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Full text of "Vom Aral bis zur Gangâ; historisch-geographische und ethnologische skizzen zur urgeschichte der menschheit"

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EINZELBEITRÄGE 


ZUR 


ALLGEMEINEN  UND  VERGLEICHENDEN 


SPRACHWISSENSCHAFT. 


ZWÖLFTES  HEFT: 


VOM  ARAL  BIS  ZUR  GANTGÄ. 


LEIPZIG  1892 

VERLAG  VON  V^ILHELM  FRIEDRICH 

K.  R.  HOFBUnUHÄNDLER. 


VOM 

ARAL  BIS  ZUR  GANGÄ 

HISTORISCH-GEOGRAPHISCHE  UND 

ETHNOLOGISCHE  SKIZZEN 

ZUR  URGESCHICHTE  DER  MENSCHHEIT 

VON 


DR.  HERMANN  BRUNNHOFER 

IN  ST.  PETERSBURG. 


„Es  ist  mit  Meinungen,  die  man  wagt,  wie 
mit  Steinen,  die  man  voran  im  Brette  bewegt : 
sie  können  geschlagen  werden,  aber  sie  haben 
ein  Spiel  eingeleitet,  das  gewonnen  wird." 

Goethe 


5651S8 


7.    53 


LEIPZIG 
VERLAG  VON  WILHELM  FRIEDRICH 

K.  R.  HOFBUCHHÄNDLER. 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


SEINER  DURCHLAUCHT 
DEM  FÜRSTEN 

ESPERE  ESPEROWITSCH  ÜCHTOMSKIJ 

DEM  KENNER  CENTRALASIENS 


WIDMET  DIESEN  BAND  IN  HERZLICHER  DANKBARKEIT, 
ERGEBENHEIT  UND  HOCHACHTUNG 


DER  VERFASSER. 


Inhaltsverzeichniss. 


Seite 

Einleitung       IX 

I.    Indoiranische  Wörter  im  Homer. 

1.  Indogermanische  Göttergemahlinnen  auf  äni  und  (ovr/  1 

2.  uv&Qwnog  „der  Feuerbewahrer" 4 

3.  Das  homerische  a'j^er/.iog  =  vedisch-avestisch  kshatriya, 

herrschend,  königlich 8 

4.  Das  lykische  afitZQO/JrüJv  und  sanskritisches  Amitraghäta  9 

5.  dxakaQQelxTiq  „umströmend" ,     .     .     .         .  11 

.6.  dani6i(atTjg,  schildglänzend 12 

7.  aQiaxoq,  der  arischeste 14 

8.  Die  xanvoßdrai  und  xziaxai  oder  Schlafwandler  und  Hage- 

stolzen der  mösischen  Thraker  bei  Strabon  ...:..  14 

9.  Die  leichenverzehrenden  Hunde  der  Baktrier:  'Evza<pia(nal  .  16 
10.  Der  Jagiy/isSov^  der  Sassaniden 17 

II.  Indo-iranisehe  Landschafts-,  Flxiss-  und  Bergnamen. 

1.  Vorderasiatische  Landschaftsnamen 19 

2.  ^Avrloyog   S^sog  'E7ii<pavijg   und  der   Kavi   Aipivanhu    des 

Avesta 21 

3.  Iranische  Bergnamen 23 

4.  Iranische  und  indische  Flussnamen 35 

5.  Eine  falsche  Namenslesart  im  Ammianus  Marcellinus  XXIV,  6, 12 

(ed.  Gardthausen,  T.  II,  pag.  24) 48 

6.  Der  Stadtname  Herakleia  in  Iran 48 

7.  Das  karpathische  Meer , 49 

III.  Centralasiatische  und  indische  Iiandschaftsnamen. 

1.  Der  See  Ära  der  Kaushitaki-Upanishad  und  der  Aralsee  .     .  51 

2.  Die 'Aßioi  des  Homer  als  "Aqioi 59 

3.  Die  Landschaften  ^Aania>vo  und  TovQiovav  in  Baktriana  .     .  61 

4.  Die  Ko/xTjöai  und  der  Edelstein  gomeda. 63 

5.  Die  Maraphier  und  Maspier  Herodots 65 

6.  Die  Landschaften  Ararat  und  Qaniratha 67 

7.  Die  Insel  Panchaia  als  Bengalen 70 


VIII  Inhaltsverzeicliniss. 

IV.  Iranische  Hymnen  des  Rigveda. 

1.  Der    Vöurukasha  des  Avesta  und   der  Urühkäksha  des 

Rigveda 94 

2.  Die  astronomische  Orientirung  der  geographischen  Lage   des 

von  den  A9vinau  befahrenen  Meeres 97 

3.  Ein  Varunahymnus  am  Kaspischen  Meere 99 

4.  üeber   den   historisch-geographischen  Hintergrund   der   Sage 

von  Purüravas  und  Urva9i 109 

5.  Durgaha  im  Rigveda  und   das   „schwerzugängliche"  Kvirint 

des  Avesta 113 

6.  Suplan   Sahadeva,   der  König  der  Svinjaya,   als  Sakenkönig.    115 

7.  Der   Pftshanhügel   bei  Astrabad   und    das  Sonnenlehen    der 

Parther 121 

8.  Der  Sannatenkönig  Asamäti  von  Bhajeratba  am  untern  Ozus.  128 

9.  Der  Panis  Vorliebe  für  die  Nacht 134 

10.  Der  Turvaijahymnus  des  Va9a  AQvya 141 

V.  Der  Zusammenhang  des  Zoroastrismus  mit  dem  Brahma* 

nismus. 

1.  lieber  die  Sage  von  der  Verschmelzung  des  Zoroastrismus  mit 

dem  Brahmanismus  durch  Darius  Hystaspes 164 

2.  Die  Araritäsah  turasah  des  Rigveda  und  die  Amesha  <;penta 

des  Avesta 167 

3.  Ein    zarathustrisches   Lied    an    Akömanö     im    Atharvaveda.    169 

4.  Das  Thiermärchen  von  dem  Wettstreit  zwischen  Adler  und 

Ross   bezüglich   ihrer    Sehkraft,    im    ^atapatha-Brfilimana 
und  im  Avesta 17:i 

VI.  Rhetorische  Formeln  des  Veda. 

1.  Formeln  des  Hasses  im  Veda 179 

2.  Die  Wiederholung  des  Refrains  im  Anfangsvers  der  folgenden 

Strophe 183 

3.  Aelteste  Quelle  des  Bildes:     Der  Staat  ein  Schifl'     .    .    .    .    192 

VII.  "Weisheit  und  Aberglaube  im  alten  Hindostan. 

1.  Die  ältesten  Könige  Indiens  nach  Arrian 194 

2.  Der  Cultui-werth  des  Opfers  im  Bewusstsein  der  vedischen 

Brahmanen       196 

3.  Ein  philosophischer  Ausspruch  des  Atharvaveda 198 

4.  Ein  Blumenzauber  des  Atharvaveda 205 

5.  Die  Zauberwelt  des  Atharvaveda 205 

0.  Der  verlorene  Schöpfungshymnus  vom  goldenen  ^Vl  ii.  'JÜt 


Einleitung, 

Ueber  den  Ursprung,  das  Alter  und  die  Hoheit  des  Rigveda. 

Als  1600  Jahre  vor  Chr.  eine  aegyptische  Flotte  in  das 
Meer  des  Südens  auslief,  brachte  sie  neben  andern  Produkten 
des  Ostens  auch  Affen  heim,  deren  hieroglyphischer  Name  kafu* 
nicht  nur  zu  den  qöf  stimmt,  die  nach  1.  Kön.  10,  22  die  Flotten 
König  Salomons  aus  Ophir  importirten,  sondern  mit  diesem 
hebräischen  Worte  und  dem  griechischen  xfjnog  unmittelbar 
auf  das  Sanskrit  wort  7>:api\  der  Affe,  zurückführt.  ,  Damals  also, 
bemerkt  Weber,  Ind.  Literaturgesch.  2,  pag.  3,  Anm.  2,  müssen 
die  Arya  schon  am  Indus  gewohnt  haben!"  Denn  das  Land 
Ophir  ist,  wie  Weber  a.  a.  0.  und  Ind.  Skizzen'-^,  pag.  15  u.  75 
ausführt,  das  Land   der  Abhira  an  den  Mündungen  des  Indus. 

Diese  culturgeographische  Thatsache  des  indischen  Affen- 
exports im  siebzehnten  Jahrhundert  vor  Christus  ist  bis  jetzt 
der  einzig  feste  Anhaltspunkt,  von  welchem  aus  die  Periode  der 
Rigvedapoesie  mit  annähernder  Sicherheit  bestimmt  werden  kann. 
Denn  von  den  astronomischen  Angaben^  die  sich  in  der  indischen 
Lehre  von  den  Mondhäusern  (den  Nakshatra)  vorfinden  und  die 
für  die  krittikä-RQ\h.e  derselben  in  runder  Zahl  das  Jahr  2300 
vor  Chr.  ergeben,  bemerkt  Weber  (Ind.  Literaturgesch. '-,  pag.  2, 
Anm.  2)  selbst,  dass  die  gesammte  Nakshatra-Theorie  der  Inder 
von  Babylon  aus  mittelbar  durch  den  Seeverkehr  der  Phoenicier 
über  Ophir -Abhira  in  die  indische  Astronomie  übergegangen 
sein  könne. 


*  S.  Dümichen,  Die  Flotte  einer  aegyptischen  Königin  aus  dem 
XVII.  Jahrhdt.  vor  uns.  Zeitrechng.  Querfol.  Lpz.  1868,  pag.  17,  Er- 
läutergg.  zu  Taf.  II. 


Wohnten  aber  die  Sanskrit- Arier  schon  um  1600  vor  Chr. 
an  den  Mündungen  des  Indus,  so  müssen  sämmtliche  Hymnen 
des  Rigveda  schon  gedichtet  gewesen  sein.  Denn  nicht  eine 
einzige  Stelle  der  1028  Hymnen,  die  wir  besitzen,  deutet  auch 
nur  annäherungsweise  eine  Kenntniss  der  Indusmündungen,  ge- 
schweige denn  den  Aufenthalt  der  Sanskrit-Arier  an  denselben,  an. 
In  dem  berühmten  Loblied  auf  die  Flüsse  (Rigv.  X,  75)  werden 
blos  die  Ströme  des  obern  Pandschab,  der  Indus  selbst,  sodann 
seine  Zuflüsse,  der  Kabul,  der  Koram,  Goraal  und  einige  andere 
unbedeutendere,  neben  Ganges,  Dschamna  und  Satletsch  im  Osten, 
erwähnt.  Es  darf  deshalb  vorausgesetzt  werden,  dass,  wenn  in 
einem  der  gewiss  spätesten  Hymnen  des  Rigveda  von  den  Indus- 
mündungen noch  gar  nicht  die  Rede  ist,  die  Sanskrit- Arier  wohl 
erst  frühestens  ein  Jahrhundert  später,  also  keinesfalls  vor  1750 
vor  Chr.,  in  das  Mündungsgebiet  des  Indus  eingerückt  sein 
werden.  Haben  wir  aber  für  den  Aufenthalt  der  Sanskrit-Arier 
am  obern  Indus  in  runder  Zahl  etwa  das  Jahr  1800  vor  Chr. 
gewonnen,  so  ergiebt  sich  aus  der  innern  Chronologie  des  Rig- 
veda, die  sich  auf  die  Genealogien  der  vedischen  Sängerge- 
schlechter stützt  (worüber  Ludwig  im  dritten  Bande  seines  Rig- 
vedawerkes  eingehende  Berechnungen  angestellt  hat)  wiederum 
mit  unwiderleglicher  Sicherheit  für  den  Aufenthalt  der  Sanskrit- 
Arier  im  obern  Pandschab  eine  Dauer  von  mindestens  zwei 
Jahrhunderten,  Wenn  aber,  was  jetzt  nicht  mehr  bewiesen  zu 
werden  braucht,  die  Sanskrit- Arier  aus  dem  Hochland  von  Iran 
herunter  ins  Pandschab  eingewandert  waren,  so  ergiebt  sich 
demnach  wiederum  auf  Grundlage  der  massigsten  Berechnung 
für  den  mittleren  Zeitpunkt  der  ersten  Betretung  indischen 
Bodens  durch  die  Sanskrit-Arier  ungefähr  das  Jahr  2000  vor  Chr. 

Nun  aber  ist  durch  meine  Entdeckungen  über  den  iranischen 
Ursprung  einer  ganzen  Reihe  von  Vedahymnen,  denen  sich  im 
Laufe  der  Untersuchungen  noch  mehrere  andere  zugesellen  werden, 
das  jetzt  nicht  mehr  umzustürzende  Ergebniss  gewonnen  worden, 
dass  die  ursprünglichen  Stammsitze  der  Sanskrit- Arier,  soweit 


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sich  dieselben  an  der  Hand  historisch-geographischer  Namen 
rückwärts  verfolgen  lassen,  Jahrhunderte  lang  an  den  Südufem 
des  Kaspischen  Meeres,  an  den  Nord-  und  Stidabhängen  des 
Alburs,  in  Mazanderan  und  in  Chorasan  gelegen  haben,  wohin 
die  brahmanischen  Inder  oder  vielmehr  Vorinder  selbst  erst  von 
den  Südabhängen  des  Kaukasus,  aus  den  Thalebenen  des  Kur 
und  Araxes,  eingerückt  waren.  War,  nach  historisch-geogra- 
phischen Gesichtspunkten,  der  Sabelän  der  einzig  mögliche  Pimkt, 
von  wo  aus  der  Dichter  des  Hiranyagarbhahynmus  (Rig.  X,  121) 
zugleich  das  Meer  (das  Kaspische),  den  Rasästrom  (den  Araxes) 
und  die  schneebedeckten  Berge  des  Himavat  (der  Alburskette) 
unmittelbar  vor  sich  sehen  konnte  (s.  mein  Iran  und  Turan 
pag.  183 — 185  u.  unten  p.  217),  war  der  Sabelän  der  Ägnavanta^  der 
heihge  OflPenbarungsberg  der  Zoroastrier  und  der  A^vattha  devasa- 
dana,  der  Göttersitz  der  brahmanischen  Sanskrit- Arier  (s,  VomPon- 
tus  bis  zum  Indus  pag.  73 — 83),  so  müssen  für  die  Einwanderung 
der  Sanskrit-Arier  ins  Kiunikshetra,  d.  h.  in  die  Wohnsitze  der 
Sanskrit- Arier  in  Chorasan  (s.  Vom  Pontus  bis  zum  Indus,  Ein- 
leitung pag.  XVI),  wiederum  nicht  unter  500  Jahren  Frist  an- 
genommen werden.  Wenn  nun  aber  für  diesen  Aufenthalt  der 
Sanskrit-Arier  im  Kurukshetra  bis  zu  ihrer  Einwanderung  im 
Pandschab  selbst  wieder  nicht  ein  geringerer  Zeitraum  als  500 
Jahre  angenommen  werden  dürfen,  so  wird  sich  uns  für  den 
ungefähren  Zeitpunkt  der  Abfassung  des  Hiranyagarbhahynmus 
etwa  das  Jahr  3000  vor  Chr.  herausstellen.  Der  Varunahynmus 
Rigv.  V,  85  oder  die  Dänastuti  des  Turva9adichters  Va9a  A9vya 
Rigv.  VIII,  46  (s.  beide  Hymnen  unten,  Abschn.  IV,  3  u.  10) 
gehören  demnach  in  runder  Summe  etwa  ins  Jahr  2500  vor  Chr. 
Dieses  Datum  selbst  findet  wieder  seine  Stütze  an  dem  Atreya- 
hymnus  (Rigv.  V,  13),  der  die  Eroberung  Babylons  durch  die 
sanskritarischen  Meder  feiert,  welche  Erobervmg  (s.  mein  Iran 
u.  Turan  pag.  223)  nach  historisch-positiver,  selbst  von  kritischen 
Geschichtsforschern  wie  Duncker  nicht  bezweifelter  Angabe,  ins 
Jahr  245S  vor  Chr.  fäUt. 


_     XII     _ 

Noch  weiter  zurück  als  die  Atreyahymnen  reichen  diejenigen 
der  Gautama.  Schon  in  meiner  Abhandlung  Ueber  Dialekt- 
spuren im  vedischen  Gebrauche  der  Infinitivformen 
(Kuhns  Ztschr.  f.  vglchde  Sprachforschg.,  Bd.  25  (1881)  hatte 
sich  mir  das  Resultat  herausgestellt,  dass  die  Liedersanunlun- 
gen  der  Gautama  (Mandala  IV)  und  der  Atreya  (Mandala  V  s.  dort 
pag.  363,  4)  die  ältesten  des  Rigveda  seien.  Ich  war  damals 
noch  von  dem  zwar  vielfach  brauchbaren,  aber  nicht  vollständig 
durchschlagenden  Gesichtspunkt  ausgegangen,  dass  die  Verwen- 
dung der  ältesten  Flexionsformen,  als  welche  z.  B.  die  Infinitive  auf 
dhyai  sich  darstellen,  über  das  relative  Alter  der  verschiedenen 
Bücher  des  Rigveda  die  zuverlässigsten  Schlüsse  gestatte.  Gegen- 
wärtig bin  ich,  trotz  der  damals  gewonnenen  Ergebnisse,  die 
theilweise  dauerhaft  bleiben  werden,  von  der  unzureichenden 
Einseitigkeit  meiner  damaligen  und  überhaupt  jeder  andern 
Methode  überzeugt,  die  sich  einredet,  durch  eine  Flexionsstatistik 
und  wäre  dieselbe  die  absolut  lückenloseste,  der  Frage  über  das 
gegenseitige  Altersverhältniss  der  Familienbücher  des  Rigveda 
gerecht  zu  w^erden.  Unvergleichlich  wichtiger  als  alle  Flexions- 
formen, bezüglich  deren  Verwendung  insbesondere  auch  die 
Rücksicht  auf  archaistische  Anwandlungen  in  Betracht  zu  kommen 
hat,  die  dann  die  Statistik  wieder  paralysirt,  —  entscheidungs- 
voller und  eindringender  als  alle  SteUenvergleichung,  die  zwar 
ebenfalls  unerlässlich  ist,  wirkt  die  vergleichende  Aufhellung 
der  Realien,  als  deren  massenhaftestes  Contingent  die  historisch- 
geographischen Namen  und  ethnologischen  Beziehungen  sich 
herausstellen.  Bevor  wir  Hand  an  die  Erklärung  eines  Textes 
legen,  müssen  wir  wissen,  wo,  unter  welchen  klimatischen  Vor- 
aussetzungen und  durch  wessen  Stammes  Kind  der  Text  ent- 
standen ist.  Die  historisch-geographische  Orientirung  ist  das 
wahre  ö6g  f^oi  rtoi  ario  der  Rigvedaexegese. 

Von  diesem  Standpunkte  aus  bleibt  zwar  das  von  mir  imter 
Anwendung  der  Infinitivstatistik  gewonnene  Resultat,  dass  die 
Gautamalieder  des  Mandala  IV  und  in  zweiter  Linie  die  Atreya- 


_   xm   — 

lieder  des  Mandala  V  die  beiden  ältesten  Hymnensammlungen 
des  Rigveda  sind,  bestehen,  die  Gj-itsamadalieder  des  Mandala  II 
dagegen,  die  mir  unter  der  Lupe  der  Infinitivstatistik  als  ganz 
jung,  d.  h.  sehr  spät  entstanden,  vorkamen,  dürfen  von  historisch- 
geographischen  Gesichtspunkten  aus  mit  in  die  Reihe  der  in 
Chorasan  gedichteten  hinaufrücken.  Daneben  ist  bei  einer,  natur- 
gemäss  immer  nur  relativen  Werth  beanspruchenden  Anordnung 
der  Rigvedabücher  nach  Massgabe  ihrer  Alterthtimlichkeit  nie- 
mals ausser  Acht  zu  lassen,  dass  die  Familiensammlungen,  auch 
wenn  sie  von  beträchtlich  verschiedenen  Zeitpunkten  an  entstan- 
den sind,  doch  nachher  Jahrhunderte  lang  sich  neben  einander 
(vermehrt  und  entwickelt  haben,  sodass  dann  die  Erscheinung 
keineswegs  befremden  kann,  wenn  in  den  Sammlungen  der 
ältesten  Mandalas  sich  gleichwohl  ganz  junge,  d.  h.  sehr  spät 
entstandene  Lieder  vorfinden.  Dass  in  sehr  spät  zusammenge- 
stellten Rigvedabüchem,  ^vie  in  den  Mandala  I  und  X,  uralte 
Einzellieder  und  sogar  kleinere  Liedersammlungen,  aufgehoben 
sein  können,  beweisen  die  Sagartierhymnen  des  Agastya  und 
^'unah9epa  Ajigarti  für  das  erste,  der  Hiranyagarbhahymnus 
(X,  121),  das  Saramälied  (X,  108),  das  Lied  von  Deväpi  Ärshti- 
shena  (X,  98),  das  von  Devamuni  Airammada  (X,  146)  und  die 
zahlreichen  Lieder  specifisch  iranischer  Dichter  brahmanischer 
Observanz,  wie  die  von  Gaya  Pläta  (X,92),  Arbuda  Kädraveya  Sarpa 
(X,  94),  Mudgala  Bhärmyä9va  (X,  102),  ^akapüta  Närmedha 
(X,  132)  für  das  zehnte  Mandala. 

Ausserordentlich  trügerisch  erweist  sich  för  die  Bestimmung 
des  Alters  eines  Rigvedaliedes  die  Angabe  von  dessen  Provenienz 
aus  dem  Stamme  der  Aügiras.  Während  zweifellos  die  Angiras 
nächst  den  noch  älteren  Bhiigu  nach  der  indischen  Heldensage  dem 
höchsten  Alterthum  angehören,  muss  die  Hauptmasse  der  den  Äh- 
giras  zugeschriebenen  Lieder  (im  Mandala  I  und  VEI)  vne  insbe- 
sondere die  zahlreichen  des  Mandala  IX,  unter  die  spätest  ent- 
standenen Rigvedahymnen  gerechnet  werden.  So  wenigstens  er- 
scheint uns   die  Sachlage  vom  historisch  -  geographischen  und 


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flexionsstatistischen  Standpunkte  aus  heute,  wir  können  aber  nicht 
wissen,  ob  uns  dieselben  Lieder  nicht  eines  Tages  von  wieder  neuen 
Gesichtspunkten  aus  nicht  wieder  anders  und  vielleicht  älter  vor- 
kommen, wiewohl  dieselben  von  keinem  Standpunkte  aus  jemals 
in  die  Nähe  von  Man(Jala  II,  IV,  V,  VI,  VII  oder  einzelner  Lieder 
von  Mandala  VIII  werden  gestellt  werden  können.  Den  von  mir 
gewonnenen  Standpunkt  derhistorisch-geographischenExe- 
gese  des  Rigveda  betrachte  ich  nur  mit  den  Augen  des  Kakshivant 
Dairghatamasa,  der  von  der  Morgenröthe  singt,  diejenige,  die  er 
feiere,  sei  von  den  dahingegangenen  zwar  die  letzte,  aber  nur 
die  erste  von  denen,  die  noch  kommen  werden  (Rigv.  I,  124,  2): 
iyiisMnäm  uparnä  gu^vatindm 
dyatindm  prathamöshä  lyy  hdyaut 
Nachdem  ich  in  Bd.  I  und  II  und  oben  den  Nachweis  geführt, 
in  welche  geographischen  Zonen  uns  ein  Theil  der  Rigvedahymnen 
über  das  Pandschab  westwärts  zurückführt  und  welche  Jahr- 
hunderte alsdann  für  den  Aufenthalt  der  Sanskrit-Arier  auf 
dem  Hochland  von  Iran  anzusetzen  sind,  erledigt  sich  die  neuestens 
zu  Tage  getretene  Tendenz,  das  Alter  des  Rigveda  möglichst 
tief  herunterzusetzen,  von  selbst.  Wenn  sich  uns  in  „Vom  Pontus 
bis  zum  Indus",  pag.  65 — 73  für  das  in  der  ganzen  Sanskritliteratur 
allein  dastehende  Triumphgeschrei  alald  dessen  Identität  mit 
dem  griechischen  Feldgeschrei  aXaXäy  sowie  mit  dem  Freuden- 
ruf der  griechischen  Mysterien  aXaXä^  olokni,  ilelev  und  so- 
dann mit  dem  armenischen  alalak,  aXdlayfia,  ergeben  hatte,  so 
muss  dem  gegenüber  der  Standpunkt  von  Pischel  und  Geldner 
in  deren  „Vedischen  Studien",  Bd.  I  (Stuttg.,  Kohlhammer,  1889), 
der  Rigveda  sei  ein  specifisch  indisches,  in  Indien  entstandenes 
Geistesprodukt,  das  nur  vom  indischen  Boden  aus  und  deshalb 
insbesondere  nur  von  der  Durchforschung  der  klassischen 
Sanskritliteratur  aus  begriffen  und  interpretirt  werden  könne, 
als  vollkommen  einseitig,  irrthümlich  und  gänzlich  unzureichend 
erscheinen.  Gewiss  kann  die  Herbeiziehung  und  Vergleichung 
des  in  den  zahlreichen  poetischen,  philosophischen  und  wissen- 


_     XV     _ 

schaftlichen  Werken  der  Sanskritliterutur  aufgeschichteten  sprach- 
lichen, mythologischen,  geographischen,  naturwissenschaftlichen 
Materials,  das  zur  Aufhellung  des  Rigveda  verwerthet  werden 
kann,  nur  von  grösstem  Nutzen  sein,  und  die  Verfasser  der 
„Vedischen  Studien"  haben  diese  Methode  mit  einer  Belesenheit 
geübt,  in  der  es  ihnen  zur  Stunde  wohl  kein  Vedist  gleich  thun 
wird.  Ueberblicken  wir  aber  die  Reihe  der  nach  dieser  Methode 
gewonnenen  Funde,  so  müssen  wir  uns,  bei  aller  Anerkennung 
der  für  einzelne  schwierige  Wörter  erreichten  genaueren  Be- 
griffsbestimmungen, gestehen,  dass  auf  diesem  Wege  neue,  die 
Gesammtstellung  des  Rigveda  durchdringende  Einblicke  weder 
gelungen  sind,  noch  jemals  werden  gelingen  können.  Ja  es  lässt 
sich  nicht  leugnen,  dass  unter  der  zwingenden  Macht,  die  jede 
Methode  auf  ihren  Erfinder  selbst  ausübt,  Pischel  imd  Geldner 
zu  einer  den  Ursprung,  das  Alter,  die  Frische  und  den  ethisch- 
aesthetischen  Werth  des  Rigveda  verkleinernden  Auffassung 
verleitet  worden  sind,  gegen  welche  energisch  Stellung  genom- 
men werden  muss. 

Zunächst  gilt  es,  von  den  Dichtem  des  Rigveda  den  Vor- 
wurf abzuwälzen,  als  seien  dieselben  eine  Gesellschaft  zunfb- 
mässiger  Ausbeuter  der  Reichen  gewesen.  ,Wir  wissen,"  heisst 
es  Einleitung  pag.  XXIV,  „dass  die  Dichtkvmst  durchaus  zunft- 
massig  als  eine  Erwerbsquelle  geübt  wurde.  Der  vedische 
Dichter  arbeitete  für  Geld,  und  die  Lieder  sind  zum  grossen 
Theil  auf  Bestellung  reicher  Leute  gedichtet."  Hier  wird  mehr 
behauptet,  als  die  Verfasser  der  „Vedischen  Studien"  aus  dem 
Rigveda  zu  beweisen  vermöchten.  Dass  die  vedischen  Dichter 
im  Grossen  und  Ganzen  einen  Stand,  aber  deshalb  noch  keine 
Zunft  bildeten,  wird  von  Niemand  bestritten  werden,  da  doch 
Dichtergestalten  genug  auftreten,  die,  wie  der  alte  Kavasha 
Ailüsha,  keiner  Dichterzunft  angehören  konnten.  Dass  aber  die 
Lieder  des  Rigveda  ,zum  grossen  Theil  auf  Bestellimg  reicher 
Leute  verfasst  worden"  seien,  ist  durchaus  falsch,  weil  übertrieben. 
Für  Geld  und  Gut  sind  nachweisbar  nur  die  eigentlichen  Lob- 


_     XVI     _ 

lieder  auf  die  Freigebigkeit  und  das  Heldenthum  vedischer 
Grossen  gedichtet  worden,  die  sogenannten  Dänastutis,  deren  es 
aber  kaum  ein  Dutzend  giebt.  Aber  wo  trifft  die  Behauptung 
zu  bei  den  Liedern  auf  die  Morgenröthe,  die  Sonnengötter,  die 
Sturm-  und  Gewittergottheiten,  auf  die  Weltherrscher  Varuna, 
Mitra,  Aryaman,  auf  das  Heldenideal  Indra,  auf  die  Ströme,  und 
vor  allem  auf  die  philosophischen  Hymnen  und  die  kleinen 
Lieder  am  Schlüsse  von  Geldners  und  Kägis  „Siebenzig  Liedern 
des  Rigveda«  (Tübingen,  1875)? 

Allein  selbst  wenn  es  sich  nicht  herausstellte,  dass  nur  ein 
verschwindend  geringer  Theil  der  Rigvedalieder  thatsächlich  um 
Lohn  gedichtet  worden  ist,  so  sänke  Pischel-Geldner's  Vorwurf 
gegenüber  den  vedischen  Dichtern,  auch  wenn  sie  sämmtliche 
Hymnen  um  Geld  und  Gut  verfasst  hätten,  doch  Angesichts  der  all- 
gemeinen Geschichte  der  Poesie  in  eine  schreiende  Ungerechtigkeit 
zusammen.  Alle  grossen  Dichter  aller  Culturvölker  haben  um  Lohn 
gedichtet,  und  warum  hätten  sie  es  nicht  gesollt?  Wenn  die  Poesie 
eine  Kunst  ist,  warum  hätten  die  Meister  dieser  Kunst  nicht  zu 
allen  Zeiten  die  Erzeugnisse  ihrer  gottverliehenen  Fähigkeiten 
mit  demselben  Recht  verkaufen  dürfen  sollen,  mit  dem  der 
Bildhauer,  der  Gemmenschneider,  der  Maler,  Musiker,  Sänger 
und  Schauspieler  aus  seiner  Kunst  Gold  schlägt?  Pischel-Geld- 
ner  erklären  pag.  XXIV  der  Einleitung:  „Schon  ebenso  corrum- 
pirt  [wie  der  Weise  Kä9yapa  in  einer  Legende  des  Mahäbhärata!] 
ist  die  Moral  der  vedischen  Dichterzunft. "  Und  dann  werden 
einige  Stellen  des  Rigveda  citirt,  in  welchen  sich  die  Dichter 
spöttisch  oder  verwünschend  über  den  Geiz  der  Grossen  aus- 
sprechen. „Leid  treffe  den,  der  nichts  giebt"  (Rigveda  I,  125,  7). 
„Wecke  auf,  o  Ushas,  du  Freigebige,  die  Geber;  ohne  aufzu- 
wachen mögen  die  Geizhälse  schlafen"  (Rigv.I,  124,  10).  Ach  wie 
unschuldig  klingen  doch  diese  gewiss  nur  allzu  begründet  gewese- 
nen Ausbrüche  der  Enttäuschung  gegenüber  den  gift-  und  gaUe- 
strotzenden  Hohnesäusserungen,  mit  welchen  der  grösste  orien- 
talische Dichter,  der  Perser  Firdusi,  seinem  Zorn  über  den  Geiz 


_      XVII     _ 

Luft  macht,  mit  welchem  sein  fürstlicher  Gönner,  Sultan  Mah- 
mud von  Ghazna,  der  Eroberer  Indiens,  ihn  für  die  Vollendung 
des  Schähnäme  abzuspeisen  suchte,  und  der  hohe  Herr  'zahlte 
doch  60000  Silberlinge  an  Stelle  der  allerdings  versprochenen 
60000  Goldstücke.  Man  lese  doch  die  furchtbare  Satire  in  vor- 
trefflicher Uebersetzung  am  Schluss  der  Einleitung  zu  seinen 
»Heldensagen  des  Firdusi"  (pag.  68 — 73)  bei  Schack  nach! 

Aber  nicht  anders  steht  es  bei  den  Lyrikern  des  Abendlan- 
des. Der  nächst  Aeschylus  ideenschwerste  Vertreter  griechischer 
Ethik,  der  feierlichemste  Pindar,  hat  seine  sämmthchen  Sieges- 
gesänge und  Loblieder  (Enkomien)  für  theures  Geld  verfasst. 
In  der  elften  Pythischen  Ode  scherzt  er  darüber:  ,Muse,  deine 
Sache  ist  es,  wenn  du  es  um  Lohn  verdungen  hast,  deine  Stimme 
um  den  Preis  des  Silbers  zu  leihen  dem  Pythischen  Siegervater 
oder  auch  jetzt  dem  Thrasydaios"  (Bergk,  Poetae  Lyr.  Gr.  \ 
Pyth.  XI,  42): 

MoiaOf  TÖ  de  tbov,  ei  uia&oi  avvexi&sv  naQiyaiv 
q>iovav  inciQyvQOv  aXXoT    akXa  raQaaaf/xev 

xb  yi  wv  r^  Soaovdaüo. 
Walther  von  der  Vogel  weide,  ein  fahrender  Sänger  wie 
Va^a  A^vya,  wendet  sich  an  den  römischen  König  Philipp,  den 
König  von  Apulien,  er  möge  sich  doch  des  Dichters  erbarmen, 
auf  dass  man  ihn  nicht  bei  reicher  Kunst  dermassen  verarmen 
lasse.  Er  möchte,  sagt  er,  wenn  es  irgendwie  angienge,  bei 
eigenem  Feuer  erwarmen.  Alsdann  überschüttet  er  den  König 
mit  beissendem  Hohn: 

yyick  hän  min  leheii,  al  die  werü,  ich  hdn  tnin  Wien, 
nu  enfürhte  ich  niht  den  hcnmunc  an  diu  zehen, 
und  teil  alle  boese  herren  dester  minre  flehen. 
Der  edel  künec,  der  mute  künec  hat  mich  beraten, 
daz  ich  den  sumer  luft  und  in  dem  wmter  hitze  hdn. 
min  ndhgebüren  dunTce  ich  verre  baz  getan: 
si  sehent  mich  niht  mh-  an  in  butzen  lois  als  si  e  täten. 


_     XVIII     — 

Ich  bin  ze  lange  arm  gewesen  an  minen  danc. 
ich  was  s6  voller  scheltens  daz  min  äten  starte : 
daz  hat  der  Tciinec  geiruichet  reine,  und  dar  zuo  minen  sanc. 
Ganz  so  tönt  es  über  den  Geiz  der  Grossen  aus  den  Ge- 
dichten unserer  klassischen  Dichterheroen  wieder.     In  No.  35 
von  Goethes  Venetianischen  Epigrammen  heisst  es  in  Goethes 
Danastuti  auf  Herzog  Karl  August: 

Doch  was  preisest  du  ihn,   den  Thaten  und  Werke 
verkünden? 
Und   bestochen   erschien   deine  Verehrung  viel- 
leicht; 
Denn  mir  hat  er   gegeben,   was  Grosse  selten  ge- 
währen, 
Neigung,    Müsse,    Vertraun,    Felder   und  Garten 
und  Haus. 
Niemand  braucht'  ich  zu  danken,  als  ihm,  und  Man- 
ches bedurft'  ich. 
Der  ich  mich  auf  den  Erwerb  schlecht   als   ein 
Dichter  verstand. 
Hat  mich  Europa  gelobt,   was  hat  mir  Europa  ge- 
geben? 
Nichts!   Ich   habe,   wie   schwer!    meine   Gedichte 
bezahlt. 
Und  in  einem  seiner  Reimsprtiche  erklärt  er  noch  viel  ent- 
schiedener: 

„Ich  hätte  der  Welt  nichts  aufgetischt, 
Hätt'  ich  irgend  fürstliche  Renten." 
So  fasste  man  die  Sache  im  klassischen  Lager  auf  und  das 
Echo   aus   dem  der  Romantiker   schallte   weithin    vernehmlich 
durch  das  deutsche  Land,  als  Aug.  W.  Schlegel  seinen  „Arion" 
mit  den  Worten  schliessen  Hess: 

„Fern  mögt  ihr  zu  Barbaren, 
Des  Geizes  Knechte  fahren. 
Nie  labe  Schönes  euern  Muth*. 


_     XIX     _ 

Nachdem  ich  mit  diesen  Parallelen  zu  den  Klagen  vedischer 
Dichter  über  den  Geiz  der  Grossen  den  furchtbaren  Vorwurf 
der  moralischen  Corrumpirtheit,  den  Pischel- Geldner  ihnen  anzu- 
heften gewagt,  genugsam  entkräftet  zu  haben  glaube,  halte  ich 
es  für  nöthig,  den  Angriff  Geldners  auf  die  Ethik  der  Priester 
des  Rigveda  zurückzuweisen.  Geldner  behauptet  Vedische 
Studien  pag.  145:  »Wir  haben  keinen  Grund,  den  Priestern  des 
Rigveda  eine  nach  unsern  Begriffen  höher  stehende  Moral  zu 
vindicieren,  als  denen  der  Yajurvedaperiode.  Dies  geschieht 
nur,  um  sie  in  dem  trügerischen  Gewand  eines  Mitteleuropäers 
vorzufuhren,  statt  in  dem  echter  Orientalen,  die  sie  wirklich  sind. 
„Der  Zweck  heiligt  die  Mittel"  ist  seit  Alters  auch  der  oberste 
Grundsatz  des  indischen  Klerus.  List  aber  ist  bei  den  Orientalen 
die  höchste  Weisheit  und  Tugend."  Geldner  gelangt  zu  dieser 
Auffassung  an  der  Hand  seiner  Aufhellung  des  Wortes  vi-ijäna^ 
in  welchem  er  ein  ^ Opferfangnetz"  nachweist,  das  der  in  man- 
chen Hymnen,  insbesondere  der  spätesten  Rigvedabücher,  auf- 
tretenden Metapher  entstammt,  die  Menschen  suchten  sich  der 
Gotter  zu  ihrem  Beistand  gleichsam  wie  die  Jäger  des  Wüdes 
zu  bemächtigen.  Bild  ist  Bild  und  wenn  wir  ein  solches  cultur- 
geschichtlich  verwerthen  wollen,  so  dürfen  wir  es  doch  unzweifel- 
haft nur  nach  dem  ihm  zu  Grimde  liegenden  einfachen  Sinne 
verwenden,  der  hier  in  nichts  anderem  besteht,  als  in  der  eifrigen 
Sehnsucht,  der  Anwesenheit  der  Götter  und  ihres  Beistandes 
möglichst  rasch  theilhaftig  zu  werden.  Nähmen  wir  solche 
Bilder  buchstäblich,  so  gelangten  wir  dazu,  in  Rigv.  IV,  56,  3, 
wo  es  von  dem  uJcshd,  dem  Ochsen,  in  Strophe  1,  heisst:  yd 
imS  dyävdprithivi  jajdna  „der  diese,  Himmel  und  Erde,  gezeugt 
hat"  (nämlich  der  Gott  Agni),  gläubig  zu  interpretiren :  ein  leib- 
haftiger Ochse  sei  Schöpfer  des  Himmels  und  der  Erde  gewesen. 

Die  Ethik  des  Rigveda,  die  zugleich  die  wahre  Ethik  der 
vedischen  Priesterphilosophie  ist,  liegt  in  aller  Fülle  und  Klar- 
heit durch  sämmtliche  Liedersammlungen  ausgebreitet  vor. 
Ludwig  hat  dieselbe  in  seiner  Schrift   „Die  philosophischen 


—     XX      _ 

und  religiösen  Anschauungen  des  Veda  in  ihrer  Ent- 
wickelung"  (Prag,  Tempsky,  1875)  dargestellt.  Der  Eckstein 
und  die  Axe  der  Weltanschauung  des  Rigveda  ist  der  Begriff 
des  'j-itdvi,  n.,  das,  ursprünglich  unverkennbar  mit  rata,  raflia, 
Wagen  (vgl.  gaUisch-römisch^e^or-nVMwj,  ein  vierrädriger  Wagen) 
in  Zusammenhang  stehend,  den  ewig  gleichmassigen  Kreislauf 
des  Weltgeschehens,  die  physische  und  moralische  Weltordnung 
als  urauföngliche  Einheit  bedeutet.  Zuweilen  ist  der  Begriff 
des  ritam  vertreten  durch  das  dhdrman,  n.,  oder  dhdrma,  n.,  das, 
etymologisch  eins  mit  lat.  ßrmum,  das  unwandelbare  Weltgesetz 
im  Himmel  [firmamentum  —  vi-dharmati)  und  auf  Erden  bezeich- 
net, ganz  entsprechend  dem  Begriff  des  dhamma  im  Buddhismus, 
das  nicht  nur  die  Grundelemente  alles  Seins  in  Natur-  und 
Geistesleben,  sondern  auch  die  das  Natur-  und  Geistesleben  mit 
unabänderlicher  Consequenz  regelnden  Weltgesetze,  sowie  dann 
die  Idee  des  Alls  selbst,  nach  seiner  physischen  und  ethischen 
Seite  als  Einheit  gefasst,  darstellt.  Das  ritmn  bezeichnet  wie 
das  dhdrman  nicht  allein  das  physisch-moralische  Weltgesetz 
als  das  Substrat  alles  Weltgeschehens,  sondern  auch  die  Ob- 
jectivation  des  Weltgesetzes  im  Sinne  des,  etymologisch  damit 
zusammenhängenden  lat.  ritus^  insofern  es  nämlich  die  ganze 
Fülle  vedischer  Opfergebräuche,  Religionshandlungen  und  brah- 
manischer  Kirchensatzung  umfassi  Insofern  das  i-üdm  in  un- 
abänderhcher  Ordnung  der  Weltgesetze  am  Himmel  und  auf 
Erden  sich  vollzieht  und  niemals  von  sich  selbst  abweicht, 
ist  es  die  Fülle  aller  Wahrheit,  die  Wahrheit  selbst,  das  satydm, 
das  aber  zugleich,  insofern  es  ursprünglich  das  Seiende,  ens, 
bezeichnet,  wiederum  das  All  der  Ideale  in  seiner  concreten 
Form,  das  durchschlagend  Vernünftige  im  Hegeischen  Sinne 
ist:  Gesetzgebung  und  Verfassung,  Institutionen,  Sitte,  Brauch 
und  Rechtsgewohnheit.  Für  die  Aufrechterhaltung  des  ri'tdm 
sorgt  der  Weltherrscher  Varuna,  dessen  Augen  unausgesetzt 
den  Gang  des  richtigen  Weltgeschehens  im  Himmel  und  auf 
Erden  verfolgen  und  dem  auch  das  verschwiegenste  Geheimnis» 


_     XXI     _ 

nicht  verborgen  bleibt.  Die  Bestimmung  des  Menschen  aber 
besteht  in  der  Fördenmg  der  Aufrechterhaltung  des  Weltge- 
setzes im  irdischen  Kreislauf  des  Weltgeschehens.  Das  Verbin- 
dungsglied und  Verbindungsmittel  zwischen  Himmel  und  Erde  ist 
das  Opfer,  i/aj'nd,  n.,  insofern  es  das  Feuer,  agn(,  m.,  als  Götter- 
boten mit  dem  Opferduft  und  Gebetshauch  zu  Varuna  und  seinen 
Mitgöttern  emporsendet,  um  diese  für  die  gnädige  Aufrechter- 
haltung des  ri'fdm  noch  besonders  geneigt  zu  stimmen.  Insofern 
heisst  nach  vedischer  Weltanschauung  der  Opferplatz  mit  Recht 
der  Mittelpunkt  der  Weltordnung  (ritäsya  sädas  näbhi). 

Es  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  an  aesthetischer  Gross- 
artigkeit, logischer  Consequenz  und  ethischer  Erhabenheit  die 
Weltanschauung  des  Veda  mit  dem  Axenbegriff  des  ritüm  seines- 
gleichen in  der  Culturgeschichte  aller  andern  Naturvölker  nicht 
aufzuweisen  hat.  Diese  Weltanschauung  des  Veda  steht  in  ihrer 
grandiosen  Einfachheit,  Innern  Harmonie  und  praktischen  An- 
wendbarkeit hoch  erhaben  da  über  allen  spätem  Entwickelungen 
des  Brahmanismus,  deren  Mittelpunkt  der  Trimürtti  geworden. 
Aber  ebensowenig  lässt  sich  verkennen,  dass,  nachdem  einmal 
ffir  die  Vollziehung  des  zum  Inbegriff  des  r?'<aw  gewordenen  Opfers 
{yajna)  ein  eigener  Stand,  der  der  Opferpriester,  sich  heraus- 
gebildet hatte,  derselbe  sich  bald  genug  auch  die  Consequenz 
der  Opferwichtigkeit  dienstbar  zu  machen  sich  bestreben  konnte. 
Ein  Vers  des  Sophokles  lautet:  Tb  (.lavTixöv  yäg  nüv  (piXdoyvQov 
yivog,  welchen  Wahrspruch  Fallmerayer,  Ges.  Werke,  Bd.  IE, 
pag.  517  umgetauft  hat  in:  „Alles  Geistliche  liebt  das  Geld". 
Kraft  der  Anwendung  der  Theorie  von  der  Consequenz  der 
Opferhandlung  zur  Gnädigstimmung  der  Verwalter  des  Welt- 
gesetzes, des  ritdni,  bildeten  diese  brahmanischen  Handhaber  des 
rüdm  par  exceUence,  des  Opfers,  die  sophistische  Lehre  aus, 
dass  das  Opfer,  weil  es  das  rüdm  unter  ihren  Händen  jedesmal 
gleichsam  von  neuem,  also  nach  ihrem  Wunsch  und  WiUen,  neu 
erzeuge,  eben  desshalb  auoh  die  wahre  QueUe  und  der  ewigfrische 
Jungbrunnen  des  ritdm  selbst  sei,   welchen  Jungbrunnen  denn 


—    xxn    _ 

die  geistlichen  Liebhaber  des  Geldes  um  Geld  und  gute  Worte 
reichlich  sprudeln  Hessen.  Wenn  die  Vollziehung  des  Opfers 
nur  dann  bei  den  Himmlischen  Anklang  fand,  insofern  es  selbst, 
das  i-itdm  in  höchster  Potenz,  gemäss  dem  in  der  tausendfach 
verzweigten  Opferwissenschaft  sich  offenbarenden  richtigen  Gang 
der  Opferhandlungen  vollzogen  wurde,  so  mussten,  wenn  ausser 
den  specifischen  Opferpriestem  Niemand  das,  langjährige  theore- 
tische und  praktische  Opferstudien  voraussetzende  ritüm  voll- 
ziehen konnte,  die  fachmässigen  Opferpriester  innerhalb  des 
Brahmanismus  bald  genug  Herren  der  Situation  werden.  So 
konnte  sich  dann  oder  musste  sich  vielmehr,  da  diese  Herren  der 
Lage  an  Consequenz  es  niemals  haben  fehlen  lassen,  die  frevel- 
hafte Lehre  ausbilden,  dass,  wenn  sie,  die  Opferpriester,  vermöge 
ihrer  Fähigkeit,  das  i-itdm  beliebig  zu  produciren,  die  Kraft  be- 
sassen,  auf  die  Götter,  die  Aufseher  über  das  ritäm  als  Welt- 
geschehens, jeden  Augenblick  bestimmend  einzuwirken,  sie  offen- 
bar die  Götter  selbst  in  ihrer  Hand  hätten,  dieselben  also  auch 
zur  Vollziehung  des  rüdm  im  Sinne  des  priestergewollten  Welt- 
geschehens zwingen  könnten.  In  Folge  dessen  musste  sich 
dann  weiter  auch  die  Lehre  entwickeln,  sie,  die  opferkundigen 
Brahmanen,  seien  die  Götter,  die  deva  auf  Erden,  was  Alles  in 
der  Brähraanaliteratur  weit  und  breit  zur  Darstellung  gelangt. 
Abor  eben  desshalb,  weil  diese  Sophistik  sich  erst  in  der  Bräh- 
manaperiode,  also  gewiss  erst  ein  halbes  Jahrtausend  nach  den 
letzten  Ausläufern  der  Samhitäperiode,  breit  macht,  ist  es  unge- 
recht, den  Vorwurf  der  Corruption,  der  allerdings  den  Opfer- 
priestem der  Brähmanaperiode  gebührt,  auch  schon  auf  die 
Opferpriester  des  Rigveda,  wo  die  Lehre  vom  universellen  Welt- 
gesetz noch  ungebrochen  wirkt,  zu  übertragen. 

Aus  Pischel-Geldners  Tendenz,  das  Alter  des  Rigveda  mög- 
lichst tief  herabzudrücken,  geht  dann  die  in  den  „Vedischen  Stu- 
lien"  mehrfach  wiederholte  Behauptung  hervor,  der  Veda  enthalte 
überhaupt  nichts  Indogermanisches.  Pischel,  der  offenbar  diese 
Tendenz  am  schärfsten  vertritt,  erklärt  pag.  81:  „Indogermanische 


—     XXIII     _ 

Mythen  sind  uns  im  Veda  überhaupt  nicht  erhalten;  alle  Mythen, 
welche  der  Veda  uns  bietet,  sind  rein  indische  und  nur  aus 
indischen  Anschauungen  und  Verhältnissen  heraus  zu  begreifen 
und  zu  erklären."  Allein  erstens  sind  z.  B.  die  A9vinau  als 
Götter  von  Reitervölkem  offenbar  durchaus  nicht  indischen, 
sondern  (vgl.  Vom  Pontus  bis  zum  Indus,  pag.  127—129)  irani- 
schen Ursprungs  (desshalb  waren  sie  vom  brahmanischen  Cultus 
als  ein  fremdes  Element  ausgeschlossen),  und  dann  ist  der  Zu- 
sammenhang derselben  mit  den  Dioskuren  der  Griechen  doch 
wohl  zu  offenbar  (trotz  dessen  Leuguimg  durch  Pischel,  Ein- 
leitung pag.  XX VII),  als  dass  ein  anderer  als  ein  iranischer 
Ursprung  derselben,  d.  h.  ein  Ursprung  auf  iranischem  Boden, 
übrig  bliebe.  Ebenso  behauptet  die  Einleitung  pag.  XXIX: 
„dass  ürva^I  schon  im  Rigveda  eine  Apsaras  ist,  dass  schon  in 
alter  Zeit  die  Apsarasen  als  Götterhetären  zu  denken  sind  und 
dass  die  Liebesgeschichte  von  Purüravas  und  Urva^i  ganz  in  den 
Rahmen  der  vielen  schönen  Apsarasgeschichten  fällt,  welche  das 
Mahäbhärata  mit  Vorliebe  erzählt.  Und  damit  ist  die  indoger- 
manische Deutung  oder  Benützung  des  Märchens  abgeschnitten." 
Allein  wir  erinnern  hier,  was  die  Apsarasen  als  „Götterhetären" 
betrifft,  an  die  Nymphen  der  Griechen,  die  noch  Niemand  als 
Hetären  bezeichnet  hat,  und  bezüglich  der  hasrä  Ushas  (pag.  XXV 
der  Einleitung)  an  die  (pi?.o}ifxeidrjg  ^A(pQodiTr^,  auch  einer  ehe- 
maligen Göttin  der  Morgenröthe,  und  weisen  sowohl  für  die 
Apsarasen  als  die  Ushas  des  Rigveda  den  Begriff  der  Hetäre 
zurück,  ohne  hier  näher  auf  die  Sache  einzutreten,  was  ander- 
wärts der  Fall  sein  wird.  Für  den  iranischen  Urspning  des 
Purüravas-  und  Urva^I-Mythus  verweisen  wir  auf  unten  Abschn. 
IV,  N.  4,  wo  der  indogermanische  Ursprung  des  Namens  des 
Lustteiches  Anyatahplaksha  für  ursprünghcheres,  aber  aus  indi- 
scher Sprach  form  nicht  zu  verstehendes  *  Änatyaplaksha  nachge- 
wiesen werden  wird.  Dann  aber  ist  ferner  zu  bemerken,  dass  der 
Schluss,  die  Benützung  des  Urva9i-Märchens  zu  Zwecken  der 
vergleichenden  Mythologie  der  Indogermanen  sei  schon  desshalb 


_     XXIV     _ 

abgeschnitten,  weil  dasselbe  nur  eine  „der  vielen  schönen  Apsa- 
rasgeschichten"  des  Mahäbhärata  sei,  ganz  und  gar  nicht  Stich 
hält,  da,  wie  jeder,  der  sich  mit  vergleichender  Mythologie 
beschäftigt,  sehr  gut  weiss,  oft  die  allerwerthvollsten  Mythen 
sich  gerade  nur  noch  als  Liebesgeschichten,  manchmal  sogar 
nur  noch  als  Lügenmärchen  und  abgeschmackte  Anekdoten  in 
der   Ueberlieferung   vorfinden. 

Die  vergleichende  Mythologie  liegt  aber  den  Verfassern  der 
„Vedischen  Studien"  überhaupt  nicht  recht,  desshalb  werden  (pag.81) 
auch  Elard  Hugo  Meyers  „Indogermanische  Mythen  I  Gandharven 
und  Kentauren"  Berlin  1883  als  „durchaus  verfehlt"  bezeichnet,  ohne 
dass  auch  nur  der  Schimmer  eines  Gegenbeweises  sichtbar  würde, 
wogegen  i^gandharvd  die  Bedeutung  „Foetus"  als  „Grundbedeu- 
tung" nachgewiesen  werden  will.  Aber  woher  kamen  diej  Gan- 
dharva  von  dieser  „Grundbedeutung"  aus  schon  im  Rigveda  UI,  38, 
6  zu  dem  Epitheton  ornans  väyükega  „windhaarig"  ?  Und  auf  wel- 
chem Wege  wollen  Pischel-Geldner  die  Untersuchungen  Ad.  Kuhns 
über  den  Purüravas-Urva^I-Mythus  in  dessen  „Herabkunft  des 
Feuers  und  des  himmlischen  Göttertranks"  aus  der  Welt  schaffen? 
Wie  wollen  sie  die  Untersuchungen  jenes  Werkes  über  die 
Zusammenhänge  des  Dionysosdienstes  und  des  Somacultus  der 
Indo-Iranier  widerlegen?  Wie  die  Zusammenhänge  zwischen 
amritam  und  Ambrosia,  zwischen  Pramatha^  Pramdtha ,  pra- 
manthä  und  nQoinrid^evg-nQOfiav&evg?  Nicht  nur  enthält  viel- 
mehr der  Veda  in  der  That  die  ältesten,  literarisch  uns  zugäng- 
lichen Formen  der  indogermanischen  Mythen  —  Indogermanen 
zunächst  nur  im  Sinne  der  Sanskrit-Arier,  der  Ost-  und  West- 
iranier  und  der  Ario-Hellenen  — ,  sondern  wir  vermöchten  die 
Mythologien  der  indogermanischen  Völker  ohne  fortwährend  neue 
Entdeckungen  indogermanischer  Zusammenhänge  im  Veda  gar 
nicht  aufzuhellen.  Specifisch  indische,  auf  dem  Boden  Vorderindiens 
entstandene  Mythen,  giebt  es  im  Rigveda  überhaupt  gar  keine, 
sondern  alle  weisen  auf  Ursprung  in  Vorder-  und  Mittelasien, 
von  Kappadokien  bis  Chorasan,  zurück.    Das  Mahäbhärata  und 


_     XXV      _ 

die  Puräna  beherbergen  dagegen  eine  Fülle  von  Mythen  und 
Heldensagen,  die,  alle  dem  Hochland  von  Iran  entstammend, 
blos  der  Amalgamation  iranischer  Ueberlieferungen  mit  den 
klimatisch  verschiedenen  Verhältnissen  und  relativ  späteren  Orts- 
und Personennamen  der  indischen  Sanskrit- Arier  ihr  Dasein  ver- 
danken. Die  ältesten  Mythen  der  Westarier  Vorderasiens,  sowie  der 
Ario-Hellenen,  in  Homer,  Hesiod  und  den  Scholiasten,  schlum- 
mern, zum  grössten  Theil  noch  unerkannt,  in  der  griechischen 
Heldensage.  Wird  einmal  erst  die  griechische  Heldensage  aus 
ihrem  Schlummer  erweckt  worden  sein,  so  wird  es  dann,  wie 
in  der  vergleichenden  Sprachforschung,  möglich  werden,  speci- 
fisch  indische  Mythengestaltungen  arischen  Ursprungs,  aus  dem 
Reichthum  der  griechischen  Heldensage  heraus  zu  deuten, 
wie  ja  auch  zahlreiche  Laut-  und  Wortverhältnisse  des  Sanskrit 
erst  vom  Griechischen  aus  ihre  Aufklärung  erhalten  haben  und 
noch  erhalten.  Auf  diesem  Wege  wird  alsdann  die  Einsicht  ge- 
wonnen werden,  dass,  wenn  es  im  Veda  Hymnen  giebt,  deren 
Mythengebilde  und  Sprachformen  eine  weit  über  das  Mass  allge- 
meiner Verwandtschaft  hinausgehende  Uebereinstimmung  mit 
ario-hellenischen  Traditionsgestaltungen  aufweisen,  das  Alter 
des  Rigveda,  nämlich  der  ältesten  Theile  des  Rigveda,  noch  weit 
höher  veranschlagt  werden  muss,  als  ich  es  oben  gethan  habe.  Ein 
uralter  Hymnus  ist  z.  B.  das  Vämadevalied  von  der  Schenkelgeburt 
Indra's,  Rigv.  IV,  18,  in  welchem  sich  älteste  Sanskritformen  mit 
Präkritformen  wundersam  gemischt  haben.  Ich  habe  diesem 
Hymnus  seit  dem  J.  1865  ununterbrochene  Aufmerksamkeit  ge- 
widmet und  werde  denselben  in  einem  der  nächsten  Bände  meiner 
historisch-geographischen  Forschungen  ausführlich  besprechen. 
Der  Veda  ist  eine  Centralsonne,  deren  Strahlen  die  Uranfange 
des  indischen  Lebens  im  Osten,  des  persischen  im  Süden,  des 
ario-hellenischen  im  Westen,  des  slavo-gerraanischen  im  Nord- 
westen und  des  turanischen  im  Nordosten  beleuchten. 

Dr.  H.  Brunnhofer. 


I.  Indo-iranische  Wörter  im  Homer. 

1.  Indogermanische  Göttergemahlinnen  auf  äni  und  covri, 

Pänini,  der  an  Alles  Denkende,  widmet  in  seiner  Sanskrit- 
grammatik IV,  1,  49,  den  auf  dni  endigenden  Namen  der 
indischen  Göttergemahlinnen  ein  eigenes  Sütra,  das  Patau jali. 
sein  Kritiker  und  Ergänzer,  im  Värttika  zu  IV,  1,  49  um 
mehrere  von  seinem  Vorgänger  übersehene  Namen  bereichert. 
Gleichwohl  ist  die  von  beiden  Grammatikern  gegebene  Serie  von 
Femininen  auf  dni  nicht  vollständig  und  wird  wohl  auch  nach 
den  hier  gegebenen  wenigen  Zusätzen  noch  weiter  vermehrt 
werden  können. 

Ich  gebe  zunächst  Päninis  Frauennamen  aus  dem  Veda. 
Es  sind  Ijidränz,  die  Gemahlin  Indra's,  Varunäni,  die  Gemahlin 
Varuna's,  Äranyäni,  die  Genie  der  Wildniss  und  der  Waldein- 
samkeit. Ebenfalls  noch  vedisch  ist  die  von  Pataujali  herbeige- 
zogene Mudgaldni,  die  Gemahlin  des  ßishi  Mudgala  Rig.  X, 
102,  2.  Von  Beiden  ist  übersehen  worden  die  Purukutsäni, 
die  Gemahlin  des  Rishi  Purukutsa  Rigv.  IV,  42,  9.  Dann  bringt 
Pänini  aus  dem  spätem  Sanskrit  noch  bei  die  Namen  der  ^iva- 
Gemahlinnen  Bhavdni,  Gemahlin  des  Bliava,  eines  Gefährten 
des  Rudra  (^iva  und  dann  mit  diesem  identificirt,  femer  ^arväni, 
die  Gemahlin  des  Qarva-Qiva,  Rudräni,  die  Gemahlin  des  Rudra^ 
Mridäni,  die  Gemahlin  des  Mrida,  eines  Beinamens  des  (^iva. 
Pataujali  fügt  diesen  noch  bei  Brahmdni,  die  Gemahlin  Brahma's. 
Von  beiden  Grammatikern  vergessen  sind  ^iväni,  die  Gemahlin 
des  Qiva  und  Igänt,  die  Gemahlin  des  19a,  eines  altem  Qiva-Rudra. 

Brunnhofer,  Vom  Aral  bis  zur  Gangä.  1 


Dann  bringt  Pänini  ferner  folgende  Frauennamen  oder  viel- 
mehr feminine  Standes-  und  Kastennamen:  mätuläni,  die  Frau 
des  Mutterbruders  {mätula),  dcäryäni,  die  Frau  eines  Lehrers 
{äcärya).  Patanjali  fügt  hinzu  uryäni,  die  Frau  eines  Mannes 
der  dritten  Kaste  [arya),  ferner  kshatriyäyii,  eine  Frau  aus  der 
Kshatriyakaste. 

Ausser  diesen  Frauennamen  kennt  Pänini  noch  folgende 
Bildungen  auf  äni^  denen  Patanjali  nichts  hinzuzufügen  weiss: 
hiindnt,  ein  grosser  Schneehaufen,  tiefer  Schnee  (inahaddhimam'), 
yavänt,  verdorbene  Gerste  {dush(o  yavah),  yavanäni,  die  Schrift 
der  Griechen  {yavcmdnäin  li/jih). 

Die  in  himäni  und  yaväni  mit  dem  Begriff  der  Vergrösse- 
rung  oder  Verachtung  auftretende  Ableitungssylbe  äni  scheint 
sehr  spät  durch  uns  nicht  mehr  nachweisbare  Vermittelungs- 
formen  italischer  Dialekte  hindurch  in  der  vergrössernden ,  zu- 
gleich aber  den  Nebenbegriff  des  Missfillligen  ausdrückenden 
Ableitungssylbe  one  im  Italienischen  wieder  anfgelebt  zu  sein, 
vgl.  z.  ß.  ü  nasone,  die  grosse  Nase,  la  vecc/iiona,  die  steinalte 
Frau  u.  s.  w.  Bombastischen  Beigeschmack  zeigen  schon  die 
im  spätrömischen  Kaiserreich  zahllos  auftretenden  Personennamen 
auf  -lanus. 

Interessant  sind  nun  die  mit  diesen  altindischen  Bildungen 
stimmenden  Göttinnennameu  in  den  andern  arischen  Sprachen, 
zunächst  dem  Iranischen  und  dem  Griechischen. 

Da  bietet  sich  zunächst  im  Nordiranischen  oder  Zend,  d.  h. 
in  der  Sprache  des  Avesta,  die  Göttin  JJiuränt\  die  aber  nicht 
Gemahlin,  sondern  Tochter  des  Ahura  und  Göttin  der  Wasser 
ist.  Sodann  kennt  der  Avesta  zwei  Sterngöttinnen,  beide  jedoch 
nur  im  Pluralis  gebräuchlich,  nämlich  die  Ttstrycni,  gleichsam 
die  Gemahlin  des  Gestirns  Tistrya,  und  die  Faoiiymi^  gleich- 
sam die  Gemahlin  des  Faoirya,  pluraliter  die  Plejaden.  Ueber 
beide  Göttinneu  vgl.  Lagarde,  Beiträge  zur  altbaktrischen  Lexi- 
kographie (1868),  pag.  56  imd  Weber,  Ueber  alt-iranische  Stern- 
namen (1888),   pag.  8.    Mit  diesen  beiden  Göttinnennamen  auf 


—     3     — 

cm  stimmt  wieder  der  Name  der  lydischen  Königstochter 
l^Qvrivig,  die  der  medische  Thronerbe  Astyages  heiraten  soll, 
3.  Herodot  I,  74,,  vgl.  Spiegel,  Bramsche  Alterthumskde,  Bd.  11, 
pag.  255.  Die  spätzoroastrische  Mythologie  des  Bundehesh 
unter  den  Sassaniden  kennt  neben  dem  Urmann  Meska  (skt. 
inamishya,  Mensch)  auch  ein  Urweib  Meshäna  (gleichsam  skt. 
*manushyäni).  Vgl.  Spiegel,  Eran.  Alterthumskde,  Bd.  II,  pag.  188. 
Die  griechische  Mythologie  hat  von  solchen  Bildungen 
iii>Tqvu  als  ehemalige  *Atkwyänä  =  skt.  *Aptyäna,  nach  Benfeys 
Nachweis;  kommt  von  dieser  iranischen  Äthtcyäna  vielleicht 
die  Göttin  Idhunn  in  der  Edda?  Ferner  gehört  hieher  die  mit 
der  Athene  identische  Tqitcovic,  wozu  der  Thraetaona  des  Avesta 
=  ^Traitdna  des  Rigveda  (wofür  Rigv.  I,  158,  5  allerdings  nur 
Traitana)  stimmt.  Dann  gehören  hieher  die  ziLcovrj,  gleichsam 
eine  ehemalige  sanskritische  '^Divdni^  eine  Gemahlin  des  Dyaus, 
und  aus  der  indogermanischen  Form  dieser  Sanskritbildung 
^Divdnä  entstanden  stellt  sich  hieher  die  Juno  der  Römer,  die 
wirkliche  Gemahlin  des  ehemaligen  Dyaus  (Jupiter).  Mir  scheint 
auch  hieher  zugehören  die  üppige  Gemahlin  des  Schwelgers 
Paris,  die  Olvtöpr^^  die  ich  als  indogermanische  "^Venänä,  d.  h.  als 
sanskritische  *Veyiäm,  als  Gemahlin  des  Vena,  d.  h.  des  Soma, 
fassen  möchte,  worüber  ausführlicher  in  meinem  Homerwerke. 
Ohne  Zweifel  gehört  hieher  auch  Latona^  wenn  ^rjTO)  nach 
L.  V.  Schröder  =  *Bäfa,  d.  h.  sanskritisch  Bdtri,  die  Nacht,  ist. 
Von  griechischen  Formen  sind  hier  noch  hinzuzufügen  IlXoi- 
ttovig,  die  Gemahlin  des  Pluto:  Persephone,  ferner  Kad^ieitüvrj, 
des  Kadmos  Tochter  Semele,  l^/.Qiauovrj,  des  Akrisios  Tochter 
Danae,  [xaQiwvr^,  des  Ikaros  Tochter  Penelope,  endlich  Nsnnvvig, 
iöog,  Beiname  der  Amazone  Hippolyte  bei  Lykophron  1332, 
wofür  der  Scholiast  auch  die  Form  Nemovvig  hat.  Wie  sind 
die  lateinischen  Göttinnennamen  Ängerona  und  Sirona  im  Sinne 
alter  Göttergemahlinnen  zu  erklären? 


3.    avd-Qionog,  der  Feuerbewahrer. 

Ein  durch  seine  Lichtblicke  in  die  Urgeschichte  der  Mensch- 
heit hochverdienter  Culturforscher,  L.  Geiger,  sagt  in  seinem 
Vortrag  über  die  „Entdeckung  des  Feuers*  (Zur  Entwickelungs- 
geschichte  der  Menschheit,  Stuttg.,  1871,  pag.  S7):  „Das  Feuer 
gehört  zu  den  unterscheidenden  Besitzthümern  des  Menschen, 
ohne  welche  wir  uns  keine  Menschheit  denken  können,  wie 
Werkzeug  und  Geräthe,  wie  Sprache,  wie  Religion.  Alle  Berichte 
über  Völker,  die  es  nicht  kennen  sollten,  haben  sich  als  fabel- 
haft, ja  undenkbar  herausgestellt.  Aber  sicherlich  nicht  weniger 
undenkbar  ist  es,  dass  ein  Thier  sich  Feuer  bereite,  ja  auch  nur 
sich  dessen  bediene.  Die  Wirkung  desselben  auf  die  höhere 
Thierwelt  ist  Schrecken;  der  Wolf,  der  Löwe,  der  Elephant,  sie 
werden  durch  Feuer  von  den  Lagern  der  Menschen  femgehalten. 
Und  wenn  wir  in  dem  Genie  nicht  blos  eine  höhere  intellektuelle 
Begabung,  sondern  auch  die  Kühnheit  bewundem,  das  noch  von 
Niemandem  Gedachte  denken,  das  noch  nie  Gethane  unterneh- 
men zu  wollen,  so  war  es  wahrlich  eine  geniale  That,  als  der 
Mensch  der  gefürchteten  Glut  sich  nahte,  als  er  die  Flamme  an 
der  Spitze  des  entzündeten  Holzscheites  vor  sich  her  über  die 
Erde  tmg,  ein  Wagniss  ohne  Vorbild  in  der  Thierwelt  und  in 
seinen  Folgen  für  die  Entwickelung  menschlicher  Cultur  wahr- 
haft unermesslich.  Wenn  das  Alterthimi  in  jenem  Heros  der 
allbekannten  Sage,  in  Prometheus,  der  das  Feuer  vom  Himmel 
herabgebracht,  den  Schöpfer  aller  Cultur  erblickte,  so  werden 
wir  in  dem  Zeitalter  der  Industrie,  wir,  denen  das  Feuer  Millionen 
von  Menschen-  und  Thierkräften  ersetzt,  nur  geneigt  sein,  eine 
solche  Gabe  noch  höher  zu  schätzen."  Solche  Betrachtungen 
erfüllten  schon  die  Gedankenwelt  der  ältesten  Griechen,  die  im 
Mythus  von  der  Entfühmng  des  Feuers  durch  Prometheus  ihrem 
Erstaunen  über  die  vmnderbaren  Folgen  der  Entdeckung  künst- 
licher Feuerbereitung  plastischen  Ausdruck  gaben.  Nur  aus 
solchem  Jahrtausende    langen    Nachgrübeln    des    griechischen 


—     5     — 

Volksgeistes  über  eine  ihr  Leben  so  gründlich  umgestaltende 
Reform  ist  dann  die,  sonst  aller  Voraussetzungen  entbehrende 
Prometheustrilogie  des  Aeschylus  zu  begreifen,  die  um  so  gran- 
dioser dasteht,  als  ihrem  Dichter  keine  pfadweisende  Tradition  für 
die  dramatische  Gestaltung  des  fast  übermenschlichen  Themas 
zu  Gebote  stand.  Nur  aus  solcher  Jahrtausende  alten  Erbspe- 
culation  des  griechischen  Volksgeistes  heraus  begreift  sich  dann 
insbesondere  die  schöne  Stelle,  in  welcher  der  Dichter  seinen 
Prometheus  die  civilisatorische  Thätigkeit  des  von  ihm  den 
Menschen  gemachten  Feuergeschenkes  schildern  lässt: 

OL  nQWxa  fiiv  ßXenovzeg  eßXenov  fidzr^v, 
y.lvovreg  ovv.  TJ/.ovoVy  aAA'  ovsiqcctwv 
aXiy/.ioi  (.lOQcpaioi  tov  f-iUAgov  '/^qovov 
€(pvQov  elxfj  rcdvictj  xotT«  nXLvd-vqteig 
öofiovg  ngooeiXovg  rjaav,  ov  ^'Xorgyiav' 
'KatioQvy/.g  6'  evceiov  waz    driovQOi 
^ivQHrjKsg  avTQCOv  iv  fivxoig  dvrikioig. 

Wenn  der  griechische  Volksgeist  sich  in  solchen  Specula- 
tionen  über  den  Urzustand  der  Menschheit  vor  der  Erfindung 
künstlicher  Feuerbereitung  ergieng  und  wenn  er  darüber  zu 
der  Einsicht  kam,  dass  das  Leben  des  Menschen  vor  dieser  Er- 
findung sich  in  nichts  von  dem  der  Thiere  des  Feldes  unter- 
schied, so  ist  es  ihm  wohl  zuzutrauen,  wenn  ihm  unter  den 
zahlreichen  Benennungen  des  Menschen  auch  aus  dieser  Einsicht 
heraus  eine  solche  erwuchs,  die  sich  dann  über  alle  andern  hin- 
weg zu  allgemeiner  Geltung  im  Volke  durchzusetzen  vermochte. 
Wenn  den  Menschen  vom  Thiere  vomehmhch  die  Aufbewahrung 
des  Feuers  unterschied,  was  Wunder,  dass  dann  der  Urgrieche 
in  dem  „Feuerbewahrer"  den  Menschen  zar  e^oxr(v  sah.  Damit 
sind  wir  in  die  Nothwendigkeit  versetzt,  das  Wort  uvd-Qiorvog, 
dessen  zahlreiche  Etymologien  bis  jetzt  alle  werthlos  geblieben 
sind,  in  dem  schon  verrathenen  Zusammenhange  darzustellen. 
Indem  wir  uns  von  dem  sirenenhaften  Gleichklang  von  *avd^Qiü' 


—     6    — 

{nog)  und  *avciQo  nicht  bethören  lassen,  ziehen  wir  zunächst 
die  Gruppe  ai>&Qa^  und  Verwandte  zur  Betrachtung  heran. 
Das  Wort  avi>QaB,  die  Kohle,  liegt  den  Bildungen  av'jQav.ii, 
Kohlenhaufen,  glühende  Kohlen,  sowie  uvögccx^rj  (mit  media 
statt  aspirata),  Kohlenbecken,  ferner,  nach  Kuhn,  Die  Herabkunft 
des  Feuers,  pag.  37,  41  der  Pflanze  avÖQaxvri,  zu  Grunde.  Nach 
Theophrast  bei  Kuhn  ist  die  Pflanze  dd^gayevri,  von  dvögoxrij 
offenbar  nur  mundartlich  verschieden,  eine  sich  um  Bäume 
rankende  Schlingpflanze  oder  Schmarotzerpflanze.  Die  Pflanze 
dd^Qayevi]  bezeichnet  nach  Kuhn  a.  a.  0.  die  „feuerzeugende", 
weil  sie  bei  der  durch  quirlende  Drehung  zweier  Hölzer  bewerk- 
stelligten Feuererzeugung  den  hervorspringenden  Funken  sofort 
annahm  und  damit  die  Feuerbewahrung  ermöglichte. 

Kuhn  erblickt  mit  Recht  im  Stamme  dd^ga  das  zendische 
dtar,  das  Feuer,  wovon  der  Avesta  zahlreiche  Composita  auf- 
weist. An  die  aspirirte  Form  ad^Qa  mahnen  im  Avesta  und 
Veda  die  identischen  Namen  des  Feuerpriesters,  zend.  ätharvan, 
vedisch  atharvan.  Unmittelbar  verwandt  sind  wohl  lat.  atnum, 
das  gewiss  mit  zend.  ätrya,  Asche  (nach  Justi's  Vermuthung  im 
Handb.  d.  Zendspr.  pag.  50)  zusammenhängt.  Und  da  der  Stamm 
«^  vielfach  auch  als  ad,  ad,  auftritt,  so  möchte  ich  sogar  lat. 
edera  (mit  unorganischem  h  stets  hedera  geschrieben)  hieher- 
ziehen, denn  nach  Plinius  bei  Kuhn  a.  a.  0.  pag.  41  ist  nihil 
edera  j/raestantius  zur  Feuererzeugung  (s.  auch  ebendas.  pag.  245 
die  Anm.)  Vielleicht  dass  es  neben  W.  idh,  anzünden,  brennen, 
leuchten,  auch  eine  Form  der  Wurzel  auf  ath,  at,  ad  gab,  aus 
der  sich  dann  wohl  avi^og,  wenn  nicht  überhaupt  auch  im 
Sinne  von  Blüthe,  Blume,  so  doch  in  der  verbürgten  Bedeutung 
„Feuerglanz"  erklären  Hesse.  Vgl.  die  Stelle  der  IL  IX,  212 
nach  dem  Scholiasten  (die  gegenwärtig  approbirten  Texte  lesen 
seit  Aristarch  anders): 

uvxaQ  Inti  nvQog  av^og  dnimaxo  navoaro  de  (pl6^. 
Vgl.  damit  Aeschylos   Prometheus  (ed.  Härtung,   vgl.  pag.  128 
Anm.)  v.  7.    Kratos  erzählt  von  Prometheus: 


To  o6v  yciQ  avd-og,  Ttavxiyyov  nvQog  oi).ag, 

&vrToToi  y.Xixiicig  lönaaev. 
Diesen  Formen  möchte  ich  nun  av&QO)7tog  beigesellen,  in 
welchem  ich  ein  altes  ^aO^gance  „feuerbewahrend"  erblicke,  ent- 
sprechend dem  zendischen  Atarepäta,  dem  Namen  eines  Sohnes 
des  Königs  Vistäspa,  den  man  längst  mit  dem  Titel  des  Satrapen 
von  Atropatene,  mit  IdxQonäcr^gj  zusammengestellt  hat.  Der 
„Feuerbewahrer"  schwang  sich  in  Medien  zur  höchsten  Staats- 
würde empor,  während  er  von  den  ürgriechen  zur  Bezeichnung 
der  den  Menschen  am  schärfsten  von  den  Thieren  unterscheiden- 
den Thätigkeit  gewählt  wurde,  einer  Bezeichnung,  die  um  so 
weniger  in  Terwimderung  setzen  kann,  als  die  ihr  an  Alter 
vielleicht  noch  vorhergehende  indogermanische,  nach  welcher 
der  Mensch,  mamiskya,  sich  vom  Thiere  durch  sein  Denken 
unterscheidet.  Hängt  aber  civd-gconog  unmittelbar,  als  älteres 
*atraj}a,  ^'athrapa  mit  atarepäta^  ^yixQondtr^g  zusammen,  so  ist 
zugleich  ein  neuer  Fingerzeig  gewonnen  für  die  Urheimat  der- 
jenigen, die  sich  dieses  Epithetons  ornans  zur  appellativen  Be- 
zeichnung des  Menschen  bedienten.  Möglich  auch,  dass  sich 
in  Anlehnung  an  diese  Formen  nun  auch  das  homerische  aVr«f 
f.eyonivov  von  II.  \TI,  475  avöganoö  erklären  lässt.  Wenn 
avögänodov  bei  den  spätem  Griechen  nicht  einfach  aus  dieser 
Stelle  geschöpft  ist,  so  mochte  sich  die  Bedeutung  Sklave,  die 
für  avdodnoöov  sicher  ist,  für  dvöganödsaai,  in  der  Ilias  aber 
blos  angenommen  wird,  so  aus  dem  altern  Begriff  „Feuerbe- 
wahrer" entwickelt  haben,  dass,  was  ursprünglich  eine  priester- 
liche, ehrenvolle  Beschäftigung  war  {dvi^gionog  und  mamishya 
sind  gewiss  nur  Wörter  priesterlicher  Sprachschöpfung),  dann 
allmälig  allgemein  wurde  (daher  dann  dvit^QionoL  im  Gegensatze 
zu  dem  priesterlich  gebliebenen  IdTQOTtdzr^g),  bis  es  zur  Beschäf- 
tigung und  Aufgabe  des  Sklaven  herabsank  (daher  dann  eben 
avdganod-g,  dvöga/zodov).  Denn  dass  dieses  Wort  nichts  mit 
dvr]g,  avögog  zu  schaffen  haben  kann,  geht  wohl  zu  Genüge 
hervor  aus  der  Form  '^avöga,  während  der  Zusammenhang  mit 


avr^Q  ein  *uvöqo  verlangen  würde,  avdqanod,  avöqänodov  ge- 
hört somit  zur  Gruppe  avögä^Xri^  avdQaxviq. 

3.  Das  homerische  axUlioc,  =  yedisch-avestisch  Icsha- 
triya,  herrschend,  königlich. 

„Sehr  Vieles,  was  man  für  gesammtindogermanisch  ge- 
halten hat,  ist  bloss  ariohellenisch".  Von  diesem  Gesichtspunkt 
L.  Geigers  aus  (Zur  Entwickelunggeschichte  der  Menschheit, 
pag.  127)  wird  auch  oxtTXiog  eine  bekannte  Physiognomie 
zeigen.  Die  Grundbedeutung  dieses  epischen  Wortes  ist  wohl 
zweifellos:  gewaltig,  woraus  dann  die  Nebenbedeutungen:  ge- 
waltthätig,  grausam,  frevelhaft,  ruchlos  sich  secundär 
abgezweigt  haben.  Den  sichersten  Fingerzeig  zur  Erkennung 
des  jeweiligen  Sinnes  von  oxerlint;  geben  uns  die  begleitenden 
Synonyma,  so  z.  B.  II.  V,  403  von  Herakles  axhliog  olioi^ioeg- 
yoQy  oder  von  Achilleus  IL  IX,  630  avTccQ  l^/tAAevg  [  aygiov 
SV  OTiqd^taat  d^azo  fieyakiqTOQa  d-v(.i6v  \  ox^T^iog.  Oder 
II.  XXIV,  33  nennt  ApoUon  die  Götter  so:  oxM'iol  iare,  ^tm\ 
driXri(.iovBQ,  nachgeahmt  in  der  Od.  V,  118,  wo  Kalypso  die 
Götter  so  anredet:  oxiTlioi  eoTSy  ^eoi,  t,i]Xr^(xoveg  l'^oxov  älXvjv. 
Auch  durch  die  Antithese  tritt  der  Sinn  von  axi%Xiog  deutlich 
hervor,  so,  wenn  es  Od.  XIV,  83  heisst: 

ov  (.liv  ax^rXia  eqya  ^eoi  fid/MQeg  (piXeovOLv^ 
aXXa  diKtiv  riovai  xat  aXaifia  sgy    dvd^gtvnwv. 

Noch  deutlicher  enthüllt  sich  die  Bedeutung  von  axezXiog 
bei  Hesiod  in  den  Werken  und  Tagen  v.  124,  wo  von  den  nach 
ihrem  Tode  als  öaiinopeg  auf  Erden  wandelnden  Menschen  des 
goldenen  Zeitalters  gesagt  wird,  sie  wachten  über  Recht  und 
Unrecht: 

Ol  ga  (pvkdaoovaiv  rs  di'Kag  -/mI  axirXta  eqya. 

Am  offenkundigsten  zeigt  sich  der  ursprüngliche  Sinn  von 
(JX^zXiog  als  Aeusserung  des  Uebermuthes  in  den  Werken  und 
Tagen  v.  236: 


—    9    — 

olg  d'  vßQig  le  ^i€fir^?>e  zaxr]  xat  axirlia  egya^ 
TOig  de  di/.iiv  liQoviörß  teApiaiQEzai  evQvona  Zeig. 
Ueberlegen  wir  uns  sämmtliclie  Stellen,  wo  oyJrXiog  vor- 
kommt, so  entspricht  der  Begriff  der  übermüthigen  Gewaltthatig- 
keit,  wie  er  in  den  Sagen  der  sanskrit-arischen  Inder  über  die 
Frevelthaten  des  Bhrigu  und  in  den  Sagen  der  Griechen  über 
die  Frevelthaten  des  Phlegyas  und  seines  Geschlechts,  alter 
Kshatriyas,  versinnbildlicht  ist.  Das  Sanskritwort  kshatriya  be- 
deutet aber  „dem  Herrscherstamme  angehörig",  dieselbe 
Bedeutimg  hat  im  Zend  khshatkrya  (s.  Spiegel,  Die  arische  Periode, 
p^.  91).  Vgl.  darüber  Kuhn,  Die  Herabkunft  des  Feuers  pag. 
22 — 23.  Ihren  schärfsten  Ausdruck  findet  die  in  der  indischen 
wie  in  der  griechischen  üeberlieferung  merkbar  priesterlich  an- 
gehauchte Sage  von  dem  Herrschaftsmissbrauch  der  Kshatriya 
in  der  biahmanischen  Legende  von  Käxtavirya,  der  den  frommen 
Einsiedler  Jamadagni,  seinen  Gastwirth,  beraubt  und  erschlägt, 
welchen  Kshatriyaübermuth  dann  Para^uräma  durch  die  Erde 
wandernd  züchtigt.  Kärtavirya,  hier  der  offenkundige  Repräsen- 
tant der  Kshatriya,  ist  aber  von  mir  in  Iran  u.  Turan  pag.  199 
als  präkritisirte  Abschleifung  des  Kshatravmrya  des  Avesta 
nachgewiesen  worden. 

4.   Das  lykische  d^iTQoxi'cwv  und  sanskritiselies 

Amitrcujhdta. 

Homer    nennt    die  Lykier    unter    Sarpedon   a/niTQOxirwvtg 
s.  II.  XVI,  219: 

^UQnridujv  d'  (hg  ovv  t'd'  afiiTQOxitwvag  fraigotg. 
Die  auch  noch  von  Heibig,  Das  homerische  Epos,  pag.  291 
gebilligte  Erklärung  dieses  Wortes  vom  Alterthum  bis  zur 
actuellen  Gegenwart  bringt  das  Wort  in  Beziehung  zu  fikgri  und 
y,iio)v,  nebst  a.  privativum,  äfiiTQOXiT^toveg  bezeichne  die  Lykier 
als  solche,  die  unter  dem  xtTwx'  keine  (.tirgT]  getragen  hätten 
jenes   von  den  Kriegern  zum  Schutze  unter  dem  CioaTrjg,  d^coQrj^ 


—     10    — 

und  tüi^ia  auf  dem  blossen  Leib  getragene,  mit  Wolle  umwickelte 
Blech,  wie  es  IL  IV,  137  beschrieben  wird: 

(.iLzgrig  d-\  tJv  ecpogei  tQV(.ia  yooög,  fQv.og  ay.nvrtav, 
rj  Ol  nXeioiov  s'qvto. 

Schon  der  Name  dieses  unter  dem  Panzerhemd  getragenen 
Leibgurts  verweist  uns  in  den  Orient,  zu  dem  ja  die  Lykier  so 
wie  so  gehören,  denn  (.iiTQrj  bezeichnet  als  egviiia  xgoog  eben 
den  mitra,  den  schützenden  „Freund",  resp.  fem.  „die  Freundin". 
Dann  aber  müsste  das  Epitheton  ornans  der  Lykier,  sofern  ihm 
wirklich  die  i-iizgri  zu  Grunde  läge,  offenbar  lauten:  *af.iiTQriX'- 
TCüv,  denn  die  Umwandlung  des  fem.  /uitqtj  in  ein  masc.  oder 
neutr.  */liitqo  innerhalb  eines  Compositums  fände  keine  Analogie. 
Eine  solche  fände  das  Compositum,  wenn  es  aus  a-\-i4iTQri-\-xiTiov 
bestände,  auch  sonst  nicht,  d.  h.,  das  Compositum  der  traditio- 
nellen Erklärung  ist  ein  Unding.  Wesswegen  auch  sollten  die 
Lykier  einer  Leibwehr  haben  entbehren  wollen,  die  von  sämmt- 
lichen  Völkern  Vorderasiens  getragen  wurde? 

Erinnern  wir  uns  aber  an  das  sanskritische  Adjektiv  amitra, 
„Nicht-Freund",  d.  h.  „Feind",  so  gewinnt  die  Auslegung  des 
Wortes  ai-iitQOxiTCDV  sofort  günstige  Analogien,  denn  nun  stellen 
sich  uns  skt.  amitra-khäda,  Feinde  verschlingend,  Beiname  des 
Indra  aus  Rigveda  X,  152,  1,  ferner  amüra-ghätin,  Feinde  tödtend, 
aus  dem  Ramäyana  und  wieder  aus  dem  Veda,  aber  nur  von  Pänini 
erwähnt,  amitra-glutta^  Feinde  tödtend,  zur  Verfügung.  Letzteres 
Adjektiv  ist  zugleich  der  Eigenname  des  Vindusära,  des  Sohnes 
des  Königs  Candragupta,  der  auch  durch  griechische  Quellen 
als  l^f-ingoxcczr^g  bezeugt  ist.  Vgl.  über  denselben  Weber,  Ind. 
Literaturgesch.2  pag.  269 ,  Anm.  Neben  jenen  Adjektiven  be- 
gegnen auch  amitra-Jft,  Feinde  besiegend,  und  amitra-gkna, 
Feinde  tödtend. 

Irgend  ein  Adjektiv,  das  den  Tödter  oder  Bewältiger  des 
amitra  bezeichnete,  wird  dem  lykischen  a^iiQOXitiov  zu  Gnmde 
gelegen  haben,  vielleicht  gar  ein  mundartliches  *ainitra-hhidana 
im  Sinne  des  vedischen  ami'fra-khuda,  das  dann  von  den  Griechen 


—    11    — 

volksetymologisch  auf  yjTtov  bezogen  wurde.  Vielleicht  ist  es 
das  vedische  kht'd,  bedrängen,  niederdrücken,  wovon  das  Adj. 
kkidvas  als  Epitheton  ornans  des  Indra  „des  bedräugenden" 
ßigv.  VI,  22,  4. 

5.  dyiaXaQQ£iTr]S  „luiiströmend**. 

Das  Wort  ist  ana^  ).eyni.uvov,  denn  die  Stelle  Od.  XIX, 
434,  wo  es  einzig  ausser  der  IHas  auftritt,  ist  dieser  entlehnt 
und  zwar  II.  VII,  421—422: 

rieXLog  /^liv  ensLTa  viov  nqooeßaXXtv  aQOvgag, 
i§  ccy,aXaQQeizao  ßad-VQQoov  ^Qy.ectvolo 
ovQavhv  eloaviüjv. 
Nach  der  traditionellen  Erklärung   bedeutet  ayM?MOQ€iTrjc 
„sanftströmend"  und  man   beruft   sich   auf  ein   von  Hesychius 
überliefertes  Adj.  a/.aXov  ijav/ov,   nqciov,    ^ia?M/.6v,  das  aber 
offenbar  selbst  wieder  nur  aus  dem  zu  erklärenden  a/.alaQQEiirjQ 
erschlossen  ist.     Auch   müsste,   worauf  schon    Döderlein   in 
seinem  Homerischen  Glossarium,  No.  200,  Bd.  I,  pag.  133  auf- 
merksam gemacht  hat,   in  diesem  Falle  * u/.alooQehrig  stehen. 
Das  Wort  a/.aKa  ist  aus  dem  Griechischen  nicht  mehr  zu 
erklären.    Dagegen  bietet  sich  uns  in  der  russischen  Präp.  oko.io, 
rund  um  etwas  herum,  ein  zutreffendes  Etymon,  das  in  iranischer 
Lautform  akala  lauten  musste.     Dann  bezeichnet  a/.akaQQ^'n'Ki^ 
für  '^a/.aXaaQEixvfi  von  W.  oe'w,  ursprüngl.  *GQiio,  skt.  sni,  soviel 
als  df.i(fiiQitov  „den  (die  Erde)  umströmenden",  als  welchen  Welt- 
umströmer  Homer  den  Okeanos  dargestellt  hat  auf  dem  Schilde 
des  Achilleus  II.  XVIII,  607—609: 

iv  d    hid^BL  noTa/iiolo  /uiya  od^ivog  ^Q/.€avoio 
avzvya  naQ    nvf.idzriv  ady.sog  rcvy.a  noujioio. 
Noch  deutlicher  schildert  den  Weltumströmer  ein  orphisches 
Fragment  (s.  Orphica  ed.  G.  Hermann,  Fr.  XLIV,  pag.  498): 
xt'xÄov  d/M/xccTOV  y.aDu^Qoov  coysavolo, 
og  yaiav  öivrjGi,  nioi^  tyai  d/nqiuli^ag. 
Vgl.  noch  Her.  IV,  8. 


—     12     — 

Das  russische  oko^o  selbst  stammt  nach  meiner  Ansicht  wie 
so  viele  andere  Wörter  (vgl.  die  russ.  Präpos.  nocHt,  nach,  mit 
der  Zendpräposition  pa(/ne,  hinter)  aus  dem  Iranischen,  wo  etwa 
eine  Form  Viahala  vorauszusetzen  ist,  die  dem  Sanskritadjektiv 
sdkala  entspräche.  Vgl.  im  Zend  auch  noch  das  Adverb  hakai 
(Justi,  Zendwb.  pag.  314)   „zugleich,  in  einem  fort,  im  Ganzen." 

6.   aaTcidiwzr^g^  schildslänzeud. 

In  der  Ilias  II,  551  wird  im  Schiffskatalog  als  Anführer 
der  Athener  Menestheus  genannt,  der  in  der  Kunst,  Rosse  zu 
schmücken  und  afsgag  aaniöicoTas,  schildgewappnete  Männer, 
vrie  traditionell  übersetzt  wird,  seines  Gleichen  auf  Erden  nicht 
gehabt  habe: 

Tüiv  avif-'  r^yefiovev   viög  Jleiewo  Meveoi^eig. 

ZU)  S*  ov  not  TLg  o^diog  enixdoviog  yivex    avriQ, 

xoafirjaai,  'iTtrrovg  z«  Tial  dvegag  damöiioTag. 

Das  Adj.  doniöiaizrig  begegnet  dann  nur  noch  einmal  im 
Homer  II.  XVI,  168,  wo  es  jedoch  rein  formelhaft,  also  nur  con- 
ventioneU,  vielleicht  gegenüber  IL  II,  554  rein  imitativ  gebraucht 
wird  von  Achilleus,  der  die  Pferde  antreibt  und  die  schildge- 
wappneten Männer: 

iv  (J'  äqa  zoloiv  ägr^Log  'iaxax   i^yj?.Xevg^ 
OTQvvcüv  iTiTtovg  TS  '/, a  l  dvegag  damduutag. 

Das  Adj.  doniduoirig  (s.  Seilers  Wörterb.  zum  Homer) 
wird  von  Lobeck  erklärt  als  entstanden  zunächst  aus  daniönr^g 
von  donig,  Schild,  mit  eingesetztem  lo,  oder  aus  doTtidiog  ver- 
längert. Es  bedarf  aber  wohl  kaum  einer  Bemerkung,  wie  un- 
wahrscheinlich oder  geradezu  unmöglich  eine  derartige  Ableitung 
ist.  Vielmehr  wird  in  danL-diMirjg  ein  Compositum  angenom- 
men werden  müssen,  dessen  zweitem  Theil  eine  selbständige  Be- 
deutung zukommen  muss.  Dann  aber  bietet  sich,  da  dn6T^]g 
offenbar  nur  einen  auf  danig  bezüglichen  Sinn  haben  kann 
keine  andere  Wurzel  dar  als  die  Sanskrit wurzel  dyut,  strahlen 


—     13    — 

leuchten,  glänzen,  erweitert  aus  W.  dyu,  div,  die  allgemein  arisch 
ist.     Die  Wurzel   erscheint  im  Sanskrit   auch  in  der  aus  dyut 
präkritisch  abgeschliffenen  Form  jyut  (dschyut)   und   das   aus 
derselben  abgeleitete  Substantiv  j^oVw,  n.  Licht,  als  „das  leuch- 
tende" bildet  die  Grundlage   des  Verständnisses   von    *(J/wtijc. 
Das  Adj.  aa?rt-(JffJrr^g  bedeutet  demnach  „schildglänzend,"  geht 
also  auf  metallene  Schilde.     Dass  die  Wurzel  dyut  auch  vom 
Strahlen  des  Metalls  gebraucht  wurde,  beweist  die  Stelle  Rigv. 
YYU-,  20,  11,  wo  es  von  den  Maruts,  den  Sturmgöttem,  mit  Ver- 
wendimg des  Intensivs  davidyut,  heisst: 
savidncivi  anjy  kshäm 
vi  bhräjante  iniJcmäso  ddhi  hahüshu  \ 
ddvidyutaty  rtsh(ayak  \ 
„Dieser  (Maruts  aller)  ist  derselbe  Glanz,    es  strahlen  die 
Geschmeide  an  ihren  Armen,  es  blitzen  ihre  Speere." 

