl. dazu Qrill a. n. O., pmj. 34.
Ath. VI, 139.
Liebeszauber mit der Nyastikfl.
Liane, mit den Schossen stiegst du hoch empor, Wohlthäterin,
Einhundert streckst du in dio Höh' nud dnMiiiid<lr<'i^'=i<'
niederwärts.
— 215 —
Mit dieser Tauseudblättrigen trockn ich dir aus des Her-
zens Grund. |i 1 ||
Dein Herz vertrocku' in Lieb zu mir, alsdann vertrockn'
ich deinen Mund,
Dann trockne mich mit Sehnsucht aus und alsdann geh
mit trocknem Mund. || 2 j|
Versöhnende, liebreizende, gelbbraune, schöne, ein'ge uns,
Ja, ein'ge sie und mich und mach, dass unser Herz in Ein-
tracht schlägt. II 3 II
Gleichwie der Mund vertrocknet dem, der ihn mit Wasser
nicht geletzt,
So trockne mich mit Sehnsucht aus nach dir, dann geh du
trocknen Munds. || 4 ||
Wie das Ichneumon eine Schlang' zertheilt und dann zu-
sammensetzt,
So stell' auch mein Herz wieder her, das jetzt zerrissne,
Zauberstrauch !
Ath. VI, 78.
Ein Hochzeitssegen.
Der dieses Opfer dargebracht, gewinne neue Jugendkraft!
Die Frau, die man ihm zugeführt, gedeih' in Füll' und
Liebesreiz. || 1 ||
Er sel1)st gedeih' an Vieh und Milch und breite seine Herr-
schaft aus.
Mit Gut von tausendfachem Glanz bereichre sich das Ehe-
paar. II 2 II
Tvashtar erzeugte dir dies Weib, Tvashtar schuf dich für
sie zum Mann,
Tvashtar verleih' euch tausendfach so Lebenskraft als
Lebenszeit. || 3 H
Vgl. dazu Grill a. a. O., yag. 36.
— 216 —
Ath. VI, 17.
Gebet um einen Sohn.
Wie diese grosse Erde giebt den Keim zu allem Lebenden,
So keime dir auch Leibesfrucht zu hoffnungsvoller Nieder-
kunft. II 1 II
Wie diese grosse Erde trägt der Waldesriesen schwere Last,
So keime dir auch Leibesfrucht zu hoffnungsvoller Nieder-
kunft. II 2 II
Wie diese grosse Erde trägt Gebirg' und Berge iusgesanmit,
So keime dir auch Leibesfrucht zu hoffnungsvoller Nieder-
kunft. II 3 II
Wie diese grosse Erde trägt die ganze ausgedehnte Welt,
So keime dir auch Leibesfrucht zu hoffnungsvoller ^{ieder-
kunft. II 4 11
Ath. IV, 2.
Gebet um ein Glückshäubchen.
Der uns das Leben giebt, der uns die Kraft giebt,
Dess Machtgebot die Götter all gehorchen,
Dess Schatten die Unsterblichkeit, der Tod sind:
Wer ist der Gott, dem wir das Opfer brächten? |] 1 ||
Er, der in Majestät vom höchsten Throne
Der athmenden, der Schlummerwelt gebietet,
Dess Schatten die Unsterblichkeit, der Tod sind:
Wer ist der Gott, dem wir das Opfer brächten? || 2 ||
Zu dem empor, wie Schlachtreih'n vor dem Kampfe,
Himmel und Erde ruft, in Furcht erzitternd,
Er, dessen dieser Pfad, der durch das All ttlhrt,
Wer ist der Gott, dem wir das Opfer brächten? || 3 j|
Er, dess der Himmel und die breite Erde,
Die mächtige, er dess der weite Luftraum,
Er, dessen diese Sonn' in Majestät prangt,
Wer ist der Gott, dem wir das Opfer brächten? || 4 ||
— 217 —
Er, dess die Schneegebirge all, hochragend.
In dessen Ocean die Rasa mündet,
Dess Arme diese Himmelsregionen,
Wer ist der Gott, dem wir das Opfer brächten ? || 5 |!
Die Wasser hegten erst das All, besamend,
Die ewigen, die kundig aller Wahrheit,
Der über diesen Göttinnen als Gott steht,
Wer ist der Gott, dem wir das Opfer brächten? [j 6 jj
Im Uranfang entstand das goldne Glanzkind,
Er war des Daseins eingeborner Meister,
Der trug die Erde, sowie auch den Himmel,
Wer ist der Gott, dem wir das Opfer brächten? [j 7 ||
Die Wasser hatten, als ein Kind sie zeugten,
Im Uranfang den Keim dazu geschaffen,
Und als dies Kind geboren ward.
Trug's ein Glückshäubchen pur aus Gold.
Wer ist der Gott, dem wir das Opfer brächten? || 8 ||
Vgl. darüber obenpag. 207, sowie memJran und Turan^p. 179-185.
Ath. VI, 140.
Ein Milchzahnsegen.
Es wuchs ein Tigerpärchen auf, das frässe Vater und
Mutter gern,
Dies Zähnchenpaar, o Wachthums Herr, schaff uns zum
Heil, Allwissender! || 1 ||
Esst wacker Reis, esst Hirse auch, esst Bohnen, esset Se-
sam auch,
Das wartet euerer schon längst, dass ihr recht schmaust, o
Zähuchenpaar.
Thut Vater und Mutter nichts zu leid || 2 ]|
Selbander eingeladnes Paar, gereicht, o Zähnchen, uns
zum Heil!
Jagt, Zähnchen, Andern Schrecken ein, thut Vater und
Mutter nichts zu leid! II 3 "
— 218 —
Ath. III, 30.
Familiengebet.
Ich stifte Eintracht unter euch, herzinnige Zwistlosigkeit,
Liebt Eins das Andre wie die Kuh ihr friscligebornes Kälb-
chen pflegt, II 1 II
Dem Vater fol^e gern der Sohn, mit seiner Mutter Eines
Sinns,
Die Frau beglücke ihren Mann mit liebenswürdigem Ge-
spräch. II 2 II
Der Bruder nicht den Bruder hass', die Schwester so die
Schwester nicht,
Nach Einem Ziel nur trachtend, Eins nur wollend, sprecht
nur Freundliches, jj 3 || ,
Das, was die Götter nie entzweit, sie nie einander hässig
macht.
Bring' ich als Segen euch in's Haus, die Eintracht mit der
Nächstenwelt. || 4 \\
Verständig Aeltern folgend lebt nicht uneins.
Zusammenhaltend lauft an Einer Deichsel.
Einander Schönes sagend, wandelt traulich,
Ich mach' das Herz euch für nur Ein Ziel schlagen. || 5 ||
Für Jedes gleichen Antheil Speis' und Trankes,
Ich bind' euch an dasselbe Joch zusammen.
All euer Sinnen drehe um den Herd sich,
Wie um die Nabe sich die Speichen umdrehn. || 6 |1
Ich mach' eu'r Herz für Ein Ziel nur sich regen,
Dass Alle glüh'n in holder Gegenliebe.
Gleich Göttern, die das Amyita behüten.
Seid früh und spät von immer guter Laune! || 7 ||
Ve)-gL Webei; Jnd Stud., Bd. XVII, pag. 306— :U0.
— 219 —
Ath. VII, 52.
Hausgebet um Friede und Eintracht,
Gewährt uns Eintracht unter uns und Eintracht mit der
Aussenwelt,
Ja, Fried' und Eintracht unter uns gewähr' uns doch A^vinen-
paar! || 1 jj
Wir wollen herzlich uns verstehn, nicht streiten, sondern
uns mit Ernst
Gottinniger Gesinnung weih'n. |j 2 ||
Kein Kriegsgeschrei erhebe sich von Schlacht und Sieg, es
schwirr' kein Pfeil,
Denn uns brach an Gott Indra's Tag. || 3 ||
Vgl. Grill a. a. O.. pag. 22.
