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Mathematlcs Dept.
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ALLE EECHTE,
EINSCHLIESZLICH DES ÜBEßSETZUNGSRECHTS, VOKBEHALTEN.
Printed in GemaAt
Yorwort.
Das Werk, welches ich hiermit der Öffentlichkeit ühergebe, hat
seinen Ursprung in einem Zyklus von acht Vorlesungen, welche ich
im Sommer 1901 bei der Jahresversammlung der American Mathe-
matical Society in Ithaca, N. Y. gehalten habe, und welche den Zweck
hatten, ein ausführliches, historisch -kritisches Referat über die Fort-
schritte der Variationsrechnung während der letzten Jahrzehnte zu
geben. Meine Ledures on tJie Calculus of Variations (Chicago, 1904)
sind im wesentlichen eine Wiedergabe dieser Vorlesungen mit solchen
Erweiterungen und Modifikationen, wie sie nötig waren, damit das
Buch zugleich als Lehrbuch dienen konnte.
Bald nach Erscheinen der „Lectures" wurde ich von der Teubner-
Bchen Verlagsbuchhandlung aufgefordert, eine deutsche Bearbeitung
derselben vorzubereiten; ich bin dieser Aufforderung um so lieber
nachgekommen, als mir dadurch Gelegenheit geboten wurde, nicht nur
meinen „Lectures" in verbesserter Form eine weitere Verbreitung zu
geben, sondern auch die zahlreichen Untersuchungen über Variations-
rechnung aus den letzten Jahren mit zu verarbeiten und zugleich die
Darstellung auf allgemeinere Probleme der Variationsrechnung aus-
zudehnen.
Dieser Entstehungsweise entsprechend hat mir bei der Abfassung
auch der deutschen Ausgabe eine Vereinigung von Lehrbuch und
Enzyklopädie als Ziel vorgeschwebt. Zugleich geht aus dem Gesagten
hervor, daß das vorliegende Werk, wie schon der Name andeuten soll,
nicht den Anspruch erhebt, ein die gesamte Variationsrechnung um-
fassendes Lehrbuch zu sein; es will vielmehr nur die spezifisch moderne
Variationsrechnung, wie sie sich in den letzten dreißig bis vierzig
Jahren unter der Einwirkung der kritischen Richtung in der Infinitesimal-
rechnung, vor allem aber unter dem Einfluß der epochemachenden Ent-
deckungen von Weierstkass entwickelt hat, zur Darstellung bringen.
Dabei habe ich bei dem einfachsten Typus von Variationsproblemen,
bei welchem die. unter dem Integral stehende Funktion von einer ebenen
Kurve abhängt und nur erste Ableitungen enthält, eine gewisse Vollständig-
keit angestrebt; dagegen mußte ich mich bei den allgemeineren Problemen,
die ja überhaupt noch nicht zu einem ähnlichen Abschluß gelangt sind,
7814(38
IV" Vorwort.
auf die Behandlung von ausgewählten Kapiteln beschränken, wenn
ich nicht die Fertigstellung des Ganzen ad calendas graecas vertagen
wollte.
Obgleich zahlreiche Anwendungen der Variationsrechnung auf
Geometrie und Mechanik in Form von Beispielen- und Übungsaufgaben
behandelt werden, so liegt doch der Hauptnachdruck durchweg auf
Seiten der Theorie. Dementsprechend habe ich mich besonders bemüht,
klare Definitionen der Grundbegriffe und scharfe Formulierungen der
Probleme zu geben und an die Beweise denselben Maßstab der Strenge
anzulegen, der auf anderen Gebieten der Infinitesimalrechnung jetzt
allgemein üblich ist. Dazu war es nötig, beim Leser eine Bekannt-
schaft mit den Hauptsätzen der Theorie der reellen Funktionen reeller
Variabler vorauszusetzen. Um aber das Buch einem weiteren Leser-
kreis zugänglich zu machen, habe ich in einem Anhang (als A. zitiert)
sämtliche im Text benutzten Sätze der reellen Funktionentheorie mit
ausführlichen Literaturanojaben zusammengestellt. Aus demselben
Grunde habe ich die Darstellung, wenigstens in den ersten Kapiteln,
elementarer gehalten als in der englischen Ausgabe, und zahlreiche
Übungsaufgaben am Ende der verschiedenen Kapitel hinzugefügt.
Einige Bemerkungen sind nötig über meine Stellung zu den Vor-
lesungen von Weierstkass über Variationsrechnung. Dieselben dürfen
heutzutage als allgemein bekannt betrachtet werden, teils durch Disser-
tationen und andere Publikationen von Schülern von Weierstraß,
teils durch Kneser's Lehrbuch der Variationsrechnung (Braunschweig
1900), teils durch Ausarbeitungen, die in Mathematikerkreisen zirku-
lieren, und von denen Exemplare in der Bibliothek des Mathematischen
Vereins in Berlin, sowie im mathematischen Lesezimmer der Göt-
tinger Universität jedermann zugänglich sind, teils endlich durch die
Lectures on the Calculus of Variations von Hancock (Cincinnati, 1904).
Unter diesen Umständen habe ich keine Bedenken getragen, von
den Weierstraß'schen Vorlesungen ganz ebenso Gebrauch zu machen,
als ob sie publiziert vorlägen. Dabei habe ich mich der Hauptsache
nach an die Vorlesung vom Sommer LS79 gehalten, welche ich das
Glück hatte, seinerzeit als Student zu hören, und von welcher ich
damals eine sorgfältige Ausarbeitung angefertigt habe.
Schließlich möchte ich allen denen, welche mir in irgend einer
Weise bei dem Zustandekommen meiner Arbeit behilflich gewesen sind,
meinen herzlichsten Dank aussprechen: einer Reihe von Kollegen teils
für bereitwillige Auskunft über Nachbargebiete, teils für Literatur-
angaben, teils für Berichtigungen; ebenso einer Anzahl von früheren
Zuhörern für die Durcharbeitung von Übungsaufgaben; der Verlags-
Vorwort, V
buchhandlung für bereitwilliges Eingehen auf meine zahlreichen Wün-
sche in Bezug auf Typographie und Drucklegung.
Zu ,o^anz besonderem Danke aber bin ich Herrn Lindeberg verpflichtet
für die Überlassung des Manuskriptes seiner inzwischen in den Mathe-
matischen Aunalen erschienenen Arbeit: TJher einige Fragen der Varia-
tionsrechnung j wodurch es mir möglich gemacht wurde, die Theorie der
isoperimetrischen Probleme in wesentlich verbesserter Form vorzutragen.
Auch den Behörden der Universität Chicago bin ich zu großem
Dank verpflichtet für mehrfach in zuvorkommendster Weise gewährten
längeren Urlaub, ohne welchen mir die Fertigstellung des Buches kaum
möglich gewesen wäre.
Ein letzes Dankeswort gilt einem, der nicht mehr unter den
Lebenden weilt, dem um die Variationsrechnung so hoch verdienten
Adolf Mayer; seinem freundlichen Interesse an der englischen Aus-
gabe meines Buches ist es in erster Linie zuzuschreiben, daß die Firma
]B. G. Teubner mich zur Bearbeitung einer deutschen Ausgabe aufforderte.
Freiburg i. B., den 8. September 1909.
Oskar Bolza.
Inhaltsübersicht.
Erstes Kapitel.
Die erste Variation bei der einfachsten Blasse^ von Aufgaben.
§ 1. Vorläufige Orientierung üoer die wichtigsten Probleme der Variations-
rechnung j
§ 2. Definitionen und Sätze über gewöhnliche Maxima und Minima . . 8
§ 3. Definition des Maximums und Minimums eines bestimmten Integrals 13
§ 4. Verschwinden der ersten Variation 19
§ 5. Die Euler'sche Differentialgleichung ." 23
§ 6. Bemerkungen zur Integration der Euler'schen Difi*erentia]gleichung . 31
§ 7. Der Fall beweglicher Endpunkte 40
§ 8. Der allgemeine d-Prozeß 45
Zweites Kapitel.
Die zweite Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
§ 9. Die Legen dre'sche Bedingung ' . . , 54
§ 10. Die Jacobi'sche Differentialgleichung * . . 59
§ 11. Hilfssätze über lineare Differentialgleichungen zweiter Ordnung. . . 64
§ 12. Das Jacobi'sche Kriterium 68
§ 13. Geometrische Bedeutung der konjugierten Punkte 75
§ 14. Notwendigkeit der Jacobi'schen Bedingung ,.. . 82
Drittes Kapitel.
Hinreichende Bedingungen bei der einfachsten Klasse von
Aufgaben.
§ 15. Hinreichende Bedingungen für ein „schwaches Extremum" 88
§ 16. Konstruktion eines Feldes von Extremalen 95
§ 17. Der Weierstraß'sche Fundamentalsatz , 105
§ 18. Ableitung weiterer notwendiger Bedingungen aus dem Weierstraß'-
schen Fundamentalsatz *."..• Hl
§ 19. Hinreichende Bedingungen für ein starkes Extremum 119
§ 20. Zusammenhang des Unabhängigkeitssatzes mit der Hamilton-Jaco-
bi 'sehen Theorie 128
Übungsaufgaben zu den drei ersten Kapiteln I44
Viertes Kapitel.
Hilfssätze über reelle Funktionen reeller Variabein.
§ 21. Über die Umgebung einer Punktmenge 154
§ 22. Ein Satz über eindeutige Abbildung, und seine Anwendungen ... 158
Inhaltsübersiclit. VII
Seite
§ 23. Existenztheoreme für Systeme gewöhnliclier Differentialgleichungfen . 168
§ 24. Abhängigkeit der Lösung eines Systems von gewöhnlichen Differential-
gleichungen von den Anfangswerten und verwandte Fragen .... 175
Fünftes Kapitel.
Die Weierstraß'sche Theorie der einfachsten Klasse von
Problemen in Parameterdarstellung.
§ 25. Formulierung der Aufgabe 189
§ 26. Die Differentialgleichung des Problems 201
§ 27. Anwendung der allgemeinen Existenztheoreme für Differentialgleich-
ungen auf die Theorie der Extremalen 212
§ 28. Die Weierstraß'sche Transformation der zweiten Variation und die
zweite notwendige Bedingung 224
§ 29. Die Jacob i'sche Bedingung für den Fall der Parameterdarstellung. 231
§ 30. Die Weierstraß'sche Bedingung 241
§ 31. Das Feld und das Feldintegral 249
§ 32. Der Weierstraß'sche Fundamentalsatz und die hinreichenden Be-
dingungen 259
§ 33. Existenz eines Minimums „im Kleinen" 270
§ 34. Der Osgood'sche Satz . 280
§ 35. Verallgemeinerung der Bedeutung des Kurvenintegrals 284
Übungsaufgaben zum fünften Kapitel 295
Sechstes Kapitel.
Der Fall variabler Endpunkte
§ 36. Die Variationsmethode 301
§ 37. Das Extremalenintegral 306
§ 38. Die Differentiationsmethode . 313
§ 39. Die Brennpunktsbedingung 316
§ 40. Geometrische Bedeutung des Brennpunktes '321
§ 41. Hinreichende Bedingungen für das Problem mit einem variablen End-
punkt 324
§ 42. Der Fall zweier variabler Endpunkte 327
Siebentes Kapitel.
Die Kneser'sche Theorie.
§ 43. Darboux's Methode für die Behandlung des Problems der kürzesten
Linien auf einer gegebenen Fläche 332
§ 44. Der Kneser'sche Transversalensatz und der verallgemeinerte Enve-
loppensatz 336
§ 45. Transformation des Integrals J durch eine Punkttransformation . . 343
§ 46. Die Kneser'schen krummlinigen Koordinaten und ihre Anwendungen 350
§ 47. Folgerungen aus dem Enveloppensatz 357
VIU Inhaltsübersicht.
Achtes Kapitel.
Diskontinuierliche Lösungen.
"=* Seite
§ 48. Die Weierstraß-Erdmann'schen Eckenbedingungen ...".,. 365
§ 49. Konjugierte Punkte auf gebrochenen Extremalen 372
§ 50. Hinreichende Bedingungen für diskontinuierliche Lösungen 381
§ 51. Diskontinuierliche Yariationsprobleme 389
§ 52. Randbedingungen bei Problemen mit Gebietseinschränkungen. . . . 392
§ 53. Hinreichende Bedingungen bei Lösungen, welche Segmente derSchranke
enthalten 400
§ 54. Das Newton'sche Problem des Rotationskörpers kleinsten Widerstandes 407
Neuntes Kapitel.
Das absolute Extremum.
§ 55. Einleitende Bemerkungen 419
§ 56. Ein allgemeiner Hilfssatz über die Existenz einer Grenzkurve . . . 422
§ 57, Beweis des Hilbert'schen Existenztheorems 428
§ 68. Ein Satz von Darboux über das absolute Extremum 438
Übungsaufgaben zum sechsten bis neunten Kapitel 444
Zehntes Kapitel.
Isoperimetrische Probleme.
§ 59. Die Euler'sche Regel 457
§ 60. Die zweite und vierte notwendige Bedingung 470
§ 61. Die W ei er straß'sche Theorie der konjugierten Punkte beim isoperi-
metrischen Problem 475
§ 62. Die Kneser'sche Theorie der konjugierten Punkte beim isoperimetri-
schen Problem 489
§ 63. Der Weierstraß'sche Fundamentalsatz für isoperimetrische Probleme 503
§ 64. Hinreichende Bedingungen beim isoperimetrischen Problem .... 509
§ 65. Einiges über isoperimetrische Probleme bei variablen Endpunkten . 515
Übungsaufgaben zum zehnten Kapitel 528
Elftes Kapitel.
Die Euler-Lagrange'sche Multiplikatoren-Methode.
§ 66. Allgemeiner Überblick 542
§ 67. Die L agr an ge'sche Multiplikatorenmethode für gewöhnliche Extrema
mit Nebenbedingungen 544
§ 68. Die Multiplikatorenregel für den Fall endlicher Bedingungsgleichungen 548
§ 69. Die Multiplikatorenregel für den Fall von DiflFerentialgleichungen als
Nebenbedingungen 558
§ 70. Diverse Bemerkungen zur Multiplikatorenregel 569
§ 71. DieMultiplikatorenregelfürden Fall gemischter Bedingungsgleichungen 580
§ 72. Existenztheoreme für Extremalen und Reduktion der Euler-La-
grange'scheu Differentialgleichungen auf ein kanonisches System . 588
8 73. Die Hamilton-Jacobi'sche Theorie 595
Inhaltsübersicht. IX
Zwölftes Kapitel.
Weitere notwendige, sowie hinreichende Bedingungen beim
• Lag rang e'schen Problem.
^ ^ Seite
§ 74. Analoga der Bedingungen ven Weierstraß und Legendre. . . . 602
§ 75. Die Kneser'sche Theorie der konjugierten Punkte beim Lagrange'-
schen Problem 610
§ 76. Die zweite Variation beim Lagrange'schen Problem 619
§77. Hinreichende Bedingungen beim Lagrange'schen Problem .... 635
§ 78. Mayer'sche Extremalenscharen 639
Dreizehntes Kapitel.
Elemente der Theorie der Extrema von Doppelintegralen.
§ 79. Die erste Variation von Doppelintegralen mit £C, y als unabhängigen
Variabein 652
§ 80. Die erste Variation von Doppelintegralen in Parameterdarstellung . 663
§ 81. Die zweite Variation bei Doppelintegralen 672
§ 82. Hinreichende Bedingungen für Extrema von Doppelintegralen . . . 683
Übungsaufgaben zum elften bis dreizehnten Kapitel 688
Nachträge und Berichtigungen 696
Sachregister 699
Anhang 1 *
Erstes Kapitel.
Die erste Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
§ 1. Vorläufige Orientierung über die wichtigsten Probleme der
Variationsrechnung.
Die Variationsrechnung beschäftigt sich mit Aufgaben des Maxi-
mums und Minimums, die jedoch von wesentlich komplizierterer Natur
sind als diejenigen, welche in der aus der Differentialrechnung be-
kannten Theorie der gewöhnlichen Maxima und Minima behandelt
werden. Während es sich nämlich dort darum handelt, diejenigen
Werte einer oder mehrerer Variabein zu bestimmen, für welche eine
gegebene Funktion dieser Variabein den größten oder kleinsten Wert
annimmt, hat es die Variationsrechnung mit Aufgaben zu tun, bei
denen eine oder niehrere unbekannte Funktionen so zu bestimmen
sind, daß ein gegebenes, von der Wahl dieser Funktionen abhängiges
bestimmtes Integral seinen größten oder kleinsten Wert annimmt.
Dies soll zunächst durch Besprechung einiger typischer Beispiele
näher erläutert werden.
Beispiel I: In einer Ebene sind zwei Punkte P^, P^ und eine
Gerade ß gegeben. Es tvird verlangt, unter allen Kurven, welche in
dieser Ebene von P^ n,ach P^ gezogen werden können, diejenige zu be-
stimmen, welche durcH ihre Rotation um die Gerade ß die Fläche von
kleinstem Inhalt erzeugt.
Wir wählen die Gerade 2 zur a;- Achse eines rechtwinkligen Ko-
ordinatensystems und bezeichnen die Koordinaten der beiden gegebenen
Punkte mit x^, y^ und x^, ij^. Ist dann
©: 1/ = y{x)
B o 1 z a , V ariatiousreclinung. 1
2 -Erstes Kaj^itel. Die erste Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
i^ge^d eine die beiden Punkte P^ und P^ verbindende Kurve, so wird
. der fraglicliö Flächeninhalt durch das bestimmte Integral ^)
^1
ausgedrückt, wenn y die Ableitung der Funktion t/{x) bedeutet. Der
Wert des Integrals J hängt von der Wahl der Kurve S, d. h. der
Funktion y(x) ab, und unsere Aufgabe lautet also analytisch^): Unter
allen Funktionen y{x)j welche für x = x^ und x = x^ die vorgeschrie-
benen Werte ^/i, bzw. y^, annehmen, diejenige zu bestimmen, für welche
das Integral J seinen kleinsten Wert annimmt.
Dieses Beispiel ist ein Repräsentant der einfachsten Klasse von
Aufgaben der Variationsrechnung, bei denen es sich darum handelt,
ein Integral von der Form
J^Jf{x,y,y')dx, 2/' = 4l' ' W
durch passende Wahl der unbekannten Funktion y zu einem Extremum ^)
zu machen. Mit dieser einfachsten Klasse von Aufgaben, die zugleich
von grundlegender Bedeutung ist, werden wir uns in den drei ersten
Kapiteln beschäftigen.
Wir haben der Einfachheit halber bei der analytischen Formu-
lierung von Beispiel I die zu betrachtenden Kurven in der Form:
y = y{x) angenommen, unter y(x) eine eindeutige Funktion verstanden,
d. h. wir haben vorausgesetzt, daß jede der ^- Achse parallele Gerade^
die betreffende Kurve höchstens in einem Punkte trifft. Dies ist
jedoch eine Beschränkung, die durchaus nicht in der Natur der Auf-
gabe liegt. Wir können uns von derselben befreien, indem wir sämt-
liche Kurven in Parameterdarstellung ansetzen:
x==x{t), y = y{t).
^) Wir werden in der Folge die positive Quadratwurzel aus einer reellen
positiven Größe a stets mit yö^ bezeichnen, während die T3ezeichnung y« an-
deuten soll, daß das Vorzeichen unbestimmt bleibt.
^) Die in diesem Paragraphen gegebene Formulierung der verschiedenen
Probleme ist nur als eine vorläufige zu betrachten und bedarf nach verschiedenen
Richtungen hin einer schärferen Präzisierung.
^) Das Wort „Extremum" wird nach dem Vorgang von Du Bois-Reymond
(Mathematische Annalen, Bd. 15 (1879), p. 5G4) in gleicher Weise für „Maxi-
mum" und „Minimum" gebraucht in solchen Fällen, wo es nicht nötig ist, zwischen
beiden zu unterscheiden.
§ 1. Vorläufige Orientierung über die wichtigsten Probleme usw. 3
Unser bestimmtes Integral geht dann über in:
k
J=2 TcfyYT^'^y^ dt ,
h
WO jetzt Xj y die Ableitungen von x und y nach t bedeuten.
Allgemeiner nimmt das Integral (1) bei Parameterdarstellung die
Form an:
t-,
J-fF{x, y,x\y)dt, (2)
wobei F in bezug auf x, y homogen von der ersten Dimension ist.
Das Problem, ein Integral von der Form (2) zu einem Extremum zu
machen, bildet die einfachste Klasse von Variationsprohlemm in
Parameterdarstellung. Wir werden diese Klasse von Problemen, die
für geometrische Anwendungen von größter Wichtigkeit ist, und deren
Theorie am eingehendsten ausgebildet worden ist, in Kap. V — IX
behandeln.
Einen Typus von wesentlich anderer Art repräsentiert das folgende
Beispiel IF): Unter allen Kurven von vorgeschriebener Länge l,
welche zwei gegebene PunJcte P^, P^ verbinden, diejenige zu bestimmen,
welche zusammen mit der Sehne P^P^ den größten Flächeninhalt ein-
schließt.
Wählen wir die Gerade durch die beiden Punkte Piix^, y^) und
■^2(^2? 2/2) ^^^ ;3;- Achse eines rechtwinkligen Koordinatensystems und
beschränken uns der Einfachheit halber auf Kurven, die in der Form
y = 2/ W
darstellbar sind, so lautet die Aufgabe in analytischer Formulierung:
Unter allen Funktionen: y = y(x), welche den Anfangsbedingungen
yM = 0, y(x^) = 0,
und überdies der Bedingung
ß
yT+y^^dx==l
genügen, diejenige zu finden, welche dem Integral
^) Zuerst vorgelegt von Jacob Beknoulli 1697, siehe StÄCKEL's Übersetzung
in Nr. 46 von Ostwald's Klassiker der exakten Wissenschaften^ p. 19 und An-
merkung 19) auf p, 139; weitere Literatur bei Pascal, Die Variationsrechnimg
(Leipzig, 1899), pp. 127, 128.
4 Erstes Kapitel. Die erste Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
J"= I ydx
den größten Wert erteilt.
Das charakteristisch Neue besteht hier also darin, daß den zum
Vergleich herangezogenen Kurven außer den Anfangsbedingungen noch
die weitere Beschränkung auferlegt wird, daß sie einem gewissen be-
stimmten Integral einen vorgeschriebenen Wert erteilen sollen.
Unser Beispiel ist also ein spezieller Fall der Aufgabe, ein In-
tegral von der Form
■^?
J=jf{xy y, y')dx (1)
zu einem Extremum zu machen, während gleichzeitig die zulässigen
Kurven einem zweiten Integral
•^2
einen vorgeschriebenen Wert l erteilen sollen.
Aufgaben dieser Art heißen „isoperimetrische Probleme"] wir werden
dieselben in Kapitel X betrachten, und zwar, im Hinblick auf die vielen
geometrischen Aufgaben dieser Art. in Parameterdarstellung.
Die nächstliegende Verallgemeinerung besteht darin, daß man be-
stimmte Integrale betrachtet, in denen die Funktion unter dem Integral
nicht nur die erste, sondern auch höhere Ableitungen der unbekannten
Funktion y enthält, also Integrale der Form
J=ff{x, y, y\ y", . . ., y^'^))dx. (4)
Diese Klasse von Aufgaben hat in der Geschichte der Variations-
rechnung eine gewisse Rolle gespielt, ist jedoch gegenwärtig, wo die
rein formalen Fragen mehr in den Hintergrund getreten sind, von
geringerem Interesse, teils weil sie in einer weiter unten zu betrach-
tenden allgemeineren Klasse als Spezialfall enthalten ist, teils weil
kaum irgendwelche interessante geometrische oder mechanische Probleme
zu dieser Kategorie gehören.^)
^) Wir geben am Ende von Kap. EI einige Andeutungen über Aufgaben
dieser Art; im übrigen verweisen wir auf Pascal, loc. cit., §§ 2—7, 16, 19—22,
und Zermelo, Untersuchungen zur Variationsrechnung, Dissertation (Berlin 1894),
sowie §§ 1, 4, 0, 12, 13, 14 in Knesers Artikel über Variationsrechnung in der
Encyklopädie der mathematischen Wissenschaften, II A 8, und Kneser, Lehrbuch
der Variationsrechnung (Braunschweig, 1900), 6. Abschnitt.
§ 1. Vorläufige Orientierung über die wichtigsten Probleme usw. 5
Weit 'wichtiger ist eine zweite Verallgemeinerung, bei welcher
mehrere unhekannte Funktionen unter dem bestimmten Integral vor-
kommen.
Besonders interessant werden die Aufgaben dieser Art, wenn
zwischen den unbekannten Funktionen Relationen vorgeschrieben sind.
Hierher gehört das folgende
Beispiel III: Die kürzeste Linie zu hestimmen, welche auf einer
in der Form
(p{x, y, ^) = 0
gegebenen Fläche zwischen zwei auf der Flüche gegebenen PunMen ge-
zogen tverden kann.
Nimmt man die zulässigen Kurven in der Form
y = y{x), z = z(x)
darstellbar an, so hat man unter allen der Bedingung
(p(x, y{x), z{x)) = 0
genügenden Kurven, welche durch die beiden gegebenen Punkte gehen,
diejenige zu bestimmen, für welche das Integral
j =jyr-fY^+ ~7^ dx
den kleinsten Wert annimmt.
Hier haben wir also zivei unhekannte Funktionen von x zu be-
stimmen, welche durch eine endliehe Gleichung verbunden sind.
Die vorgeschriebenen Relationen zwischen den unbekannten
Funktionen können aber auch die Form von Differentialgleichungen
haben, wie das folgende, schon von Euler ^) und Lagrange 2) be-
handelte Beispiel zeigt.
Beispiel IV: Die Brachistochrone im widerstehenden Medium.
Unter allen Raumkurven, welche zwischen zwei gegebenen Punkten Pj
und Pg gezogen werden können, soll diejenige bestimmt werden, ent-
lang welcher ein schwerer materieller Punkt in der kürzesten Zeit
von Pj nach P^ gelangt, wenn er den Punkt P^ mit einer gegebenen
Anfangsgeschwindigkeit i\ verläßt. Die Reibung soll vernachlässigt
^) Vgl. Methodus inveniendi lineas curvas maximi minimive proprietate gau-
dentes (Lausanne, 1744), pp. 126, 214.
2) Vgl. GEuvres, Bd. 10, p. 440; vgl. ferner Lindklokf-Moigno, Calcul des
Variations (Paris, 1861), p. 308, und Kneser, Lehrbuch, p. 248.
6 Erstes Kapitel. Die erste Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
werden, dagegen soll der Widerstand des Mediums berücksichtigt
werden.
Die positive ^- Achse eines rechtwinkligen Koordinatensystems
werde vertikal nach unten gewählt und die Masse des materiellen
Punktes gleich 1 angenommen; v bezeichne die Geschwindigkeit, g die
Konstante der Schwere. Der Widerstand sei eine gegebene Funktion
der Geschwindigkeit, B{v) sei der absolute Wert derselben. Dann
erhält man aus dem Prinzip der lebendigen Kraft ^):
d'^^^gdz- R(v) Ydx^ + dy^ + dz' ' .
Nehmen wir daher der Einfachheit halber x als unabhängige
Variable, so lautet die Aufgabe in analytischer Fassung: Unter allen
Funktionensystemen
y=-y{x), 0=-s(x), v = v(x),
welche den Anfangsbedingungen
und der Differentialgleichung
genügen, dasjenige zu bestimmen, welches das Integral
zu einem Minimum macht.
Wir haben hier also drei unbekannte Funktionen, welche durch
eine Differentialgleichung verbunden sind.
In naturgemäßer Verallgemeinerung gelangt man so schließlich
zu folgender, gewöhnlich als Lagrang e'sches Problem bezeichneter Auf-
gabe: Unter aUen Funktionensystemen «/i , V^, • --y Vn ^"^^^^ unabhängigen
Variabein x, welche gewissen Anfangsbedingungen und außerdem einer
Anzahl von Nebenbedingungen von der Form
Ä; = l, 2, ..., m, {m<n)
1) Vgl. z.B. Appell, Traite de Mecanique rationelle , Bd. I, Nr." 220, 251
lind Sturm, Cours de Mecanique (6e ed.), Bd. I, Nr. 274.
§ 1. Vorläufige Orientierung über die wichtigsten Probleme usw. 7
genügen^ dasjenige zu bestimmen, für welches das Integral
J-ffipc^ ^i; y^y '■, yni vu y-2y '--> yn)dx
seinen kleinsten oder größten Wert annimmt.
Dabei soll der Fall m = 0 mit inbegriffen sein und ebenso der
Fall, in welchem einige der Funktionen 95^., oder alle, die Ableitungen
y\y y-2) • • • ? y'i nicht enthalten.
Dieses Problem ist von ganz besonderer Wichtigkeit, einmal weil
es das allgemeinste Variationsprohlem für einfache bestimmte Integrale
darstellt, insofern alle andern sich auf dieses reduzieren lassen, sodann
weil die allgemeinen Yariationsprinzipien der Mechanik, wie das
Hamilton'sche Prinzip und das Prinzip der kleinsten Aktion auf
Probleme dieser Art führen. Diese Klasse von Aufgaben werden wir
im XL und XII. Kapitel behandeln.
Endlich kann man auch mehrfache Integrale in den Kreis der
Betrachtung ziehen. Ein klassisches Beispiel dieser Art ist das Pro-
blem der Minimalflächen:
Beispiel V: Unter allen Flächen, welche von einer gegebenen ge-
schlossenen Baumkurve 2 begrenzt werden, diejenige zu bestimmen, welcJie
den Meinsten Flächeninhalt besitzt.
Beschränken wir uns der Einfachheit halber auf Flächen, welche,
bezogen auf ein rechtwinkliges Koordinatensystem, in der Form
' ^ = f{^, y)
darstellbar sind, und bezeichnen wir mit cT den Bereich der x, i/-Ebene,
welcher von der Projektion 2' der Kurve 2 begrenzt wird, so lautet
die Aufgabe in analytischer Formulierung: Unter allen Funktionen
von zwei unabhängigen V^ariabeln
^ = A'^, y) y
welche entlang der Kurve 2' vorgeschriebene, sich stetig aneinander-
reihende Werte annehmen, diejenige zu bestimmen, für welche das
Doppelintegral
den kleinsten Wert annimmt.
Da beim Übergang zu mehi-fachen Integralen die Schwierigkeiten
ganz erheblich zunehmen, und da die Theorie hier noch nicht zu einem
8 Erstes Kapitel. Die erste Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
ähnlichen Abschluß gekommen ist wie bei den einfachen Integralen,
so werden wir uns bei der Behandlung dieser Klasse von Aufgaben
auf die Entwicklung der einfachsten Sätze beschränken. -
Nach dieser allgemeinen Übersicht wenden wir uns jetzt zur
näheren Betrachtung der einfachsten Klasse von Variationsproblemen,
wobei es sich zunächst um eine genaue Formulierung der Aufgabe
handeln wird.
§ 2. Definitionen und Sätze über „gewöhnliche" Maxima und
Minima.
Bei der fundamentalen Rolle, welche die Begriffe des Maximums
und Minimums in der Variationsrechnung spielen, empfiehlt es sich,
die wichtigsten Definitionen und Sätze über „gewöhnliche" Maxima
und Minima vorauszuschicken.
a) Maximum und Minimum einer linearen Punktmenge:
Unter einer endlichen Anzahl von Werten einer unabhängigen
Variabein x gibt es stets mindestens ein Maximum, d. h. einen Wert,
der größer oder wenigstens nicht kleiner ist als alle übrigen; und
ebenso ein Minimum.
Ganz anders verhält es sich dagegen bei Mengen von unendlich
vielen Werten (sogenannten unendlichen Wertmengen oder linearen
Punktmengen). Hier kann es zunächst vorkommen, daß ein Maximum
deshalb nicht existiert, weil es unter den Werten der Menge solche
gibt, die jede vorgegebene Zahl übersteigen. Dies ist z. B. der Fall
bei der aus der Gesamtheit aller positiven ganzen Zahlen gebildeten
Menge. Man sagt in diesem Fall, die Menge sei nach oben nicht
beschränkt. Aber auch wenn die Menge nach oben beschränkt ist
(borne superieurement ^)) d. h. wenn sämtliche Werte der Menge unter-
halb einer festen Größe („Schranke") L liegen, so braucht es deshalb
doch keinen größten Wert der Menge zu geben. 'So ist z. B. die
unendliche Menge
^.£23 v—l
nach oben beschränkt, da sämtliche Werte der Mengen kleiner als
z. B. 2 sind; trotzdem gibt es unter den Werten dieser Menge
keinen größten.
^) Vgl. A I 2; die Abkürzung A bedeutet stets den Anhang am Ende des
Buches,
§ 2. Definitionen und Sätze über „gewöhnliche" Maxima und Minima. 9
Dagegen gilt der Satz^), daß jede nach oben begrenzte Wert-
menge (lineare Punktmenge) eine obere Grenze besitzt, d. b. es gibt
eine (und nur eine) Größe Gy welche folgende beiden charakteristischen
Eigenschaften hat:
1. jeder Wert p der Menge ist ^ G-^
2. wie klein auch die positive Größe s gewählt sein mag, so gibt
es stets mindestens einen Wert p' der Menge für welchen p ^ G — s.
Diese obere Grenze G gehört nun entweder selbst zur Menge
und heißt alsdann das Maxmiuni der Menge oder aber sie gehört
nicht zur Menge; in diesem Fall sagt man, die Menge besitzt kein
Maximum. Die entsprechenden Definitionen und Sätze gelten für die
untere Grenze und das Minimum einer Menge.
Für das obige Beispiel ist die obere Grenze 1, dieselbe gehört
selbst nicht zur Menge; dagegen gehört die untere Grenze 0 zur Menge
und ist daher zugleich das Minimum.
Der Gleichförmigkeit halber pflegt man von einer nach oben
(unten) nicht beschränkten Menge zu sagen ihre obere (untere) Grenze
sei -f (X) (— oo).
Bei diesem Sprachgebrauch, welchem wir folgen werden, besitzt
also jede lineare Punktmenge eine obere Grenze und eine untere Grenze.
b) Absolutes Maximum und Minimum einer Funktion in einem
Intervall:^)
Es sei jetzt
eine reelle Funktion einer reellen Variabein, definiert in einem Inter-
vall^) [ah\ Die dem Intervall \a¥\ von x entsprechenden Werte
von y bilden eine lineare Punktmenge, die wir mit Y bezeichnen.
Diese Punktmenge hat nach dem vorigen stets eine obere Grenze G
und eine untere Grenze K, welche die obere, resp. untere, Grenze
der Funktion f{x) in dem Intervall [a?>] genannt werden.
Sind G und K beide endlich, so heißt die Funktion f(x) end-
lieh im Intervall [ah].
1) Vgl. A I 3.
^) Hierzu die Übungsaufgaben 1„, 1^, 1^, am Ende von Kap. III.
«) d. h. für alle .r, für welche a^x'^h, (falls a < &), a > ic ^fe , (falls «>?>);
im allgemeinen soll mit der Bezeichnung [a b] die Annahme a<Cb verbunden
sein. Für eine Funktion, welche nicht für ein stetiges Intervall, sondern für eine
beliebige Punktmenge X im Gebiet der Variabein x definiert ist, (vgl. Encyclopädie,
II A, p. 11 und JoKDAN, Cours d' Analyse (Paris, 1893), I, Nr. 41), ersetze man in den
folgenden Definitionen überall das Intervall [a b] durch die Menge X.
10 Erstes Kapitel. Die erste Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
Gehört die obere Grenze G zur Menge Y d. h. gibt es wenigstens
einen Wert c^des Intervalls [ah'\, so daß: f{c) = G, während gleich-
zeitig: f{x)<:G für jedes a; in [ab], so heißt i) G das absolute
Maximum der Funktion f{x) im Intervall [ab]. Gehört dagegen
G nicht zu Y, so besitzt die Funktion f{x) im Intervall [ab] kein
absolutes Maximum; letzteres ist stets der Fall, wenn 6^ = -f cx), da
jedes einzelne y als endlich vorausgesetzt wird.
Analoge Definitionen gelten für das absolute Minimum.
Für stetige Funktionen gilt der Satz 2): Ist f{x) stetig im Inter-
vall [a b\ so ist sowohl die obere als die untere Grenze endlich und
beide werden wirklich erreicht, d. h. f{x) besitzt in [a b] ein absolutes
Maximum und ein absolutes Minimum.
Die oben gegebenen Definitionen lassen sich ohne weiteres auf
Funktionen mehrerer Variabein ausdehnen.
c) Relatives Maximum und Minimum einer Funktion:
Von dem absoluten Extremum ist das relative^) zu unterscheiden.
Man sagt eine Funktion f{x)j welche in einem Intervall [ab] definiert
ist, besitzt ein relatives Minimum an einer Stelle x = x^ des Inter-
valls [ab\ wenn eine positive Größe d existiert, derart, daß
fM<m
für jedes x des Intervalls [ab], für welches \ x — Xq \ < d] oder, wie
wir auch schreiben können,
n^o + /O - /'(^o) ? 0 (7)
für jedes //, für welches \ h \ <d und Xq -\- h in [ab].
Nach Stolz"*) unterscheidet man dabei das eigentliche von dem
uneigentlichen Minimum: Bei dem eigentlichen Minimum läßt
sich d so klein wählen, daß
f(x,i-h)-f{x,)>0 ^ (8)
für alle angegebenen Werte von h außer h = 0] bei dem un ei gent-
lichen gibt es, wie klein auch d gewählt sein mag, immer noch von
NuU verschiedene Werte //, für welche
^) Vgl. Encydoimdie, II A, p. 80.
«) Vgl. A ni 3.
') Ich folge der Terminologie von Voss in Encydopädie, II A, p. 81; viel-
fach wird „relatives Extremum" für „Extremum mit Neben-bedingungen" gebraucht?
vgl. unten, Kap. X.
*) Grundzüge der Differential- und Integralrechnung, (Leipzig, 1893),
Bd. I, p. 199.
§ 2. Definitionen und Sätze über „gewöhnliche" Maxima und Minima. H
f{x, + h')-f{x,) = 0, \h'\<(i.
Analoge Definitionen gelten für das relative Maximum.
Beispiele von uneigentlichen Extremen:
a) Die Funktion : y = Tconst. hat in jedem Punkte ein uneigentliches Maximum
und zugleich ein uneigentliches Minimum.
b) Die Funktion ^)
ix sin -j ' für x^O
0 für ^ = 0
hat für x=Q ein uneigentliches relatives Minimum. Denn hier ist
/'(^)>A0), f^ir jedes x-,
zugleich gibt es in jeder Nähe der Stelle x = 0 Werte von x, für welche
f(x) = f{0), nämlich die Werte ic=l//x7t, wo ft eine ganze Zahl.
Besitzt die Funktion f(x) im Punkt x = Xq eine Ableitung f(x^y
so gilt der Sat0^):
Für das Eintreten eines relativen Extremums in einem innern
Funkt Xq des Intervalls [ah] ist notwendig, daß
rw = o. (9)
Denn nach der Definition der Ableitung hat man in diesem Fall:
nx, + h) - fix,) = h [/•' (x,) + (h)] , (10)
wo (/i); wie stets in der Folge ^ in Weierstraß'scher Bezeichnung
eine unendlich kleine Funktion von h bezeichnet, d. h.
i(/0 = o.
Ä = 0
Wäre nun f{x^ 4= 0, so könnte man eine positive Größe 8 angeben,
so daß I (/*) I < I /" (^o) I y ^^^ daher f {x^ -{- (Ji) von demselben
Zeichen wie f{x^ wäre für alle \ h \ <C ö . Für solche Werte von h
*) Vgl. Encyclopädie, II A, p. 81.
*) Vgl. Encyclopädie^ II A, p. 82; Jordan, Cours d' Analyse, I, Nr. 394;
Peano, Differentialrechnung und Grundzüge der Integralrechnung (Leipzig, 1899),
Nr. 131 ; unter allgemeineren Voraussetzungen bei Stolz, Grundzüge, I, pp. 203,
204, 207. Ist die Funktion f(x) regulär im Punkt Xq, d. h. nach ganzen
positiven Potenzen von x — x^ entwickelbar, so kann man die obigen Resultate
auch mittels des Satzes beweisen: Für hinreichend kleine Werte von \h\ hat
die Potenzreihe
a,h^+a,^,h' + ' -{-..., a,=HO,
dasselbe Vorzeichen wie das erste Glied «^ /i^ vgl. Stolz, Grundzüge, I, p. 205 1
Kneser, Lehrbuch, § 7.
12 Erstes Kapitel. Die erste Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
hätte daher fiy^x^ -\- h) — fix^ ) dasselbe oder das entgegengesetzte
Zeichen wie f'{x^)j jenachdem // positiv oder negativ. Es könnte
also weder ein Maximum noch ein Minimum stattfinden.
Derselbe Schluß läßt sich nicht anwenden, wenn x^ mit einem
der Endpunkte des Intervalls [ali] zusammenfällt. Nehmen wir an,
daß a <Zh, so kann ]( für x^^ =-■ a nur positive, für Xq = h nur nega-
tive Werte annehmen. Daher folgt aus (10): Für das Emtreten eines
relativen Maximums (Minimums) im unteren Endpunkt a des Inter-
+ '
valls [ah] ist notwendig daß /'(«)< 0 (> 0) , im oberen Endpunkt h:
fih) ^ 0 (^^ 0) , wobei /' und /' die vordere und hintere Derivierte
bedeuten. ^)
Wenn in einer gewissen Umgebung eines mueren Punktes x^ die
n ersten Ableitungen von f{x) existieren und stetig sind, so gilt der
Satz^): Wenn
n^o) - 0 , r\x,) = 0 , . . . , /•(^'- ^>(^o) = 0 , f('\x,) + 0 ,
so besitzt die FunMion fix) für x = Xq kein Extreinum, ivenn n un-
gerade; dagegen besitzt sie ein relatives Extremum, falls n gerade ist,
und zwar ein eigentliehes Minimum, wenn f^^^x^)'^ 0 , ein eigentliches
Maximum, wenn f" (Xq) < 0.
Denn unter den gemachten Annahmen läßt sich der Taylor'sche
Satz anwenden, nach welchem
/K + /«) - /"(A) = !",! /■<"'(>o + Oh) , 0 < Ö < 1 , (11)
woraus unter Zuziehung der vorausgesetzten Stetigkeit von f^"\x) der
Satz unmittelbar folgt.
Für die Endpunkte ist der Satz wieder ähnlich wie oben zu
modifizieren.
Aus den oben gegebenen Definitionen folgt unmittelbar: Besitzt die
Funktion f(x) für x = x^ ein absolutes Maximum (Minimum) in bezug
auf ein den Punkt Xq enthaltendes Intervall [ab], so besitzt sie a fortiori
auch ein relatives Maximum (Minimum) für x = x^^. Hierdurch reduziert
sich die Bestimmung der absoluten Extrema auf die der relativen.
Hat man letztere gefunden und weiß man a priori, daß die Funktion /"(.r)
im Intervall [ab] ein absolutes Maximum (Miniraum) besitzt, so hat
man nur unter den relativen Maximalwerten (Mini mal werten) den
') Vgl. A IV 1.
2) Vgl. p. 11, Fußnote 2).
§ ?,. Definition des Maximums und Minimums eines bestimmten Integrals. 13
größten (kleinsten) auszusuchen. Neue Schwierigkeiten treten nur
dann auf, wenn die Funktion unendlich viele Maxima und Minima
besitzt. ^)
§ 3. Definition des Maximums und Minimums eines bestimmten
Integrals. ^')
Ganz analoge Begriffsbildungen treten nun auch bei der Definition
des Maximums und Minimums eines bestimmten Integrals auf.
Wir werden uns dabei (sowie stets in der Folge) der folgenden
abgekürzten Ausdrucks weise bedienen: Indem wir unter einer Funktion
stets eine eindeutige, reelle Funktion einer oder mehrerer reeller Va-
riahein verstehen, sagen wir, eine Funktion f(x) einer Yariabeln .?;,
welche in einem Intervall [ah] definiert ist, sei in diesem Intervall
von der Klasse C , wenn sie in^) [ah] stetig ist und eine stetige
erste Ableitung f {x) besitzt; von der Klasse C" , wenn außerdem
die zweite Ableitung f\x) existiert und stetig ist in [ah], und so fort,
wobei man beachte, daß die Klasse C^''^^'^ in der Klasse C^") ent-
halten ist.
Ebenso soll die Kurve
______ y = fX^)y a^x^h,
^) Hierzu Übungsaufgabe 1^, am Ende von Kap. III.
^) Bis in das letzte Drittel des vorigen Jahrhunderts hat allgemein große
Unklarheit über die Grundlagen der Variationsrechnung geherrscht. Das größte
Verdienst um die Klärung der Grrundbegriffe und um eine scharfe Formulierung
der Aufgaben haben: Du Bois-Heymond, „Erläuterungen zu den Anfangsgründen
der Variationsrechnuyuf , Mathematische Annalen, Bd. XV. (1879), p. 283;
Scheefper: „Über die Bedeutung der Begriffe Maximum und Minimum in der
Variationsrechnung'', ibid. Bd. XXVI (1886), p. 197; und vor allem Weierstrass
in seinen an der Berliner Universität gehaltenen Vorlesungen über Variations-
rechnung (1865—1890). Wertvolle Beiträge nach dieser Richtung haben auch
geliefert: Zermelo, Dissertation, p. 24; Kneser, Lehrbuch, § 17 und Osgood,
„Sufficient conditions in the Calculus of Variations'' , Annais ofMathematics
(2), Bd. II (1901), p. 105.
^) Da der Begriff der Ableitung, wie er gewöhnlich definiert wird, nur eine
Bedeutung hat für innere Punkte des Definitionsbereiches einer Funktion, so
ist noch eine besondere Festsetzung bezüglich der Endpunkte a und b notwendig.
Wir wollen dieselbe dahin formulieren, daß es möglich sein soll, die Definition
der Funktion f{x) so über das Intervall [ah] hinaus auszudehnen, daß die er-
weiterte Funktion für a <C^x<^b' die genannten Eigenschaften hat , wo a' -< « ,
b'^b. Dies ist gleichbedeutend mit der Annahme, daß die betreffenden Ab-
leitungen stetig sein sollen im Innern des Intervalls {ab] und sich bestimmten
endlichen Grrenzen nähern sollen bei Annäherung an die Endpunkte (vgl. A IV 4).
14 Erstes Kapitel. Die erste Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
von der Klasse C, resp. C", ... heißen, wenn f{x) in [ah] von
der Klasse C, resp. C" ... ist.
Endlich sagen wir auch von einer Funktion von m Variabein:
fi^if ^2? • • •? ^m)? si^ ^®^ ^^ einem Bereich^) 6t im Gebiet der Va-
riabein x^, x^, . . ., x^ von der Klasse C^"\ wenn sie selbst samt
ihren partiellen Ableitungen bis zur n**° Ordnung inklusive stetig
ist in 2) 61.
a) Absolutes Extremuin eines bestimmten Integrals:
Es sei jetzt einerseits eine Funktion f{x, y, y) der drei unab-
hängigen Variabein x, y, y' gegeben, welche reell und von der
Klasse ^j C" ist in einem Bereich V, welcher aus allen Punkten
{Xj y, y') besteht, für welche {x, y) einem gewissen Bereich 91 der
X, ?/-Ebene angehört, während y' irgend einen endlichen Wert haben kann.
Andererseits sei
©: y-y(^), x^^x^x^,
eine ganz im^) Bereich 91 gelegene Kurve der Klasse 0'.
Alsdann ist die Funktion
fXx, y{x), y{x))
^) Unter einem „Bereich" soll stets eine Punktmenge verstanden werden,
welche „innere Punkte" enthält, einerlei von welcher Beschaffenheit sie sonst
sein macr. Über die Definition eines inneren Punktes vgl. A I 7.
2) Dies hat eine unmittelbare Bedeutung wieder nur, wenn der Bereich <Si
nur innere Punkte enthält (oder, wie wir sagen, ein „stetiger Bereich'' ist);
enthält er auch Begrenzungspunkte (d. h. Punkte, in deren jeder Nähe es
Punkte gibt, welche nicht zu ÖL gehören), so fügen wir noch die Festsetzung
hinzu, daß sich die Definition von f{x^, x^, . . ., x„) so über den Bereich 61
hinaus auf einen stetigen, den Bereich €L enthaltenden Bereich ^ fortsetzen
lassen soll, daß die erweiterte Funktion die angegebenen Eigenschaften im Be-
reich ^ besitzt.
») Bei den geometrischen und mechanischen Anwendungen der Variations-
rechnung ist die Funktion f{x, y, y) meistens eine analytische Funktion
einfachster Art. Es wäre daher vollständig genügend, die Untersuchung fiir
analytische Funktionen f durchzuführen, wie es Weiebstrass und Kneser getan
haben. Dagegen muß man gerade auch vom Standpunkt der Anwendungen bei
den meisten Aufgaben auch nicht -analytische Kurven zulassen, wenn man
die Aufgabe nicht ganz unnatürlich einschränken will. Wenn man es aber doch
einmal mit nicht-analytischen Funktionen zu tun hat, so wird die Darstellung
einheitlicher, wenn man auch die Funktion /' nicht als analytisch voraussetzt,
wie dies auch schon Pascal, loc. cit. p. 21 und Osgood, loc. cit. p. 105 getan haben.
*) Eine Kurve Hegt „in einem Bereich'' soll stets bedeuten: jeder Punkt
der Kurve ist zugleich ein Punkt des Bereiches, nicht notwendig ein innerer Punkt.
§ 3. Definition des Maximums und Minimums eines bestimmten Integrals. 15
nach den Sätze q über zusammengesetzte Funktionen (A IV 9) eine
im Intervall [x^ X2] stetige Funktion von x, und daher hat das Integral
J^ff{x, y{x), y\x))dx (12)
^1
einen bestimmten endlichen Wert. Wir nennen dieses Integral das
Integral der FunMion f{x, y, y') genommen entlang der Kurve S und
bezeichnen dasselbe mit
J=jf{x, y, y')dx
k
oder kürzer mit «J^.
Es seien jetzt im Bereich Öl zwei Punkte Pi(x^, y^) und P^^oc^, y^)
gegeben, wobei wir stets x^<ix^ voraussetzen; wir betrachten die
Gesamtheit QTL aller Kurven, welche folgende Bedingungen erfüllen:.
1. Sie gehen durch die beiden gegebenen Punkte P^ und Pg.
2. Sie sind in der Form
y=^y{x), x^^x'^X^
darstellbar, wo y{x) eine eindeutige Funktion von x bedeutet, d. h. geo-
metrisch, jede Kurve wird von jeder Geraden parallel der ^- Achse:
X = c m einem und nur einem Punkt geschnitten, wenn ^1 ^ c ^ x^.
3. Sie sind von der Klasse C , d. h. geometrisch, sie sind stetig
und besitzen in jedem Punkt eine Tangente, deren Gefälle^) sich stetig
ändert, und die nie mit der 2/ -Achse parallel ist.
4. Sie liegen ganz im Bereich Öl. Wir nennen diese Kurven die
yjSulässigen Kurven" oder auch die „Vergleichskurven".
Jede zulässige Kurve S liefert einen bestimmten endlichen Wert
Jg. für das Integral J. Die Menge dieser Integralwerte {«/^l ^^sitzt
eine untere Grenze K und eine obere Grenze G (endlich oder unend-
lich). Wenn alsdann die untere (obere) Grenze endlich ist und wirk-
lich erreicht wird, d. h. wenn es eine zulässige Kurve (^ gibt, für
welche
^(£ = ^. (^(s = ^)^ (13)
so sagen wir, die Kurve ^ liefert ein absolutes Minimum (Maximum)
für das Integral J in bezug auf die Menge 91X-.
^) Unter Gefälle (slope) einer Geraden verstehen wir die trigonometrische
Tangente des Winkels, welchen die Gerade mit der positiven a;- Achse bildet.
16 Erstes Kapitel. Die erste Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
Für jede andere zulässige Kurve (E hat man dann
und diese Ungleichung kann ebenfalls zur Definition des absoluten
Minimums (Maximums) benutzt werden.
.Die Aufgabe der Variationsrechnung in ihrer einfachsten
Form besteht nun darin, diejenige oder diejenigen zulässigen Kurven
zu bestimmen, welche in diesem Sinn ein absolutes Minimum oder
Maximum für das Integral J liefern.^)
Die so formulierte Aufgabe läßt sich auf die mannigfachste Weise modi-
fizieren, indem man den zulässigen Kurven andere Bedingungen auferlegt. Wir
erwähnen die wichtigsten dieser Modifikationen:
1. Statt die Endpunkte vorzuschreiben, kann man auch nur verlangen, daß
sie auf gegebenen Kurven liegen sollen , oder sonst in vorgeschriebener Weise
veränderlich sein sollen (vgl. § 7 und Kap. VI).
2. Man kann die Bedingung fallen lassen, daß y sich als eindeutige Funktion
von X darstellen lassen soll, indem man die Kurven in Parameterdarstellung an-
nimmt (vgl. Kap. V).
3. Endlich kann man auch die „Klasse" der zulässigen Kurven modifizieren,
indem man z. B. Kurven mit „Ecken" zuläßt (Kap. VIII), oder bloß die Existenz
der rechtsseitigen Tangente verlangt (vgl. Kneser, Lehrbuch, § 17); ja man
kann die Aufgabe sogar so erweitern, daß nicht einmal die Existenz einer ein-
seitigen Tangente vorausgesetzt wird (vgl. Kap. IX). Anderseits kann man auch
dem Gefälle gewisse Beschränkungen auferlegen, z. B. beständig positiv zu sein
(vgl. Kap. Vni), oder dem absoluten Wert nach eine vorgegebene Grenze nicht
zu überschreiten (vgl. § 19, c).
Wie man die zulässigen Kurven am besten zu definieren hat, das hängt in
jedem einzelnen Fall von der speziellen Natur des vorgelegten Problems ab.
Aber wie man auch die Aufgabe formulieren mag, sie muß stets den beiden
folgenden Forderungen genügen, wenn sie überhaupt einen bestimmten Sinn
haben soll: 1. Die Gesamtheit der als zulässig betrachteten Kurven muß genau
definiert werden; 2. für jede zulässige Kurve muß das Integral J, eventuell nach
geeigneter Erweiterung seiner Defmition, einen bestimmten endlichen Wert haben.
Was den Bereich gi betrifft, so ist derselbe für jede einzelne Aufgabe be-
sonders festzulegen; er kann offen oder geschlossen, endlich oder unendlich sein,
er kann auch die ganze x, ^/-Ebene umfassen.
1) HiLBERT hat in seinen Vorlesungen (1904/1 905)~ ein allgemeines Problem
des Maximums und Minimums formuliert, welches sowohl die Aufgaben der
Variationsrechnung, als die der Theorie der gewöhnlichen Maxima und Mmima
umfaßt- Gegeben ist eine unendliche Menge irgend welcher rnathemattscher Ob-
jekte a b (Zahlen, Punkte, Kurven, Flächen usw.), und jedem Individuum
'dieser Menge ist eine reelle Zahl Ja, Jb . . ■ zugeordnet. Es soll dasjenige Indi-
viduum der Menge bestimmt werden, welchem die größte oder kleinste Zahl zu-
geordnet ist.
§ 3. Definition des Maximums und Minimums eines bestimmten Integrals. 17
So müssen z. B. bei der Aufgabe, das Integral
ZU einem Minimum zu machen (ßrachistochrone , vgl. § 26, b), die zulässigen
Kurven notwendig auf den durch die Ungleichung
definierten Bereich beschränkt werden, weil sonst die Funktion f entweder un-
stetig oder imaginär werden würde.
Bei der Aufgabe der Rotationsfläche von kleinster Oberfläche, wo
muß man die zulässigen Kurven auf den Bereich
beschränken, weil nur dann das bestimmte Integral J die gewünschte geo-
metrische Bedeutung besitzt.
Neben solchen „natürlichen" Beschränkungen, die sich aus dem Problem
mit Notwendigkeit ergeben, kann man aber auch den zulässigen Kurven „künst-
lich" Beschränkungen auf einen gewissen Bereich auferlegen. So sind z. B. bei
der Aufgabe, die kürzeste Linie zwischen zwei Punkten zu finden, wo
J=fVi+y''''dx,
die zulässigen Kurven keinerlei derartigen Beschränkung unterworfen, so daß
der Bereich ^ die ganze x, ^-Ebene umfaßt. Man kann aber auch die Aufgabe
dahin modifizieren, unter allen Kurven, welche in einem gewissen gegebenen
Bereich gelegen sind, die kürzeste Verbindungslinie zweier gegebener Punkte zu
finden (vgl. Kap. VIII); hier ist dann 01 eben dieser vorgegebene Bereich.
b) Relatives Extremum eines bestimmten Integrals:
Ganz analog wie in der Theorie der gewöhnlichen Extrema läßt
sich nun auch die im vorhergehenden formulierte Aufgabe des ab-
soluten Extremums eines bestimmten Integrals, (welche das eigentliche
Endziel der Variationsrechnung ist), auf diejenige des relativen Ex-
tremums zurückführen, bei welchem die gesuchte Kurve nur mit
sogenannten „benachbarten" Kurven verglichen wird, und welches
folgendermaßen definiert wird: Eine zulässige Kurve ©: y = y{x)
liefert ein relatives Minimum (Maximum) für das Integral J, tvenn
eine positive Größe q existiert, derart, daß
Bolza, Variationsrechnung. 2
18 Erstes Kapitel. Die erste Variation bei dex einfachsten Klasse von Aufgaben.
für jede zulässige Kurve S : y = y{x), für welche
\y{x)-y{x)\<Q ßlr x^^x^ x^. (15)
Diese Ungleichung bedeutet geometrisch , daß die Kurve S (ab-
gesehen von den Endpunkten) im Innern des Streifens liegt, welcher
durch die beiden Kurven
y = y{x)^Q, y = y{x)-Q
einerseits und durch die beiden Geraden
anderseits begrenzt wird. Diesen Streifen werden wir „die Nadibar-
Schaft^) {ß) der Kurve ^^'' nennen, wobei von der Begrenzung nur
die Punkte P^ und Pg als mit zur Nachbarschaft (()) gehörig be-
trachtet werden sollen.
Wir nennen dann wieder das relative Minimum (Maximum)
ein eigentliches, wenn q so gewählt werden kann, daß in der
Ungleichung (14) das Zeichen > (<)
für alle von ^ verschiedenen zu-
lässigen Kurven gilt, welche in der
Nachbarschaft {q) liegen; dagegen
uneigentUch, wenn es, wie klein auch
Q gewählt sein mag, stets mindestens
eine von (5 verschiedene zulässige
Kurve ^ gibt, welche ganz in der
Nachbarschaft (q) liegt und für
welche: J-^ = J^.
Eine Kurve, welche ein absolutes Extremum liefert, liefert a for-
tiori auch ein relatives, und daher reduziert 2) sich die ursprüngliche
Aufgabe darauf, alle Kurven zu finden, ivelche ein relatives Extremem
für das Integral J liefern, und in dieser Form werden wir die Aufgabe
in der Folge betrachten.
Wir werden dabei die Worte „Minimum, Maximum" stets im
Sinn von „relatives Minimum, Maximum" gebrauchen und wir werden
^) Vgl. Osgood, loc. cit. p. 107. Die Nachbarschaft {q) inklusive ihrer Be-
grenzung werden wir die ge.^chlossene Nachbarschaft [q] von d nennen.
*) Vgl. die entsprechenden Bemerkungen beim gewöhnlichen Extremum,
§ 2, c). Für eine direlde Behandlung des absoluten Extremums vergleiche man
Hilbert's Existenzbeweis (Kap. IX), Darboux, Tlieorie des surfaces, Bd. III,
p. 89; und Zermelo, Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-
Vere'inigung, Bd. XI (1902) p. 184.
Fig. 1.
§ 4. Verschwinden der ersten Variation. 19
uns auf den Fall des Minimums beschränken, da jede Kurve, welche
ein Minimum für das Integral J liefert, zugleich ein Maximum für
das Integral — J liefert, und vice versa.
§ 4. Verschwinden der ersten Variation.
Wir setzen jetzt voraus, wir hätten eine Kurve
gefunden, welche das Integral
J-jf{^, y, y)^^
in dem im vorigen Paragraphen erklärten Sinn zu einem Minimum
macht. Wir nehmen überdies an, daß die Kurve ^ ganz im Innern^)
des Bereiches ^ liegt.
Aus der letzten Annahme folgt ^), daß wir q so klein nehmen
können, daß die Nachbarschaft (q) von ^ ebenfalls ganz im Innern
von Öl liegt.
Wir ^^variieren" nun die Kurve (^, d. h. wir ersetzen sie durch
eine andere zulässige Kurve
welche ganz in der Nachbarschaft (^ liegt. Eine solche Kurve pflegt
man eine der Kurve S „henachharte Kurve'' zu nennen.
Das Inkrement
Ay = y{x)-y(x),
welches wir mit co (oder wenn nötig (o{x)) bezeichnen^), wird die
,,vollständige Variation von y'' genannt. Da die Kurve S in der Nach-
barschaft (q) liegt, so ist
I «i^) I <«? in [^1^2]; (16)
überdies ist im Fall fester Endpunkte
cd{x,)^Ö, (o(x,)==0, (17)
i da
_______ ^W = 2/(^1) = ^1; ^(^2) = 2/(^2) = 2/2-
^) Der Fall, wo die Kurve Punkte mit der Begrenzung von 01 gemein hat,
wird in Kap. VHI behandelt werden.
^) ^gl- § 21, a); die Kurve ® ist eine begrenzte, abgeschlossene Menge,
nach A VII 1.
^) Bezeichnung nach Lagrange^ CEuvres^ Bd. IX, p. 296.
2*
20 Erstes Kapitel. Die erste Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
Das entsprechende Inkrement des Integrals,
heißt die „vollständige^) Variation des Integrals J^'. Da wir die End-
punkte als fest voraussetzen, so sind die Integrationsgrenzen in beiden
Integralen dieselben und wir können daher schreiben:
^J='f[f{x, y + oj,y'^ cü')-f{x, y, y)]dx.
Da wir annehmen, daß die Kurve S ein Minimum liefert, so
muß nach (14)
A/^0 (18)
sein für alle „benachbarten" Kurven, vorausgesetzt, daß q hinreichend
klein gewählt worden ist.
Für die weitere Diskussion dieser Uugleichung betrachten wir
mit Lagrange ^) spezielle^) Variationen von der Form
cj{x)^s7i(x), (19)
wo rj{x) eine beliebige Funktion der Klasse C" ist, welche in x^ und x^
verschwindet, und a eine Konstante, deren absoluter Wert so klein
gewählt ist, daß die Bedingung ^16) erfüllt ist.
Alsdann geht das Integral J = J^ in eine Funktion von s über,
die wir mit J(s) bezeichnen wollen. Insbesondere ist dann J"(0) = J^,
so daß wir die Ungleichung (14) schreiben können
J(a)^J(0)
für alle hinreichend kleinen Werte von | £ ]. Das heißt aber: Die
Funktion /(e) muß für s = 0 ein Minimum besitzen, und daher muß
j^(0)^0, J"(0)5 0 ' (20)
sein.
1) Nach Weierstrass, Vorlesungen.
2) Vgl. Lagrange, (Euvres, Bd. IX, p, 298; die hier gegebene Methode be-
nutzen LiNDELÖF-MoiGNO (loc. cit.) , DiENGEB, Grufidriß der Variationsrechnung
(Braunschweig, 1867), und Osgood (loc. cit.).
^) Variationen dieser speziellen Art werden auch schon von Euler erwähnt,
Instit Calc. Integr., Bd. IV, Supplem. XI, § 5. Solange es sich nur um die Her-
leitung notwendiger Bedingungen handelt, dürfen wir die Variationen nach
Belieben spezialisieren; ganz anders verhält es sich bei der Herleitung hin-
reichender Bedingungen, vgl. § 15.
§ 4. Verschwinden der ersten Variation. 21
Aus der Definition der Ableitung tblgt^ daß
A/= J{8) - J(0) = sJ'(0) + £{s), (21)
wenn (s) wieder eine unendlich kleine Funktion von s bezeichnet,
so daß also eJ'(0) das Differential der Funktion J(6) nach s bedeutet.
Man pflegt dasselbe nach Lagrange ^) mit dJ zu. bezeichnen:
dJ=eJ\0),
und die erste Variation des Integrals J zu nennen. Analog definiert
man die höheren Variationen
Unter Benutzung dieser Bezeichnungsweise können wir die Bedingungen
(20) also auch so aussprechen:
Für ein Minimum des Integrals J ist notwendig, daß die erste
Variation verschwindet^) und die zweite Variation niclit negativ ist^),
und zwar für alle zidässigen Funktionen t]:
dJ=0, dV^O. ' > (22)
Wir haben es hier zunächst nur mit der ersten Variation zu tun.
Nach der Regel ^) für die Differentiation eines bestimmten Integrals
nach einem Parameter findet man:
J'm=fifyV + f,-v')äx, (23)
wenn wir, wie stets in der Folge, partielle Ableitungen einer Funktion
mehrerer Variabein durch Suffixe bezeichnen:
^) Das Symbol d findet sich zum erstenmal in einem Brief von Lagrange
an EuLEK vom 12. August 1755, siehe Lagrange, Oeuvres, Bd. XIV, p. 140.
^) Euler, Methodus inveniendi eic.(1744), Kap. I, § 63.
^) Höhere Variationen finden sich zuerst bei Legendre (1786), der jedoch den
1 n
Faktor — mit zn S J hinzurechnet.
n\
*) Vgl. A V 7. Die Regel ist hier anwendbar; denn aus unseren Annahmen
über die Funktionen f, y, r} folgt nach A IV 9, daß die partielle Ableitung
^/■(rr, yix)^sri{x), y' (x) -{- sri\x))
eine stetige Funktion von x und s ist in dem Bereich
^1 < ^ < ^2 . I « I < «0 '
wofern die positive Größe Sq hinreichend klein gewählt wird
22 Erstes Kapitel. Die erste Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
n df . df
und ebenso später:
yy dy^' 'yy' dydy'
f -£-L f = "^ ' usw
fyy ~~ ?^j^^ 'yy' du fiy'^ '
Wir erhalten also den Satz:
Für ein Extremum des Integrals J ist es notwendig^ daß
.jV+M)dx = 0 (24)
A
für alle FunUionen t] der Klasse C, ivelche in x^ und x^ verschwinden.