Wie  alt  das  Missverständniss  dieser  Stelle,  in  welcher  /.oo- 
(.ir^aai  im  Sinne  der  Kunst,  ein  Heer  aufzustellen  und  taktisch 
zu  ordnen,  genommen  wurde,  ist,  beweist  die  Aeussenmg  des 
Gesandten  der  Athener  vor  Gelon,  dem  Herrscher  von  Sicilien, 
den  die  Lacedämonier  und  Athener  im  zweiten  persischen  Kriege 
um  Hülfe  gegen  Xerxes  baten,  wobei  die  Athener  gegenüber 
den  Lacedämoniern  die  Führerschaft  verlangten:  „wir  Athener, 
das  älteste  Volk  in  diesem  Bunde  (der  Hellenen),  die  einzigen 
Hellenen,  die  ihr  Stammland  nie  verlassen  und  von  welchen 
auch  dem  Sagendichter  Homer  zufolge  der  trefflichste  Mann 
gen  Ilion  kam,  ein  Heer  aufzustellen  und  zu  ordnen"  (^d^t]valoL 
.  .  aQxaiOTazov  fxiv  kd^og  nagexönevoi,  fiovvoi.  di  iorisg  ov 
^letavaaxai  ^EXli^vcov,  tcov  xai  ''OftrjQog  6  enorcoiog  avdga 
aoiOTov  ^qr^oe  ig  'Jkiov  dnixead^ai,  zä^ai  ze  y.al  diaxoafif^oai 
fngaznr.  Her.  VII,  161).  Die  IliassteUe  U,  551,  wovon  die 
Verse  553 — 555  schon  im  Alterthum  aLs  unecht  angegriffen 
wurden,  wird  später  —  in  meinem  Homerwerke  —  noch  ein- 
gehender besprochen  werden. 


14 


7.  ciQiGTog,  der  arischeste. 

Neben  dem  Stamme  art\  aq/a,  arisch,  trefflich,  edel,  muss 
in  der  arischen  Urzeit  auch  ein  Stamm  ara,  ar  bestanden  haben, 
wie  z,  B.  der  Name  des  Landes  und  dann,  secundär,  des  Gebir- 
ges Ara-rat,  Arier-heim,  (s.  weiter  unten)  beweist.  Nur  aus 
dem  Stamme  ara  erklärt  sich  der  Comparativ  agsicov  von  *ara-\- 
iyans  und  der  Superlativ  agiOTog,  der  nicht  von  aqsUov  getrennt 
werden  kann,  nur  aus  dem  Stamme  *ar+ishtha.  Von  welchem 
bis  zum  Fanatismus  entwickelten  Nationalgefühl  die  Arier  der 
Urzeit  im  engeren  Sinne,  d.  h.  die  Sanskritarier,  die  Zend-Arier 
und  die  Griechen,  beseelt  gewesen  sein  müssen,  geht  noch  zur 
Genüge  aus  den  Nachklängen  im  Rigveda  hervor,  die  uns  be- 
lehren, dass  sich  die  Arier  zur  Weltherrschaft  bestimmt  glaubten, 
vgl.  z.  B.  Rigveda  IV,  26,  2:  ahdm  bhümim  adaddm  äryäya 
„ich  (Gott  Indra)  gab  die  Erde  dem  Arier."  Wie  der  Franzose 
von  allem  moralisch  Vortrefflichen,  ^  das  ihm  im  Leben  begegnet, 
sagt:  cest  ^out  framjais,  so  bezeichnete  der  Urgrieche  mit 
arischer  [ageicüv)  und  im  höchsten  Grade  arisch  {aoiaxoc) 
das  Ausgezeichnetste,  was  ihm  in  der  Heroenzeit  bekannt  war, 
nämlich  Tüchtigkeit,  Tapferkeit  und  edle  Abstammung. 

8.    Die  ■/.anvoßä.Tai  und  y.vioxai  oder  Schlafwandler   und 
Hagestolzen  der  mösischen  Thraker  bei  Strahon. 

In  seiner  Abhandlung  über  die  Iliasstelle  XIII,  1 — 7,  die 
wir  unten  pag.  59  betrachten,  kommt  Strabon  auch  auf  die  euro- 
päischen Myser,  die  er  vielmehr  in  Moeser  umgewandelt  wissen 
will,  zu  sprechen  und  berichtet  nach  dem  Zeugniss  seiner  Quelle, 
des  Posidonius,  die  Myser  enthielten  sich  der  Fleischnahrung 
und  lebten  nur  von  Honig,  Milch  und  Käse,  wie  sie  denn  ein 
ruhiges  Leben  führten,  sie  hiessen  desswegen  Frömmler  und 
Schlafwandler;  auch  gebe  es  gewisse  Thraker,  die  ohne  Weiber 
lebten,  diese  hiessen  Hagestolze,  lebten  im  Gerüche  der  Heiligkeit 


—     15     — 

und  würden  mit  Ehrfurcht  behandelt,  Die  Stelle  Strabon  VII, 
3,  3  (ed.  C.  Müller  p.  246,  14—20)  lautet:  yliyti  öi  zovg  DJvaovg 
n  Tlooeidiüving  -/.ai  Efi\pv%mv  antxeoiyui  xar*  evotßaiav,  dicc 
de  rovro  y.ai  ^o£//,«otwv  (.iOuti  de  yoT^od^ai  /.ai  yaXu/.xi  'Aal 
riQ(p  twvTug  y.ai)^  rjOiyJav,  diu  öe  zotio  y.a?.aTod^ai  ^soaeßelg 
T€  y.ai  y.anvoßdxag'  elvai  öi  zivag  xiov  &Q^y.iov,  o'l  x^^Q^ 
yivaiy.dg  Lwaiv,  ovg  y.ziotag  y.a?.elo0^ai ,  dviEQCüod-al  ze  öia 
riur^v  y.ai  fieza  aöeiag  trjr. 

Als  Geten  sind  die  Mysier  oder  Moeser  unmittelbare  Ver- 
wandte der  Daker  und  als  solche  gehören  sie  bekanntlich  zu 
den  Iraniern,  daher  denn  die  noch  unerklärten  Wörter  y.aavo- 
ktzai  und  /.ziazui  aus  iranischem  Gesichtspunkt  aufzuhellen 
ind.  Das  Wort  *y.anro  repräsentirt  die  Mittelstufe  zwischen 
zendischem  qafna,  m..  Schlaf,  und  litauisch  sapna-s,  m.,  Traum, 
welche  beide  in  skt.  svapna,  m.  Schlaf,  Traum,  ihre  Urform 
haben.  Ich  fasse  desshalb  *y.anvoßccza  oder  y.anvoßdzrig  als 
-'chlaf-  oder  Traumwandler.  Vegetarianische  Lebensweise  ent- 
nervt, daher  denn  das  Stillleben  dieser  Schwärmer,  die,  gewiss 
nur  spottweise,  als  Schlafhauben  und  Träumer  bezeichnet  wurden. 

Die  Tczlazai,  die  sich  der  Weiber  enthalten,  möchte  ich 
aus  einem  hypothetischen  qadhi'ficta,  oder  einem  kürzern  *qadhigta, 
auf  Selbstbestimmung  stehend,  auf  sich  selbst  stehend,  (.loiayog^^, 
erklären,  das  etwa  einem  skt.  * svadhitistha  oder  ^svadhistha  ent- 
spräche. Bekannt  ist  das  skt.  svadhä,  zend.  qadhd,  gr.  i\d-og 
und  ti)-oQ,  das  deutsche  Sitte,  es  bezeichnet  ursprünglich: 
Selbstsetzung,  Selbstbestimmung.  Daneben  scheint  ein  svädhiti, 
von  W.  dhi  statt  dha,  bestanden  zu  haben,  das  aber  bis  jetzt 
nur  als  Concretum  im  Sinne  von  Axt,  Messer  und  als  Name 
eines  bestimmten  Baumes  mit  hartem  Holze  (Teakbaum?)  nach- 
gewiesen worden  ist.  Für  dieses  vedische  svädhiti  wäre  eine 
kürzere  Form  *svadhi  mögHch,  die  iranisch  qädhi  lauten 
müsste,  daraus  könnte  sich  *qädhicta  und  daraus  /.{e)Tioiu  ent- 
wickelt haben. 


—     16     — 


9.   Die  leichenrer zehrenden  Hunde  der  Battrier: 

Strabon  erzählt  XI,  11,  3  (ed.  C.  Müller  pag.  443,  30)  von 
den  Baktriem  den  greuelvollen  Brauch,  alte,  von  Hinfälligkeit 
oder  Krankheit  aufgezehrte  Leute  noch  lebend  den  speciell  zu  dem 
Zweck  des  Auffressens  dressirten  Hunden  vorzuwerfen,  die  da- 
von in  der  einheimischen  Sprache  'EvTacpiaorai  hiessen:  tovg  yag 
dueiQTjxoTag  dia  y^^ccg  rj  voaov  ^(mnag  7iaQaßd?J.€a&ai  rgetpo- 
laevovg  y.vaiv  eniTTjöeg  ngög  tovto,  ovg  fviaq^iaaTccg  y.a- 
Xelai^ai  tfj  nargioa  ylcüZTj]. 

Wir  haben  es  also  in  fvrcxcpLaoxai  mit  einem  baktrischen 
Worte  zu  thun,  das  nur  rein  zufällig  zugleich  an  das  grie- 
chische ivTaq)iaorilg ,  Leichenbestatter,  anklingt.  Das  Wort 
muss  sich  desshalb  aus  baktrischem,  mindestens  arischem, 
Sprachgut  erklären  lassen.  Dann  aber  kann  das  Wort  nur 
anta-vyagtä  „Auffresser"  gelautet  haben.  Das  Wort  anta,  Ende, 
Tod,  erklärt  sich  sofort  von  selbst;  es  steht  hier  entweder,  was 
sich  aber  nicht  direkt  beweisen  lässt,  im  Sinne  von  „Todter, 
Leichnam"  oder  im  Sinne  eines  Adverbs  antam  „bis  zu  Ende". 
Der  zweite  Theil  des  Compositums,  vyaqtd^  ist  ein  masculines 
Nomen  agentis  und  würde  im  Sanskrit  einem  *vyagtn  entsprechen, 
wofür  aber  im  Zend  ein  ta  möglich  ist  vgl.  cigta^  m.,  der  Lehrer, 
im  Huzwäresh  cashiiar,  zareta,  m.,  der  Bedrücker,  von  W.  zar, 
peinigen,  data,  m.,  der  Schöpfer,  Nebenform  von  datar^  skt. 
dhäti-i  und  viele  andere  bei  Justi,  Zend  Wörterbuch,  in  der  Gram- 
matik, pag.  371,  §  212.  Das  mit  der  Präposition  vi  zusammen- 
gesetzte Verbum  ag,  essen,  verzehren,  begegnet  mehrfach  im 
Rigveda,  Atharvaveda  und  Sämaveda.  Vgl.  aus  letzterem  die 
Stelle  I,  6,  2,  2,  2: 

acodäso  no  dhanvanto  fiidavah 

2)rd  svändso  brihäd  devSshu  hdrayah  \ 


—     17    — 

vi  cid  agndnd  ishüyo  drätayo 
'yor  nafy  santu  sdnishantu  no  dMydh,  \ 
In  Benfey's  Uebersetzimg: 
Rasch  mögen  eilen  unsre  Inda  (Somatränke),  treiberlos, 
die  ausgepressten,  falben,  herrlich  götterwärts, 
verzehret  seien  opferlos  Begehrende, 
all  unsre  Feinde,  das  sei  unsrer  Werke  Frucht." 

Im  Zend  erscheint  die  Wurzel  innerhalb  des  uns  überliefer- 
ten Sprachgutes  nur  in  hahrhdc^  m.,  der  Geier,  als  der  „hühner- 
fressende"  {kahrha  +  ag).  Oder  sollte  das  Verbum  vyag  etwa 
auch  dem  adj.  vyanura^  das  von  Justi  Zendwb.  pag.  288  als 
„fressend,"  von  Spiegel  als  „hässlich"  wiedergegeben  wird,  zu 
Grunde  liegen,  so  etwa,  dass  ein,  sonst  allerdings  nur  etwa 
von  vyas,  zerreissen,  mögliches  *vyahhra,  als  üebei^angsform 
zu  vyanura  vorauszusetzen  wäre?  Vielleicht  würde  dann  auch 
zend.  i-ydmbura,  zerfleischend,  Beiwort  einer  Klasse  von  Daeva, 
hiehergehören,  in  welcher  Form  ein  ursprüngliches  *vyacra  in 
derselben  Weise  in  vydmh{u)ra  übergegangen  wäre,  wie  wir 
z.  B.,  im  Lateinischen,  tenebrae  sich  aus  skt.  taniisra  oder  con- 
sobrinics  sich  aus  *consostrinus  entwickeln  sehen. 


10.  Der  JaQiyfieöovfi  der  Sassaniden. 

Spiegel  in  seiner  Eranischen  Alterthskde,  Bd.  III,  pag.  624 
bemerkt:  „Dunkel  bleibt  auch  die  Würde,  welche  Theophylakt 
(3,  18)  mit  dem  Namen  z/aQiyfiedovf.i  bezeichnet  und  dem 
KoigoTiaXaTTig  der  Byzantiner  gleichsetzt.  Es  scheint  dieselbe 
Würde,  welche  Firdusi  mit  dem  Worte  KadMwdai  bezeichnet, 
welches  ganz  dem  abendländischen  Major  domics  entspricht  und 
eine  der  höchsten  Würden  gewesen  sein  muss."  Ich  möchte  in 
dem  räthselhaften  Worte  ein  iranisches  ^daregho-maidhyomdo 
voraussetzen,  dessen  Sinn  „der  lange  Halbmond"  ich  mir  im 
Hinblick  auf  die  Thatsache,  dass  der  Halbmond  bei  den  Iraniern, 

Brunnhofer,  Vom  Aral  bis  zur  Gangä.  2 


—     18    — 

wie  dann  bei  den  Sarazenen,  ihren  Nachahmern,  ein  Symbol  der 
Herrschaft  ist,  etwa  wie  die  avestischen  Adjektive  daregho-qa- 
dhdfa,  lan  ge  Herrschaft  habend,  dareghö-khshatkra,  lange  Herr- 
schaft, daregkofratemafhwa,  lange  Oberherrschaft,  zurechtlegen 
möchte.  Das  Wort  kadhhoddi  des  Firdusi  erklärt  sich  vielleicht 
aus  einem,  allerdings  nicht  überlieferten,  aber  doch  möglichen, 
sanskritischen  "^Icliadga-dhu,  das  im  Sinne  der  Sanskritadjektive 
Mia^gaha,  hhadgin,  zu  deuten  wäre:  Schwertträger. 


IL  Indo-iranisclie  Landscliafts-,  FIuss- 
und  Bergnamen. 

1.    Yorderasiatisclie  Landscliaftsnainen. 

Im  zweiten  Bande  meiner  historisch-geographischen  Unter- 
suchungen (Vom  Pontus  bis  zum  Indus  pag.  94 — 97)  hatte  ich 
in  den  pontischen  Landschaftsnamen  Baf.io)vlTig,  Oatru-iornig 
und  Ja^ifKovlzig  Benennungen  nachgewiesen,  die  auf  ehemals 
dort  verehrte  Amshaspands  oder  Adityas  schliessen  lassen.  Zu 
den  dort  erklärten  möchte  ich  jetzt  auch  noch  folgende  Land- 
schafts- und  Ortsnamen  derselben  Gegenden  stellen. 

Strabon  erwähnt  XII,  3,  39  (ed.  K.  MiÜler  pag.  480,  46) 
der  paphlagonischen  Landschaften  ^mxoTT?;»'//  und  nif.uo).iorjvrl: 
eld-^  ij  J laz-onr^vi]  '/.al  riiucoXiar^vrj  yüga  nuoa  evdcd/ii(ov  i-UyiQL 
Tov  ^IdXvoq.  Diese  Landschaften  lagen  am  untern  Laufe  des 
Halys  und  zeichneten  sich  durch  grosse  Fruchtbarkeit  aus.  Es 
würde  desshalb  nicht  auffallend  sein,  wenn  dieselben,  ganz  wie 
Bai-uovlxig  und  z/a^if.iiüviTig  nach  arischen,  nämlich  bald  zara- 
thustrischen,  bald  sanskritarischen  Gottheiten  benannt  wären. 
Und  so  möchte  ich  denn  in  Jicr/.OTirjvr]  nicht  auf  ein  griechisches 
dia/.onr^,  Zerschneidung,  Durchbrechung,  Wunde,  schliessen, 
sondern  iranisches  Sprachgut  wittern  und  in  J La/.onr(vri  auf 
ein  *Jia.'/.onr^  fahnden,  in  dessen  Jui  der  alte  Bijaus,  der  schon 
im  Rigveda  halb  antiquirte  Himmelsgott,  zum  Vorschein  käme 
und  zwar  in  der  regekechten  Genitivform  Divcis,  dessen  nomina- 
tivische Ergänzung  vielleicht  etwa  der  Flussname  Kiibhd  sein 

2* 


—     20     — 

könnte,  der  uns  allerdings  erst  wieder  im  Kabulthal  als  Zufluss 
des  Indus  begegnet.  —  In  ^Ili/ncoXioa  dagegen,  das  dem  Land- 
schaftsnamen nifiMXiarjViq  zu  Gnmde  liegt,  möchte  ich  ein  drei- 
faches Compositum  sehen,  dessen  ursprünglichste  Gestalt  wäre 
[A\thwya-Yima~urvig  „Bahn  des  Athwya  Yima''.  Im  Neuper- 
sischen ist  aus  Äthroya  über  Atbin  durch  Metathesis  Abtin  ge- 
worden (s.  Justi,  Zendwörterb.  pag.  50).  Nach  iranischen  Ana- 
logien wäre  die  Anfangssylbe  dt  abgefallen  (vgl.  ^/nagdoi  und 
Magöoi,  IdnaQvoL  und  IIccqvoi,  s.  auch  mein  Iran  und  Turan 
pag.  162).  Das  Bi  resp.  ältere  *Pt  (dessen  n  in  neupers.  Ähtin 
aus  der  erweiterten  Form  Athioijänä  herstammt),  wäre  dann 
mit  Yima  zu  ^ITi^a  zusammengeschmolzen  und  *fc>A«ra  scheint 
mir  ein  aus  älterem  zendischen  urvig,,  gehen,  fortgehn,  wan- 
deln, kommen,  abgeleitetes  und  abgeschwächtes,  in  russischem 
yjHua,  üliza,  erhaltenes  Substantiv  zu  sein,  dessen  Bedeutung 
„Strasse,  Bahn"  dem  Gesammtcompositum  die  Bedeutung  „Bahn 
des  Athwya  Yima"  gäbe.  Yima  war  aber  nach  altiranischer 
Sage  der  Begründer  des  goldenen  Zeitalters,  während  dessen  die 
Menschen  in  seinem  grossen  Garten  {vara)  ein  paradiesisches 
Leben  führten,  sodass  also  Yima  zur  Bezeichnung  einer  frucht- 
baren Stromlandschaft  {äthioya  =  skt.  äptya  bezeichnet  ursprüng- 
lich den  „Wasserbewohner")  sehr  wohl  passte. 

In  übereinstimmender  Weise  möchte  ich  den  Namen  der 
bithynischen  Landschaft  Boydo^avtg  bei  Ptol.  V,  1,  12  zurück- 
führen auf  ein  iranisches  *baga-demäna,  Götterwohnung,  Gottes 
Wohnsitz,  wovon  dann  der  paphlagonische  Landschaftsname 
Jofxavlzig  nur  die  Kurzform  wäre. 

Darf  man  in  dem  bithynischen  Ortsnamen  JaxißvKog  die 
iranische  Form  eines  an  Ja^ijucovlTig  erinnernden  Compositums 
erkennen,  das,  nach  Analogie  von  Meydßvtog  =  altpersisch  Baga- 
bukska,  ein  älteres  *Dalcski-bulcsha  „den  (Aditya)  Daksha  ver- 
ehrend" repräsentirte? 


—    21     — 

2.   l^vTioxog  ^€og  'Emq)avi]g  nnd  der  Kail  AipiTanhn 
des  Avesta. 

Der  Titel  &£6g  ^Eni(paviqg,  naeli  griechischer  Auffassung 
„der  in  die  Erscheinung  getretene  Gott"  war  der  auszeichnende 
Beiname  der  Diadochen  aus  dem  Geschlechte  des  Autiochos,  die 
abwechselnd  bald  über  ganz  Vorderasien,  bald  vom  Hellespont 
bis  zum  Indus  regierten.  Ihre  ünterthanen  bestanden  zum 
grössten  Theil  aus  zarathustrischen  Iraniern.  Es  dürfte  desshalb 
nicht  Wunder  nehmen,  wenn  ein  im  Geiste  Alexanders  des 
Grossen  regierender  Herrscher  sich  schon  aus  politischen 
(jründen  einen  Titel  beigelegt  hätte,  der,  zwar  griechisch  klin- 
gend und  auch  auf  griechischem  Sprachboden  die  Macht  des 
Königs  ins  Ungemessene  erhebend,  doch  rein  iranisch  ist  und 
den  König  auch  bei  den  ünterthanen  iranischen  Sprachbewusst- 
seins  als  leibhaftigen  Heros  erscheinen  liess.  Denn  der  Name 
i^sog  'EnKpavrjg  geht  auf  keinen  andern  Urspnmg  zurück,  als 
auf  den  halbgöttlichen  Kavi  Aipivahhu,  über  den  wir  freilich 
ausserordenthch  wenig  wissen  und  gerade  nur  soviel,  um  zu  be- 
greifen, warum  die  Antiochiden  sich  diesen  Halbgott  zum  Träger 
ihrer  Herrscherwürde  auserwählt  haben.  Die  zwei  einzigen 
Stellen,  an  welchen  dieser  Ka\i  erscheint,  sind  Farvardin  Yasht 
131  (Spiegel,  Avesta-Uebersetzg.  Bd.  HI,  pag.  136):  „Den  Fravashi 
des  reinen  Kavi  Kaväta  preisen  wir.  Den  Fravashi  des  reinen 
Kavi  Apivanhu  preisen  wir"  u.  s.  w.  Im  Zamyäd- Yasht  70—71 
(Spiegel,  ebendas.  Bd.  HI,  pag.  181)  erfahren  wir  mehr;  „Die 
starke  königliche  Majestät,  die  von  Mazda  geschaffene,  preisen 
wir.  71.  Die  sich  einte  mit  dem  Kavi  Kaväta,  dem  Kavi  Aipi- 
vohu"  u.  s.  w.  Wenn  also  die  Antiochiden  sich  in  die  Würde 
des  Kavi  Aipivanhu,  der,  nach  Spiegels  Eranischer  Alterthums- 
kunde,  Bd.  I,  pag.  584  vielleicht  der  sonst  unbekannte  vierte 
Sohn  des  Kaiqobad  ist,  kleideten,  so  genossen  sie  in  der  An- 
schauung der  zarathustrischen  Iranier  den  unschätzbaren  Vortheil, 
die  königliche  Majestät,   jenes  unmittelbar   von  Ahura  mazda 


—     22     — 

verliehene  synibolische  Kennzeichen  legitimer  Könige  von  Iran, 
den  das  Haupt  echter  Könige  radartig  umflackernden  Feuerkreis, 
zu  besitzen  und  nebenbei  galten  sie  durch  dasselbe  Attribut  bei 
den  Völkern  griechischer  Zunge  als  leibhaftige  Halbgötter. 
Nunmehr  wird  sich  auch  die  seltsam  erscheinende  Benennung 
einer  Reihe  vorderasiatischer  Städte  zum  erstenmal  aufklären, 
die  den  Namen  'EnLcpävsia,  als  ob  „Erscheinung"  bedeutend, 
führen.  Es  w^aren  eben  Städte,  die  zu  Ehren  des  Kavi  Aipi- 
vanliu  benannt  waren,  in  welchem  iranischen  Namen  das  v 
griechisch  als  cp  ausgesprochen  wurde.  Stephanus  von  Byzanz 
(ed.  Meineke  Bd.  I,  pag.  274)  führt  sie  auf;  ^Eniq^dveLa,  noXig 
^vQiag  xazä  Pacpavtag  ev  fte^ogloigl^gadovy  acp  7]sEvq)QdTrjg 
0  OTtor/.og  (piXoooqiog.  devrega  Küu/Jag.  rglrr]  Bii^vviag.  TSiäQxrj 
/.a%d  Tiyqiv.  ixXi^^ri  öi  y.al  l^Q/.€or/.€Qra,  o  toiiv  i^Q/.soiov 
/.xiG(.ia.  6  7T0?uTT]g  ^Enicpavevg.  Letztere  Stadt  ist  nach  der  ver- 
schiedenen Lesart  l^grEOi-negaza  ganz  offenbar  die  Stadt  Arta- 
sigarta,  die  Sagartierstadt.    S.  Iran  u.  Turan  pag.  69. 

Wenn  ich  an  das  in  der  griechischen  Kirche  auf  den  Epi- 
phanias-Tag fallende  hochfeierliche  Fest  der  Wasserweihe 
denke,  so  möchte  es  mir  scheinen,  dass,  wenn  der  hl.  ^EnKpdviog, 
dessen  Legende  mir  gegenwärtig  leider  nicht  zur  Verfügung 
steht,  mit  dem  iranischen  Gott  Aipivanhu  in  religionsgeschicht- 
licher Beziehung  steht,  alsdann  der  erste  Theil  seines  Namens 
auf  skt.  apya  „auf  das  Wasser  bezüglich",  zu  deuten  wäre, 
das  zwar  nicht  im  Avesta,  wofür  dort  nur  dfhwya  =  skt.  dptya 
erscheint,  aber  doch  im  Rigveda  vorkommt.  Ein  solcher  Aipi- 
vanhu =  ursprünglich  *Apya-\-vasu  steht  zwar  auch  im  Avesta 
nicht  ganz  vereinzelt  da,  denn  das  bis  jetzt  nicht  erklärte 
Avesta  wort  aipi-dvänara^  wolkenreich,  wird  wohl  ebenfalls 
schwerlich  auf  das  Adv.  äipi  „selbst,  gerade"  und  dvunara 
„Wolke",  sondern  nur  auf  dieses  im  Avesta,  sonst  verschwundene 
aipi  =  skt  apya  zurückgeführt  werden  können.  Oder  ist  Aipi- 
vanhu =  *apya-vami  =  skt.  ap-htr,  wassersclilagend?  Vgl.  zend. 
vanhäu,   f.,  Entscheidung  des  Kampfes,  von  W.  van,  sclilageii. 


23 


3.   Iranische  Bergiiainen. 

In  „Iran  und  Turan"  pag.  102 — 103  hatte  ich  die  Namen 
der  Berge  Gandhamädana,  Paripätra,  Kailäsa,  sowie  das  Koqio- 
vov  oQog,  zu  deuten  versucht,  pag.  95  den  Arbuda.  In  „Vom 
Pontus  bis  zum  Indus" ,  pag.  73 — 86  hatte  ich  dann  auch  den 
Aynavanta,  den  Mainäka,  den  Zeredhaz  und  das  Idooviov  oQog 
in  die  Deutung  hineingezogen.  Inzwischen  glaube  ich  zur 
etymologischen  und  historischgeographischen  Aufhellung  einer 
neuen  Reihe  von  iranischen  Bergnamen  Anhaltspunkte  gewon- 
nen zu  haben. 

Im  Zamyäd-Yasht  I,  1 — 7  (Spiegel,  Avesta-Uebersetzung 
Bd.  lU,  pag.  171 — 173)  finden  wir  folgenden  Katalog  iranischer 
Bergnamen  überliefert: 

1.  „Als  erster  Berg  bestand,  o  heüiger  Zarathustra,  auf 
dieser  Erde  die  Höhe  Haraiti.  Diese  umgiebt  das  Ganze  der 
vom  Wasser  umfluteten  Welt  gegen  Osten(?).  Der  zweite  Berg 
ist  Zeredho,  unterhalb  des  Aredho-manusha.  Auch  hier  umgiebt 
das  Ganze  der  von  Wasser  umflutheten  Gegend  gegen  Morgen(?). 

2.  Von  da  aus  sind  die  Berge  hervorgewachsen:  Ushidhäo^ 
Ushidarena,  Erezifya^  sechstens  der  Arezura,  siebentens  Bumya^ 
achtens  Raoidhüa^  neuntens  Mazisisvdo,  zehntens  Antaredayhus^ 
elftens  Erezisho,  zwölftens   Väiti-gaeco. 

3.  Und  Adarana,  Bayana,  Iskata  der  oberhalb  der  Adler 
ist.    Kancotafedhra,   Vafra^  zwei  Berge  Hamankuma,  acht  Berge 

Va^ia^  acht  starke  Berge  Frävanku,  vier   Vidhioana. 

4.  Aezakha,  Maenakha,  Väkhedhrakae,  Agaya,  Tudhagkae^ 
Ishvakae,  Drdoshisväo ,  Q'ätrivdOj  Nayhusmäo,  Kakahyu,  An- 
tarekayha. 

5.  ^icindava,  Akicna,  JRaemana,  Asha-(tembana ,  Urunyo- 
väidhkae,  A<jnaväo,  Ushaoma,  Usta-qarenäo ,  Cyämaka,  Vaf- 
rayäo,   Vourusha. 


—     24     — 

6.  An  welchen  (liegt)  Jatara,  Adhutavdo,  Qn'ta-varenäo, 
Cpento-däta ,  Kadrva-agpa^  Kaoiriga,  Taera^  Baro-Qrayana, 
Barana,  und  der  Berg  Frdpaydo  und  Udrya  und  Raeväo^  wegen 
ihrer  Nähe  und  Aufsicht  haben  die  Menschen  die  Namen  der 
Berge  behalten. 

Bezüglich  der  Berge  Zeredho^  Maenaldia,  Jshvakae  verweise 
ich  auf  meine  Untersuchungen  in  „Vom  Pontus  bis  zum  Indus", 
pag.  73—83;  86—88. 

Zur  Erklärung  des  Bergnamens  Aezahha  in  Abschn.  4 
bietet  uns  vielleicht  Hesychius  einen  Anhaltspunkt,  der  einen 
tätownrten  Volksstamm  der  Parther'  kennt,  Namens  ^'Htay.sg. 
Jedenfalls  bildete  der  Aezahha  einen  Gipfel  des  parthischen 
Alburs,  da  er  neben  Maenahha  erscheint.  Der  homerische 
Hynmus  auf  Apollon  v.  40  kennt  in  Klaros  an  der  jonischen 
Küste  auch  einen,  sonst  unbekannten,  Berg  Alaayir^Q  OQog: 
-Kai  KlciQog  aiyh^eaaa  y.at  Alaaysrig  OQog  alnv. 

Aus  den  folgenden  Namen  greife  ich  zunächst  nur  Kadrva- 
aQpa  und  Kaoiriga  heraus.  Auf  andern  ßergnamen  dieses 
Kataloges  komme  ich  bei  anderer  Gelegenheit  zurück. 

Der  Berg  Kadrva-agpa  (s.  mein  Iran  und  Turan,  pag.  95, 
vgl.  Justi,  Beiträge  zur  alten  Geographie  Persiens  Thl  II,  pag.  16) 
hat  seinen  Namen  von  den  „braunen"  {kadm)  Pferden,  die  an 
seinen  HtigeUandschaften  gezogen  wurden.  Nach  dem  Bunde- 
hesh  (ed.  Justi  22,  4),  wo  der  Berg  Konderasp  lautet,  lag  der- 
selbe bei  Tüs  in  Taberistan.  Die  Form  im  Pahlava  stimmt  nicht 
ganz  zur  Zendform,  demi  Konder  entspräche  etwa  einem  zend. 
*kundara  oder  kwndere  =  skt.  *kun4n.  Wirklich  kommt  auch 
Kigveda  I,  29,  6  die  Form  kundrindci  vor.  Die  Stelle  lautet: 
patdti  kun4]'indcyd  diiram  vdto  vändd  adhi  „es  fliege  mit  der 
Kundrinäcl  weit  der  Wind  über  den  Wald  hinweg"  (Ludwig). 
Nach  Grassmann,  Wörterbuch  des  Rigveda  pag.  328  kommt 
der  Name,  der  einen  „Raubvogel"  bedeuten  soll,  etwa  von  einem 
hypothetischen   *kun(^/iina  =  k\m4al<i,  Kreis     sodass  also  das 


—     25     — 

Wort  „einen  in  Kreisen  sich  bewegenden  {acy  Raubvogel  be- 
deuten würde.  Ich  möchte  aber  diesen  Unglücksvogel  in  Zu- 
sammenhang bringen  mit  dem  Vogel  Itän'drava,  Rigv.  I,  50,  12; 
"MIT,  35,  7,  den  Pauli  in  Kuhns  Ztschr.  f.  vglchde  Sprachforschg. 
Bd.  XVI,  pag.  52  mit  dem  x^Qf^^Q^ös  in  Beziehung  gesetzt  hat 
imd  der  von  haridru  kommend,  den  gelben  Vogel  bedeutet.  Die 
Form  *kiüiiirin(inc  würde  alsdann  „den  (nach  seiner  Farbe)  ins 
Gelbschwarze  gehenden"  bezeichnen.  Mit  dieser  Spielform 
*Tcun(}nn-\-ahc  möchte  ich  den  Namen  der  Stadt  Kudwus  (oder 
Kundnts)  zusammenstellen,  jener  durch  die  Keilinschriften  des 
Darius  berühmten  Stadt,  wo  Darius  den  Aufrührer  Fravartis  in 
einer  Hauptschlacht  gänzlich  schlug  (s.  Spiegel,  Eranische  Alter- 
thskde  Bd,  I,  pag.  227).  Spiegel  sucht  diese  Stadt  im  Norden 
von  Kirmäushäh.  Der  König  jener  Saken,  die  die  abgefallenen 
Parther  gegen  die  Meder  schützen,  der  Bruder  der  sagenberühm- 
ten Zarinaea,  führt  bei  Ktesias  den  Namen  Kvögaiog.  Es  giebt 
aber  ein  Volk  der  Koöqol  in  Kolchis  nach  Lykophron  1389, 
sowie  eine  Gegend  KoÖQOfxr^vi],  ovoua  zonov,  nach  Suidas,  wo 
Lobeck,  Pathol.  ling.  Gr.  pag.  199,  n.  17  Kodo/^r^vi]  lesen  will, 
es  soU  eine  Gegend  der  Landschaft  Persis  sein.  Alle  diese 
Namen  bezeichneten  wohl  nichts  anderes,  als  das  dunkle 
Aethiopenvolk ,  das  im  Alterthum  von  Kolchis  herunter  sich 
bis  in  den  Osten  Irans  verfolgen  lässt  und  das  als  KsöqiogooI, 
KaÖQOvooiy  raÖQioool  (s.  mein  Iran  und  Turan  pag.  109,  168), 
in  den  gegenwärtigen  Brahuis  in  Beludschistan  noch  fort€xistirt. 
S.  auch  mein  „Vom  Pontus  bis  zum  Indus",  pag.  122.  Vgl.  auch 
Spiegel,  Eranische  Alterthskde  Bd.  II,  pag.  573,  Anm. 

Nachdem  wir  nunmehr  neben  kadni,  schwarzgelb,  braun, 
eine  alte  Form  *kundri,  von  derselben  Bedeutung,  wahrschein- 
lich gemacht  zu  haben  glauben,  möchten  wir  an  den  Namen 
des  Berges  Kadrva-agpa  ^  Konde^-asp  den  Namen  des  Berges 
Kovödaßr]  ansohliessen,  den  wir  Polyaen  verdanken.  Bei  Ge- 
legenheit der  historischen  Sage  von  des  Dionysos  Eroberungszug 
nach  Baktrien  und  Indien  erzählt  Polvaen  I,  1.  3  (ed.  Wölfflin 


—    26     — 

pag.  6)  Folgendes  Jiopvoog  iv  'Ivöiyifj  Trjg  aTgariag  ov  q>EQOv- 
orß  zo  (f).oyiodeg  rov  aegog,  -/MTeXocßtro  TQi/.oQKpov  OQog  T^g 
'Ivöixilg.  Twv  '/.OQVcfüv  7i?.ritCszaL  ds  iq  (.itv  KoQaatßirj,  iq 
öi  Kovöda ßrj,  ti^v  di  tqIttjV  avrlg  ey.ukeae  MrjQov,  tr^g 
avTOv  y6via€(og  vno/uvrjina.  ^Evtat^a  nr^yai  noXXal^  rideJai, 
nvAvui,  d^i^Qüi  nsQioaai,  oJnoQai  acpdovoi,  '/loveg  avaxpiyovoui. 
^Ev  TOVTOig  ri  OTgaziä  öiaiTiufiivr]  tolg  iv  rtp  jreöiqj  ßaQßdgoig 
i^aicpvrig  STiecpaivezo,  xat  dno  zwv  vipriXwv  -/.al  vneQÖE^uov 
d/.ovTitovreg  lovg  nolefiioig  daöiojg  izQ£7tovto. 

Indem  wir  nun  an  das  von  uns  früher  gefundene  Resultat  er- 
innern, dass  der  Berg  Meru,  dessen  Aufbau  ohnedies  an  die  von 
Herodot  beschriebene  Gestalt  des  Belustempels  in  Babylon  erinnert 
(s.  Iran  u.  Turan  pag.  226)  und  somit  in  die  Nachbarschaft 
Babylons  gerückt  erscheint,  ursprünglich  nicht  im  Himälaya, 
sondern  drüben  im  Alburs  gelegen  haben  muss,  wo  der  ungeheure 
Kegelberg  des  Demävend  sein  Prototyp  gewesen  ist  (vgl.  Vom 
Pontus  bis  zum  Indus  pag.  63)  und  wo  der  Name  des  Weisen 
Marici,  des  Vaters  des  Ka9yapa,  d.  h.  eben  des  /CaaTrtov-Gebirges, 
des  Demävend,  noch  an  Meru,  von  W.  fiaigco,  erinnert  (anders 
Weber,  der  den  Namen  vom  vai(liirj/a-3eYge,  ableitet),  haben 
wir  die  geographische  Möglichkeit  gewonnen,  den  Bergnamen 
Kovödaßri  mit  dem  Konderasj)  (d.  h.  dem  Kadrva-acpa)  in 
Taberistan  zusammenzustellen.  Zunächst  freilich  soUte*Äov(Jf  «orr^j 
erwartet  werden.  Bedenken  wir  aber  vorerst,  dass  wir  es  in 
Kovödaßri  mit  einem  Bergnamen  der  Sanskrit-Arier  zu  thun 
haben,  so  stimmt  das  ß  in  daßn]  vorzüglich  zu  skt.  agva,  resp. 
fem.  a^vd,  die  Stute,  während  gerade  ein  do7irj  auf  Zend- Arier 
schliessen  liesse.  Ferner  würde  man,  wie  schon  erwähnt,  eher 
^Kovdqdaßr^  erwarten,  entsprechend  einem  oben  gefundenen  skt. 
*kundri.  Es  scheint  aber  in  der  That  neben  skt.  *kadi-ti  früh- 
zeitig schon  ein  prakritisch  abgeschliffenes  *kadu  existirt  zu 
haben.  Aus  einer  solchen  Form  nämlich  scheint  mir  der  bis 
jetzt  räthselhaft  gebliebene  Name  der  Kadovoini,  der  Gelen, 
abgeleitet  werden  zu  sollen.     Bekanntlich  haben  die  Gelen  noch 


bis  auf  diesen  Tag  eine  dunklere  Hautfarbe,  als  die  übrigen 
Tränier  und  zur  Stütze  dieser  Etymologie  darf  man  vielleicht 
sogar  den  Namen  des  Volkes  der  Karüsha  herbeiziehen,  dessen 
Urahn  (nach  Böhtlingk-Roths  Sanskritwb.,  Bd.  II,  pag.  117)  für 
einen  Sohn  des  Manu  Vaivasvata  gehalten  wurde.  Der  Manu 
Vaivasvata  führt  uns  aber  (Vom  Pontus  bis  zum  Indus  pag.  85) 
zum  Alburs.  Andererseits  ist  von  Karüsha  nicht  zu  trennen 
las  Sanskritadjektiv  halusha^  beschmutzt,  unrein.  Der  Xame 
der  Kaöoiaioi  würde  somit  nichts  anderes  sein  als  ein  prakri- 
tisches  Kadgovaioi  und  beide  würden  die  dunkelfarbigen  Aethio- 
pen  des  urzeitlichen  Centralasiens  bezeichnen. 

"Wenn  nach  diesen  Zusammenstellungen  der  Schluss  berech- 
tigt erscheint,  in  dem  Berge  Kovöcioßi]  der  polyaenischen  Sage 
den  KonderasjJ-Kadrva-acpa  im  Alburs  zu  finden,  so  wird  nun- 
mehr auch  der  weitere  Schluss  nicht  abgewiesen  werden  können, 
dass  der  Berg  KoQaoißir^,  abgesehen  von  der  Weiterbüdungs- 
form  /?tjj,  die  noch  nicht  durchsichtig  ist,  mit  dem  im  Avesta 
benfalls  unmittelbar  neben  dem  Kadrva-a^pa  erwähnten  Kaoi- 
iiqa  identisch  sei.  Das  Etymon  ist  vielleicht  skt.  l^riqa^  zend. 
Icereqa^  mager,  schlank,  lang  (s.  Justi,  Zendwörterb.  pag.  84). 
Oder  gehört  KoQaoißir^-Kaoiriga  zum  Koga^^ag)  ogog  in  Sar- 
matien? 

Interessant  ist  nun  auch  die  Beschreibung,  die  uns  die  po- 
lyaen'sche  Sage  von  dem  paradiesischen  Leben  auf  dem  Berge 
Jhjoog  entwirft:  ewavd^a  nriyal  noXXal,  r^^€lal,  nv/.rai,  d^jJQai 
ni.QLOoaiy  onioQUi  dtpd^ovoi,  yJovEg  avaxpvxovoai.  In  solchen 
Farben  schildert  den  Meru  das  indische  Epos.  Vgl  z.  B.  aus 
der  weitschweifigen  Verherrlichung  des  Meru  im  Anfang  der 
Amritamanthanam-Episode  des  Mahäbhärata  (I)ei  Lassen  in  seiner 
Anthologia  sanscrita,  pag.  72)  nur  folgende  Züge:  „v.  3  divyau- 
shadkividipitam ,  von  himmlischen  Kräutern  bestrahlt;  v.  4,  a: 
nadivrikshasamanvitam ,  mit  Flüssen  und  Bäumen  ausgestattet; 
V.  4,  b:  nänäpatangasamghaigca  ndditam  sumanoharaili  durch- 
tönt von  den  Schaaren  von  mancherlei  Vögeln,  herzfesselnden. 


—     28     — 

Ausführlichst  schildert  den  Götterberg  Meru  z.  B.  auch  das 
(^ivapuräna  bei  Wollheim  da  Fonseca,  Mythologie  des  alten 
Indien,  pag.  75 — 78.  Diese  Beschreibungen  des  Meru  erinnern 
aber  ihrerseits  wieder  an  diejenige  des  Gartens  Yima's  im  Avesta. 
Ich  führe  nur  die  Stelle  aus  dem  Räm  Yasht,  16  (bei  Spiegel, 
Uebersetzung  des  Avesta,  Bd.  III,  pag.  153 — 154):  »In  der  weiten 
Herrschaft  des  Yima  war  kein  kalter  Wind,  kein  heisser,  da  war 
nicht  Alter  noch  Tod,  kein  Neid,  der  von  Daevas  geschaffene". 
So  auch  im  Zamyäd  Yasht  32  (Spiegel,  Bd.  Ill,  pag.  175).  Nun 
lag  aber  der  Garten  Yima's  nach  dem  Bundehesh  unter  dem 
Berge  Damkän  oder  Jamkän,  d.  h.  unter  dem  Demävend,  den 
wir  bereits  als  Prototyp  des  indischen  Götterberges  Meru  kennen. 

Ueber  den  im  Bergkatalog  des  Avesta  nach  dem  Kadrva- 
a9pa  und  dem  Kaoiri9a  unmittelbar  folgenden  Berg  Tatra  be- 
darf es  weniger  Worte.  Er  ist  der  Mittelpunkt  der  Welt,  um 
ihn  kreist  die  Sonne  wie  das  Wasser  um  die  Erde.  Als  höch- 
ster Gipfel  der  Hara  berezaiti,  d.  h.  des  Alburs,  kann  er  nur  der 
Demävend  sein. 

Was  nun  den  bis  jetzt  räthselhaften  Namen  Demävend  be- 
trifft, so  ist  es  schwer,  zu  dessen  ursprüngHcher  Form  zurück- 
zugelangen und  alsdann  von  dieser  aus  eine  Etymologie  zu 
wagen.  Zweifellos  hat  sich  des  ursprünglichen  Namens  früh- 
zeitig die  Volksetymologie  bemächtigt.  Wahrscheinlich  liegen 
in  allen  den  Formen,  in  denen  uns  der  Name  überliefert  worden 
ist,  nur  die  Produkte  solcher  volksthümlichen  Zurechtlegungeu 
des  ursprünglichen  Namens  vor.  Spiegel  verzeichnet  in  seiner 
Eranischen  Alterthskde,  Bd.  I,  pag.  70 — 71,  Anm.  die  Formen 
Demhavend  (bei  dem  armenischen  Geschichtschreiber  Moses  von 
Khorni),  Demävend  (Firdusi),  Demävend,  Debävend,  ja  Danbä- 
vend  (beim  arabischen  Geographen  Yäqüt),  sogar  Dunyävend 
(bei  Sehir eddin).  Aus  Abulfeda  (trad.  par  Reinaud,  T.  I,  pag.  93) 
trage  ich  noch  nach  Dohävend.  Nach  den  einen  ist  der  Berg 
benannt  von  den  Winden,  denen  derselbe  stets  ausgesetzt  ist, 
nach  den  andern  von  dem  Rauch,   den  er  als  Vulcan  ausstösst 


—    29     — 

Ich  glaube  aber,  dass,  da  alle  diese  Spielformen  der  Volksety- 
mologie nur  secundäre  Formationen  darstellen,  mit  allen  zusam- 
men nichts  anzufangen  sei.  Anders  gestaltet  sich  die  Frage, 
wenn  wir  sie  im  Zusammenhang  mit  folgenden  Bildungen  be- 
trachten. 

Der  am  Fusse  des  Demdvend,  bei  Danikan  gelegene  Garten 
des  Yima,  das  iranische  Paradies,  heisst  Var  Jem  gerd,  Var 
Jam-Jcand,  der  Vara  (Garten)  Jem-gerd^  Jamkant,  dieser  selbst 
ist  aber  wieder  nur  ein  ursprüngliches  skt,  *Yama-garta,  Garten 
des  Yama.  Der  Name  Yama,  Yima  ist  somit  an  den  Demävend 
geknüpft.  Aber  beide  Namen  sind  ebenfalls  nicht  ursprünglich, 
sondern  gehen  auf  eine  noch  ältere,  vor  dem  Sanskrit  und  Zend 
liegende  Form  Dama  zurück,  die  in  der  Form  Jafxaonla,  Ge- 
mahlin Artaxerxes  I,  bei  Ktesias  erscheint.  Nun  erklärt  Spiegel 
in  der  Eranischen  Alterthskde,  Bd.  III,  pag.  404,  Anm.  3  den 
Namen  Zä/nr^g,  des  zweiten  Sohnes  des  Sassaniden  Qobäd  (522 
nach  Chr.)  für  ^^,  Dsckam,  Dschem,  d.  i.  Yirtia,  also  Yama. 
Da  nun  im  Avesta  die  Form  Jämägpa  {DschämaQpa)  auftritt, 
welche  wieder  (bei  Syncellus)  einen  ZafiäoTtrig,  König  der 
Parther,  und  einen  Zaf^aag)rig,  König  der  Perser,  beim  Byzan- 
tiner Theophanes,  neben  sich  hat,  so  lässt  sich  die  sowohl  der 
Form  Jama  (Dschamq)  als  der  Form  Za/m  zu  Grunde  liegende 
Form  nur  in  einem  hypothetischen  *Djama  finden,  worin  das  j 
der  bekannte  parasitische  Einschubsvocal  i  wäre.  Vielleicht  hat 
sich  diese  Vermittlungsform  ^Djama  erhalten  in  dem  Namen 
Jlofiog,  der  erstens  als  Fremder  in  Attika  und  als  Priester  des 
Zeig  Tlolievg,  dann  aber  auch  als  Erfinder  des  ßovY.oliaO(i6g, 
des  Hirtengesanges,  gilt,  gerade  wie  Yima  im  Avesta  als  der 
Begründer  des  goldenen  Zeitalters  und  der  Culturanfänge  gilt. 
Die  Form  Jama  {Dschama)  und  Zafia  hätte  sich  aus  *Djama 
gebildet,  wie  pers.  jav^  gr.  ^ia,  die  Gerste,  aus  skt.  yava^  und 
das  skt.  Yamä,  das  avestische  Yima  wären  aus  *Djama  in  der 
Weise  abgeschwächt,  dass  das  Sanskrit  und  das  Zend  den  ur- 
sprünghchen  Anfangsconsonanten  zu  Gunsten  des  parasitischen 


—     30     — 

Jod  hätten  fallen  lassen,  wozu  im  Iranischen  unter  dem  Ein- 
flüsse des  Jod  noch  die  Abschwächung  des  Vocals  «  zu  i  ge- 
treten wäre. 

Nachdem  auf  Grundlage  der  vorhergehenden  Untersuchung 
sich  die  Form  Dama  für  Yama^  Yitna  als  die  Stammform  her- 
ausgestellt hat,  wird  uns  nunmehr  ein  den  Bergnamen  Demävend 
zu  Grunde  liegendes  ^Dam&vant  im  Sinne  von  Yamavant  als 
nothwendig  erscheinen  und  eine  solche  Form  Davidvandu  für 
den  Demävend  findet  sich  auch  thatsächlich  in  dem,  allerdings 
persische  Quellen  benutzenden,  indischen  Geographie  buche  Roma- 
kasiddhanta  bei  Aufrecht.  Damävant  stände  für  Damavant  im 
Sinne  von  *Yimavant,  Yimahaft,  wie  devdvant  im  Rigveda  für 
devavant,  götterhaft.  Ich  halte  es  sogar  nicht  für  unmöglich, 
dass  dieses  devavant,  von  Göttern  umgeben,  voll  der  Götter,  auf 
die  Stellung  des  Berges  Demävend,  von  dem  uns  ja  auch  die 
Form  Z>eiayenc7  begegnete,  als  Götterberg  eingewirkt  hat,  wie 
natürhch  bei  der  religiösen  Scheidung  der  brahmanisch  gewor- 
denen Sanskritarier  von  den  zarathustrischen  Zendariem,  das 
Zendadjektiv  daevavant,  den  Dews  ergeben,  voll  der  Dews,  die 
Geltung  des  Demävend  als  Blocksberg  herbeiführen  musste. 
Vgl.  den  arabischen  Geographen  Ihn  Haukai  (976  nach  Chr.) 
ed.  Uylenbroek,  pag.  9:  Multae  de  eo  (monte  Dainawend) 
fabulae  natn-antur ;  in  Ms,  praestigiatore^  ex  omnibus  orbis  ter- 
rarum  parttbus  huc  se  conferre  solere. 

Im  Bundehesh  wird  ein  Albursberg  Namens  Marh  erwähnt: 
„Der  Berg  Mark,  der  von  Aparten  wuchs,  liegt  in  Rärän" 
(Bundehesh  25,  8).  Der  Aparten  ist  der  Berg  Upairt  ^aena, 
der  Berg  oberhalb  der  Adler,  die  Bergkette,  die  sich  nach 
Bundehesh  59  von  Sedschestan  bis  Chüzistan  erstrecken  soll, 
die  aber,  als  mythisch  verschwommener  Begriff,  offenbar  auch 
den  Alburs  mit  inbegreift.  Von  Rärän  bemerkt  Justi  (Beitr.  z. 
Geogr.  des  alten  Persien  II,  8),  dass  darunter  , offenbar  Ltiristan" 
verstanden  sei.  Läristan  ist  die  Südküste  der  Landschaft  Persis. 
Dort  ist  ein  Berg  Mark  nicht  nachweisbar.     Wohl  aber  ver- 


—    31     — 

zeichnet  Melgunoff  einen  Berg  Marhu  in  Gilan,  im  Distrikt 
Sakhtesar,  iu  der  Provinz  La'idschan  oder  Lengerud.  Lai'dscbau 
aber  ist  nur  eine  Nebenform  von  Laridschan.  S.  Melgunoff, 
Die  südl.  Ufer  des  Kasp.  Meeres,  pag.  208  und  59.  Justi  a,  a.  0. 
glaubt,  der  Name  Mark  stehe  für  Malk  und  scheine  das  arabische 
Wort  für  König  zu  sein.  Allein  wir  finden  den  Namen  auch 
in  der  Troas,  bis  wohin  semitischer  Einfluss  niemals  gereicht 
hat.  Stephanus  Byzantius  (ed.  Meineke),  pag.  433  verzeichnet 
nämlich:  Mäo/.aiov ,  ogog  rrjg  TQioaöog  noög  zf^  rioyid^i.  oi 
oixrJTogeg  Mag/Miioaioi.  Räthselhaft  bleibt  aber  der  Name 
noch  immer.  Hat  er  Zusammenhang  mit  dem  Namen  Marici, 
ursprünglich  *3Iariki\  dem  Vater  des  Ka^yapa,  den  wir  als 
Namensheros  desKa^japa-Zfaff/rtov-Gebirges, d.h. des  Demävend, 
gefunden  hatten?  Oder  hat  er  Verwandtschaft  mit  jenem  eben- 
falls noch  unaufgeklärten  Marka  des  Yajurveda,  der  gewöhn- 
lich in  der  Dualverbindung  mit  ^anda  vorkommt:  ^andämarkau'? 
Von  beiden  heisst  es  gleicherweise  im  Commentar  zur  Väjasa- 
neyisamhitä- (ed.  Weber  pag.  194,  195,  197,  198  u.  199),  VII, 
16 — 18  und  VII,  sie  seien  Söhne  des  Cukra,  des  Planeten  Venus 
und  Lehrers  d er  Asura,  sie  selbst  Opferpriester  der  Asura  {adhvaiyur) 
imd  Taitt.  Samhitä  heisst  es:  Brihaspdttr  devänäm  2>u^'ohita 
äste  chuncldmarkäv  asurändm.  Wenn  hier  Brihaspati  als  Opfer- 
priester der  Götter  im  Gegensatz  zu  den  Opferpriestern  der 
Asura  speciell  hervorgehoben  wird,  so  müssen  die  Asura  als 
dem  Cultus  des  Brahmanismus  ganz  besonders  widerstrebende, 
ausserb  rahmanische,  nicht  den  Sanskrit -Ariern  angehörende 
Götter  aufgefasst,  die  beiden  Opfei^priester  f'aiida  und  Marka 
müssen  als  Vertreter  fremder  Stämme  gelten.  Wenn  es  Gott- 
heiten sind,  so  Hesse  es  sich  sehr  wohl  begreifen,  wenn  Marka 
einem  gilanischen  Berge  seinen  Namen  gegeben  hätte. 

Zwischen  Margiana  und  Ariana,  also  zwischen  Merw  und 
Herat,  setzt  Ptolemaeus  VI,  10,  4;  17,  2  seine  ^ceQicpa  ogr^  an. 
Bumouf  und  nach  ihm  Justi  im  Zendwb.  pag.  72  wollten  die- 
selben wiedererkennen  in  dem  im  Bergkatalog  des  Avesta,  Zamyäd 


—     32    — 

Yasht  2  (Spiegel  Bd.  III,  pag.  172)  aufgefülirten  Erezifija,  dessen 
lautliche  Identität  mit  dem  vedischen  rijipya,  der  Falke,  allge- 
mein anerkannt  ist.  Spiegel  freilich  wollte  in  diesem  Berge  den 
Iraj  des  Bundehesh  erkennen,  einen  Berg,  der  sich  von  Hamadan 
gegen  Kharizm  hin  erstrecken  soll  (s.  Spiegel,  Avestaübersetzg, 
Bd.  III,  pag.  49,  Anm.  3).  Die  Metathese  aber,  die  bei  dieser 
Gleichstellung  anzunehmen  wäre,  spricht  schon  für  sich  allein 
gegen  die  Identificirung  beider  Berge.  Dagegen  möchte  folgende 
Gleichsetzung  kaum  einer  Schwierigkeit  begegnen.  Die  ^dgicpa 
ogr]  sind  eine  rein  landschaftliche  Bezeichnung,  es  sind  die  Berge 
der  Landschaft  die  wir  aus  den  persischen  Keilinschriften  als 
Hariva,  aus  dem  Avesta  als  Haraiva  und  Haroijit,  kennen  und 
die  im  Veda  dem  gleichnamigen  Sarayu,  dem  Herirud,  entspricht. 
Die  Form  *Sartva,  die  der  altpersischen  Hariva  vorausgegangen 
sein  muss,  und  die  wohl  auch  dem  Namen  der  Stadt  ^aoiya 
(wohl  =  2aQißa)  in  Aria,  bei  Ptolemäus  IV,  17,  7,  zu  Grunde 
liegt,  wenn  dieselbe  nicht  direkt  Herat  selbst  bezeichnet,  setzt 
allerdings  sanskrit- arische  Provenienz  voraus,  während  wir  dafür 
bis  jetzt  weiter  keine  Anhaltspunkte  besitzen.  Der  Name  müsste 
also  bei  Ptolemäus  auf  sehr  alten  Quellen  beruhen,  denn  da,  wo 
er  sonst  auftritt,  bei  Dionysius  Periegetes  (s.  mein  Iran  u.  Turan 
pag.  129)  zeigt  er  persisches  Gepräge,  in  dem  Acc.  pl.  'AQißäg 
und  ebenso  bei  Rufus  Festus  Avienus,  Descr.  Orbis  Terrae, 
V.  1295— 1300: 

Innumeras  idevfi  (Jndus)  dispescit  fiumine  gentes, 
Oritas,  Aribasque  et  veloces  Arachotas, 
Et  Sagam  inßdum  et  qui  per  iiüiospita  late 
Discreti  popuU,  discreti  ßnibus  agri, 
Arva  agüant,  uno  sed  nomine  sunt  Arieni. 

Dieselbe  Form,  nur  mit  Ausfall  des  v,  treffen  wir  bei  Am- 
mianus  Marcellinus  (ed.  Gardthausen,  Bd.  I,  pag.  335)  XXIII,  6: 
Ariani  (die  Bewohner  der  Landschaft  iMgda  =  Hariva)  vicunt 
post  Seros,  Boreae  obnoxii  ßatibus:  quorum  terras  amnis  velteii- 


—     33    — 

dis  sufßciens  navibiis^   Ärias  praeßxiit  nomine^   faciens  lacum 
mgentem  eodem  vocahulo  dictitatum. 

In  der  fünften  Reihe  des  Bergkatalogs  erscheint  bis  jetzt 
einzig  der  Acnaväo  durchsichtig.  Spiegel  hat  schon  in  der  An- 
merkung zu  dieser  Stelle  (Avesta-Uebersetzg,  Bd.  III,  pag.  172, 
Anm.  8)  die  Ansicht  ausgesprochen:  „Vielleicht  der  Berg  A9na- 
vant  in  Aderbaijän."  Ich  verweise  bezüglich  desselben  auf  meine 
Specialuntersuchung  über  den  Acnavanfa-Sabelän  in  meinem 
,Vom  Pontus  bis  zum  Indus"  pag.  73—83. 

Ausser  diesem  Ägnavdo  lässt  sich  vielleicht  auch  der  Asha- 
ctembana,  zwar  nicht  topographisch,  aber  doch  etymologisch  er- 
klären. In  ctemhana  suchte  schon  Justi  im  Zendwörterbuch 
pag.  31  und  301  sub  voce,  das  sanskritische  stambhana,  Stütze, 
Pfeiler.  Fracrlich  ist  nur,  was  asha  bedeutet.  Im  Avesta  be- 
zeichnet asha  durchgehends  die  Reinheit,  es  entspricht  zugestan- 
denermassen  etymologisch  dem  vedischen  rita,  ohne  jedoch  be- 
grifflich mit  aUen  Bedeutungen  des  vedischen  rita  zusammen- 
zustimmen. Ich  möchte  in  ashactembana  ein  vedisches  *rita- 
stambhana  im  Sinne  von  Himmelspfeiler  erkennen,  einen  «ZeVaA 
skavxbUh,  wie  z.  B.  Rigv.  IV,  13,  5;  IX,  86,  46;  IX,  74,  2; 
vgl.  Rigv.  IX,  2,  5;  vishtamblio  dliarüno  divcili,  die  Stütze,  der 
Träger  des  Himmels.  Von  Indra  heisst  es  Rigv.  X,  111,  5; 
malihn  cid  dyäm  ätanot  süryena 
cäskdmbha  cit  Tcämbhanena  shdbhiydn  \ 

„Den  hohen  Himmel  hat  er  ausgespannt  mit  der  Sonne, 
jiestützt  hat  er  ihn  mit  einer  Stütze  ihn  stützend." 

Indra  und  Soma  werden  gepriesen  Rigv.  VI,  72,  2: 
indräsomd  väsärjatlia  ushäsam 
üt  süryam  nayatho  jijötishd  sakd  | 
üpa  dydm  shambhdthuh  shdmbhanena  — 
aprathatam  prithivim  mdfdrarn  vt  || 
-Indra  und  Soma,  ilir  lasst  die  Morgenrothe  leuchten,  ihr  führt 
die  Sonne  herauf  zugleich  mit  Glanz,    ihr  stützt  den  Himmel 
mit  einer  Stütze,  sie  breiteten  aus  die  Mutter  Erde." 

Brunnhofer,  Vom  Aral  bis  ziir  Gangä.  3 


—     34     — 

Bezüglich  des  asha  =  rüa  im  Sinne  von  „Himmel"  möchte 
ich  auf  folgende  Rigvedastellen  verweisen. 

In  Rigv.  IX,  16,  7  heisst  es  vom  Somatranke: 

divö  nd  sdnu  pijiydsM 
dhard  sutdsya  vedlu'tsah  \ 
vrühä  pavüre  arshati  || 

„Auf  des  Himmels  Gipfel  (sänu  für  sdnavi  loc.)  rinnt  strotzend 
der  Strom  des  Gepressten  (Soma),  des  huldvollen,  lustig  in  die 
Seihe."    Aehnlich  lautet  nun  die  Stelle  Rigv.  X,  123,  2: 

samudräd  ünnhn  lid  lyarti  veno 
nabhojäli  prish(7idin  haryatdsjja  dargi  | 
ritdsya  sänäv  ddhi  vish(dpi  l)hi'ä( 
samdndm  yöniin  abhy  hmishata  m'dli  \\  2  || 

„Vom  Ocean  (des  Himmels)  herunter  setzt  der  Liebliche  (Soma) 
seine  Woge  in  Bewegung,  der  Wolkengeborene  erschien  als  der 
Rücken  des  Goldglänzenden,  auf  des  Himmels  Gipfel,  im  Zenith, 
erglänzt  er,  nach  demselben  Becken  strebten  die  (Wogen-) 
Schaaren." 

Das  Wort  ^ifä  würde  sich  hier  schlechterdings  mit  keinem 
andern  Begriff  decken,  als  mit  dem  des  Glanzhimmels  und 
würde  demnach  einem  älteren,  in  der  uns  erhaltenen  Avesta- 
sprache  nicht  nachweisbaren  asha.,  Himmel,  wie  wir  es  für  den 
avestischen  Bergnamen  ashagtembana  voraussetzen,  vollkommen 
entsprechen.  Die  Vorstellung  übrigens,  dass  hohe  Berge  Säulen 
des  Himmels  seien,  erweist  sich  als  echt  arisch  auch  aus  folgenden 
zwei  Stellen  aus  der  Literatur  der  am  weitesten  nach  dem  fernen 
Westen  verschobenen  Arier.  Nach  Herodot  IV,  184  gab  es  in 
Libyen,  jener  Colonie  der  alten  Armenier  und  Meder  nach  Sallust, 
einen  Berg  Namens  Atlas:  „der  ist  schmal  und  ganz  kreisrund, 
aber  so  hoch,  dass,  wie  man  sagt,  seine  Gipfel  nicht  zu  erschauen 
sind,  weil  die  Wolken  sie  niemals  verlassen,  weder  im  Sommer 
noch  im  Winter".  Derselbe  sei  die  Säule  des  Himmels,  sagen 
die  Eingeborenen:  Toviov  de  elvai  tov  xiova   toi  ovgavov, 


-     35    — 

Xiyovoiv  o\  iyxioQioi.  So  auch  lastet  nach  Pindar  (PytK  I,  35 
ed.  Bergk^  pag.  76)  auf  dem  Drachen  Typhon  „die  himmelhohe 
Säule  des  Aetna,  das  ganze  Jahr  hindurch  des  scharfen  Schnees 
Amme: 

y.iojv  d'  ovQavia  airtysi 
VKföioa  ,  uii'iva,  nürizEg  xiovog  o^iiag  zi&rva. 

4.  Iranische  und  indische  Finssnamen. 

Diodor  XVII,  75  kennt  in  Hyrkanien  einen  Fluss  ^TißoiTr^g, 
den  Curtius  (VI,  10)  Ziobetis  nennt.  Der  Name  ist  offenbar 
derselbe,  sein  Anfangsconsonant  ist  augenscheinlich  ein  guttura- 
ler Palatal,  den  der  Grieche,  wie  der  Lateiner  nach  seiner  Sprach- 
empfindung mit  den  dafür  unzulänglichen  Buchstaben  des 
griechLsch- lateinischen  Alphabets  wiedergeben  mochte.  Ohne 
weitere  Parallelnamen  würde  es  schwer  sein,  dem  iranischen 
Laut,  der  zu  Grunde  lag,  auf  die  Spur  zu  kommen.  Nun  aber 
ist  ims  aus  Hesychius  und  Diodor  ein  iranischer  Königsname 
überHefert,  der  wohl  geeignet  ist,  uns  auf  das  Etymon  des  hyr- 
kanischen  Flussnamens  zu  bringen.  Ein  bithyuischer  König, 
Sohn  des  Bas,  heisst  bei  Hesychius  ZEi7ioix\g^  bei  Diodor 
ZißoiTrig,  ZißvTrjC,  Zinoiirfg  und  Hesychius  giebt  an,  LsiTioitr^g 
und  teiTiLzig  bedeuteten  neQixvrrjC.  Mit  dieser  Glosse  besitzen 
wir  den  Schlüssel  zur  Wurzel  von  ^zißokrfi,  Ziobetis.  Diesel))e 
kann  nämlich  offenbar  nur  die  Sanskrit wurzel  cxßi  sein,  die  in 
der,  allerdings  noch  nicht  nachgewiesenen  Bedeutung  von  „aus- 
giessen,  träufeln"  zunächst  der  Sanskritwurzel  qcyu,  gcyut  „träu- 
feln" steht,  zweifellos  aber  im  Zusammenhang  gedacht  werden 
muss  mit  der  graecoitalischen  Wurzel  cliu^  indogermanisch  gltu 
=  griech.  xüo  für  xtfio,  X^^-Wj  X^-ol-q,  das  Giessen,  wozu  lat. 
font-s,  m.,  die  Quelle,  aus  *fov-ont,  gleichsam  *x^ovz-,  ferner 
lat.  fu-ti-s,  Wassergiessgefäss.  S.  Fick,  Indogerman.  Wurzel- 
wörterb.^,  pag.  445.  Die  Form  Ziobetis,  ^iißoizr^g,  Zinoirrig 
würde  etwa  einer  skt.   Participialform  *gcyavanti  entsprechen. 


—    36    — 

analog  einer  Form  wie  Dhvasanti,  Eigenname  eines  Mannes  im 
Rigveda  I,  112,  23  von  Wurzel  dhvas,  stieben,  spritzen.  Unser 
Flussname  würde  also  seiner  Form  und  Bedeutung  nach 
wenig  von  lat.  fons,  die  Quelle,  verschieden  sein  und  nur  einen 
kleinern  Fluss  bezeichnen  können,  was  denn  auch  historisch- 
geographisch thatsächlich  der  Fall  ist.  Denn  Spiegel,  Bramsche 
Alterthskde,  Bd.  II,  pag.  537  Anm.  kommt  bei  Betrachtung  des 
Weges,  den  Alexander  der  Grosse  von  Persien  aus  nach  Hyr- 
kanien  einschlug,  zu  dem  Resultat:  „Der  ^r iß o irrig  oder  Ziobetia 
ist  keinesfalls  ein  bedeutender  Fluss,  sondern  nur  ein  Bach." 

Zu  derselben  Wurzel  in  der  erweiterten  Form  *ghud,  giessen, 
stelle  ich  den  sicilischen  Flussnamen  yvöaq  bei  Ptol.  UI,  4,  3 
zwischen  Kalakta  und  Alontion,  einer  der  Flüsse  Foriano,  In- 
ganno, Rosamarina.  S.  Holm,  Gesch.  Siciliens  im  Alterthum, 
Bd.  I,  pag.  344,  Anm.  zu  S.  34. 

Der  Kvövog  in  Cilicien  dagegen,  sowie  der  Kvöagog  bei 
Byzanz  gehören  wohl  eher  zur  Sanskritwurzel  cud,  eilen,  vgl. 
\eaisch.  cödana,m  der  causativenBedeutung  begeisternd,  antreibend. 
Von  der  Sarasvati,  die  ich  (s.  mein  Iran  u.  Turan  pag.  98 
— 101)  als  die  Haraqaiti  fasse,  rühmt  Vasishtha  in  den  zwei  Ein- 
gangsstrophen zum  Hymnus  Rigv.  VII,  95,  1; 

Pfd  hsliodasd  dhätfosd  sasra  eshd 

Sarasvati  dharunam  äyasi  püli  \ 

prabäbadhdnd  rathißva  ydtt 

v{gvd  ap6  viahind  sindhur  anyd  |1  1  || 

Shdcetat  Sarasvati  nadindni 

gucir  yatt  girihhya  d  samudrdt  \ 

raydg  cStanti  bhdvanasya  bhürer 

ghritäin  jwyo  duduhe  ndhushdya  1|  2  || 
„Vorwärts,  mit  furchtbarem  Wogenschwall,  strömt  diese  hier, 
die  Sarasvati,  eine  Festung  und  eherne  Burg,  vorwärts  drängend 
wie  mit  einem  Wagenlenker  eilt  sie,  ein  Strom,  alle  andern 
Gewässer  an  Grösse  überholend.  Einzig  unter  allen  Flüssen  hat 
Sarasvati  Verstand,   glänzend  laufend   von  den   Bergen  bis  ins 


—     37     — 

Meer,  die  Reichtliümer  beschauend  der  grossen  Welt  melkt  sie 
Butter  und  Milch  dem  Unterthanen  des  Xahusha." 

Ohne  mich  hier  bei  andern,  der  Interpretation  bedürftigen 
Stellen  dieser  Strophen  aufzuhalten,  will  ich  nur  den  bis  jetzt 
unverstanden  gebliebenen  Ausdruck:  eine  Festung  und  eherne 
Burg  {dharünam  äyasi  puh)  ins  Auge  fassen.  Der  Hilmend 
mündet  in  den  Hämünsee  und  das  ist  hier  der  samudrd,  der 
nach  Edrisi  selbst  lun  die  Mitte  des  zwölften  Jahrhunderts  nach 
Christus  noch  neunzig  Meilen  lang  war,  in  der  Urzeit  also  wohl 
noch  viel  grössere  Ausdehnung  gehabt  hatte  (s.  mein  Iran  u. 
Turan  pag.  123—124).  Die  Ausmündung  ist  durch  eine  mäch- 
tige Festung  geschützt.  Es  war  dies  altiranische  Sitte.  S.  Spiegel, 
Eranische  Alterthskde,  Bd.  II,  pag.  55,  Anm.  1:  „Es  scheint  in  der 
That,  dass  die  Eranier  in  alter  Zeit  die  Ausgänge  der  verschiedenen 
Kanäle  durch  Festungswerke  deckten,  um  nach  Belieben  das  Wasser 
abschneiden  zu  können.  Cf.  Herodot  UI,  117."  Vgl.  auch  Spiegel, 
Eranische  Alterthskde,  Bd.  I,  pag.  207,  wo  nach  Masudi  die 
Paradiesflüsse  als  aus  goldenen  Palästen  herabträufelnd  beschrie- 
ben werden.  Die  Festung  an  der  Einmündung  des  Hilmend  in 
das  Hämünmeer  beschreibt  Abulfeda  (trad.  par  Guyard  T.  II,  2, 
pag.  108)  also:  Citadelle  de  Täq  (^isn  at-Täq)  Täq,  dit  Ihn 
Said,  est  situSe  sur  une  haute  montagne,  pr^  du  coude  forviS 
par  la  rivüre  {de  Hindmend).  Gette  citadelle  est  tres  forte, 
in expug nable.  C'est  le  hoidevard  du  roi  de  ces  conti'Ses,  et 
cest  ta  que  les  Sidjistaniens  dSposent  leurs  trSsors.^''  Die  Be- 
zeichnung dieses  gewiss  schon  in  der  Urzeit  benutzt  gewesenen 
natürlichen  Bollwerks  als  „eherne  Burg"  {äyasi  puh)  erinnert 
an  die  Buyin  dizh,  d.  h.  die  „eherne  Festung",  in  welcher,  fem 
in  Turän  auf  der  Hochebene  Pamir  (Justi,  Beitr.  z.  alten  Geogr. 
Persiens  II,  pag.  24)  nach  Firdüsi's  Schähnäme  der  König  Arjasp 
die  beiden  Töchter  König  Gushtäsp's,  Humäi  und  Beh-äferid, 
gefangen  hält.  S.  Spiegel,  Eranische  Alterthskde,  Bd.  I,  pag.  716. 
Wie  sehr  es  übrigens  in  der  altiranischen  Anschauung  lag,  die 
Ströme  als  natürliche  Bollwerke  gegen  den  Feind  zu  betrachten, 


—    38    — 

zeigt  eine  Aeusserung  des  Bessus,  des  Mörders  des  Darius,  bei 
Curtius.  In  seiner  prahlerischen  Rede  beim  Weingeiage,  während 
er  zu  fernerem  Widerstände  gegen  den  ungestüm  vorrückenden 
Alexander  auffordert,  versichert  der  Usurpator,  er  werde  dem 
macedonischen  Eroberer  den  Oxus  als  Mauer  entgegenstellen: 
sibi  placere  in  Sogdianae  os  recedere,  Oxum  amnem  velut 
muruvi  objecturum  hostt,  dum  ex  finitimis  gentibus  vaMda 
auxilia  oceurrerent.  Darauf  erwiedert  ihm  der  erfahrene  Meder 
Cobares,  ein  Magier:  in  vestibulo  regiae  tuae  velocissimus  con- 
sistit  rex.  Ante  ille  agnien,  quam  tu  inensam  istam  movebis. 
Nunc  ab  Tanai  exercitum  äccerses^  et  armis  flumina  oppones. 
Scilicet,  qua  tu  fugiturus  es,  hostis  sequi  non  potest.  So  spricht 
auch  der  Philosoph  Seneca  (Natural.  Quaestiones  Lib.  VI,  cap.  7; 
ed.  Fr.  Haase,  T.  I,  pag.  277)  von  den  Strömen  Donau  und 
Rhein  als  Bollwerken  wider  die  Barbaren:-  hinc  Nikes  per 
aestatem  ingentes  aquas  invehit^  hinc,  qui  tnedius  inter  pacata 
et  hostilia  flaiti Danubius  ac Rhenus,  alter  Sarmaticos  impetus 
cohibens  et  Europam  Asiamque  disterminans^alterGermanos, 
avidam  gentem  belli,  repellens.  Was  den  Hilmendstrom  selbst 
betrifft,  so  schildert  ihn  der  Reisende  Malleson  (s.  Geiger,  Ostira- 
nische Kultur  im  Alterthum  pag.  92)  also:  ^,Der  Hilmend  ist 
ein  schwer  zu  überschreitender  Fluss.  Im  Juni  ist  seine 
Tiefe  etwa  drei  Fuss  und  neun  Zoll,  seine  Breite  in 
dem  breitesten  Arm  ist  siebenzig  Yards.  Der  Strom 
läuft  mit  einer  Schnelligkeit  von  drei  Meilen  in  der 
Stunde.  Zu  veilen  muss  man  sich  einer  Fähre  bedienen. 
In  Karamanien  verzeichnet  Ptolemaeus  VI,  8,  4  den  Fluss 
lAxivdävag  noTüfiog,  der  bei  Marc.  Heracl.  periplus  mar.  exter.  I» 
27  auch  l/4xiddvctg  nora^iog  heisst.  Die  Foi*m  entspräche  genau 
dem  vedischen  ahihän,  der  Schlau gentödter,  d.  h.  Indra  als  Tödter 
des  Vritra.  In  der  von  Ptolemaeus  überlieferten  Form  '^//vda- 
vag  hätten  wir  eine  Form,  die  regelrecht  einer  im  Veda  aller- 
dings nicht  vorkommenden  Form  *ahim-h/ma  entspräche,  deren 
erster  Theil  aus  dem  vom  Verbum  Jum  abhängigen  Accusativ 


-     39     — 

sing,  gebildet  wäre.  Auch  das  den  zweiten  Theü  des  Composi- 
tums  bildende  öava  ist  ans  vedischem  Sprachgut  nachweisbar 
und  zwar  gerade  aus  dem  des  Agastya,  dessen  Sprache  ich  in 
meinem  Iran  und  Turan  pag.  63 — 66  als  halb  iranisch  nachge- 
wiesen habe,  wie  er  sich  mir  ebendort  pag.  66—70  ethnologisch 
als  Sagaiiier  ergeben  hat.  In  seinem  Hymnus  auf  Indra  Rigv.  I, 
174,  2  lautet  der  erste  Päda:  ddno  vCga  indra  mridhrdväcah.  Hier 
erklärt  nun  der  Commentator  Säyana  danah  mit  adamaijah  und 
lügt  unter  andern  Abenteuerlichkeiten  (wie  z.  B.  es  könne  durch 
Buchstabenversetzung  auch  anadali  „du  schriest  an"  sein)  noch 
geflissentHch  hinzu  damer  idavi  rüpam  „es  ist  das  eine  Form  der 
Wui-zel  dam,  bändigen.'*  Diese  Erklärung  kommt  dem  Richtigen 
zweifellos  näher  als  diejenige  von  Böhtlingk-Roth  und  Grassmann, 
die  zwar  eine  Wurzel  dan  aufeteUen,  derselben  aber  die  Bedeu- 
tungen gerade  sein,  zurechtweisen  zuschreiben.  In  Wurzel 
dan  erkenne  ich  die  regelrechte  iranische  Vertretung  einer  als 
Verbum  finitum  im  Sanskrit  zwar  nicht  mehr  nachweisbaren,  aber 
aus  Nominalbildungen  erschliessbaren  Wurzel  *dhan,  die  eine 
Parallelbildung  von  Wurzel  fian,  tödten,  ist  und  z.  B.  dem  Substan- 
tiv dhana,  n.,  der  Kampfpreis,  die  Beute,  der  Wettkampf,  der  Kampf, 
\*ielleicht  auch  dem  Substantiv  dhdnus,  dhänvariy  n.,  der  Bogen,  zu 
Grunde  liegt.  Die  obige  RigvedasteUe  wurde  also  bedeuten:  „Du 
hast,  0  Indra,  die  Schmäher  getödt^t."  SoUte  sich  diese  Etymologie 
des  Flusses  lAxivdävag  bestätigen,  so  würde  sie  von  grossem 
Werth  aus  dem  Grunde  sein,  weü  sie  in  Karamanien  ein  halb 
iranisches,  halb  indisches  Element  voraussetzen  Hesse,  insofern 
die  Gutturalform  l4yL  nur  auf  sanskritarische,  die  Form  dan, 
wennsie  =  dhan^  hau  ist,  nur  auf  iranische  Provenienz  schliessen 
lassen  würde,  die  rein  iranische  Form  müsste  *l4uvddva  lauten, 
entsprechend  der  Zendform  azhi  =  skt.  ahi\  Schlange. 

Vor  dem  Regienmgsantritt  des  Königs  Kai  Kobäd  waren 
Afrasiabs,  des  turanischen  Eroberers  Heere  bis  Zäbulistan  (Kabul) 
und  Sistan  (Sedschestan)  vorgedrungen.  Nach  dem  Bundehesh, 
der  Rehgionsencyclopädie  der  Sassaniden,    kam  Afrasiab   aucli 


—     40     - 

an  den  Fluss  Vaca^if  wie  Justi  im  Bundehesh  53,  13  für  das 
wahrscheinlich  verschriebene  Vadha^ni  oder  Vataeni  Wester- 
gaards  corrigiren  will  (Beitr.  z.  alten  Geogr.  Persiens  II,  13). 
Diesen  Fluss  sucht  Justi  ebenfalls  im  Gebiet  des  Hämünsees. 
S.  übrigens  die  Bundehesh-Stelle  unten  Abthlg.  III  in  der  Ab- 
handig über  Suplan  Sahadeva.  Ich  glaube,  die  Form  Vaca^ii 
durch  eine  Angabe  des  Procopius  bestätigen  zu  können.  Im 
Bellum  Gothicum  IV,  10  nämlich  (Corpus  Script.  Hist.  Byz.  ed. 
Niebuhr,  Pars  II,  Procopius  T.  II,  pag.  504)  berichtet  der 
Byzantiner  Folgendes:  latt  de  rig  tv  Jltgaaig  OvaCatvrj  x^Q^" 
ayad-rj  /ndkioTaj  ov  dtj  noXig  BrjXanaTcov  xakovfuivri  naleitaif 
ema  rnnsQiöv  oöoj  KzriGKpwvTog  ötexovoa.  Die  7  Tagereisen 
sind  wohl  nur  eine  zahlensymbolische  Bezeichnung  der  weiten 
Entfernung  der  Landschaft  Vacatni  von  der  Sassanidenhaupt- 
stadt  Ktesiphon,  ihre  ausserordentliche  Fruchtbarkeit  würde  vor- 
züglich zu  Sedschestan  passen;  vgl.  über  dieselbe  mein  Iran  und 
Turan  pag.  131.  Die  Stadt  Belajyaton  oder  Bilapaton  ist  mir 
nicht  nachweisbar.  Oder  liegt  im  Namen  dieser  Stadt  etwa 
das  Chaldäerdorf  Bilahi  bei  Amadia  in  den  Vorbergen  Kurdi- 
stans verborgen?  Ueber  dasselbe  s.  Ritter,  Asien  Bd.  XI,  592. 
594.  Alsdann  würde  die  Entfernung  ungefähr  stimmen  und 
wir  hätten  in  Ovall,divri  (=  Vaca^ni)  nur  die  Bestätigung  eines 
nach  dem  Westen  verpflanzten  Namens  Vacahii^  wenn  nicht 
umgekehrt  das  östliche  Vacüeni  eine  Verpflanzung  des  vielleicht 
ursprünglicheren  westlichen  ist. 

Unter  den  vielen  Flüssen,  die  den  Namen  Rasa  führen, 
erwähnt  der  Rigveda  in  dem  berühmten  Loblied  auf  die  Flüsse 
X,  75,  6  auch  eines  solchen,  der  ofi^enbar  einen  der  Zuflüsse  des 
Käbulstromes  bildet.  Katalogs  weise  werden  da  hinter  einander 
aufgeführt  die  Trishtamayä,  die  Susartu,  die  Easd,  die  ^vetyä, 
dann  die  Sindhu  mit  der  Kubhä  (dem  Käbulstrom),  die  Gomati 
(Gomal),  die  Krumu  (der  Kuram)  und  die  Mehatnu.  Ich  glaube 
nun,  die  hier  aufgeführte  Rasa  aus  folgender  Stelle  von  Arrians 
Beschreibung  des  indischen  Feldzugs  Alexanders   des   Grossen 


—     41     — 

nachweisen  und  localisiren  zu  können.  Arrian  berichtet  nämhch 
IV,  30,  5  (ed.  Sintenis,  T.  II,  pag.  60):  ^.AQCtq  tJ'  h.  Tiig  nizgag 
ig  Tr^v  'u4ooay.r^v(üv  ywqav  B^iß6).Xti.  Die  nirga  ist  die  steil 
abfallende  Südwand  des  Hindukush,  der  Fluss  ^L4Qag  erinnert 
mit  seinem  Vorschlagsvocal  an  die  iranische  Form  des  Namens 
der  Rasa,  nämlich  Aranhd,  Arang. 

Aus  Arrian  wird  uns  auch  der  Flussname  ld/.eoivr^g  durch- 
sichtig. Im  Rigveda  heisst  der  Fluss  Asikni^  scheinbar  ein 
Femininum  von  asita^  schwarz.  Aber  offenbar  liegt  in  Asikni 
eine  alte  Volksetymologie  für  einen  unverständlich  gewordenen 
vorhergehenden  Namen  vor.  Denn  der  heutige  Name  des 
Flusses  Tschmdb,  konnte  niemals  aus  Asikni  hervorgehen,  son- 
dern stimmt  ^äelmelir  zu  dem  Namen,  den  die  Griechen  Alexan- 
ders hörten :L^y.£ami?.  Der  Anklang  dieses  Namens  an  griechisch 
axelv,  heilen,  ist  sicher  ganz  zuföllig.  Hätten  auch  die  Griechen 
den  von  ihnen  gehörten  Namen,  wenn  er  Asikni  gelautet  hätte, 
volksetymologisch  in  einen  ihnen  besser  zusagenden  L^xfiatVijg  um- 
gewandelt, so  ist  doch  nicht  entfernt  daran  zu  denken,  dass  ihnen 
die  Inder  darin  gefolgt  wären.  Vielmehr  ist  anzunehmen,  da.ss 
der  lungekehrte  Name  lA/.Eoivr^g  in  der  That  der  echte,  einhei- 
mische, bodenständige  Name  war.  Dann  erklärt  sich  auch  der 
moderne  Name  Tschmdb,  dessen  zweite  Sylbe  einfach  das  persische 
db^  Wasser, Fluss  ist  und  dessen  erster  Theil  Tschin  aus  einem  älteren 
*\Ä^^C€sin^  ^A'^ksin  wirklich  hervorgehen  konnte.  Lautete  aber  der 
ursprüngliche,  einheimische  Name '4x£ffii/ijg,  so  können  wir 
uns  nunmehr  umsehen,  welcher  Provenienz  derselbe  gewesen  sein 
mag.  Nun  berichtet  Arrian  in  der  Anabasis  III,  8,  4  (und  dann 
noch  eiomal  UI,  11,  4),  in  der  Schlacht  von  Gaugamela  seien  mit 
den  Medem  unter  dem  Oberbefehl  des  Atropates  auch  die  Kadusier, 
die  Albaner  und  die  Sakesiner  gestanden:  ^vveidzTovco  de  Mr]- 
öoig  Kaöovaioi  re  /.cci  IdXßavoi  y.al  ^a/.eoivai  und  III,  11,4:  xai 
Mröoi  Sil  v.axa  tö  öe^iov,  ini  öi  ITaQ^vaioi  y.ai  ^dyMi,  f.nt 
ÖS  TdnovQOL  y.ai  '^Yoy.avioi,  eni  öe  uiXßavoi  /.cd  Uay.aoirai, 
ovToi  ftiv  eore  inl  xo  /.leoov  ri^g  näor^g  cpcc?.ayyog.   Die  2ay.€oivai 


—     42     — 

erscheinen  hier  in  der  landsmannschaftlichen  Heeresaufstellung 
der  Perser  als  mit  den  Albanern  und  Kadusiern  benachbart. 
Die  Albaner  sassen  aber  an  den  Mündungen  des  Kur  und  des 
Araxes,  woselbst  also  auch  die  Wohnsitze  der  ^ciy.eoivui  gewesen 
sein  müssen.  Erscheint  nun  ^AyAöiring  als  Flussname  des  Pand- 
schab,  so  ist,  nach  Analogie  der  Provenienz  der  geographischen 
Namen  des  Pandschab  aus  dem  iranischen  Westen,  in  letztem 
Hintergrund  aus  den  Südabhängen  des  Kaukasus  (vgl.  die  Wan- 
derung der  Ka9yapa-/iCa(T7r/ot  in  meinem  Iran  und  Turan  pag. 
51 — 63),  so  ist  der  Schluss  berechtigt,  dass  *2Ja/.eoivrj<;  wohl 
auch  einen  der  Flüsse  der  Kur-Araxessenkung  bezeichnet  haben 
mag.  Nehmen  Avir  den  Fluss  l^/.eoivrig  auf  der  Insel  Sicilien 
bei  Thukydides  IV,  25  hinzu,  so  haben  wir  eine  fernere  Ana- 
logie zu  der  Wanderung  arischer  Flussnamen  aus  Transkaukasien 
einerseits  nach  dem  fernen  Iran  und  Hindostan  im  Osten,  ande- 
rerseits nach  Hellas  und  Grossgriechenland  im  fernen  Westen, 
eine  Wanderung,  die  ich  an  den  Namen  des  Kur  und  Araxes 
schon  1884  in  meiner  als  Vortrag  erschienenen  Abhandlung 
„Ueber  den  Ursitz  der  Indogermanen"  nachgewiesen  habe.  Die 
Form  ^ccAtoirai  (resp.  der  Flussname  *-a/(€a/vjjc)  erschiene  als- 
dann als  ursprüngliche,  noch  auf  indogermanischer  Lautstufe 
stehende,  wogegen  die  Form  ldy,eoiv7\g  im  Pandschab  und  in 
Sicilien  als  Vertretung  eines  nach  iranischem  Lautgesetz  bereits 
der  Umwandlung  des  Anlauts  s  in  h  verfallenen  ^Hakesines, 
dessen  h  dann,  wie  häufig  ebenfalls  noch  eingebüsst  worden 
wäre,  zu  betrachten  sein  würde.  Dass  aber  iranische  Flussnamen 
sogar  in  Hindostan  vorkamen,  beweist  z.  ß.  der  Name  des  Neben- 
flusses des  Ganges:  l^yÖQavi  bei  Arrian,  Indica  IV,  2  (s.  Mega- 
sthenis  Indica  ed.  Schwanbeck,  pag.  107).  Denn  l^yooavtg  oder 
l4yvoav ig  int  nur  aus  dem  Namen  der  zarathustrischen  Wasser- 
göttin Ähuräni  „Tochter  des  Ahura"  zu  erklären,  über  welche 
ausführlich  Spiegel,  Bramsche  Alterthskde,  Bd.  II,  pag.  24. 

Unter  den  übrigen  bis  jetzt  unerklärten  Flüssen  des  Pan- 
dschab ist  durch  seinen  vedischen  Namen  interessant  der  TovTCtnng 


—     43     — 

bei  Aman,  Indica  IV,  9  (Megasthenis  Indica  ed.  Schwanbeck 
pag.  lOS)  Tovtanog  de  fuyag  noia^ihg  ig  Tov^Ay.£oivr^v  e/.didol. 
Dieser  Nebeufluss  des  Akesines  repräsentirt  nämlich  nach  meiner 
Ansicht  das  vedische  Adjectiv  düdabha  von  dtish+dabha,  vedisch 
gewöhnlich  geschrieben  dulabha.  Ueber  die  Bildung  des  Wortes 
s.  die  Literatur  der  Sanskritgrammatiker  in  Böhtlingk-Roths  Sans- 
kritwörterb.,  Bd. III,  pag.  716.  Das  Wort  wird  übersetzt, schwer 
zutäuschen  und  ist  Attribut  des  Daksha,  der  Devds,  des  Agni  und 
Varxinas.  Der  Xame  des  Flusses  ist  w^ohl  einfach  aus  dem  ver- 
selbständigten Attribut  eines  Gottes  hervorgegangen,  wahrschein- 
lich des  Varuna,  der  ja  auch  Gott  der  Gewässer  ist,  wobei  dann  die 
ursprüngliche  Bedeutung  dieses  Attributes  nicht  mehr  in  Frage 
käme.  Anhaltspunkte  für  diese  Annahme  könnte  man  in  der  ähn- 
lichen Verwendung  des  Namens  der  „Tochter  des  Ahura"  zu  dem 
Flussnamen  i^yngavig,  l^yvgavtg,  des  ^Axivddva  als  Aliihdn  zur 
Benamung  des  karmanischen  Flusses  l^xivöarag  oder  des  Bhagi- 
ratha  zur  Benennung  des  Flusses  Baycdöag  in  Karmanien  oder 
der  Bhagirathi  als  Name  der  Gangä  finden.  In  Rigveda  II,  28,  8 
figurirt  das  Attribut  dulabha  völlig  für  den  Namen  des  Gottes 
Varuna: 

ndmah  purä  te  varunotd  nündm 
lUdparam  tumjäta  braväma  \ 
tvS  hl  ham  pdrvate  nd  gritäni 
dpracyutäni  dulabha  vratäni  ||  8  || 

,  Deinen  Preis  möchten  wir  aussprechen  in  Vergangenheit 
Gegenwart  und  Zukunft,  Gewaltiger,  denn  in  dir,  o  Schwerzu- 
täuschender, als  in  einem  Berge,  beruhen  die  unerschütterKchen 
Satzungen." 

So  auch  ßigv.  VII,  86,  4: 

Keim  dga  äsa  varuna  jySshiham 
ydt  stotdram  jighdnsasi  sdhhdyam  \ 
prd  tan  me  voco  dulabha  svadhdvo 
'va  ivdnend  ndmasd  turd  lydm  ||  4  || 


—     44     — 

„Was  war  doch,  Varuna,  die  ärgste  Sünde,  dass  du  den 
Dichter,  deinen  Freund,  mit  Schlägen  heimsuchst.  Wohlan,  sage 
mir  das,  Untrüglicher,  Selbstherrlicher,  ich  möchte  ohne  Sünde 
eifrig  mit  Verehrung  vor  dich  treten." 

Der  Fluss  wird  hervorgehoben  als  /tiiyag  noxat^og,  es  wäre 
also  ganz  gerechtfertigt,  wenn  derselbe  den  Namen  des  höchsten 
Gottes  erhalten  hatte.  Bezüglich  der  Consonanz  würde  man  im 
Griechischen  eher  *zJovdaq)og  oder  ^Jovöanog  erwarten,  vgl. 
aber  den  mit  TovTano(^  zugleich  aufgeführten  Namen  des  Flusses 
Knvdnxortrig,  in  welchem  schon  Lassen  und  Schwanbeck  (Mega- 
sthenis  Indica  pag.  35)  die  indische  Gandhakavati  erkannt 
haben,  Schwanbeck  erblickt  übrigens  in  Tovianog  die  Qatadru, 
den  Sedletsch  (Megasthenis  Indica  pag.  33). 

Die  7.  Mündung  des  Indus  führt  bei  Ptolemaeus  VII,  1,  2 
den  Namen  yliovißaQe.  Dieser  Name  entspricht,  in  präkritischer 
Abschleifung,  dem  Sanskritadjektiv  lavanäväri  „salziges  Wasser 
habend".  Böhtlingk-Roth  im  Petersburger  Sanskritwörterbuch 
Bd.  VI,    pag.  520   führen  mehrere  Flüsse  Namens  Lavant  auf. 

In  „Vom  Pontus  bis  zum  Indus"  pag.  119  hatte  ich  gezeigt, 
■wie  die  Sita  als  alter  Yaxartes,  ähnlich  wie  die  Rasä^  nach  dem 
Abzug  der  Sanskrit- Arier  aus  Iran,  in  Indien  zum  Himmels- 
strome umgedeutet  worden  war.  Es  hatte  sich  uns  dann  ebendas 
pag.  121  gezeigt,  dass  ein  alter  Name  des  Oxus  einst  Vasu,  der 
Gute,  gewesen  sein  muss,  da  in  Firdusi's  Schähnäme  der  Oxus 
Veh  heisst,  der  auf  zend  Vanhu  =  skt.  Vcisu  zurückgeht.  Als 
nun  nach  der  Eroberung  Indiens  für  diesen  Vasu  keine  An- 
schauung, wohl  aber  noch  mannigfache  Erinnerung  in  der  Hel- 
densage vorlag,  wurde  auch  dieser  Strom  Vasu  zunächst  auf 
die  Qangä  bezogen,  diese  ehemalige  Gangä  aber  ebenfalls  im 
mythischen  Himmelsstrome  gesucht.  Und  so  finden  wir  denn 
im  Mahäbhärata  XIII,  3789  die  Vasor  dhdrä,  den  Strom  des 
Guten  (skt.  adj.  vasu,  gut): 

prasädd  yatni  sauvarnä   Vasor  dhdrä  ca  yatra  ca  \ 
gandharvdpsaraso  yatra  tatra  yanti  sahasradd  |j 


—     45    — 

„Wo  die  goldenen  Gnadengeschenke  und  der  Strom  der 
Güter  (die  Vasor  dhdra),  wo  die  Gandharven  und  Apsarasen 
wandeln,  da  spenden  sie  tausendfältig."  S.  die  Stelle  in  Böht- 
lingk-Roths  Sanskritwörterbuch ,  Bd.  VI,  pag.  847.  War  der 
Oxus  das  Prototyp  für  die  Gangä  gewesen,  so  zwar,  dass  alle 
Namen  der  Gangä  ursprünglich  auf  den  Oxus  bezogen  werden 
müssen,  so  führt  nach  meiner  Auffassung  in  „Vom  Pontus  bis 
zum  Indus",  pag.  123  auch  Alaka-nandd,  ein  anderer  Name 
der  Gangä,  auf  den  Arg  oder  Arag  rud,  d.  h.  eben  den  Oxus 
zurück.  Alsdann,  wenn  der  Oxus  in  Urzeiten  selbst  den  Namen 
Gangä  gehabt  hätte,  würde  es  begreiflich  sein,  wenn  alte  Bibel- 
erklärer in  demselben  den  Paradiesesstrom  Gihon  erkennen. 