Ath. VI, 120.
Gebet um Wiedersehn von Eltern und Kindern.
V7enn wir der Luft, der Erde und dem Himmel,
Wenn Muttern wir und Vatem Leides thateu,
So mög* uns Agni, er, des Hausherds Vater,
Davon erlösen in die Welt der Frommen. || 1 ||
Die Erd' ist unsre Mutter, Weltraum Heimat,
Die Luft als Bruder schütz' uns vor Bedrängniss.
Der Himmel mög' uns Vatergruss entbieten,
0 wären wir, wo wir die Brüder träfen! |] 2 H
Dort, wo die Frommen, ledig aller Leiden,
Nach Herzenslust am Soma sich erlaben,
Wo Lahme nicht, noch Krüppel, dort im Himmel,
Säh'n Eltern wir und Kinder gerne wieder. || 3 ||
Vgl. Gnll a. a. O., pag. 16.
— 220 —
Ath. VI, 88.
Segensspruch für die Sicherheit des Reiches.
Fest ist der Himmel, fest die Erd', fest ist das ganze
Weltenall,
Fest sind die Berge dort und fest der König dieser Stämme
auch. II 1 II
Fest mache König Varuna, fest mache Gott Brihaspati,
Fest mache Indra im Verein mit Agni deinen Herrscher-
thron. II 2 II
Fest, unerschüttert, schlag die Feinde nieder
Und die Rebellen tritt zu deinen Füssen.
Die ganze Welt, zu Einem Bund vereinigt,
Gewähre deinem Reich Bestand und Dauer! || 3 ||
Ath. VI, 108.
Gebet um Weisheit.
0 Weisheit, komme du voraus auf Ross und Rind, ge-
fahren her.
Komm' auf der Sonne Strahlen her, du bist ja der Ver-
ehrung werth. II 1 II
Die Weisheit, die der Andacht voll. Inbrunstgetragen, Dich-
tem hold,
Vom Forschervolk gehegt, gepflegt, ruf ich zur Hülf der
Götter an. || 2 ||
Die Weisheit, die den Ribhus kund, die Weisheit, die den
Asuras,
Der Rishi fromme Weisheit lass mit deinem Geist durch-
dringen mich. II 3 II
Die Urweisheit der Weltschöpfung, die einst der Vorzeit
Weisen Theil,
Mit dieser Weisheit, Agni, lass mich heut durchdringen
meinen Geist. ' 4 ii
— 221 —
Wir flehn zur Weisheit spät und früh, wir flehn zur Weis-
heit Mittags auch,
Dass auf der Sonne Strahlen sie einkehren mög' in unsern
Geist. II 5 II
Ath. IV, 38.
Gebet um Würfelglück.
Die Apsarä, die glücklich spielt, die durchdringt und Ge-
winn verschafft,
Die aUe Würfe an sich bringt, die Apsarä ruf ich herbei || 1 ]|
Die Apsarä, die glücklich spielt, zusammenstreicht und
Häufchen macht,
Die alle Würfe an sich bringt, die Apsarä ruf ich herbei. ||2||
Ist eine, die mit Würfeln tanzt, den Wurferfolg zu Händen
streicht,
Die spende uns den Spielerlos, erziel' durch Zauber den
Gewinn.
Die nahe sich uns segensreich, dass man uns nicht im Spiel
besiegt. || 3 ||
Wer an den Würfeln Freude hat, bringt sonst nur Zorn
und Aerger heim,
Ich aber ruf die Apsarä, die uns vergnügt und Spass ver-
schafft. II 4 II
Vgl. dazu Gnll a. a. 0., pag. 45.
3. Zaubersprüche gegen Körpergebrechen, Krank-
heiten und Wunden.
Ath. VI, 91.
Ein Wassercurspruch.
Dies Hirsekorn hier haben sie mit drei, mit vier Joch sich
erpflügt;
— 222 —
Mit dem entfern' dein Uebel ich , dass es nach unten von
dir geht. II 1 II
Nach unten geht des Windes Wehn, nach unten brennt der
Sonne Gkit,
Nach unten melkt man eine Kuh, nach unten soll dein
Uebel fliehn. || 2 ||
Die Wasser sind ja Arzenei'n, die Wasser treiben Krank-
heit aus,
Die Wasser heilen All's und Jed's , so sei'n sie deine
Arzenei. || 3 ||
Ath. VI, 24.
Ein anderer Wasserheilspruch.
Vom Himavat her strömen sie und münden in die Sindhu aus,
0 möchten doch die Wasser mir ein Mittel gegen Herz-
weh sein. II 1 II
Was an dem Augenpaar mich schmerzt, den Fersen, Vorder-
füssen schmerzt,
0 schwemmten mir's die Wasser weg, der Aerzte ausge-
zeichnetste II 2 II
Ihr Flüsse, die ihr all zur Frau und Königin die Sindhu
habt,
Gebt uns ein Mittel doch für Das, die Gunst verdanken
wir euch gem. || 3 ||
Ath. XIX, 37.
Heilkraft des Bdcllion.
Ja, den berührt nicht Auszehrung und den berührt auch
nie ein Fluch,
Den nur einmal der Wohlgeruch des Bdellionbalsams be-
rührt. II 1 II
Vor diesen machen Seuchen sich wie Antilopen sclieu
davon.
— 223 —
Du habest IndusbdellioD, du habest Bdellion vom Meer:
Ich nannte beider Namen jetzt und nunmehr hat dir nichts
was an. || 2 ||
Ath. VI, 136.
Haarstärkungsbalsam.
0 Zauberkraut von Götterglanz, auf Göttererde wuchsest du,
Nach deiner Wurzel graben wir, auf dass sie unsre Haare
stärk'! !! 1 !i
Die alten starke, neue dann erzeug* und mach sie lang und
stark. II 2 !|
Geht dir ein Haar aus oder wird es mit der Wurzel aus-
gerauft,
Bespritz' ich dich mit einem Guss von diesem Kraut, das
AUes heüt. |1 3 ||
Ath. VI, 46.
Gegen Schlaflosigkeit.
Der du unser Leben bist, du bist nicht todt, der Götter un-
sterblicher Lebenskeim, o Schlaf | Varunänl [die Gemahlin Varur
7UIS, des Gottes des Nachthivimels] ist deine Mutter, Yama [der
Gott des Todes] ist dein Vater, Ararus[?] ist dein Name. || 1 ||
Wir kennen dich, o Schlaf, als unsre Heimat, du bist der Sohn
der Götterschwestem , der Gehülfe Yama's | Du bist das Ende,
du bist der Tod | Der bist du, o Schlaf, und so kennen wir
dich I Schütze uns, o Schlaf, vor Schlaflosigkeit. || 2 jj
Wie man ein Boot, Vieh oder Fluss
Beliebig dahin, dorthin führt,
Führen wir dich, Schlaflosigkeit,
Jetzt voll und ganz dem Hasser zu. || 3 ||
— 224 —
Atk VI, 25.
Gegen Halsweh.
Die fünfimdfünfzig [Würmer], die sich mir im Nacken
tummeln hin und her,
Sie mögen hingehn allzumal, gleichwie ein Hummelnschwarm
versurrt. |I 1 ||
Die siebenundsiebzig, die sich mir im Halse tummeln hin
und her,
Sie mögen hingehn allzumal, gleichwie ein Hummelnschwarm
versurrt. |j 2 ||
Die neunundneunzig, die sich in den Schultern tummeln
hin und her,
Sie mögen hingehn allzumal, gleichwie ein Hummelnschwarm
versurrt. || 3 ||
VergL darüber yj)ie Quelle des Aberglmibens" in meinem
Bliche „öulfurwandel und Völkerverkehr^'' (Lpz., Fnedrich^ 1891)
pag. 128.