Dabei sind die Argumente von f^^ fy^.x, yix), y(x).
Man kann dieses Resultat auch dadurch ableiten, daß man auf die
Differenz
f{x, y-\-<o, y' ■^co') — f{x, 2/, y)
den Taylor' sehen Satz mit Bestglied ^) für n = 2 anwendet und dann zwischen
den Grenzen x^ und x^ integriert. Man erhält so
wobei die Argumente von /^^, /j^^,, f^ry' sind: x, y (x) -\- 6 co (x) , y {x) -\- B to' {x\
unter 6 eine Funktion von x verstanden, deren Wert beständig zwischen 0 und
1 liegt.
Wählt man jetzt wieder für to eine Funktion der speziellen Form (19), so
nimmt der Ausdruck für AJ die Form (21) an, woraus man, wie in § 2, c),
schließt, daß (24) erfüllt sein muß.
Wenn fix, y, y) eine analytische Funktion ist, welche in dem oben mit %
bezeichneten Bereich regulär ist, so kann man statt der Taylor sehen Formel mit
Restglied auch die Taylor' sehe unendliche Beihe^) in Anwendung bringen. Man
erhält dann unter der Voraussetzung, daß gliedweise Integration erlaubt ist,
für A J eine für hinreichend kleine Werte von \ (o \ und \ a \ konvergente
Reihe :
1) Diese Methode wurde zuerst von Lagrange gebraucht, siehe (Euvres,
Bd. IX, p. 297. Vgl. auch Du Bois-Reymond, Mathematische Annalen, Bd. XV
(1879), p. 292, und Pascal, loc. cit., p. 22.
*) Diese Methode benutzen Weierstkass, Kneser ^Lehrbuch, §§ 2, 8) und
Jordan, Cours d' Analyse, III, Nr. 350), ohne jedoch einen strengen Detailbeweis
zu geben, der hier wesentlich umständlicher ausfallen würde als bei den beiden
anderen Methoden.
§ 5. Die Euler'sche Differentialgleichung, 23
dx -\- • • • ,
+/(»,
■wobei in W ei er straß'scher Bezeichnungsweise (w, co')^ eine homogene Funktion
n*^"" Dimension von ca, w' bedeutet.
Wählt man dann wieder für co eine Funktion von der speziellen Form (19),
so geht diese Reihe in eine nach Potenzen von s fortschreitende Reihe über,
auf die man dann das auf p. 11, Fußnote ^) erwähnte Lemma anzuwenden hat.
Yon den drei angeführten Methoden liefert unzweifelhaft die erste, den
einfachsten strengen Beweis für die beiden Bedingungen (20). Man hat sogar
lange geglaubt, daß diese Methode das ganze Problem der Variationsrechnung
auf ein Problem der Theorie der gewöhnlichen Maxima und Minima zurückführt.
Dem ist aber nicht so; denn wie wir später sehen werden, liefert die Methode
nur notwendige Bedingungen, genügt aber nicht einmal für ein sogenanntes
schwaches^) Extremum zur Herleitung hinreichender Bedingungen, während
die auf die Taylor'sche Formel basierte Methode, obgleich weniger elegant,
wenigstens für ein sehwaches Extremum hinreichende Bedingungen liefert.
§ 5. Die Euler'sche Differentialgleicliung.
Wir gehen jetzt dazu über, aus der Bedingung dj= 0 weitere
Folgerungen zu ziehen.
a) Die Lagrange'sche partielle Integration:
Zu diesem Zweck pflegt man nach dem Vorgang von Lagrange ^)
das zweite Glied in dem Ausdruck für dJ durch partielle Integration
umzuformen und erhält so:
SJ^s{[,f^]"+ß{f,-fj,)ä.}, (25)
wobei von der Bezeichnung
\0(x)T= Oix,) - 0(x,) (26)
Gebrauch gemacht ist.
Da 1] für X = x^ und x = x^ verschwindet, so ist das vom Inte-
gralzeichen freie Glied gleich Null, und die Bedingung dJ=0 redu-
ziert sich auf
1) Vgl. § 15, b).
*) Zuerst in dem bereits oben erwähnten Brief an Euler vom 12. August
1765. {(Euvres de Laorange, Bd. XIY, p. 141).
24 Erstes Kapitel. Die erste Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
Diese Gleichung muß erfüllt sein für alle Funktionen rj, welche in x^
und X2 verschwinden und in lx\ x^] von der Klasse C sind.
Aus der Willkürlichkeit von r/ schließt^) man dann, daß dies nur
möglich ist, wenn der Faktor von 7^ unter dem Integralzeichen für
sich verschwindet, und erhält so den
Fundament aisatz I: Soll die Funktion
y = 2/ W
das Integral
J=jf{oc, y, y)dx
^1
ßu einem Maximum oder Minimum machen ^ so muß sie der Differential-
gleichung genügen:^)
f-ff,^0. (I)
'y dx'y ^ ^
Wir werden diese Differentialgleichung nach ihrem Entdecker^) die
Euler'sche Differentialgleichüig nennen.
Man beachte, daß die Argumente der Funktionen f^, fy, sind:
x, y{x)y y\x)j und daß die Differentiation totale Differentiation nach
x bedeutet, so daß die Differentialgleichung in entwickelter Form lautet:
Die obige Ableitung der Euler'schen Differentialgleichung weist
jedoch zwei erhebliche Lücken auf:
Erstens*) setzt die partielle Integration zum mindesten die
Existenz der Ableitung ;,- /' , voraus, und da wir von der Funktion y(x)
1) Vgl. unter b).
*) Wegen der Ausdehnung dieses Satzes auf allgemeinere Variations-
probleme vgl. die Übungsmiffjaben Nr. 41—47 am Ende von Kap. III, sowie
Kap. XI und XII.
'') Euler, Methodus inveniendi etc. (1744), Kap. II, Art. 21; in Stäckkl's Über-
setzung in Ostwald's Klass. Nr. 46, p. 54. Die Differentialgleichung ist neuer-
dings vielfach die .^Jjagrange'sche Differentialgleichung^^ genannt worden. Lagrange
selbst schreibt sie Euler zu, vgl. (Euvres, Bd. X, p. 397: „Cette dquation est
Celle qu'EuLER a trouve'e le premier."
*) Dieser Einwand ist zuerst von Du Bois-Reymond in der wichtigen Ab-
handlung: .^Erläuterungen zu den Anfangsgründen der Variationsrechnung"-
Mathematische Annalen, Bd. XV (1879), p. 283 erhoben worden.
§ 5. Die Euler'sche Differentialgleichung. 25
nichts weiter als die Existenz und Stetigkeit der ersten Ableitung
vorausgesetzt haben, so wissen wir von der Funktion fy,{x, y{x), y' {xj)
nur, daß sie stetig ist, nicht aber, ob sie eine Ableitung besitzt. Um
diesem Einwand zu begegnen, machen wir vorläufig die wqüqyq Annahme'^) ^
daß auch die zweite Alileitung von y{x) existiert und stetig ist im Inter-
vall [^([^i^rg]. Alsdann besitzt die Funktion fy,(x, y{x), y\x)) eine Ab-
leitung^), die überdies stetig ist in [r^i^Tg], und es steht nunmehr der
Anwendung der partiellen Integration^) nichts mehr im Wege.
b) Das Fundamentallemma der Variationsreclinung:
Der zweite Einwand bezieht sich auf den Schluß, daß wegen
der Willkürlichkeit von t] aus der Gleichung (27) die Differential-
gleichung (I) folgt; derselbe ist durchaus nicht selbstverständlich,^)
wie noch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts allgemein angenommen
wurde, sondern bedarf eines Beweises. Letzterer beruht auf dem
folgenden
Lemma: Ist M eine FunMmi von x, welche stetig ist in [x^x^]
und ist
fr] Mdx = 0 (29)
für alle Funktionen r], welche in x^ und x^ verschivinden und eine
stetige Ableitung in [x^X2] besitzen, so ist
M^O (30)
in [x^x^].
Denn^) angenommen es sei M(x)^0, z. B. >0, in
einem Punkt x des Intervalles [^1^2] 5 dann können wir
^) Von dieser Annahme werden wir uns weiter unten, siehe c), befreien.
2) Nach A IV 9. »j Nach A V 5.
^) Der Schluß tritt zuerst bei Lagrange in dem oben (p. 21, Fußnote ^)),
zitierten Briefe an Euler auf und wird dort als ganz selbstverständlich gegeben.
^) Der hipr gegebene Beweis rührt von Du Bois-Reymond her (Mathe-
matische Annalen, Bd. XV (1879), pp. 297, 300). In derselben Arbeit be-
weist Du Bois-Reymond, daß der Schluß MO gültig bleibt, selbst wenn man
nur weiß, daß die Gleichung (29) besteht:
1. für alle in x^ und x^ verschwindenden Funktionen, welche in [x^ x^] von
der Klasse C^"^ sind; man verfahre wie oben, wähle jedoch für das Intervall [|j Ig]
n = (x-^,r+\t,-xy + ''-,
2. für alle in x^^ und x^ verschwindenden Funktionen, welche in [x■^^ x^] Ab-
leitungen aller Ordnungen besitzen.
26 Erstes Kapitel. Die erste Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
wegen 1) der Stetigkeit von 31 ein den Punkt x' enthaltendes Teil-
intervall [|i I2] ^on [x^ X.2] angeben, derart daß M>0 im ganzen
Intervall [|^ Ig] • J^^zt wähle man ?; = 0 außerhalb [Ij Ig] ^^^
1(1 = {x — l^y {x — Ig)^ in [lilg]; di© so definierte Funktion 7; besitzt
eine stetige^) Ableitung in [x^x.^, und verschwindet in x^ und x^.
Trotzdem ist für sie
fi] 3Idx>0,
entgegen der Annahme. Es ist also unmöglich, daß M{x) =H 0 und
somit ist der Satz bewiesen. Dieses Lemma wird häufig das Funda-
mentallemma der Variationsrechmmg genannt.
Die von Du Bois-Reymond gebrauchten speziellen Funktionen rj sind alle
aus mehreren analytischen Funktionen zusammengesetzt. Es lassen sich aber
auch Funktionen konstruieren, welche im ganzen Intervall durch eine einzige
reguläre analytische Funktion dargestellt werden und denselben Zweck erfüllen.
Eine solche Funktion bildet Zermelo einer Anregung von Weierstrass folgend,
in seiner Dissertation, p. 35: Der Punkt x sei ein innerer Punkt; dann
setze man
^ = {x- X,) {x,—x) e-'r^"^ -'=')''
im ganzen Intervall [^i^j], wo q eine hinreichend große Konstante ist.
Eine andere Funktion, welche denselben Zweck erfüllt und die durch ihre
geometrische Interpretation interessant ist, hat H. A. Schwarz in seinen Vor-
lesungen gegeben, vgl. Hancock^ Lecturcs on the Calculus of Variations (Cincinnati,
1904), Nr. 78.
Es folgt hieraus, daß es für den Schluß ilf ^=. 0 genügt zu wissen, daß die
Gleichung (29) für alle Funktionen erfüllt ist, welche in [ic^a^.,] regulär sind und
in x^ und x^ verschwinden.
Der älteste Beweis des Lemmas rührt von Stegemann her (Lehrbuch der
Variationsrechnung (1854), § 24).
Er setzt
7} = {x — x^) (.Tg — x)/ M ;
einfacher jedoch ist es,
7}=^ (x — x^) {x^ — x) M
zu wählen. Hier müssen jedoch stärkere Annahmen gemacht werden, nämlich
entweder, daß die Gleichung (29) für alle stetigen in x.^ und x^ verschwindenden
Funktionen r\ gilt, oder aber, daß M von der Klasse C' ist, was "für unsere An-
wendung bedeuten würde, daß y'" existiert und stetig ist in \x^ x^'\ .
Auch der Beweis von Heine (Mathematische Annalen, Bd. II (1870),
p. 189) läßt sich nicht ohne weitere beschränkende Annahmen über y auf unsern
Fall anwenden.
1) Nach A m 2.
*) Auch in |^ und ^^ ; denn in jedem dieser Punkte ist sowohl die vordere
als auch die hintere Derivierte gleich Null; es existiert also eine Ableitung in
Ij und in ^^ und ihr Wert in diesen Punkten ist Null, und dies ist zugleich
der Grenzwert von tj' bei Annäherung an ^^ resp. |j. Vgl. A IV 1.
§ 5. Die Euler'sche Differentialgleichung. 27
Die Voraussetzungen dieses Lemmas sind für die Gleichung (27)
erfüllt, wenn wir annehmen, daß y" existiert und stetig ist in [::t?iiC2]5
denn alsdann ist die Funktion
stetig in \x^x^. Somit haben wir in der Tat die Notwendigkeit der
Differentialgleichung (I) bewiesen für alle Funktionen y von der
Klasse O' .
c) Du Bois-Reymond's Lemma:
Die unter a) gegebene Methode der partiellen Integration liefert,
wie wir gesehen haben, nur diejenigen Lösungen unserer Aufgabe,
welche eine stetige zweite Ableitung besitzen. Es fragt sich nun,
ob es außerdem noch andere Lösungen gibt und wie dieselben zu
finden sind.
Zur Beantwortung dieser Frage kehren wir zur Gleichung dJ=0
in der ursprünglichen Form (24) zurück und wenden, nach dem Vor-
gang von Du Bois-Reymond, die partielle Integration nicht auf das
zweite, sondern auf das erste Glied an. Setzt man in der allgemeinen
Formel der partiellen Litegration ^) :
a a
welche sicher gültig ist, wenn u und v in \a¥\ von der Klasse C sind,
u = i], v=ffydx,
und beachtet, daß i] an den beiden Endpunkten verschwindet, so geht
die Gleichung (24) über in
X^ X
fn{fr-ffydx)dx = 0. (31)
Diese partielle Integration ist erlaubt, selbst wenn y" nicht existieren
sollte, da
ri = dujdx und f^ = dv/dx
stetig sind.
') Vgl. A V 5.
28 Erstes Kapitel. Die erste Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
Die weiteren Folgerungen aus der Gleicliung (31) stützen sich
auf das folgende von Du Bois-Reymond^) herrührende
Lemma: Ist N eine FimUion von x, welche stetig ist in [x^x,^']
und ist
Jrj'Ndx = 0 (32)
für alle FunJäionen tj, tvelche in x^ und x^ verschwinden und eine
stetige Anleitung in [x^x.^ hesitzen, so ist
N = Jconst (33)
in [x^x^].
Den folgenden einfachen Beweis hat Hilbert^) in seinen Vor-
lesungen (Sommer 1899) gegeben:
Man wähle willkürlich vier den Ungleichungen
x^<a<ß<a <ß' <x^
genügende Größen a, ß, a , ß' und konstruiere eine Funktion der
Klasse C\ welche folgende Bedingungen erfüllt:
1^ = 0 in \x^ a\ •,
ri wächst beständig von 0 bis zu einem positiven Wert /r, während
X von a bis ß wächst;
ri bleibt konstant = Ä' in [/3 a'];
ri nimmt beständig ab von Ä: bis 0, während x von a bis ß' wächst;
?? = 0 in {ß'x^.
Die Existenz einer solchen Funktion — und das ist alles,
was zum Beweis erforderlich ist — ist a priori klar^), (vgl. Fig. 2).
Setzt man eine solche
Funktion ri in (32) ein, so
erhält man
Fig. 2.
^ ^' frl Ndx -{-fri Ndx=^0
^) Mathematische Annalen, Bd. XY (1879), p. 313. Du Bois-Keymond'b
Beweis findet sich bei Bolza, Lectures on the Calculus of Variations (Chicago 1904)
§ 6, reproduziert. Eine interessante Verallgemeinerung dieses Satzes ist kürz-
lich von Zermklo gegeben worden, Mathematische Annalen, Bd. 58 (1904),
p. 558. Vgl. Übungsaufgabe Nr. 47 am Ende von Kap. III.
2) Siehe Whittkmork, Annais of Mathematics (2), Bd. II (1901), p. 132.
') HiLBEUT gibt ein einfaches Beispiel einer solchen Funktion, siehe Whitte-
more's Darstellung. Er bildet zunächst eine den Anforderungen genügende
§ 5. Die Euler'sche Differentialgleichung. 29
Da r]' ^ 0 in [aß] und ^' < 0 in [cc ß'], so können wir den
ersten Mittelwertsatz ^) anwenden und erhalten, da
ri{ß)-7j{a) = h, n{ß')-ri{a') = -l:
Jc[N{a-{-d{ß- a)) - N{a + 0' (ß' - a))] = 0 ,
wo 0<Ö<1, 0<Ö'<1.
Lassen wir jetzt /3 und ß' sich resp. den Grenzen a und o^'
nähern, so folgt, da N{x) stetig ist, daß
N(a) = i^(a'),
und da a und «' irgend zwei Werte zwischen x^ und x^ waren, so
bedeutet dies, daß ^(x) zunächst im Innern von [^r^iCg] konstant ist,
was sich dann wegen der Stetigkeit von N(x) sofort auf die End-
punkte Xj^ und X2 ausdehnt.^)
Funktion rj' ; die sie darstellende Kurve fällt von x^ bis a, von ß bis a und von
ß' bis x^ mit der ic- Achse zusammen; zvsrischen oc und ß liegt sie oberhalb,
zwischen «'und /?' unterhalb der ic- Achse, und man hat nun nur dafür zu sorgen,
daß die Flächen cc y ß a und k y' ß' a dem absoluten Wert nach gleich sind ;
denn dann ist
und die Funktion
A "' ^
\:7
hat die verlangten Eigenschaften. Am "~
einfachsten ist es mit HiLBERT : ß' — a
= ß — cc zu nehmen ; man kann -p^ 3
dann z. B. für die rj'- Kurve zwischen
cc und ß einen Halbkreis über dem
Segment ccß und zwischen a und ß' einen solchen unter dem Segment cc' ß'
wählen.
1) Vgl. A V 6.
^) Hilbert's Beweis läßt sich leicht auf den Fall ausdehnen, wo die Funktion
N in [^i^Cg] endlich, aber nur „im allgemeinen stetig"^ ist, d. h. eine endliche
Anzahl von Unstetigkeiten besitzt. Auch in diesem Fall ist N integrabel in
[x^ £Cg] (A V 2). Sind nun a und a Stetigkeitspunkte von iV, so können wir
stets ß und ß' so nahe an a, beziehungsweise cc wählen, daß N in [aß] und
[cc' ß'] stetig ist.
Es folgt dann wie oben , daß N{a) = N{cc') , d. h. auch unter den gegen-
wärtigen Voraussetzungen hat N den nämlichen konstanten Wert in allen Stetigkeits-
punkten. Hieraus folgt dann noch weiter, daß in einem Unstetigkeitspunkt c
die Grenzwerte N{c — 0) und N{c -|- 0) existieren und gleich sind, nämlich gleich
dem konstanten Wert in den Stetigkeitspunkten, vgl. Whittemore, loc. cit.
30 Erstes Kapitel. Die erste Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
d) Anwendung des Du Bois-Reymond'schen Lemmas:
Wir wenden jetzt das Du Bois-Reymond'sche Lemma auf die
Gleichung (31) an, was gestattet ist, da die Funktion
X
Jx
nach unsern Annahmen über die Kurve ß und die Punktion f (siehe
§ 3, a) und § 4, Anfang) stetig i) ist in [x^x^].
Wir schließen daher, daß
X
x^
sein muß, wo l eine Konstante bedeutet; hieraus folgt
X
t'y = >^+j'f,dx. (34)
Die rechte Seite dieser Gleichung ist differentiierbar^) und ihre Ab-
leitung ist fy'^ also muß auch die linke Seite, d. h. die Funktion
fy'{Xyyioc)yy\x))=f^,\x]
differentiierbar sein, und überdies ist
l-Jy-fr (35)
Hiermit erst ist der erste Fundamen talsatz vollständig bewiesen
nämlich, daß jede FunJdion y der Klasse G\ welche das Integral J m
einem Extremum macJit, und welche durch eine ganz im Innern von
61 gelegene Kurve dargestellt wird, der Eule r' sehen Differentialgleichung
geniigen muß — einerlei ob sie eine zweite Ableitung besitzt oder
nicht. 8) —
HiLBERT*) hat hieran die wichtige Bemerkung geknüpft, daß
aus der Differentiierbarkeit von f^, die Existenz der zweiten Ableitung y"
^) Nach A III 4 und A V 4. *) Nach A V 4.
') Hahn ist neuerdings in dieser Richtung noch einen Schritt weiter ge-
gangen und hat bewiesen, daß jede rektifizierbare Kurve, welche in jedem Punkt
eine bestimmte Tangente besitzt, der EuLEK'schen Diflerentialgleichung genügen
muß, wenn sie ein Minimum für das Integral J liefert (Mathematische
Annalen, Bd. 63 (1906), p. 254). Dabei muß allerdings zunächst die Definition
des bestimmten Integrals erweitert werden, vgl. Kap. IX. Über sogenannte dis-
kontinuierliche Lösungen, siehe Kap. VIII.
*) Vgl. WniTTEMORE, loc. cit.
f § 6. Bemerkungen zur Integration der Euler'schen Differentialgleichung. 31
folgt für alle Werte von x, für welche
ryy{oc,y{x),y(xf)^0. (36)
Denn setzen wir
k y(^ + ^0 - «/ W - ^ ; y\x-^h)~ y(x) = l ,
so ist in der obigen Bezeichnung
fy>[x-{-h] — fy,[x] _ fy,(x-\-h, y-{-Jc, y'-\-'l) — fy'{x,y,y)
h ~ h
Da f^, als Funktion von x, y, y von der Klasse C ist in der Um-
gebung der Stelle x^ y{x), y{x), so kann man auf den Zähler den
Satz vom vollständigen Differential^) anwenden, und erhält, da über-
dies y und y' stetig sind, also h und l mit h ud endlich klein werden:
fy'[x-^h]—fy,{x'\ _j_ \ ^^'fr 1 /^^ I ^ r/- _l . ^
wo a, ß, y mit h unendlich klein werden. Löst man jetzt nach ^
auf und geht zur Grenze A = 0 über, so folgt aus der Differentiierbar-
keit von fy,\x\ und der Gleichung (35), daß
L {, d. h. y"
existiert, wenn die Bedingung (36) erfüllt ist, und daß alsdann
y. ^^-fy'oc-y'fy',^ (37)
'y'y'
Hieraus folgt weiter, daß ij" stetig ist in allen Punkten von [^ii^2];
in welchen (36) erfüllt ist, und hieraus endlich, daß auch y" in
denselben Punkten existiert und stetig ist, wie man aus der Be-
trachtung der rechten Seite von (37) unmittelbar ersieht.
§ 6. Bemerkungen zur Integratioii der Euler'schen Differential-
gleichung.
Wir stellen in diesem Paragraphen verschiedene für die Folge
^ wichtige Bemerkungen über die Integration der Euler'schen Diffe-
rentialgleichung zusammen.
a) Die Extremalen:
Die Eule rasche Differentialgleichung (I) ist im allgemeinen von
der zweiten Ordnung wie die entwickelte Form (28) zeigt. Daher
1) Vgl. A IV 6.
32 Erstes Kapitel. Die erste Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
enthält ihr allgemeines Integral zwei willkürliche Konstanten cc, ß]
wir bezeichnen dasselbe mit
y = g(ix, a,ß). " (38)
Die beiden Konstanten a, ß sind im Fall fester Endpunkte aus der
Bedingung zu bestimmen^), daß die gesuchte Kurve durch die beiden
gegebenen Punkte P-^ix^, y^) und F^X^^yy^) hindurchgehen soll. Es
muß also sein
Vi -9 {^v (=^,ß)y y2=9 {^2, «; ß) • (39)
Jede Lösung der Euler'schen Differentialgleichung (Kurve sowohl als
Funktion) wird nach Kneser eine Extremale genannt; es gibt also
eine doppelt unendliche Schar von Extremalen in der Ebene.
In dem speziellen Fall, wo die Funktion f die Variable y nicht
enthält, erhält man sofort ein erstes Integral der Differentialgleichung (I),
nämlich
fy, = konst. (40)
Aber auch, wenn f die Variable x nicht explizite enthalt, läßt sich ein
erstes Integral angeben^). Denn dann ist wegen f^ = 0:
und daher genügt jede Lösung von (I) auch der Gleichung
/•-yY^, = konst; (41)
und umgekehrt genügt jede Lösung von (41) — mit Ausnahme
von: 2/ = konst. — auch der Differentialgleichung (I).
Beispiel VI: f= G{y'), eine Funktion von y' allein.
Hier erhält man nach (40)
G'{y') = konst. ,
daraus
2/' = a
y = ax^§. (42)
^) Es kann vorkommen, daß diese Bestimmung unmöglich ist — man be-
achte, daß a und § reell sein müssen — ; in diesem Fall existiert keine Lösung
der Aufgabe, welche von der Klasse C ist und im Innern von 01 liegt, vgl. z. B.
die Rotationsfläche kleinsten Flächeninhalts (§ 13, c).
-) Schon von Euleu bemerkt {Methodus inveniendi etc., Kap. 11, § 30). Die
Existenz des ersten Integrals hängt damit zusammen, daß das Integral J hier bei der
kontinuierlichen Gruppe : | = a; -}- « invariant bleibt, vgl. Guldbekg, Über Maxima
und Minima der Integrale, die eine kontinuierliche Gruppe gestatten, Viden-
skabsselskabets Skrifter 1902. Christiania.
§ 6. Bemerkungen zur Integration der Euler'schen Differentialgleichung. 33
Die Extremdien sind also die Geraden der Ebene. Die Bestimmung der Kon-
stanten ist eindeutig.
Ein spezieller Fall hiervon ist die Aufgabe der kürzesten Kurve zwischen
zwei gegebenen Punkten, wo
Beispiel
VIV): f =
y
Bereich
Hier muß
y auf den
01:
beschränkt werden.
2/>0
(oder y < 0)
Nach (41)
erhält man
i ein erstes Integral
1
1
2/ T/1 +7^
?
und daraus das
allgemeine
Integral
y=V§'-{oc-aY'. (43)
Die Extremalen sind also Halbkreise, die ihre Mittelpunkte auf der x- Achse haben .
Die Konstantenbestimmung ist eindeutig, wie geometrisch ersichtlich.
Beispiel I: (Siehe p. 1).
f=yVi1-y^. y^o.
Nach (41) erhält man ein erstes Integral
Für a ^ 0 , erhält man das allgemeine Integral ^)
2/ = aCh?-^. (44)
Ci
Die Extremalen sind also Kettenlinien mit der x- Achse als Direktrix. Wegen
der Bestimmung der Konstanten verweisen wir auf § 13, c).
Für a = 0 erhält man: i/ = 0; dies ist zwar eine Lösung von (41), aber
nicht von (I)').
^) Vgl. Osgood, loc. cit. p. 109. Das Beispiel erscheint zuerst bei L'Hospital
(Acta Eruditorum, 1697, p. 217) als Brachistochrone für ein Fallgesetz, bei
welchem die Geschwindigkeit der Höhe proportional ist.
^) Ich bediene mich für die hyperbolischen Funktionen der bequemen Be-
zeichnungsweise von Laisant, Essai sur les fonctions hyperboliqiies.
^) Hierzu die Übungsaufgaben Nr. 2 — 12, Nr. 18, 19, und Nr. 35 — 40 am
Ende von Kap. HI.
Bolza, Variationsrechnung. 3
34 Erstes Kapitel. Die erste Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
Beispiel Vlll: f=Yy^ Vi — 2/'*'-
Hier ist zu beachten, daß unsere allgemeinen Voraussetzungen über die
Funktion f{x, y, y) nicht erfüllt sind, da neben der Gebietsbeschränkung
2/>0
auch eine Gefällbeschränkung vorliegt, nämlich
-1<2/'<1.
Trotzdem bleiben unsere Schlüsse von §§ 4 und 5 gültig. Denn erfüllt die
Kurve ß die beiden angegebenen Bedingungen, so können wir jf ] so klein
■wählen, daß auch die Kurve (S dieselben beiden Bedingungen erfüllt; es wird
also durch die Gefällbeschränkung keine weitere Beschränkung der Funktion rj
eingeführt^).
Aus der Ungleichung für y' folgt durch Integration nach x von x^ bis zu
einem beliebigen größeren Wert von x'.
Ziehen wir also vom Punkt P^ zwei Halbstrahlen vom Gefälle -|- 1 ^^^
— 1 , so müssen alle zulässigen Kurven in dem Winkelraum zwischen diesen
beiden Halbstrahlen und zugleich in der oberen Halbebene enthalten sein.
Für das allgemeine Inte-
gral der Euler'schen Diffe-
rentialgleichung erhält man
leicht
wobei stets /5 > 0. Die Extre-
mdien sind also Parabeln, deren
Brennpunkte auf der x- Achse
liegen und deren Achsen der
negativen y - Achse parallel
sind.
Durch irgend zwei Punkte
Pj, Pj der oberen Halbebene,
welche die Bedingung
Fig. 4.
^) Ganz anders verhält es sich, wenn wir auch die Werte + 1 für y' zu-
lassen. Denn wenn entlang einem Segment der Kurve (£ : t/' = 1 ist, so können
wir dieses Segment überhaupt nicht variieren, ohne die Ungleichung für y' zu
verletzen. Es bleibt also die Möglichkeit, daß es außer den Extremalen noch
Lösungen gibt, welche geradlinige Segmente vom Gefälle + 1 enthalten. In der
Tat liefert eine gebrochene Linie, welche aus zwei solchen Segmenten besteht
(Pj P3 Pj oder P^ P4 1\ in Fig. 4) für das Integral J den Wert Null, und daher
sicher ein absolutes Minimum, wofern wir Kurven mit Ecken zulassen.
§ 6. Bemerkungen zur Integration der Euler'schen Differentialgleichung. 35
erfüllen, geht eine und nur eine dieser Parabeln^).
b) Ausartungen 2) der Euler'schen Differentialgleicliung:
Wir betracMen weiter den speziellen Fall, wo die Ordnung der
Euler'schen Differentialgleichung sich erniedrigt. Dies tritt dann
und nur dann ein, wenn
fyy\x,y,y')^^ (46)
für alle Xy y, y. In diesem Fall reduziert sich die Euler'sche
Differentialgleichung entweder auf eine endliche Gleichung, oder auf
die Identität 0 = 0, aber niemals auf eine Differentialgleichung erster
Ordnung ^).
Denn wenn fy,y. identisch verschwindet, so folgt durch zweimalige
Integration der Gleichung (46) nach y, daß /' selbst eine ganze lineare
Funktion von y' sein muß, also von der Form
f:=M(x,y)^N{x,y)y.
Setzt man dies aber in (I) ein, so kommt
M,^-N^ = Q. (47)
Hier sind nun zwei Fälle zu unterscheiden:
Entweder die Gleichung (47) ist keine Identität; dann stellt sie
eine endliche Gleichung zwischen x und y dar. Wir erhalten also
nur eine einzige Kurve als mögliche Lösung, und es wird dann im
allgemeinen nicht möglich sein, die weitere Bedingung zu erfüllen,
daß die Kurve durch die beiden gegebenen Punkte Pj und Pg geht.
Beispiel:
f=x'^y^-]ryy'-
Die Differentialgleichung (I) reduziert sich hier auf die endliche Gleichung:
y -= 0. Die Aufgabe ist also nur lösbar, wenn die beiden gegebenen Punkte
auf der a;- Achse liegen.
^) Dies folgt unmittelbar aus einem allgemeinen Satz von E. H. Moore
(siehe § 26, b)), läßt sich aber auch leicht direkt beweisen.
*) Schon von Euler behandelt, Methodus inveniendi etc., Kap. II, § 32.
^) Auch in dem allgemeineren Fall, wenn f höhere Ableitungen von y ent-
hält, kann die Euler'sche Differentialgleichung sich nie auf eine Differential-
gleichung ungerader Ordnung reduzieren, vgl. Frobbnius, Journal für Mathe-
matik, Bd. LXXXV (1878), p. 206, und Hirsch, Mathematische Annalen,
Bd. XLIX (1897), p. 49.
3*
36 Erstes Kapitel. Die erste Variation bei der einfachsten Klasse von Ä.ufgaben.
Oder die Gleichung (47) ist eine Identität, gültig für alle Werte
von X und y:
M,^N^. (48)
Dies ist aber die bekannte Integrabilitätsbedingung ^) für den Differential-
ausdruck
Mdx + Ndy,
d. b. sind die Funktionen M und N nebst den partiellen Ableitungen
My und N^ stetig und genügen der Identität (48) in einem einfach
zusammenhängenden^) Bereich qT der x, 2/ -Ebene, so existiert eine
Funktion V{Xj y), welche eindeutig und von der Klasse C ist in q^
und für welche
r^^M, r^^N; (49)
daher ist
f{x,y, y) = F, + V^y ^±.V{x,y). (50)
Ist daher ^ :y = y{x) irgend eine Kurve der Klasse C\ welche die
beiden Punkte P^ix^j 2/1) ^^^ ^2 (-^2; 2/2) verbindet, und welche ganz
in oT liegt, so hat das Integral Jg den Wert
^e ^ /Ä ^^^' y^ ^^ ^ ^(^2.2/2) - y{^v Vi) 1 (51)
Xi
sein Wert ist also unabhängig vom Integrationsweg und hängt nur
von der Lage der Endpunkte ab^).
Es ist klar, daß in diesem Falle ein „eigentliches" Extremum des
Integrals nicht stattfinden kann.
1) Vgl. Encyclopädie, II A, p. 112—114; Picard, Traue d' Analyse, (2"»« ed.)
Bd. I, p. 93; GouRSAT, Cours d' Analyse, Bd. I, p. 358. Der Beweis beruht
auf der Betrachtung des Integrals
. . {x,y)
Cmdx + Ndy.
(^1 , Vi)
*) Darunter soll das Innere einer stetigen geschlossenen Kurve ohne viel-
fache Punkte, zusammen mit dieser Kurve selbst, verstanden werden (einer so-
genannten „Jordanischen Kurve"); vgl. A VI 2.
■') Wegen der Stetigkeit der Funktion V(x, y) bleibt der Satz auch richtig
für stetige Kurven, welche sich aus einer endlichen Anzahl von Bogen der Klasse
C zusammensetzen (Kurven der Klasse D' in der Terminologie von § 10, c),
wovon man sich leicht durch Zerlegung des Integrals Jg überzeugt.
§ 6. Bemerkungen zur Integration der Euler'schen Differentialgleichung. 37
Beispiel:
Hier ist:
also
fy = 6x'y-{-2x'y\ fy, = 2x'y,
^fy,^ex^y + 2x'y^fy.
Umgekehrt: Wenn dasIntegralJ^ denseTbenWert hat für alle zulässigen
Kurven ^, welche durch P^ und Pg geHen, und welche im Innern
eines einfach zusammenhängenden Bereiches oT liegen, (der in dem in
§ 3, a) eingeführten Bereich 61 enthalten ist), dann muß die Etiler^ sehe
Differentialgleichung identisch erfüllt sein
f _ Af^ = o
'y dx'y
Denn sei (^o? ?/o) ii*geiid ein innerer Punkt von ol, dessen Abszisse x^
zwischen x^ und x^ liegt und seien i/o ^^^ Vo ^iwei willkürlich vor-
geschriebene endliche Werte. Dann können wir stets im Innern von
of eine zulässige Kurve ^: y = y{x) von der Klasse C" konstruieren,
welche durch die Punkte {x^y y^y {x<^y y^) und (x^^ y^) hindurchgeht und
für welche yicc^) = y^, y'\x^ = y^ ist. Variieren wir diese Kurve (S,
so muß nach unserer Annahme Ae7= 0 sein für jede zulässige Vari-
ation, insbesondere also für Variationen der speziellen Form (19), also
unter Benutzung der Bezeichnung von § 4, c)
für aUe hinreichend kleinen | £ | .
Also muß sein: J\^) ^ 0, insbesondere ?7'(0) == 0, woraus nach
§§ 4 und 5 folgt, daß y{x) der Euler'schen Differentialgleichung ge-
nügen muß. Die linke Seite derselben muß also für das willkürliche
Wertsystem x = x^^, V = Uay 2/' = 2/o? V' ^ Vo) ^^^o identisch ver-
schwinden^).
c) Das inverse Problem der Variationsrechnung:^)
Wir betrachten schließlich noch kurz das folgende inverse Problem:
Es sei gegeben eine doppelt unendliche Schar von Kurven (FunUionen)
y = g{x, a, ß).
^) Wegen der Verallgemeinerung des Satzes vgl. Übungsaufgabe Nr. 46
am Ende von Kap. III.
^) Hierzu die Übungsaufgaben Nr. 15 — 16 am Ende von Kap. III.
38 Erstes Kapitel. Die erste Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
Es soll eine FimUion f{x, y, y) bestimmt werden, derart, daß das
gegebene System von Kurven das System der Extremalen für das Integral
J=-ff(x,y,y)dx
Xi
bildet.
Darboux^) hat gezeigt, daß dies Problem stets unendlich viele
Lösungen besitzt, welche durch Quadraturen erhalten werden können.
Denn wenn
y'=G(x,y,y) (52)
die durch Elimination 2) von a, ß zwischen den drei Gleichungen
y = g(x, a, ß), y = g^x, a, ß), y" = g^^{x, a, ß)
zu erhaltende Differentialgleichung zweiter Ordnung ist, deren all-
gemeine Lösung die gegebene Funktion: y=^g{x,a,ß) ist (mit «, ß
als Integrationskonstauten), so handelt es sich darum, die Funktion
f{^} V} y') so zu bestimmen, daß (52) mit der aus f abgeleiteten
Euler^schen Differentialgleichung identisch wird, also nach (37) so, daß
,.. „ , fy-fy.-y'fyy-Gfyy. (53)
lur alle x, y, y .
Differentiiert man jetzt (53) nach /, so erhält man für die
Funktion M = fy,y, eine lineare partielle Differentialgleichung erster
Ordnung, nämlich
lJ + yTy+ ^W + ^v^i-0- (54)
Bezeichnen
cc = (p(x,y,y), ß = t(x,y,y)
die Lösung der beiden Gleichungen
y = g(x,a,ß), y=g^{x,a,ß)
nach a und ß , und setzt man ferner
SO findet man nach der allgemeinen Theorie^) der linearen partiellen
Differentialgleichungen erster Ordnung für das allgemeine Integral von
(54) den Ausdruck
^) Theorie des surfaces, Bd. III, Nr. 604, G05.
*) Vgl. z. B. Jordan, Cours d' Analyse, I, Nr. 166.
^) Vgl. z. B. JoKDAN, Cours d^ Analyse, III, Nr, 242.
. § 6. Bemerkungen zur Integration der Euler'schen Differentialgleichung. 39
e{x, (fix, y, y'), ^{x, y, y'))
wo 0 eine willkürliche Funktion von cp und t/; bedeutet.
Nachdem M gefunden ist, erhält man f durch zwei sukzessive
Quadraturen aus der Gleichung
^,, = M{x,y,y'),
wobei zwei, noch von x und y abhängige Integrationskonstanten A, ^
eingeführt werden. Schließlich müssen die letzteren noch so bestimmt
werden, daß f der ursprünglichen partiellen Differentialgleichung (53)
genügt, aus welcher (54) durch Differentiation abgeleitet war.
Wir können das erhaltene Resultat auch dahin aussprechen, daß
jede Differentialgleichung zweiter Ordnung (auf unendlich viele Arten)
als Euler'sche Differentialgleichung eines ProUems der Variationsrechnung
von dem einfachsten hier betrachteten Typus aufgefaßt werden Icann^)
Beispiel^): Alle Funktionen /zu bestimmen, für welche die Extremalen
gerade Linien sind:
y=ccx + ß .
Die Differentialgleichung (52) wird in diesem Fall
y" = 0 .
Wir erhalten daher
G = 0 , cp = y', ip^y — xy
und daraus
M=^{y\ y — xy)
und weiterhin
K
f=J{y—t) ^{t, y — xt)dt + yl{x, y) + ^(a;, y) .
0
Die Bedingung für l und ft wird in diesem Fall
dX c IL
dx~ dy '
der allgemeinste Ausdruck für X und ^ ist daher
. cv dv
cy "* dx^
wo V eine willkürliche Funktion von x und y ist.')
^) Dies findet nicht mehr statt bei der entsprechenden Aufgabe für den
allgemeineren Typus, wo f höhere Ableitungen enthält; vgl. darüber Hirsch,
Mathematische Annalen, Bd. XLIX (1897), p. 49 und Kasner, Bulletin of
the Am. Math. Soc, Bd. XlII (1907), p. 289.
*) Vgl. Darboux, loc. cit. Nr. 606.
') Die analoge Aufgabe für den Fall, wo die Extremalen Kreise sind, deren
Mittelpunkte auf der a?- Achse liegen, hat Stromquist gelöst (Transactions of
the American Mathematical Society, Bd. 7 (1906), p. 175).
40 Erstes Kapitel. Die erste Variation tei der elDfachsten Klasse vou Aufgaben.
§ 7. Der Fall beweglicher Endpunkte.
Wir haben bei unseren bisherigen Entwicklungen stets die beiden
Endpunkte der zulässigen Kurven als fest angenommen. Wir wollen
in diesem Paragraphen nun auch den Fall betrachten, in welchem
einer der beiden Endpunkte auf einer gegeben en Kurve beweglich^) ist,
a) Der Endpunkt Pj ist auf der Geraden x = x^ beweglich:
Wir betrachten zunächst den speziellen Fall, wo der Punkt P^
auf der gegebenen Geraden
X = x^ (55)
beweglich ist, während der Punkt Pg fest ist. Die Gesamtheit der
zulässigen Kurven besteht jetzt also aus allen Kurven, welche von
der gegebenen Geraden (55) nach dem gegebenen Punkt Pg gezogen
werden können, und welche im übrigen den in § 3, a) unter 2) bis
4) aufgezählten Bedingungen genügen.
Wir nehmen wieder an, wir hätten eine Kurve © gefunden, welche
in bezug auf diese Gesamtheit von zulässigen Kurven ein Minimum
für das Integral J liefert; ihre Gleichung sei:
ß: y = y{^), x^'Zx^x^.
Dann muß
sein für alle zulässigen Kurven, welche in einer gewissen Nachbar-
schaft der Kurve ß liegen, also insbesondere auch für alle diejenigen
darunter, welche mit der Kurve ^ den Anfangspunkt P^ gemeinsam
haben. Das heißt aber: die Kurve S muß auch noch ein Minimum
liefern, wenn der Endpunkt P^ als fest betrachtet wird, und daraus
folgt nach der früheren Theorie, daß die Funktion y{x) der Euler'schen
Differentialgleichung
f - 4 t\ = 0
ly dx'y
genügen muß, daß somit auch im Falle variabler Endpunkte die
Kurve (£ eine Extremale sein muß. Wir setzen in der weiteren Dis-
kussion voraus, daß diese Bedingung erfüllt ist.
1) Das älteste Beispiel dieser Art rührt von Jacob Bernoüixi her (1697);
es ist die Aufgabe der Brachistochrone , wenn der zweite Endpunkt auf einer
vertikalen Geraden beweglich ist. Allgemein sind Aufgaben mit variabeln End-
punkten zuerst von Lagrange behandelt worden (1760), vgl. (Euvres, Bd. I,
p. 338, 345.
§ 7. Der Fall beweglicher Endpunkte.
41
Um nun weitere Bedingungen zu erhalten^ betrachten wir jetzt
in zweiter Linie eine Variation der Form
©
y=^y{x) + sri{x)~y{x),
, bei welcher der Endpunkt Pj variiert wird. Die Funktion iq ist dabei
eine willkürliche Funktion der Klasse C , für welche
Für diese Variation gelten die Schlüsse von § 4, wonach
sein muß. Wendet man jetzt die
partielle Integration^) von § 5, a)
an^ so verschwindet in der
Gleichung (25) das Integral^ weil
die Kurve © eine Extremale ist,
und es bleibt nur
daraus folgt aber, da 7]{Xj)=^0:
Im Funkt Pj muß die Bedingung
Fig. 5.
(56)
fy'i^U VU vi) = 0
erfüllt sein.
Diese Bedingung, zusammen mit der Bedingung, daß der Punkt P^
auf der Geraden x == x^ liegen soll, und daß die Kurve (S durch den
Punkt Pg gehen soll, bestimmt im allgemeinen die beiden Integrations-
konstanten in dem allgemeinen Integral der Euler'schen Differential-
gleichung und die unbekannte Ordinate ^j des Punktes P^.
Beispiel I (siehe pp. 1, 33):
Hier ist: f\y
yy
Da stets y'>0, so folgt
^( = 0,
d. h. die Kettenlinie muß im Punkt P^ senkrecht auf der Geraden x=^ x.^ stehen.
^) Dieselbe ist statthaft, da wir annahmen, daß (£ eine Extremale und zwar
von der Klasse C ist. Darin ist enthalten, daß -z—f,, existiert und stetig ist.
dx y
42 Erstes Kapitel. Die erste Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
b) Der Endpunkt P, ist auf einer beliebigen Kurve beweglich:
Wir wenden uns jetzt zu dem allgemeinen Fall, wo der Punkt P^
auf einer beliebigen im Bereich Öl gelegenen Kurve:
(l:
y = y(x)
der Klasse C beweglich ist, während der Punkt P^ fest ist.
Dazu müssen wir unsere frühere, in § 3, b) gegebene Definition
des (relativen) Minimums etwas verallgemeinern. In den bisher be-
handelten Fällen lagen nämlich alle zulässigen Kurven in dem Streifen
der Ebene zwischen den beiden festen Geraden x = x^, x = x^. Dies
ist jetzt, wo die untere Grenze unseres Integrals nicht gegeben ist,
nicht mehr der Fall. Wir werden daher jetzt sagen, eine Kurve S
liefere ein (relatives) Minimum für das Integral J, wenn
für jede zulässige Kurve ©, welche in einer gewissen Umgehung äl der
Kurve S gelegen ist. Dabei soll unter einer „Umgebung äl der
Kurve S" jeder Bereich ver-
standen werden, welcher die
Kurve S in seinem Innern ent-
hält, so daß also jeder Punkt
von © ein „innerer Punkt" von
ai ist.i)
Dann schließen wir zunächst
wieder, ganz wie unter a), daß
die gesuchte Kurve
^' y = y(^), x^^x^x^,
eine Extremale sein muß.
Alsdann konstruieren wir
folgendermaßen eine zulässige
Variation, welche den Endpunkt P^ variiert. Es sei P\ derjenige
Punkt der Kurve S, dessen Abszisse
Fig. ß.
^) Vgl. A I 7. Mit Hilfe des in § 21, a) bewiesenen Lemmas läßt sich leicht
zeigen, daß für die Probleme mit festen Grenzen x^, x^, die jetzige Definition mit
der früheren äquivalent ist, sowie daß wir bei der vorliegenden Aufgabe ohne Ein-
schränkung der Allgemeinheit für il, z. B. den Bereich wählen können, der da-
durch entsteht, daß man der Nachbarschaft {q) der Kurve (£ noch einen Halb-
kreis mit dem Mittelpunkt P^ und dem Radius q hinzufügt (siehe Fig. 6).
§ 7. Der Fall beweglicher Endpunkte. 43
CC-t = OC-^ ~j~ £
ist. Dann wählen wir willkürlich eine Funktion t] (x) von der Klasse C,
welche den Bedingungen
genügt, und betrachten die Schar von Kurven
welche sämtlich durch den Punkt P^ gehen. Eine Kurve dieser
Schar wird dann durch den Punkt P^ gehen, nämlich diejenige, für
welche der Parameter k aus der Gleichung
2/(^1 + 0 + f^vi^i ■+-£) = yi^i + £)
bestimmt wird, woraus sich
ergibt. Dann stellt die Kurve
S: y = y(x)-^]i{E)^]{x), x^^x'^x^
für jeden hinreichend kleinen Wert von | s \ eine zulässige Variation
von ^ dar. Da
so ist Ä;(0) = 0; die Kurve S reduziert sich also für £ = 0 auf die
Kurve ®. Ferner merken wir noch an, daß
wenn wir zur Abkürzung schreiben
y'i == y (^i) ; ^1 = V (^i) ; 'ni = ^] K) •
Wir bilden jetzt das Integral J^. Dasselbe ist eine eindeutige
Funktion von £, die wir mit J{£) bezeichnen, so daß
J{£) =Jf(x, y + Ä(£)7/, y + 'k{8)ri)dx,
wobei wir besonders hervorheben, daß jetzt die untere Grenze des
Integrals von s abhängt.
44 Erstes Kapitel. Die erste Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
Die Funktion J(s), die sich für £ = 0 anf J^ reduziert, muß nun
wieder für s = 0 ein Minimum besitzen ; also muß
J'[0) = 0
sein. Nach den Regehi für die Differentiation eines bestimmten In-
tegrals nach einem Parameter erhält man aber^):
Wendet man nun auf das zweite Glied unter dem Integral die
Lag rang ersehe partielle Integration an, und beachtet, daß die Kurve S
eine Extremale ist, so erhält man unter Benutzung von (57)
-^'(0) = - \i\x„ y„ y\) + {y\ - y[)f,,{x„ y„ y\)], (58)
und somit das Resultat:
Im Fimld P^ muß zwischen den Gefällen der beiden Kurven ^
und ^ die Relation stattfnden
fi^i, yu yd + 07i - y[)f:Axi, yi, y\) = o. (59)
Wenn diese Bedingung erfüllt ist, so sagt man, die Kurve d
schneide die Extremale S im Punkte P^ transversal^)
Die Gleichung (59), zusammen mit den beiden Gleichungen:
^(^2, «, ß) = 1/2, g{x^, «, ß) = ii(x^),
bestimmt im allgemeinen die Abszisse x^ des Punktes P^ und die beiden
Integrationskonstanten a, ß der allgemeinen Lösung der Euler'schen
Differentialgleichung.
Beispiel I (siehe pp. 1, 33, 41):
Hier lautet die Transversalitätsbedingung ''
1/(1 -f-yy)
welche besagt, daß die Kettenlinie
*) Dabei ist stillschweigend vorausgesetzt, daß die Funktion f(x, y, 'if)
nicht von x^, 2/1 abhängt; vgl. p. 50 und § 34, c).
*) Im Gebrauch des Wortes „transversal'' folge ich Osgood, Sufficient con-
ditions etc., p. 112. Kneser, von dem der Ausdruck herrührt, sagt umgekehrt,
ß werde von ß transversal geschnitten.
§ 8. Der allgemeine d-Prozeß. 45
x — ß
= aCh
cc
die gegebene Kurve ^ im Punkt P^ orthogonal schneiden muß; wir erhalten
also dieselbe Bedingung wie im speziellen Fall a). ^) Dasselbe Resultat gilt
allgemein*) für
Wir bemerken noch für späteren Gebrauch^ daß sich aus (58)
der folgende Ausdruck für die totale Variation ergibt:
AJ"= - 6[f(x„ y„ y[) + {y[ - y[)fy,(x,, y^, y^)] + s{b) . (60)
Wenn statt des Punktes P^ der Punkt Pg auf einer gegebenen
Kurve S beweglich, dagegen P^ fest ist, so führt eine ganz analoge
Betrachtung zu der entsprechenden Bedingung
fi^2> 2/2; vd + Ö2 - y%)fyi^2, 2/2; 2/2) = ö> (ö^a)
und dem Ausdruck
Ajr= sif{x^, 2/2; 2/2) + Ä - y2)fy\^2> y^i 2/2)] + «W- (ööa)
Sind beide Endpunkte beweglich, P^ auf einer Kurve S^, Pg auf
einer Kurve Sg, so muß die gesuchte Kurve eine Extremale sein, und
es müssen gleichzeitig die beiden Transversalitätsbedingungen (59)
und (59 a) erfüllt sein.
§ 8. Der allgemeine d- Prozeß.^)
Wir knüpfen an die Entwicklungen des letzten Paragraphen eine
Besprechung des allgemeinen d-Prozesses, der eine so hervorragende
Rolle in der älteren Variationsrechnung gespielt hat.*) In § 4 haben
wir eine vorläufige Definition desselben gegeben für spezielle Varia-
tionen der Form
A^ = £7}
^) Die Bedingung (56) kann als Grenzfall von (59) aufgefaßt werden, für
^^ = 00 ; Vgl. übrigens die Behandlung des Problems in Parameterdarstellung,
§§ 34, 35.
^) Ygl. dazu Übungsaufgabe Nr. 17 am Ende von Kap. III.
^) Wir empfehlen dem Leser, diesen Paragraphen vorläufig zu überschlagen
und erst bei Bedarf darauf zurückzugreifen.
*) Bei Lagrange und bei allen älteren Autoren ist „calcul des variations''
geradezu identisch mit der Theorie des ^-Prozesses, und die Theorie der Ex-
trema bestimmter Integrale wird als Anwendung dieses Yariationskalküls aufgefaßt.
46 Erstes Kapitel. Die erste Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
und für den Fall fester Endpunkte. Wie jedoch schon die in § 7
gegebenen Entwicklungen zeigen, kommt man nicht immer mit
Variationen dieser einfachsten Art aus, und es wird häufig nötig,
Variationen von dem allgemeinen Typus
heranzuziehen. Es soll jetzt gezeigt werden, wie dabei der d-Prozeß
zu modifizieren ist.
a) Die erste Variation:
Es sei
ein Kurvenbogen, von dem wir voraussetzen, daß die Funktion y{x)
von der Klasse C ist in einem Intervall [X^Zg], das nach beiden
Seiten über [x^x^] hinausreicht, so daß X^<ix^j X^>x^.
Die Endpunkte des Bogens ^ seien P^ und Pg . Wir betrachten
jetzt eine Schar ^) von Bogen mit einem Parameter £, welcher den
Bogen S als Individuum enthält und zwar für £ = 0. Eine solche
Schar können wir auf unendlich viele Weisen konstruieren, indem
wir einfach setzen
y = y{x) + « {x, e) = y{x, t), x^^s) Zx^x,{b), (61)
wobei die Funktionen G)(x,e), x^{e), x^iß) den Anfangsbedingungen
genügen :
«(^, 0) = 0 {(62)
x^{0) = x,, x,(p) = x^. (63)
Über die Funtion (x}{x, e) machen wir noch die weitere Annahme,
daß sie selbst, sowie ihre partiellen Ableitungen w^, «,, 03^^ existieren
und stetig sind in dem Bereich
^) Der Gedanke, die zu variierende Kurve als Individuum einer einpara-
metrigen Kurvenschar aufzufassen, rührt von Euleu her, {Methodus nova et facilis
cdlculum variationum tractandi, NoviCommentarii Acad. Imp. Sc. Petropoli-
tanae, Bd. 16 (1772), auch Instit. Calc. Jntegr., Bd. 4, Suppl. XI), Derselbe ist von der
größten Wichtigkeit für die Variationsrechnung gewesen, da er den Lagrange'schen
„Yariationskalkül" auf einen DifiFerentiationsprozeß reduzierte und dadurch über-
haupt erst auf eine feste Grundlage stellte. Zugleich ist er aber auch von nach-
teiligem Einfluß gewesen, insofern er zu dem naheliegenden Irrtum führte, daß
man glaubte, auf diese Weise den allgemeinsten Ausdruck einer Variation
zu erhalten (vgl. § 15, a).
8. Der allgemeine ^-Prozeß.
47
wofern die positiven Größen h, x^ — X^, X^ — x^ hinreicliend klein
gewählt werden. Daraus folgt dann, daß auch o^^ in demselben Be-
reich existiert und gleich co^^ ist.^)
Von den beiden Funktionen x^{b), x^{e) setzen wir außer der
Gleichung (68) noch voraus , daß sie in dem Bereich \ s \^'k von
der Klasse C sein sollen.
Wir variieren nun den Bogen ^, indem wir ihn durch einen
Bogen © der Schar (61) ersetzen. Eine solche Variation, welche
alle soeben angeführten Be-
dingungen erfüllt, wollen wir eine
„Normal -Variation" nennen. ^)
Jetzt sei (p{Xyy,y) irgend
eine Funktion von x, y, y'
welche von der Klasse C ist
in einer gewissen Umgebung äl' ^»
der Kurve
^\ y = y{x), y=-y{x),
X-j^ <^ X <^ x^
Fig. 7.
im Raum der Variabein x, y, y. Wir substituieren darin y-^-a,
y + co' für y, y und bezeichnen^)
Alsdann definieren*) wir
^^=^(i-:L
(64)
1) Nach A IV 7.
*) Abweichend von Kneser, Lehrhuch, p. 91.
^) Akzente sollen Differentiation nach x auch dann bezeichnen, wenn neben
X andere Variable vorkommen, also hier: co' = « , a' = a usw.
*) Definition und Bezeichnung sind schwankend. Die hier gegebene De-
finition von dqp schließt sich an die von Jordan, Cours d' Analyse, III, Nr. 348
für Variationen der speziellen Form Br\ gegebene Definition an, Eüler und
^ach ihm Stegemann (Lehrbuch) und Erdmann (Schlömilch'sZeitschrift, Bd. XXVI
(1881) p. 76) definieren: Scp = l~\ ds. Dagegen definieren Ohm, Strauch und
MoiGNO: dcp = l-^j wofür Stegemann den Ausdruck „Variationsquotient" und
das Zeichen ö' gebraucht.
48 Erstes Kapitel. Die erste Variation bei der einfaclisten Klasse von Aufgaben.
Falls ^ Entwicklung nach Potenzen von s zuläßt:
so ist d(p identisch mit dem Glied erster Ordnung £(p^ in dieser
Entwicklung.
Wenden wir dies insbesondere auf die Funktionen cp = y und
(p = y' an so kommt
8y = sGyJx,0), dy=8cj^X^,0) (65)
woraus wegen 0^^ = 05,^ folgt:
rJv-s®- (66)
Die Operationen der Variation und Differentiation sind also ver-
tauschbar. Unter Benutzung von (65) wird jetzt
^^-%^y-^(Py'äy. (67)
Wir betrachten weiter das Integral
J=ff{^, Vy y) dx
unter der Voraussetzung^ daß die Funktion f{x, y, y') in einer ge-
wissen Umgebung der Kurve ß' von der Klasse C ist. Dieses Inte-
gral, genommen entlang einer Kurve (S der Schar (61) ist eine
Funktion von £, die wir wieder mit J{e) bezeichnen:
^(f) =Jf(^, yix) -f co{x,e), y\x) + Gi{x,E)) dx .
Dann definieren wir analog:
Nach den über die Funktionen y^ 09, x^, x^ und /* gemachten An-
nahmen dürfen wir bei der Differentiation von J^s) die gewöhnlichen
Regeln^) über die Differentiation eines bestimmten Integrals nach
einem Parameter anwenden, wobei insbesondere zu beachten ist, daß
jetzt auch die Grenzen von e abhängen. Definieren wir noch
so ergibt die Ausführung der Rechnung:
') Vgl. A V 7.
§ 8. Der allgemeine ^-Prozeß. 49
^2 2
oder, wenn man das bestimmte Integral in der üblichen Weise durcb
partielle Integration umformt (die Zulässigkeit der letzteren voraus-
gesetzt)
dJ=jdy (fy - -^'Jy)dx + f{x^, y„ y'^) öx^ + fy,{x^, y,, y'^) {ßy\
- f\^u Vi y yd ^^1 - /,' K; Viy Vi) (^y\ ; 0^)
dabei bedeutet (dy). den Wert von dy für x = x.^ also
{öy\ = 8CDX^,,0), (dy\ = ecoXx,,0). (71)
Dagegen bezeicbnen wir
Da
dyi_dy{Xi,s) _ r. ^dXi . .
de - de ~y ^^i' ^^ de + ^ ^^^^^ ^^'
SO ist
d(y,) = y[ dx, + (dy\ , d(y,) = y', dx, + (dy\ . (73)
Die Variationen ö(y^ pflegt man „gemischte'^) Variationen" zu
nennen, im Gegensatz zu den sogenannten „reinen Variationen" (ßy)^.
Führt man mittels der Relationen (73) in der Formel (70) die
gemischten Variationen statt der reinen ein, so erhält man schließlich:
x^
dj =j^y{fy - ^fy) dx + [f{x^, 1/2, 2/2) - y2fy'(p^2, y^, 2/2)] ^^2 +
+ fy'{^2, y^, 2/2) ^(2/2) - [fi^i, yi, y'i) - y'Jy{^iy yi, y\)] ^^1 -
-fy'{^iyyiyy'i)^(yi)'
(74)
^) Über reine und gemiscMe Variationen vgl. Kneser, Encyclopädie, II A p. 576,
■und Stegemann, Lehrluch, § 56 und wegen der verschiedenen dafür gebrauchten Be-
zeichnungen die Vorrede zu letzterem, p. VII. Noch anders bezeichnet Erdmann,
Schlömilch'sZeitschrift, Bd. XXII (1878), p. 363. Er schreibt [^i/J^ ^2/i für ^(?/,-),
{dy)i resp. In Fig. 7 ist annähernd: (ßy\ = F^L; 8{y^) = MP^.
Auf die „Variation der unabhängigen Variahein'', die bei den älteren
Autoren über Variationsrechnung eine große Rolle gespielt hat, gehen wir hier
nicht ein. Sie hat viel Unklarheit in die Variationsrechnung gebracht, und man
Bolza, Variationsrechnung. 4
50 Erstes Kapitel. Die erste Yariation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
Bei manchen Aufgaben^) hängt die Funktion f außer von x, y, y
auch noch von den Koordinaten der beiden Endpunkte ab. Es ist dann
AO = J/(^; Vi y--, ^17 ¥11 ^'2> ¥2) d^-
Daher muß man dem Ausdruck (70) oder (74) für dJ" jetzt noch das
Zusatzglied
hinzufügen, das sich unter Benutzung von (73) auch schreiben läßt^)
X^ Xj
Xj_ x^
Die bisherigen Definitionen und Resultate lassen sich unmittelbar
auf den allgemeineren Fall von Variationen übertragen, welche von
mehreren Parametern f^, e^, . . ., s^ abhängen, wobei man über die
Funktionen co{x, e^, e^, . . ., ej, x^{£^, e^, . . ., fj, x.2{e^, £3, • • v O ^i®
den obigen analogen Annahmen zu machen hat.
Für diesen Fall soll definiert werden:
kann vollständig ohne sie auskommen, um so mehr als der ihr zugrunde liegende
Gedanke in der Parameterdarstellung seinen Ausdruck findet. Eine rationelle
Begründung der Variation der unabhängigen Variabein findet man bei Jordan,
Cours d' Analyse, III, Nr. 351.
^) Dies tritt bei der Aufgabe der Brachistochrone ein, bei welcher das
Integral
Jz= I K--''^_ -—.^ 1c eine Konstante,
J Vy-Vt-h^'
zu einem Minimum zu machen ist. Vgl. § 34, c).
') Vgl. LiNDELÖF-MoiGNo, loc. cit. Ni. 63.
§ 8. Der allgemeine d-Prozeß. 51
Mit dieser allgemeineren Bedeutung des Symbols d bleibt dann
auch die Formel (74) gültig.
Die im vorangehenden entwickelten Begriffsbildungen lassen sich
ohne weiteres auf Variationsprobleme übertragen^ in welchen mehrere
unhelaannte Funktionen von x vorkommen. Für das Integral
*2
dx
erhält man so im Fall fester Grenzen x^, x^y wenn man die Kurve
^' yi = yl^), x^^x^x,^, i==l,2,...,n,
im Raum der Yariabeln Xy y^, . . .^ y.,^ durch die Kurve
S: yi==yi{oc) + 03,{x,s)y x^^x'^x.^, i^\,2y. ..,n,
ersetzt:
6J
wobei
<^y. = ^^'^""- (76)
Dabei ist vorausgesetzt, daß die Funktionen y^ix) im Intervall
[x^x^ von der Klasse G" sind, und daß die Funktionen C3^.(rr, s) die-
selben Eigenschaften besitzen, wie oben die Funktion caiXy a).
Wenn insbesondere die Kurve S eine „Extremale" ist, d. h. wenn
die Funktionen yiix) dem System von Differentialgleichungen
Ä-.4-Ä = 0' i=l,2,...,n, (77)
genügen, so reduziert sich der Ausdruck für die erste Variation auf
und daraus erhält man^) nach der Definition der Ableitung die
folgende Fundamentalformel für die Variation eines Extremalenbogens
bei festen Grenzen x^, x^:
^) Vgl. dazu Gleichung (21).
52 Erstes Kapitel. Die erste Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
b) Die höheren Variationen:
Wir schließen hieran eine kurze Besprechung der höheren
Variationen. Da es sich dabei wesentlich um formale Entwicklungen
handelt^ wollen wir der Einfachheit halber annehmen, daß alle auf-
tretenden Funktionen und Ableitungen in den in Betracht kommenden
Bereichen existieren und stetig sind, daß alle vorkommenden Reihen-
entwicklungen konvergieren, und daß überhaupt die gewöhnlichen
Regeln der formalen Differential- und Integralrechnung anwendbar sind.
Wir betrachten — etwas allgemeiner als bisher — eine Funktion
^ {^1 Vy Vi ■"■> y^^) von X, y und einigen Ableitungen von y. Wir
ersetzen darin y durch y{Xj b) und dementsprechend y^'-'^ durch y^^-^{x, e).
Die so entstehende Funktion von x und e
(p = (p{x, y, y, ..., y^^))^
entwickeln wir nach Potenzen von £-, es sei
9^ = 9P + 1! 9^1 + ^ 9^2 + • • •
Alsdann heißt ^) die Größe £"9?^ die n^^ Variation von (p und wird mit
ö"cp bezeichnet; also
Insbesondere ist demnach
\ CS /f=0
also
-iä^y. (81)
dx
Für die Variationen niedrigster Ordnung^) von 9? erhält man
nach den Regeln für die Differentiation zusammengesetzter Funktionen
H = %^y + %'^y + ••• + 9>,(.)^^^^ (82)
wofür wir auch in der üblichen Symbolik^) schreiben
^) Vgl. Fußnote *) auf p. 47.
^) Eine independente Darstellung für ö^cp findet sich für ^j = 2 bei Erdmann,
Schlömilch's Zeitschrift, Bd. XXVI (1881) p. 76.
•'*) Vgl. z. B. JoKDAN, Cours d' Analyse, I, Nr. 129 und 253.