Endlich  ein  mythischer  Fluss  Altindiens !  In  des  Palladius  apo- 
krypher Abhandlung  de  Bragmanibus  in  des  Megasthenes  Indica 
(ed.  Schwanbeck  pag.  158)  spricht  der  Weise  Dandamis  zu  One- 
sikrates:  l^it^avÖQog  öi  d^sog  ol'/c  iariv  siöcog  arco^^vr^o■/.elv' 
niög  navTCüv  iozl  öeonoTr^g,  6g  ov  nag^ld^e  noxaiibv  TißsQO- 
ßodf^,  oid'  slg  x6<Jftov  oXov  top  avtov  d-govov  ra&si/.ev;  xai 
IdXe^avÖQog  ovöi  tiuv  sv  aöov  oidtno)  nagr^X^ev ,  ovdi  trß 
(.leoonoQBiag  r^llov  olöe  tov  6q6/.iov,  yial  {.led^oQioig  /.agvocpo- 
QOig  avvOia  (?)'  ovdi  yivwaxsi  airov  tö  bvoua.  Ambrosius 
in  seiner  Paraphrase  des  PaUadius  (Megasthenis  Indica  ed. 
Schwanbeck  pag.  158)  giebt  diese  Stelle  so  wieder:  Alexander 
vero  non  est  deus,  qui'a  et  ipse  moriturus  est.  Quemadmodum 
igitur  potest  esse  omnium  dominus,  qui  nondtim  Tybero- 
boam  f  luv  tum  transfretavit^  neque  per  totum  mundum 
sedeni  suam  locavit,  non  zonam  Gadeni  transiit,  non  in  medio 
oi-bis  cursum  solis  aspexit'l  In  diesem  eigenthümlichen  Gespräch 
des  Palladius  liegen  echt  altindische  Ueberlieferungen  vor,  unter 
denen  uns  aber  nur  der  mythisch-geographische  Name  des 
Tißsgoßodg  und  der  historisch -geographische  von  avvd-la  be- 
schäftigen sollen.  „Euer  Alexander  kann  nicht  ein  unsterblicher 
Gott  sein,  erklärt  der  Brahraane,  denn  er  hat  noch  nicht  über 
den  Strom  Tiberoboas  gesetzt."  Der  TißeQoßodg  oder  Tyberoboas 


—    46     — 

war  nach  des  Inders  Glaubensansicht  der  die  Welt  der  sterb- 
lichen Menschen  von  der  der  unsterblichen  Götter  trennende 
Weltstrom,  eine  Art  indischen  Okeanos,  jenseits  dessen  Elysium 
und  die  Welt  der  Seligen  beginnt.  Wir  kennen  diesen  Welt- 
strom und  die  sich  an  denselben  knüpfende  Vorstellung  seiner 
Unübersetzbarkeit  recht  wohl  als  die  Rasa  des  Veda.  In  dem 
Zwiegespräch  zwischen  der  Götterbotin  Saramä  und  den  im 
dämonischen  Zwitterschein  schwankenden  Panis  jenseits  der 
Rasa  fragen  die  Letztern  die  Saramä  sofort  (Rigveda  X,  108,  1): 
katkdm  rasäyd  atardh  pdyänsi  „wie  hast  du  über  die  Gewässer 
der  Rasa  gesetzt?"  Die  Frage  setzt  voraus,  dies  sei  eigentlich 
gar  nicht  möglich.  Die  Unmöglichkeit,  diesen  als  Weltmeer 
gedachten  Weltstrom  zu  durchkreuzen,  ergiebt  sich  aus  den 
Ausdrücken  der  lateinischen  Paraphrase,  die  neben  dem  ihr  zu 
Grunde  liegenden  Text  des  Palladius  noch  aus  andern  uns  nicht 
erkennbaren  Quellen  geschöpft  haben  mag,  aus  den  Ausdrücken: 
transfretavit,  non  zonam  Gadem  transiit.  Das  Verbum  transfre- 
tare  bedeutet  immer  nur:  übers  Meer  fahren,  und  die  Fahrt 
über  die  Zone  Gades  hinaus,  wenn  sie  zunächst  auch  nur  eine 
Wendung  ist,  mit  welcher  der  Lateiner  sich  den  Weltstrom  zu- 
rechtzulegen sucht,  beweist  wiederum,  dass  man  sich  den  Tybe- 
roboas  als  den,  den  Erdkreis  umfliessenden,  Weltstrom  Okeanos 
vorstellte,  was  wiederum  mit  der  altindischen  Vorstellung  über- 
einstimmt, die  Rasa  ströme  rings  um  das  bewohnte  Festland 
der  Erde  herum,  vgl.  darüber  mein  Iran  und  Turan  pag.  SO. 

Sehen  wir  uns  nunmehr  nach  der  Etymologie  des  Namens 
Tyberoboas  um,  so  ergiebt  sich  aus  der  lateinischen  Form,  dass 
ursprünglich  für  Tf/?£po/Jdag  gestanden  haben  muss*7t/9£ßO/?o'ag. 
Damit  sind  wir  auf  die  richtige  Fährte  geleitet.  Ich  halte  für 
das  Etymon  des  Namens  des  Weltstromes  Txjberoboas  das  vedische 
Adjektiv  tuvirdva,  das  auch  in  der  erweiterten  Form  tumrdvant 
vorkommt.  Es  ist  diese  zweite  Form,  die  dem  Namen  zu 
Grunde  liegt.  Das  Adjektiv  bedeutet  nach  Böhtlingk-Roth  Sans- 
kritwörterb.,  Bd.  III,  pag.  372:  mächtig  brüllend,  dröhnend, 


—     47     — 

nach  Grossmann:  mäclitig  tobend,  zusammengesetzt  aus  dem 
Adverb  tuvi^  mächtig,  stark,  und  ravci  von  Wurzel  r«,  brüllen. 
Die  Form   tuviravanf   steht   nach  Böhtlingk-ßoth    für   älteres 
tuvirava-vant   „mit  mächtigem  Gebrüll  ausgestattet"  und  diese 
ursprünglichere  Form  des  Adjektivs  ist  es,  die,  ^enn  wir  für 
das  Suffix  vant  das  dasselbe   häufig  vertretende  kürzere  Suffix 
va   setzen,    in  der  Form  tvvlrava-va  Sylbe  für  Sylbe  dem  vor- 
auszusetzenden   ursprünglichen    *TvßtQoßoäg    entspricht.     Das 
Adjektiv  tuvirava   begegnet  Rigveda  X,   99,   6  und  bezeichnet 
dort  den  Däsa  mit  drei  Köpfen  {tri^rsliaii),  den  Wetterdämonen 
Ahi  Vritra.     Im  Liede  X,  64,  4  und  16  ist  es  Attribut  zu  havi, 
Dichter,  Weiser.     In  Strophe  4  fragt  der  Liedverfasser: 
hathd  kavis  tuvirdvän 
kaifä  gird  bj-ihaspdtir 
vävridhate  suvriktihhih  \ 

»Wie  konnte  wohl  der  weise,  der  mächtig  dröhn  ende,  mit 
welchem  Liede  Brihaspatir  preisend  erhoben  werden?" 

In  der  Rede  des  Dandamis  erfordert  nun  noch  die  Bemer- 
kung ihre  Aufklärung:  ovde  if^g  fiaooTiogeiag  i]).iov  oide  lov 
doofiov,  y.ai  fied^ogioig  y.aQvotpoQoig  avv&la:  Alexander  kenne 
weder  den  Lauf  der  Aequatorialsonne,  noch  die  angrenzenden 
gewürznelkentragenden  oird^ia.  Ich  möchte  in  aivO^ia  einen 
Ortsnamen  erblicken,  ^ivd^ia  schreiben  und  darin  die  Sunda- 
Inseln  erkennen.  Der  zweite  Theil  des  Wortes  d^uc  hätte  wohl 
sein  Analogon  in  Xayüdißa  und  ^sXirdißay  Ceilon,  labadiu, 
Java,  oder  den  modernen  ^Idlediven  und  Lakka<:?^r«^ ,  diva  = 
skt.  dvipa,  Insel.  Die  Stelle  wäre  wohl  das  älteste  Zeugniss  für 
den  Namen  der  Sunda-Inseln,  wie  andererseits  auch  von  einem 
Seeverkehr  der  Inder  mit  den  östlichen  Gewürzinseln. 

Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich  die  Frage  erheben,  ob 
nicht  fiir  Kcarr/aga  bei  Ptolemaens,  worin  man  gewöhnlich  die 
Stadt  Kanton  sucht,  zu  schreiben  wäre  KazxixaQa,  das  die  regel- 
rechte Vertretung  des  gewöhnhchen  Kaaaizfoa,  {/.axxitTeoog, 
Zinn)  wäre,  der  Kassiteriden,  in  denen  ich  in  „Vom  Pontus  bis 


—    48     — 

zum  Indus"  pag.  15 — 17  nach  der  Angabe  des  Stephanus  von 
Byzanz  die  beiden  Zinninseln  Banka  und  Billiton  nachgewiesen 
habe.  Nach  Ptolemäus  soll  KaxziyaQa  unter  dem  10.  Grad 
südlicher  Breite,  also  mit  Jabadiu,  Äa^ac^eme  unter  demselben 
Parallel  liegen,  was  doch,  selbst  wenn  wir  die  bekannten  Verzer- 
rungsverhältnisse des  ptolemäischen  Weltbildes  in  Rechnung 
bringen,  für  Kanton  unmöglich  passen  könnte,  das  bei  Ptole- 
maeus  etwa  unter  dem  Parallel  von  Meroe,  also  16^  25'  nörd- 
licher Breite,  gesucht  werden  müsste.  Unter  dem  10^  südlicher 
Breite  setzt  KartiyaQa  auch  Kiepert  in  seinem  Atlas  antiquus 
auf  der  Erdtafel  des  Ptolemaeus  an_,  im  Lehrbuch  der  alten 
Geographie  aber  (pag.  44,  §  44,  Anm.  2)  sucht  er  es  merkwür- 
digerweise in  der  „Gegend  der  mittalterlichen  grossen  Hafenstadt 
Chan-fu  oder  des  heutigen  Hang-tschau-fu ,  nahe  südlich  der 
Mündung  des   Yang-tse-Kiangy 

5.    Eine  falsclie  Namenslesart  im  Ammianns  Marcellinus 
XXIV,  6,  12  (ed.  Gardtliausen,  T.  H,  pag.  24). 

Kaiser  Julian  rückte  im  J.  363  n.  Ch.  cum  Piffrane  et  Su- 
rena  et  Narsaeo  potissimis  ducibus  ad  usque  Ctesiplwntis  viuros 
egi't  etc.  So  nämlich  liest  der  neueste  Herausgeber  des  Ammian, 
ohne  die  Lesart  Tigrane  der  Handschriften  b  g  a  zu  würdigen 
Ein  Pigranes  ist  aber  ein  Unding,  so  sehr,  wie  es  etwa  ein 
*Turena  wäre.  Offenbar  liegt  hier  eine  handschriftliche  Ver- 
schreibung  eines  7'  in  U  vor,  was  auch  sonst  wiederkehrt.  So 
begegnet  im  Itinerarium  Ant.  pag.  38:  Ti.yava  (rj  Uiyava  r^ 
Tlr^yava  rj  Ilrjyaßa),  wahrend  in  Plinius  Büst.  Nat.  V,  2,  1,  21 
Ttgaua  castra  gelesen  wird  und  Ptol.  IV,  2,  20  Tigauae,  Castell 
in  Mauretanien,  hat. 

6.  Der  Stadtname  Herakleia  in  Iran. 

In  der  Nähe   von  Rhagae  in  Medien  lag  die   Partlierstadt 
'HQccyileia.     An    Herakles    zu  denken,   verbietet   der  iranische 


—     49     — 

Charakter  der  Stadt,  die  gewiss  schon  bestand,  bevor  griechischer 
Einfluss  nach  Pai-thien  reichte.  Ich  erblicke  in  'HgdyJ.Eia  ein 
iranisches  Airyakälaya  =  Äiiyaka-\-älaya  , Wohnung  der  Arier" 
Arierheim.  Wahrscheinlich  werden  noch  eine  ganze  Reihe  anderer 
'^HQct/.Xeut,  wenn  nicht  vielleicht  alle,  auf  diese  Etymologie  zu- 
rückgeführt werden  müssen.  V^gl.  riav&iaXaJoi  =  Pancäla  im 
Sinne  von  *panthi-\rdlaya  „Meeranwohner**  in  Vom  Pontus  bis 
zum  Indus  pag.  37. 

7.  Bas  karpathisclie  Meer. 

BekanntKch  heisst  das  karpathischeMeer(Äao7ra^fov  7ts).a~ 
yog)  bei  Herodot  III,  45  einfach  Kagnad^og,  welcher  Name,  als 
der  unabgeleitete,  offenbar  der  ältere  ist.  Das  karpathische  Meer 
reichte  nach  Strabon  II,  5,  21  (ed.  Müller  pag,  102,  43  Kagnä- 
i^LOV  (TC€?Myog)  fiexQi  ttjs  ^Pödov  /.ai  Kor^r^g  /.ai  Kvtiqov  y.at 
Tiüv  TiQüniov  (XBQiöv  tilg  l4aiag)  von  der  Ostspitze  Kretas  bis 
hinüber  nach  Kypros,  nach  andern  allerdings  nur  bis  Knidos. 
Reichte  es  nach  Strabon  bis  Kypros,  so  bespülte  es  seiner  ganzen 
Länge  nach  die  Küsten  karischer  Niederlassungen,  vom  eigent- 
lichen Karien  bis  hinüber  nach  Kilikien.  Es  wird  demnach 
wohl  auch  seiu  Name  aus  karischem  Sprachgut  erklärt  werden 
müssen.  Die  Karier  aber  waren  (s.  Vom  Pontus  bis  zum  Indus 
pag.  13)  Arier,  deren  Sprache  bald  sanskrit-arische,  bald  iranische 
Elemente  erkennen  lässt.  Von  diesem  Standpunkt  aus  ergiebt 
sich  dann  für  KaQuad^og  ein  arisches  kara-patJia ,  das,  wie  die 
Form  Kgdna^og  (Ilias  U,  676)  für  die  Insel  Karpathos  beweist, 
bald  das  inlautende,  bald  das  auslautende  a  von  kara  einbüssen 
konnte.  Dann  aber  bezeichnete  der  Name  Kdona^og,  Kodrca- 
^og,  wenn  wir  in  kara  zendisches  kara,  der  Fisch,  und  in  patlia 
das  arische  patha  erkennen  (vgl.  ^atapathä,  seil.  Brähmana, 
das  Brähmana  der  hundert  Pfade)  den  ,Pfad  der  Fische." 
Diese  sehr  poetische  Benennung  hat  ihr  entsprechendes  Analogon 
im  zendischen  vis-pathan,  der  Weg  der  Vögel,  von  den  höchsten 

Brunnhofer,  Vom  Aral  bis  zur  Gangä.  4 


—     50     — 

Berggipfeln,  wo  der  Haoma  (Soma)  wächst  (s.  Justi  Zendwörterb. 
pag.  277).  Dieses  Wort  hat  übrigens  seine  Vertretung  schon 
im  Rigveda,  wo  es  (I,  25,  7)  von  Varuna,  dem  allwissenden 
Weltherrscher  heisst: 

vSdd  y6  vinäm  paddm 

antdrikshena  pätatdm  \ 

vSda  nävdh  samudriyah  |[ 

„Er  der  den  Pfad  der  Vögel  kennt. 
Der  durch  den  Luftraum  fliegenden, 
Er  kennt  die  Schiffe  auf  dem  Meer." 
Der  Name   des   Karpatheugebirges   hängt   mit    KccQTtaÜ^og 
nicht  zusammen,  sondern  gehört  zum  Namen  der  üarpi,  die  die 
Südabhänge  seiner  nördlichsten  Biegung  bewohnten. 


III.  Centralasiatisclie  und  indisclie 
Landscliaftsnameii. 

1.   Der  See  Ära  der  Kausliitaki-Upauisliad  und  der 
Aralsee. 

In  derBesclireibung  derBralimawelt  {brahmaloha)  erwähnt  das 
10.  Buch  der  Chandogya-Üpanishad,  deren  Zergliedenmg  zuerst 
Weber  in  den  Indischen  Studien,  Bd.  I,  pag.  270  gegeben  hat,  als 
Mittel  zur  Erkenntniss  des  Allgeistes,  des  brahman,  und  folglich  zur 
Erlangung  der  Brahmawelt,  das  aranyäijanam,  das  In-den- Wald- 
gehen. Denn  durch  dasselbe  erlangt  man  die  beiden  Seen  ara 
imd  nya^  welche  in  der  Brahmawelt  im  dritten  Himmel  von  hier 
{trüryasyäm  ito  divi)  sind,  ebenso  wie  das  airammadiyam  saras, 
der  aqvattha  somasavana,  die  apardjitä  pur  des  braliman,  dessen 
goldener  Palast  prabhu  {vimüam  Juranmayam). 

Auch  die  Kaushitaki-üpanishad  (s.  Weber,  Ind.  Stud.  Bd.  I, 
pag.  396)  weiss,  dass  die  Welt  des  Brak  man  von  einem  See 
{hrada)  Namens  Ara  umgeben  ist,  an  dessen  anderm  Ufer  die 
verlornen  Stunden  {yeshtihd  muhürtä)  sich  befinden,  darauf 
folgt  der  alterlose  Strom  (vijard  nadi^  der,  nach  Cankara, 
dem  Commentator,  durch  seinen  Anblick  jung  macht),  darnach 
der  Baum  .11  ya  (der  nach  Anquetil  da  Perron  alle  Früchte  der 
Welt  trägt),  weiterhin  die  Stadt  {sanisthänam)  Sdlajyam  (deren 
Helden  Sälubäume  zu  Bogensehnen  haben),  worin  sich  des  Brah- 
man  Palast  {dyatanam)  Apardjitam  („unbesiegt")  befindet.  Die 
weitere  Beschreibung  des  Palastes  hat  hier  für  uns  kein  Interesse. 

4* 


—     52     — 

Die  beiden  Upanishad-Stellen  scheinen  mir  mjthiscli-geogra- 
phische  Namen  zu  enthalten,  deren  Zurückführung  auf  die  ihnen 
mit  zu  Grunde  liegenden  historisch-geographischen  Anhaltspunkte 
einige  werth volle  Bereicherungen  der  alten  Geographie  Central- 
asiens  bieten  wird. 

Zunächst  ist  es  der  See  Ära  der  Chandogya-Upanishad,  der 
Ära  der  Kaushitaki-Upanishad,  der  unsere  Aufmerksamkeit  fesselt. 
Es  scheint  mir,  dass  der  See  Airamviadiya  nicht  von  den  ge- 
nannten Seen  getrennt  werden  darf  und  dass  in  der  Verbindung 
des  Ära  mit  dem  aranydyana  zwar  unmittelbar  wohl  „ety- 
mologische Spielerei"^  wie  Weber  sagt,  aber  doch  noch  etwas 
mehr  gesucht  werden  muss.  Die  Form  Airammadiya  scheint 
mir  nämlich  die  ursprünglichste  Form  zu  sein,  von  welcher  Ära 
und  Ära  nur  die  secundären  Kurzformen  wären.  War  aber 
Airammadiya  die  ursprünglichste  Form,  so  verlangt  dieselbe  in 
erster  Linie  die  Aufhellung  ihres  Etymons.  Ich  glaube  nun,  dass 
der  ^2Va?n7na<^%a-See ursprünglich  eine  rein  mythologische  Vor- 
stellung war,  die  sich  erst  in  späterer  Zeit  geographisch  locali- 
sirte.  Und  zwar  halte  ich  dafür,  dass,  wie  die  Inder  bekannt- 
lich ihr  Land  der  Seligen  oder  auch  das  Schlaraffenland  im 
Norden  gesucht  haben,  in  dunkler  Erinnerung  an  die  von  ihnen 
auf  dem  Hochland  von  Iran  und  Turan  verbrachte  Jugendzeit, 
so  auch  sämmtliche  Namen  des  hrahmaloha,  wie  sie  die  Chan- 
dogya-  und  Kaushitaki-Upanishad  überhefern,  soweit  dieselben 
historisch  -  geographische  Anklänge  bieten ,  auf  das  Hoch- 
land von  Iran  und  Turan  gehören,  ja  zum  Theil  gar  noch  ira- 
nisch-zarathustrischen  Ursprungs  sind,  demnach  also  durch  brah- 
manisirte  Iranier  in  die  indische  Tradition  hineingedrungen  sind. 
Und  zwar  —  um  nicht  lange  hinter  dem  Berg  zu  halten  — 
erscheint  mir  der  erst  in  der  Chandogya-Upanishad  und  dann 
auch  in  der  Anukramanikä  zum  Rigveda  auftretende  Name  des 
Airammadiya  saras,  vollständiger  noch  der  des  Airammadiya 
Devamuni  als  nichts  anderes  als  eine  brahmanische  Aneignung 
des   airyama   demdna,   der  Wohnung    des   Genius   des   Gebets 


—    53    — 

des  Avesta.  Zunächst  heisst  es  im  Yasht  Ardibihist  (Spiegel, 
Avesta-Uebersetzg.  Bd.  III,  pag.  3S,  5):  (Asha  vahista)  sclüagt 
alle  dem  Angra-mainyus  angehörigen  Zauberer  und  Pairikas 
(Feen)  durch  Airyama,  (der)  von  den  Manthras  (den  Gebeten) 
ist  der  grosste  der  Manthras,  der  beste  der  Manthras,  der  schönste 
der  Manthras,  der  aU erschönste  der  Manthras,  der  starke  der 
Manthras,  der  stärkste  der  Manthras,  der  feste  imter  den  Manthras, 
der  festeste  unter  den  Manthras,  der  siegreiche  unter  den  Man- 
thras, der  siegreichste  unter  den  Manthras,  der  heilende  unter 
den  Manthras,  der  heilendste  unter  den  Manthras."  Sodann  aber 
heisst  es  im  Vendidad  XXII,  22 — 24  (Spiegel  Avesta-Uebersetzung 
Bd.  I,  pag.  266):  „Dem  Nairyo-^angha  Hess  sagen  der  Schöpfer 
Ahura-Mazda,  Versammler!  (Eile}  hinweg,  fliege  dorthin  zur 
Wohnung  des  Airyaman."  Ganz  entsprechend  heisst  es  aber 
in  dem  Rigvedahynmus  des  Iraniers  Avatsära  Kägyapa  Rigv.  V, 
44,  9:  samudnhn  dsdni  dva  tasthe  agrimä  „iva.  Samudra  (Meere) 
hat  das  vorzüglichste  dieser  (Lieder)  seinen  Standpunkt."  Das 
„vorzüglichste  der  Lieder"  ist  aber  eben  auch  im  Rigveda  wieder 
der  Narägansa,  „der  Männer  Lobpreis,"  d.  h,  der  von  den 
Menschen  durch  Lieder  gefeierte  Gott  des  Lobgesangs,  Agni, 
dessen  Aufenthaltsort  das  Meer,  sei  es  als  Wolkenocean,  sei  es 
als  irdisches  Meer,  schon  ist  wenn  er  als  Apäm  napdt^  als  Enkel 
oder  Xabel  der  Gewässer,  gepriesen  wird.  Die  Vendidad-  und 
die  Rigvedast^Ue  sind  demnach  schon  wegen  ihrer  grossen  Ueber- 
einstimmung  in  der  von  beiden  besungenen  Gnmdanschauung 
höchlich  interessant.  Nun  aber  bemerkt  Spiegel  in  der  Anmer- 
kung zu  der  VendidadsteUe,  nach  Anquetil  du  Perron,  der  aus  der 
unmittelbaren  Parsentradition  schöpfte,  bezeichne  Airyama  eine 
Gegend,  was  Spiegel  bestreitet.  Demnach  also  hatte  Airyama 
d^mdna  für  die  Zarathustrier  geographische  Bedeutimg,  d.  h.  die 
Iranier  hatten  den  ursprünglich  rein  mythologisch-allegorischen 
Begriff  der  „Wohnung  des  Gebets"  schon  längst  locahsirt  und 
zwar  schon  zu  oder  vor  der  Zeit,  als  derselbe  in  die  Chandogya- 
Upanishad  eindrang.     Hatte  aber  Airammadiya  schon  geogra- 


—    54    — 

phische  Bedeutung  zur  Zeit  der  Chandogya-Upauisliad,  so  konnte 
der  Airammadiya  Devamuni  der  Anukramanikä  des  Rigveda 
dieselbe  ebenfalls  schon  haben.  Zunächst  ist  freilich  zu  be- 
merken, dass  der  Rishi,  der  im  Pancavin9a-Brahmana,  wie  wir 
gleich  sehen  werden,  so  heisst,  unter  die  Liedverfasser  des  Rig- 
veda  imd  zwar  Rigv.  X,  146,  nur  in  Folge  des  rein  zufälligen 
Anklangs  seines  Namens  an  Aranyäni,  aranyäm,  die  Anfangs- 
worte dieses  Hymnus  an  die  Waldfee  Aranyäm,  gerathen  ist. 
Aber  die  Beziehung  des  Namens  Airammada  Devamuni  auf 
dies  zufällig  anklingende  Wort  des  Rigveda,  zusammen  mit  der 
Auflösung  des  Namens  aranya  in  die  beiden  Seen  Ära  und 
Nya  in  der  Chandogya-Upanishad  beweist,  wenn  sie  auch  an 
und  für  sich  gewiss  weiter  nichts  als  in  der  That  nur  „etymo- 
mologische  Spielerei"  ist,  dass  zur  Zeit  der  Chandogya-Upanis- 
had, wie  wahrscheinlich  schon  zur  Zeit  der  Anukramanikä  des 
Rigveda,  ein  See,  Namens  Ära  bekannt  war,  auf  den  man  diese 
Beziehung  machen  konnte.  Wenn  nun  aber  der  Rishi  Devamuni 
im  Pancavin9a-Brähmana  (s.  die  Stelle  in  „Vom  Pontus  bis  zum 
Indus"  pag.  169)  Tura  genannt  wird,  (also  „Turanier")  dieser  Tura 
Devamimi  SibeY  (s.  ebendas.  pag.  164 — 167)  identisch  ist  mit  dem 
Tura  Kdvasheya  des  Qatapatha-Brähmana,  der  selbst  wieder  nur 
ein  Enkel  ist  des  Rishi  Kavasha  Ailüsha,  dessen  Name  den  Ab- 
kömmling des  llibica,  resp.  eines  lU-vifa,  eines  Ili-Anwohners,  be- 
zeichnet, so  wird  es  nicht  zu  kühn  sein,  den  See  Ära,  Ära,  als 
Kurznamen  des  Airammadiya-saras  oben  in  Turan  und  zwar 
im  Aralsee  zu  suchen.  Bezeichnete  das  Airammadiyam  saras 
aber  ursprünglich  nur  die  „Wohnung  des  Gebets,"  nur  aii-ya- 
ma  demdna,  als  Wohnung  des  Agni  oder  Aryaman,  so  begreift 
sich  nun  auch  die  von  Weber,  Ind.  Stud.,  Bd.  I,  pag.  399,  Anm. 
aus  der  Väjasaneyi-Samhitä  XI,  76  (ed.  Weber  pag.  345)  her- 
beigezogene Bezeichnung  des  Agni  als  Irammadn,  sowie  die 
Stelle  Pänini  III,  2,  37,  wo  der  Scholiast  irammado  mit  megha- 
jyotih,  nach  Böhtlingk-Roth  „Wetterleuchten  oder  Blitz"  wieder- 
giebt.     Zweifellos    ist    dieser    späte    Irovonada   nicht,   wie   der 


—     55     — 

Scholiast  zivr  obigeu  Väjasaneyi- Steile  will:  irayd  annena 
mddyati  tripyati  tiishyati  „sich  der  Speise  erfreuend"  aufzu- 
fassen, sondern  ganz  einfach  als  Sautraform  von  Airammada, 
als  künstlich  erschlossene  Homunculusbildung.  Die  Sanskrit- 
Arier  des  Rigveda  haben  den  Ai-alsee  höchst  wahrscheinlich 
schon  lange  gekannt.  Das  Rigvedalied  X,  136,  5  lautet: 
vdtasyägvo  väyöh  sdJchäiho  deviskiio  iminih 
ubhüu  samudrdv  d  ksheti  ydg  ca  pürva  utdparah  [1  5  |j 

„Des  Windes  Ross,  Väyu's  Freund,  von  den  Göttern  gesen- 
det, der  Muni,  wohnt  in  beiden  Meeren,  im  östlichen  und  im 
westUchen." 

Ich  habe  nun  schon  in  ,Jran  und  Turan"  pag.  7  gezeigt, 
dass  hier  an  „Wolkenmeer"  nicht  entfernt  zu  denken  ist,  sondern 
dass  in  dieser  Stelle  augenscheinhch  vom  Kaspischen  Meer  als 
dem  westlichen  {dpara),  vom  Aralsee  als  vom  östlichen 
(pürva)  Meere  die  Rede  ist.  Der  auch  hier  wieder  oder  vielmehr 
hier  schon  auftretende  Devamuni,  nämlich  als  deveshito  mum'h, 
ist  niemand  anders  als  der  Götterbote,  devdndm  dütah^  (s.  Rigv.HI, 
54,  19;  V,  26,  6;  VI,  15,  9;  X,  137,  3),  Agni  als  BHtzgott. 

Galt  den  Sanskrit-Indern  der  ältesten  Vedenzeit  der  Aralsee 
für  das  Östliche  Meer,  das  Kaspische  Meer  für  das  westliche, 
so  konnte  diese  Bezeichnung  nur  von  Stämmen  ausgegangen 
sein,  die  in  der  Mitte  zwischen  beiden  Meeren  gewohnt  hatten, 
also  am  untern  Laufe  des  ehemals  in  das  Kaspische  Meer  ein- 
mündenden Oxus  oder,  wie  ein  Theil  der  Sagartier  (s.  mein 
Iran  u.  Turan  pag.  73)  an  der  Bay  von  Karabogas.  Diese  Orien- 
tirung  musste  dann  auch  von  den  in  Chorasan  nomadisirenden 
Stämmen  angenommen  werden  und  konnte  sich  traditionell,  wenn 
auch  nur  noch  völlig  unverstanden  und  rein  mythisch  geworden, 
bis  in  die  spätere  Sanskritliteratur  weiter  vererben.  Denn  nur 
so  ist  eine  von  Weber,  Ind.  Stud.,  Bd.  I,  pag.  399  Anm.  mitge- 
theilte  Stelle  der  sehr  späten  Märchensammlung  Kathäsaritsa- 
gara  XVIII,  225.  226.  342.  343  zu  erklären,  nach  welcher  am 
andern  Ufer  des  östlichen  Meeres  ein  Fluss  gitodd  fliesse.  hinter 


—     56    — 

welchem  auf  dem  Berge  Udaya  ein  siddhikshetram,  si'ddka- 
dhdman,  ein  „Land  der  Seligen"  sei.  Schon  Weber  hat  a.  a-  0. 
auf  die  Stellen  der  Griechen  und  Römer  hingewiesen,  die  diesen 
Fluss,  den  sie  Side  nennen,  gekannt  haben  müssen,  wie  denn 
auch  der  Name  des  Yaxartes,  von  dem  hier  die  Rede  ist,  das 
skythische  Suis,  wieder  an  den,  wie  Weber  a.  a.  0.  beibringt' 
im  Rämäjana  ^ilodä  genannten  nördlichen  Strom  anklingt,  dessen 
Wasser  lebende  Wesen  zu  Stein  macht,  denn  die  (^'aüodd  giebt 
im  ersten  Theil  ihres  Namens  nur  die  gesteigerte  Form  eines 
^ila  oder  Qila.  Die  Qitodä  ist  die  von  Minayeff  bei  den  Bud- 
dhisten entdeckte  Sidd  für  sanskritisches  *Siddhd,  die  ich  im 
Vishnupuräna  als  Sita  nachgewiesen  habe.  S.  „Vom  Pontus  bis 
zum  Indus"  pag.  117 — 119.  Es  ist  kurzum  die  Rasa  des  Rig- 
veda.  Wenn  diese,  wie  des  Ktesias  ^lÖTq  (s.  „Vom  Pontus  bis 
zum  Indus"  pag.  119)  so  feines  Wasser  hat,  dass  nicht  einmal 
eine  hineinfallende  Pfauenfeder  darin  untersinken  würde,  so 
stimmt  das  zu  der  Durchsichtigkeit  des  Wassers  der  Ranhä  im 
Bahräm  Yasht  29,  wo  es  vom  Fisch  Kar6ma9ya  heisst:  „der 
sieht,  wenn  etwas  von  der  Dicke  eines  Haares  in  die  fernufrige, 
tiefe,  mit  tausend  Teichen  versehene  Ranhä  fällt."  Solches  feines, 
durchsichtiges  Wasser  führt  eben  nur  ein  Paradiesfluss ,  denn 
sein  Wasser  ist  eben  das  Wasser  des  Lebens,  daher  wird  denn  auch 
der  Name  des  Flusses,  Sitd^  ursprünglich  sicher  Smiha,  Sidhä, 
hinübergedeutet  in  siddhi  „Vollendung,  Seligkeit",  siddha  „voll- 
endet, selig"  und  erzählt,  hinter  dem  Flusse  gitodd  {^td  für  sUä) 
liege  das  Siddhilcsketram  oder  Siddhadlidman^  das  „Land  der 
Seligen"  auf  dem  Udaya,  dem  Berge  des  „Sonnenaufgangs.'' 
Dieser  Paradiesfluss,  die  Sitd,  Citd,  ^idr],  Qai'la,  Silis  ist  derselbe 
wie  der  „alterlose  Strom"  [vijard  nadi),  dessen  Anblick  wieder 
jung  macht.  Der  Paradiesfluss  kann  aber  durch  eine  Verschie- 
bung der  religiösen  Anschauung  zum  Höllenfluss  werden  und 
so  sehen  wir  denn  aus  der  Rasa  auch  einen  Strom  Vaitarani 
(„die  schwer  zu  überschreitend^")  hervorgehen  „in  dessen  kochen- 
den Fluten   die  Bösen   versinkend  in   die   darunter   })efindliche 


—     57    — 

Welt  des  Yama  mit  ihren  verschiedenen  Höllenstufen  gelangen, 
wo  ihrer  arge  Schmerzen  harren."  S.  darüber  die  Stellen  aus 
dem  Rämäyana  und  Mahäbhärata  bei  Weber,  Ind.  Stud.,  Bd.  I, 
pag.  399  Anm. 

Eine  verschwommene,  durch  Assimilation  und  Volksetymo- 
logie dem  sanskritischen  Sprachbewusstsein  vermittelte,  mythisch- 
geographische Vorstellung  glaube  ich  auch  in  der  Äpardjitä 
pur  der  Chandogya-Upanishad,  der  Stadt  Sdlajyam  der  Kaushl- 
taki-Upanishad  wahrnehmen  zu  dürfen.  Beide  haben  einen 
wunderbar  prächtigen,  goldenen  Palast  des  Brahman.  In  der 
Stadt  Sälajyd  möchte  ich  doppelten  Anklang  an  reale  historisch- 
geographische Existenzen  erkennen.  Einerseits  nämhch  konnte 
der  Name  auf  die  hyrkanische  Stadt  Säle  deuten,  die  uns  Am- 
mianus  Marcellinus  Lib.  XXIII,  6,  52  (ed.  Gardthausen  T.  L, 
pag.  331)  kennen  lehrt.  Sodann  aber  könnte  die  Erinnerung 
an  diese  hyrkanische  Stadt  noch  verschmolzen  sein  mit  derjenigen 
an  die  Stadt  Rhagae^  Raji,  an  den  Südabhängen  des  Alburs. 
Wenn  dieser  Anklang  richtig  gedeutet  ist,  so  erscheint  dann 
auch  der  Sinn,  der  dieser  Volksetymologie  von  Sälaj'ya  zu  Grunde 
liegt:  „Salbäume  zu  Bogensehnen  habend"  verständlich  im  Hin- 
blick auf  die  Mächtigkeit  des  parthischen  Bogens,  auf  die  damit 
angespielt  wird.  Aus  Äpardjitä  scheint  mir  ein  iranischas 
*ardji  herausgelesen  werden  zu  müssen,  und  zwar  möchte  ich 
darin  die  Stadt  Raji,  nämlich  Rhagae,  im  Avesta  auch  Ragka, 
erkennen.  Dass  die  Sanskrit-Arier  des  Veda  dieselbe  gekannt 
haben,  ist  mir  schon  in  »Iran  und  Turan"  pag.  119  wahrschein- 
lich geworden.  Dort  residirte,  gewiss  in  einem  ähnlich  glanz- 
vollen Palast  wie  die  medischen  Könige  in  dem  von  Ekbatana, 
Zarathustra,  d.  h.  ein  Priesterfürst,  der  im  Tempel  des  Ahura 
Mazda  dem  höchsten  Gotte  gewiss  in  derselben  Weise  diente, 
wie  der  oberste  Magier  dem  Bei  in  dessen  grossem  Tempel  zu 
Babylon.  Auf  die  Aehnlichkeit  dieses  Tempels  mit  der  Vor- 
stellimg  des  Götterberges  Meru  habe  ich  in  ,.Iran  u.  Turan* 
pag.  226  aufmerksam  gemacht.     Den  Namen  Araji  ffer  Raji 


-     58     - 

kann  ich  bis  jetzt  nicht  belegen,  dass  er  aber  möglich  war 
und  zweifellos  auch  noch  wird  nachgewiesen  werden  können, 
geht  mir  hervor  aus  der  Lesart  ^y^gayag  für  den  acc.  plur.  ^Päyag, 
Rhagae,  bei  Strabon  ed.  C.  Müller,  Lib.  XI,  9,  1,  pag.  441,  22. 
Ich  leite  den  Namen  'Payai  nicht  mit  Strabon  ab  von  der  griechi- 
schen Wurzel  Qijyvvf.li  und  den  vielen  dort  stattfinden  sollenden 
Erdbeben,  sondern,  mit  Rücksicht  auf  die  bedeutungsvolle  Lesart 
l^gayai,  von  dem  Wandernamen  Ävang  =  zend.  Aranhä,  llanhä, 
wie  denn  auch  Neriosengh  denselben  durch  i?f«jfrt,  Ranga  wieder- 
giebt.  S.  Spiegel,  Avesta-Uebersetzung  Bd.  II,  pag.  212.  Be- 
währt sich  meine  Erklärung  von  vedisch  Ärajji  =  Araxes, 
nämlich  Arang,  Oxus,  in  „Vom  Pontus  bis  zum  Indus"  pag. 
124 — 125,  so  ist  ein  Schritt  gethan,  um  *AraJi  in  Apardß'td, 
Sälajya  als  iranische  Spielform  von  Raß  =  zendisch  Rhagha, 
'Pdyat  erkennen  zu  dürfen.  Oder  deutet  Sälajyam  auf  die  Stadt 
ZarendscM    S.  Iran  u.  Turan  pag.  123. 

lieber  den  a^vattha  somasavana,  d.  h.  über  den  mythisch- 
geographischen Zusammenhang  des  Agvattha  devasadana,  des 
Göttersitzes  Agvattha  des  Atharvaveda  mit  dem  Berg  der  Offen- 
barungen im  Avesta,  nämlich  mit  dem  Agnavanta-Sabelän,  habe 
ich  ausführlich  gehandelt  in  „Vom  Pontus  bis  zum  Indus" 
pag.  73 — S3. 

Ueber  die  „Verlornen  Stunden"  {yeshtihd  mvJiürtä)  und  den 
Paradiesbaum  llya,  in  welchen  beiden  naturmythische  und 
ethisch -kosmogonische  Vorstellungen  mit  mythisch -geographi- 
scher Beimischung  vorliegen,  bei  anderer  Gelegenheit.  Die  den 
„Verlornen  Stunden"  zu  Grunde  liegende  Vorstellung  ist  zwar 
aus  rein  ethischen  Seelenstimmungen  erwachsen,  hat  aber,  wie 
ähnliche  Vorstellungen  anderer  Völker,  zugleich  mythisch-geogra- 
phische Gestalt  angenommen  und  bezeichnete  zweifellos  irgend 
eine  Gegend  des  fernen  Nordwestens  von  Iran,  wohin  sich  die 
Sehnsucht  des  sich  seiner  Urheimat  später  nur  noch  dumpf  er- 
innernden Sanskrit-Ariers  wehmuthsvoll  zurückschwang.  Den 
fern  von  seiner  verlorenen  Heimat,   dem  geheiligten  Wohnsitz 


—    59    — 

der  halbgöttlichen  Urväter  seines  Geschlechts,  unsicher  umher- 
wandernden Sanskrit- Arier  mögen  wohl  Empfindungen  beschlichen 
haben,   wie   sie  Freiligrath   den  nach  Amerika  auswandernden 
Schwarzwaldbauem  aus  der  Seele  gelauscht  hat: 
„Wie  wird  das  Bild  der  alten  Tage 
Durch  eure  Träume  glänzend  wehn, 
Gleich  einer  stiUen  frommen  Sage 
Wird  es  euch  vor  der  Seele  stehn." 


3.  Die  "^ßcot  des  Homer  als  ^!Aqloi. 

„Nachdem  Zeus  (in  Ges.  XII  der  IHas)  durch  Begünstigung 
der  troischen  Waffen  einen  Erfolg  herbeigeführt  hat,  der  ihm 
für  ein  Mal  zu  genügen  scheint,  wendet  er,  wie  zur  Erholung, 
seine  Augen  vom  Kampfplatze  ab  und  auf  einige  wegen  ihrer 
Frömmigkeit  von  den  Göttern  geliebte  thrakische  Völkerschaf- 
ten/   (Fäsi)  II.  XUI,  1—7: 

Zeig  (5'  enEL  ovv  Tguidg  te  xal  "E/.%0Qa  vrivol  nelaaaiv, 
tovg  (.lev  h'a  rtagv  TfjOi  novov  x    sxif^ev  xal  oitvv, 
vio).Bf.iecoc,  avTog  öi  ndXiv  tqircEv  oaae  cfueivio, 
v6o(fiv  a(p    Innonohiov  QQr^/.iov  y.ad^OQCui.i6vog  alav 
Mvawv  X    dyxsficix(ov  y.ai  äyavwv  ' iTtnrifiolyiov 
y?.ay.xorpäycov,  lt4ßUov  xe,  öi/Mioxarcov  dvd-Qconajv. 
ig  TQOir]v  ö^ov  -rcäfinav  exe  xqethv  oooe  cpaeivco. 
Diese   Homerstelle    ist  insbesondere   dadurch  merkwürdig, 
dass  sie  die  einzige  ist,   in  welcher  der  Gesichtskreis  Homers 
nach  dem  hyperboreischen,  nordpontischen  Europa  erweitert  er- 
scheint.    Der  Blick  des  Zeus  schwebt  von  den  Thrakern  nord- 
wärts zu  den  Mosern,  von  diesen  zu  den  rossemelkenden  Skythen 
im  Norden  des  Pontus  und  von  diesen  noch  weiter  bis  zu  den 
nach  Asien  hinein  nomadisirenden  Abiem.    Dass  hier  nämlich 
unter  den  Mysem  nicht  die  asiatischen  Myser,  sondern  nur  die 
europäischen  Moser   an   der  Donau  verstanden  werden  dürfen, 
hat  schon  Posidonius  eingesehen,  auf  welchen  sich  Strabon  VIL 


—    60    — 

3,  2  (ed.  C.  Müller  pag.  245,  38  ff.)  beruft,  indem  er  der  vorliegen- 
den Iliasstelle  eine  eingehende  Betrachtung  widmet,  aus  welcher 
wir  nur  den  Schlusssatz  (pag.  246,  27)  hervorheben:  öelv  öi 
iv  z(p  [tQiaxai]  öey-drcp  \^lliaöog]  ByyqcKpsiv  avtt  tov  Mvgvjv 
x  ayyB^iayjav  {WloioiJöv  x  ayyei.iayiov\.  Strabon  kommt  noch 
an  verschiedenen  Stellen  seines  Werkes  auf  diese  merkwürdige 
Homerstelle  zurück,  ohne  indessen  zur  Erklärung  derselben  ne»es 
Material  von  Bedeutung  beizubringen.  Auf  die  Mvooi  Kanvoßaxai 
des  Posidonius  kommen  wir  in  einer  eigenen  Skizze  zu  sprechen. 

Die  '^ iTTnrif.io'kyoi  yaXay.TOfpayoL  erklärt  Strabon  a.  a.  0. 
pag.  249,  42 — 45  mit  Recht  als  Skythen,  indem  er  sich  auf  die 
vereinzelte  Hesiodstelle  bei  Eratosthenes  beruft: 

uild-ionäq  xe  Aiyvg  xs  lös  2/.vd^ag  inm^fiokyovg. 

Die  ^u4ßioL  fasst  Strabon  rein  rationalistisch  als  Epitheton 
Omans  der  Mvooi,  als  welche  nämlich  im  Wittwerstand,  der 
Frauen  sich  enthaltend,  ohne  heimischen  Herd  und  auf  Wagen 
lebten,  d.  h.  also  ein  Leben  führten,  das  kein  Leben  sei  {xovg 
aßiovg  öi  xovg  xr^qovg  [ov]  (.laXXov  ri  xovg  otveGtiovg  xal  xovg 
a(ia^oiy.ovg  di^an  av  xig),  was  er  dann  nach  andern  Zeugnissen 
auf  die  Geten  bezieht. 

T>WL4ßLoi  begegnen  uns  dann  von  Homer  weg  nicht  wieder 
bis  bei  Arrian,  der,  Lib.  IV,  1  (ed.  Sintenis,  Bd.  II,  pag.  3)  er- 
zählt, Alexander  der  Grosse  habe  von  Samarkand  aus  eine  Ge- 
sandtschaft an  die,  Abier  genannten,  Skythen  jenseits  des  Täva'ig 
geschickt,  denselben  seine  Freundschaft  anzubieten,  in  Wahrheit 
aber,  dieselben  bezüglich  ihrer  militärischen  Leistungs-  und 
Widerstandskraft  insgeheim  auszukundschaften:  Ov  nollalg 
öi  iqjuegaig  vacegov  cKpiy.vovvxai,  nag  '^Xl^avÖQOV  7XQioßeig 
Tragd  xe  2xvi^tüv  xüiv  l/4ßnov  naXovf-Uviov  {ovg  /.ai  "Oftr^gog 
öixaioxdxovg  dv^gtoTcovg  ainiov  iv  xfj  noitjaei.  i7n]veatv'  oi- 
novai  öi  iv  xfj  \Aoi(f  ovxoi  avxovofxoi,  ovx  ^]y.iata  ötd 
neviav  xe  y.ai  öiaatoTtixa)  y.at  nagd  xwv  iy.  xi^g  Evgcü/rtjg 
^y.vi^iüVf  oH  dl)  x6  juiytorov  e'&vog  iv  xfj  Eignmi]  inoi/.ovai- 
x«i  xovxoig  öi  TTifirrsi  l,4).i^avögog  xiov  (xaigiov  x.  x.  A. 


—     61     — 

Die  ziemlich  allgemeine  Annahme,  die  hier  genannten 
Abier  am  Yaxai-tes  benihten  nur  auf  der  Verwechslung  mit 
den  homerischen  Tanaisanwohnern ,  scheitert  offenbar  an  der 
hier  offenbar  ganz  absichtlich  gemachten  Unterscheidung 
zwischen  den  europäischen  und  den  asiatischen  Skythen,  und  die 
specielle  Versicherung,  die  asiatischen  Skythen  würden  Abier 
genannt  {^xvd^cov  zcov  It^ßiorv  ■/.akov(.iiviov),  beweist,  dass  wir 
es  hier  mit  einer  positiven,  nicht  rerwechselungsweise  phanta- 
stischen, ethnologischen  Angabe  zu  thun  haben,  sondern  mit 
einer  solchen,  die  sich  verwerthen  lässt. 

Nun  sassen  nach  Ptolemaeus  VI,  14,  14  und  Plinius  VI,  19 
am  Yaxartes  Skythen,  die  ^l^Qia/.ai  hiessen,  d.  h.  also  Aryakci 
=  Arya,  Arier,  Als  solche  'L4qiol  möchte  ich  Homers  und  Arrians 
"Aßioi  auffassen,  insofern  sich  das  o  mlAoiou  in  Folge  verweich- 
lichter Aussprache  in  v,  resp.  b  verwandelt  hätte.  Für  diesen 
Vorgang  wäre  wohl  aus  den  Präkiitgrammatiken  reiches  Material 
herbeizuschaffen.  Dieselben  stehen  mir  aber  gegenwärtig  nicht 
zur  Verfügung.  Doch  scheint  mir  flir  die  Vedensprache  der 
Uebergang  eines  auslautenden  r  in  v  durch  das  Sütra  Päninis 
VI,  113  erwiesen,  wo  es  heisst:  ato  ror  aplutad  aplute  und  flir 
die  Lehre,  es  könne  ein  auf  «  folgendes  r,  wenn  nämlich  a  nicht 
gedehnt  sei,  durch  den  Vocal  u  ersetzt  werden,  beweisbar.  Wenn 
nämlich  das  Beispiel  aus  dem  Veda  angeführt  wird:  ehi  susrotä 
3  atia  siiähi,  „komm  herbei,  schönfliess ender,  bade  dich  hier," 
so  steht  hier  susrotä  zunächst  für  susrotau,  dieses  aber  für  den 
Vocativ  siisi-otar.  In  Wirklichkeit  aber  wird  die  Aussprache 
gelautet  haben  susrotav,  nicht  susrotau  und  nur  aus  dem  dann 
ins  folgende  a  von  atra  hinüber  gezogenen  u,  resp.  v,  wird  sich 
dann  die  Dehnung  ä  3  erklären  lassen. 

3.  Die  Landschaften  l4ani(ovo  nnd  TovQiovav  in  Baktriana. 

Strabon  kennt  in  dem  von  den  griechischen  Herrschern  in 
Centralasien  eroberten    Baktriana    zwei  Landschaften  ^Aoniiavn 


—    62    — 

und  TovQiovav^  deren  Lage  er  leider  nicht  genauer  angiebt  und 
die  von  den  Partheru  dem  Eukratides  wieder  abgenommen 
worden  seien.  Die  Stelle  XI,  U,  2  (ed.  C.  Müller  pag.  443,  17) 
lautet:  ol  de  y.araoxovTeg  avrriv  (Ba'ATQiavriv)  ^'EXXrjveg  y.al 
eig  ouTQaneiag  öirjQrjxaaiv,  lov  tijv  re  IAotiuovov  y.al  r^r 
TovQiovav  acpf^Qr^vTO  Ev/.Qaziöiqv  ol  IlaQ^vaioi.  Veher^yioTriiovo 
ist  meines  Wissens  noch  keine  Deutung  gewagt  worden.  Was 
aber  TovQiovav  betrifft,  so  wird  man  wohl  allgemein  der  Aeusse- 
rung  C.  Müllers,  des  Herausgebers  des  Strabon  pag.  1017  zu 
pag.  443,  17,  bezüglich  früherer  Deutungen  zustimmen:  Ouvi 
nostro  TovQiovav  hodiemam  2'uran  regionein  vix  recte  com- 
ponü  üurnouf  citante  Lassemo  in  Ind.  Altertlishde ,  T.  1, 
pag.  14.  Wenn  wir  uns  aber  der  augenscheinlich  analog  ge- 
bildeten Städtenamen  auf  avav,  oava  in  Parthien  erinnern  als 
i^0Tay,avav  noXig  bei  Isidor  von  Charax,  l>4QTax6ava  bei  Arrian, 
Artacoana  bei  Plinius,  ^AQzayMva  bei  Ptolemaeus,  so  ergiebt 
sich  das  ovav  von  TovQiovav  als  zweifellos  identisch  mit  dem 
o)vo  für  oavo  in  Idoniiovo.  Nun  bezeichnet  das  sanskritische 
diesem  oava  entsprechende  vana  (im  Zend  nur  erhalten  vana 
in  der  Bedeutimg  Baum  und  W.  van.,  schützen,  lieben),  ursprüng- 
lich die  Wonne,  die  Lust,  den  Baum,  Wald,  aber  auch  ganz 
allgemein  (s.  Böhtlingk- Roths  Sanskritwörterb. ,  Bd.  VI,  pag. 
667,  g)  Aufenthaltsort  (nach  den  Lexicographen  geha,  nivdsa 
älaya),  sodass,  wenn  L4gTaXoi  ein  Ehrenname  der  Perser  ist 
und  bei  Stephanus  Byzantinus  rJQCüeg  bedeutet,  wenn  femer  nach 
Hellanikus  'Aoraia  Persien  bezeichnete,  alsdann  i^graydava  imd 
seine  Analoga  nur  bedeuten  kann  entweder  „Heroenlust,  Helden- 
wonne" oder  „Perserheim." 

So  wird  nun  auch  ^^a/r/wvo, das  etwa  für  zendisches^a^pi-vana 
steht,  nichts  anderes  als  „Stutenlust"  bedeuten,  wobei  wir  uns  an 
die  nisaeischen  Gefilde  zu  erinnern  haben,  die  zwischen  Margiana 
und  Baktriana  gelegen  haben  sollen,  ungeheure  Stutereien,  in 
welchen  nach  Strabon  jahraus  jahrein  sechzigtausend  Bosse  ge- 
weidet haben  sollen. 


—    63     — 

Aehnliches  bedeutet  TovQiovav,  es  setzt  ein  iranisches  *fun- 
vana  voraus.  Mit  dem  dürftigen  Sprachschatz  des  uns  erhaltenen 
Avesta  reichen  Avir  nicht  aus,  sondern  müssen  auch  hier  zum 
Sanskrit  greifen,  was  übrigens  um  so  weniger  gewaltsam  ist, 
als,  wie  ich  in  Vom  Pontus  bis  zum  Indus  pag.  93  nachgewiesen 
habe,  die  Sprache  der  Parther  specifisch  sanskrit-arische  Elemente 
in  sich  barg.  Nun  bedeutet  AT.  tur  im  Skt.  eilig  sein,  vor- 
wärts drängen,  rennen,  davon  kommt  ein  Adjektiv  iura, 
rasch,  vgl.  Rigv.  X,  96.  7:  hai-i  turd,  die  beiden  raschen  Falben. 
Böhtlingk-ßoth  allerdings  stellen  das  Beispiel  unter  3.  tura^ 
vermögend,  kräftig,  überlegen  Bd.  III,  pag.  361.  Wie  nun  von 
turaiiga  (=  turain-\-ga,  raschgehend),  m.  das  Pferd,  ein  Feminin 
turcmgi,  die  Stute  gebildet  wird  und  im  Zend  neben  acpa,  das 
Rpss,  ebenfalls  ein  Femininum  auf  i,  acpi,  die  Stute,  erscheint, 
so  möchte  ich  auch  von  fura  im  Sinne  von  turanga  ein  Femi- 
ninum *tui%  die  Stute,  ansetzen,  das  zwar  allerdings  noch  nicht 
nachweisbar,  aber  mögHch  ist.  Alsdann  bezeichnet  auch  Tov- 
Qiovav  „Stutenlust,"  ^ Innoßoxog. 

4.  Die  Kourßai  und  der  Edelstein  gomeda. 

AmmianiLs  Marcellinus  kennt  Lib.  XXIII,  6,  60  (ed.  Gardt- 
hausen  T.  I,  pag.  332)  an  der  Grenze  von  Serica  einen  Berg 
Namens  Coinedus.  Die  Stelle  lautet:  His  (den  Städten  Alexandria 
Cjrreschata  und  Drepsa)  contigui  sunt  Sacae  natio  fera,  squor- 
lentia  tncolens  loca  soli  jyecori  fncciuosa,  ideo  nee  civitatihus 
culta  cui  Ascani'mi'a  mons  imminet  et  Comedus.  Wahrschein- 
lich von  diesem  Berge  benannt  war  das  Volk  der  Comedi,  das 
Ptolemaeus  VI,  13,  3  kennt  als  i]  oqeivi]  oder  (püqay^  Kojfirj- 
ÖLÖv.  Es  waren  also  Saken,  die  dem  Berge  den  Namen  gaben ; 
ob  auch  die  Kwuf^dui  selbst  Saken  waren,  ist  nicht  festzustellen, 
ist  aber,  wenn  die  nachfolgenden  Zusammenstellungen  sich  be- 
währen, wohl  imwahrscheinlich. 

Ich  erblicke  zunächst  in  Kcoiii\du  das  Sanskrit  wort  gomeda, 


—     64     — 

d.  h.  go-\-meda  «Kuhfetf,  „eine  Art  Edelstein."  „Er  wird  im 
Himälaya  und  am  Indus  gefunden  und  ist  von  weisser,  rother, 
gelblicher  und  blauer  Farbe."  Böhtlingk-Roth  im  Sanskritwör- 
terb.,  Bd.  II,  pag.  811.  Die  Zusammenstellung  der  beiden  Wörter 
hat  keine  Schwierigkeit,  denn  die  Vertretung  eines  indisch-per- 
sischen anlautenden  g  durch  griechisches  x  kehrt  z.  B.  wieder 
in  Kof.irjTrig  ftir  den  Oau-mäta  der  persischen  Keilinschriften 
S.  Keiper,  Les  noms  perso-avestiques  pag.  36. 

Nun  verzeichnet  Ptolemaeus  VI,  16,  2  auch  ein  Gebirge 
^'Avvißct  oQtj  in  Serica  und  VI,  16,  4  ein  entsprechendes  Volk 
der  'AwißoL  im  nördlichsten  Serica,  das  oflFenbar  ebenfalls  vom 
Gebirge  den  Namen  hatte.  Kiepert  verlegt  sie  in  den  Altai. 
Das  Gebirge-  Anniba  kennt  auch  Ammianus  MarceUinus  a.  a.  0., 
cap.  64  (ed.  Gardthausen  T.  I,  pag.  333):  ap2)ellantur  (in  Serica) 
aiitem  ibidem  montes  Anniba  et  Auzacium  et  Asmira  et  Emodon 
et  Oporocorra.  Der  Name  Auzacium  ist  vielleicht  verschrieben 
für  *Aizacium  und  würde  dann  erinnern  an  den  iranischen  Berg- 
namen AezahJia  des  Avesta,  über  welchen  zu  vergl.  der  Abschnitt 
über  die  indo-iranischen  Bergnamen.  Der  Name  Oporokorta 
ist  ganz  zweifellos  verschrieben  für  das  durch  indische  Quellen 
bezeugte  OrTOQoycoQQa,  Uttarakuru,  wobei  das  tt  des  griechischen 
Namens  verlesen  worden  ist  für  ein  ti.  Der  Name  Asmira  er- 
innert au  den  indischen  Amcru,  der  auch  durch  des  griechischen 
Historikers  Theognis  Zeugniss  (s.  Fragmenta  historicor.  Graecor. 
ed.  C.  Müller,  T.  IV,  pag.  131, 10),  &ls  Aurjgng,  d.  h.  3lTjQ6g  =  Mcru 
festgestellt  wird.  Auch  der  Name  Anniba^  ^'Avvißa  klingt  arisch 
und  zwar  klingt  an  das  sanskritische  adj.  sdnnibha,  ähnlich.  Nun 
bedeutet  nach  Böhtlingk-ßoths  Sktwb.  a.  a.  0.  gomeda-sannibha, 
m.,  angeblich  den  Namen  einer  Pflanze  =  diujdhapnshäna.  Dieses 
Wort  bedeutet  aber  selbst  nur  den  Milchstein  „daher  bei  Wil- 
son (im  englischen  Sanskritwörterbuch)  die  Bed.  Chalcedon  oder 
Opal}''  Wäre  es  nun  nicht  gedenkbar,  dass  entweder  der  Name 
des  Gebirges  "dvvißa  in  regelrechter  iranischer  Vertretung  der 
Kurzname  sein  könnte  ftir  ein  gomed(tsannibha -Qehirge?  oder 


—     65     — 

ist  in  der  Quelle  des  Ptolemaeus  ein  *Kcofir}davtißa  als  zwei 
Namen  verlesen  worden,  die  dann  von  ungefähr  auf  Serica  ver- 
theilt  worden  wären? 

Femer:  ist  es  gedenkbar,  dass  die  in  den  Belurdagh  ver- 
legten Koftrjdai  etwa  durch  Vemiittelung  eines  allerdings  nicht 
nachweisbaren  skt.  *huimdin  den  Kimidin  des  Veda,  einer  Gat- 
tung barbarischer  Wesen,  zu  Grunde  lägen? 

5.  Die  Slaraphier  und  Maspier  Herodots. 

Als  der  junge  Kyros  den  Abfall  der  Perser  von  der  medi- 
schen  Herrschaft  vorbereitete,  wendete  er  sich  an  die  Pasargaden, 
Maraphier  und  Maspier.  Herodot  I,  125:  eoTi  de  IJegaecov 
avxva  yevea,  /.ai  ra  (xsv  avTwv  6  KtQog  avväliae  y.al  aveTieiae 
anioTaod^ai  ano  Mr^diov  eati  de  rdöe,  ex  tüv  loXXol  ndvreg 
TfQTeaTai  niguai,  IlaaceQydöai  3IaQdcpioi  MdanioL  x.  t.  X. 
Von  diesen  drei  Stämmen  sind  bis  jetzt  nur  die  Pasargaden  für 
die  historische  Forschung  verwendbar  gewesen.  lieber  die 
Maraphier  und  Maspier  herrscht  noch  tiefes  Dunkel.  Weder 
Stein  noch  Bahr  wissen  mit  denselben  etwas  anzufangen.  Der 
Käme  begegnet  aber  bei  Herodot  vdeder  IV,  167.  Dort  wird 
erzählt,  dass  Aiyandes,  des  Darius  Oberbefehlshaber  von  Aegypten, 
zum  Feldherm  der  aegyptischen  Landmacht  ernannt  habe  Amasis 
avdoa  3IaQdq)iov,  zu  dem  der  Seemacht,  Badres,  einen  Pasar- 
gaden von  Geschlecht.  Hier  haben  wir  also  wieder  dieselbe 
Combination  von  Maraphiern  und  Pasargadern,  die  auf  die 
höchsten  Reichsämter  Anspruch  haben.  Was  Stephanus  von 
Byzanz  bringt,  ist  nichtssagend:  Magdcpioi,  ed-vog  ev  FLegoidi, 
dno  Maqatpiov  ßaoiXitog.  Keiper  (Die  Perser  des  Aeschylus 
pag.  89)  bemerkt  zu  diesem  Magdcpiog  mit  Recht,  dass  daraus 
„erhellt,  dass  die  Griechen  nach  ihrer  Weise  sofort  einen  Heros 
eponymus  für  das  Volk  erfanden."  Dieser  König  Magdtping 
soll  dann  nach  einem  Eustathius-Schol.  zur  IL  II,  400,  432  Sohn 

des  Menelaos  und  der  Helena  gewesen  sein.     Da  jedoch  dieser 
Brunnhofer,  Vom  Aral  bis  zur  Gangä.  5 


—     66     — 

Blagdcpiog  nach  einer  andern  Lesart  MaQQ(x<piog  heisst,  so  ge- 
hört er  offenbar  in  einen  ganz  andern  Zusammenhang  und  hat 
mit  den  Maraphiern  gar  keine  Berührung.  Dagegen  ist  es 
wieder  von  hohem  Werth,  wenn,  wie  Keiper  a.  a.  0.,  pag.  88 — 89, 
aus  dem  Kamen  Mägacpic,  in  dem  interpolirten  Vers  in  des 
Aeschylus  Persem  778  und  aus  des  Hellanicus  (frg.  164)  Mag- 
g>iag  schliesst,  einer  der  mit  Darius  verschworenen  sieben  Männer 
„nach  einheimischer  persischer  Tradition"  auch  ein  Magdguog 
gewesen  sein  muss.  Wenn  Kyros  zum  Aufstand  wider  die 
Meder  nicht  auf  die  Maraphier  verzichten  konnte,  so  durfte 
unter  den  sieben  Mitverschworenen  des  Darius  der  Maraphier 
ebenso  wenig  fehlen.  Denn  die  Magdcpioi  waren  die  Bewohner 
der  Stadt  und  Landschaft  Merw,  im  Avesta  Möuru,  deren  Parsi- 
form  Marav  offenbar  älter  ist  als  die  Zendform.  Ueber  Marav 
und  die  verwandten  Formen  s.  Justi  Zendwb.  pag.  235. 

Unter  den  Mdouioc  wül  Stein  die  Maka  der  Keilinschriften 
verstehen,  wozu  auch  nicht  der  allergeringste  Grund  vorhanden 
ist.  Vielmehr  sind  diese  Maauioi  nur  der  Kurzname  für*  die 
Bewohner  der  sehr  wichtigen  Provinz  Sedschestan,  für  die  ^Aoi- 
(idonai  oder  ^4Qidanai,  über  welche  ich  in  Vom  Pontus  bis 
zum  Indus  pag.  139  gesprochen.  Diese  Besitzer  „folgsamer"  oder 
„vorzüglicher  Pferde"  waren  die  hochangesehenen  iitf^/erat  im 
südlichen  Drangiana,  die  sich,  der  Sage  nach,  schon  vor  Alters 
um  den  Gründer  des  persischen  Reiches,  um  Kyros,  verdient  ge- 
macht hatten  (s.  Iran  u.  Turan  pag.  131).  Arrian  in  der  Ana- 
basis UI,  27,  4  (ed.  Sintenis,  Bd.  I,  pag.  207)  bemerkt  ausdrück- 
lich, sie  seien  vor  Alters  Ariaspai  genannt  worden  (roig  nakcti 
uev  ^dgidanag  xaXovfiivovg).  Dass  dieser  Stamm  neben  den 
Pasargaden  und  Maraphiern  im  persischen  Reiche  das  höchste 
Ansehen  genossen  hat,  geht  auch  daraus  hervor,  dass  ein  Sohn 
des  Königs  Artaxerxes  II  ^Aoidant^g  hiess  und  auch  der  Vater 
der  Atossa,  der  Gemahlin  Darius  I.  diesen  Namen  hatte,  also 
ein  Ariasper  war.  Diese  Ariaspen  Drangiauas  heissen  aber  (bei 
Diodor  und  Stephanus  von  Byzanz)  auch  Arimaspen,   wie  sich 


—     67     — 

uns  iu  der  Besprechung  der  am  Pluton  (Zarinmand  =  Hilmend) 
wohnenden  Uoi^iiäoTioi  in  Aeschylus  Prometheus  806  in  Vom 
Pontus  bis  zum  Indus  a.  a.  0.  ergeben  hatte. 

6.  Die  Landschaften  Ararat  und  Qaniratlia. 

Nach  der  armenischen  Volksetymologie,  die  uns  der  arme- 
nische Geschichtsschreiber  Moses  von  Khomi  (500  n.  Chr.)  auf- 
bewahrt hat,  soll  der  Name  Ararat,  der  schon  in  der  Bibel, 
wie  bei  den  Armeniern,  eine  Provinz  und  zwar  alles  Land  in 
dem  grossen  Thalkessel  des  mittleren  Araxes  bezeichnet,  Arayi- 
arat,  Arae  macula,  bezeichnen,  weil  dort  in  der  Urzeit  eine 
grosse  Schlacht  vorgefallen  sei,  in  welcher  Arams,  des  Königs 
von  Armenien  Sohn  Ära,  der  durch  seine  Schönheit  und  seine 
Liebe  zu  Semiramis  sagenberühmt  ist,  gefallen  sei,  S.  Spiegel, 
Eranische  Alterthskde,  Bd.  I,  pag.  145,  736.  Schon  Spiegel  be- 
merkt aber  an  letzterer  Stelle,  dass  ihm  die  durch  das  ältere 
Zeugniss  der  Bibel  besser  verbürgte  Form  Ararat  alterthüm- 
licher  und  ursprünghcher  erscheine  als  die  armenische  Form 
Ayrarat.  Gleichwohl  scheint  mir  auch  diese  armenische  Form 
werthvoll,  indem  sie  mir,  in  Verbindung  mit  der  biblischen,  ein 
ursprüngliches  *Aryarat  anzudeuten  scheint  Mit  einem  solchen 
aber  gelangen  wir  zu  dem  kappadokischen  Königsnamen  Aoiu- 
gäd^r^Qj  wofür  auch  ^ igiägad^og  vorkommt.  Der  Name  Ariara- 
thes,  der  iu  einer  langen  Abfolge  die  Könige  von  Kappadokien 
und  der  umliegenden  armenischen  Provinzen  bezeichnet,  scheint 
mir,  wie  eben  das  armenische  Ayrarat  imd  das  biblische  Ararat 
bezeugen,  ursprünglich  nicht  den  Herrscher,  sondern  das  Reich 
bedeutet  zu  haben,  sodass  demnach  der  Name  des  Reiches  für 
den  des  Herrschers  diente,  wie  z.  B.  in  Arrian  der  indische 
Fürst  Abisares  von  Taxila  gewöhnlich  selbst  nur  als  Taxüa, 
Tctf/Atjg,  auftritt.  Der  Name'^ot aga^o«;  würde  demnach  ein  vc^- 
%Qh&&  Arya-ratha  bedingen.  Was  bedeutet  nun  aber  Arya-rdtka? 
Denn  so  muss  der  Name  l4oiaoce&ric  nach  Justi's  Bemerkung  im 

5* 


—     68     — 

Zendwb^  pag.  253  gelesen  werden.  Offenbar  verbietet  das  lange 
a  von  rätlia  in  -QÜOvig  eine  Beziehung  zu  ratha,  Rad,  das  sonst 
in  iranischen  Eigennamen  vielfach  als  erster  oder  zweiter  Theil 
eines  Compositums  benutzt  wird,  vgl.  die  Namen  Därayai-ratha, 
Fräyat-ratha^  Skäraya(-ratJia,  Aghao-ratha  im  Avesta  (Keiper, 
Les  nonis  propres  perso-avestiques  pag.  28).  Zur  Aufklärung 
dieses  iranischen  ratha  (räfha)  müssen  wir  das  Sanskritwort 
ratha  zu  Hülfe  nehmen.  Nämlich  2.  ratha  bei  Böhtlingk-Roth 
im  Petersburger  Sanskritwörterbuch,  Bd.  VI,  pag.  255,  das  von 
W.  ravi,  sich  freuen,  kommt  und  „Behagen,  Ergötzen,  Lust'' 
bedeutet.  Es  tritt  auch  im  Veda  nicht  selbständig  auf,  sondern 
nur  im  Compositum  ratha-jit,  adj.  Zuneigung  gewinnend,  lieb- 
reizend, einem  Attribut  oder  Namen  der  Apsaras  im  Atharva- 
veda  VI,  130,  1,  woneben  in  derselben  Stelle  (s.  dieselbe  weiter 
unten  Abschn.  VI,  Die  Zauberwelt  des  Atharvaveda)  das  Patro- 
nymicum  rdthajitheyi.  Dann  aber  tritt  ratha  im  Sinne  von  „Be- 
hagen, Lust"  auf  in  dem  Substantivum  vianoratha,  ra.  {manas-\- 
ratha)  (B.-R.,  Sktwb.  V,  533 — 534),  Wunsch  (Herzensfreude), 
nach  Massgabe  des  Adj.  manorama^  den  Sinn  erfreuend,  reizend, 
schön.  Der  Name  Ararat^  armenisch  Ayrarat^  kappadokisch 
'Aoia-gad^og,  ^  4QiaQa^r]g  bezeichnet  demnach  im  Allgemeinen 
das  Land  Kappadokien  und  das  obere  Araxesbecken  um  den  Berg 
Ararat  als  .^^des  Ariers  Lust  und  Heim." 

Dieselben  Gesichtspunkte  werden  uns  bei  der  Aufhellung 
von  Qaniratha  leiten  müssen.  Qaniratlia  ist  nach  dem  Bunde- 
hesh  (s.  Spiegel,  Einleitung  zu  Bd.  111  seiner  Avestaübersetzung 
pag.  LllI,  ferner  Justi  Zendwb,  pag.  87)  Bezeichnung  der  speci- 
fisch  iranischen  Mittelwelt,  umfassend  Erän,  Turän,  Mäzenderän, 
Cina9tän  (China),  Rüm  (das  byzantinische  Reich),  Qind  (Vorder- 
indien) und  Turke9tän.  Stets  heisst  es  im  Avesta:  bämi,  das 
glänzende.  Das  Centrum  dieser  iranischen  olnornivii  ist  der 
Meru  (s.  Spiegel,  Er.  Alterthskde,  Bd.  I,  pag.  203).  Der  Meru 
aber  ist,  wie  wir  (s.  Iran  u.  Turan  pag.  60)  gesehen  haben,  der 
Demävend.     Nur  unter  dieser  Voraussetzung  wird  uns  verstand- 


—     69     — 

lieh,  wenn  es  im  Mithra-Yasht  67  (s.  Spiegel,  Avesta-Uebersetzg. 
Bd.  111,  pag.  89 — 90)  heisst:  „Den  Mithra  .  .  .  preisen  wir  .  .  . 
der  mit  einem  auf  himmlische  Weise  geschaffenen  Wagen  mit 
hohen  Rädern  fortfährt  aus  dem  Kareshvara  (Welttheil)  Arezahi 
hin  zum  Kareshvara  Qaniratha,  dem  hohen  [vielmehr:  dem  glän- 
zenden,,  verbunden  mit  passenden  Rädern  und  mit  der  Majestät, 
der  von  Mazda  geschaffenen,  mit  dem  Siege,  dem  von  Ahura 
geschaffenen."  Da  nun  das  Kareshvara  Arezahi  nach  Paul  de 
Lagarde  (Beitr.  zur  baktr.  Lexicographie  pag.  8 — 10)  die 
Stadt  und  Provinz  En'zay  oder  Erez  in  Akilisene  ist,  so  wird 
Qaniratha  ursprünglich  das  Dschebäl,  Medien,  gewesen  sein. 
Den  Namen  leitet  Justi  a.  a.  0.  mit  Recht  ab  von  zendisch 
qaiyii,  glänzend,  von  W.  qari,  glänzen,  die  selbst  wieder  auf 
eine  ursprüngliche  W,  svan,  glänzen,  hinweist,  wovon  aber  im  Sans- 
krit nichts,  wohl  aber  im  Griechischen  sich  Spuren  werden  nach- 
weisen lassen.  Bezüglich  ratha  scheint  Justi  a.  a.  0.  im  Zweifel 
zu  sein.  Nach  der  oben  citirten  Stelle  im  Mithra-Yasht  ist  es 
wohl  nicht  zweifelhaft,  dass  schon  der  Verfasser  desselben  an 
Zusammenhang  von  Qaniratha  mit  ratha,  Wagen,  gedacht  hat 
und  Spiegel  äussert  in  der  Anmerkung  zu  der  betreffenden  Stelle, 
dass  es  nicht  ganz  unmöglich  wäre,  „dass  das  hier  genannte  Rad 
ebenso  ein  Symbol  der  Herrschaft  sein  soll,  wie  bei  den  indi- 
schen Cakravartins  oder  Weltherrschem."  Ueberlegen  wir  uns 
aber  den  Sinn  des  Compositums  Qaniratha  als  Namen  eines 
grossen  Kareshvara,  als  Name  einer  ungeheuren  Ländermasse, 
so  wird  ims  für  ratha,  das  doch  nicht  ursprünglich  schon 
einen  symbolischen  Sinn  haben  konnte,  sondern  in  das  er  erst  all- 
mälig  hineingetragen  wurde,  kein  anderes  Etymon  übrig  bleiben, 
als  das  für  Ärarat,  Ayrarat,  lioiagai^oc,  ^Aoiagd^Tjg  gewonnene 
und  Qaniratha  wird  ursprünglich  nichts  anderes  bedeutet  haben 
als  die  „Heimstätte  des  Glanzes",  als  die  Stätte  nämlich,  wo  die 
arische  Majestät  sich  niedergelassen  hat,  wie  es  ja  auch  die  obige 
Stelle  des  Mithrayasht  andeutet.  Ist  es  erlaubt,  bei  Kungrat, 
der  alten  Stadt  an  der  Einmündung  des  Oxus  in  den  Aralsee, 


—     70     — 

an  eine  Localisation  des  mythisch-geographischen  Begriffs  Qani- 
ratha  zu  denken?  Sollte  vielleicht  auch  der  Name  Bhagiratha, 
BhajSi-atha,  BayQccöag,  Bayoga^og,  den  wir  sonst  als  „Götter- 
wagen" deuten,  nicht  eher  im  Sinne  von  „Götterlust"  aufgefasst 
werden  dürfen?  Wie  der  Begriff  ,,sich  über  etwas  freuen,  seine 
Lust  an  etwas  haben"  übergehen  kann  in  den  des  „wohnens", 
beweist  das  Verhältniss  der  W.  van,  lieben  (vgl.  skt.  vanas  Lust 
mit  lat.   Venus)  zu  Wunn  und  Weid. 


7.  Die  Insel  Paiichaia  als  Bengalen. 

Diodor  V,  41—47. 

„Nachdem  wir  das  nach  Westen  sich  neigende  und  das 
nach  Norden  sich  erstreckende  Land,  sodann  aber  die  Inseln 
des  Weltmeers  durchgangen  haben,  wollen  wir  nun  auch  über 
die  Inseln  im  Süden  handeln,  die  im  Meere  des  nach  Osten  sich 
neigenden  und  an  das  sogenannte  Kedrosien  angrenzenden 
Arabiens  liegen.  Das  Land  wird  von  vielen  Dörfern  und  nam- 
haften Städten  bevölkert  und  von  diesen  liegen  die  einen  auf 
beträchtlich  hohen  Dämmen,  die  andern  sind  auf  Hügeln  oder 
in  Ebenen  gebaut.  Die  grössten  von  ihnen  haben  kostbar  ein- 
gerichtete Königsburgen,  eine  Menge  Einwohner  und  ansehn- 
liche Besitzthümer.  Das  ganze  Land  strotzt  von  Vieh  jeder  Art, 
ist  fruchtbar  und  bietet  dem  Weidevieh  reiche  Weiden.  Viele 
das  Land  durchströmende  Flüsse  bewässern  dasselbe  reichlich 
und  fördern  das  Wachsthum  der  Früchte  zur  Reife.  Desshalb 
hat  es  auch,  Arabien  den  Vorrang  ablaufend,  in  Folge  seiner 
Vorzüge  den  jenem  eigenen  Zunamen  erhalten,  es  wird  das  glück- 
liche genannt.  Gegenüber  den  Vorsprüngen  dieses  Küstenlandes 
liegen  mehrere  Inseln,  von  welchen  drei  der  Erwähnung  werth 
sind,  die  eine  davon  heisst  die  Heilige  (legci),  auf  welcher  die 
Beerdigung  der  Todten  nicht  gestattet  ist,  auf  die  andere,  die 
nahe   daran,  nämlich  nur  sieben  Stadien  davon   entfernt   liegt, 


—     71     — 

bringen  sie  die  Körper  der  Verstorbenen,  die  sie  des  Begräb- 
nisses würdigen.  Die  heilige  Insel  ist  aller  andern  Früchte 
baar,  dagegen  bringt  sie  eine  solche  Fülle  von  Weihrauch  her- 
vor, dass  sie  damit  den  ganzen  Erdkreis  zu  gottesdienstlichen 
Zwecken  versorgt.  Sie  erzeugt  auch  eine  Masse  Myrrhen  ver- 
schiedener Art  und  verschiedene  Gattungen  der  andern  Räucher- 
produkte, die  einen  reichlichen  Wohlgeruch  gewähren.  Die 
Natur  aber  und  die  Zubereitung  des  Weihrauchs  ist  folgende; 
Es  ist  ein  Baum  von  geringer  Grösse,  dem  Aussehen  nach  der 
aegyptischen  Akanthusstaude  ähnhch,  während  die  Blätter  des 
Baumes  denen  der  sogenannten  Weide  (Itscc)  gleichen,  die  auf 
demselben  wachsende  Blüte  ist  goldfarben,  der  aus  derselben 
gewonnene  Weibrauch  wird  durch  Einschnitte  thränenartig  ab- 
gezapft. Der  Myrrhenbaum  ist  dem  Mastix  ähnlich,  sein  Laub 
enthält  aber  einen  feineren  und  dickeren  Saft,  er  wird  angezapft, 
nachdem  man  die  Wurzeln  rings  herum  biosgelegt,  von  denen,  die 
in  gutem  Erdreich  gewachsen  sind,  wird  zweimal  jährlich  Saft 
gewonnen,  im  Frühling  und  im  Sommer.  Der  rothe,  der  im 
Frühling  gewonnen  wird,  kommt  zuerst,  in  Folge  des  Thaues, 
der  im  Sommer  gewonnene  ist  weiss.  Die  Frucht  des  Dorn- 
strauches sammeln  sie  und  gebrauchen  sie  zu  Speisen  und  Ge- 
tränken, sowie  als  Heilmittel  gegen  Durchfall. 

Das  Land  wird  unter  den  Eingeborenen  vertheilt,  der  König 
erhält  den  Hauptantheil  und  von  dem  Fruchtertrag  der  Insel  den 
Zehnten.  Die  Breite  der  Insel  soll  gegen  zweihundert  Stadien 
betragen.  Es  bewohnen  die  Insel  die  sogenannten  Panchaier,  diese 
exportiren  den  Weihrauch  und  die  Myrrhe  ins  Ausland  und  ver- 
handeln dieselben  den  Kauffahrern  der  Araber,  von  denen  diese 
Waaren  wieder  andere  kaufen  und  nach  Phönicien,  Coelesyrien, 
sogar  nach  Aegypten  ausführen.  Schliesslich  werden  dieselben 
aus  diesen  Gegenden  durch  Kaufleute  über  den  ganzen  Erdkreis 
verbreitet. 

Es  giebt  nun  aber  noch  eine  andere  grosse  Insel,  die  von 
der  vorgenannten  dreihundert  Stadien  entfernt  ist,  im  östlichen 


.4 


—     72    — 

Theile  des  Weltmeeres  liegt  und  dieselbe  wohl  um  viele  Stadien 
an  Grösse  übertrifft.  Von  dem  östlichen  Vorgebirge  derselben 
soll  man  Indien  wegen  der  Grosse  des  Zwischenraumes  in  duf- 
tigen Umrissen  erkennen.  Panchaüi  enthält  viele  Merkwürdig- 
^^keiten,  es  bewohnen  dasselbe  zunächst  als  Ureingeborene  die 
sogenannten  Panchaier,  sodann  eingewanderte  Oceaniten^  Inder, 
Skythen  und  Kreter,  Es  giebt  aufjderselben  eine  namhafte 
Stadt,  mit  Namen  Payiar«  {Ilavaga^,  ausgezeichnet  durch-WoJbl- 
stand.  Die  Bewohner  derselben  heissen  Verehrer  des  dreieinigen 
Gottes  {xov  Jihg  tov  Tqn^vklov),  sie  allein  sind  die  Herren 
der  Einwohner  des  Landes  Panchaia  und  stehen  unter  keinem 
König.  Sie  stellen  aber  jährlich  drei  Regenten  (agxovtas)  auf. 
Diese  sind  zwar  nicht  Herren  über  Leben  und  Tod,  dagegen 
haben  sie  die  Gerichtsbarkeit  über  alles  Uebrige.  Aber  auch 
diese  übertragen  die  wichtigsten  Angelegenheiten  den  Priestern. 
Von  dieser  Stadt  etwa  sechzig  Stadien  entfernt  ist  der  Tempel 
des  dreieinigen  Gottes,  derselbe  liegt  in  einer  Ebene  und  wird 
wegen  seines  Alters,  der  Kostbarkeit  seiner  Ausstattung  und 
der  Schönheit  seiner  Umgegend  höchlich  bewundert«  Die  Ebene 
um  das  Heiligthum  wird  von  Bäumen  mancherlei  Art  beschattet, 
nicht  allein  von  Fruchtbäumen,  sondern  auch  von  den  andern, 
die  den  Blick  zu  entzücken  vermögen.  Sie  ist  überreich  an 
durch  ihre  Grösse  hervorragenden  Cypressen,  Platanen,  Lorbeer- 
bäumen und  Myrten,  da  der  Ort  eine  Fülle  fliessender  Gewässer 
hat.  Denn  nahe  dem  Tempelhain  entspringt  eine  Süsswasser- 
quelle  von  solcher  Grösse,  dass  sie  einem  schiffbaren  Flusse  den 
Ursprung  giebt.  Da  das  Wasser  desselben  nach  vielen  Richtungen 
hin  vertheilt  wird  und  diese  bewässert,  so  spriessen  über  die 
ganze  Ebene  hin  dichtverschlungene  Baumgruppen,  in  welchen 
sich  während  der  Sommerhitze  zahlreiche  Männer  aufahlten,  zahl- 
reiche Vögel  von  mancherlei  Art  und  verschiedener  Farbe  nisten, 
die  mit  ihrem  Gesang  grosses  Vergnügen  gewähren,  femer 
mannigfaltige  Blumengärten  und  viele  Wiesen  von  mancherlei 
Grasarten  und  Blumen,  sodass  dieselben  durch  ihre  Pracht  des 


—     73     — 

Anblicks  der   einheimischen  Götter  würdig   erscheinen.     Auch 
giebt  es  da  gewaltige  Palnibäume,  die  verschiedenartige  Früchte 
tragen,  ferner  viele  Xüsse  von  Fnichtbäumen,  die  den  Eingebo- 
renen den  reichlichsten  Genuss  gewähren.     Ausser  diesen  giebt 
es  auch  viele  Weinstöcke  von  mancherlei  Art,  die,  in  die  Höhe 
ragend  und  mannigfaltig  verschlungen,  zu  jeder  Jahreszeit  den 
bereitwilligsten   Genuss  bieten.     Der  bemerkenswerthe  Tempel  ( 
besteht  aus  weissem  Stein,  ist  zweihundert  Fuss  hoch  und  ebenso  | 
breit  als  hoch.      Er  wird   gestützt   durch   hohe  und  mächtige  j 
Säulen  mit  kunstvollen  Bildwerken  in  erhabener  Arbeit.     Auch 
giebt  es  da  Götterbildnisse  hervorragendster  Art  und  mannig- 
faltiger Kunst,  die   durch  ihre  ungeheure  Grösse  in  Erstaunen  1 
versetzen.    Rings  um  den  Tempel  haben  ihre  Wohnungen  die  1 
die  Götter  bedienenden  Priester,  von  welchen  der  ganze  Tempel-  I 
dienst  besorgt  wird.     Vom  Tempel  weg  ist  auch  eine  Rennbahn  ' 
gebaut  worden,   die  vier  Stadien  lang   und  ein  Plethron  (100 
Fuss)  breit  ist.    Zu  beiden  Seiten  der  Rennbahn  stehen  grosse 
Kupferkessel  von  viereckiger  Basis.     Am   Ende  der  Rennbahn 
hat  der  obengenannte  Fluss  seine  heftig  sprudelnden  Quellen. 
Das  denselben  entströmende  Wasser  ist  merkwürdig  weiss  und 
süss,  und  denen,  die  es  brauchen,  der  Gesundheit  des  Körpers 
sehr  zuträglich.     Dieser  Fluss  (noza^og)  heisst  aber  Sonnen- 
quell (ijAtoi;  vdcoQ).     Die  ganze  Quelle  fasst  ein  Quai  von  kost- 
barem Stein  {vt.Qr^nig  Xi^ivri  TiolvteXiqg)  ein,  der  sich  zu  beiden 
Seiten  des  Flusses  vier  Stadien  lang  hinzieht.   Bis  zum  äussersten 
Ende  des  Quais  ist  der  Ort  Niemandem  ausser  den  Priestern  zu 
betreten  erlaubt.    Die  darunter  liegende  Ebene  ist  auf  zweihun- 
dert Stadien   den  Göttern    geheiligt  und   die  aus  derselben  zu 
den  Opfern  führenden  Zugänge  zerstören  sie.    Hinter  der  vor- 
genannten Ebene  liegt  ein  hoher  Beig,   den  Göttern  geheiligt, 
Namens  Thron   des  Uranos  (Oigarnv  öttpQog}  und  der  Drei- 
einige Götterberg  (Tgiqiiliog  ^'OXv(.inog).    Sie  erzählen  nämlich 
die  Sage,    vor   Alters    habe  Olympos,   der   über   den  Erdkreis 
herrschte,   sich  gern  an  diesem  Orte  aufgehalten  und  von  der 


Höhe  desselben  den  Himmel  und  die  Gestirne  unter  ihm  betrach- 
tet, dann  sei  derselbe  später  der  Dreieinige  Götterberg  (TQupv- 
liov  ^'Olvfxnor)  genannt  worden,  weil  die  Bewohner  am  Fusse 
desselben  aus  drei  Völkern  beständen,  dieselben  hiessen  nämlich 
Panchaier,  Okeaniten  und  Doer  {Jittoi),  die  später  unter  Ammon 
(!A^I.uov)  vertrieben  worden  seien.  Ammon  soll  nicht  allein 
das  Volk  in  die  Flucht  geschlagen,  sondern  auch  ihre  Städte 
D6a  {di^a)  und  Ästerusia  erobert  und  von  Grund  aus  zerstört 
haben.  Die  Priester  sollen  auf  diesem  Berge  alljährlich  ein 
Sühnopfer  mit  grosser  Feierlichkeit  darbringen.  Zwischen  diesem 
Berge  und  dem  Lande  Panchaia  soll  es  eine  Menge  verschieden- 
artiger Thiere  geben,  denn  es  habe  viele  Elephanten,  Löwen, 
Leoparden,  Antilopen  und  viele  andere  Thiere  verschiedener 
Art,  die  sowohl  nach  ihrem  Aussehen  als  ihrer  Stärke  Erstaunen 
erregten.  Diese  Lisel  hat  auch  drei  bedeutende  Städte,  Hyiakia 
('Yga-Aia),  Dalis  {JaXig)  und  Oheanis  (Qy.eavlg).  Das  ganze 
Land  sei  fruchtbar  und  habe  eine  Fülle  verschiedeaaartiger  Wein- 
reben. Die  Bewohner  desselben  seien  kriegerisch  und  bedienten 
sich  in  ihren  Kämpfen  altvaterischer  AVaffen.  Der  ganze  Staat 
sei  in  drei  Stände  eingetheilt,  den  ersten  Rang  nähmen  bei  ihnen 
die  Priester  ein,  zu  denen  auch  die  Künstler  gehörten,  den  zweiten 
Stand  bildeten  die  Ackerbauer,  den  dritten  die  Krieger,  zu  denen 
auch  die  Hirten  gehörten.  Die  Priester  seien  die  Leiter  von 
Allem,  indem  sie  sowohl  die  Streitigkeiten  schlichteten,  als 
auch  in  souveräner  Weise  die  öffentlichen  Angelegenheiten  be- 
sorgten. Die  Bauern^  die  das  Feld  bestellten,  brächten  die 
Früchte  zu  gemeinsamem  Besitz  zusammen  und  wer  sich  von 
ihnen  im  Feldbau  am  meisten  ausgezeichnet  zu  haben  scheine, 
empfange  bei  der  Vertheilung  der  Früchte  einen  auserlesenen 
Ehrenantheil,  wobei  von  den  Priestern  der  erste,  der  zweite  und 
die  übrigen  bis  auf  zehn  ausgewählt  würden,  zur  Aufmunterung 
der  andern.  Ganz  auf  dieselbe  Weise  wie  diese  übergäben  auch 
die  Hirten  die  Opferthiere  und  das  andere  Vieh  dem  öffentlichen 
Schatz,   sowohl  nach  Massgabe  der  Zahl  als  des  Gewichts  und 


zwar  mit  aller  Genauigkeit  Denn  insgemein  dürfe  keiner  Pri- 
vateigenthum  besitzen,  ausser  Haus  und  Garten,  alle  Erzeugnisse 
und  alle  Einkünfte  nähmen  die  Priester  in  Beschlag,  die  dann 
Jedem  das  ihm  Zukommende  gerecht  und  billig  zutheilten,  nur 
erhielten  die  Priester  das  Doppelte,  Sie  trügen  weiche  Kleider, 
da  es  bei  ihnen  Schafe  gebe,  die  sich  durch  die  Weichheit  ihrer 
Wolle  vor  andern  Schafen  auszeichneten.  Sie  tragen  aber  auch 
Goldschmuck,  nicht  allein  die  Weiber,  sondern  auch  die  Männer, 
um  den  Hals  Perlbänder,  um  die  Arme  Spangen,  an  den  Ohren 
ähnlich  wie  die  Perser  herabhängende  Ringe.  Sie  trügen  Schuhe 
von  gewöhnhcher  Art,  aber  auch  solche  von  buntgestickten 
Farben.  Die  Krieger,  die  regelmässigen  Sold  erhielten,  bewach- 
ten das  Land,  indem  sie  sich  auf  Festungen  und  Lager  vertheilten. 
Ein  Theil  des  Landes  leide  nämlich  unter  den  Räubereien  ver- 
wegener und  gesetzloser  Menschen,  die  diese  Ackerbauer  fort- 
während durch  hinterlistige  Ueberfälle  bekriegten.  Die  Priester 
selbst  ragen  an  Luxus  und  allem  Comfort  und  Glanz  der  Lebens- 
führung hoch  über  die  andern  empor,  denn  sie  tragen  leinene, 
durch  ihre  Feinheit  und  Weichheit  ausgezeichnete,  zuweilen  aber 
auch  aus  der  weichsten  Wolle  bereitete  Kleider,  ferner  haben 
sie  auch  golddurchwirkte  Mützen  (lUTgag).  Als  Fussbekleidung 
tragen  sie  bunte,  kunstreich  verfertigte  Sandalen.  Ebenso  tragen 
sie  Goldschmuck,  wie  die  Weiber,  ausser  Ohrgehänge.  Sie  be- 
schäftigen sich  hauptsächlich  mit  gottesdienstlichen  Angelegen- 
heiten, sowie  mit  den  Hymnen  und  Lobliedern  auf  die  Götter, 
indem  sie  mit  Gesang  die  Thaten  derselben  und  ihre  den  Men- 
schen erwiesenen  Wohlthaten  darstellen.  Die  Priester  erzählen 
die  Sage,  ihr  Geschlecht  stamme  aus  Kreta  und  sie  seien  von 
Zeus  nach  Panchaia  geführt  worden  zur  Zeit,  da  Zeus,  als  er 
noch  imter  den  Menschen  lebte,  den  Erdkreis  regierte.  Und  sie 
bringen  dafür  Beweise  aus  ihrer  Sprache  an,  indem  sie  zeigen, 
dass  sich  in  derselben  viele  kretische  Ausdrücke  erhalten  hätten. 
Ihre  Verwandtschaft  und  Liebe  zu  denselben  (den  Kretern)  hätten 
si«  von  den  Vorfahren   überkommen,   indem  die  Sage  von  der- 


—     76     — 

selben  immerfort  auf  die  Nachkommen  überliefert  worden  sei. 
Sie  pflegen  auch  Aufzeichnungen  darüber  vorzuweisen,  von 
welchen  sie  sagen,  dass  Zeus  dieselben  gemacht  habe,  zur  Zeit, 
als  er  noch,  unter  den  Menschen  weilend,  den  Tempel  gründete. 
Das  Land  besitzt  Metallreichthum  an  Gold,  Silber,  Kupferei'z, 
Zinn  und  Eisen.  Diese  alle  dürfen  nicht  aus  der  Insel  exportirt 
werden,  auch  dürfen  die  Priester  unter  keinen  Umständen  aas 
dem  geheiligten  Land  fortreisen.  Wer  aber  einen,  der  doch  aus 
dem  Lande  reiste,  trifft,  hat  das  Recht,  denselben  zu  tödten. 
Weihgeschenke  aber,  goldene  und  silberne,  zahlreiche  und  grosse, 
sind  den  Göttern  aufgestellt  und  im  Laufe  der  Zeit  ist  die  Menge 
der  geheiligten  Weihbilder  ausserordentlich  gross  geworden.  Die 
Pforten  des  Tempels  tragen  bewunderungswürdige  Kunstarbeiten 
aus  Silber,  Gold  und  Elfenbein,  sowie  Schnitzereien  aus  wohl- 
riechendem Holz.  Das  Lager  des  Gottes  hat  sechs  Ellen  Höhe, 
vier  Ellen  Breite,  ist  massiv  golden  und  zum  Theil  mit  Kunst- 
arbeiten geschmückt.  In  der  Nähe  steht  auch  der  Tisch  des 
Gottes,  der  an  Grösse  und  sonst  an  Kostbarkeit  dem  Lager 
nahe  kommt.  In  der  Mitte  des  Lagers  erhebt  sich  eine  grosse 
goldene  Säule,  die  Schriftzeichen  trägt,  welche  bei  den  Aegyp- 
tern  heilig  genannt  werden  und  in  denen  die  Thaten  des  Uranos 
und  des  Zeus,  und  nach  diesen  diejenigen  der  Artemis  imd  des 
Apollo,  die  von  Hermes  beschrieben  sind." 