Ath. VI, 105.
Gegen Husten.
So rasch als nur des Denkens Kraft mit einem Bild von
dannen eilt,
So rasch, o Husten, flieg' auch du mit Geistesschnelligkeit
davon. |1 1 ||
So rasch ein wohlgeschärfter Pfeil sich rasch in weite Ferne
schwingt,
So rasch, o Husten, flieg' auch du mit Geistesschuelligkeit
davon. || 2 ||
So rasch als nur der Sonne Strahl sich fernhin durch die
Lüfte schwirrt.
So rasch , o Husten, flieg' auch du dem Lauf der Meeres-
strömung zu. II 3 II
— 225 —
Atb. VI, 44.
Gegen Asräva (?) und Vätikrita (?)
Der Himmel stand, die Erde stand, es stand das ganze
WeltenaU,
Die Bäume standen starr im Schlaf, so stehe deine Krank-
heit still, il 1 II
Von hundert Arzeneien, ja von tausenden, die's geben mag,
Das Beste gegen Asräva, dasKrankheitwegbefördemdste, |j 2 ||
Bist du, Rudrasyamütra-Kraut, du Nabel der Unsterblichkeit.
Du heisst mit Recht Vishänakä, der Väter Wurzel du ent-
stammt,
Du Mittel far Vätikrita. | 3 ||
Ath. I, 23.
Gegen Aussatz.
Zu Nachtzeit schössest du empor, du dunkles, fahles,
finstres Kraut,
Gieb diesem aussatzkranken Mann, dem bleichen, Farbe,
fahle du Ij 1 1|
Den Aussatz und das bleiche Haar, das fleck'ge Ausseh'n
tilge weg!
Des Leibes eigne Farbe kehr' zurück dir, jag' die Bleich-
sucht aus! 1 2 II
Fahl ist das Bett, worauf du liegst und fahl die Unterlage
auch,
Du selbst bist fahl, o Zauberkraut, so lass die Fleckigkeit
vergehn! \\ 3 Jj
Den Aussatz, der im Knochen liegt, in deinem Leib, in
deiner Haut,
Des giftgezeugten weisses Mal, vertreib' es durch des
Spruches Kraft! 1 4 jj
Vgl. Grill a. a. O., jiag. 15, insbes. Weber, Ind. Stud.,
Bd. IV, pag. 416—417.
Brunnhofer, Vom Aral bis zur Gangä. 15
— 228 —
Mit dieser Götterspende macht ihr dieses Gift ganz un-
wirksam II 2 II
Ob Tochter auch der Teufel sei'st, du bist der Götter Schwe-
ster doch,
Dem Himmel und der Erd' entstammt, hast du das Gift
ums Gift gebracht. || 3 ||
Ath. IV, 6.
Ein anderer Gegengiftzauber.
Als Brähmana kamst du zur Welt, zehnköpfig wie zehn-
mündig auch,
Der trank zuerst den Somatrank, der macht' unschädlich
dieses Gift || 1 ||
Soweit der Himmel und die Erde reichen, soweit die sieben
Ströme sich verbreiten,
Soweit weg bann ich auch den Fluch des Giftes durch
Beschwörung weg || 2 ||
Garutmän hat, der Vögel Fürst, zuerst, o Giftkraut dich
entdeckt.
Du hast ihn nicht betäubt, gezwickt und dientest ihm als
Nalirung doch || 3 ||
Wenn ich dich mit fünf Fingern fass' und von dem Bogen
rückwärts schiess |
Vermag ich von des Pfeiles Schaft hinwegzubannen alles
Gift. II 4 II
Vom Pfeil bann' ich zurück das Giftund von der Federhülse auch,
Von Widerhaken, Spitz' und Hals bann ich den Giftstoff
wieder weg || 5 ||
Saft-kraftlos ist des Pfeiles Schaft, saft-kraftlos sei denn
auch das Gift,
Saft-kraftlos ist das Holz des Baums, saft-kraftlos sei der
Bogen auch. || 6 ||
Wer Pfeile mit dem Gift bestreicht und wer dann solche
Pfeile schiesst,
— 229 —
Die wandeln sich in Hämlinge, der Hamling wird ein Berg
von Gift II 7 II
Zum Hämling wird auch, wer dich gräbt, denn Hämling
bist du, Zauberkraut,
Ein Hämling ist sogar der Berg, von wannen dieses Gift
entstammt. || 8 11
4. Sprüche wider Zwietracht, Eifersucht und Zorn.
Ath. VI, 42.
Wider Zwietracht.
Wie man vom Bogen spannt die Sehn', spann' ich vom
Herzen deinen Groll,
Damit, in Eintracht wir gesellt, wir leben wie ein Freundes-
paar. II 1 II
Lass leben uns als Freundespaar, ich spann' vom Herzen
dir den Groll,
Wir werfen deinen Groll hinweg und wälzen einen Block
darauf. || 2 ||
Dann tret' ich hin auf deinen Groll mit Ferse und mit
Vorderfuss,
Dass du nicht widerspänstig sprichst und dich nach meinem
Sinn bequemst. || 3 ||
Ath. Vn, 45.
Gegen Eifersucht.
Vom Indus her, dem Allerweltsvielliebchenlande hergebracht.
Von weither, mein' ich, stammest du, das Mittel gegen
Eifersucht. || 1 ||
Gleichwie man einen Meiler löscht, der in sich heimlich
glimmt und glüht,
- 230 —
So stiir du ihre Eifersucht, wie man mit Wasser Feuer
löscht. II 2 II
Ath. VI, 18.
Ein anderer Spruch gegen Eifersucht.
Den ersten Sturm der Eifersucht, sodann den zweiten und
so fort,
Den Feuerbrand im Herzen dein, den blasen wir dir gründ-
lich aus. II 1 II
Gleich wie die Erde todten Sinns, noch todter als ein Todter ist,
Wie eines Todten Herz, so sei das Herz des Neiders todten-
kalt. II 2 II
Das schwanke Sinnchen, das sich dir hat eingenistet in
dein Herz,
Erlös' ich von der Eifersucht, wie Dampf, wenn man den
Topf abhebt. |j 3 ||
Ath. VI, 43.
Gegen Zorn.
Dies Gras hier stillt den Groll, so gut bei andern Leuten
wie bei uns.
Drum, gilts Beschwichtigung des Grolls, so ruft man dem
Zornmittelchen. || 1 ||
Es, das mit vielen Wurzeln tief zum Meeresgrund herab
sich senkt
Und dann sich in die Luft erhebt, es wird Zommittelchen
genannt. || 2 ||
Wir zieh'n aus deinem Kinn und Mund dir deine Wider-
spänstigkeit,
Damit du uns nicht widersprichst und dich nach unserm
Sinn bequemst. || 3 ||
Vgl. dazu Grill a. a. 0., pag. 27.
— 231 —
5. Sprüche zur Ab wehr von allerlei Unsegen und Fluch.
Ath. VI, 52.
Wider böse Geister.
Die Sonne geht am Himmel auf, die Riesen brennend vor
sich her.
Der Gott, von Berg zu Berg zu schau'n, bannt, was sich
nicht ans Licht getraut. {| 1 ||
Dann lagern sich die Ktih' im Stall, die Vögel siedeln sich
zur Rast,
Der Ströme Wogen werden still und was sich nicht ans
Licht getraut. 1| 2 |1
Er schenk' ein weises Leben uns und Kanva's Kraut von
weitem Ruf,
Das ist nun meine Panacee für was sich nicht ans Licht
getraut, i] 3 1|
Ath. Vn, 64.