§ 8. Der allgemeine d-Prozeß. 53
ferner
+ % S'y + q>,.Shj' + . • • + qp^M Shj^) \
In ganz analoger Weise wird 8^J definiert; wir entwickeln das
Integral :
X2
J{8)=ff{x, y, y)dx
nach Potenzen von e
Xi
J(£) = ^0 + ij J"i + 2! ^2 • • • ;
dann heißt e"" J^ die n^^ Variation des Integrals J und wird mit d"J
bezeichnet. Es ist also wieder
S-J^s-i^f^) ; (84)
daraus ergibt sich der explizite Ausdruck von d"J nach den gewöhn-
lichen Regeln für die Differentiation eines Integrals nach einem Para-
meter; z. B. findet man^), wenn man noch definiert
Xn
ö°'J^Jö^fdo;+\^£dx^ + 2/; dxdy+2f^ Sxäy' + fS^x'^ , (86)
wobei nach (83)
S'f = fyy Sf + 2 /•„. Sy 8y + f,.y. Sy' + /, 8^y + /;. s^y .
1) Zuerst von Ekdmann gegeben, Schlömilch's Zeitschrift, Bd. XXIII
(1878) p. 363.
Zweites Kapitel.
Die zweite Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
§ 9. Die Legendre'sche Bedingung.
Nach Integration der Euler'schen Differentialgleichung und Be-
stimmung der Integrationskonstanten erhält man im allgemeinen eine
gewisse AnzahP) von Kurven^ als die einzig möglichen Lösungen des
vorgelegten Problems; d. h. wenn es überhaupt Kurven gibt, welche
das Integral J zu einem Minimum machen, so müssen dieselben unter
den so gefundenen enthalten sein. Wir haben jetzt jede einzelne
dieser Kurven daraufhin zu untersuchen, ob sie wirklich ein Minimum
liefert oder nicht.
a) Allgemeines über die zweite Variation:
Wir nehmen also an, wir hätten eine Extremale ^) der Klasse C
gefunden, welche durch die beiden gegebenen Punkte P^ und Pg geht;
sie möge mit ©^ bezeichnet werden, und sei durch die Gleichung
dargestellt. Wir nehmen überdies an, daß ©^ ganz im Innern des
Bereiches öl liegt.
Wir variieren jetzt die Kurve ©^ ganz wie in § 4, wobei wir
uns wieder auf Variationen der speziellen Form co = srj beschränken.
^) Die Anzahl kann auch unendlich sein; es kann andererseits aber auch
unmöglich sein, die Integrationskonstanten den Anfangsbedingungen entsprechend
zu bestimmen, vgl. p. 32, Fußnote ^).
2) Hierin ist stets implizite die Annahme enthalten, daß der Differential-
quotient w^ fy' existiert.
et sc
§ 9. Die Legendre'sche Bedingung. 55
Dann muß, wie schon in § 4 bewiesen worden ist, in der dort be-
nutzten Bezeicbnung^)
sein, falls @o wirklich ein Minimum liefert. Führen wir die Diffe-
rentiation aus, wobei wir nach unseren Annahmen über die Funktionen
f und y wieder die gewöhnlichen Regeln für die Differentiation eines
bestimmten Integrals nach einem Parameter anwenden dürfen, und
setzen zur Abkürzung
fy'y{^, y{x),y\x)) = R(x)
so kommt
d'J^8'f{Pri' + 2Q7]rj' -f Rri')dx. (3)
Es muß also im Fall eines Minimums
f{Fri^ + 2 Qrirf + Rri^) dx^O (4)
sein und zwar für alle Funldionen rj der Klasse C, welche in x-^ und x^
verschwinden.
Aus unseren Annahmen über die Funktionen f und y folgt ^),
daß die drei Funktionen P, §, F stetig sind in [x^x^]- Wir nehmen
in der Folge an, daß sie nicht alle drei identisch verschwinden in
h) Legendre's Transformation der zweiten Variation:
In dem speziellen Fall, wo P = 0, ö — ö? kann man unmittelbar
über das Vorzeichen der zweiten Variation entscheiden; denn dann ist
ö'^J^e^fFri'^dx,
und man schließt leicht^), daß im Fall eines Minimums P > 0
sein muß.
^) Im Fall eines Maximums lautet die Bedingung natürlich S^J<^Q.
2) Nach A m 4.
^) Vgl. unten. Dieser spezielle Fall liegt z. B. bei Beispiel VI vor:
56 Zweites Kapitel. Die zweite Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
Auf diesen speziellen Fall liat Legende?:^) die Diskussion des
allgemeinen Falles durcli folgenden Kunstgriff zurückgeführt:
Er addiert zur zweiten Variation das Integral
wo w eine vorläufig willkürliclie Funktion von x ist. Das Integral
ist gleich Null; denn es ist gleich
//*
Xi
und rj verschwindet in x^ und x^. Daher ist
dV= 8^ f[(P + w) rj^ + 2(Q + w) riri ^ R^P] dx .
Und nunmehr bestimmt Legendre die bisher willkürlich ge-
lassene Funktion w durch die Bedingung, daß die Diskriminante der
quadratischen Form in riyT] unter dem Integralzeichen verschwindet^),
d. h. so daß
{Q^wy-B{F + w')^0', (5)
dies reduziert d-^J auf die Form
x^
S^J^ 8'jB(r( + ^-+ "" i^^dx . (6)
Xi
Hieraus schließt Legendre, daß H sein Zeichen nicht wechseln darf
in [^iiz?2]7 "^^ ^^ß alsdann d'^J dasselbe Zeichen hat wie R.
Schon Lagkange^) hat gegen diesen Schluß den Einwand er-
hoben, daß Legendre's Transformation stillschweigend voraussetzt,
daß die Differentialgleichung (5) ein Integral besitzt, welches im
Intervall [iCjO^'g] endlich und stetig ist.
^) Legendre, „Memoire sur la maniere de distinguer les maxivia des minima
dans le caicul des variatioris", Memoires de VAcademie des Sciences, 1786; in
Stäckel's Übersetzung in Ostwald's Klassiker usw. Nr. 47, p. 59.
*) Eine von Lagrange herrührende Modifikation dieses Schlusses wird weiter
unten (§ 15, b)) zur Sprache kommen.
3) Im Jahr 1797, vgl. (Euvres, Bd. IX, p. 303.
§ 9. Die Legendre'sche Bedingung. 57
Trotzdem läßt sich durch eine leichte Modifikation des Beweises
der erste Teil des Legendre'schen Schlusses völlig streng beweisen,
d. h. der
Fundamentalsatz II: Soll die Extremale
ein Minimum^) für das Integral J liefern, so muß sein
E{x) = fy'y'(x, y{x), y{x)) 5 0 in [x^x.^] . (II)
Beweis^): Angenommen, es sei i?(c) < 0 in einem inneren
Punkt c des Intervalls [^r^a^g]. Dann können wir ein Teilintervall
[^^ I2] ^^^ \ßi ^2] angeben, für welches gleichzeitig die beiden folgenden
Bedingungen erfüllt sind:
1. B(x) <.0 im ganzen Intervall [Iil2]-
2. Es gibt ein partikuläres Integral tv der Differentialgleichung (5),
welches in [I1I2] ^^^ ^^^ Klasse C ist.
Denn da B(x) stetig ist in [^^^g] ^^^ -^W < ^f ^o^) können wir
ein ganz in 1x^X2] enthaltenes Intervall \c — d, c -\- ö] angeben, in
welchem R(x) < 0. Lösen wir jetzt die Differentialgleichung (5)
nach tv' auf:
^ — _ p 4_ (^ + ^^')' n^
dx ^ '^ B ^^J
und verstehen wir unter w^ irgend einen Wert von w, so ist die
rechte Seite von (7) eine Funktion von x und Wj welche in der
Umgebung der Stelle x = c^ w = iv^ stetig ist und eine stetige Ab-
leitung nach w besitzt. Daraus folgt aber nach dem Cauchy'schen
Existenztheorem*), daß es ein Integral von (5) gibt, welches für
X = c den Wert w = w^ annimmt, und welches in einem gewissen
Intervall [c — d', c -\- d'] von der Klasse C ist. Bezeichnet dann
[I^Jg] das kleinere der beiden Intervalle [e— d, c -{- ö] und [c ~ d\
c + d']f so sind in der Tat in [^ilg] die beiden angegebenen Be-
dingungen erfüllt. Nunmehr wählen wir ?; = 0 außerhalb [1^ Ig] ^^^ ^)
rj = (x — li)^ (x — ^^y iii [?i ^2] • ^^^ so definierte Funktion 7] liefert
^) Für ein Maximum lautet die Bedingung natürlich jB <^ 0.
^) Nach Weierstrass, Vorlesungen, 1879.
«) Nach A m 2.
') Vgl. § 23, a).
^) Würde man 73 = (ic — ^i) (a; — l^) wählen, so hätte tj' ünstetigkeiten in
li und Ig, und eine Nebenbetrachtung wie in § 14, c) wäre nötig.
58 Zweites Kapitel. Die zweite Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
eine zulässige Variation der Kurve @o, da sie in [rTj^Tg] von der
Klasse^) C ist und in x^ und ^2 verschwindet.
Für diese spezielle Funktion t] wird aber
^2
Auf dieses Integral ist aber wegen der Eigenschaften des Intervalls
[J^y die Legen dre'sche Transformation anwendbar, und wir erhalten
SKT=B^fB{n+^^n)'dx.
Da i2<0 in [^i^, so ist d^J"^0; wegen der Stetigkeit sämtlicher auf-
tretender Funktionen könnte nur dann das Gleichheitszeichen gelten, wenn
rl -\- ~^^^ ri^Q, identisch im ganzen Intervall. Das ist aber
nicht möglich; denn dividiert man r^ -\--~jrri durch (ä; — ^ (;^• — ^
und läßt X sich der Grenze l^ nähern, so nähert sich der Quotient
dem von Null verschiedenen Wert 2(1^ — Jg)-
Somit wäre 8^J für die betrachtete Variation negativ, was un-
möglich ist, wenn (Sq, wie wir voraussetzen, das Integral J zu einem
Minimum macht. Es muß also, zunächst im Innern des Intervalls
[x^x^ und dann wegen der Stetigkeit von R auch in den Endpunkten
R{x) 5 0 sein, was zu beweisen war.
Indem wir den Ausnahm efalP), in welchem Rix) in Punkten des
Intervalls \x^x^ verschwindet, beiseite lassen, werden wir in der Folge
voraussetzen, daß die Extremale @o die Bedingung
R{x)>0 in [x^x^] (IT)
erfüllt
Eine Folge dieser Annahme ist, daß y\x) im ganzen Intervall
[x^x^] existiert und stetig ist, wie in § 5, d) gezeigt worden ist.
Daraus folgt weiter, daß nicht nur die Funktionen P, Q, R, sondern
auch ihre ersten AUeitungen in [x^^x^] stetig sind.
1) Vgl. p. 26, Fußnote 2).
2) Ein Beispiel dieses Ausnahmefalls betrachtet Erdmann, Schlömilchs Zeit-
schrift, Bd. XXIII (1878), p. 369, nämlich f = y'^ cos^o;, wenn x^<-^<x^. Vgl.
dazu die Uhungsaufgahen, Nr. 27—32.
§ 10. Die Jacobi'sche Diiferentialgleicliung. 59
Eine weitere Folge der Voraussetzung (IF) ist, daß die Lösung
y = y(^x) der Eul ersehen Differentialgleichung sich nach beiden
Seiten hin über das Intervall [x^x^] auf ein etwas weiteres Intervall
[XjXg] fortsetzen^) läßt (X^<.x^,x.2<^^2)j ^^^ zwar derart, daß
auch in dem erweiterten Intervall [X^Xg] die Ungleichung (11') er-
füllt ist und P, Q, R von der Klasse C sind.
Beispiel I: (Siehe pp. 1, 33): f=yyi^-y'^^.
Hier ist
f _o f.- ^ f.. = ^
Ferner ist, wenn wir mit a^^, ß^ ein den Anfangsbedingungen (39) von § 6 ge-
nügendes Wertsystem der Integrationskonstanten a, ß bezeichnen,
g,: ;/ = «„Ch*— ^»-
woraus sich ergibt
P=0, ^ = Th^ &, B =
Ch2 &
Da wir voraussetzen, daß y^O (vgl. p. 17), so folgt, daß a^ > 0 und daher ist
die Bedingung i? > 0 für jedes x erfüllt. ^)
§ 10. Die Jacobi'sche Differentialgleichung.
Wir haben jetzt den zweiten Teil des Legendr e'schen Schlusses
zu prüfen, welcher besagte, daß auch umgekehrt allemal ö^J^ 0,
wenn,i^>0 in [^i^g]-
Der Schluß ist richtig, wie unmittelbar aus den vorangehenden
Entwicklungen folgt, wenn ein Integral der Differentialgleichung (5)
existiert, welches im ganzen Intervall [x^X2] stetig^) ist; er ist da-
gegen falsch, wie wir in § 14 sehen werden, wenn kein solches Inte-
gral existiert.
a) Reduktion der Legendr e'schen Differentialgleichung auf die
Jacobi'sche:
Die ganze Entscheidung hängt also von der Integration der
Differentialgleichung (5) ab.
Da ist es denn zunächst von Wichtigkeit, daß die Legendre'sche
Differentialgleichung (5) zur Klasse der Riccati'schen Differential-
^) Im Sinne der Theorie der Differentialgleichungen, siehe § 23, d).
*) Hierzu die Übungsaufgaben Nr. 2 — 12, 35 — 40 am Ende von Kap. III.
^) Da i? =4= 0, so folgt nach (7) die Stetigkeit von iv aus derjenigen von w.
60 Zweites Kapitel. Die zweite Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
gleichuiigen gehört und sich daher auf eine homogene lineare
Differentialgleichung zweiter Ordnung reduzieren läßt, wie zuerst
Jacobi^) bemerkt hat.
Dies geschieht mittels der Substitution
^■^-Q-R^, (8)
durch welche (5) übergeht in^)
^w - (^ - ^) ''-.-.«-:) =0. (9)
Wir werden diese Differentialgleichung die Jac oh i' sehe Differential-
gleichimg nennen und ihre linke Seite mit ^(ti) bezeichnen.
Führen wir die Differentiation aus, so können wir (9) auch
schreiben
dhi , B' du , (Q' — P)
dcc^^Bd. + ^~^ = ^' (10)
Nach den am Ende von § 9 gemachten Bemerkungen sind die Koeffi-
zienten der Differentialgleichung (10) im Intervalle [X^Xg] stetig.
Daraus folgt nach allgemeinen Existenztheoremen über lineare
Differentialgleichungen (§ 11, a)), daß jedes Integral der Differential-
gleichung (10) im Intervalle [X^X^j von der Klasse 0" ist. Also
ist die durch (8) definierte Funktion w in [x^x^] von der Klasse C\
sobald u im ganzen Intervalle [x^x^] von Null verschieden ist. Unser
früheres Resultat läßt sich jetzt also so aussprechen:
Wenn R>0 in [x^x^], so ist d^J>0 für alle^) zulässigen
Funktionen rj, vorausgesetzt^ daß es ein partikuläres Integral u der
^) Jacobi, „Zur Theorie der Variationsrechnung und der Bifferentialgleichungen'f
Journal für Mathematik, ßd. XVII (1837), p. 68; auch von Stäckel heraus-
gegeben in Ostwald's KlassiJcer usw., Nr. 47, p. 87. Jacoui's Abhandlung, welche
übrigens auch den allgemeineren Fall behandelt, wo die Funktion f höhere
Ableitungen von y enthält, bezeichnet einen Wendepunkt i^ der Geschichte der
Variationsrechnung. Jacobi gibt jedoch nur kurze Andeutungen der Beweise;
ausführliche Beweise sind von Delaunay, Spitzer, Hesse und anderen gegeben
worden (vgl. die Literaturnachweise bei Pascal, loc. cit. p. G3 und Kneser,
Encyclopädie U A, p. 588—591). Unter diesen Kommentaren zu Jacobi's Ab-
handlung ist der vollständigste der von Hesse (Journal für Mathematik,
Bd. LIV (1857), p. 255), dessen Darstellung wir hier folgen. Jacobi's Resultate
sind auf das allgemeinste Problem für einfache Integrale von Clebsch und
A. Mayer ausgedehnt worden (vgl. die von Pascal, loc. cit. p. 64, 65 gegebenen
Zitate und Jordan, Cours d' Analyse, HI, Nr. 373— .S94).
^) Man beachte, daß, wie oben gezeigt, die Ableitungen Q', B' existieren
und stetig sind.
^) Natürlich außer: rj ^ 0 in [x^x^\.
§ 10. Die Jacobi'sche Differentialgleichung. 61
Jacohi^ sehen Differentialgleichung (9) gibt, welches im ganzen Intervall
\x^x^ von Null verschieden ist
Falls es ein solclies partikuläres Integral u gibt, so läßt sich
d^J auch schreiben
s^j=,^JiK^^^Tdx, (11)
wie man sofort sieht, wenn man in (6) mittels der Substitution (8)
die Funktion u statt w einführt.
b) Jacobi's Transformation der zweiten Variation:
Wenn es dagegen kein partikuläres Integral der Jacobi'schen
Differentialgleichung gibt, welches im ganzen Intervall \x^ x^ von Null
verschieden ist, mit anderen Worten, wenn jedes Integral von (9)
mindestens in einem Punkt von [^^^Tg] verschwindet, so ist die Le-
gendr ersehe Transformation der zweiten Variation nicht anwendbar
und wir kommen also auf diesem Wege zu keiner Entscheidung über
das Vorzeichen der zweiten Variation.
Hier setzt nun eine zweite, von Jacobi herrührende Trans-
formation der zweiten Variation ein, die uns auch für diesen Fall
Aufschluß über das Vorzeichen der zweiten Variation geben wird.
Es bezeichne [|^ Ig] entweder das Intervall [x^ x^ selbst oder ein
Teilintervall von [x-^ x^] und es sei r] außerhalb [|^ Ig] identisch NuU,
imd in [^^ Ig] gleich einer Funktion der Klasse 0", welche in ^^ und
^2 verschwindet. ^
Bezeichnen wir dann mit 2Sl die in bezug auf rj, rl quadratische
Form
und wenden den Euler'schen Satz über homogene Funktionen an, so
können wir d^J in der Form schreiben:
■/{•'
«-.■/(,|5 + V?-|)i«
Dieses Integral können wir jetzt — ganz so wie den ähnlich
gebauten Ausdruck für d «7 in § 4 — durch partielle Integration^) des
zweiten Gliedes umformen. Wir erhalten so:
^) Die partielle Integration ist statthaft, da nach den gemachten Annahmen
im Intervall [1^ 1«] ^^^ ^^^ Klasse C ist.
62 Zweites Kapitel. Die zweite Yariation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
Da 7] in ^^ und ^3 verschwindet^ und da
SO ergibt sich hieraus der folgende Ausdruck für die zweite
Variation:
•Ja
Ö^J=B^friW{ri)dx, (12)
gültig für jede Funktion ri von den angegebenen Eigenschaften.
Auf Grund der Formel (12) können wir jetzt dem unter a) aus-
gesprochenen Resultat das folgende als Gegenstück zur Seite stellen:
Wenn die Jacohi' sehe Differentialgleichung (9) ein partiMläres Integral u^
besitzt, welches in zwev Funkten J^ j Ig ^^^ Intervalls \x^ x^ verschwindet,
so kann man durch passende Wahl der Funktion rj die ziveite Variation
gleich Null machen.
Dazu braucht man nur 7^ = 0 zu wählen in [x^ gj und in [Ig x.^,
und Ti = u^ in [li Ig] •
Wenn aber ö^J =0 ist, so hängt das Vorzeichen von A J von
demjenigen der dritten Variation ab, und wird daher im allgemeinen
durch passende Wahl des Vorzeichens von 8 negativ gemacht werden
können. ^)
Wir haben nunmehr weiter zu zeigen, daß von den beiden Fällen:
(9) besitzt ein in \x^x^ nicht verschwindendes Integral, und: (9) be-
sitzt ein in \_x^x^ mindestens zweimal verschwindendes Integral,
stets entweder der eine oder der andere eintreten muß; femer haben
wir Kriterien für das Eintreten des einen oder des anderen Falles zu
entwickeln. ^)
^) Gegen diesen von Jacobi herrührenden Schluß können zwei Einwände
erhoben werden: Erstens ist die benutzte Funktion r] nicht von der Klasse C
wegen der Unstetigkeit von rj' in 1^ und Ig; diesem Einwand kann durch „Ab-
runden der Ecken" begegnet werden, wie in § 14, c) näher ausgeführt werden
wird; zweitens wäre es noch denkbar, daß die spezielle Funktion ?], welche
^2J=0 macht, allemal auch dV=0 macht, womit der obige Schluß hinfällig
würde; wir kommen auf diesen Punkt weiter unten, p. 70, zurück.
^ Fortsetzung der Entwicklung in § 12, wozu der Leser unmittelbar über-
gehen möge.
§ 10. Die Jacobi'sche Differentialgleichung. 63
c) Die Jacobi'sche Transformation für Variationen der Klasse!)":
Wir werden später eine Verallgemeinerung der Formel (12) nötig haben,
nämlich für den Fall, daß die Ableitungen von tj gewisse Un Stetigkeiten besitzen.
Wir werden uns dabei der folgenden Terminologie bedienen: Wir werden zur
Abkürzung sagen, eine Funktion f{x) sei in einem Intervall [aj^ ic^] von der
Klasse ^) D^^^ , wenn sie selbst in dem ganzen Intervall stetig ist, und wenn sich
das Intervall in eine endliche Anzahl von Teilintei-vallen \x^ cj, [c^Cg], . . . \Cyi_^x^'\
zerlegen läßt, derart, daß in jedem der Teilintervalle für sich betrachtet die
Funktion von der Klasse C^^^ ist. Hieraus folgt, daß in jedem der Punkte c- die
beiden G-renzwerte ^) f^^^ (c^. -f- 0) und f^^' (c^. — 0) existieren und endlich sind für
1/^1,2, . . . p. Dabei wird angenommen, daß in einem Punkt c- mindestens
für einen dieser Werte von v die beiden Grenzwerte voneinander verschieden
sind. Die Klasse C^^^^ betrachten wir als in der Klasse D^'^^ enthalten, nämlich
für n== 1.
Dies vorausgeschickt, sei t] von der Klasse D" in [^^ l^]- Sind c^^ c^, • • • c„ _ ^
die Unstetigkeiten von rj' oder tj", so müssen wir vor Ausführung der partiellen
Integration das Integral für d^J in eine Summe von Integralen zerlegen^),
von Ij bis q , von q bis c^, usw. Die partielle Integration darf dann in jedem
Teilintervall ausgeführt werden, und wir erhalten so:
n- 1
dV=£M Vh^J + l7iW{ri)dx
oder wenn wir für -5—7 seinen Wert Qri^Bri einsetzen und uns erinnern, daß
Or[
T], Q und JR in q, Cg , ... c^_^ stetig sind,
-1 '^2 s
'^n (c,) B (c,) \n (c, - 0) - rj' (c^ + 0)] ^fri ^(r,) dxl
1 .-, J
/ n— 1
d V = .^ ^n f O B (c^ \7i (c,, - 0>) - rj' (c^, + 0^1 + / n Win) dxl- (1.3)
d) Zweiter Beweis der Formel (11):
Aus der Formel (12) ergibt sich noch ein zweiter, ebenfalls von Jacobi*)
herrührender Beweis für den Ausdruck (11) für die zweite Variation; derselbe
gründet sich auf die folgende Eigenschaft des Differentialausdruckes W: Sind
u und V irgend zwei Funktionen der Klasse C", so ist
u W{v) —vW(u) = — -j-B{uv' — uv). (14)
ClX
^) Der Buchstabe D soll an „diskontinuierlich" erinnern, ebenso wie C an
„kontinuierlich' ' .
2) Vgl. A n 2.
^) Vgl. dazu die Bemerkungen in § 44, a).
*) Vgl. die Zitate auf p. 60, Fußnote ^), insbesondere die Arbeit von Hesse.
64 Zweites Kapitel. Die zweite Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
Wenn daher u der DifiFerentialgleichung
genügt, so erhalten wir
d
u W{v) = — -^ R{uv —u'v)^
und wenn wir darin
v = pu
setzen, wo p irgend eine Funktion der Klasse G" ist, und mit p multiplizieren,
so erhalten wir
(SU) W{pu) = -p-^ {Rpu') = - f^ {Rpp'u') + Rip'u)' . (15)
Nehmen wir jetzt überdies an, daß die Funktion u in [^^ U von Null ver-
schieden ist, dann dürfen wir in (15) für p den Quotienten
P =
u
substituieren, wo rj wieder eine beliebige Funktion der Klasse C" ist, welche in
li und Ig verschwindet. Integriert man jetzt (15) zwischen den Grenzen ^^ und l^,
substituiert für p den eben angegebenen Wert und beachtet, daß dann auch p
an beiden Grenzen verschwindet, so erhält man ^) aus (12)
^^ = ^ J ^. (IIa)
§ 1 1. Hilfssätze über lineare Differentialgleichungen zweiter Ordnung.
Wir stellen in diesem Paragraphen eine Reihe von Sätzen über
homogene lineare Differentialgleichungen zweiter Ordnung zusammen
die wir bei der weiteren Diskussion der zweiten Variation gebrauchen
werden.
^) Dieser zweite Beweis der Formel (11) setzt voraus, daß rj von der Klasse C"
ist in [Ij Ig]. Wenn man jedoch mit (15) die schon bei Ableitung von (12) be-
nutzte Identität
Fv^ + 2 Qvv + liv 2 = V W{v) + -^ v(^v + JRv)
l^ombiniert, so erhält man:
P{puY + 2 Q{pu) -f^ ipu) + E (-^/y = liip'uy + /^ {p'uiQu 4- Ru)) , (16)
aus welcher (IIa) unmittelbar durch Integration folgt. Da aber in (12) die
zweite Ableitung von p gar nicht vorkommt, so ergibt sich hieraus, in Über-
einstimmung mit dem früheren Resultat in § 10, a), daß es für die Richtigkeit
der Formel (Ha) nicht nötig ist, die Existenz von ri" vorauszusetzen.
§ 11. Hilfssätze über lineare Düferentialgleichungeü zweiter Ordnung. 65
Es sei die Differentialgleichung gegeben :
^+?'^^ + 2» = 0, (17)
WO p und q gegebene Funktionen von x sind, welche in einem Inter-
vall [ah] stetig sind. Alsdann gelten die folgenden Sätze und De-
finitionen:
a) Existenztheorem:
Gehört der Punkt Xq dem Stetigkeitsintervall [ah] an, und sind
Uq, Uq zwei willkürlich vorgeschriebene endliche Werte, so gibt es
ein und nur ein Integral von (17), welches den Anfangsbedingungen
u{Xq) = Uq, u\Xq) = u;,
genügt^), und welches in der Umgebung von x^ von der Klasse (7" ist.
Dieses Integral und daher überhaupt jedes Integral der Differential-
gleichung (17) ist von der Klasse G" im ganzen^) Intervall [ah].
Zusätze:
1. Da zi = Ö eine Lösung von (17) ist, so führt die Anwendung
des Existenztheorems auf die speziellen Anfangswerte Uq = 0, u^ = 0
zu dem Satz:
Ein partikuläres Integral u von (17) kann nicht gleichzeitig mit
seiner ersten Ableitung in einem Punkt Xq des Intervalls [ab] ver-
schwinden, es sei denn, daß u ^0 in [ab].
2. Ein partikuläres Integral u der Differentialgleichung (17) kann
im Intervall [ab] nur in einer endlichen Anzahl von Punkten ver-
schwinden, es sei denn, daß ^* = 0 in [ab].
Beweis: Angenommen u hätte unendlich viele Nullstellen in [ab]y
ohne identisch zu verschwinden; dann würde es nach A I 5 für die-
selben mindestens eine Häufungsstelle c im Intervall [ab] geben. Es
ist nun entweder w(c) 4= 0; alsdann läßt sich nach A III 2 wegen
der Stetigkeit von u{x) eine Umgebung von c angeben, in welcher
w(^)=i=0', oder es ist u{c) = Oy dann folgt nach Zusatz 1, daß
u(c) =j= 0. Es ist aber nach der Definition der Ableitung
u{c -{- h) = h[u (c) -^^ Qi)],
^) Dies ist ein Spezialfall des allgemeinen Cauchy'schen Existenztheorems
für Differentialgleichungen, vgl. § 23.
2) Vgl. PicARD, Traite d' Analyse, III (Paris, 1896), p. 91, 92 und Painleve,
Encyclopädie, II A, p. 194.
Bolza, Variationsrechnung. 5
66 Zweites Kapitel. Die zweite Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
wo (h) mit h unendlich klein wird. Daraus folgt, daß sich eine Um-
gebung von c angeben läßt, in welcher c die einzige Nullstelle von u
ist. In beiden Fällen gelangen wir also zu einem Widerspruch mit
der Annahme, daß c eine Häufungsstelle der Nullstellen von u ist,
womit unsere Behauptung bewiesen ist.
3. Es existieren stets (unendlich viele) „Fundamentalsysteme'' ^)
für die Differentialgleichung (17), d. h. Systeme von zwei linear un-
abhängigen partikulären Integralen w^, u^y für welche also keine Re-
lation der Form
besteht, wo C^, C^ Konstanten bedeuten, welche nicht beide gleich
Null sind.
4. Die nottvendige und hinreichende Bedingung dafür, daß u^ imd u^
linear unabhängig sind, besteht darin, daß ihre „Hauptdeterminante"
D =
u[
(18)
nicht identisch verschwindet.^)
5. Bilden u^, u^ ein Fundamen talsystem, so ist jedes Integral
von (17) durch Wj und u^ ausdrüclcbar in der Form^)
u = C^u^ + C'2%,
wo Cj, 62 Konstanten sind.
1) Z. B. die beiden durch die Anfangsbedingungen
definierten Integrale v^, v^. Jedes andere Fundamentalsystem u,, u, ist durch
dieses spezielle ausdrückbar in der Form
^2 = «21^1 + «22^2 '
wo ßji, «12, «ji, «22 Konstanten sind, für welche
0^11 c^22 — «12^^21 + ^-
2) Vgl. Vessiot, Encychpädie, II A, p. 261; Jordan, Cours d' Analyse, 111
Nr 122- Serret, Lehrbuch der Differential- und Integralrechnung (Leipzig, 1904)
Bd ni Nr. 768. Der Ausdruck „Hauptdeterminante'' bei Serret, loc. cit.; sonst
wird auch der Ausdruck „Wronski'sche Determinante" dafür gebraucht.
3) Vgl. Encyclopädie, 1. c., Jordan, Cours cVAnalyse, III, ^ir. 119;
Serret, 1. c.
§ 11. Hilfssätze über lineare Differentialgleichungen zweiter Ordnung. 67
b) Der Satz von AbeP):
Sind u^, u^ zwei linear unabhängige Lösungen von (17), so ist
^-%-l?-«^t.' = C«"/^'% (19)
WO C eine von Null verschiedene Konstante ist.
Denn nacti Voraussetzung ist
d^u, . du, , ^
rJ+Piii + 'i'*^-^
d^u^ , du^ , ^
i-i 4- P -3- -V QU. = 0.
dx^ ^ ^ dx ' ^ 2
Multipliziert man die erste dieser Gleichungen mit — u^^ die
zweite mit u^ und addiert, so kommt
und daraus folgt durch Integration (19).
Wäre (7^0, so würde folgen
^ © ^ ^ ' ^^^^ ^2 = konst. u, ,
gegen die Annahme, daß u^ und u^ linear unabhängig sind.
Zusätze: 1. Die Hauptdeterminante D(;r) eines Fundamentalsystems
ist in jedem Punkt des Stetigkeitsintervalls [ah] von Null verschieden.
2. Zwei linear unabhängige Lösungen u^, u^ können nicht in
demselben PunM Xq des Intervalls [ab] verschwinden.
c) Der Satz von Sturm 2):
Sind u^, U2 zwei linear unabhängige Integrale der Differential-
gleichung (17), so liegt zwischen zwei aufeinanderfolgenden Nullstellen
von u^ stets eine und nur eine Nullstelle von u^, vorausgesetzt, daß diese
Nullstellen sämtlich dem Stäigheitsintervall [ab] angehören.
Beweis: Aus (19) folgt, daß die Determinante im ganzen Inter-
vall [ab] ein konstantes Vorzeichen besitzt, nämlich dasselbe wie die
^) (Euvres, Bd. I, p. 251.
^) Sturm, Memoire sur les equations differentieUes du second ordre, Journal
de Liouville, Bd. I (1836), p. 131; vgl. auch Sturm, Cours d' Analyse, 12. Aufl.,
Bd. II, Nr. 609, und Serret, 1. c. Nr. 775; ferner Darboux, Theorie des surfaces,
(Paris, 1894), Bd. III, Nr. 628, und Bocher, Transactions of the American
Mathematical Society, Bd. II (1901), p. 150, 428,
6*
68 Zweites Kapitel. Die zweite Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
Konstante 0; es sei, um die Ideen zu fixieren,
du. du. ^ ,.
Sind nun x^ und x\ zwei dem Intervall [afe] augehörige, auf-
einanderfolgende Nullstellen von u^ (so daß also u^ zwischen x^ und x\
nicht verschwindet), so ist hiernach
u^ (x^ u[ (%) < 0 , ^2 {x\) u[ (x\) < 0 .
Andererseits sind aber nach a) Zusatz 1, die beiden Werte u[{x^)
und u[(x^ von Null verschieden; also wechselt ti^(x) sein Zeichen
in x^ und x['^ und da über-
dies u^ zwischen x^ und x^'
sein Zeichen nicht wechselt,
so müssen ^^(^i) und u^(x^)
entgegengesetztes Zeichen ha-
^i«- 8- ben; also müssen auch ti^^oc^)
und U2{x\) entgegengesetztes
Zeichen haben. Daraus folgt aber wegen der Stetigkeit von i^g; ^^ß
zwischen x^ und x^ mindestens eine Nullstelle von u^ liegen muß.
Angenommen es gäbe noch eine zweite, so würde nach dem eben
Bewiesenen folgen, daß zwischen diesen beiden Nullstellen von Wg
mindestens eine Nullstelle von u^ liegen müßte, was gegen die An-
nahme ist, daß x[ die zunächst auf x^ folgende Nullstelle von u^ ist.
Hiermit ist der Satz in allen seinen Teilen bewiesen: Die Nullstellen
von u^ und Wg müssen also miteinander alternieren.^)
§ 12. Das Jacobi'sche Kriterium.
Wir sind nunmehr in der Lage, die am Ende von § 10, b) auf-
geworfenen Fragen über das Vorzeichen der zweiten Variation mit
Hilfe des eben bewiesenen Sturm'schen Satzes zu beantworten.
a) Einführung der Funktion A(x, x^):
Zu diesem Zweck führen wir dasjenige, — bis auf einen konstanten
Faktor bestimmte — , Integral der Jacobi'schen Differentialgleichung (9)
1) Das einfachste Beispiel des Satzes ist die Differentialgleichung;
d'u .
mit den beiden partikulären Integralen: u^^äinx, u., = cos x.
§ 12. Das Jacobi'sche Kriterium. 69
eiiij welches für x = x^ verscli windet. ^) Wir bezeichnen dasselbe, in-
dem wir den konstanten Faktor in bestimmter, später näher zu prä-
zisierender Weise gewählt denken, mit A(x, X-^). Da nach der am
Ende von § 9, b) gemachten Bemerkung das Stetigkeitsintervall der
Jacobi'schen Differentialgleichung sich mindestens auf das Intervall
[X^Xg] erstreckt, so lassen sich die Sätze des vorigen Paragraphen
auf die Jacob i^sche Differentialgleichung und das Intervall [X-^Xg]
anwenden. Die Funktion A(x, x^) verschwindet also nach § 11, a)
nur in einer endlichen Anzahl von Punkten im Intervall [X^Xg]; wir
bezeichnen mit x[ die zunächst auf x^ folgende Nullstelle von A [x, x^)y
falls eine solche überhaupt im Intervall [X^Xg] existiert, so daß also
A(x^j x^) = 0 y A{x\, x-^ = 0
A{x, x^) ^0 iüY x^<ix < x[.
Alsdann tritt einer der beiden folgenden Fälle ein:
Fall I: x[ < x^. Dann folgt nach dem Satz von Stuem (§ 11, c)),
daß jedes von A(x, x-^) unabhängige Integral von (9) in einem Punkt
zwischen ^^ uhd x^' verschwindet. Somit existiert in diesem Fall
kein Integral der Jacobi'schen Differentialgleichung, welches im
ganzen Intervall [x^X2] von Null verschieden ist, dagegen sicher
mindestens ein Integral, — nämlich: u = A(XyX^) — welches in
zwei Punkten des Intervalls verschwindet. Es tritt also die zweite
der in § 10 betrachteten Möglichkeiten ein. Wir können also nach
den in § 10, b) erhaltenen Resultaten den Satz aussprechen:
Wenn A{Xy %) außer in % noch in einem zweiten Punkt des
Intervalls [x^x^] verschivindet, so kann man d^J=0 machen durch
passende WahV) der Funktion i].
Nach Jacobi schließt man hieraus, wie wir bereits in § 10, b)
gesehen haben unter Zuziehung von d^J^ daß in diesem Fall ein
Extremum nicht eintreten kann. Der Schluß ist zwar nicht einwand-
frei^), trotzdem ist Jacobi's Resultat, abgesehen von gewissen Aus-
nahmefällen, richtig^) wie wir später sehen werden (§ 14).
^) Vgl. Hesse, loc. cit. p. 258, und für das allgemeinste Problem für einfache
Integrale A. Mayer, Journal für Mathematik, Bd. 69 (1868), p. 250.
2) Vgl. p. 62, Fußnote ').
^) Erdmann beweist dies, indem er den Wert von d^J für die spezielle
Funktion tj, welche ^^.7 zum Verschwinden bringt, d. h. also für die Funktion
(A{x, x^) in [£Cii:ci]
r] = \
i 0 m [x[x^],
70 Zweites Kapitel. Die zweite Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
Fall II: x\> x^^ oder x\ existiert nicJit,^) mit andern Worten:
A(x, x^) 4= 0 für x^ <x<^x^. (21)
In diesem Fall gibt es stets Integrale der Jacob i'schen Differential-
gleichung, welche im ganzen Intervall [a^i^^g] von Null verschieden sind.
Zum Beweis betrachten wir neben dem Integral A{x, x^) das-
jenige Integral A(^^ x^) der Jacob i'schen Differentialgleichung,
welches in x.2 verschwindet; beide sind linear unabhängig, da nach
Voraussetzung
A(^2, ^i) 4= 0; während A(x.2, x^) = 0 .
Daher folgt nach dem Sturm'schen Satz aus (21)^ daß
A(Xj x^) + 0 für x^^x <C x^f
also, da A(x, x^) stetig in [X^Xg], auch noch in dem Intervall
[x^ — d, Xj^, wo d eine hinreichend kleine positive Größe ist. Wählen
wir jetzt Xq zwischen x^ — d und ^r^, und größer als X^, so sind
auch die beiden Funktionen A(^, Xq) und A{x, x^ linear unab-
hängig, da
und eine nochmalige Anwendung des Sturm'schen Satzes, diesmal auf
die beiden Integrale A(rr, x^) und A(a;, x^^, ergibt das Resultat,^) daß
A(ir, ^0) + 0 für x^'^x^x^.
Somit können wir, indem wir u = A(^, Xq) wählen, die zweite
Variation auf die Form (11) transformieren, und erhalten so den Satz:
wirklich berechnet (Schlömilch's Zeitschrift, Band XXIl (1877) p. 327). Er
findet in der Bezeichnung von § 13
^■V= - s'R{x'^) (p'^{x[, üq) (p„«(4, ao); (20)
R{x[) und (p'aioou «0^ ^^^^ ^^^^^ ^^^ ^^^^ verschieden: und (p^^(x[, «q) ist gleich-
falls von Null verschieden, außer wenn die Enveloppe der Schar (32 a) eine
Spitze in i^^ hat oder in einen Punkt degeneriert. Mit Ausnahme dieser beiden
Fälle ist also Jacobi's Resultat richtig.
^) Man kann den Fall, wo x\ nicht existiert, in der Ungleichung : x\ ^ ajg
mit einbegreifen, wenn man für «diesen Fall, d. h. also wenn A{x, Xi)=^0 für
rcj < a; < X2 , definiert : x[ = X2 , wie es Goursat {Cours d' Analyse Mathematique
(Paris 1905), II, p. 601) tut.
^) Man kann dasselbe auch aus dem folgenden Lemma ableiten, das auch
sonst gelegentlich nützlich ist : Es sei X^ < ^ < -X, , und |' die zunächst auf ^
folgende Wurzel der Gleichung A(a;,|) = 0, falls eine solche in [IXgj existiert,
dagegen ^' = X^ wenn A (x, |) =(= *^ i^ ^ <C ^ •< ^s • Dann läßt sich leicht zeigen.
§ 12. Das Jacobi'sche Kriterium. 71
Wenn
und
Ry- 0 für x^<^x <^x^
tl{x,x^^^ für Xy<x<c^^^ (21)
so ist ö^^J positiv für alle sdässigen Funktionen ry.
Die Bedingung (21)
können wir auch durch
die Ungleichung
x[>x^ (21a)
Fig. 9.
ersetzen, wenn wir die
auf p. 70, Fußnote ^)
erwähnte Verabredung über die Bedeutung von x[ treffen.
Aus dem vorangehenden Satz schloß Jacobi, daß in diesem FaU
wirklich ein Minimum eintritt, und dies wurde allgemein angenommen,
bis Weierstkass im Jahre 1879 zeigte, daß der Schluß falsch ist,
wenigstens wenn man den Begriff des Minimums in der allgemeinen
Weise faßt, wie wir denselben in § 3, b) definiert haben (vgl. § 15, a)).
Die beiden obigen Sätze pflegt man unter dem Namen „Jacob i'sches
Kriterium'' zusammenzufassen.
Der Wert x[ wird der m x^ konjugierte Wert genannt, und der
Punkt i^^ der Extremale ^) (Sq, dessen Abszisse x[ ist, der zu Punkt P^
konjugierte Punkt (nach Weierstkass).
Beispiel VI (Siehe p. 32): f= G(y).
Hier ist
P=0, ^ = 0, R = G'\a,),
also wird die Jacobi'sche Differentialgleichung
und daraus
A {x, x^) = X — Xi .
Es ist also stets ^-/>0, was freilich hier unmittelbar aus der speziellen Form
von &^J klar ist.
daß I' als Funktion von | im Intervall [X^ Xg] stetig ist und mit | beständig zu-
nimmt, so lange |' <; JYg ; so bald aber |' diesen Wert erreicht hat, bleibt es
von da ab konstant gleich X.^ .
Hieraus folgt noch weiter, daß die Funktion |' — | von | im Intervall [a^i^Jg]
einen positiven Minimalwert l erreicht. Ist daher [o:/3] irgend ein Teilintervall
von [x^x^] dessen Länge <C^l, so kann das Intervall [a|5] kein Paar konjugierter
Punkte enthalten.
^) oder ihrer Fortsetzung auf das erweiterte Intervall [X^ Xg], siehe § 9, b).
72 Zweites Kapitel. Die zweite Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
Beispiel I (Siehe pp. 1, 33, 59): /*= ^/V^-f^'*^ •
Aus den aufp. 59 gegebenen Werten von F.Q^H erhält man für die Jacob Tsche
Differentialgleichung :
dx^ a^ a^ dx a^^
Zwei partikuläre Integrale dieser Differentialgleichung sind:
u, = - Sh -1^& , u, = Ch^^^« - ^~^'- Sh^^~b ,
«0 ^0 «0 S
und hieraus ergibt sich
A{x, ^i) = Sh?;Chv, —^hv, Ch ?; + («; — rj Sh u Sht;, ,
wobei zur Abkürzung
gesetzt ist. Auf die Diskussion der sich hieraus ergebenden transzendenten
Gleichung für die Bestimmung von x[ werden wir weiter unten näher eingehen ^)
(p. 80).
b) Der Jacobi'sclie Fundamentalsatz über die Integration der
Jacob i'scben Differentialgleicbung :
Nach dem Vorangehenden ist es zur Entscheidung über das Vor-
zeichen der zweiten Variation erforderlich, die Jacobi'sche Differential-
gleichung zu integrieren; dies kann praktisch auf große Schwierig-
keiten führen, ja die weitere Diskussion überhaupt unmöglich machen.
Daher ist die Entdeckung Jacobi's^) von fundamentaler Be-
deutung, daß das allgemeine Integral der Jacobi'schen Diiferential-
gleichung stets durch bloße Differentiationsprozesse erhalten werden
kann, sobald das allgemeine Integral g(x, a, ß) der Euler'schen
Differentialgleichung (I) bekannt ist.
Dazu müssen wir zunächst einiges über die Eigenschaften der
Funktion g(x, a, ß) vorausschicken.
Wir haben bereits in § 9 die Annahme eiageführt, daß unsere
Extremale
im Innern des Bereiches öl liegt, und daß für sie die Bedingung
^(^) ^ fv'yi^^ y^^h y(^)) > ^; in [x,x,] , (ir)
erfüllt ist.
^) Hierzu die Übungsaufgaben Nr. 2—12, 35—40 am Ende von Kap. EI.
*) in der schon mehrfach zitierten Abhandlung vom Jahr 1837, siehe p. 60,
Fußnote ^).
§ 12. Das Jacobi'sche Kriterium. 73
Aus diesen Annalimen, die für die ganze weitere Untersucliung
des vorliegenden Problems festgehalten werden sollen^ folgt, nach all-
gemeinen Sätzen^) aus der Theorie der Differentialgleichungen, daß
die Extremale (S^ aus dem allgemeinen Integral der Euler'schen
Differentialgleichung abgeleitet werden kann, indem man den Integrations-
konstanten «, ß spezielle Werte: a = Uq^ ß "= ßo erteilt, so daß also
9(^, ^0, ßo) = K^) i^ K^2]. (22)
und daß sich eine positive Größe d so klein annehmen läßt, daß die
Funktion g(x, a, ß) in dem Bereich:
X.^x^X,, \a-a,\Zd, \ ß - ßo \ Z d (23)
folgende Eigenschaften besitzt:
1. Die Funktionen g^ g' ^ g^, g" ^ g^^ sind als Funktionen der
drei Variabein x, a, ß von der Klasse C im Bereich (23).
2. Für jedes a, ß im Bereich
.. \u-a,\^d, \ß-ß,\Zd (24)
genügt g(Xj a, ß) als Funktion von x im Intervall [X^Xg] der
Eule r 'sehen Differentialgleichung.
3. Die Kurve
y = g{x, a, ß), X.^x^X^
liegt für jedes a, ß des Bereiches (24) ganz im Innern des Bereiches 6{,
und es ist
fyy (^, 9iX, ci, ß), g'ix, a, ß)) > 0 (25)
im Bereich (23).
4. Die Funktionaldeterminante
ft^ + O (26)
im Bereich (23).
Dies vorausgeschickt, erhalten wir nach Jacobi auf folgende
Weise zwei partikuläre Integrale der Differentialgleichung (9): Sub-
stituieren wir in der Euler'schen Differentialgleichung für y das
allgemeine Integral g{x^ a, ß), so erhalten wir:
fy{x, gix, a, ß), g\x, «, ß)) - ^ fy,(x, g{x, «, ß), g\x, a, ß)) = 0 .
^) Um den Gedankengang nicM zu unterbrechen, verschieben wir eine ein-
gehende Besprechung dieser Sätze und ihrer Anwendung auf die Euler'sche
Differentialgleichung auf später (§ 24). Vorläufig mag der Leser die genannten
Eigenschaften des allgemeinen Integrals g{x,a,ß) statt als Folgerungen aus
früheren Annahmen als neue selbständige Annahmen betrachten.
74 Zweites Kapitel. Die zweite Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
Diese Gleichung ist für alle Werte von a;, a^ /3 im Bereioli (23)
identisch erfüllt und darf daher nach a oder /3 differentiiert werden.
Führen wir diese Dijfferentiation aus und machen von der Vertauschbar-
keit^) der beiden Diifferentiationen nach x und a Gebrauch, so kommt:
\yy dx'y'yj^f^ dx^'y'y' ^""^
\fyy ~ Tx fy'y) ^(^ ~ di ^^w' ^^^ ^ ^
(27)
Geben wir jetzt den Größen a^ ß die speziellen Werte cc = a^,
ß = ßfi und erinnern uns der Gleichungen (2) und (22), so erhalten wir
Jacohi's Fundamentalsatz: Ist
y = g{x, a, ß)
die allgemeine Lösung der Eul er' sehen Differentialgleichung, dann besitzt
die Jacohi'sche Differentialgleichung
die beiden partikulären Integrale
(28)
7*2 =g^{Xy a^, ßo)}
Zusatz: Die beiden partikulären Integrale r^yr^ sind linear un-
abhängig.
Dazu ist nach § 11, a) notwendig and hinreichend, daß die
Determinante
r^{x), r,{x)\
r\(x), r',(x)i
D{x)
nicht identisch verschwindet.
Nun lautet aber die Determinante D{x) ausgeschrieben:
andererseits ist
d(^,g') I "^i;: _ I 9a(^, «0. ßo)^ 9.a{^, «o; ßo) 1
d{cc, ß) i I g^(x, a„ ß,), g,^{x, cc^y ßo) '
und da aus den Eigenschaften von g(x, a, ß) folgt, daß g^^ = g.
1) Dieselbe ist nach A IV 7 und A IV 9 eine Folge der Eigenschaften von
§ 13. Geometrisclie Bedeutung der konjugierten Punkte. 75
9ßx-9xß^ so ist
B{x) = 4^
«=«0
und daher nach (2ß)
D(x) + 0 in [X,X,],
womit unsere Behauptung bewiesen ist.^)
Daraus folgt: Das allgemeine Integral der Jac oh i' sehen Differential-
gleichung ist:
u = C^r^ + C^r.^,
wo C^j C^ willkürliche Konstanten sind.
Um also das allgemeinste partikuläre Integral i^(x, x^ zu er-
halten, welches für x = x-^ verschwindet, müssen wir C^ : C^ aus der
Gleichung
C,r,{x,) + G,r,{x,) = 0
bestimmen. Wir erhalten so, indem wir zugleich eine bestimmte
Wahl über den bisher unbestimmt gelassenen konstanten Faktor
treffen, das Resultat x^)
A {x , x^) = r^ {x) r, (x,) - r, (x) r^ (x^) , (29)
womit das Jacobi'sche Kriterium erst in seiner vollen Bedeutung
erscheint.
Bei Anwendungen ist es daher gar nicht nötig, die Jacobi'sche
Differentialgleichung wirklich aufzustellen, man kann vielmehr direkt
aus dem allgemeinen Integral g(x, a, ß) die Funktion A(x, x^) ab-
leiten und daraus den konjugierten Punkt x[ bestimmen.^)
§ 13. Geometrische Bedeutung der konjugierten Punkte.
Jacobi^) hat eine sehr elegante geometrische Deutung der kon-
jugierten Punkte gegeben, welche auf der Betrachtung der Extremalen-
schar durch den Punkt P^ beruht.
^) Vgl. Pascal, loc. cit., p. 75.
^) Daß A(a;, x^) nicht etwa identisch verschwinden kann, (d. h. für jedes x)^
folgt aus der linearen Unabhängigkeit von r^ und r^ nach § 11, b), Zusatz 2.
^) Beispiele folgen am Ende von § 13.
*) Loc. cit., und Vorlesungen über Dynamik, p. 46; vgl. auch Hesse, loc.
cit., p. 258.
76 Zweites Kapitel. Die zweite Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
a) Zusammenliang der Funktion ^{x,x^) mit der Extremalen-
scliar durch den Punkt P^:
Wir wählen (etwas allgemeiner als es für unsern unmittelbaren
Zweck nötig ist) irgend einen Punkt Po{Xq, y^) auf dem Extre-
malenbogen ^^ oder auf dessen Fortsetzung auf das erweiterte Inter-
vall [XjXg] und betrachten die Schar von Extremalen durch den
Punkt Pq. Man erhält dieselbe analytisch, indem man zwischen den
beiden Gleichungen
y = 9{x, a,ß)] (^^)
" eine der beiden Konstanten a, ß eliminiert. Die Gleichung (SOj) wird
durch die Werte a = a^, ß = ß^ befriedigt; ihre rechte Seite ist in
der Umgebung der Stelle a = a^, ß = ß^ von der Klasse C\ und
überdies ist mindestens eine der beiden partiellen Ableitungen
^aK; «o; /^o) = ^1 W ^Jid g^{x^, a^, ß^) = r^ {x^)
von Null verschieden, da r^{x) und r^{x) zwei linear unabhängige
Integrale der Jacobi'schen Differentialgleichung sind, und die Stelle x^
dem Stetigkeitsbereich der letzteren angehört. Sei, um die Ideen zu
fixieren,
Dann gibt es nach dem Dini'schen Satz^) über implizite Funktionen
eine und nur eine Funktion,
ß^ß{a),
welche in der Umgebung von a = «^ von der Klasse C ist, der
Gleichung (SOj) genügt und für a = a^ den Wert ß^ annimmt.
Setzen wir dieselbe in (SOg) ein, und bezeichnen
(j{x, «, ß{a)) ^q)(x, «), ''' (31)
so stellt die Gleichung
y=-Sp{x, «), (32)
die durch den Punkt P^ gehende Extremalenschar dar, wobei dann
die Extremale ©^ selbst durch
®o: 2/ = 9(^;«o) (33)
') Vgl. § 22, e).
§ 13. Geometrische Bedeutung der konjugierten Punkte. 77
dargestellt wird. Aus den Eigenschaften der Funktionen g{x, a, ß)
und ß(a) folgt, daß man eine positive Größe dQ so klein wählen kann,
daß die Funktion qp und die Ableitungen 9^, qp^, 9^^, q)^^ und q)^^
in dem Bereich
existieren und stetig sind.
Führen wir dann die Funktion
A (x , Xq) = }\ (x) r^ (^0) - ^2 (^) ^1 (^0)
ein, so ist^)
wo Cq eine von Null verschiedene Konstante bedeutet. Denn^) nach
der Definition von g) {x, a) ist
und aus (30i) folgt
9a{^0^ «. ß) + 9ß{x^y a,ß)^^=0,
also
Wir haben der Einfachheit halber den Parameter der Schar in
ganz bestimmter Weise gewählt. Man erhält daraus die allgemeinste
für unsere Zwecke brauchbare Darstellung der Extremalenschar durch
den Punkt Pq, indem man in (32) für a eine beliebige Funktion
a = a {a) eines neuen Parameters ^) a einführt, welche den Wert a^^a^
für einen bestimmten Wert a = a^ annimmt, in der Umgebung dieses
Wertes von der Klasse C ist und überdies der Bedingung a\a^ 4= 0
genügt.
Setzt man dann
^{x, a{a)) = (p(x,a) ,
so stellt die Gleichung
y = <p(^; o) (32a)
1) Vgl. Erdmann, Schlömilch's Zeitschrift, Bd. XXII (1877), p. 325.
^) Die Gleichung (34) folgt noch einfacher daraus, daß die Funktion
^)^{x^ cc^ der Jacobi'schen Differentialgleichung genügt und für x = Xq ver-
schwindet.
^) Hierzu eignet sich z. B. aus geometrischen Grründen das Gefälle der
betreffenden Extremale im Punkt P^ :
78 Zweites Kapitel. Die zweite Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
in allgemeinster Weise die Extremalenschar durch den Punkt Pq
dar, die Funktion q){Xy d) hat dieselben Stetigkeitseigenschaften wie
^){Xj a) und es ist
l^{x,x^)^C(p^{x,a^). (34 a)
Wenden wir die vorangehenden Resultate insbesondere auf den
Fall an, wo der Punkt P^ mit dem Endpunkt P^ des Bogens ©^ zu-
sammenfällt, so erhalten wir den Satz:
Ist
y = (p{x,d) (32 a)
die Schar von Extremalen durch den Punkt P^, so hmn der zu x^
konjugierte Wert x^ auch definiert werden als die zunächst auf x-^
folgende Wurzel der Gleichung
Neben den beiden Gleichungen
^a (^1 ; «o) = ö , (p^ (x^, «o) = 0 (35)
folgen aus den bekannten Eigenschaften von ^(x, x^ noch die Un-
gleichungen ^)
^axif^l , «o) + ^ , 9^ax«> «o) + 0 . (36)
b) Die Enveloppe der Extremalenschar durch den Punkt P^:
Aus dem letzten Satz ergibt sich unmittelbar die im Eingang
dieses Paragraphen erwähnte geometrische Interpretation der kon-
jugierten Punkte. Denn die Koordinaten x^', y^ des zu Pj kon-
jugierten Punktes P/ genügen den beiden Gleichungen
^(^l'; Vi, %) = ^{^ly %) - 2/i' = 0
und außerdem ist die Determinante
für X = x^'f y = yi7 ci = cIq von Null verschieden, da ihr Wert gleich
(faxi^ij ^o) is^- Hieraus erhalten wir nach der Theorie der Enve-
^) Vgl. § 11, a), Zusatz 1.
§ 13. Geometrische Bedeutung der konjugierten Punkte.
79
loppen^) folgende geometrisclie Interpretation: Man betrachte neben
der Extremale
eine benachbarte Extremale der durch den Punkt P^ gehenden Schar:
(S: y = (p{x,aQ-{-]c).
Wird dann '^k\ hinreichend klein gewählt, so schneidet^) die
Kurve (S die Kurve @q in einem und nur einem Punkt P in der Nähe
von P^'; und läßt man Je
gegen Null konvergieren, so
nähert sich der Schnittpunkt
P dem konjugierten Punkt
Pj' als Grenzlage. Nach
der Definition der Enve-
loppe haben vrir also den
Satz:
Der zum Funkt P^ kon-
jugierte Punkt P^ ist der-
jenige Punkte in welchem die
Extremale @o zum ersten Mal
(von P^ aus gerechnet) die
Enveloppe der Extremalenschar durch den Punkt P^ berührt
G{yy
r^==x, rg = 1 ,
A(aJ, x^) = X — x^.
Fig. 10.
also
Beispiel VI (Siehe pp. 32, 71): f--
Hier ist:
g{x, a, ß)=^ax
Es existiert also kein konjugierter Punkt, wie auch sofort aus der geo-
metrischen Deutung der konjugierten Punkte folgt; denn die Schar von Extre-
malen durch den Punkt P^ ist hier das Geradenbüschel durch P^.
Beispiel I (Siehe pp. 1, 33, 72): f=yyi-\-y'^^.
Hier ist
^) Vgl. Encyclopädie , HI D, p. 47. Der Beweis setzt die Stetigkeit von
$^, $y, $^, ^ax, ^ay, ^aa in der Nähe des Punktes x = x^\ y = y^\ a^a^
voraus. Diese Bedingungen sind für die Schar (32 a) erfüllt, wofern man die
weitere Voraussetzung macht, daß auch cp^^ existiert und stetig ist.
^) Vgl. die eingehendere Diskussion derselben Frage in Parameterdarstellung,
in § 30, c).
80 Zweites Kapitel. Die zweite Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
daraus erhält man für r^ und r, die beiden auf p. 72 mit u^ und u^ be-
zeichneten Funktionen und hieraus, in Übereinstimmung mit dem schon dort
angegebenen Resultat,
A(x, Xi) = Sh i; Ch Vj — Sh v^ Ch v -{- {v — v^) Sh v Sh v^ ,
wobei zur Abkürzung gesetzt ist
^ — ßo ^1 — A>
Daraus ergibt sich (wenn v^^O) für die Bestimmung von x^' die transzendente
Gleichung
Coth v — v^ Coth i\ — v^ . (37)
Da die Funktion^) Coth f — v von -}- oo bis — oo abnimmt, während v von
— oo bis 0 wächst, und dann wieder von -{- oo bis — oo abnimmt, während v
von 0 bis -f oo wächst, so hat die Gleichung (37) außer der trivialen Lösung
e; == i?j noch eine andere Lösung y/, und v^ und v^' haben entgegengesetztes
Zeichen.
Wenn daher v^^ > 0, d. h. wenn der Punkt P^ auf dem aufsteigenden Ast
der Kettenlinie liegt, so existiert kein zu Py konjugierter Punkt-.
A{x, rCi)=|=0 für jedes x^x^. Dasselbe Resultat gilt für Vj == 0.
Wenn dagegen v^ «< 0, d.h. wenn P^ auf dem absteigenden Äst der Kettenlinie
liegt, so existiert stets ein zu P^ konjugierter Punkt P/, und zwar liegt derselbe
auf dem aufsteigenden Ast. Der Punkt P/ kann geometrisch durch folgende
von LiNDELÖp^) entdeckte Eigenschaft bestimmt werden: Die Tangenten an die
Kettenlinie in den beiden Punkten P^ und P/ schneiden sich auf der Direktrix
der Kettenlinie, d. h. der x-Achse. Denn die Abszissen der Schnittpunkte dieser
beiden Tangenten mit der aj- Achse sind:
und
X = Xy — Uq Coth
X = x/-a. Coth ^~Ä
0^0
und es ist X' — X = 0 wegen (37).
Wir bemerken noch, daß die Lindelöf'sche Konstruktion ganz allgemein
für diejenigen Probleme der Variationsrechnung gilt, für welche das allgemeine
Integral der Euler'schen Differentialgleichung die Form hat:
=-(^-9
Wir knüpfen hieran noch einige Bemerkungen über die Enveloppe der
Schar von Kettenlinien durch den Punkt P^.
^) Der Leser möge sich die diese Funktion darstellende Kurve aufzeichnen.
*) LiNDELÖF-MoiGNo, loc. cit., p. 209, und Lindelöf, Mathematische
Annalen, Bd. 11 (1870), p. 160.
13. Geometrische Bedeutung der konjugierten Punkte.
81
Vom Punkt P^ aus läßt sich nach § 24, c) nach jeder Richtung (außer
parallel der y- Achse) eine Kettenlinie mit der rc-Achse als Direktrix ziehen. Be-
stimmt man auf jeder Kettenlinie dieser Schar den zu P^ konjugierten Punkt P^\
I
p.
'N4^
•^-y^'
N
Fig. 12.
SO ist der geometrische Ort der Punkte P/ die Enveloppe % der Schar. Nach
(37) erhält man die Enveloppe in Parameterdarstellung, wenn man u^ aus den
Gleichungen
{u — u^) _ Ch w
Ch^ ' ^ ~ ^^ Chu, '
« = ^1 + 2/i
Coth u — u = Coth u^ — u^
eliminiert.
Mac Neish^) hat diese Enveloppe näher untersucht. Sie hat etwa die
Gestalt einer Parabel mit der positiven Hälfte der Geraden x = x^^ als Achse
und dem Fußpunkt N der Senkrechten von P^ auf die ic- Achse als
Scheitel.
Hiermit hängt nun die Frage der KonstantenbestiMmung aufs engste zu-
sammen. Das Resultat ist folgendes^): Durch die Enveloppe % wird der von
der positiven ic-Achse und der positiven Hälfte der Geraden x = x^ begrenzte
Quadrant in zwei Teile I und 11 zerlegt (Fig. 12).
1. Nach jedem Punkt Pg im Innern von I lassen sich von P^ aus zwei
Kettenlinien mit der a;- Achse als Direktrix ziehen; die eine enthält den zu P^
konjugierten Punkt nicht, die andere enthält den konjugierten Punkt zwischen
P^ und Pg. Nur die erstere kann also ein Minimum liefern und tut es auch in
der Tat (vgl. § 19).
1) Ann als of Mathematics (2), Bd. VII (1905), p. 65.
^) ^gl- Goldschmidt, Determinatio superficiei minimae rotatione curvae data
duo puncta jungentis circa datum axeni ortae, Göttingen, 1831 ; H. A. Schwarz, Berliner
Vorlesungen, mitgeteilt von Hancock, Lectures on the Calculus of Variations,
Chap. III, und Mac Neish, loc. cit.
B 0 1 z a , Variationsrechnung. Q
82 Zweites Kapitel. Die zweite Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
2. Nach jedem Punkt P« der Kurve % läßt sich von Pj aus ehw Kettenlinie
mit der .x- Achse als Direktrix ziehen; auf derselben ist der Punkt P^ zugleich
der zu P^ konjugierte Punkt. Diese Kettenlinie liefert kein Minimum (vgl. § 43).
3. Liegt Pg im Innern des Bereiches II, so läßt sich von P^ aus keine
KettenUnie mit der ^-Achse als Direktrix nach P^ ziehen. ^)
§ 14. Notwendigkeit der Jacob i'schen Bedingung.
Wir haben bereits hervorgehoben , daß die beiden in § 12, a)
bewiesenen Sätze Jacobi's, obgleich sie uns wichtige Aufschlüsse über
das Vorzeichen der zweiten Variation geben, dennoch weder eine not-
wendige noch eine hinreichende Bedingung für die Existenz eines
Extremums enthalten.
Trotzdem kann man wenigstens eine notwendige Bedingung aus
dem ersten der beiden Sätze durch eine leichte Modifikation der
Jacob i'schen Schlußweise ableiten. Es läßt sich nämlich zeigen:
Wenn ^/<^2? so kann man d^J nicht nur gleich Null, sondern
sogar negativ machen.
Dies ist zuerst von Weierstrass ^) und Erdma:nn^) bewiesen
worden.
^) Hierzu die Übungsaufgaben Nr. 2—12, 35—40 am Ende von Kap. III.
2) Wkierstrass, (Vorlesungen) schreibt die zweite Variation in der Form
WO k eine kleine positive Konstante ist, und wendet auf das erste Integral die
Jacobi'sche Transformation an (§ 10, b)):
x^ -r^
S^j^s^i rnW{ri)dx — krri^dx\,^
Xi Xi
wo
Win) = {iP + ^)-Q')n- -/- (^ V) .
Dann zeigt er auf Grund allgemeiner Sätze über Differentialgleichungen, welche
einen Parameter enthalten (vgl. unten § 24, e) und Poixcare, Mecanique Celeste
(Paris 1892), Bd. I, p. 58, und Picard, Traite, Bd. III, p. 157), daß man für
hinreichend kleine Werte von k eine Funktion rj der Klasse D" konstruieren
kann, welche der Differentialgleichung W(r]) = 0 genügt und in x^ und x^ ver-
schwindet. Für eine solche Funktion r] ist aber offenbar ^V negativ.
3) Schlömilch's Zeitschrift, Bd. XXIII (1878), p.*367.