Im  sechsten  Buch  kam  Diodor  wieder  auf  die  Insel  Panchaia 
zu  sprechen.  Leider  sind  uns  aber  aus  demselben  nur  Auszüge 
in  des  Eusebius  Präparationes  evang.  2  erhalten  geblieben.  Wir 
geben  dieselben,  ihrer  Wichtigkeit  wegen,  nach  Bekkers  Text 
(T.  1,  pag.  503—504)  ebenfalls  vollständig: 

„Euhemeros  wurde,  nachdem  er  Freund  des  Königs  Kasan- 
der  geworden  war,  von  diesem  beauftragt,  für  denselben  einige 
königliche  Geschäfte  und  grosse  Reisen  ins  Ausland  auszuführen. 
Derselbe  erzählt  nun,  er  sei  nach  Süden  ins  Weltmeer  ausge- 
fahren. Er  hätte  sich  im  glücklichen  Arabien  eingeschifft  und 
die  Fahrt  mehrere  Tage  durch  den  Ocean  fortgesetzt.     Da  sei 


—     77     — 

er  denn  zu  grossen  Meerinseln  gelangt,  als  deren  eine  die  Insel 
Namens  Pauchaia,  hervorrage.  Er  habe  gesehen,  A\de  die  Ein- 
wohner derselben,  die  Panchaier,  sich  durch  Frömmigkeit  auszeich- 
neten imd  durch  die  Art,  wie  sie  die  Götter  mit  überaus  pracht- 
vollen Opfern  und  bedeutenden  silbernen  und  goldenen  Weihge- 
schenken ehrten.  Die  Insel  sei  den  Göttern  heilig,  und  ent- 
halte manches  Bewunderungswürdige,  sowohl  in  Bezug  auf 
Alterthümlichkeit  als  künstlerische  Arbeit,  worüber  wir  zum 
Theil  schon  in  den  vorhergehenden  Büchern  berichtet  haben. 
Auf  derselben  erhebe  sich  auf  einem  hohen  Hügel  der  überaus 
heilige  Tempel  des  Dreieinigen  Gottes  {Jiog  TQicpvXiov),  von 
diesem  gegründet  zu  der  Zeit,  als  er,  selbst  noch  unter  den 
Menschen  weilend,  König  des  ganzen  Erdkreises  war.  In  diesem 
Tempel  stehe  eine  goldene  Säule,  auf  welcher  mit  Panchaiischen 
Buchstaben  die  Thaten  des  Uranos,  Kronos  und  Zeus  übersicht- 
lich beschrieben  seien.  Nach  dieser  Inschrift  sei  Uranos  ein 
gerechter  (£7i:£€tx»jc),  wohlthätiger  {BV€Qyecr^g)  und  der  Bewegung 
der  Gestirne  kimdiger  Mann  gewesen,  der  auch  die  himmlischen 
Gotter  {ovQccvioi  \^€oi)  zuerst  mit  Opfern  geehrt  habe.  Dess- 
halb  sei  er  denn  auch  IJranos  zubenannt  worden.  Von  seiner 
Frau  Hestia  habe  er  zu  Söhnen  gehabt  Titan  und  Kronos,  zu 
Töchtern  Bhea  und  Demeter.  Kronos  sei  nach  Uranos  König 
gewesen,  liabe  Rhea  geheirathet  und  den  Zeus,  die  Hera  und 
den  Poseidon  gezeugt.  Dann  habe  Zeus  das  Reich  des  Kronos 
übernommen,  Hera,  Demeter  und  Themis  geheh'atet,  von  der 
ersten  habe  er  die  Kureten  zu  Kindern  gehabt,  Phersephone  von 
der  zweiten  und  Athene  von  der  dritten.  Er  sei  nach  Babylon 
gekommen  und  von  Belus  gastfreundlich  aufgenommen  worden, 
hernach  sei  er  auf  die  im  Ocean  liegende  Insel  Panchaia  ge- 
kommen und  habe  seinem  Grossvater  Uranos  einen  Altar  gegrün- 
det. Von  dort  sei  er  dann  durch  Syrien  gekommen  zu  Kasi'os, 
der  damals  König  gewesen  sei,  woher  auch  das  Gebirge  Kasion 
seinen  Namen  habe.  Darauf  sei  er  nach  Kilikien  gekommen 
und  habe  den  Landesfürsten  Kilix  im   Kriege  besiegt.     Er 


—     78     — 

sei  auch  zu  den  meisten  andern  Völker  gekommen  und  von  allen 
geehrt  und  zum  Gott  erhoben  worden," 

Dieser  Reisebericht  des  Euliemeros  von  Messene,  desselben, 
der  durch  die  nach  ihm  benannte  Theorie  der  Mythenerklärung, 
des  Euhemerismus ,  eine  gewisse  Berühmtheit  erlangt  hat,  ist 
schon  von  den  Alten  aufs  heftigste  angegriffen  worden.  Nach 
Strabon  II,  4,  2  (ed.  C.  Müller  pag.  86,  18)  ist  dem  Euhemeros 
allerdings  mehr  Glauben  zu  schenken,  als  dem  (durch  seine  See- 
reisen an  die  Nordsee  ebenfalls  berühmt  gewordenen)  Pytheas, 
da  Euhemeros  doch  wenigstens  nur  in  Ein  fremdes  Land,  nach 
Panchaia,  geschifft  sei.  Eratosthenes  dagegen  nenne  den  Euhe- 
meros einen  Lügner  und  wolle  eher  dem  Pytheas  Glauben 
schenken  (qp^ai  d'  ovv  6  JJo^vßiog  .  .  .  noXv  öe  cpTfiL  ßlXxLOv 
T(p  Meaorjviq)  [EvrifieQqt)  nioxetEiv  iq  tovtq}  {TIv&li^).  6  iniv- 
TOI  ye  slg  fiiav  xtSgav  tijv  Ilayxctiav  liyei  nX^voai  ^Egazood-i- 
viqg  de  rov  (.lev  Evrj/LiSQOv  Begyalov  naXelv,  Ilv&ecf  öi  Tnoxsveiv). 
Und  so  ist  denn  auch  bis  zu  dieser  Stunde  des  Euhemeros 
Panchaia  nach  dem  Vorgange  Strabons  VII,  3,  6  (ed.  C.  Müller 
pag.  248,  43)  zu  den  durchaus  fabelhaften  Ländern  gerechnet 
und  mit  den  antiken  Berichten  über  die  Hundsköpfe,  Brustäugler 
und  Einäugler  auf  Eine  Linie  gestellt  worden.  Das  einzig  halb- 
wegs Positive,  was  uns  von  den  Alten  noch  über  Panchaia  berich- 
tet wird,  ist  die  Meldung  des  Plinius  Hist.  Nat.  VII,  cap.  56  (197), 
die  Erfinder  der  Goldschmelzung  seien  nach  einigen  Thoas  und 
Eaclis  in  Panchaia  gewesen  (auri  metqUa  et  conflaturatn  Cad- 
mus Phoenix  ad  Pangaexini  montem,  tU  alü,  Thoas  et  Eaclis 
in  Panchaia,  aut  Sol  Oceani ßlius,  cui  Gellius  medicinae  quo- 
que  inventionem  ex  melle  assignat).  Dass  hier  noch  Cadmus  als 
Phoenix  genannt  wird,  hängt  verwechselungsweise  zusammen 
mit  des  Plinius  Bericht  Hist.  Nat.  X,  cap.  2,  der  Vogel  Phoenix 
trage  sein  Nest  nach  Panchaia  in  die  Stadt  der  Sonne  und  lege 
es  dort  auf  dem  Altar  nieder.  "Wir  kennen  diese  Sage  aus  Hero- 
dot  II,  73,  nur  dass  wir  durch  Plinius  um  die  werthvoUe  Mit- 
theilung bereichert  werden,  die  Sonnenstadt  Hehopolis,  die  Herodot 


—     79     — 

nach  Arabien  verlegt,  sei  in  Panchaia.     Wir  werden  bei  anderer 
Gelegenheit  auf  diesen  Vogel  Phoenix  zurückkommen. 

Den  römischen  Dichtern  kam  das  wunderbare  Land  Panchaia 
zur  mosaikartigen  Ausschmückung  ihrer  Gedichte  sehr  gelegen. 
Tibullus  verwendet  es  als  das  Land,  das  reich  an  theuern 
Waaren  sei  (Lib.  UI,  Elegia  2,  v.  23): 

lllic  quas  mittit  dives  Panchaia  merces 
Eotqtie  Arabes^  pinguis  et  Assi/ria. 

Und  Virgil  vergisst  nicht,  unter  den  Ländern  des  Ostens, 
die  es,  trotz  ihres  Reichthums,  nicht  mit  Italien  aufnehmen 
könnten,  das  weihrauchreiche  Panchaia  anzuführen  (Georgica  U, 
136—140): 

Sed  neque  Medorum,  süvae  ditissima,  terra, 
Nee  pulclier  Ganges  atque  auro  turbidus  Herinus^ 
haudibus  Italiae  certent,  non  Bactra,  neqxie  Indi, 
Totaque  turtferis  Panchaia  pinguis  harenis. 

Verfolgen  wir  nun  des  Euhemeros  Reisebericht  auf  seine  realen 
ßestandtheile  hin,  so  gelangen  wir  zu  merkwürdigen  Ergebnissen. 
Euhemerus  lief  vom  glücklichen  Arabien  aus  und  schiffte,  offen- 
bar den  Monsun  benutzend,  durch  das  erythräische  Meer  nach 
Osten,  üeber  die  heilige  Insel  '/«pa  zwischen  Arabien  und 
Kedrosien  wage  ich  noch  keine  Deutung.  Jedenfalls  lag  die- 
selbe im  indischen  Ocean.  Denn  die  Produkte  der  Insel  gehen 
zunächst  in  die  Hände  arabischer  Kaufleute,  die  sie  dann  nach 
Phoenicieu,  Coelesyrien  und  sogar  nach  Aegypten  {stl  de 
u4Xyvnzov)  bringen.  Aegypten  muss  demnach  das  vom  Stapel- 
platz im  persischen  Meerbusen  unter  den  zunächst  liegenden 
Absatzländem  das  entfernteste  gewesen  sein. 

Von  dieser  Insel  */£o«,  deren  Name  mögKcherweise  nur 
einem  zendischen  Äirya  =  Arya,  wenn  nicht  gar  dem  ^yißiQia, 
dem  Lande  der  Abhira  an  den  Mündungen  des  Indus,  dem 
Ophir  des  Königs  Salomon  (s.  Weber,  Ind.  Skizzen  -  pag.  73 — 74 
mit  Anm.  1),  seinen  Ursprung  verdankt,  lag  dreihundert  Stadien 


—    80     — 

entfernt  die  Insel  {rijoog)  oder  das  Land  (xw^«)  Uayyala  im 
östlichen  Theile  des  (Indischen)  Oceans  {elg  t6  ngog  tw  fitgog 
Tov  w/.eavov  xetfxivTj).  Von  dem  nach  Osten  vorspringenden 
Vorgebirge  desselben  könne  man  die  Küste  Indiens  in  duftigen 
Umrissen  erblicken  (a/ro  yccQ  tov  Tigog  avaroÄäg  ccrijy.ovrog 
a/iQcorriQlov  (paal  ^ecoQsla&ai  Ti]V  ^lvdi/.r(v  äigiov  dice  tn  (xi- 
yed-og  tov  öiaaTiqiiiaTog).  Hier  liegt  keine  andere  Möglichkeit 
vor,  als  dass  Euhemerus  die  Insel  Ceylon  als  einen  Theil  der 
Insel  Panchaia  betrachtet  habe,  denn  nur  von  der  Nordostspitze 
Ceylons  aus  ist  ein  Erblicken  der  indischen  Küstenlinie  möglich. 
Diese  Vermischung  geographischer  Beobachtung  ist  aber  desshalb 
werthvoll,  weil  sie  uns  das  Land  Panchaia  nicht  in  Arabien,  son- 
dern in _ Vor derin dien  suchen  lehrt.  Das  Land  Panchaia  ist 
nämlich  nichts  anderes  als  das  Land  Banga,  Vanga  der  Sans- 
krit-Inder, das  Land  Bangäla,  Bengalen.  Plutarch  in  seiner 
Abhandlung  Ueber  Isis  und  Osins  Cap,  XXIII  hat  iv  TlayyßvTi. 
Vielleicht  stand  ursprünglich  *ndyxovi,  es  würde  dann  die  Form 
IJayxov  einem  indischen  *Bangan  entsprechen  und  wenn  das 
von  Böhtlingk-Roth  im  Sanskritwb.,  Bd.  V,  pag.  618  verzeich- 
nete vangana,  m.,  das  ==  vanga,  Solanum  Melongena  sein  soll, 
mit  vanga,  dem  Namen  des  Volkes  der  Vanga,  Bcmga,  d.  h.  der 
Bengalen,  identisch  ist,  so  würde,  da  der  Endvocal  a  in  indischen 
Wörtern  schon  frühzeitig  fallen  gelassen  worden  ist,  der  Zurück- 
führung  des  plutarchischen  ^Jlayyov  auf  ein  indisches  *Ba^gan 
nichts  hinderlich  sein.  Dass  der  Name  Vanga,  Banga  mit 
scharfer  Consonanz  ausgesprochen  wurde,  beweist  der  Name  der 
Insel  Bangha,  der  Zinniusel,  insofern  nämlich  derselbe  wieder 
nichts  anderes  sein  kann  als  sanskritisches  banga,  vanga,  n.  Zinn 
(s.  Vom  Pontus  bis  zum  Indus  pag.  15).  Unter  den  Produkten 
Jlayxaiag  führt  denn  auch  Euhemeros  bei  Diodor  in  der  That 
Zinn  {xaaaiTEQog)  an.  Dasselbe  war  kaum  in  Bengalen  selbst 
gewonnen,  wenigstens  ist  über  die  Zinnproduction  Bengalen» 
nichts  bekannt.  Das  in  Bdngka,  der  Kassiterideninsel  des  Ste- 
phanus   von  Byzanz   gewonnene   Zinn   konnte   aber,   um   nach 


—     81      - 

Indien  und  von  dort  in  den  fernen  We  ten  zu  gelangen,  keinen 
andern,  weil  keinen  näheren  Exportweg  einschlagen,  als  an  die 
Gangesmündung,  d.  h.  nach  Bengalen,  von  wo  es  dann  den 
Ganges  hinauf  an  den  Indus  und  an  die  Malabarkiiste  und  von 
dort  durch  das  erythräische  Meer  entweder  den  persischen  Meer- 
busen hinauf  nach  Babylon  oder  durch  das  Rothe  Meer  nach 
der  Hafenstadt  Eziongeber  gelangte.  Infolge  seiner  Provenienz 
aus  Bengalen  mochte  das  Zinn,  wie  im  Sanskrit  der  Fall,  das 
bengalische,  d.  h,  eben  banga  heissen  oder  umgekehrt  mochte 
der  Name  des  Landes,  woher  für  den  Grosshandel  das  Zinn  zu- 
nächst kam,  vom  Zinn  hergenommen  werden,  sodass  dann  also 
Banga,  Vanga,  ITayxaia  das  Zinnland  bedeuten  würde.  Die  bei 
Plutarch  a.  a.  0.  für  den  Namen  der  Bewohner  des  Landes 
Banga  vorkommende  Variante  TlayxiooL  stammt  unzweifelhaft 
von  einer  Nebenform  Bangu,  die  im  Sanskrit  in  Vangula,  Van- 
gdla  (Petersburger  Sanskritwb.,  Bd.  V,  pag.  618)  vorkommt, 
welches  letztere  die  Personification  einer,  doch  gewiss  nur  »die 
bengalische"  bezeichnenden  musikalischen  Weise  ist. 

Das  Land  Tlayxala  soll  ausser  von  den  IlayxaXoi  (Uayxcooi) 
als  den  Ureingeborenen  bewohnt  sein  von  zugewanderten  Okeani- 
ten,  Indern,  Skythen  und  Kretern.  Die  Okeaniten  sind  zweifellos 
nur  Maldien,  die  Inder  bedürfen  keiner  Erklärung,  in  den  Sky- 
then erblicke  ich  die  (^aha,  die  ja  in  den  Qäkya,  aus  denen 
(^dkyamuni  hervorgieng,  für  das  untere  Gangesthal  bezeugt  ge- 
nug sind.  Schwierig  zu  erklären  sind  die  Kreter.  Von  einer 
Einwanderung  der  alten  Bewohner  der  Insel  Kreta  in  Indien 
kann  natürlich  gar  keine  Rede  sein.  Sondern  hier  haben  wir 
es  wieder  mit  einer  griechischen  Assimilation  fremdländischer 
Namen  zu  thun.  Die  Kreter  führten  allgemein  auch  den  Namen 
KnvQtiTeg,  Kotgr^Tsg,  an  welche  die  Kuru  der  Inder  anklangen 
Zwar  ist  von  einer  so  tief  in  den  Osten  erstreckenden  Wande- 
rung der  Kuru  aus  der  Sanskritliteratur  nichts  bekannt,  dagegen 
spricht  das  Kurumandala,  der  Name  der  Koromandelküste 
im  Südosten  der  vorderindischen  Halbinsel,  wohl  für  die  Mög- 

Brunnhofer,  Vom  Aral  bis  zur  Gangä.  6 


—     82     — 

lichkeit,  dass  ein  Theil  der  Kuru  sich  sogar  nach  Bengalen 
wendete. 

Die  Hauptstadt  des  Landes  ist  Pandra  {Ilavaga).  Ich  stehe 
nicht  an,  darin  die  heilige  Stadt  Benares  zu  erblicken.  Der  Sans- 
kritname derselben  ist  im  Sanskrit  Väränäsi,  Varänasi,  wofür  aber 
auch  Vandrasi  vorkommt;  der  gegenwärtige  Name  beweist  die 
Möglichkeit,  dass  IJavaga  schon  frühzeitig  in  der  ümsteDung 
Vdndrasi  vorkommen  konnte,  das  U  für  B  oder  V  erklärt  sich 
wie  in  Uayxaia  für  Banga,  Vanga.  Die  andern  Städte  'F^axm, 
JaXig  und  'ßjteat'/g  wage  ich  noch  nicht  zu  deuten.  Deutungs- 
fahig  dagegen  scheint  mir  der  Name  der  Stadt  J(^a  und  das 
Volk  der  Jwoi.  Dieselben  werden  wohl  die  aus  dem  Rigveda 
wohlbekannten  Ddsa  sein,  ein  Wort  und  Begriff,  mit  welchem 
die  Arier  die  barbarischen  Ureinwohner  auf  der  ganzen  Linie  des 
specifischen  Arierthums  zu  benennen  pflegten.  Dieses  Ddsa,  im 
Zend  DdJia,  griechisch  Jäoi  und  Jaoi,  konnte  präkritisch  Dda 
und  wohl  auch  Doa  werden,  wobei  an  das  macedonische  und 
phrygische  ^cog  für  Jccög,  lat.  Davus,  erinnert  werden  mag. 
Die  Stadt  ^Aotsgovala  könnte  die  griechische  Uebersetzung  eines 
sanskritischen  Tdrdvati,  Sternenstadt,  sein. 

Im  Zusammenhang  mit  den  ethnologischen  Verhältnissen 
des  Landes  Panchaia  steht  die  Heldensage  seiner  sanskrit-arischen 
Einwanderer,  der  sogenannten  Kreter,  d.  h.  der  Kureten,  der 
Kuru,  wobei  möglicherweise  der  Name  des  Landes  der  Kuru, 
skt.  KuruksJietra,  mit  in  Betracht  kommt.  Nach  den  Trägern 
der  Sage  von  der  Abkunft  aus  Kgrjrri  =  KurtiJcshetra ,  nach 
den  Priestern,  d.  h.  ofl'enbar  nach  den  Brahmanen,  wurden  die 
Kreter,  d.  h.  die  Sanskrit- Arier,  die  Kuru,  von  Zeus  in  das 
Land  Panchaia  geführt,  was  nur  auf  Indra,  den  Gott  der  sans- 
kritarischen Eroberungsarbeit,  deuten  kann.  Denn  Indra  rühmt 
ja  im  Rigveda:  ahavi  bJmmim  adaddm  drydya  „ich  habe  die  Erde 
dem  Arier  gegeben".  Von  höchstem  Interesse  ist  die  Nachricht, 
diese  Priester  seien  sich  auch  noch  des  Zusammenhanges  ihrer 
Mundart  mit  der  der  (Kuru-)Kreter  bewusst  gewesen  und  hätten 


—    83    — 

zahlreiche  Belege  dafür  ans  beiden  Mundarten  aufgeführt,  also 
standen  sie  offenbar  auch  noch  mit  den  zurückgebliebenen  Be- 
wohnern (Kurukshetra-)Kretas  in  Verkehr  oder  hatten  die  alte 
Sprache  als  Literatur-  und  Kirchensprache  traditionell  fortge- 
pflanzt, denn  die  Priester  wiesen  sogar  Schriften  vor,  die  aus- 
sagten, dass  Zeus  (Indra)  ihren  heiligen  Tempel  in  der  Urzeit 
gegründet  habe.  Wir  werden  auf  diese  Angabe  sofort  wieder 
zurückkommen. 

Von  unschätzbarem  Werth  ist  die  Sage,  der  (Kuru-)Kre- 
ter  Gott  Zeus  (Indra)  sei  nach  Babylon  gekommen  und  dort 
von  Bei  gastlich  aufgenommen  worden.  Von  dort  aus  sei  er 
dann  direkt  nach  Panchaia  am  Ocean  gezogen  und  habe  dort 
seinem  Grossvater  üranos  einen  Altar  errichtet,  üeber  diesen 
üranos  sofort  das  Weitere.  Aber  der  Zug  des  (Kuru-kretischen) 
Zeus-Indra  nach  Babylon  erinnert  beredt  an  die  Eroberung  Baby- 
lons unter  Qvaitreya  Brihaduktha  Rigv.  V,  13,  die  ich  in  Iran 
und  Turan  pag.  217 — 227  ausführlich  besprochen  habe.  Nur 
bleibt  bis  jetzt  noch  vollständig  räthselhaft,  wie  die  Sage,  Zeus- 
Indra  sei  von  Babylon  aus  unmittelbar  nach  Panchaia  gekommen, 
zu  deuten  sei.  Denn  sie  lässt  den  Schluss  zu,  diese  Wanderung 
sei  zur  See  erfolgt,  was  über  alle  uns  bis  jetzt  bekannten 
mythisch-historischen  Nachrichten,  sowie  über  alle  uns  bis  jetzt 
geläufigen  Begriffe  von  der  Wanderung  der  verschiedenen 
Stämme  der  Sanskrit-Arier  hinausgeht.  Jedenfalls  ist  Ein  Resul- 
tat aus  diesem  Theil  der  brahmanischen  Heldensage  Panchaias 
zu  ziehen,  die  Thatsache,  dass  sich  die  Brahmanen  Bengalens 
eines  uralten  Zusammenhanges  mit  Babylon  noch  bewusst 
waren. 

Wenn  die  Heldensage  der  (Kuru-)kretischen  Panchaier  dann 
weiter  erzählt,  ihr  Zeus-Indra  sei  dann  aus  Panchaia  nach  Syrien 
gekommen  zu  dem  damahgen  Bewohner  des  Landes,  NamensÄa^b*, 
von  dem  der  Berg  Kasios  in  Syrien  seinen  Namen  habe,  so  kann 
natürHch  nicht  im  Traum  an  eine  Zurückwanderung  der  Sans- 
krit-Arier, oder  eines  Theiles  derselben,  aus  Panchaia  nach  Syrien 

6* 


—     84     — 

gedacht  werden,  sondern  hier  hat  der  griechische  Berichterstatter 
wieder  sanskritische  Namen  an  griechische  angelehnt.  Denn 
nach  meiner  Auffassung  haben  wir  in  2vQia  an  den  Sonnengott 
Sürya  und  in  Kaaiog  an  den  Kagyapa  zu  denken  und  dass 
in  der  That  zwischen  Kagyapa^  dem  alten  Repräsentanten  des 
Ka9yapa-/iCo(T7rtov- Gebirges  und  Sürya,  der  Sonne,  die  nach 
dem  Veda  über  dem  Ka^yapa-Gebirge  aufgeht,  Zusammenhang 
walte,  habe  ich  dargestellt  in  Iran  und  Turan  pag.  58 — 63. 
Es  ist  aber  auch  möglich,  dass  sich  KaoiOi;  geradezu  auf  Kd^, 
die  Stadt  Benares  {UavaQa)  und  den  dort  verehrten  Sürya, 
wie  er  aus  dem  iqllov  vöcog  zu  erschliessen  ist,  bezieht.  Der 
Kaaiog  wäre  dann  etwa  Käginätha  „der  König  von  Benares" 
d.  h.  (^iva,  der  wohl  auch  Kdgya  heissen  konnte. 

Ganz  in  derselben  Weise  erklärt  sich  die  Sage,  Zeus-Indra 
sei  nach  Kilikien  gekommen  und  hätte  den  Landesfürsten  KlXi/.a 
im  Kriege  besiegt.  Auch  hier  ist  in  Wahrheit  nicht  entfernt 
an  Kilikien  zu  denken,  sondern  der  Grieche  hatte  von  den  Brah- 
manen  offenbar  von  Oiriga  (ursprünglich  ausgesprochen  *Oiricha) 
gehört,  gewiss  nicht  im  Sinne  des  Gir-iqa  „Herr  der  Lobgesänge", 
eines  Beinamens  des  Gottes  Brihaspati,  sondern,  worauf  die 
Bezeichnung  TonaQxrig  deutet,  im  Sinne  des  Oiri-iga,  , Fürst 
der  Berge",  des  Himavat-Himälaya. 

Sollte  —  entgegen  der  obigen  Auffassung  —  möglicher- 
weise auch  die  Sage,  Zeus-Indra  sei  nach  Babylon  gekom- 
men und  dort  vom  Gotte  Bei  gastlich  aufgenommen  worden, 
{ini^svio&rlvai)  in  derselben  Weise  erklärt  worden  müssen? 
Man  hätte  dann  an  Babhru  zu  denken,  das,  als  adj.  braunroth 
braun  bedeutend,  als  Subst.  im  Rigveda  von  Gott  Rudra,  Soma 
oder  Agni  gebraucht  wird  und  das  in  späterer  Zeit  (nach  dem 
Petersburger  Sanskritwb.,  Bd.  V,  pag,  23)  auch  Beiname  Krishna's 
oder  Vishnu's  wurde.  Die  gastliche  Aufnahme  leitet  wohl  auf 
Soma,  allein  der  Sonnengott  Bei  deutet  wohl  eher  auf  den  Son- 
nengott Vishnu  (oder  Agni  im  Rigveda),  vielleicht  aber  noch 
eher  auf  irgend  einen  Namen  wie  Bäldrkavarna,  die  eben  auf- 


—    85     — 

gegangene  Sonne,  d.  h.  Q^va,  ähnlich  wie  das  gleichbedeutende 
Bäldditya  oder  Bäldtapa^  wofür  vielleicht  hypokoristisch  auch 
einfach  Bdla  (als  Subst.  m.  der  Knabe)  galt. 

Die  Angaben  über  das  Göttersystem  der  Panchaier  sind  zum 
Theil  sehr  durchsichtig  brahmanisch,  zum  Theil,  insofern  Euhe- 
meros  die  indischen  Gött^mamen  durch  entsprechensollende 
griechische  ersetzt,  räthselhaft.  Ganz  durchsichtig  ist  der  drei- 
einige Zeus  mit  dem  nach  ihm  benannten  Tempel  des  Jwg  Tqi- 
(pvXiov  und  dem  Götterberg  TgicpiXiog^Olvfinoc.  Es  ist  zweifel- 
los der  Tritnüitti,  d.  h.  der  dreieinige  Brahma,  Vishnu_ und 
Qiva.  Sollte  bei  letzterm  Götterberg  an  den  aus  dem  Atharvaveda 
(IV,  9,  8)  wohl  bekannten  oerg  Ti-ikakud  „Dreigipfel "  im  Hima- 
vat  zu  denken  sein?  Man  könnte  freilich  ebensogut  an  den  Tri- 
kakubh  des  Vishnupuräna  oder  an  den  Triküia  des  Epos  denken. 
Da  es  aber  heisst,  die  Priester  brächten  auf  dem  TQiq)v?.iog"OXvf.i- 
nog  alljährlich  ein  grosses  Opfer  dar  {&vaiav  te  kot  svLavröv  «v 
TOVT^  T(p  OQti  noulv  xovQ  Jf^fiZc  /UfT«  noX?.fjg  zf^Q  äyveiaq), 
so  möchte  ich  an  das  Trikakud-Opfer  denken,  das,  nach  den 
wenigen  und  allzukurzen  Angaben  über  dasselbe  (Petersburger 
Sanskritwb.,  Bd.  UI,  pag.  424)  zehn  Kächte  lang  unter  Hymnen- 
gesang gefeiert  wurde.  Man  könnte  allerdings  bei  Zeig  Tqi- 
qwkiog  auch  an  Tripura,  eine  Form  des  ^'iva,  denken,  wozu 
dann  die  Sage  stimmen  würde,  dass  ^^Af^fucov  die  Städte  der 
Panchaier,  z/^Ja  und  lr4az£QOvoia  (es  gehört  wohl  noch  'Q/.e- 
aviq  hinzu)  erobert  und  von  Grund  aus  zerstört  habe.  Hier 
kann  ^'Af^fiotv  nur  Vdmana  oder  Vdma-deva,  eine  Form  ^va's 
oder  Amharisha,  die  personificirte  Schlacht,  ebenfalls  eine  Form 
Qiva's,  sein.  Dieser  hatte  nämlich  nach  dem  indischen  Epos  die 
Dreistadt  Tripura,  die  drei  Asuraburgen,  durch  Feuer  zerstört, 
welche  Maya,  ein  grosser  Zauberer,  den  Dämonen  aus  Gold,  Süber 
imd  Eisen,  im  Himmel,  im  Luftraum  und  auf  der  Erde  gebaut  hatte. 
Von  dieser  That  her  hiess  ^iva  denn  der  Tripuravernichter:  Tripu- 
raghna,  Tnpurahan,  Tripuradvish,  Tripuravijaya,  Tripnradahana, 
Tripurdntakä,   Tripurdntakara,   Tripurdri,  Tripurdrdana^  s.  bei 


—    86    — 

Böhtlingk-Roth,  Sanskritwörterb.,  Bd.  III,  pag,  437.  Wenn 
diese  Auffassung  des  Zevg  TQicpvXiog  als  des  Qiva  Tripura 
richtig  ist,  so  lässt  sich  dann  auch  die  fernere  Sage  begreifen, 
wornach  der  TQKpvliog  ^'OlvjUTtog  seinen  Namen  davon  erhalten 
habe,  dass  die  Bewohner  am  Fusse  desselben  aus  drei  Völ- 
kern beständen,  nämlich  aus  den  Panchaiem,  Okeaniten  und 
Döern. 

Nächst  dem  Zsvg  TgicpvXiog  oder  Qiva  galt  in  Panchaia  als 
höchster  Gott  Ovgavog,  nach  welchem  der  heilige  Götterbei^ 
Ovqavov  öicpQog  benannt  war.  Im  Tempel  des  Zevg  TQiqrvXiog 
stand  eine  goldene  Säule,  auf  welcher  in  Panchäischen  Buch- 
staben die  Thaten  des  Uranos,  des  Kronos  und  des  Zeus  sum- 
marisch beschrieben  waren.  Uranos  sei  der  erste  König  gewesen, 
ein  gerechter,  wohlthätiger  und  des  Laufs  der  Gestirne  kundiger 
Mann,  der  die  himmlischen  Götter  zuerst  mit  Opfern  geehrt 
habe,  desshalb  habe  man  ihn  auch  Himmel  {OvQavog)  zubenannt. 
Die  Stelle  ist  so  wichtig,  dass  es  hier  des  Originaltextes  bedarf: 
iv  rovrq)  zqj  uQ(p  OTt^kTjv  €ivai  XQ^^^i^)  ^^  J]  ^olg  TlayxaiOLg 
ygafif-iaaiv  Inaqxsiv  'yEyQcc(.i(xevag  rag  ze  Ovqovov  y.al  Kgövov 
y.aL  Jiog  Tigä^eig  x€(paXauodiüg.  ^laza  ravra  qy^ai  tiqwzov 
OvQavbv  ßaaiXea  yeyovivai,  €7tieik'^  rivä  avöga  xal 
£V€QyerT]v  y.al  rrjg  twv  aargiov  yiivT^aewg  iTtiaril^ova, 
ov  xal  TiQüiTov  i)-voiaig  Tiiuriaai  rovg  ovQuviovg  S^eovg' 
öiö  xat  Ovgavov  ngoaayoQSvd^ijvai. 

Es  kann  hier  keinen  Augenblick  zweifelhaft  sein,  dass  wir 
es  in  Ovgavog  mit  Varuna  zu  thun  haben,  der  unverkennbar 
mit  Kronos  und  Zeus  (wer  sind  diese  Götter  im  Sanskrit?)  eine 
Trinität  bildet.  Der  Thron  des  Uranos  {Ovgavov  diq>gog) 
als  Berg  hat  zunächst  ein  Analogen  in  dem  Varunddri  (Fa- 
runa-adri),  Vanina-Berg  im  Paücatantra  (s.  B.-R.).  Der  Name 
ist  die  geographische  Localisiruug  der  himmlischen  Göttersitzes 
des  Varuna,  wie  wir  denselben  Rigv.  VIU,  41,  9  finden,  wo 
es  heisst: 


—    87    — 

ydsya  gvetd  vicakshand 
tisro  bhümir  adhikshi'tdh  | 
trir  üttardni  paprdtur 
Vdrunasya  dhruvdm  sädah 
sä  saptdnäm  irajyate 
ndbhantävi  änyakS  same  ||  9  || 

„Dessen  glänzendes  Augenpaar  über  die  drei  Erden  strahlt, 
die  drei  oberen  (Welten),  den  festen  Sitz  Varuna's  erfüllt, 
der  herrscht  über  die  sieben."     (Hillebrandt). 

Der  „feste  Sitz  des  Varuna"  ist  der  Himmel,  denn  Rigv.  I, 
25,  10  heisst  es: 

ni  shasdda  dhrädvrato 
Vdrunah  pastydsv  d  \ 
sdinräjyäya  suhrdtuh  || 

„Nieder  Hess  sich  Varuna,  dessen  Satzungen  fest  sind,  in 
den  Wohnungen  (des  Himmels),  der  einsichtsvolle,  zur  Ausübung 
der  Gesammtherrschaft." 

Daher  denn  die  Sage  der  Panchaier,  dass  üranos- Varuna, 
sich  gern  an  diesem  Ort  (den  Bergen  Ovqavov  dicpQog  und  Tgi- 
(pvXiog"OXvfX7iog)  aufgehalten  und  von  der  Höhe  desselben  herab 
den  Himmel  und  die  Gestirne  unter  ihm  betrachtete  {juvd^oXo- 
yoioc  yoQ  x6  nakaibv  Ovgavdv  ßaaiXevovxa  xr^g  oixovfuevrig 
7iQ0(JrfV(dg  ivöiargißeiv  iv  xcpds  t(^  xotui),  xat  anb  rov  viffovg 
icpooäv  %6v  xe  ovoavbv  y.al  xa  "kccx  avxöv  aaxQo).  Indem  so 
Oü^avog- Varuna  als  „König  der  ganzen  Welt"  (vfgvasya  bhü 
vanasya  rdjd  Rigv,  V,  85,  3)  hoch  über  der  Welt,  wie  Qiva  auf 
dem  Berge  Kailäsa,  im  Himavat  thronend,  den  Lauf  der  Gestirne 
betrachtet,  wird  er  zum  sternkundigen  Weisen  {xr^g  xwv  aoxgcüv 
■/.ivr^oeiog  srcLOxr^fxova).  Der  Rigveda  rühmt  die  weltordnende 
Weisheit  Varunas  in  den  begeistertsten  Ausdrücken.  Varuna  hat 
Himmel  und  Erde  auseinandergestützt  Rigv.  VII,  89  1: 

dhtrd  tv  hsya  viahind  janünshi 
v(  yds  tastdmbha  rodasi  cid  urvt  \ 


—     88    — 

„Ja  weis'  und  hehr  sind  seine  Schöpferthaten, 
Der  Erd'  und  Himmel  auseinander  stützte." 
Varujia    kennt    die    geheimen    Namen    der    Morgenröthe 
Rigv.  VIII,  41,  5: 

yö  dhartä  bhüvanänäm 
yd  usi'änäm  apicyä 
vSda  nämäni  gühyä  \ 
„Der  da,  der  Aufrechterhalter  der  Welten, 
Der  da  der  Morgenröthen  verborgene  geheime  Namen  kennt." 
Varuna  ist  der  weiseste  Weise.    Der  Atharvaveda  V,  11,  4 
rühmt  von  ihm: 

nd  tvad  anyo  havitaro  nd  medhdyd  dhirataro 
Varuna  svadhävdn  \ 
tvdm  td  vigvd  bhüvandni  vettha 
„Es  giebt  keinen  grössern  Seher  als  dich,  keiner  ist  an  Ein- 
sicht weiser  als  du,    o  Varuna,    du  selbstherrlicher,   du  kennst 
diese  Welten  aUe." 

Als  „Lenker  der  Weltordnung"  {netd  ritdsya  Rigv.  VII,  40,  4) 
und  als  König  der  Götter  {(^ai.  Br.  XII,  8,  3,  10,  ed.  Weber 
pag.  945:  Vdruno  vai  devdnäm  rdjd)  ist  Varuna  auch  zum 
„Lehrer  der  Götter"  geworden,  denn  Agni  gilt  Atharvaveda  11, 
29,  4  als  Varunena  gishtah  „durch  Varuna  unterrichtet''  (s.  Hille- 
brandt,  Varuna  und  Mitra  pag.  81).  Desshalb  hat  denn  auch 
Varuna  die  Opfer  eingesetzt.  Rigv.  X,  90,  16  (auch  I,  164,  50) 
heisst  es  von  den  Göttern: 

yajnSnd  yajtidm  ayajanta  devds 
(dm  dhdrmdni  prathamdny  dsan  \ 
„Mit  dem  Opfer  opferten  die  Götter  das  Opfer,  dieses  waren 
die  ersten  Satzungen." 

Nun  ist  aber  Varuna  der  Schöpfer  und  Träger  aller  Satzun- 
gen, was  im  Rigveda  immer  und  immer  wieder  betont  wird 
(vgl.  z.  B.  Rigv.  VII,  89,  5:  Varuno  .  .  tdva  dhdnnd  „Varuna 
dein  sind  die  Satzungen").  Es  ist  desshalb  vollkommen  begreif- 
lich, wenn  Euhemeros  von  Uranos  berichtet,  derselbe  habe  zuerst 


—    89    — 

die   himmlischen  Götter  durch  Opfer  zu  ehren  gelehrt  (oV  xal 
7iQ(JL)iov  xh;aiaig  Tifirjaai  Toig  ovgaviovg  ^lovg). 

Ebenso  verständlich  ist  der  Bericht  der  Sage   Uranos  sei 
ein  freundlicher,    wohlwollender  Mann  gewesen  {inier/.ii  rivä 
avdga  xai  eveQyhtjfv).     Im  ßigveda,    z.  B.  VII,    35,    6  heisst 
Varuna:    stigansa,   huldvoU,  segnend,  wohlgesinnt,  und  Rigv.  I, 
129,  3  und  I,  136.  6  sumrilikd,  huldreich,  gnädig.    An  letzterer 
Stelle  fleht  der  Dichter  Paruchepa  Daivodäsi: 
ndmo  divi  brihatS  rodasibkyäm 
mitrdya  vocam   Vamnäya  milhüske 
sumrilikdya  milhushe  \ 

„Anbetung  möchte  ich  aussprechen  dem  hohen  Himmel,  den 
beiden  Räumen,  dem  Mitra,  dem  Varuna,  dem  segenspendenden, 
dem  huldreichen,  dem  segenspendenden." 

Die  andern,  im  Gewände  griechischer  Umschreibung  erwähn- 
ten Gottheiten  der  Panchaier  sind  nur  zum  Theil  nach  ihrem 
ursprünglichen  Urbüd  wiederzuerkennen.  Die  Thaten  des  Ura- 
nos und  Zeus,  dann  diejenigen  der  Artemis  und  des  Apollo,  die 
von  Hermes  beschrieben  sind,  beziehen  sich  wohl  auf  den  Rig- 
veda  und  dessen  Hymnen,  auf  Varuna  und  Indra,  die  zwei 
Angelpunkte  des  vedischen  Götterglaubens,  die  der  Artemis 
können  nur  auf  Ushas,  die  Göttin  der  Morgenröthe  gehen,  die 
des  Apollo  nur  auf  Mitra  oder  Sürya  und  Hermes  wird  wohl 
als  Aryaman  oder  als  der  Götterbote  Agni  verstanden  werden 
müssen.  Für  mich  bis  jetzt  ganz  undurchsichtig  ist  die  Auf- 
zählung der  Göttergenealogien  im  zweiten  kleinem  Bericht  des 
Euhemerus.  Ist  dort  die  Frau  des  üranos(- Varuna),  die  'Eavla, 
als  Varujidni  oder  als  Ushas  zu  fassen?  Liegen  hier  Itihäsa- 
oder  Puräna-Elemente  zu  Grunde? 

Hochinteressant  und  von  noch  nicht  absehbarer  Tragweite 
für  die  Geschichte  der  indischen  Kunst  sind  des  Euhemerus 
Berichte  über  den  Tempelbau  und  Tempelschmuck  der  Panchaier. 
Ich  halte  es  für  möglich,  dass  aus  irgend  einer  der  zahlreichen 
Schilderungen  der  Mirabilia  Romae  des  Brahmanismus,  in  irgend 


—    90     — 

einem  Kä^Istotra  oder  Kä^imähätmya  oder  in  dem  Kä^ikhanda 
des  Skandapuräna,  wo  speciell  nur  Benares  dargestellt  wird,  die 
Beschreibung  der  Herrlichkeiten  der  heiligen  Stadt  Jlaväqa 
noch  gerechtfertigt  werden  könnte.  Das  reichste  Material  dar- 
über würde  wohl  den  Sanskritgelehrten  und  Archäologen  von 
Benares  zu  Gebote  stehen.  Auch  die  Topographie  von  Panara, 
wie  sie  Euhemerus  giebt,  wird  wohl  nur  in  Benares  selbst  con- 
trollirt  werden  können. 

Wichtig  für  die  Geschichte  der  indischen  Schrift  und  der 
zahlreichen,  von  der  Beantwortung  dieser  Frage  abhängigen 
Verhältnisse  der  Entwickelung  der  Sanskritgrammatik  imd  Ueber- 
lieferung  der  Vedatexte  ist  die  Nachricht  von  der  den  Panchaiem 
eigenen  Buchstabenschrift.  Dass  dieselbe  zur  Aufbewahrung 
alter  Poesie  benutzt  wurde,  geht  hervor  aus  dem  Bericht  über 
die  Aufzeichnungen  der  Priester  (der  Brahmanen)  bezüglich 
ihrer  eigenen  Sprachverwandtschaft  mit  der  Sprache  ihres 
Mutterlandes  Kreta  (Kurukshetra).  Diese  Nachricht  kann  sich 
nur  auf  lexicalisch-grammatische  Werke  beziehen.  Ebenso  kann 
die  Mittheilung,  die  Priester  beschäftigten  sich  hauptsächlich  nur 
mit  dem  Dienst  der  Götter,  sowie  mit  den  Hymnen  und  Lobge- 
sängen auf  dieselben,  nur  auf  die  Liederpoesie  des  Yeda  gehen. 
Benutzte  man  in  Panchaia  um  300  v.  Chr.  und  schon  eine 
ganze  Urzeit  früher  die  Schrift  zur  Aufzeichnung  archaisti- 
scher Sprachelemente  und  zu  Lischriften,  so  wird  man  sie  natur- 
gemäss  auch  zur  Ueberlieferung  der  Vedenpoesie  benutzt  haben. 
Die  zwei  überaus  wichtigen  Stellen  (in  1mm.  Bekkers  Diodor- 
ausg.,  Lips.,  Teubner,  1853,  T.  I,  pag.  462  und  pag.  504)  lauten 
so:  uQoaeÖQStovai  öi  ^dXiaxa  taig  tc5v  ^ewv  -d^eganeiaig  xai 
tdig  negl  rovriov  vjuvoig  rt  xai  iy/aü/.iioig,  ^et  <^dr]g  rag  ngd^eig 
avxuv  xal  tag  elg  dvif-Qwnovg  evegyaolag  öianoQevöixevof 
Ixv&oXoyovov  6*  ol  IsQeig  tb  yivog  avzolg  i/c  KQ^vrig  vTtdqxeLV, 
vnb  ^log  riy/nivoig  eig  ttiv  /Zaj^amv,  ore  xut  dv&Qionovg 
ü  V  ißaaiXeve  xfjg  olxov^tvrjg'  xat  zovtcov  oi\^tsla  q)iQOvoi  ZTJg 
SiakeKTOVy     öeinvvvzeg    tä    noXXä    dtafiiveiv    naq     avroig 


—     91     — 

KQTiTi/twg  ovofia^ofieva'  tijV  t«  ngog  avtovg  oly.€iOTr]Ta  xal 
qnXav&fjojniav  ix  nQoyoviov  nagsilriipivai,  Ttjg  q>^iixrß  zamr^g 
Tolg  kxyovoLg  nagadiönuivrig  aei.  edtLv.vvov  de  v.ai  avayqa- 
qiag  xoviiov,  ag  l'cpaaav  zbv  Jia  nenoirio^aL  y.ai)-  ov  y.aiQov 
Iri  xcci  av&Qiö/iovg  cov  tögiaazo  xb  \sq6v.  Das  ÖEixvvvtEg 
und  iöeixvvov  können  offenbar  an  beiden  Stellen  nur  von 
scliriftlichen  Vorlagen  verstanden  werden.  Die  zweite  Stelle 
lautet:  if  rovritj  ro)  UQip  oxr^Xr^v  elvai  XQ^^^i^y  ^^  ''1  ^^Zg  Ilay- 
Xaioig  yga^ifiaaiv  vnäqxeiv  yey()af.iusvag  xdg  xs  Ovqavov  xal 
Kqovov  xal  Jibg  nga^eig  xecpaXaiioöäJg.  Also  inschriftliche 
Vedahymnen. 

Die  im  Heiligthum  aufgestellte  goldene  Säule  selbst  ist  wohl  j 
ein  Lingam  gewesen,  wie  es  der,  wie  wir  oben  sahen,  in  Bena-  \ 
res  herrschende  Civacultus  erklärlich  macht. 

Mit  der  hochent^-ickelten  Baukunst,  Plastik  und  Bild- 
schnitzerei  in  Holz  hängt  zusammen  das  Kunsthandwerk  und  I 
der  Luxus,  wie  sie  sich  in  der  Tracht  zum  Ausdruck  bringen. 
Die  Träger  des  Comforts  und  Luxus  waren  die  Priester,  die 
Brahmanen,  aus  denen  auch  die  Künstler  und  Kunsthandwerker 
(xexvlxai)  hervorgiengen.  Sie  trugen  Goldschmuck,  die  Weiber 
auch  Ohrgehänge  wie  die  Perser  {rcaocxnXr^ouog  xoig  negoaig), 
femer,  was  wieder  persisch,  golddurchwirkte  Mitren  {uixoag 
XQvaovcpeig).  Von  besonderer  Feinheit  und  Weichheit  waren 
ihre  WoUenkleider.  Es  waren  wohl  baumwollene  Stoffe,  wie 
sie  unter  dem  Namen  Kdei'kasükshma  „Benares-fein"  jetzt  noch 
berühmt  sind.     S.  BöhtHngk-Roth  Sanskritwb.,  Bd.  II,  pag.  271, 

Merkwürdig  sind  des  Euhemerus  Berichte  über  die  Ver- 
fassung des  Landes.  Ueberraschend  ist  die  Angabe,  die  Be-  | 
völkerung  Panchaias  gUedere  sich  in  drei  Kasten,  wofür  wir  I 
vier  erwarten  würden.  Die  Sache  ist  wohl  so  zu  verstehen,  dass 
die  vierte  Kaste  in  den  Augen  des  Euhemerus  mit  der  dritten, 
von  deren  Beschäftigung  sie  sich  zu  wenig  unterschied,  zusam- 
menschmolz. Wir  hätten  also  1.  Priester  (Isgelg)  und  Künstler 
(raxvixai),  also  BrahTtianen.  2.  Ackerbauer  {yawqyoC).  3.  Krieger 


-     92    — 

(oTQaruoTai)  und  Hirten  (vo/ueZg).  Hiemach  wären  die  Kshat- 
triya  aus  dem  zweiten  in  den  dritten  Rang  versetzt  und  die 
Vaigya  aus  dem  dritten  in  den  zweiten  Rang  erhöht.  Die  Qüdra 
als  vierte  Kaste  wären  in  die  dritte,  in  die  der  Kshattriya,  ein- 
geschmolzen. Die  Herunterdrückung  der  Kshattriya  Hesse  sich 
begreifen  aus  der  nach  Euhemerus  in  absoluter  Souveränität 
dominirenden  Stellung  der  Brahmanen,  die  in  ihrem  rein  hierar- 
chischen Staate  sich  auch  keine  Könige  gefallen  liessen,  sondern 
aUe  geistlichen  und  politischen  Angelegenheiten  selbst  besorgten 
(avTOVofiOL  xal  dßaoiltvToi,  ferner  oi  f.iiv  ovv  IsQEig  %iüv  anäv- 
Tü)v  rfiav  riyejiiovEg,  zag  xe  rtöv  a(.icpioßriTt]aeiov  KQiaeig  noiov- 
fuevoi  xal  twv  aXXcov  rdJv  dri(j,00L(ji  rrgaTroitievcüv  xvgiot)  und 
nur  Geschäftsvorsteher  mit  einjähriger  Gewalt,  aber  ohne  Ge- 
richtsbarkeit über  Leben  und  Tod  (also  eben  ohne  jede  Souverä- 
nität) wählten  {agxovrag  de  xad^iGTaai  xar  iviavTov  tgelg- 
ovTOL  de  d^avarov  /iiiv  ovx  eial  y.vQioi,  xa  de  Xoincc  ndvxa 
diaxQivovot).  Die  socialistisch  zugespitzte  Ausschliessung  alles 
Privateigenthums,  sowie  die  souveräne,  ob  zwar  auch  gerechte 
Verfügung  der  Brahmanen  über  sämmtliche  Erzeugnisse  der 
Bodencultur  und  des  Handwerks,  sowie  über  alle  Einkünfte  des 
Staates,  erinnert  an  die  analogen  Einrichtungen  des  Priester- 
staates der  Jesuiten  im  Paraguay  im  siebzehnten  Jahrhundert. 
Die  Bestimmung,  dass  kein  Priester  das  geheiligte  Land 
verlassen  dürfe,  wenn  er  nicht  Gefahr  laufen  woUe,  vogelfrei 
zu  werden,  entspricht  dem  noch  jetzt  mit  aller  Strenge  gehand- 
habten Gesetz  des  Brahmanismus.  Das  Verbot  des  Exports  da- 
gegen ist  zweifellos  ein  Missverständniss  des  Euhemerus,  dem 
erstens  die  Thatsache  widerspricht,  dass  die  Brahmanen  ausser 
über  alle  Erzeugnisse  des  Landes  auch  über  alle  Einkünfte 
{nQooodoi)  verfügten.  Diese  Einkünfte  konnten  und  könnten  in 
einem  sich  selbst  genügenden,  auf  jährlicher  Gütervertheilimg 
basirenden  Staatswesen  nur  in  Zöllen  bestehen,  die  aber  wieder 
den  Export  des  Ueberschüssigen  zur  Voraussetzung  haben.  Und 
dass  der  indische  Export  an  Zinn  {y.aoaiTSQoc),  sowie  an  Perleu 


—    93     — 

Edelsteinen,  Gewürzen,  Farbhökem  und  wohl  auch  Produkten 
des  Kunsthandwerks,  wie  schon  der  Edelsteinexport  voraus 
>etzt,  schon  im  höchsten  Alterthum  sehr  beträchtlich  gewesen 
;ein  muss,  hat  sich  uns  schon  früher  ergeben.  Dass  die 
MetaUproduction  ein  wesentliches  Element  Panchaias  gewesen 
sein  muss,  geht  herror  aus  der  uns  von  Plin.  Hist.  Nat.  VII, 
197  überlieferten  Sage,  die  bergwerksmässige  Goldschmelzerei  sei 
von  Thoas  und  Eaclis  in  Panchaia  erfunden  worden:  auri 
metalla  et  conjlaturam  Cadmus  Phoenix  ad  Pangaeum  montem, 
ut  alü,  Thoas  et  Eaclis  in  Panchaia,  aut  Sol  Oceani  ßlius,  cui 
Gellius  medicinae  quoque  inventionem  ex  melle  assignat.  In 
Thoas  und  Eaclis  haben  wir  es  natürlicherweise  nicht  mit 
griechischen,  sondern  panchaiischen  Namen  zu  thun,  d.  h.  also 
mit  Sanskritwörtern.  Und  diese  sind  nicht  schwer  zu  erklären. 
In  Thoas  erblicke  ich  ein  hypothetisches  *dhavas  von  W.  dhü, 
ffriech.in  &v-eX).a  etc.,  blasen,  deren  Identität  mit  B)^.dham.  blasen, 
feststeht.  Aber  dham^  blasen,  bedeutet  auch  schon  schmelzen, 
wie  dhmä,  blasen,  schmelzen,  wovon  im  Rigv.  V,  9,  5  das  Sub- 
stantiv dhmätrij  der  Bläser,  Schmelzer.  In  Eaclis  erkenne  ich 
ein  hypothetisches  ayaJi-cri  „der  Ruhm  des  Erzes",  wie  zahl- 
reiche mit  cri  componirte  Substantive,  z.  B.  vijaya-gri,  der  Ruhm 
des  Sieges,  Siegesruhm,  cri  in  seiner  ursprünglichen  Aussprache 
als  chri  gesprochen.  Vgl.  über  cri  als  zweiten  Theil  eines  Com- 
positums  auch  Pischel  in  den  „Vedischen  Studien",  Bd.  I,  pag.  55, 
wo  für  cri  die  Bedeutung  „Kraft,  Macht,  Herr"  erschlossen  wird. 
Der  Bericht  des  Euhemerus  über  Panchaia  hat  übrigens 
weltgeschichtliche  Bedeutung  erlangt,  dadurch  dass  Campanella 
seinen  Sonnenstaat  {Civitas  Solis)  auf  denselben  gebaut  hat. 
Campanella's  Sonnenstaat  ist  aber  eines  der  Urevangelien  des 
modernen  Socialismus! 


IV.  Iranische  Hymnen  des  ßigveda. 

1.  Der  Vourukasha  des  Avesta  und  der  ürühkdksha  des 

Rigreda. 

In  einem  dem  Rishi  Qamyu  Bärhaspatya  zugeschriebenen 
Hymnus  der  Liedersammlung  des  Bhäradväja,  Rigveda  VI,  45, 
dessen  Anfangs vers  den  Indra,  „unsem  jungen  Freund"  lobt, 
dass  er  „mit  schöner  Leitung"  (süniti)  „Turva^a-Yadu  aus  der 
FemeJ  her  geführt  habe"  {yd  dnayat  pardvdtah  suniti  turvd- 
gam),  erheben  sich  die  Schlussstrophen  31 — 33  zum  Preise  der 
Freigebigkeit  des  Panifürsten  Bribu.  Die  drei  wichtigen  Stro- 
phen lauten: 

ddht  bribdh  paninam  varshish(he  mürclhänn  asthdt, 

wiih  kdksho  na  gängydJ},  ||  31  || 

ydsya  vdyör  iva  draväd  bhadrd  rdtth  sahasrmi, 

sadyö  ddndya  mdiihate  |]  32  |[ 

tat  sü  no  vigve  aryd  a  sddd  grinanti  kdrdvah, 

brtbiim  sahasraddtamam  sürim  aahasrasdtamam  ||  33  \\ 

„üeber  den  Pani's  stand  auf  höchster  Spitze  Bpbu,  [wie 
das  weite  Dickicht  an  der  Gangä"]  ||  31  |1 

Anmerk.  Dieser  Bogen  war  schon  in  der  zweiten  Revision,  als 
mir  Weber  seine  Abb.  Episches  im  vedischen  Ritual  zuschickte, 
in  welcher  er  pag.  28,  Anm.  5  die  Gleichung  Vourukasha  =  Urukaksha 
antecipirt. 


—     95     — 

„er,  dessen  segensreiche  Gunst,  die  tausendfache,  rasch  zur 
Hand  ist,  wie  vom  Wind  her  gleichsam,  sie  neigt  sich  rasch 
zum  Schenken"  |1  32  || 

„Desshalb  preisen  denn  auch  alle  unsere  frommen  Sänger 
fort  und  fort  den  Bribu  als  tausendschenkenden  Opferherm,  als 
tausendspendenden"  |j  33  [j 

Ueber  den  freigebigen  Opferherm  Bribu,  der  nach  Strophe 
31  xmter  den  sonst  als  geizig  verschriebenen  Pani  (s.  mein  Iran 
u.  Turan  pag.  113)  eine  Ausnahme  bildete,  erfahren  wir  aus 
dem  Veda  weiter  nichts.  Dagegen  macht  ihn  die  Anukramanika 
des  Rigveda,  das  Sängerverzeichniss,  zum  taksJian,  txcoq.  Zimmer- 
mann und  wohl  aus  ihr  schöpft  Qänkhäyana  in  Qrautasütra  XVI, 
11,  11  (bei  Bohtlingk-Roth  Sanskritwörterb.,  Bd.  V,  pag.  111): 
yathd  bharadvdjo  bribau  takshni  praMoke  ca  sdrnjaye  sanim 
sasäna  „wie  Bharadväja  beim  Zimmermann  Bribu  und  Prastoka 
dem  Sohne  des  Srilljaya  eine  Spende  empfing."  Wenn  Bribu 
als  Zimmermann  von  grossem  Reichthum,  woraus  seine  Frei- 
gebigkeit floss,  gepriesen  wird,  so  wird  er  wohl  in  einer  holz-, 
also  waldreichen,  Gegend,  gewohnt  haben,  was  zu  dem  Aufent- 
halt der  Pani  am  untern  Laufe  des  ehemals  ins  Kaspische  Meer 
mündenden  Oxus  vorzüglich  passt.  S.  Iran  u.  Turan  pag.  113. 
Dieser  Bribu  ist  übrigens  sehr  interessant  wegen  seines  Namens- 
anklangs an  den  ebenfalls  wegen  seines  Reichthimis  und  seiner 
Freigebigkeit  hoch  gepriesenen  Däsd  Balbüthd  Tdruksha  Rigv. 
VIII,  46,  32.  Die  Parner  und  Daher  bildeten  eine  Volkseinheit 
als  welche  sie  von  den  antiken  Geographen  stets  zusammen  IlaQ- 
voi-Jaai  aufgeführt  werden  vgl.  z.  B.  Strabon  Lib.  XI,  cap.  7,  1; 
ed.  C.  MüUer,  Paris  1877,  pag.  435,  50;  femer  Lib.  XI,  cap.  9, 
3,  pag.  442,  4.  Ist  am  Ende  dieser  Paraer  Bribu,  der  oflfenbar 
für  ein  älteres  "^Barbu  steht,  mit  dem  Däsa  (Pama)  Balbüthd 
Täruksha  (einem  Türken?)  identisch?  Oder  ist  Tdruksha  viel- 
leicht nur  eine  hypokoristische,  des  Anfangs-a  (wie  in  IldQvoi 
==v4/rapvo/)  verlustig  gegangene,  synkopirte  Form  des  iranischen 
dtarevaksha   im  Avesta  für  älteres  dtarvdksha,    dem  Titel  des 


—    96    — 

Mobed,  welcher  den  Feuerdienst  besorgt  (Justi  Handb.  d.  Zendspr., 
pag.  50)?  üeber  Tdruksha  =  Türke  s.  schon  Iran  u.  Turan, 
Einl.  pag.  XII.  Ebendort  pag.  XII  dachte  ich  bei  Balbütha 
(für  ein  im  Ski.  unmögliches  *Bablüiha)  an  Babylon. 

Bribu  ragt  über  alle  Pani  um  Haupteslänge  hinaus,  so  hoch 
hinaus  urüh  kdksho  nd  gängyah.  Bei  dieser  Vergleichung  nun 
beginnt  die  liebe  Noth  der  Rigvedainterpreten.  Ludwig  und  die 
Tradition  übersetzen:  ,wie  das  weite  Dickicht  an  der  Gangä," 
indem  sie  gängyah  als  adj.  von  Oangä  fassen.  Nun  giebt  es 
aber  kein  solches  Adjektiv  und  ein  von  Böhtlingk-Roth  im  Sans- 
kritwörterbuch (Bd.  II,  pag.  12)  mit  Recht  für  mruh  kdksho  ver- 
mutheter  Eigenname  Urukdksha  ist  an  der  Gangä  ebenfalls  nicht 
nachweisbar.  Zudem  würde  diese  Vergleichung,  als  vollständig 
lahm,  hinken.  Und  obendrein  fehlte  das  tertium  comparationis, 
das  offenbar  in  gängyah  oder  in  dem  Wort,  das  ursprünglich 
für  gängydh  gestanden  haben  muss,  enthalten  gewesen  sein 
muss.  Hier  hilft  nun  weiter  nichts  als  die  Annahme,  dass  für 
gängyah  ursprünglich,  wie  auch  Säyana  interpretirt,  gestanden 
habe:  Oangäyäh,  sodass  also  die  Stelle  einstweilen  zu  übersetzen 
wäre:  „wie  ürukaksha  über  die  GaHgä." 

Was  ist  nun  Urukdksha  oder  Uruh  käksha?  Ich  glaube, 
nicht  mehr  und  nicht  minder  als  der  VSurukasha  des  Avesta, 
das  Kaspische  Meer!  Ich  glaube  auch,  dass  der  Name  in  seiner 
altern  Form,  die  für  Vouru,  resp.  uru  ein  varu  verlangt,  noch 
wiederklingt  aus  dem  Namen  der  Seestadt  BuQvyaCa,  dem 
heutigen  Barotsch  am  Busen  von  Cambay.  Das  Wort  bezeich- 
net das  weitufrige,  wie  denn  auch  die  Huzvaresh-Uebersetzung 
des  Avesta  das  Wort  mit  dem  dasselbe  bedeutenden  Feräkhkant 
wiedergiebt.  Die  Vergleichung  lautet  nunmehr:  „wie  das 
Kaspische  Meer  über  die  Gangä."  Das  ist  eine  zutreffende 
Vergleichung.  Bribu  zeichnet  sich  durch  die  Grösse  seiner  Frei- 
gebigkeit vor  allen  andern  Panis  aus,  wie  sich  das  Kaspische 
Meer  durch  seine  Grösse  über  die  der  Gangä,  d.  h.  hier,  des 
Oxus,  erhebt. 


—     97     — 

Wir  stehen  in  diesem  Hymnus  auf  dem  Boden  der  Turva^a- 
Yadu  in  Parthien,  es  kann  demnach  von  der  spätem  Grangä, 
die  die  Sanskrit- Arier  in  Hindostan  so  benannten,  noch  keine 
Rede  sein.  Sondern  hier  ist  als  tertium  comparationis  nur  die 
Gangä  im  Sinne  des  Oxus  mögHch.  Und  dass  der  Oxus  in  fer- 
ner Urzeit  Gaiigd  geheissen  haben  muss,  geht  hervor  aus  dem 
Namen  des  Paradiesflusses  Gihon,  der  schon  längst  (s.  Knobel, 
Die  Völkertafel  der  Genesis,  Giessen  1850,  pag.  249)  als  der 
Oxus  erkannt  worden  ist.  Es  deutet  darauf  auch  der  Name  der 
Alaka-nandä  im  Yishnupuräna,  den  Wilson  (s.  Vom  Pontus  bis  zum 
Indus  pag.  123)  als  den  Ganges  gefasst  hat  und  den  ich  ebeu- 
dort  als  hervorgegangen  aus  Arg  rut,  einem  bekannten  Namen 
des  Oxus  =  Arang,  Araxes,  Arajj'i  gedeutet  habe  (s.  dort  pag. 
124).  Diese  Bedeutung  von  Oxus  möchte  ich  der  Gaiigä  auch 
in  dem  berühmten  Hynmus  zum  Lob  der  Flüsse  (Rigveda  X, 
75,  5)  zuweisen.  Die  Nadistuti  rühmt  die  Flüsse  des  Pandschab, 
beginnt  aber  mit  einem  Lob  auf  die  grossen  Ströme  Hochirans. 
Bedeutet  in  Vers  5  in  der  Stelle  imdm  me  Gange  Yamune  SarasvcUi 
die  Gahgä  den  Oxus,  so  ergiebt  sich  dann,  wenn  zugleich 
Yamund  =  Hamunseestrom  (s.  mein  Iran  u.  Turan  pag.  99 — 100) 
und  die  SarasvcUi  die  Haraqaiti^  der  Hümend  der  Vasishtha 
(ebendort  pag.  98 — 99),  die  von  Nord  nach  Süd  gehende  Reihen- 
folge: Gangd  (Oxus),  Yamund  (Hamun),  Sarasiati  (Haraqaiti- 
Hilmend),  während,  wenn  wir  in  den  drei  Namen  die  später 
erst  kennen  gelernten  Flüsse  Hindostans  suchen,  alsdann  keine 
Reihenfolge  herauskommt. 

2.    Die  astronomische  Orientining  der  geographischen 
Lage  des  von  den  A^vinau  befahrenen  Meeres. 

In  »Vom  Pontus  bis  zum  Indus"  pag.  127 — 129  hatte  ich 
nachgewiesen,  dass  die  Heilthätigkeit  der  vedischen  A9vinau 
auf  die  erfrischende  Wirkung  des  Morgen-  und  Abendwindes 
zu  beziehen  ist,  über  deren  Heilkraft  uns  der  persische  Geograph 

Brunnhofer,  Vom  Aral  bis  zur  Ganga.  7 


—    98    — 

Qazwini  werthvolle  Anhaltspunkte  gewährte,  wie  uns  derselbe 
auch  über  den  nicht  mythologischen,  sondern  vollständig  realen 
Charakter  des  ron  den  A^vinau  verstreuten  Honigthaus  Aufklä- 
tung  gab.  Die  A^vinau  kommen  auf  ihrem  goldenen  Wagen 
iin  Abenddunkel  und  bei  der  Morgenröthe  herangefahren  (vgl. 
Rigv.  X,  39,  1)  und  zwar  kommen  sie  über  das  Meer  gefahren 
(RigT.  I^  30,  18  samudrS  .  .  .  (yate\  von  ferne  her  (Rigv.  VIII, 
5,  31  <$  vahethe  paräkät) ,  sie  fahren  von  Osten  nach  Westen 
(Rigv.  VIII,  10,  5  ydd  adydgvinäv  dpäg  ydt  prdk  sthö  vdjinwasu). 
Nach  Rigv.  VIII,  9,  14  wel-den  die  A^vinau  zum  Somaopfer  bei 
den  Turva9a  Yadu  eingeladen  und  nach  Rigv.  VlII,  10,  5  ver- 
weilen sie  bald  bei  den  Druhyu-Anu  im  Westen,  bald  bei  den 
Turva^a-Yadu  im  Osten. 

Nun  hatte  sich  uns  in  „Iran  und  Turan"  pag.  41  ergeben, 
dass  die  Turva9a  als  Verbündete  der  Vi-tcivant^  die  wir  als  Vnica 
=  Hyrkanier  erkannt  hatten,  in  der  Nachbarschaft  Hyrkaniens, 
vielleicht  in  Taberistan  gewohnt  haben  müssen,  wo  möglicher- 
wieise  der  Name  der  alten  Stadt  Tüs,  der  einstigen  Hauptstadt 
ton  Chorasan,  noch  Zeugniss  von  ihtem  einstigen  Aufenthalt 
ablegt.  Wohnten  aber  die  Turva^a  in  Taberistan  oder  Hyrka- 
nien,  so  kann  das  Meer,  welches  die  A^vinau  befahren,  nur  das 
Kaspische  Meer  gewesen  sein. 

Zu  demselben  Resultate  gelangen  wir,  wenn  wir  die  A^vi- 
nau  blos  als  Morgen-  und  Abendstem  betrachten.  Wenn  der 
Morgenstern  mit  dem  Morgenwind  im  Osten  aufgeht  und  über 
das  Meer  nach  Westen  fährt,  so  giebt  es  auf  ganz  Iran  nur 
zwei  Meere,  von  denen  diese  Ajigabe  gemacht  werden  kann, 
nämlich  der  Aralsee  und  das  Kaspische  Meer.  Wenn  aber  zu- 
gleich gesagt  wird,  der  Morgenwind  bringe  Honigthau,  so  lässt 
sich  diese  Angabe  nur  auf  den  Südrand  des  Kaspischen  Meeres, 
beziehen,  da  die  Lage  des  Aralsees,  der  volle  10  Breitengrade  nörd- 
lichei"  liegt,  als  der  Südraud  des  Kaspischen  Meeres,  solchen 
Honigthaufall  nicht  zulässt.  Wenn  nun  die  A^vinau  das  Meer  von 
Osten  nach  Westen  befahren,  so  muss  das  Land  der  Druhyu-Anu 


—     99    — 

im  Westen  offenbar  südwestlich  von  dem  Land  der  Turva9a- 
Yadu  im  Osten  des  Kaspischen  Meeres  liegen,  wenn  die  Druhyu- 
Anu  zugleich  einen  Theil  des  Fünfvölkerbundes  ausmachen 
konnten,  der  seinen  Sitz  im  Südostwinkel  des  Kaspischen 
Meeres  hatte. 

Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich,  in  Anlehnung  an  meine 
Deutung  der  A^vinau  als  Morgen-  und  Abendwind  auf  Iran, 
(Vom  Pontus  bis  zum  Indus,  pag.  127—129)  für  das  häufigste 
Attribut  derselben,  Ndsatyau,  eine  neue,  vielleicht  auch  bessere 
Etymologie  vorschlagen.  Mir  wenigstens  will  es  nicht  ein,  die 
beiden  Heilgötter  von  ihren  langen  IS'asen  benannt  zu  sehen, 
wie  doch  neuerlich  vorgeschlagen  worden  ist.  Sondern  ich  leite 
das  adj.  näsatya  ab  von  einer  Participialform  Praes.  Gaus,  näsat 
von.  W.  nas  (die  allerdings  im  Sanskrit  nicht  nachweisbar  ist), 
enthalten  im  gothischen  Gaus,  nas-jan,  heilen,  retten.  Den  dem 
Wort,  nicht  jedoch  dem  mythologischen  Begriff  nach  entspre- 
chenden Dämon  Näonghaithya  des  Avesta  halte  ich  nur  für  eine 
zarathustrische  Diabolisirung  des  brahmanischen  Götterpaares, 
letzteres  als  Einheit  gedacht.  Näonghaithya  ist  der  Dämon  des 
Hochmuths,  der  Taromaüi,  und  geht  nicht  auf  einen  arischen 
Gott  zurück,  sondern  ist  die  bewusste  Caricatur  des  sanskrit- 
arischen, vorindischen,  brahmanischen  Heilgötterpaares  des  Rig- 
veda.  Der  arische  Sagenschatz  über  die  A9vinau  ist  enthalten 
in  den  zahlreichen  Dioskurensagen  der  Griechen,  worüber 
später  in  meinem  Homerwerke. 


3.  Ein  Yaruiialiyinnns  am  Kaspischen  Meer. 

Rigveda  V,  85. 

1.  Auf!  dem  Allherrsch  er  ein  hohes  singe,  ein  tiefes  Lied, 
ein  liebes,  dem  Varujpa,  dem  berühmten,  ihm  der  da  auseinan- 
derschlug —  wie  ein  Schlächter  die  Haut  zum  Ausbreiten  an 
die  Sonne  —  die  Erde. 

7* 


—    100    — 

2.  TJeber  den  Wäldern  hat  er  den  Himmel  ausgespannt, 
Kraft  hat  er  emgesetzt  in  die  Rosse,  Milch  in  die  Kühe,  in  die 
Herzen  Verstand,  Varuna,  in  die  Wässer  das  Feuer,  an  dem 
Himmel  die  Sonne,  den  Soma  auf  der  Fluh. 

3.  Nach  unten  gekehrt  hat  Varuna  den  Schlauch  und  den- 
selben sich  in  die  Luft  nach  Himmel  und  Erden  ergiessen  lassen, 
mit  diesem  benetzt  der  König  alles  Wesenden  den  Erdboden 
wie  der  Regen  das  Gras. 

4.  Benetzt  den  Boden,  die  Erde  wie  den  Himmel,  sobald 
er,  Varuna  (aus  diesem  Schlauch)  Milch  wünscht,  mit  Gewölk 
umhüllen  sich  die  Berge,  die  rüstigen  Männer  lösen  (die  Schnüre 
des  Schlauches.) 

5.  Diese  auch  wahrlich,  des  Göttlichhehren,  des  Berühmten 
grosse  Kunst,  des  Varuna,  will  ich  preisen,  der  mit  einem 
Massstab  gleichsam  in  der  Luft  stehend,  ausmisst  die  Erde  ver- 
mittelst der  Sonne. 

6.  Dieser  auch,  des  weisesten  Gottes  grosser  Kunst  hat  sich 
noch  keiner  vermessen,  dass  alle  blinkenden  Ströme  sich  in  das 
Eine  Meer  ergiessend  mit  ihrem  Wasser  dasselbe  nicht  fiillen. 

7.  Wenn  wir  an  dem  blutswerwandten,  o  Varuna,  oder  dem 
befreundeten  Genossen  oder  dem  Nachbarn  oder  Bruder,  wenn 
wir  an  dem  Einheimischen,  o  Varuna,  oder  an  dem  Fremden, 
eine  Sünde  begangen  haben,  erlöse  uns  von  derselben. 

8.  Wenn  wir  als  Schelme  beim  Spiel  betrogen  haben, 
sei  es  in  Wahrheit,  sei  es  dass  wir  es  nicht  wussten,  alle 
diese  Fallstricke  löse,  o  Gott,  möchten  wir,  o  Varuna,  dir 
lieb  sein. 

Bevor  wir  uns  zur  Erklärung  des  Einzelnen  wenden,  wobei 
wir,  von  unserm  Standpunkte  aus,  zunächst  das  historisch-geo- 
graphische und  ethnologische  Element  berücksichtigen,  wird  es 
vor  allem  nothwendig  sein,  uns  nach  der  geographisch  einzig 
möglichen  Proveniez  dieses  in  sich  vollendet  abgeschlossenen 
Varunaliedes  umzusehen.  Ich  finde  den  Schlüssel  zur  Beaut- 
wortimg  dieses  Räthsels   in  Strophe   6.     Der  Dichter  spricht 


—    101     — 

hier  aus  dem  Volksmunde  heraus  seine  Verwunderung  darüber 
aus,  dass  die  unendliche  Zahl  der  in  das  Meer  mündenden  Ge- 
wässer dasselbe  niemals  zum  Ueberfliessen  bringen.  Das  nakir 
d  dadharsha,  noch  keiner  hat  sich  dieser  Kunst  {imäm  mäyäm) 
unterstanden,  beweist,,  das  seit  ältesten  Zeiten  diese  Beobachtung 
das  Erstaunen  der  Meeresanwohner  hervorgerufen  hat.  Es  kann 
nun,  nach  dem,  was  sich  uns  schon  in  Iran  u.  Turan  pag.  5 — 9 
ergeben  hatte,  kein  Zweifel  darüber  herrschen,  dass  der  sämudra 
des  Rigveda,  wo  er  nicht  schon  zum  Wolkenocean  verhimmelt 
ist,  nur  das  Kaspische  Meer  sein  könne.  Und  die  in  Strophe  6 
zum  Ausdruck  gelangende  Volksverwunderung  über  den  immer 
gleichen  Stand  des  samudra  befestigt  uns  in  dieser  Ansicht. 
Wie  wir  nämlich  gesehen  haben,  dass,  wie  nakir  d  dadharsha 
bewies,  diese  Volksverwundenmg  traditionell  war,  so  hat  sich 
dieselbe  bis  auf  die  Neuzeit  erhalten.  Olearius  nämlich,  der 
i.  J.  1634  das  Kaspische  Meer  befuhr  und  den  Südrand  bereiste, 
erzählt  uns  pag.  408  seiner  Persischen  Reisebeschreibung:  „Es 
wundern  sich  ihrer  viel,  woher  es  doch  komme,  dass 
diese  See  soviel  Ströme  in  sich  sauffe,  und  doch  keinen 
merklichen  Ausgang  hat."  Und  aus  neuester  Zeit  berichtet 
Melgunoff,  Die  südlichen  Ufer  des  kaspischen  Meeres  pag.  32: 
,4)ie  Landesbewohner  sagen,  dass  Mazanderan  allein  eben  soviele 
Flüsse  habe,  wie  das  Jahr  Tage.  Am  ganzen  kaspischen  Ufer 
von  den  tiirkmenischen  Steppen,  oder  dem  Flusse  Gurgan,  im 
Osten,  bis  zum  ZoUhause  in  Astara,  am  westlichen  Ufer,  will 
man  1362  (?)  Flüsse  zählen!" 

Diese  Auffassung  der  geographischen  Herkunft  unseres 
Varunaliedes  bestätigt  sich  nunmehr  durch  die  werthvolle  An- 
gabe im  Schlusspäda  der  Strophe  2:  adadhät  somam  ddrau  „er 
setzte  den  Soma  auf  der  Fluh  ein."  Denn  ganz  übereinstimmend 
heisst  es  im  Avesta,  Ya9na  X,  27 — 28:  Dich  (Haoma),  den  gros- 
sen Spender  der  Weisheit,  setzte  ein  kunstreicher  Gott  nieder 
—  auf  der  Hara  berezaiti  {nidadät  .  .  .  haraithyo  paiti  hare- 
zaydo).     Die  Hara   berezaiti  ist  aber  bekanntlich  der  Alburs, 


—     102     — 

das  südliche  Randgebirge  des  Kaspischen  Meeres.  Diese  Angabe 
des  Avesta  stimmt  wieder  überein  mit  der  Mittheilung  Anquetil 
du  Perrons  (s.  auch  Justi,  Beiträge  zur  alten  Geogr.  Persiens  I,  5 
der  Hom  wachse  auf  den  Bergen  von  Gilan,  Mazanderan,  Shir- 
wan  (und  Yezd).  Vgl.  darüber  insbesondere  auch  meine  Ab- 
handlung über  den  A9navanta-A9vattha-Sabelän  als  Sitz  des 
Soma  in  „Vom  Pontus  bis  zum  Indus"  pag.  77—82. 

Stehen  wir  hiemit  auf  geographisch  festem  Boden,  so  er- 
klärt sich  nun  auch  die  Angabe  von  Strophe  2  unseres  Varuna- 
liedes:  apsv  ägn{m,  .  .  .  adadhdt  „er  setzte  in  die  Wässer  das 
Feuer  ein."  Hier  kann  es  sich  nicht  um  das  aus  dem  Meeres- 
schooss  aufsteigende  Gewölk,  resp.  um  den  aus  der,  dem  Meeres- 
schooss  entstiegenen  Wolke  herausfahrenden  Blitz  handeln,  da  in 
sämmtUchen  Schöpfungswerken,  die  in  Strophe  2  erzählt  wer- 
den, es  sich  überall  um  unabänderliche  feststehende  Schöpfungs- 
verhältnisse handelt.  So  ist  hier  denn  auch  von  dem  den  Wässern 
unabänderlich  innewohnenden  Feuer  die  Rede.  Ich  möchte  darin 
eine  Hindeutung  auf  die  zahlreichen  Thermen  der  Alburskette 
erblicken.  Die  wunderbaren  Heilwirkungen  der  heissen  Schwe- 
felquellen konnte  den  arischen  Bewohnern  dieser  vulkanischen 
Gebirge  schon  urzeitlich  nicht  entgehen,  üeber  diese  Thermen 
erfahren  wir  aus  MelgunoflF,  Die  südlichen  Ufer  des  Kaspischen 
Meeres,  pag.  23,  Folgendes:  „Es  ist  bekannt,  dass  der  Demavend 
ein  Vulkan  ist,  aus  dem  jedoch  nur  zu  Zeiten  Rauch  aufsteigt; 
man  zählt  an  70  Krater.  Der  Berg  hat  viele  Schwefelquellen 
und  enthält  viele  Mineralien,  vorzugsweise  Steinkohle"  und 
pag.  24:  „Die  Schwefelquellen  sind  so  heiss,  dass  man  Eier 
darin  kochen  kann.  Einige  derselben  werden  von  den  Persem 
auch  als  Heilquellen  besucht."  Naturgemäss  mussten  solche 
warme  Quellen  auf  den  Feuergott  bezogen  werden.  So  auch 
führten  die  Griechen  dieselben  auf  Hephaistos  zurück,  wie  der 
Scholiast  zu  des  Aristophanes  Wolken  v.  1052  berichtet:  "//?t- 
xdg  <pTtiai,  ibv  ^'Hq)aiOTOv  xatä  Siogeav  dvaöovvat  'HgaicXel 
XovT^ä  d^eQfiiiiv  vddtiov,  £|  tav  ra  d^sQfia  Tiveg  (paoiv  ^HQdx.XeKx 


—     103    — 

liyead^ai.  S.  des  Ibykos  Fragm.  4^  bei  Bergk,  Poetae  Lyriißi 
Graeci  (Lips.  1843),  pag.  662.  S.  darüber  auch  noch  Lauer, 
System  der  griechischen  Mythologie,  p,  382,  Anm.  1620. 

Betrachten  wir  nunmehr  noch  die  ander»  realen  Aphalts- 
punkte,  die  uns  das  Varunalied  zur  Unterstützung  unserer  An- 
sicht von  der  kaspischen  Provenienz  desselben  bietet,  so  werden 
wir  dieselben  in  erwünschter  Uebereinstimmung  mit  den  schon 
gefundenen  treffen. 

Gleich  der  Anfangspäda  von  Strophe  2:  vdneshu  vy  cmtd- 
riksham  tatdna  „über  den  Wäldern  hat  er  den  Himmel  ausge- 
breitet" lässt  uns  einen  Schluss  ziehn  auf  den  Waldreichthum 
und  die  Baumriesen  Mazanderans.  Denn  soviel  ist  sicher,  dass 
dem  Dichter  dieses  Anschauungsbild  nur  in  einem  wälderreichen 
Lande  mit  hohen  Bäumen  sich  aufdrängen  konnte.  Vgl.  über 
diesen  Waldreichthum  die  armenische  Etymologie  des  Wortes 
Mazanderan,  sowie  über  die  „staunenmachende  Grösse  und 
Höhe  der  Wälder"  Mazanderans  die  Schilderung  des  bri- 
tischen Reisenden  Morier  vom  J.  1815  in  meinem  Iran  und 
Turan  pag.  142—143.  Hülebrandt  (Varuna  und  Mitra  pag.  71) 
sowie  Geldner  (in  den  Vedischen  Studien,  Bd.  I,  pag.  114)  über- 
setzen vdneshu  mit  „in  den  Bäumen."  Geldner  begründet  seine 
Uebersetzung  mit  den  Worten:  „Bäume  oder  Wald  und  Jjuft 
sind  für  die  Beobachter  unzertrennlich.  Er  hört  dieselbe  in 
dem  Rauschen,  nimmt  sie  wahr  in  dem  Zittern  des  Laubes  und 
atmet  sie  besonders  gern  in  dem  kühlen  Schatten  des  Baumes. 
Varuna  hat  es  gefügt,  dass  die  Luft  durch  die  Bäume  streichen 
kann.  Vgl.  „die  luftigen  Eichen"  bei  Wieland."  Geldner,  dessen 
realistischer  Erklärung  des  Rigveda  wir  sonst  zustimnjien,  hat  hier 
vollständig  übersehen,  dass  er  ein  rein  idealistisches  Princip  in 
die  Rigveda-Erklärung  hineinträgt,  Motive  aesthetischer  Natur- 
verzücktheit, zu  denen  der  indische  Geist  erst  durch  den  yer- 
innerhchenden  Einflugs  des  Buddhismus  gelangt  ist,  ja  die  zum 
Theil  erst  durch  Rousseau's  oder  Bernardin  de  St.  Pierre's 
Naturschwärmerei  für  die  moderne  Menschheit  gewonnen  worden 


—     104     - 

sind,  von  denen  aber  der  ßigveda  noch  so  vollständig  frei  ist, 
dass  wir  mit  Erstaunen  die  Wahrnehmung  machen,  wie  un- 
empfänglich der  Inder  des  Veda  sich  selbst  noch  für  den  Blumen- 
reichthum  Kashmirs  oder  des  Pandschab  zeigt.  Der  Inder  des 
Veda  staunt  nur  über  diejenigen  Naturerscheinungen,  die  ihm 
durch  die  Macht,  Grösse,  Glanz  oder  durch  ihren  Nutzen  impo- 
niren  und  selbst  in  denjenigen  Liedern,  wo,  wie  in  den  Hymnen 
auf  die  Morgenröthe,  zum  ersten  Mal  in  der  Urgeschichte  der 
Menschheit  ein  freies  sich  Hingeben  an  die  Natur  zum  Durch- 
bruch gelangt,  geschieht  es  nur  unter  der  Illusion,  die  Schön- 
heit einer  Göttin,  ja,  nach  Geldner,  die  Reize  einer  Hetäre  zu 
besingen.  Wie  sehr  der  Dichter  unseres  Varunahymnus  die 
Natur  in  echt  antiker  Gebundenheit  des  Geistes  nur  unter  der 
Vorstellung  des  Nutzens  betrachtet,  woneben  dann  noch  der 
Eindruck  des  räumlich  Grossartigen  aufkommt,  beweist  gerade 
Strophe  2,  wo  für  die  „Kühe"  ein  Wort  gebraucht  wird,  das 
sonst  die  „Morgenröthen"  als  die  „röthlich  aufflammenden"  be- 
zeichnen könnte  und  an  diesen  gleichsam  leibhaftigen  Morgen- 
röthen weiss  er  nur  die  von  Varuna  in  sie  gelegte  Milch  zu 
bewundern.  Wie  dem  Dichter  in  Strophe  2  die  Höhe  des 
Fundorts  des  Soma  imponirt,  an  der  Sonne  die  Höhe  ihres 
Standpunktes,  so  ist  er  betroffen  über  die  Höhe  der  Wälder 
und  ihrer  Baumriesen,  über  welchen  erst  der  Luftraum  ausge- 
spannt erscheint.  Das  Wort  antäriksha  bezeichnet  immer  nur 
den  Luftraum  in  der  Höhe,  niemals  die  Luft  als  das  auch 
dem  Erdboden  entlang  streichende  Lebenselement,  als  das  selbst 
die  Tiefen  erfüllende  Fluidum,  das  durch  das  Laub  der  Bäume 
rauscht.  Ich  möchte  desshalb  den  Locativ  vdnesku  mit  „über 
den  Wäldern"  (oder  Bäumen)  wiedergeben. 

In  Strophe  3  möchte  ich  hdvandham  nicht  nach  allgemein 
gültiger  Auffassung  als  „Tonne"  fassen,  da  der  vom  Appellati- 
vum  hdvandha  nicht  abzulösende  Mythus  vom  Dämon  Kavandha 
Züge  enthält,  die  sich  mit  dem  Begriff  des  Apellativums  hivandha 
im  Sinne  von  „Tonne"  nicht  vereinigen  lassen.     Es  scheint  mir 


—     105     — 

unzweifelhaft,  dass  zwischen  dem  altindischen  Wolkendämon 
Kavandha  oder  Kabandha  und  dem  griechischen  Dämon  der 
Trockenheit  Käav&og  ursprüngliche  Wesenseinheit  herrscht, 
wie  sehr  auch,  wie  sich  gleich  zeigen  wird,  beide  Dämonenge- 
stalten sich  später  ihrem  Wesen  nach  differenziirten.  Herrscht 
aber  zwischen  beiden  Dämonen  ursprüngliche  Identität  auf  indo- 
germanischem Boden,  so  kann  nur  die  Form  kavandha  die  ur- 
sprüngliche sein  und  fallen  daher  alle  auf  die  Form  hahandha 
gegründeten  Etymologien,  die  von  einer  Zusammensetzung  des 
Interrogativpronomens  ha  mit  dem  Substantiv  bandhä,  womach 
es  „also  als  die  viele  oder  starke  Bänder  oder  Reifen  habende" 
(Grassmann)  bezeichnet  wäre,  in  sich  zusammen,  zugleich  mit 
der  Bedeutung  „Tonne",  die  sich  nur  an  diese  falsche  Etymo- 
logie anlehnt.  Der  Wolkendämon  Kavandha,  in  verhärteter 
Aussprache  später  auch  Kabandha^  war  nach  indischer  Sage 
im  Rämäyana  ein  Dänava,  der,  ein  Sohn  der  Anmuthsgöttin  (^ri, 
von  Indra  für  seinen  TJebermuth  dadurch  bestraft  wurde,  dass 
ihm  der  Gott  Kopf  und  Schenkel  in  den  Leib  drückte,  dagegen 
ungeheure  Arme  und  einen  Mund  im  Rumpfe  verlieh.  S.  Weber 
in  den  Ind.  Stud.,  Bd.  I,  pag.  218  Anm.  Wäre  die  ursprüngliche 
Gestalt  des  Kavandha  eine  Tonne  gewesen,  so  hätte  sich  dieser 
Mythus  unmöglich  aus  derselben  entwickeln  können.  Ganz 
anders  stellt  sich  die  Sache,  wenn  Avir  daran  denken,  dass  die 
ursprünglichsten  Wasser-,  Wein-  und  Milchbehälter  Schläuche 
gewesen,  wie  sie  es  gerade  in  den  Ländern  ums  Kaspische  Meer 
bis  auf  diesen  Tag  geblieben  sind.  An  das  Bild  eines  gefüllten 
Ziegenschlauches,  wie  solche  in  Transkaukasien  und  drüben  an 
den  Ostufern  des  Kaspischen  Meeres  noch  bis  zur  Stunde  ge- 
bräuchlich sind,  konnte  sich  dagegen  leicht  genug  die  Vorstellung 
eines  Wolkenschlauches  anknüpfen,  dessen  zum  Zwecke  des 
Trinkens  abwärts  gewendete  Oeffnung,  in  Verbindung  mit  den 
zwei  als  Handhaben  hervorragen  Schenkeln  wiederum  leicht  zur 
mythischen  Vorstellung  Veranlassung  geben  konnten,  als  sei 
diese  hässliche  Figur  des  unter  dem  Bilde   eines    ungeheuren 


—    106    — 

Wolkenschlauchs  angeschauten  Wolkendämons  das  Werk  eines 
dem  Dämon  aufsätzig  gewesenen  Gottes. 

Die  Etymologie  von  kavandha^  Kdav9og  bleibt  vorläufig 
noch  dunkel.  Der  griechische  Kdavd-og  war  nach  Pausanias  IX, 
10,  5  ein  Sohn  des  Okeanos.  Von  seinem  Vater  abgeschickt,  um 
seine  Schwester  Melia  zu  suchen,  fand  er  diese  in  der  Gewalt 
des  ApoUon  und  warf  deshalb  Feuer  in  das  Ismenion,  den 
heiligen  Hain  des  Apollon  bei  Thebe.  Der  Gott  tödtete  ihn 
mit  Pfeilen.  An  der  Quelle  des  Ares  zeigte  man  sein  Grabmal 
Hahn  in  seinen  Sagwissentschaftlichen  Studien  pag.  504  fasst 
den  Kdav^og  als  „Blumenversenger",  in  des  Kaanthos  Anzün- 
dung  des  ismenischen  Hains  erblickt  er  ein  mythisches  Bild  fiir 
die  Waldbrände  im  Hochsommer  und  Apollons  Rache  führt  er 
auf  die  Herbstgleichensonne  zurück.  Es  ist  wohl  kaum  fraglich, 
dass  die  griechische  Volksetymologie  thatsächlich  in  Kdavd^og 
an  y.aieiv,  Y.avEiv,  brennen,  und  wohl  auch  avd^og,  die  Blume, 
gedacht  hat.  Und  vielleicht  liegt  in  der  That  auch  dem  indir 
sehen  Dämon  Kavandha,  insofern  er  mit  dem  griechischen 
Trockenheitsdämon  Kdav&og  ursprünglich  eins  gewesen  ist, 
eine  Wurzel  *ku,  brennen,  leuchten,  zu  Grunde,  wovon  dann 
eine  später  zu  kavandha  nasalirte  Participialforra ,  *kavarUa 
sich  bilden  konnte.  Fick  in  seinem  Indogermanischen  Wurzel- 
wörterbuch pag.  44,  stellt  diese  Wurzel  ku  auch  wirklich  auf 
und  leitet  von  der  allerdings  nur  erschlossenen  Form  derselbe 
im  Sanskrit,  *gu,  gvi  nicht  nur  skt.  go-na,  flammend,  m.  Feuer, 
sondern  auch  gve-ta,  weiss  und  gvas,  morgen  „eigentlich  beim 
Aufleuchten"  (=  lat.  cras)  ab,  zu  dieser  Form  stellt  er  dann  das 
griechische  xa/w  für  xaf-w,  xav^aca,  xixav-fiaij  ir-xav-r-d^tjv, 
brennen.  Es  hat  nun  zwar  den  Anschein,  als  ob  auch  der  in- 
dische Dämon  Kavandha  sich  in  diesen  Zusammenhang  füge, 
denn,  wie  Weber  Ind.  Stud.,  Bd.  I,  pag.  295  Anm.  beibringt, 
gab  es  einen  Gandharva  Namens  Kabandha  Atharvana,  der 
Ätharvana,  als  Sohn  des  Atharvan,  führt  aber  auf  einen  „Feuef- 
priester"    zurück    und    vom    Wolkendämonen    KaJ»w<jUbij^,    d^m 


—     107    — 

Indra  den  Kopf  in  den  Rumpf  drückte,  erzälilt  die  Sage  inj 
Rämäyaua,  Räma  und  Lakshmana  hätten  dem  Ungeheuer  seine 
langen  Arme  abgehauen  und  den  Rumpf  verbrannt,  wodurch 
Kabandha,  von  dem  auf  ihm  lastenden  Fluche  befreit,  seine 
frühere  schöne  Gestalt  wieder  erlangte  (s.  Böhtlingk-Roth's 
Sanskritwörterb.  Bd.  II,  pag.  71).  Lässt  sich  dieser  Zusammen- 
hang zwischen  den  beiden  Dämonengestalten  Kdavi^og  und 
Kavandha  nicht  leugnen,  so  würde  der  mythische  Name  älter 
und  iirsprüngKcher  sein,  als  das  ApeUativum  kavandha  und  es 
würde  dann  das  indische  Appellativ  havandha^  kabandha^  zwar 
schon  urzeitlich  früh,  aber  doch  erst  secundär  aus  dem  Dämonen- 
namen abgeleitet  worden  sein,  da  ihm  im  Griechischen  kein  Appel- 
lativ xdavd^og  zur  Seite  steht  —  oder  darf  das  erst  nachhomerische 
xvad^og,  Becher,  Hohlmass  für  Flüssigkeiten,  als  ungunirte  Farallel- 
form  von  Kdavd-og,  kabandha  betrachtet  werden?  Die  secundäre 
Entstehung  des  Appellativs  aus  der  verblassenden  Bedeutung  des 
Dämonennamens  hätte  nichts  übermässig  Auffallendes  an  sich, 
da  z.  B.  bekanntlich  der  spätlateinische  Apellativname  für  Jagd- 
hund vertagus,  veltragus  aus  dem  altpersischen  Verethraghna, 
der  Vyitratödter,  im  Veda  Vritraghna  stammt  und  im  Franzö- 
sischen ogre  „der  Stellenvermittler,  Lumpenhändler"  Niemand 
mehr  an  dessen  Abkunft  aus  dem  römischen  Unterweltsgott" 
Orciis  denkt. 