Abwehr eines Unglücksvogels.
Ein schwarzer Vogel flog uns zu, der etwas fallen Hess
im Flug,
So mögen mich die Wasser denn von aller Fahr vmd Noth
befrein \\ 1 |I
Wenn hier dein Vogel, Nirriti, mit seinem Schnabel was
gestreift,
So möge Agni mich, der Herr des Herds, von der Gefahr
befrein. 1| 2 ||
Ath. VI, 37.
Fluch.
Der Gott mit tausend Augen hat den Wagen abgeschirrt
und kommt,
— 232 —
Suchend den Mann, der mir geflucht, gleichwie der Wolf
des Schäfers Haus. |1 1 ||
uns selber schone, Fluchdämon, als wie ein brennend Feu'r
den See,
Den aber, der uns flucht, schlag' todt. als wie den Baum
des Himmels Strahl || 2 ||
Den, der uns flucht' ohn' unsern Fluch, und den, der uns
flucht, weil wir ihm,
Den werfe ich dem Tode hin wie einen Knochenrest dem
Hund. II 3 II
Vgl. Grill a. a. ö., pag. 19.
Ath. VI, 26.
Vertreibung der Pest zu Andern.
Verlass uns, Pest, sei doch so gut und bleib' uns recht ge-
wogen, ja?
Lass mich, o Seuche, heilen Leibs eingehen in die Welt
des Heils! || 1 U
Die du uns, Seuche, nicht verlässt, wir unsrerseits sind
deiner satt,
Auf einem Kreuzweg hefte dich an eines Andern Ferse,
Pest! II 2 II
DerEw'ge,Tausendäugige, schenk' einem Andern seine Huld!
Dem, dem wir hässig, spiel' er mit, den, den wir hassen,
schlage todt! || 3 ||
Ath. VH, 59.
Gegen fluch.
Wer uns verfluchen sollte, selbst wenn wir ihm nicht vor-
her geflucht.
Und auch, wer uns verfluchen sollt', auch wenn wir ihm
vorher geflucht,
— 233 —
Verdorre, wie ein Baum vom Blitz getroffen, von der
Wurzel her.
Ath. VI, 67.
Anwünschung panischen Schreckens in der Schlacht.
Auf allen Bahnen ist das Paar Indra und Püshan auf der
Fahrt,
0 dass sie heut' der Feinde Heer ins Bockshorn jagten
allerwärts! || 1 ||
0 Feindesschaaren, nehmt die Flucht, kneift wie kopflose
Schlangen aus!
Mög' Indra die von pan'schem Schreck Verwirrten tödten
Mann für Mann || 2 ||
Näh ihnen zu das Fell, o Stier, jag' ihnen ein Gazellenangst!
Gott Mitra wende sich abweits, uns aber geh' die Sonne
auf! II 3 II
Ath. Vn, 65.
Reinigung von Sünde.
Mit Früchten, rückwärtsliegenden, wuchs'st Apämärga, du
empor,
Verscheuche alle Flüche, die auf mich geschleudert, weit
hinweg. II 1 II
Was wir an Fehlem, Missethat und Schlechtigkeit gestindiget,
]Mit dir, o Allwärtsschauende, befrei'n wir gründlich uns
davon ]| 2 ||
Was wir mit Schwarzzahn, Nägelkrank und Hämling
Schlimmes wo vollführt,
Vermittelst deiner wischen wir das alles, Apämärga, ab. || 3 J
Vgl. Grill a. a. O., pag. 26.
— 234 -
Ath. VI, 115.
Reinigung von SündenschmTjtz.
Die Sünden, die wir wissentlich begiengen und unwissentlich,
Von aller dieser Sündenschuld, erlöst uns, Götter, allzumal! i 1 j.
Wenn ich mich bei Verstand und wenn ich mich im Schlaf
versündigte,
Vergangenheit und Zukunft sühn' mich davon wie von
Folterqual. || 2 ||
Wie man von Foltern iins erlöst, im Schweissbad uns den
Schmutz abspült,
Wie Schmutz man durch die Seihe klärt, also entsündiget
mich all. || 3 |1
6. Der verloreue Schöpfiingshymnus TOm goldenen Weltei.
Aus der Paraphrase des (^atapatha-Brähmana in seine ursprüngliche
Strophenform zuräckversetzt.
Aus dem Anfang von Manu's Dharma^ästra hatte sich längst
auf das ehemalige Vorhandensein eines Vedahymnus vom Weltei
schliessen lassen. Er steht paraphrasirt im Qatapatha-Bräh-
mana XI, 1, 6, 1 ff. (ed. Weber pag. 831, Commentar 883). Aus
der Reconstruction in Strophenform geht hervor, dass der An-
fang des Hymnus nur verstümmelt auf uns gekommen ist. Viel-
leicht finden sich aus andern Vedatexten und Commentaren die
fehlenden Strophen gliedre wieder zusammen. Die Trübimg der
Strophenform gescliah meist durch Einschiebung pleonastischer
Partikeln. An einigen Stellen habe ich mir Ergänzungen er-
laubt, wo das überlieferte Textmaterial Lücken zu bieten scheint.
Auch einige Umstellungen haben sich als noth wendig erwiesen.
Ich bilde mir nicht ein, den ursprünglichen Text der Hymnus-
strophen überall zurück entdeckt zu haben, doch wird im Grossen
und Ganzen an der hier gewonnenen Reconstruction wenig mehr
zu ändern übrig bleiben.
— 235 —
L {Ti-ÜMubh).
dpa iddm salildvi evdsägre
Tcdmayanta Tcathdm nü pra jäyeviahi
tä 'crämyans tds tdpo 'tapyarUa
2. {Trish^ubh).
tdsu tdpas tapydmdnäsu [tdrhi]
hiranmdyain [iddjändain sdm babkiiva
äjäto ha samvatsardh [tadäinm] ||
Inr'anindyam tdd enam iddm än^dm
ydvat samvatsardsya veldsit \
tdvat bfbhräd aplavata
tdtah samvatsard 'bhavat
piirushah sd prajdpatih ||
äpo ha vä idäm agre salilam eväsa tä akämayanta kathäm nü
pra jäyemahiti tä a^rämyans täs täpo 'tapyanta.
täsu tapas tapyamänäsu hiranmäyam ändäm säm babhüva. äjäto
ha tärhi samvatsarä äsa. täd idäm hiranmäyam ändäm yävat
samvatsaräsya velä tävat päry aplavata. 1. tätah samvatsare
pürushah säm abhavat, sä prajäpatih. täsmäd u samvatsarä evä
stri vä gaür vä vädabä vä vi jäyate. samvatsare hi prajäpatir
äjäyata sä idäm hiranmäyam ändäm vy ärujat. näha tarhi kä
canä pratishthäsa. täd enam idäm evä hiranmäyam ändäm
yävat samvatsaräsya veläsit tävad bibhrat päry aplavata. 2. sä
samvatsare vyäjihirshat. sä bhür iti vyäharat, seyäm prithivy
abhavat, bhüva iti täd idäm antäriksham abhavat, svär iti säsau
dyaür abhavat. täsmäd u samvatsarä evä kumärö vyä
jihirshati samvatsare hi prajäpatir vyäharat.
3. sä evä ekäksharadvyaksharäny evä prathamäm vädan prajä-
patir avadat- täsmäd ekäksharadvyaksharäny eva prathamäm
vädan kumärö vadati. 4. täni vä etäni päücäkshäräni. tän päö-
— 236 —
4. (Ushnih).
tdsmdt samvatsürd evd
stri vd gaür vä vd^abä vä vi jdyate
samvatsarS prajdpatir ajdyata ||
5. {Dvipadd Trisivhh vgl. Rigv, ^Y, 157).
vyärujat Mranrndyam [tddd\dndam
ndha tdrhi Icd cand 2)^<^tts]4hdsa ||
6. [Prastdrapankti vgl. Itigv. 7, H8, 1. 6).