§ 14. Notwendigkeit der Jacobi'sclieii Bedingung. 33
Andere Beweise sind später von Scheeffer^) und Schwarz 2)
gegeben worden.
a) Der Erdmanii'sclie Beweis:
Wir nehmen also an^ es sei
x; < x^ . (38)
Alsdann können wir eine Größe x^ so wählen, daß
und gleichzeitig
A«, ^,) + 0.
Wir bezeichnen dann
u = A(;r, ^i) , z; = + t^{x, x^) ,
wohei wir uns die Wahl des Vorzeichens vorbehalten. Die Funktionen
u und V sind zwei linear unabhängige Integrale der Jacob loschen
Differentialgleichung (10); daher gilt für sie der Abel'sche Satz (19),
welcher für die spezielle Differentialgleichung (10) die Form annimmt
R(uv -uv) = K, (39)
wo K eine von NuU verschiedene Konstante ist.
Jetzt wählen wir das Vorzeichen von v so, daß K positiv wird.
Dies ist stets möglich; denn wenn man v durch — v ersetzt, so geht
^ in — ^ über.
Da ferner auch u und u — v ein Fundamentalsystem von Inte-
gralen der Differentialgleichung (10) bilden, so folgt nach dem
Sturm'schen Satz, daß u — v eine und nur eine Nullstelle zwischen
% und x^' besitzt; wir bezeichnen dieselbe mit C; es ist dann also
u(c) = v(c) .
1) Mathematische Annalen, Bd. XXV (1885), p. 548; der Scheeffer'sche
Beweis ist nur unwesentlich von dem Erdmann'schen verschieden.
^) In seinen Vorlesungen, 1898—1899; vgl. Sommerfeld, Jahresbericht der
deutschen Mathematikervereinigung, Bd. YIII (1900), p. 189, und Hancock,
Lectures on the Calculus of Variations, Nr. 133. Es ist zu beachten, daß bei allen
diesen Beweisen die Annahme x^' <^x^ (mit Ausschluß des Gleichheitszeichens!)
wesentlich ist; für den Fall x^' = x^^ soweit er nicht durch Erdmanns Formel
(20) für ^V erledigt wird, vgl. Kneser, Mathematische Annalen, Bd. L (1897),
p. 50, und Osgood, Transactions of the American Mathematical Society,
Bd. II (1901), p. 166. Wir werden diesen Fall später in Parameterdarstellung
ausführlich behandeln (vgl. § 43).
6*
84 Zweites Kapitel. Die zweite Variation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
Jetzt wählen wir die Funktion rj folgendermaßen:
in [x^ c]
7] =lv in [cx^']
0 in [x^'x^] .
Die so definierte Funktion t] ist von der Klasse D" in [^Ti^z^g]- Denn
sie ist selbst stetig wegen u(c) = v{c) und v{x^) = 0, während ihre
Ableitungen in c und x^ Unstetigkeiten der in § 10, c) charakte-
risierten Art besitzen. Wir dürfen also die Formel (13) für die
zweite Variation anwenden und erhalten, da ^(?^) = 0 in jedem der
drei Teilintervalle,
dV= e'ri{c)B[c) [r;{c - 0) - n\c + 0)] .
Da aber
ri{c) = u{c) = v{c) ,
und
ri{c — 0) = u{c) , i](c + 0) = v{c) ,
so können wir dies schreiben
dV= - e'-B{uv - UV) \ -- ^^K, (40)
wobei wir von dem allgemeinen Substitutionszeichen
Q{x) I' = Oic) (41)
Gebrauch machen. Da X > 0 , so ist hiermit bewiesen, daß man in
der Tat die zweite Variation, und daher auch die vollständige Vari-
ation Ae7 negativ machen kann.
b) Der Schwarz'sche Beweis:
In § 10, b) und § 12, a) haben wir nach Jacobi's Vorgang eine
Funktion t^- aufgestellt, für welche d^J=0; Schwarz konstruiert
nun auf folgende Weise eine von jener Funktion nur unendlich wenig
abweichende Funktion, für welche d^J'< 0. Er wählt:
|^f + Ä;5 in [^i^/]
I IxS in [^i'a^g],
wo wieder u = dk(^x,x^, während s irgend eine Funktion der Klasse
C" bedeutet, welche in x^ und x^ verschwindet, dagegen in x^ von
Null verschieden ist; h endlich bedeutet eine kleine Konstante.
§ 14. Notwendigkeit der Jacobi'schen Bedingung. 85
Die so definierte Funktion rj ist von der Klasse D" in [^i^^gj;
sie ist stetig, da u(x^') = 0, und ihre Ableitungen haben als einzige
Unstetigkeitsstelle den
Punkt X = x^\
Wir dürfen daher
zur Berechnung von d^J
wieder die Formel (13) ~
anwenden. Da
Fig. 14.
ri(xj==]cs{x^'),
v\^i — 0) = u{x^') + ]cs\x^')y
rj\x^' + 0) = lcs{x^'),
so erhalten wir
ö'J=£^{]cR{x^')u{x^')s{x^') +f(u + 1cs)W(u + ]cs)dx +
+f]csWQcs)dx]-
Beachtet man nun, daß
ferner daß
und daher nach (14)
»'■•PC«) = -/^-R(««' -«'«),
und endlich daß
w(^i) = 0, u(xi) = Oj s(xj) = 0 ,
so reduziert sich der Ausdruck für d^J auf
dV = £2 }^2kR{x^') u{x^') s{x,') + k'J sW{s) dx ] • (42)
Nun ist nach Voraussetzung li{x^)=^0'^ ferner nach § 11, a)
u (x^) 4= 0, weil u{x^) = 0; und endlich s(x^) 4= 0 nach der Bildung
der Funktion s. Also ist der Koeffizient von k von Null verschieden,
und daher können wir durch passende Wahl von h die zweite Vari-
ation in der Tat negativ machen.
c) Ein Lemma über Variationen der Klasse B :
Wir haben zwar im Vorangehenden gezeigt, daß AJ negativ
gemacht werden kann; damit ist aber noch nicht bewiesen, daß kein
86 Zweites Kapitel. Die zweite Yariation bei der einfachsten Klasse von Aufgaben.
Minimum eintreten kann. Denn die spezielle Yariation, welche wir
dazu benutzt haben^ gehört gar nicht zu den zulässigen Vari-
ationen, da ja die Ableitung von rj Unstetigkeiten im Intervall
[x^x^] besitzt. Der Beweis wird erst vollständig durch den folgenden
Hilfssatz ^):
Kann man AJ negativ machen mittels einer Variation der
Klasse D\ so ist dies stets auch möglich mittels einer Variation der
Klasse C.
Man beweist denselben leicht mittels eines Prozesses, den man
kurz als „Abrunden der Ecl^en" beschreiben kann. Es sei nämlich
eine die beiden Punkte P^ und Pg verbindende, ganz im Innern des
Bereiches Öl gelegene Kurve der Klasse D', für welche
AJ=J--J <0;
ferner sei C(a, h) eine der Ecken der Kurve ß, und p^, 2h ^i®
beiden Werte des Gefälles der Kurve S in der Ecke C. Sodann
wählen wir eine positive Größe L^\p^\, \P2\, nehmen auf S zwei
der Ecke links und rechts benachbarte Punkte Q^ und Q^ mit den
Abszissen a — h und a -j- h^ und konstruieren eine Kurve ß der
Klasse C, welche durch Q^ und Q<^ geht, die Kurve S in §i ^^^ Qi
berührt, und deren Gefälle dem absoluten Werte nach beständig
kleiner als L ist, was stets möglich ist, z. B. indem man die Kurve ^
aus einem Segment einer Geraden und einem
Kreisbogen zusammensetzt.
Man zeigt dann leicht weiter^): Ist 6 eine
beliebig kleine vorgegebene positive Größe, so
kann man stets h so klein wählen, daß
"^^ T^^h Wir „runden jetzt die Ecke C ab", indem
Fig. ir>. wir das gebrochene Stück Q^ C Q., durch das
Stück öl Q.2 der Kurve ^ ersetzen.
Führen wir diese Operation für sämtliche Ecken der Kurve ^
durch, so erhalten wir als Resultat eine Kurve 2 der Klasse C,
*) Vgl. hierzu Goursat, Cours d' Analyse, II, p. 606.
') Wählt man <? >> 0 so klein, daß die geschlossene Umgebung
[q\: \x—a\'^Q, \y—'b\<Q
§ 14. Notwendigkeit der Jacobi'schen Bedingung. 87
welche ebenfalls die beiden Punkte P^ und P^ verbindet und im
Bereicb 61 liegt, und durch Verkleinerung von h können wir er-
reichen, daß die Differenz J^ — J^ dem absoluten Wert nach unter
jede vorgegebene Größe sinkt. Da nun nach Voraussetzung J-^ — J^ < 0,
so können wir durch Verkleinerung von li auch erreichen, daß
^s-^(j.<0, Q-E-D.
Wir dürfen daher jetzt den Satz aussprechen:
Fundament als atz III: Die dritte notwendige Bedingung für ein
Minimum (Maximum) besteht darin, daß
A(,r, X,) 4= 0 (III)
für alle Werte von x in dem offenen Intervall x^<^x <ix^_^.
Znsatz: Dieselbe Bedingung läßt sich auch schreiben: ^^ < ^\.
oder aber x^ existiert nicht, d. h. wenn der Endpmikt P^ j^^seits des
zu Pj konjugierten Punktes P^ liegt, so findet kein Maximum oder
Minimum statt.
Wir werden diese Bedingung die Jacohi'sche Bedingung nennen.
des Punktes C ganz im Innern des Bereiches di liegt, so bat die Funktion
1/(^1 ?/» y')\ öiii endliches Maximum M im Bereich
\x — a\<^Q, |2/ — &r<(>, \y\<L.
Wählt man jetzt /i<^p, so ist das Integral J, genommen entlang irgend
einer Kurve: y = y{x) der Klasse D', welche ganz in [p]^ liegt und der Be-
dingung I y\x) I <^ L genügt , vom Punkt a — h bis zum Punkt a -f- /', dem ab-
soluten Wert nach kleiner als 2h M, also
Drittes Kapitel.
Hinreichende Bedingungen bei der einfachsten Klasse Yon
Aufgaben.
§ 15. Hinreichende Bedingungen für ein „schwaches Extremum"^).
Wir setzen jetzt voraus, daß für unsere Extremale ")
die beiden Bedingungen erfüllt sind:
R{x) > 0 , für x^<^x^x^, (ir)
A (^, ^i) =h 0 , für x^<x<: x^ '') (IIP)
und fragen: Sind diese Bedingungen hinreichend für ein Minimum?
Dies ist in der Tat bis in die siebziger Jahre des vorigen Jahr-
hunderts allgemein als selbstverständlich angenommen worden, und
erst Weierstrass hat gezeigt, daß der Schluß falsch ist. Es ver-
lohnt sich daher genauer zuzusehen, einerseits worin der Fehlschluß
bestand, andererseits was man aus den obigen Annahmen wirklich
schließen darf. r»
^) Man vergleiche für diesen Paragraphen die Arbeit von Scheeffer, Über
die Bedeutung der Begriffe Maximum und Minimum in der Variationsrechnung ,
Mathematische Annalen, Bd. XXVI (1886), p. 197, welche für die Aufklärung
der Grundbegriffe der Variationsrechnung von größter Wichtigkeit gewesen ist.
^) An den im Eingang von § 9, a) über die Extremale ö;^ gemachten An-
nahmen wird ein für allemal festgehalten; sie sind bei allen in der Folge über
die Extremale S^, aufgestellten Sätzen, den sonstigen Voraussetzungen hinzu-
zufügen. Vgl. auch p. 58.
^) Man beachte das Gleichheitszeichen, durch welches sich (IIF) von (III)
unterscheidet; wegen des Falles x^' = x^ vgl. die Zitate auf p. 8.3, Fußnote *)•
§ 15. Hinreichende Bedingungen für ein „schwaches Extremum". 89
a) Analyse des FeUscMusses :
Wir haben gesehen, daß aus den beiden Annahmen (11') und (HI')
in aller Strenge folgt, daß d^J'> 0 für alle zulässigen Funktionen t^,
welche nicht identisch verschwinden. Daraus folgt aber in der Be-
zeichnung von § 4: Hat man eine zulässige Funktion r^(x) fest ge-
wählt, so besitzt das Integral
Ji^) =jf{^, y + ^Vy y + fV)^^
als Funktion von s ein Minimum für ^ = 0, da J'(0) = 0, J''(0)>0.
Das heißt: Es läßt sich eine positive Größe 8 angeben, derart daß
AJ^O für alle Kurven der Schar
y = y{^)-^^v{^)y (1)
für welche 0 < ] f | < d, oder wie wir sagen können: In Beziehung
auf die spezielle Schar (1) von Kurven liefert ©^ wirklich ein
Minimum.
Ist andererseits eine beliebige zulässige Kurve
gegeben, so läßt sich dieselbe stets als Individuum einer Schar dieser
Art betrachten-, man braucht nur für r](x) die Funktion r}(x) = y{x) —
— y{x) zu wählen, so liefert die Schar (1) für e ^ 1 die gegebene
Kurve.
Hiernach scheint in der Tat aus den angegebenen Bedingungen
die Existenz eines Minimums zu folgen. Dabei ist aber ein wesent-
licher Punkt außer Acht gelassen. Die Funktion J{e)j und daher
ebenso die Größe d, hängt von der Wahl der Funktion r]
ab-, dies wollen wir auch in der Bezeichnung^) zum Ausdruck bringen,
indem wir statt ö schreiben ö . Um unsere Definition des Minimums
(§ 3, b)) zur Yergleichung heranziehen zu können, führen wir das
Maximum m,^ der Funktion \'yi{x)\ im Intervall \x^x^ ein und setzen:
Q^ = m^d„; dann folgt für das Inkrement Ay = y(x) — y{x) :
\^y\<Q^j in [x^x.;\ (2)
für alle Kurven der Schar (1), für welche £ j < ^^ , d. h. diese Kurven
^) Nach E. H. Moore, vgl. z. B. Transactions of the American Mathe-
matical Society, Bd. I (1900), p. 500. Diese Bezeichnungsweise empfiehlt
sich sehr bei allen schwierigeren Grenzbetrachtnngen.
90 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse v. Aufgaben.
liegen alle in der Nachbarschaft^) {q^^ von @o- Umgekehrt: Ziehen
wir in der Nachbarschaft (p,^) von i^Q irgend eine Kurve der Schar
(1), so ist für dieselbe AJ> 0; denn aus der A^nnahme (2) folgt aus
der Betrachtung des speziellen Wertes von Xy welcher ; ri(x) \ = m,
liefert, daß s <C d^.
Betrachten wir jetzt die Gesamtheit aller nicht identisch ver-
schwindenden zulässigen Funktionen 7]j so besitzt die Menge der zu-
gehörigen Werte q^^ nach § 2, a) eine untere Grenze Q^^, Avelche ent-
weder positiv oder Null ist. Wenn nun Qo>0, so kann man schließen,
daß A J"> 0 für alle zulässigen Variationen ^, welche ganz in der
Nachbarschaft (qq) von @o liegen, wie man sofort sieht, wenn man
die gegebene Kurve ß in der oben angegebenen Weise in eine Schar
von der Form (1) einreiht. In diesem Fall tritt also tatsächlich ein
Minimum ein. Die Untersuchungen des nächsten Paragraphen
werden jedoch ergeben, daß es unmöglich ist, allgemein zu be-
weisen, daß Qq> 0. Wenn aber Qq = 0, so wird der ganze Schluß
hinfällig.
Es zeigt sich also, daß der Fehlschluß in letzter Instanz auf der
stillschweigenden Annahme, daß ()q > 0, oder was auf dasselbe hinaus-
läuft, auf der Verwechslung von Minimum und unterer Grenze
beruht, die an den meisten Fehlern und Ungenauigkeiten der älteren
Infinitesimalrechnung Schuld trägt.
Es läßt sich aber auch a priori einsehen^), daß die Methode,
welche unserer ganzen bisherigen Untersuchung zugrunde lag, über-
haupt nie zu hinreichenden Bedingungen führen kann, so lange man
der Funktion f ihre volle Allgemeinheit läßt.^)
Denn wenn man die Taylor^sche Entwicklung (mit oder ohne
Restglied) auf die Differenz
^f=f(^y y + Ai/, y -f A/) - fix, ij, ij)
anwendet und integriert, so kann man aus dem Vorzeichen der ersten
Glieder nur dann auf das Zeichen von Ae7 schließen, wenn nicht
nur I Ai/ 1, sondern auch \Ay'\ hinreichend Mein bleibt, oder, geometrisch
gesprochen, wenn für entsprechende Punkte der Kurven ©^ und S
p Vgl. § 3, b).
-) Zuerst von Weierstrass betont.
^) Dagegen kann man für spezielle Funktionen /"mittelst der Taylor'schen
Formel hinreichende Bedingungen ableiten, z. B. wenn f{x, y ^ y') die Ableitung y'
überhaupt nicht enthält; vgl. auch p. 122, Fußnote ^), sowie die Übungsaufgaben
Nr. 20, 21 am Ende von Kap. III.
§ 15. Hinreichende Bedingungen für ein „schwaches Extremum". 91
nicht nur der Abstand, sondern auch der Unterscliied in der Richtung
der Tangenten hinreichend klein ist.^)
b) Das schwache Extremum:
Sehen wir jetzt zu, was aus den beiden Voraussetzungen (IP)
und (Iir) wirklich gefolgert werden darf. Wir können das Resultat
am einfachsten formulieren, wenn wir den Begriff des „schwachen
Extremums" einführen^): Wenn es zwei positive Größen q und q'
gibt, derart, daß AJ^O für alle zulässigen Variationen, für welche
gleichzeitig
\Ay\<Q und \Ay\<Q' für x^^x^x^y (3)
so sagt man nach Knp:ser {Lehrbuch, § 17): die Kurve (S^ liefert ein
schwaches Minimum für das Integral J, und unterscheidet davon das
Minimum, wie wir es nach Weierstrass definiert haben (§ 3, b)), und
bei welchem die zulässigen Variationen nur durch die erste Ungleichung
\Ay\<^Q eingeschränkt sind, als starlies 3Iinimum. Aus der Defini-
tion folgt, daß, wenn eine Kurve ein starkes Extremum liefert, sie
allemal auch a fortiori ein schwaches Extremum liefert, aber nicht
umgekehrt.
^) Auf diesen Punkt hat zuerst Todhunter aufmerksam gemacht, siehe
Researches in the Calculus of Variations (London and Cambridge, 1871), p. 269.
^) Man kann das schwache Extremum noch kürzer definieren, wenn man
mit Kneser den Begriff der „ewigeren Umgebung'-'- einer Kurve
von der Klasse C einführt. Darunter versteht man irgend einen Bereich im
Raum der Variabein ^, y^ y\ welcher die Kurve
©': 2/ = y{x) , y' = y'{x), x^<^x<^ x^
ganz in seinem Innern enthält.
Weiter sagen wir, eine zweite Kurve
^: y = y{x), X^<_X<_X,^
liege in einer gewissen engeren Umgebung äL' von ß, wenn die Kurve
©': y = y{x), y' = y'{x), X^<^X<^x.,
im Raum der Variabein x, y, y' in äl' liegt.
Unter Benutzung dieser Terminologie können wir sagen: Die Kurve ©^ liefert
für das Integral J ein schivaches Minimum, tvenn: AJ^O für alle zulässigen
Variationen in einer geivissen engeren Umgebung von (S^ .
Zermelo hat diese Unterscheidungen noch weiter ausgebildet, indem er von
einer Umgebung 0^**'', 1 *'''■, . . . m*®'' Ordnung spricht, vgl. Dissertation, p. 29.
92 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse v. Aufgaben.
Mit Benutzung dieser Terminologie können wir dann den fol-
genden Satz^) aussprechen:
Wenn für die Extremale (Sq die Bedingungen
R(x)>0, für Xj^^x^x^j (II')
A{x, x^) H= für x^<x^x^, (Iir)
erfüllt sind, so liefert sie zum mindesten ein schwaches Minimum für
das Integral J.
Der Satz ist zuerst von Weterstrass 2) in seinen Vorlesungen
bewiesen worden ; der erste publizierte Beweis stammt von Scheeffer^) ;
der folgende Beweis rührt von Kneser^) her:
Wir variieren die Extremale ©^^ indem wir sie durch eine be-
liebige^) zulässige Kurve
S: y = y{x), X^^X'^X^
ersetzen, und bezeichnen, wie schon früher, das Inkrement Ay =
= y{x) — y(x) mit 03. Dann wenden wir, wie in § 4, auf das In-
krement Af die Taylor'sche Formel mit Restglied an, brechen aber
diesmal erst bei den Gliedern dritter Ordnung ab. Wir können dann
schreiben
^2 ^2
dx
wo Z und iV „gleichmäßig^) unendlich klein^' sind im Intervall [iCi a^g],
worunter wir folgendes verstehen: Zu jeder positiven Größe ö gibt
es eine zweite positive, von x unabhängige Größe p^, derart daß
\L\<6, \N\<6 in [x^x^
vorausgesetzt, daß
\^\<Qa, und I 0)' I < (),, in [x^ x^'\ .
') Vgl. p. 88, Fußnote *).
^ Vgl. Hancock, Lectures Nr, 137 — 139; der Weierstraß'sche Beweis
beruht auf ähnlichen Prinzipien wie der von Kneser.
«) Mathematische Annalen, Bd. XXVI (1886), p. 200.
*) Jahresbericht der deutschen Mathematiker - Vereinigung,
Bd. VI (1899), p. 95. Wir gehen nicht auf die Einzelheiten des Beweises ein, da
sich später ein einfacherer aus dem Weierstraß'schen Theorem (§ 19, c)) er-
geben wird.
*) Jetzt, wo es sich um hinreichende Bedingungen handelt, dürfen wir
uns nicht mehr auf spezielle Variationen der Form ari oder selbst (o(x,s), be-
schränken.
«) Vgl. A II G.
§ 15. Hinreichende Bedingungen für ein „schwaches Extremum''. 93
Mittelst der Legend re'schen Transformation (§ 9^ b)) läßt sich
das erste Integral auf die Form bringen
Da wir voraussetzen^ daß die Bedingungen (IF) und (HF) erfüllt
sind^ so existieren^) Lösungen der Legendre'scben Differentialgleichung
welche in [x^x^] von der Klasse C sind. Daraus folgt nach all-
gemeinen Sätzen^) über Differentialgleichungen, welche einen kon-
stanten Parameter enthalten, daß auch die Differentialgleichung
P + t^-'^V^-'^ (5)
Integrale besitzt, welche in [x^^x^] von der Klasse C sind, voraus-
gesetzt, daß die Konstante c hinreichend klein genommen wird.
Wählen wir für w ein solches Integral von (5) und schreiben zur
Abkürzung:
SO nimmt der Ausdruck für AJ die folgende Form an:
wo A, it, V in demselben Sinne wie L und N gleichmäßig unendlich
klein sind in [^^^g]- Statt dessen können wir aber schreiben
X.J,
Aj=i/[(B+.)(j+^;-o,)%(c^ + A-^->^]d^,
Xi
und da A, ft, v in dem angegebenen Sinne unendlich klein sind, so
können wir zwei positive Größen q und q' so wählen, daß R -{- v ^ 0
^) Dies folgt aus dem Zusammenhang zwischen der Legendre'schen und
Jacob i'schen Differentialgleichung, vgl. § 10, a) und § 12, a).
2) Siehe die Zitate auf p. 82, Fußnote ^) und § 24, e).
94 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse v. Aufgaben.
und c^ + A — -pV > 0 in [x-^^x^] und daher AJ'> 0, vorausgesetzt,
daß ' CO I < ^ und. 'a \ < ()', womit der Satz bewiesen ist.
c) Schwaclie und starke Variationen:
Die Ausdrücke ,,scliwacli" und j,stark^^ werden bisweilen auch auf die
Variationen übertragen. ^) Eine einen Parameter e enthaltende Variation
Ay == co(x, s)
heiße scJnvacli, wenn nicht nur
L(o(x, 8) = 0, sondern aucli La){x, s) = 0,
und zwar gleichmäßig^) im Intervall [^iiP2]? dagegen stark, wenn zwar
die erste aber nicht die zweite Bedingung erfüllt ist.
Sowohl die Variationen der Form
Ay = £7]
als auch die allgemeineren in § 8 betrachteten „Normalvariationen"
sind schwache Variationen.^)
Dagegen stellt die Funktion^)
Ay = £ sm ^ "^ '-,
wo n eine positive ganze Zahl ist, eine starke Variation dar-, hier
ist die Bedingung
LAy^O
f = 0
erfüllt, aber nicht die Bedingung
LAy' = 0.
s= 0
Andere Beispiele von starken Variationen werden in § 15, d)
vorkommen.
d) Unzulänglichkeit der Bedingungen (I), (ll'), (IIP), für ein
starkes Minimum:
Wir kehren jetzt wieder zum starken Extremum zurück und
beweisen, daß die drei Bedingungen (I), (11'), (III') für ein starkes
^) Vgl. Osgood, loc. cit., p. 106. Die Terminologie ist schwankend.
2) Verl. A II 6.
3) Daraus folgt, daß die Bedingungen (I), (II), (III) nicht nur für ein starkes,
sondern auch für ein schwaches Minimum notwendig sind.
*) Dies ist eine von Goursat herrührende Modifikation eines Beispiels von
Weierstkass.
§ 16. Konstruktion eines Feldes von Extremalen. 95
Extremum nicht hinreichend sind. Dazu genügt es, ein einziges Bei-
spiel beizubringen, in welchem die Bedingungen (I), (11'), (HI') erfüllt
sind, und in welchem trotzdem kein Minimum stattfindet. Ein ein-
faches Beispiel^) dieser Art ist das folgende:
Beispiel IX: Das Integral
•^1
zu einem Minimum zu machen unter der Annahme, daß die Koordi-
naten der Endpunkte sind: (x^, y^ = (0, 0), (x^, y^) = (1, 0).
Die Extremalen sind hier ge-
rade Linien, und (Sq ist das Seg-
ment [Ol] der ^- Achse. Ferner ist
B = 2
\-p
^r.
Fig. 16.
A(^, x^ =- {x — x^'^
somit sind die Bedingungen (I),
{IV), (IIP) für ein Minimum erfüllt.
Trotzdem kann Ae7 negativ gemacht werden. Denn wählen wir für S
die gebrochene Linie P^PP^ und bezeichnen die Koordinaten von P
mit {l—p,q)j wo 0<^<1 und g > 0, so erhalten wir für AJ
den Ausdruck
Pil—P)\ 1—p pj
Ist nun irgend eine Nachbarschaft (^) von (S^ gegeben, so wähle
man ^ < (>; dann kann man p stets so klein nehmen, daß A«7<0.
Schließlich kann man nach dem Lemma über Abrundung der
Ecken, § 14, c), die gebrochene Linie P^PP^ durch eine Kurve der
Klasse C ersetzen, welche ebenfalls AJ<0 macht, womit unsere
Behauptung bewiesen ist.
§ 16. Konstruktion eines Feldes von Extremalen.
Nachdem im vorigen Paragraphen gezeigt worden ist, daß die
bisher als notwendig erkannten Bedingungen nicht hinreichend sind,
^) Das erste Beispiel dieser Art war das Problem des Rotationskörpers von
geringstem Widerstand, mit dem wir uns später noch ausführlich beschäftigen
werden (§ 49). Schon Legendre fand, daß der Widerstand durch eine passend
gewählte Zickzacklinie beliebig klein gemacht werden kann; vgl. Legendke, loc.
cit., p. 73 in Stäckel's Übersetzung, und Pascal, loc. cit., p. 113.
96 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse v. Aufgaben.
wäre es das natürlichste, zunächst nach weiteren notwendigen Be-
dingungen^) zu suchen. Wir werden jedoch, um Wiederholungen zu
vermeiden, hier diesen Weg nicht einschlagen, sondern uns direkt zur
Ableitung des Weierstraß'schen Fundamentalsatzes wenden, aus dem
sich sowohl weitere notwendige als auch hinreichende Bedingungen
ergeben werden. Dazu ist es vor allem nötig, den wichtigen Begriff
eines „Feldes von Extremalen" zu entwickeln.
a) Definition eines Feldes von Extremalen:
Wir betrachten irgend -) eine Schar von Extremalenbogen
tj = cp{x, a), x(a) ^x^ x(a) , (6)
und beschränken den Parameter a auf ein Intervall
«i5a<a^. (6a)
Die Funktionen x(a), x(a) sollen im Intervall [a^a^] stetig sein
und der Ungleichung: x{a) < x(a) genügen; und die Funktionen q)
und (f^ sollen von der Klasse C sein in dem Bereich
c^i^a <^a2y x{a) ^ ^r < x{a) . (7)
Wir sagen dann: die Bogenschar (6), (6a) bildet ein „Feld'^) von
Extremalen'^ wenn Iceine zwei Bogen der Schar einen Punkt gemeinsam
haben. Das läßt sich auch so ausdrücken: wenn die Gleichungen
X = X , y = (p(x, a) ,
als Transformation zwischen der x, a-Ebene und der x, ?/-Ebene auf-
gefaßt, eine ein-eindeutige Beziehung zwischen dem Bereich (7) der
X, a-Ebene und dessen Bild in der x , ^/-Ebene, das wir mit gT be-
zeichnen, definieren. Das Feld ist dann eben diese Punktmenge oT,
d. h. die Gesamtheit der Punkte sämtlicher Bogen der Schar (6), (6a),
oder, wie wir auch sagen können, derjenige Teil der Xj ?/-Ebene,
^) Eine vierte notwendige Bedingung wird sich später aus dem Weier-
straß'schen Fundamentalsatz ergeben, § 18, a); eine direkte Ableitung derselben
nach der Methode von Weierstrass findet man bei Bolza, Lectures, § 18, b); bei
GouRSAT, Cours d' Analyse, Bd. II, p. 607, und in Parameterdarstellung unten
in § 31.
^) Die Bezeichnung q)(x, a) ist also hier allgemeiner als in § 13, a).
') Nach Kneser, Lehrbuch, § 14; der Begriff eines Feldes in einem
engeren Sinn rührt von Weierstrass her, im allgemeinsten Sinn von H. A. Schwarz,
Werke, Bd. I, p. 225. Vgl. auch Osgood, loc. cit. p. 112, und Goursat, loc. cit.
p. 611.
§ 16. Konstruktion eines Feldes von Extremalen. 97
welcher von den Extremalenbogen (6) überstrichen wird, wenn der
Parameter a von a^ bis a^ wächst.
Da die Begrenzung i^ des Bereiches (7) eine stetige, geschlossene
Kurve ohne mehrfache Punkte ist (eine sogenannte „Jordan'sche
Kurve"), so ist auch das Bild S' von S eine solche Kurve; sie teilt
daher nach A VI 2 die x, i/-Ebene in ein Inneres und ein Äußeres.
Nach einem allgemeinen Satz von Schönflies ^) ist dann die Punkt-
menge qT identisch mit dem Inneren der Kurve £' zusammen mit der
Begrenzung 2'. Das Feld ist also stets einfach zusammenhängend .
Analytisch bedeutet die oben gegebene Definition eines Feldes,
daß die Gleichung
ij = (p{x, a)
für jeden Punkt {x, y) des Bereiches oT eine und nur eine Wurzel a
besitzt, welche der Ungleichung (6a) genügt; diese Wurzel ist also
eine in of eindeutig definierte Funktion von x und y, die wir mit
a = a{x, y)
bezeichnen und die inverse FunMion des Feldes nennen, so daß also
y = (p(x, a{x,y)), öt^ ^ a(^, ?/) ^ «2 (ß)
für jeden Punkt (x, y) von qT und
a = a(x, q)(x, a)) (8a)
für jeden Punkt (x, a) des Bereiches (7).
Es soU dann neben der angegebenen Haupteigenschaft des Feldes
noch die weitere Bedingung in die Definition des Feldes aufgenommen
werden, daß die inverse FunMion a(x, y) im Bereich 0? von der
Klasse C sein soll.
Wir beschränken uns überdies ausschließlich auf Felder, welche
ganz im Bereich 61 liegen.
Die durch einen beliebigen Punkt (x, y) von oT gehende Feld-
extremale hat in diesem Punkt ein ganz bestimmtes Gefälle, welches
daher ebenfalls eine in of eindeutig definierte Funktion von x und y
ist; wir bezeichnen dieselbe mit p{Xj y) und nennen sie die Gefäll-
funhtion des Feldes, so daß also
^) Ygl. A YII 2; um den Satz von Schönflies anwenden zu können, trans-
formiere man zunächst den Bereich (7) in ein Quadrat mittels der Transformation
x{a) — x{a) <*2
Bolza, Variationsrechnung.
98 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse v. Aufgaben.
p{x, y) = (p^{x, a(x,y)). (9)
Nach den über die Funktionen ^ und a gemachten Annahmen folgt
nach A IV 9, daß p{x, y) im Bereich oT von der Klasse C ist. Zu-
gleich folgt aus (8 a) und (9) die Identität
p{x, (p(Xj a)) = (p^{x, a) (9a)
für jedes {x, d) in (7).
Man kann die Definition des Feldes dahin verallgemeinern, daß
man auch „offene'^ und „unendliche" Felder zuläßt, indem man
gestattet, daß in den Ungleichungen (7) einige oder alle Gleichheits-
zeichen unterdrückt werden, und daß die Intervalle a^, a^ und x{a)j
x{a) sich nach einer oder nach beiden Seiten ins Unendliche er-
strecken (vgl. die Beispiele unter b)).
Eine weitere Verallgemeinerung, von der wir jedoch keinen Ge-
brauch machen werden, erhält man, wenn man jeden Teilbereich eines
Feldes selbst wieder ein Feld nennt.
b) Beispiele von Feldern von Extremalen:
Wir wollen diese Definitionen zunächst an einigen Beispielen er-
läutern.
Beispiel VI (Siehe p. 32): f=G{y').
Hier waren die Extremalen die Geraden der Ebene. Die Schar paralleler
Geraden
y=^mx-\-a,
— Oü<aj<-foü, — (X)<a<-[-oü,
bildet ein Feld, das aus sämtlichen (im Endlichen gelegenen) Punkten der x, y-
Ebene besteht. Hier ist
(i{x,y) = y — mx, p{x,y) = m.
Ebenso liefert die Schar von Halbstrahlen durch einen festen Punkt Pq :
2/ = 2/o + «(^ — ^o)
^o^-^'^C + Oü, — oo<a< -|- oo
ein Feld, nämlich die durch die Ungleichung x >> x^ charakterisierte Hälfte der
Ebene. Man pflegt das auch so auszudrücken: Die Halbebene x'^x^^ wird
durch das obige Geradenbüschel „einfach und lückenlos" ausgefüllt. Es ist hier
Zuweilen ist es wünschenswert, den Punkt P^ dem Feld zu adjungieren;
wir nennen allgemein ein Feld, dem gewisse, ursprünglich nicht zu ihm gehörige
Punkte seiner Begrenzung adjungiert worden sind, ein „uneigentliches Feld''.
§ 16. Konstruktion eines Feldes von Extremalen. 99
Beispiel VII (Siehe P- 33): f=LHl^.
Die Extremalen waren die Halbkreise mit dem Mittelpunkt auf der o;- Achse.
Hier bilden z. B. die konzentrischen Halbkreise mit demselben Mittelpunkt
y = ya^- {x - x,j^ ,
0<a<oo, X(^ — a<^x^XQ-\-a
ein Feld, nämlich die obere Halbebene : y^ 0 . Dabei ist
Beisp i e l VIII (Siehe p. 33) : f = Yy^ l/l — y~^ .
Die Extremalen waren hier die Parabeln
Wir greifen aus dieser doppelt unendlichen Schar von Parabeln die einfach un-
endliche Schar durch den Koordinatenanfang heraus |a=y, /S = — |:
x'
y^x---,
0<a<oo, 0<^< + cx).
Dieselbe bildet ein Feld, bestehend aus dem Inneren des Winkelraums zwischen
der positiven ic- Achse und dem Halbstrahl von der Amplitude ^) — vom Koordinaten-
anfangspunkt aus, inklusive der positiven ic- Achse, jedoch mit Ausschluß des
Punktes (0,0):
cf: x"^ y ^0 .
Man findet
. x^ . . 2y — x
a(^, 2/) = -^^- , Pi^. y) = ---^— •
Beispiel I (Siehe pp. 1, 33, 79): /"= y ]/l-|-^^^2A
Wir betrachten die Schar von Kettenlinien mit der ic-Achse als Direktrix,
welche durch den Punkt P^ gehen. Von jeder dieser Kettenlinien behalten wir
den Bogen
bei, d. h. den Bogen vom Punkt Pj bis zum konjugierten Punkt J\ (mit Aus-
schluß der Endpunkte), also bis zum Berührungspunkt mit der Enveloppe %
(Siehe Fig. 12). Dabei ist x'^ durch -f oo zu ersetzen, falls kein konju-
^) Unter der „Amplitude" eines Vektors verstehen wir, wie dies in der
Funktionentheorie üblich ist, den Winkel, welchen derselbe mit der positiven
iC-Achse bildet, gerechnet im entgegengesetzten Sinn des Uhrzeigers.
7*
100 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse v. Aufgaben.
gierter Punkt auf der betreffenden Kettenlinie existiert. Diese Bogen erfüllen
einfach und lückenlos das Innere des Bereiches I der x.y-Ehene (siehe Fig. 12)
zwischen der Geraden x = Xi und der Enveloppe %,
da nach p. 81 durch jeden Punkt dieses Bereiches
ein und nur ein Bogen der Schar gezogen werden
kann. Da sich überdies zeigen läßt ^) , daß die
inverse Funktion a(x,y) von der Klasse C ist,
so bildet unsere Bogenschar ein Feld von Extre-
malen.
Adjungiert man dem Feld die Enveloppe ^,
so bleibt zwar für das so erhaltene uneigentliche
X Feld die Haupteigenschaft eines Feldes bestehen,
aber die Funktion a(x,y) hört nach (15) und (15a)
jiig 12. ^^^' ^°^ ^®^ Klasse C zu sein, da qp^(rc,a)=0
entlang g. ^)
c) Satz über die Existenz eines Feldes:
Wir werden sagen: ein Feld cT von Extremdien „umgibf' unseren
Extremdlenhogen @q, wenn erstens der Bogen @q einer der Extremalen
des Feldes angehört, und wenn sich zweitens eine Nachbarschaft {q)
des Bogens @q angeben läßt, welche ganz in oT enthalten ist.
Es sei jetzt irgend eine Extremalenschar
y = (p{x, a) (10)
gegeben, welche den Bogen (Sq für a = a^ enthält, und für welche
die Funktionen cp und cp^ in dem Bereich
X^^x^X^, \a — a^^d^ (11)
von der Klasse C sind, wobei X^<:ix^, x.^ < X^ .
Alsdann gilt der folgende Satz:
Wenn
9a(^;«o) + 0 in [x^x^], (12)
so kann man eine positive Größe Je so Mein wählen, daß die Bogenschar
y = (p{x,a), (lOj
Xj^^x^x^, a — a^l^h (13)
ein den Bogen ©o umgehendes Feld bildet.^)
') Vgl. § 16, c).
^) Hierzu die Übungsaufgaben Nr. 2—12, 35 — 40 am Ende von Kap. III.
^) Der Bereich (7) ist also hier insbesondere ein Rechteck.
§16. Konstruktion eines Feldes von Extremalen.
101
Beweis: Aus (12) folgt, daß die Funktion cp^(x, a^) in [x^x^]
ihr Zeichen nicht wechseln kann, da sie stetig ist. Um die Ideen zu
fixieren, wollen wir annehmen, es sei
9^a{^7 %) > 0 in [x^x^] . (12a)
Dann folgt nach § 21, b), daß k^d^ so klein genommen werden
kann, daß
(p,(x,a)>0 • (14)
im ganzen Bereich (13).
Es bezeichne jetzt of^ das Bild des Bereiches (13) der x, a-Ebene
in der x^ ^-Ebene mittels der Transformation (10), und es sei P^(x^, 2/3)
irgend ein Punkt von oT^, d. h. also irgend ein Punkt auf einem der
Bogen der Schar (10), (13). Dann ist x^^x^^ x^ und es gibt
mindestens einen Wert a = a^ im Intervall [üq — Ic, a^ + ^] , so daß
^3 = ^{^^, 0^3)-
Wir haben zu zeigen, daß es außer dem Wert a^ im Intervall [a^ — \
ÜQ + k] keinen zweiten, von a^ verschiedenen Wert a'^ geben kann,
für welchen ebenfalls
^3 = 9^fe? ö^D-
Wäre das der Fall, so wäre ^ t ;•." ; './ ' ;"'
Dies ist aber nicht möglich; denn^) wegen (14) wächst die Funktion
(p(x^, a) beständig von dem Anfangswert (p{x^, a^ — k) bis zu dem
Endwert q)(x^y aQ + h), während a
von ÜQ — k bis a^ -}- k zunimmt; es
ist also q)(x^, a3)^qp (^3,0^3), je nach-
dem «3 ^ «3.
Somit ist der Bogen a = a^ der
einzige der Schar (10), welcher durch
den Punkt (.Tg, y^) von o^ hindurch-
geht, und für welchen a — a^l^k.
Zugleich folgt, daß das ganze
Segment Fig. 17.
(p(x., %-k)^y^ (p(x^, «0 + k)
der Geraden x = x^ (in Fig. 17 mit MN bezeichnet) zu oJ^. gehört.
Die Punktmenge d^, ist also identisch mit dem Flächenstück der
- — a„ + k
^) Statt der hier gewählten Begründung kann man auch den RoUe'schen
Satz anwenden.
102 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse v. Aufgaben.
x, ?/-Ebene, das von den beiden sich nicht schneidenden Kurven
y = (p{x,aQ — k) und y = (p(x, a^ + k)
einerseits^ und den beiden Geraden x = x^, x = x^ andererseits be-
grenzt wird.
Nachdem hiermit die Existenz der eindeutigen Funktion Ci{x^ y)
bewiesen ist, haben wir weiter zu zeigen, daß dieselbe von der
Klasse C" ist. ^)
Es seien (x, y) und (ü; H- Aa:, y -\- Ay) zwei benachbarte Punkte
von Q^ und a^ resp. a -\- Aa, die zugehörigen Werte von a{Xj y), so
daß also
y = (p{Xj a)j y + Ay = (p(x + Ax, a + Aa) .
Dann ist
Ay = (p(x -f AXj a + Aa) — (p{x, a)
oder nach der Taylor'schen Formel
wo X = X -^ B Ax , ä =^ a -{- 0 Aa und 0 < ö < 1.
Wir erhalten also
Nun besitzt die stetige Funktion (p^{x, d) in dem abgeschlossenen
Bereich (13) ein positives Minimum m, und ebenso die Funktion
\fpx{x,a)\ ein endliches Maximum G. Da (x, a) dem Bereich (13)
angehört, so ist daher
I . , = I Awl + G^IAaj
Aa < ^---^-i^^^ ' ^ ,
woraus folgt, daß die Funktion Ci{x, y) im Punkt Xy y stetig ist.
Wählen wir ferner Ay = 0 und lassen Ax gegen 0 konvergieren,
so konvergiert nach dem eben Bewiesenen Aa gegen 0, also kon-
vergieren q)^{x, a) und (p^ix, ä) gegen (p^{x, a) und (p^{x, a).
Daher existiert die partielle Ableitung a^. und es ist
a. = -g, (15)
^) Für den folgenden Beweis vgl. Genocchi-Peano, Differentialrechnung und
Grundzüge der Integralrechnung (Leipzig 1899), Nr. 111; Jordan, Cours d' Analyse,
L, Nr. 91. Daß (i(x,y) von der Klasse C ist, kann man auch direkt aus dem
Satz über implizite Funktionen entnehmen; siehe § 22, e).
§ 16. Konstruktion eines Feldes von Extremalen. 103
wobei die Klammer () andeuten soll, daß das Argument a durch a(x, y)
zu ersetzen ist.
Ganz ebenso folgt, daß auch dy existiert und daß
Aus diesen Ausdrücken für a^ und a^ folgt dann wegen (14)
schließlich noch, daß die Funktion dipc^y) von der Klasse C ist in cT^.
Endlich läßt sich eine Nachbarschaft {q) von @o angeben, welche
ganz in c^ enthalten ist. Denn jede der beiden stetigen Funktionen
(p{x, % + Ä;) — (p(x, %),
und
(p{x, Gq) — (p(Xj a^y — Ji)
hat ein positives Minimum in [^i^^g]*, ist daher q der kleinere dieser
beiden Minimalwerte, so ist die Nachbarschaft (q) von ©o ganz in o^.
enthalten.
Der Bereich o^ besitzt also die drei charakteristischen Eigen-
schaften eines den Bogen (Sq umgebenden Feldes, was zu beweisen war.
Da wir voraussetzen, daß der Bogen @o ganz im Innern des Be-
reiches 6\. liegt, so können wir nach dem Satz über gleichmäßige
Stetigkeit Ic stets so klein annehmen, daß das Feld ol^ ebenfalls ganz
im Innern von 6i liegt. Das soll in der Folge, wenn von einem den
Bogen @o umgebenden Feld die Rede ist, stets vorausgesetzt werden.^)
d) Zusammenhaiig mit der Jacobi'scilen Bedingung:
Wir können jetzt den folgenden Satz beweisen:
Sind für den Extremalenhogen'^) @o die Bedingungen
B(x) =1= 0 für x^^x^x^j
und A{Xy %) +0 ßi^ x^<x^x^ (UV)
erfüllt, so läßt sich der Bogen (Sq stets mit einem Feld von Extremalen
umgehen.
Zum Beispiel liefert die Extremalenschar durch einen auf der
Fortsetzung von (S^ über den Punkt P^ hinaus hinreichend nahe bei
P^ angenommenen Punkt P^ ein solches Feld.
Zum Beweis ist es nur nötig, die Abszisse Xq des Punktes P^ so
zu wählen wie in § 12, a). Dann ist in der dortigen Bezeichnung
A{Xy Xq) 4= 0 in [% x^] .
^) Der Leser möge von hier direkt zu § 17 übergehen.
-) Vgl. p. 88, Fußnote 2).
1 04 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse v. Aufgaben.
Stellt dann die Gleichung
2/ = q)(x, a)
die Schar der Extremalen durch den Punkt P^ dar, wobei der Wert
a = ÜQ wieder der Extremale @o entsprechen soll, so besitzt nach
§ 13, a) die Funktion cp die in § 16, c) vorausgesetzten Stetigkeits-
eigenschaften, und überdies ist
^a{^7 «o) +0 in [x^x^i,
weil nach § 13, Gleichung (34)
wo C eine von Null verschiedene Konstante bedeutet. Somit erfüllt
die Extremalenschar durch den Punkt P^ alle Bedingungen des unter
c) bewiesenen Satzes und bildet daher in der Tat ein den Bogen @q
umgebendes Feld.^)
^) Die Extremalenschar durch den Punkt P^ selbst bildet nur ein uneigent-
liches Feld um den Bogen g^, weil hier qp^(a;i , a^) = 0. Trotzdem läßt sich
zeigen, daß (bei hinreichend kleinem Je) durch jeden Punkt des Bereiches c^j, mit
Ausnahme des Punktes P^ selbst, eine und nur eine Extremale der Schar
gezogen werden kann , für welche \ a — a^l^k. Denn im gegenwärtigen Fall
ist: ^(rCi, a)^y^ für jedes a und daher ^^ {x^^ a)^0. Daraus folgt, daß, wenn
wir definieren
(p^{x, a) I {x — x^) , wenn x^x^
faxi^i 1 ^) ' wenn x
die Funktion xi^i <*) stetig ist im Bereich: X^^x^X^, \ a — a^l^d^ und
;f (ic, «o) =4= 0 in [a^i x^] auch für x=^x^^ da nach § 13, Gleichung (36), qpaa;(^i ^ <^o)"^ ^•
Wir können daher k so klein wählen, daß: ;^(ir, a)=4=0 im Bereich: x^ ^x^x^,
\<^ — ^ol"^^*- Daraus folgt aber, daß (p^(x, d)=^0 und daher ein konstantes
Vorzeichen besitzt im Bereich: x^ <^x^x^^ \a — a^l^k. Und nunmehr kann
man weiterschließen wie unter c). Es ist auch zu beach|;en, daß es im vor-
liegenden Fall nicht möglich ist, eine Nachbarschaft (q) von i^^ in c^f. einzu-
schreiben, da die Breite des Streifens c^;r. gegen Null konvergiert, wenn x sich
dem Wert x^ nähert. Ferner sind die inverse Funktion a{x, y) und das Ge-
fälle p{x,y) von der Klasse C in c^^, außer im Punkt {x^^ yj, wo sie unbestimmt
sind. Wenn sich jedoch der Punkt (x, y) dem Punkt (iCj , y^) längs einer ganz
in (^j. gelegenen Kurve (£ von der Klasse C nähert, so nähern sich beide
Funktionen bestimmten endlichen Grenzen; die Grenze von a{x^ y) ist der Para-
meter a derjenigen Extremale der Schar, welche die Kurve S in (ic^ , y^) be-
rührt; die Grenze von p(a;, y) ist das Gefälle der Kurve ß im Punkt (ic^ , y^).
Überdies besitzen die absoluten Beträge beider Funktionen endliche obere Grenzen
im Bereich c^^ mit Ausschluß des Punktes P^. Diejenige von \a{x^y)\ ist /fc,
diejenige von \p{x^ y) \ ist der Maximalwert von | cp^{x^ a) I im Bereich (13).
§ 17. Der Weierstraß'sche Fundamentalsatz. 105
Umgekelirt: Wenn für den Extremalenbogen (Sq die Bedingung
B(x) 4= 0 für x^^x^x^
erfüllt ist, [und (S^ läßt sich mit einem Feld oT von Extremalen um-
geheUj so ist __
A(Xj Xj^) =t= 0 für x^< x^ x^. (Iir)
Beweis: Es sei^)
y = (p{x,a)
die Extremalenschar, welche das Feld of liefert, wobei
y = (p{x, %)
wieder die Extremale ©^ darstellt. Da in unserer Definition des Feldes
inbegriffen war, daß die inverse Funktion a{Xy y) von der Klasse C
sein sollte, so folgt durch Differentiation der Identität (8) nach y, daß
^a^^y ^)% = 1 ; also (p^{x, a) H= 0 in oT;
also insbesondere, da ©^ in of liegt,
9^a(^; «0)4=0 in [^1^2].
Nun folgt aber ganz wie in § 12, b), daß die Funktion cp^ipc, a^
der Jacobi'schen Differentialgleichung genügt; wegen der Voraus-
setzung R{x)=^0 in [x^x^] sind die allgemeinen Sätze von § 11, ins-
besondere der Sturm'sche Satz, auf das Intervall [3;^ iCg] anwendbar.
Wäre nun x\ ^ a^g, so würde durch Anwendung des Sturm'schen
Satzes auf die beiden linear unabhängigen Integrale (Paip^^ «0) ^^^
A(:r, x^) folgen, daß (pjx, a^) zwischen x^ und X2 verschwinden
müßte, was einen Widerspruch involviert. Es folgt also in der Tat
A{x,x^)=^0 für x^<Cx^X2.
§ 17. Der Weierstraß'sche Fundamentalsatz.
Nachdem im vorigen Paragraphen der Begriff eines Feldes von
Extremalen entwickelt worden ist, können wir nunmehr zum Beweise
des W ei er straß'schen Fundamentalsatzes übergehen, welcher die Grund-
lage der modernen Variationsrechnung bildet, und der von Weiekstrass
im Jahre 1879 entdeckt worden ist. Zum Beweis werden wir uns
^) Hier liat qp(ic, a) wieder eine allgemeinere Bedeutung als in dem un-
mittelbar vorangehenden Beweis.
106 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse \ . Aufgaben.
der eleganten^ von Hilbert^) herrührenden Methode bedienen, welche
unmittelbar an die Entwicklungen des vorigen Paragraphen anknüpft.
a) Die partielle Differentialgleicliiing für die Grefällfunktion.
Wir kehren jetzt zu den Voraussetzungen und Bezeichnungen von
§ 16, a) zurück und beweisen zunächst^ daß die Gefällfunktion p(x, y)
des Feldes of einer partiellen Differentialgleichung erster Ordnung ge-
nügt. Aus der Definitionsgleichung (9) und den Formeln {\o) und (15a)
erhält man für die partiellen Ableitungen der Funktion p{x, y):
Px = i^xx) + ("Pxa) ^x = (^xx) -
M
« = (w )a = ^-^"^
(16)
wobei die Klammer wieder andeuten soll, daß in den Ableitungen von
cp das Argument a durch die Funktion dix^ y) zu ersetzen i»t.
Aus (16) und (9) folgt
Px + PP, - (<Pxx) ' (l'^)
Nun genügt aber die Funktion cp(x, a) als Funktion von x für
jedes a der Euler'schen Differentialgleichung; also ist
f.J,:.,' + VJ'y, + f,f. - /. = 0 ■ (18)
wobei die Argumente der Ableitungen von f sind: x, (p{x^ a), (p,.(x, a).
Ersetzt man in dieser in x und a identischen Gleichung a durch
Ci(Xy y) und macht Gebrauch von (8), (9) und (17), so erhält man
den Satz, daß das Gefälle pix, y) der folgenden partiellen Bifferential-
gleichung erster Ordnung genügt:
fö + P ly) ^>'y'^ +P^f'^»i + l-^^' J - [^i'J = ^ ' (^^)
wobei die Klammer [ ] bedeutet, daß in den eingeklammerten Funktionen
von X, y, y das Argument y durch*p(:r, y) zu ersetzen ist.
umgekehrt: Kennt man irgend eine Funktion ^(:r, i/), welche in
einem gewissen Bereich der x, i/-Ebene eindeutig definiert und von
1) Vgl. Göttinger Nachrichten, 1900, p. 253—297 und Archiv der
Mathematik und Physik (3), Bd. I (1901), p. 231; vgl, femer Osgood's Dar-
stellung loc. cit., p. 121; Hedrick, Bulletin of the American Mathematical
Society (2), Bd. IX (1902), p. 11 und Goursat, loc. cit., Bd. II (1905), p. 617.
Weierstrass' ursprünglichen Beweis werden wir bei Behandlung des Problems
in Parameterdarstellung geben (§ 33); für das ic- Problem findet man denselben
bei Osgood, loc. cit., p. 115 und Bolza, Lectures, § 20.
§ 17. Der Weierstraß'sche Fundamentalsatz. 107
der Klasse C ist und der partiellen Differentialgleichung (19) genügt,
so gibt es stets eine Extrem alenschar, für welche diese Funktion ^(.^, y)
die Gefällfunktion ist, nämlich die durch das allgemeine Integral der
Differentialgleichung
%-p{^,y) (20)
dargestellte Schar.
Bezeichnet nämlich
y = (p{x,a)
das allgemeine Integral der Differentialgleichung (20), so ist
^^^^ ^x =P{^,9^), (20a)
Ersetzt man nun in der partiellen Differentialgleichung (19),
welche eine Identität in x^ y darstellt, y durch (p{x, a\ so geht die-
selbe unter Benutzung yon (20 a) und (20 b) rückwärts in die Differential-
gleichung (18) über, welche zeigt, daß die Schar: y = (p{Xj a) eine
Extremalenschar ist.
Beschränkt man jetzt x und a auf einen hinreichend kleinen
Bereich, so wird diese Schar ein Feld bilden, und die Gleichung (20)
sagt aus, daß die Funktion p{Xj y) die Gefällfunktion für dieses
Feld ist.
b) Der Unabhängigkeitssatz:
Ordnet man die Glieder der Differentialgleichung (19) folgender-
maßen an
[fy'x\ + [fy','iPx = [fy] " Hfy',] + [fyy]Py)P,
SO sieht man, daß man dieselbe auch schreiben kann
^[/■,] = -^ [/■-//■,]• (loa)
Dieser wichtige Satz ist schon 1868 von Beltrami^) entdeckt worden;
er scheint jedoch von Seiten der Variationsrechnung gänzlich unbeachtet^)
geblieben zu sein und ist erst dreißig Jahre später von Hilbert^)
wieder entdeckt und in seiner grundlegenden Bedeutung erkannt worden.
^) Beltrami, Sulla teoria delle linee geodetiehe, Rend. del R. Istituto
Lombardo (2), Bd. I (1868), p. 708 und Opere, Bd. I, p. 366.
^) Ich selbst bin durch Herrn Kneser auf die Beltrami'sche Arbeit auf-
merksam gemacht worden.
«) Vgl. p. 106, Fußnote ^).
108 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b.d. einfachsten Klasse T.Aufgaben.
Die Gleichung (19 a) ist nichts anderes als die bekannte Integra-
bilitätsbedingung für den DifFerentialausdruck
[f-yf.Adx-^if^^:]dy.
Bilden wir daher jetzt mit Hilbert^) das Integral
^l -j \f(-^y Vy P^^y y)) + {y -Pi^, ydfy'ix, y, Pkx, y))] dx, (21)
entlang irgend einer ganz im Felde oT verlaufenden Kurve ß von der
Klasse C\ von einem Punkt P^ nach einem Punkt P, so ist der Wert
dieses Integrals unabhängig^) vom Integrationsweg ^ und nur von der
Lage der leiden Endpunkte Pq, P abhängig^ wenn unter pix, y) die
GefäUfunMion des Feldes verstanden wird.
Wir werden das Integral J* das „Hilberfsche invariante Integral" ^
den Satz selbst den ^,Beltrami-IIilberf sehen ünabhängigheitssatz"
nennen.
Das Integral «7* ist selbst ein Integral von der beim einfachsten
Variationsproblem betrachteten Art. Die Funktion unter dem Integral-
zeichen ist aber von der ganz speziellen Form
M(x,y) + yN{x,y),
und daher ist das Hilbert'sche Integral ein gewöhnliches LinienintegraP)
und läßt sich schreiben
^e ^fif^^y yy P^ - Pfy'^^y y, P)) dx + f,{x, y, p) dy . (21a)
Es hat daher, durch (21a) definiert^ nicht nur für die bisher
betrachteten^ in der Form: y = y{x) darstellbaren Kurven eine Be-
deutung, sondern allgemeiner für Kurven in Parameter dar Stellung von
der in § 25, a) als „gewöhnliche Kurven^^ definierten Klasse. Zugleich
*) HiLBEKT (loc. cit.) geht den umgekehrten Weg: Er setzt das Integral /J
mit einer unbestimmten Funktion ^{x^ y) an und fragt dann: Wie muß man die
Funktion p{x, y) wählen, damit der Wert des Integrals J^ vom Integrationsweg ß
unabhängig wird? Er erhält dann rückwärts die Differentialgleichungen (20)
und (19).
*) ^gl- § 6, b). Die Bedingungen für die Anwendbarkeit des Satzes sind
erfüllt, denn da das Feld d ganz im Bereich 01 liegt, so sind die Funktionen
[/"— y'fy^ ^^<^ L/y'] i'^ c^ nicht nur eindeutig definiert, sondern auch von der
Klasse C", und überdies ist der Bereich ^ einfach zusammenhängend.
^) Vgl. z. B. PicAKD, Traue ^ Bd. I, Kap. III; Burkhabdt, Einführung in
die Theorie der analytischen Funktionen (Leipzig, 1903), p. 91.
§ 17. Der Weierstraß'sche Fundamentalsatz.
1109
folgt nach bekannten Sätzen über Linienintegrale^ daß das Integral J*
bei Umkebrung des positiven Sinnes der Integrationsrichtung einfach
sein Zeichen wechselt.
Im Gegensatz zu dem „Hilbert'schen IntegraF^ werden wir nach
Zermelo und Hahn^) unser Integral: J =ff{x,y,y')dx das „Grund-
integraV' nennen^ wo es wünschenswert ist, den Gegensatz beider
hervorzuheben.
Zusatz: Das Hill) ert' sehe invariante Integral J*, genommen
zwischen zwei FunUen P^, P derselben Feldextremale @, ist gleich dem
Grundintegral J, genommen von Pq nach P entlang eben dieser Ex-
tremale @, vorausgesetzt^ daß x^ < x.
Denn wählen wir bei der Berechnung von J* die Extremale @
als Integration s weg, so ist nach (9 a) entlang @
also fällt in dem Integranden von J* das zweite Glied fort, und es
kommt
J*{P,P) = MP„P),
(22)
wobei der Integrationsweg für das Integral J* eine ganz beliebige,
die beiden Punkte Pq, P ver-
bindende Kurve der Klasse C
ist, welche ganz im Felde oT
liegt.2)
c) Ausdruck der totalen
Variation AJ^ mittels der
8-Funktion:
Aus dem Unabhängigkeits-
satz läßt sich nun nach Hilbert
der Weierstraß'sche Satz fol-
gendermaßen ableiten:
Es sei
S: y = y{x), x^<^x<^x^
Fig. 18.
irgend eine ganz im Feld of gelegene Kurve der Klasse C", welche
die beiden Punkte P^ und P^ verbindet. Da die beiden Punkte P^
^) Encydopädie, II A, p. 628.
^) Hier läßt sich unmittelbar § 20 anschließen.
110 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse v. Aufgaben,
und Pg auf derselben Feldextrem ale liegen, nämlicli auf der Ex-
tremale (Sq, so können wir den Zusatz zum ünabhängigkeitssatz an-
wenden, wonach
Ji = J,„. (23)
Daher können wir die totale Variation
auch schreiben
Nun ist aber
Xy
wobei p{x, y) = p gesetzt ist.
Somit erhalten wir
Xn
AJ = J{f{x, y, y)-f[x, y,p)-{f-p)fy>{x, y,p)}dx.
Führen wir jetzt die Weierstraß'sche 8- Funktion^) ein mittels
der Definition
^(x, «/; PyP) = f{^, y, p) - fX^y y, p)-{p- p)fy'ip, y, p) , (24)
wobei X, y, p, p als unabhängige Variable zu betrachten sind, so er-
halten wir den
Fundamentalsatz^'^): Wenn der Extremalenhogen^) (S^ mit einem
Feld umgeben werden Jcann, so läßt sich die totale Variation
für jede zidässige Kurve ß, welche ganz im Feld liegt j mittels der
Weier Straß sehen Formel
^) Vgl. Zermelo, Dissertatioyi , p. 66.
^ Von Weierstrass selbst für das spezielle („uneigentliche") Feld von
Extremalen durch den Punkt P^ und für den Fall der Parameterdarstellung ge-
geben (1879), vgl. § 33. Die Ausdehnung auf ein beliebiges Feld scheint zuerst
von H. A. Schwarz in Vorlesungen gegeben worden zu sein.
3) Vgl. p. 88, Fußnote *).
§18. Ableitung weiterer notwendig. Bedingungen a. d.We ierstraß'schen Satz. Hl
A J =Jß{x, y-^ p, p) dx (25)
ausdrücken; dabei ist (x, y) ein Punkt von S, p das Gefälle von S im
Punkt (x, y) und p = p{x, y) das Gefälle der durch den Punkt (x^ y)
gehenden Extremale des Feldes im Punkt (x, y).
Der Weierstraß'sche Satz behält seine Gültigkeit auch noch für
das „uneigentliche^^ Feld o^ von Extremalen durch den Punkt P^^)
(obgleich alsdann die Funktion p{x, y) im Punkt P^ unbestimmt
wird)^ sowie für Kurven ^ der Klasse^) B'.
§ 18. Ableitung weiterer notwendiger Bedingungen aus dem
Weierstraß'schen Satz.
Wir benutzen den Weierstraß'schen Satz zunächst zur Ab-
leitung weiterer notwendiger Bedingungen.
^) Denn schreibt man das Hilbert'sche Integral
Jl
= Cmäx + Ndy
so haben nach p. 104, Fußnote ^), Ende, die Funktionen \M\ und \N\ in cf^, endliche
obere Grenzen G und H. Führt man daher den Bogen als unabhängige Variable
ein und bezeichnet mit l die Länge des Bogens ß, so folgt hieraus, zunächst für
eine Kurve (S;, welche nicht vom Punkte P^ ausgeht:
\Jl\'Z{G-^H)l. (26)
Hieraus folgt nach den üblichen Festsetzungen über uneigentliche bestimmte
Integrale, daß das Integral J^ auch noch für solche Kurven ® einen bestimmten
endlichen Wert behält, welche vom Punkt P^ ausgehen, und daß auch für solche
Kurven die Ungleichung (26) bestehen bleibt. Wir ziehen jetzt vom Punkt P^
nach irgend einem Punkt P von (^ zwei Kurven ß, S' der Klasse C. Um zu
zeigen, daß /*,==/*, ziehen wir eine Gerade: x = x^-\-s^ wo s eine kleine
positive Größe ist; ihre Schnittpunkte mit © und ©' seien Q und Q' resp. Dann
können wir schreiben
^h -Jl- lJ*iQQ'P) - J*iQP)] + [J*{P^ Q')-J*{Pr Q) - J*{QQ')] .
Die erste Klammer auf der rechten Seite ist Null, da hier der Hilbert'sche
Unabhängigkeitssatz gilt; die zweite wird nach (26) mit s unendlich klein, also ist
J* T*
Hieraus folgt dann wie oben der Weierstraß'sche Satz,
') Vgl. § 10, c) und § 6, p. 36, Fußnote ^).
112 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b.d. einfachsten Klasse v Aufgaben.
a) Die Weierstraß'sclie Bedingung:
Wir setzen voraus, daß für unseren Extremalenbogen ©o die
Bedingungen (IF) und (IIP) erfüllt sind. Dann bildet die Schar von
Extremalen durch den Punkt P^ ein „uneigentliches" Feld^) c^ um
den Bogen ©q.
Wir wählen dann auf ©^ zwischen Pj und Pg einen Punkt
^si^B) Vb) ^^^ ziehen durch P3 eine Gerade
P4 sei derjenige Punkt dieser Geraden, dessen Abszisse x^ = x^ — h,
wo h eine kleine positive Größe ist. Wählen wir h hinreichend klein,
so wird der Punkt P^
im Innern von c^
liegen, und es geht
daher durch P^ eine
und nur eine Extre-
male P1P4 des Feldes.