Die  Wiederaufnahme  des  Refrains  unatti  hhüina  vom  Schluss 
der  Strophe  3  zu  Anfang  der  Strophe  4  bezeugt  den  echten 
Volksliedscharakter  unseres  Varunahymnus,  vgl.  darüber  meine 
Specialabhandlung  in  Abthlg.  V.  Ich  füge  hier  noch  die  SteUe 
bei  Taittirlya  Samhita  (ed.  Weber)  IV,  5,  1,  3: 

utai  'nam  gopd  adi-igrann  * 

ädrigrann  udahdryah  \ 

utai  ^nam  vigva  bhütänt, 
,und   ihn   sahen   die  Hirten,    es   sahen   ihn   auch    die   Wasser- 
trägerinnen,  ihn   auch   aUe   Wessen."     Die   „rüstigen  Männer" 
{tavishhfantah  .  .  .  mrä^) ,   die  den  Wolkenschlauch  von  seinen 


—     108     - 

Riemen  lösen,  sodass  die  Milch  aus  der  nach  unten  gewendeten 
Oeffnung  fliessen  kann,  sind  die  Winddämonen,  die  Maruts. 

Ueber  den  Varuna  in  Strophe  5  als  äsurd,  als  „Sohn  des 
Asura"  vgl.  P.  von  Bradke,  Dyäus  Asura,  Ahiura  Mazda  und 
die  Asuras,  pag.  73.  Der  „Sohn  des  Asura"  ist  Varuna  als 
indischer  Nachfolger  des  in  die  indogermanische  Urzeit  hinauf- 
steigenden Himmelsgottes  Dyäus  Asura,  der  im  Rigveda  noch 
deutlich  als  der  dem  Varuna  in  der  Verehrung  noch  vorauf- 
gehende Himmelsgott  auftritt. 

Die  Ausmessung  der  Erde  vermittelst  der  Sonne  als  Mass- 
stabes, die  hier  wie  wiederholt  bald  Varuna,  bald  Mitra  zuge- 
schrieben wird,  erhält  ihre  meteorologische  Erklärung  durch 
die  Thatsache,  dass  die  Sonne  besonders  im  Süden  als  Licht- 
säule auf-  und  unterzugehen  scheint,  worüber  ausführlich  in 
meinem  Iran  und  Turan  pag.  14 — 18.  Vgl.  daselbst  die  Abbil- 
dung einer  solchen  Lichtsäule  der  Sonne. 

Was  nun  zum  Schlüsse  das  aussergewöhnlich  zarte  Schuld- 
bewusstsein  anbetrifft,  das  in  Strophe  7  sich  ausspricht  und  das 
in  dieser  nahezu  an  buddhistische  Erlösungsbedürftigkeit  gren- 
zenden Stärke  im  Rigveda  nicht  wiederkehrt,  so  lässt  sich  in 
dieser  frühen  Urzeit,  aus  welcher  unser  Varunalied  stamant, 
eine  derartige  Feinheit  der  Empfindung  nur  begreifen  bei  einer 
Kaste  oder,  da  in  diesem  Hymnus,  wie  gerade  Strophe  7  beweist, 
noch  kein  Kastenbewusstsein  existirt,  bei  einer  Gesellschaftsklasse, 
die,  wie  ich  schon  in  Iran  und  Turan  pag.  176  nachgewiesen 
habe,  durch  ihre  aller  Sorgen  um  die  menschhche  Bedürftigkeit 
enthobene  Ausnahmestellung  sich  rein  und  ausschliesslich  der 
Betrachtung  und  der  Pflege  des  innern  Lebens  widmen  durfte. 
Wo  die  Grösse  der  Natur  wie  die  Schönheit  und  Mannigfaltig- 
keit ihrer  Erscheinungen  ununterbrochen  auf  das  Gemüth  des 
Menschen  einwirken,  da  fühlt  er  sich  unwillkürlich  und  unbe- 
wusst  zu  weihevoller  Stimmung  angeregt.  Und  so  stimmt  es 
denn  völlig  zu  der  kaspischen  Provenienz  unseres  Vaninahym- 
nus,   wenn  uns  Melgunoff,  Die  südlichen  Ufer  des  kaspischen 


—     109    — 

Meeres,  pag.  39  nachfolgende  Beobachtung  mittheilt:  ,^ine 
Eigenthümüchkeit  der  Bewohner  dieser  Uferprovinzen  ist  ihre 
ßeligiosität  und  ihr  Eifer  in  ErfülluDg  der  vorgeschriebenen 
Gebräuche;  man  behauptet  sogar,  dass  das  Volk  hier  mehr  als 
in  dem  ganzen  übrigen  Persien  unter  dem  Einflüsse  der  Geist- 
lichkeit stehe,  der  hier  selbst  den  der  Regierung  über^N-iege, 
üeberall  sieht  man  zahlreiche  Takie  (heilige  Gebäude),  in  den 
Städten  fast  auf  jeder  Strasse,  in  denen  sich  das  Volk  versam- 
melt, um  die  Erzählungen  von  den  traurigen  Schicksalen  der 
Söhne  AU's  anzuhören."  So  wird  es  dort  auch  in  der  vedischen 
Urzeit  schon  gewesen  sein. 

4.  Ueber  den  historisch-geographischen  Hintergrund  der 
Sage  von  Puiüravas  und  IJrva^i. 

Jüngst  hat  Geldner  in  den  von  ihm  mit  PLschel  herausge- 
gebenen Vedischen  Studien  (Stuttg.,  1889),  pag.  243—295  die 
Sage  von  Purüravas  und  Urva9i  nach  ihren  märchenhaften  Be- 
standtheilen  eingehend  untersucht,  um  dann  das  Rigvedalied  X 
95,  jenes  merkwürdige  Zwiegespräch  zwischen  Purüravas  und 
Urva9i,  mit  grosser  Einlässlichkeit  und  einer  Fülle  kleiner  Ein- 
zelresultate dermassen  aufzuhellen,  dass  das  betreffende  Lied  nun- 
mehr in  einem  ganz  neuen  Lichte  erscheint.  Die  historisch- 
geographischen Anhaltspunkte  aber,  die  zwar  nicht  das  Rigveda- 
lied, wohl  aber  das  (^atapatha-Brähmana  und  das  indische  Epos 
bieten,  hat  er  mit  keiner  Sylbe  berührt.  Da  nun  aber  die  Purü- 
ravas-Urva^I-Frage  durch  Geldner  wieder  so  sehr  in  den  Vor- 
dergrund der  Rigvedaphilologie  gerückt  worden  ist,  nehme  ich 
die  Gelegenheit  wahr,  das  meiner  Methode  zugängliche  Material 
der  Sage  ins  richtige  Licht  zu  setzen.  Manche  der  vom  indi- 
schen Epos  gegebenen  mythisch -geographischen  Namen  sind 
mir  allerdings  auch  noch  nicht  durchsichtig  geworden,  ich  werde 
aber  bei  einer  andern  Gelegenheit  auf  die  ganze  Purüravas-Ur- 
va^i-St^e  zurückkommen. 


—     110    — 

Daa  ^atapatha-Brähmana  erzählt  XI,  5,  1,  4  (ed.  Weber 
pag.  856)  von  dem  über  das  Verschwinden  seiner  leidenschaft- 
lich geliebten  Urva9l  halb  wahnsinnig  gewordenen  Purüravas 
sd  ddhyd  jdlpan  kurukshetrdm  samdyä  cncärdnydtdhplakshMi 
Msavati  tdsyai  hddhyantSna  vavräja  tdddha  td  apsardsa  dtdyo 
bhütvd  pdripuplumre  ||  „Vor  Liebessehnsucht  irreredend  wanderte 
er  durch  Kurukshetra.  Dort  ist  ein  Lotusteich,  Anyatahplaksha 
geheissen.  An  dessen  Gestade  wandelte  er.  Dort  schwammen 
gerade  die  Apsaras  in  Schwanengestalt  herum."  (Geldner).  Die 
hier  gegebenen  Andeutungen  Kurukshetra  und  Anyatahplakslia 
klären  sich  gegenseitig  auf,  insbesondere,  wenn  wir  die  vom 
indischen  Epos  überlieferten  mythisch -geographischen  Namen 
zur  nähern  Orientirung  herbeiziehen. 

Nach  den  von  mir  im  zweiten  Band  meiner  historisch-geo- 
graphischen Untersuchungen  gewonnenen  Resultaten  (s.  Vom 
Pontus  bis  zum  Indus,  Einleitung  pag.  XIV — XVI,  wo  die 
üebersicht  über  die  einschlägigen  Einzelabhandlungen  im  Bande 
gegeben  ist),  lag  das  Kurukshetra  ursprünglich  nicht  zwischen 
Yamunä  und  Gangä  in  Hindostan,  sondern  auf  dem  Hochland 
von  Iran  in  Chorasau,  wohin  das  Koqiovov  ogog  und  die  flav- 
^lalaloL  als  auf  die  ursprünglichen  Wohnsitze  der  Kuru  und 
der  Paficdla  hinweisen.  Wir  gelangen  zu  dem  nämlichen  Resul- 
tat, wenn  wir  die  Angaben  des  indischen  Epos  über  die  Gegend, 
wo  Purüravas  und  Urva9i  dem  Liebesspiel  lebten,  verwerthen. 
Nach  dem  Harivam^a  (bei  Geldner  a.  a.  0.,  pag.  250)  wohnten 
die  beiden  Liebenden  „in  dem  Lusthain  Caitraratha  und  am 
Gestade  der  Manddki'm,  in  Älakd,  in  VYgdld^  in  Nandana  dem 
schönsten  Haine,  im  nördlichen  Kurtdand,  wo  alle  Wünsche 
wie  an  Bäumen  reifen,  am  Fuss  des  Gandhamddana  und  auf 
dem  nördlichen  Gipfel  des  Meru." 

Hier  leuchtet  vor  Allem  Eins  ein:  das  Kuruksheb*a  liegt 
nicht  in  Indien,  sondern  im  Norden  Indiens.  Denn  der  Gan- 
dhamadana  liegt  auch  nach  indischer  Auffassung  im  hohen  Nor- 
den.    Bestätigt  sich  aber  meine  Deutung  des  Namens  (s.  mein 


—    111   — 

Iran  und  Turan  pag.  102),  nach  Welcher  derselbe  unr  die  indische 
spätere  Assimilation  des  Huzväreshnamens  des  Berges  Gadma- 
nomand  „der  Majestätische"  in  Chwarzim  wäre,  so  ständen  wir 
dem  ursprünglichen  Kurukshetra  in  Chorasan  nahe  genug. 
Das  „nordliche  Kuruland"  ist  kein  anderes  als  das  der  Uttara- 
kuru  des  Aitareya-Brähmana  VIII,  14  (ed.  Aufrecht  pag.  223): 
tasmäd  etasyävi  udicyäm  digi ye  Tceca  parena  Hiviavantam  jana- 
padd  Uttarakurava  Uttaramadrd  iti  vairdjyäyaiva  te'  bhishi- 
cyante  „die  im  Norden  jenseits  des  Himälaya  wohnenden  Völker- 
schaften, Namens  Uttarakuru  und  Uttaramadra,  leben  nicht 
unter  Konigen."  Ohne  mich  hier  bei  den  Uttarakuru  ausführ- 
lich aufzuhalten  —  als  ^OrTogay.OQQa  begegnen  sie  später  bei 
Ptölemaeus  in  Ost-Turkestan  —  mache  ich  darauf  aufmerksam, 
dass  (s.  auch  mein  Iran  und  Turan  pag.  227)  schon  Weber  im 
Nachtrag  zur  Magavyakti  (Monatsberichte  der  Berliner  Akademie 
23.  Oct.  1879,  pag.  812)  in  den  Uttaramadra  eine  Hindeutung 
auf  Medien  erkannt  hat,  gestützt  auf  die  vorher  von  Nöldeke 
gegebene  Erklärung  des  spätem  Sanskritwortes  mäfhi,  das  aus 
dem  Persischen  mädhi,  der  Ringelpanzer,  ins  Sanskrit  und  Aj:a- 
bische  eingedrungen  ist. 

Zu  demselben  Resultat  führt  uns  die  historisch-geographische 
Aufhellung  der  Mandäkmt  Nilakantha,  der  Scholiast  des 
Mahäbhärata,  erklärt  nämhch  (s.  Böhtlingk-Roths  Sanskritwb., 
Bd.  VI,  pag.  847  s.  v.  vasu)  die  Manddhini  in  der  von  uns  oben 
pag.  44  ausgehobenen  Stelle  mit  Vasor  dhdrd,  dem  „Strom  der 
Güter",  in  welchem  wir  den  untern  Oxus  erkennen  mussten, 
dessen  „goldene  Gnadengeschenke"  wir  nun- im  Hinblick  auf  den 
sich  den  Oxus  hinunter  bewegenden  indischen  Edelstein-  und 
Perlenhandel  sehr  wohl  verstehen.  Dann  aber,  da  wir  schon  in 
„Vom  Pontus  bis  zum  Indus"  pag.  123  die  Alahanandd  des 
Vishnupuräna  als  eine  volksetymoiogische  Zurechtlegung  eines 
älteren  Arg  oder  Arag  rud  erkannt  hatten,  bezeichnet  auch  AlaJcd 
und  Nandana  nur  wieder  denselben  Strom  Oxus. 

Interessant  ist  nun  der  Lotusteich  Anyaiahplakshd.     Nach 


—     112    — 

Analogie  des  von  Böhtlingk-Roth  im  Petersburger  Sanskritwor- 
terbuch  (Bd.  I,  pag.  265)  aus  der  Väjasaneyi-Samhitä  XXX,  19 
angeführten  anydto  Wanya  {anyaias-\-arariya)  „bald  da  bald  dort 
waldiges  Land"  roüsste  Anyatahplakshä  etwa  bedeuten  „bald  da, 
bald  dort  Gewässer."  Eine  solche  Bedeutung  kann  aber  ein 
Lotusteich  niemals  gehabt  haben.  Der  Name  ist  offenbar  durch 
Volksetymologie  verwirrt,  d.  h.  dem  spätem  Sprachgefühl  der 
Sanskrit-Arier  assimilirt  worden.  Die  Angabe,  die  Apsarasen 
seien,  in  Schwäne  {ätciyah)  verwandelt,  auf  diesem  Teich  herum- 
geschwommen, wird  ims  auf  den  wahrscheinlich  ursprünglichen 
Namen  desselben  zurückführen.  Denn,  wie  schon  Weber,  Indische 
Studien,  Bd.  I,  pag.  197  eingesehen  hat,  das  Wort  äti^  für  welches 
auch  der  indische  Commentator  nur  „Wasservogel"  (Jalacara- 
pahshivigeshasyai  ^shä  saihjnä  pag.  590)  anzugeben  weiss,  ist 
ursprünglich  anti,  lat.  anatis,  lit.  anti^  gr.  vijaaa  für  vrit-ia, 
Ente.  Der  Teich,  auf  welchem  die  Apsarasen  als  anti,  anati 
herumschwammen,  war  offenbar  ursprünglich  ein  *anatyah- 
plakshä,  'aus  dem  dann,  nachdem  sich  anti,  anati  im  Sanskrit 
zu  äti  zusammengezogen  hatte,  wobei  nun  für  anatyah  kein 
Etymon  mehr  übrig  blieb,  ein  anyatah  herausgedeutet  wurde. 
Auch  pldkshä  war  frühzeitig  unverständlich  geworden.  Es  be- 
zeichnet die  ptlalcshd  devi  sunritä  punyä  devi  Sarasvati,  die 
heilige  Sarasvati,  das  masculinum  plahsha  die  Ficus  infectoria. 
Die  beiden  Wörter  haben  nichts  mit  einander  gemein.  Das 
masculinum  hängt  offenbar  zusammen  mit  paldca,  dem  Paläya- 
oder  Parnabaum,  das  dem  femininum  plakshd  zu  Grunde  liegende 
masculin  plaksha  entspricht  dagegen  dem  griechischen  niXayog, 
das  Meer.  Und  dass  es  sich  hier  um  ein  Meer  handelt,  beweist 
die  Angabe  der  indischen  Märchensammlung  Kathäsaritsägara 
(bei  Geldner  a.  a.  0.,  pag.  257),  in  der  Nähe  der  im  Nandana- 
hain  einander  erblickenden  Purüravas  und  Urva^I  habe  sich 
Vishnu,  der  sich  nachher  des  Liebeskranken  annimmt,  im  Milch- 
meer ijcshirasamudra  Icshiroda)  aufgehalten.  Das  Milchmeer  ist 
aber,   wie  ich  (s.  mein  Iran  und  Turan  pag.  7—8)  gezeigt  das 


-     113    — 


Kaspische  Meer,  dessen  süsses  Küstenwasser  dem  ganzen  Alter- 
thum  wunderbar  vorkam. 


5.  Dnrgaha  im  Rigveda  das  „sehwerzngängliche"  Kyirint 

des  Aresta. 

In  ,.Iran  und  Turan'-  pag.  33—34  hatte  ich  die  Mridhah, 
Durgahä  {rdkshdnsi)  und  Apämivä  als  die  Marder,  die  Leute 
des  Durgaha  und  die  Stadt  l^nafuia  erkannt.  Ich  hatte  aber 
mit  DurgaJia  noch  nichts  anzufangen  gewusst.  Gegenwärtig 
glaube  ich  auch  dieses  Durgdhd  räkshdnsi  deuten  zu  können. 
Ich  werde  dabei  auf  die  a.  a.  0.  im  Urtext  und  in  der  Ueber- 
setzung  gegebenen  Strophe  aus  Rigreda  X,98, 12  einfach  verweisen. 

Es  handelt  sich  in  dieser  Stelle  offenbar  um  Niederwerfung 
feindlicher  Stämme  und  Städte  des  südlichen  Mediens  von  den 
Zagrospässen  bis  zu  den  Kaspischen  Pforten.  Da  aber  giebt 
es  nach  den  bis  jetzt  bekannten  Namen,  die  einen  Platz  als 
„schwer  zugängUch"  bezeichnen,  nur  einen,  der  in  diesen  Zu- 
sammenhang zwischen  die  Amarder  und  die  Stadt  Apameia 
hineinpasste  und  das  ist  das  Kvirihta  des  Avesta,  das  Justi  im 
Zendwörterbuch  pag.  157  als  das  Kaoiva  des  Isidor  von  Charax 
wieder  erkannt  hat.  Dort  „auf  dem  schwerzugänglichen  Kvi- 
riuta"  [upa  kvirintem  ditzhüem,  Räm  Yasht  19,  Spiegel  Avesta- 
übersetzung  Bd.  III,  pag.  154)  opferte  Azhis  Dahäka  auf  goldenem 
Throne,  auf  goldenem  Schemel,  mit  zusammengebundenen  Bare9ma, 
bei  überströmender  Fülle  dem  ^peäta  Mainyu.  Geiger,  Ostira- 
nische Kultur  im  Alterthum  pag.  207  findet  den  Beinamen  ,.schwer 
zugänghch"  in  Bezug  auf  die  „Festigkeit  und  strategische  Wich- 
tigkeit des  Passes"  vortrefflich.  „Derselbe  war  allerdings  von 
Bedeutung,  weil  über  ihn  die  assyrischen  Fürsten  ihre  Heer- 
schaaren  geführt  haben  müssen,  wenn  sie  zur  Bekämpfung  der 
Bewohner  des  iranischen  Hochlandes  auszogen." 

Als  „schwer  zugänglich"  werden  sonst  noch  Merw  und  Balkh 
bezeichnet.     Als   Ninus,    König   von   Assvrien,   zur   Eroberung 

Brunnhofer,  Vom  Aral  bis  zur  Gangä.  8 


—     114     — 

Baktriens  auszog,  fand  er  dasselbe  nach  Diodor  II,  2,  31  (ed. 
J.  Bekker)  schwer  zugänglich  {Tf^S  (Jfi  Baxzoiavrjg  oiorig  dia- 
siaßoXo  V.)  Und  so  wird  es  auch  noch  im  Mahäbhärata, 
Sabhäparvan  v.  1030  als  durgamana  „schwerzugänglich"  darge- 
stellt. Und  von  Merw  berichtet  übereinstimmend  Plinius  Hist. 
nat.  VI,  16,  46:  sequüur  regio  Margiane,  apncitatis  inclytac, 
sola  in  eo  tractu  vitifera^  undique  mcliisa  montibus  amoems, 
ambi'tu  stadiorum  mtlle  quingentorum,  dtfficilis  aditu  propter 
arenosas  soUtudmes  per  CXX  M  passuum. 

Da  sowohl  Merw  als  Balkh  von  dem  Lande  der  Amarder 
und  Apameia  viel  zu  weit  entfernt  sind,  als  dass  unter  den 
Durgahä  rakshätisi  irgend  eine  dieser  Gegenden  als  gemeinsame 
Feinde  zusammen  mit  diesen  weit  im  Osten  gelegenen  Ländern 
aufgeführt  werden  könnte,  so  wird  wohl  unter  Durgaha  nur 
das  den  Mardern  und  Apameia  zwar  auch  nicht  nahe,  aber  doch 
noch  genügend  benachbarte  Kerend  verstanden  werden  dürfen. 
Vielleicht  wird  diese  Annahme  noch  bestärkt  durch  eine  Angabe 
des  (^atapatha-Brähmana  XllI,  5,  4,  5  (ed.  Weber  pag.  994}. 
Unter  den  Königen  der  Vorzeit,  die  das  A(;vamedha-Opfer  dar- 
gebracht haben,  wird  dort  auch  Purukutsa  Daurgaha,  der  Sohn 
des  Durgaha,  Sohnes  des  Ikshväku,  aufgeführt.  Nach  dem 
Commentator  Harisvämin  zu  der  dabei  angeführten  Rigveda- 
stelle  IV,  42,  8  soll  aber  Daurgaha  (der  Commentator  schreibt 
daurgraha,  bei  Weber  pag.  1015)  ein  Pferd  bezeichnen  {daur- 
grahd  ndma  daurgrahenagvena).  Erinnern  wir  uns  nun,  dass 
gerade  in  jener  durch  die  uns  vorliegende  Rigvedastelle  X,  98, 12 
berührten  Gegend  die  berühmten  Rossegefilde  der  nysäischen 
Felder  lagen,  so  könnte  ein  Daurgaha-Pferd  eine  Sanskritbe- 
zeichnung für  nysäisches  Pferd  sein  und  diese  Bezeichnung 
wiederum  unsere  Deutung  von  Durgaha  als  auf  Kerend,  Kvi- 
riuta  bezüglich,  bestärken. 


115 


6.    Siiplan  Sahadera,  der  König  der  Srinjaya 
ein  Sakenkönig. 

Das  Qatapatha-Brähmana  II,  4,  4,  4  (ed.  Weber  pag.  147) 
erzählt  folgende  Legende  von  dem  Uebergang  des  Däkshäyana- 
Opfers  von  Prajäpati,  dem  höchsten  Gotte,  auf  den  König  Pra- 
tidarga  ^vai'kna  und  von   diesen  auf  den  König   der  Snnjaya, 
Suplan   Sahadeva:    ta7n  {Pratidargam   (^ v aihnam)  djagäma, 
Süplä  Sdrhjayo   hrahmacaryam^  tdmnäd  tarn  ca  yajncim  anüce 
'nydvi   ti    ca  so  'nucya  piinah  Srinjayän  jdgäma  tS  ha  Srinjayd 
vidäm  cahriir  yajnam  vai  no'  nücydgann  iti  tS  hocuh  saha  vai 
nas  täddevair  dgan  yo  no  yajnäm  anücydgann  iti  sa  vai  8 aha - 
devah  Sdrnjayas  tad   apy    etdn   nivacanam    ivdsty  anyad  vd 
are  Süpld   ndvia  dadhd  iti  sd  etSna  yajnSneshfvd  yeifam  Snn- 
Jaydndm   prdjdtir   yd  grir  etdd  babhüvaitdm  hat   vai  prdjdtim 
prdjuyata   etdm  grfyam  gachati  yd  evdm  vidvdn  etSna  yaJnSna 
ydjate  tdsmdd  vd  etina  ynjeta   ||  4  ||    Zu  ihm  (nämlich  dem  Pra- 
tidar9a  (^vaikna)  ging  Suplan  Särujaya,  um  sich  unterrichten  zu 
lassen,    wie   man   zu  Brahman   gelangt   und  so  wurde  er  denn 
auch   in  dem  dazu   dienenden  Opfer  unterrichtet  und  noch  in 
einem  andern.     Als  er  es  gelernt  hatte,  ging  er  wieder  zu  den 
Srinjayas  zurück.  Die  Sriajayas  aber  wussten,  dass  er  zu  ihnen 
komme,  nachdem  er  das  Opfer  für  sie  gelernt  hatte.  Sie  sprachen: 
„Wahrlich,   mit    den  Göttern  (saha   devaih)  ist    er    zu   uns  ge- 
kommen er,  der  gekommen,  nachdem  er  das  Opfer  flir  uns  ge- 
lernt hat."     Er  hiess  nun  in  der  That  Sahadeva  Särujaya.  Und 
noch    jetzt   geht   das  Gerede   von   ihm:    „Merkwürdig,   Suplan 
hat   einen    andern  Namen   angenommen."     Er  opferte  nun  mit 
diesem  Opfer  und  was  nun  an  Nachwuchs  und  Wohlfalirt  bei 
den  Srinjaya  erwuchs,  diesen  Nachwuchs  lässt  der  erwachsen, 
diese  Wohlfahrt    erlangt   der,  der,   dieses  wissend,  mit  diesem 
Opfer    opfert,    deshalb    möge    er    mit    diesem   Opfer    opfern." 
(Delbrück). 

Das  Däkshäyanaopfer  war  nach  dem  Scholiasten  zum  Aita- 


—     116     — 

reya-Brähmana  III,  40  (ed.  Aufrecht  pag.  296)  eine  Gattung  des 
Dar^apürnamäsau-Opfers,  des  vereinigten  Neumond-  und  Voll- 
mondopfers,  das  sich  über  15  Jahre  statt  30  erstreckte.  Es 
wurde  bei  demselben  frischgemolkene  Milch  in  einen  glühend 
gemachten  Topf  gegossen  und  galt  dem  König  Soma,  also  dem 
Mond.  Nach  Qatapatha-Brähmana  XII,  8,  2,  3  (ed.  Weber 
pag.  940)  lernte  Suplan  Särujaya  bei  demselben  Pratldar9a,  der 
aber  hier  Aibhävata  heisst,  auch  das  Sauträmani-Opfer,  ein 
Somaopfer,  das  dem  Gott  Indra  als  Suträman,  als  ,  gutem  Be- 
schützer" galt.  Damit  steht  wohl  in  Zusammenhang,  dass,  wie 
schon  Weber  in  den  Indischen  Studien  Bd.  I,  pag.  208  mittheilt, 
neben  dem  Sahadeva  Särujaya  im  Aitareya-Brähmana  VII,  34 
ein  Somoka  Sähadevya  als  Schüler  des  Parvata  und  Närada 
erwähnt  wird,  der  auch  schon  in  einem  Vämadevaliede,  Rigv. 
IV,  15,  9  (nebst  den  Versen  2,  7,  8)  als  Snfijayaftirst  verherr- 
licht erscheint.  Im  Rämäyana  erscheint  sogar  ein  Somadatta, 
der  Enkel  des  Sahadeva,  als  Zeitgenosse  Rämas.  S.  Weber 
a.  a  0.  Es  ist  jedoch  hier  nicht  der  Ort,  die  sehr  verwickelte 
Srinjaya-Frage ,  wozu  Weber  a.  a.  0.  reiches  Notizenmaterial 
zusammengetragen,  eingehend  zu  besprechen.  Jedenfalls  ist, 
was  schon  aus  Webers  Zusammenstellungen  hervorgeht,  von 
vornherein  festzuhalten,  das  die  Wohnsitze  dieses  Volkes  im 
Epos  nicht  mehr  dieselben  gewesen  sind  wie  in  den  Brähmana 
und  in  den  Brähmana  nicht  dieselben  wie  im  Rigveda,  nur  dass 
in  den  Brähmana,  wie  noch  im  Epos  auch  Ueberlieferungen 
aus  der  Vedenzeit  der  Syiujäya  mit  enthalten  sind. 

In  „Iran  und  Turan"  pag.  122—125  hatte  ich,  in  Anlehnung 
an  die  mittelalterliche  Namensform  Zarend^h,  die  Snnjaya  als 
^ccQayyai,  ZuQayyalot  der  griechischen  Geographen,  nämlich 
als  die  Umwohner  des  Zareh-  oder  Hamunsees  gefasst.  Ich 
glaube,  nunmehr  neue  Belege  zu  dieser  Auffassung  beibringen 
zu  können.  Was  die  Gleichstellung  von  Srinjaya  =  ^agayyai 
des  Herodot  betrifft,  so  mache  ich  zunächst  darauf  aufmerksam, 
dass    schon   Weber   in   den   Ind.  Stud.  I,  276   den  üpanishad- 


—     117     — 

Namen  Sarang  in  Anquetil  du  Perron's  zweitem  Upanishad- 
Mscr.  fragend  zu  Srinjaya  gestellt  hat.  Dazu  tritt  nun  noch 
Folgendes.  Wenn  nämlich  (s.  oben)  ein  Parvata  als  Lehrer  des 
Sriüjayafürsten  Somaka  Sähadevya  erwähnt  wird,  so  möchte  ich 
in  diesem  Parvata  einen  Vertreter  der  an  den  Südabhängen  des 
Hindukush  erwähnten  TlaQvr^xai,  IdnuQvrui  der  Alten  erblicken, 
die,  im  Rigveda  Pärävata  genannt,  von  mir  früher  schon  (1886) 
als  feste  Stütze  meiner  Ansicht  beansprucht  worden  sind,  dass 
der  älteste  Schauplatz  des  Rigveda  auf  dem  Hochlande  von  Iran 
zu  suchen  sei.  S.  den  betreffenden  Artikel  wieder  abgedruckt 
in  „Vom  Pontus  bis  zum  Indus"  pag.  169 — 170.  Vielleicht 
weist  uns  auch  die  von  Weber  a.  a.  0.  pag.  209  erwähnte 
Schimpfbezeichnung  der  Sriujaya,  als  Püti-srihjaya^  auf  dieselbe 
Spur.  In  Iran  u.  Turan  pag.  125  hatte  ich  dieselbe  wohl  richtig 
als  „Stink-Sriöjaya"  gedeutet,  unterstützt  durch  den  parallelen 
Uebernamen  Gha(a-srihjaya  sLotter-Sriujaya".  Wie  diese  letztere 
Titulatur  beweisst,  war  Puti-srmjaya  jedenfalls  in  demselben 
höhnenden  Sinne  verwendet  worden,  und  zwar  in  Folge  des 
Neides,  den  ihre  Wohlhabenheit,  die  ja  auch  das  Qatapatha- 
Brähmana  in  der  obigen  Legende  rühmt  (vgl.  prajäti  und  gri) 
bei  den  ärmeren  Xachbarstämmen,  die  im  Gebirge  wohnten,  er- 
regte. Die  ursprüngliche  Bedeutung  des  Namens  Püti-srin- 
jaya  könnte  aber  doch  eine  andere  gewesen  sein.  Ich  habe  in 
»Vom  Pontus  bis  zum  Indus"  pag.  107 — lOS  darauf  aufmerksam 
gemacht,  dass  wenn  Quintus  Curtius  VII,  3,  11,  4  den  Hamun- 
see  Fonticum  mare  nennt,  an  dem  die  Arachosier  wohnen,  dies 
schwerlich  als  grosser  geographischer  Schnitzer  genommen  wer- 
den dürfe,  sondern  dass  vielmehr  hier  wieder  eine  der  zahlreichen 
Namensassimilationen  der  macedonischen  Soldaten  Alexanders 
vorliege,  die  wahrscheinlich  als  einen  Namen  des  Sees  gehört 
hätten  Püitica^  der  aus  dem  Avesta  bekannt  ist,  imd  sich  dann 
denselben  als  Uovii/.nv  zurechtgelegt  hätten.  Dieses  Püitica 
des  Avesta  Hegt  nun  wahrscheinlich  auch  der,  später  als  Schimpf- 
bezeichnung gedeuteten,  Benennung  der  Piiti-srinjaya ,  als  der 


—     118    — 

Sriajaya  am  Hamunsee  zu  Grunde,  denn  es  gab  verschiedene 
Srinjaya. 

Nun  nennt  (s.  Weber  a.  a.  0.  pag.  2u8  unten)  das  Mahä- 
bhärata  I,  5476  die  Sviüjaya  Bundesgenossen  der  PaFlcäla.  Das 
Qatapatha-Brähmana  aber  kennt  II,  4,  4,  5  (ed.  Weber  147)  den 
Devabhäga  Qrautarsha  als  gemeinschaftlichen  Oberpriester  der 
Kuru  und  Srifijaya  {sd  uhMyeshäm  Kürünäm  ca  Srifijayäriäm 
ca  purohita  äsd).  Hier  nehmen  also  die  Sriüjaya  völlig  die 
Stellung  der  Pancäla  ein.  Dem  entspricht  wieder  die  genealo- 
gische Sage  des  Vishnupuräna  IV,  14  (bei  Wilson-Hall,  Bd.  IV, 
pag.  102 — 103),  dass  Pdn^u  (der  Repräsentant  der  Pändu-Paü- 
cäla)  zu  seiner  zweiten  Frau  Mädri  hatte,  die  von  den  Zwillings- 
söhnen des  Aditya,  von  den  A^vinau,  nömlich  von  Näsatya  und 
Dasra,  zwei  Söhne  hatte:  Nakula  und  Sahadeva.  Damit  ist  doch 
Sahadeva  selbst  ein  Nachkomme  des  Pändu.  Zugleich  aber  ist 
wichtig  der  Name  der  Mädri,  die  wir  nun  nach  dem  Vor- 
gange Webers  (vgl.  mein  Iran  und  Turan  pag.  227)  in  der 
Bedeutung  Mederin  nehmen  dürfen,  sowie  ich  geneigt  wäre, 
in  Nakula  eine  Erinnerung  an  den  Titel  des  Grosskönigs  des 
Fünfvölkerbundes  der  Turva^a  Yadu  Anu  Püru  und  Druhyu,  an 
den  Nahusha  zu  erkennen  (s.  schon  Iran  und  Turan  pag.  50.) 

Wie  sollen  wir  nun  nach  alledem  den  Namen  Sahadeva 
deuten?  Dass  er  schon  sehr  früh  nicht  mehr  verstanden  wurde, 
geht  gerade  aus  der  Volksetymologie  hervor,  die  nur  das  ^ata- 
patha-Brähmana  aufbewahrt  hat.  Denn  dass  die  Deutung,  als 
bestehe  der  Name  aus  einer  Composition  von  saha,  mit,  und 
deva,  Gott,  nur  Spielerei  ist,  braucht  nicht  bewiesen  zu  av erden. 
Hier  kommt  uns  nun  ein  vortrefTlicher  Einfall  Webers  zu  gute. 
Weber  fragt  in  den  Ind.  Stud  ,  Bd.  I,  pag.  232  am  Schluss  seiner 
Abhandlung  „Zwei  Sagen  aus  dem  Qatapatha-Briihmana":  „War 
etwa  Sahadeva  ein  stehender  Name  der  Fürsten  dieses  Volkes" 
(der  Sriajaya)?  Wenn  nämlich  Nakula  den  Titel  des  Gross- 
fürsten des  Fünf  Völkerbundes,  Nahicsha,  repräsentirt,  so  dürfte 
der  Analogie  wegen  dann  allerdings  für  Sahadeva  auf  eine  ent- 


—     119    — 

sprechende  Bedeutung  dieses  Namens  für  das  Volk  der  Srinjaya 
geschlossen  werden.  Dann  aber  entsteht  sofort  die  zweite  Frage: 
welches  war  der  ursprüngliche  Sinn  dieses  Titels  des  Fürsten 
der  Srinjaya?  Hier  nun  möchte  ich  erinnern  an  den  unserm 
Sahadeva  in  der  Composition  entsprechenden  Namen  des  Ugra- 
deva,  des  Königs  der  im  Rigveda  nur  erst  halb-arisirten  Turva9a- 
Yadu,  der  noch  den  auf  einen  ehemals  turanischen  Ursprung 
deutenden  Namen  Turviti  trägt  und  den  ich  in  Iran  und  Turan 
pag,  7S  als  den  Titel  des  , Königs  der  Ugren*',  nämKch  der 
Ugana,  Ogana,  der  Ungarn,  gedeutet  habe.  Nun  lautet  eine 
Sage  des  Bundehesh  Cap.  XX  (ed.  Justi  pag.  29 — 30):  »Von 
Pourusha^pa  ist  gesagt:  er  sprang  in  den  See  Kän^ava  .  .  .  und 
er  sprang  in  die  Quellen  des  Flusses  Vacaeni,  in  sieben  schiff- 
bare Gewässer,  in  den  See  und  siedelte  Menschen  an."  Tn  der 
Anmerkung  fordert  nun  Justi:  „man  lese  Frangra^yan  statt 
Fourusha9pa''.  An  andern  Stellen  nämlich,  wo  dieselbe  Sage 
erzählt  wird,  z.  B.  Bundehesh  53,  10  (s.  Justi  Beiträge  zur  alten 
Geographie  Persiens  II,  12)  heisst  es:  „Afrasiäb  (Frangra^yan) 
sprang  in  den  Kian^eh,  er  sprang  in  den  See  des  Zarinmand, 
den  man  Hetömand  heisst."  Das  Schwanken  der  Sage  zwischen 
Pourusha9pa  und  Frangra9yan  beweist  nur,  dass  die  Sage  uralt 
ist  und  dass  sie  sich  selbst  nicht  mehr  deutlich  darüber  war, 
ob  die  Besiedelung  Sedschestans  in  der  Urzeit  durch  Meder  oder 
durch  aus  dem  Norden,  aus  Turan  gekommene  Völker,  erfolgt 
war.  Wir  werden  bei  anderer  Gelegenheit  sehen,  dass  die  Sage 
Recht  hatte,  wenn  sie  zwei  solcher  Besiedelungen  annahm, 
zwischen  denen  sie  nun  rathlos  hin  und  her  schwankte.  Jeden- 
falls, da  dies  die  gewöhnliche  Version  war,  1^  die  Ueberliefe- 
rung  von  einer  Besiedelung  der  Hamunsenkung  aus  dem  Norden 
dem  späteren  Bewusstsein  näher.  VTenn  nun  (s.  mein  Iran  u. 
Turan  pag.  228  und  Einleitung  pag.  XVI  zu  Vom  Pontus  bis 
zum  Indus)  Qakum,  der  Hauptveranlasser  des  Krieges  zwischen 
den  Kurn  und  Pändu,  Repräsentant  der  aus  dem  Norden  in 
Iran  eingebrochenen  Qaka  ist,   dieser  Qakuni  selbst  aber  in  der 


—     120     — 

Sage  ein  Königssohn  der  Gandhdra  heisst,  so  müssen  die  Qaka 
schon  einmal  in  der  Urzeit,  nicht  erst  im  zweiten  Jahrhmidert 
vor  Christus,  die  mitteliranische  Tiefebene  besetzt  haben.  Mög- 
lich nun,  dass  diese  ^aka  die  Urväter  des  Volkes  waren,  das, 
wenn  Srinjaya  =  ZaQayyaJoi  ist,  wohl  nur  von  seinen  Nach- 
barn als  die  „Seeumwohner"  bezeichnet  wurde,  während  es 
sich  selbst  Qaka  nannte.  Der  König  dieser  (^aka  hiess  dann 
*^akadeva,  woraus,  bei  aspirirter  Aussprache  des  k  und  Um- 
wandlung des  p  in  s  ein  Sahadeva  hervorgieng.  Allerdings  fehlt 
es  mir  vorläufig  an  Analogien  zu  einer  vorauszusetzenden  Form 
*^aha  (mehrfach  begegnet  man  in  antiken  Autoren  Saga  fOr 
Qaka),  während  sich  der  Tausch  von  s  und  c  nicht  selten  wieder- 
holt, wie  z.  B.  schon  die  Doppelform  ^rinjaya  und  Srinjaya 
beweist.  Aber  wenn  z.  B.  im  Mahäbhärata  V,  2732  (wie  ich 
aus  dem  Petersburger  Sanskritwörterbuch  Bd.  VII,  pag.  862  er- 
sehe) ein  Fürst  der  Cedi  und  Matsya  Sahaja  heisst,  so  ist  doch 
wohl  kaum  daran  zu  denken,  dass  derselbe  Name  mit  dem  adj. 
saha-ja  „mitgeboren,  gleichzeitig  geboren",  identisch  sei,  sondern, 
da  die  Cedi,  wie  ich  in  Iran  und  Turan,  pag.  125  unten,  fand, 
ein  Stamm  der  Sriiljaya  waren,  so  wird  wohl  der  Name  Sahaja 
kaum  anders  gedacht  werden  können  wie  der  ^akapüta  des 
Rigveda,  in  welchem  ich  schon  1881  einen  (^akaputra  erkannt 
habe.     S.  Iran  u.  Turan  pag.  149  und  156. 

Jedenfalls  war  der  Srinjayakönig  Suplan  nicht  rein  arischer 
Abkunft,  sondern  zum  Brahmanismus  erst  gewonnen  worden, 
sonst  hätte  er  es  nicht  nöthig  gehabt,  sich  brahmanischen 
Ritualunterricht  ertheilen  zu  lassen.  Auch  sein  Name  Suplan 
klingt  nichts  weniger  als  rein  sanskritisch.  Ich  halte  denselben 
vielmehr  für  einen  durch  halbbarbarische  Aussprache  entstellten 
Suparna  „schöngeflügelt",  ausgesprochen  etwa  Supar{a)na,  vgl. 
Jnd{a)ra  =  Indra  in  den  Hymnen  des  Sagartiers  Agastya  (Iran 
u.  Turan  pag.  64).  Der  „schön geflügelte"  bezeichnet  gewöhnlich 
den  Adler,  dann  aber  auch  die  Sonne,  sowie  den  Somatrank, 
wozu  nun  der  Somadeva  Sähadevya  stimmen  würde. 


—     121     — 

7.   Der  Püshaiishügel  bei  Astrabad  und  das  Sonnenlehen 

der  Parther. 

Melgunoff  berichtet  in  seinem  Werke  über  „Die  südlichen 
Ufer  des  Kaspischen  Meeres",  pag.  105:  »Als  die  Stadt  Gurgän 
(durch  den  arabischen  Feldherrn  Jezid-ibn-Muhallib  i.  J.  98 
(716  nach  Chr.)  zerstört  wurde,  wanderten  die  Bewohner  der- 
selben nach  Astrabad  aus  und  die  Stadt  erstreckte  sich  damals 
bis  an  den  jetzt  zwei  Werst  von  Astrabad  entfernten  Hügel 
Kala-handän,  ^IJoLä  xxJLs-  Auf  dem  Gipfel  dieses  Hügels 
stand  ein  Fort,  von  dem  aus  eine  Mauer  um  die  ganze  Stadt 
lief;  dieses  Fort  soll  aus  den  Steinen  eines  alten  Tempels  derjFeuer- 
anbeter  erbaut  worden  sein.  An  den  Mauern  waren  feste  Thürme 
und  Bastionen  und  rings  um  die  Stadt  lief  ein  tiefer  Graben. 
Der  Hügel  wird  auch  Klialatpüshdn  .Li.«j  ooJLi».  genannt; 
man  erzählt,  dass  hier  früher  die  Cerimonie  der  Investitur  des  neu- 
erwählten Statthalters  von  Astrabad  vorgenommen  wurde.  Von 
der  ehemaligen  Festimg  ist  jetzt  nichts  mehr  zu  sehen.  Für 
die  Bewohner  von  Astrabad  ist  der  Hügel  jetzt  ein  beliebter  Ver- 
gnügungsort." 

Der  Name  der  Stadt  Asterdbäd  wird  von  der  einheimischen 
Volksetymologie    wohl   mit  Recht   zurückgeführt   auf  persisch 

JLmS  astar,  Maulthier  und  i^bl  äbäd,  Weide,  Aufenthaltsort. 
„Als  noch  die  alte  Stadt  Gnrgan  stand  (also  vor  der  Erobenmg 
durch  die  Araber  716  n.  Chr.)  lebten  hier  Esel-  und  Maulthier- 
treiber*.  Melgunoff,  Die  südlichen  Ufer  des  Kaspischen  Meeres, 
pag.  104.  Das  Wort  astar  ist  uralt  und  geht  zurück  auf  skt. 
agvatara,  m.,  Maulthier,  eig.  der  Comparativ  von  agva,  das  Pferd. 
Das  Wort  hat  zweifellos  schon  in  arischer  Zeit  bestanden,  denn  es 
entspricht  ihm  (Homer  hat  dafür  r^ftiovog)  das  griechische 
dazoäßri,  Maulthier.  Demaratos,  Konig  von  Sparta,  erfährt  durch 
seine  Mutter  und  die  Wahrsager,  dass  er  der  Sohn  des  Heros 
IdoxQaßa/.og,    des  Eselschutzgottes   sei,    der   im  Hofraume  des 


—     122     — 

Königs  eine  Kapelle  hatte,  Herodot  VI,  68—69.  Ich  möchte 
desshalb  den  Namen  des  Königs  Astrabudhna,  den  ich  in  Iran 
und  Turan  pag.  111  wegen  seines  nahen  Verhältnisses  zu  Prithin 
Vainya  als  Partherfürsten  gefasst  habe,  jetzt  nicht  mehr  von 
dem  Namen  des  hyrkanischen  Flusses  ^zQazog  herleiten,  sondern 
in  demselben  ein  ursprüngliches  *astra-vant  „reich  an  Maul- 
thieren"  erkennen,  worin  sich  das  Suffix  vant  ganz  wie  im 
spätem  Namen  des  Berges  Raihund  von  raevant,  reich,  zu  bund 
verwandelt  hätte,  das  dann  volksetymologisch  in  budhna  imige- 
deutet  worden  wäre.  Wenn  die  Sage  erzählt,  die  Einwohner 
der  Stadt  Gurgan  seien  nach  der  Zerstörung  derselben  durch 
die  Araber  nsch  Astrabad  gezogen  und  dieses  habe  sich  damals 
bis  nach  dem  zwei  Werst  entfernten  Hügel  Kala-liandän  erstreckt, 
so  deutet  die  Sage  durch  letztern  Namen  an,  dass  das  Haupt- 
element der  Bevölkerung  dieser  Stadt  in  ältester  Zeit,  wenn 
nicht  damals  noch,  sanskrit-arisch  gewesen  sein  muss. 

Der  Hügel  Kala-handän  kann  nur  als  der  Hügel  der  Inder 
erklärt  werden,  was  um  so  weniger  Schwierigkeit  verursacht, 
als  Melgunoff  in  Gilan  und  Mazanderan  noch  eine  ganze  Reihe 
von  Ortschaften  namhaft  macht,  deren  aus  der  Urzeit  erhaltene 
Namen  auf  den  einstigen  Aufenthalt  von  Sanskrit-Ariern 
schliessen  lässt,  die  nach  der  grossen  Auswanderung  nach  dem 
Pandschab  in  der  alten  Heimat  als  zerstreute  Häufchen  sitzen 
geblieben,  aber  ohne  Zweifel  mit  den  nach  Osten  gezogenen 
Stammbrüdern  in  Contakt  geblieben  waren,  woher  dann  in  nocli 
relativ  sehr  später  Zeit  ihre  Benennung  als  Hindu,  als  arische 
Inder,  sich  erklären  lässt,  Melgunoff  nennt  pag.  208  ein  Dorf 
Händu-kelä  bei  Amol,  ferner  ein  Dorf  Ilindu-khale  im  Mahal 
Tulem  bei  Resht  am  Ufer  des  Murdab  (pag.  249),  femer  einen 
Fluss  Hindua-lceran  zwischen  Assalim  und  Astara  in  Gilau 
(pag.  229).  Dass  in  diesen  Gegenden  noch  spät  uralte  Reste 
ehemaliger  Sanskrit- Arier,  später  nach  ihren  Stammesgenossen 
in  Indien  ebenfalls  Hindu  genannt,  weiter  sassen,  beweist  die 
Thatsache,  dass  noch  der  Ethnograph  Stephanus  Byzantius  in 


—     123    — 

Hyrkanien  Jaoai,  d.  h.  vedische  Ddsa,  zfaoi  kennt  S.  „Vom 
Pontus  bis  zum  Indus"  pag.  93  und  ^Iran  u.  Turan"  pag.  97. 
Ohnedies  hiess  Mazanderan  bei  den  muhamedanischen  Geogra- 
phen des  Mittelalters  Hmdu-seßd,  das  weisse  Indien,  s.  Iran  u. 
Turan  pag.  142. 

Bezeichnet  der  Hügel  Kala-Handdn  den  Hügel  der  Inder, 
so  wird  nun  auch  die  Erklärung  des  Khale-Pushän  als  Hügel 
des  Püshan  nicht  mehr  befremden. 

Der  Sonnengott  Püshan  ergab  sich  uns  schon  im  Iran  und 
Turan  pag.  144,  bei  Gelegenheit  der  Erklärung  des  Hymnus 
Rigveda  I,  42  als  der  die  Sanskrit- Arier  in  Hyrkanien  auf  sichern 
Pfaden  führende  Sonnengott,  der  gegen  den  Uebels  sinnenden, 
wegelagemden,  räuberischen,  auf  Schaden  erpichten  Yrika,  näm- 
lich den  Hyrkanier  (nicht  den  Wolf,  wie  die  Vedainterpretation 
bis  dahin  erklärt  hatte)  um  Beistand  angefleht  wurde.  Hatte 
ich  damals  gezeigt,  dass  die  Epitheta  omantia  des  Vi-ika,  d.  h. 
des  Hyrkaniers,  als:  duhgSva,  paripantMn,  musMvdnt,  Tiuraccit 
ganz  unmöglich  auf  einen  Wolf,  sondern  ausschliesslich  nur 
auf  einen  Hyrkanier  bezogen  werden  können,  so  will  ich  jetzt 
noch  ganz  besonders  auf  die  Attribute  dvayävin,  doppelzüngig 
und  agkd^y'isa,  Böses  anwüuschend,  verweisen,  wobei  die  Bitte: 
Püshan  möge  dieses  Bösewichts  Brandfackel  {täpushi)  mit  dem 
Fusse  auslöschen,  gewiss  auch  dem  zähesten  Vertreter  der  tradi- 
tionellen Interpretation  die  Augen  öflfnen  wird,  dass  es  sich  hier 
schlechterdings  nicht  um  einen  Wolf,  sondern  nur  um  einen 
Hyrkanier  handeln  kann. 

Hat  sich  uns  schon  durch  Rigv.  I,  42  herausgestellt,  dass 
das  Mutterland  der  Verehrung  Püshans  Transkaspien  gewesen 
sein  muss,  so  gewinnt  dieses  Resultat  noch  festeren  Halt  durch 
die  Bharadväja-Hymnen  auf  den  Sonnengott  Rigv.  VI,  53 — 58. 
Da  fleht  der  Dichter  zum  Nahrungsspender  und  Herrn  der 
Pfade  V.  3  u,  4  also: 

ädüsantäm  cid  dghrine  Püshan  dänäya  codaya  \ 
Panec  cid  vi  inradd  mdnah  jj  3  j| 


—     124    — 

v{  patho  väjasätaye  cinulii  vi  Mridho  jahi  | 
sddhantdm  ugra  no  dhiyaJ},  ||  4  || 

Jeglichen  Nichtspendenden,  o  glühender  Püshan,  rege  an 
zum  Geben,  erweiche  jeglichen  Pani's  Herz!  ||  3  |! 

Mach  die  Pfade  frei  zum  Nahrungsspenden,  schlage  nieder 
die  Marder!  Lass,  o  Gewaltiger,  unser  Bitten  in  Erfüllung 
gehen!"  |  4  j] 

Diese  Bitten  wiederholen  sich  in  Parallelen  v.  5  und  6. 

Die  Panis,  deren  harte  Herzen  der  Sonnengott  erweichen 
soll,  hatten  sich  in  „Iran  u.  Turan"  pag.  112 — 113  als  die  Farne r 
erwiesen,  die,  in  Hyrkanien  wohnend,  den  auf  der  Wasserstrasse 
des  alten,  ins  Kaspische  Meer  mündenden  Oxus,  sich  von  Indien 
bis  Transkaspien  und  an  den  Pontus  bewegenden  Transithandel 
betrieben  und  die  Mridhas  waren  uns  ebendort  pag.  H3  und  120 
als  die  Maredha  des  Avesta  erschienen,  die  schon  Geiger,  Ost- 
iranische Kultur  im  Alterthum  pag.  203  als  die  wilde  Völker- 
schaft der  MaQÖoi  erkannt  hatte. 

Nachdem  wir  so  durch  Vrika,  Pani  und  Mridhah.  durch 
Hyrkanier,  Parner  und  Amarder,  geographisch  orientirt,  dem 
Sonnengott  Püshan  die  Albursabhänge  am  südöstlichen  Ufer  des 
Kaspischen  Meeres  zur  Heimat  seiner  Verehrung  nachgewiesen 
haben,  sonach  also  ein  Pilshanshügel  bei  Astrabad  nichts 
Fremdartiges  mehr  an  sich  hat,  bleibt  uns  nunmehr  noch  die 
Erläuterung  jenes  Sagenznges  übrig,  nach  welchem  in  alten 
Zeiten  auf  diesem  Sonnenhügel  an  den  neuerwählten  Statthaltern 
von  Astrabad  die  Ceremonie  der  Investitur  vorgenommen  wurde. 

Püshan  ist  der  Gott,  der  Wohlstand  und  Gedeihen  schafft, 
Heerden  und  Reichthümer  bringt  und  behütet,  dem  Arier  auf 
seinen  Wanderungen  die  Pfade  sicherstellt,  er  ist  somit  Herr 
von  Wunn  und  Weid  und  als  solcher  die  letzte  und  ursprüng- 
liche Quelle  alles  Besitzrechtes ,  in  dessen  Namen  gewiss  auch 
rechtlich  Besitz  ergriffen  wurde.  Wir  gelangen  damit  zu  der 
Rechtsinstitution  des  Sonnenlehens,  über  welches  Jacob  Grimm 


—     125     — 

in  seinen  Deutschen  Reclitsalterthttniem  (3.  Aufl.  1881),  pag. 
27S — 2S0  ein  reiches  Material  zusammengetragen  hat.  Das 
Sonnenlehen  war  ein  freies,  nicht  einmal  vom  Landesfürsten 
oder  Kaiser  verleihbares  Besitzthum,  das  nur  aus  Gott  und  der 
heiligen  Sonne  abgeleitet  wurde.  Grimm  verweist  zugleich  auf 
Herodot  YIII,  137,  ohne  jedoch  auf  die  Stelle  selbst  einzutreten. 
Da  es  sich  hiebei  um  ein  uraltes  Rechtssymbol  handelt,  das  uns, 
bei  späterer  Gelegenheit,  nach  Armenien,  das  Stammland  der 
Arier,  fuhren  wird,  so  erscheint  es  nothwendig.  die  herodotische 
Sage  nach  ihrem  hier  in  Betracht  fallenden  Hauptzuge  zu  er- 
zählen- 

Aus  Argos  flohen  zu  den  Illyriem  drei  Brüder  von  Teme- 
no.s'  Geschlecht,  Gauanes,  Aeropos  und  Perdikkas.  Und  aus 
Illyrien  gingen  sie  hinüber  in  das  obere  Makedonien  und  kamen 
in  die  Stadt  Lebaea.  Hier  wurden  sie  nun  Lohnknechte  bei 
dem  König:  da  der  Eine  die  Pferde  weidete,  der  Andere  die 
Rinder,  der  Jüngste  aber,  Perdikkas,  das  Kleinvieh.  Es  waren 
aber  vor  Alters  auch  die  Machthaber  in  den  Landen  wenig  be- 
mittelt, nicht  blos  das  Volk,  und  so  buk  die  Frau  des  Königs 
selber  für  sie.  So  oft  nun  das  Brod  des  jungen  Lohnknechtes 
Perdikkas  gebacken  ward,  hef  es  noch  einmal  so  gross  auf. 
Und  da  das  immer  wieder  geschah,  sagte  sie's  ihrem  Mann. 
Wie  der  das  hörte,  gieng  ihm  gleich  bei,  das  sei  ein  Wunder- 
zeichen und  gehe  auf  etwas  Grosses.  Er  berief  denn  die  Lohn- 
knechte und  bedeutete  sie,  sein  Land  zu  verlassen.  Sie  aber 
sagten,  billigerweise  müssten  sie  ihren  Lohn  bekommen,  ehe  sie 
giengen.  Der  König  sofort,  wie  er  von  Lohn  hörte  —  und  es 
schien  gerade  die  Sonne  zum  Rauchfang  herein  ins  Haus  — 
sprach,  von  Gott  geschlagen:  „Zum  Lohn  geb'  ich  euch  nach 
Verdienst  das  dal^,  wozu  er  auf  die  Sonne  wies.  Gauanes  nun 
vmd  Aeropos,  die  altern  Brüder,  standen  ganz  verdutzt,  wie  sie 
das  hörten ;  der  Knabe  aber,  der  gerade  ein  Messer  in  der  Hand 
hatte,  sprach:  .Wir  nehmen's  an,  o  König,  was  du  giebst" 
und  dabei  umschrieb  er  mit  dem  Messer  den  Sonnenschein   auf 


—     126    — 

dem  Estrich  des  Hauses;  dann  schöpfte  er  von  dem  umschrie- 
benen Sonnenschein  dreimal  in  seinen  Busen,  und  so  zog  er  ab 
und  die  Brüder  mit  ihm.  (138)  Die  giengen  denn  fort,  dem  König 
aber  erklärte  seiner  Schöffen  einer,  was  der  Knabe  gemacht  habe, 
und  wie  mit  Bedacht  der  Jüngste  von  ihnen  das  Gebotene  an- 
genommen. Wie  er  das  hörte,  ward  er  scharf  und  schickte 
ihnen  Reiter  nach,  sie  zu  tödten.  In  dieser  Gegend  ist  aber  ein 
Fluss,  dem  opfern  die  Nachkommen  dieser  Männer  aus  Argos 
als  Retter.  Der  lief,  sobald  die  Temeniden  durch  waren,  so  ge- 
waltig an,  dass  die  Reiter  nicht  durchkonnten.  Sie  aber  kamen 
in  eine  andere  Landschaft  Makedoniens,  und  wohnten  da  nahe 
den  sogenannten  Gärten  des  Midas ,  Gordios'  Sohn ,  in  welchen 
die  Rosen  wild  wachsen,  jegliche  von  sechzig  Blättern  und  von 
ungemeinem  Wohlgeruch.  In  diesen  Gärten  ward  auch  Seilenos 
gefangen,  wie  man  bei  den  Makedonien!  hört.  Und  über  den 
Gärten  liegt  ein  Gebirg,  Bermion  mit  Namen,  unersteiglich  vor 
Kälte.  Von  da  aus  nun,  wie  sie  diesen  Strich  eingenommen, 
unterwarfen  sie  auch  das  übrige  Makedonien. 

In  dieser  Sage  häufen  sich  die  Sonnensymbole.  Ich  will 
hier  auf  die  Namen  der  drei  Brüder  noch  nicht  näher  eintreten, 
sondern  nur  bemerken,  dass  Favav,  unter  Berücksichtigung  des 
makedonischen  Lautgesetzes,  das  immer  die  Media  für  die  Aspi- 
rata verlangt  und  wodurch  sich  die  Makedon ier  auf  den  Stand- 
punkt der  Iranier  stellen,  auf  zend.  havana,  n.,  hindeutet,  das, 
nach  Justi  Handb.  der  Zendsprache,  pag.  323,  die  Morgenröthe 
bezeichnet.  Aeropos  lässt  ebenfalls  auf  eine  Lichtgottheit 
schliessen  und  Perdikkas,  dessen  Name  wohl  schwerlich  mit 
ntQÖi^  etwas  zu  thun  hat,  zeigt  sich  als  offenbarer  Sonnenheros. 
Der  Brodkuchen,  den  ihm  die  Königin  zu  backen  hat,  lauft 
regelmässig  höher  auf  als  für  die  zwei  andern  Brüder,  denn  ihm, 
dem  ursprünglichen  Sonnengotte,  gebührt  ja  der  Kuchen  von 
Rechtswegen,  wie  auch  der  Sonnengott  Pilshan  im  Rigveda  mit 
einem  Kuchen  {karambha)  verehrt  wird  (vgl.  z.  B.  Rigv.  VI,  57,  2). 
Femer  versteht  Perdikkas  das  besitzverleihende  Gold  des  Sonnen- 


—     127    — 

lichtes  in  seinen  Busen  zu  schöpfen  und  vergleicht  sich  damit 
dem  jüngsten  Sohne  des  Skythenkönigs  Targitaos,  dem  KolaxaYs, 
der  ebenfalls  einzig  unter  seinen  zwei  andern  Brüdern  mit  dem 
flammenden  Sonnengold  umzugehen  wusste  (s.  Herodot  IV,  5). 
Dann  wieder  erinnert  an  das  Sonnengold  die  sechzigblättrige 
Rose  in  den  Gärten  des  Midas,  dem  selbst  alles,  was  er  berührt, 
zu  Gold  wird,  dessen  Sonnenstrahlen  sich  denn  auch  in  Rosen 
verwandeln,  die  in  den  Gärten  des  Oordios,  des  Rosenherm  (vgl. 
neupers.  gul,  Rose  mit  zend.  varedha,  Rose  „Vom  Pontus  bis 
zum  Indus",  pag.  103)  wild  wachsen.  Das  Messer  schliesslich, 
mit  dem  der  Sonnenheros  Perdikkas  den  Sonnenschein  auf  dem 
Estrich  seines  Gastherrn  umschreibt,  ist  das  Goldschwert  Pü- 
shans  (Rigv.  1,  42,  6:  lnranyavdr;imattav\ali),  mit  dem  der  Gott 
Reichthum  spendet  und  Besitz  verleiht.  Es  ist  das  Schwert,  das 
z.  B.  noch  der  ungarische  König  Kaiser  Franz  Joseph  bei  seiner 
Investitur  i.  J.  1S66  nach  altungarischem  Brauch  (s.  Grimm, 
Rechtsalterth.3,  pag.  279,  Anm.)  bei  seiner  Krönung  auf  einem 
Hügel  vor  Buda-Pesth  nach  allen  vier  Weltgegenden  schwang. 
Die  Vorstellung,  die  dieser  symbolischen  Besitzergreifung  aller 
vier  V^eltgegenden  zu  Gnmde  liegt,  findet  sich  am  deutlichsten 
ausgesprochen  in  dem  merkwürdigen,  zum  Theil  zarathustrisch 
angehauchten  Vasishthahjmnus  Rigv.  VII,  104,  den  ich  in  „Vom 
Pontus  bis  zum  Indus"  pag.  209 — 216  übersetzt  und  erklärt 
habe.  In  diesem  altindischen  Hexenhammer  heisst  es  Strophe 
19,  Indra  möge  die  bösen  Geister,  die  Rakshas,  aus  allen  vier 
Weltgegenden  heraushauen: 

yrä  vartaya  divö  dcmänam  indra 
somagitam  maghavant  sdm  cigddM  \ 
prdktdd  dpdhtad  adhardd  xidaktdd 
abhi  jahi  rakshdsah  2>drvatena 
„Wirf  deinen  Donnerkeil  vom  Himmel,  Indra, 
Doch  schärf'  ihn  erst  im  Somarausch,  Gewaltiger! 
Vertreib  das  Rakshaspack  mit  Donnerschlägen 
Aus  Ost  und  Westen  wie  aus  Nord  und  Süden!" 


—     128    — 

Die  Localadverbien   von  Päda  3  sind    hier   zweifellos  im  Sinne 
der  Weltgegenden  aufzufassen. 

8.    Der  Sarmatenkönig  Asamäli  Yon  Bhajeratha 
am  unterm  Oxns. 

Die  erste  Hälfte  des  Hymnus  Rigv.  X,  60  bildet  bis 
Strophe  6  ein  unabhängiges  Ganze.  Dieser  selbständige  Hym- 
nus hat  zum  Hauptinhalt  eine  Adoration  des  Königs  der  Mahl- 
nas,  mit  dem  Wunsch,  es  möchte  doch  die  Herrschaft  lange  bei 
der  Dynastie  Asamäti  bleiben.  Die  in  diesem  Hymnus  auf- 
tauchenden Namen  sind  von  solcher  Wichtigkeit,  dass  wir  dieselben 
einer  eingehenden  Prüfung  unterwerfen,  während  uns  das  andere 
Interpretationsmaterial  hier  weiter  nicht  beschäftigen  wird. 
SoUten  gegenüber  dem  gewonnenen  Resultate  Bemerkungen  laut 
werden,  die  an  demselben  den  Beweis  vermissen,  so  rufen  wir 
denjenigen,  welche  nichts  erschaut,  sondern  Alles  abgeleitet  haben 
wollen,  den  Satz  zu,  mit  welchem  P.  de  Lagarde  (Ge.sammelte 
Abhandlgg.,  pag.  15)  diejenigen  abwies,  die  seine  Wiedererkennung 
der  Zarathustrischen  Amshaspands  Haurvatät  und  Ameretät  in 
den  Engeln  Härüt  und  Märüt  ebenfalls  bewiesen  haben  wollten. 
Lagarde  ruft  ihnen  zu:  „Beweisen  lassen  sich  solche  Kombina- 
tionen nicht,  so  etwas  sieht  man  eben." 
Der  Hymnus  lautet  also: 

A  Jdnam  tveshäsaindii'^am  mahindm  tlpastutam  | 

dganma  Mbhrato  ndmah  \\  1  || 

äsamdtvm  mtöganam  tveshätn  ntyayhiam  ratham  \ 

hhajSratJiasija  sätpatim  ||  2  || 

?/o  Jdnän  mahishäh  ivätitasthaü  pdviravän  \ 

lUäpaviravdn  yudhd  ||  3  1| 

ydsyehshvdhiir  üpa  vi'atS  revän  marayy  Sdhate  \ 

diviva  pdüca  hrtsh(dyali  ||  4  || 

indra  lishatrdsamdttshu  rdthaproshtheshu  dlidraya  \ 

divtva  suryam  drigS  ||  5  || 


—     129     — 

agästyasya  nddbhyah  sdpti  yunak^hi  röhitd  \ 
pantn  ny  akravur  abhi  vfcvdn  rdjann  arädhdsah  ^  6  \\ 
Nach  Ludwigs  zutreffender  Uebersetzung  lautet  der  Hym- 
nus also: 

1.  Zu  dem  Mann  von  blendendem  Antlitz,  dem  gepriesenen 
der  Mählnas,  sind  wir  gekommen,  Anbetung  bringend. 

2.  Zu  Asamäti,  dem  Gaben  strömenden,  dem  blendenden, 
der  den  Wagen  niedergehen  lässt,  den  Fürsten  Bhajeratha's, 

3.  der  die  Menschen  überwältigt,  wie  Rinder  mit  seiner 
Waffe,  und  ohne  Waffe  auch  im  Kampfe. 

4.  In  des  Dienste  Ikshväku,  reich  und  glänzend,  gedeiht,  wie 
am  Himmel  die  fünf  Geschlechter. 

5.  0  Indra,  erhalte  die  Herrschaffc  bei  Asamäti's  Ratha- 
proshtha's,  wie  die  Sonne  am  Himmel  zu  sehen. 

6.  Für  Agastya's  Schwestersöhne  jochst  du  die  zwei  rothen 
Rosse  an,  alle  Pani  tratst  du  nieder,  die  nichts  schenkenden. 

Die  Panis,  die  nichtsschenkenden,  die  Asamäti  niedertrat, 
Orientiren  uns  vorzüghch.  Wir  stehen  in  diesem  Hymnus  am 
untern  Laufe  des  Oxus,  wo  die  Pamer-Daer  einen  lucrativen  Tran- 
sithandel trieben,  der  sich  von  Indien  über  den  Hindukush  und  den 
Oxus  hinunter  ins  K  aspische  Meer  bewegte,  an  dessen  jenseitigem 
Ufer  er  dann  durch  Iberien  bis  an  die  Ostküste  des  Pontus  gieng. 
S.  Iran  u.  Turan  pag.  113.  Wenn  aber  ein  Asamäti  ^  Besieger 
der  Pani  gepriesen  wird,  so  ist  das  nur  wieder  eine  neue  Form 
für  das  Verhältniss,  in  welchem  wir  (Iran  u.  Turan  pag.  114 — 115) 
die  Saramd  zu  den  Panis  erblickten.  Wir  hatten  die  Saramd 
unter  Hinweis  auf  die  Stadt  ^agafiawr^  in  Hyrkanien,  als  Re- 
präsentantin der  Sarmaten  angesehen,  die  im  Südosten  des 
Kaspischen  Meeres  sassen,  wo  sie  Plinius  Hist.  Nat.  VI,  16  neben 
den  Derbikkem  aufführt:  Derbices  quorum  medios  ßnes  secat 
Oxus  amnis  ortus  in  lacu  Oxo:  Syrmatae,  Oxydracae,  HeniocM, 
Bateni,  Saraparae,  Bactri.  Diese  brahmanisirten  Ost-Sarmaten 
betrachteten  die  handeltreibenden  Pamer,  die  als  Daer,  Däsa, 
Jaaai,    wie  sie  Stephanus  von  Byzanz  noch  kennt,  jedenfalls 

Brunnhofer,  Vom  Aral  bis  zar  Gangä.  9 


—    130    — 

unarischer  Rasse  oder  doch  stark  mit  turanischem  Blut  durchsetzte 
halbarisirte  Türken  waren,  wahrscheinHch  als  Barbaren.  Auflallig 
ist  bei  Asamätij  wenn  dieser  Name  den  Sarmaten  bezeichnet, 
das  Fehlen  des  r,  die  Form  ^afxarai  begegnet  jedoch  thatsächlich 
neben  EaQixäxai  für  das  gewöhnliche  ^agfiazai  und  ^avQoi^arai 
bei  Dionysius  Periegetes  (ed.  Bemhardy,  pag.  23),  v.  304: 
rEQjxcivol  2ccfidTai  ts  Fetau  d^  a/ia  BaoraQvai  re, 
^aytöiv  %    aajteuog  aia  xal  aX'Kr'jSVTeg  ^AXavoi  ... 

Die  Form  2ä/näzai  wird  vom  Commentator  Eustathius  zu 
der  Stelle  (pag.  144)  noch  ausdrücklich  bestätigt:  ^aindiac  Tjtoi 
^aQixdrai,  yiciTd  elXsirpiv  tov  g  dixeraßo'Kov. 

Das  Vorschlags-a  in  Asamäti  begegnet  in  iranischen  Namen 
bekanntlich  häufig,  vgl.  flagvot,  'l^noQvoi,  Magdoi  'L4fiagdoi 
u.  s.  w.  Ist  diese  Zusammenstellung  richtig,  so  muss  der  vor- 
liegende Hymnus,  in  welchem  die  Sarmaten  anden  Parnem  wahr 
gemacht  haben,  was  sie  im  Hymnus  Rigv.  X,  108  nur  angedroht 
hatten,  offenbar  später  sein  als  jener  Saramä-Hymnus.  Denn  hier 
im  Hymnus  X,  60  finden  wir  in  V.  6  pantn  ny  hkraimh  eine 
vollständige  Niederwerfung  der  Panis  angezeigt. 

Asamäti  herrscht  nach  V.  2  als  Fürst  über  die  BhajSratha. 
Da  dieser  Name  sonst  unbekannt  ist,  so  haben  schon  Böhtlingk- 
Roth  im  Sanskritwörterbuch  s.  v.  vorgeschlagen,  bhajS  rathasya 
zu  schreiben,  resp.  bhajS  zum  Dativinfinitiv  zu  stempeln.  Dem 
wehrt  aber  folgendes  Verhältniss.  In  V.  6  wird  Asamäti  in 
freundschaftliche  Beziehung  zu  Agastya's  Enkeln  gesetzt,  denn 
ich  erblicke  in  nadbhyas  nur  den  Dat.  plur.  eines  aus  nnjmf 
verkürzten  Stammes  *napt^  sodass  die  „Schwestersöhne",  wie  Lud- 
wig übersetzt,  nicht  nöthig  sind.  Dieses  Freundschaftsverhält- 
niss  der  Oxus-Sarmaten  zu  den  Sagartiern,  als  welche  wir  die 
Agastya  in  Iran  und  Turan  pag.  68  erkannt  hatten,  gestattet 
uns  neuerdings,  unsere  Gleichstellung  der  Sagartier  mit  den 
Sagaras  der  indischen  Heldensage  zu  betonen.  Die  Sagaras, 
deren  Name  schon  an  sdgara,  das  Meer,  erinnert,  waren  nach 
unserer  Darstellung  identisch  mit  den  ^ayagavxai   des  Ptole- 


—     131     — 

maus,  die  sich  uns  in  Iran  u.  Turan  pag.  74  als  sanskrit-arische 
sagara-{-o7ca,  als  -Meeranwohner"  ergeben  hatten.  Von  den 
Sagaras  nun  aber,  die  von  den  antiken  Geographen  an  den 
untern  Lauf  der  nördlichen  Einmündung  des  Oxus  ins  Kaspische 
Meer  angesetzt  werden,  berichtet  die  indische  Heldensage,  (s.  in 
Kürze  ßöhtlingk-Roth  Sktwb.,  Bd.  V,  pag.  174—175):  Bhaglratha 
ein  alter  König,  Sohn  des  Dilipa,  leitete  mit  Hülfe  ^iva's  die 
Grangä  vom  Hinmiel  zur  Erde  und  von  da  ins  Meer,  um  die 
Asche  seiner  Väter,  der  Söhne  des  Sagara,  zu  entsühnen,  die 
beim  Suchen  des  ihnen  geraubten,  zum  Opfer  bestimmten  ßosses 
die  Erde  durchwühlt  hatten  und  dafür  von  Vishnu  in  der  Ge- 
stalt des  Weisen  Kapila  zu  Asche  verbrannt  worden  waren. 
Von  diesem  Könige  Bhagiratha  erhielt  die  Gahgä  den  Namen 
Bhagirailti-sutd,  Tochter  des  Bhaglratha,  oder  BhägiratM. 

Ohne  mich  weiter  auf  die  vielfache  Verschlingung  der  my- 
thologischen Beziehungen  des  Bhagiratha  und  der  Bhägirathi 
einzulassen,  mache  ich  blos  aufmerksam  auf  die  Nähe,  in 
welcher  sich  die  Sage  die  Sagara  zum  Meer  und  zur  Gf^gä 
denkt.  Die  Sagara  nomadisirten  an  den  Mündungen  des  Oxus, 
von  dem  wir  oben  pag.  96  nachgewiesen  hatten,  dass  er  einst 
als  noch  Sanskrit- Arier  an  seinen  Ufern  sassen,  selbst  Gangä 
geheissen  und  dann,  nachdem  die  Sanskrit- Arier  Hindostan  er- 
obert  hatten,  das  Namensprototyp  für  die  indische  Gangä  abge- 
geben habe.  War  aber  die  Tochter  des  Königs  Bhagiratha  der 
Oxus,  so  kann  wohl  kaum  bezweifelt  werden,  dass  wir  nunmehr 
auch  Bhuj4i'atha^  mit  dessen  König  Asamäti  die  Enkel  Agastyas 
nahe  befreundet,  also  auch  geographisch  benachbart  sind,  als 
Name  des  Oxus,  d.  h.  5Aä^2ra<Aa(-Bhägirathi)  betrachten  dürfen- 
Damit  aber  sind  wir  wieder  bei  dem  obigen  Ergebniss  angelangt, 
dass  die  brahmanisirten  Sarmaten  am  untern  Laufe  des  Oxus 
sassen,  wo  sie  in  Rassenfehde  mit  den,  wahrscheinlich  türkischen 
aber  halbiranisirten  Pamem  (den  Pani's)  lebten. 

Soweit  über  den  Namen  Bhajeratha-Bhagiratha  im  Klaren, 
wollen  wir  nun  denselben  aus  den  griechisch-römischen  Quellen 


—     132    — 

beleuchten.  Zunächst  der  bei  Ktesias  aufbewahrte  Mannsname 
BayogaCog,  Götterwagen  (oder  Götterlust?).  S.  Keiper,  D.  Perser 
des  Aesch.  pag.  95.  Was  der  Götterwagen  bedeuten  will,  vermag 
ich  gegenwärtig  nicht  anzugeben.  Er  scheint,  wenn  man  den 
Namen  Geiov  oyriiiia,  ein  Gebirge  in  Libya  inferior,  der  auf  ira- 
nische Tradition  schliessen  lässt,  ferner  den  Namen  Bhagiratha  als 
Name  eines  Berges  in  Indien  (s.  Böhthngk-Roth  Sktwb.,  ßd.  V, 
pag.  175)  erwägt,  ein  Gebirge  zu  bezeichnen,  woraus  dann  klar 
würde,  warum  GaSgä,  d.  h.  der  Oxus,  Tochter  des  Berges  Bha- 
giratha =  Bhägtrathi  heisst.  Es  ist  aber  möglich,  dass  Bha- 
garatha,  Götterwagen,  in  derselben  Weise  ursprünglich  schon 
den  himmlischen  Götterwagen  des  Gewitters  bezeichnete,  wie 
der  Wodanswagen  in  der  deutschen  Sage  und  von  dieser  Bedeutung 
aus  musste  dann  der  Name  bald  auch  irdischer  Flussname  werden. 
Mit  Recht  erinnert  desshalb  Rochholz  in  seinen  Schweizersagen 
Bd.  I,  pag.  217,  wo  er  den  Gewitterwagen  des  Wilden  Heeres 
bespricht,  an  Klopstocks  Gleichniss  in  der  Hermannsschlacht: 
„Die  Räder  an  dem  Kriegeswagen  Wodans 
Rauschen,  wie  des  Waldes  Ströme,  die  Gebirg'  herab." 
Dann  aber  ist  Bhagiratha,  d.  h.  ursprünglich  *Bhagaratha, 
iranisch  *Bagaratha  ein  Fluss- Wandername.  Wir  treffen  näm- 
lich einen  Küstenfluss  BayQciöag  sowohl  als  Grenzfluss  zwischen 
der  Landschaft  Persis  und  Karmanien  (derselbe,  der  bei  Arrian 
per  metathesin  den  Namen  JlaöayQog  führt),  sodann  taucht 
der  Name  wieder  auf  in  Neu-Iran  an  der  Küste  Afrikas,  wo 
wir  einen  BayQccöag  nma(.i6g  bei  Utica  finden.  Schliesslich 
wird  wohl  auch  der  Name  der  Paropanisadenstadt  Baydgöa  bei 
PtolemaeuB  VI,  18,  5  hieher  gehören. 

Fragen  wir  uns  nun,  woher  Sarmaten  an  den  untern  Oxus 
gekommen  seien,  da  dieselben,  nach  unserer  Theorie  der  arischen 
Völkerwanderung,  weder  vom  Pamirplateau  im  Osten,  noch  vom 
Norden  herunter  gekommen,  sein  können,  da  ihr  Wohnsitz  doch 
am  Pontus  ist  und  niemals  ein  arisches  Volk  nachweisbar  den 
Weg  nach  Centralasien  um  die  Nordküste  des  Kaspischen  Meeres 


—     133    — 

herum  genommen  hat,  so  bleibt  uns  nur  der  Südwesten  übrig. 
Zunächst  fanden  wir  die  Sarmaten  ansässig  an  der  Südküste 
des  Kaspischen  Meeres,  wo  die  Stadt  und  Landschaft  ^aQct(.iävvrj 
uns  Zpugniss  vom  Dasein  der  Sarmaten  giebt.  Nunmehr  gilt 
es  aber,  die  Spuren  derselben  noch  weiter  zu  verfolgen, 

Asamäti  heisst  in  unserm  Hymnus  der  Gepriesene  der 
Mdhina.  Wir  finden  aber  keine  Mähina  am  untern  Oxus.  Da- 
gegen erwähnt  Isidor  von  Charax  in  seiner  Liste  parthischer 
Reisestationen  zwischen  Konkobar  und  Ekbatana  eine  Stadt 
MaLivictvav.  Ebenso  berichtet  der  arabische  Geograph  Abul- 
feda  (trad.  par  StanisL  Guyard),  T.  IP,  pag,  186  von  einer  Stadt 
Mäzinän,  deren  Lage  ungefähr  derjenigen  von  Mati-viavccv 
entspricht:  Quant  h  Mazinän,  c'est,  au  dire  du  Lobäb,  une petite 
localiti  süuSe  sur  rextr^me  frontib'e  du  Kkordsdn,  dans  la  di- 
rection  de  VIraq.  Quelques  savants  en  portent  le  nom  d'oriqine. 
Die  Tabulae  geographicae  ülug  Beigii  (Geogr.  veteris  scr.   gr. 

min.,  Oxonii  1712,  T.  lU)  geben  für  Mazinän  (^Loyo)  Long.  90, 

30;  Lat.  36,  0.  Darf  man  diesen  Namen  Mdhina,  der  iranisch 
Mazina  lauten  konnte,  irgendwie  (vgl.  Nöldeke's  Ableitung  von 
skt.  mddhi,  Ringelpanzer  als  dem  medischen)  mit  dem  Namen 
der  Meder  zusammenbringen?  Wenn  diese  Vermuthung  sich  bewäh- 
ren sollte,  dann  würde  auch  der  Name  der  ^vgnjiirjdoL  klar,  die 
nach  Ptolemaeus  (IV,  2,  6)  in  den  Süden  Mediens  verlegt,  von 
Ammianus  Marcellinus  XXIII,  6,  39  (ed.  Gardthausen  T.  I,  pag. 
32S— 329)  aber  an  den  Südabhängen  des  mons  Jasonius  ange- 
setzt werden:  opihus  et  maynitudine  moenium  conspicuae  sunt 
Heraclia  et  Arsada  et  Europos  et  Cyropolis  et  Ecbatana  sub 
Jasonto monte  in  terris  Syroniedorum.  Alle  diese  Städte  tragen 
ein  so  durchaus  arisches  Gepräge  und  ist  von  ihnen  so  ganz 
und  gar  nichts  Syrisches  überliefert,  dass  es  wohl  AUes  für 
sich  hat,  wenn  wir  in  diesen  Syromedi  ganz  einfach  volksety- 
mologisch zurechtgedeutete  ßyi'matae  erblicken.  Dort  aber,  im 
Lande  der  Syromedi-Syrmatae,  fanden  wir  oben  auch  die  Heimat 


-     134     - 

der  MäMna,  als  deren  gewaltiger  Fürst  der  Bändiger  der  Panis, 
der  Beherrscher  Bhajeratha's,  der  Freund  der  Agastyas,  der  Mann 
von  blendendem  Antlitz,  Asamäti,  verherrlicht  wird. 


9.  Der  Panis  Vorliebe  für  die  Nacht. 

In  einem  seiner  Hymnen  (Rigv.  I,  184,  2)  fleht  der  Rishi 
Agastya,  den  ich  in  Iran  u.  Turan  pag.  63 — 76  als  ^ayÜQtiog 
nachgewiesen  habe,  zu  dem  göttlichen  Zwillingspaar  der  A9vinau, 
den  Göttern  des  Morgen-  und  Abendwindes  (s.  Vom  Pontus 
bis  zum  Indus  pag.  127 — 129),  sie  möchten  die  Panis,  „die  sich 
der  Nacht  erfreuenden",  vertreiben: 

asmS  ü  shü  vrishanä  mädayethdm 
■dt  pamnr  katam  ürmyd  mädantd  || 
„Berauscht  euch,   ihr  beiden  Stiere,    zu  unserm  Heil,  scheucht 
auf  die  Pani's,  die  sich  der  Nacht  erfreuenden"! 

Uns  wird  hier  zunächst  das  interessante  Attribut  der  Panis 
beschäftigen. 

In  „Iran  u.  Turan"  pag.  112 — 116  hatte  ich  die  Pa^is,  die 
„glaubens-  und  opferlosen"  {a^raddha  und  ayajna)  „geizigen" 
{arevän)  „Kaufleute"  in  dem  historisch-geographischen  Hinter- 
grund ihres  Namens  als  üaQvoi-Jdai  nachgewiesen,  die  am 
untern  Laufe  des  Oxus  mit  ihren  Handelskarawanen  den  anwoh- 
nenden Sanskrit-Ariern  Ross,  Rind  und  Güter  räuberischer  Weise 
abzunehmen  pflegten.  Zu  ihren  Karawanenzügen,  die,  den  noch 
nomadisirenden  Sanskrit- Ariern  gegenüber,  häufig  genug  zugleich 
räuberischen  Ueberföllen  gleichen  mochten,  benutzten  sie  offen- 
bar die  Nacht,  daher  das  ihnen  von  Agastya  beigelegte  Attribut. 
Warum  sie  gerade  die  Nacht  zu  ihren  Räubereien  benutzten, 
bedarf  der  Aufklärung.  Dieselbe  ergiebt  sich  aus  den  Lebens- 
gewohnheiten der  Iranier,  resp.  auch  der  noch  auf  dem  Hochland 
von  Iran  nomadisirenden  Sanskrit- Arier  des  Veda,  deren  späte 
Repräsentanten,  in  culturhistorischer  Beziehung,  am  hellen  Tag 


—     135     — 

der  antiken  Geschichte,  noch  die  Parther  sind  (s.  schon  Iran  u. 
Turan  pag.  22),  die  ihrerseits  wieder  das  Conterfei  altpersischer 
Lebensart  waren.  Parther  und  Perser  waren  strenge  Sonnen- 
verehrer. Unter  dem  Schutze  Mithra's  marschirten  ihre  Heere 
nach  Curtius  III,  3,  8  (bei  Spiegel,  Eranische  Alterthskde,  Bd.  III, 
pag.  642).  Desshalb,  weil  man  dann  des  Schutzes  der  Gottheit 
des  hellen  Sonnen-  und  Tageslichtes  entbehrte,  vermieden  die 
Iranier  wo  inuner  mögUch  den  Kampf  zur  Nachtzeit.  So  erzählt 
uns  Quintus  Curtius  V,  12,  6  schon  von  den  Persem,  gegen 
welche  Alexander  der  Grosse  kämpfte:  Jamgue  nox  appetebat^ 
cum,  JPersae,  more  solito^  armis  positis,  ad  necessaria  ex  proximo 
vico  ferenda  disciirrunt.  Dasselbe  erzählt  denn  auch  Xenophon 
in  der  Anabasis  III,  4,  34  (ed.  Breitenbach  pag.  100)  von  den 
das  Heer  der  Zehntausend  verfolgenden  Persem  unter  Tissapher- 
nes.  Niemals,  so  berichtet  Xenophon,  hätten  die  Perser  weniger 
als  sechzig  Stadien  von  den  Griechen  entfernt  ihr  Lager  aufge- 
schlagen, aus  Furcht,  die  Griechen  möchten  sie  Nachis  über- 
fallen, denn  das  'persische  Heer  sei  zur  Nachtzeit  feige.  Den 
wirkhchen,  rein  religiösen  Grund  findet  zwar  Xenophon  nicht 
heraus,  sondern  er  sucht  denselben  in  der  zur  Nachtzeit  den 
persischen  Panzerreitem  erwachsenden  Schwierigkeit,  die  Pferde 
zu  besteigen.  Die  Stelle  lautet:  ovnozs  yäq  (xelov  ansorqazo- 
TtedevovTO  ol  ßccQßagoi  xov  '^EXlrivt/.ov  e^iy/covra  OTadliov,  q)0- 
ßov^ievoi,  [x^  tfig  vvxTog  ol  '^'EX^.r^vsg  eni^tüvzai  aizolg.  Tiovrj- 
Qov  yccQ  vv'/.zog  iariv  argdtsifia  üeqgixov.  ot  zs  yocg  Xnnoi 
avTöig  dedevzai  xal  log  snl  zb  noXv  nenodia^evoi  elai  zov 
^ri  qisvyuv  svexa  ei  /irj  Ivd^eir^aarj  sdv  ze  ztg  ^ÖQvßog  yiyvr^- 
zai,  del  emad^ai  zov  %7inov  Uigorj  dvdqL,  xal  xaXLVtoaai  det 
y.ai  d^cooa/.iod^ivza  dvaßrjvai  eni  zov  tnnov.  zavza  ds  ndvza 
XaXenu  vv/.ztüQ  /.ai  d-OQvßov  ovxog.  Wiederum  ein  halbes  Jahr- 
tausend später  berichtet  uns  von  der  Scheu  der  Parther  vor 
Nachtkämpfen  Plutarch  im  Leben  des  Crassus  cap.  XXIX  (ed. 
Sintenis  Vol.  II,  pag.  574).  Wie  Xenophon  mit  seinen  Griechen 
während   der  Nacht  vor  den  ihm  nachstellenden  Persern  unter 


—     136    — 

Tissaphernes  zu  entschlüpfen  sucht,  so  Crassus  mit  seinen  Römern 
vor  den  Parthern  unter  Audromachus:  ^E7cel  di  vvKzoftaxilv  ov 
TcatQiov  avTolg  (rolg  Jldgi^oig)  eoviv  ovöi  ^(^öiov,  i^f]€i  vvxtcoq 
o  KgaoGog,  oniog  (xr)  xa^aTeQtjaioai  noXv  zfj  diw^ei  OTQUtrj- 
ytov  o  ^vÖQOfiaxog  aXXoxe  ixXXag  bdovg  ixpr^yelto  xat  tikog 
s^aTQEXpBv  elg  tlrj  ßa&ea  Kai  xw(>/a  Tciq)Qwv  /.leoTCc  xriv  nogelav 
Xakenipf  xal  noXvukavij  yevojiisvTjv  rolg  STtianoiiivoig. 

Die  schon  im  Rigveda  zu  gespenstischen  Sonnen-  und  Wol- 
kendieben vermythologisirten  Panis,  die  reichen,  sich  aber  um 
die  ReUgionsanschauungen  der  sanskrit-arischen  Hirten  wenig 
bekümmernden  Kaufleute  werden  die  Nacht  zu  ihren  Karawaneu- 
zügen  gerade  desshalb  benutzt  haben,  um  vor  den  ihren  Gütern 
gierig  nachstellenden  Nomaden,  die  unter  der  Macht  ihres  Aber- 
glaubens standen,  nach  Möglichkeit  sicher  zu  sein.  Wo  grosser 
Handel  ist  —  und  das  war  in  der  Südostecke  des  Kaspischen 
Meeres  bis  ins  späte  Mittelalter  der  Fall  (s.  Iran  u.  Turan  pag. 
113)  —  da  ist  immer  auch  grosser  Reichthum  und  diesen  müssen 
die  Pani-/7a(>vo<  besessen  haben,  da,  nach  Rigv.  X,  108,  7  aus 
Stein  aufgeführte  Fondachi  {nidJdh  ädribudhnah)  mit  ihren 
Schätzen  {göbkir  ä^vebhir  vdsuhhir  nyi^h(ah)  gefüllt  waren.  Auf 
ihren  Karawanenzügen,  die  wir  etwa  denjenigen  der  Araber  im 
Innern  Afrikas,  z.  B.  den  nach  Elfenbein  trachtenden  Untemeh- 
mungszügen  Tippu  Tipps  oder  Stanleys,  wobei  denn  naturge- 
mäss  auch  die  Viehherden  mitgehen,  vergleichen  müssen,  holen 
die  Panis  zwar  Kaufmannsgüter  (vgl.  das  obige  vdsubhir),  allein 
nebenbei  werden  Ross  und  Rind  der  sanskrit-arischen  Hirten, 
deren  Gebiet  man  durchzieht  oder  berührt,  offenbar  auch  nicht 
verschmäht  (vgl.  das  obige  göbkir  u<jvebhir).  Ross  und  Rind  er- 
scheinen natürlich  dem  noch  naiven  Nomaden  als  die  Hauptsache 
und  werden  desshalb  in  obiger  Stelle  in  den  Vordergrimd  gestellt. 
Ich  glaube,  wir  müssen  die  Stellung  der  Pai^s  und  der  Sans- 
krit-Arier im  Spiegelbild,  d.  h.  gerade  umgekehrt,  betrachten. 
Geldner  und  Pischel  haben  in  der  Einleitung  zu  ihren  Vedischen 
Studien  darauf  hinge^viesen,  wie  sehr  die  Sucht,   Gold,  Rinder 


—     137    — 

und  Pferde  für  sich  zu  erwerben  „den  Reichen  auszubeuten" 
durch  den  ganzen  Rigveda  geht  (pag.  XXV).  Hirt  und  Räuber 
sind  in  Centralasien  von  der  Urzeit  bis  zur  Gegenwart  wohl 
ein  und  derselbe  Begriff  gewesen  und  geblieben.  Der  noch  naive 
Räuber  aber  sieht  in  allem  Reichthum  ausserhalb  seines  Stam- 
mes einen  unberechtigten  Besitz,  den  die  Eigenthümer  geizig 
genug  sind,  nicht  herauszugeben.  Und  so  möchte  ich  auch  das 
ständige  Attribut  der  Panis,  arddhds,  nicht  spendend,  geizig, 
z.  B.  Rigv.  VIII,  53,  2  oder  X,  60,  6,  nicht  auf  der  Panis  Nach- 
lässigkeit, den  Göttern  Opfer]  darzubringen,  beziehen,  sondern 
vom  Standpunkt  des  Hirten  und  Räubers  aus  in  dem  Sinne 
fassen,  dass  diese  reichen  Pfeffersäcke  dem  armen  Manne  nichts 
herausgeben,  wofür  sie  natürHch  dessen  ganzen  Hass  ernten 
werden  und  sich  auf  gelegenthche  UeberfäUe  gefasst  machen 
müssen,  die  der  Hirt  imd  Räuber  unter  dem  Beistand  Indras 
unternehmen  wird.  Da  aber  dieser  Hirt  und  Räuber  noch  unter 
der  ihn  streng  beherrschenden  Macht  abergläubischer  Motive 
steht  —  und  die  Furcht  vor  der  Nacht,  wo  Mithra  nicht  helfen 
kann,  ist  doch  wohl  so^gut  Aberglaube,  als  des  Ariovist  Furcht, 
den  Römern  am  Neumondstage  eine  Schlacht  zu  liefern  — ,  so 
benutzt  der  reiche  Kaufmann,  der  Pani,  der  über  solchen  Aber- 
glauben hinaus  ist,  diese  abei^läubische  Schwäche  des  ihn  be- 
drohenden Nomaden  und  zieht  mit  seiner  Karawane  zur  Nacht- 
zeit durch  dessen  Gebiet. 