Mranrndyam tdd enam i'ddvi dn(ldm
ydvat samvatsardsya vSläsit
tavad hihkrad aplavata
samvatsarS vydjiltirshat j]
7. (Pankti).
sd bhür Ui vydharat seydm pritMvy abhavat \
[sd] bküva iti [vydharat] tdd antäriksham \abhavat\,
[sä] svär iti dyaür abhavat.
8. iUshnilj).
tdsmdt samvatsard evd humdrö vyd jihirshati \
samvatsarS prajdpatir vydharat.
cartün akuruta, tä ime päiicartävah. sä evam iman lokan jätänt
samvatsare prajäpatir abhyüd atishthat. täsmäd u samvatsara
evä kumärä üt tishthäsati. saipvatsare hi prajäpatir üd atish-
that. 5. sä sahäsräyur jajne.
sä yathä nadyai pärdm paräpä^yed, evam svasyäyushab päram
päräcakhyau. 6. so 'rcail chramyan^ cacära prajäkämat. sä
ätmäny evä präjätim adhatta. sä äsyenaivä deväu asyijata te
devä divam abhipädyäsvijyanta täsmai sasvijänäya diveväsa täd
vevä devänäm devatväm yäd äsmai sasyijänäya diveväsa. 7. ätha
yö 'yam äväfi pränäh tenä.surän asyijata, tä imäm evä pj-ithiviin
abhipädyäsyijyanta. täsmai sasrijänäya täma iväsa. 8. so 'vet.
päpmänam vä asjikshi yäsmai me sasrijänäya täma iväbhüd
— 237 —
9. {TrisMubh).
sä evai Icahsharadvyakshar&ni
evd ^vadat prajdpatir pratliamdmj
tdsinäd ekdksharadvyahshardni
evd kumdrö vadati prathamdm ||
10. {Anushfubh).
tdn pdficartün akuruta td imS pänca ritdvah
sai 'vam imdn lohdn jdtdrü samvatsare ahhyüd
atishihat ||
11. {Mahdbrihatiyavamadkyd vgl. Rigv. I, 105, 8).
tdsindt samvatsard evd Tcumdrd üt tish{hdsati
samvatsarS prajdpatir üd atishthat
sd sahdsra-dyur jajne.
12. (Ti-ishtubh).
sd yäthd nadyai pdrdm pardpdgyet
svdsya dyushah pdrdm pdrdcakshyau \
so 'rcan chrdmyang cacdra p^-ajdhdmaJj,
sd ätmäni prdjdtim evd 'dhatta ||
13. {Jagati).
sd äsyena evd devdn asrijata
ti devd divam abhipddydsrijyanta.
iti täns täta eva päpmänä vidhyatte täta eva paräbhavans täsmäd
ähür naitad asti yad daiväsuram yäd idam anväkliyäne tvad-
udyätas itihäse tvad täto ha eva tän prajäpatih päpmanävidhyat
te tata eva paräbhavann iti. 9. täsmäd etäd rishinäbliyäiiüktain:
na tvani yuyutse katamäccanärhanä te mitro maghavan ka9ca-
nästi te yäni yuddhäny ähur nadya ^atrum na nü pura yuyutsa
iti. 10. sa yad äsmai devant sasrijänäya diveväsa täd ahar
akurutätha yäd äsmä äsuränt sasrijänäya täma iväsa täm rätrim
akuruta ik 'horätre. 11. 11
— 238 —
14. {Anuh(ubh).
dtha yb ^ydm dvdn prändli tenäsurän asrtjata,
td iindm eva i>rithivvin abhipddya asrijyanta ||
15. {Trishfubh).
sd ydd dsmai devdnt sasnjäyidya
dfvevdsa tdd dhar ahurutdtha \
ydd dsmd dsurdnt sas-njändya
tdma ivdsdhuruta tdm rdtrim ||
Uebersetzung.
1.
Die Wasser waren dieses Meer im Anfang,
Sie wünschten: wie vermöcliten wir zu zeugen?
Sie glühten sich in ernster Selbstvertiefung.
2.
Als diese sich in Selbstvertiefung glühten,
Da ist daraus ein goldnes Ei entstanden,
Denn damals war das Jahr noch ungeboren.
3.
Dies selbe goldne Ei [des Uranfanges],
Solang als eines Jahres Zeitraum währet.
Solange schwamm's umher, daraus
Entstand in eines Jahres Frist
Ein Mensch, der war Prajäpati.
4.
Nach einem Jahre erst gebärt
Das Weib, die Kuh auch, oder auch die Stute drum.
— 239 —
5.
Er brach entzwei das goldne Ei [des Anfangs],
Da war denn fürder nicht ein Hemmniss irgend.
6.
Dies selbe goldne Ei [des Uranfanges]
Solang als eines Jahres Zeitraum währet,
Solang schwamm's tragend ihn, da stieg
Der Wunsch zu sprechen in ihm auf.
7.
.,Das ist das Bhu" so sprach er aus, da wurde diese Erde draus,
,Das da ist Bhuva" sprach er aus, da wurde dieser Luft-
raum draus,
„Das Svar", da ward der Himmel draus.
8.
Drum wandelt erst in einem Jahr das Kind die Lust zu
sprechen an,
Xach einem Jahr erst sprach einst auch Prajäpati.
9.
Nur ein- oder zweisylb'ge Worter sprach einst
Prajäpati, als er zu sprechen anfing.
Nur ein- oder zweisylb'ge Wörter spricht drum
Ein Kind, wenn es zuerst zu sprechen anfängt.
10.
Die Jahreszeiten schuf er fünf, dies unsre Jahreszeiten fünf,
So Hess er diese Welten hier in eines Jahres Frist entstehn.
11.
Desshalb tritt erst nach einem Jahr ein Kind ans Licht der
Welt hervor,
Prajäpati trat erst nach einem Jahr ans Licht,
Er war schon tausend Alter alt.
— 240 —
12.
Als über des Weltstroms Ufer hinaus er blickte,
Blickt' über des eignen Lebens Ufer hinaus er,
Er mühte sich zu dichten, schöpfungslustig,
In seinem eignen Selbst schuf er das Schaffen.
13.
Aus seinem Mund Hess er hervor die Götter gehn,
Entstanden nahmen sie den Himmel in Besitz.
14.
Dann liess er aus dem Hinterhauch, aus ihm hervor die
Teufel gehn,
Entstanden, nahmen von der Erde sie Besitz.
15.
Weil einst, da er die Götter schuf, es licht war,
Hat er damals den Tag daraus erschaffen.
Weil es, da er die Teufel schuf, war finster,
Hat er damals die Nacht daraus erschaffen.
Berichtig^nug. Seite 166, Zeile 13 lies statt Darius: Hystaspes.
N.achschrift.
Während des Druckes dieses Bandes ist der Verfasser nach
Petersburg übergesiedelt. Seine Absicht, die ihm nun wieder
reichlich zu Gebote stehenden Quellen zunächst dazu zu benutzen,
Berichtigungen und Nachträge zu sämmtlichen drei Bänden zu
geben, sowie den Herren Recensenten zu antworten, ist durch
den inzwischen ausgebrochenen und bis zur Stunde noch nicht
beendigten Setzer- und Druckerstreik, der das Erscheinen des
Buches ohnediess stark verzögert hat, vorläufig vereitelt worden.
Bd. IV. :HomerischeRäthsel bildet die Vorbereitung zu meinem
Homerwerke und kann diese Nachträge nicht bringen, was erst
im nächsten Jahr im Anhang zu Bd. V.: Vom Altai bis zum
Atlas möglich sein wird. Correspondenzen werden mich jeder-
zeit durch Vermittelung der Buchhandlung Schmitzdorff, Newski
Prospekt 4 erreichen.