Wir variieren jetzt den
Bogen @o, indem wir
den Bogen P^ P3 durch
die gebrochene Kurve
Pj P4P3 er setzen, wäh-
wir das Stück
ungeändert las-
Dann ist nach
Fig. 19.
rend
p.p.
sen.
dem Weierstraß'schen Satz, der nach den am Ende von § 17, c)
gemachten Bemerkungen auf den gegenwärtigen Fall anwendbar ist
AJ-=j8,(x,y; i),y)dxy
genommen entlang der Kurve P^P^P.^.
Da aber der Bogen P^P^ eine Extremale des Feldes ist, so ist
entlang P^ P^:y =- p, und deshalb, wie aus der Definition (24) der
8 -Funktion folgt, der Integrand von A/ gleich Null. Daher reduziert
sich der Ausdruck für AJ auf
AJ=fS(x,y', p,Ps)dx
x^ — h
genommen entlang P4P3.
1) Ygl. § 16, d) und p. 104, Fußnote ^).
(27)
§ 18. Ableitung weiterernotwendig. Bedingungen a.d.Weierstraß'schen Satz, 113
Angenommen^ es wäre nun
w^o P^ = y\x^) das Gefälle von ©^ im Punkt P3 bedeutet; so ließe
sich eine gewisse Umgebung des Punktes {x^, y^) angeben, in welcher
^{x,y', p{x,y),2h)<0,
wie aus der Stetigkeit der 8 -Funktion als Funktion ihrer vier
Argumente einersiBits und der Stetigkeit von p(x, y) andererseits
folgt. Daraus ergibt sich aber, daß der Integrand von AJ" für
hinreichend kleine Werte von h im Intervall [x^ — h, x^'\ be-
ständig negativ ist, also AJ'<0. Macht man schließlich noch von
dem Lemma über die Abrundung der Ecken (§ 14, c)) Gebrauch, so
erhält man den
Fundamentalsatz IV: Die vierte notwendige Bedingung für
die Existenz eines Minimums bestellt darin, daß
%{x,y{x)', y\x),p)^0 (IV)
für'^) Xi<^x^X2 und für jeden endlichen Wert von p.
Diese Bedingung ist von Weiersteass im Jahre 1879 entdeckt
worden^) und wird die Weierstraß'sche Bedingung genannt.
Beispiel IX: (Siehe p. 95)
Entlang der Kurve (5^ : 2/ = 0 ist
%{x,tj{x); y' {X) , p) = p\l -^ p) .
Der Ausdruck kann in jedem Punkt von @„ sein Zeichen wechseln; Bedingung (lY)
ist also nicht erfüllt und (g^ liefert kein starkes Minimum, wie wir schon in
§ 15, d) auf elementarem Wege gezeigt haben.
Beispiel X: Das Integral
^=jy"'(^ + y'Ydx
ZU einem Maximum oder Minimum zu machen.
Nach § 6, a), Beispiel VI, sind die Extremalen gerade Linien; insbesondere
ist also die Extremale ©<, die Gerade durch die beiden gegebenen Punkte P^
') Zunächst für x^<Cx<Cx^ und aus Stetigkeitsgründen auch für x = x.
und x = x^.
^) Vgl. p. 96, Fußnote '). Für den hier gegebenen Beweis vgl. Hedrick,
Bulletin of the American Mathematical Society, Bd. IX (1902), p. 14.
B o 1 z a , Variationsrechnung. g
114 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d, einfachsten Klasse v. Aufgaben.
und P, ; ihre Gleichung sei
Dann ist
Sind jetzt m^ und m^
nämlich
y = mx-\- n .
i2(^) = 2(6m2 + 6m+l)
A(a;, x^) = x — x^.
die beiden Wurzeln der Gleichung
6m- + 6m-|- 1 = 0,
^ ^ = — 0-2113
-r- — 1
so ist
JL\ = _ 0 . 7887 . . . ,
jR > 0 , wenn m > m^ oder ?>i < m^ ,
i^ <^ 0 , wenn mg <i in <^ m^ .
Im ersten Fall sind die drei ersten notwendigen Bedingungen für ein Minimum,
im zweiten Fall für ein Maximum erfüllt.
Endlich ist
%{x, ijix); y^'ix), p) = {p- mf [(p + m + 1)^ + 2mcm + 1)] .
Nun ist die quadratische Funktion von p in der eckigen Klammer beständig
positiv, wenn m(m + 1) > 0; sie kann ihr Zeichen wechseln, wenn m{m -\- 1) < 0;
und sie reduziert sich auf ein vollständiges Quadrat, wenn m(m-f-l) = Ö.
Wir erhalten also das Resultat:
Wenn m ^ 0 oder m^ — l,so ist die Bedingung (IV) erfüllt ; tvenn — 1 < m < 0 ,
so ist die Bedingung (IV) nicht erfüllt, und die Gerade P^ I\ liefert sicher weder
ein starkes Maximum noch ein starkes Minimum.
Das letztere Resultat läßt sich auch auf ganz elementarem Wege folgender-
maßen beweisen : Wenn — 1 < m < 0 , so ist einerseits sicher der Wert von
«^re > Ö ; andererseits können wir aber
(und zwar auf unendlich viele Weisen)
P^ und Pg durch eine gebrochene Linie
verbinden, die aus geradlinigen Stücken
besteht, welche abwechselnd das Gefälle 0
und -1 besitzen (z. B. P^P,I\P,P,\
und diese gebrochene Linie ist in der
Form y = fix) darstellbar ^) (was nicht
möglich wäre, wenn m > 0 oder m<< — 1).
^ig- 20. Püj. eine solche gebrochene Linie ist
aber offenbar /= 0. Schließlich hat
man noch von dem Lemma über diskontinuierliche Variationen Gebrauch zu
machen (§ 14, c)).
y(x) + Q
y(^)
u(^)
Vgl. dazu § 25, e).
18. Ableitung weiterer notwendig. Bedingungen a. d.Weierstraß'schen Satz. 115
b) Beziehung zwischen der Weierstraß'sclien und der Legen-
dre' sehen Bedingung:
Wendet man die Taylor'sclie Formel auf die Differenz
an^ so erhält man die folgende wichtige Relation^) zwischen der
8 -Funktion und der Funktion f^,^,:
8(x,y',p,p) =
{p—pY
fyy'{^yy,P")y
{p—py
-ify'A^^y^p)'^
Fig. 21.
(28)
(H.)
(29)
wobei p* einen Mittelwert zwischen p und p bedeutet^ also
P*=P + 0{p-p), 0<Ö<1.
Hieraus folgt der
Zusatz I: Die Bedingung (IV) ist stets erfüllt ^ wenn
für x^^ x^X2 und für jeden endlichen Wert von p.
Ferner ergibt sich aus (28)
-^ S(^, 2/; p,p)
daraus folgt der
Zusatz II: Die Legendre'sche
Bedingung
fy'y'(^yy(^),yi^))^o in [X^X^'] (II)
ist in der Weierstr aß' sehen Bedingung
enthalten.
Die vorangehenden Resultate werden sehr
gut durch die folgende von Zermelo ^) her-
rührende geometrische Interpretation der ^-Funk-
tion veranschaulicht :
Es bezeichne f{p) die Funktion f{x,y^p)
als Funktion von p allein betrachtet; wir
konstruieren, bei festgehaltenen Werten von x und y^ die Kurve
u = f{p)
und ziehen die Tangente P^ T im Punkt P^ , dessen Abszisse p = y'- es seien P
(30)
^) Diese Relation findet sich zuerst bei Zermelo, Dissertation, p. 67; sie
entspricht der Weierstraß'schen Relation (125), Kap. V, zwischen 8 und F^
im Fall der Parameterdarstellung.
^) loc. cit., p. 67.
8*
116 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse v. Aufgaben.
und Q die Schnittpunkte der Geraden p=p respektive mit der Kurve (30) und
der Tangente P^T.
Alsdann wird die Größe
Hoc.y. y\p) = f{p) — f{y') — {p — y'}f{y')
dargestellt durch den Vektor ^P, und die Bedingung
Hoc,y; y\v)^0 (IV)
bedeutet geometrisch, daß die Kurve (30) ganz oberhalb — oder ivenigstens nicht
unterhalb — der Tangente Pq T liegt.
Damit die Ungleichung (IV) stattfinde, ist daher:
1, Notwendig, daß die Kurve (30) im Punkt p = y' ihre konvexe Seite
nach unten kehrt, d. h. daß
r(2/')?o.
Dies ist aber unsere alte Bedingung (II).
2. Hinreichend, daß die Kurve (30) überall ihre konvexe Seite nach
unten kehrt, d. h. daß
für jedes p; das ist aber die obige Bedingung (Ha).
Aber weder ist die erste Bedingung hinreichend noch die zweite notwendig.
c) Unzulängliclikeit der Bedingungen (I), (IF), (IIF), (IV):
Indem wir, ähnlich wie bei den früheren Bedingungen, Ausnahme-
fälle bei Seite lassen, wollen wir voraussetzen, daß für unsere Ex-
tremale (^0 die Bedingung (IV) in der etwas stärkeren Form
%ix,y{xyj'{x),p)>0 (IV)
für:
x^^x'^x^, p^{f(x)
erfüllt ist.
Wir wollen zunächst zeigen, daß auch die Bedingungen (I), (IF),
(Iir), (IV') für ein Minimum noch nicht hinreichend sind.
Dazu genügt wieder ein einziges Beispiel, in welchem die an-
gegebenen Bedingungen erfüllt sind und trotzdem' kein Minimum ein-
tritt. Ein derartiges Beispiel ist das folgende:
BeispieP) XI: Das Integral
/= j[ay'^ — 4^byy'^ -\~ 2bxy'^]dx
0
zu einem Minimum zu machen; dabei sollen a and b positive Konstanten sein
1) Vgl. BoLZA, Bulletin of the American Mathematical Society,
Bd. IX, p. 9. Weitere Beispiele folgen unter d).
§ 18. Ableitung weiterer notwendig. Bedingungen a.d.Wei er straß'schen Satz. 117
und die beiden Endpunkte sollen die Koordinaten (x^ , y^) = (0,0), {x^ , y^) = (1, 0)
haben.
Die Euler'sche Differentialgleicbung reduziert sich hier auf
y"fy,y, = 0,
wo
Die einzige Extremale durch die beiden Punkte P^ (0 , 0) und P^ (1 , 0) ist
die gerade Linie
(£o : 2/ = 0 .
Die Bedingung (11') ist erfüllt, da
fy,y,{x, §{x), §\x)) = 2a>0. (E')
Die Schar von Extremalen durch den Punkt P^ ist das Büschel von Ge-
raden durch den Punkt P^ ; daher existiert kein zu P^ konjugierter Punkt und
(HI') ist erfüllt.
Ferner ist
§(^, 2/; y\ P) = (P — y'Y \ (« — ^'byy' + Uxy'^) — 4.hp{y — xy') 4- Ihxp^ ] ;
also entlang ©^ :
%{x,^{x)', §'{x),p)=p'{a-{-2bxp')>0, (IV')
für ^ =1= 0 .
Somit sind die Bedingungen (I), (Ip), (IE'), (IV) erfüllt.
Trotzdem liefert der Bogen (g^ kein
Minimum für das Integral J. Denn
ersetzt man die Gerade P^P^ durch die , ^1 — -- — _____^ i
gebrochene Linie P.PP^ und bezeichnet 1/ !^' ~~~" — - — -__ i
die Koordinaten von P mit 7i >► 0 , ä; , so ^1 ^ I '
findet man für die totale Variation AJ" ' '
leicht den Ausdruck **
Fig. 22.
^ ^= ^1~ ^ + ^ + ^ + ^ ^^''J + ^^^'
wo (Ji) mit h gegen Null konvergiert.
Ist jetzt eine positive Größe q beliebig vorgegeben , so wähle man \'k\<C.Q
und lasse li gegen Null konvergieren, während Ic festgehalten wird. Dann folgt,
da ?>>>0, daß AJ"<;0 für alle hinreichend kleinen Werte von h. Indem man
schließlich noch das Lemma über die Abrundung der Ecken (§ 14, c)) anwendet,
erhält man das Resultat, daß die Gerade P^ P^ in der Tat kein starkes Minimum
für das Integral / liefert.
d) Eine fünfte notwendige Bedingung^);
Man erhält eine weitere notwendige Bedingung durch eine Modifikation
des unter a) benutzten Verfahrens, die durch das obige Beispiel nahegelegt wird.
^) VgL BoLZA, Transactions ofthe American Mathematical Society,
Bd. Vn (1906), p. 314.
118 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse v. Aufgaben.
Statt nämlich, wie dort, die Gerade P^ Pg festzuhalten und P^ auf derselben sich
dem Punkte Pg nähern zu lassen, drehen ivir jetzt die Gerade P4P3 um den
Punkt P3 , so daß sie sich der vertikalen Lage nähert, während der Punkt P4 sich
auf einer Geraden parallel der ic- Achse bewegt. Bezeichnen wir die Ordinate
des Punktes P^ mit: 2/4 = 2/3 — ^i so heißt dies analytisch, wir halten k fest und
lassen h gegen Null konvergieren. Bei diesem Grenzprozess hat die durch (27)
ausgedrückte totale Variation A / zwar nicht notwendig einen bestimmten Grenz-
wert, aber sicher einen bestimmten „unteren Limes" ^), der endlich oder -j- c3ü
oder — Oü sein kann. Für ein Minimum ist dann notwendig, daß dieser untere
Limes > 0 für alle hinreichend kleinen Werte von \k\.
Ganz dieselben Schlüsse kann man auch auf die Extremalenschar durch
den Punkt P^ und die Variation P^P^P^ (siehe Figur 19) anwenden. Um die
Resultate der beiden Prozesse in einer Formel vereinigen zu können, führen wir
die Symbole ein:
5, = - 1 , £2 = + 1
und bezeichnen für * = 1, 2 mit p^{x, y) das Gefälle im Punkt [x, y) derjenigen
durch den Punkt (x, y) gehenden Extremale, welche dem von den Extremalen
durch den Punkt P. gebildeten Feld angehört. Dann läßt sich die angegebene
Bedingung schreiben
1
_L ^ Ch%(x,y',p,{x,y),^iyt^O
(31)
0
wo
x = x^ + s.ht, ^ = 2/3 + s.kt
Die Ungleichung muß gelten für * = 1 und * = 2 , wenn a,\ <Cx^<Cx^; für
^ = 1 , wenn x^ = x^-, für i = 2, wenn x^ = x^, und zwar für alle hinreichend
kleinen Werte von | Z: |.
Setzt man für die 8 -Funktion ihren Wert ein und bezeichnet:
1
S,{h, fc, X,) = Chf(x, + ,,ht, 2/3 + s.fct , I) dt, (32)
0
so nimmt die Bedingung (31) nach einigen Vereinfachungen die Form an-)
1
L S,{h,k,x,)-k ffy,{x,,y,^^,kt,p,{x,,y,-^^,kt))dt^i). (V)
^) Auch „Untere Unbestimmtheitsgrenze'', vgl. AUS.
2) Für die weitere Ausführung siehe das Zitat p. 117, Fußnote ^). Ob diese
Bedingung (eventuell nach Unterdrückung des Gleichheitszeichens) zusammen
mit den früheren Bedingungen (I), (II'), (IIP), (IV) auch hinreichend ist, ist noch
unentschieden.
§ 19. Hinreichende Bedingungen für ein starkes Extremum. 119
Beispiel XI (siehe p. 11(5):
/"= ay'^ — 4:byy'^ + '^^ocy"^ .
Man findet
S.Qi, /J, X,) = ^3 [^hV^x, - bk's.h + ah'] .
Wenn iCg > 0 , so ist der untere Limes von S. gleich + oo , und (V) ist
erfüllt; ist dagegen Xs=Xj^ = 0, in welchem Fall (V) für i = 2 erfüllt sein
muß, so ist derselbe — oo, und (V) ist nicht erfüllt. Dies ist der Grund, warum
hier kein Minimum stattfindet, wenn das Intervall [^^ x^] sich bis zum Punkt ^ = 0
erstreckt.
Beispiel XIV): Das Integral
=Jly'-y'y")dx
zu einem Minimum zu machen, wenn die beiden gegebenen Punkte P^, P^ auf
der a;- Achse liegen.
Hier sind die Extrem alen im allgemeinen keine Geraden, wohl aber ist die
spezielle Gerade
©o: y = o = §{x)
eine Extremale. Man findet leicht
fyry.{x, y{x), y{x)) = 2
8(ic, y{x); y{x),p)=p\
Also sind die Bedingungen (IP), (IH'), (IV) erfüllt, wenn x^ und x^ hin-
reichend nahe beieinander angenommen werden. Trotzdem liefert @o kein starkes
Extremum. Denn es ist
Der untere Limes von S. ist also — oo für * = 1, 2 und für jedes x^.^)
§ 19. Hinreichende Bedingungen für ein starkes Extremum.
Wir setzen wie im vorigen Paragraphen voraus, daß die Ex-
tremale (So den Bedingungen (IF) und (IE') genügt. Es sei^) of irgend
ein Feld von Extremalen um den Bogen ©o? ^^^
^) Dasselbe rührt von Caratheodory her, vgl. Archiv für Mathematik
und Physik (3), Bd. X (1906), p. 185.
^) Hierzu die Übungsaufgaben Nr. 33, 34 am Ende von Kap. III.
^) Daß @o mit einem Feld umgeben werden kann, folgt nach § 16, d) aus
(JT) und (IIP), wobei übrigens auch § 12, b), insbesondere die Fußnote ^) auf
p. 73 sowie § 13, a) zu vergleichen sind. Das Feld braucht aber nicht von der
speziellen dort benutzten Art zu sein.
120 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse v Aufgaben.
irgend eine Kurve der Klasse C, Avelche von P^ nach P^ gezogen ist
und ganz im Bereich of liegt. Dann gilt für die totale Variation:
AJ=J^ — Jq der Weierstraß'sche Fundamentalsatz (25). Hieraus
lassen sich nun auf verschiedene Arten hinreichende Bedingungen für
ein starkes Minimum ableiten:
a) Hinreichende Bedingungen, ausgedrückt mittels der 8-Funktion :
Es bedeute wieder ^jf^, y) das Gefälle der durch den Punkt (x, y)
gehenden Extremale des Feldes^ im Punkt (x, y). Wenn dann
%{x,y',p{x,y),p)yO (IV b)
für jeden Punkt (x, y) von cf und für jeden endlichen Wert von p,
so ist der Integrand von AJ sicher ^0 im Intervall [^i^g], also
A «7 5 0 . Die Kurve ©^ liefert also nach unserer Definition ^) (§ 3, b))
ein (starkes) Minimum.
Das Minimum ist jedoch nicht notwendig ein „eigentliches^' Mini-
mum, es kann auch ein „uneigentliches" sein (§ 3, b)).
Zu dem letzteren Punkt ist nun noch folgendes zu bemerken:
Aus der Definition der Funktion %{x,y'^ PyP) folgt^ daß dieselbe, als
Funktion ihrer vier Argumente betrachtet, stets verschwindet, wenn
p = p'^ man sagt in diesem Fall nach Kneser, die 8-Funktion ver-
schwinde in „ordentlicher" Weise. Ist dagegen: ^(x, y] p, p) = 0,
während p^p, so sagt man, die 8-Funktion verschwinde für das
betrachtete Wertsystem in „außerordentlicher" Weise.
Wenn wir nun der Bedingung (IVb) noch die Bedinguug hinzu-
fügen, daß die 8-Funktion im Felde of nur in ordentlicher Weise
verschwinden soll, so läßt sich zeigen, daß alsdann das Minimum stets
ein eigentliches ist.
Denn wenn die Bedingung (IVb) erfüllt ist, so kann nach be-
kannten Sätzen über bestimmte Integrale AJ" nur dann gleich Null
sem, wenn entlang der ganzen Kurve (J
8{x,y',p{x,y), y) = 0; (33)
und wenn die 8-Funktion im Feld nur in ordentlicher Weise ver-
schwindet, so ist dies nur in der Weise möglich, daß in jedem
Punkt (x, y) von (l:
y-p(^,y), (34)
*) Man beachte, daß nach der Definition eines den Bogen ©^ umgebenden
Feldes ol' (§ 16, c)) eine Nachbarschaft (q) von (£(, existiert, welche in oJ' ent-
halten ist.
§ 19. Hinreichende Bedingungen für ein starkes Extremum. 121
d. h. wenn die Extremale des Feldes durch den Punkt (x, y) die
Kurve ß im Punkt (x, y) berührt. Dies kann jedoch nur dann für
jeden Punkt der Kurve S eintreten, wenn d mit (g^ identisch ist.
Denn^) wird die das Feld oT bildende Extremalen schar, wie früher, mit
y = (p{x, a)
bezeichnet, so gilt nach (8) in jedem Punkt von S die Gleichung
y{x)^(p{x,o,{x,y)),
wobei a wieder die inverse Funktion des Feldes bedeutet. Differentiiert
man diese Gleichung nach x, so kommt
oder nach (9),
y'-pix,y)^cp^{x,a)^^.
Nun ist aber nach § 16, d), Ende, (p^{x, a) =h 0 in of! Wäre daher
(34) in jedem Punkt von (^ erfüllt, so müßte sein
dx '
also a{x, y) = konst., d. h. aber d müßte selbst eine Extremale des
Feldes sein, und zwar müßte S mit ^^ identisch sein, da ^ durch den
Punkt Pg geht und (S^ die einzige Extremale des Feldes ist, welche
durch Pg geht.
Hieraus ergibt sich aber in der Terminologie von § 3, b) das
Resultat :
Wenn die Ungleichung
H^,y]p{x,y),p)>0 (IVb')
erfüllt ist für jeden PunM (x, y) eines Feldes oT um den Extremalen-
logen (g^ und für jeden endlichen Wertp, luelcher von p(x, y) verschieden
ist, so liefert der Bogen ©^ ein starkes, eigentliches Minimum für das
Integral J.
Zuweilen kommt es vor, daß der Bereich 01, auf welchen die
zulässigen Funktionen beschränkt sind, selbst ein Feld um den Bogen ©^
bildet; alsdann ist das Minimum nicht nur ein relatives, sondern ein
absolutes (§ 3, a)).
^) Der Beweis rührt von Kneser her, vgl. Lehrbuch, § 22 ; vgl. auch Osgood,
loc. cit., p. 118.
1 22 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse v. Aufgaben.
Beispiel X (siehe p. 113):
Die Schar von geraden Linien
y z^mx -\- a
parallel der Geraden F^P^^ liefert offenbar ein Feld um P1P2, für welches
Daher ist hier
%{x, y; Pix, y), p) = {p — myiip + m -]- ly + 2m{in + 1)] .
Wenn m > 0 oder vi < — 1 , so ist also die Bedingung (IVb ') erfüllt. Zu-
sammenfassend erhalten wir daher mit Rücksicht auf die Ergebnisse von p. 114
für das gegenwärtige Beispiel das Resultat:
1. Wenn m>0 oder m< — 1, so liefert die Gerade P^P^ ein starkes,
eigentliches Minimum^), und zwar nicht nur ein relatives, sondern ein absolutes,
da das Feld hier die ganze x, 2/- Ebene ausfüllt.
•J. Dies gilt auch noch für m = 0 und m=- — l, da alsdann J^^=0,
während für jede andere zulässige Kurve /g > 0 .
3. Wenn w^ < w < 0 oder — 1 < m < Wg ^ so liefert P^ P^ zwar Jcein starkes
aber doch ein schivaches Minimum (nach § 15, b)); vgl. auch unten unter c).
4. Wenn 9?^ <im<im^, so liefert P^ Pg ein schivaches Maximum.
5. Wenn endlich m == m^ oder m = m^^, so liefert P^ Pg weder ein Minimum
noch ein Maximum, und zwar nicht einmal ein schwaches. Denn alsdann ist die
zweite Variation identisch Null und die dritte von Null verschieden, da allgemein
entlang einer Extremale für y = y-\-(a:
A J= 6(m — wj (m — m^)C(o'''dx + 2(2m + l)Jco'^dx -^joi'^dx .
Xi Xj_ x^
Wenn die Bedingung (IV'b) erfüllt ist, so ist a fortiori auch (IV)
erfüllt, da entlang (Sq: p{x,y) = y{x). Daß das Umgekehrte nicht
richtig ist, folgt schon a priori aus dem in § 18^ c) Bewiesenen.
Wir wollen es zum Überfluß noch an Beispiel XI verifizieren. Die Geraden
parallel der rc- Achse bilden ein Feld J^., für welches p{x,y) = 0. Daher ist
%{x, y; Pix, y), p) =^ p\a — 4:bpy + 2h xp^) .
1) Man kann dies übrigens auch mit ganz elementaren Mitteln beweisen,
da die totale Variation für irgend eine zulässige Variation y = y -^ co sich
schreiben läßt:
X.j. x^
AJ=2m{m -{- 1) Ca^dx + ß(o'^ + (2 w + l)co'Ydx .
§ 19. Hinreichende Bedingungen für ein starkes Extremum. 123
Für die Extremale y = 0 ist dies zwar stets positiv, wenn ^ ^= 0 ; aber wie
klein wir auch Je wählen mögen, so können wir doch stets in <^^, Punkte finden,
für welche bei passendem p, % <^0. Wir brauchen nur p = zu wählen und x
' HC
hinreichend klein zu nehmen.
b) Hinreicliende Bedingungen, ausgedrückt mittels der Punk-
tion/;,/.
Bei Anwendungen sind die liinrei eilenden Bedingungen, die sich
auf diese Weise unmittelbar aus dem Weierstraß'schen Fundamental-
satz ergeben, im allgemeinen ziemlich umständlich. In vielen Fällen
reicht man jedoch mit einer einfacheren, allerdings weniger allgemeinen
Bedingung aus, die wir in folgendem Satz formulieren:
Fundamentalsatz V: Wenn die Extremale^) (Sq den zu P^
konjugierten Punkt P^ nicht enthält:
x,<x^ (iir)
und überdies die Bedingung
fyy.(x, y,p)>0 (II,')
in jedem Punkt (x, y) einer gewissen Nachbarschaft (q) von @q für
jeden endlichen Wert von p erfüllt ist, so liefert @q ein starkes, eigent-
liches Minimum für das Integral
•^2
J=ff(^, y, y)dx.
Denn nach dem Satz über gleichmäßige Stetigkeit^) können wir
stets k so klein wählen, daß das Feld ol^, mit dem wir alsdann den Bogen
@o umgeben können,^) ganz in der Nachbarschaft (^) von @o ent-
halten ist. Dann folgt aber aus der Voraussetzung (IIb') auf Grund
der Relation (28) zwischen der 8-Funktion und der Funktion f , ,,
daß die Bedingung (IVb') im Bereich c^ erfüllt ist, woraus dann nach
a) die Existenz des Minimums folgt.
Ein Problem, für welches
fy'y'{^,yrP)^^ (35)
in jedem Punkt (rr, y) des Bereiches öl für jeden endlichen Wert
von p, wird nach Hilbert ein reguläres Problem genannt.^) Bei
1) Vgl. p. 88, Fußnote ^). ^) Vgl. A III 3.
^) Man vergleiche die Bemerkungen im Eingang dieses Paragraphen und
beachte, daß (II') in (IIb') enthalten ist.
^) Vgl. dazu § 24, c).
124 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse v. Aufgaben.
einem regulären Problem braucht man sich daher nur zu überzeugen^
daß der Extremalenbogen P^P2 den zu P^ konjugierten Punkt nicht
enthält, um sicher zu sein, daß ein starkes Extremum stattfindet.
Beispiel XIII'):
f=G{x,y)yi + y''^\
wo G{x,y) eine Funktion von x und y ist, welche in einem gewissen Bereich
51 von der Klasse C" ist.
Hier ist
Daher liefert jede Extremale ©^ ? welche ganz im Innern von 01 liegt, und welche
den zu P^ konjugierten Punkt nicht enthält, ein starkes Minimum, vorausgesetzt
daß G{x,y)^0 entlang Sq. Denn da G{x,y) in einer gewissen Umgebung
von ©,) stetig ist und positiv entlang ©„, so ist G{x,y) nach § 21, b) auch noch
positiv in einer gewissen Nachbarschaft (q) von 6^, und daher ist (H'b) erfüllt.
Für G(x,y)=^y folgt hieraus für Beispiel I (siehe pp. 1, 33, 72, 79),
daß der Bogen P^ P^ der Kettenlinie
y = a,Ch ^-^
ein starkes Minimum für das Integral
J=fyViWdx
^1
liefert, falls er den zu P^ konjugierten Punkt P/ nicht enthält.-)
Aus dem Beweis des letzten Satzes geht hervor, daß man dem
Satz auch folgende, nach § 16, d) damit äquivalente Form geben kann:
Wenn der Extremalenbogen (Sq mit einem Feld umgehen werden
kann, und wenn überdies die Bedingung (IIb') erfüllt ist, so liefert ©^
ein starlies Minimum.
Häufig ist die Existenz eines speziellen Feldes um den Bogen @o
geometrisch evident, während die Bestimmung des konjugierten
Punktes umständlicher ist. In solchen Fällen ist die zweite Form
des Satzes vorzuziehen.
Beispiel VII (Siehe pp. 33, 99): Das Integral
J y
1) Wegen mechanischer und optischer Deutungen dieses Problems vgl. die
Übungsaufgaben Nr. 9 und 17 zu Kap. V.
2; Hierzu die Übungsaufgaben Nr. 2—12, 33—38 am Ende von Kap. III.
§ 19. Hinreichende Bedingungen für ein starkes Extremum. 125
zu einem Minimum zu machen. Dabei war der Bereich 0i die obere Halbebene:
y>o.
Die Extremalen waren Halbkreise, welche ihre Mittelpunkte auf der o^-Achse
haben. Bezeichnet
den speziellen Halbkreis, welcher durch die beiden Punkte I\, P^ geht, so bildet
die Schar der damit konzentrischen Halbkreise
y^ya'- — lx — aQy^ = cp{x,a)
ein Feld um den Bogen ©^ . Überdies ist (IIb') in der ganzen oberen Halbebene
erfüllt, da
Der Halbkreis ^^ liefert also wirklich ein starkes, eigentliches Minimum für das
Integral J", und zwar ist das Minimum ein absolutes, da das Feld die ganze
obere Halbebene ausfüllt, also mit dem Bereich di identisch ist.
Anmerkung: Es muß ausdrücklich hervorgehoben werden, daß
es nicJit hinreichend ist, daß die Ungleichung
entlang der Extremalen @o erfüllt ist, oder anders geschrieben, daß
fy>y>(X,y{X)rP)>0 (IV)
für x^^x'^x^ und für jedes endliche p.
Dies zeigt unser Beispiel XI (Siehe p. 116):
f= ay'^ — 4:hyy'^ -\- 2bxy"^.
Denn hier ist entlang der Extremalen
®o: y = 0, O^aj^l,
f,fy'{x,y(x),p) = 2a-j-2 4:bxp^^0
für 0 < 0? < 1 und für jedes endliche p . Trotzdem findet kein starkes Minimum
statt, wie Avir in § 18, c) gesehen haben.
Andererseits ist die Bedingung (IIb') nicht notwendig für ein
starkes Minimum, ja sogar nicht einmal die viel schwächere Bedingung:
fy'y'{^, yiX),p)^0 (II,)
für x^^x^x^ und für jedes endliche p.
Dies zeigt Beispiel X (Siehe p. 122):
f=y'\i + yr.
126 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse v. Aufgaben.
Hier ist
diese Funktion 7on p kann sowohl negative als positive Werte annehmen, und
trotzdem findet, wie wir unter a) gesehen haben, ein starkes Minimum statt,
wenn w < — 1 oder m > 0 .
c) Hinreicliende Bedingungen für ein Extremum bei Gefällbe-
scbränkungen^):
Bei unserer Definition des Minimums (§ 3, h)) konnte das Gefälle der zu-
lässigen Kurven irgend welche endlichen Werte annehmen. Man kann aber
die Definition auch in der Weise modifizieren, daß man dem Gefälle gewisse
Beschränkungen auferlegt. Auch für solche Fälle lassen sich aus dem Weier-
straß'schen Fundamentalsatz hinreichende Bedingungen ableiten.
Hierher gehört vor allem der folgende, von Lindeberg ^) herrührende Satz,
für dessen Beweis wir auf die Arbeit von Lindeberg verweisen:
Sind im die Extremale % die Bedingungen (U') und (HI') erfiim, und ist
%{xj{x)', y{x),p)>0 (36)
in dem Bereich _,
x,^x<x,, 0<\p-y'{x)\<r (37)
ivo r eine helieUge endliche positive Größe ist, so läßt sich eine positive Größe r
bestimmen, derart, daß
A J>0
für alle zulässigen Variationen I des Bogens ©o, ßr icelche
1 2,(^) _ ^(cc) |<r, 1 y\x) - §'{x) !</. (38)
Zusatz I: Ans dem obigen Satz folgt unmittelbar der schon früher
(§ 15, b)) bewiesene Satz, daß die Bedingungen (I), (H'), (Iff) für ein schwaches
Minimum hinreichend sind. . ,
Denn zunächst folgt aus (IV), nach § 21, b) daß sich eine positive Große r
bestimmen läßt, derart, daß
fy'y'{xJiX),p)>0
im Bereich = . ,
x,^x<x,, \p-y'ix)\<rv'
und nunmehr ergibt sich aus (28), daß für eben diesen Wert / die Voraus-
setzungen des Lindeberg'schen Satzes erfüllt sind. , ^ ^, . m'
Latz II: Ist G eine beliebige positive Größe, größer als das Maximum^
von \§\x)\, und werden alle zulässigen Kurcen der Bedingung unterworfen, daß
X) Vgl. hierzu auch Beispiel VIII 1^ 3^- ^^^ g^tz sagt
2) Mathematische Annalen, Bd. LIÄ (iyU4) p. öö*. ^
wesentlich mehr aus, als daß der Bogen 6. ein schwaches M.mmum hert^ da
Hauptgewicht liegt darauf, daß die obere Grenze /ur | y {x)-y(.x) | m (38)
identisch ist mit der in (37) vorkommenden Größe r .
§ 19. Hinreichende Bedingungen für ein starkes Extremum. 127
ihr Gefälle dem absoluten Wert nach ^ G sein soll, so sind die Bedingungen (I),
(II'), (IIF), (IV) für ein starkes Minimum hinreichend.
Zum Beweis braucht man nur den obigen Satz mit r = G -\- M' anzuwenden.
d) Tabelle der notwendigen nnd der Mnreiclienden Bedingungen:
Zur bessern Übersicht stellen wir die A^erschiedenen Bedingungen^
welche bei der Aufgabe, das Integral
J=ff{x,y,y')dx
bei festen Endpunkten zu einem Minimum zu machen (§ 3, b)), vor-
gekommen sind^ tabellarisch zusammen:
{Euler's Differentialgleichung, p. 24: Eigenschaften ihres allgemeinen
Integrals, p. 72).
Die Kurve
ist eine Extremale der Klasse C' , welche die beiden gegebenen
Punkte Pj und Pg verbindet, und ganz im Innern des Bereiches Öl
liegt (p. 54).
2. fy'yi^y ^(^)' y^^)) 5 0 in \x^x^~\ (11)
{Legendre's Bedingung^ p. 57).
fy'y'{^yy^^)^P)^^ (IIa)
in \_x^X2\ für jedes endliche p (p. 115). ,
f,',Ä«=,y,p)^o (11.)
für jedes {x, y) in einer gewissen Nachbarschaft von (Sq und für
jedes endliche p (p. 123).
3. x.'^x; (III)
wo x^ der zu x^ konjugierte Wert ist (Jacob i's Bedingung, p. 87
und p. 70, Fußnote i).
4. Hx,y{x)',y'{x),p)^0 (IV)
in [;2;i iijg] für jedes endliche p=^y(x). (Weierstraß' Bedingung^
p. 113).
%{x,y; p{x,y),p)^Q (IVt)
128 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse y. Aufgaben.
für jedes (x, y) in einer gewissen Nachbarschaft von ^^ und für
jedes p =h p(x, y) (p. 120).
5. Bedingung (V), p. 118.
Die Unterdrückung des Gleichheitszeichens in (II) his (IVb) wird
durch einen Apostroph angedeutet. Die Bedirtgungcn (I), (11)^ (III)
sind noticendig, die Bedingungen (I), (11'), (III') sind hinreichend für
ein schivaches Minimum.
Die Bedingungen (l), (II), (III), (IV), (V; sind notwendig, die Be-
dingungen (I), (II'), (Iir), (IVb') und ebenso die Bedingungen (I), (11^0;
(Iir) sind hinreichend für ein sfarJies Minimum.
Die Bedingung (III') läßt sich hierbei durch die Bedingung, daß
©0 sich mit einem Feld von Extremalen umgeben läßt ersetzen
(pp. 105, 124).
§ 20. Zusammenhang des Unabhängigkeitssatzes mit der
Hamilton-Jaeobi'schen Theorie und der Transversalentheorie.^)
Wir schließen hier noch einige weitere Folgerungen aus dem
Unabhängigkeitssatz an, die zwar für die Aufstellung hinreichender
Bedingungen für ein Extremum des Integrals J bei festen End-
punkten nicht erforderlich sind, die aber vom Standpunkte der Theorie
der Differentialgleichungen von größtem Interesse sind. Dem mehr
formalen Charakter der Untersuchung entsprechend verzichten wir
jedoch darauf, an dieser Stelle eine strenge Detailbegründung der
Schlüsse zu geben, indem wir in dieser Beziehung auf die ausführ-
liche Behandlung der Transversalentheorie in Parameterdarstellung
in, Kap. VII und auf Kap. XII verweisen.
a) Die Funktion W(x,y) und die Transversalen des Feldes^):
Wir kehren zu den Voraussetzungen und Bezeiphnungen von § 17
zurück und denken uns in dem Hilbert'schen invarianten Integral
J*{PqF) den Punkt -PqC^o? 2/o) festgehalten; den Punkt P{x, y) da-
gegen betrachten wir als frei variabel im Feld cf. Für jeden Punkt
des Feldes ist dann nach dem Unabhängigkeitssatz der Wert des
Integrals J* (BqP) vom Integrationsweg ^ unabhängig, und durch
^) Dieser Paragraph schließt sich unmittelbar an die Entwicklungen von
^ 17, a) an.
*) Vgl. Zermelo und Hahn, Encyklopädie II A, p. 628 und Hilbert, Zur
Variationsrechnung, Göttinger Nachrichten, 1905, 2. Heft.
20. Die Hamilton-Jacobi'sche Theorie.
129
(41)
Angabe des Punktes P eindeutig bestimmt; er ist also eine ein-
deutige Funktion von x, «/, die wir mit W(Xj y) bezeichnen:
W{x,y)^J\P,P). (39)
Nach bekannten Sätzen über Linienintegrale folgt dann, daß das
Hilbert'sche Integral J*j genommen zwischen irgend zwei Punkten
Pg, P^ des Feldes entlang irgend einer ganz im Felde gelegenen
Kurve, sich durch die Funktion W{Xy y) ausdrücken läßt, nämlich
JL - =^04 - Jl. = W{x„ y,) - W{x„ 2/3) . (40)
Ferner folgt ^) aus der Definition von W, daß
~dx' = f^^^ y^ ^) -pfyi^y y> p)
-fy- = fy'i^, y, P)
wo p wieder die Gefällfunktion p(x, y) des Feldes oT bedeutet.
Wir betrachten jetzt die Kurvenschar
W(x, y) = konst. (42)
Da die Funktion W im Feld eindeutig definiert ist, so geht durch
jeden Punkt des Feldes eine und nur eine Kurve dieser Schar.
Es sei
W(x, y) = c
irgend eine Kurve der Schar (42).
Sie möge mit %^ bezeichnet werden, und sei darstellbar^) in der
Form
%' y-y{^)y
so daß also
W{x, y{x)) = c. (43)
Die durch einen beliebigen Punkt
P(^, y) der Kurve %^ gehende Feld- <_
extremale (S sei i^ig. 23.
@: y=.y{x).
Dann ist im Schnittpunkt P der beiden Kurven
1) Vgl. z. B. PicARD, Traue, Bd. I, p. 93.
^) Hier wäre bei einer strengen Begründung zu untersuchen, unter welchen
Bedingungen dies der Fall ist. Es zeigt sich, daß man für das Folgende voraus-
setzen muß, daß
für jede Extremale des Feldes.
Bolza, Variationsrechnung. 9
130 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse t. Aufgaben.
y(x) = y{x)
und ferner nach der Definition der Gefällfunktion
Differentiieren wir jetzt die Identität (43) nach x und machen von
den Gleichungen (41) Gebrauch, so erhalten wir
fi^y y, p) -pfy'{^, y> p) + yf.A^^ y,p) = ^-^
wegen (44) können wir dies auch schreiben
/'(^; y, y) + 0}' - y) fA^, y, 2/') = o . (45)
Hierin sind x, y die Koordinaten des Schnittpunktes P, y' ist das
Gefälle der Feldextremale (S, y dasjenige der Kurve X,. Die
Gleichung (45) ist aber nichts anderes als die schon ir 7,b) ein-
geführte Transversalitätsbedingung. Wir haben also das Resultat:
Jede Kurve der Schar
W{x, y) = konst. (42)
schneidet sämtliche Extremalen des Feldes transversal.
Aus diesem Grunde heißen die Kurven der Schar (42) die „Trans-
versalen des Feldes".
Dem Zusatz von § 17, a) stellt sich nunmehr der folgende
Satz an die Seite:
Das Hilherfsche invariante Integral J\ genommen zwischen irgend
mei Punlden F^, F^ derselben Transversalen, ist gleich Null.
Denn nach (40) ist
Jl, = W{x,,y,)-W{x,,y,)
und dies ist gleich Null, wenn F, und P, auf derselben Transversalen liegen.
Hieraus ergibt sich eine neue Definition der Funktion W{x, y).
Ziehen wir nämlich die Transversale %^ durch , den Punkt Po, und
schneidet die Feldextremale ^ durch den Punkt F{x,y) die
Transversale %, im Punkt Q, so wählen wir bei der Berechnung der
Funktion W{x,y) die aus dem Transversalenbogen F^Q und dem
Extremalenbogen QF zusammengesetzte Kurve F^QF als Integrations-
weg für das Hilbert'sche Integral J*. Dann ist
W{x,y)^J\F,Q)^r{QF),
und dies ist nach dem Zusatz von § 17, a) und nach dem soeben
bewiesenen Satz gleich /on \
W{x,y) = JJQT). (39a)
§ 20. Die Hamilton-Jacobi'sche Theorie.
131
Die Funktion W(x, y) kann also auch definiert werden als der Wert
des „Grundintegrals J" genommen entlang der durch den Punkt P
gehenden Feldextremalen @ vom SchnittpunM von @ mit der Trans-
versalen %Q his zum Punkt P. Hiermit ist gezeigt, daß die Funktion
W(x, y) mit dem „FeldintegraP' identisch ist, welches in den Theorien
von Weieestrass und Kneser eine so hervorragende RoUe spielt
(siehe unten § 33).
Es seien jetzt ferner %^, und %^„ zwei Transversalen des Feldes,
©' und ©" zwei sie verbindende Extremalen des Feldes (siehe Fig. 25).
p'L
Fig. 24.
@'
i
i
2:c-
Fig. 25.
P"
2c-
Dann ist nach dem Unabhängigkeitssatz das Integral J* genommen
entlang der geschlossenen Kurve P'Q'Q"P"P' gleich Null. Nun ist
aber nach dem eben bewiesenen Satz
r{^p'Q')=.o, j\Q"p") = o
und nach dem Zusatz von § 17, a)
J\Q'Q") = J^.{Q'Q"), J\F'F) = - J\PP") = - J^.iPF').
Also folgt
J^.iFF') = J^..iQ'Q"). (46)
Wir erhalten also den Kneser sehen Transversalensatz'^)'.
Irgend zwei Transversalen des Feldes schneiden auf den ver-
schiedenen Extremalen des Feldes Bogen aus, welche für das Integral J
denselben Wert liefern.
-Bee5p«eZFiJ(siehepp.33, 99):/" =
Es sollen zu dem aus der
Schar konzentrischer Halbkreise um den Punkt (0,0) gebildeten Feld (vgl. p. 99)
die Transversalen bestimmt werden. Die Transversalitätsbedingung (45) reduziert
sich auf
^-\-y'y
yV^ + y""
0
Vgl. Kneser, Lehrbuch^ § 15, und unten § 40.
I
132 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse v. Aufgaben.
„transversal" ist also hier mit „orthogonal" identisch und daher müssen die
Transversalen mit dem Geradenbüschel durch den Punkt (0 , 0) identisch sein.
Wir wollen dies auch analytisch verifizieren. Nach p. 99 ist
X
P(^,2/)== — — •
Die Grleichungen (41) werden daher
dW 1 dW X
dx Vx'-f^ ^y yVx'^y^^
woraus man durch Integration ^) erhält
Die Transversalen sind also
X
d. h. die Geraden durch den Punkt (0,0)*).
b) Die Hamilton'sclie partielle Differentialgleicliuiig:
Wie schon Beltrami (loc. cit.) bemerkt hat, ergibt sich durch
Elimination von p aus den beiden Gleichungen (41) eine partielle
Differentialgleichung erster Ordnung für die Funldion W:
,f dw dw\ ^ ..7^
Aus der Ableitung derselben geht hervor, daß die Funktion O nur von f
nicht aber von der Wahl des Feldes of abhängig ist, während die
Funktion W(x, y) auch von cT abhängt.
Beispiel XIII (Siehe p. 124): f= G{x,y)yi^y'^\
Hier lauten die Gleichungen (41)
dW G{x,y) dW pG{x,y)
dx yTTF' ^y |/r+^^
Die partielle Differentialgleichung für W lautet also .
Aus dem eben bewiesenen Satz folgt, daß nicht jede beliebige
Kurvenschar <
F(x, y) = c
1) Vgl. z. B. PicARD, Traite, Bd. I, p. 94.
*) Hierzu die Übungsaufgaben, Nr. 24, 25, 26 am Ende von Kap. HI.
§ 20. Die Hamilton-Jacobi'sche Theorie. 133
Transversalenschar für ein gegebenes Variationsproblem sein kann,
sondern nur diejenigen, für welche die Funktion F der partiellen
Differentialgleichung
^(-'^'S'lf) = 0 (47a)
genügt.
Ist umgekehrt Fix, y) irgend eine Funktion, welche der partiellen
Differentialgleichung (47 a) genügt, so gibt es stets eine einparametrige
Extremalenschar , welcher die gegebene Schar F(x, y) = c als Trans-
versalenschar zugehört.
Denn die partielle Differentialgleichung (47 a) ist die notwendige
und • hinreichende Bedingung dafür, daß es eine Funktion p=p{x,y)
gibt, welche gleichzeitig die beiden Gleichungen
j^-f{^,y,P)-pfy'{oc,y,p), j^ = fy,(x,y,p) (41a)
befriedigt. Diese Funktion p(x,y) genügt dann der partiellen
Differentialgleichung (19), wie man sofort sieht, wenn man die erste
der Gleichungen (41a) nach y, die zweite nach x differentiiert und
die rechten Seiten der so erhaltenen Gleichungen einander gleichsetzt,
was gestattet ist, da bei geeigneten Stetigkeitsannahmen F^^ = F^^.
Nunmehr bilden wir mit dieser Funktion ^(:r, 2/) die Differential-
gleichung erster Ordnung
%-pi^,y)- (48)
Es bezeichne
y = (p{x,a) (49)
das allgemeine Integral derselben, so daß also
für jedes a. Durch Differentiation nach x folgt hieraus
^xx =Px^Py^x = Px-^ PyP ' (^1)
Ersetzt man jetzt in der partiellen Differentialgleichung (19) die
Variable y durch (p(x, a) und macht von (50) und (51) Gebrauch,
so erhält man die Gleichung (18), welche aussagt, daß die Schar (49)
eine Extremalenschar für das durch die Funktion f(x, y, y') charak-
terisierte Variationsproblem ist.
Diese Schar wird dann, wejm x und a auf einen geeigneten Be-
reich beschränkt werden, ein Feld bilden, und für dieses Feld ist
nach (50) die Funktion p{x,y) Gefällfunktion und die gegebene
Schar F(x,y) = c nach (41a) die Transversalenschar. —
1 34 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse v. Aufgaben.
Die Elimination von p aus den beiden Gleichungen (41) wird
man naturgemäß in der Weise ausführen, daß man zunächst die
zweite Gleichung nach p auflöst und den gefundenen Wert in die
erste Gleichung einsetzt.
Bezeichnet daher allgemein
p = p(x,y,v)
die durch Auflösung der Gleichung
fy'(^yy,P)=V (52)
nach p erhaltene Funktion^ so daß also identisch
f^,(x,y,p)^v, (53)
so folgt aus (4I2):
P(.oo,y) = p(x,y, j^y (54)
und man erhält somit als Resultat der Elimination die partielle
Differentialgleichung
dW ^/ ^1 dW\\ dW^( dW\ ..„ s
oder wenn man nach der in der Hamilton'schen Theorie üblichen
Bezeichnungsweise die Funktion
H{x, y, v) = v\^{x, y, v) — f(x, y, p(^, y, v)) (55)
einführt:
l? + ^(^^^.|?) = 0. (56)
Hiermit hängt unmittelbar die Bedu/dmt der Eul er' sehen
Differentialgleichung auf ein sogenanntes Junonisches System'^ ^) zu-
sammen. Aus der Definition der Funktion H folgt unter Benutzung
der Identität (53)
j^ = -f,{x,y,p), ^ = p.
Man ersetze jetzt die Euler'sche Differentialgleichung durch das da-
mit äquivalente System von zwei Differentialgleichungen erster Ordnung
mit den beiden unbekannten Funktionen y, y-
1^ = /, fy(=o, y, y) - -l^fyi^, y, y')-o,
') Vgl. z. B. Joedan, Cours d'Änalyse, Bd. IH, Nr. 256—260, 375.
§ 20. Die Hamilton-Jacobi'sche Theorie. 135
und führe dann statt / eiüe neue unbekannte Funktion v ein mittels
der Gleichung
woraus durch Auflösen folgt
so erhält man für die beiden Funktionen y^ v das System von
Differentialgleichungen
dy _ dJI dv dH ,^-\
dx dv ^ dx dy ^ ^ ^
das in der Tat in der kanonischen Form ist. Die Beltr am lösche
partielle Differentialgleichung für die Funktion W, in der Form (56)
geschrieben, ist also mit der zu dem kanonischen System (57) ge-
hörigen Hatnilton' sehen partiellen Differentialgleichung identisch.
c) Ableitung des allgemeinen Integrals der Hamilton'schen
partiellen Differentialgleichung aus einem ersten Integral der
Euler'schen Differentialgleichung:
Nach der Hamilton-Jacobi'schen Theorie^) folgt aus dem letzten
Resultat, daß die Integration der partiellen Differentialgleichung (47)
und die Integration der Euler'schen Differentialgleichung äquivalente
Probleme sind. Wir wollen dieses wichtige Resultat nach Beltrami^)
und HiLBEKT^) direkt aus dem Unabhängigkeitssatz, ohne Zuhilfe-
nahme der Hamilton-Jacobi'schen Theorie, beweisen.
Wir nehmen zunächst an, das allgemeine Integral der Euler'schen
Differentialgleichung sei gefunden:
y = g{x,a,ß),
und betrachten nun die einparametrige Extremalenschar, die man er-
hält, wenn man ß einen festen Wert beilegt und nur den Parameter
a variiert. Bei geeigneter Beschränkung von x und a wird diese
Schar ein Feld bilden. Zu diesem Feld gehört dann eine bestimmte
Gefällfunktion p{Xy y) und eine bestimmte Funktion W{x, y)-^ beide
werden von der Konstanten ß abhängen, und die Gleichungen (41)
^) Vgl. Encyclopädie, IIA, p, 343 (E. v. Weber), und die dort gegebenen
Literaturnachweise auf Hamilton und Jacobi.
2) Loc. cit. p. 368.
^) ,^Zur Variationsrechnung" , Gröttinger Nachrichten, 1905, und
Mathematische Annalen, Bd. 62, p. 356.
136 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse v. Aufgaben.
erscheinen daher jetzt als Identitäten in x, ij, ß und können nach ß
diflPerentiiert werden. Man erhält so:
Aus der Definition der Gefällfunktion berechnet man leicht
r^ß 9u
Daraus folgt aber, daß ^ nicht identisch verschwinden kann, da
g(x,a,ß) das allgemeine Integral^) der Euler'schen Differential-
gleichung sein sollte. Da überdies auch fy'y'(x, y, 2-)) nicht identisch
verschwinden kann, wenn wir singulare Vorkommnisse beiseite lassen,
so ist
Hieraus folgt aber, daß die Funktion W(Xy y] ß) die Konstante ß
nicht additiv enthalten kann, d. h. nicht von der Form
sein kann. Die Funktion W(x, y] ß) + y ist also in der Terminologie
von Lagrange ein ,,vollständi(/es'^ Integral^) der partiellen Differential-
gleichung (47). Hieraus ergibt sich dann nach der Theorie der
partiellen Differentialgleichungen erster Ordnung^) auf folgende Weise
das j^allgemeine^' Integral der partiellen Differentialgleichung (47 j: Ist
A(/3) eine willkürliche Funktion von ß, so ist auch
w{x, r, ß) + m (59)
ein Integral von (47). Bestimmt man jetzt ß als Funktion von x^ y
aus der Gleichung
w^,(x,r,ß) + x'iß) = o, (60)
und setzt den gefundenen Wert
ß = h{x,y)
in den Ausdruck (59) ein, so erhält man eine Funktion von x und y^
welche ebenfalls der partiellen Differentialgleichung (47) genügt. Die
so erhaltene Lösung wird dann nach Lagkange die allgemeine Lösung
^) Vgl. § 12, b), Gleichung (26).
2) Vgl. z. B. GouRSAT, Legons sur VinUgration des cquations mix derivees
partielles du premier ordre (Paris 1891), p. 87.
§ 20. Die Hamilton-Jacobi'sche Theorie. 137
von (47) genannt^ weil sie von der willkürlichen Funktion X ab-
hängt.
Zur Herleitung der Funktion Wipc, i/; |3) ist es übrigens nicht
einmal nötig, das allgemeine Integral der Euler'schen Differential-
gleichung zu kennen; es genügt, wenn ein erstes IntegraP)
n{x, y, y') = ^ (61)
bekannt ist. Die Auflösung von (61) nach y möge ergeben
y'=p{x,y;^). (62)
Bei festgehaltenem /3 ist dann pix^y^ß) die Gefällfunktion für die-
jenige Extremalenschar, die man durch Integration der Differential-
gleichung erster Ordnung (62) erhält. Um die Funktion W{x, «/; ß)
zu erhalten, braucht man aber diese Integration gar nicht auszuführen,
da man dazu nur die Funktion p(x,y] ß) nötig hat, und zwar erhält
man nach dem Unabhängigkeitssatz die Funktion W{Xy y\ ß) durch
Ausführung von zwei Quadraturen.^)
Beispiel: f=G {y) }/! -f- y'~^^ .
Da die Funktion f die Variable x nicht explizite enthält, so läßt sich nach
§ 6, a) sofort ein erstes Integral der Euler'schen Differentialgleichung angeben,
nämlich
Daraus ergibt sich
und hieraus;
A^, y. P)-Pfy'{^. y.P)-ß. fy'ix, y, p) =|/^%) - §'' .
Also ist
y
Dies ist in der Tat ein vollständiges Integral der zum Problem gehörigen
Hamilton'schen partiellen Differentialgleichung
0+ (©■=»■*)
^) Vgl. Encyclopädie 11 A, p. 196 (Painleve).
^) Vgl. z. B. Serret, Differential- und Integralrechnung, Bd. II, p. 305.
1 38 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse v. Aufgaben.
d) Ableitung des allgemeinen Integrals der Euler'schen Diffe-
rentialgleicliung aus einem vollständigen Integral der Hamilton'schen
partiellen Differentialgleicliung :
Hat man umgekehrt auf irgend einem Weg ein Integral W(x,y'^ ß)
der partiellen Differentialgleicliung (47) gefunden, welches eine nicht
additive willkürliche Konstante ß enthält, und ist
55*0, (63)
SO erhält man das allgemeine Integral der Eul er' selten Differential-
gleichung, indem man die Gleichung
nach y auflöst.
Zum Beweis schließt man zunächst genau wie unter b), daß es
eine Funktion p gibt, welche gleichzeitig den beiden Gleichungen (41)
genügt, nur mit dem Unterschied, daß jetzt diese Funktion p ebenso
wie die Funktion W von dem Parameter ß abhängt. Man kann daher
die beiden Gleichungen (41) nach ß differentiieren und erhält so die
beiden Gleichungen (58). Aus denselben folgt aber, daß für jede
beliebige Funktion y von x die Gleichung gilt
dx dß
(^-Pi^yy^ ß))fy'y'(^> y^ i'^df
Wenn nun insbesondere die Funktion y der Gleichung (64) genügt,
so ist die linke Seite und daher auch die rechte Seite der letzten
Gleichung gleich Null. Da aber wegen der Voraussetzung (63) der
Faktor f , ,^Ä nicht identisch verschwinden kann, so folgt, daß die
' y y dp
Funktion y dann stets auch der Differentialgleichung
^=p{x,y',ß)
genügt, und daraus schließt man ganz wie unter b), daß sie dann
auch der Euler'schen Differentialgleichung genügen muß. Da die
durch Auflösung von (64) erhaltene Funktion y aber zwei un-
abhängige willkürliche Konstante enthält, so muß sie das allgemeine
Integral der Euler'schen Differentialgleichuug sein.
Zugleich folgt nach b), daß bei festgehaltenem ß die Gleichung:
W(x, y] ß) = konst. die Transversalen schar zu der Extrem alenschar:
W^(Xy y\ß) = konst. darstellt.
§ 20. Die Hamilton-Jacobi'sche Theorie. 139
Es läßt sich weiter nocti der folgende Satz^) beweisen:
Kennt man irgend ein vollständiges Integral W{Xy y] ß) -{- y der
partiellen Differentialgleichung (47), so 'kann man stets, ohne Ausführung
einer weiteren Integration eine Lösung w{x, y) von (47) bestimmen,
welche entlang einer beliebig vorgegebenen Kurve
^: x = x{t:), y=y{r)
verschwindet, das heißt also geometrisch, man kann stets eine Trans-
versalenschar bestimmen, welche die Kurve © enthält.
Man erhält die verlangte Lösung w{Xj y) nach Daeboux folgender-
maßen: Man berechne t aus der Gleichung
als Funktion von ß und substituiere den gefundenen Wert x = x{ß)
in die Funktion W{x^ T-, ß)- Definiert man dann
setzt mit dieser Funktion A(/3) die Gleichung (60) an, und bestimmt
daraus ß = h(x, y) als Funktion von x, y, so ist
w{x,y) = W(x,y',h)-^ X{h)
die gesuchte Lösung der partiellen Differentialgleichung (47).
In dem besonderen Fall, wo die Kurve S in einen Punkt jPo(^o?2/o)
degeneriert, wo also
x(y) = x^, y{r)=y^,
vereinfacht sich die Regel dahin, daß
l{ß) = - W{x„ y,; ß)
ZU nehmen ist. In diesem Fall gehen die sämtlichen Extremalen der
Schar, deren zugehörige Transversalenschar durch: w(x, y) = konst.
dargestellt wird, durch den Punkt P^.
Beispiel: f ==]/l + y'^"" .
Die Hamilton'sche partielle Differentialgleichung lautet hier
\dxl "^Uyi"
Ihr genügt offenbar die Funktion
W{x, 2/ ; |3) = ic sin |3 — y cos ß ;
^) Für den Beweis verweisen wir auf Darboux, Theorie des surfaces, Bd. 11,
p. 447.
140 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse v. Aufgaben.
daraus ergibt sich das allgemeine Integral der Euler'schen Differentialgleichung
in der Form ^ , . ^
Die Geradenschar:
o; sin ^ — y cos ß = konst.
ist in der Tat transversal (d. h. hier orthogonal) zur Extremalenschar :
xco8ß-\-ysinß = konst.
Wir wollen diejenige Lösung der partiellen Differentialgleichung bestimmen,
welche entlang dem Kreise
^: x = Bcost = x{T), y=^E8mt = y{t)
verschwindet. Dazu haben wir nach der obigen Regel die Gleichung
— jR cos (r — /?) = 0
nach r aufzulösen:
t = ß±'^ + ^ni7t = r{ß).
Es ist dann
X(^) =. _ E Tsin ß cos (ß±^^ — cos ß sin (^ß ± |-jj = ± -R ;
sodann haben wir die Gleichung
W,^{x, 2/; ß) -^r(ß) = x cos ß-\- y sin ß = 0
nach ß aufzulösen und die gefundenen Werte
X . y
sin ß = + — zzzr , cos /? = ± . 7^p-^\
in die Funktion W{x, y-, ß) + Hß) einzusetzen. Wir erhalten so bei passender
Wahl der A^'orzeichen die gesuchte Lösung:
Schrumpft der Kreis auf seinen Mittelpunkt zusammen (R = 0), so wird
w{x,y) = ±Vcc'~T¥^-
Das letztere Resultat ergibt sich auch nach der obigen Regel, indem man
l{ß) = -W{0,0;ß) = 0
setzt.
e) Die Methode von C aratheodory zur Behandlung von Variations-
problemen:
Wir knüpfen an die vorangehenden Entwicklungen noch einen
kurzen Bericht über die Methode, die neuerdings Caratheodory i)
für die Behandlung von Variationsproblemen gegeben hat.
^^)~J}her diskontinuierliche Lösungen in der Variationsrechnung", Dissertation
(Göttingen, 1904), p. 65, und Göttinger Nachrichten 1905, p. 1.
20. Die Hamilton-Jacobi'sche Theorie.
141
Wir betrachten mit Caeatheodory eine beliebige, nach dem
Parameter aufgelöste Kurvenschar
F{x, y) == konst. (65)
und greifen zwei benachbarte Kurven der Schar heraus
F{x, y) = ^ (66)
und
F(x,y) = ^-{-d^. (67)
Durch einen beliebigen Punkt P(x, y) der Kurve (66) ziehen wir
ein Linienelement PQ bis zu dessen Schnittpunkt Q(x -{■ dx, y + dy)
mit der Kurve (67). Der Wert des
Integrals
J=Jf(x,y,y)dx
genommen entlang dem Linienelement
PQ ist dann bis auf Grlieder höherer
Ordnung gegeben durch ^)
J{PQ)'-f(^,y>p)dx^
f{x, y, p)dii
^^d/z
(68)
Fig. 26.
wenn p das Gefälle des Elementes PQ im Punkt P bezeichnet.
Wir stellen uns nun die Aufgabe, p so zu bestimmen, daß dieser
angenäherte Wert des Integrals J(P Q) ein Minimum wird. Dazu muß
d f r^ ^' f
= 0, Z-.
>0
(69)
(70)
dp Fa^+pFy ^' dp'F:c-\-pFy
sein, oder, wenn wir die Differentiation ausführen
Da das Gefälle der Kurve (66) im Punkt P durch — ^ gegeben ist,
so zeigt der Vergleich mit (45), daß diejenige Richtung, für welche
das Segment PQ für das Integral J(PQ) den Meinsten Wert liefert,
von der Kurve (66) im Punht P transversal geschnitten wird.
Durch Auflösung der Gleichung (69) erhält man den gesuchten
Wert des Gefälles p als Funktion von x, y] wir bezeichnen die-
selbe^it^ i)=p(a;,i/).
^) Das Zeichen <^o soll hier bedeuten: annähernd gleich.
142 Drittes Kapitel. Hinreichende Bedingungen b. d. einfachsten Klasse v. Aufgaben.
Setzt man diesen Wert von p in (68) ein, so erhält man den Mini-
malwert M von J(PQ) als Funktion von x,y. Im allgemeinen vs^ird
sich dieser Minimalwert M von Punkt zu Punkt ändern, wenn wir
den Punkt P die Kurve (66) durchlaufen lassen. Es soll nun die
Funktion F(x, y) so bestimmt werden, daß der Minimal wert M ent-
lang jeder Kurve der Schar (65) einen konstanten, nur von u ab-
hängigen Wert hat. Eine Kurvenschar, welche diese Eigentümlichkeit
hat, nennt Caratheodory eine Schar geodätisch äquidistanter Kurven.
Bei einer solchen Schar kann man den Parameter (i stets so wählen,
daß der konstante Wert des Minimalwerts M gleich du wird. Als-
dann ist
wobei für 2> die Funktion p(x, y) einzusetzen ist. Durch Elimination
von p aus den beiden Gleichungen (69) und (71) erhält man eine
partielle Differentialgleichung für die Funktion F(x, y), welche die
notwendige und hinreichende Bedingung für die Äquidistanz ausdrückt.
Diese partielle Differentialgleichung ist aber mit der Beltrami' sehen
Differentialgleichung (47) identisch, wenn man W statt F schreibt.
Denn man kann die in Frage stehende Elimination von p in der
Weise ausführen, daß man zunächst die beiden Gleichungen (69) und
(71) nach F^, F^ auflöst, was
K = f-Pfy. Fy = fy> (12)
ergibt, und dann aus diesen p eliminiert. Der Vergleich mit den
Gleichungen (41) zeigt dann die Richtigkeit unserer Behauptung.
Die partielle Differentialgleichung (47) ist also die notwendige und hin-
reichende Bedingung dafür, daß die Kurven der Schar W{x, y) = Konst.
geodätisch äquidistant sind.
Wir kehren jetzt wieder zu einer beliebigen' Kurvenschar (65)
zurück, und stellen uns die Aufgabe, in der allgemeinsten Weise
eine Kurve
zu bestimmen, welche die Eigenschaft hat, daß in jedem ihrer Punkte
das Gefälle der Kurve mit dem oben bestimmten Wert von p über-
einstimmt, welcher für J(PQ) den kleinsten Wert liefert. Es muß
dann entlang der Kurve S
§ 20. Die Hamilton-Jacobi'sche Theorie. J43
sein. Das allgemeine Integral dieser Differentialgleichung (die mit
derjenigen Differentialgleichung identisch ist, die man aus (69) erhält,
wenn man p durch J^ ersetzt), ist eine Kurvenschar
y==(p{x,d)', (74)
jede Kurve derselben wird dann von jeder Kurve der gegebenen
Schar (65) transversal geschnitten.