Betrachten  wir  nunmehr  noch  die  geographische  Gesammt- 
situation,  aus  welcher  heraus  der  vorliegende  Vers  Rigv.  I,  184,  2 
gedichtet  worden  ist.  In  Iran  u.  Turan  pag.  73  hatte  ich  es 
wahrscheinlich  gemacht,  dass  die  Landschaft  EayoQfiia  des 
Stephanus  von  Byzanz,  eine  xeÖQOvriOog  naou  %fj  Kaanlce  ^a- 
Xdaorj-  to  idvr/.ov  ^ayccgiioi,  eins  und  dasselbe  sei  mit  den 
nach  Ptolemaeus  an  der  Südostseite  des  Kaspischen  Meeres 
wohnenden  ^ayaQavxai,  in  welchen  ich  rein  sanskrit- arische 
sagara-{-oka  „Meeranwohner",  erkannte.  Wenn  nun  Agastya 
selbst  =  ^ayccQTing  ist,   so  würden  wir  einen  werthvollen  An- 


—    138     — 

haltspunkt  ffir  die  geographische  Lage,  aus  welcher  heraus 
Agastya  seinen  Hymnus  gedichtet  hat,  besitzen.  Zu  demselben 
geographischen  Resultat  gelangen  wir  aber  auch  bei  der  Unter- 
suchung über  die  Himmelsgegend,  in  welcher  man  sich  die 
A^vinau,  an  welche  der  Hymnus  gerichtet  ist,  einheimisch 
dachte.  Weber  ist  in  seiner  Abhandlung  über  altiranische  Stem- 
namen  1888  vom  Standpunkt  der  historischen  Astronomie  aus 
zu  dem  Ergebniss  gelangt,  dass  das  Sternbild  der  Gemini,  die 
Agvinau  in  der  indischen  Astronomie,  die  agvini,  ßy  Arietis, 
nur  secundär  dieses  „viel  geringere  Sternbild"  bezeichnen  könne, 
dass  dasselbe  vielmehr  erst  mit  der  Wanderung  der  Sanskrit- 
Arier  aus  seiner  ursprünglich  viel  bedeutenderen  Stellung  zu 
dieser  Unbedeutendheit  herabgesunken  sein  könne.  (S.  die 
betreffende  Stelle  in  den  Monatsberichten  der  Berliner  Akademie, 
Gesammtsitzung  vom  12.  Jan.  1888,  pag.  15  und  16).  Nun  hat 
Weber  in  derselben  Abhandlung  pag.  11  nachgewiesen,  da.s8 
das  avestische  Sternbild  ^atavaega,  „hundert  Wohnungen  habend", 
das  als  steter  Genosse  des  Sternbilds  Tistrya,  des  Sirius,  bei 
der  Vertheilung  des  Wassers  über  alle  arischen  Länder,  geprie- 
sen wird,  sich  an  den  See  Vöurukasha,  das  Kaspische  Meer, 
knüpfe  und  zwar,  da  der  Tistar  Yasht  wahrscheinlich  in  Khwä- 
rizm  verfasst  worden  sei,  offenbar  an  die  Südostseite  des 
Kaspischen  Meeres.  Bezeichnete  vielleicht  ^atavaega  geradezu 
das  im  Alterthum  bis  zur  Eroberung  durch  die  Mongolen  äusserst 
dicht  bevölkerte  Land  Khwärizm?  Nach  dem  Bundehesh  (s.  Justi, 
Beitr.  zur  alten  Geogr.  Persiens  I,  9)  liegt  der  See  Pütih  auf 
der  Seite  (neben)  dem  Var  Satves  und  dieser  Var  Satves  hat 
flache  Ufer.  Diese  können  schlechterdings  nur  von  Khwärizm 
verstanden  werden.  Ich  möchte  alsdann  ein  Attribut  der  A^vi- 
nau  im  Atharvaveda  VH,  73,  1  auf  dieses  ^atavaega  beziehen. 
In  jener  Atharvanstelle  heissen  nämlich  die  A9vinau  merkwür- 
digerweise —  das  Wort  i.st  äna^  Xeyo^Bvov  —  ptwttdamdsaJi 
„viele  Häuser  besitzend": 


—     139     — 

vayäm  M  väni  puniddmdso  agoind 
hdvämahe  aadhamddeshu  kärävah  (| 

„Ayvinä,  die  ihr  viele  Häuser  besitzt,  wir  rufen  euch,  o  Sän- 
ger, bei  euern  Trinkgelagen  an." 

Ist  das  purudamdsah  des  Atharvaveda  die  sanskrit- arische 
Fassung  des  ^atavaega  des  Avesta?  In  diesem  Falle  würden 
dann  auch  die  im  Agastyahymnus  Rigv.  I,  184,  2  angerufenen 
Agvinau  ursprunglich  in  das  Gebiet  zwischen  dem  Südostufer 
des  Kaspischen  Meeres  und  des  Aralsees,  d.  h.  nach  Khwärizm, 
gehören. 

Wenn  wir  uns  schliesslich  fragen,  worin  denn  wohl  der 
Handel  der  Panis  bestanden  haben  möchte  und  was  unter 
ihren  idsuni,  Kaufmannsgütem,  zu  verstehen  sei,  so  müssen  wir 
uns  zunächst  die  Frage  vorlegen,  zu  welcher  Gattung  von  Handel 
dieser  Handel  der  Pani  gehört  habe.  Schon  in  Iran  u,  Turan 
pag.  113  habe  ich  nach  antiken  und  mitteralterlichen  Quellen 
gezeigt,  dass  der  in  den  Küstenstädten  Hyrcaniens  blühende 
Handel  Transithandel  war.  Nach  Strabon  XI,  7,  3  (ed.  Car. 
Müller  pag.  436,  52  ff.)  bewegte  sich  der  indische  Exporthandel 
nach  dem  Westen  den  Oxus  hinunter  ins  Kaspische  Meer  und 
von  dessen  Westküste  durch  Albanien  den  Strom  Cyrus  hinauf 
nach  der  Ostküste  des  Pontus  Euxinus:  q>r^al  Ö€  (^giOToßoilog) 
xai  ^TtXotv  [tbv  ^Q^ov]  uvai  {7(.tti  oixog  'Kai  'EQazoa^evijg 
naget  IlaTQOKkiovg  Xaßtov)  xai  TioXXa  zcöv  ^Ivöixwv  q)OQTicov 
xaraysiv  elg  zr-v  'Yq/mviuv  d^dXcmav,  evreid^ev  6*  elg  zi^v 
yiXßaviav  JTSQaiovod^ai,  -/.al  dia  zov  Kvoov  v.al  züv  f^fjg  z6- 
nwv  eig  zov  Ev§6ivov  y.azaqieQeo&ai.  Am  Ausmündungspunkte 
dieses  Handelsweges,  an  der  Ostküste  des  Pontus  Euxinus,  nah- 
men dann  nach  Strabon  die  an  der  Tana'is  zwischen  der  Mäotis 
und  dem  Kaspischen  Meere  sitzenden  Aorsen,  ein  finnisches 
Volk,  den  indischen,  zusammen  mit  dem  babylonischen  Transit- 
handel auf  Kameelen  wieder  auf  und  förderten  denselben  mit 
grossem  Gewinn,  wie  die  Pskni-TIdQvoi,  in  die  Waldwüsteneien 
des  fernen  europäischen  Ostens  und  Westens  weiter.     S.  die  be- 


—     140     — 

betreffende  Strabonstelle  in  meinem  ^Vom  Pontus  bis  zum  Indus" 
pag.  14.  Aber  aus  den  von  dem  Panis  aufgestapelten,  den  Oxus 
herunter  ihnen  zuströmenden  Handelsgütern,  den  vd»üni,  erhellt 
nun  erst  recht  die  oben  pag.  44  gewonnene  Bezeichnung  des 
Oxus  als   Vasor  dhdra  „der  Strom  der  Güter"  des  Mahäbhärata. 

Besorgten  die  Pani-JTö^vot  in  Hyrcanien  im  Transitwege 
den  indischen  Exporthandel  nach  dem  fernen  Westen,  so  konnten 
demnach  ihre  in  Stein  gebauten  Fondachi  {nidhih  adribudhnah) 
nur  indische  vasünt  aufstapeln.  Der  indische  Export  konnte 
aber  in  der  Urzeit  aus  nichts  anderm  bestehen,  als  in  der  Gegen- 
wart, abgesehen  etwa  von  den  im  Laufe  der  Jahrtausende  durch 
die  kunstgewerbliche  Technik  neuhinzugetretenen  Handelsgütern. 
Der  Hauptbestandtheil  des  indischen  und  malaisischen  Exports 
von  den  Sundainseln  und  den  Molukken  wird  bestanden  haben 
aus  Gewürzen,  Arzneipflanzen,  Edelsteinen  und  ceilonesischen 
Perlen.  Kam  vielleicht  auch  das  Metall  /MOOiTsgog  (vgl.  dar- 
über „Vom  Pontus  bis  zum  Indus"  pag.  15 — 17)  auf  diesem 
Wege  zur  Kenntniss  der  kleinasiatischeu  Griechen  Homers? 
Und  so  doch  wohl  auch  das  Elfenbein,  ebur,  dass  doch  schwer- 
lich getrennt  werden  kann  vom  sanskritischen,  schon  im  Rigveda 
vorkommenden  tbha,  der  Elephant,  von  welchem  indischen  Worte 
vielleicht  in  einer  Form  *ibhas,  das  lateinische  ganz  wie  eine 
sanskritische  Gunaform  *ebhas,  aussieht,  das  durch  iranische 
Vermittelung  zu  *ebas  werden  musste? 

Die  Kenntniss  von  diesen  kostbaren,  die  geizigen  Panis  so 
sehr  bereichernden  Handelsgütern  Indiens,  welche  die  noch  am 
Alburs  und  in  Hyrcanien  nomadisirenden  Sanskrit-Arier  von 
ihren  gehassten  Todfeinden,  die  den  Transit  dieser  Waaren  be- 
sorgten, empfangen  mussten,  war  gewiss  das  Hauptmotiv  ge- 
wesen, das  die  nach  Reichthum,  Gold  und  Gut  so  lüsternen 
Sanskrit- Arier  aus  der  zum  Theil  doch  sehr  armen  Hochfläche 
Centralasiens  mit  unwiderstehlichem  Heisshunger  hinüber  trieb 
zur  Eroberung  des  Goldlandes  im  Osten,  einem  Heisshunger, 
der  gewiss  nicht  geringer  war,   als  ein  Jahrtausend  später  bei 


—     141    — 

den  Macedoniem  Alexanders  des  Grossen  oder  wieder  ein  Jahr- 
tausend später  bei  den  Persem  des  Sultans  Mahmud  von  Ghazna 
oder  bei  den  farchterhchen  Mordbanden  der  Mongolenkhane, 
von  den  Oesta  dei  per  Francos  der  europäischen  Culturvölker 
der  Neuzeit  zu  geschweigen. 


10.  Der  Tnrva^ahymniis  des  Va(ja  A^yya. 

Rigv.  Vm,  46,  21-33. 

Schon  in  Iran  und  Turan  pag.  153  habe  ich  darauf  auf- 
merksam gemacht,  dass  der  erste  Theil  der  Dänastuti  des  Ya^a 
A9vya,  v.  1 — 21,  nur  als  später  angefügtes  Präludium  zu  dem 
eigentlichen  Danklied  v.  21 — 33  zu  betrachten  und  der  Dichter 
als  Turva9a  aufzufassen  sei.  Da  dieser  erste  Theü  für  uns  ohne 
Belaug  ist,  so  lasse  ich  denselben  hier  auch  vollends  weg  und 
gebe  zunächst  nach  Aufrechts  zweiter  Rigveda-Ausgabe  meine 
Uebersetzung  des  zweiten  Theüs,  der  eigentlichen  Dänastuti. 

21.  „Herbei  möge  kommen,  der,  ohne  an  Götter  zu  glauben, 
ein  so  gewaltiges  Geschenk  empfangen  hat,  wie  es  nur  Va^a 
A^vya  bei  Prithu9ravas,  dem  Sohne  des  Kanita,  diesen  Morgen 
empfangen  hat. 

22.  Sechzig  Tausend,  ja  eine  Myriade  von  Rossen,  an  Ka- 
meelen zwanzig  Hundert^  zehn  Hundert  schwai-zer,  zehn  (Hun- 
dert) dreifachrothgefleckter,  kurzum  zehn  Tausend  Kühe. 

23.  Zehn  schwarze  lauftüchtige  Renner  mit  geflochtenem 
Schweife   setzten  den  Radkranz  in  quirlende  Bewegung. 

24.  Die  Geschenke  des  Prithu^ravas,  des  Sohnes  des  Kanita, 
des  reichlich  Spendenden  (sind  diese):  einen  Wagen,  einen  gol- 
denen, hat  er  geschenkt,  sehr  freigebig  war  der  Opferherr,  er 
hat  sich  den  höchsten  Ruhm  erworben. 

25.  Komme  zu  uns,  Väyu,  auf  lange  Dauer,  dem  Helden 
zum  Glänze,  denn  wir  haben  dir  ein  LobHed  zubereitet,  dir  dem 
mächtig  Schenkenden,  dem  auf  Einmal  Grosses  Schenkenden. 


—     142     — 

26.  Der  da  mit  Rossen  einherfährt,  er  kleidet  sich  in  die 
Morgenröthe,  dreimal  sieben  mal  siebzig,  durch  diese  Somatränke, 
durch  die  Somapresser,  o  du  Somatrinker,  fühlst  du  dich  zum 
Schenken  geneigt,  du  Trinker  von  hell  geklärtem  Soma, 

27.  Er,  der  gerade  diesen,  den  PrithuQravas,  geneigt  machte, 
mir  aus  freiem  Ermesen  den  Glänzenden  (Wagen)  zu  schenken, 
(dazu)  silberne  "Wageuachsen  (?)  beim  Nahusha,  dem  Frommen, 
(diese  mir  zu  schenken)  dem  Frömmeren,  er  der  Weise. 

28.  Und  (ebenso)  hat  mir  der  Selbstherrscher,  o  Väyu,  er, 
der  von  preiswürdiger  Schönheit  ist,  er  der  im  Fett  schwimmt, 
(geschenkt)  einen  Zug  der  von  Rossen  gezogen  wird,  einen  von 
Antilopen  gezogenen  und  einen  von  Hunden  gezogenen,  das  ist 
dieses,  ja  das. 

29.  Sodann  habe  ich  —  dem  Rüstigen  ein  liebes  (Ge- 
schenk) —  sechzig  Tausend  Rosse  und  Stiere  zum  Geschenk 
erhalten. 

30.  Wie  Kühe  zur  Herde,  so  kommen  zu  mir  die  ver- 
schnittenen Stiere,  ja,  kommen  zu  mir  die  verschnittenen  Stiere. 

31.  Und  bei  den  Caratha  hat  er  (mir)  ein  Hundert  von 
Kameelen  zubrüllen  gemacht  und  bei  den  Qvitna  zwanzig 
Hundert. 

32.  Hundert  Sklaven  hat  der  Dichter  bei  Balbütha  imd  bei 
dem  Türken  empfangen,  (wir),  diese  Leute  freuen  sich  deiner, 
o  Väyu,  die  wir  Indra  und  die  Götter  zu  Schutzherrn  haben. 

33.  Und  nun  wird  auch  diese  Jungfrau,  die  herrhche,  über 
und  über  mit  Goldschmuck  behangen,  dem  Va^a  A^vya  als  Ge- 
schenk zugeführt.'' 

Diese  Dänastuti  ist  eine  der  räthselvoUsten  und  zugleich 
reichhaltigsten  Hymnen  des  Rigveda.  Wenige  andere  Lieder 
der  grossen  Anthologie  vedisoher  Dichtkunst  werden  uns  ftir 
die  Culturgeschichte  imd  Sprache  der  brahmaniscben  Vorinder 
auf  dem  Plateau  von  Iran  reichere  Ausbeute  gewähren.  Denn 
dass  es  sich  in  diesem  Lobhed  auf  Pj-ithu^ravas,  der  in  Strophe 
27  Nahtts  heisat,  um  den  Grossherm  der  Parther  handle,  geht 


—     143    — 

schon  aus  dem  hervor,  was  ich  in  Iran  und  Turan,  pag.  48 — 49 
über  den  Nahiis  erschlossen  habe. 

Bevor  wir  uns  aber  an  die  Aufhellung  der  culturhistorischen 
Angaben  dieses  Hynmus  begeben,  wird  es  nothwendig  sein,  aus 
rein  sprachlichen  Elementen  den  iranischen  Charakter  desselben 
nachzuweisen.  An  eine  Erschöpfimg  des  Materials  nach  dieser 
Richtung  hin  kann  aber  ebensowenig  gedacht  werden,  wie  bei 
den  nachfolgenden  Bemerkungen  über  die  culturhistorischen 
Thatsachen  des  Lobliedes.  Jeder  wird  von  seinem  Standpunkt 
aus  geben,  was  er  hat  und  mit  grösstem  Danke  die  Belehrungen 
entgegennehmen,  welche  andere,  noch  weiter  Blickende,  auf 
Grundlage  noch  reicheren  Materials  von  neuen  Gesichtspunkten 
aus  werden  geben  können. 

Zunächst  muss  aufmerksam  gemacht  werden  auf  die  rein 
zendischen  Declinationserscheinungen.  Die  Flexion  des  Yerbums 
hält  sich  durchaus  innerhalb  der  Schranken  des  Sanskrit,  wobei 
wir  freilich  zugeben  müssen,  dass  wir  ja  nicht  wissen  können, 
in  welchem  Grade  der  Sanskritisirungsprocess  der  Vedensammler 
oder  der  ihnen  vorangegangenen  Tradition  diesen,  ursprünglich 
gewiss  ganz  anders  als  in  unserm  Text  lautenden  Hymnus  um- 
gestaltet hat. 

Eine  reine  Zendform  ist  z.  B.  in  Strophe  32  die  Form  dä^e 
im  Sinne  eines  Accus.  Plur.  für  dasän.,  was  schon  Roth  im 
Petersburger  Sanskritwb.,  Bd.  III  (1861),  pag.  604  an  die  Stelle 
setzen  wollte.  Mit  Unrecht,  denn  wir  haben  es  eben  in  unserm 
Dichter  mit  einem  Manne  zu  thun,  der  entweder  das  Sanskrit 
noch  nicht  vollständig  beherrschte  oder  aber  aus  dem  Sprach- 
gefühl eines  Stammes  herausdichtete,  in  welchem  sich  Sanskrit- 
und  Zendelemente  vermischten.  Denn  Accusative  Plur.  auf  e, 
von  Masculinen  auf  a,  kennt  das  Zend  als  etwas  gar  nichts  Un- 
gewöhnliches, vgL  z.  B.  za^tS  (skt.  hasfdn),  Hände,  Yt.  13,  147; 
ya^ke,  Krankheiten,  Vendid.  22,  6  und  solche  auf  es  z.  B.  aciecca, 
Knochen,  Yt.  10,  72;  daeveg<M  (skt.  devängca)  Yt.  11,  6.  S.  Justi, 
Zendwörterb.  pag.  387. 


—     144     — 

In  V.  32  muss  der  Name  Balbüthe  metri  causa  Balbüthac 
gelesen  werden,  ein  loc.  sing.,  der  vollständig  dem  zendischen 
agpaiga  entspricht.    (Oder  ist  semitisch  zu  lesen  Baaldüthe?) 

lieber  die  nur  aus  dem  Zend  zu  erklärende  Form  Kdnitd, 
Strophe  21,  für  skt.  khanitar,  s.  weiter  unten  pag.  145 — 148. 

Den  Prithugravas  haben  wir  schon  oben  als  Partherfürsten 
{Frtthu-gravas  „der  Ruhm  der  Parther"  wie  zugleich  „ausgedehn- 
ten Ruhm  besitzend")  kennen  gelernt.  Er  heisst  nach  dem 
Paucavinya-Brahmaria  (Petersburger  Sktwb.  Bd.  IV,  pag.  865) 
auch  Ndga  und  wird  demnach  von  genanntem  Wörterbuch  als 
, Schlangendämon"  gefasst.  Da  er  aber  nach  Str.  27  unserer 
Dänastuti  Nahusha  ist,  so  wird  er,  nach  dem  oben  und  in  Iran 
u.  Turan  pag.  49  und  227  Bemerkten  auch  sprachlich  mit  dem 
Nahusha^  Nahus,  Naicxda  identisch  sein  und  die  Sage  des  Epos, 
König  Nahusha  sei  von  Agastya  verflucht  worden,  zehntausend 
Jahre  auf  der  Erde  als  Schlange  {ndga)  zu  leben,  ergiebt  sich 
als  eine  volksetymologische  Deutung  des  Namens  Nahusha, 
dessen  Zusammenhang  mit  ndga  der  Tradition  noch  verschwom- 
men vorschwebte.  Dieser  Prithu^ravas  erscheint  nun  im  Vish^u- 
puräna  (s.  die  SteUe  in  Iran  u.  Turan  pag.  HO)  als  Sohn  des 
^a^ahindu  oder  ^agavindu^  der  (da  (jagavindu  „Hasentropfen" 
ein  Unsinn)  zweifellos  rein  iranische  Suffixbildung  verräth  und 
als  *pafavanto  =  ^agavant,  hasenreich,  erklärt  werden  muss. 
Dieser  ist  Sohn  des  Citraratha^  dieser  Sohn  des  Rushadgu 
(offenbar  ==  rugad-gu^  leuchtende  Kühe  habend),  dieser  ist  Sohn 
des  Svdhi,  dieser  ist  Sohn  des  Vrijinivat,  den  ich  schon  in  Iran 
u.  Turan  a.  a.  0.  als  Vertreter  der  vedischen  Vrtcivant=  Var- 
cin  =  Vrilca,  d.  h.  als  Hyrcanier  erkannt  habe,  dieser  ist  wieder 
Sohn  des  Yadu,  also  des  Vertreters  der  Turva^a-  Yad%i,  des  die 
Hegemonie  übenden  Fünfvölkerbundes  des  Rigveda,  und  wenn 
Yadu  selbst  wieder  Sohn  des  Krosh(u  (Schakal)  heisst,  so  stimmt 
dies  zu  der  turkotatarischen  Heldensage,  nach  welcher  alle  Völker 
dieser  Race  von  einer  Hündin  abstammen.  S.  Vambery  a.  a.  0.  Dass 
(^Jagaündu,  Qagavindu  ursprünglich  =  ^kiQavant  ist,  geht  hervor 


—     145     — 

aus  dem  von  Weber  lud,  Stud.  Bd.  I,  pag.  276  aus  Anquetil  du 
Perrons  Schriften  angeführten  Namen  einer  Upanishad  Sckasck- 
band,  die  Weber  auf  skt.  ^agavindit  zurückführt.  Nach  der 
indischen  Heldensage  gehört  also  Prithu^ravas,  nach  Hyrcanien, 
ins  Land  der  Tiurva^a-Yadu,  d.  h.  ins  Partherland,  wohin  uns 
schon  sein  Name  „Parther-Ruhm"'  und  seine  Herrscherwürde 
als  Nahus,  Ndga  gefuhrt  hatte.  Diese  Pai-ther  waren,  wie  die 
Genealogie  der  indischen  Heldensage  beweist,  ursprünglich  Tu- 
ranier  gewesen,  die  allmählig  arisirt  und  dann  brahmanisirt 
worden  waren.  So  löst  sich  Spiegels  Zweifel  (Eranische 
Alterthskde,  Bd.  III,  pag.  548),  ob  die  Parther  Iranier  oder  Tu- 
ranier  waren. 

Untersuchen  wir  nunmehr  den  Beinamen  dieses  Parther- 
fürsten, der  nach  Strophe  28  Selbstherrscher,  svaräj,  war,  wie 
sich  denn  noch  die  Arsaciden  aiToy.QcczcoQ  nannten.  Prithu9ra- 
vas  heisst  Kdmtd,  nach  Säyana  Sohn  des  Kanita.  Aber  was 
ist  Kanita'^  Jedenfalls  haben  wir  es  nicht,  wie  Zimmer,  Altin- 
disches Leben  pag.  .334  will,  mit  einem  kdmna,  einem  „Jungfem- 
sohn'  zu  thun.  Sondern,  da  Prithu9ravas  ein  Parther,  also  ein 
Iranier  ist,  so  müssen  wir  den  Namen  auf  seine  iranische 
Lautgestaltung  hin  untersuchen.  Dann  aber  ergiebt  sich  für 
kanita  die  regelrechte  Sanskritform  Tchanitar,  khanitri,  insofern 
im  Zeud  für  das  Suffix  nom.  agentis  tar,  tri,  sehr  häufig  das 
der  Bedeutung  entsprechende  Suffix  ta  gebraucht  wird,  vgL  data, 
der  Geber,  für  skt.  ddtar,  ddtri,  ferner  ciqta,  der  Lehrer,  wofür 
im  Huzväxesh  casMtar^  bereta,  der  Träger,  woneben  auch  im 
Zend  das  gleichbedeutende  beretar  und  baretar.  Noch  viele 
andere  dergleichen  Zendbüdungen  auf  ta  für  tar  s.  bei  Justi, 
Zendwb.,  pag.  371,  §  212.  Zum  Ueberfluss  kommt  die  für  ka- 
nita, Kanalgräber,  vorauszusetzende  Sanskritform  khanitar,  khd- 
lutri,  im  Rigveda  wirklich  vor  X,  97,  20,  wo  sogar  khanUaa 
für  das  geschriebene  klianitd  zu  lesen  ist: 
mä  vo  rishat  khÄnitaa 

ydsmai  cdhdm  khdndmi  vah  || 
Brnnnhofer,  Vom  Aral  bis  zur  Gangä.  10 


—     146    — 

„Möge  euch  der  Gräber  nicht  verletzen,  für  welchen  ich 
euch  ausgrabe." 

Es  handelt  sich  hier  um  das  Ausgraben  von  Heilkräutern, 
was  aber  für  die  Wortform  und  Bedeutung  gleichgültig  ist, 
denn  daneben  kommen  Rigv.  VIT,  49,  2  neben  den  dpah  divydh, 
dem  Regen wasser,  und  neben  den  äpah  svayainjdh,  den  Quellen, 
Bächen  und  Flüssen,  auch  äpdh  hhanitrimd  vor,  Kanalgewässer, 
wie  denn  das  lateinische  can-ali-s,  Graben,  Rinne,  Kanal,  selbst 
nur  von  dieser  Wurzel  hJian,  graben,  herstammt.  Der  Name 
KanUa  war  also  ein  Ehrenname,  denn  nichts  wird  von  Zara- 
thustra  eindringlicher  empfohlen,  als  die  Förderung  des  Acker- 
baues durch  Hebung  der  Bewässerung.  Im  Vendidad  HI,  11 
(Spiegel,  Avesta-Uebers.,  Bd.  I,  pag.  79)  fragt  Zarathustra 
den  Ahura  Mazda  „Schöpfer  der  mit  Körper  begabten  Welten, 
reiner!  Was  ist  zum  dritten  dieser  Erde  am  angenehmsten? 
Darauf  entgegnete  Ahura  Mazda:  . . .  Wo  man  trockenes  Land 
bewässert,  oder  feuchtem  Lai)de  das  Wasser  benimmt." 

Wenn  wir  uns  nun  die  geographische  Situation  überlegen, 
in  welcher  dieser  Ehrenname  „der  Kanalgräber"  von  einem 
parthischen  Fürsten  der  Urzeit  erworben  werden  konnte,  so 
müssen  wir  uns  vor  allem  aus  der  Thatsache  erinnern,  dass 
die  Anlage  eines  ausgedehnten  Kanalisationssystems  immer 
nur  in  Ebenen  möglich  ist.  Hyrkanien,  das  ohnediess  durch 
die  reichen  Niederschläge  an  den  Nordabhängen  der  Alburs- 
kette reichlich  bewässert  war,  kann  also  für  einen  Kanalisator 
kein  Feld  der  Thätigkeit  geboten  haben,  ebenso  wenig  das  Hoch- 
land von  Taberistan,  das  allerdings  an  Trockenheit  leidet,  aber 
in  Folge  seines  gebirgigen,  wenigstens  hügeligen  Terrains  jeder 
ausgedehnteren  Kanalisation  widerstrebt.  Dagegen  mussten  die 
grossen  Ebenen  um  Merw  und  weiter  hinauf,  wenn  diese  Land- 
striche zum  parthischen  Reiche  der  Urzeit  gehörten,  die  Oasen 
rechts  und  links  vom  alten  Oxus  reiche  Gelegenheit  bieten,  die 
Wassermassen  des  Ochus  und  Oxus  zur  Bewässerung  zu  ver- 
wenden.    Dies  ist  denn  auch  in  der  Urzeit  schon    geschehen. 


—     147     — 

Von  Merw  bemerkt  Spiegel  in  seiner  Eranischen  Alterthumskde. 
Bd.  U,  pag.  50:  „Merw  (ist)  die  bedeutendste  Stadt  an  den  Ufern 
des  Murghäb  (Ochus)  und  auch  die  älteste  ....  Sie  wurde 
offenbar  gegründet  wegen  der  Fruchtbarkeit  der  Umgegend, 
die  blos  bewässert  zu  werden  braucht,  um  in  üppigster  FüUe 
imd  ohne  weitere  Beihülfe  Alles  gedeihen  zu  machen."  Und 
so  auch  Ritter,  Asien,  Bd.  VIII,  pag.  230 — 231.  „Die  blosse 
Bewässerung  des  Bodens  ist  hier  (im  Murghäbthale  bei  Merw) 
auch  ohne  Dünger  hinreichend  zu  seiner  Befruchtung;  das  Korn 
Dschawari  (sonst  Durra  genannt,  Holcus  sorghum)  erhält  hier 
Halme  bis  zur  Dicke  eines  Stockes.  Der  fruchtbare  Boden  ge- 
stattet hier,  am  Rande  der  Wüste,  die  Zucht  zahlreicher  Kameel- 
herden."  Und  dasselbe  gilt  von  Chiwa.  „Die  heutige  Oase  Chiwa 
ist  ein  äusserst  fruchtbares  Land,  da  sie  von  einem  Netz  von 
Kanälen  aus  dem  Oxus  nach  allen  Richtungen  durchschnitten  ist, 
in  älterer  Zeit  und  noch  im  Mittelalter  war  ein  grosser  Theil 
der  jetzigen  Wüste  zwischen  Chiwa  und  dem  Atrek  ein  bevöl- 
kertes Land  nrit  grossen  Städten."  Nun  hat  Albiruni,  wie  Justi, 
Gesch.  d.  alt.  Persiens,  pag.  19,  vorstehende  Bemerkung  einleitet, 
eine  Notiz  aufbewahrt,  dass  Kai  Chosru  Chorasmien  Huvarazmija 
der  persischen  Keilinschrifken,  das  heutige  Chiwa)  erobert  und 
daselbst  die  Dynastie  der  Schahija  gegründet  habe.  Dieser  Kai 
Chosru  ist  aber  der  Kava  Hugrava  des  Avesta,  hoch  gepriesen 
als  der  ..männliche  Vereiniger  der  arischen  Gebiet«  zu  einem 
Reiche"*  und  zugleich  als  Günstling  der  Ardvi9üra  Anähita,  der 
eigentlichen  Göttin  der  Bewässerung  und  der  Kanalisation,  von 
welcher  er  die  Gnade  erhält,  ohne  Krankheit  und  ohne  Tod  zu 
leben.  S.  Duncker,  Geschichte  der  Arier,  Bd.  IP,  pag.  462. 
Wie  nun,  wenn  zwischen  dem  Kanita  oder  gar  Prithugravas 
Kämta  und  diesem  mythisch-historischen  Günstling  der  Ardvi- 
9ura  Anähita  ein  historisch  realer  Zusammenhang  waltete?  Vgl. 
über  die  Ardviyüra  Anähita  noch  die  zusammenhängenden  Dar- 
stellungen von  Spiegel,  Eranische  Alterthskde,  Bd.  II,  pag.  51 — 66. 
Duncker,  Gesch.  d.  Arier,  Bd.  II,  pag.  446 — 447. 

10* 


—    148    — 

Leider  lässt  uns  der  Rigveda  mit  näheren  Nachrichten  über 
Pyithu9ravas  im  Stich.  Nur  an  einer  Stelle,  im  Mandala  I, 
116,  21  wird  derselbe  noch  einmal  erwähnt  und  zwar  wieder 
mit  Va^a,  im  Kampfe  gegen  die  unheilvollen  Unholde: 

Skasyä  vdstor  ävatam  rdndya 
Vagam  Agvinä  sandye  sahäsra  \ 
nir  ahatam  duchünä  tndravantä 
Prühugrdvaso  in-ishandv  drätili  || 

„An  einem  Morgen  halfen  die  Agvinä  dem  Va^a  zu  seiner 
Lust  tausende  (von  Geschenken)  zu  empfangen,  die  beiden  Stiere 
(die  gewaltigen  A9vin),  in  Gemeinschaft  mit  Indra,  schlugen  die 
unheilvollen  Widersacher  des  Pi'ithu9ravas  nieder." 

Hier  finden  wir  Prithu^ravas  im  Kampfe  gegen  nicht-arische, 
unbrahmanische,  ungläubige  Feinde,  welche  nach  der  geographi- 
schen Situation  des  Reiches  des  Prithuyravas,  nur  Turanier  sein 
können.  Und  so  auch  kämpft,  im  Avesta  Kava  Huyrava  gegen 
die  Feinde  L-ans,  gegen  die  Turanier  und  deren  Herrscher,  den 
verderblichen  Franghra9yan ,  ein  Kampf,  den  dann  Firdusi  in 
seinem  Schähnäme  in  den  Sagen  von  Kai  Khosru  und  seinen 
Kriegen  mit  Afrasiäb  episch  ausgeführt  hat.  Vgl.  über  diesen 
Kampf  insbesondere  Spiegel,  Eranische  Alterthskde,  Bd.  I,  pag. 
607 — 664.  Vgl.  auch  Duncker,  Gesch.  d.  Arier^,  pag.  462. 
Schon  Spiegel  hat  a.  a.  0.,  pag.  661  darauf  aufmerksam  gemacht, 
wie  der  von  der  persischen  Heldensage  geschilderte  Kampf 
zwischen  Iran  und  Turan  unter  Kaikhosrav  aus  einem  frülier 
rein  politischen  in  einen  rein  religiösen  umschlägt:  „Der  Gegen- 
satz zwischen  Erän  und  Turän  wird  ein  rein  religiöser,  was  er 
früher  nicht  war."  Und  so  sehen  wir  auch  in  der  obigen  Rig- 
vedastelle,  der  einzigen,  in  welcher  von  einem  Kampfe  des  Pyi- 
thu9ravas  die  Rede  ist,  den  Krieg  gegen  die  Feinde  als  gegen 
dem  Brahmanenthum  feindliche  Dämonen  geführt.  Und  wie  im 
persischen  Epos  Kaikhosrav  selbst  hulbturanischer  Abkunft  ist. 


—     149     — 

als  Sohn  nämlich  des  Iranierfürsten  Siävaksh  und  der  Feringis, 
der  Tochter  des  Turanierkönigs  Afrasiäb,  so  ist,  wie  Ludwig 
(Rigvedawerk,  Bd.  III,  pag.  148)  erkannt  hat,  Su9ravas  =  Tur- 
vayä^a,  welcher  Name  deutlich  genug  den  ursprünglichen  Ab- 
kömmling eines  Turaniers  anzeigt.  So  aber  auch  ist  Prithu^ra- 
vas,  wenn  er  von  Vrijinivat,  d.  h.  vedisch,  Vridvat,  einem  Bei- 
namen der  Turva9a  (s.  Zimmer,  Altind.  Leben  pag.  124)  und 
Yadu  stammt  (s.  oben  pag.  98),  von  Abkunft  seines  Geschlechtes 
ebenfalls  nur  arisirter  Turanier. 

Des  Prithu9ravas  Sänger,  der  auch  wirklich  seines  gross- 
herrlichen Gönners  Angedenken  auf  die  Nachwelt  gebracht  hat, 
ist  Vaca  Agiya.  Seine  Dänastuti  VIII,  46  giebt  uns  über  ihn 
selbst  wenig  Aufschluss.  Doch  wird  sein  Name  an  verschiedenen 
Stellen  des  Rigveda  mit  andern  Persönlichkeiten  zusammen  er- 
wähnt, denen  die  A^vinä  HüKe  geleistet  hatten,  wobei  aber  überall, 
ausser  in  dem  Hymnus  des  Ängirasa  Kutsa  I,  112,  10  nur  Vaea 
als  Name  erscheint.  Dagegen  erhält  dann  dieser  Va^  an  meh- 
reren Stellen  Epitheta  omantia,  die  für  die  Aufhellung  seiner 
Persönlichkeit  von  grossem  Werth  sind.  Er  wird  nämlich 
Rigv.  VIU,  8,  20  genannt  dd^avraja  und  so  auch  Välakhilya  II,  9. 
Dieser  Name  bezeichnet  aber  einen,  der  zehn  Ställe  hat. 
Der  Mann  war  also  ein  grosser  Pferdehändler,  daher  sein  Bei- 
name Agvya,  daher  aber  auch  seine  Verehrung  für  die  Acviiiä, 
die  zweifellos  die  besondem  Schutzgottheiten  der  agva,  der 
Pferde,  waren.  Daher  aber  auch  des  Va^a  Verehrung  für  die 
Gottheit  des  Väyu,  der  Luft,  des  Windes,  die,  gleich  der  zoro- 
astrischen  Gottheit  Vayu,  insbesondere  wegen  ihrer  Schnelligkeit 
und  Stärke  angerufen  wird  und  auf  glänzendem  Wagen  mit 
leuchtenden  Pferden  einherfährt  (Rigv.  I,  134,  3:  Väyür  yunkte 
rohitd  Väyür  aruna  Väyü  ruthe  ajird  dkuri  voUiave;  Rigv.  I, 
23,  2  sind  Indra-Väyu  , gedankenschnell"  manojüvä),  gerade 
wie  der  iranische  Vayu  auf  goldenen  Wagen  mit  goldenen 
Rädern  fährt.  S.  Spiegel,  Eranische  Alterthskde,  Bd.  11,  pag. 
101—104.      lieber  den   iranischen   Vavu   s.    insbesondere  auch 


—     150     — 

Duncker,  Gesch.  der  Arier  2,  pag.  444.  Ziehen  wir  nun  in  Be- 
tracht, dass  Prithu^ravas  seiner  Abkunft  nach  aus  den  vereinigten 
Stämmen  der  Turva^a-Yadu  hervorgegangen  ist  (s,  oben  pag.  144), 
so  wird  wohl  der  Schluss  berechtigt  sein,  dass  der  Rosskamm 
(agvya)  Vaga  mit  den  ohnediess  berühmten  Tw/'^afa-Pferden 
handelte,  die,  worauf  zuerst  Weber  in  den  Ind.  Stud.,  Bd.  I, 
pag.  220  aufmerksam  gemacht  hat,  den  Pancäla  dienten.  Da.s 
(^at.  Brähm.  XIII,  5,  4,  16  (ed.  Weber  pag.  995)  hat  darüber 
folgende  wichtige  Stelle:  trayastringdstomena  Qönah  Säträsähd 
ije  Päncdlo  rajd  täd  etad  gdtliaydbMgitam: 

sdtrdsdhe  yajamdne  ^gvamedhena  Taurvagdh  \ 
■ddirate  trayastrii'igdh  shd(  sahdsrdm  vannindm  ifi 

„Mit  dem  33  stolligen  Loblied  opferte  Qona  Säträsäha, 
König  der  Paucäla,  dieses  wird  durch  ein  altes  Volkslied  besun- 
gen: Als  Säträsäha  das  A^vamedha  (das  Pferdeopfer)  opferte, 
machten  sich  6033  Turva^arosse  von  Panzerreitern  auf  die  Beine." 
Der  Commentator  zu  dieser  Stelle  giebt  (pag.  1016)  nur  an: 
TaurvagdJ},  agvdh  \  varmijidm  rdjajputrdndm  havacmdm 
agvai)dldndm.  Wenn  hier  rdjaputra  seinen  ursprünglichen  Sinn 
„Königssohn,  Prinz"  und  nicht  den  von  „Radschpute"  hat,  so 
waren  es  offenbar  sehr  edle  Pferde.  Die  Zahl  6033  ist  offenbar 
eine  symbolische,  auf  die  Heiligkeit  der  Dreizahl  gegründete 
Zahl  und  braucht  ebenso  wenig  buchstäblich  genommen  zu 
werden,  als  die  Zahl  der  dem  Rosskamm  Va^a-Agvya  von  König 
Prithu9ravas  geschenkten  Pferde,  wie  wir  gleich  sehen  werden. 
Dagegen  wird  uns  gleichwohl  sofort  die  Frage  beschäftigen,  wo 
denn  diese,  unter  dem  Schleier  symbolischer  Zahlen  aufgeftihrten 
Rossherden  ihre  Weide  fanden.  Zunächst  aber  müssen  im  An- 
schluss  an  diese  TaMrrafa- Rosse  noch  andere  Fragen  und  Zu- 
sammenhänge erörtert  werden. 

Wenn  nämlich  des  Rosskamms  Va9a  A9vya  Schutzherr, 
König  der  Parther,  von  Hause  aus  ursprünglich  ein  Turva^a- 
Yadu  war,  so  wird  wohl  sein  Sänger,  der  mit  Turva^a-Rossen 


—     151     — 

handelte,  der  ohuediess  Vcuja-Äcüya  hiess,  wohl  kaum  andern 
Ursprungs  gewesen  sein,  als  sein  gefeierter  König  selbst.  Wenn 
dies  zutrifft,  so  wird  dann  sein  Name  Vciga  kaum  etwas  anderes 
als  die  Kurzform  und  das  Hypokoristicon  von  Turvaca  sein. 
Diese  Vermuthung  gewinnt  um  so  mehr  Boden,  als  das  Aita- 
reya-Brahmana  ein  zu  den  Kuru-Paücäla  in  nächster  Verbindung 
stehendes  Volk,  Namens  Vaga  kennt.  Die  Stelle  VHI,  14  (ed. 
Aufrecht  pag.  223)  lautet:  tasmäd  asyäm  dhruväyam  viadhya- 
mäyäm  pvatCsh(häyäm  digi  ye  keca  Kurupancäldndm  rdjdnah 
sa  Vagoginardnäm  rdjydyaiva  te  ^hhishicyante,  rdjety  etdn  abhi- 
shiktdn  dcakshata  e(dm  eva  devdndm  vihitim  anv  „Hoch  im  Norden 
im  Lande  der  Mitte  (in  Medien?)  werden  die  Konige  der  iLM/7<-Pan- 
cdla  zugleich  auch  zur  Königswtirde  über  die  Vaga  und  Uginara 
geweiht,  „König",  so  nennen  sie  die  geweihten,  so  geschieht 
es  nach  der  Satzung  der  Brahmanen."  Ueber  die  ursprünglich 
an  den  Südabhängen  des  Koqwvov,  d.  h.  des  Kuründm-Gi^vcgQSi, 
des  Demävend  sitzenden  Kuru  und  ihre  Bundesgenossen,  die 
Paucäla- //av^mAalot  s.  mein  Iran  u.  Turan  pag.  103  imd  Vom 
Pontus  bis  zum  Indus  pag.  37.  Ueber  die  Uginara  hatte  ich 
in  Iran  u.  Turan  pag.  83  die  Vermuthung  geäussert,  sie  hiengen 
bezüglich  ihres  Namens  zusammen  mit  dem  Namen  der  beiden 
Berge  Ushi-daö  und  Ushi-darena  des  Avesta,  die  in  Sejestan 
liegen  sollen.  Ist  aber  dieser  Ushiddo  nach  Windischmann, 
Zoroastr.  Stud.  identisch  mit  dem  Berg  Hocinduin  des  Bunde- 
hesh,  der  aber  im  Avesta  selbst  Hindva  heisst,  so  wären  wir 
mit  diesem  Berg  Hi'ndva,  dem  , Indischen  Berg",  wiederum  am 
Demävend  (s.  mein  Iran  u.  Turan  pag.  9),  wo  demnach  die 
Uginara  zusammen  mit  den  Kurtu-Pancäla  und  den  (Turvaca) 
Vaga  zusammen  wohnten.  Zweifellos  aber  waren  sie  nach  der 
oben  citirten  Stelle  des  Aitareya-Brähmana  nicht  Turanier,  wie 
ich  in  Iran  u.  Turan  pag.  83  vermuthet  hatte,  sondern  gehörten 
dem  Brahmanismus  an,  es  wäre  denn,  dass,  wenn  die  Eu^eni- 
Usün,  wie  ich  an  der  eben  angeführten  Stelle  ausgesprochen, 
mit  den  Uginara  zusammenhiengen,  diese  von  Norden  herunter 


—     152    — 

mit  den  Turva9a-Yadu  erobernd  in  Iran  eingebrochen  und  mit 
diesen  brahmanisirt  worden  wären. 

Wir  sind  nunmehr  genügend  orientii*t,  um  Va^a  A^vyas 
Beinamen  Py•e«^  Rigv.  I,  112,  10  zu  begreifen.  Schon  Eingangs 
dieser  Untersuchung,  sodann  gelegentlich  des  Patronymicons 
Känita  und  weiterhin  hatte  sich  uns  gezeigt,  dass  die  Sprache 
der  Turva^a-Yadu  vielfach  iranisch,  d.  h.  zendisch  oder  baktrisch, 
afficirt  war.  Unter  diesem  Gesichtspunkt  dürfen  wir  auch  das 
arta^  lEyöfxtvov  Preni,  für  welches  das  Sanskrit  keine  Analogie 
besitzt,  mit  FrSni^  dem  Namen  der  Tochter  des  Zarathustra, 
zusammenstellen.  Was  er  aber,  etymologisch  allerdings  mit 
der  Sanskritwurzel  p'i,  zend  fri,  lieben,  zusammenhängend,  be- 
deutet, darüber  wage  ich  keine  Vermuthung,  vielleicht  ist  es 
soviel  wie  priya^  der  Freund,  priijä^  die  Freundin. 

Wir  können  nunmehr  auf  die  Geschenkliste  der  Dänastuti 
selbst  eingehen.  Diese  überrascht  uns  vor  Allem  durch  Angabe 
von  Zahlen,  die  den  Stempel  des  üebertriebenen  tragen.  Schon 
das  indische  Alterthum  hatte  den  Eindruck,  dass  die  vedischon 
Dichter  von  Dankliedern  sich  in  Hyperbeln  ergiengen  und  die 
Käthakopanishad  (wie  Weber,  Indische  Streifen,  Bd.  I,  pag.  9S 
beibringt)  nennt  solche  Dankverse  geradezu  Lügen :  am-itam 
hi  gäthci,  'nri'tam  närägansi  „das  Lied  ist  eine  Lüge,  eine  Lüge 
ist  das  Männerlob."  Wie  sehr  der  Zahlenschwulst  der  Dank- 
lieder des  Rigveda  im  Charakter  der  Iranier,  der  zur  Selbstüber- 
hebung hinneigt,  begründet  ist,  habe  ich  an  einem  modernen 
Beispiel  nachgewiesen  in  Vom  Pontus  bis  zum  Indus,  pag.  218 
— 219.  Wie  die  dort  aus  Vambery's  Skizzen  aus  Mittelasien 
pag,  281—282  mitgetheilte  „Forderung  Jussufs  an  Güzel  Schah" 
sich  in  den  höchsten  Wunschzahlen  nach  Rossen,  Kameelen, 
Rindern,  Schafen,  Sklaven  und  Sklavinnen  ergeht,  ganz  so 
schon  der  Rosskaram  Va^a  A^vya.  Wie  in  der  Gegenwart  auf 
demselben  Fleck  Erde,  wo  die  Turva^a-Yadu  sasseu,  der  Turk- 
mene Mittelasiens  täghch  betet:  „Mehr  Stuten!  Mehr  Kameele!-* 
(Ritter,  Asien,  Bd.  VIII,  413),   so  klingt  es,  allerdings  aus  dem 


—     153    — 

Dankgeftihl  eines  in  seinem  Gebet  Erhörten,  aus  dem  Jubel- 
lied des  Turva^a-Dichters  hervor! 

Zunächst  sind  die  Rossegeschenke  ins  Auge  zu  fassen.  Der 
Partherkönig  Prithu9ravas  Känita  hat  dem  Dichter  60,000  Rosse, 
ja  eine  Myriade  geschenkt.  Diese  Zahl  stimmt  gerade  zu  der- 
jenigen, welche  Diodor  XVII,  110  (ed.  Imm.  Bekker,  T.  III, 
pag.  225)  von  den  Pferden  angiebt,  die  zu  Alexanders  des 
Grossen  Zeiten  auf  den  nisaeischen  Feldern  weideten,  vor 
Alters  soUen  es  sogar  160,000  gewesen  sein,  netct  öi  xaita 
7iaQ£).&0)v  eig  xiva  x^Q*^^  dvva^avriv  i/.TQecpsiv  ayiXag  nay.- 
TvXri^üg  Xnntav  iv  rj  xb  rtaXaiov  eq)aaav  k'/ixaide/M  jxvQiädag 
i'TtTiOJV  yeyovivai  (poqßadoyv,  xuxct  de  zr^v  LiXe^ävögov  Tcagov- 
oiav  e§  jiwvai  fiioiädsg  r^oi&firdifioav.  Nach  Strabon  XI,  13,  7 
(ed.  C.  Müller  pag.  450,  17)  waren  es  zur  Perserzeit  50,000 
Stuten  (auch  nach  Arrian  VII,  13),  die  auf  diesen  nisäischen 
Feldern  weideten.  Die  hier  gezüchteten  Pferde,  die  in  den 
königlichen  Marstall  übergiengen,  waren  die  grössten  und  besten. 
Es  waren  die  sog.  Nesäischen  Pferde,  welche  aber  nach  andern 
aus  Armenien  kamen:  irc7i6fioTog  de  xal  atrij  iozi  öia^peqövtiüg 
%ui  1]  ^Agiitvia,  /.aXenai  de  xig  xal  leifxiov  '^Innößoiog,  ov 
xal  di€§iaaiv  oi  ix  T^g  Tlsgaldog  xal  BaßvXwvog  elg  Kaortiovg 
nvXag  odsiovreg,  iv  o)  nevre  (.ivQiadag  'iTcmov  ^rjXeiiov  vefxe- 
ad-ai  (paaiv  ijcl  ttov  Usgatüv,  elvai  öe  rag  dyeXag  taizag 
ßaaiXixag.  xotg  Si  Nrfiaiovg  'innovg^  oJg  ixQiovxo  o\  ßaoiXeig 
agioToig  ovoL  xal  fieyiozoig,  o\  fiiv  ivd-ivöe  Xeyovot,  zb  yevog, 
Ol  d  i^  u4Qfxeviag'  oi  d*  ldi6f.ioQ(pOL  de  elaiv,  üoneo  xal  oi 
IJaQ&i/.oi  Xeyouevoi  vvv  naqu  loig  'Ek?.adi/.oi  g  xal  zoig  a/J.ovg 
zoig  nag*  rifitv.  Strabon  gesteht,  nicht  genau  zu  wissen,  ob 
die  berühmten  Nyseischen  Gefilde  in  Medien,  zwischen  Bagistana 
und  Rhagae,  also  zwischen  Bisutun  und  Rai,  gelegen  haben. 
Die  Alten  schon  stritten  sich  darüber,  ob  dieselben  nicht  viel- 
mehr zwischen  Merw  und  Balkh  gelegen  hätten.  Victor  Hehn, 
der  in  seinen  -Kulturpflanzen  u.  Hausthieren"  die  Streitfrage  am 
gründhchst^n  untersucht  hat,  entscheidet  sich  (pag.  36,  2.  Ausg.) 


—     154    — 

für  die  Rossegefilde  am  Murghäb.  Vgl.  darüber  noch  Bahr  zu 
Herodot  VII,  40,  Vol.  III,  pag.  515.  Ebenso  Duncker,  Gesch. 
d.  Arier2,  pag.  586.  Ob  160,000  oder  60,000  oder  50,000,  es 
ist  immer  eine  heilige,  symbolische  Zahl,  die  bei  den  alten  Irauieru 
und  so  auch  an  unserer  Stelle  Rigv.  VIII,  46,  21  vom  Turva9a- 
dichter  und  Pferdehändler  Vaya  A9vya  für  eine  ungemessene 
Menge  vorzüglicher  Rosse  gebraucht  wurde. 

Lagen  die  Pferdegefilde,  aus  welchen  die  nysäischen,  nisäir 
sehen  oder  nesäischen  Pferde  hervorgiengen,  am  Murghäb,  so 
stammten  die  Turva9a  Pferde  der  vorindischen  Urzeit  ebendort 
her,  sie  wurden,  wie  wir  oben  (pag.  150)  aus  dem  Qatapatha- 
Brähmana  gesehen  haben,  schon  in  jener  Urzeit,  wie  dann  später 
unter  den  Perserkönigen,  für  den  Marstall  des  Grossherrn  und 
seiner  Verwandten  bestimmt.  Gerade  dort  müssen  aber  auch 
die  grossen  Kameelstutereien  gelegen  haben,  aus  denen  des 
Prithu9ravas  Känita  Geschenk  von  2000  Kameelen  hervorgehen 
konnte,  wenn  wir  natürlich  auch  diese  Zahl  für  hyperbolisch 
nehmen  müssen.  Nur  im  Murghäbthal  und  sonst  nirgends  auf 
ganz  Iran  konnten  solche  Herden  von  Kameelen  gezüchtet 
werden,  von  welchen  die  2000,  die  Va^a  A^vya  vom  Grossherrn 
der  Parther  zum  Geschenk  erhalten  haben  will,  herrühren 
mochten.  Die  mittelalterlichen  Geographen  rühmen  einstimmig 
Sarachs  als  die  grosse  Kameelstuterei.  Istachri  im  Buch  der 
Länder  (übers,  von  Mordtmann  pag.  118)  rühmt  die  Stadt  ums 
J.  1000  also:  „Sarachs  ist  eine  Stadt  zwischen  Nisabur  und 
Merw  in  einer  Ebene  ohne  fliessendes  Wasser,  ausser  einem 
Kanal,  der  einen  Theil  des  Jahres,  jedoch  nicht  immer,  fliesst, 
und  aus  dem  Flusse  von  Herat  abgeleitet  ist.  Die  Stadt  liegt 
eine  halbe  Parasange  von  Merw,  ist  bevölkert  und  hat  ein  ge- 
sundes Klima,  das  Gebiet  hat  nur  wenige  Dörfer.  Der  gross te 
Reichthum  der  Bewohner  besteht  in  Kameelen;  sie  trin- 
ken Brunnenwasser,  ihre  Mühlen  werden  von  Zugvieh  getrieben, 
ihre  Gebäude  sind  aus  Lehm."  Idrisi  (trad.  par  Jaubert,  Vol.  I, 
pag.  451)  berichtet  um  1150:    »Quant  ä  Sarakhs,   eile   possede 


—     155     — 

un  sol  fertile  et  un  climat  tempere.  Cependant  [selon  Istachri] 
eile  n'a  point  uu  territoire  ni  des  dependances  considerables. 
Les  habitants  de  ces  campagnes  sentendent  parfaitement  axi 
choix  et  h  la  production  des  bonnes  races  de  chameaux*  u.  s.  w. 
Und  so  bei  Abulfeda  (trad.  par  Guyard,  VoL  11,  2,  pag.  193 
nach  Ibn  Haukai  um  976)  um  1330:  „On  lit  chez  Ibn  Haukai: 
Sarakhs  est  une  ville  entre  Naisabour  et  Merw,  dans  une  plaine. 
Elle  n'a  pas  d'autre  eau  courante  qu'une  riviere  qui  coule  pen- 
dant  une  partie  seulement  de  l'annee  et  qui  est  l'excedent  des 
eaux  de  Herat.  Les  paturages  dominent  ä  Saraklis,  et  son 
district  renferme  peu  de  vülages.  La  fortune  de  ses  habifanis 
corisiste  prmcipalement  en  chameaux.^ 

Nach  Strophe  31  unserer  Dänastuti  hat  nun  femer  Va9a 
A9vya  bei  dem  Gärathe  ganS  100  Kameele  und  bei  den  ^vit- 
neshu  2000  Kameele  zum  Geschenk  erhalten.  Offenbar  ist  Cd- 
raiha  ein  Yolksname  und  zwar  Adjektivableitung  von  Cdratha, 
die  Schaar  oder  der  Stamm  der  Cdratha.  Ich  halte  dieselben 
für  die  Zagazai,  eine  skythische  Völkerschaft  am  Imaus,  bei 
Ptolemaeus  VI,  14,  11.  Die  varia  lectio  Zaghat  beweist 
wenigstens  die  Kürze  der  zweiten  Sylbe,  entsprechend  dem 
Metrum  der  Rigvedastrophe.  Interessanter  sind  die  ^vttna  als 
Kameelzüchter,  die  es  offenbar  an  Kameelreichthum  mit  den 
Turva9a  um  Sarakhs  aufnehmen  konnten.  Wir  fanden  in  Iran 
und  Turan  pag.  120,  dass  die  ^vitna  mit  den  Tritsu  identisch 
sind,  die  an  der  Sarasvatl-Haraqaiti,  dem  Hilmend,  wohnten, 
dessen  Herrlichkeit  von  den  Sängern  der  Tritsu,  den  Vasishtha, 
so  hoch  gefeiert  wird.  Diese  Haraqaiti- W^a;fwaia  nennt  aber 
Isidor  von  Charax  „das  Weisse  Indien":  l^Qaxcoala.  Tavxriv 
öi  ol  riaQ&oi  ^Ivdiy.r^v  Asvat^v  /.alovon:  (S.  vom  Pontus  bis 
zum  Indus  pag.  168).  Schon  Zimmer,  Altind.  Leben,  pag.  126, 
hatt«  die  Bezeichnung  der  Tritsu  als  BWeisse"*  zurückgeführt 
auf  die  Tracht  der  Vasishtha  und  in  Iran  u.  Turan  pag.  129 
hatte  ich  dann  nach  Dionysius  Perieget«s  v.  1096  den  Nachweis 
geleistet,    dass  diese   Tracht    in   weissen  Leinkleidem  bestand 


—     156    — 

(vgl.  die  livox^ccivovs  t  l^QaxcoTag).  Dass  in  dieser  Landschaft 
noch  verhältnissmässig  sehr  spät  Sanskrit- Arier  sitzen  geblieben 
waren,  scheint  mir  daraus  hervorzugehen,  dass  noch  Aeschylus 
in  den  Hiketiden  v.  284  (ed.  Dindorf)  von  Hörensagen  (azoi'w), 
also  wohl  aus  alter  Tradition,  von  Indem  weiss  „die  nomadisch 
auf  der  trabenden  Kameele  Saumthierrücken  fem  das  Heideland 
längs  Aethiopias  Marken  scheu  durschweifen  sollen": 

^Ivödg  X    anovco  vojucidag  irrnoßccf^toaiv 

Ttag    ^l&loxpiv  aaivyeiTovov/ntvag. 

In  Vom  Pontus  bis  zum  Indus  pag.  141  habe  ich  nachge- 
wiesen, dass  diese  indischen  Kameelreiter  längs  dem  Strome 
Aethiops  nur  die  berühmten  Kameelreiter  Drangianas  sein  kön- 
nen, über  welche  ausführlich  a.  a.  0.  Noch  heutzutage  zeichnet 
sich  das  Kameel  von  Sedschestan  durch  seine  Ausdauer,  Kraft 
und  Schnelligkeit  aus.  Die  Qvitna  kommen  übrigens  in  der 
Brähmanaliteratur  als  Qvtkna  vielfach  vor,  insbesondere  im  (^ata- 
patha-Brähmana;  es  lässt  sich  aber  aus  ihren  Königsnamen  kein 
ethnologischer  Schluss  ziehen. 

Bei  den  Geschenken  an  Zugvieh  kommen  wir  auf  die  Rosse 
zurück  und  zwar  auf  die  Strophe  33.  Hier  ist  es  vor  allem 
das  a7Ta§  Xeyo/nevov  niathrä,  das  wir  oben,  vorläufig  der  Tra- 
dition folgend,  mit  „quirlend"  übersetzt  haben.  Böhtlingk-Roth 
s.  V.  geben  „zerrend".  In  dieser  Auffassung  wird  es  schon  von 
Säyana  von  W,  math,  mantJi,  drehen,  quirlen,  reiben,  rupfen, 
abgeleitet.  Allein  eine  Durchsicht  sämmtlicher,  vom  Peters- 
burger Sanskritwörterbuch  Bd.  V,  pag.  462 — 466  aufgeführter 
Stellen  über  die  zahlreichen  Präpositionalverbindungen  des  Ver- 
bums math,  sowie  über  die  Ableitungen  des  Wurzelstammes, 
ergiebt  auch  nicht  ein  einziges  Beispiel,  dass  W.  math  jemals 
dazu  verwendet  worden  ist,  auch  das  Umdrehen  der  Räder  eines 
Wagens  oder  das  Ziehen  und  „Zerren"  eines  solchen  darzustellen. 
Wir  müssen  also  auf  dieseAbleitimg  durchaus  verzichten.  Dagegen 


—     157     — 

gelangen  wir  wohl  zu  einer  zutreffenden  Erklärung  von  mathrd^ 
wenn  wir  dasselbe  ethnologisch  fassen,  analog  unserer  Pferde- 
racenbeschreibung  als:  Araber,  Trakehner  u.  s.  w.  Dann  aber 
bleibt  uns  nur  übrig,  das  Wort  als  JlJeder  zu  nehmen,  wobei  wir 
zunächst  an  die  Madra  (s.  Tran  u.  Turan  pag.  227,  und  oben 
pag.  111, 118)  zu  denken  haben.  Dass  auch  die  aspirirte  Form  vor- 
kam, ergab  sich  uns  in  Vom  Pontus  bis  zum  Indus  pag.  37  aus 
dem  Namen  der  TTairil^ia^ot,  der  Meer-Meder.  Auch  kommt  hier 
in  Betracht,  dass  Madrä  eine  Tochter  Raudrä^'as  genannt 
wird,  lieber  die  Grösse  und  Vortrefflichkeit  der  medischen 
Pferde  hatte  uns  oben  pag.  62,  153  die  Stelle  Strabons  belehrt. 
Vgl.  auch  noch  Duncker,  Gesch.  der  Arier^,  pag.  584.  Zogen 
medische  Pferde  den  goldenen  Wagen,  so  waren  sie  wohl  auch 
nach  medischer  Mode  aufgezäumt.  Die  Meder  waren  aber  in 
jeder  Kleinigkeit  der  Etiquette  die  Nachahmer  der  Assyrer. 
Wenn  wir  nun  bei  Heibig,  Das  homerische  Epos,  pag.  134  den 
altassyrischen  Wagen  (Fig.  27)  und  den  neuassyrischen  (Fig.  28, 
pag.  135)  betrachten,  so  fällt  uns  an  den  Pferden  auf,  dass  sie 
geflochtene  Schweife  tragen.  In  diesem  Sinne  fasse  ich  denn 
auch  das  adj.  vitavdra  „geflochtene  Schweife  habend,"  vom 
Partie.  Perf.  Pass.  der  W.  vi,  winden,  flechten,  lat.  viere. 

Der  goldene  Wagen,  den  Prithu9ravas  seinem  Sänger 
(Strophe  24)  schenkt,  erinnert  an  den  goldenen  Wagen  des 
Sonnengottes  Mithra  oder,  da  hier  Prithu9ravas  und  seine  Sänger 
offenbar  specielle  V'erehrer  Väyu's  sind,  an  Vayu's  goldenen  Wagen 
mit  goldenen  Rädern  (Räm-Yasht  57  bei  Spiegel,  Avesta-Uebers., 
Bd.  UI,  pag.  158).  In  diesem  Zusammenhange  möchte  ich  auch 
araive  akshe  in  Strophe  27  fassen.  Böhthngk-Roth  sehen  darin 
einen  „Wagen  aus  dem  Holze  des  Baumes  ara^u,  m.,  Calosan- 
thes  indica  Bl.  Allein  aksha-  heisst  nie  und  nimmer  Wagen, 
sondern  Achse  und  eine  Achse  aus  Holz  wäre  absurd.  Ludwig 
will  daraus  „Würfel  aus  Aratu-holz"  machen,  allein  der  Dichter 
kann  doch  unmöglich  mit  seinem  Schutzherm  um  freie  Geschenke 
würfeln.     Ich  möchte    desshalb   in   araive  äJcshe  erstens  aksha 


—     158    — 

als  Achse  fassen,  in  ara(va  aber  ein  aus  araj{a)tu  (=  zend. 
erezata,  skt.  raj'afa,  oskisch  arageto,  lat.  argentum,  Silber)  regel- 
recht in  aratu  umgewandeltes  Substantiv  sehen,  woraus  ara(va 
als  Adjectiv  durch  das  Suffix  a  ebenso  gebildet  worden  wäre, 
wie  z.  B.  im  Zend  die  Form  ^pithvm  aus  pitu^  m.  Speise,  in 
tart-pitliwa ,  n.  schlechte  Nahrung.  Ich  nehme  dess wegen 
ara(vS  dicshe  als  acc.  pl.  wie  in  Strophe  32  ^atärn  dds4  (s.  oben 
pag.  143).  „Silberne  Achsen"  an  goldenem  Wagen  würden 
ganz  und  gar  Mithras  goldenem  Wagen  mit  silbernen  Speichen 
entsprechen,  dessen  Rosse  goldene  Vorderhufe  und  silberne 
Hinterhufe  haben.  (Mithra-Yasht  125,  s,  auch  Spiegel,  Avesta- 
Uebers.,  Bd.  II,  pag.  99  und  Duncker,  Gesch.  d.  Arier^,  pag. 
437).  Vielleicht  war  auch  der  goldene  Wagen  des  Vayu  in 
der  iranischen  Mythologie  ebenso  ausgerüstet  wie  der  Wagen 
Mithras.  Ist  vielleicht  in  Str.  27  citrcim  (seil,  rdtham,  Wagen) 
mit  ara(vS  äkshe  so  zu  construiren:  einen  gleissenden  (Wagen) 
auf  silberner  Achse,  im  Sinne  eines  loc.  sing.? 

In  Strophe  28  folgt  nun  noch  ein  neues  Wagengeschenk, 
nämlich  ein  ajman,  n.  (lat.  agmen),  einen  Zug,  der  von  Rossen 
gezogen  wird,  einen  von  Antilopen  und  einen  von  Hunden  ge- 
zogenen. Der  von  Rossen  gezogene  {dgveshüawi)  bedarf  natür- 
lich keiner  weiteren  Erklärung,  die  zwei  andern  aber  sind 
ausserordentlich  merkwürdig.  Schon  das  indische  Alterthum 
hat  rujeshitam  nicht  mehr  verstanden.  Es  ist  durchaus  ana^ 
leyofievov.  Der  Padapä^ha  erklärt  es  durch  rujah-ishitam,  gegen 
alle  Lautgesetze.  Aber,  da  ein  rdj'a  oder  rajä,  das  einzig  mög- 
liche Wort,  aus  dem,  in  Verbindung  mit  ishitam,  ein  räjeshi- 
tam  hervorgehen  konnte,  aus  der  übrigen  Sanskritsprache  nicht 
erklärt  zu  werden  vermochte,  so  wurde  offenbar  an  das  im 
Sanskrit  sich  einzig  bietende  rnjas,  Fiusterniss,  gedacht,  ohne 
dass  auf  diesem  Wege  ein  Sinn  in  das  Wort  kommen  konnte. 
Säyana  erklärt  es  mit  ushira  gardahha  vdf  Kameel  oder  Esel. 
Da  jedoch  in  unserer  Dänastuti  das  Kameel  ganz  speciell  als 
uskfra  hervorgehoben  wird,    kann  raJa  nicht  Kameel  bedeuten, 


—     159    — 

aber  ebensowenig  Esel,  wofür,  sowenig  als  för  die  Bedeutung 
„Kameel",  sprachvergleichend  ein  Anhaltspunkt  oder  gar  eine 
Begründung  gefunden  werden  könnte.  Es  bleibt  uns  aber 
wirkhch  nur  die  Sprachvergleichung  zur  Aufhellung  des  Wortes 
rdja  übrig,  Sie  führt  uns  auch  auf  den  wirklich  richtigen  Pfad. 
Curtius  vergleicht  in  seinen  Grundzügen  der  griech.  Etymologie-^, 
pag.  131  und  132:  al/.r^,  Elchthier,  skt.  i-tga,  ]-i^a,  Bock  einer 
Antilopenart,  lat.  alces,  althochd.  elaho,  skandinav.  elg-r.  In  diese 
Reihe  gehört  unser  räja^  es  bedeutet  Alk,  Antilope.  In  Strophe 
28  wird  offenbar  Väyu,  der  Windgott,  mit  dem  freigebigen 
König  absichtlich  verwechselt  und  amalgamirt.  Xun  reitet  oder 
fährt  Yäyu  in  der  indischen  Mythologie  auf  Antilopen  (s.  z.  B. 
WoUheim  da  Fonseca,  Myth.  d.  alt.  Indien,  pag.  113).  So  war 
es  denn  wohl  auch  der  Väyuverehrer  würdig,  auf  mit  Elchen 
bespannten  Wagen  zu  fahren.  Oder  hatten  die  Turvaya,  die 
aus  dem  turanischen  Norden,  wo  man  mit  Elen-  und  Renthieren 
fährt,  hergezogen  waren,  diese  nordische  Sitt«  in  Parthien  ein- 
gebürgert? Aus  iranischen  Traditionen  scheint  mir  ein  Elchge- 
spann  nicht  weiter  erklärbar.  Dagegen  widerstrebt  ein  von 
Hunden  gezogener  Wagen  als  Ehrengeschenk  dem  indischen 
Geiste  ganz  und  gar,  aber  allerdings  nicht  dem  iranischen.  In 
Iran  und  Turan,  pag.  72  hatt«  ich  die  Hundeverachtung  der 
Sanskrit- Arier,  sowie  die  Hunde  Verehrung  der  Zend- Arier  in 
dem  Avesta  dargestellt.  „Im  Gesetzbuch",  sagt  Duncker,  Gesch. 
d.  Arier 2,  pag.  553  (s.  auch  ff.),  -erscheint  die  Liebe  und  Achtung 
der  Iranier  vor  ihren  wachsamen  Hunden  so  hoch  gesteigert, 
dass  der  Hund  fast  höher  gestellt  wird  als  der  Mensch.^  Ich 
kenne  aus  der  indischen  Mythologie  nur  einen  Gott,  der  auf 
einem  Hunde  reitet  und  der  davon  den  Namen  (^vdgva  „einen 
Hund  {cvaii)  zum  Pferd  {acva)  habend",  hat,  das  ist  Bhairava 
oder  Qiva.  Das  Wort  ist  aber  nicht  zu  belegen,  sondern  be- 
gegnet nach  dem  Petersburger  Sanskritwörterbuch  s.  v.  nur  im 
englischen  Sanskritlexicon  von  Wilson,  der  es  aus  einem  indi- 
schen Lexicographen  hat. 


—     160    — 

Nachdem  nunmehr  die  Geschenke  an  Wagen  und  Zugvieh 
erörtert  worden  sind,  erübrigt  noch  die  Besprechung  der  reichen 
Geschenke  an  Rindern  und  Kühen.  Der  Panegyriker  will  von 
König  P}ithu9ravas  1000  schwarze  Kühe  und  10,000  Kühe 
mit  drei  hellen  Flecken  empfangen  haben.  Nach  Säyana  müssen 
sich  diese  drei  weissen  Flecken  auf  der  Stirn,  auf  dem  Rücken 
und  auf  den  Seiten  der  Kuh  befinden.  Dazu  kommen  dann 
noch  (in  Strophe  29)  60,000  Stiere,  ferner  (in  Str.  30)  ganze 
Herden  Ochsen  (verschnittener  Stiere).  Das  ana^  Xay6(.ievov 
tryarusM  ist  doppelt  interessant,  einmal  für  die  Geschichte  der 
vedischen  Rindviehzucht,  worüber  gelegentlich  später,  dann  aber 
für  die  Geschichte  des  indischen,  resp.  vorindischen  Cultus. 
Denn  die  drei  rothen  Flecke  der  Kühe  stehen  in  Verbindung 
mit  den  drei  Augen  des  Rudra-^iva  Tryahshauj  dieser  ist  aber 
nach  zahlreichen  Stellen  der  Brähmana  und  des  Epos  „der  Herr 
des  Viehes"  pagupati.  Wenn  dieser  drei  feuerrothe  Augen 
hatte,  so  galt  es  für  den  frommen  und  zugleich  klugen  Hirten, 
Kühe  zu  züchten,  die  des  Schutzes  des  „Herrn  des  Viehes" 
schon  desshalb  in  hohem  Grade  würdig  waren  und  theilhaftig 
werden  mussten,  weil  sie  des  Schutzgottes  eigenstes  Merkmal 
und  Symbol  auf  dem  Leibe  trugen. 

Es  folgt  nun  noch  das  für  den  Dichter  der  Dänastuti  kost- 
barste Geschenk,  das  er  absichtlich  als  Glanzeffekt  auf  den 
Schluss  seines  Dankliedes  aufhebt,  das  ist  die  jugendschöne, 
goldbehangene  Sklavin.  Da  aber  der  Dichter  aus  aesthetischen 
Rücksichten  auf  das  Geschenk  an  Rossen,  Stieren,  Ochsen  und 
Kameelen  nicht  unmittelbar  das  Geschenk  einer  schönen  Sklavin 
folgen  lassen  kann,  so  lässt  er  das  Lob  für  das  bei  Balbrttha 
Taruksha  empfangene  Geschenk  von  hundert  männlichen  Skla- 
ven vorausgehen. 

Die  100  Sklaven  {gatdm  däsS),  wenn  wir,  was  wohl  unum- 
gänglich  ist,  in  däsS  einen  zendischen  Acc.  plur.  für  dusän  er- 
blicken dürfen,  haben  ihr  Analogen  in  den  gatäm  ddsän  der 
Välakhilya  Dänastuti  (Rigv.  VIII,  56,  3),   denen  ebenfalls  100 


—     161     — 

Esel  (^atdvi  yardubhdnam)  und  lUO  Lämmer  {gatdm  ürndvati- 
näm)  vorausgehen.  Und  zwar  ist  diese  Dänastuti  dadurch  merk- 
würdig, dass  sie  dem  Kanvadichter  Praskanva  zugeschrieben 
wird.  Die  Kanva  standen  aber,  wie  Zimmer,  Altind.  Leben 
pag.  122  bewiesen  hat,  in  naher  geographischer  Beziehung  zu 
den  Turva9a-Yadu.  So  ist  es  denn  ganz  entsprechend,  wenn 
Rigv.  X,  62,  10,  der  einzigen  Stelle,  ausser  den  zwei  obigen, 
wo  ddsa  als  Sklaven  erwähnt  werden,  Yadu-  Turva  ebenfalls 
zwei  Sklaven  zum  Geschenk  machen.  Es  ist  wohl  damit  die 
hochwichtige  Thatsache  erwiesen,  dass  die  brahmanischen  Sans- 
krit-Arier des  Rigveda  den  systematischen  Menschenraub  zum 
Zwecke  des  Sklavenhandels  nicht  betrieben,  sondern  denselben 
vielmehr  den  Halb- Ariern,  den  arisirten  Turaniern  überliessen. 
Ist  dies  richtig,  so  kann  seinerseits  Balhutha  Taruksha^  der 
Spender  der  hundert  Sklaven  an  Va9a  A(}\ja.,  nur  ein  Turva9a 
sein.  Der  Name  Balbüthd  wird  von  Böhtlingk-Roth,  Ludwig, 
Zimmer  und  Grassmann  als  lat.  balbus,  balbuti&ns  erklärt,  still- 
schweigend also  ein  Verbalstamm  *baU)üth  oder  *balb  ange- 
nommen, wofQr  allerdings  das  Paacavin9a-Brähmana  (bei  Böhtl.- 
Roth)  balbaläkri,  balbalä-machen ,  stammeln,  aufweist.  Das 
Suffix  ütha  bildet  jedoch  immer  nur  solche  Nomina,  die  den 
Accent  auf  der  Wurzelsylbe  haben,  vgl.  die  vedischen  Substan- 
tive vdrutka,  n.,  Schutz,  Schirm,  von  W.  i^-e",  schützen,  j'drütha, 
m.  nach  Grassmann  „der  abzehren  machende"  von  Wurzel  jri^ 
abzehren,  Name  eines  von  Agni  besiegten  Dämons.  Mir  will  die 
Deutung  „Stammler"  nicht  recht  einleuchten.  Ich  möchte  vielmehr 
diesen  Balbüthd,  dessen  Schlusssylbe  thd  möglicherweise  ein  prä- 
kritisch abgeschliffenes  stka  ist,  wofür  allerdings  tilia  zu  erwarten 
wäre,  mit  Bin'bu  (für  ursprüngliches  *Barbu)  in  Zusammenhang 
bringen,  der  nach  Rigveda  VI,  45,  31  König  der  Pani  ist  (ddki 
BribuJi  Panindrn  varshishihe  mürdhdnn  asthdt  „an  der  höchsten 
Spitze  der  Pani  stand  Bribu)  und  der  an  derselben  SteUe  Str.  33 
als  überaus  freigebig  geschildert  wird  {Bribum  sahdsraddtamam) 
Nach  ^'ankhäyana's  Qrautasütra  16,    II,    11    (bei  Böhtl.-Roth) 

Brunnhofer,  Vom  Aral  bis  zur  Gangä.  11 


—     162    — 

hat  Bharadväja  bei  Bribü,  dem  Zimmennann  oder  Bauherrn  urnl 
bei  Prastoka,  dem  (König  der  ?)  Srinjaya,  eine  Spende  empfan- 
gen, üeberdie  Pani,  als  die  Parner-Daher,  s.  oben  pag.  134 — 141. 
Sie  besorgten  den  indischen  Transithandel,  der  sich  den  Oxus 
liinunter  über  das  Kaspische  Meer  nach  Armenien  und  dem 
Pontus  bewegte,  waren  reiche  Kaufherrn  und  konnten  sich  die 
glänzende  Protection  fahrender  Minstrels  wohl  gestatten,  ihre 
Mittel  erlaubten  es  ihnen.  Wenn  sie  aber,  wie  wir  oben  pag. 
130  gesehen  hatten,  arisch  übertünchte  Turanier  waren,  so  stimmt 
das  wieder  zu  der  Annahme,  dass  dieser  Bribu  ethnisch  in  Zu- 
sammenhang stehe  mit  Balbüthd.  Diese  Annahme  erscheint 
um  so  gerechtfertigter,  als  dieser  Balhüthä  noch  Tdi-ulcsha 
heisst,  den  ich  nicht  anstehe,  als  Türken  zu  fassen.  Der  Sans 
kritname  derselben  ist  sonst  TürtishJca,  nach  Lassen,  Ind.  Alter- 
thskde,  Bd.  I,  pag.  728  entstanden  aus  *Turvaska,  also  aus 
TurvOQa.  Im  Romakasiddhänta  in  Aufrechts  Katalog  der  Ox- 
forder Sanskrithandschriften  pag.  339*  heisst  aber  Turkeatan 
nicht  ^Turuslihasthdna^  sondern  vielmehr  Turashhustlidna.  Viel- 
leicht findet  sich  auch  noch  Tdruksha  als  Türkenname.  Der 
Name  begegnet  erst  wieder  in  der  buddhistischen  Literatur, 
wo  ihn  Weber,  Ind.  Stud.,  Bd.  III,  pag.  159  aus  dem  Anfang 
des  tevijja  (t^raividyä)-sttTa.m  (Dighanikäya  T,  13)  nachweist. 
Da  wird  erzählt:  In  Manasäkata  an  der  Aciravati,  im  Lande 
der  Kosala,  lebten  mehrere  reiche  und  gelehrte  Brahmanen, 
so  Tdrukkha und  Nodeyya.  Weber  macht  darauf  auf- 
merksam, dass  Tdrukkha  an  den  Tdrukski/o  des  Aitareya 
Aranyaka  erinnert,  den  er  aber  freilich  im  Katalog  der  Berliner 
Sanskrithandschriften,  Bd.  II,  pag.  8  als  Tdrkshya  auffahrt. 
Den  Nodeyifa  fasst  er  als  Nachkommen  des  Nodhas  (Gautama) 
des  Rigveda.  Der  Reichthum  des  Tdruksha  hatte  sich  also  in 
der  inzwischen  in  den  Brahmanenstand  beförderten  Familie 
Jahrhunderte  lang  fort  erhalten,  wenn  nicht  die  buddhistische 
Erzählung  selbst  aus  vedischen  Zeiten  stammt.  Ist  aber  Tdrkshya 
=  Tdn'ukshya  (ein  Tdrnk^hya,  erklärt  als  Tarnh'-shasydiyatyam 


—     163     — 

Aitareya-Aranyaka  bei  Weber,  Ind.  Stud.  Bd.  1,  pag.  391,  Anm.), 
der  nur  im  gana  Gargädi  bei  Pän.  IV,  1,  105  begegnet,  so  dürfen 
wir  mit  um  so  grösserer  Wahrscheinlichkeit  das  Wort  Tdruksha 
als  Türke  nehmen,  als  das  Wort  Tärkshija  als  masc.  schon 
im  Rigveda  das  Sonnenross,  dann  aber  auch  rein  appellati- 
visch das  Ross  bedeutet,  mithin,  nach  dem  Zusammenhang  des 
bereits  Vorgebrachten,  wohl  nichts  anderes  ist  als  eine  Parallele 
zu  Taurvaga,  das  Ross,  im  Sinne  von:  der  Türke,  wie  wir 
,der  Araber,  der  Ungar  "im  Sinne  von  Pferderacen  sprechen. 

Indem  ich  nachträghch  den  sich  hier  bietenden  freien  Raum 
benutze,  um  auf  die  'nach  der  ersten  Correctur  dieses  Bogens 
mir  von  Weber  zugekommene  Abh.  „Episches  im  vedischen 
Ritual*  in  Kürze  einzugehen,  bemerke  ich  bezüglich  des  von 
Weber  pag.  29  u.  30  über  Bribu  und  Balbüthd  Beigebrachten 
Folgendes. 

Bei  BcUbuthd,  der  möglicherweise  eher  BaaJbüthd  gelesen 
werden  muss,  womit  er  dann  so  wie  so  als  Semit  gekennzeich- 
net wäre  und  nach  Babylon  wiese,  habe  ich  auch  daran  gedacht , 
ob  der  Name  nicht  im  Sinne  eines  sanskritisch  unmöglichen 
(das  Sanskrit  kennt  die  Lautverbindung  bl  nicht)  *Bahluthä  fÜ  r 
*^a^/7M-s^Ärt  ..König  von  Babylon  "^  gedeutet  werden  solle?  Jeden- 
falls ist  mit  Weber  Balbüthd  als  besondere  Persönlichkeit  von 
Tdruksha  zu  trennen.  Den  Tdruksha  habe  ich  schon  pag.  XII 
der  Einleitung  zu  „Iran  und  Turan"  (1889)  als  Türken  auf gefasst. 
Ebendort  hatte  ich  auch  schon  die  Vermuthung  ausgesprochen, 
dass  vedische  Rishis  bis  nach  Babylon  gekommen  seien. 


11 


V.    Der  Zusammenliaiig  des  Zoroastrismus 
mit  dem  Bralimanismus. 

1.  Uel)er  die  Sage  YOn  der  Verschmelzung  des  Zoroastris- 
mus mit  dem  Bralimanismus  durch  Barius  Hystaspes. 

Ammianus  Marcellinus  berichtet  Lib.  XXIII,  cap.  6,  32  (ed. 
Gardthausen,  T.  I,  pag.  327),  an  einer  Stelle,  die  schon  A.  Weber 
in  den  Ind.  Skizzen'-^,  pag.  108  „sonderbar"  gefunden  hat,  dass 
Hystaspes,  der  Vater  des  Darius,  die  Geheimnisse  des  oberen 
Indiens  durchforschte  und  darüber  zu  einer  Waldwilduiss  kam, 
von  deren  feierlicher  Stille  sich  der  hehre  Geist  der  Brahmanen 
ergriffen  fühlte.  Bei  diesen  habe  er  sich  soweit  er  nur  gekonnt 
habe,  über  die  Bewegungen  der  Himmelskörper  und  die  Opfer- 
wissenschaft unterrichten  lassen,  wovon  er  dann  einiges  in  die 
Lehre  der  Magier  habe  einfliessen  lassen.  Die  ganze,  merkwür- 
digerweise bisher  noch  wenig  beachtete  Stelle  lautet:  In  hi^ 
tractihus  (in  Medien)  Magorum  agri  sunt  fertüesj  super  qv/yruni 
sectd  studiisque^  quoniam  Mc  mcidimus,  pauca  conveniet  expedin. 
magiani  opinionum  tnsignium  auctor  amplissimus  Plato  macJui- 
yistiam  esse  verho  mystico  docet,  dCmnorum  incon-uptissimum 
cultum^  cujus  scientiae  saecutis  pi-iscis  muUa  ex  Chaldcteorum 
arcanis  Bactrianus  addülä  Zoroastres^  deinde  Hystaspes  rex 
prudentissimus  Darei  pater.  33,  qut  cum  super toris  Jndtae 
secreta  fidentius  penetraret,  ad  neviorosum  quandam 
venerat  solitudinem^   cujus  tranquillis  silentiis  prae- 


—    165    — 

celsa  Brahmanorum  ingenia potiuntur  eorumque  monitu 
rationes  mundani  motus  et  stderum  purosque  sacro- 
rum  ritus  quantum  colligere  potuit  eruditus,  ex  his, 
guae  di'dictt,  aliqua  sensi'bus  inagorum  tnfudt't,  quae 
tili  cum  disciplints praesentiendifutura per  suam  quis- 
que  progeniem  posteris  aetatihus  tradunt. 

Die  werthvolle  Mittheilung  des  Animianus  Marcellinus  ist 
zu  reich  ausgestattet  mit  Einzelangaben,  als  dass  sie  für  eine 
Träumerei  gehalten  werden  darf.  So  gut  der  Magier  Mani  um 
250  nach  Chr.  in  Babylon  es  wagen  konnte,  christliche,  zara- 
thustrische  und  buddhistische  Religionselemente  zu  verschmelzen, 
80  gut  konnte  schon  ein  persischer  König  der  Urzeit  es  versucht 
haben,  zarathustrische  mit  brahmanischen  zu  amalgamiren. 

Was  zunächst  die  Lehre  der  Mager  betrifft,  die  Plato  macha- 
gistia  nenne,  so  erklärt  sich  dieses  Wort  aus  einem  aus  höch- 
stem Alterthum  stammenden  Sanskritwort  *'mahä  gishti,  nach 
ursprünglicher  Aussprache  also  machd  chisti  „die  grosse  Beleh- 
rung." Denn  maha  ist  sanskritisches  inahd,  worin,  wie  zum 
Theil  noch  vedisch,  h  als  gh,  7,  und  c  als  ursprüngliches  /  aus- 
zusprechen ist.  Das  Wort  ist  desshalb  interessant,  weil  es  die 
Lehre  der  Mager,  doch  eines  medischen  Stammes,  mit  einem 
Worte  bezeichnet,  das  nicht  den  specifischen  Charakter  irani- 
scher Sprache,  nämlich  Umwandlung  des  ä  in  z  (vgl.  zend 
maza,  gross),  zeigt,  sondern  das  volle  sanskrit-arische  Wort 
maha  mit  Bewahrung  der  aspirirten  Gutturalmedia 

Von  allerhöchster  Wichtigkeit  ist  die  Meldung,  dass  Hy- 
staspes,  der  Vater  des  Darius,  im  „obem  Indien  {superiöris 
Indiae)",  gewesen  sei  und  dessen  „unbekannte  Gegenden  erforscht" 
habe  (secreta  ßdentius  penetraret),  dass  er  alsdann  in  eine  „Wald- 
wildniss"  {nemorosam  quundam  venerat  solitutudiTiem) ,  „von 
deren  feierliche  Stille  die  erhabenen  Geister  der  Brahmanen 
ergriffen  würden"  (cuj'its  tranquälis  süentiis  pra^celsa  Brahma- 
norum iagenia  potiuntur\  dort  habe  er  sich  auf  deren  Mahnung 
in   die  Lehre    von   der  Bewegung  der  Welt   imd  der  Gestirne 


—     166     - 

einweihen  lassen  und  sich,  .soweit  er  es  nur  vermocht  habe,  die 
Kenntniss  ihres  Opferrituals  verschafft  {eoi-umqtie  vionüu  ratt'ones 
mundani  motus  et  siderum  purosque  sacroruin  rüus  quantuni 
colligere  potui't  eruditus),  „alsdann  habe  er  einiges  von  dem  was 
er  (bei  den  Brahmanen)  gelernt,  in  die  Lehre  der  Magier  ein- 
fliessen  lassen  {ex  Ms  quae  didick,  aliqua  se^isibics  magorurn, 
Infudtt).  Die  ferneren  Mittheilungen  Ammians  über  die  Magier 
dürfen  uns  hier  nicht  weiter  beschäftigen.  Dagegen  wird  es 
.sich  in  hohem  Grade  lohnen,  obige  Traditionen  auf  ihren  histo- 
rischen Werth  hin  zu  prüfen. 

Wenn  hier  mitgetheilt  wird,  Hystaspes,  der  Vater  des  Da- 
rius  I,  sei  im  „obern  Indien"  gewesen,  so  ist  vor  Allem  darauf 
hinzuweisen,  dass  historisch  nichts  davon  bekannt  ist.  Darius 
hat  niemals  einen  Feldzug  ins  Obere  Indien,  d.  h.  ins  Pandschab, 
unternommen.  Wohl  aber  wissen  wir  aus  den  Behistaner  Keil- 
inschriften des  Darius,  dass  sein  Vater  Vistä^pa  in  Parthien 
war,  um  den  Aufstand  der  Parther  und  Hyrkanier  zu  dämpfen, 
die  sich  dem  Aufrührer  Fravartis  angeschlossen  hatten.  (Vgl 
Duncker,  Geschichte  dee  Arier  ^,  pag.  8-33).  Nun  wissen  wir, 
(s.  mein  Iran  undTuran  pag.  142),  dass  der  persische  Geschicht- 
schreiber Ahmed  Razi  das  Land  Mazanderan  Hindu  sefid 
„Weiss -Indien"  genannt  hat.  Es  ist  wahrscheiuHch ,  dass  das 
supenor  India  der  uns  unbekannten  Quelle  des  Ammian  (Kte- 
sias?)  dieses  Hindu  sefid  der  Perser  des  Mittelalters  gewesen 
ist.  Dann  wird  die  Angabe,  Hystaspes  sei  von  dort  aus  in 
eine  „Waldwidniss"  [nemorosa  solitudo)  gekommen,  sehr  ver- 
ständlich im  Hinblick  auf  den  noch  bis  zur  Stunde  andauernden 
Charakter  Mazanderans  als  einer  zu  stillem  Hinbrüten  einladen- 
den Waldlandschaft  (s.  mein  Iran  u.  Turan  pag.  176 — 167). 

Ob  zu  des  historischen  Vistä^pa,  des  Vaters  des  Darius, 
Zeiten,  noch  brahmanische  Sanskrit- Arier  in  ihren  alten  Wohn- 
sitzen in  Mazanderan  sitzen  geblieben  waren,  ist  zwar  nicht 
absolut  unmöglich,  aber  wenig  wahrscheinlich.  Ausserordent- 
lich wahrscheinlich   ist  dagegen,    dass  uralte  Ueberlieferungen, 


—     167     — 

die  sich  an  den  Familiennamen  der  Viata^pa  anhefteten,  auf  den 
historischen  Vistä^pa,  den  Vater  des  Darius,  übertragen  wurden. 
Die  angeblich  von  Hystaspes,dem  Vater  des  Darius,  vorgenommene 
Verquickimg  der  brahmanischen  Lehren  und  reinen  Opferge- 
bräv^che  mit  denen  der  Magier,  d.  h.  des  Zoroastrismus,  beweist 
nur,  für  wie  nahe  verwandt  das  persische  Alterthum  den  Brah- 
manismus  und  Zoroastrismus  gehalten  hat. 

Die  rationes  mundani  motus  et  sidei-um  purosque  sacrorum 
ritus  mochte  ich  einfach  auf  das  vedische  ritdm,  den  gesetz- 
mässigen  Lauf  der  physischen  und  moralischen  Weltordnung, 
beziehen,  der  im  Opfer  das  Bindeglied  zwischen  Himmel  und 
Erde  neben  sich  hat:  ,jEs  (das  ntam)  durchdringt  die  ganze 
Welt;  der  Lauf  der  Flüsse,  die  Bewegung  der  Gestirne,  der 
Wechsel  der  Jahreszeiten  sind  seine  Manifestationen."  Ludwig, 
Die  philosophischen  und  reUgiösen  Anschauungen  des  Veda, 
pag.  17.  Das  in  augenfällige  Erscheinung  tretende  ritdm  ist 
das  Opfer,  desshalb  heisst  der  Opferplatz  ntdsya  sädas  youi 
nßbhi,  „das  Centrum  der  Weltordnung."  S.  darüber  oben  Ein- 
leitung pag.  XII — XIV. 

2.  Die  Amritäsah  tiiräsah  des  RigTeda  nnd  die 
Amesha  ^penta  des  Avesta. 

In  seiner  Eramschen  Alterthskde  Bd.  I,  pag.  435  ff.  und 
Bd.  II,  pag.  27  ff.  hatte  Spiegel  die  Amesha  9penta  der  Zoro- 
astrier  mit  den  Aditya  der  sanskrit-arischen  Inder  zusammenge- 
stellt und  dabei  insbesondere  auf  die  Siebenzahl  aufmerksam 
gemacht,  iu  welcher  beide  Göttergruppen  bei  ihren  Anhängern 
auftreten.  Später  jedoch,  in  „Die  Arische  Periode"  pag.  198 
hat  er  diese  Zusammenstellung  wieder  vollständig  zurückgenom- 
men, da  ihm  inzwischen  Zweifel  an  der  Identität  mehrerer  von 
ihm  früher  mit  einander  verglichener  Götter  der  Zoroastrier  und 
Brahmanen  aufgestiegen  sind.  Ich  habe  nicht  die  Absicht, 
Spiegel  in   der  Bezweiflung  der   mythologischen  Identität  des 


—     168    - 

Vyitahan  und  des  Verethraghna  zu  folgen  oder  daran  Anstoss 
zu  nehmen,  dass  die  Aditya  auch  in  der  Achtzahl  vorkommen. 
Dagegen  mache  ich  aufmerksam  auf  eine  Stelle  eines  der  ältesten 
Mandala  des  Rigveda,  wo  die  ami'itdsdh  turdsak  dem  Begriff 
nach  mit  den  Amesha-Qpenta  zusammenzustimmen  scheinen. 
Die  Stelle  Rigv.  V,  42,  5  lautet: 

dev6  Bhägah  Samtd  räyo  Anga 
Indro   Vritrdsya  samjüo  dlidnänä'm  \ 
Ribhuhshä   Vdja  utd  vd  Püramdhir 
ävantu  no  Amritäsah  turdsah  |j 

^Der  Gott  Bhaga,  Savitar  (der  Spender  des  Reichthums), 
Ari^a,  Indra  (der  Besieger  des  Vritra),  —  die  Eroberer  von  Reich- 
thtimern,  —  ferner  Ribhuksha  Väja  und  Puramdhi,  sie  mögen 
uns  helfen,  die  unsterblichen  Tüchtigen." 

Von  den  genannten  Göttern  kommen  Bhaga  und  Anca  im 
spätem  System  der  sieben  Aditya  vor  —  Mitra,  Aryaman, 
Bhaga,  Varuna,  Daksha,  An^a  —  die  andern  dagegen  passen 
weder  in  das  System  der  Aditya,  noch  der  Amesha  9penta, 
Dagegen  scheint  es  mir  auffällig,  dass  in  dieser  Stelle,  je  nach- 
dem man  Ribhuksha  Väja  als  Einheit  oder  als  zwei  Götter  fasst, 
entweder  sechs  oder  sieben  Amptdsah  turdsah  angerufen  werden. 
Ich  möchte  Ribhuksha  Vdja  als  Einen  Gott  fassen,  als  welcher 
er  in  der  überwiegenden  Anzahl  der  Stellen,  wo  er  erwähnt 
wird,  auftritt,  nämlich  Rigv.  VI,  50,  12;  MI,  37,  1;  VII,  48,  1 
und  3;  X,  64,  10;  X,  93,  6.  Nehmen  vdr  aber  diesen  Ribhuh- 
shd  Väja  als  Einheit,  so  erhalten  wir  solcher  Amrftdsah  turd- 
sah gerade  sechs  und  diese  stehe  ich  nicht  an,  mit  den  sechs 
Amshaspands  des  Nanm  ^täisni  des  Khorda-Avesta  (Spiegels 
Avesta-Uebers.,  Bd.  lU,  pag.  20)  zu  vergleichen.  Wer  diese 
sechs  Amshaspand  seien,  wird  leider  in  der  Avestastelle  nicht 
angegeben. 