St. Petersburg 1. (13.) Jan. 1892.
Dr. Hermann Brunnhofer.
Namen- niid Sachregister.
lißtoi des Homer = Arya, Arier
59-61.
Abwehr des Vorwurfs der morali-
schen Corruption von den Wchtern
des Rigveda, Einleitung XV — XIX.
Agni in den "Wassern = Thermen
(des Alburs) 102.
I4y6pavic, liyiQaviq, Fluss des Pand-
schab = zend. Ahiiräni, Tochter
des Ahura, Göttin der Gewässer 42.
Ahuräni, Tochter Ahura's, Göttin
der Wasser 2.
Airammadtya, urspr.=zend.airya»ia
demdna „Wohnung des Gebete",
mythischer See mit Anklang an
den Aralsee 52.
dxa?.aQQeiTr^g „umströmend", vgl.
russ. oKo.io, rund um etwas herum
11.
^AxealvTjq, Asiknt, Fluss des Pand-
schab, der Tschinäb, zu I^axsoivai,
Völkemame Armeniens 41 — 42.
dfiiTQO/Jrcov, lykisch = skt. *amitra-
Jchidana = amitra-khäda = ami-
traghäta, ^AfiuiQOxdrrjq 9 — 11.
Amrtiäsah turä'sdh =Atne8ha (penta
168-169.
av&QaS, Kohle, zu *athra, Feuer 6.
ävS-Q(o:iog = *athrapa, „der Feuer-
bewahrer", d. i. der Mensch 4 — 8.
"Avvißa, "Avvißoi, Gebirg u. Volk im
Altai (?), vielleicht von Ptolemaeus
nur verlesen aus KiofiTjöuwißa =
skt. gomeda-sannibha , (N. eines
Edelsteins) 64—65.
Anyatahplakshä, der Schimmteichder
Apsaras ürva^i, volksetymologisch
umgedeutet aus ehemaligem, nicht
mehr verstandenem *anatyaplak-
shd „der Ententeich" 111—112.
Anrufung des Namens einer Person
zum Zwecke der Behexung und
Bannung derselben 208—209.
Aparäjitä, mythische Stadt, vielleicht
Anklang a.n Baß, Rhagae 57 — 58,
Arani/äni, Genie der Wildniss, Wald-
fee 1.
Ararat, ursprünglich Landschafls-
name, armenisch Ayrarat = arisch
*Aryaratha „Arierlust", Agcapa-
Sijq, jiQidga&og, Eönigsname in
Kappadokien 67—70.
'AQaq, Fluss in Kabulistan, = *Arasd,
Rasa 40—41.
dvÖQanoö in dvöganoöeaaiv, dvöga- aratve äkshe „silberne Achsen" 157 —
Ttoöov „der Feuerbewahrer", der 158.
Sklave 7 — 8. dgiazog „der arischeste" 14.
ttv&og, die Flamme, von W. ath, Asamdti, Sarmatenkönig am untern
brennen, in athra, Feuer 6 — 7. Oxub 130.
Brunnhofer, Vom Aral bis zur G^angä. 16
— 242
Aahagtemhana , Berg im Avesta =
ved. *ritastambhana = „Himmels-
pfeiler" 33-35.
daTCidcwrtjg = schildglänzend von
donig und skt. W. dyut, glänzen
in jyötis für *dy6tis 12 — 14.
^Aani(ovo , Landschaft in Chorasan
= zend. a^pi-vana „Stutenlust"
61—63.
^xivöävag, Fluss in Karamanien =
skt.*aÄtm-dana„Schlangentödter",
ahihan = Indra 38 — 39.
BayoQUi^og = lihagaratha „Götter-
wagen" oder „Götterlust" 132.
BuyQÜöag, persischer Fluss = *Bha-
garatha = Bhagiratha 132.
Balbüthä, König, etymologisch viel-
leicht verwandt mit Bribu, dem
König der Pani 161.
Berechnung des relativen Zeitpunkts
des Aufenthalts der Sanskrit-Arier
im Pandschab, auf Iran, in Arme-
nien, Einleitung IX— XI.
Bhajeratha = Bhagiratha = Oxus 131 .
Bhagiratha = „Götterlust"? 70.
Bhdgirathi, Tochter des Königs Bha-
giratha == Gaiiga = Oxus 131.
Bhaväni, Bhava's Gemahlin 1.
Blumenzauber des Atharvavedal98 —
199.
Boyöofiuvig, Landschaft in Bithynien
= zend. *bagu-det»(ina „Götter-
wohnung, Gottesländchen" 20.
Bovövag, zu lesen Bovdevug, mythi-
scher König Indiens = skt. bhü-
deva „Herr der Erde" 195—196.
Brahmänt, Brahmä's Gemahlin 1.
Caratha gana, Völkerschaft Zapä-
rai, Zaperai am skythischen Imaus
155.
Culturwerth des Opfers im Bewusst-
sein der Brahmanen des Rigveda
196-198.
duxlßvQog, Ortsname in Bithynien
= * Dakshibuksha „den (Aditya)
Daksha verehrend" 20.
duQiyfxeSovfi, der Major domua bei
den Sassaniden = *daregho-maid-
hyomäo 17.
Daiirgaha-Vi&xdiQ = Pferde aus Dur-
gaha {= Kvirifita-Ä'a'piva) = ny-
säische Pferde 114.
Demävend = *Damävant = skt.
*Yamavant „Yimahafl" 30.
/Iiaxonrjvrj , Landschaft in Paphla-
gonien, etwa von* Divas-Kubhä 19.
Aloßog, mythischer Hirt in SiciUen,
zu ^Djama •= Yama = zend.
Yima 29.
ditövr} = *Divänt, Gemahlin des
Dyaus 3.
Durgaha „schwer zuzüglich", viel-
leicht das avestische Kvirinta du-
zhita, d. h. das Kdgivu der Alten
in Medien 112—114.
Eaclis, Erfinder der Metallschmel-
zerei in Panchaia = skt. ayah-
gri „der Ruhm des Erzes" 93.
ebur, Vriddhiform. *aibhas aus einer
Sanskritform ibhas = ibha, Ele-
phant, durch iranische Vermitte-
lung als *ebas nach dem Westen
gebracht 140.
edera, stets geschrieben Äcdera.Epheu,
zu *adar, *adra, athra, Feuer 6.
*Evra<fiaarai , baktrisch = *anta'
vyagtä „Auffresser", leichenver-
zehrender Hund 16.
^EnKfttvrjg (Avrloxog) = Kavi Aipi-
vanhti, Wasserheiliger 21 — 22.
Ethik des Rigveda, Einleitung XIX —
XXII.
Formeln des Hasses im Rigveda
179—183.
— 243 -
Gangä, ehemaliger Name des üxus
bei den Sanskrit -Ariern 131; =
Gihon 45. 96-97.
Heisshunger nach den Schätzen
Indiens das wahrscheinhche Mo-
tiv der Eroberung Indiens durch
die Sanskrit -Arier des Rigveda
140—141.
''HgaxXfia , Stadtname in Iran =
zend. Airyaka cdaya ,^rierheim'"
48-49.
H istorisch-geographische Orientirung
wei-thvoller als Flexionsstatistik,
Einleitung XII.
/fönt Igas Gemahlin 1.
[dhunn, ob = athiryänä =Ä&rjvä, 3,
Indräni Indras Gemahlin 1.
Juno = *Divänä , Gemahlin des
Dyaus 3.
Yamunä, in der Urzeit = Hamunsee-
strom 97.