Wenn nun insbesondere die Kurven der Schar (65) geodätisch
äquidistant sind, so ist die zugehörige Schar (74) eine Extremalenschar
für das Integral J. Denn alsdann gelten die Gleichungen (72), aus
denen man genau so weiter schließt wie unter b) bei der Lösung der
Aufgabe, zu einer gegebenen Lösung W der partiellen Differential-
gleichung (47) die zugehörige Extremalenschar zu bestimmen.
Übungsaufgaben zu den drei ersten Kapiteln.
(Schwierigere Aufgaben sind durch einen Stern gekennzeichnet.)
1. Obere und untere Grenze, resp. absolutes Maximum und Minimum der
folgenden Funktionen für die angegebenen Intervalle zu bestimmen (§ 2):
f . sin 2a; , sin 3a; sin 4a; , )
a) s(a;) -= 2 I sin x ^ 1 7^ -^— H ]
in [0 , 7t] , in [— tt, + Tt] , in — cx) < a; < -|- OO .
b) ?-7-r in [-^,—^1, in [—5^,+^], ii^ [— «,0].
^ 'jt — s{x) L 2 J
CO
^-^dt in [0, 1]
d) Sic^ — 16a^3+18a'2 + 2 in [—1,4].
Die notwendigen und die hinreichenden Bedingungen für ein starkes,
respektive schwaches, Extremum des Integrals
^2
J=rf{x,y,y')dx
^1
für die folgenden Funktionen f aufzustellen, sowie die Konstantenbestimmung
und die Konstruktion von Extremalenfeldern zu diskutieren:
2. f=xy^ — Syy^-.
4. f=ay^--^2hyy' + cy^
a^b^ c konstant.
(A. Mayer).
3/^0, \y'\^^-
Übungsaufgaben zu den drei ersten Kapiteln. 145
(Wegen der Gefällbeschränkung vgl. Beispiel VIII, p. 34; wegen der geo-
metrischen Deutung vgl. Nr. 35).
m
(Euler, Eedmann.)
Andeutung: Führe Polarkoordinaten ein. Spezielle Fälle
m = — 2, 1, —4^, —3.
(Weierstrass.)
Die Koordinaten der Endpunkte seien: (— 1, a), (-j- i, &).
Spezialfall:
;i = o.
Extremalen: (ccx -\- §i){uy -{- §) -\-l = Q .
Extremalen: {x — aY -\- y'^ = ß'^ .
(EüLEB.)
Wird die Funktion (p{u) durch die Differentialgleichung: g)" = rgj2r-i und
die Anfangsbedingungen: qp(0) = l, «p'(O) = 0 definiert, so sind die Extremalen
(außer für r == 0) :
Diskutiere die Gestalt der Extremalen, wobei die Fälle: r>l, 0<r^l, r<0
zu unterscheiden sind. Untersuche die Periodizitp,lfebigenschaften der Extremalen,
wenn r rational. Diskutiere die Konstantenbestimmung. j^:^^.^,^i'y^^^^:. /^<-r. -
12*. f=yr.^/Yzir:p\^ y^^^ I2/'|<iTM^. ^^._
Ähnliche Resultate wie in der vori^ Aufgabe. ,..i£-^v^ ^^''^JliiAe*-*^''^
13. Das Hamilton'sche Prinzip*) auf die Bewegung^ines materiellen "
Punktes anzuwenden, welcher gezwungen ist, sich auf einer gegebenen Kurve:
zu bewegen. Anwendung auf das ebene Pendel.
*) Vgl. Kap. XI. ; '' ":. ' '^
Bolza, Variationsrechnung. ,y JQ
(GULDBERG.)
(Steomquist.)
-^^ß Übungsaufgaben zu den drei ersten Kapiteln.
14. Dieselbe Aufgabe für den Fall, daß die gegebene Kurve sich nach.
einem gegebenen Gesetz bewegt: J;- '^p^,
15. Alle Funktionen f{x,y, y) von der Form
' '*^ f=Lix,y)y'-\-M{x,y)y'' + N{x,y)y''
zu bestimmen, für welche die Extremalen Gerade sind (§ 6, c)).
Lösungi^ Jli
wobei Yq, Yi, Y^ drgi willkürliche ganze Funktionen von y allein sind, deren
Grad durch den Indel angegeben wird. , , ^ity ^ ^*^^
Jr,ry 15a. Dieselbe Aufgabe für j ^' / , a o
M-^' ._ L{x, y) + M{x,y)y' -{-N{x, y)y''
Lösung (für n-^0, 1, |^):
(f/X^,- i = a^ + &. M=-(H-l)«i/ + c, JVr=naa^ + <Z.
16*. Alle Funktionen fix, y, y') zu bestimmen, für welche die Extremalen
Kreise mit dem Mittelpunkt auf der ic-Achse sind (§ 6, c)).
(Stromquist.)
17. Alle Funktionen f{x, y, y') zu bestimmen, für welche „transversal'' mit
„orthogonal" identisch ist.
Lösung: __^ ~j- i^V^V-
.^^.„ ^f=G(x,s,)i/r+7v. '•-f'^^ ,„ ,
-vV:^ ' C^rrC.t:^.j:>.-'(: ,J^//j',^v-^- ^Oi? ^., (Hedrick.)
>J^, "^ 18. Unter der Aiwahme, daß die Konstantenb^stimmung bei gegebenen
^^Endpunkten P^ und P^ (wenigsteris bei Beschränkung von P^ und P^ auf ge-
wisse Bereiche) eindeutig ist, ist das Integral J", genommen entlang der Ex-
tremale von Pi nach Pg, eine eindeutige Funktion der Koordinaten x^, y^-, x^, y^
dieser Punkte, die wir mit J {x^, y^', x^,y^) .beüeichnen und das Extremalen-
tntegral zwischen P, und P, nennen^^, ,,^^^'^J^^;pJ^
Das Extremalenintegral zu berechnen ^r-^f^^fcy-^^(x.il ' '-"-''"'^4
r^ t^tt^''-, f=y^
/•=y2/(i-2/'')
2^\
2/
Übungsaufgaben zu den drei ersten Kapiteln. 147
19. Zu beweisen, daß die partiellen Ableitungen des Extremalenintegrals
jfolgende Werte haben: . ,,>-i
^ 'J£^'c^^
^-- = — [ A^n 2/1. Vi)— Vi fy'i^i^ 2/1, 2/1 )], ^- = — /;,'(^i, 2/1, 2/1 ) •
-^ = [/"(^ä ,2/2,2/2') — 2/2 72/'(«2 , 2/2 , 2/2')] , ■^- = fy'i^2 ,2/2,2/2'), , ^
wobe:^ 2/i', 2/2 ^^^ Gefälle der Extremale PjPg i^ A, resp. P^ bedeuten.'
woDei ^
20. HinreicIiendeJBedingungen für ein starkes Extremum des Integrals
0. ffinreicbr""'- ^-^'
yh^, 2/)^^
,:>;^fe-/f^
1^' mittels der ersten und zweiten Variation abzuleiten, wenn beide Endpunkte auf
^ gegebenen Geraden x = x^^ respektive x = x^ beweglißlv sind.
Lösung: ^'-'^'^^'^ ,
^" ^'■''- ^2/ = ^' fyy>^'
Andeutung: Benutze die Taylor'sche Forniel. mit Restglied.
Beispiele: U^ ' rL^^l^-' ^ ^tl M--..^^ ^
/•= {<oax — y^)y , -^ ' '-' / rj2^rru;^
(Euler )
f= (6aaj— 3^2 _ ^2) ^2a^ — ^2 _ 4^^/ + 2/^) •
(Euler.)
21. Mit Hilfe der zweiten Variation zn beweisen, daß die Gerade Pj Pg
das Integral
•^2
dx
zu einem starken Minimum macht. (Bromwich.)
22. Mit Hilfe von Nr. 21 den folgenden Satz von Osgood zu beweisen:
Es sei f{x) von der Klasse C im Intervall [ah'\ und es sei
a<Z^&, und 1/"(Z) — /"(a) 1 = i > 0 .
Alsdann ist
/'
i
r{xydx:>
h — a
23. Enthält f die Variable y nicht explizite, so kann man die Extremale ^^
stets mit e?iem Feld umgeben. Daher ist hier die Bedingung Il'b hinreichend
für ein sta* ä:es Extremum. (Osgood.)
10*
148
Übungsaufgaben zu den drei ersten Kapiteln.
24. Für die Aufgabe Nr. 2 die Transversalenschar zu dem von der Schar
paralleler Geraden
gebildeten Feld zu bestimmen (§ 20, a)).
25. Für Beispiel X die Transversalenschar des aus dem Geradenbüschel durch
den Koordinatenanfang bestehenden Feldes zu bestimmen (§ 20, a)).
26. Für Beispiel VIII die Transversalenschar des auf p. 99 betrachteten
Feldes zu bestimmen (§ 20, a)).
Die folgenden Aufgaben Nr. 27 bis 32 sind singulär, insofern bei ihnen
nicht alle in der allgemeinen Theorie gemachten Voraussetzungen erfüllt sind;
insbesondere verschwindet fy,y, im Integrationsintervall. Es soll besonders die
Extremalenschar durch den Punkt P, und ihre Enveloppe untersucht werden:
27*.
28*.
29*.
30*.
31*.
32*.
K, 2/i) -= (— 1. - 1) ' (^2 , 2/2) = (+ 1' + ^)
f=^x^y^-\-xy'\ iCi<0<a?ä-
(^1,2/1) = (0.0), (^2,2/2) = (1.0).
f=^x^y'"'
(a;^, 2/1) = (— 1, - 1)1 (^2' 2/2) = (-1- 1' + !)■
33*. Die Bedingungen (IV) und (V) für das Integral
A- ^ + 2/2/' 4- (1 - 2a;)2/'*)d*'
^J (l+2/'T "■
Xi
zu diskutieren, wobei y^ = 0,y^^Q sein soll (§ 18, d)).
Lösung:
34*. Dieselbe Aufgabe für
^i<2.
/
■f
Vi + y'"
(HiLBERT.)
(Erdmann.)
(HiLBERT.)
(HiLBERT.)
Übungsaufgaben zu den drei ersten Kapiteln. 149
Lösung:
— 1 ^ ^1 < OJg < 1 .
Wenn x^ = — 1 , so muß überdies ^g "^ t sein.
Wenn x^ = -\- 1^ so muß überdies x^^^ sein.
Gewisse isoperimetrische Aufgaben mit variabeln Endpunkten lassen
sich mittels eines schon von Euler angewandten Kunstgriffes auf Aufgaben
ohne Nebenbedingungen und mit festen Endpunkten reduzieren. Dieser Art ist
die folgende Aufgabe:
35. Unter allen Kurven von gegebener Länge i, welche vom Koordinaten-
q,nfang P^{0,0) durch die obere Halbebene (2/>>0) nach einem nicht vor-
geschriebenen Punkt Pg {x^ , 0) der positiven a;- Achse gezogen werden können,
"diejenige zu bestimmen, welche mit der rc- Achse den größten Flächeninhalt
einÄchließt.
Der Euler'sche Kunstgriff besteht hier darin, daß man auf allen zulässigen
Kurven die Bogenlänge s, gemessen vom Punkt P^ bis zu dem variabeln Punkt
P als unabhängige Variable einfährt, die
zulässigen Kurven also schreibt
X = X{S), y = y{s).
Der Punkt P(x, y) beschreibt dann die
Kurve von P, bis zum Endpunkt Po,
wenn s von 0 bis l wachst:
Da s die Bogenlänge bedeutet, müssen die Funktionen x{s), y(s) der Differential-
gleichung genügen
^'' + 2/''=l. (76)
Hiernach formulieren wir jetzt die Aufgabe folgendermaßen analytisch:
Unter allen Funktionenpaaren x{s), y{s) von der Klasse C\ welche der
Differentialgleichung (76) und überdies den Bedingungen
^(0) = 0, 2/(0) = 0; a?(Z)>0, 2/(Z) = 0,
2/(s)>0 für 0<s<Z, ^'^0^)
genügen, diejenige zu bestimmen, welche das Integral
i
J= jyx'ds
0
zu einem Maximum macht.
Wir haben also ein Yariationsproblem mit zwei unbekannten Funktionen
und einer Differentialgleichung als Nebenbedingung, also ein Problem derart.
involviert.
^) Es läßt sich zeigen, daß dies keine Beschränkung der Allgemeinheit
dert. ,Njts^.A'.Ui «.V • aj( A»-;-^,- Li-v"--
^50 Übungsaufgaben zu den drei ersten Kapiteln.
wie sie schon in § 1 erwähnt worden sind. In unserem Fall ergibt sich aber
aus der speziellen Form des Integranden, daß sich die Aufgabe auf den ein-
fachsten Fall ohne Nebenbedingungen reduzieren läßt. Wir können nämlich
X mittels (76) eliminieren und erhalten dann folgende, mit der vorigen äqui-
valente Aufgabe: Unter allen Funktionen der Klasse C
welche den Anfangsbedingungen
2/(0) = 0, y{T) = 0
der Gebietseinschränkung
2/(s)>0 für 0<s<?
und der Gefällbeschränkung*)
dy
[d.
^\/
<1
genügen, diejenige zu bestimmen, welche das Integral ^ jJ
zu einem Maximum macht. Dies ist ein Problem vom einfachsten Typus ohne
Nebenbedingungen.-)
Nachdem man das Problem in der s, 2/ -Ebene gelöst hat, berechnet man
die Funktion x{s) mittels (76) und kehrt so schließlich zur x, y-Ehene zurüc^. ^
Als Lösung erhält man einen Halbkreis in der x, y-Ehene. > ^ -^
Die folgenden Aufgaben sind mit derselben Methode zu lösen. Bei der
,. Anwendung derselben hat man jedoch die' größte Vorsicht zu beobachten, weil
5^eim^Überga,ng von der ursprünglichen ;r, 2/ -Ebene in die neue Ebene häufig
/ die eigentümlichsten Beschränkungen der zulässigen Kurven eingeführt werden.
\^ / ^ 36*- Unter allen Kurven, die in der oberen Halbebene (2/>0) von einem
^ V;!j^' gegebenen Punkt P^ nach einem nicht vorgeschriebenen Punkt 1\ der Geraden
^ ^J" y = y^ gezogen werden können, und welche zusammen mit den Ordinaten der
f Punkte Pi, Pg und dem dazwischenliegenden Segment M^M^ der ^- Achse einen
gegebenen' Flächeninhalt .A einschließen, diejenige zu bestimmen, welche die
kleinste Länge hat. (Eulee.)
*) Vgl. wegen derselben p. 34. 1 • x
ä) Es ist hier ganz wesentlich, daß die Abszisse x^ nicht gegeben ist.
Denn wäre x^ gegeben, so wäre nunmehr noch die Bedingung hinzuzufügen,
i
0
und man hätte wieder ein isoperimetrisches Problem.
Übungsaufgaben zu den drei ersten Kapiteln.
151
Andeutung: Führe als unabhängige Variable den Flächeninhalt
■ M^MPP^M^ ein (siehe Fig. 28).
Lösung: Ein Kreisbogen mit
dem Mittelpunkt auf der ic- Achse.
37*. Es sind zwei vom Koor-
dinatenanfang 0 ausgehende Geraden
OM und OiV gegeben und auf OM ein
Punkt P^. Unter allen Kurven, welche
von Pj nach der Geraden ON gezogen
werden können, und welche mit den
beiden Geraden einen Sektor von ge-
gebenem Flächeninhalt einschließen,
die Kurve kleinster Länge zu be-
stimmen. (Euler.)
Fig. 28.
38*. Analoge Aufgabe, wenn der End-
punkt Pg statt auf der Geraden ON auf
einem gegebenen Kreis r = r^ mit dem
Mittelpunkt 0 beweglich ist. (Euler.)
39*. Einen Rotationskörper von ge-
gebener Oberfläche und möglichst großem
Volumen zu konstruieren, dessen Ober-
fläche die Rotationsachse genau zweimal
trifft. (Kneser.)
Die Aufgabe läßt sich auf das Bei-
spiel VIII reduzieren. Die gesuchte Ro-
tationsfläche ist eine Kugel.
40. Aus einem gegebenen Quantum
homogener, nach dem Newton'schen Gesetz
anziehender Materie einen Rotationskörper
zu bilden, dessen Oberfläche die Rotations-
achse genau in zwei Punkten trifft, und
welcher auf einen materiellen Punkt, der
sich in einem dieser beiden Treffpunkte be-
findet, eine möglichst große Anziehung
ausübt. (Gauss, Kneser, N. R. Wilson.) ^^^' ^^
Die Gleichung der Meridiankurve der
gesuchten Rotationsfläche lautet in Polarkoordinaten
r^ = a^ cos 6 .
41. Die erste notwendige Bedingung für ein Extremum des Integrals
J=if{^, Vi, .-., 2/«, 2/i', •••, yn)(^^
aufzustellen (§ 8).
152 Übungsaufgaben zu den drei ersten Kapiteln.
Lösung:
df d df ^ .
ö :r- o / =0 1 = 1, 2, ...,n. (77)
42. Die kürzeste Linie zwischen zwei Punkten im Raum zu be-
stimmen.
-i 43. Die erste notwendige Bedingung für ein Extremum des
Integrals .^^, ,,. • .,^,,, y^, .^ . ^
aufzustellen:
a) Wenn die Endpunkte und die Tangentenrichtungen in denselben vor-
geschrieben sind, "" ?
b) Wenn nur die Endpunkte vorgeschrieben sind.
Lösung:
dy dxdy'^ dx^ dy"~ ^ ^
Wenn / die Variabein x und y nicht enthält, so lassen sich zwei Integrationen
sofort ausführen und man erhält '/% ^^^Jj'.
.. J / r^_ . .. f-y"j^-o,^hy\
Im Fall b) kommen noch die Grenzgleichungen
dy"\~ '
hinzu (§ 7, a)).
44*. In einer Ebene zwischen zwei gegebenen Punkten A und B eine
Kurve zu ziehen, welche zusammen mit den Radien AA\ BB' der Krümmungs-
kreise in A, resp. jB, und dem Bogen A' B' der Evolute den kleinsten Flächen-
raum einschließt. Das Gefälle der Kurve in A und B ist vorgeschrieben.
(EüLEB.)
Lösung: Die Extremalen sind Zykloiden. .f
Andeutung: Mache von (79) Gebrauch, setze
a = 2 c cos 7 , & = 2 c sin 7 ,
und mache alsdann die Substitution
y' = cotg ^ ^ — yj .
Diskussion der Konstantenbestimmung. Diskutiere den Fall, wo nur die End-
punkte gegeben sind.
Übungsaufgaben zu den drei ersten Kapiteln. 153
45. Die erste notwendige Bedingung für ein Minimum des Integrals
J=ff{oo,y,y',...,,/''^)dx
aufzustellen.
Lösung:
dy dx dy'^ dx^ dy"'"^^" ^ do^dy^^~^' ^^^)
(Euler.)
Andeutung: Wende die Lagrange'sche partielle Integration wieder-
holt an.
46*. Unter welchen Bedingungen ist die Funktion
bei beliebiger Wahl der Funktion y die vollständige Ableitung einer Funktion
nach oj? (§6, b)) v-v ,^,^, .y )
Antwort: Es ist notwendig und hinreichend, daß identisch in x,y,
I , dy dxdy'^dx^ dy" * ' " "^ *^ ^^ ~dx^ dy^^ = " •
(„Integrabilitätsbedingung"). (Euler, Lexell.)
47*. Es sei N eine in [x^x^\ stetige Funktion und es sei
y , . . ., 2/'2«)
/
Nj^dx = 0
für alle Funktionen rj, welche in [x^x^] von der Klasse C^"^ sind und samt ihren
n — 1 ersten Ableitungen in x^ und x^ verschwinden. Alsdann ist N eine ganze
Funktion n - l^en Grades (§ 5, c)). (Zermelo.)
Viertes Kapitel/]
Hilfssätze über reelle Funktionen reeller Variabein.
Teils als Nachtrag zu den bisherigen Kapiteln, hauptsächlich
aber als Vorbereitung für die schwierigeren Untersuchungen der
folgenden, stellen wir im gegenwärtigen Kapitel eine Reihe von Sätzen
über reelle Funktionen reeller Yariabeln zusammen, die für eine arith-
methisch strenge Begründung der Variationsrechnung nicht zu ent-
behren sind. Es handelt sich dabei im wesentlichen um gewisse
Existenztheoreme über implizite Funktionen und über Systeme von
Differentialgleichungen, die gewöhnlich nur für die Umgebung eines
Punktes bewiesen werden, während man sie in der Variationsrechnung
für die Umgebung einer ganzen Kurve nötig hat.
§ 21. Über die Umgebung einer Punktmenge.
Wir werden sagen, ein Punkt P(^/, . . ., x^) liege in der Um-
gebung (()) einer im a^j, . . ., a;„-Raum definierten Punktmenge (9L,
wenn er in der Umgebung {q) wenigstens eines Punktes von €L
liegt, d. h. also, wenn es mindestens einen Punkt ^.(«1, . . ., aj von
6t gibt, derart, daß
K- aj, <(), ..., K— «„i <Q (1)
Die Gesamtheit derjenigen Punkte, welche in der Umgebung {q)
der Menge €L liegen, bezeichnen wir mit (^)^ und nennen sie ,^die
Umgebung {q) der Menge 6C".
^) Wir empfehlen dem Leser dieses Kapitel zunächst zu überschlagen und
erst später nach Bedarf darauf zurückzugreifen.
§ 21. Über die Umgebung einer Punktmenge. 155
Man zeigt leicht, daß jeder Punkt von (())(g zugleich ein innerer^)
Punkt von (q)^ ist; ferner, daß ((5)^^ stets in (q)^ enthalten ist^),
wenn ö ^ q.
Dagegen werden wir sagen der Punkt Pix^, . . ., x^') liege in
der „geschlossenen Umgebung [q] der Menge GL'', in Zeichen: in [()]t^,
wenn es mindestens einen Punkt Ä{a^^ . . ., a^) von (9L gibt, für
welchen
\^i-(^i\£q, •• V K-«ni^(>- (la)
Ist 6L beschränkt und abgeschlossen^), so ist auch die Menge [q]^
beschränkt und abgeschlossen.
Unter Benutzung dieser Terminologie beweisen wir nun zunächst
folgende Hilfssätze:
a) Lemma I:
Ist 6h eine beschränkte, abgeschlossene Punhtmenge, welche ganz
im Innern einer anderen Menge €L liegt, so läßt sich q so Idein
wählen, daß die Umgebung (g)^ ganz in CL enthalten ist.
Wir wenden zum Beweis eine in der Theorie der Punktmengen
häufig benutzte S(5hluß weise ^) an, von der wir noch wiederholt Ge-
brauch zu machen haben werden:
Angenommen, wie klein wir auch q wählen mögen, so gäbe es
immer noch mindestens einen Punkt von (p)^, welcher nicht zu (SC
gehört. Dann wählen wir eine abnehmende Folge von positiven
Größen mit der Grenze Null:
Lq^ = 0. (2)
T'= 00
I^ ((^r)e5 gi^* ®^ nach Annahme mindestens einen Punkt
Py(Xiy ' • -7 ^n)^ welcher nicht zu GL gehört; nach der Definition von
(Qv)s9 läßt sich dem Punkt P^ mindestens ein Punkt By(l>l, • . ., b^)
von ^ zuordnen, so daß
\xl — bl\<Q^, a = l,2, . . ., n. (3)
1) Vgl. A I 7.
^) Auch die Umkehrung dazu gilt, vorausgesetzt daß es Punkte des
(a;)-Raumes gibt, welche außerhalb <3i liegen, und daß q hinreichend klein
gewählt ist.
^) Vgl. A I 2 und 6.
*) Vgl. z. B. Jordan, Cours d' Analyse^ I, Nr. 30.
156 Viertes Kapitel. Hilfssätze über reelle Funktionen reeller Variabein.
Wir betracliten jetzt die Folge {B^,}. Hat dieselbe unendlicli
viele verschiedene Punkte, so besitzt sie mindestens einen Häufimgs-
punkt^) H{\, . . ., h^)j da sie als Teilmenge von 6h beschränkt ist.
Wir können dann stets aus der Folge {B^} eine unendliche Folge
{5^.U wo v._^^^v., herausgreifen derart daß^)
LB,., = H. (4)
Enthält dagegen die Menge {B^] nur eine endliche Anzahl ver-
schiedener Punkte, so kommt mindestens einer derselben unendlich
oft vor; wir können also in diesem Fall eine unendliche Folge [B^,]
herausgreifen, so daß
daher gilt auch hier (4).
In beiden Fällen folgt aus (2) und (3), daß auch
LP,-H- (4a)
Der Punkt H gehört stets zu 6h. Im zweiten Fall ist dies unmittel-
bar klar, im ersten Fall folgt zunächst, daß H als Häufungspunkt von
{B^.] a fortiori auch Häufungspunkt der Menge 6h ist, in welcher
[B^,] enthalten ist. Da aber die Menge ^ abgeschlossen ist, so
enthält sie den Punkt H.
Hiermit sind wir aber bei einem Widerspruch angelangt; denn
als Punkt von 6h ist H ein innerer Punkt von (9L, es gehören also
alle Punkte in einer gewissen Umgebung von H zu (SL] andererseits
gibt es nach (4a) in jeder Umgebung von H Punkte, welche nicht
zu (SC gehören, nämlich die Punkte P^. für hinreichend große Werte von i.
Daraus folgt, daß unsere Annahme falsch war, und damit ist
der Satz bewiesen.
Da jeder Punkt von (q)^ zugleich ein innerer Punkt von (q)^
ist, so folgt überdies, daß (q)^^ ganz im Innern von €L enthalten ist.
Ist ferner: 0 < ^ < (), so ist a fortiori auch [(?]^ ganz im Innern
von €L enthalten.
Ein stetiger Kurvenbogen
') Nach A I 5.
) Vgl. A I 4. Die Gleichung (4) bedeutet natürlich
Lh'J =K. « = 1,2,.
§ 21. Über die Umgebung einer Punktmenge. 157
ist eine beschränkte, abgeschlossene Punktmenge ^) im x^^ ..., ic,^-Raum.
Liegt daher ein solcher Bogen ganz im Innern eines Bereiches 6C,
so gibt es stets eine Umgebung (q) der Kurve ^, welche ganz in (EL
liegt. In dieser Form haben wir schon häufig von dem Satz Ge-
brauch gemacht.
b) Lemma II (Erweiterter Vorzeichensatz^)):
Ist die Funktion f{x^, • • •? ^„) stetig in^) einem Bereich 6C und
positiv in einer heschränlden, abgeschlossenen, ganz im Innern von €L
gelegenen PunUmenge (5, so läßt sich q so Mein wählen, daß f(x^, • • •? ^J
auch noch in der ganzen Umgebung (q)q positiv ist.
Beweis: Ist G irgend ein Punkt von (5, so ist f positiv in C
und da C ein innerer Punkt des Bereiches €L ist, in welchem f stetig
ist, so läßt sich eine gewisse Umgebung von C angeben, in welcher /
auch noch positiv*) ist. Bezeichnet also dh die Gesamtheit der-
jenigen Punkte von GL, in welchen f positiv ist, so ist die Menge 6
nicht nur in 6h enthalten, sondern sie liegt auch ganz im Innern
von 6h. Daher können wir Lemma I auf die beiden Mengen 0h und
(5 anwenden und erhalten unmittelbar den obigen Satz.
Ist z. B. die Funktion 'f(x', a^, . . ., aj stetig im Bereich
X^<x<X^, a.-aP <d, / = 1,2, ...,w
und ist
/•(a;; <...,<) >0,
für
X-^ <;^ X <^ X2 ,
wo X^ < x^y X2 < ^2> so läßt sich h so klein wählen, daß
in dem ganzen Bereich
x^—h<x<x^-\-h, \a. — a.^\<k, i = \^2,...,n.
Denn dieser Bereich ist identisch mit der Umgebung (h) der be-
schränkten, abgeschlossenen Menge
in welcher f positiv ist.
*) Nach A VII 1.
^) Der Satz ist eine Erweiterung des Satzes von A III 2
») Vgl. A III 1 und 3.
*) Nach A m 2.
158 Viertes Kapitel. Hilfsdätze über reelle Funktionen reeller Yariabeln.
Zusatz: Das obige Lemma bleibt richtig, wenn darin das Wort
„positiv^^ beidemale durch ,,von Null verschieden^^ ersetzt wird.
Denn wird nur vorausgesetzt, daß
/-(rr,, ...,^J + 0 in e
so bezeichne (S' (resp. (2") die Gesamtheit derjenigen Punkte von (S,
in welchen f positiv (resp. negativ) ist. Alsdann ist jede der beiden
Mengen &, Q-" beschränkt und abgeschlossen. Ersteres ist unmittelbar
klar; um letzteres zu zeigen, sei H{ji^, . . ., hj ein Häufungspunkt
von ß'; dann kann man aus G' ein unendliche Folge ^) von Punkten
FX^h • ■ '■> ^n) herausgreifen, so daß
LP, = H.
Aus der Stetigkeit von f folgt dann, daß
f{lh,...,K) = Lf{x;,...,x:)^0.
r = CO
Nun ist aber der Punkt H als Häufuugspunkt von G' a fortiori zu-
gleich Häufungspunkt von (2, und da (5 abgeschlossen ist, so ist H
in (2 enthalten; es ist also nach Voraussetzung
/-(Ä,, ...,/O + 0;
daher bleibt nur die Möglichkeit, daß fQ^v-'-yhJ positiv. Der
Punkt H gehört also zu (2', und daher ist (B' abgeschlossen; das
gleiche gilt von G".
Wir können also nach Lemma H zwei positive Größen q\ q"
angeben, so daß
f{x„ ...,x^)>0 in ((>V
/•(^,, .. ., ^J<0 in (^")cP"-
Bezeichnet daher q die kleinere der beiden Größen q\ (j'', so folgt
leicht, daß
/•(a^i, ..., rrJ + 0 in {q)(o.
§ 22. Bin Satz über eindeutige Abbildung und seine Anwendungen.
Es handelt sich um die Auflösung der n Gleichungen
yi-fii^v --v^J. i=l,2,...,n, (5)
nach x^, . . ., x^. Wir formulieren zunächst den Satz, wie er in den
1) Vgl. A I 4.
§ 22. Ein Satz über eindeutige Abbildung und seine Anwendungen. 159
Lehrbüchern gegeben zu werden pflegt, und knüpfen daran die Er-
weiterung, die wir für die Zwecke der Variationsrechnung nötig
haben.
a) Der Satz über die Inversion eines Funktionensystems für die
Umgebung eines Punktes:
Dabei wird die Auflösung des Gleichungssystems (5) unter
folgenden Annahmen betrachtet:
A) Die Funktionen f^ix^, . . ., x^ sind von der Klasse C in
einer gewissen Umgebung {d) eines Punktes x^ = a^, . . ., x^ = a^.
B) Die Funktionaldeterminante
A(^l, ...yX^)
d(x^, ..•,^„)
ist an der Stelle (a) von Null verschieden.
Setzt man dann
so läßt sich nach Annahme einer hinreichend kleinen positiven Größe
ö <.d eine zweite positive Größe s derart bestimmen, daß die
Gleichungen (5) für jedes Wertsystem i/^, . . . , y^^ für welches
\yi-W<^, i=l,2, ...,n,
eine und nur eine Lösung x^, . . ., x^ besitzen, für welche
\^i — ^i\<^ y i= 1,2, . . ., n.
Bezeichnen wir diese Lösung, die natürlich von Vi, y^^ - • -j Vn ^^~
hängt, mit
^i = ^iiVly 2/2; • • •; 2/J ; i = 1, 2, . . ., >2 ,
SO sind die Funktionen ?^. eindeutig definiert und von der Klasse C
im Bereich: | ^/^ — ö^ | < £, und die partiellen Ableitungen von i^,.
werden nach den gewöhnlichen Differentiationsregeln für implizite
Funktionen erhalten. Der Satz ist ein spezieller Fall des Dini'schen
Satzes über implizite Funktionen^).
^) Für den Beweis des letzteren verweisen wir auf Dini, Analisi infini-
tesimale (litt.), Bd. I, p. 163; Peano, Differentialrechnung, Nr. 110—117;
C. Jordan, Cours d' Analyse, I, Nr. 91, 92; Osgood, Lehrbuch der FunJctionen-
theorie, Bd. I, p. 47—57.
160 Viertes Kapitel. Hilfssätze über reelle Funktionen reeller Variabein.
b) Der erweiterte Satz über die Inversion eines Punktionen-
systems^):
Wir betrachten jetzt die Auflösung des Gleichungssystems
yi-fi{^i,-"y^n)y i=l,2,...,n, (5)
und zugleich die durch diese Gleichungen vermittelte Abbildung des
(a;)-Raumes auf den (?/)-Raum unter den folgenden allgemeineren
Voraussetzungen :
A) Die Funktionen fi(oc^, - - - , xj sind von der Klasse C in
einem Bereich 6t.
B) (5 ist eine beschränkte, abgeschlossene Punktmenge im Innern
von (9L.
C) Zwei verschiedenen Punkten (x), (x') von 6 tverden durch die
Transformation (5) allemal zwei verschiedene Punkte (y'), («/") m-^
geordnet.
D) Die Funktionaldeterminante
n[^x„ . . ., x„) - 8(a,„...,a.„)
ist von Ntdl verschieden in (2.
Alsdann läßt sich eine positive Größe q so klein ivählen, daß die
Transformation (5) eine ein-eindeutige Beziehung zwischen der Um-
gebung {q)(o und deren Bild of im (y)-Baum definiert, oder anders
ausgedrückt, daß für jedes {y) in ^ die Gleichungen (5) eine und nur
eine Lösung in (q)^ besitzen.
Beweis: Zunächst können wir nach § 21, a) eine positive Größe
d so klein wählen, daß die Umgebung (d)^ ganz im Innern von (SC
liegt. Alsdann wählen wir eine abnehmende Folge positiver Größen
mit der Grenze Null:
^ > (>i > (>2 > • • • Pv > • • > 0
(6)
und nehmen an, es gäbe für jeden Wert des Index v in der Um-
gebung {q^)q mindestens ein Paar verschiedener Punkte
JTy [Xi y, . . . , Xn v) y J^v y^^l r 7 • • • j «^w v) ;
deren Bilder im (2/)-Raum zusammenfallen. Wir wollen zeigen,
^) Siebe BoLZA, Mathematiscbe Annalen, Bd. 63 (1906), p. 247; vgl. auch
BoLZA, Lectures,^ § 34, wo ein spezieller Fall des Satzes bewiesen wird.
§ 22. Ein Satz über eindeutige Abbildung und seine Anwendungen. 161
daß diese Annahme zu einem Widerspruch mit unseren Voraus-
setzungen führt.
Zu diesem Zweck bemerken wir zunächst, daß nach der Definition
der Umgebung einer Punktmenge den Punkten PJ^ F" sich zwei
Punkte von Q zuordnen lassen:
derart daß^)
\<^-^::<9., \<-K\<9„ (7)
und betrachten nunmehr die Folge von Punkten
V = 1,2, . . ., in inf.
im 2?^-dimensionalen Raum der Yariabeln ^', ...,^'- H" ä
Dieselbe ist enthalten in der durch die Bedingungen
(?;... ,Q in e- (r;,...,c) ^ e
definierten Menge S). Letztere Menge ist beschränkt; also ist es
auch die Menge {Z^}. Daraas folgt nach der in § 21, a) benutzten
Methode, daß ein Punkt (h^, .. ., y- h[\ . .., h^) und eine zugehörige
Teilfolge [Z^^j von [Z^,] existieren (wo wieder v„ + i>v^,), der-
art daß
oder, was dasselbe ist,
L n' =H', L n" =H'\
^.=00 ^" ' ,, = ,0 "x'
wenn, wir mit H' und H'' die Punkte
im (a;)-Raum bezeichnen.
Die Menge S) ist überdies abgeschlossen, wie leicht zu zeigen
ist; daraus schließt man wie in § 21, a), daß der Punkt {Ji^, . . ., h'-,
K\ • • •. ^C) 2U S) gehört, d. h. daß die beiden Punkte H', H" zur
Menge (2 gehören. Endlich folgt aus (6) und (7), daß auch
zp; =^^ lf: ^H". (S)
U = yi !-^ U = CK
^) Dem Index i sind stets die Werte 1 , 2 , . . . , »i zu geben.
B o 1 z a , Variationsrechnung. 11
162 Viertes Kapitel. Hilfssätze über reelle Funktionen reeller Variabein.
Nun läßt sicli aber zeigen^ daß die beiden Punkte H\ H" zusammen-
fallen müssen. Denn nacb der Definition der Punkte F'^, P'' ist
also wenn wir
F{x[, ..., <; x", ..., <') =^lUx;, ■■; <)-/;«, . . ., x")J
definieren^
Aus (8) folgt daher unter Berücksichtigung der Stetigkeit der
Funktion Fj daß
jF(x;,., . . ., :.•:„,_; <;, . . ., X-) = F{h;, . . ., /</; K, . . .,K) = 0,
also, da wir es nur mit reellen Größen zu tun haben,
Das heißt aber: Die Bilder der beiden Punkte H\ H" fallen zusammen,
und daher müssen die beiden Punkte selbst nach Voraussetzung C)
zusammenfallen, da sie beide zur Menge (S gehören. Wir schreiben
H' = H" = H-,
also ist
Lp; ^H, lf;: ==H. (9)
Somit folgt aus der eingangs gemachten Annahme, daß es einen
PmiU H der Menge 6 gibt, derart daß in jeder Nähe von E Faare
verschiedener Funite existieren, deren Bilder im (y)-Raum zusammen-
fallen.
Dies führt nun aber unmittelbar zu einem W^iderspruch mit
unseren Voraussetzungen. Denn einerseits sind für den Punkt H die
Voraussetzungen des Satzes von § 22, a) erfüllt; bezeichnet also K
das Bild des Punktes H im (i/)-Raum, so lassen sich nach a) zwei
positive Größen ö und 8 angeben, derart daß die Gleichungen (5)
für jedes Wertsystem {y) in der Umgebung (f) des Punktes K eine
und nur eine Lösung in der Umgebung {6} des Punktes H
besitzen.
Andererseits folgt aber aus den Gleichungen (9) und aus der
Stetigkeit der Funktionen /*., daß
,i = r, -"
§ 22. Ein Satz über eindeutige Abbildung und seine Anwendungen. 163
wenn Q^, den gemeinsamen Bildpunkt von P,'^^ und P," bezeichnet.
Wir können daher nach (9) den Iudex a so groß wählen^ daß F! und P/'
in die Umgebung (d) des Punktes Hy und gleichzeitig Q^ in die
Umgebung (s) des Punktes j^ fällt ^ was einen Widerspruch mit dem
Vorangegangenen involviert, da für {y) = Q^, die Gleichungen (5) die
beiden verschiedenen Lösungen {x) = P,'^^ und!^ P,'' besitzen.
Daher muß die Annahme, von der wir ausgegangen sind, falsch
sein; es muß also mindestens einen Wert v = m geben, derart daß
zwei verschiedenen Punkten der Umgebung (q^)(d durch die Trans-
formation (5) allemal zwei verschiedene Punkte des (i/)-Raumes zu-
geordnet werden. Sobald wir also q ^ q,^^^ wählen , ist die durch (5)
definierte Beziehung zwischen (q)q und (^^ eine ein- eindeutige, Q. E. D.
c) Eigenschaften des Bereiches oT und der inversen Funktionen:
Wird Q der zuletzt angegebenen Bedingung gemäß gewählt, so
haben die Gleichungen (5) für jedes der Menge of^ angehörige Wert-
system «/i, ...;«/„ eine und nur eine Lösung Xj_, .' . , x^^ in der Um-
gebung (q)(d. Diese Werte der x sind daher in of,, eindeutig de-
finierte Funktionen von y-i, ■ - -, y^, die wir mit
^i-^i(yu ■■-,yn) (10)
bezeichnen. Es soll gezeigt werden
Zusatz I: Unter den Voraussetzungen A) bis B) läßt sich q so
Mein wählen, daß jeder Punkt der Menge oT ein innerer Punkt von oT
istj und daß überdies die inversen Funktionen i^^iy^, . . ., yj in oT von
der Klasse C sind.
Zum Beweis wählen wir q{^ q^) so klein, daß
A(;ri, ..., ^;) + 0 in (^)g, (11)
was nach § 21, b) auf Grund unserer Voraussetzungen A), B), D)
möglich ist. Alsdann sei (x) irgend ein Punkt von (^)g, und (y)
sein Bild im (y)-Uaum. Nach einer früheren Bemerkung ist der
Punkt (x) zugleich ein innerer Punkt von (q)q] wir können also
eine positive Größe d so klein wählen, daß die ganze Umgebung (d)
von (x) auch noch in (q)^ liegt. In dieser Umgebung (d) sind dann
die Funktionen f. von der Klasse C-, ferner ist
A«, ...,<) + 0.
Wir können also nach dem gewöhnlichen Inversionssatz (§ 22, a))
zwei positive Größen d <d und s angeben, derart daß für jeden
11*
164 "Viertes Kapitel. Hilfssätze über reelle Funktionen reeller Variabein.
Punkt {y) in der Umgebung {e) des Punktes («/') die Gleichungen (5)
eine und nur eine Lösung {x) in der Umgebung (d) des Punktes (x)
besitzen^ und daß gleichzeitig die inversen Funktionen il^^ij)^, ••.,«/„)
in der Umgebung (t) von {tj) von der Klasse C sind.
Jeder Punkt (?/) in der Umgebung (f) des Punktes (?/') ist daher
das Bild eines Punktes {x) des Bereiches {q)q und gehört daher zur
Menge oT Das heißt aber, jeder Punkt der Menge o^ ist ein innerer
Punkt von qT, und zugleich folgt, daß z^j(^i, • ■ -y Pn) ^^ ^ ^^^ ^®^
Klasse C ist.
In dem speziellen Fall, wo der Bereich (q)^ zusammen-
hängend ist, ist auch c£ zusammenhängend^); in diesem Fall ist
daher der Bereich c£ ein Kontinuum'-).
Aus dem eben bewiesenen Zusatz ergibt sich unmittelbar der
folgende
Zusatz II: Bezeichnet 8 das durch die Transformation (5) defi-
nierte Bild der Menge (S im (yyBaum, so läßt sich anter den Voraus-
setzungen A) bis D) neben der Größe q eine ztveite positive Größe 6
bestimmen, derart j daß die Gleichungen (5) für jedes (y) in der Um-
gebung {ö)q eine und nur eine Lösung (x) in der Umgebung (q)(o besitzen.
Denn da (5 beschränkt und abgeschlossen ist, so ist auch 8 be-
schränkt und abgeschlossen^), und nach dem eben Bewiesenen liegt
8 ganz im Innern von gT. Also können wir nach § 21, a) 6 so
klein wählen, daß die Umgebung (^)g ganz in of enthalten ist, wo-
mit unsere Behauptung bewiesen ist.
d) Der allgemeine Satz von der Existenz eines Feldes:
Es sei jetzt eine n-parametrige Schar von Kurven im (n -\- 1)-
dimensionalen Raum der Variabein x^, ^2? • • •? ^« + 1 gegeben
Xj = (p^(t, a,, . . ., aj, i = 1, 2, . . ., w + 1 , (12)
welche folgende Bedingungen erfüllt :
A) Die Funktionen 9^1, ^2; • •; ^« + 1 ^^^^ ^^^ Funktionen ihrer
n -\- 1 Argumente von der Klasse C in einem Bereich
T,<t<T,, \a,-a^\<d, i = l,2,...,.K (12a)
B) Die spezielle Kurve
(g^: a;,^^'/^, <,..., O, h<^<h^ i=l, 2, ..., w + 1,
^) Nach Jordan, Cours d' Analyse^ I, Nr. 64.
2) Vgl. A I 9.
3) Nach A VII 1.
I
§ 22. Ein Satz über eindeutige Abbildung und seine Anwendungen. 165
(wobei Tj < t^, ^ < Tg), hat keine mehrfachen Punkte, d. h. zwei ver-
schiedenen Werten von t im Intervall [^1^2] entsprechen stets zwei
verschiedene Punkte der Kurve @q.
C) Die FunMionaldeterminante
A(t,a„...,aj- „^^^^^^ -----
ist von Null verschieden entlany (£(,, d. h.
Ht,<,---,<) + 0 in [tj,-]. (13)
Alsdann lassen sich die positiven Größen h, \, . . ., \^ so Mein wählen^
daß die Gleichungen (12) eine ein-eindeutige Beziehung zivischen dem
Bereich
€L: t^ — h^t^t^-{-hy Ict'i — G.i^lZJu, i = lj2, . . ., n
und dessen Bild oT im (x)-Raum definieren, und daß gleichzeitig
A{t,a,,...,a^)^0 (14)
im ganzen Bereich (3i.
Bas Bild oT^ des Bereiches
eU: t,-h<t<t^ + h, \a,-a,^\<]i., i=l,2,...,n,
bildet dann ein Kontinuum, und die durch Auflösung der Gleichungen
{12) erhaltenen inversen Funktionen
t = i{X^j • ' -y ^n + l)
a, = a,(x„ ..., x^^^)
(15)
sind im Bereich of von der Klasse G\
Der Satz ist ein spezieller Fall unseres erweiterten Inversions-
satzes. Der dort mit (B bezeichneten Punkt menge entspricht hier
die Menge
(2: t.^t^t,, a. = a,'', i=l,2, ...,n,
welche in der Tat beschränkt und abgeschlossen ist und ganz im
Innern von (12 a) liegt. Der Satz ergibt sich dann unmittelbar, wenn
man noch beachtet, daß die Umgebung (q)^o hier nichts anderes ist
als der Bereich
ti- Q <J<t2 + 9? l^h- (^i^\ <Qy ^'= 1? 2, . . ., n.
Man hat dann nur h, l\, . . ., k^ < ^ zu wählen.
166 Viertes Kapitel. Hilfssätze über reelle Funktionen reeller Variabein.
Zusatz: In dem speziellen Fally ivo die Koordinaten der Kurven-
punkte sich als eindeutige Funktionen einer dieser Koordinaten aus-
drücken lassest, ist die Bedingung B) stets erfüllt und kann daher iveg-
gelassen werden.
Denn lautet z. B. die letzte der Gleicliungen (12)
SO entsprechen zwei verschiedenen Werten von / stets verschiedene
Werte von x^^^, also sicher auch zwei verschiedene Kurvenpunkte.
Man beachte noch, daß in diesem Fall
e) Der erweiterte Satz über implizite Funktionen:
Bei dem Satz^) über implizite Funktionen in seiner ge-
wöhnlichen Form handelt es sich um die Auflösung eines Gleichungs-
systems
a^v ■ • •. ^.5 l/v '•■,yn)-^^ i=l,2,-- ', n. (16)
Dabei wird vorausgesetzt, es sei eine spezielle Lösung von (16):
x^ = «!,.. ., x.^ = ff,,/, 2/i = h, - -y Vn = ^« (l'^)
bekannt, in deren Umgebung die Funktionen f. von der Klasse C
sind. Ferner wird angenommen, daß an der Stelle (17) die Funktional-
determinante
von Null verschieden ist.
Alsdann lassen sich die Gleichungen (16) in der Umgebung der
Stelle (17) eindeutig nach ij^, . . ., i/„ auflösen, das heißt: Zu jedem
hinreichend kleinen positiven a gibt es eine zweite positive Größe ö
derart, daß für jedes Wertsystem x^, x^, . . ., <, welches den Un-
gleichungen
genügt, die Gleichungen (16) ein und nur ein Lösungssystem y^, • . ., ?/„
besitzen, welches den Ungleichungen
Vi-h <^y 1 2/2 - ^2 i < ^; • • •. Vn-K <^
genügt.
1) Vgl. die Zitate auf p. 159, Fußnote ^).
§ 22» Ein Satz über eindeutige Abbildung und seine Anwendungen. 167
Überdies sind die hierdurch, eindeutig definierten impliziten
Funktionen: yi = i^iipu - ■ -, ^m) i^ ^^^ Umgebung der Stelle
^1 = ^D • •? ^m == ^m ^^^ d®^ Klasse C
Auch dieser Satz läßt sich von der Umgebung einer einzelnen
Stelle auf die Umgebung einer Punktmenge ausdehnen. Dabei sollen
folgende Voraussetzungen gemacht werden:
A) Die Funktionen /'■ sind von der Klasse C in einem Bereich
€L des (x , y) -Raumes.
B) Die Gleichungen (16) werden befriedigt durch die Koordinaten
X, y der Punkte einer beschränkten, abgeschlossenen Menge (5, welche
gans im Innern von (EL liegt.
C) Sind (x, y) und (x'y y") zwei verschiedene Punkte von 6, so
ist allemal auch (x) =H (^") ^)-
D) Die Funliionaldeterminante
ist von Null verschieden in (5.
Bezeichnet alsdann f(r die „Projektion" von (S in den (:z;)-Raum
so lassen sich zwei positive Größen q und 6 angeben, derart daß es
mt jedem (x) in der Umgebung {^)^^ eine und nur eine Lösung (y) des
Gleichungssystems (16) gibt, für welche {x, y) in der Umgebung {q)q
liegt, und daß die durch Auflösung der Gleichungen (16) erhaltenen
impliziten Funldionen
yi = ^zK • • •; ^J; i = 1, 2, . . ., n, (18)
im Bereich ip)^ von der Klasse C sind.
Dabei ist unter der Projektion eines Punktes x^, . . ., x'^.^, y^, ---^yn
in den (a;)-Raum der Punkt: x^ = x[, . . ., x^^ = x.'^^ verstanden.
Zum Beweis betrachten wir zunächst die Auflösung des Gleichungs-
systems
(/y = l, 2, ...,m; i^\,2,...,n) ] ^ ^
nach x^, . . ., x^^, ^Jv-y y^
Auf dieses Gleichungssystem können wir den Zusatz 11 zu dem
erweiterten Inversionssatz (§ 22, c)) anwenden. Man erhält dann
unter Berücksichtigung der speziellen Form des Systems (19) das
^) Wir können diese Bedingung auch so ausdrücken: Innerhalb der Menge
<B sind die Gleichungen (16) eindeutig nach 2/ii ♦••» 2/« auflösbar.
168 Viertes Kapitel. Hilfssätze über reelle Funktionen reeller Variabein.
Resultat: Es gibt zwei positive Größen q und 6 derart^ daß die
Gleichungen (19) für jedes (x^^ . . ., it;„) in (c)^^ und für jedes
Ki + v ■ • -j ^m+nj ^^^ welches !w,„^.J <6, ein und nur ein Lösungs-
system
(»=1,2, ...,«)
besitzen, für welches der Punkt {x, y) in {q)q liegt.
Setzt man schließlich w^+< = 0, so erhält man den obigen Satz.
Wir werden den Inhalt dieses Satzes kurz dahin zusammenfassen, daß
unter den Voraussetzungen A) bis D) die Gleichungen (16) sicfi in
der Umgebung der Funktmenge 6 eindeutig nach 2/i? • • •; 2/n CL'^ßösen
lassen ^).
23. Exi stenztheoreme für Systeme von gewöhnlichen Differential-
gleichungen. ^)
W^ir betrachten in diesem Paragraphen ein System von n Diöe-
rentialgleichungen erster Ordnung:
^' = /.(«, ^1,^2, ■••,*„), A-=l,2, ..,«, (20)
unter folgenden Voraussetzungen:
A) Die reellen Funktionen fj.(ty x^, x^y ...y x^^ sind eindeutig
definiert und stetig in einem Bereich (Et im Raum der reellen Vari-
abein t, X-^, x^, . . ., x^.
B) Die ])artiellen Ableitungen der f\ nach x^, x^, . . ., x^^
Cfk
dxi
existieren und sind stetig im Innern desselben Bereiches (9L.
1) Zugleich folgt noch, daß {6)s^ in {q)^ enthalten ist, und daraus folgte
daß stets 0^9, da es Punkte des (ic) - Raumes gibt, die außerhalb % liegen (vgl.
p. 155, Fußnote *). Daraus ergibt sich weiter, daß jede in (0)^ gelegene Lösung
des Systems (16) zugleich dem System (18) genügt und umgekehrt.
*) Vgl. für das folgende das Referat von Paixlkve, Encyclopädie, II A,
p, 190—200, und die zusammenfassende Darstellung von Bllss, (Ann als of
Mathematics, (2) Bd. VI (1905), p. 49—68), dem ich mich in der Bezeichnung
und der Formulierung der Sätze angeschlossen habe.
§ 23. Existenztheoreme für Systeme von DifFerentialgleichungen. 169"
C) Der Punkt J.(r, Ij, Ig? • • •? U li^g^ i^' Innern des Be-
reiclies (St.
Den Bereicli (9L nennen wir den „Stetigkeitshereich des Systems {20)".
Es soll eine Lösung des Systems (20) bestimmt werden, welche den
Anfangsbedingungen
x,{x) = l„ h = l,2,...,n, (21)
genügt.
a) Bestimmung eines Elementes der Lösung:
Da der Punkt A im Innern von €L liegt ^ so läßt sich eine
positive Größe q so bestimmen, daß auch die geschlossene Umgebung
\ß\ des Punktes Aj d. h. der durch die Ungleichungen
definierte Bereich, ganz im Innern von (9L liegt. In dem ab-
geschlossenen Bereich [q\ erreicht jede der stetigen Funktionen
fk{h ^u ^2' • • •; ^«) I einen endlichen Maximalwert; sei M der größte
derselben, und sei l die kleinere der beiden Größen: p, ^•
Alsdann gibt^) es ein Funhtionensystem (eine „Kurve^^)
^k-^M, Ä;=l,2, ...,^, (22)
welches für das Intervall: \t — t ^l eindeutig definiert ist und in
demselben folgende Eigenschaften besitzt:
1. Die Functionen Xj^(t) sind stetig und differentiierbar.
2 Sie genügen den Ungleichungen:
«.(*)- 1.1^9- (23)
3. Sie genügen dem System von Differentialgleichungen
~Ji "" tkVJ ^V ^2) ' ■ ■) ^n)- (2Ö)
4, Sie genügen den Anfangsbedingungen
^.W = l.. (21)
Eine Folge dieser Eigenschaften ist, daß auch die Ableitungen
Xj^(t) in demselben Intervall stetig sind.
Da die gefundene Lösung vorläufig nur für eine gewisse Um-
gebung von t = r definiert ist, so nennen wir sie ein ,,Elemenf' der
1) Zuerst von Cauchy bewiesen, vgl. Picard, Traite, Bd. II (1905), p. 322-330,
340—345; Goursat, Cours d' Analyse, Bd. II, p. 369—371, 376—382.
170 Viertes Kapitel. Hilfssätze über reelle Funktionen reeller Variabein.
durch die Differentialgleichungen (20) und die Anfangsbedingungen
(21) definierten Kurve.
Zusatz^): Ist €1^ eine beschränkte, abgeschlossene Menge im
Innern von OL, so läßt sich eine positive Größe l^ angeben, so daß
die Lösung durch irgend einen Punkt (t, li, . . ., U von SLq
mindestens im Intervall f-t ^l, existiert und im Innern von (^
liegt. Denn wir können dann nach § 21, a) eine geschlossene Um-
gebung [^o]e7, angeben, welche ganz im Innern von ÖL liegt. Ist
Mq der größte der Maximalwerte der Funktionen /it in [.9o\a^y so ist
Iq die kleinere der beiden Größen Qo^ m '
b) Die Peano'sche Ungleiclmiig:
Es sei 6h ein Bereich im Gebiet der Variabein t, x^, x^, . . ., a?„,
in welchem die Funktionen f,{t, x,, . . ., x,) stetig sind nnd der
Lipschit/schen Bedingung genügen, d. h. es soll eine positive Große
K geben, derart daß für irgend zwei Punkte von ^ mit derselben
^ Koordinate:
t, x^, . . .; < und t, .% , . . ., x^ ,
die Ungleichungen gelten
n I
(24)
m, x;, . . ., <) - at, xc, ..., x,:') \<k2.x:- x" \ [_
(^• = 1, 2, ...,»)
Ferner seien _
x,-x,{i), x, = x,(t),
(^ = 1,2, ...,n)
zwei für dasselbe Intervall: a^t^ß definierte Lösungen ^j des
Systems (20), welche ganz im Bereich ^ liegen.,'
Setzt man dann
u,(t) = x,{t)-x,(i),
so ist
1) Vgl. Bliss, loc. cit., p. 53. . .. • j-„ «i„K„
» Dies involviert die Differentiierbarkeit (und daher a fortiori die Stetig-
keit) L x,it) und S,(() in [aßU was in der Folge stets in dem Wort „Lösung
inbegriffen sein soll.
§ 23. Existenztheoreme für Systeme von Differentialgleichungen. 171
also wegen (24)
!t!<j^h!- (25)
Beachtet man^ daß für die vordere Derivierte^) von \Uf.\ die Un-
I gleichung gilt
dt \^ dt ^ \ dt '
I so folgt hieraus
d ^\ Ui \
- 1^^^\ ^h < —^t — < Kn^\ u, \ ,
woraus man durch Integration zwischen den Grenzen Iq und t die
folgende von Peano^) herrührende Ungleichung erhält:
>i n
2 1 m) - Xiit) I <e«^ '-'«i^ I S,(g - ^IQ i , (26)
für
wenn t^ irgend einen Wert von t im Intervall \aß'\ bedeutet.
c) Einzigkeit der Lösung:
Wir kehren jetzt wieder zu den Annahmen und Bezeichnungen
von § 23^ a) zurück. Es sei
€: ^, = ^,W, ^<t^ß, l^l,2,...,n,
irgend eine für ein gewisses Intervall \aß'\ definierte Lösung des
Systems (20), welche ganz im Innern des Bereiches €L liegt ^).
Dann können wir nach § 21, a) eine positive Größe 6 so klein
wählen, daß auch die geschlossene Nachbarschaft [p] der Kurve %
d. h. der durch die Ungleichungen
definierte Bereich ganz im Innern von (SC liegt.
^) Vgl. Bliss, loc. cit., p. 54, Fußnote; vgl. auch A IV 1.
2) Vgl. Nouvelles Annales (3), Bd. XI (1892), p. 79 undAtti diTorino,
Bd. XXXIII (1897), p. 9.
'') Das soll heißen: für jedes t im Intervall [aß] liegt der Punkt
i, a?! (#),.. ., x„{f) im Innern von (3i.
172 Viertes Kapitel. Hilfssätze über reelle Funktionen reeller Yariabeln.
Ferner sei
eine zweite ebenfalls für das Intervall [aß] definierte Lösung von
(20), welche ganz in [ö] liegt. Dann folgt aus der Stetigkeit der
Funktionen /V, daß im Bereich [ö] die Lipschitz'sche Bedingung
erfüllt ist.^) Wir dürfen also auf die beiden Lösungen S und S die
Peano'sche Ungleichung (26) anwenden. _
Hieraus folgt sofort: Wenn die beiden Lösungen (^ und S sich
in einem Punkt schneiden, d. h. wenn es einen dem Intervall [ccßj
angehörigen Wert f^ gibt, für welchen
so ist
Xj^it) ~ Xj^it) im ganzen Intervall [«/?].
Wir können aber die Voraussetzungen dieses^ Satzes noch ab-
schwächen: Wir wollen von der zweiten Lösung ^ nicht mehr vor-
aussetzen, daß sie in der Nachbarschaft [ö] liegt, sondern nur, daß
sie im Innern von (SC liegt und daß sie mit der ersten Lösung (£
einen Punkt f^ gemein hat. Daraus folgt wegen der Stetigkeit der
Funktionen Xj^{t) und Xj^{t), daß wir ein den Punkt f^ enthaltendes
Teilintervall [t' t"'\ von [aß'\ angeben können, so daß
\x,{t)-x,(t)\^0 (27)
für
^' ^ ^ < t".
Sei a^a die untere Grenze für die Werte von t' und ß' <ß
die obere Grenze für die Werte von t'\ für welche dies stattfindet.
Dann gilt (27) zunächst für
a <t< ß',
und wegen der Stetigkeit von %(#) und Xj^{t), auch noch für t =^ a
und t = ß'.
Für das Intervall [aß''\ können wir also den obigen Satz an-
wenden, und es ist daher
x^{t) = Xj^iß) y in [«'/3'],
also insbesondere auch für t = a und t = ß' .
1) Vgl. z. B. Bliss, loc. cit., p. 50, Fußnote. Man kann für K jede Größe
wählen, die größer ist als der größte der Maximalwerte der Funktionen \f^\ im
Bereich [g].
§ 23. Existenztheoreme für Systeme von Differentialgleichungen. 173
Wäre nun «'> a, so würde, wegen Xj^{a) — x^{a) = 0, die Un-
gleichung (27) auch noch in einem Intervall [a—ö,a^ gelten und
<i wäre nicht die untere Grenze der ^'; es muß also a = a sein, und
ebenso ß' = ß. Wir haben also den Satz gewonnen:
Es seien:
©: x, = Xf^(t), c^^t^ß
S: ^k-^k(i), ^<i<ß
ztvei für dasselbe Intervall [ccß^ definierte Lösungen des Systems {20\
welche
1. ganz im Innern von €L liegen
2. einen Punht gemeinsam haben:
.,n,
a^t^^ß]
■alsdann sind beide Lösungen im ganzen Intervall [aß] identisch:
^k(ß)-^k(f), A;=l,2, ...,w, für a^t^ß.
d) Fortsetzung des durch den Punkt A gehenden Elementes^):
Wir kehren jetzt wieder zu der in a) betrachteten, durch den
Punkt A (7,1^^,..., ^J gehenden Lösung (22) zurück, welche zu-
nächst nur für das Intervall : \t — r\^l definiert war. Wir können
dieselbe auf folgende Weise über ihren ursprünglichen Definitions-
bereich hinaus fortsetzen: Wir setzen t + ^ = A; da der Punkt
Qiißv ^i(ßi) } • • ' 7 ^n^ßi)) wegen der Ungleichung (23) im Innern des
Bereiches (9L liegt, so können wir nach a) eine in einem gewissen
Intervall: \t — ßi ^ ^l^ definierte Lösung von (20) konstruieren, welche
durch den Punkt §^ hindurchgeht und ganz im Innern des Bereiches
€L liegt. In dem den beiden Intervallen: \t — r\^l und t — ßi'^li
gemeinsamen Bereich müssen daher nach c) beide Lösungen identisch
sein, da sie beide durch den Punkt Q^ gehen. Der Definitions-
bereich der zweiten Lösung reicht aber um das Stück [ß^^ ß^ + y
über den der ersten hinaus. Wir nennen daher die zweite Lösung
•eine ,^ortsetzung^' der ersten, und bezeichnen sie durch dieselben
Buchstaben: ^^ = Xf,(f). Diesen Prozeß können wir nun beliebig oft
wiederholen, indem wir weitere Elemente mit den Mittelpunkten
^) Vgl. V. Escherich, Wiener Berichte, Bd. CVII, Abt. IIa (1898), p. 12,
und Bliss, 1. c p. 52.
174 Viertes Kapitel. Hilfssätze über reelle Funktionen reeller Variabein.
ft = ft + k, ß, = /32 4- ?2, . . .
hinzufügen. Andererseits können wir eine analoge Reihe von Fort-
setzungen nach der negativen Seite hin bilden mit den Mittelpunkten
a^ = T — I y «2 = ^^1 ~ h\ ^^3 = ^2 ~ h'y • • • •
Da die Größen ß^. mit v wachsen , so nähern sie sich für v --- oo
einer bestimmten Grenze ß^, die endlich oder +00 sein kann;
ebenso nähern sich die a^, einer Grenze a^, welche endlich oder — 00
sein kann.
Wir erhalten daher durch den angegebenen Prozeß eine durch
den Punkt Ä gehende Lösung ^^, welche für das offene Intervall
cc^,<t<ß^
definiert ist, und im Innern des Bereiches 6t liegt.
Nach Bliss gilt der Satz:
Wenn bei Annäherung der Yariabeln t an den Wert a^ (resp.
ß ) der entsprechende Punkt der Kurve S^ sich einer bestimmten
endlichen Grenzlage P, (resp. QJ nähert^), so muß der Punkt P^
(resp. Q^) auf der Begrenzung des Bereiches 61 liegen.
Hieraus folgt: Ist
irgend eine ganz im Innern von 61 gelegene Lösung des Systems
(20), und ist Air, l^, l^, . . ., IJ irgend ein Punkt von ^,, so ist
^A ^ '^1^ ^ ^ ^ '^2
und ^0 is^ ®"^ Stück der Kurve (S,.
Hieran knüpfen wir noch folgende prinzipiell wichtige Be-
merkung:
Die bei dem Fortsetzungsprozeß gebrauchten Großen l, l^, l^ • --
sind innerhalb gewisser Grenzen willkürlich. Mit Hilfe des eben an-
gegebenen Satzes läßt sich jedoch leicht zeigen, daß die Grenzwerte
a^ und ß^, sowie die Kurve ^, von der Wahl dieser Größen un-
abhängig \nd somit durch den>unkt Ä eindeutig bestimmt sind.
') Dies tritt nach Bliss (loc. cit. p. 52) stets ein, wenn a beschränkt
und abgeschlossen ist.
§ 24. Abhängigkeit der Lösung von den Anfangswerten. 175
§ 24. Abhängigkeit der Lösung eines Systems von gewöhnlichen
Differentialgleichungen von den Anfangswerten und verwandte
Fragen.
I
Wir geben in diesem Paragraphen zunächst ein Referat über die
wichtigsten Sätze über die Abhängigkeit der Lösung eines Systems
von gewöhnlichen Differentialgleichungen von den Anfangswerten und
entwickeln dann einige sich daran anschließende Sätze, die für die
Variationsrechnung von besonderer Wichtigkeit sind.
a) Abhängigkeit der Lösung von den Anfangswerten :^)
Die durch einen Punkt Äir^t^, ^.2? • - -^ ^n) ^^^^ Innern von €L
gehende Lösung
hängt von der Lage des Punktes Ä ab, d. h. Xj.(t) ist eine Funktion
nicht nur von t, sondern auch von t, ^^^ ^27 • • •; ^«5 ^^^' bezeichnen
dieselbe mit g?^(Y; t, |^, I2? • • v ^J "^^ schreiben unsere Lösung:
S^ : ^. = <5P.(^; ^, k> fe, . • v k) , cc^<t< ß, . (28)
Die Funktionen ^^ besitzen die folgenden Eigenschaften:
1. Die Funktionen g?^, sind eindmtige und stetige Funktionen ihrer
n -{- 2 Argumente in dem Bereich
^: Ä{r, ^^, . . ., IJ im Innern von (9L, cc ^<t < ß^,
und der Punkt: (t^ cp^, . . ., cp^) liegt im Innern des Bereiches (9L^
wenn der Punkt (i^; r^i,^, . . ., ^^) in ^ liegt.