Ich  möchte  nun  aber  in  den  Amrüdsah  turiinah  eine  direkte 
vedische  Wiederspiegelung  der  Amesha  i^penta  der  Zoroastrier 


—     169    — 

erblicken,  wobei  es  frei  steht,  anzunehmen,  dass  die  obige  Rig- 
yedastelle  vielleicht  älter  ist,  aLs  die  Ausbildung  des,  nach 
Spiegel  nicht  sehr  alten  Systems  der  Amshaspands.  Ueber 
amrita  =  amesha  natürlich  kein  Wort.  Was  üira  betrifft,  so 
sfrimmt,  sein  Begriff:  tüchtig,  kräftig  (öfters  Beiname  der  Aditya), 
vollkommen  zu  dem  ursprünglichen  Begriff  von  cpenta. 
Denn  dieses  Adjektiv,  ursprünglich  Partie.  Perf.  Pass.,  bedeutete 
ursprünglich  auch  nichts  anderes  als  vermehrt,  gefördert,  ge- 
kräftigt, kräftig,  von  W.  cpan,  fördern,  wachsen  (Justi  Zendwb., 
pag.  302).  Analog  dieser  Begriffsentwrckelung  ist  die  von 
zend.  gura,  stark,  hehr,  heüig,  vgl.  den  Namen  der  Wasser- 
und  Fruchtbarkeitsgöttin  Ardvi  Qüra  Anähita  im  Avesta,  femer 
ist  analog  die  von  griechisch  uqoq,  das  man  mit  skt.  isJiira, 
kräftig,  zusammenstellt  und  ähnlich  ist  auch  im  Germanischen 
das  Verhältniss  von  heil  und  heilig.  So  könnte  auch  turä  in 
der  Verbindung  amritdsali  turdsah  eine  Gleichung  bilden  mit 
dem  zendischen  amesha  gpenta,  die  unsterblichen  Heüigen  oder 
die  heüigen  ünsterbKchen,  es  könnte  ein  vedisches  Aequiva- 
lent  sein  für  die  Amshaspand  des  Avesta. 

3.  Ein  zarathnstrisches  Lied  anAkömanö  im  AtharTayeda. 

VI,  45. 

Paröpehi  Manaspäpa  htm  d^stdni  ^iisasi\ 

pdreht  nd  tvä  kamaye  vrtkshdn  vdnäm  sdm  carä 

gi-ihSshu  göshu  me  mänah  ||  1  \\ 

avagdsä  m'hgdsd  ydtparägdsd 

uparima  j&graio  ydt  svapdntah  \ 

agnir  vigvdny  dpa  dushkritdny 

djnshfdny  drS  asmdd  dadhdtu  ||  2  || 

ydd  indra  brahmanaspatS  ''pi  mrisha  cdrdmasi 

prdcetd  na  dngirasö  duritdt  pdtv  dnhasah  j|  3  || 

Pack  dich  hinweg,  du  Böser  Geist,  was  lehrst  du  uns 
Ruchlosigkeit? 


—     170    — 

Pack  dich!    nicht  lieb'  ich  dich,    spazier   du    in   den 

Wald  hinaus,  mein  Herz 
Ist  bei  den  Küh'n  im  Haus  daheim  ||  1  || 
Was  wir  im  Wachen  und  im  Traum  gesündigt 
In  Schmähung,   Zwietrachtstiftung  und  Verleumdung 
Möge  doch  Agni  alle  unsre  Frevel 
Und  Missethaten  fern  weg  von  uns  nehmen!  ||  2  || 
0  Indra,  Brahmanaspati,  wenn  wir  uns  strauchelnd  je 

vergehn, 
Möge  der  weise  Angiras  uns  schützen  vor  Versündi- 
gung!|l3i| 
Nicht  mehr  und  nicht  weniger  als  ein  Lied  an  Akömanö, 
an  den  Bösen  Geist  des  Avesta!  Zunächst  ist  die  Form  des 
Wortes  Manaspäpa  merkwürdig.  Zweifellos  aus  manasTP^pO' 
zusammengesetzt,  wird  das  Wort  trotzdem  auch  vom  Atharva- 
veda-Präti9äkhya  II,  79  nicht  als  Compositum  betrachtet,  denn 
es  müsste  dann  manahpdpa  lauten.  Das  Wort  stammt  also  aus 
einer  Zeit,  wo  das  specifische  WohUautsgesetz  des  Sanskrit, 
wornach  das  Schluss-s  eines  vorhergehenden  Wortes  sich  vor 
dem  Anfangs-/*  des  unmittelbar  folgenden  Wortes  in  den 
Viaarga,  ä,  verwandelt,  noch  keine  Geltung  hatte.  Das  Wort 
wäre  eigentlich  ein  Neutrum  vianah  päpam^  böser  Geist,  es  wird 
hier  aber  offenbar  als  masculinum  manaspäpah  gefasst,  also  als 
Personenname,  nicht  als  AppeUativum,  behandelt.  Ein  Manas- 
pdpcJi,  kehrt  aber  sonst  in  der  ganzen  Sanskritliteratur  nicht 
wieder  und  dass  er  hier  durchaus  als  Person  gedacht  wird, 
geht  zur  Genüge  aus  den  zwei  ersten  Versen  hervor,  inbesondere 
aus  der  Aufforderung,  er  möge  sich  doch  in  den  Wald  scheren. 
Das  Lied  ist  von  einem  brahmanisirten  Zarathustrier  gedichtet 
und  dass  es  solche  schon  im  höchsten  Alterthum  gegeben  haben 
wird,  lehrt  die  Analogie  des  leichten  Eintritts  der  Magapriester 
in  die  brahmanische  Gemeinschaft,  wie  er  für  die  spätere  Zeit 
durch  Webers  Edition,  Uebersetzung  und  Erklärung  der  Maga- 
vyakti  bekannt  geworden  ist. 


—     171     — 

Spiegel  fasst  das  Wesen  des  Akömano  in  seiner  Eranischen 
Alterthskde,  Bd.  IL  pag.  12S  also  zusammen:  „Sein  Streben  ist, 
in  den  Menschen  die  Liebe  zu  den  guten  Werken  erkalten  zu 
lassen,  w^m  Menschen  in  Streit  gerathen,  so  sucht  er  ihre 
Aussöhnung  zu  hindern,  er  strebt  vielmehr  ihren  Hass  zu  ver- 
grössern,  so  dass  womöglich  Mord  und  Todschlag  die  Folge 
des  Unfriedens  werden.  Wenn  die  Menschen  die  Vorschriften 
des  Verstandes  ausser  Augen  setzen  und  thun,  was  sie  nicht 
thun  sollten,  so  ist  dies  ein  Werk  des  Akömano,"  Vgl.  die 
Avestastelle  Yayna  XXXII,  5  (bei  Spiegel  Bd.  U,  pag.  126): 
^Wenn  euch,  die  Daevas,  durch  schlechte  Gesinnung,  Akamainyu 
schlechte  Thaten  und  Worte  lehrt."  In  unserm  Spruch  ent- 
spricht der  schlechten  Lehre  des  Akömano  die  Anrede  an  den 
Manaspäpah:  k(m  ckastäni  gansast?  Der  Inhalt  der  schlechten 
Lehre,  der  ikastäni,  offenbart  sich  dann  in  Strophe  2  durch  die 
Dreiheit  avacds^  nihgds  und  pard^ds^  Verkleinerung,  Zwietracht- 
stiftung und  Verleumdung,  denn  dies  etwa  wird  der  Sinn  der 
mit  den  Präpositionen  ava^  herunter,  nü},  entzwei-,  parä  über 
piiier:  die  Wahrheit]  hinaus,  verbundenen  Wurzel  caiis,  lehren, 
sein.  Da  diese  Verbindungen  bis  jetzt  nicht  anderwärts  nach- 
gewiesen worden  sind,  hält  es  schwer,  den  richtigen  Sinn  dieser 
Verbalsubstantive  zutreffend  zu  fassen.  Die  dushkritdni  ajush- 
fäni  repräsentiren  die  schlechten  Thaten.  Wir  finden  also  in 
diesem  Spruche  die  litui-gische  Trias  des  Zarathustra  wieder: 
Gedanken,  Worte  und  Werke,  über  welche  vgL  mein  Iran 
und  Turan  pag.  191 — 195  Str.  1:  Mana^päpa,  Str.  2:  avagdsd, 
nth^dsdjpardgdsdj  Str.  Z' dushk-t-itdni dj\isktdni, ganz  entsprechend 
der  Dreiheit  der  Formel  in  oben  citirter  Ya9nastelle. 

In  dem  Verhältniss  des  ManaspdpaJi  des  ersten  Fäda  der 
ersten  Strophe  zu  dem  manas  des  Beters  im  zweiten  Päda  dieser 
Strophe  drückt  sich  der  Gegensatz  aus  des  zu  friedlicher  Cultur- 
arbeit  geneigten  sesshaften  Viehzüchters,  dem  im  festen  Wohn- 
sitze bei  seinen  Kühen  wohl  ist,  gegenüber  dem  eigentlich  in 
die    Wildniss    hinaasgehörenden    treulosen    Nomaden.      Dieser 


—     172    — 

Gegensatz  wiederholt  sich  dann  nochmals  im  Verhältniss  des 
Manaspdpah  zu  dem  präcetä  Ängirasa,  d.  i.  zu  Agni,  dem  Be- 
schützer von  Haus  und  Heim,  dem  grihdspati.  Wie  AkSmanS, 
die  schlechte  Gesinnung,  der  Widersacher  des  Vohümano,  der 
guten  Gesinnung  ist,  so  soll  in  unserm  Spruch  der  prdcetd 
Angirasd^  der  weise  Agni,  das  Ideal  der  frommen  Gesinnung 
bei  den  Brahmanen,  die  unter  dem  Einflüsse  des  ManaspapäTj, 
vom  Beter  begangenen  oder  etwa  noch  zu  begehenden  Sünden 
wieder  gut  machen. 

Schliesslich  ist  noch  zu  bemerken,  dass  die  Aufforderung 
an  den  Manaspdpah^  er  möge  sich  in  den  Wald  scheren,  ganz 
zarathustrisch  erscheint.  Wenn  der  ausgelemte  lebensmüde 
Brahmane  in  den  Wald  zog,  um  sich  im  Genüsse  schöner  Natur 
in  Andacht  zu  versenken,  so  konnte  der  Wald  nichts  an  sich 
haben,  was  ihn  in  seinen  Augen  zima  Bestimmungsort  schlechter 
Gesinnung  machte,  da  er  dem  Sanskrit- Arier  ohnedies  als  Stätte 
der  Wonne  [vana)  erschien.  Ganz  anders  beim  Zarathustrier. 
Für  diesen  ist  der  Wald  die  Stätte  der  Finstemiss.  Desshalb 
gehört  die  schlechte  Gesinnung  als  personificirter  Ausdruck  der 
Finsterniss  in  den  Wald.  Die  Seele  dessen,  der  einen  Hund 
tödtet,  schweift  yatlia  vehrTco  vaydtuU^  draninJe  barezist^  razuire 
„als  Wolf  in  dem  Grauen  erregenden  tiefen  Walde."  Ven- 
didad  XIII,  24.  Die  Alliteration  vrilcshdn  vandn  entspricht  der 
entgegengesetzten  griheslm  goshu  und  ist  ?v  diu  dvoiv.  Der 
zarathustrische  Brahmane  hatte  wohl  das  Zendwort  varesha  = 
skt.  vnksha  in  unmittelbarer  Vorstellung,  der  sich  das  folgende 
vanän  aus  seinem  secundären  sanskritischen  Sprachbewusstsein 
tautologisch  ergänzend  anschloss. 

Die  Frage:  wie  konnten  zarathustrisch  concipirte  Zauber- 
sprüche in  den  Atharvaveda  kommen,  entscheidet  sich  durch 
die  höchst  werthvolle,  bis  jetzt  nicht  erklärte,  Mittheilung  der 
Magavyakti  (ed.  Weber,  pag.  455),  die  18  von  König  (^ämba 
aus  dem  Qdkadm2>a  (!)  nach  ^ämbapura  an  der  Candrabhaga 
im   Pandschab   herbeigeholten    Familien  der  Maga   hätten   die 


—     173    — 

vier  Vedas  gehabt  unter  den  Namen  Vada,  Vigvavada,  Vidut^ 
Angirasa.  Die  ersten  drei  deutet  Weber  zweifellos  richtig  als 
Yagna,  Vispered  und  Vendidad.  Ueber  deu  vierten  schweigt  er. 
Wenn  nun  aber  (s.  Weber,  Ind.Literaturgesch.^,  pag.  165,  Anm.  3) 
die  Gesetzbücher  des  Yäjnavalkya  und  Manu  den  Atharvaveda 
nennen:  Atharvangirascdi ,  so  wird  wohl  für  den  vierten  Veda 
der  M^a,  den  Angirasa,  kein  anderer  Schluss  übrig  bleiben, 
als  dass  derselbe  eben  geradezu  der  Atharvaveda  oder  etwas 
diesem  direkt  Entsprechendes,  Theile  des  Atharvaveda  Enthal- 
tendes, gewesen  sein  muss.  In  diesen  Angirasa- Veda  der  Maga 
würde  unserer  Spruch  gehören. 

Ich  mache  hier  übrigens  noch  aufmerksam  auf  den  Namen 
der  vierten  Klasse  der  (^äkadvipiya-ßrahmanen ,  nämlich  Man- 
daga  (s.  Weber  in  der  Magavyakti  pag.  455).  Das  Qäkadvipam 
liegt  nach  letzterer  (s.  dort  pag.  454)  jenseits  des  Lavanoda 
(des  Salzmeeres,  offenbar,  vom  indischen  Standpunkt  aus,  des 
Arabischen  Meeres)  und  ist  vom  Kshiroda,  dem  Müchmeer,  um- 
geben. Das  Milchmeer  ist  aber,  wie  wir  wiederholt  gesehen 
haben  (vgl.  übrigens  mein  Iran  und  Turan  pag.  7— S),  das  Süd- 
ufer  des  Kaspischen  Meeres.  Nun  kennt  aber  Ptolemaeus  VI, 
2,  11  im  nördlichen  Medien  eine  Stadt  MavdayaQa  und  VT,  2,  2 
eine  Stadt  MavdäyaQOiq  im  nördlichen  Küstenstrich  von  Medien. 
Ist  Mavdäyaqaig  =  skt.  *MandagarsM  =  * Mandaga-i-ishi'i 


4.  Das  Thiermärchen  von  dem  Wettstreit  zwischen 

Adler  nnd  Ross  bezüglich  ihrer  Sehkraft,  im  Catapatha- 

Brähmana  und  im  Avesta. 

Schon  in  meinem  „Iran  und  Turan"  pag.  157 — 163  habe 
ich  auf  eine  Reihe  von  Berührungspunkten  aufmerksam  gemacht, 
die  das  Qatapatha-ßrähmana,  jene  Encyclopädie  altbrahmanischen 
Traditionswissens  von  etwa  rund  800  vor  Chr.,  mit  dem  Avesta, 
d.  h.  mit   dem  im   Avesta   überlieferten  Traditionalwissen    der 


—     174    — 

zarathustrischen  Tränier,  gemein  liat,  so  zwar,  dass,  da  eine  Ein- 
wirkung des  Qatapatha-Brähmana  auf  den  Avesta  historisch- 
geographisch wie  auch  rehgionsgeschichtlich  undenkbar  ist, 
umgekehrt  an  eine  Einwirkung  iranischer  und  zwar  vielleicht 
schon  zarathustrischer  Traditionselemente  auf  das  ^atapatha- 
Brahmana  angenommen  werden  muss.  Zu  diesen  von  mir  bereits 
nachgewiesenen  gemeinsamen  Elementen  tritt  nun  noch  ein 
Thiermärchen ,  das  auf  indischem  Boden,  im  Mahäbhärata  wie 
schon  im  ^atapatha-Brähmana,  zwar  noch  als  Märchen,  resp. 
als  Legende,  erzählt  wird,  im  Avesta  aber  bereits  der  Rhetorik 
verfallen  erscheint,  sodass  es  hier  niu-  noch  als  Bild  verwendet 
wird.  Die  weiterschreitende  Forschung  'sWrd  zweifellos  noch 
mehr  und  weiterreichende  Beziehungen  zu  diesem  ehemaligen 
Thiermärchen  entdecken.     Quod  hamus  damus. 

Das  ^atapatha-Brähraana  III,  6,  2,  2  erzählt  Folgendes, 
welches,  da  es  Delbrück  in  seiner  Abhandlung  „Die  altindische 
Wortfolge  aus  dem  Qatapathabrähmana  (Syntaktische  Forschun- 
gen von  B.  Delbrück  und  E.  Windisch,  Heft  III,  Halle  1878) 
pag,  18  in  Transcription  und  Uebersetzung  gegeben  hat.  ich 
hier  nach  Delbrücks  Wortlaut  hinsetze: 

„Im  Himmel  war  der  Soma,  die  Götter  dagegen  hier  auf 
der  Erde.  Die  Götter  wünschten:  „möchte  doch  der  Soma  zu 
uns  kommen,  wir  möchten  dann  mit  ihm  das  Opfer  vollziehen." 
Sie  schufen  die  zwei  Zauberwesen  Suparni  und  Kadrü.  Denen 
erregten  sie  Zwiespalt.  Die  beiden  stritten  mit  einander  und 
sprachen:  „welche  von  uns  weiter  in  die  Ferne  sieht,  die  soll 
die  Herrin  sein."  Gut.  Darauf  .sprach  dann  Kadrü:  „schau  in 
die  Feme!"  Suparni  nun  sprach:  „am  jenseitigen  Ufer  dieses 
Meeres  steht  ein  weisses  Pferd  am  Pflock,  das  sehe  ich,  siehst 
du  das  auch?"  „Allerdings."  Da  sagte  aber  Kadrü:  sein  Schweif 
hängt  herab  —  jetzt  bewegt  ihn  der  Wind  —  den  sehe 
ich."  Da  sprach  Suparni:  ,.koram,  ynr  wollen  hinfliegen,  um 
zu  erfahren,  welche  von  ims  die  Herrin  ist."  Da  sprach  Kadrü: 
„fliege  du  hin,  du  wirst  uns  verkünden,  welche  von  uns  beiden 


—     175     — 

die  Herrin  ist."  Suparni  flog  hin,  und  es  war  so,  wie  Kadrü 
gesagt  hatte.  Als  sie  nun  wieder  zusammenkamen,  begrüsste 
Suparni  sie  mit  den  Worten:  „du  bist  Herrin  geworden". 
„Ich?"  „Ja,  du."  Kadrü  sprach:  „dich  habe  ich  jetzt  zur 
Sklavin  bekommen.  Wohlan!  der  Soma  ist  im  Himmel,  den 
bring"  den  Göttern  herbei,  und  damit  kaufe  ich  dich  von  den 
Göttern  los." 

Es  folgt  nun  eine  andere  Legende,  wie  Suparni  (das  Vers- 
mass)  Gäyatrt  schuf,  die  nunmehr  an  ihrer  Stelle  den  Soma 
herbeiholte.  Da  diese  Legende  mit  der  von  uns  im  Zusammen- 
hang mit  der  alten  Thiersage  betrachteten  weiter  nichts  zu 
schaffen  hat,  so  gehen  wir  über  dieselbe  hinweg  und  fassen  nur 
die  Spuren  ins  Auge,  die  uns  der  Avesta  von  derselben  hinter- 
lassen hat. 

Der  sechszehnte  Yasht  nämlich,  der  Din-Yasht  10,  11,  12 
13  und  nahezu  wörtlich  übereinstimmend  der  vierzehnte  Tasht, 
31,  32,  33  erzählen  Folgendes,  was  ich  nach  dem  Din-Yasht 
in  Spiegels  Uebersetzung  des  Avesta  (Bd.  III,    pag.  160)  gebe: 

„Zarathustra  opferte  der  richtigsten  Weisheit: 

„Damit  ihm  geben  möge  die  richtigste  Weisheit,  die  von 
Mazda  geschaffene,  reine:  Kraft  für  die  Füsse,  Gehör  für  die 
Ohren,  Stärke  für  die  Arme,  Gesundheit  für  den  ganzen  Körper 
und  die  Sehkraft,  wie  sie  besitzt  das  männliche  Pferd, 
welches  in  einer  dunkeln  Nacht,  einer  regnerischen, 
schneeigen,  eisigen,  hagelnden  neunfach  (entfernt) 
vom  Reiche  ein  auf  der  Erde  liegendes  Pferdehaar 
sieht,  ob  es  ein  Kopfhaar  oder  Schwanzhaar  ist". 

Dann  fährt  der  Yasht  nach  einer  Wiederholung  des  oben 
(abgekürzt)  vorausgeschickten  Einleitungsatzes  unmittelbar 
wieder  fort: 

„Dass  ihm  geben  möge  die  richtigste  Weisheit,  die  von 
Mazda  geschaffene,  reine:  Stärke  der  Arme,  Gesundheit  des 
ganzen  Körpers,  Gedeihen  des  ganzen  Körpers  und  die  Seh- 
kraft,   wie    sie    hat    der    goldfarbige   Geier    {kahrkdgd 


—     176    — 

zarenumamis),  welcher  neunfach  von  der  Gegend  ent- 
fernt, etwas  Graunvoiles  wie  von  der  Grösse  einer 
Faust  erblickt,  soviel  wie  den  Glanz  einer  glänzenden 
Nadel,  soviel  wie  eine  Nadelspitze". 

Dass  hier  in  der  Beschreibung  des  Pferdes,  wie  des  gold- 
farbigen Geiers  nicht  eine  gewöhnliche  allgemeine  Beschreibung 
vorliegt,  hat  schon  Spiegel  eingesehen.  In  Anm.  1  nämlich  zu 
der  entsprechenden  Stelle  in  der  Schilderung  des  Pferdes  im 
Bahräm-Yasht  bemerkt  er  (Avesta-Üebersetzung  Bd.  III,  pag.  146): 
„Ich  glaube  kaum,  dass  hier  von  einem  gewöhnlichen  Pferde 
die  Rede  ist.  Höchst  wahrscheinlich  ist  es  ein  fabel- 
haftes Thier,  von  dem  wir  nichts  Näheres  wissen." 
Aus  den  Brähmanas  erfahren  wir  leider  auch  nichts  Näheres. 
Gemäss  der  Sucht  derselben,  die  alten  Traditionen  allegorisch 
auszulegen,  erblicken  sie  in  Suparni  die  Väc,  das  Wort  als 
loyog,  in  der  Kadrü  die  Erde.  Sie  heissen  mäye,  weil  sie,  nach 
Säyana,  zur  Bethörung  der  weiberlustigen  Gandharva  {yoshü- 
hämä  gandkarväli)  geschaffen  wurden  {paravijämohana  <^aktir 
mäyä).  S.  darüber  insbesondere  Weber,  Indische  Studien  Bd.  1, 
pag.  224,  Anm.  2.  Allein  wenn  wir  in  Betracht  ziehen,  dass 
inä/ye  ein  durch  die  Tradition  sanctionirtes  episches  Epitheton 
Omans  ist,  so  kommen  wir  auch  vom  Standpunkte  dieses  mäyd 
aus  nur  wieder  zu  dem  Schlüsse,  zu  dem  Spiegel  in  der  oben 
angeführten  Anmerkung  gelangt  ist,  dass  es  sich  hier  um  Reste 
einer  sonst  verschollenen  Thiersage  handelt. 

Vor  allem  fällt  es  auf,  dass  die  indische  Tradition  die  beiden 
Thiere  —  denn  soviel  ist  sicher,  dass  auch  Kadru  nur  ein 
Thier  sein  kann  —  als  Feminina  auftreten  lässt,  während  die 
zarathustrische  Sage  dieselben  masculin  behandelt.  Ich  möchte 
die  iranische  Fassung  für  die  ältere,  die  indische  für  die  jüngere, 
vielleicht  schon  im  Hinblick  auf  die  allegorische  Ausdeutung 
auf  F(Äc  und  iÄa?/w' umgemodelte  halten.  Denn  die  älteste  indische 
Tradition,  die  des  Rigveda,  kennt  keine  Supann,  sondern  nur 
einen  Suparna,  den  dt'nya  suparna,   den  schöngefiederten  Hirn- 


—     177     — 

melsvosel  und  zwar  im  Sinne  eines  Adlers  oder  Geiers,  der 
vielfache  Beziehungen  hat,  nämlich  hald  zur  Sonne,  bald  zum 
Mond,  bald  zu  Agui,  bald  zu  den  Somapresssteinen,  bald  zu 
Soma  selbst. 

Nicht  so  durchsichtig  wie  der  Geier,  Suparna,  resp.  Siiparni, 
ist  Kadrü.  Das  adj.  kadru,  zeud.  hadrva,  bedeutet  schwarz- 
gelb, braun.  Wer  ist  die  Braune?  Ich  möchte  mit  Rücksicht 
auf  die  beiden  Thiere  in  den  Yashts,  in  Kadrü  eine  Stute  er- 
kennen. Denn  (s.  schon  mein  Iran  und  Turan  pag.  95)  der 
Bimdehesh  22,  4  kennt  einen  Berg  Kadrvoacpa,  im  Huzväresh 
K(mderdgp  „schwarzbraune  Pferde  habend.*'  Der  Berg  liegt 
nach  dem  Bundehesh  bei  Tüs  an  den  Quellen  des  Tedschend. 
Ich  habe  a.  a.  0.  in  „Iran  u.  Turan-  den  im  Rigveda  X,  94  er- 
wähnten Arbuda  Kddraveya  verglichen.  Ergiebt  sich  diese 
Deutung  der  Kadrü  als  einer  „schwarzgelben  Stute"  als  richtig, 
so  klärt  sich  dann  vielleicht  auch  die  Angabe  der  indischen 
Tradition  auf,  Kadrü  sei  die  Gemahlin  des  Kagyapa,  die  Toch- 
ter des  Daksha  gewesen.  Der  heüige  Kacyapa  steht  sonst 
niemals  in  Verbindung  mit  Pferden,  sondern  vielmehr  mit 
Vögeln.  Wie  nun,  wenn  der  Zendname  des  goldfarbigen 
Geiers  in  den  Yashts,  wenn  der  kahrkdga  zarenumaini  in  Folge 
des  Anklangs  von  *kä^a  an  *Kagya  volksetymologisch  auf  den 
Kacyapa  bezogen  worden  wäre?  Einer  ähnlichen  Deutung 
scheint  mir  auch  die  Angabe  der  indischen  Tradition  zugäng- 
lich, wonach  Kadrü  die  Tochter  des  Daksha  gewesen  sei. 
SoUte  das  nicht  einfach  eine  brahmanische  Zurechtlegung  der 
Beschreibung  der  Kadrü  sein:  Kraft  für  die  Füsse,  Starke 
für  die  Arme,  Gesundheit  für  den  ganzen  Körper,  Ge- 
deihen für  den  ganzen  Körper?  Denn  im  Rigveda  bedeu- 
tet das  adj.  daksha  (vgl.  Grassmanns  Wörterbuch  zum  Rigveda 
pag.  570):  tüchtig,  kunstreich,  kräftig,  stark,  weise; 
alsSubst.  m.:  Tüchtigkeit,  Kraft,  Verstand,  Wohlwollen, 
als  Eigenname  bezeichnet  es  einen  des  Aditya- Götter. 

Sollte  sich  diese  Auffassung  bewähren,  so  müsste  auf  eine 

Brunnhofer,  Vom  Aral  bis  zur  Gangä.  12 


—     178    — 

direkte  Einwirkung  der  Yashts  auf  die  brahmanische  Tradition 
im  ^atapatha-Brähmana  geschlossen  werden,  andrerseits  wären 
wir  auch  historisch-geographisch  über  die  Urheimat  der  Kadrü^ 
als  schwarzgelber  Stute,  orientirt.  Die  Beziehung  endlich 
auf  den  Ka^yapa,  den  ich  in  „Iran  u.  Tiiran"  pag.  61  als  einen 
altem  Berggott,  als  die  Personification  des  Kdo/iiov  oqog,  des 
Demävend,  nachgewiesen  habe,  würde  wiederum  zu  der  Lage 
des  an  schwarzgelben  (kadru)  Pferden  reichen  Berges  Konde- 
rä9p  bei  Tüs  im  alten  Parthien  vortrefQich  stimmen. 


YI.  Klietorisclie  Formeln  des  ßigveda. 

1.  Formeln  des  Hasses  im  Veda. 

In  Kakfhivant  Dairghatamasa's  wunderbar  herrlichen  Hym- 
nus auf  die  Morgenröthe  (Rigveda  T,  124^  preist  der  Dichter  die 
schrankenlose  Güte  der  Ushas,  indem  er  von  ihr  Strophe  6  singt: 

ev4d  eshd  purutämä  drice  kam    . 
ndjdmim  na  pari  vrinahti  jdmim  | 

„So  bietet  sie  sich  reichlich  zum  Beschauen 

Dem  Fremden  gönnt  sie  Gleiches  wie  dem  Eignen"  (Roth). 

Und  so  auch  lobt  ein  Dichter  des  Atharvaveda  (XIII,  4, 
41;  42)  den  Maghavan,  den  Indra 

.•i'i  stanayati  sä  vi  dyotate  sd  u  ägmdnam  asyati  |j  4:1  |j 
pdpdya  vd  bhadrdya  vd  purushdydsurdya  vd  \\  42  1| 

Er  ist's,   der  donnert,   er  der  blitzt,   er  schleudert  seinen 

Wetterstrahl 
Dem  Bösen  wie  dem  Guten,   so  dem  Menschen  wie  dem 

Unhold  an. 

So  kennt  die  indische  Urzeit  schon  zwei  Jahrtausende  vor 
Christus  den  erhabenen  Standpunkt,  von  dem  aus  Christus,  nach 
Matthäus  V,  45,  von  Gott  gesprochen  hat:  Er  lässt  seine  Sonne 
scheinen  über  Böse  und  Gute.  S.  schon  Geldner  u.  Kaegi,  S.  L. 
d.  R.,  pag.  37. 

Die  weitaus  überwiegende  Stimmung  freilich,  die  den  Inder 
des  Veda  in  Bezug  auf  den  Fremden  und,  was  für  die  Urzeit 
damit  eins  und  dasselbe  ist,  in  Bezug  auf  den  Feind  selbst  er- 

12* 


—     180    — 

füllte,  ist  glühender  Hass,  der  am  Gegner  kein  Stäubchen  unan- 
getastet wissen  will.  Dieser  urheidnische  Hass  gegen  den  Feind 
hat  dem  Sanskrit- Arier  des  Veda  als  etwas  so  Selbstverständ- 
liches gegolten,  dass  er  sich  sogar  in  conventioneUe  Formeln 
eingesponnen  hat.  Diese  Formeln  kehren  insbesondere  im  Athar- 
vaveda  und  in  der  Taittiriya-Samhitä  so  häufig  wieder,  dass 
man  wohl  sagen  kann,  dieselben  machen  einen  Theil  der  vedi- 
schen  Rhetorik  aus.  Und  da  eine  solche  noch  zu  den  frommen 
Wünschen  gehört,  so  mag  die  Zusammenfassung  der  Formeln 
des  Hasses  einen  kleinen  Beitrag  zu  einer  solchen  wohl  auch 
noch  kommenden  Rhetorik  des  Veda  büden. 

Wohl  die  mildeste  Formel,  in  welcher  der  Hass  des  vedischen 
Inders  sich  äussert,  ist  der  Wunsch,  der  sich  im  Pintschgauerlied 
an  den  heiligen  Florian  mit  der  Bitte  richtet:  „Verschone  unsre 
Häuser,  zünd'  andre  Leute  an."  So  lautet  ein  Wunsch  in  Ath. 
Veda  VI,  93,  2:  anydträsmad  agluivishä  nayanta  ,.sie  (der  Höllen- 
gott Yama,  der  Tod  {mrityu),  der  schlimmen  Tod  bringende 
Verderber,  der  braune  (^arva  (Rudra),  der  schwarzlockige  Schütze) 
sie  mögen  die,  verderbliches  Gift  führenden  (Schlangen)  anders- 
wohin geleiten  als  zu  uns."  So  auch  wird  der  Gott Qarva-Rudra  Ath. - 
Veda  XI,  2,  19  angefleht:  anydträsmad  divyam  gähhdm  v(  dhunu 
„schüttle  den  himmlischen  Zweig  (den  Blitz)  anderswo  als  bei  uns." 
Und  unmittelbar  darauf  Strophe  2(1 :  anyatrdsmadvidyutam  patayai- 
tdm  „lass  diesen  Blitz  anderswo  als  bei  uns  niederfallen !"  Und  von 
der  Liebesgöttin  Anumati  wird  Ath.-V.  VI,  11,  3  gewünscht:  strai- 
shüyam  anyatra  dadkat pumäiisavi  udadhadiha  „möge  sie  anders- 
wo ein  Mädchen  schenken,  hier  gewähre  sie  doch  einen  Knaben." 

Schärfer  schon  wird  die  Tonart  in  folgenden  Verachtungs- 
formeln. Ath.-V.  X,  5,  15  =  XVI,  1,  5  lautet  sie:  ithia  täm 
abhyatisrijämo  yo  ^»viän  dv^h(i  ydin  vaydm  dvismdh  „mit  ihm 
(dem  Agni)  wollen  wir  (verachtungsvoll)  an  dem  vorübergehen, 
der  uns  hasst  und  den  wir  hassen."  Geradeso  in  Taittiriya  Sam- 
hitä  lU,  5,  '6:  yh  'sinän  dvSsh(.i  ydm  ca  vaydm  dvishvw  vishnoh 
hrdmend  'ty  endn  hramämi  „wer  uns  hasst  und  den  wir  hassen, 


—     181     — 

über  den  wollen  wir  mit  dem  (raschen)  Schritte  (des  Sonnen- 
gottes), Vishnu's  hinwegsckreiten." 

Der  Widersacher  muss  runter,  sei  es  in  die  HöUe,  unter 
die  Füsse  oder  ins  Gefängniss.  Taitt.  Samh.  I,  6,  12:  adhaspa- 
ddm  tarn  im  kridhi  yo  asmän  abhiddsati  „tritt  den  unter  die 
Füsse,  der  uns  nachstellt.-'  Taitt.  Samh.  I,  1,  9:  yo  'smdn 
dvS^hii  yäin  ca  vaydm  dvtskmus,  tdin  dto  mä  mauy  „den  der  uns 
hasst  und  den  wir  hassen,  den  lass  von  hier  nicht  mehr  los!" 
Taitt.  Samh.  111,  1,  4:  aräti'ydntam  ddharain  knnomi  ydm  dvish- 
mds  tdsmin  prati  muncdmi  pdqam  „den  Widersacher  bringe  ich 
unter  mich,  um  den  wir  hassen,  dessen  Fessel  ziehe  fest  an!" 
Die  Widersacher  mögen  zur  HöUe  fahren!  Taitt.  Sanah.  I,  3,  9: 
iddin  ahdm  räksho  'dkamdm  tdmo  nayämi,  yo  'smän  dvesh^i  ydm 
ca  vaydm  dvishmd,  iddm  enam  adhamdm  tdmo  naydmi  „dieses 
Rakshaspack  bringe  ich  ins  tiefste  Dunkel,  den  der  mich  hasst 
imd  den  wir  hassen,  hier  in  dieses  tiefste  Dunkel  hinunter  will 
ich  ihn  schaffen." 

Noth  und  Elend  sollen  den  Feind  aufreiben!  Taitt.  Samh.  I, 
3,  11:  (pxy  asi,  tarn  ahhi  goca  yo  'smdn  dveslifi  ydm  ca  vaydm 
dvishmus  „du  bist  die  Sorge,  quäle  den  mit  Noth  und  Sorgen, 
der  uns  hasst  und  den  wir  hassen. -^  Taitt.  Samh.  V,  4,  4,  2: 
ydm,  evd  dveshfi,  tarn,  asya  hshudhd  ca  riccd  cd  'rpayati  „wen 
er  hasst,  den  peinigt  er  mit  Hunger  und  Sorge." 

Auch  die  Zauberei  dient  zur  Bedrohung.  Ath.-V.  II,  11,  3: 
prdti  tarn  ahhi  cara  yo  ^smän  dvSshti  ydm  vaydm  dvishmds  „mit 
Gegenzauber  tritt  dem  entgegen,  der  uns  hasst  und  den  wir 
hassen!"  Ath.  V.  XVI,  6,  4:  ydm  dviskmo  yd^  ca  no  dvSsh{i 
tasmd  enad  gamaydmah  „den  wir  hassen  und  der  uns  hasst, 
den  lasst  uns  zauberisch  yerwaudeln."  Ath.  VII,  13,  1:  ydthä 
suryo  ndkshatrdndm  udyans  tejdnsy  ddade,  evd  stnnäm  ca  pun- 
sdm  ca  dvtshatdm  vdrca  d  dade  „Wie  die  Sonne  bei  ihrem 
Aufgang  den  Sternen  (eig.  den  Mondhäusem)  den  Glanz  nimmt 
(so  dass  sie  verschwinden),  so  wiU  auch  ich  die  Lebenskraft  der 
mich  hassenden  Weiber  und  Männer  auslöschen." 


—    182    — 

Noch  kräftiger  als  Zauber  wirkt  Gift.  Taitt.  Samh.  I,  4,  45: 
sumitra  na  äjja  oshadJtayali  santu,  durnuträs  ta^mai  bhüyäsur 
yö  'smdn  dvSshfi  yäm  ca  vaydm  dvishmds  „freundgesinnt  sollen 
uns  die  Kräuter  sein,  feindgesinnt  sollen  sie  sein  dem  der  uns 
hasst  und  den  wir  hassen." 

Lieber  aber  den  Feind  gleich  ersticken  lassen!  Ath.-V.  VII, 
31,1:  yo  no  dvSshfi  ddharah  sam  padishta  ydm  u  dvtshmas  tarn 
u  pränö  fahdtu  „der  uns  hasst,  möge  zur  Hölle  fahren,  den  wir 
hassen,  dem  möge  der  Lebensathem  ausgehen!"  Ath.  VII,  81,  5: 
yö  'smdn  dvSs7i(t  ydm  vaydm  dvishmas  tdsyat  tvdm  2^^dnSna 
pydyasva  „der  uns  hasst  und  den  wir  hassen,  den  lass  ersticken!" 

Unter  die  Zähne  des  Verderbens  mit  dem  Feinde!  Taitt.- 
Samh.  IV,  5,  11,  2:  fe  ydm  dvishmö  yd<;,  ca  no  dvSsh(i  tdm  vo 
jdmbhe  dadhämi  „der  den  wir  hassen  und  der  uns  hasst,  den 
lege  ich  auf  euren  Zahn,  Unholde."  Geradeso  T.  S.  IV,  4,  3,  3. 
IV,  5,  10,  1;  2. 

Hals  abschneiden!  Taitt.  Samh.  I,  3,  1:  yo  'smdn  dv4sh(i 
ydm  ca  vaydm  dvishmd,  idd^n  asya  grivd  dpi  hrintdmi  „er  (der 
Räkshasa),  der  uns  hasst  und  den  wir  hassen,  dessen  Kopf  will 
ich  abschneiden."  So  auch  T.  S.  VI,  1,  8,  4.  VI,  2,  10,  1.  Den 
Hals  wiU  ich  ihm  brechen!  Taitt.  Samh.  I,  6,  5:  nirhhaktah  sä 
ydm  (^vzsÄmas „zerschmettert  werde  er,  den  wir  hassen!"  So  auch 
T.  S.  IV,  2,  1.  Und  Ath.-V.  III,  6,  1;  3;  5  wird  die  Ficus  reli- 
giosa,  A^vattha,  angerufen:  sd  hantu  gdtrün  mdmahdn  ydn  ahdm 
dvishmi  y&  ca  mdm  „möge  er  meine  Feinde  todtschlagen ,  die, 
die  ich  hasse  und  die,  die  mich  hassen." 

Besser  ist  noch,  gleich  ins  Feuer  mit  den  Widersachern! 
Ath.  V.  n,  19,  1:  agne  ydt  tS  tdpas  tSna  tdm  prati  tapa  y6 
'smdn  dvSshii  ydin  vaydm  dvishmah  „Agni,  die  Glut,  die  in  dir 
ist,  mit  der  verbrenne  den,  der  uns  hasst  und  den  wir  ha.ssen." 
Taitt.  Sa  ,h.  IV,  1,  10:  yi  stenä  yS  ca  tdskards  tdns  te  agn6 
'pi  dadhdmy  dsrtje  „die  Diebe  und  die  Räuber,  die  überliefere 
ich  deinem  Rachen  (Feuergott)."  Taitt.  Samh.  IV..  1,  10:  y6 
asmdhhyam  ardttydd  yd^  ca  no  dv^sliate  jdnaTj,  nfnddd  yo  asmdn 


—     183    — 

dtpsäc  ca  sdrvam  tarn  masmasd  kuru  „wer  uns  hinterlistig 
nachstellt,  wer  uns  hasst,  wer  uns  mit  Neid  verfolgt  oder  uns 
schädigen  möchte,  den  verwandle  in  Asche!" 

2.   Die  Wiederholung  des  Refrains  im  Anfangsvers  der 
folgenden  Strophe. 

Eine  rhetorische  Formel  des  Rigveda. 

Richard  Heinzel  hat  in  seinem  inhaltsreichen  Büchlein 
„Ueber  den  Stil  in  der  altgermanischen  Poesie"  (Strassbui^  1875) 
far  die  altgermanische  Poesie  eine  Reihe  rhetorisch-poetischer 
Formeln  aufgestellt,  deren  besonders  auflföllige  Wiederkehr  in 
der  Sagaliteratur  der  Norweger,  der  altsächischen  und  angel- 
sächsischen Literatur  ihr  Prototyp  in  der  Sprache  des  Rigveda 
findet.  Heinzeis  Entdeckung  dieser  Formeln  ist  für  die  Inter- 
pretation des  Rigveda  vielfach  werthvoll,  weil  pfadweisend.  Es 
ist  ihm  jedoch  eine  der  wichtigsten  Formeln  altindogermanischer 
Poesie  entgangen,  nämlich  die  Formel:  Die  Schlusszeile  einer 
Strophe  wird  in  der  Anfangszeile  der  folgenden  Strophe  wieder- 
holt. Die  Beispiele,  die  ich  nachfolgend  gebe,  sind  natür- 
lich bei  weitem  nicht  vollständig.  Zunächst  wird  es  nichts 
schaden,  wenn  ich  meine  Formel  an  der  Hand  des  deutschen 
Volksliedes  darstelle.  In  Goedeke's  und  Tittmanns  Deutschen 
Volksliedern  des  sechszehnten  Jahrhunderts  (Lpz.,  1867)  lauten 
die  drei  ersten  Strophen  des  Liedes  4  (pag.  11)  also: 

Schein  uns  du  liebe  Sonne, 
Gieb  uns  ein  hellen  Schein, 
Schein  uns  zwei  Lieb  zusammen, 
Ei,  die  gerne  bei  einander  wollen  sein. 

Dort  ferne  auf  jenem  Berge 

Leit  sich  ein  kalter  Schnee, 

Der  Schnee  kann  nicht  zerschmelzen, 

Denn  Gottes  Wille  der  muss  ergehn. 


—     Ib4     — 

Gottes  Wille  der  ist  ergangen, 
Zerschmolzen  ist  der  Schnee, 
Gott  gesegne  dich,  Vater  und  Mutter, 
Ich  seh  euch  nimmermehr. 

Wie  tief  diese  Formel  ins  deutsche  Volksbewusstsein  ein- 
gedrungen ist,  beweist  zum  Beispiel  das  schöne  Soldatenlied, 
das  man  von  den  Emmenthaler  Bauern  des  Kantons  Bern  bis 
hinauf  bei  den  deutschrussischen  Rekruten  Livlands  hören  kann, 
und  welches  ich,  der  ausländischen  Leser  wegen,  hier  folgen 
lasse  als,  meines  Wissens,  classischestes  Beispiel  für  meine  Fonnel. 

0  Strassburg,  o  Strassburg! 
Du  wunderschöne  Stadt! 
Darinnen  liegt  begraben 
So  mannicher  Soldat. 

So  mancher  und  schöner 
Auch  tapferer  Soldat, 
Der  Vater  und  lieb  Mutter 
Böslich  verlassen  hat. 

Verlassen,  verlassen, 
Es  kann  nicht  anders  sein! 
Zu  Strassburg,  ja  zu  Strassburg, 
Soldaten  müssen  sein. 

Der  Vater,  die  Mutter, 
Die  gieng'n  vor's  Hauptmann's  Haus, 
Ach  Hauptmann,  lieber  Hauptmann, 
Gebt  mir  meinen  Sohn  heraus! 

Euern  Sohn  kann  ich  euch  nicht  geben 

Für  noch  so  vieles  Geld; 

Euer  Sohn  und  der  muss  sterben 

Im  weit'  und  breiten  Feld. 


—     185    — 

Im  weiten,  im  breiten, 

Wohl  draussen  vor  dem  Feind, 

Wenn  gleich  sein  schwarzbrauns  Mädichen 

So  bitter  um  ihn  weint. 

Sie  weinet,  sie  greinet, 
Sie  klaget  also  sehr: 
Ade,  mein  allerliebst  Schätzichen! 
Wir  sehn  uns  nimmermehr! 

Vgl.  auch  das  von  Goethe  übersetzte  und  unter  seine  Ge- 
dichte aufgenommene  itahenische  Volkslied:  „0  gieb  vom  weichen 
Pfuhle  Träumend  ein  halb  Gehör"  u.  s.  w. 

Nunmehr  die  Formel  im  Rigveda.  Vi9vämitra  hält  HI,  33, 
9;  10  Zwiesprach  mit  den  Flüssen: 

6  shii  svasdrah  l'drdve  grinota 
yayaü  vo  düräd  änasd  rdthena  | 
ni  shü  namadhvam  bhdvatä  supdrd 
adhoakshdh,  sindhavah  srotydbhih  ||  ^  | 

ä  te  hdro  grinavdmd  vdcdnsi 
yaydtha  dürdd  dnasd  rdthena  \ 
ni  te  nansai pipydnSva  yoshd 
Tudrydyeva  hanyd  cacvaccu  te  |j  10  jj 

In  der  üebersetzung  von  Geldner  und  Kaegi  (Siebenzig 
Lieder  des  Rigveda,  Tübingen  1875,  pag.  133)  lauten  diese 
Strophen  also: 

Vi^vämitra: 
Und  ihr,  ihr  Schwestern,  merket  auf  den  Sänger: 
Von  ferne  kam  ich  her  mit  Ross  und  Wagen. 
Drum  neiget  euch  und  macht  mir  leicht  den  Durch- 
gang, 
Und  netzt  die  Achsen  nicht  mit  euren  Wellen. 


—     186    — 

Die  Flüsse: 
Wir  merken  wohl,  o  Sänger,  deine  Worte, 
Von  Ferne  kamst  du  her  mit  Ross  und  Wagen, 
Ich  neige  mich  und  öffne  meine  Arme 
Für  dich,  wie  für  den  Mann  die  blühnde  Jungfrau. 

In  Rigveda  IV,  26,  6  und  7  holt  der  Adler  vom  höchsten 
Grebirg  herunter  einen  Somastengel: 

rijzpz  gyenö  dddamäno  angäm 
pardvätdh  gakunö  mandräm  mddam  \ 
somam  bharad  dädi-ihänö  devävän 
divö  amiishmäd  littaräd  ddäya  ||  6  || 

ddaya  gyenö  abharat  somam 
sahdsram  savän  ayutam  ca  säham  \ 
uträ  pHramdhir  ajalidd  drdtir 
meide  sömasi/a  milrä  aviuräh  [[  7  || 

6.  Gestreckten  Fluges  den  Somastengel  ergreifend  hat  der 
Vogel  den  erfreuenden  Rauschtrank,  den  Soma  von  fernher 
gebracht,  fest  ihn  fassend,  er  der  götterhafte,  ihn  vom  höch- 
sten Himmel  dort  oben  holend. 

7.  Den  Soma  holend  hat  der  Adler  denselben  her- 
gebracht, zu  tausend  Rauschtränken,  ja  zu  Myriaden.  Nun- 
mehr möge  Puramdhir  im  Somarausche  die  Unholdinnen  ver- 
jagen, die  Maren,  er  der  nichts  mit  den  Maren  zu  schaffen  hat. 

In  Rigv.  IV.  30,  10  und  11  besingt  Vämadeva  die  Nieder- 
lage der  Königin  des  Abendlandes,  der  Ushas  (vgl.  Iran  u.  Turan 
pag.  208 — 217,  Uebersetzung  von  Geldner  und  Kaegi); 

dposhd  dnasall  sarat 

sdmpishfdd  aha  bibhyusM 

ni  yät  sim  figndthad  vrishd  ||  10  \\ 

dtdd  asyd  du  ah  gaye 
susampish(am  vfpdgy  d  \ 
sasdra  sim.  pardvdtah  ||  11  || 


—     187     — 

Die  Ushas  sprang  vom  Wagen  ab, 

Von  dem  zerschmetterten,  voll  Angst, 

Als  ihn  zusammenhieb  der  Stier.  10. 

Ja,  argzerschmettert  liegt  er  da, 

Ihr  Wagen  tief  in  der  Vipä^, 

Sie  fuhr  ihn  aus  der  Feme  her.  11. 

In  Rigveda  V,  85,  3;  4  rühmt  der  Rishi  Atri  die  befruch- 
tende Thätigkeit  des  regenspendenden  Götterkönigs  Varuna: 

nicinabdram  vdrunah  Tcdbhandham 

prä  sasarja  rodasi  äntdnkshavi  \ 

tSvui  vigoasya  hhwranasya  rdjä 

ydvani  nd  i^i-ishtir  vy  unatti  bhüma  [j  3  || 

undtti  bhümim  prithivim  utd  dydm 
yadd  dugdhdm  vdruno  vdshty  ad  it  \ 
sdm  abhrSiia  vasata  pdrvatdsas 
taviskiydntah  grathayanta  virdh  \  4  || 

im  dm  IC  shv  dsurdsya  gnitdsya 
mahtm  maydm  vdrunasya  prd  vocam  | 
maneneva  tasthivdn  antdrikshe 
vi  yo  mamS  pi-ithwtm  süryena  H  <5  | 

im  dm  ü  nü  havitama»ya  mdydm 
m.akiin  devdsya  ndkir  d  dadharsha  \ 
ikam  ydd  udnd  nd  prindnfy  Snir 
dsincantir  avdnayah  samudrdm  ||  6  || 

Den  Wolkenschlauch  nach  unten  hängen  lassend 
Goss  Varuna  den  Himmel  und  die  Erde, 
Mit  ihm,  als  wie  des  Feldes  Frucht  der  Regen, 
Bespritzt  der  Herrscher  aller  Welt  den  Boden.  |{  3  | 


—     188    — 

Bespritzt  den  Boden,  Erde  und  den  Himmel, 

Wenn  Varuna  die  Lust  nach  Milch  anwandelt, 

In  Wetterwolken  hüllen  sich  die  Berge, 

Und  rüst'ge  Männer  lockern  dann  den  Schlauch  ihm  ||  4  | 

Und  dieses  auch,  des  hochberühmten  Gottes 
Gewaltges  Wunder  Varuna's  lobpreis  ich: 
Der,  wie  mit  einem  Massstab  in  der  Luft  steh'nd, 
Der  Erde  Weiten  ausmass  mit  der  Sonne. 

und  auch  an  dies,  des  weisesten  der  Götter 
Gewalt' ges  Wunder,  hat  Niemand  gewagt  sich: 
Dass  aller  Ströme  schwellende  Gewässer 
In  Ein  Meer  sich  ergiessend,  es  nicht  füllen. 

Andere  solche  Wiederaufnahmen  des  Refrains  einer  Strophe 
im  Anfangssatze  der  unmittelbar  folgenden  Strophe  begegnen 
insbesondere  zahlreich  im  X.  Mandala  des  Rigveda.  Ich  mache 
auf  folgende  Beispiele  aufmerksam. 

Rigveda  X,  98,  2;  3;  4: 

d  devö  dütö  ajiräg  cikitvdn 
tvdd  deväpe  ahlii  onäm  agacliat  \ 
praticinah  prdti  mdni  d  vavi^ttsva 
dddhämi  te  dyumdtim  väcam  dsdn  ||  ^  ||  , 

asmS  dheJn  dyuindtiin  vdcam  dsu)i 
brihaspate  anamwam  isliirdm  \ 
ydyd  w-ishffm  gdmtanave  vdndva 
div6  drapso  mddhumdn  a  vivega  ||  3  || 

d  no  drapsd  madhumanto  vigantv 
indra  deliy  ddhiratham  salmsravi  \ 
n{  sMda  hotrdm  ii'tufhd  yajasva 
devan  devdpe  hat^tshd  saparya  ||  4  || 


—     189     — 

Von  dir,  Deväpi,  ist  der  Gotterbote, 
Der  schnelle,  kundige,  zu  mir  gekommen. 
Wende  doch  huldvoll,  her  zu  mir  dein  Antlitz 
Glanzvolle  Stimme  leg  ich  in  den  Mund  dir. 

Lege  glanzvolle  Stimme  in  den  Mund  uns, 
Brihaspati,  nicht  schwache,  sondern  kraft'ge, 
Durch  die  wir  dem  Camtanu  Regen  wirken, 
Der  süsse  Himmelstropfe  ist  gefallen. 

Mögen  zu  uns  die  süssen  Tropfen  fallen! 
Indra,  gieb  tausendfache  Wagenlast  uns! 
Sitz  nieder  zu  den  Opfer  nach  der  Satzung! 
Deväpi,  ehr   die  Götter  opferspendend! 

Rigveda  X,  109,  6;  7: 

pünar  vai  devd  adaduJi 
pünar  manusJiyd  utd  \  • 

räjänali  satyä  m  kr  in  vänä 
hrahtnajdydim  pundr  daduli  jj  6  \ 

punardäya  brahmajdydm 
hritvt  devair  nikilhishäm  \ 
ürjam  pi-ithivyd  bhahtvdya 
urugdydm  updsate  \  7  || 

Die  Götter  gaben  sie  zurück, 
Zurück  die  Menschen  ebenfalls. 
Die  Könige,  dem  Versprechen  treu, 
Entliessen  die  Brahmanenfrau. 

Haben  sie,  die  Brahmanenfrau 
Entlassend,  so  die  Schuld  gesühnt, 
Geniessen  sie  der  Erde  Mark 
Und  steigen  auf  zu  Macht  und  Ruhm. 


—     190    — 

Rigveda  X   135,  1—2;  5—6: 

Ydsmin  vrikshS  su2)aläg6 
devaih  sampibate  yamdh  \ 
dtrd  yo  vigpätili  pitd 
purdnan  dnu  venati\\  1  j| 

purdndn  anuvSnantain 
carantam  pdpäydmuyd  \ 
asüyänn  abhy  acdkaijam 
täsmd  asprikayam  puncüj,  \2\ 

hall  humdrdin  ajanayad 
rdtham  kö  nir  avartayat  \ 
hdli  svit  täd  adyd  no  brüydd 
anudSyi  ydthdhhavat  ||  «5  || 

ydthdbhavad  anudeyi 
tdto  dgram.  a^dyata  | 
purdstdd  budhnd  dtatali 
pagcdn  nirdyanam  ki-ttam  \\  6  || 

Dort  auf  dem  schönbelaubten  Baum, 
Wo  Yama  mit  den  Göttern  zecht, 
Dort  huldigt  er,  des  Hauses  Herr. 
Der  Vater,  seiner  Ahnen  Brauch. 

Den  seinen  Ahnen  huld'genden, 
Ins  böse  Dort  hinwandelnden, 
Sah  ich  mit  Widerwillen  an 
und  sehnte  mich  ins  Hier  zurück. 

Wer  hat  den  Knaben  denn  gezeugt? 
Den  Wagen  wer  in  Gang  gesetzt? 
Wer  wohl  verriethe  heut'  uns  das, 
Wie  die  Brautjungfer  damals  war? 


—     191    — 

Wie  die  Brautjungfer  damals  war, 
So  kam  die  Spitze  auch  zur  Welt, 
Vorn  dehnte  sich  der  Boden  aus 
Nach  hinten  kam  der  Ausgang  hin 

Rigv.  X,  165,  2.  3: 
givdh  hapota  ishito  no  astv 
andgd  deväh  ^dkuno  grihSshu 
aynir  M  vipro  jushätäin  havtr  nah 
pari  hetfh  pakshini  no  vrinaktu  ||  2  \ 

h,et(h  pahshini  nd  dabhdty  asmän 
dshtryäm  padäm  Tcrinute  agnidhdne  \ 
gdin  no  gohhyag  ca  püi'ushebhyag  cäslu 
mä  no  hinsid  ikä  deväh  hapotah  ||  3  || 

Heilvoll  sei  uns  die  rasche  Taube,  Götter, 
Nicht  unheilvoll,  der  Vogel  in  den  Häusern! 
Agni,  der  Sänger,  koste  unser  Opfer! 
Möge  der  Pfeil,  beflügelt,  uns  verschonen. 

Der  Pfeil,  beflügelt,  mög'  uns  nicht  verwirren; 
Nimmt  er  doch  seinen  Platz  am  Feuerherde. 
Mög'  er  uns  gnädig  sein,  den  Kühn  und  Menschen, 
Mög'  uns  die  Taube,  Götter,  hier  nicht  schaden. 

So  auch  Atharvaveda  VI,  S9,  1  und  2a: 

idäm  ydt  prenyäh  giro 

dattam  soinena  vrishnyam  \ 

tätah  pari  prdjätena 

härdivi  te  ^ocdyämasi\  1  || 

gocdyämasi  te  härdim 

Qocdyämasi  te  mdnah  \ 
„Dieser  dein  Kopf,  der  durch  den  Soma  stierkräftig  gemacht 
werden  ist,  aus  dem  setzen  wir  dein  Herz  in  Glut  mit  (?) 
aus,    wir    setzen    in    Glut    dein   Herz,    setzen    in    Glut 
deine  Seele.  "^ 


—    192    — 

3.  Aelteste  Quelle  des  Bildes:  Der  Staat  ein  Schiff. 

Unter  die  populärsten  Bilder  der  Weltliteratur  gehört  wohl 
das:  Der  Staat  ist  ein  Schiff,  dessen  Wohlfahrt  oder  Untergang 
von  der  Ruhe  oder  der  Aufgeregtheit  der  im  Volke  herrschenden 
Zustände  abhängt.  Wohl  die  zierlichste  Form  hat  es  in  dem 
Triolet  des  französischen  Dichters  Rivarol(  1754 — 1801)  gefunden; 

Un  grand  royaume  est  un  vatsseau, 

Dont  le  monarque  est  le  pHote; 

Gravons  le  bien  dans  le  cerveau: 

Un  grand  royaume  est  un  vaisseau. 

8i  le  nocher  tombe  ä  vau-l  'eau, 
Au  hasard  le  navire  flotte: 
Un  grand  royaume  est  un  vaisseau 
Dont  le  monarque  est  le  pilote. 
Möglich  dass  Rivarol  sich  unmittelbar  an  die  Ode  des  Ho- 
raz,  Carmina  I,  14  anlehnte: 

0  navis,  referent  in  mare  te  novi 
Fluctus!  u.  s.  10. 
Dem  Horaz  selbst  mag  seinerseits  die  Ode  seines  Vorbilds 
Alcaeus,  Fragm.  18  (ed.  Bergk^,  pag.  574)  vorgeschwebt  haben: 
^AowkirifAt,  rwv  dvef.i(ov  aiäoiv 
t6  ixEv  yotQ  evd^ev  yiv^ia  TivXiidezai, 
t6  d'  i'vd-ev  aftf^eg  J'  ov  tb  ^ioaov 
vui  (fOQr^(.iad^a  ovv  ^leXaLv^y 

'/et(.uüvi  (.lOxiyBvxeg  fieyalq)  fidka'  x.  z.  /. 

Das  Bild  war  im  Alterthum  auch  sonst  sehr  populär.  Orelli 
in  seinem  Excursus  zur  horazischen  Ode  I,  14  weist  dasselbe 
nach  bei  Archilochus,  Aeschylus,  Theognis,  Plato,  Polybius  und 
Cicero.  Das  Bild  ist  aber  weit  älter,  (denn  wiewohl  es  mir 
nicht  einfällt,  hier  einen  bewussten  oder  unbewussten  Zusammen- 
hang mit  Indien  aufzustellen)  es  begegnet  uns  schon  im  Atharvaveda, 


—     193    — 

1000  Jahre  vor  Christus.  In  einem  langen  Spruch  nämlich,  in  wel- 
chem die  greulichen  Folgen  geschildert  werden,  die  über  ein 
Reich  hereinbrechen,  wo  man  sich  gegen  die  Priesterschaft  feind- 
selig verhalte,  Ath.  V.,  19,  8  (vgl  darüber  schon  mein  Iran  und 
Turan  pag.  125)  heisst  es: 

tad  vai  räsh(ram  ä  sravati  nävavi  bhinnäm  ivodakam  \ 
brahmdnavi  ydtra  hiinsanti  tad  räshtrain  hanti  duchünd  ||  8  || 

Das  Reich  geht  unter  wie  ein  Schiff,  ein  leckes,   in  das 

Wasser  dringt, 
Wo  man  den  Priesterstand  verfolgt,    das  Reich  sucht  das 

Verderben  heim. 

S.  die  Uebersetzung  des  ganzen  Spruches  bei  Grill,  Himdert 
Lieder  des  Atharvaveda,  pag.  29 — 30. 

Und  noch  im  Hitopade9a  (ed.  Johnson  pag.  58)  in  der 
Eiuleitimg  zum  Kriegsabschnitte,  heisst  es: 

yadi  na  sydn  narapatih  samyan  netd  tatcüi  prajd  \ 
ahaniadhdrd  jaladJiau  viplaveteha  naur  tva  {|  ^  |1 

„Wenn  es  keinen  König  gäbe,  einen  durchschlagenden 
Führer,  aldann  würde  das  Volk  hin  und  her  schaukeln  und 
untergehen,  wie  ein  Schiff  ohne  Steuermann  auf  der  See." 


Biunnhofer,  Vom  Aral  bis  zur  Gangä.  13 


VII.   Weisheit  und  Aberglaube  im  alten 
Hindostan. 

1.   Die  ältesten  Könige  Indiens  nach  Arrian. 

Arrian  erzählt  in  den  Indica  VIII  (Megasthenes  Indica  ed. 
Schwanbeck  pag.  148)  von  Dionysos  als  Civilisator  Indiens  und 
fährt  dann  fort:  ^uiniovxa  ds  «x  Trjg  ^ Ivömv  y-rjg,  tog  oi  raiza 
x€'^0GiiieaT0,  v.axaoxriaai  ßaoilea  zfig  xtoQtjg  ^Ttagref-t- 
ßav,  TCüV  exaiQWV  sva  tov  ßaxxMÖeozaxov.  TskevT'^aavTog 
ÖS  ^Ttagrefißa  tr^v  ßaaiXeirjv  ixde^aad^at  Bovötav  xov  xovxöv 
Tittida'  xal  xnv  (xev  nevT^xovxa  xal  ovo  exea  ßaaii-evaai 
^Ivöiüv,  TOV  naxega'  xov  de  nalda  sl'xooiv  sxsa'  xai  xovxov 
Ttalöa  inöi^aa&ai  xriv  ßaOiXeiiqv  Kgccöevav  xal  x6  dno 
xovde,  xb  noXv  i-iev  xaxa  yivog  a(.ieißeiv  ir(v  ßaoiktlrjv,  ncuöa 
naqa.  naxQog  iy.öexdfievov  el  de  eyilsinoi  xo  yivog,  ovxo)  6^ 
aQiaxivöriv  yiad^ioxaad^at  ^IvöoXai  ßaoiXtag. 

Nach  indischer,  resp.  vedischer  Ueberlieferimg  ist  der  erste 
König  der  Welt  und  also  auch  Indiens:  Hiranyagarbha,  vgl.  den 
Hiranyagarbhahymnus  Rigv.  X,  121  in  meiner  Uebersetzung  in 
„Iran  u.  Turan"  pag.  179 — 185.  Hiranyagarbha  ist  aber  nach 
Str.  10  des  genannten  Hymnus,  die  ich  in  meiner  Uebersetzung 
desselben  als  unorganischen  Zusatz  weggelassen  habe,  die  aber 
d esshalb  nichts  destoweniger  aus  altvedischer  Anschauung  her- 
aus gedichtet  ist,  =  Prajdpdti,  der  Herr  der  Geschöpfe,  der 
Schöpfer,  dieser  selbst  ist  aber  wieder  Soma  nach  Rigv.  IX,  5,  9: 
indur  indro  vrishd  hdrih  pdvaindnah  prajapatih 


—     195     — 

»Der  lichte  (Soma-)Tropf6n,  der  Indra,  der  Stier,  der  blonde, 
der  Herr  der  Geschöpfe." 

Ist  aber  Prajäpati  =  Soma,  so  stimmt  das  vorzüglich  zu 
Arrians  Angabe,  der  von  Dionysos,  der  selbst  Soma  ist,  einge- 
setzte erste  König  von  Indien  sei  gewesen  zwv  sTaiQO)v  eva  t6v 
ßa-^xiodioTUTOv ,  emer  der  begeistertsten  Bacchusverehrer.  Er 
heisst  ^nagrifißag,  in  präkritischer  Abgeschliffenheit  flir  skt. 
*svar-\-sthambha,  derjenige  der  dem  Himmel  eine  Stütze  gab, 
denn  nach  Strophe  5  des  Hiranyagarbhahymnus  ist  er  es  ySna 
sväh  stabhitdm: 

y&na  dyaür  ugrd  pritMvi  ca  driUiä 
ySna  sväh  stabhitdm  ySna  naka^  \ 

„Durch  welchen  der  Himmel,  der  gewaltige,  und  die  Erde, 
die  feste,  durch  welchen  das  Firmament  befestigt  worden  ist, 
durch  welchen  (auch)  der  Ueberhimmel." 

Aus  ^svarstambha  müsste  nach  den  Lautregeln  des  Sanskrit 
allerdings  ^svahstambha  werden,  die  Form  ^naxif-ißa,  die  als 
Variante  neben  ^uaQxefAßa  einhergeht,  ist  vielleicht  auch  ein 
Nachschimmer  derselben,  immer  unter  der  Voraussetzung,  dass 
alsdann  die  Wurzel  stabh  schon  in  präkritisirter  Form  *thämb 
oder  tamb  an  das  schon  im  Veda  neben  svar  auch  in  der  Form 
sbar  ausgesprochene  Substantiv  svar  (wie  Baru  neben  Varu) 
hinzugetreten  wäre.  Zu  der  Form  *T€fißa  vgl.  im  Zend  asha- 
gtembana,  über  welches  Substantiv  weiter  oben  pag.  33.  Vgl. 
auch  das  hesiodische  aoxefxcprig  Theogonie  v.  812.  Die  52  Jahre 
von  Spartemba's  Herrschaft  werden  wohl  eine  astronomische 
Andeutung  auf  die  52  Wochen  des  Jahres  enthalten. 

Sein  Sohn  und  Nachfolger  Bovdvag  muss  jedenfalls,  nach 

Massgabe  seines  Sohnes    Kgaöevag,  *Bovdevag  gelesen  werden. 

Dieses  ist  aber  ganz  einfach  skt.  bhü-deva  „der  Gott  der  Erde", 

ein    Brahmane;    ferner  ein   Beiname   Qiva's,  schliesslich   Name 

verschiedener  Männer  (s.  Böhtlingk-Roth's  Sanskritwb.,   Bd.  V, 

pag.  345). 

13* 


—     196    — 

Der  dritte  Urkönig  von  Indien,  Kgadevag,  ist  nichts  als 
eine  Kurzform  von  [<^a]kra-deva,  das,  von  Qakra,  der  Gewaltige, 
einem  steten  Beinamen  des  ludra  im  Veda,  abgeleitet,  Name 
mehrerer  von  Böhtlingk-Roth,  Bd.  VlI,  pag.  22  verzeichneten 
Fürsten  geworden  ist. 

2.  Der  Culturwerth  des  Opfers  im  Bewiisstsein  der 
Tedischen  Brahmanen. 

Das  Opfer  (yajnd)  als  Mittelpunkt  und  Endzweck  alles 
Gottesdienstes  bildete  nach  der  Ueberzeugung  der  Inder  des 
Veda  das  Mittel,  durch  welches  der  Mensch  seinerseits  im  Stande 
war,  an  der  durch  den  Allherrscher  Varuna-Mitra  besorgten 
Aufrechterhaltung  der  Weltordnung  {rita)  thätigen  Antheil  zu 
nehmen.  Die  nach  den  ewigen  Ordnungen  des  Gestimlaufes 
in  ewig  unabänderlicher  Form  immer  wiederkehrende  Opferhand- 
lung war  in  dem  unaufhörlichen  Wechsel  der  Wohnsitze,  vne 
er  aus  dem  Erobererleben  der  vorindischen  Sanskrit- Arier  mit 
Noth wendigkeit  folgte  das  einzige  unangetastete  und  unantastbare 
Lebenselement  der  brahmanischen  Arier.  Mythen,  Sagen,  Legen- 
den, Lieder  mochten  im  nieruhenden  Kampf  um  neue  Wohnsitze 
dem  Anpassungsvermögen  anheimfallen  und  ihre  Gestalt  verän- 
dern oder  auch  ganz  und  gar  verloren  gehen  —  aber  im  ewigen 
Wechsel  alles  Gewordenen  oder  Werdenden  blieb  das  Eine  von 
jeder  Veränderung  seines  Kernes  völlig  imberührt,  das  Opfer, 
das  desshalb  im  Veda  häufig  genug  im  Sinne  des  allem  End- 
lichen zu  Grunde  liegenden  Absoluten,  als  das  alle  Schöpfungsge- 
stalten in  sich  beschliessende,  alles  Individuelle  in  sich  mnfassende 
All  verherrlicht  wird. 

War  es  aber  dem  Seherblicke  der  Brahmanen  verliehen, 
im  Opfer  das  Bleibende  im  Wechselvollen,  im  Opferplatz  den 
ewigen  Mittelpunkt  der  Weltordnung  {ntdsya  siidas,  yoin\ 
ndbki)  zu  erkennen  (vgl.  Ludwig,  Die  philosophischen  und 
religiösen  Anschauimgen  des  Veda  in  ihrer  Entwickelung,  Prag 


—     197     — 

1875,  pag.  17),  so  musste  ihnen  umgekehrt  der  ewige  Wechsel 
der  Wohnsitze,  wie  ihn  das  Nomadenleben  natumothwendig 
mit  sich  brachte,  so  musste  das  ewige  Wanderleben  selbst  als 
die  Quelle  alles  Uebels,  als  der  Inbegriff  alles  Widerwärtigen 
erscheinen.  Und  so  hat  denn  schon  Duncker  in  seiner  Geschichte 
der  Arier  der  Urzeit^,  pag.  543  mit  Recht  bemerkt:  „Gewiss 
gefiel  auch  den  Priestern  Irans  der  Nomadismus  so  wenig  als  den 
Brahmanen  Indiens.'*  Es  ist  desshalb  von  Interesse,  gerade  in 
den  allerältesten  Liedersammlungen  des  Rigveda  schon  brahma- 
nische  Stimmen  zu  vernehmen,  in  welchen  sich  die  üeberzeugung 
ausspricht,  dass  das  Leben  in  festen  Wohnsitzen^  culturschaffend 
wie  es  sei,  selbst  nur  aus  der  segen wirkenden  Anregung  des 
Somatrankes  erfolge.  In  einem  Vämadevaüed  an  den  Sonnengott 
Savitar,  Rigv.  IV,  54,  5  heisst  es: 

(ndrajyesh^hdn  brihadbhyah  pdrvatehhyah 

hshdyän  ebhyaJ},  suvasi  pastydvatah  \ 

ydthd-yathä  patdyanto  viyertiird 

evaivd  tasthuh  savüah  saväya  te  || 
Ludwig  übersetzt:  „Die,  deren  erster  Indra,  für  die  hohen 
Berge  (von  den  hohen  Bergen  her),  feste  Wohnsitze  mit  Häu- 
sern schaffst  du  diesen  hier,  wie  sehr  sie  auch  fliegend  aus 
einander  streben,  immer  und  immer  wieder  stehen  sie,  Savitar, 
unter  deinem  Treibstock."  Was  hier  Ludwig  mit  „Treibstock" 
übersetzt,  nämlich  saväya,  dat.  sing,  von  savd^  bedeutet  ganz 
einfach  „Anregung,  Belebung",  zugleich  aber  auch  „Somatrank." 
Noch  intensiver  drückt  seine  Üeberzeugung  von  dem  Frieden 
schaffenden,  das  Leben  schön  gestaltenden  Einflüsse  des  Opfers 
ein  Atreyadichter  aus,  Rigv.  V,  66,  2: 

ddha  vratSva  mänusham 
svär  nd  dhdyi  dargatdm 
Ludwig    übersetzt    sehr   schön:    „und    durch   die    heiligen 
Handlungen  ward  die  menschliche  Welt  schön  wie'  die  Licht- 
welt  gemacht."      Noch   deutlicher   in   christlich-moderne  Aus- 
drucksweise übersetzt,  hätte  svär  mit  „Himmel"  wiedergegeben 


—     los- 
werden müssen.    Die  Religion  hat  nach  der  üeberzeugung  dieses 
Sehers  der  indischen  Urzeit  den  Himmel  in  all  seiner  Schönheit 
zu  den  Menschen  auf  Erden  hemiedergebracht. 

3.  Ein  philosophischer  Ausspruch  des  Atharraveda. 

Wie  nicht  selten  im  Atharvaveda,  so  treffen  wir  in  dem 
langen  Spruch  X,  8  unter  vielem  Wortschwall  in  v.  37  eine 
Perle  philosophischen  Tiefsinns.    Die  Stelle  lautet: 

yö  vidydt  sutram  vÜatam 
yäsminn  6tdh  praj'ä  imdh  \ 
sutram  sutrasya  y6  vidydt 
sä  vidydd  brahmanam  mahnt  || 

„Wer  da  das  Garn  kennte,  das  ausgespannte,  in  welchem 
die  Geschöpfe  ein  gewoben  sind,  das  System  des  Systems,  wer 
es  kennte,  der  durchschaute  auch  das  grosse  Gottes-  und  Welt- 
geheimniss." 

Das  Wort  sutra  bezeichnet  zugleich  das  Garn,  den  Faden, 
den  Leitfaden,  das  Lehrbuch  und  das  System.  In  vidydt 
habe  ich  den,  durch  das  lateinische  videre  gegebenen  ursprüng- 
lichen Wurzelbegriff  des  Sehens,  mit  dem  des  Kennens  und 
Wissens  in  der  Sanskritwurzel  tvVi?  verschmolzen,  zur  Darstellung 
gebracht. 

Der  Ausspruch  des  Atharvandichters  wäre  des  grossten 
Philosophen  würdig. 

4.  Ein  Blumenzauber  des  Atharvaredu. 

Ath.  IV,  20. 

Ä  pagya^  prdtt  pagyati  pdrd  pagyati  pdgyati  \ 
divam  antäinksham  dd  bhümim  sdi'vam  tdd  dem  pagyati  ||  1  || 
tisrö  divas  tis)'ah  in-ithivil}  shdf  c4  'müli  prad/gah  pi-ithak  \ 
tvuydhdin  sdrvd  bhutdni  pagydni  devy  oshadhe  I|  /  ]| 


—     199    — 

divyäsifa  supanidsya  täsya  häai  haninikd  \ 

sä  bhüniim  ä  rurohitha  vahi/din  gräntd  vadhur  iva  \\  3  || 

tdm  ine  sahasräkskö  devo  dakshine  hästa  ä  dadhat  \ 

täyäJidin  sdrvam  pd^dmi  ydg  ca  güdrd  utdiryah  ||  4  1| 

ävfsh  knnushva  rupdni  nätmdnam  dpa  gühathah  \ 

dtho  sakasracaksho  tvdm  prdti  pagyäh  Tcimidinah  ||  5  || 

dargdya  nid  ydtudhdnän  darcdya  ydtudhdnyäh  \ 

piqdcdnt  sdrvdn  dargaySti  tvd  Wahha  oshadhe  ||  ^  || 

kdeydpasya  cdkshur  asi  (pinydq  ca  caturdkshydh  \ 

vidhre  süryam  iva  sdrpantam  md  pi^dcdm  tirdskarah  ||  7  || 

lid  agrabham  paripdndd  ydtudhdnain  kimidinam  \ 

tendhdm  sdrvam  pagydini  utd  güdrdm  utdryain  ||  8  || 

yo  'ntdrikshem  pdtati  divam  ydq  cdtisdrpati  \ 

bhümim  yo  manyate  näthäm  tdm  pigdcdm  prd  dargaya  ||  9  || 

Sie  sieht  herab  und  schaut  umher,  blickt  in  die  Fern'  hinaus 

und  späht: 
Den  Himmel,  Luftraum  und  die  Erd',  das  Alles  schaut  die 

göttliche  il  1  II 
Drei  sind  der  Himmel,   Erden  drei  und  der  Weltgegenden 

da  sind  sechs, 
Ich  will  die  Wesen  alle  sehn,  o  göttlich  Kraut,  durch  deine 

Kraft  II  2  || 
Du  bist  der  lichte  Augenstern  des  Himmelsvogels  schönbe- 
schwingt, 
Du  hast   zur  Erde  dich  geschmiegt  wie  an  den  Pfühl  ein 

müdes  Weib  i|  3  || 
Der  Gott  mit  tausend  Augen  gab  dich  mir  in  meine  rechte  Hand 
Und  nun  erblick'  ich  jegliches,  den  (^'üdra  wie  den  Arya  ||  4  || 
Lass  die  Gestalten  all  mich  sehn,  verhüUe  mir  dein  Wesen 

nicht  I 
Und  du,  o  Tausendäugige,  erspähe  die  Kimidin  aus  ||  5  || 
„Lass  mich  die  Zauberer  erschaun,  lass  mich  die  Zauberinnen 

schaun  i 


—     200     — 

Lass  die  Pi9äcas  all  mich  schaun",  so,  Zanberkraut,  fass'  ich 
dich  jetzt  II  6  II 

Du  bist  das  Auge  Kä^yapa's  und  der  vieräugigen  Hündin 
auch  I 

Verhülle  den  Pi9äca  nicht,  als  wie  die  Sonn'  am  Tages- 
licht II  7  II 

Ich  zieh'  aus  seinem  Schutzversteck  den  Unhold,  den  Kiml- 
din  auch  j 

Und  nunmehr  seh'  ich  Alles  klar,  den  Qüdra  wie  den 
Ärya  ||  8  || 

Den,  der  sich  in  den  Luftraum  schwingt,  ihn,  der  am  Him- 
mel droben  kriecht  | 

Der  in  der  Erde  sucht  den  Hei-m,  lass  den  Pi(?äca  mich 
erschaun.  1|  9  || 

Das  Kau^ikasütra  (ed.  Bloomfield  pag.  79)  hat  zu  diesem 
Atharvanspruch  nur  die  kurze  Bemerkung  :  „d  pagijatiti  sadam 
2)uskpdmanim  badhndti'^  (Mit  den  Worten)  ,.sie  sieht  herab" 
u.  s.  w.  knüpft  er  (der  Zauberer,  ein  Amulet  aus  einer  immer- 
blühenden" (Pflanze).  Vgl.  auch  Ludwig,  Rigveda  Bd.  III, 
pag.  525,  ferner  Grill,  Hundert  Lieder  des  Atharvaveda,  pag.  46. 

Der  Talisman,  der  den  Träger  auch  die  verborgensten  Dinge 
schauen  lässt,ist  eine,  leider  nicht  näher  zu  bestimmende  Schling- 
pflanze von  gelber  Blüte.  Von  einem  hohen  Baum  herab  biegt 
sich  die  Liane  zur  Erde  nieder  {sd  bhüinim  d  rurohitha)  und 
überblickt  auf  diesem  Wege  Alles,  was  im  Himmel  {div),  im 
Luftraum  {antdnksha)  und  auf  der  Erde  vorgeht  {bhümi,  vgL 
V.  2).  Als  im  Himmel  droben  geboren  {divavi  .  .  .  pa<;yati)  ist 
sie  göttlich  {devi)  und  da  sie  der  Augenstern  des  schönbeschwiug- 
ten  Himmelsadlers,  sowie  der  vieräugigen  Hündin  heisst,  da  sie 
dann  femer  geradezu  als  das  Auge  des  häufig  mit  der  Sonne 
in  Verbindung  gesetzten  Kä^yapa  gefeiert,  da  sie  femer  als  das 
Auge  der  vieräugigen  Hündin,  wohl  zweifellos  des  Mondes,  ge- 
priesen wird,  so  prangt  ihre  Blüte  in  der  Farbe  des  Sounengoldes 


—     201     — 

und  des  Mondscheins,  ist  allsehend  und  verleiht  dem,  der  sie 
in  der  rechten  Hand  hält,  die  Kraft,  Alles  zu  erspähen,  was  auch 
noch  so  verborgen  scheint.  Mag  desshalb  der  böse  Zauberer 
noch  so  hoch  fliegen  {antdrikshena  patati),  mag  er  sich  über 
den  Himmel  hinaus  verkriechen  {divam  yaq  cätisdrpati)^  —  die 
Zauberpflanze  wird  ihn  mit  Adlerblick  erspähen,  denn  die  weiss 
und  schaut  ja  AUes,  was  im  Himmel  droben,  in  der  Luft  und 
auf  der  Erde  geschieht  (v.  2). 

Ich  gebe  hier  nur  wenige  Bemerkungen  zu  den  etwa  noch 
unklaren  Punkten  in  diesem  Spruche.  Dazu  gehört  wohl  die 
Angabe  in  v.  3,  die  Zauberblume  sei  der  Augenstern  des  schön- 
beschwingten Himmelsvogels,  also  der  Sonne.  Das  Diminutiv 
hamnikä,  der  Augenstern,  ist  eine  Nebenform  zu  dem  gleichbe- 
deutenden haninahä.  Es  bezeichnet  ursprünglich  das  Mädchen, 
denn  es  ist  eine  Ableitung  von  kanina,  jung,  imd  hängt  un- 
mittelbar zusammen  mit  kanyd,  das  Mädchen.  Vgl.  Böhtlingk- 
Roth,  Sktwb.  Bd.  II,  pag.  34.  Da  auch  das  lateinische  pupilla^ 
ebenfalls  ein  Diminutiv,  das  Mädchen  und  den  Augenstern, 
bedeutet  und  da  auch  im  Griechischen  das  Wort  v.oqri  dieselben 
ßedeutimgen  hat,  so  liegt  unzweifelhaft  dieser  Bezeichnung  des 
Augensterns  eine  sehr  alte  Anschauung  zu  Grunde.  Die  Vor- 
stellimg  nun  von  dem  Augenstern  des  schönbeschwingten  Him- 
melsadlers erhält  ihre  Erklärung  durch  Stellen  der  Taittiriya 
Sanihitä.  Da  begegnen  vdr  folgender  Anschauung  I,  2,  4,  1  und 
VI,  1,  7,  3:  süfyasya  cdhshur  d  roham  agnSr  ahshndh  kantnikäm 
-ich  stieg  zum  Auge  der  Sonne  empor,  zu  dem  Augenstern  des 
Auges  Agni's."^  Wenn  nun  schon  die  menschliche  Pupüle  für 
Zauber  kräftig  gilt,  weil  sich  in  ihrem  Glänze  die  Energie  der 
Seele  am  entschiedensten  äussert  (vgl.  Grimm,  Mythologie  2, 
pag.  lü2S,  1133;  Forbiger,  Hellas  und  Rom,  Bd.  II,  pag.  212 
und  Tylor,  Anfänge  der  Cultur,  Bd.  I,  pag.  425),  xvax  wie  viel 
m^scher  muss  da  erst  der  Stern  des  Sonnenauges  wirken, 
dessen  irdisches  Ebenbild  die  rothgoldene  Blüte  unserer  Zauber- 
pflanze ist.     Denn  dass  dieses  die  Farbe  der  Zauberblume  sein 


—    202    — 

muss,  ergiebt  sich  aus  dem,  was  Naumann,  Naturgesch.  d.  Vögel 
Deutschlands,  Bd.  I,  pag.  209  über  das  Auge  des  Steinadlers, 
falco  fulvus  X.,  d.  h.  unseres  auf  Schneebergen  horstenden  (vgl. 
Atharvaveda  V,  4,  2:  suparnasuvane  gtraü  ....  Mmdvatas)  su- 
parna  bemerkt:  „Die  Iris  ist  stets  goldfarbig  und  zwar  in  der 
Jugend  ins  Braune  übergehend,  im  Mittelalter  schön  goldgelb 
und  im  hohen  Alter  fast  feuerfarbig." 

Merkwürdigerweise  finden  wir  die  Vorstellung  von  dem 
zauberkräftigen  Augenstern  des  Sonnengottes  auch  auf  den  Augen- 
stern des  Gewittergottes  übertragen,  wenn  nicht  vielmehr  um- 
gekehrt der  Sonnengott  das  Erbe  des  ihm  in  der  Verehrung 
vorangegangenen  Gewittergottes  angetreten  hat  (vgl.  darüber 
meine  Abhandlung  „üeber  den  gemeinsamen  Ursprung  des 
Sonnendienstes  und  der  Erdverehrung"  in  Culturwandel  und 
Völkerverkehr,  Leipzig,  W.  Friedrich,  1891,  pag.  169).  In  der 
Taittirlya-Samhitä  erscheint  nämlich  eine  Zauberblume  mehrfach 
als  der  „Augenstern  des  Vritra"  und  Taitt.  Samh.  VI,  1,  1,  5 
giebt  gleich  auch  die  dieser  Vorstellung  zu  Grunde  liegende 
Legende :  Endro  vriträm  ahan,  tasya  haninikd  pdrä  'patat,  tadd 
^njanam  abhavad\  ydd  ä  'ünhtS  cdkshur  evd  bhrätrivyasya  vi-inkte; 
ddksliinam  pürvam,  vrvnkte;  däkshinam  pürvam  a  'nkte,  savydm 
M.  pürvam  ä  'nkte ,  savydm  M  pürvam  inamishyd  d-njdte.  „In- 
dra  tödtete  den  Vritra ;  dessen  Augenstern  fiel  herunter,  da  wurde 
er  ein  Zaubersalbenkraut;  wenn  das  Auge  damit  bestrichen  wird, 
so  lenkt  es  Nachstellung  ab;  das  rechte  wird  zuerst  gesalbt, 
denn  die  Menschen  (im  Gegensatz  zu  den  Brahmanen  als  deva, 
Göttern)  salben  das  linke  zuerst."  Aehnlich  erzählt  diese  Legende 
von  dem  Gewitterdämon  Qushna  das  ^^t^ip^'^ha-Brahmana  III, 
1,  3,  11  (ed.  Weber  pag.  228):  ydti-a  vaf  deväh  asurarak^-hasdni 
jaghnus  tdchiishno  ddnavdh  prait/än2)atttvd  mamishydndm  dkshiiu 
prdvivega,  sd  eshd  kaninakaJi  kumdrahi  iva  pdrtbfidsate ,  tasmd 
evaltdd  yajndm  upapraydnt  sarvdio  '^napurdm  pdridadhdty 
dgmd  hy  diljanam  „als  die  Götter  die  Asura  und  Rakshasa  töd- 
teten,  da  drang  der  Unhold  ^ushna,  der  rücklings  fiel,   in  der 


—    203     — 

Menschen  Augen  ein.  Dieser  Kleine  (die  Pupille)  erscheint 
gleichsam  als  ein  Knäblein,  desshalb  wirft  derjenige,  der  sich 
zu  einem  Opfer  anschickt,  gegen  diesen  (^ushna)  gleichsam  eine 
steinerne  Wehr  auf,  denn  steinern  (aus  Stein  bereitet)  ist  die 
Salbe."  In  der  Taittiriya-Samh.  I,  2,  1,  2  wird  dann  diese  Pflanze 
angeredet:  öshadhe  ....  vi-itrdsya  hamnikd  'si,  caksku-shpä  ^si 
„Pflanze,  du  bist  der  Augenstern  des  Vritra,  du  bist  der  Augen- 
beschützer." Offenbar  liegt  der  Verwendung  der  Zauberblume 
zu  einer  Augensalbe,  sowie  der  Vorstellung,  die  Zauberblume 
sei  der  Augenstern  des  Vritra  gewesen,  die  Anschauung  von  dem 
stechenden,  alles  durchdringenden,  desshalb  stets  gesunden  Glänze 
des  die  schwarzen  Gewitterdämonen  verscheuchenden  Blitzauges 
zu  Grunde. 

Kä9yapa,  oder  Ka^yapa  in  v.  7  ist  ein  alter  Berggott,  das  perso- 
ücirie  K dam  ov  oooc,  der  Meru-Demävend  (s.  mein  Iran  undTuran 
pag.  58 — 63).  Er  kehrt  im  Veda  nicht  eben  häufig  wieder  und 
wird,  gleich  Agni,  dem  Feuer-  und  Sonnengott,  bald  als  der 
beste  {ci-esh(ho)  Gandharva  (s.  Taitt.  Samh.  I,  5,  10,  2),  bald  als 
der  himmlische  {divyo)  Gandharva  (Taitt.  Sai?ih.  I,  7,  7,  1 ;  Athar 
vav.  U,  2,  1),  bald  als  der  Gandharva  (Sonnengott)  schlechthin 
verehrt.  Als  solcher  gilt  er  im  Atharvaveda  für  einen  zauber- 
kundigen Weisen,  der  sich  vorzüglich  auf  die  Wunderkräfte 
der  Pflanzen  versteht.  Im  Ath.  VIII,  5,  14  wird  er  als  Hervor- 
bringer eines  Talismans  gepriesen  {Kagydpas  tvdm  asrijata 
Kaqifäpas  tvä  sdmairayat)  xmd  Ath.  IV,  37,  1  todtet  er  mit  dem 
Zauberkraut  ajagi-mgi^  Bockshorn,  die  Unholde  der  Vorzeit 
{tvdyä  pürvam  dtharvdno  jaghnü  rakshdnsy  oshadhe,  tvdyd  ja- 
ghdna  Kagydpas  u.  s.  w.).  In  diesem  Zusammenhange  erklärt 
sich  denn  auch  die  Bezeichnung  der  in  unserm  Blimienzauber 
das  Auge  des  Kä^yapa  genannten  Zauberpflanze. 

Nun  der  vieräugige  Hund  in  v.  7.  Ein  vieräugiger  Hund 
ist  nach  dem  Scholiasten  zu  Taitt.  Samh.  V,  5,  19,  1  {cafurak- 
skdh:  akshnor  upai-i  vindudvayavdn)  ein  schwarzer  Hund,  der 
über  seinen  Augen  je   einen  weissen  Fleck   hat.    In  der  vedi- 


—     204    — 

sehen  Mythologie  erscheint  als  Hündin  und  zwar  als  Götter- 
hündin [devaguni)  die  Saramä,  die,  selbst  vi  eräugig,  ein  paar 
scheckiger  vieräugiger  Jungen  hat  (Rigv.  VIT,  6,  15  und  Athar- 
vaveda  XVIII,  2,  12:  Särameyaü  gvdnau  caturakshaü  gabdlau). 
Kuhn  hat  in  derselben  die  Personification  des  in  der  schwarzen 
Gewitterwolke  daherbrausenden  Sturmwindes  und  in  dem  scharf- 
blickenden Doppelaugenpaar  nichts  anderes  als  den  aus  der 
schwarzen  Gewitterwolke  herauszuckenden  Blitz  erkannt  (Haupt 's 
Ztschr.  f.  dtsch.  Alterth.,  Bd.  VI,  pag.  131).  Die  Bezeichnung 
unserer  Zauberblume  als  des  funkelnden  Auges  der  Götterhtindin 
stimmt  überein  mit  der  Vorstellung  von  dem  Augenstern  des 
Gewitterdämons  Vritra  in  Taitt.  Samh.  I,  2,  1,  2  und  VI,  1,  1,  5. 
Vieräugig  ist  dann  auch  die  Sonne  und  zwar  aus  dem  von 
Säyana  angegebenen  ganz  plausibeln  Grunde,  weil  Agni  catura- 
kshah  mit  seinen  Lichtflammen  nach  allen  vier  Weltgegenden 
hinleuchtet.  Vgl.  Säyana  zum  Rigveda  I,  31,  13:  agmli  cafw- 
akshah :  dikcatushtaye  'phidriyastlianiyajväläyuhtah  san.  Im 
weitern  wird  dann  „vieräugig"  zum  stehenden  Epitheton  für 
alles  Dämonische.  Ath.  VIII,  6,  22  heisst  so  ein  Kimidin  und 
Ath.  II,  32,  2  der  König  der  Eingeweidewürmer  des  Rindviehs. 
Nicht  unmöglich  wäre  aber  auch,  dass  die  vieräugige  Hündin 
hier  auf  den  , himmlischen  Hund"  (gi-an  divya),  nämlich  auf  den 
nach  allen  vier  Himmelsgegenden  leuchtenden  (?)  Mond  sich 
bezöge,  von  dem  es  Atharvaveda  VI,  80,  1  heisst: 

antankshena  patati  vigvd  bhütävacdkagcU 

güno  dtvyäsya  ydn  mahds  tSnä  te  liavishd  vtdhema  \ 

„Am  Himmel  fliegt  er  hin  und  schaut  hernieder  auf  die 

Wesen  all, 

Die  Herrlichkeit  des  Himmelshunds,  wir  brächten  gem  dies 

Opfer  dir." 

Auch  die  Mondgöttin  Hekate  muss  als  Hündin  vorgestellt 
worden  sein,  wenigstens  war  sie  von  Hunden  umschwärmt,  vgl. 


—    205    — 

Theokrit  11,  12:  tccv  xai  OKvkaxsg  XQOiaeovti.  Der  Mond  würde 
hier,  v.  7  unseres  Blumenzaubers,  als  Nachtgestirn  die  Parallele 
zum  Auge  des  Kä^yapa,  dem  Glanzgestirn  des  Tages,  zur  Sonne 
bilden. 

üeber  Kimidin  s.  zimächst  oben  pag.  65.  Die  Kimidin 
sind  ein  kanibalisches  Dämonengeschlecht.  Im  Rigveda  VII, 
104,  2  erscheint  der  Kimidin  als  Fresser  rohen,  noch  blutigen 
Fleisches,  als  kravyäd.  In  Ath.  I,  7,  3  begegnen  sie  uns  als 
atrino  yS  himidinah  „die  Kimidin  die  da  Fresser  sind."  In  Ath.  II, 
24,  1  werden  die  Kimidin  angeredet:  ydsya  stha,  tum  atta,  yö 
iah  pidhaü,  tarn  aticu,  svd  mänsäny  atta  „Wessen  ihr  seid,  den 
fresset;  wer  euch  geschickt  hat,  den  fresset,  fresset  euer  eigenes 
Fleisch!"    In  Ath.  VIU,  6,  22  heisst  es  von  ihnen  vollends: 

yd  ämäm  mäiisdiii  ddanti  patinisheyain  ca  ye  kravih  \ 
gdrbhdn  Ichddanti  hSgaväs  tan  i'to  nägat/dviasi  \\ 

„Sie,  die  da  essen  rohes  Fleisch  und  die  da  schlingen  Men- 
schenfleisch, 
Die  Kinderfresser  haar'gen  Leibs^  auf!  räumen  wir  sie  fort 

von  hier!" 