Kabandha, ursprüngl. Kavandha =
einstigem Partie. Praes. *kavanta,
von W. ku, brennen, stimmt zum
griechischen Trockenheitsdämon
Käavd-og 105-107.
kadkhodäihei Firdusi = Major domus,
= skr. *khadga-dhä „Schwert-
träger" 18.
Kuöoioioi , zu dem Yolksnamen
Karttsha, zu skr. kalusha und
kadru, braun 26 — 27.
Kadrü, braune Stute 177.
kafu, altaegyptisch = hebräisch qöf
= skr. kafu = griechisch x^noq,
der Affe, Einleitung IX.
Kameelzucht in Sarachs 154 — 155.
Känüd, Beiname des Partherfürsten
Prithu<;ravas, Sohn des Kanita, =
zend kanita = skr. khanitri „der
Kanalgräber*' 145.
Kanvoßäxui, moesisch-thrakisch =
zend. *qapno = qafno = skt.
scapna n. ßanji; „Schlafwandler
14—15.
KttQTiu&og, das karpathische Meer
= arisch *kara'patha, „der Pfad
der Fische" 49.
KazrlyaQa, wahrscheinlich verschrie-
ben oder verlesen für KuxrixaQa,
Zinninsel 47 — 48.
Kimidin. barbarisches Volk oder
Dämonengeschlecht, oh=Kumidin
== KofiTjöai, Volk im Nordosten
Irans 65.
Ko/ifjdat, Comedi, Völkerschaft des
Pamir, von skt. gotneda, eine Art
Edelstein 63—64.
KovöäoßT], Berg in Ostiran = Berg
Konderasp in Taberistan 26.
Kvövog, Fluss in Cilicien, von der
1 Sktwurzel cud, eilen 36.
I Ktidurus, Stadt in Medien , zu ved.
kuyidrinänc, schwarzgelb, braun 25.
Kgaöevag, mythischer König Indiens,
hypokoristische Kurzform von [Qa]
kra-dtva = Indra, 196.
Kxiaxai, moesisch-thrakisch — zend.
*qadhitigta, Hagestolzen 15.
Arfxw, nach L. v. Schröder = *Rdtä
i = skt. rätrt, 3.
Ao}vlßags, Name der siebenten Mün-
dung des Indus, = skt *laranäväri
„salziges Wasser habend, 44.
' Manaspäpa des Atharvaveda = Ako-
manö des Avesta 169 — 172.
MavöäyuQGig, Stadt im nördlichen
j Küstenstrich Mediens, = skt. *Man-
I dagarshi == * Mandaga-rishi 173.
i Mähina, Völkerschaft des Rigveda,
zu Isidor's von Charax Muttviavav,
Maztnan der arab. Geographen
I ^^•
I MuQä<fiot, persischer Stamm bei
Herodot, die Bewohner von Merw
I 65—66.
16*
244
MttQxaiov, Berg in der Troas, zum
Berge Mark des Bundehesh, und
dem Marka des Yajurveda, Ober-
priester der Asura 31.
Mäanioi, persischer Stamm bei He-
rodot, die ^AQifxüanoi oder 'A^i-
(läantu, Bewohner von Sedsche-
stan 66-67.
i/a<Arä-Rosse = Madrä = medische
Rosse 156—157.
Mridäni, JMlrida's, d. i. (jJiva's, Ge-
mahlin 1.
Mudgalänt , Gemahlin des Rishi
Mudgala 1.
Mythologie der Sanskrit- Arier nicht
indischen, sondern vorder- und
mittelasiatischen Ursprungs, Ein-
leitung XXIV— XXV.
Mythologische Bezeichnung und Ver-
werthung des Augensterns 201 —
203.
Näonghaithya, zarathustrische Dia-
bolisirung des indischen Heil-
götterpaares der NäsatyauAgvinuu,
99.
Näsatyau, Name der A9vinau als
„Heilgötter" von einer W. naa,
goth. nas-jan, heilen, retten 99.
Nysäische Pferde = Taiirva^ä-Rosse
des C^'atapatha-Brähmana 153-154.
OivojVTj = * Venänä = skt. *Venäm,
Gemahlin Vena's, dh. Soma's 3.
üxushandel im Alterthum, 139 — 140.
Ilavxciici, i'anchaia, halbmythische
Insel im südöstlichen Weltmeer,
= Bangäla, Bengalen, vielleicht
schon ursprünglich verlesen für
nayxaka'} 70—93.
Paoiryeni, die Plejaden 2.
Figranes in Ammianus Marcellinus
falsch für Tigranes 48.
Ilifnu?.iaTjV7j, Landschatt in Paphla-
gonien, etwa = [A]thwifa-Yima-
urvi(, „Bahn des Athwya Yima"
20.
plaksha, m. Ficus infectoria, etymo-
logisch zusammenhängend mit
paläga , dem Parnabaum 112.
plaksha in plakshä, Teich (anyataA-
plakshä), etymologisch zusammen-
hängend mit griech. ntkayoq
112.
Prent, Beiname des Rishi und Tur-
va^a-Rosskamms Vaija A^vya =
zend. Freni, 152.
Prithugravas KänUa, der Parther-
fürst mit dem Ehrennamen „Ka-
nalgräber", vielleicht Sugravas,
der Vereiniger der arischen Lande
u. Eroberer Khwärizms 147 — 149.
Purudamäsah, Beiname der A<;vinau,
ob = Qatavaeea'> 138—139.
Purukutsäni , Gemahlin des Rishi
Purukutsa 1.
Füti-Srinjaya, wohl die Srinjaya am
Püti, d. h. am Püiticasee, dem
Ponticum mare des Curtius in
Arachosien, d. h. dem Hümunsee
117.
Qaniratha, zend. *qainiratha „Heim-
stätte des Glanzes" 69—70.
räjeshüam (äjman) = „von Antilopen
(Alken) gezogener Wagen 158-159.
ritdin, das physische und moralische
Weltgesetz, Einl.
Jiudräni, Rudra's Gemahlin 1.
^arväni , ^arva's, d. i. ^iva's, Ge-
mahlin, 1.
^'atavaeca, vielleicht ehemaliger
Name von Rhwärizm 138.
Qitodä = Sidä = Sita — Störj
mythischer Strom, die Rasa 56.
^vitna, Völkerachaft in Arachosien,
iu 'Ir(kx7i Atvx^ 155.
Sahadeva (Suplan) = Qakadeva,
König der ^aka 119— IJO.
— 245
Sälajya, mythische J?Uidt, vielleicht
anklingend an Zarendsch 58.
Sdrasvafi , dharunam äyasi püh,
Festung am Ausfluss der Haraqaiti
in den Hamunsee 36—38.
Sarasvati = Haraqaiti, Hilmend 97.
^aQKpci oQt], Gebirge in Chorasan,
= *Sariva = altpers. Hariva =
zend. Haraeva, das Gebirge [an
der] Sarayn 31 — 33.
Scheu der Iranier vor dem Kampf
in der Nacht 1^-137.
Schöpfungshymnus vom goldenen
Weltei, aus der Prosaparaphrase
des Qatapatha - Brähmana wieder
hergestellt und übersetzt 234 — 240.
'SnaQXtfi.ßuq oder ^^rtuieußuq, mythi-
scher König Indiens, = ved.
*svar-stambha oder *svah-stambha
„Stütze des Himmels", 195.
Der Staat ein Schiff, als poetisches Bild
desRigveda, d. dieganzeWeltlitera-
tur hind. nachgewiesen 190 — 191.
Ströme, vom Alterthum als natür-
liche Bollwerke betrachtet 38.
aw^la xaQvöipoQOL = Sunda-Inseln
45—47.
Su'plan (Sahadeva) , halbbarbarisch
entstellt aus Suparna 120.