2. Sie genügen den Anfangsbedingungen
9>,(t; r, I,, . . ., y = I, (29)
identisch für jedes (r, Ji, • • •, |J im Innern von €L.
^) Vgl. NicoLETTi, Acc. R. dei Lincei, 1895, p. 316; Picakd, in Darhoux's
Theoi'ie des surfaces, Bd. IV (1896), p. 363; Bendixson, Bull. Soc. Math,
de France, Bd. XXIV (1896), p. 220; Peaxo, Atti di Torino, Bd. XXXIH
(1897), p. 9; V. EscHEKicH, Wiener Berichte, Bd. CVII, Abt. IIa (1898),.
p. 1198, und Bd. CVIII (1899), p. 622; Painleve, Bull. Soc. Math, de France^
Bd. 27 (1899), p. 152; Bliss, loc. cit. p. 55.
176 Viertes Kapitel. Hilfssätze über reelle Funktionen reeller Variabein.
3. Die pa/rtiellen Ableitungen
d<Pk ^ffk ^^k ^Vi _ ^^ ^^_J>k _ ^k
Jt ' et ' Wi ' dt dt ~ dVd't ' diWi ~ ai,- dt '
(i=l,2,..,n)
■existieren und sind stetig im Bereich ^.
4. Jedes der w + 1 Funktionensysteme
^qpi ^ d(p„
dt ' dt ' " -' dt '
ist eine Lösung des Systems linearer homogener Differentialgleichungen:
n
^ = 2f^'it, «Px, 'P., ■ ■ •, Vn^i, (^ = 1, 2, . . ., n) (30)
dz,
1
(31)
mit den Anfangswerten
d(pj^\*='^ (1? wenn i = Jc
^h\ \0, wenn i^l
woraus folgt
5. Die FunMionaldeterminante
ist im ganzen Bereiche £& von Null verschieden.^)
-^L ^,Ä^=1, 2,...,n
1) Ist das System von linearen Differentialgleichungen gegeben:
dz, "^7
Ä; = l, 2 n
wo die ^j^.. Funktionen von t sind, die in einem Intervall [*o*i] stetig sind,
und sind:
xJ, V', • • •' ^iJ ' j = 1, 2, . . ., n ,
§ 24. Abhängigkeit der Lösung von den Anfangswerten. 177
Wir knüpfen hieran noch die folgende Bemerkung: Die
Gleichungen (28) stellen, wenn man den Größen (r, Sj, . . ., |J alle
möglichen Wertsysteme im Innern von (EL gibt, alle im Innern von
€L gelegenen Lösungen des Systems (20) dar, aber jede Lösung un-
endlich oft Denn ist Ä irgend ein Punkt der Kurve S^, so ist die
Kurve (^~ nach § 23, c) und d) mit (^^ identisch. Um alle ver-
schieden en Lösungen zu erhalten, ist es daher nicht nötig, den Größen
(T, ^j, ...,5J alle angegebenen Wertsysteme beizulegen; es genügt
vielmehr, wenn man dem z einen festen numerischen Werf^^ heilegt,
und bloß die Größen l^, ^2? • • •; ?« variieren läßt Ist nämlich
^o(t^ Ii^ . . ., l^) ein Punkt im Innern von 61 und A^{t\ |/, . . ., l^^)
irgend ein Punkt in hinreichender Nähe von Aq, so kann man stets
die Größen ^^, Ig? • • •? ?n ^^ bestimmen, daß die Lösung
^k = ^kif'^ A Si; . . •; y , /^^ = 1, 2, . . ., W ,
in welcher r den Wert r^ hat, durch den Punkt Ä^ geht.
Man hat dazu das System von n Gleichungen
n(.r'; A I,, i„ . . ., IJ = 1/, /,• = 1, 2, . . , n
nach li, . . ., 1^ zu lösen. Das ist aber nach dem Satz über implizite
Funktionen (§ 22, e)) stets möglich; denn für
irgend n Lösungen, so hat die Determinante
A = \XjJ\, i, Ä: = l, 2, ..., n
nach Jacobi {Werke, Bd. IV, p. 403) den Wert
t
A = Ce^« , (34)
wo C eine Konstante ist. Da die Funktionen q^^. stetig sind in [^o^J, so folgt
hieraus: Es ist entweder A^O im ganzen Intervall [^o*i]i "^enn nämlich C=0,
oder aber A=4=0 im ganzen Intervall [^0^1]' wenn nämlich C=\=0. Im ersten
Fall sind die Lösungen linear abhängig, im zweiten Fall unabhängig.
Wendet man diesen Satz auf das System (30) an, und beachtet, daß
wegen (31)
A(tr; r, ^,, ..., y = 1
für jedes (r, 1^, ..., IJ im Innern von (9L, so folgt der Satz Nr. 5 unmittelbar.
^) Ob ein fester Wert von r genügt, um alle partikulären Lösungen zu
erhalten, hängt freilich von der Gestalt des Bereiches (9L ab. Im allgemeinen
wird es nötig sein, den Bereich <9i in verschiedene Teilbereiche zu zerlegen,
und für jeden derselben dem r einen bestimmten konstanten Wert zu geben.
Bolza, Variationsreclmung. 12
178 Viertes Kapitel. Hilfssätze über reelle Funktionen reeller Variabein.
-.i_-.0 t:l_t:0 fci_fcO ti^cO
werden die Gleichungen befriedigt durch das Wertsystem:
^1 = fei J §2 "^ ^2 ? • • V ^n "^ ^n •
Und die Funktionaldeterminante A(t«; t\ I^«, . . ., |„°) ist + 0.
In diesem Sinn stellen die Gleichungen (28), wenn man dem r
einen festen VS^ert erteilt und die Größen l^, Ig, . . ., ?„ als variable
Integrationskonstanten betrachtet, das allgemeine Integral des Differential-
gleichungssystems (20) dar.
Statt dessen kann man aber auch ebensogut einer der (großen |
einen festen Wert erteilen, z. B. |^. = 1/ setzen, und als unabhängige
Parameter der allgemeinen Lösung die Größen t; |i, . . , |,-i? ij + v • • •? ^n
betrachten, wenn nur die Bedingung
/;(tMA---J«') + o
erfüllt ist.
Denn mit Hilfe der Gleichung (33) kann man die Funktional-
determinante A nach elementaren Determinantensätzen auf die Form
bringen
- A(^, r, ^„ . . ., u/;.(r, j„ . . ., u = ^^^^^ g._^^ r'^iT^T^'^ . .. y ^"^^^
Wenn daher die obige Ungleichung erfüllt ist, so kann man die
vorige Schlußweise ohne weiteres auf den Fall anwenden, wo man
J. J'l.o setzt und die Größen t, I^, . . ., |,_i, |, + i, • • • J„ variiert.
Zusatz P): Macht man die stärkere Voraussetzung, daß die sämt-
lichen partiellen Ableitungen der Funktionen ff bis zur n — 1*^''
Ordnung (inkl.) im Bereich (9L existieren und stetig sind, und ebenso
sämtliche partielle Ableitungen bis zur ^^^«^ Ordnung mit Ausnahme
der ^*^° Ableitungen nach t allein, so sind die Funktionen cp,^ von
der Klasse T^"' im Bereich ^.
Zusatz IP): Sind die Funktionen /; analytische Funktionen der
Variabein t, x„ . . ., ^;, und regulär an der Stelle t^,^^^, . . ., |„^ so
sind auch die Funktionen %X^] r, iv ■ -/Q analytische Funktionen
ihrer w + 2 Argumente und regulär an der Stelle
1) Vgl. Bliss, loc. cit., p. 67. "; Vgl. EncyUopädie, II A, p. 202.
§ 24. Abhängigkeit der Lösung von den Anfangswerten. 179
b) Einbettung einer partikulären Lösung in eine ^«-facli un-
endliche Schar von Lösungen:
Wir beweisen jetzt noch den folgenden für unsere Zwecke be-
sonders wichtigen Satz:^)
Es sei
eine Lösung des Systems (20), tvelche ganz im Innern des Be-
reiches €L liegt.
lerner sei Tq irgend ein spezieller Wert vmi t im Intervall \t^ t^^
und es tverde: x^.{tQ) = ^^ gesetzt.
Alsdann läßt sich eine positive Größe d angehen, derart daß für
jedes den Ungleichungen
r-Toi^rf, il,-|/;^(i, h^\,i,...,n (30)
genügende Wertsystem r^ ^j, . . ., |^^ die Lösung
^, = 9),(/;rJ,,...,y, /.:=l,2,...,n (28)
des Systems (20) Im ganzen Intervall \t^t^ existiert, von der
Klasse C ist und überdies ganz im Innern des Bereiches €L liegt.
Für X = To, li = l^, . . .^ ^^ = 1^0 fällt die Lösung (28) mit Sq
zusammen:
(f,{t-T,,^,',...,i/)=^x,(t) in [t,t,].
Zum Beweis wählen wir zunächst eine positive Größe 6 so klein,
daß die geschlossene Nachbarschaft [(?] des Bogens (§.q, d. h. der
Bereich
[(?]: h^t^t,, .x,-Xj^(t)\^6, 1=1,2,. ..,n,
ebenfalls noch ganz im Innern von (SC liegt, was nach § 2\, a) stets
möglich ist. In diesem Bereich \p\ sind die Funktionen /"^ stetig
und genügen der Lipschitz'schen Bedingung (24) mit einem ge-
wissen Wert der Konstanten ^5 letzteres beweist man mit Hilfe des
Mittelwertsatzes angewandt auf die Differenzen
t\(t, %;, . . ., o - i\{t, %;', ..., x^') .
^) Einen analogen Satz für analytische Differentialgleichungen gibt Knkser,
Lehrbuch, § 27. Für nicht-analytische Differentialgleichungen ist der Satz auf
anderem Wege zuerst bewiesen worden von Lunn, Dissertation (Chicago, 1904).
Für den hier gegebenen Beweis vgl. Bolza, TrauBactions ofthe American
Mathematical Society, Bd. YII (1906), p. 464.
12*
X, =
180 Viertes Kapitel. Hilfssätze über reelle Funktionen reeller Variabein.
Wir ordnen nunmehr jedem Punkt ty x^, x^, • • •, ^„ des Bereiches
h<i<hy -oo<^,< + (X), Ä; = l,2,...,n (37)
einen Punkt t, x^, x^,...,x„ von [(?] zu mittels der Definition
Xi , wenn: x^it) - (? ^ ^f ^ ^,-(0 + ^y
Xi{t) + <3\ wenn: x^ > ^.-(0 + ^;
und definieren dann die Funktionen f\it, x^, . . ., x„) für den Bereich
(37) durch die Gleichungen^)
f\{t,x^,...,x^) = f,{t,x^,...,x„).
Die Funktionen f[ haben folgende Eigenschaften:
Ä) Sie sind stetig im Bereich (37); denn man findet
t\{t + //, x^ + \, ■■ ., x„ + /O - fki*, ^i, ■ ' -y ^n) =
= hi^ + h, \ 4- \ ..-yK-^ k) - fkii> K'-'y K) ^
wobei für hinreichend kleine Werte von | // \ und 1 1\ , • • •, I ^„ 1 entweder
h, = l, oder k = ^/(^ + ^0 - 4(0 •
1) Der Leser mag den Beweis zunächst für den Fall n = 1 durchführen,
wobei man sich der folgenden geometrischen Deutung bedienen kann : Sind t, x
rechtwinkUge Koordinaten in einer <, .^-Ebene und y eine dritte Ordinate senk-
recht zur i, aj-Ebene, so können wir die Fläche :
(38)
y = f(t, X)
folgendermaßen aus der Fläche
(39)
♦ t
ableiten: Wir schneiden aus der Fläche (39)
dasjenige Stück i: heraus, dessen Projektion
auf die i, ic-Ebene der Bereich [öj ist. Von
jedem Punkt desjenigen Randes von 2, dessen
Projektion die Kurve
X = X{t)-\-6, t^^t^t,
ist, ziehen wir eine Gerade parallel zur
iC-Achse in positiver Richtung ins Unendliche.
Ebenso ziehen wir von jedem Punkt des
gegenüberliegenden Randes von Z eine Gerade parallel der rr-Achse in nega-
tiver Richtung ins UnendUche. Die beiden so konstruierten Zylinderflächen zu-
sammen mit dem Stück 2 bilden dann die Fläche (38).
Fig. 30.
§ 24. Abhängigkeit der Lösung von den Anfangs werten. 181
B) Sie genügen in demselben Bereich der Lipschit zischen Be-
dingung; denn
I tkV7 ^ly ' ' 'y ^n) tkVy ^i ; • • •? ^« / i ^
= I fk(i, h', ' • ', ^^n) - fk{h ^l\ • • •; ^nl I < K^ ^i - ^'/' !
und
C) Sie sind endlich im Bereich (37); denn ist G der größte der
Maximalwerte der Funktionen | /*^, | in [ö], so ist
\f,(t,x,,...,xj\^G (40)
in (37).
Hieraus folgt aber: Ist ^i ^ t ^ ^2 ^^^ ^^^ ^d ■ ■ •) ^n ^^^ ganz
beliebiges Wertsystem, so besitzt das System von Differential-
gleichungen
S-=/iÄ*i, •••,«.), k^-i,2,...,n, (41)
eine und nur eine Lösung
^>t=^/t(^;^Jl;---Jn). (42)
welche durch den Punkt Ä(t, li, . . ., JJ hindurchgeht, und diese
Lösung existiert im ganzen Intervall [t^ ^2]-
Denn ist h eine beliebige positive Größe, so sind die Funk-
tionen f\ stetig und genügen der Lipschitz'schen Bedingung in
dem Bereich
Bezeichnet daher M den größten der Maximalwerte der Funktionen
\fj^\ in diesem Bereich, und l die kleinere der beiden Größen t^ — t,
&/Jf, so existiert die durch den Punkt A gehende Lösung (42) nach
Cauchy^) mindestens im Intervall: x^f^x -\-l. Nun ist aber
M^G\ wählt man daher: h ^ (t^ — r)G, so ist h/M> t^ — x und
daher 1 = 1^ — x. Die Lösung (42) existiert also mindestens im Inter-
vall [r fg]- Ganz in derselben Weise zeigt man, daß sie auch im
Intervall [t^ r] existiert und somit auch im ganzen Intervall \t^ t^\.
Ist ferner r^, 1^^, . . ., |^^ irgend ein zweiter Punkt des Bereiches
(37), so gilt nach § 23, b) die Peano'sche Ungleichung {2&) und
^) Vgl. z. B. GouRSAT, Cours iV Analyse, Bd. II, pp. 369, :^77.
182 Viertes Kapitel. Hilfssätze über reelle Funktionen reeller Varia|)eln.
daher ist a fortiori für jedes t in \t^ f^]:
!*»(<; ^,?i,---,Ü-9.(*;r„,ii»,...,|„<')|
Nun^) ist aber einerseits nach (29)
^i{r; r, l„ . . •, IJ - U-'o-, ^0, Ix", • • •, in") = I.- - lA
und andererseits
also nach (40)
Da überdies: | ^ — t^^ ^2 ~ ^i? ^^ erhält man schließlich die Un-
gleichung
<c"J^('.-'.){„e:T-r„i+_^i|i-i.«!}. (43)
i
Hieraus folgt: Wenn d die kleinere der beiden Größen
^-nK{t^-t,)^ e-nK{t^-t^)
2nG ~^ 2n
bedeutet, und wir wählen
\r-t,Zd, |g,-S,o|^^, A = 1,2,...,.?, (44)
so ist
g>,(t- r J„ . . ., y - ?.,(<; T„ lA . . ., 1;) , < 0 (45)
für jedes t in [^i^.
Nun folgt aber weiter aus der Definition der Funktionen /",., daß
jede Lösung des Systems (41), welche ganz in [d] liegt, zugleich dem
System (20) genügt und umgekehrt. Hieraus ergibt sich zunächst,
daß die Lösung
von (20) zugleich dem System (41) genügt.
1) Für die folgende Umformung vgl. Bliss, loc. cit. p. 62.
§ 24. Abhängigkeit der Lösung von den Anfangs werten. 183
Wählen wir daher den Punkt (t^^ ^^^, . . ., |^^) insbesondere auf
der Kurve ^q, so daß also
l/ = 4W, (46)
SO gilt nach § 23, c) und d) die Doppelidentität -
Zugleich sagt alsdann die Ungleichung (45) aus, daß unter der Voraus-
setzung (44) die Lösung (42) von (41) ganz in [ö] liegt. Daher muß
dieselbe nach der eben gemachten Bemerkung auch dem System (20)
genügen^ und da sie durch den Punkt (t, l^, . . .^ |J geht^ so ist sie
mit der durch das Symbol
definierten Lösung von (20) identisch. Somit existiert auch die
letztere mindestens im ganzen Intervall [^1^2]? vorausgesetzt daß die
Ungleichungen (44) erfüllt sind. Damit ist aber unser Satz bewiesen.
Zusatz: Die Lösung (28) existiert sogar sicher noch in einem
etwas weiteren Intervall. Denn da die Lösung ©^ ganz im Innern
des Bereiches 6L liegen sollte, so läßt sie sich nach § 23, d) auf
ein etwas weiteres Intervall
fortsetzen, wo e^, e^ zwei hinreichend kleine positive Größen sind.
Und nun kann man in dem vorangegangenen Beweis das Intervall
Vh'~^iy 1^2 + ^2] fü^ ^^s Intervall {t^t^ substituieren und erhält das
Resultat, daß die Lösung (28) für jedes den Bedingungen (44) ge-
nügende Wertsystem t, ^^, l^? • • •? ?n ^^^^ nooh in dem weiteren
Intervall \t^ ~ ^i, ^2 + ^2] existiert , wobei wir noch besonders hervor-
heben, daß ßj, ^2 von r, l^, . . ., |,^ unabhängig sind.
Wählt man insbesondere r = Tq und setzt
(p,{t', t,, ^,, . . ., y = g^it; ii, . . ., y (47)
so stellen die Gleichungen
eine u-fach unendliche Schar von Lösungen (das sogenannte „allge-
meine Integral") des Systems (20) dar, welche die gegebene Lösung
^Q enthält, nämlich für l^ = 1^0,...,^^ = l^. Die Funktionen
Hc ^Jk ^^9k _ ^'^/fc
^*' dt' c^i' Wdii dhdt
184 Viertes Kapitel. Hilfssätze über reelle Funktionen reeller Yariabeln.
existieren und sind stetig im Bereich
h-e,^t^t,-^e,, l^-g/^,/, /.:=1,2,..,^^, (48)
und die Funktionaldeterminante
ist im Bereich (48) von Null verschieden.
c) Anwendung der allgemeinen Existenztheoreme auf die Theorie
der Extremalen:
Wir führen zAinächst die Euler^sche Differentialgleichung
auf ein System von zwei Differentialgleichungen erster Ordnung zu-
rück, indem wir sie in der Form schreiben:
(50)
Nach unseren Voraussetzungen über die Funktion f{x, y, y) (vgl.
§ 3, a)) sind die rechten Seiten dieser beiden Gleichungen von der
Klasse (Y in dem durch die Bedingungen
{Xy y) in Öl; — oo < y < + ^; fyyi^^ Vy V) + ^
charakterisierten Bereich €L im Gebiet der Variabein Xj y, y .
Aus § 23, a) und c) folgt daher:
Ist Po(^o? 2/o) iw^'^'^^^ ^'^^ Funkt im Innern von 6i und y^ = tg &(y
das Gefälle irgend einer durch den Punkt Pq gehenden, nicht mit der
y-Achse parallelen Bichtung, für nelche die Ungleichung
fy>,M,.y.,yo)^^ '' (51)
erfüllt ist, so läßt sich durch den PunJct P^ in der Richtung Oq eine
und nur eine Extremale von der Klasse C ziehen.
Wir haben schon früher (§ 19, b)) ein Problem der Variations-
rechnung von dem in den drei ersten Kapiteln betrachteten Typus
regulär genannt, falls die Ungleichung
fy>A^,y,p)^^ (52)
für jeden Punkt des Bereiches ö\ und für jeden endlichen Wert von p
erfüllt ist. Bei einem regulären Problem kann man also von jedem
äy
dx
= y
dy
dx
fr
'y y
y'fyy
^H{x,
y,
y')
§ 24. Abhängigkeit der Lösung von den Anfangswerten. 185
Punkt im Innern des Bereiches öl nach jeder Richtung, die nicht
mit der ^- Achse parallel ist, eine und nur eine Extremale ziehen.
Aus dem Satz von § 24, b) Ende folgt ferner:
Ist
irgend ein ganz im Innern von Öl gelegener Extrem alenbogen der
Klasse C, für welchen die Bedingung
fy'y'{^^ y(^\ y(^)) + 0 in [x^x^] (53)
erfüllt ist, so läßt sich derselbe in eine doppelt unendliche Schar von
Extremalen
tj = g(x,a,ß)
„einbetten", welche den gegebenen Bogen (Sq enthält, und welche die
in § 12, b) aufgezählten Eigenschaften besitzt, wobei noch zu bemerken
ist, daß die dort behauptete Existenz und Stetigkeit von g" daraus
folgt, daß nicht nur die partiellen Ableitungen H^^ und H^^ sondern
auch, — und dies geht über die Voraussetzungen der allgemeinen
Theorie hinaus — , H^ existiert und stetig ist in (9l.
Die linearen Differentialgleichungen (30) reduzieren sich auf die
Jacob i'sche Differentialgleichung.
d) Ausdehnung des Einbettungssatzes auf ein System von Dif-
ferentialgleichungen, das nicht in der Normalform gegeben ist:
Es sei das System von n Differentialgleichungen gegeben
■'^M X-^j x^j . . ., x^f x^, x^, . . ., x^) = \j (o4)
(A'=1,2,..,m),
wobei die Funktionen i\ in einem Bereiche ^ des t, x^^ . . ., x^, x[, . . ., :rj-
-Raumes von der Klasse C sind. Ferner sei
eine Lösung des Systems (54) von folgenden Eigenschaften:
1. Die Funktionen x^^it) sind von der Klasse 0' in einem Inter-
yall fty.
2. Für jedes t im Intervall \t-^t^\ liegt das Wertsystem
t; x^{t),,..,xjt); x[{t),...,x;Xt)
im Innern des Bereiches ^,
186 Viertes Kapitel. Hilfssätze über reelle Funktionen reeller Variabein.
3. Setzt ]iian in der Funktionaldeterminante
^k-^k(f)^ K = 4'(0; /^ = 1, 2, . . ., n,
so ist die so entstehende Funktion von t von Null verschieden
in [tj^]'
Alsdann gelten für die durch den Punkt (r, |^, . . .. |J gehende
Lösung
^k= 9^ki^'^ ^. iu ' • •. ü^ ^»" = 1; ^; • • V. w,
des Systems (54) dieselben Folgerungen^ wie in § 24, b) für die
gleichbezeichnete Lösung von (20).
Zum Beweis wenden wir auf das Gleichungssystem (54) den
erweiterten Satz über implizite Funktionen von § 22, e) an. Der dort
mit (B bezeichneten Punktmenge entspricht hier die Menge:
^0' ' ^k = 4 (ß) y < = 4' (^'> . k<i<h,
{k=l,2,...,n),
welche in der Tat nach A YII 1 beschränkt und abgeschlossen ist
und ganz im Innern des Bereiches ^ liegt. Sind ferner
{t, x^, . . ., .^„, x^, . . ., O und [i , x^, . . ., ^„, ^/^ . . ., x^,')
zwei verschiedene Punkte von ^q\ so muß notwendig i 4- ^ sein, es
ist also dann auch allemal
(t,x^,.. .,x^=r{t, ^i,...,^J:
somit ist auch Bedingung C) des Satzes erfüllt, und ebenso D) wegen
unserer dritten Voraussetzung.
Daher lassen sich die Gleichungen (54) im Sinne von § 22, e)
in der Umgebung der Punktmenge S^' eindeutig nach x^\...,x/^
auflösen :
< = fkif,^iy-",^n)^ /r=l,2,...,n, (55)
und die Funktionen f,. sind in einer gewissen Umgebung 6t von %
eindeutig definiert und von der Klasse C\
Nunmehr ergibt sich der Beweis unserer Behauptung, indem man
den unter b) bewiesenen Satz auf das Normalsystem (55) anwendet.
e) Anwendung auf Systeme von Differentialgleichungen, welche
konstante Parameter enthalten:
Es sei ein System von n Difi'erentialgleichungen gegeben, welche
r Parameter A^, . . ., A^ enthalten:
§ 24. Abhängigkeit der Lösung von den Anfangs werten. 187
F,{t- X,,., ., x^, x;, ...,<; l^,.. ., l^) = 0 (56)
wobei die Funktionen Fj^ nach sämtlichen Argumenten in einem Be-
reich ^ von der Klasse 6'' sind.
Für ein spezielles Wertsystem der X, A^=A/^ sei eine Lösung
You (56) bekannt:
Ton folgenden Eigenschaften:
1. die Funktionen 4(0 si^d ^on der Klasse C in [^^^J.
2. Für jedes t in [f^y liegt das Wertsjstem
t-, x, = 4(0 ; ^k = 'K (0 ; K = >^/
(// = l,2,...,r; Ä.= l,2,...,w)
im Innern von ^.
3. Setzt man in der Funktionaldeterminante
a_(5,._^,J^)
dix;, . . ., ^/)
SO ist die so entstehende Funktion von t von Null verschieden
in \t^t^.
Endlich sei x^ irgend ein Wert von t im Intervall \tU\ und
4(ro) = l/.
Alsdann gibt es eine Lösung von (56):
^.t=6^.(^-, ^i;..-, I.; A„...,A,); it = l,2, ...,n (57)
von folgender Beschaiäenheit:
1. Die Funktionen Gß-, l^, . . ,J„; A^, . . ., A^) sind samt den Ab-
leitungen ^^\ -^^^ ^^-^ ^^-^A, ^^^^^ stetig in einem Bereich
i h i h
2. Es ist
«*(<; ^i", • • -, ?/, V, • • •, K") = 4(0 in ft«. (58)
3. Für t = Tf^ ist
^.. „ ö,(r„,|„...,i„, X,,...,X^) = |j (59)
für alle:
188 Viertes Kapitel. Hilfssätze über reelle Funktionen reeller Yariabeln.
Zum Beweis ist es nur nötig zu bemerken, daß das System (56)
wegen der Konstanz der Größen A^ mit dem folgenden erweiterten
System
dx ^, I (56a)
mit den Anfangsbedingungen
äquivalent ist.
Wendet man auf dies erweiterte System den unter d) gegebenen
Satz an und setzt
(Pkii''> ^oy ^ly • • -y ^ni ^u • • •? K) ^ ^k(ß'i ^u • • -> k'^ ^i> ' ■ 'y ^r)y
so haben die Funktionen G,^ die oben ausgesprochenen Eigenschaften.
Einen für Anwendungen wichtigen Zusatz erhält man, wenn man
speziell ^^^ = 1/ setzt.
Fünftes Kapitel.
Die Weierstraß'sche Theorie der einfachsten Klasse Yon
Problemen in Parameterdarstellung. '
§ 25. Formulierung der Aufgabe.
In den vorangegangenen Kapiteln haben wir uns durchweg auf
Kurven beschränkt^ bei welchen sich y als eindeutige Funktion von
X darstellen läßt, bei welchen also jede zur ^/- Achse parallele Gerade
die Kurve höchstens in einem Punkt schneidet; überdies haben wir
vorausgesetzt, daß die Kurve keine zur ly-Achse parallele Tangente
besitzt. Wir werden uns jetzt von dieser Beschränkung befreien, in-
dem wir in Zukunft sämtliche zu betrachtende Kurven in Parameter-
darstellung ^) annehmen.
a) Allgemeine Bemerkungen über Kurven in Parameterdarstellung :^)
Eine stetige. Kurve ^ wird definiert durch ein System von zwei
Gleichungen
(^: x = x{t), y-=y{t), t.^t^t,, (1)
wobei x(t) und y(t) Funktionen der unabhängigen Variable t (des
sogenannten „Parameters") sind, welche im Intervall [t^ t^] eindeutig
und stetig sind. Jedem Wert von t im Intervall [t^ t^] wird durch
die Gleichungen (1) ein Punkt P der Kurve zugeordnet, den wir
^) Die Behandlung der Probleme der Variationsrechnung in Parameter-
darstellung rührt von Weierstrass her (Vorlesungen, schon 1865); sie bedeutet,
besonders für geometrische Aufgaben, einen wichtigen Fortschritt, da die Be-
schränkung auf Kurven, die in der Form: y = y{x) darstellbar sind, eine er-
schöpfende Behandlung geometrischer Aufgaben im allgemeinen unmöglich
macht.
^) Vgl. hierzu Jordan, Cours d' Analyse, I, Nr. 96 — 113, und Osgood, Lehr-
buch der Funktionentheorie, Bd. I, p. 122.
190 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
einfach den Punkt t nennen. Durch die Gleichungen (1) wird daher
nicht nur eine gewisse Punktmenge in der x, y-Ebene definiert, sondern
zugleich eine bestimmte Orclmmg dieser Punkte festgelegt: ist t' <it"j
so geht der Punkt I^(t') dem Punkt P"(f') voran, in Zeichen P'-^ F'.
Während t von t^ bis t^ wächst, beschreibt*) der Punkt (x^y) die
Kurve in einem bestimmten Smny von ihrem Anfangspunkt zu ihrem
Endpunkt; ersteren bezeichnen wir mit P^, letzteren mit Pg, wofür
wir häufig auch bloß 1 und 2 schreiben werden. Wenn wir von
einer zwei Punkte A und B verbindenden Kurve reden, so soll
damit stets eine von dem zuerst genannten Punkt (A) nach dem zu-
letzt genannten Punkt (B) gezogene Kurve gemeint sein.
Machen wir die ,^Farametertransformation^^
t - Xir) (2)
wo x('^) ßine stetige Funktion von t ist, welche beständig wächst
von t^ bis ^2 7 während r von r^ bis Tg zunimmt, so verwandeln sich
die Gleichungen (1) in
Umgekehrt gehen die Gleichungen (la) wieder in die Gleichungen (1)
über durch die zu (2) inverse^) Transformation
r = d(t). (2si)
Die Gleichungen (la) stellen wieder eine Kurve, ^', dar. Die beiden
Kurven S und (l' bestehen nicht nur aus denselben Punkten, sondern
diese Punkte sind auch in beiden in derselben Weise geordnet. Aus
diesem Grunde kommen wir überein, die beiden durch (1) und (la)
definierten Kurven als identisch zu betrachten, und umgekehrt sollen
zwei stetige Kurven auch nur dann als identisch betrachtet werden,
wenn sie durch eine Parametertransformation von der angegebenen
Eigenschaft in einander transformiert werden können.
In dem speziellen Fall, wenn die Funktion x(i) beständig wächst,
während t von t^ bis % zunimmt, läßt sich die Gleichung x = x{t)
eindeutig nach t auflösen^) und die inverse Funktion
t'-x(^)
^) Wesentlich verschieden von dieser Auffassung der Kurve als Bahn eines
sich bewegenden Punktes („Bahnkurve, path-cui-ve'^ E. H. Moore) ist die Auf-
fassung der Kurve als eines geometrischen Ortes (,, Ortskurve, locus-curve"), bei
welcher die Kurve durch eine Gleichung zwischen den Koordinaten x, y definiert
wird, und wobei von der Ordnung der Punkte abgesehen wird.
2) Vgl. A III 6.
§ 25. Formulierung der Aufgabe. 191
liefert eine zulässige Parametertransformation: wir erhalten daher die
Kurve (1) dargestellt in der Form
Ebenso ist —x ein zulässiger Parameter, wenn die Funktion
x{t) beständig abnimmt.
Beispiel: Der im ersten Quadranten gelegene Bogen des Kreises um den
Nullpunkt mit dem Radius a wird als Orts kurve definiert durch die Be-
dingungen
x"'-\-ij- = a\ .2;>0, 2/>0,
dagegen als Bahnkurve, wenn er im entgegengesetzten Sinn des Uhrzeigers
durchlaufen wird, z. B. durch
X = a cos ^ , ij = asint ^ 0 •< ^ ■< T" '
oder auch durch die Gleichungen
a(l — X-) '2ar = =
die aus der ersten Darstellung durch die Parametertransformation
t = 2 Arctg T
hervorgehen, wo Arctg, wie stets in der Folge, den zwischen — — und -f- —
gelegenen Hauptzweig der Funktion arcus tangens bezeichnet.
Ist eine stetige Kurve (£ in einer anderen, ^', als Bestandteil
enthalten, so heißt ü ein Bogen der Kurve ^.
Die Kurve d soll von der Klasse C^"^ heißen, wenn sich der
Parameter t so wählen^) läßt, daß die Funktionen x{t) und y(t) im
Intervall [t^ y von der Klasse C^''^ sind, und daß überdies die Ab-
leitungen x\f) und y\{) nicht beide in demselben Punkt des Inter-
valls [t^ fg] verschwinden, so daß also
x'^' + y'^O m [t,t,-]. (3)
Eine Kurve der Klasse 2) C(")(?z ^ 1) besitzt in jedem Punkt eine
Tangente; die „Amplitude^^ ß der positiven Richtung derselben, d. h.
der Winkel dieser Richtung mit der positiven ;r-Achse, den wir kurz
^) Zur Darstellung einer Kurve der Klasse C*"* sollen nur solche Parameter
zugelassen werden, welche diese beiden Eigenschaften besitzen, d. h. also nur
solche Parametertransformationen (2), bei welchen xi'^) ebenfalls von der Klasse
6""' ist und überdies
^) Man beachte, daß die Klasse d" "" ^^ in der Klasse Ö""^ enthalten ist.
IQ2 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
,,den Tan geilten Winkel der Kurve S im Punkt f' nennen werden^
wird durch die beiden Gleichungen gegeben
cos e = -^^f==f, , sm Ö = .^.,^^ • (4)
Eine Kurve der Klasse C ist stets reUifizierhar^), und die Länge 6^
des Bogens \t^ t\ ist ausdrückbar durch das bestimmte Integral:
s=fyx''-{- y-' dt. (5)
h
Da dasselbe mit i beständig wächst, so kann man für eine Kurve der
Klasse C stets s als Parameter wählen.
Eine Kurve der Klasse C" hat in jedem Punkt eine endliche
Krümmung, welche durch die FormeP) gegeben wird:
Jl _ ^ _ ^'y"_ — ^"y' . (6)
r ds (yaf^V^
Ist dieselbe positiv (negativ), so liegt der Vektor von dem be-
trachteten Kurvenpuukt nach dem Krümmungsmittelpunkt zur linken
(rechten) der positiven Tangente der Kurve, wenn, wie wir stets
voraussetzen, die positive «/-Achse zur linken der positiven a;-Achse
liegt. Die Größen 0, s, r bleiben invariant gegenüber allen Parameter-
transformationen.
Wir werden es in der Folge fast ausschließlich mit stetigen
Kurven zu tun haben, welche entweder in ihrer ganzen Ausdehnung
von der Klasse C sind, oder aber aus einer endlichen Anzahl von
Bogen von der Klasse C bestehen. Eine solche Kurve wollen wir
der Kürze halber eine gewöhnliche Kurve nennen.
Ein Punkt, in dem zwei dieser Bogen zusammenstoßen, soll eine
„EcJce"^) heißen, wenn dort die Richtung der positiven Tangente tat-
sächlich eine Unstetigkeit erleidet. Auch in einem solchen Punkt
existiert die vordere und die hintere Deri vierte von x(t) und yit),
und dementsprechend eine vordere und hintere Tangente.
Wir sagen eine Kurve sei regulär in einem Punkt t = t\ wenn
sich x{t) und y{t) für hinreichend kleine Werte von t - i; \ in kon-
vergente nach ganzen Potenzen von (t - 1') fortschreitende Reihen
entwickeln lassen:
1) Vgl. Jordan, Cours d' Analyse, I, Nr. 105—111. -,.. ^ ,
2) Vgl. z. B. Jordan, loc. cit, I, Nr. 448, 450, und Scheffers, Lmführung
in die Theorie der Kurven, I, p. 35.
3) Auch „KnickpunkV' nach Caratheodory, vgl. § 48.
§ 25. Formulierung der Aufgabe. 193
x{t) = a -^ a^{t — t') -\
1/(0 = 6 + ^(^-0 + •••;
in welchen a^ und \ nicht beide null sind. ^
b) Bedingung für die Invarianz eines Kurvenintegrals unter
einer Parametertransformation :
Es sei F{x, y, x, y) eine Funktion von vier unabhängigen Vari-
abein, welche von der Klasse C" ist in einem Bereich %, welcher aus
allen Punkten {x, i/, x, y) besteht, für welche (Xy y) in einem ge-
wissen Bereich Öl der x^ ^-Ebeue liegt, während (x\ y) irgend ein
endliches Wertsystem mit Ausnahme des Wertsystems (0,0) sein darf.
Wir setzen voraus, daß die durch die Gleichungen (1) definierte
Kurve ® in dem Bereich 61 liegt und von der Klasse C ist, und
wählen ^) zwei beliebige Punkte P^ und P^ (t^ < t^) auf ^. Dann
verstehen wir unter dem Integral der Funktion F genommen entlang
dem Bogen P^P^ der Kurve © das Integral
fF(x(t), y{t), x(t), y'H))dt. (7)
tl
Hier tritt uns nun aber eine eigentümliche Schwierigkeit ent-
gegen: Gehen wir nämlich durch die Parametertransformation (2) zu
einer anderen Darstellungsform (la) derselben Kurve © über so er-
gibt sich nach der eben gegebenen Definition für das Integral der
Funktion F entlang demselben Bogen, der Darstellung (1 a) entsprechend,
fF{X{t), Yir), X\t\ ¥'{%)) dz, (7a)
wo:
Der Begriff des Integrals der Funktion F entlang einer gegebenen
Kurve hat also nur dann einen bestimmten, von der Wahl des Para-
meters unabhängigen Sinn, wenn die beiden Integrale (7) und (7 a)
einander gleich sind; und zwar verlangen wir, daß diese Gleichung
gelten soll
a) für jede Parametertransformation t = i{r) von den oben an-
gegebenen Eigenschaften, bei welcher überdies x(x) in [fgrj von der
Klasse C ist;
^) Wenn wir sagen, wir wählen einen Punkt auf der Kurve (£, so soll dies
atets heißen: wir wählen einen Wert von t und bestimmen dann den zugehörigen
Punkt der Kurve. Diese Verabredung ist nötig, weil dasselbe Wertsystem {x^ y)
verschiedenen Parameterwerten entsprechen kann (mehrfache Punkte).
Bolia, Variationareohnung. 13
;[94 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
ß) für jede Lage der beiden Punkte Pg und P^ auf der Kurve (S^; . J
y) für jede im Bereich 6{ gelegene Kurve S von der Klasse C. i
Führen wir in dem Integral (7) statt der Variabein f die Variable
T ein* mittels der Substitution: ^ = ;cW> ^^^ beachten, daß
so geht (7) über in
jF[X(r),
^^'^' tS' tS-V'«''- (^•')
Wegen /3) dürfen wir die Gleichung: (7b) = (7 a) nach r^ differentiieren
und erhalten, wenn wir der Kürze halber r statt t^ schreiben:
F{X{r), Y(r), f.|\ -J|) z'W = J'CXW, Y(r), X\r), Y\r)) . (8)
Wegen a) muß dies auch für die spezielle Transformation
gelten, wenn h irgend eine positive Konstante ist; also folgt
F{X{t), Y{x), kXXt), hY\T))-=lF{X{x), Y{x), X\t), Y\r)). ^
Aber indem wir, der Forderung y) entsprechend, die Kurve (S;
und den Parameter r passend wählen, können wir die vier Größen:
X(t), Y(t), X'(t), Y'(t) jedes vorgeschriebene dem Bereich % an-
gehörige Wertsystem annehmen lassen, und daher muß die Relation
F(x, y, Ix, ky) = hF(x, y, x, y') (9)
identisch erfüllt sein, für jedes Wertsystem x,y,x',y, im Bereich '^
und für jedes positive h, oder wie wir sagen wollen: Die Funktion
F{x,yyX,y) muß in x\y positiv-homogen^) und, von der Dimen-
sion 1 sein.
Umgekehrt, wenn diese Bedingung erfüllt ist, so gilt (8), da wir
X(t) > 0 voraussetzen und daraus folgt rückwärts die Gleichung:
^) Man muß sich hüten, diese beschränkte Homogeneität mit der ge-
wöhnlichen Homogeneität rationaler Funktionen zu verwechseln, bei welcher die
Homogeneitätsrelation für positive und negative Werte von k gilt. So sind
z. B. die Funktionen
positiv-homogen, a))er nicht homogen im gewöhnlichen Sinn.
§ 25. Formulierung der Aufgabe. 195
(7) = (7a). Wir haben also den folgenden von Weierstrass her-
rührenden
Sats'^): Die notwendige und hinreichende Bedingung dafür y
daß der Wert des Integrals der FunJdion F{x, y, x, y) entlang einer
Kurve von der Wald des Parameters unabhängig ist^ besteht darin,
daß F in hezug auf x und y positiv-homogen von der Dimension 1 ist
Wir werden in der Folge stets voraussetzen, daß die Funktion
F(Xy y, X, y) die Homogeneitätsbedingung (9) erfüllt, und wir werden
das Integral t^
fF{x{t), y(ß), x\t), y'{t))dt
h
je nach Bedarf mit J^(^F^P^, oder auch kürzer mit J{i oder J^^ be-
zeichnen. Allgemeiner soll J{g{P^F^ das Integral J, genommen ent-
lang einem Bogen P3P4 der Kurve S, bezeichnen.
Will man die Richtung der Integration umkehren^), so muß
man zuerst einen neuen Parameter einführen, welcher wächst, wenn
die Kurve vom Punkt F^ bis zum Punkt F^ durchlaufen wird,
z. B.^) : u = ~ t. Die Gleichungen
ß~^: x -= x{— u) j y =^ y(— u) , %^w^«2,
wo:
u^ = fg , U2 = t^ y
stellen dieselbe Gesamtheit von Punkten dar wie (1), aber der Sinn
ist entgegengesetzt.
Das Integral von F entlang der Kurve S~^ hat den Wert
= I F(x(— u), y(— u), — x(— u), — y{— u)) du
=fF{x{t), y{t), - x\t), - y'it)) dt .
^) Weierstrass, Vorlesungen^ vgl. auch Kneser, Lehrbuch, § 3. Die Ver-
allgemeinerung des Satzes für den Fall, wo F höhere Ableitungen von x und y
enthält, ist von Zermelo gegeben worden. {Dissertation, p. 2 — 23); für den Fall
von Doppelintegralen von Kobb, Acta Mathematica, Bd. XVI (1892), p. 67.
*) Vgl. Kneser, Lehrbuch, p. 9.
^) Dies ist natürlich keine eigentliche „Parametertransformation" und dem-
entsprechend haben wir die Kurve ©~^ als von ^ verschieden zu betrachten.
13*
196 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sclie Theorie.
Wenn die Relation (9) auch für negative Werte von /.• gültig
bleibt (was z. B. eintritt, wenn F eine rationale Funktion von x\ y
ist) so ist
F[x, y, - x\ ~y) = - F{x, y, x, y),
und daher: Jgi = ~ '^2-
Ein hierher gehöriges Beispiel ist das Integral für den Inhalt der
von einer geschlossenen Kurve begrenzten Fläche:
u
J == \ j {ooy' — yx) dt .
Die Relation (9) braucht aber für negative Werte von k nicht
zu gelten; wenn insbesondere für negative Werte von Ic statt dessen
die Relation
F{x, y, kx, hy) = - hF{x, y, x, y)
gilt, wie z. B. bei dem Integral für die Bogenlänge, so ist: J^^ = J^^.
Beides sind jedoch nur spezielle Fälle, und im allgemeinen läßt
sich keine einfache Beziehung zwischen Jgi ^^^ 'As aufstellen.
c) Relationen ^) zwischen den partiellen Ableitungen der Funktion
F{x,y,x\yy,
Differentiiert man (9) nach k und setzt dann k = 1, so kommt,
wie bei gewöhnlichen homogenen Funktionen,
x'F^. + yF^, = F. (10)
Hieraus folgt durch Differentiation nach x und y
K = *•' j;.. + yi\j'. . F,^ = ^'i\ + y'F,.„ , (11)
und durch Differentiation nach x' und y'
^'F,'.- + y F,,.,. = 0 , x'F,.^ + y'F^.. = 0 ; (IIa)
und hieraus, wenn x und y' nicht gleichzeitig null sind,
F.,^ ■■ F..,. : J;.,. = in ■ - x'ff : x'^ ; (12)
daher existiert eine Funktion F^ von x, iy, x^ y derart, daß
F^... = y'F„ F^.„^-xyF„ F,^,^. = x'^F,. (12a)
Die so definierte Funktion F^ ist nach unseren Annahmen über F
von der Klasse C im Bereich %, selbt wenn eine der beiden Vari-
^) Nach Weibbsteass, VorUaungen.
§ 25. Formuliemng der Aufgabe. 197
abeln x\ y null ist: dagegen wird F^ im allgemeinen unendlich oder
unbestimmt^ wenn gleichzeitig x = 0, «/' = 0 und zwar selbst dann^
wenn F selbst für {x\ y) = (0^ 0) endlich und stetig bleibt; so
z. B. für
F=^yVx'^'Y^, wo i^= ^
Wir bemerken noch, daß aus (9) durch Differentiation nach x und y,
bzw. x' und y die weiteren Homogeneitätsrelationen folgen:
F^{x, y, hx, ky) = hF^{x, y, x, y' ) , Fy(x, y, hx\ ky ) = kFy{x, y, x, y'),'
F^,(x, y, kx\ ky) = F^^(x, y, x, y) , Fy,(x, y, kx, ky) = Fy,{x, y, x, y) ,
F^{x, y, kx, ky) == k~^F^ (x, y, x\ y'),
für
/.•>0
d) Definition des Minimums:^)
Die Definition des Minimums gestaltet sich nun ganz ähnlich
wie im § ,% nur daß jetzt alle Kurven in Parameterdarstellung voraus-
gesetzt werden; außerdem wollen wir den Begrift der zulässigen
Kurven noch dadurch erweitern, daß wir auch Kurven mit einer end-
lichen Anzahl von „Ecken" zulassen,^)
^) Im wesentlichen nach Weierstrass, Vorlesungen, 1879; vgl. auch Zermelo,
Uis^ertation, p. 25 — 29, und Kneser, Lehrbuch, § 17.
') Für eine Kurve mit einer endlichen Anzahl von Ecken von den unter a)
■charakterisierten Eigenschaften hat das Integral J zunächst überhaupt keine
Bedeutung, da die Funktionen x\ y' und daher auch F{x^ y, x\ y') in den Ecken
nicht definiert sind. Legt man aber der Funktion J^ in den Ecken, die den
Parameterwerten i = c^, Cg, . . ., c„ entsprechen mögen, beliebige endliche Werte
bei, so erhält das Integral für die so modifizierte Funktion nach A V 2 einen
bestimmten endlichen Wert, und dieser Wert ist nach A V 3 von der Wahl der
Werte von F in den Punkten c^ unabhängig und daher die naturgemäße
Definition für das Integral J entlang der betrachteten Kui-ve. Es folgt dann
nach bekannten Sätzen über bestimmte Integrale, daß
v: + i
-0
J^^JFix, y, x\ y')dt, (c^ == t^, c„^^ = t^) ,
/ = 0 Cf+O
wobei die Bezeichnung andeuten soll, daß man bei der Berechnung des Inte-
grals für das Intervall [c-c^^i] den Funktionen x\ y' in c. die Werte a;'(C; + 0),
t/'(c. 4-0), in c.^j die Werte x\c.^^ — Qi), y\c.^^ —0) beilegt.
198 FüDftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
Es seien also zwei Punkte P^ und Pg im Bereich Ö\ gegeben;
wir betrachten als „zulässige Kurven" die Gesamtheit 9TL aller „ge-
wöhnlichen^) Kurven"^ welche in 6{ von Pj nach Pg gezogen werden
können. Dann sagen wir eine zulässige Kurve ^ liefert ein Minimum ^)
für das Integral
J'=JF{x,ij,x,ij)dt,
\
wenn eine „Umgebung" :^l von S existiert, derart, daß
*^(£ < '^e
für jede zulässige Kurve S, welche in 91 von Pj nach Pg gezogen
werden kann.
Dabei soll unter einer Umgebung äl einer ebenen Kurve (£
wieder jeder ebene Bereich^) verstanden werden, welcher die Kurve (S
ganz in seinem Innern enthält, so daß also jeder Punkt von S ein
„innerer^) Punkt" von äl ist.
e) Vergleichung der Methode der Parameterdarstellung mit der
früheren Methode:
Man ist leicht geneigt, die ältere Methode, bei welcher x als unabhängige
Variable gebraucht wird, im Vergleich zur Weierstraß'schen Methode der
Parameterdarstellung für veraltet und unvollkommen zu halten. Jedoch mit
Unrecht: Vielmehr haben es die beiden Methoden mit zwei verschiedeneu Aut-
gaben zu tun, und welche von beiden den Vorzug verdient, hängt in jedem
einzelnen Fall von der speziellen Natur des vorliegenden Problems ab.
Im allgemeinen kann man sagen, daß für (leometrische Aufgaben die Me-
thode der Parameterdarstellung nicht nur vorzuziehen ist, sondern überhaupt die'
einzige ist, welche eine vollständige Lösung der Aufgabe liefert.^) Handelt es
sich dagegen darum, eine Funktion zu bestimmen, welche ein Integral zu einem
Extremum macht, so hat man die ältere Methode anzuwenden.
1) Vgl. § 25, &). Eine Ausdehnung der Aufgabe auf eine allgemeinere
Klanse von Kurven wird in § 35 betrachtet werden.
-) Genauer „starkes, relatives" Minimum; wir werden es fast ausschließlich
mit diesem zu tun haben. Die Unterscheidung zwischen „eigenthchem^' und
„uneigentlichem" Minimum ist dann wieder ganz so wie p. 18 definiert.
») Wegen der Definition von „Bereich" und „Inneres" vgl. A I 7 und 9.
Man beachte, daß wir zwischen Umgebung und Nachbarschaft einer Kurve
unterscheiden, vgl. § 3, b).
*) Es sei denn, daß man die auf p. 205, Fußnote auseinandergesetzte
Methode anwenden will, bei welcher man jedoch die gegebene Aufgube durch
eine Aufgabe von weit komplizierterem Typus ersetzt. Vg]. auch die Übungs-
aufgaben Nr. 35 — 40 auf pp. 149 — 151.
§ 25. Formulierung der Aufgabe. 199
Dieselbe Unterscheidung gilt auch für Aufgaben yon allgemeinerem Typus.
So sind z. B. das Hamilton'sche Prinzip und das Prinzip der kleinsten Aktion
in der ersten (Lagrange'schen) Form Funktionenprobleme, weil hier die
Koordinaten der Punkte des Systems als Funktionen einer ganz bestimmten un-
abhängigen Variabein, nämlich der Zeit, gesucht werden. Dagegen ist das
Prinzip der kleinsten Aktion in der zweiten (Jacobi'schen) Form, bei welcher
die Zeit eliminiert ist und nur die Bahnen bestimmt werden, ein Kurve n-
problem (vgl. Kap. XI).
Betrachtet man die Aufgabe das Integral
'2
zu einem Minimum zn machen, einmal in Beziehung auf eine gewisse Menge 9TL
von zulässigen Kurven, das andere Mal in Beziehung auf eine andere Menge 9L,
so sind dies zwei ganz verschiedene Aufgaben, und man muß im allgemeinen
erwarten, daß auch ihre Lösungen verschieden sind.
"Wir wählen nun für 2TI die Gesamtheit aller Kurven der Klasse C, welche
im Bereich tH vom Punkt P^ nach dem Punkt P^ gezogen werden können, und
für 91 die Gesamtheit derjenigen Kurven von 9TI, für welche Ijeständig
x\t) > 0 . (14)
Für jede Kurve von 91 können wir dann x als Parameter einführen, und er-
balten die Kurve in der Form
wo y{x) eine Funktion der Klasse C ist, während das Integral / übergeht in
wenn wir die Funktion f(x, y,p) durch
f{x,y,p)^F(x,y,l,p) (15)
definieren. Die zweite Aufgabe ist aber identisch mit dem Problem, das wir
in den drei ersten Kapiteln behandelt haben.
So gehört also zu jedem „i-Problem", wie wir sagen wollen, ein ent-
sprechendes „ic-Problem", das durch Hinzufügung der Bedingung (14) daraus
hervorgeht. Ebenso kann man rückwärts von einem gegebenen „a^-Problem" zu
dem entsprechenden „^-Problem'' übergehen, indem man
X
setzt und demnach
F{x, y, x\ y') = f(x, y, -|>j x (15a)
200 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie,
definiert, wobei es freilich vorkommen kann, daß die Funktion F nicht allen
von uns vorausgesetzten Bedingungen genügt.
Aus (15 a) folgen die Relationen
^l-=.'8
(16)
Da die Menge 91 in der Menge 911 enthalten ist, so folgt, daß jede
Lösung des ^Problems, welche überdies der Bedingung (14) genügt, a fortiori
auch eine Lösung des a;-Problems liefert. Das /-Problem kann aber auch
Lösungen besitzen, welche die Bedingung (14) nicht erfüllen, und welche daher
keine Lösungen des rc-Problems sind. Ein Beispiel dieser Art ist die bekannte
„diskontinuierliche Lösung'' beim Problem der Rotationsfläche kleinsten Inhalts
(vgl. § 52).
Es kann aber auch umgekehrt das .r-Problem Lösungen besitzen, welche
nicht zugleich Lösungen für das ^Problem sind. Ein einfaches Beispiel ^) dieser
Art liefert die Aufgabe, das Integral
X,
zu einem Minimum zu machen, wobei die Endpunkte 1\ und I'^ die Koordinaten:
(ajj, 2/i) = (0, 0), (iCj, 2/2) = (l, 1) haben sollen. Dann liefert die Gerade P^P.:
y==x ein starkes Minimum für das Integral und zwar ist der Minimalwert
J=4-l. Denn ersetzt man y durch y-{-o], wo w irgend eine Funktion der
Klasse r' ist, welche in beiden Endpunkten verschwindet, so ist
1 1
also A«/> 0.
Dagegen liefert dieselbe Gerade P^ P. für das entsprechende f-Problem, wo
U
kein Minimum. Denn man kann in jeder noch so kleinen Umgebung von P^ P,
die beiden Punkte P^ und P^ durch eine Zickzacklinie verbinden, welche ab-
wechselnd aus geradlinigen Stücken vom Gefälle 0 und — 1 besteht. Für eine
solche Zickzacklinie wird aber offenbar das Integral Jncgativ, also sicher kleiner als 1.
Die betrachtete Zickzacklinie ist für das /-Problem eine zulässige Variation,
nicht aber für das .-r-Problem.
') Dasselbe rührt von Bromwich her, vgl. Mathematical Gazette,
Bd. III (1905), p. 179. Ein anderes Beispiel dieser Art ist unser Beispiel X,
p. 113, in dem Fall, wo ?/? > 0, oder w< -1; man benutze dieselbe Zickzack-
linie wie im Text.
§ 26. Die Differentialgleichung des Problems. 201
Das eben behandelte Beispiel ist nur ein spezieller Fall eines allgemeinen,
Yon Weierstrass herrührenden Satzes (vgl. § 30, b)), wonach das Integral
-^
/ F{x, y, x\ y") d t
h
Überhaupt kein Extremum besitzt, wenn F{x^ y, x\ y) eine rationale Funktion
von x\ y' ist, während das entsprechende ^-Problem sehr wohl eine Lösung be-
sitzen kann.
Schließlich sei noch bemerkt, daß man in allen Fällen, wo es sich nur um
die Untersuchung einer Kurve der Klasse C in der Umgebung eines
einzelnen Punktes handelt, die Kurve ohne Beschränkung der Allgemeinheit
stets in der Form: y -.^yix) annehmen darf, da man stets durch Drehung des
Koordinatensystems erreichen kann, daß in der Umgebung des betreffenden
Punktes x ^ 0.
§ 26. Die Differentialgleichung des Problems.
Das Verfahren zur Aufstellung notwendiger Bedingungen für ein
Extremum ist zunächst ganz analog wie in § 4; wir werden daher
nur diejenigen Punkte ausführlicli erörtern^ in welchen die Behandlung
in Parameterdarstellung charakteristische Eigentümlichkeiten aufweist.
a) Die Weierstraß'sche Form der Eul er 'sehen Differential-
gleichung:
Wir nehmen an, wir hätten eine Kurve (^ gefunden, welche das
Integral J zu einem Minimum macht. Wir setzen fürs erste ^) voraus,
die Kurve (^ sei von der Klasse C und liege ganz im Innern des
Bereiches ^. Sie sei durch irgend einen zulässigen Parameter aus-
gedrückt in der Form
ß: x==x{t), y^y{t), ti<t<h,
wobei wir darauf aufmerksam machen, daß jetzt die Endwerte t-^j t^
unbekannt sind. W^ir ersetzen die Kurve S durch eine benachbarte
Kurve von der speziellen Form
S: X ^ x{i) + siit) , y=y(t) + sri(t), t,^t<:t,, (17 j
wo 8 eine kleine Konstante ist und ^(t), ri(t) Funktionen von t von
der Klasse^) 7)' sind, welche in t^ und ^g verschwinden, sonst aber
willkürlich sind. Wir schließen dann ganz wie in § 4, daß
dJ=Ö, d'J^O
sein muß, wo wieder
^) Wir werden uns von diesen Beschränkungen in Kap. VIII befreien,
-) Ygl. die Definition § 10, c). Die Zulassung von Vergleichskurven mit „Ecken''
macht nur ganz unwesentliche Modifikationen der früheren Schlußweise nötig.
202 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
Im gegenwärtigen Fall ist
dJ = sf'iF.l + F^n + FJ + FX) dt . (18)
Indem wir einmal spezielle^) Variationen betrachten, für welche
Yf = 0, das andere Mal solche, für welche | = 0, erhalten wir das
Resultat, daß einzeln
/(Vj + J'^.r) dt = 0, f[F,p-t + F,X) dt = 0 (19)
sein muß.
Auf diese beiden Gleichungen können wir jetzt die Methode von
§ 5, c) anwenden, und erhalten so den Satz, daß die beiden Funk-
tionen X and y den beiden Differentialgleichungen
F^-;;^F^.= 0, F,-I^F,^() (20)
geniigen müssen^ was zugleich die Existenz der Ableitungen dF^jdtj.
dF,,/dt involviert. Die beiden Differentialgleichungen (20) sind jedoch
nicht voneinander unabhängig 2) , wie sich schon a priori erwarten läßt,
da dieselbe Kurve unendlich viele Parameterdarstellungen zuläßt. In
der Tat, führt man die in (20) angedeuteten Differentiationen^; aus,
Sind q, c'ä, . ■ ., ^'«-1, die Unstetigkeitspunkte von |', ?/, so zerlegt man das
Integral J in eine Summe von Integralen zwischen den Grenzen t^ q , c^ c^ , . . .
und führt die Differentiation nach g, welche dJ und 8^J liefert, sowie die wei-
teren Cmformungen an den einzelnen Summanden aus. Die vom Integralzeichen
freien Glieder, welche dabei auftreten, heben sich weg, w^l die Funktionen x\ y
und 'g^i] als stetig vorausgesetzt werden.
1) Was gestattet ist, so lange es sich um die Ableitung von notwendigen
Bedingungen handelt.
*; Schon Hamilton hat bemerkt, — und zwar für das entsprechende Problem
im Raum — , daß aus der Homogeneität der Funktion F folgt, daß die Diffe-
rentialgleichungen (20) nicht voneinander unabhängig sind. (Transactions
of the Irish Academy, Bd. XVII, p. 6.)
2) Der Hilbert'sche Satz (§ 5, d)) über die Existenz der zweiten Ableitungen,.
welche dabei vorausgesetzt wird, ist dahin zu modifizieren ; der Parameter t läßt
sich stets so wählen, daß die zweiten Ableitungen x", y" existieren und stetig sind
in alle}! denjenigen Punkten der Kuive, in welchen
F,(x(t), y{t), x{t, y\t))^0. (21)
§ 26. Die Dilferentialgleichung des Problems. 203
und macht dabei von den Relationen (11) und (12 n) Gebrauch^ so
erhält man die Identitäten
F^-lF^.^y'T, F^-^J,^-^T, (23)
WO
l\x, r, «;/; X", y")^F,^.^F^,.+ F,{x'y"-x"y). (23a)
Da X und y nicht gleichzeitig verschwinden, so sind die beiden
Differentialgleichungen (20) äquivalent mit der einen Differentialgleichung
Ky - F,^.' + F, (xy" - x'y) = 0 . (I)
Dies ist die Weierstraß'sche^) Form der Euler'schen Differen-
tialgleichung. Ihr muß jede Kurve ^ welche das Integral J zu einem
Extremum macht, genügen. Jede den beiden Differentialgleichungen
(20) genügende Kurve soll nach KjsESER wieder ein Extremale heißen.
Führt man die Krümmung - der Kurve ein, so kann man nach
(6) die Differentialgleichnng (I) auch schreiben:
■^ _ Ex'y— Fy'x /OQU\
Die Krümmung bleibt invariant unter jeder Parametertransforma-
tion, ebenso die rechte Seite von (23 h), wie man sich leicht mittels
der Formeln (9) und (13) überzeugt.
Aus den Formeln (23) leitet Weierstrass eine wichtige Um-
formung der ersten Variation ab. Formt man in dem Ausdruck (18)
Dies findet z. B. statt, wenn man für t die Bogenlänge wählt, was sich ana-
lytisch dadurch ausdrückt, daß man den Differentialgleichungen (20) die weitere
hinzufügt:
x"' + y'^=l. . (22)
Ist in dem Punkt, für welchen man die Existenz von x'\ y" beweisen will,
2/' =i= 0 — , x und y' sind nicht beide null, — so leitet man, indem man ganz
analog wie im § o, d) verfährt, aus den beiden aus ^(20) und (22) folgenden
Gleichungen
Ausdrücke für die Differenzenquotienten
Ax' Ay
At' At
her, an denen man dann den Grenzübergang mit dem oben angegebenen Resultat
ausführen kann.
^) Weiekstuas.s, Vorlesungen.
204 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
für öJ die beiden letzten Glieder durch partielle Integration um und
macht Yon den Gleichungen (23) Gebrauch/ so erhält man
ÖJ= e {[|F,,+ >.fJ -^fTtvdt], (18a)
wobei
w = tjl — X )]
gesetzt ist.
Die Umformung setzt die Existenz und Stetigkeit von x", y"
voraus.
Die Differentialgleichung (1), zusammen mit geeigneten Anfangs-
bedingungen, bestimmt im allgemeinen zwar die Kurve ^), aber nicht
die Funktionen x{t) und y{f), solange der Parameter t unbestimmt
gelassen wird. Erst nachdem man eine Festsetzung über die Wahl
des Parameters getroffen hat, werden auch die Funktionen x(t) und
y{t) bestimmt. Eine solche Festsetzung bedeutet aber analytisch, daß
man zur Differentialgleichung (I) noch eine endliche Gleichung oder
eine Differentialgleichung zwischen x,y und t mit geeigneten Anfangs-
bedingungen hinzufügt; diese Zusatzgleichung ist nur der einen Be-
dingung unterworfen, daß die Funktionen x(t) und y{t) sich schließlich
als "eindeutige Funktionen der Klasse C ergeben müssen. Die beste
Wahl des Parameters hängt von der speziellen Natur der vorgelegten
Aufgabe ab. Für Untersuchimgen allgemeiner Natur ist es meist am
vorteilhaftesten, die Bogenlänge als Parameter zu wählen, was mit
der Zusatzgleichung (22) identisch ist.-)
1) Vgl o-enaueres hierüber in 5^ 27, a). Der hier scheinbar vorUegende Wider-
spruch löst sich dadurch, daß dieselbe Ku^^'e durch Transformation des Para-
meters in unendlich vielen Formen dargestellt werden kann, vgl. § 25, a).
») 13ei dem Übergang zu einem speziellen Parameter hat man sich vor
«inem naheliegenden Fehler zu hüten: Trifft man über den Parameter t für die
gesuchte Kurve © eine bestimmte Wahl, die mit der Adjunktion der Relation
G[t,x, y.x,y') = 0 (22a)
gleichbedeutend sein möge, so kann es kommen, daß die Funktion F{x, y, x y)
sich auf Grund von (22a) auf eine Form F'^x, y, x\ y) reduzieren läßt, welche
der Homogeneitätsbedingung (9) nicht mehr genügt. Wir können dann das
Integral J^^ in der doppelten Form schreiben
j^ _ I F{x, y, x\ y) dt = / /''^.^^ 2/, cc\ y') dt.
Wenn wir nun zu einer benaclibarten Kurve ^ übergehen, indem wir x, y durch
5 = ^_|_,|, y = y + 8n ersetzen, wobei |, tj beliebige Funktionen von t von
§ 26. Die Differentialgleichung des Problems. 205
Nachdem man eine bestimmte Wahl über den Parameter t ge-
troifen hat, erhält man die allgemeine Lösung in Form eines Paares
der Klasse B' sind, welche für t =--=■ t^ und t =- t^ verschwinden, so wird im all-
gemeinen der Parameter t für ß nicht mehr dieselbe Bedeutung haben, wie für
®, d. h. x,T/ werden im allgemeinen nicht mehr der Relation (22a) genügen,^
also wird sich auch für die Kurve (£ die Funktion i^ nicht mehr auf die Form F^
reduzieren lassen. Daher müssen wir schreiben
J^ ^J Fix, y, x\ y')dt
und dürfen nicht schreiben
J^=-fF\x,Tf,x\y)dt.
Daraus folgt, daß auch in ^/ und daher schließlich in den Dilferentialglei-
chungen (20) und (I) die Funktion F und nicht F^ gebraucht werden muß.
Erst jetzt, in den fertigen Differentialgleichungen, darf man die aus der Ädjunk-
tion von (22 a) sich ergebenden Reduktionen vornehmen.