5.  Die  Zaiil)erwelt  des  Atliarvaveda. 

Neben  den  Liedern  des  Rigveda,  die  zu  Opferzwecken  ge- 
dichtet und  lange  Zeit  familienweise  fortvererbt  worden  waren, 
bis  ein  Sammler  die  einzelnen  Familienbücher  zu  einem  Ge- 
sammt<5odex  zusanmienstellte ,  ragen  an  culturgeschichtlichem, 
mitunter  aber  auch  an  poetischem,  ja  philosophischem  Werth 
eine  beträchtliche  Anzahl  von  Zaubersprüchen  hervor,  die, 
meistentheils  späteren  Ursprungs  als  die  Hymnen  des  Rigveda, 
gleich  von  allem  Anfang  an  Gemeingut  sämmtUcher  Stämme 
gewesen  sind  Den  grössten  Theil  dieser  bald  kleineren,  nur 
aus  zwei,  vier,  sechs,  acht,  zehn,  dann  aber  auch  grösseren,  aus 


—     206     — 

zwölf,  vierzehn,  sechszehn,  achtzehn,  zwanzig  und  mehr  Versen 
bestehenden  Sprüche  umfasst  der  Atharvaveda. 

Der  Atharvaveda  spiegelt  nun  im  Gegensatze  zum  Rigveda 
und  Yajurveda,  deren  Lieder  und  Sprüche  sich  in  den  Anschau- 
ungen der  oberen  Kasten,  zumal  der  Brahmanen,  bewegen,  das 
Leben  und  Streben  der  untern  Volksschichten  wieder.  Und 
wenn  in  den  Opferhymnen  der  andern  Veden  eine  Weltanschau- 
ung zum  Ausdruck  gelangt,  die  ihren  Mittelpunkt  findet  in  der 
Ehrfurcht  vor  dem  das  physische,  wie  das  geistige  Leben  un- 
wandelbar ordnenden  Weltgesetz,  dem  rüdm,  welchem  Götter  und 
Menschen  gleicherweise  sich  unterordnen  und  gehorsamen,  so 
finden  wir  dagegen  in  den  Zaubersprüchen  des  Atharvaveda  eine 
Lebensauffassung  vertreten,  welche  zwar  die  auf  der  Wahrheit, 
dem  satydm,  beruhende  Weltordnung  des  ritdm  nicht  leugnet, 
dieselbe  aber  nicht,  wie  im  Rigveda,  für  absolut  unwandelbar 
hält.  Vielmehr  macht  sich  durch  Scämmtliche  Atharvansprüche 
hindurch  die  Ansicht  geltend,  dass  es  unter  Umständen  wohl 
mögHch  sei,  den  starren  Bann  des  Weltgesetzes  zu  brechen  und 
über  dasselbe  hinweg  oder  trotz  desselben,  diejenigen  Ziele  zu 
erreichen,  die  dem  bedrängten  Herzen  des  von  tausend  Uebeln 
heimgesuchten  Sterblichen  am  wünschenswerthesten  erscheinen. 
Der  in  den  Liedern  des  Rigveda  so  erhaben  auftretende  Glaube 
an  eine  das  Dasein  in  Natur  und  Geistesleben  unwandelbar 
regelnde  Weltordnung  zeigt  sich  im  Atharvaveda  herabgesunken 
zu  einem  diese  Weltordnung  nur  noch  äusserlich,  aber  verständ- 
nisslos zugebenden  Aberglauben,  der  dem  Wahne  huldigt,  es 
sei,  bei  Anwendung  der  richtigen,  dafür  vorhandenen  Mittel, 
wohl  möglich,  der  Weltordnung  beizukommen  und  dem  strengen 
Gesetz  der  Nothwendigkeit  ein  Paroli  zu  bieten  oder  auch  ein 
Schnippchen  zu  schlagen. 

Sonne,  Mond  und  Sterne  haben  ihren  durch  das  Weltgesetz 
geordneten  Gang,  nach  dem  Weltgesetz  kommen  und  gehen  die 
Morgenröthen,  wie  auch  das  Jahr  nach  seinen  vier  Zeiten  in 
gemessener  Regelmässigkeit  verläuft  und  Tage    und  Nächte  in 


—     207    — 

völliger  Aiisnahmslosigkeit  aufeinander  folgen.  Nach  dem  Welt- 
gesetze stehen  Himmel  und  Erde  fest,  ragen  die  Berge,  strömen 
die  Flüsse,  wachsen  die  Pflanzen  und  vermehren  sich  die  Men- 
schen und  Thiere. 

Aber  mitten  im  nothwendigen  Verlaufe  dieser  die  Natur 
und  das  Menschenleben  bedingenden  V^orgänge  treffen  den  armen 
Sterblichen  Ereignisse  und  Plagen,  deren  Einreihung  in  den 
allgemeinen  Weltprocess  schon  dem  im  Glücke  schwelgenden 
Vornehmen,  um  wie  viel  weniger  dann  dem  vom  Missgeschick 
Überfallenen  gemeinen  Manne  gelingen  will,  ünglücksfölle  aller 
Art  erschrecken  das  Gemüth,  Misswachs  auf  dem  Felde,  Krank- 
heiten im  Haus  und  im  Stall,  Verwundung  im  Krieg  oder  durch 
reis.sende  Thiere,  Hass,  Neid  und  Fluch  der  Widersacher  imd 
Feinde.  Wenn  es  selbst  der  Weise  nicht  über  sich  bringt,  diese 
Uebel  als  aus  der  Nothwendigkeit  des  Weltprocesses  herfliessend 
zu  betrachten,  so  ist  es  dem  Ungebildeten  noch  weniger  zu  ver- 
argen, wenn  er  sich  die  ihn  quälenden  Leiden  als  neben  der 
ehernen  Nothwendigkeit  herlaufende  Zufalle  zurechtlegt,  für 
deren  rechtzeitige  Abwendung  oder  Heilung  es  nur  des  Ge- 
brauchs der  in  der  Natur  und  der  Ueberlieferung  vorhandenen 
Mittel  bedürfe. 

Als  solche  Mittel  aber  galten  die  Heüsäfte  der  Pflanzen, 
die  Kräfte  der  Metalle,  vor  allem  aus  aber  die  wunderbare 
Stärke  richtig  vorgetragener  Gebete  und  Sprüche.  Aus  dem 
bräJiTTKin,  der  die  Seele  in  die  Höhe  tragenden  Inbrunst  des 
Gebetes,  war  die  Welt  entstanden,  mit  HüKe  des  brdhman  zogen 
die  Priester  der  Götter  Gunst  auf  Erden  hernieder  zu  Sieg  und 
Reichthumsgewinn  des  eignen,  zu  Niederlage  und  Verarmung 
des  fremden  Stammes;  sollte  es  da  nicht  im  Reich  der  Mög- 
lichkeit liegen,  mit  Gebetssprüchen  auch  Krankheiten  abzuwen- 
den, Fruchtbarkeit  in  Haus  und  Stall  herbeizuzwingen  und  kurz- 
weg vermöge  geeigneter  Gebetssprüche  alles  dasjenige  zu 
erlangen,  was  nun  gerade  dem  Hülfsbedürftigen  das  Herz  er- 
leichtem kann?  Sollte  es  nicht  angehen,  die  Inhaber  einzelner 


-     208     — 

Naturkräfte,  als  Götter,  Riesen,  Zwerge,  Nixen,  Feen,  Dämonen 
und  Zauberer  durch  Anwendung  von  Beschwörungen  herumzu- 
bringen und  des  Anrufenden  Wünschen  dienstbar  zu  machen? 
Es  ist  beachtenswerth ,  in  welchen  Formeln  die  Zauberei 
der  Inder  des  Veda  ihr  Heil  suchte.  Es  lassen  sich  folgende 
drei  Beschwörungsmethoden  unterscheiden.  Zunächst  erwartet 
man  den  günstigen  Ausgang  einer  Anrufung  von  dem  sympathi- 
schen Verhalten  der  Naturprocesse,  die  man  der  Reihe  nach 
darstellend  herzählt.  So  rasch  der  Gedanke  sich  fortschwingt, 
so  rasch  der  Pfeil  fliegt,  so  rasch  der  Sonne  Strahl  dahinschiesst, 
so  rasch  soll  auch  der  Husten  verschwinden.  Oder  der  Erfolg 
des  Zauberspruches  wird  hergeleitet  von  der  Anrufung  kosmo- 
gonischer  Mächte,  die  man  gleichsam  zu  Mitzeugen  und  Helfers- 
helfern der  Beschwörung  aufrufen  will.  Man  wünscht  des 
eignen  Herzens  geheimste  Regungen  gleichsam  zum  Ausfluss  der 
im  Hintergrunde  alles  Geschehens  waltenden  Weltgesetze  zu 
machen.  Wie  der  christliche  Aberglaube  zum  Anfang  magischer 
Zaubersprüche  gern  die  ersten  Verse  des  Evangeliums  Johannis 
wählt  —  „Im  Anfang  war  das  Wort  und  das  Wort  war  bei 
Gott  und  Gott  war  das  Wort"  — ,  so  verwendet  der  Zauberer 
des  Atharvaveda  gern  die  Anfangs verse  kosmogonischer  Rig- 
vedalieder,  vorzugsweise  des  Hiranyagarbhahymnus: 

Im  Anfang  stieg  empor  Hiranyagarbha 
Er  war  des  Daseins  eingeborner  Meister; 
Der  trug  die  Erde,  trug  den  Himmel  droben: 
Wer  ist  der  Gott,  dem  wir  das  Opfer  brächten? 

Von  ganz  besonderer  Wirkung  erscheint  aber  dem  indischen 
Zauberer  die  Anrufung  des  Namens  dessen,  der  beschworen 
werden  soU.  Dem  Inder  der  Urzeit  bedeutete  der  Name  einer 
Person  oder  eines  Gegenstandes  nicht  allein  das  Erkennungs- 
merkmal, sondern  er  hatte  für  ihn  den  Werth  eines  das  ganze 
Wesen  in  sich  schliessenden  Substrats,  der  Name  war  das  mit 
dem  Wesen    verwachsene,    dasselbe    im    letzten   Hintergrunde 


—     209     — 

tragende  Urbild,  der  Name  war  gleichsam  der  Spiritus  familiaris, 
der  metaphysische  Dämon  des  Wesens,  sodass  also,  wer  sich 
des  Xamens  versichert  hatte,  auch  des  Wesens  habhaft  wurde. 
Desshalb  denn  die  häufig  wiederkehrende  Versicherung:  Ich 
kenne  deinen  Namen,  ich  ergreife  denselben,  du  heisst  so  und 
so,  wobei  der  Zauberer  stillschweigend  voraussetzt:  das  genügt, 
das  Uebrige  wird  sich  finden. 

1.  Gebete  für  Haus,  Hof,  Feld  und  StalL 
Ath.  Vn,  69. 

Zum  Heile   wehe    uns  der   Wind,    zum  Heil  geb'  uns  die 

Sonne  heiss,  | 
Die  Tage  seien  uns  zum  Heil,  zum  Heile  brech'  die  Nacht 

uns  an,  | 
Zum  Heil  geh'  uns  die  Morgenröthe  auf!  ||  1  || 

Ath.  XI,  4. 

Ein  Frühlingslied. 

Verehrung  sei  dir,  Lebensgeist,  in  dessen  Huld  das  Weltall  ruht, 
Verehrung  dir,  dem  Herrn  des  Alls,  in  welchem  Alles  lebt 

und  webt.  |j 
In  Ehrfurcht  beug'  ich  mich  vor  dir,  du  bist  der  Herr  des 

Donnerhalls, 
Ich    beuge    mich    in  Ehrfurcht   dir,    des  Blitzes  und   des 

Regens  Herrn.  ||  2  || 
Weim  du   die  Pflanzen,    Lebensgeist,    mit  deines  Donners 

Ruf  beglückst. 
Regen   sie   sich,    befruchten   sich   und   dann   gedeihen   sie 

zu  Häuf.  II  3  II 
Und  kommt  der  Frühling  und  du  nahst  der  Flur  dich,  Herr, 

mit  Donnergruss, 
Dann  jubelt  AUes    frohgerauth,  was   nur   auf  Erden  leb<- 

und  webt.  :[  4  |! 

Brunnhofer,  Vom  Aral  bis  zur  Gangä.  14 


—     210     — 

Und  wenn    du  dann,   o  Lebensgeist,   die  Flur   mit  Regen 

mild  erquickst, 
Dann   hüpft   auch   unser  Vieh   vor  Lust   und   schafft   uns 

Reichthum,  Macht  und  Glanz.  ||  5  || 
Die  Pflanzen,  regengusserfrischt,  sprechen  dann  wohl  zum 

Lebensgeist: 
Du   hast  das  Leben  uns  verlängt  und  Jedem  Wohlgeruch 

verliehn.  ||  6  || 
Verehrung  sei    dir,    wann  du   kommst,   Verehrung  sei  dir, 

wann  du  gehst, 
Verehrung  sei  dir,  wann  du  stehst,  Verehrung  sei  dir,  wann 

du  ruhst.  II  7  || 
Verehrung,    wann  du  hauchest  ein,   Verehrung,    wann   du 

hauchest  aus. 

Ath.  II,  8. 
Gegen  Feldschaden. 

Aufgieng  das  glückverheissend  Paar  der  Sterne,    Namens 

Vicritau, 
Feldschadens  Fessel  mögen  sie  auflösen  oben,  unten  dann!  ||  1 1| 
Hinschwinden  möge  jetzt  die  Nacht,  verschwinden  die  ün- 

holdinnen! 
0  Zauberkraut,  Feldschadens  Tod,  mach'  den  Feldschaden 

schwinden  hin!  ||  2  |j 
Mit  dem  Strohhalm  der  Hirse  dann,    der   oraunen,   silber- 

stenglichen,  mit  weissen  Sesams  Ranke  dann, 
0  Zauberkraiit,    Feldschadentod,    mach'    den    Feldschaden 

schwinden  hin.  ||  2  || 
Verneigung    deinen    Pflügen   sei,  den   Deichseln   und   den 

Jochen  dein, 
0    Zauberkraut,    Feldschadentod,    macli'    df^ii    Feld-chadfii 


schwinden  hin.  ||  3 


—     211     — 

Verneigung  den  Zwinkäugigen,  Vemeiguug  den  Willfährigen, 
Verneigung  sei  dem  Feldesherrn ! 

0  Zauberkraut,  Feldschadentod,  mach'  den  Feldschaden 
schwinden  hin.  ||  4  || 

Vgl.   Weber,  Ind.  Stud.,  Bd.  XIII,  pag.  149—153. 

Ath.  VI,  59. 
Gebet  um  Schutz  für  das  Vieh. 

Den  Stieren,  wie  den  Kühen  auch  schenk'  deine  Huld,  Arun- 
dhati, 

Milchlosem  Vieh,  den  Hühnern  dann,  auch  anderem  Vier- 
füsslerthum!  ||  1  || 

Er  schenke  Huld  Arundhati,  die  Pflanz'  und  Göttin  ist  zugleich. 

Sie  schaffe  Milch  in  unsern  Stall  imd  dem  Gesinde  Lebens- 
kraft II  2  II 

Dich,  farbenbunte,  reichen  Hort,  heiss'  ich  willkommen, 
Lebenskraut, 

Sie  lenke  Rudra's  Wurfgeschoss  von  unsern  Kühen  fern- 
hin ab!  II  3  II 

Vgl.  dazu  Grill,   Hundert  Lieder  de^  Atharvaveda,  übers, 
und  mit  HemerJcimgen  versehen  {Tübingen  1879),  pag.  41. 

^    Ath.  III,  24. 
Gebet  um  Viehmast. 

Die  Kräuter  strotzen  voller  Milch  und  Milch  ist  auch  in 

meinem  Spruch: 
Von  den  milchreichen  trag'  ich  drum  zu  tausenden  herbei 

zur  Mast.  ||  1  1| 
Ich  kenn  das  Zwerglein  Milchreich  wohl,  es  hat  uns  reiches 

Korn  gemacht. 
Das  Wichtchen  Namens  Tragzuhauf,  das  rufen  betend  wir 

herbei  aus  der  Nichtopfernden  Gehöft.  ||  2  || 
Mögen  die  fünf  Weltgegenden,  der  Menschen  Stämme  alle  fünf, 

14* 


—     212     — 

Wie  nach  dem  Regen  Holz  der  Fluss,  Gedeihn  und  Wohl- 
fahrt bringen  her.  ||  3  || 
Schöpf   aus   dem    hundertstrahl'gen  Born,    dem   Tausend- 

strahl'gen,  für  und  für. 
So  lohne  dieses  Korn  denn  auch  uns  tausendfältig  für  und 

für.  II  4  II 
0    Hunderthänd'ger,    schaff    herbei,    o    Tausendhänd'ger, 

raff  heran! 
Für  das  Gebrachte  und  was  noch  zu  bringen,  erbitten  wir 

von  dir  Gedeihn  und  Mehrung.  ||  5  || 
Für    die    Gandharvas    Garben    drei,     für    die    Hausherrin 

ihrer  vier, 
Mit    der,    die    die   gedeihlichste   von   diesen,    rühren   wir 

dich  an.  ||  6  || 
Aufhäufer  und  Ansammler  sind  dein  Dienerpaar,  Prajäpati, 
Dies  Zwergleinpaar  bring'   uns  Gedeihn^    Reichthum   und 

Wohlfahrt  für  und  für.  ||  7  || 
Vgl.   Weber,  Ind.  Stud.,  Bd.  XVH,  pag.  286—290. 

Ath.  VI,  142. 
Gebet  um  Hirsesegen. 

Wachs'   hoch   empor  und  werde  dicht  aus  eigner  Kraft,  o 

Zauberkorn, 
Zersprenge   die  Gefässe  all,   nicht  treffe  dich  des  Himmels 

Strahl!  II  1  II 
Wenn  wir  als  Gott  dich  grüssen,    der  noch  auf  uns  hört, 

0  Hirsekorn, 
So    wachs  empor,   dem  Himmel  gleich,    gedeih'  unendlich 

wie  das  Meer.  ||  2  || 
Unendlich  sei'n  die  Speicher  all,  unendlich  sei'n  die  Haufen  all, 
Unendlich  sei'n  die  Käufer  all,  unendlich  sei'n  die  Esserall!  ||  3 
Vgl.  dazu  Grill,  a.  a.  0.,  pag.  41.    S.  auch  meine  Abhand- 
lung   „Ueber     den   Hirsebau    der    Arier    im    Veda    und 
Avesta'*  in   Vom  Pontus  bis  zum  Jndus,  pag.  188 — 209. 


—     213    — 

Ath.  IV,  3. 
Gebet  gegen  allerlei  Diebsgesindel  und  Raubgethier. 

Von  hier  weg  mögen  drei  sich  scher'n:  das  Tigerthier,  der 

Mensch,  der  Wolf. 
Hinweg  treiht   auch   der  Ströme  Flut,   hinweg   das  Holz, 

das  göttliche, 
Hinweg  auch  krieche,  wer  uns  hasst.  ]|  1  j| 
Weit  weg  vom  Pfade  flieh  der  Wolf,   am  weitesten  reiss' 

aus  der  Dieb, 
Es  gleite  weg  der  biss'ge  Strick,   der  Missethäter  drücke 

sich.  Ij  2  II 
Das   Augenpaar   und   deine   Schnauz',    zermalmen,    Tiger, 

wir  zuerst, 
Auch  deine  zwanzig  Krallen  dann.  ||  3  jl 
Den  Tiger  tödten  wir  zuerst  von  allem,  was  da  Zahne  hat. 
Sodann  den  Dieb  und  dann  die  Schlang',  den  Hexenmeister 

und  den  Wolf.  ||  4  || 
Wer  heut'  als  Dieb  heran  sich  schleicht,  geht  mit  zermalm- 
ten Gliedern  fort. 
Auf  dem   geheimsten  Nebenpfad   erschlag'   ihn  Indra   mit 

dem  Blitz.  ||  5  |I 
Vgl.  chizu  Grill,  a.  a.  O.,  pag.  23. 

2.  Liebe,  Hochzeit,  Geburt,  Familiengedeihen,  Würfel- 
glück und  Reichswohlfahrt. 

Ath.  VI,  130. 

Liebeszauber. 

Der  Apsarasen,  deren  Macht  die  Liebe,   ist  der  Liebesgott: 
0  Götter,  schickt  den  Liebesgott,  dass  Jener  doch  nach  mir 

sich  sehn'!  ||  1  || 
„Er  liebe  mich,  es  sehne  sich  mein  Liebster  nach  mir"  gebt 

ihm  auf! 


—     214     - 

0   Götter,   schickt  den  Liebesgott,    dass  Jener  doch  nach 

mir  sich  sehn'.  ||  1  |] 
Dass  jener  nur  nach  mir  sich  sehn',    ich  aber  nicht  etwa 

nach  ihm, 
Schickt,  Götter,  doch  den  Liebesgott,  dass  jener  doch  nach 

mir  sich  sehn'.  ||  3  || 
0  Stürme,  macht  ihn  liebestoll,  o  Aether  mach  ihn  liebestoll, 
0  Feuer,  mach  ihn  liebestoll,  dass  er  sich  liebend  nach  mir 

sehn'!  |1  4  || 
I^<//.  dazu  Grill,  a.  a.  O.,  pag.  36. 

Ath.  VT,  8. 

Ein  andrer  Liebes 7, au b er. 

Wie   die  Liane   um  und  um  sich  liebend  um  den   Baum- 
stamm schlingt, 

So    auch    umschlinge    liebend    mich,    auf  dass   du    meine 
Buhle  seist, 

Auf  dass  du  nicht  mehr  von  mir  lässt.  ||  1  || 

Gleichwie   der  Adler,  flugbereit,    die   Schwingen    auf  am 
Boden  schlägt, 

So  schlag'  und  fessl'  ich  deinen  Sinn,    auf  dass  du  nicht 
mehr  von  mir  lässt.  ||  2  || 

Wie   um   den   Himmel   und   die  Erd'   die  Sonne  kreist  in 
Ewigkeit, 

So  auch  umkreis'  ich  deinen  Sinn,auf  dass  du  meine  Buhle  seist, 

Auf  dass  du  nicht  mehr  von  mir  lässt.  ||  3  || 
Vgl.  dazu  Qrill  a.  n.   O.,  pmj.  34. 

Ath.  VI,  139. 

Liebeszauber  mit  der  Nyastikfl. 

Liane,  mit  den  Schossen  stiegst  du  hoch  empor,  Wohlthäterin, 
Einhundert    streckst    du    in    dio  Höh'    nud    dnMiiiid<lr<'i^'=i<' 
niederwärts. 


—     215     — 

Mit  dieser  Tauseudblättrigen  trockn  ich  dir  aus  des  Her- 
zens Grund.  |i  1  || 

Dein  Herz  vertrocku'  in  Lieb  zu  mir,  alsdann  vertrockn' 
ich  deinen  Mund, 

Dann  trockne  mich  mit  Sehnsucht  aus  und  alsdann  geh 
mit  trocknem  Mund.  ||  2  j| 

Versöhnende,  liebreizende,  gelbbraune,  schöne,  ein'ge  uns, 

Ja,  ein'ge  sie  und  mich  und  mach,  dass  unser  Herz  in  Ein- 
tracht schlägt.  II  3  II 

Gleichwie  der  Mund  vertrocknet  dem,  der  ihn  mit  Wasser 
nicht  geletzt, 

So  trockne  mich  mit  Sehnsucht  aus  nach  dir,  dann  geh  du 
trocknen  Munds.  ||  4  || 

Wie  das  Ichneumon  eine  Schlang'  zertheilt  und  dann  zu- 
sammensetzt, 

So  stell'  auch  mein  Herz  wieder  her,  das  jetzt  zerrissne, 
Zauberstrauch ! 

Ath.  VI,  78. 
Ein  Hochzeitssegen. 

Der  dieses  Opfer  dargebracht,   gewinne  neue  Jugendkraft! 

Die  Frau,  die  man  ihm  zugeführt,  gedeih'  in  Füll'  und 
Liebesreiz.  ||  1  || 

Er  sel1)st  gedeih'  an  Vieh  und  Milch  und  breite  seine  Herr- 
schaft aus. 

Mit  Gut  von  tausendfachem  Glanz  bereichre  sich  das  Ehe- 
paar. II  2  II 

Tvashtar  erzeugte  dir  dies  Weib,  Tvashtar  schuf  dich  für 
sie  zum  Mann, 

Tvashtar  verleih'  euch  tausendfach  so  Lebenskraft  als 
Lebenszeit.  ||  3  H 

Vgl.  dazu  Grill  a.  a.  O.,  yag.  36. 


—    216    — 

Ath.  VI,  17. 
Gebet  um  einen  Sohn. 

Wie  diese  grosse  Erde  giebt  den  Keim  zu  allem  Lebenden, 
So  keime  dir  auch  Leibesfrucht  zu  hoffnungsvoller  Nieder- 
kunft. II  1  II 
Wie  diese  grosse  Erde  trägt  der  Waldesriesen  schwere  Last, 
So  keime  dir  auch  Leibesfrucht  zu  hoffnungsvoller  Nieder- 
kunft. II  2  II 
Wie  diese  grosse  Erde  trägt  Gebirg'  und  Berge  iusgesanmit, 
So  keime  dir  auch  Leibesfrucht  zu  hoffnungsvoller  Nieder- 
kunft. II  3  II 
Wie  diese  grosse  Erde  trägt  die  ganze  ausgedehnte  Welt, 
So  keime  dir  auch  Leibesfrucht  zu  hoffnungsvoller  ^{ieder- 
kunft.  II  4  11 

Ath.  IV,  2. 
Gebet  um  ein  Glückshäubchen. 

Der  uns  das  Leben  giebt,  der  uns  die  Kraft  giebt, 
Dess  Machtgebot  die  Götter  all  gehorchen, 
Dess  Schatten  die  Unsterblichkeit,  der  Tod  sind: 
Wer  ist  der  Gott,  dem  wir  das  Opfer  brächten?  |]  1  || 

Er,  der  in  Majestät  vom  höchsten  Throne 
Der  athmenden,  der  Schlummerwelt  gebietet, 
Dess  Schatten  die  Unsterblichkeit,  der  Tod  sind: 
Wer  ist  der  Gott,  dem  wir  das  Opfer  brächten?  ||  2  || 

Zu  dem  empor,  wie  Schlachtreih'n  vor  dem  Kampfe, 
Himmel  und  Erde  ruft,  in  Furcht  erzitternd, 
Er,  dessen  dieser  Pfad,  der  durch  das  All  ttlhrt, 
Wer  ist  der  Gott,  dem  wir  das  Opfer  brächten?  ||  3  j| 

Er,  dess  der  Himmel  und  die  breite  Erde, 
Die  mächtige,  er  dess  der  weite  Luftraum, 
Er,  dessen  diese  Sonn'  in  Majestät  prangt, 
Wer  ist  der  Gott,  dem  wir  das  Opfer  brächten?  ||  4  || 


—     217     — 

Er,  dess  die  Schneegebirge  all,  hochragend. 

In  dessen  Ocean  die  Rasa  mündet, 

Dess  Arme  diese  Himmelsregionen, 

Wer  ist  der  Gott,  dem  wir  das  Opfer  brächten  ?  ||  5  |! 

Die  Wasser  hegten  erst  das  All,  besamend, 

Die  ewigen,  die  kundig  aller  Wahrheit, 

Der  über  diesen  Göttinnen  als  Gott  steht, 

Wer  ist  der  Gott,  dem  wir  das  Opfer  brächten?  [j  6  jj 

Im  Uranfang  entstand  das  goldne  Glanzkind, 

Er  war  des  Daseins  eingeborner  Meister, 

Der  trug  die  Erde,  sowie  auch  den  Himmel, 

Wer  ist  der  Gott,  dem  wir  das  Opfer  brächten?  [j  7  || 

Die  Wasser  hatten,  als  ein  Kind  sie  zeugten, 
Im  Uranfang  den  Keim  dazu  geschaffen, 
Und  als  dies  Kind  geboren  ward. 
Trug's  ein  Glückshäubchen  pur  aus  Gold. 
Wer  ist  der  Gott,  dem  wir  das  Opfer  brächten?  ||  8  || 
Vgl.  darüber  obenpag.  207,  sowie  memJran  und  Turan^p.  179-185. 

Ath.  VI,  140. 
Ein  Milchzahnsegen. 

Es  wuchs  ein  Tigerpärchen  auf,  das  frässe  Vater  und 
Mutter  gern, 

Dies  Zähnchenpaar,  o  Wachthums  Herr,  schaff  uns  zum 
Heil,  Allwissender!  ||  1  || 

Esst  wacker  Reis,  esst  Hirse  auch,  esst  Bohnen,  esset  Se- 
sam auch, 

Das  wartet  euerer  schon  längst,  dass  ihr  recht  schmaust,  o 
Zähuchenpaar. 

Thut  Vater  und  Mutter  nichts  zu  leid  ||  2  ]| 

Selbander  eingeladnes  Paar,  gereicht,  o  Zähnchen,  uns 
zum  Heil! 

Jagt,  Zähnchen,  Andern  Schrecken  ein,  thut  Vater  und 
Mutter  nichts  zu  leid!  II  3  " 


—    218     — 

Ath.  III,  30. 

Familiengebet. 

Ich  stifte  Eintracht  unter  euch,  herzinnige  Zwistlosigkeit, 
Liebt  Eins  das  Andre  wie  die  Kuh  ihr  friscligebornes  Kälb- 
chen pflegt,  II  1  II 
Dem  Vater  fol^e  gern  der  Sohn,  mit  seiner  Mutter  Eines 

Sinns, 
Die  Frau  beglücke  ihren  Mann   mit  liebenswürdigem  Ge- 
spräch. II  2  II 
Der  Bruder  nicht  den  Bruder  hass',   die  Schwester  so  die 

Schwester  nicht, 
Nach  Einem  Ziel  nur  trachtend,  Eins  nur  wollend,  sprecht 

nur  Freundliches,  jj  3  ||  , 
Das,  was  die  Götter  nie  entzweit,   sie  nie  einander  hässig 

macht. 
Bring'  ich  als  Segen  euch  in's  Haus,  die  Eintracht  mit  der 

Nächstenwelt.  ||  4  \\ 
Verständig  Aeltern  folgend  lebt  nicht  uneins. 
Zusammenhaltend  lauft  an  Einer  Deichsel. 
Einander  Schönes  sagend,  wandelt  traulich, 
Ich  mach'  das  Herz   euch  für  nur  Ein  Ziel  schlagen.  ||  5  || 
Für  Jedes  gleichen  Antheil  Speis'  und  Trankes, 
Ich  bind'  euch  an  dasselbe  Joch  zusammen. 
All  euer  Sinnen  drehe  um  den  Herd  sich, 
Wie  um  die  Nabe  sich  die  Speichen  umdrehn.  ||  6  |1 
Ich  mach'  eu'r  Herz  für  Ein  Ziel  nur  sich  regen, 
Dass  Alle  glüh'n  in  holder  Gegenliebe. 
Gleich  Göttern,  die  das  Amyita  behüten. 
Seid  früh  und  spät  von  immer  guter  Laune!  ||  7  || 
Ve)-gL   Webei;  Jnd   Stud.,  Bd.  XVII,  pag.  306— :U0. 


—     219    — 

Ath.  VII,  52. 
Hausgebet  um  Friede  und  Eintracht, 

Gewährt   uns  Eintracht  unter  uns  und  Eintracht  mit  der 

Aussenwelt, 
Ja,  Fried'  und  Eintracht  unter  uns  gewähr'  uns  doch  A^vinen- 

paar!  ||  1  jj 
Wir  wollen  herzlich  uns  verstehn,  nicht  streiten,  sondern 

uns  mit  Ernst 
Gottinniger  Gesinnung  weih'n.  |j  2  || 
Kein  Kriegsgeschrei  erhebe  sich  von  Schlacht  und  Sieg,  es 

schwirr'  kein  Pfeil, 
Denn  uns  brach  an  Gott  Indra's  Tag.  ||  3  || 
Vgl.  Grill  a.  a.   O..  pag.  22. 

Ath.  VI,  120. 

Gebet  um  Wiedersehn  von  Eltern  und  Kindern. 

V7enn  wir  der  Luft,  der  Erde  und  dem  Himmel, 
Wenn  Muttern  wir  und  Vatem  Leides  thateu, 
So  mög*  uns  Agni,  er,  des  Hausherds  Vater, 
Davon  erlösen  in  die  Welt  der  Frommen.  ||  1  || 
Die  Erd'  ist  unsre  Mutter,  Weltraum  Heimat, 
Die  Luft  als  Bruder  schütz'  uns  vor  Bedrängniss. 
Der  Himmel  mög'  uns  Vatergruss  entbieten, 
0  wären  wir,  wo  wir  die  Brüder  träfen!  |]  2  H 
Dort,  wo  die  Frommen,  ledig  aller  Leiden, 
Nach  Herzenslust  am  Soma  sich  erlaben, 
Wo  Lahme  nicht,  noch  Krüppel,  dort  im  Himmel, 
Säh'n  Eltern  wir  und  Kinder  gerne  wieder.  ||  3  || 
Vgl.  Gnll  a.  a.    O.,  pag.  16. 


—     220     — 

Ath.  VI,  88. 
Segensspruch  für  die  Sicherheit  des  Reiches. 

Fest  ist  der  Himmel,  fest  die  Erd',  fest  ist  das  ganze 
Weltenall, 

Fest  sind  die  Berge  dort  und  fest  der  König  dieser  Stämme 
auch.  II  1  II 

Fest  mache  König  Varuna,  fest  mache  Gott  Brihaspati, 

Fest  mache  Indra  im  Verein  mit  Agni  deinen  Herrscher- 
thron. II  2  II 

Fest,  unerschüttert,  schlag  die  Feinde  nieder 

Und  die  Rebellen  tritt  zu  deinen  Füssen. 

Die  ganze  Welt,  zu  Einem  Bund  vereinigt, 

Gewähre  deinem  Reich  Bestand  und  Dauer!  ||  3  || 

Ath.  VI,  108. 
Gebet  um  Weisheit. 

0  Weisheit,  komme  du  voraus  auf  Ross  und  Rind,  ge- 
fahren her. 

Komm'  auf  der  Sonne  Strahlen  her,  du  bist  ja  der  Ver- 
ehrung werth.  II  1  II 

Die  Weisheit,  die  der  Andacht  voll.  Inbrunstgetragen,  Dich- 
tem hold, 

Vom  Forschervolk  gehegt,  gepflegt,  ruf  ich  zur  Hülf  der 
Götter  an.  ||  2  || 

Die  Weisheit,  die  den  Ribhus  kund,  die  Weisheit,  die  den 
Asuras, 

Der  Rishi  fromme  Weisheit  lass  mit  deinem  Geist  durch- 
dringen mich.  II  3  II 

Die  Urweisheit  der  Weltschöpfung,  die  einst  der  Vorzeit 
Weisen  Theil, 

Mit  dieser  Weisheit,  Agni,  lass  mich  heut  durchdringen 
meinen  Geist.  '  4  ii 


—    221     — 

Wir  flehn  zur  Weisheit  spät  und  früh,  wir  flehn  zur  Weis- 
heit Mittags  auch, 

Dass  auf  der  Sonne  Strahlen  sie  einkehren  mög'  in  unsern 
Geist.  II  5  II 

Ath.  IV,  38. 
Gebet  um  Würfelglück. 

Die  Apsarä,  die  glücklich  spielt,  die  durchdringt  und  Ge- 
winn verschafft, 

Die  aUe  Würfe  an  sich  bringt,  die  Apsarä  ruf  ich  herbei  ||  1  ]| 

Die  Apsarä,  die  glücklich  spielt,  zusammenstreicht  und 
Häufchen  macht, 

Die  alle  Würfe  an  sich  bringt,  die  Apsarä  ruf  ich  herbei.  ||2|| 

Ist  eine,  die  mit  Würfeln  tanzt,  den  Wurferfolg  zu  Händen 
streicht, 

Die  spende  uns  den  Spielerlos,  erziel'  durch  Zauber  den 
Gewinn. 

Die  nahe  sich  uns  segensreich,  dass  man  uns  nicht  im  Spiel 
besiegt.  ||  3  || 

Wer  an  den  Würfeln  Freude  hat,  bringt  sonst  nur  Zorn 
und  Aerger  heim, 

Ich  aber  ruf  die  Apsarä,  die  uns  vergnügt  und  Spass  ver- 
schafft. II  4  II 

Vgl.  dazu  Gnll  a.  a.  0.,  pag.  45. 


3.     Zaubersprüche    gegen    Körpergebrechen,    Krank- 
heiten und  Wunden. 

Ath.  VI,  91. 
Ein  Wassercurspruch. 

Dies  Hirsekorn  hier  haben  sie  mit  drei,  mit  vier  Joch  sich 

erpflügt; 


—     222     — 

Mit  dem  entfern'  dein  Uebel  ich ,  dass  es  nach  unten  von 
dir  geht.  II  1  II 

Nach  unten  geht  des  Windes  Wehn,  nach  unten  brennt  der 
Sonne  Gkit, 

Nach  unten  melkt  man  eine  Kuh,  nach  unten  soll  dein 
Uebel  fliehn.  ||  2  || 

Die  Wasser  sind  ja  Arzenei'n,  die  Wasser  treiben  Krank- 
heit aus, 

Die  Wasser  heilen  All's  und  Jed's ,  so  sei'n  sie  deine 
Arzenei.  ||  3  || 

Ath.  VI,  24. 
Ein  anderer  Wasserheilspruch. 

Vom  Himavat  her  strömen  sie  und  münden  in  die  Sindhu  aus, 

0  möchten  doch  die  Wasser  mir  ein  Mittel  gegen  Herz- 
weh sein.  II  1  II 

Was  an  dem  Augenpaar  mich  schmerzt,  den  Fersen,  Vorder- 
füssen  schmerzt, 

0  schwemmten  mir's  die  Wasser  weg,  der  Aerzte  ausge- 
zeichnetste II  2  II 

Ihr  Flüsse,  die  ihr  all  zur  Frau  und  Königin  die  Sindhu 
habt, 

Gebt  uns  ein  Mittel  doch  für  Das,  die  Gunst  verdanken 
wir  euch  gem.  ||  3  || 

Ath.  XIX,  37. 
Heilkraft  des  Bdcllion. 

Ja,  den  berührt  nicht  Auszehrung  und  den  berührt  auch 
nie  ein  Fluch, 

Den  nur  einmal  der  Wohlgeruch  des  Bdellionbalsams  be- 
rührt. II  1  II 

Vor  diesen  machen  Seuchen  sich  wie  Antilopen  sclieu 
davon. 


—     223     — 

Du  habest  IndusbdellioD,  du  habest  Bdellion  vom  Meer: 
Ich  nannte  beider  Namen  jetzt  und  nunmehr  hat  dir  nichts 
was  an.  ||  2  || 

Ath.  VI,  136. 
Haarstärkungsbalsam. 

0  Zauberkraut  von  Götterglanz,  auf  Göttererde  wuchsest  du, 

Nach  deiner  Wurzel  graben  wir,  auf  dass  sie  unsre  Haare 
stärk'!  !!  1  !i 

Die  alten  starke,  neue  dann  erzeug*  und  mach  sie  lang  und 
stark.  II  2  !| 

Geht  dir  ein  Haar  aus  oder  wird  es  mit  der  Wurzel  aus- 
gerauft, 

Bespritz'  ich  dich  mit  einem  Guss  von  diesem  Kraut,  das 
AUes  heüt.  |1  3  || 

Ath.  VI,  46. 
Gegen  Schlaflosigkeit. 

Der  du  unser  Leben  bist,  du  bist  nicht  todt,  der  Götter  un- 
sterblicher Lebenskeim,  o  Schlaf  |  Varunänl  [die  Gemahlin  Varur 
7UIS,  des  Gottes  des  Nachthivimels]  ist  deine  Mutter,  Yama  [der 
Gott  des  Todes]  ist  dein  Vater,  Ararus[?]  ist  dein  Name.  ||  1  || 
Wir  kennen  dich,  o  Schlaf,  als  unsre  Heimat,  du  bist  der  Sohn 
der  Götterschwestem ,  der  Gehülfe  Yama's  |  Du  bist  das  Ende, 
du  bist  der  Tod  |  Der  bist  du,  o  Schlaf,  und  so  kennen  wir 
dich  I  Schütze  uns,  o  Schlaf,  vor  Schlaflosigkeit.  ||  2  jj 

Wie  man  ein  Boot,  Vieh  oder  Fluss 

Beliebig  dahin,  dorthin  führt, 

Führen  wir  dich,  Schlaflosigkeit, 

Jetzt  voll  und  ganz  dem  Hasser  zu.  ||  3  || 


—     224     — 
Atk  VI,  25. 

Gegen  Halsweh. 

Die  fünfimdfünfzig    [Würmer],    die   sich    mir    im    Nacken 

tummeln  hin  und  her, 
Sie  mögen  hingehn  allzumal,  gleichwie  ein  Hummelnschwarm 

versurrt.  |I  1  || 
Die  siebenundsiebzig,   die  sich  mir  im  Halse  tummeln  hin 

und  her, 
Sie  mögen  hingehn  allzumal,  gleichwie  ein  Hummelnschwarm 

versurrt.  |j  2  || 
Die  neunundneunzig,   die  sich  in  den  Schultern   tummeln 

hin  und  her, 
Sie  mögen  hingehn  allzumal,  gleichwie  ein  Hummelnschwarm 

versurrt.  ||  3  || 
VergL  darüber  yj)ie  Quelle  des  Aberglmibens"   in  meinem 
Bliche  „öulfurwandel  und  Völkerverkehr^''  (Lpz.,  Fnedrich^  1891) 
pag.  128. 

Ath.  VI,  105. 
Gegen  Husten. 

So  rasch  als  nur  des  Denkens  Kraft  mit  einem  Bild  von 
dannen  eilt, 

So  rasch,  o  Husten,  flieg'  auch  du  mit  Geistesschnelligkeit 
davon.  |1  1  || 

So  rasch  ein  wohlgeschärfter  Pfeil  sich  rasch  in  weite  Ferne 
schwingt, 

So  rasch,  o  Husten,  flieg'  auch  du  mit  Geistesschuelligkeit 
davon.  ||  2  || 

So  rasch  als  nur  der  Sonne  Strahl  sich  fernhin  durch  die 
Lüfte  schwirrt. 

So  rasch ,  o  Husten,  flieg'  auch  du  dem  Lauf  der  Meeres- 
strömung zu.  II  3  II 


—     225     — 

Atb.  VI,  44. 

Gegen  Asräva  (?)  und  Vätikrita  (?) 

Der  Himmel  stand,  die  Erde  stand,  es  stand  das  ganze 
WeltenaU, 

Die  Bäume  standen  starr  im  Schlaf,  so  stehe  deine  Krank- 
heit still,  il  1  II 

Von  hundert  Arzeneien,  ja  von  tausenden,  die's  geben  mag, 

Das  Beste  gegen  Asräva,  dasKrankheitwegbefördemdste,  |j  2  || 

Bist  du,  Rudrasyamütra-Kraut,  du  Nabel  der  Unsterblichkeit. 

Du  heisst  mit  Recht  Vishänakä,  der  Väter  Wurzel  du  ent- 
stammt, 

Du  Mittel  far  Vätikrita.  |  3  || 

Ath.  I,  23. 
Gegen  Aussatz. 

Zu   Nachtzeit    schössest    du    empor,    du    dunkles,    fahles, 

finstres  Kraut, 
Gieb   diesem    aussatzkranken  Mann,   dem    bleichen,   Farbe, 

fahle  du  Ij  1  1| 
Den  Aussatz  und   das  bleiche  Haar,   das  fleck'ge  Ausseh'n 

tilge  weg! 
Des  Leibes  eigne  Farbe  kehr'  zurück  dir,   jag'  die  Bleich- 
sucht aus!  1  2  II 
Fahl  ist  das  Bett,  worauf  du  liegst  und  fahl  die  Unterlage 

auch, 
Du  selbst  bist  fahl,  o  Zauberkraut,  so  lass  die  Fleckigkeit 

vergehn!  \\  3  Jj 
Den  Aussatz,    der   im  Knochen  liegt,   in  deinem  Leib,   in 

deiner  Haut, 
Des    giftgezeugten    weisses    Mal,    vertreib'   es    durch   des 

Spruches  Kraft!  1  4  jj 
Vgl.  Grill  a.  a.  O.,    jiag.  15,    insbes.   Weber,    Ind.  Stud., 
Bd.  IV,  pag.  416—417. 

Brunnhofer,  Vom  Aral  bis  zur  Gangä.  15 


—     228     — 

Mit  dieser  Götterspende  macht  ihr  dieses  Gift  ganz  un- 
wirksam II  2  II 

Ob  Tochter  auch  der  Teufel  sei'st,  du  bist  der  Götter  Schwe- 
ster doch, 

Dem  Himmel  und  der  Erd'  entstammt,  hast  du  das  Gift 
ums  Gift  gebracht.  ||  3  || 

Ath.  IV,  6. 
Ein  anderer  Gegengiftzauber. 

Als  Brähmana   kamst   du   zur  Welt,   zehnköpfig  wie  zehn- 
mündig auch, 
Der  trank   zuerst   den  Somatrank,    der  macht'  unschädlich 

dieses  Gift  ||  1  || 
Soweit  der  Himmel  und  die  Erde  reichen,  soweit  die  sieben 

Ströme  sich  verbreiten, 
Soweit   weg   bann   ich   auch   den  Fluch   des  Giftes   durch 

Beschwörung  weg  ||  2  || 
Garutmän  hat,   der  Vögel  Fürst,   zuerst,   o  Giftkraut   dich 

entdeckt. 
Du  hast  ihn  nicht  betäubt,  gezwickt  und  dientest  ihm  als 

Nalirung  doch  ||  3  || 
Wenn  ich  dich  mit  fünf  Fingern  fass'  und  von  dem  Bogen 

rückwärts  schiess  | 
Vermag  ich  von   des  Pfeiles  Schaft  hinwegzubannen  alles 

Gift.  II  4  II 
Vom  Pfeil  bann' ich  zurück  das  Giftund  von  der  Federhülse  auch, 
Von  Widerhaken,    Spitz'   und  Hals   bann   ich  den  Giftstoff 

wieder  weg  ||  5  || 
Saft-kraftlos   ist    des  Pfeiles  Schaft,   saft-kraftlos  sei  denn 

auch  das  Gift, 
Saft-kraftlos  ist  das  Holz  des  Baums,  saft-kraftlos  sei  der 

Bogen  auch.  ||  6  || 
Wer  Pfeile  mit   dem  Gift  bestreicht  und  wer  dann  solche 

Pfeile  schiesst, 


—    229     — 

Die  wandeln  sich  in  Hämlinge,  der  Hamling  wird  ein  Berg 

von  Gift  II  7  II 
Zum  Hämling  wird  auch,   wer  dich  gräbt,    denn  Hämling 

bist  du,  Zauberkraut, 
Ein  Hämling  ist  sogar  der  Berg,   von  wannen  dieses  Gift 

entstammt.  ||  8  11 


4.  Sprüche  wider  Zwietracht,  Eifersucht  und  Zorn. 

Ath.  VI,  42. 
Wider  Zwietracht. 

Wie  man  vom  Bogen  spannt  die  Sehn',  spann'  ich  vom 
Herzen  deinen  Groll, 

Damit,  in  Eintracht  wir  gesellt,  wir  leben  wie  ein  Freundes- 
paar. II  1  II 

Lass  leben  uns  als  Freundespaar,  ich  spann'  vom  Herzen 
dir  den  Groll, 

Wir  werfen  deinen  Groll  hinweg  und  wälzen  einen  Block 
darauf.  ||  2  || 

Dann  tret'  ich  hin  auf  deinen  Groll  mit  Ferse  und  mit 
Vorderfuss, 

Dass  du  nicht  widerspänstig  sprichst  und  dich  nach  meinem 
Sinn  bequemst.  ||  3  || 

Ath.  Vn,  45. 
Gegen  Eifersucht. 

Vom  Indus  her,  dem  Allerweltsvielliebchenlande  hergebracht. 
Von    weither,   mein'   ich,   stammest  du,   das  Mittel  gegen 

Eifersucht.  ||  1  || 
Gleichwie   man   einen  Meiler  löscht,   der   in  sich  heimlich 

glimmt  und  glüht, 


-     230     — 

So  stiir  du  ihre  Eifersucht,  wie  man  mit  Wasser  Feuer 
löscht.  II  2  II 

Ath.  VI,  18. 
Ein  anderer  Spruch  gegen  Eifersucht. 

Den  ersten  Sturm  der  Eifersucht,  sodann  den  zweiten  und 
so  fort, 

Den  Feuerbrand  im  Herzen  dein,  den  blasen  wir  dir  gründ- 
lich aus.  II  1  II 

Gleich  wie  die  Erde  todten  Sinns,  noch  todter  als  ein  Todter  ist, 

Wie  eines  Todten  Herz,  so  sei  das  Herz  des  Neiders  todten- 
kalt.  II  2  II 

Das  schwanke  Sinnchen,  das  sich  dir  hat  eingenistet  in 
dein  Herz, 

Erlös'  ich  von  der  Eifersucht,  wie  Dampf,  wenn  man  den 
Topf  abhebt.  |j  3  || 

Ath.  VI,  43. 
Gegen  Zorn. 

Dies  Gras  hier  stillt  den  Groll,   so  gut  bei  andern  Leuten 

wie  bei  uns. 
Drum,  gilts  Beschwichtigung  des  Grolls,  so  ruft  man  dem 

Zornmittelchen.  ||  1  || 
Es,   das   mit  vielen  Wurzeln  tief  zum  Meeresgrund  herab 

sich  senkt 
Und  dann  sich  in  die  Luft  erhebt,  es  wird  Zommittelchen 

genannt.  ||  2  || 
Wir  zieh'n  aus  deinem  Kinn  und  Mund  dir  deine  Wider- 

spänstigkeit, 
Damit  du  uns  nicht  widersprichst  und  dich   nach  unserm 

Sinn  bequemst.  ||  3  || 
Vgl.  dazu  Grill  a.  a.  0.,  pag.  27. 


—     231     — 

5.  Sprüche  zur  Ab  wehr  von  allerlei  Unsegen  und  Fluch. 

Ath.  VI,  52. 
Wider  böse  Geister. 

Die  Sonne  geht  am  Himmel  auf,   die  Riesen  brennend  vor 

sich  her. 
Der  Gott,  von  Berg  zu  Berg  zu  schau'n,  bannt,   was  sich 

nicht  ans  Licht  getraut.  {|  1  || 
Dann  lagern  sich  die  Ktih'  im  Stall,  die  Vögel  siedeln  sich 

zur  Rast, 
Der  Ströme  Wogen  werden  still  und  was  sich  nicht  ans 

Licht  getraut.  1|  2  |1 
Er  schenk'  ein  weises  Leben  uns  und  Kanva's  Kraut  von 

weitem  Ruf, 
Das  ist  nun  meine  Panacee   für  was  sich  nicht  ans  Licht 

getraut,  i]  3  1| 

Ath.  Vn,  64. 
Abwehr  eines  Unglücksvogels. 

Ein  schwarzer  Vogel  flog  uns  zu,   der  etwas   fallen   Hess 

im  Flug, 
So  mögen  mich  die  Wasser  denn  von  aller  Fahr  vmd  Noth 

befrein  \\  1  |I 
Wenn  hier  dein  Vogel,   Nirriti,  mit  seinem  Schnabel  was 

gestreift, 
So  möge  Agni  mich,  der  Herr  des  Herds,  von  der  Gefahr 

befrein.  1|  2  || 

Ath.  VI,  37. 
Fluch. 

Der  Gott   mit   tausend  Augen   hat  den  Wagen  abgeschirrt 
und  kommt, 


—     232     — 

Suchend  den  Mann,   der  mir  geflucht,  gleichwie   der  Wolf 

des  Schäfers  Haus.  |1  1  || 
uns  selber  schone,  Fluchdämon,  als  wie  ein  brennend  Feu'r 

den  See, 
Den  aber,   der  uns  flucht,   schlag'  todt.   als  wie  den  Baum 

des  Himmels  Strahl  ||  2  || 
Den,  der  uns  flucht'  ohn'  unsern  Fluch,  und  den,  der  uns 

flucht,  weil  wir  ihm, 
Den  werfe  ich  dem  Tode  hin  wie  einen  Knochenrest  dem 

Hund.  II  3  II 
Vgl.  Grill  a.  a.  ö.,  pag.  19. 

Ath.  VI,  26. 
Vertreibung  der  Pest  zu  Andern. 

Verlass  uns,  Pest,  sei  doch  so  gut  und  bleib'  uns  recht  ge- 
wogen, ja? 

Lass  mich,  o  Seuche,  heilen  Leibs  eingehen  in  die  Welt 
des  Heils!  ||  1  U 

Die  du  uns,  Seuche,  nicht  verlässt,  wir  unsrerseits  sind 
deiner  satt, 

Auf  einem  Kreuzweg  hefte  dich  an  eines  Andern  Ferse, 
Pest!  II  2  II 

DerEw'ge,Tausendäugige,  schenk'  einem  Andern  seine  Huld! 

Dem,  dem  wir  hässig,  spiel'  er  mit,  den,  den  wir  hassen, 
schlage  todt!  ||  3  || 

Ath.  VH,  59. 

Gegen  fluch. 

Wer  uns  verfluchen  sollte,  selbst  wenn  wir  ihm  nicht  vor- 
her geflucht. 

Und  auch,  wer  uns  verfluchen  sollt',  auch  wenn  wir  ihm 
vorher  geflucht, 


—    233     — 

Verdorre,    wie    ein   Baum   vom   Blitz   getroffen,    von    der 
Wurzel  her. 

Ath.  VI,  67. 
Anwünschung  panischen  Schreckens  in  der  Schlacht. 

Auf  allen  Bahnen  ist  das  Paar  Indra  und  Püshan  auf  der 

Fahrt, 
0  dass   sie   heut'    der  Feinde  Heer  ins  Bockshorn  jagten 

allerwärts!  ||  1  || 
0  Feindesschaaren,   nehmt  die  Flucht,   kneift  wie  kopflose 

Schlangen  aus! 
Mög'  Indra  die  von  pan'schem  Schreck  Verwirrten  tödten 

Mann  für  Mann  ||  2  || 
Näh  ihnen  zu  das  Fell,  o  Stier,  jag'  ihnen  ein  Gazellenangst! 
Gott  Mitra  wende  sich  abweits,   uns  aber  geh'  die  Sonne 

auf!  II  3  II 

Ath.  Vn,  65. 
Reinigung  von  Sünde. 

Mit  Früchten,  rückwärtsliegenden,  wuchs'st  Apämärga,  du 

empor, 
Verscheuche  alle  Flüche,   die  auf  mich  geschleudert,  weit 

hinweg.  II  1  II 
Was  wir  an  Fehlem,  Missethat  und  Schlechtigkeit  gestindiget, 
]Mit  dir,    o  Allwärtsschauende,   befrei'n  wir  gründlich  uns 

davon  ]|  2  || 
Was    wir    mit    Schwarzzahn,    Nägelkrank    und    Hämling 

Schlimmes  wo  vollführt, 
Vermittelst  deiner  wischen  wir  das  alles,  Apämärga,  ab.  ||  3  J 

Vgl.  Grill  a.  a.  O.,  pag.  26. 


—     234     - 

Ath.  VI,  115. 
Reinigung  von  SündenschmTjtz. 

Die  Sünden,  die  wir  wissentlich  begiengen  und  unwissentlich, 
Von  aller  dieser  Sündenschuld,  erlöst  uns,  Götter,  allzumal!  i  1  j. 
Wenn  ich  mich  bei  Verstand  und  wenn  ich  mich  im  Schlaf 

versündigte, 
Vergangenheit  und   Zukunft   sühn'   mich   davon    wie    von 

Folterqual.  ||  2  || 
Wie  man  von  Foltern  iins  erlöst,  im  Schweissbad  uns  den 

Schmutz  abspült, 
Wie  Schmutz  man  durch  die  Seihe  klärt,  also  entsündiget 

mich  all.  ||  3  |1 

6.  Der  verloreue  Schöpfiingshymnus  TOm  goldenen  Weltei. 

Aus  der  Paraphrase  des  (^atapatha-Brähmana  in  seine  ursprüngliche 
Strophenform  zuräckversetzt. 

Aus  dem  Anfang  von  Manu's  Dharma^ästra  hatte  sich  längst 
auf  das  ehemalige  Vorhandensein  eines  Vedahymnus  vom  Weltei 
schliessen  lassen.  Er  steht  paraphrasirt  im  Qatapatha-Bräh- 
mana  XI,  1,  6,  1  ff.  (ed.  Weber  pag.  831,  Commentar  883).  Aus 
der  Reconstruction  in  Strophenform  geht  hervor,  dass  der  An- 
fang des  Hymnus  nur  verstümmelt  auf  uns  gekommen  ist.  Viel- 
leicht finden  sich  aus  andern  Vedatexten  und  Commentaren  die 
fehlenden  Strophen gliedre  wieder  zusammen.  Die  Trübimg  der 
Strophenform  gescliah  meist  durch  Einschiebung  pleonastischer 
Partikeln.  An  einigen  Stellen  habe  ich  mir  Ergänzungen  er- 
laubt, wo  das  überlieferte  Textmaterial  Lücken  zu  bieten  scheint. 
Auch  einige  Umstellungen  haben  sich  als  noth wendig  erwiesen. 
Ich  bilde  mir  nicht  ein,  den  ursprünglichen  Text  der  Hymnus- 
strophen überall  zurück  entdeckt  zu  haben,  doch  wird  im  Grossen 
und  Ganzen  an  der  hier  gewonnenen  Reconstruction  wenig  mehr 
zu  ändern  übrig  bleiben. 


—    235    — 

L  {Ti-ÜMubh). 
dpa  iddm  salildvi  evdsägre 
Tcdmayanta  Tcathdm  nü  pra  jäyeviahi 

tä  'crämyans  tds  tdpo  'tapyarUa 

2.  {Trish^ubh). 
tdsu  tdpas  tapydmdnäsu  [tdrhi] 
hiranmdyain  [iddjändain  sdm  babkiiva 

äjäto  ha  samvatsardh  [tadäinm]  || 

Inr'anindyam  tdd  enam  iddm  än^dm 
ydvat  samvatsardsya  veldsit  \ 
tdvat  bfbhräd  aplavata 
tdtah  samvatsard  'bhavat 
piirushah  sd  prajdpatih  || 


äpo  ha  vä  idäm  agre  salilam  eväsa  tä  akämayanta  kathäm  nü 
pra  jäyemahiti  tä  a^rämyans  täs  täpo  'tapyanta. 
täsu  tapas  tapyamänäsu  hiranmäyam  ändäm  säm  babhüva.  äjäto 
ha  tärhi  samvatsarä  äsa.  täd  idäm  hiranmäyam  ändäm  yävat 
samvatsaräsya  velä  tävat  päry  aplavata.  1.  tätah  samvatsare 
pürushah  säm  abhavat,  sä  prajäpatih.  täsmäd  u  samvatsarä  evä 
stri  vä  gaür  vä  vädabä  vä  vi  jäyate.  samvatsare  hi  prajäpatir 
äjäyata  sä  idäm  hiranmäyam  ändäm  vy  ärujat.  näha  tarhi  kä 
canä  pratishthäsa.  täd  enam  idäm  evä  hiranmäyam  ändäm 
yävat  samvatsaräsya  veläsit  tävad  bibhrat  päry  aplavata.  2.  sä 
samvatsare  vyäjihirshat.  sä  bhür  iti  vyäharat,  seyäm  prithivy 
abhavat,  bhüva  iti  täd  idäm  antäriksham  abhavat,  svär  iti  säsau 
dyaür  abhavat.  täsmäd  u  samvatsarä  evä  kumärö  vyä 
jihirshati  samvatsare  hi  prajäpatir  vyäharat. 
3.  sä  evä  ekäksharadvyaksharäny  evä  prathamäm  vädan  prajä- 
patir avadat-  täsmäd  ekäksharadvyaksharäny  eva  prathamäm 
vädan  kumärö  vadati.   4.  täni  vä  etäni  päücäkshäräni.   tän  päö- 


—     236     — 

4.   (Ushnih). 
tdsmdt  samvatsürd  evd 
stri  vd  gaür  vä  vd^abä  vä  vi  jdyate 
samvatsarS  prajdpatir  ajdyata  || 

5.  {Dvipadd  Trisivhh  vgl.  Rigv,  ^Y,  157). 
vyärujat  Mranrndyam  [tddd\dndam 
ndha  tdrhi  Icd  cand  2)^<^tts]4hdsa  || 

6.  [Prastdrapankti  vgl.  Itigv.  7,  H8,  1.  6). 
Mranrndyam  tdd  enam  i'ddvi  dn(ldm 
ydvat  samvatsardsya  vSläsit 
tavad  hihkrad  aplavata 
samvatsarS  vydjiltirshat  j] 

7.  (Pankti). 

sd  bhür  Ui  vydharat  seydm  pritMvy  abhavat  \ 

[sd]  bküva  iti  [vydharat]  tdd   antäriksham  \abhavat\, 

[sä]  svär  iti  dyaür  abhavat. 

8.  iUshnilj). 

tdsmdt  samvatsard  evd  humdrö  vyd  jihirshati  \ 
samvatsarS  prajdpatir  vydharat. 

cartün  akuruta,  tä  ime  päiicartävah.  sä  evam  iman  lokan  jätänt 
samvatsare  prajäpatir  abhyüd  atishthat.  täsmäd  u  samvatsara 
evä  kumärä  üt  tishthäsati.  saipvatsare  hi  prajäpatir  üd  atish- 
that.    5.  sä  sahäsräyur  jajne. 

sä  yathä  nadyai  pärdm  paräpä^yed,  evam  svasyäyushab  päram 
päräcakhyau.  6.  so  'rcail  chramyan^  cacära  prajäkämat.  sä 
ätmäny  evä  präjätim  adhatta.  sä  äsyenaivä  deväu  asyijata  te 
devä  divam  abhipädyäsvijyanta  täsmai  sasvijänäya  diveväsa  täd 
vevä  devänäm  devatväm  yäd  äsmai  sasyijänäya  diveväsa.  7.  ätha 
yö  'yam  äväfi  pränäh  tenä.surän  asyijata,  tä  imäm  evä  pj-ithiviin 
abhipädyäsyijyanta.  täsmai  sasrijänäya  täma  iväsa.  8.  so  'vet. 
päpmänam   vä   asjikshi   yäsmai   me    sasrijänäya    täma  iväbhüd 


—     237     — 

9.  {TrisMubh). 
sä  evai  Icahsharadvyakshar&ni 
evd  ^vadat  prajdpatir  pratliamdmj 
tdsinäd  ekdksharadvyahshardni 
evd  kumdrö  vadati  prathamdm  || 

10.  {Anushfubh). 

tdn  pdficartün  akuruta  td  imS  pänca  ritdvah 
sai    'vam    imdn    lohdn    jdtdrü    samvatsare    ahhyüd 
atishihat  || 

11.  {Mahdbrihatiyavamadkyd  vgl.  Rigv.  I,  105,  8). 

tdsindt  samvatsard  evd  Tcumdrd  üt  tish{hdsati 
samvatsarS  prajdpatir  üd  atishthat 
sd  sahdsra-dyur  jajne. 

12.  (Ti-ishtubh). 

sd  yäthd  nadyai  pdrdm  pardpdgyet 
svdsya  dyushah  pdrdm  pdrdcakshyau  \ 
so  'rcan  chrdmyang  cacdra  p^-ajdhdmaJj, 
sd  ätmäni  prdjdtim  evd  'dhatta  || 

13.  {Jagati). 

sd  äsyena  evd  devdn  asrijata 

ti  devd  divam  abhipddydsrijyanta. 

iti  täns  täta  eva  päpmänä  vidhyatte  täta  eva  paräbhavans  täsmäd 
ähür  naitad  asti  yad  daiväsuram  yäd  idam  anväkliyäne  tvad- 
udyätas  itihäse  tvad  täto  ha  eva  tän  prajäpatih  päpmanävidhyat 
te  tata  eva  paräbhavann  iti.  9.  täsmäd  etäd  rishinäbliyäiiüktain: 
na  tvani  yuyutse  katamäccanärhanä  te  mitro  maghavan  ka9ca- 
nästi  te  yäni  yuddhäny  ähur  nadya  ^atrum  na  nü  pura  yuyutsa 
iti.  10.  sa  yad  äsmai  devant  sasrijänäya  diveväsa  täd  ahar 
akurutätha  yäd  äsmä  äsuränt  sasrijänäya  täma  iväsa  täm  rätrim 
akuruta  ik  'horätre.  11.  11 


—    238     — 

14.  {Anuh(ubh). 

dtha  yb  ^ydm  dvdn  prändli  tenäsurän  asrtjata, 
td  iindm  eva  i>rithivvin  abhipddya  asrijyanta  || 

15.  {Trishfubh). 

sd  ydd  dsmai  devdnt  sasnjäyidya 
dfvevdsa  tdd  dhar  ahurutdtha  \ 
ydd  dsmd  dsurdnt  sas-njändya 
tdma  ivdsdhuruta  tdm  rdtrim  || 


Uebersetzung. 

1. 

Die  Wasser  waren  dieses  Meer  im  Anfang, 
Sie  wünschten:  wie  vermöcliten  wir  zu  zeugen? 

Sie  glühten  sich  in  ernster  Selbstvertiefung. 

2. 

Als  diese  sich  in  Selbstvertiefung  glühten, 
Da  ist  daraus  ein  goldnes  Ei  entstanden, 

Denn  damals  war  das  Jahr  noch  ungeboren. 

3. 

Dies  selbe  goldne  Ei  [des  Uranfanges], 
Solang  als  eines  Jahres  Zeitraum  währet. 
Solange  schwamm's  umher,  daraus 
Entstand  in  eines  Jahres  Frist 
Ein  Mensch,  der  war  Prajäpati. 

4. 

Nach  einem  Jahre  erst  gebärt 

Das  Weib,  die  Kuh  auch,  oder  auch  die  Stute  drum. 


—    239    — 

5. 

Er  brach  entzwei  das  goldne  Ei  [des  Anfangs], 
Da  war  denn  fürder  nicht  ein  Hemmniss  irgend. 

6. 
Dies  selbe  goldne  Ei  [des  Uranfanges] 
Solang  als  eines  Jahres  Zeitraum  währet, 
Solang  schwamm's  tragend  ihn,  da  stieg 
Der  Wunsch  zu  sprechen  in  ihm  auf. 

7. 
.,Das  ist  das  Bhu"  so  sprach  er  aus,  da  wurde  diese  Erde  draus, 
,Das  da  ist  Bhuva"  sprach  er  aus,    da  wurde  dieser  Luft- 
raum draus, 
„Das  Svar",  da  ward  der  Himmel  draus. 

8. 
Drum  wandelt  erst  in  einem  Jahr  das  Kind  die  Lust  zu 

sprechen  an, 
Xach  einem  Jahr  erst  sprach  einst  auch  Prajäpati. 

9. 
Nur  ein-  oder  zweisylb'ge  Worter  sprach  einst 
Prajäpati,  als  er  zu  sprechen  anfing. 
Nur  ein-  oder  zweisylb'ge  Wörter  spricht  drum 
Ein  Kind,  wenn  es  zuerst  zu  sprechen  anfängt. 

10. 
Die  Jahreszeiten  schuf  er  fünf,  dies  unsre  Jahreszeiten  fünf, 
So  Hess  er  diese  Welten  hier  in  eines  Jahres  Frist  entstehn. 

11. 
Desshalb  tritt  erst  nach  einem  Jahr  ein  Kind  ans  Licht  der 

Welt  hervor, 
Prajäpati  trat  erst  nach  einem  Jahr  ans  Licht, 
Er  war  schon  tausend  Alter  alt. 


—    240     — 

12. 
Als  über  des  Weltstroms  Ufer  hinaus  er  blickte, 
Blickt'  über  des  eignen  Lebens  Ufer  hinaus  er, 
Er  mühte  sich  zu  dichten,  schöpfungslustig, 
In  seinem  eignen  Selbst  schuf  er  das  Schaffen. 

13. 
Aus  seinem  Mund  Hess  er  hervor  die  Götter  gehn, 
Entstanden  nahmen  sie  den  Himmel  in  Besitz. 

14. 

Dann   liess  er  aus  dem  Hinterhauch,   aus  ihm  hervor  die 

Teufel  gehn, 
Entstanden,  nahmen  von  der  Erde  sie  Besitz. 

15. 

Weil  einst,  da  er  die  Götter  schuf,  es  licht  war, 
Hat  er  damals  den  Tag  daraus  erschaffen. 
Weil  es,  da  er  die  Teufel  schuf,  war  finster, 
Hat  er  damals  die  Nacht  daraus  erschaffen. 


Berichtig^nug.    Seite  166,  Zeile  13  lies  statt  Darius:  Hystaspes. 

N.achschrift. 

Während  des  Druckes  dieses  Bandes  ist  der  Verfasser  nach 
Petersburg  übergesiedelt.  Seine  Absicht,  die  ihm  nun  wieder 
reichlich  zu  Gebote  stehenden  Quellen  zunächst  dazu  zu  benutzen, 
Berichtigungen  und  Nachträge  zu  sämmtlichen  drei  Bänden  zu 
geben,  sowie  den  Herren  Recensenten  zu  antworten,  ist  durch 
den  inzwischen  ausgebrochenen  und  bis  zur  Stunde  noch  nicht 
beendigten  Setzer-  und  Druckerstreik,  der  das  Erscheinen  des 
Buches  ohnediess  stark  verzögert  hat,  vorläufig  vereitelt  worden. 
Bd.  IV.  :HomerischeRäthsel  bildet  die  Vorbereitung  zu  meinem 
Homerwerke  und  kann  diese  Nachträge  nicht  bringen,  was  erst 
im  nächsten  Jahr  im  Anhang  zu  Bd.  V.:  Vom  Altai  bis  zum 
Atlas  möglich  sein  wird.  Correspondenzen  werden  mich  jeder- 
zeit durch  Vermittelung  der  Buchhandlung  Schmitzdorff,  Newski 
Prospekt  4  erreichen. 

St.  Petersburg  1.  (13.)  Jan.  1892. 

Dr.  Hermann  Brunnhofer. 


Namen-  niid  Sachregister. 


lißtoi  des  Homer  =  Arya,  Arier 
59-61. 

Abwehr  des  Vorwurfs  der  morali- 
schen Corruption  von  den  Wchtern 
des  Rigveda,  Einleitung  XV — XIX. 

Agni  in  den  "Wassern  =  Thermen 
(des  Alburs)  102. 

I4y6pavic,  liyiQaviq,  Fluss  des  Pand- 
schab  =  zend.  Ahiiräni,  Tochter 
des  Ahura,  Göttin  der  Gewässer  42. 

Ahuräni,  Tochter  Ahura's,  Göttin 
der  Wasser  2. 

Airammadtya,  urspr.=zend.airya»ia 
demdna  „Wohnung  des  Gebete", 
mythischer  See  mit  Anklang  an 
den  Aralsee  52. 

dxa?.aQQeiTr^g  „umströmend",  vgl. 
russ.  oKo.io,  rund  um  etwas  herum 
11. 

^AxealvTjq,  Asiknt,  Fluss  des  Pand- 
schab,  der  Tschinäb,  zu  I^axsoivai, 
Völkemame  Armeniens  41 — 42. 

dfiiTQO/Jrcov,  lykisch  =  skt.  *amitra- 
Jchidana  =  amitra-khäda  =  ami- 
traghäta,  ^AfiuiQOxdrrjq  9 — 11. 

Amrtiäsah  turä'sdh  =Atne8ha  (penta 
168-169. 


av&QaS,  Kohle,  zu  *athra,  Feuer  6. 

ävS-Q(o:iog  =  *athrapa,  „der  Feuer- 
bewahrer",  d.  i.  der  Mensch  4 — 8. 

"Avvißa,  "Avvißoi,  Gebirg  u.  Volk  im 
Altai  (?),  vielleicht  von  Ptolemaeus 
nur  verlesen  aus  KiofiTjöuwißa  = 
skt.  gomeda-sannibha ,  (N.  eines 
Edelsteins)  64—65. 

Anyatahplakshä, der  Schimmteichder 
Apsaras  ürva^i,  volksetymologisch 
umgedeutet  aus  ehemaligem,  nicht 
mehr  verstandenem  *anatyaplak- 
shd  „der  Ententeich"  111—112. 

Anrufung  des  Namens  einer  Person 
zum  Zwecke  der  Behexung  und 
Bannung  derselben  208—209. 

Aparäjitä,  mythische  Stadt,  vielleicht 
Anklang  a.n  Baß,  Rhagae  57 — 58, 

Arani/äni,  Genie  der  Wildniss,  Wald- 
fee 1. 

Ararat,  ursprünglich  Landschafls- 
name,  armenisch  Ayrarat  =  arisch 
*Aryaratha  „Arierlust",  Agcapa- 
Sijq,  jiQidga&og,  Eönigsname  in 
Kappadokien  67—70. 

'AQaq,  Fluss  in  Kabulistan,  =  *Arasd, 
Rasa  40—41. 


dvÖQanoö  in  dvöganoöeaaiv,  dvöga-   aratve  äkshe  „silberne  Achsen"  157 — 

Ttoöov  „der  Feuerbewahrer",   der       158. 

Sklave  7 — 8.  dgiazog  „der  arischeste"  14. 

ttv&og,   die  Flamme,   von   W.   ath,  Asamdti,  Sarmatenkönig  am  untern 

brennen,  in  athra,  Feuer  6 — 7.  Oxub  130. 

Brunnhofer,  Vom  Aral  bis  zur  G^angä.  16 


—     242 


Aahagtemhana ,  Berg  im  Avesta  = 
ved.  *ritastambhana  =  „Himmels- 
pfeiler" 33-35. 

daTCidcwrtjg  =  schildglänzend  von 
donig  und  skt.  W.  dyut,  glänzen 
in  jyötis  für  *dy6tis  12 — 14. 

^Aani(ovo  ,  Landschaft  in  Chorasan 
=  zend.  a^pi-vana  „Stutenlust" 
61—63. 

^xivöävag,  Fluss  in  Karamanien  = 
skt.*aÄtm-dana„Schlangentödter", 
ahihan  =  Indra  38 — 39. 

BayoQUi^og  =  lihagaratha  „Götter- 
wagen" oder  „Götterlust"  132. 

BuyQÜöag,  persischer  Fluss  =  *Bha- 
garatha  =  Bhagiratha  132. 

Balbüthä,  König,  etymologisch  viel- 
leicht verwandt  mit  Bribu,  dem 
König  der  Pani  161. 

Berechnung  des  relativen  Zeitpunkts 
des  Aufenthalts  der  Sanskrit-Arier 
im  Pandschab,  auf  Iran,  in  Arme- 
nien, Einleitung  IX— XI. 

Bhajeratha = Bhagiratha  =  Oxus  131 . 

Bhagiratha  =  „Götterlust"?  70. 

Bhdgirathi,  Tochter  des  Königs  Bha- 
giratha ==  Gaiiga  =  Oxus  131. 

Bhaväni,  Bhava's  Gemahlin  1. 

Blumenzauber  des  Atharvavedal98 — 
199. 

Boyöofiuvig,  Landschaft  in  Bithynien 
=  zend.  *bagu-det»(ina  „Götter- 
wohnung, Gottesländchen"  20. 

Bovövag,  zu  lesen  Bovdevug,  mythi- 
scher König  Indiens  =  skt.  bhü- 
deva  „Herr  der  Erde"  195—196. 

Brahmänt,  Brahmä's  Gemahlin  1. 

Caratha  gana,  Völkerschaft  Zapä- 
rai,  Zaperai  am  skythischen  Imaus 
155. 

Culturwerth  des  Opfers  im  Bewusst- 


sein  der  Brahmanen  des  Rigveda 
196-198. 

duxlßvQog,  Ortsname  in  Bithynien 
=  * Dakshibuksha  „den  (Aditya) 
Daksha  verehrend"  20. 

duQiyfxeSovfi,  der  Major  domua  bei 
den  Sassaniden  =  *daregho-maid- 
hyomäo  17. 

Daiirgaha-Vi&xdiQ  =  Pferde  aus  Dur- 
gaha  {=  Kvirifita-Ä'a'piva)  =  ny- 
säische  Pferde  114. 

Demävend  =  *Damävant  =  skt. 
*Yamavant  „Yimahafl"  30. 

/Iiaxonrjvrj ,  Landschaft  in  Paphla- 
gonien,  etwa  von* Divas-Kubhä  19. 

Aloßog,  mythischer  Hirt  in  SiciUen, 
zu  ^Djama  •=  Yama  =  zend. 
Yima  29. 

ditövr}  =  *Divänt,  Gemahlin  des 
Dyaus  3. 

Durgaha  „schwer  zuzüglich",  viel- 
leicht das  avestische  Kvirinta  du- 
zhita,  d.  h.  das  Kdgivu  der  Alten 
in  Medien  112—114. 

Eaclis,  Erfinder  der  Metallschmel- 
zerei in  Panchaia  =  skt.  ayah- 
gri  „der  Ruhm  des  Erzes"  93. 

ebur,  Vriddhiform.  *aibhas  aus  einer 
Sanskritform  ibhas  =  ibha,  Ele- 
phant,  durch  iranische  Vermitte- 
lung  als  *ebas  nach  dem  Westen 
gebracht  140. 

edera,  stets  geschrieben  Äcdera.Epheu, 
zu  *adar,  *adra,  athra,  Feuer  6. 

*Evra<fiaarai ,  baktrisch  =  *anta' 
vyagtä  „Auffresser",  leichenver- 
zehrender Hund  16. 

^EnKfttvrjg  (Avrloxog)  =  Kavi  Aipi- 
vanhti,  Wasserheiliger  21 — 22. 

Ethik  des  Rigveda,  Einleitung  XIX — 
XXII. 

Formeln  des  Hasses  im  Rigveda 
179—183. 


—     243     - 


Gangä,  ehemaliger  Name  des  üxus 
bei  den  Sanskrit -Ariern  131;   = 
Gihon  45.  96-97. 
Heisshunger     nach     den     Schätzen 
Indiens  das  wahrscheinhche   Mo- 
tiv der  Eroberung  Indiens  durch 
die   Sanskrit -Arier   des    Rigveda 
140—141. 
''HgaxXfia ,    Stadtname    in    Iran    = 
zend.    Airyaka  cdaya  ,^rierheim'" 
48-49. 
H  istorisch-geographische  Orientirung 
wei-thvoller    als    Flexionsstatistik, 
Einleitung  XII. 
/fönt  Igas  Gemahlin  1. 
[dhunn,  ob  =  athiryänä  =Ä&rjvä,  3, 
Indräni  Indras  Gemahlin  1. 
Juno    =    *Divänä ,    Gemahlin    des 

Dyaus  3. 
Yamunä,  in  der  Urzeit  =  Hamunsee- 

strom  97. 
Kabandha,  ursprüngl.  Kavandha  = 
einstigem  Partie.  Praes.  *kavanta, 
von  W.  ku,  brennen,  stimmt  zum 
griechischen     Trockenheitsdämon 
Käavd-og  105-107. 
kadkhodäihei  Firdusi  =  Major  domus, 
=    skr.    *khadga-dhä    „Schwert- 
träger" 18. 
Kuöoioioi ,    zu     dem    Yolksnamen 
Karttsha,    zu    skr.    kalusha    und 
kadru,  braun  26 — 27. 
Kadrü,  braune  Stute  177. 
kafu,  altaegyptisch  =  hebräisch  qöf 
=  skr.  kafu   =  griechisch  x^noq, 
der  Affe,  Einleitung  IX. 
Kameelzucht  in  Sarachs  154 — 155. 
Känüd,  Beiname  des  Partherfürsten 
Prithu<;ravas,  Sohn  des  Kanita,  = 
zend  kanita  =  skr.  khanitri  „der 
Kanalgräber*'  145. 
Kanvoßäxui,  moesisch-thrakisch   = 
zend.    *qapno    =    qafno   =    skt. 


scapna  n.    ßanji;    „Schlafwandler 
14—15. 
KttQTiu&og,   das   karpathische   Meer 
=  arisch   *kara'patha,  „der  Pfad 
der  Fische"  49. 
KazrlyaQa,  wahrscheinlich  verschrie- 
ben oder  verlesen  für  KuxrixaQa, 
Zinninsel  47 — 48. 
Kimidin.    barbarisches    Volk    oder 
Dämonengeschlecht,  oh=Kumidin 
==  KofiTjöai,  Volk   im   Nordosten 
Irans  65. 
Ko/ifjdat,  Comedi,   Völkerschaft   des 
Pamir,  von  skt.  gotneda,   eine  Art 
Edelstein  63—64. 
KovöäoßT],  Berg  in  Ostiran  =  Berg 

Konderasp  in  Taberistan  26. 
Kvövog,  Fluss  in  Cilicien,   von   der 
1     Sktwurzel  cud,  eilen  36. 
I  Ktidurus,  Stadt  in  Medien ,  zu  ved. 
kuyidrinänc,  schwarzgelb, braun  25. 
Kgaöevag,  mythischer  König  Indiens, 
hypokoristische  Kurzform  von  [Qa] 
kra-dtva  =  Indra,  196. 
Kxiaxai,  moesisch-thrakisch  —  zend. 

*qadhitigta,  Hagestolzen  15. 
Arfxw,  nach  L.  v.  Schröder  =  *Rdtä 
i      =  skt.  rätrt,  3. 
Ao}vlßags,  Name  der  siebenten  Mün- 
dung des  Indus,  =  skt  *laranäväri 
„salziges  Wasser  habend,  44. 
'  Manaspäpa  des  Atharvaveda  =  Ako- 

manö  des  Avesta  169 — 172. 

MavöäyuQGig,  Stadt    im  nördlichen 

j      Küstenstrich  Mediens,  =  skt.  *Man- 

I      dagarshi  ==  *  Mandaga-rishi  173. 

i  Mähina,  Völkerschaft  des    Rigveda, 

zu  Isidor's  von  Charax  Muttviavav, 

Maztnan    der   arab.    Geographen 

I     ^^• 

I  MuQä<fiot,    persischer    Stamm    bei 

Herodot,  die  Bewohner  von  Merw 

I     65—66. 

16* 


244 


MttQxaiov,  Berg  in  der  Troas,  zum 
Berge  Mark  des  Bundehesh,  und 
dem  Marka  des  Yajurveda,  Ober- 
priester der  Asura  31. 

Mäanioi,  persischer  Stamm  bei  He- 
rodot,  die  ^AQifxüanoi  oder  'A^i- 
(läantu,  Bewohner  von  Sedsche- 
stan  66-67. 

i/a<Arä-Rosse  =  Madrä  =  medische 
Rosse  156—157. 

Mridäni,  JMlrida's,  d.  i.  (jJiva's,  Ge- 
mahlin 1. 

Mudgalänt ,  Gemahlin  des  Rishi 
Mudgala  1. 

Mythologie  der  Sanskrit- Arier  nicht 
indischen,  sondern  vorder-  und 
mittelasiatischen  Ursprungs,  Ein- 
leitung XXIV— XXV. 

Mythologische  Bezeichnung  und  Ver- 
werthung  des  Augensterns  201 — 
203. 

Näonghaithya,  zarathustrische  Dia- 
bolisirung  des  indischen  Heil- 
götterpaares der  NäsatyauAgvinuu, 
99. 

Näsatyau,  Name  der  A9vinau  als 
„Heilgötter"  von  einer  W.  naa, 
goth.  nas-jan,  heilen,  retten  99. 

Nysäische  Pferde  =  Taiirva^ä-Rosse 
des  C^'atapatha-Brähmana  153-154. 

OivojVTj  =  *  Venänä  =  skt.  *Venäm, 
Gemahlin  Vena's,  dh.  Soma's  3. 

üxushandel  im  Alterthum,  139  —  140. 

Ilavxciici,  i'anchaia,  halbmythische 
Insel  im  südöstlichen  Weltmeer, 
=  Bangäla,  Bengalen,  vielleicht 
schon  ursprünglich  verlesen  für 
nayxaka'}  70—93. 

Paoiryeni,  die  Plejaden  2. 

Figranes  in  Ammianus  Marcellinus 
falsch  für  Tigranes  48. 

Ilifnu?.iaTjV7j,  Landschatt  in  Paphla- 
gonien,  etwa   =  [A]thwifa-Yima- 


urvi(,  „Bahn  des  Athwya  Yima" 
20. 

plaksha,  m.  Ficus  infectoria,  etymo- 
logisch zusammenhängend  mit 
paläga  ,  dem  Parnabaum  112. 

plaksha  in  plakshä,  Teich  (anyataA- 
plakshä),  etymologisch  zusammen- 
hängend mit  griech.  ntkayoq 
112. 

Prent,  Beiname  des  Rishi  und  Tur- 
va^a-Rosskamms  Vaija  A^vya  = 
zend.  Freni,  152. 

Prithugravas  KänUa,  der  Parther- 
fürst mit  dem  Ehrennamen  „Ka- 
nalgräber", vielleicht  Sugravas, 
der  Vereiniger  der  arischen  Lande 
u.  Eroberer  Khwärizms  147 — 149. 

Purudamäsah,  Beiname  der  A<;vinau, 
ob  =  Qatavaeea'>  138—139. 

Purukutsäni ,  Gemahlin  des  Rishi 
Purukutsa  1. 

Füti-Srinjaya,  wohl  die  Srinjaya  am 
Püti,  d.  h.  am  Püiticasee,  dem 
Ponticum  mare  des  Curtius  in 
Arachosien,  d.  h.  dem  Hümunsee 
117. 

Qaniratha,  zend.  *qainiratha  „Heim- 
stätte des  Glanzes"  69—70. 

räjeshüam  (äjman)  =  „von  Antilopen 
(Alken)  gezogener  Wagen  158-159. 

ritdin,  das  physische  und  moralische 
Weltgesetz,  Einl. 

Jiudräni,  Rudra's  Gemahlin  1. 

^arväni ,  ^arva's,  d.  i.  ^iva's,  Ge- 
mahlin, 1. 

^'atavaeca,  vielleicht  ehemaliger 
Name  von  Rhwärizm  138. 

Qitodä  =  Sidä  =  Sita  —  Störj 
mythischer  Strom,  die  Rasa  56. 

^vitna,  Völkerachaft  in  Arachosien, 
iu  'Ir(kx7i  Atvx^  155. 

Sahadeva  (Suplan)  =  Qakadeva, 
König  der  ^aka  119— IJO. 


—     245 


Sälajya,  mythische  J?Uidt,  vielleicht 
anklingend  an  Zarendsch  58. 

Sdrasvafi ,  dharunam  äyasi  püh, 
Festung  am  Ausfluss  der  Haraqaiti 
in  den  Hamunsee  36—38. 

Sarasvati  =  Haraqaiti,  Hilmend  97. 

^aQKpci  oQt],  Gebirge  in  Chorasan, 
=  *Sariva  =  altpers.  Hariva  = 
zend.  Haraeva,  das  Gebirge  [an 
der]  Sarayn  31 — 33. 

Scheu  der  Iranier  vor  dem  Kampf 
in  der  Nacht  1^-137. 

Schöpfungshymnus  vom  goldenen 
Weltei,  aus  der  Prosaparaphrase 
des  Qatapatha  -  Brähmana  wieder 
hergestellt  und  übersetzt  234 — 240. 

'SnaQXtfi.ßuq  oder  ^^rtuieußuq,  mythi- 
scher König  Indiens,  =  ved. 
*svar-stambha  oder  *svah-stambha 
„Stütze  des  Himmels",  195. 

Der  Staat  ein  Schiff,  als  poetisches  Bild 
desRigveda,  d.  dieganzeWeltlitera- 
tur  hind.  nachgewiesen  190 — 191. 

Ströme,  vom  Alterthum  als  natür- 
liche Bollwerke  betrachtet  38. 

aw^la  xaQvöipoQOL  =  Sunda-Inseln 
45—47. 

Su'plan  (Sahadeva) ,  halbbarbarisch 
entstellt  aus  Suparna  120. 

2!vQ6firj6oc,  Syromedi  am  südlichen 
Alburs  unter  dem  Mons  Jasonius 
=  Syrmatae,  Sarmaten  133. 

ayerXiog  =  skt.  kshatrya,  zend. 
khshathrya  8 — 9. 

Täruksha,  König,  wohl  „der  Türke'', 
wie  das  Sonnenross  Tärkshya  „das 
Türkenross"  162—163. 

ThoaSj  Erfinder  der  Metallschmelzerei 
in  Panchaia,  =  skt.  *dhavas^ 
dhamas,  Schmelzer  93. 

TißfQoßodq,  mythischer  Fluss  Indiens, 
=  ved.  Anvirdva  =  *Anvirarava 
»mächtig,  brüllend"  45 — 47. 


Tistryhii,  Gemahlin  Tistrya's  2. 
TovQiovav,  Landschaft  in  Chorasan, 

=*turi-vana,  ^Stutenlust"  61—63. 
Tovtanoi,  Fluss  des  Pendschab,  = 

ved.  düdabha  =  Varuna    43 — 44. 
TQix(oviq  =  *Tritani,'wo^r  nur  zend. 

mascul.  Thraetaona,  ved.  Traitanä  3. 
Tarva^a-Rosse    „Taurvaqä^'   =   ny- 

säische  Rosse  153—154. 
Vacaeni,  Fluss  im  Gebiete  desHamun- 

sees,  formell  =  OiuC,aivTi,  iranische 

Landschaft  bei  Procopius  40. 
Varunäni,  Varunas  Gemahlin  1. 
Va<;a  A^vya,   „Der  Rosskanim  Tur- 

va^a",  hypokoristischer  Kurzname 

149-151. 
Vas(yr  dhärd  =  Vasu  —    Vanhu  = 

Veh  =  Ocus  44—45. 
Verwerthung   kosmogonischer    Rig- 

vedahymnen  zu  Zauberzwecken  des 

Atharvaveda  208. 
VUarä7-a,  Beiname  dM  athr  ä-Rosse,  = 

„geflochtene  Schweife  habend  157. 
Vourukasha    des    Avesta   =    Urüh- 

kaksha  des  Rigveda,  das  Kaspische 

Meer,  9-4—97. 
vyanura,  zend.  =  *pyahhra,  von  W. 

vyas,  zerreissen  17. 
vyämbura,  zend.  zerfleischen  —  vor- 
hergehendem vyanura,  17. 
Wettstreit  von  Adler   und  Ross  um 

den  Vorrang  der  Sehkraft,  Legende 

des  „Qatapatha-Brähmana"  und  des 

Avesta  173-178. 
Wiederholung  des  Refrains  i.  Anfangs- 
vers der  folgend.  Strophe  183 — 190. 
Zaubersystem      des       Atharvaveda 

206—209. 
Zendelemente  i.  d.Deklinationsformen 

der  Dänastuti  desVac^a  A9vya  143. 
Zemoixrjq,  Zißoiniq,  StißoizTjq,  Fluss 

in   Hyrkanien    =    skt.    fcyavanti 

35—36. 


Im  gleichen  Verlage  erschien: 

Bang,  Prof.  Dr.  Willy:  Uralaltalsche  Forschunircn.  gr.  8".  (44  S.) 
ßrosch.  Mk.  2.-. 

Der  auf  sprachwissenschaftlichem  Gebiete  wohlbekannte  Gelehrte  entwickelt  in 
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Sprachforschers  iu  hohem  Grade  erregen  wird 

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In  dem  vorliegenden  Bande  hat  der  Verfasser  die  Resultate  sorgfältiger  und 
fleissiger  spraclilicher  Untersuchungen  niedergelegt.  Aus  der  Bibel,  dem  lateinischen 
und  deutschen  Kirchengesang,  der  altindischen  wie  der  griechischen  Poesie  und  aus 
den  modernen  Litteraturen  hat  er  eine  grosse  Reihe  von  Belegstellen  gesammelt  und 
auf  der  Grundlage  derselben  zu  zeigen  versucht,  welche  Seelenkräfte  bei  der  Aus- 
bildung gewisser  sprachlicher  Erscheinungen  wirksam  sind  und  auf  welche  Weise 
der  Ursprung  einzelner  Sprachvorgänge  zu  erklären  ist.  Besonders  ausführlich  wird 
über  den  Bedeutungswandel  gehandelt,  d.  h.  über  die  häufig  auftretende  Form  der 
Sprache,  bei  welcher  Worte  und  Redensarten  von  der  Zeit  ihres  Ursprungs  an,  so- 
weit er  uns  erreichbar  ist,  weiter  gebraucht  werden,  ohne  den  ursprünglichen  Sinn 
zu  behalten ,  oder  so  dass  sie  nur  ein  Mittel  geworden  sind ,  ein  Gefühl  mit  ihnen 
zum  Ausdruck  zu  bringen. 

ßrugsch,  Prof.  Dr.  Heinrich:  Die  Aegyptologie.  Abriss  der  Ent- 
zifferungen und  Forschungen  auf  dem  Gebiete  der  ägyptischen 
Schriit,  Sprache  und  Altertumskunde,  gr.  8".  (525  S.)  Brosch. 
Mk.  24.—,  geb.  .Mk.  25.—. 

Die  ägyptologischen  Studien  haben  seit  ihrem  GOjährigen  Bestehen  einen  ge- 
wissen Abscnluss  erreicht  und  eine  neue  Epoche  ist  in  der  Gegenwart  eingetreten. 
Eine  kritisch  behandelte,  unparteiische  Uebersicht  der  bisherigen  Leistungen  ist  bis 
zur  Stunde  niemals  geliefert  und  ist  wohl  niemand  befähigter,  dieses  Gebiet  zu  be- 
arbeiten, als  eben  der  Verfasser,  welcher  in  vorliegendem  Werke  die  kritische  Sich- 
tung der  Masse,  das  Ausscheiden  des  Unbrauchbaren  und  Unbedeutenden  von  dem 
thatsächlich  Wertvolleu  sich  als  Ziel  gesetzt  hat.    Die  Aufgabe,   die  sich  Brugsch 

festeilt:   eine  übersichtliche  Darstellung  des  Standes  der  heutigen  ägyptologischen 
orschnng  zu  geben,  darf  als  glänzend  gelöst  betrachtet  werden. 

Hirzel,   Dr.  Arnold:    (Jleichnisse   und  Metaphern   im  Big>'eda.     In 

kulturhistorischer  Hinsicht  zusammengestellt  und  verglichen  mit 
den  Bildern  bei  Homer,  Hesiod,  Aeschylos,  Sophokles  und  Euripides. 
gr.  8».     (107  S.)     Brosch.  M.  8.-. 

Bei  dem  grossen  Bilderreichtum  der  vedischen  Sprache  wird  durch  eine  solche 
systematische  Sammlung  der  Vergleiche  und  Bilder  des  Rigveda,  wie  sie  diese  Schrift 
enthält,  ein  interessanter  Einblick  in  die  Gedankenkreise  des  Rigveda  gegeben,  und 
im  Einzelnen  über  manche  dunkele  Stelle  mehr  Klarheit  verbreitet. 

Fott,  Prof.  Dr.  Äug.  Friedr.:  Allgemeine  Sprachwissenschaft,  gr.  S**. 
(lOÜ  S.)  Brosch.  Mk.  3.—. 
Der  kürzlich  verstorbene  Verfasser  —  einer  der  bedeutendsten  Sprachforscher 
aller  Zeiten  —  giebt  in  der  ersten  Hälfte  dieses  Schriftchens  eine  Uebersicht  über 
die  Leistungen  itnd  Aufgaben  der  neueren  Sprachwlssenschalt  und  bespricht  in  der 
zweiten  Carl  Abel's  linguistische  Arbeiten. 

Spiegel,  Prof.  Dr.  F.  von:  Die  arische  Periode  und  ihre  Zustände. 

gr.  8«.  (330  S.)  Brosch.  Mk.  12.—. 
Es  ist  ein  Genuss,  das  Spiegel'sche  Buch  zu  lesen,  auch  für  den,  der  nicht  mitten 
im  Getriebe  der  Sprachforschung  steht,  sondern  das  Werk  mehr  mit  dem  Blicke  des 
Historikers  studiert;  denn  Spiegel  weiss  auch  au  und  für  sich  vielleicht  trockenere 
Stoffe  interessant  zu  machen.  Es  ist  ein  Werk  aus  einem  Gusse,  das,  indem  es  die 
bisherigen  Forschungen  unter  einheitlichem  Gesichtspunkte  zusammenfasst ,  auf 
längere  Zeit  hinaus  eine  Grundlage  bilden  wird,  auf  der  die  Forscher  werden  weiter 
bauen  können. 

Druck  von  August  Pries  in  Leipzig:. 


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