2!vQ6firj6oc, Syromedi am südlichen
Alburs unter dem Mons Jasonius
= Syrmatae, Sarmaten 133.
ayerXiog = skt. kshatrya, zend.
khshathrya 8 — 9.
Täruksha, König, wohl „der Türke'',
wie das Sonnenross Tärkshya „das
Türkenross" 162—163.
ThoaSj Erfinder der Metallschmelzerei
in Panchaia, = skt. *dhavas^
dhamas, Schmelzer 93.
TißfQoßodq, mythischer Fluss Indiens,
= ved. Anvirdva = *Anvirarava
»mächtig, brüllend" 45 — 47.
Tistryhii, Gemahlin Tistrya's 2.
TovQiovav, Landschaft in Chorasan,
=*turi-vana, ^Stutenlust" 61—63.
Tovtanoi, Fluss des Pendschab, =
ved. düdabha = Varuna 43 — 44.
TQix(oviq = *Tritani,'wo^r nur zend.
mascul. Thraetaona, ved. Traitanä 3.
Tarva^a-Rosse „Taurvaqä^' = ny-
säische Rosse 153—154.
Vacaeni, Fluss im Gebiete desHamun-
sees, formell = OiuC,aivTi, iranische
Landschaft bei Procopius 40.
Varunäni, Varunas Gemahlin 1.
Va<;a A^vya, „Der Rosskanim Tur-
va^a", hypokoristischer Kurzname
149-151.
Vas(yr dhärd = Vasu — Vanhu =
Veh = Ocus 44—45.
Verwerthung kosmogonischer Rig-
vedahymnen zu Zauberzwecken des
Atharvaveda 208.
VUarä7-a, Beiname dM athr ä-Rosse, =
„geflochtene Schweife habend 157.
Vourukasha des Avesta = Urüh-
kaksha des Rigveda, das Kaspische
Meer, 9-4—97.
vyanura, zend. = *pyahhra, von W.
vyas, zerreissen 17.
vyämbura, zend. zerfleischen — vor-
hergehendem vyanura, 17.
Wettstreit von Adler und Ross um
den Vorrang der Sehkraft, Legende
des „Qatapatha-Brähmana" und des
Avesta 173-178.
Wiederholung des Refrains i. Anfangs-
vers der folgend. Strophe 183 — 190.
Zaubersystem des Atharvaveda
206—209.
Zendelemente i. d.Deklinationsformen
der Dänastuti desVac^a A9vya 143.
Zemoixrjq, Zißoiniq, StißoizTjq, Fluss
in Hyrkanien = skt. fcyavanti
35—36.
Im gleichen Verlage erschien:
Bang, Prof. Dr. Willy: Uralaltalsche Forschunircn. gr. 8". (44 S.)
ßrosch. Mk. 2.-.
Der auf sprachwissenschaftlichem Gebiete wohlbekannte Gelehrte entwickelt in
dieser hochbedeutsamen Schrift die Grundzüge eines neuen Systems der Sprach-
vergleichung, das ganz überraschende Resultate ergiebt und das Interesse jedes
Sprachforschers iu hohem Grade erregen wird
Bruchmann, Dr. Kurt: Psychologische Studien zur Sprachgeschichte.
gr. 8". (328 S.) Drosch. Mk. 9.-.
In dem vorliegenden Bande hat der Verfasser die Resultate sorgfältiger und
fleissiger spraclilicher Untersuchungen niedergelegt. Aus der Bibel, dem lateinischen
und deutschen Kirchengesang, der altindischen wie der griechischen Poesie und aus
den modernen Litteraturen hat er eine grosse Reihe von Belegstellen gesammelt und
auf der Grundlage derselben zu zeigen versucht, welche Seelenkräfte bei der Aus-
bildung gewisser sprachlicher Erscheinungen wirksam sind und auf welche Weise
der Ursprung einzelner Sprachvorgänge zu erklären ist. Besonders ausführlich wird
über den Bedeutungswandel gehandelt, d. h. über die häufig auftretende Form der
Sprache, bei welcher Worte und Redensarten von der Zeit ihres Ursprungs an, so-
weit er uns erreichbar ist, weiter gebraucht werden, ohne den ursprünglichen Sinn
zu behalten , oder so dass sie nur ein Mittel geworden sind , ein Gefühl mit ihnen
zum Ausdruck zu bringen.
ßrugsch, Prof. Dr. Heinrich: Die Aegyptologie. Abriss der Ent-
zifferungen und Forschungen auf dem Gebiete der ägyptischen
Schriit, Sprache und Altertumskunde, gr. 8". (525 S.) Brosch.
Mk. 24.—, geb. .Mk. 25.—.
Die ägyptologischen Studien haben seit ihrem GOjährigen Bestehen einen ge-
wissen Abscnluss erreicht und eine neue Epoche ist in der Gegenwart eingetreten.
Eine kritisch behandelte, unparteiische Uebersicht der bisherigen Leistungen ist bis
zur Stunde niemals geliefert und ist wohl niemand befähigter, dieses Gebiet zu be-
arbeiten, als eben der Verfasser, welcher in vorliegendem Werke die kritische Sich-
tung der Masse, das Ausscheiden des Unbrauchbaren und Unbedeutenden von dem
thatsächlich Wertvolleu sich als Ziel gesetzt hat. Die Aufgabe, die sich Brugsch
festeilt: eine übersichtliche Darstellung des Standes der heutigen ägyptologischen
orschnng zu geben, darf als glänzend gelöst betrachtet werden.
Hirzel, Dr. Arnold: (Jleichnisse und Metaphern im Big>'eda. In
kulturhistorischer Hinsicht zusammengestellt und verglichen mit
den Bildern bei Homer, Hesiod, Aeschylos, Sophokles und Euripides.
gr. 8». (107 S.) Brosch. M. 8.-.
Bei dem grossen Bilderreichtum der vedischen Sprache wird durch eine solche
systematische Sammlung der Vergleiche und Bilder des Rigveda, wie sie diese Schrift
enthält, ein interessanter Einblick in die Gedankenkreise des Rigveda gegeben, und
im Einzelnen über manche dunkele Stelle mehr Klarheit verbreitet.
Fott, Prof. Dr. Äug. Friedr.: Allgemeine Sprachwissenschaft, gr. S**.
(lOÜ S.) Brosch. Mk. 3.—.
Der kürzlich verstorbene Verfasser — einer der bedeutendsten Sprachforscher
aller Zeiten — giebt in der ersten Hälfte dieses Schriftchens eine Uebersicht über
die Leistungen itnd Aufgaben der neueren Sprachwlssenschalt und bespricht in der
zweiten Carl Abel's linguistische Arbeiten.
Spiegel, Prof. Dr. F. von: Die arische Periode und ihre Zustände.
gr. 8«. (330 S.) Brosch. Mk. 12.—.
Es ist ein Genuss, das Spiegel'sche Buch zu lesen, auch für den, der nicht mitten
im Getriebe der Sprachforschung steht, sondern das Werk mehr mit dem Blicke des
Historikers studiert; denn Spiegel weiss auch au und für sich vielleicht trockenere
Stoffe interessant zu machen. Es ist ein Werk aus einem Gusse, das, indem es die
bisherigen Forschungen unter einheitlichem Gesichtspunkte zusammenfasst , auf
längere Zeit hinaus eine Grundlage bilden wird, auf der die Forscher werden weiter
bauen können.
Druck von August Pries in Leipzig:.
00
00
Oi
^s
^"5
.0^
^11
;4
IQ
UniversityofToroi
Library
DO NOT
REMOVE
THE
CARD
FROM
THIS
POCKET
Acme Library Card Pocke
LOWE-MARTIN CO. LiMIT
'^^^^
•^ '^
«^^v
n> .
■-i'f
•AI
k ** '**^^-