So führt z. B. die Aufgabe das Integral
J= / y-\/x'^-\-y'^^dt
zu einem Minimum zu machen, wenn mau den Bogen s als unabhängige Variable
einführt, auf das Integral
'/,
(5- j yds.
Wollte man hier unter Yernachlässigung der obigen Warnung, mechanisch
die früheren Regeln auf das reduzierte Integral anwenden, so würde man für
die Differentialgleichung (I) das falsche Resultat 1 = 0 erhalten.
Es gibt allerdings noch eine zweite Methode, die Aufgabe zu behandeln:
sie besteht darin, daß man nicht nur für die gesuchte Kurve, sondern gleich-
zeitig für sämtliche zulässigen Kurven den Parameter t in derselben Weise spe-
zialisiert, d. h. den sämtlichen zulässigen Kurven die Nebenbedingung (22 a) auf-
erlegt. Dann sind aber die Funktionen ^, r] nicht mehr willkürlich, und man
hat es mit einem ganz anderen, und zwar viel komplizierteren Typus von Auf-
gaben zu tun (\g\. Kap. XI).
Das obige Beispiel würde in der neuen Formulierung lauten: Unter allen
Funktionenpaaren oc^ y, welche der Nebenbedingung
genügen, dasjenige zu finden, welches das Integral
J = I yds
zu einem Minimum macht. 'i
(Vgl. LiNDELÖF-MoiGNo, L&jons^ Nr. 116 — 120.)
206
Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
(25)
von Funktiorjen von /, welche zwei Integrationskonstanten ^) enthalten:
x = f{t,oc,ß), y = gif,u,ß). (24)
Die Konstanten a, ß zusammen mit den beiden unbekannten End-
werten tj^, t^ sind aus der Bedingung zu bestimmen^ daß die Kurve
durch die beiden gegebenen Punkte gehen soll:
^2 = fi^y ^1 ß) y ?/2 = 9{hi CCy ß)
Die vorangehenden Bemerkungen über die Integration der Diffe-
rentialgleichung (I) werden durch die nachfolgenden Beispiele noch
weiter erläutert werden. Wir bemerken dazu noch^ daß es häufig
vorteilhafter ist, statt der Differentialgleichung (I) eine der beiden
Differentialgleichungen (20) zu benutzen, besonders wenn die Funk-
tion F eine der beiden Yariabeln x oder y nicht enthält. Nur muß
man sich daran erinnern, daß jede dieser Differentialgleichungen nach
(23) eine fremde Lösung enthält (die erste /==0, die zweite x = 0),
und daß erst die Kombination beider mit (I) äquivalent ist.
Beispiel XIV: Das Integral
/= f[\{xi/-yx)- RVx^
]df
zu einem Maximum zu machen
Fig. u.
Dabei ist E eine positive Konstante.
Für den Bereich 51 können wir die
ganze x^ i/- Ebene wählen.
Man findet
F, = -
B
(V^-4-V^O'
(26)
und daraus für die Euler'sche Diffe
rentialgleichung :
.X y — y X
{Vx'Ty^y
(I)
und gleich
Die Krümmung ist also konstant
1
B
Daraus folgt, daß die
Extremalen Kreise mit dem Radius B
sind, die in positivem Sinn beschrieben
werden, d. h. so daß der Mittelpunkt zur Linken liegt. Wir haben also hier
^) Näheres hierüber folgt in § 27.
§ 26. Die Differentialgleichung des Problems. 207
£in Beispiel, ivo eine Extremale aufhört, Extremale zu sein, wenn sie in ent-
gegengesetztem Sinn durchlaufen ivird. ^)
Wir können das allgemeine Integral der Differentialgleichung (I) schreiben:
X =- cc -\- B cos t, y =- ß -{- li sin t. (27)
Durch die beiden gegebenen Punkte P^, P^ gibt es zwei, einen oder keinen
Kreisbogen der verlangten Art, je nachdem^)
E > ^ I P P
Im ersten Fall ist von den beiden Kreisbogen der eine P^ Pg P^ kleiner, der
andere P^P^P^ größer als ein Halbkreis.
b) Die BracMstochrone ^) :
Beispiel XV: Unter allen Kurven, tvelche in einer gegebenen vertikalen
Ebene zicischen zwei gegebenen Punkten P^ und P^ gezogen werden können, die-
jenige zu ß,nden, entlang welcher ein nur der Schwere unterworfener materieller
Punkt in der kürzesten Zeit von P^ nach P^ gelangt, wenn er den Punkt P^ mit
der gegebenen Anfangsgeschwindigkeit v^ verläfH.
Wir wählen die vertikale Ebene zur x^ i/" Ebene eines rechtwinkligen
Koordinatensystems und nehmen die positive ^/-Achse vertikal nach unten. Be-
zeichnet dann g die Konstante der Schwerkraft und wird von Reibung und
Widerstand des Mediums abgesehen, so hat man nach den Elementen der
Mechanik das Integral
h
j= rV^^y' dt
ZU einem Minimum zu machen, wo
Die zulässigen Kurven sollen von der Klasse C sein; sie müssen auf den Bereich
^ : ?/ - 2/i 4- ^' > 0
beschränkt werden, da sonst der Integrand unendlich oder imaginär werden würde.
Da F^^ 0, so erhalten wir nach (20) sofort ein erstes Integral
x'
(28)
Ist a = 0, so erhalten wir: x = konst. und dies ist in der Tat die Lösung der
Aufgabe, wenn die beiden Punkte P^ und P^ in derselben Vertikalen liegen.
») Vgl. § 25, b).
^) Den Abstand zweier Punkte A und B bezeichnen wir stets mit \AB\.
') Vgl. LiNDELÖF - MoiGNO, loc. cit., Nr. 112; Pascal, loc. cit., § 31; Kneser,
Lehrbuch, p. 37.
208 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
Ist a =4= 0 , so wählen wir für den Parameter t den Tangentenwinkel der
Kurve; das ist gleichbedeutend mit der „Zusatzgleichung":
x'
^ ^„^____ = cos ^, (29)
welche (28) auf
2/ — 2/i + ^" = « (1 + cos 2*) (30)
reduziert, wo zur Abkürzung
1
2a-
gesetzt ist.
Aus (30) folgt durch Differentiation
2/' == — 2 a sin 2 1
und durch Einsetzen dieses Wertes in (29),
oj' = + 4« cos* t.
Machen wir schließlich die Substitution
2< = r — TT,
80 erhalten wir das Resultat:
y — Vi + f^'= a (1 — cos t) , J
wobei ß die zweite Integrationskonstante ist. J)ie Extremahn sind also Zykloiden ^),
die durch einen Kjreis vom Radius a erzeugt werden, der auf der Geraden
2/ — 2/i + ^ = 0 rollt.
Unter dieser doppelt unendlichen Schar von Zykloiden gibt es eine und
nur eine*), welche durch die beiden gegebenen Punkte Pj und P« geht und
^) Schon von Johann Bernoulli (1696) gefunden, siehe Ostwald's Klassiker etc.,
!Nr. 46, p. 3. Vgl. auch Cantor, Geschichte der Mathematik, Bd. TU, pp. 225
bis 228.
*) Für den speziellen Fall, wo v^ = 0, hat schon .Iomann Bkkxoulli (1696)
einen geometrischen Beweis gegeben (loc. cit.); derselbe ist von H. A. Schwarz
auf den allgemeinen Fall ausgedehnt worden (siehe Hancock, Lectiirrs, Nr. 105).
Rein analytische Beweise geben Heffter, „Zu7n Problem der Brachistochrone" ,
Zeitschrift für Mathematik und Physik, Bd. XXXIV (1889) und Bolza,
,,The Determination of the Constants in the Problem of the Brachistochrone'' ,
Bulletin of the American Mathematical Society (2), Bd. X (1904), p. 185.
E. H. Moore hat gezeigt, daß der betreffende Satz ein spezieller Fall eines
allgemeinen Satzes über eine gewisse Klasse von Kurvenbogen ist (^,0n Boubly
Infinite Systems of directly Similar Ärches ivitJi common Base Line",
Bulletin of the American Mathematical Society (2), Bd. X (1904),
p. 337.
§ 26. Die Differentialgleichung des Problems. 209
keine Spitze i) zwischen 1\ und 1\ besitzt, vorausgesetzt, daß die Koordinaten
der beiden gegebenen Punkte den Ungleichungen genügen
^2 4= ^1 , 2/2 — 2/1 + ^50. (32)
c) Die Geodätischen Linien^):
Beispiel XVI: Die kürzeste Linie zu bestimmen, welche auf einer gegebenen
Fläche ziüischen zicei gegebenen Punkten Q^ und Q^ gezogen werden kann.
Sind die rechtwinkligen Koordinaten x,y,z eines Punktes der Fläche als
Funktionen zweier Parameter u, v gegeben, und werden die Kurven auf der
Fläche mittels eines Parameters dargestellt
u = u{t), v = v{t), (33)
so ist unsere Aufgabe gleichbedeutend damit, das Integral
h
J"=y|/E^'«+ 2Fuv'-\- Gv'^'^dt (34)
^1
zu einem Minimum zu machen, wobei
E=^V, F=^^^^^,^, G=^V.
und die Summation sich auf eine zyklische 7ertauschung der Buchstaben x,y, z
bezieht.
Die zulässigen Kurven (33) in der u, -y-Ebene sollen „gewöhnliche^' Kurven
sein; sie müssen auf einen Bereich 31 der w, -y-Ebene beschränkt werden, wel-
cher die Eigenschaft hat, mit seinem Bild STl auf der Fläche in ein-eindeutiger
Beziehung zu stehen. Sind P,{u,,v,) und P,{u,, v,) die den beiden gegebenen
Punkten Q^ und Q^ entsprechenden Punkte der u, v- Ebene, so müssen die zu-
lässigen Kurven die beiden Punkte P, und P, verbinden. Wir setzen ferner
voraus, daß die Funktionen E, F, G in 01 von der Klasse C" sind, und daß das
Flächenstück 9TI frei von singulären Punkten ist, d. h. daß die drei Determinanten
^ = y.A- -'uV.^ S = z^x^ ~ x^z^ , C = x^y^ - y^x^
nicht gleichzeitig verschwinden, was wegen der Identität
EG — F^= A^+ B^-{- C
mit der einen Bedingung
'6 ■ ^ .- . EG-F^>0 (35)
äquivalent ist. ^
^) H. A. Schwarz hat in Vorlesungen bewiesen, daß ein Zjkloidenbogen,
welcher eine Spitze enthält, niemals ein Minimum für das Integral J liefern
kann, vgl. Hancock, Lcctures, Nr. 104.
^) Die Aufgabe geht ebenfalls auf Johann Bernoulli zurück (1697); vgl.
Cantor, Geschichte der Mathematik, Bd. III, pp. 232—235.
Bolza, Variationsrechnung. ^a
210 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
a) Wir benutzen zunächst die Weierstraß'sclie Form (1) der Euler' sehen
Differentialgleichung und bezeichnen allgemein mit ^(F) den Differentialausdruck
$(F) = F^,, - I^;.^, + F, i^xy" - x"y') .
r>ann ergibt eine einfache Rechnung
$ {yEu''^f¥fu'ir+'Qv' 0 = 7-- r--; -^w=^. > \s ' ^^<^)
r = (EG — F") {u'v" — ii"v) I
+ (Em + FO [(F, - \ E^>'^+ G.^''^' + i G.^'^J (37)
- l¥u' + Gv) [l E^u'\-\- E^uv' + (F, - ^ G,,) y'^ • J
Die Extremalen genügen daher der Differentialgleichung^)
r = 0 . (38)
Diese Differentialgleichung besitzt eine einfache geometrische Bedeutung; die
geodätische Krümmung Kg der Kurve (33) im Punkt t wird durch den Ausdruck
(39)
^ l/EG -F^'^ iVEu' + 2 ¥u'v' + G"?^)'
gegeben. ^)
Daher hat die kürzeste Linie die charakteristische Eigenschaft, daß ihre geo-
dätische Krümmung beständig mdV) ist, d. h. sie ist eine geodätische Linie nach
einer der verschiedenen Definitionen^) dieser Kurven.
Nebenbei bemerken wir die Relation
<P (l/Ei^'*'~-f 2 FuV +1B«>'^ 0 = KgVEG^" P"' , (40)
die uns später von Nutzen sein wird.
1) Daß (38) die Differentialgleichung der geodätischen Linien ist, könnte-
man direkt aus den Lehrbüchern über Differentialgeometrie entnehmen, z. B.
Knoblauch, Flächentheorie, p. 140; Bianchi-Lukat, Differentialgeometrie, p. 154;
Darboix, Theorie des Surfaces, Bd. II, p. 403; Scheffkus, Theorie der Flächen,
p. 407.
-) Vgl. z. B. ScHEFFKRs, Thcorie der Flächen, p. 482. Eine elementare Ab-
leitung dieser Formel findet man bei Bolza, „Concerning the IsoperimHric Problem
an a Given Surface", Decennial Publications of the University of
Chicago, Bd. IX, p. 13.
') Eine elegante Ableitung dieses Resultates gibt Bromwich (Bulletin of
the American Mathematical Society, Bd. XI (1905), p. 547) mittels einer
Transformation der ersten Variation des Integrals
/
^) Vgl. Darboux, Theorie des Surfaees, Bd. II, Nr. 514.
§ 26. Die Differentialgleichung des Problems. 211
ß) Benutzen wir statt der Differentialgleichung (I) die beiden Differential-
gleichungen (20) und wählen überdies die Bogenlänge s der Kurve auf der Fläche
als Parameter, was mit der „Zusatzgleichung"
(duy- . ^_du dv , ^ fdvV'
gleichbedeutend ist, so erhalten wir für die Extremalen die folgenden beiden
Differentialgleichungen ^)
'dsV'ds^'^ ds)-^-[ds) ^^^-d^i^-^^-yTs)^
d /du , f.dv\ /duY dudv , ^ (dv\^ I ^^^^
Auch diese Differentialgleichungen haben eine einfache geometrische Be-
deutung: Aus der Definition von E, F, G folgt, daß
E^^j_r^_ '^ dx
ds '^^ ds~ ^""^Ts'
^du dv _ y dx
ds^ "^ ds~ ^"^^ ds '
Hieraus folgt durch Differentiation nach s:
ds [ ds "^ ~ds) ~~ jiLj ""^Ts^-
1 (d^V^r ^J^^ , 1_ p (dv\^
^ 2 ""Us/ "^ "'^ds ds "^ 2 ^'^\ds) '
und daher wegen (41)
ebenso findet man
also ist
NTT d-'x
.^iJ ^ ds^ '
d^x d^y d^z , ^ ^
d. h. aber geometrisch: In jedem PimJ:t der Kurve fällt die Hauptnormale der
Kurve mit der Flächenormale zusammen, was eine andere charakteristische Eigen-
schaft der geodätischen Linien ist. ")
^) Vgl- Knoblauch, loc. cit. p. 142; Bianchi, loc. cit. p. 153; Darboux, loc
cit. p. 405.
2) Hierzu die Übungsaufgaben, Nr. 1—6, 9, 10, 12, 14—18 am Ende
von Kap. V.
14*
212 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
§ 27. Anwendung der allgemeinen Existenztheoreme für Differential-
gleichungen auf die Theorie der Extremalen.^)
Bevor wir zur Betrachtung der zweiten Variation übergehen,
stellen wir in diesem Paragraphen die Resultate zusammen, die sich
aus den in §§ 23 und 24 mitgeteilten allgemeinen Existenztheoremen
für die Differentialgleichung der Extremalen ergeben.
a) Konstruktion einer Extremalen durch einen gegebenen Punkt
in gegebener Richtung:
Wir betrachten zunächst die Aufgabe, durch einen gegebenen
Punkt Po(^o? !/o)? ^^^ ^^^ ^^^^ voraussetzen, daß er im Innern des
Bereiches 6i liegt, in einer gegebenen Richtung von der Amplitude
6q — oder, wie wir kürzer sagen wollen, „durch das Linienelement
2q(Xq, y^, Oq)" — eine Extreraale zu ziehen.
Dazu ist es am bequemsten, die Bogenlänge 5, gemessen vom
Punkt Pq aus, als Parameter einzuführen. Man kann dies nach
Weierstrass^) in der Weise tun, daß man zur Differentialgleichung (I)
die Zusatzgleichung (22) hinzufügt, letztere differentiiert, und dann
das so erhaltene System von zwei Differentialgleichungen zweiter
Ordnung nach x\ y" auflöst, wodurch sich die Aufgabe auf die
Lösung eines Systems von vier Differentialgleichungen erster Ordnung
reduziert.
Einfacher ist es, nach dem Vorgang von Bliss^j den Tangenten-
winkel Q einzuführen. Macht man dann von den Formeln (4)
und (6) Gebrauch, so erhält man aus (23 b) das System dritter
Ordnung:
^) Der Leser wird gut tun, Absatz b) bis d) dieses Paragraphen zunächst
zu überschlagen und sofort zu § 28 überzugehen, da die betreffenden Resultate
erst später zur Anwendung kommen.
^) Vorlesungen 1879; vgl. Kneser, Lehrbuch, §§ 27, 29; und Bolza, Lectures,
§ 25, a).
^) Transactions of the American Mathematical Society, Bd. VII
(1906), p. 188; vgl. auch unten § 32, c). Es ist übrigens nicht nötig, bei Ab-
leitung des Systems (43) den Begriff der Krümmung zu benutzen. Denn durch
Differentiation der beiden ersten Gleichungen (43) erhält man
dS dx d^y dy d^x
ds ds ds^ ds ds^ '
woraus dann nach (I), wenn dort s statt t geschrieben wird, die dritte Glei-
chung (43) folgt.
§ 27. Existenztheoreme für Extremalen. 213
dx
= COS B
an
"f = sin e
ds
(43)
,7/1
ds ^ ^^^^' y^ ^°^ ^' ^^^ ^^^ ' .
wo die Funktion // durch die Gleichung
H{x, y, X, y) = -^/^^^=^^ (44)
definiert ist. Auf dieses System können wir nun direkt die allgemeinen
Existenztheoreme von § 23 anwenden: Wenn die Anfangswerte Xq, y^, 6^
der Bedingung
^i(^o. yoy cos e^, sin ^o) + 0 (45)
genügen, so sind nach unsern Annahmen über die Funktion F (vgl.
§ 25, b)) die rechten Seiten der Gleichungen (43) als Funktionen von
Xj y, 0 in der Umgebung der Stelle Xq, y^, 6^ von der Klasse C\
Der „Stetigkeitsbereich'^ €L des Differentialgleichungssystems (43)
besteht also aus dem durch die Bedingungen
(9L: — cx)<5<4-c^; (:r, ^)inÖl; — oc<ö< + oü;
F^{x, 2/, cos 6, sin ö) 4= 0
charakterisierten Bereich im Raum der Variabein s, x, y, 6.
Es gibt daher ein und nur ein System von Funktionen
x = x{s), y = y(s), e=^e(s), (46)
welche den Differentialgleichungen (43) genügen, für s = 0 die vor-
geschriebenen Werte Xq, y^, 6q annehmen:
x(0)^x„ y{0) = y„ 6(0) = 0„ (46a)
und in der Umgebung von 5 = 0 von der Klasse 6" sind, d. h. aber
geometrisch:
Wenn die Anfanysiuerte x^, y^^ Oq die Bedingung (45) erfüllen, so
läßt sich vom Funkt Xq, y^ aus in der Bichtung 6^ eine und nur eine
Extremale der Klasse C ziehen.
Die Lösung (46) läßt sich nach § 23, d) nach beiden Seiten hin
auf ein ganz bestimmtes Maximalintervall
«i' <5</3s
ü o
eindeutig fortsetzen. Für alle Werte von s zwischen a^ und ß^i sind
214 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
die Funktionen x{s)y y{s)j 6(s) (mindestens) von der Klasse C und
die Extremale
X = x(s), y = y (s) , f^« ^ <s <ß2^ (47)
liegt ganz im Innern des Bereiches 6i und genügt der Ungleicliung
F,(x{s), y{s), xis), 2/' (5)) + 0. (48)
Aus der speziellen Form der Differentialgleichungen (43) folgt
weiter, daß diese einzige Extremale der Klasse C dann allemal sogar
von der Klasse C" ist. Denn da die Funktion H(x, y, cos 6, sin 0)
in der Umgebung der Stelle x^y y^, 6^ von der Klasse C ist, so folgt
aus der letzten der Gleichungen (43), daß d(s) von der Klasse C" ist
und daher sind nach den beiden ersten Gleichungen x{s)y y{s) von
der Klasse C" .
Wenn die Bedingung (^45) für jeden Wert von 0^ erfüllt ist, so
kann man vom Punkt Pq aus nach jeder Richtung eine und nur eine
Extremale von der Klasse C ziehen.
Diejenigen Wertsysteme, x^^, y^, Ö^, für welche
■^1(^0. 2/o7 cos^o, sin6/o) = 0
ist, nennen wir die simjiäären Anfanysiverte. Wenn die Bedingung
(45) für jeden Punkt x^^ y^ eines Bereiches der x, ?/-Ebene und für
jede Richtung 0^ erfüllt ist, so sagen wir entsprechend i) der in
§ 19, b) für das .r-Problem gegebenen Definition, das vorgelegte
Problem sei in diesem Bereich regulär; dabei unterscheiden wir dann
nach dem Vorzeichen von F^ noch „positiv'^ und „negativ regulär'^
Beispiele:
1. F = G{x, y) V^'+ y' ' ■ W- § ^2, b)).
Hier ist:
F^\^x, y, COS0, siuö) = G^(x, y);
das Problem ist also regulär in jedem Bereich der x, i/- Ebene, welcher keine
Punkte mit der Kurve G{x, y) = 0 gemein hat.
2. F=-.^f.,^ (vgl. §30, b));
daraus
F^(x, y, COS0, sinö) = 2y sin ö (4 cos^Ö — 1) .
Das Problem ist in keinem Bereich regulär. Zunächst sind alle Wertsysteme
Singular, in welchen y == 0; und außerdem für jeden beliebigen Punkt (x, y)
die durch die (xleichungen
sin Ö = 0 , cos Ö = + -I
definierten Richtungen.
. ^) Vgl. Gleichung (16) von § 25.
§ 27. Existenztheoreme für Extremalen. 215
b) Abhängigkeit der Lösung von den Anfangs werten:
Wir betrachten jetzt die durch die Anfangsbedingungen (46 a)
charakterisierte Lösung (46) in ihrer Abhängigkeit von den Anfangs-
werten Xq, y/o, ^0 ^^^ schreiben sie dann entsprechend
y = ^(s', x,,y„ e,)l (49)
e = &{s- Xq, y^, 0^)}
Aus der allgemeinen Theorie ergibt sich dann nach § 24, a)^ daß
die Funktionen de, ^, S folgende Eigenschaften besitzen:
1. Die Funktionen ?i, ^, & sind eindeutig definiert und stetig in
dem durch die Bedingungen
{Xq, ;?/o) im Innern von Öl; — oo < Öq < + oo; \
^iK^ y^y c^s 0^, sin öo) 4= 0; a^^ < s < /3öJ
definierten Bereich. In demselben Bereich sind die Funldionen
als Fimlxtionen von s, Xq, y^, 9q von der Klasse ü\ wie sich zum Teil
aus der allgemeinen Theorie (§ 24, a)), zum Teil aus der speziellen
Form^) des Systems (43) ergibt.
2. Die Funktionen ?i, ^, & genügen ferner den Anfangs-
hedingtmgen
X (U; Xq, y^y Uq) = Xq\
?)(0; x„y„ Öo) = 2/o (51)
^(^; ^o; yo, ^o) = ^o'
identisch in x^^, y^y 6q, woraus wegen (43) folgt
^s(Pi ^o; yo, ^o) = cos Oq, g)XO; x^, y^, d^) = sin d^ (51a)
und weiter durch partielle Difi*erentiation
^.,,(0; oi^o, yo, ^o) = 1 ; S,„(0; ^0, 2/o. ^o) = ^h
3t;jO; X,, y„ e,) = 0, g^^(0; x„ y,, 0,) = l\. (51b)
^eo(^5 ^o; ?/o; öo) = 0, D^^(0; ^0, ^0. ^o) = O)
3. Überdies ist die Fimldionaldeterminante
I>{s', x„ y,, 0,) = |^^^^^|\ + 0 (52)
im ganzen Bereich (50).
^) Vgl. unter a) den Beweis, daß die Extremale (47) von der Klasse C" ist.
216 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
4. Endlich haben die Funktionen X, ^, & folgende PerwdisHäts-
eiyenschaften :
(52a)
denn aus der besonderen Form der Diiferentialgleichungen (4r>) folgt,
daß die Funktionen auf der rechten Seite den Differentialgleichungen
(43) genügen, und da diese Funktionen für 0^ = 0 die Anfangs werte
^07 Voy ^0 + ^^ annehmen, so müssen sie mit den Funktionen auf der
linken Seite identisch sein.
Aus der Lösung (49), welche die vorgeschriebenen Werte x^, y^, 6^
für den speziellen Wert s = 0 annimmt, erhält man diejenige Lösung,
welche dieselben Anfangswerte für einen beliebigen Wert s = Sq an-
nimmt, indem man s durch s — s^ ersetzt, also:^)
X ^^ xi^s Sq] Xq. y^y Oq) j
^ = g(5-5o; x^, y^, e,)l (53)
e = 0(^s-s,- X,, y^, e,)j
Dies ist eine unmittelbare Folge davon, daß die rechten Seiten
der Differentialgleichungen (43) die Variable s nicht explizite ent-
halten.
Das „allgemeine Integral" des Systems (43) ergibt sich nach den
am Ende von § 24, a) gemachten Bemerkungen aus (53), indem man
einer der vier Größen Sq, Xq, y^, 6^ einen passenden festen numerischen
Wert beilegt und die drei andern als die „Integrationskonstanten"
betrachtet. Man erhält so ein dreifach unendliches Funktionen-
System, aber nur ein ziveifach tmendliches Kurvensystem im Baum
der Variahein x, y, 6. Denn giht man z. B. der Größe Xq einen festen
Wert und variiert die Größen Sq, y^, 0^, so liefern alle Lösungen,
welche demselben Wertsystem y^, 6^ entsprechen, sich also nur durch
den Wert von .s^ unterscheiden, ein und dieselbe Kurve, da sie ja
alle aus der Lösung, für welche ^o = 0 ist, durch eine zulässige
Parametertransformation hervorgehen (§ 25, a)).
^) Die Funktionen auf der rechten Seite von (53) als Funktionen von
5; S(), a^oi 2/0 ' ^0 entsprechen den Funktionen qp^.(*; ^1 li» ■ • ••> I«) der allgemeinen
Theorie (§ 24, a)).
27. Existenztheoreme für Extremalen.
217
Die Determinante Z)(s; Xq, y^, 6q) läßt eine für spätere Anwen-
dungen wichtige Transformation zu:
Wendet man auf die Lösung (53) die Gleichung (35) von § 24, a)
an und beachtet, daß in unserm Fall:
ds '
30
ds '
so erhält maa, wenn man schließlich noch Sq = 0 setzt, die folgende
Umformung der Funktionaldeterminante B:
^(^1 ^0, yo, ^o)cos ^0 =
0„
(54)
und eine analoge zweite Gleichung, in welcher links der Faktor
cos 6q durch — sin 6^ und rechts der Index y^ durch x^ er-
setzt ist.
Der Ausdruck (54) läßt sich noch weiter umformen, indem man
die partiellen Ableitungen der Funktion & durch partielle Ableitungen
von ü und D ausdrückt. Bezeichnet nämlich vorübergehend z irgend
eine der Variabein s, x^, y^, 6^, so folgt aus den beiden ersten der
Gleichungen (43) durch Differentiation nach z:
3:\,= — sin @.
und daraus
D,,= cos 6>- 0.
^.= 3ej,,-?)A.
(55)
Wendet man diese Formeln bei der Umformung der Determinante
(54) an und setzt zur Abkürzung
so erhält man nach einfacher Rechnung:
K%-%K^ (56)
^(^;-^'o?2/o;^o)cosÖo =
V w \
dv_dvr:y —D(s; ^o,y/o, e^Jsmdf.^ \du dw\- (57)
CS ds
ds di
c) Anwendung des Einbettungssatzes:
Es sei irgend ein spezieller Extremalenbogen ©o der Klasse C
gegeben
x = x(t), y = y{t), h<t<t.,
®o:
21^ Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
welcher ganz im Innern des Bereiches Öl liegt und für welchen die
Bedingung
F,{x{t),y{t), x\t), y\t^^O (58)
in [^1^2] ei'füllt ist.
Wir setzen dabei zunächst voraus, daß der Parameter t die
Bogenlänge bedeutet, also mit der in den vorangegangenen Absätzen
mit s bezeichneten Variabein identisch ist. Dann liegt die zur
Extremalen ©o gehörige Lösung
X = x{t), y = yit) , e = e{t) , t.^t^t, (59)
des Systems (43) ganz im Innern des Stetigkeitsbereiches (9L dieses
Systems. Hieraus schließen wir wie unter a), daß wir die Lösung
(59) auf ein ganz bestimmtes Maximalintervall
f:<t<t,* (60)
fortsetzen können, wobei stets
Die auf diese Weise durch Fortsetzung des Extremalenbogens @o auf
das offene Intervall (60) erhaltene Extremale bezeichnen wir mit %\
so daß also (^o* definiert ist durch die Gleichungen
^;: x==x(t), y-iiit), t:<t<t,\
Nach § 23, d) und § 27, a) liegt dann die Extremale ^0* ^^^ i^^^^'
ganzen Ausdehnung im Innern des Bereiches Öl und genügt der Be-
dingung (58); und nach a) ist sie in ihrer ganzen Ausdehnung von
der Klasse (J'" .
Es sei jetzt F^{t = ^0) i^^g^nd ein Punkt der Extremalen (^o i^^^«
x^, I/o, öo die zugehörigen Werte von x,y,d, so daß
^'(^o) = ^o. y{^o) = yo, ^(0 = ^0-
Dann läßt sich die Extremale @o* nach § 23, c) und § 27, b) auch
schreiben
x = di{t- /o-, ^0. 2/0. ^0) . y-W- ^0-, ^0. yo, %) ■ (61)
Von den Größen cos Ö^, sin ö^ ist mindestens eine von Null ver-
schieden; wir nehmen an^), es sei
cosÖo+0. (62)
1) Wäre cos 00 = 0, so würden wir in (Gl) die Argumente x^, Öq durcli ß, a
ersetzen.
§ 27. Existenztheoreme für Extremalen. 219
Dann definieren wir
9(t,a,ß)=^{t~t,- x„ß,a)\ ^ ^
und betrachten die doppeltunendliche Schar von Extremalen
x==f(t,a,ß), y = f/(t,a,ß), (64)
indem wir f^, Xq als fest, a, ß als variable Parameter ansehen.
Sind dann T^^ T^ irgend zwei den Ungleichungen
^i*<^i<^i. t,<T,<t,* . (65)
genügende Größen, so können wir eine zugehörige positive Größe d
bestimmen, derart, daß sich über die Funktionen f, g folgende Aus-
sagen machen lassen, wobei wir der Gleichförmigkeit halber cc^, ß^
statt ^0, Xq schreiben:
A) Der Bogen ©^ ist in der Schar (64) enthalten für a = a^,
ß = ß^j so daß also
f(t; S; ^o) = ^<t), g(t, «0. Ä) = y{t) • (66)
B) Die Funktionen
fiftjftn 9,9n9tt
sind als Funktionen der drei Variablen t, a, ß von der Klasse C in
dem Bereich
T.^t^T,, \c-a„\^d, \ß-ß^\^d. (67)
C) Für jedes oj, /3 im Bereich
l«-«ol<^; \ß-ßo\<d
liegt der Bogen [T^T^] der Extremalen (64) ganz im Innern des
Bereiches 01 und es ist
F,{f{t,a,ß), 9it^<^,ß), m,a,ß), g,{t,a,ß))^0
f^(t,a,ß)+g^{t,a,ß)>0 ^^^^
im Bereich (67).
D) Bezeichnen wir ferner
^h-ft9cc-9ifoc, ^h-ft9^-gtf;i, (69)
220 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
SO ist die Determinante
»/^--^ir + o (^0)
im Bereicli (67).
Was den Beweis dieser Behauptungen betrifft, so folgt A) aus
der Darstellung (61) der Extremalen (^o*- ^^^ Beweis von B) und
C) ergibt sich aas der Anwendung des Satzes von § 24, b) auf
die Lösung (53) des Systems (43) zusammen mit den in § 27, b) be-
wiesenen Stetigkeitseigenschaften der Funktionen H und g. Endlich
folgt D) aus (52 ) und (57), wenn man d so klein wählt, daß cos c^ + 0
für a — a^^ d, was wegen (62) stets möglich ist.
Die Gleichungen (64) stellen das „allgemeine Integral" der
Euler'schen Differentialgleichung (I) in einer Normalform dar, in-
sofern sowohl der Kurvenparameter t als die .,Integrationskonstanten"
a, ß in ganz bestimmter Weise gewählt worden sind. Um daraus
das allgemeine Integral in seiner allgemeinsten Form zu
erhalten, müßte man schließlich noch statt der Größen t,a,ß drei
neue Größen f, a, ~ß einführen, mittels einer Transformation von
der Form:
i = Z{t,cc,ß), ^ = 5l(a,/3), ß = ^{a,ß), (71)
wobei die Funktionen X, 51, 35 den Bedingungen
X(t)^%,{t,a„ß,)>0 in [2\T,],
(72)
genügen müssen. Sind überdies die Funktionen X, Z^, X,,, % 33 im
Bereich (67) von der Klasse C, so haben die Funktionen /", g von
t,ä,ß, in welche die Funktionen f,g durch die Transformation (71)
übergehen, die entsprechenden Eigenschaften wip die Funktionen f
und (j. Aus dem allgemeinen Integral in seiner neuen Form geht
die Extremale @o* hervor, indem man
« = «0 ^ 5I(«o, A); ß- ßo ^ ^K. ßo)
setzt, und man kann die Transformation (71) stets so einrichten, daß
dabei die Extremale ©o* ^^ einer vorgegebenen Parameterdarstellung
erscheint. _____
Indem wir schließlich /; g, t, a, ß statt f , g, t, a, ß schreiben,
können wir das folgende Resultat aussprechen:
\
27. Existenztheoreme für Extremalen. 221
Wenn der Extremalenbogen ^^ ganz im Innern des Bm-eiches Öl
liegt und der Bedingung (58) genügt, so läßt er sich in eine doppelt
unendliche Extremalenschar (64) einbetten, welche die unter A) bis D)
aufgezählten Eigenschaften besitzt.
d) Die Extremalenschar durch einen gegebenen Punkt:
Da die Ungleicliung (58) entlang der ganzen Extremalen ^*
erfüllt ist^ so gilt insbesondere im Punkt P^ die Ungleicliung
Fi{xq, Vq, cos Öo, sin d^) + 0
und daher auch
^i(^o? 2/o? cos a, sin a) 4= 0
für alle hinreichend kleinen Werte von \a — 6^1.
Daher läßt sich nach a) durch den Punkt P^ nach jeder von
der Richtung B^ hinreichend wenig abweichenden Richtung eine
und nur eine Extremale ziehen. Diese Extremalen durch den Punkt P^
bilden dann eine einparametrige Schar, deren analytischen Ausdruck
wir sofort mit Hilfe der Funktionen 9E , g von § 21, b), hinschreiben
können, wenn wir zunächst wieder annehmen, der Parameter t be-
deute die Bogenlänge. Aus der Bedeutung der Funktionen H, g)
folgt dann, daß die Extremalenschar durch den Punkt P^ gegeben
ist durch die Gleichungen-^)
oo = '^{t-t,- x^, y„ a) ^ f(t, a, y,) ,
(7,-5)
y==^{t-t^', x„y,, a)=g(t, a, y^)j'
wobei der Parameter der Schar, a, den Tangenten winkel der be-
treffenden Extremalen im Punkt P^ bedeutet. Dem Punkt P^ ent-
spricht dabei auf allen Extremalen derselbe Wert t^t^.
Die Gleichungen (73) stellen die Extremalenschar durch den
Punkt Pq in einer bestimmten Normalform dar. Um daraus die all-
gemeinste Darstellung der Schar zu erhalten, hat man statt der
Größen t, a neue Größen t, ä einzuführen, mittels einer Transforma-
tion von der Form:
t=t(t,a), ä = a(a), (71a)
wobei die Funktionen t, t^, t^^, a von der Klasse C sind und den
Ungleichungen
genügen, wobei a^^ Sq.
^) Die Funktionen /", g sind dabei in der speziellen Bedeutung gebraucht,
in welcher sie ursprünglich durch die Gleichungen (64) eingeführt worden sind.
222 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
Indem wir schließlich Avieder t, a, üq statt t, ä, %= Ci{a^ schreiben,
können wir den folgenden Satz aussprechen:
Burcli jeden Pimld Fq der Extremalen ^^ (jeht eine Extremalen-
schar
x = cp{t,a), y = ilj{t,a), (74)
welche folgende Eigenschaften hat:
A) Die Extremale @* ist in der Schar (74) enthalten für a = %,
so daß also
cpit.a^^xif), t{t,a,)^-ijit). (75)
B) Die Funktionen
fP, fpn ^tn ^1 ^n ^tt
sind als Funktionen von t und a von der Klasse C in dem Bereich
T.^tZT,, \a-a,\<:d', (76)
dabei sind 2\, 1\ zwei beliebige Größen, welche den Ungleichungen
(65) genügen, und d ist eine positive, von der Wahl von T^ und Tg
abhängige Größe.
C) Für jedes a im Intervall: a-aQ\<d liegt der Bogen [T^l\'\
der Extremalen 1) (^^ ganz im Innern des Bereiches Öl und es ist
F^((p{Jt, a),/ti;{t, a), (pß, a), il^ß, a)) =^ 0) ,^^^
(p;'{t,a)-\-i^,\t,a)>0 J
im Bereich (76).
D) Bezeichnen wir nach Kneser mit A)t, a) die Funktional-
determinante
und wird dem a irgend ein fester Wert im Intervalle a - «o 1 < ^
beigelegt, so ist die Funktion A(^, a) als Funktion von t nicht iden-
tisch null in [T^Tg]. r . i o j-
Der Beweis dieser Behauptungen folgt für den Fall, daß die
Schar in der Normalform (73) angenommen wird, unmittelbar aus
den entsprechenden unter c) bewiesenen Eigenschaften der Funk-
tionen /; g, aus denen in diesem Fall die Funktionen qp, ^ einfach
dadurch hervorgehen, daß man /3 = 2/o, « = ö^ setzt. Insbesondere folgt D)
aus der Ungleichung (70j, wenn man beachtet, daß A(^, a) aus der
dort mit ii^ bezeichneten Funktion erhalten wird, wenn man ß ^ Vq,
1) So bezeichnen wir die einem bestimmten Wert von a entsprechende
einzelne Extremale der Schar (74).
§ 27. Existenztheoreme für Extremalen. 223
a ^ a setzt. Und diese Eigenschaften bleiben bestehen, wenn man
von der Normalform (73) durch eine Transformation der angegebenen
Art zur allgemeinen Form übergeht.
In Beziehung auf den Punkt Pq gilt dann noch folgendes:
E) Der Wert von t, welcher auf der Extremalen (£^^ den Punkt
Pq liefert, und den wir f nennen wollen, ist eine Funktion^) von a,
die wir mit
t'-Xoi«) (78)
bezeichnen. Diese Funktion ist im Intervall: | et — «q | ^ (? von der
Klasse C und genügt der Anfangsbedingung
ZoK) = ^o- (T9)
Wählen wir daher die beiden Größen 1\, 1\ so, daß: T^<tQ< T^^
so folgt aus der Stetigkeit von XQ{a)y daß wir d so klein annehmen
können, daß
^\ < iM < ^2 für {a-a^l'^d.
Aus der Definition der Größe !^^ folgt, daß identisch in a
cp{t\a) = x„ t(t',a) = 'y,- (80)
daraus ergibt sich durch Differentiation nach a
(81)
und hieraus, identisch in a^
A{iP,a) = 0. (82)
Wir verabreden noch folgende perraanente abkürzende Be-
zeichnung:
F(cp{t, a), ip{t, a), cpßy a), ip,{t, a)) = W(t, a) . (83)
Die entsprechende Abkürzung soll für die partiellen Ableitungen von
Fj sowie für die Funktionen P\, F2 gebraucht werden, so daß wir
also z. B. schreiben
F^,{(p{t, a), ^{t, a), (p,{t, a), i^ß, a)) = W^,{t, a)
F^((p{t, a), i^it, a), (pft, a), i),{t, a)) = W^(t, d) .
^) Für die Normalform (73) ist t^ konstant gleich t^', daraus ergibt sich t^
mittels der Transformation (71a).
224 Fünftes Kapitel. Die Weierstraßsche Theorie.
§ 28. Die "Weierstraß'sclie Transformation der zweiten Variation
und die zweite notwendige Bedingung.
Wir nehmen jetzt an^ wir hätten eine Extremale
gefunden, welche die beiden gegebenen Punkte P^ und F^ verbindet.
Wir setzen voraus, sie liege ganz im Inneren des Bereiches Öl und
sei von der Klasse^) G"\
Dann schließen wir, wie in § 4, daß im Fall eines Minimums
die zweite Variation ö^J nicht negativ sein darf. Für Variationen
der Form (17) hat man
d'J=fö'Fdt,
wo
+ 2F^^.U' + 2 J-,,. ^r + F^.^.r + 2F.,,.rV + -F,,,, V^ ) I
Die Argumente der partiellen Ableitungen von F sind dabei:
x = x{t), y=^y{t), x=x{t), y = !/{{).
a) Weier Straß' Transformation der zweiten Variation:
Der Ausdruck für d^^F läßt sich nun nach Weierstrass^) auf
dieselbe einfache Form bringen^ wie im Fall der nicht -parametrischen
Darstellung :
Wir drücken zunächst F^,^,, F^,^,, Fy,y, nach (12a) durch F^ >
aus und setzen, wie schon früher, \
w = yl — XTi'^
ferner
L = F^,-y'y"F,, N = F^^,- xx'F.A ^^^^
M = F^y,-^xy'F,= Fy^,^-yx'F, V
die beiden Ausdrücke für M sind einander gleich, weil x und y der
Differentialgleichung (I) genügen. Auf diese Weise erhalten wir:
^) Diese Annahme ist nötig, da in der unter a) folgenden Transformation
-die dritten Ableitungen von x und y vorkommen. Vgl. dazu p. 214.
-) Weierstrass, Vorlesungen 1872. J
§ 28. Transformation der zweiten Variation. 225
+ (F.. - y"'F,) r + 2 (F^,^ + x"y"F,) U + {F„ - x"'F,) r,' } •
Man beachte jetzt, daß
2LW+2M{W+n^) + 2Nriri'
führt man daher die Abkürzungen ein:
A = ^..-/'^i^i-
Ä
dt '
dM
i-F^y-\-^"y"F,--^,
N,-K
„2T^ _dN
^ ^1 dt
(86)
so geht der obige Ausdruck für d^F über in:
ö'F=8'{F, g-)'+ X,r + 2JfJ^ + iV,^2
+ |^[z|^+2iJf^yH-i^^2]}.
Die drei Funktionen L^, M^, N^ haben nun die wichtige Eigenschaft,
mit y^, — X y, x"^ proportional zu sein.
Beweis: Aus der Definition von L, M, N und den Relationen
(11) folgt:
Lx + My = F^ , Mx + Ny = F^ , (87)
Differentiiert man die erste dieser Relationen nach t, so kommt:
dL , . dM , . T ^r , T,^ ff
dt * + äi- y+Lx+My
Es ist aber
Lx"+My"^F^^.x"+F^^y",
und aus (I) folgt, daß
F,..-F,^^F,(x'y"-x"y').
Führt man diese Werte ein, so erhält man
L^x+M^y^O,
Bolza, "V ariationarechnung.
15
226 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
und ebenso
woraus folgt, daß in der Tat
Bezeichnen wir nach Weierstraß den Proportionalitätsfaktor mit
F^y SO können wir schreiben:
L, = y''F,, M,-=-xy'F,, N,-=x'F,. (88)
F^ ist eine Funktion von f, welche nach den über die Funktion
F{x, y, x\ y) und über die Extremale @o gemachten Annahmen i)
stetig ist in \t^t^, während aus denselben Annahmen folgt, daß JF\
m \t^t^ von der Klasse C ist.
Hiernach nimmt der Ausdruck für ö^^F die Form an:
8^F=^e^[F, {^^)\F,^v^^^llW+2MU + W]]' (89)
Wenn daher, wie wir gegenwärtig voraussetzen, die Endpunkte fest
sind, also l und ?/ in t^ und t^ verschwinden, so reduziert sich schließ-
1) Vgl. § 25, b) und den Anfang dieses Paragraphen. Es ist dabei
besonders zu beachten, daß nach den in § 25, a) gegebenen Definitionen
unsere Annahmen über ©« die Bedingung enthalten, daß r«'^ + 2/'^=4= ^ ^^*-
lang @o • T T^-xr
F^ läßt sich noch auf eine andere Form bringen: Führt man die Dilteren-
tiation von L, 31, N aus und macht dabei von den Homogeneitätseigenschaften
von F Gebrauch, so erhält man
(8Ga)
(90)
und daraus
Dabei ist T die durch (23) definierte Funktion der Größen x,y, x\ y\ x\ y" .
Vgl Underhill, Invariants of the Functmi F{x, y, x, y) under pomt and
Parameter transformation, connected with the Calculus of Variations, Dissertation,
Chicago, 1907. Vgl. auch den Nachtrag in § 32, c).
§ 28. Transformation der zweiten Variation. 227
lieh der Ausdruck für ö^J auf die Form^)
Ö^J^ e^j\F, (g'+ F,w^'\ dt. (91)
Dieses Integral darf also im Fall eines Minimums nicht negativ sein,
und zwar gilt dies für alle Funktionen w der Klasse JD', welche in
beiden Endpunkten verschwinden; denn durch passende Wahl der
Funktionen ^{f)j rjif) kann man die Funktion
tv = yl — Xfj
jeder beliebigen Funktion der Klasse D', welche in t^ und ^g
verschwindet, gleich machen. Für die folgende Diskussion wird
vorausgesetzt, daß F^ und i^g nicht beide im Intervall [t^t^] identisch
verschwinden.
Die zweite Variation hat jetzt genau dieselbe Form wie in § 9, a),
wobei den dort mit P, Q, B, i] bezeichneten Größen der Reihe nach
die Größen F^^ 0, F^^ w entsprechen. Wir können also unmittelbar die
im zweiten Kapitel erhaltenen Resultate anwenden und erhalten daher
zunächst entsprechend der Legendr e'schen Bedingung wie in § 9, b)
den Satz:
Die zweite notwendige Bedingung für ein Minimum Gesteht darin, daß
sein muß entlang der Extremalen @q, d. h.
F,{x{t), y{t), x\t), t/{t))^0 in [t,t,]. (II)
b) Invariante Normalform für die zweite Variation:
Wir erwähnen hier noch eine weitere, prinzipiell wichtige Re-
duktion der zweiten Variation. Wir addieren zu dem Integral (91)
das Integral
Jy dt (^V^^-^) dt =J{f^ww' + I F^'iv') dt,
h h
dessen Wert Null ist, da w in beiden Endpunkten verschwindet, und
machen dann die Substitution
^) Dies gilt auch noch, wenn |', ri Unstetigkeiten der hier erlaubten Art
haben, vgl. p. 201, Fußnote *), da |, tj und, nach unseren Annahmen über die
Extremale @,., , auch L, M, N stetig sind in [t^t^].
16*
228 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
IV
^l'\ % ^ (92)
die gestattet ist, wenn F^ entlang dem ganzen Bogen (S^ von Null
verschieden ist. Alsdann erhalten wir für ö'^J den Ausdruck:
ä^J^>,^J[(^^--K.^ät, (93)
wobei
^ 4 Fj2 2 F^ F, y^^)
Die Funktion K ist eine „absolute Invariante der Funktion J^
in bezug auf Punkttransformationen"^), sie ändert sich jedoch bei
Transformation des Parameters t
Wenn die Funktion F positiv ist entlang der Extremalen @q, so
kann man statt f als Parameter das Integral
t
r=JF{x, y, x\ tj)dt
einführen; setzt man dann noch
CD^V F ^
so daß also
v^wF^F^^, (92a)
so erhält man folgende invariante Normalform für die zweite Variation:
S'J = ^'J[i$f - K.^'] dt , (93a)
wobei
Die Funktion K^ bleibt nunmehr invariant^) sowohl bei jeder Punkt-
transformation der Variabein x^ y, als auch bei jeder Parameter-
transformation.
^ c) Anwendung auf die G-eodätischen Linien:
Beispiel XVI: (Siehe p. 209).
Es sei
^) ^gl- § 4ö ^iid ÜNDERHiLL, loc. cit. ^ Vgl. ünderhill, loc. cit.
28. Transformation der zweiten Variation.
229
eine die beiden Punkte P^iu^, v^) und P2(^2» ^2) verbindende Extremale in der
u, ü- Ebene, d. h. also eine der Differentialgleichung (38) genügende Kurve. Ihr
entspriebt dann auf der Fläche eine die beiden gegebenen Punkte Q^^ und Q^
verbindende geodätische Linie, die wir mit &q bezeichnen.
Eine leichte Rechnung ergibt
EG - F=
(yEV^-f 2Fuv'-{- Qiv'^^y
(95)
Nach den über das Flächenstück .201. gemachten Annahmen (vgl. (35)) ist also F^
stets positiv und somit die Bedingung (II) stets erfüllt.
Für die weitere Diskussion der zweiten Variation legen wir zur Verein-
fachung der Rechnung ein spezielles krummliniges Koordinatensystem auf der
Fläche zugrunde, das wir nach Bonxet ^) folgendermaßen wählen:
Durch einen beliebigen Punkt M der geodätischen Linie (^^ ziehen wir
die zu öJq orthogonale geodätische Linie, was nach § 27, a) stets möglich ist,
da hier die Bedingung (45) für jedes d^ erfüllt ist. Die positive Richtung auf
dieser geodätischen Linie wählen wir so, daß sie zur Linken der positiven
Richtung von ©^ liegt.
N sei ein beliebiger Punkt dieser orthogonalen geodätischen Linie. Wir
wählen dann als Koordinaten des Punktes N auf der Fläche die mit entspre-
chenden Vorzeichen versehenen Bogenlängen
M= u
arc MN = v
Bei dieser speziellen Wahl der krummlinigen Koordinaten nimmt der Ausdruck
für das Quadrat des Linienelementes die folgende Form an:
ds^ = E du^ -f dv^,
wobei noch überdies die Funktion E{u^ v) den
Bedingungen
E(M, 0) = 1 , E^(w, 0) = 0 (96)
genügt.
Denn da nach den getroffenen Festsetzungen
die Kurve
u == konst. , V = t
M
Fig. 32.
Q.
eine Extremale ist, so folgt durch Einsetzen in die Differentialgleichung (38)
^FG,- G(F,-iG,) = 0. (97
Da ferner: arc MN = v sein soll, so folgt
^) Comptes Ren du s, Bd. XL (1850), p. 1311; vgl. auch Darbgüx, Theorie
des surfaces, Bd. III, pp. 92 — 98.
230 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
0
also, indem man nach v difiFerentiiert,
G(w,v) = l. (98)
Unter Benutzung dieser Gleichung reduziert sich (97) auf
F,(M,?;) = 0.
Es ist also F(w, vi von v unabhängig, also gleich ?(u,0); dies ist aber gleich
Null, da 31 N in M zu ©„ orthogonal sein sollte. Somit ^) folgt
F(it,z;) = 0. (99)
Da weiter auch die Kurve S^,, d. h.
eine Extremale ist, so erhält man durch Einsetzen in (88) unter Benutzung der
bereits gewonnenen Resultate
E,(«,0) = 0,
und endlich folgt aus der Bedingung, daß: arc Q^ M = u sein soll,
E(i^, 0) = 1,
womit unsere Behauptung bewiesen ist.
Wir haben jetzt die Größe K für die Funktion
zu berechnen, und zwar entlang der Extremalen
^^: u = t, V = 0 .
Das Einsetzen dieser speziellen Funktionen für u und v deuten wir durch Ein-
klammern an. Man findet dann leicht aus (96) und den daraus folgenden
Gleichungen
E^iu, 0; = 0, E^^,(w, 0) = 0, E„,(^*, 0) = 0 ,
die folgenden Resultate:
{F) = l, {F,) = 0, (2^,; = 0, (F,) = l,
(F„,,) = 0, (F,,0==O, (F„,0 = O, (F,,0 = O,
und daraus
(7.) = 0, (M) = 0, (N) = 0
und weiter
{F, J = 0 , (F,,) = 0 , (F,;) = ^ E„(M , 0) ,
also
1) Hierin ist zugleich der Gauß'sche Satz über geodätische Parallelkoordi-
naten enthalten, vgl. § 43, a).
§ 29. Die Jacobi'sche Bedingung für den Fall der Parameterdarstellung. 231
iF,) = ^E,,{u,0), (100)
und daraus scMießlich
K^-l-E,,{u,0). (101)
Der Ausdruck für K ist aber nichts anderes als das Krümmungsmaß ^) der
Fläche im Punkt {u,0) der geodätischen Linie ©^ . Aus dem Ausdruck (93)
für die zweite Variation folgt jetzt der Satz^):
Wenn das Krümmungsmaß der Fläche entlang dem Bogen Q^ Q^ der geo-
dätischen Linie beständig negativ ist, so ist die zweite Variation der Bogenlänge
positiv.
Auf Flächen mit durchweg negativem Krümmungsmaß ist also a fortiori
die zweite Variation stets positiv. ■'*)
§ 29. Die Jacobi'sche Bedingung für den Fall der Parameter-
darstellung.
Wir haben nunmelir die Modifikationen zu betrachten^ welche die
in §§ 10 bis 14 entwickelte Jacobi'sche Theorie beim Übergang zur
Parameterdarstellung erfährt.
Wir setzen dabei, sowie für die ganze weitere Diskussion, voraus,
daß die Legendr e'sche Bedingung (II) für unsern Extremalenbogen
@o erfüllt ist. Darüber hinaus machen wir aber noch die Annahme^),
daß die Funktion F^ in keinem Punkt von @o verschwindet, so
daß also
I\{x{t), y{t), x\t), y(t))>0 für t,^t^t,. (IP)
Aus dieser scheinbar geringfügigen Verschärfung unserer Annahme
ergibt sich die wichtige Folgerung, daß wir auf den Extremalen-
bogen @o die Resultate von § 27, c) und d) anwenden dürfen.
^) Vgl. z. B. Knoblauch, Krumme Flächen, § 24, (2) und § 27, (6). Der
Satz, daß K gleich dem Krümmungsmaß ist, ist von der Wahl des Koordinaten-
systems auf der Fläche unabhängig, vgl. p. 228.
^) Der Beweis mittels der Bonnet'schen Koordinaten ist nicht einwandfrei.
Es müßte noch gezeigt werden, daß durch jeden Punkt N in einer gewissen
Umgebung von (^^ nur eine zu ^^ orthogonale geodätische Linie gezogen
werden kann. Vgl. die tJbungsaufgabe Nr. 7 am Ende dieses Kapitels.
^) In dieser Form wurde der Satz zuerst von Jacobi (ohne Beweis) gegeben,
Journal für Mathematik, Bd. XVII (1837), p.''82, und Vorlesungen über
Dynamik, p. 47. Bewiesen wurde der Satz zuerst von Bonnet, loc. cit.
*) Der Ausnahmefall, wo F^ in Punkten des Bogens @o verschwindet, bietet
grüße Schwierigkeiten und ist, abgesehen von einigen Andeutungen in den Vor-
lesungen von HiLBERT vom Winter 1904/05, noch so gut wie gar nicht be-
handelt worden.
232 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sclie Theorie.
Ähnlich wie beim a;- Problem erscheint die Jacobi^sche Be-
dingung auch hier in zwei verschiedenen Formen, von denen die eine
von Weieestrass, die andere von Kneser herrührt.
a) Die Weierstraß'sche Form der Jacobi'scheii Bedingung:
Die Jacobi'sche Differentialgleichung (9) von § 10 nimmt für
das Integral (91) die Form an
wobei die Funktionen I\, F^ sich auf die Extremale (So* beziehen.
Die Differentialgleichung (102) hat in dem offenen Intervall: t^*<t< t^*
keine singulären Punkte; denn nach § 21, c) sind die Funktionen
F^,F^,F^ stetig und es ist F^^O.
Das allgemeine Integral der Differentialgleichung (102) erhält man
nachWEiERSTRASS folgendermaßen: Substituiert man in der Differential-
gleichung
F^-§-^F^.==0 (20J
für x,y das allgemeine Integral
x=^nt,a,ß), y-=9{t,a,ß), (64)
so wird die Differentialgleichung identisch befriedigt für alle Werte
von t, a, ß im Bereich (67). Differentiieren wir diese Identität nach a,
so erhalten wir
In dieser Gleichung drücken wir die zweiten partiellen Ableitungen
von Fjnit Hilfe der Formeln (12 a), (85), (86) und (88) durch
L,M, N,I\, F2 aus, wobei wir vorübergehend durch Überstreichen
andeuten, daß die betreffenden Funktionen für die allgemeine Ex-
tremale (64) zu berechnen sind. Nach einigen einfachen Reduktionen
erhält man
wobei
^ = fftfa - ftf/a'
§ 29. Die Jacobi'sche Bedingung für den Fall der Parameterdarstellung. 23^
Wenden wir dasselbe Verfahren auf die Differentialgleichung
aUj so erhalten wir
Da f\ und g^ nach (68) nicht gleichzeitig verschwinden können,
so folgt
Ein ganz analoges Resultat ergibt sich, wenn man nach ß statt nach
a differentiiert. Gibt man schließlich den Größen «, ß die speziellen
Werte a^, ß^ und macht von (foQ) Gebrauch , so erhält man die
Weierstraß'sche Modifikation des Jacobi'schen Theorems (§ 12, b)):
Die Jacob tische Differentialgleichung
^^«-.f*(^^3 = 0 (102)
hat die beiden partihdären Integrale
Dieselben sind nach (70) linear unabhängig, woraus nach § 11, b)
die später mehrfach zu benutzende Ungleichung folgt:
B{t) = d'.it) .j;(t) - #2 (0 ^/(O + ö (^104)
für t*<t<t*.
Schließt man jetzt wie in §§ 12 und 14 weiter und bezeichnet nach
Wp:iersteass
S{t, t,) = ^,(t) &, (t,) - ^, (0 ^i(^i) , (105)
so erhält man das Resultat:
Die dritte notwendige Bedingung für ein Extremum lautet:
&{t, t^} + 0 für t^<t<t.,. (III)
Dies ist die Weierstraß'sche Form der Jacobi'schen Bedingung.
Bezeichnet man mit t^ die zunächst auf t^ folgende Wurzel der
Gleichung
e(t, t^) = 0 (106)
234 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sclie Theorie.
falls eine solche im Intervall (60) existiert, so läßt sich die Be-
dingung (III) auch schreiben:
t[ ist der Parameter des zum Punkt P^ honjugierten PunMes P/.
Allgemeiner nennen wir einen Punkt von @o* r^^ weiteren Sinn
zu P^ konjugiert", wenn sein Parameter der Gleichung (106) genügt.
Der konjugierte Punkt ist von der Wahl des Parameters t und
der Integrationskonstanten a, ß unabhängig. Denn wendet man auf
die Größen t,a,ß eine Transformation von der Form (71) an, so
findet man nach einer leichten Rechnung zwischen der Funktion
e(t, t^) und ihrer transformierten @(t, t^) die Relation
und der Faktor X{t)X(t^)V ist nach (72) von Null verschieden. Das-
selbe Resultat kann man auch mit Weieksteass aus der geo-
metrischen Bedeutung des konjugierten Punktes schließen.
Beispiel XIV: (Siehe p. 206).
Wir haben hier nach (26)
jp, ^
also entlang irgend einer Extremalen (27)
Die Bedingung (IF) für ein Maximum ist also stets erfüllt.
Ferner berechnet man aus dem allgemeinen Integral (27):
0(t, t,) = — B^ sin (t — t,).
Also ist
Der zum Funkt P^ konjugierte Punkt P/ ist also der ihm auf dem be-
treffenden Kreis diametral gegenüberliegende Punkt. Daraus folgt (vgl. Fig. 31):
Wenn P/^^IP^PJ,, so erfüllt von den beiden Kreisbogen P^P^P^^ und
Pi P4 Pjj nur derjenige, welcher kleiner ist als ein Halbkreis, also P^ P, P^_ die
Bedingung (ITI).
Wenn P = i 1 P^ Pg | , so ist die Bedingung (III) zwar auch noch erfüllt,
aber es fällt jetzt der Punkt P^ mit dem konjugierten Punkt P/ zusammen.
Beispiel XV: Brachistochrone^) (siehe p. 207).
Wir nehmen an, daß die beiden Endpunkte P^ und P, zwischen den
beiden Spitzen r = 0 und r = 2 tt der Zykloide
Vgl. LiNDELÖF-MoiGNO, loc. dt., p. 231, und Weierstrass, Vorlesungen, j
§ 29. Die Jacobi'sche Bedingung für den Fall der Parameterdarstellung. 235
X — X, -\- Q^=- aAx — sin r)
2/ — 2/i + ^»^ = «0 (1 — cos t)
liegen, so daß also die den beiden Punkten P^ und P^ entsprechenden Werte
T = r^ und tr = Tg der Ungleichung genügen
0<ri <r, <27C,
ion F^ erhält ms
1
Pur die Funktion F^ erhält man
Vy - 2/7+^ (V^'' 4- y'^'T sy^^ cc,'Vcco'
P\ ist also positiv entlang dem Zykloidenbogen P^ P^ und die Bedingung (IF)
ist erfüllt.
Für die Weierstraß'sche Funktion ^(r, rj findet man nack einfacher
Rechnung
G[t, t^) = icc^'sin ^-co8~sin^^ cos| j^r — 2 tg ^ — r, +2tg^^'J.
Daraus folgt, daß der Parameter r/ des za P^ konjugierten Punktes P^' ent-
weder ein Vielfaches von 27t sein muß, in welchem Fall P/ sicher nicht dem
Bogen Pi P2 angehört, oder aber r/ muß der transzendenten Grieichung genügen
i^-2tg^=r, -2tg|. (109)
Wächst t von 0 bis tt, so nimmt die Funktion r — 2 tg - beständig ab
von 0 bis — cx); wächst t weiter von 7t bis 27t, so nimmt sie beständig ab
Ton -f 00 bis 27C. Daraus folgt, daß t = T^ die einzige Wurzel der Gleichung
(109) ist, welche zwischen 0 und 2 7t liegt. Daher gibt es auf dem Bogen P^ P^
keinen zu P^ Jwnjugierten Punkt, also ist auch die Bedingung (III) erfüllt. ^)
b) Die Kneser'sche Form der Jacobi'sclieii Bedingung:
Man kann nach Kneser-) die Jacobi'sche Bedingung noch in
eine andere Form bringen^ bei welcher statt des allgemeinen Integrals
(64) der Euler'schen Differentialgleichung die Extremalenschar durch
den Punkt P^ zugrunde gelegt wird. Aus dieser zweiten Form ergibt
sich dann auch am naturgemäßesten die geometrische Bedeutung der
konjugierten Punkte.
^) Hierzu noch die Übungsaufgaben Nr. 1 — 6, 10, 12, 16 — 18 am Ende
dieses Kapitels.
^) ^g"l- Kneser, Lehrbuch, § 31; vgl. auch oben die analogen Entwicklungen
von § 13.
236 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
Wir betrachten^ für spätere Anwendungen gleich etwas all-
o-emeiner als für unsere unmittelbaren Zwecke erforderlich wäre, eine
beliebige Extremalenschar
x = (p(t,a), y = i^(t,a), (110)
welche die in § 21, d) unter A) bis D) aufgezählten Eigenschaften
besitzt.
Substituiert man dann in den beiden Differentialgleichungen (20)
für X, y die Funktionen cp, %l) und ditferentiiert die so entstandene
Identität nach a, so erhält man genau wie unter a) das Resultat^
daß die Funktionaldeterminante: u = A(t, a) der Schar (110) als Funk-
tion von t der homogenen linearen Differentialgleichung zweiter
Ordnung:
genügt, welche wegen (75) für a = üq in die Jacob i'sche Differential-
gleichung (102) übergeht.
In dem speziellen Fall, wo die Gleichungen (110) die Extremalen-
schar durch den Funkt P^ darstellen, folgt überdies aus (79) und
(82), da in diesem Fall f^ = t^,
und wir erhalten daher das Resultat:
Die Funktionaldeterm inante
u == A{t, a^)
der Extremalenschar durch den FunU P^ genügt der Jacohi'schen
Biff'erentialgleich ung
und verschwindet für t = t^.
Daraus folgt aber, daß die Funktion A(^, «o) ^^n ^^^ Weier-
straß'schen Funktion 0{t, t^), welche dieselben beiden Eigenschaften
besitzt, nur um einen konstanten Faktor verschieden sein kann:
Aity,) = c@{t,t,), (112)
wo c eine wegen D) von Null verschiedene Konstante bedeutet.
Der zu t^ konjugierte Wert ^/ kann daher auch durch die
Gleichung
§ 29. Die Jacobi'sche Bedingimg für den Fall der Parameterdarstellung. 237
A(t, a,) = 0
definiert werden.
Wir bemerken noch, daß aus den beiden Gleichungen
A(t„a,) = 0, A(i^,>o) = 0 (113)
nach § 11, a) folgt, daß
A,ft, a„) + 0, A,(</, a„) + 0, (114)
da tj^ und t^ keine singulären Punkte der Differentialgleichung (102) sind.
c) Geometrisclie Bedeutung der konjugierten Punkte^):
Wir betrachten wieder eine beliebige Extremalenschar
X = (p(t, ä), y = ip{t, a), (110)
welche die in § 27, d) unter A) bis D) aufgezählten Eigenschaften besitzt.
Auf der speziellen Extre-
malen (£J
P
X = cp{t, «„), 2/ = ^ih %),
nehmen wir einen Punkt P'{t') an,
wobei: Tj < *' < T^ sein soll. In
der Nähe von P' nehmen wir einen
zweiten Punkt P{t) auf @J an und
Fig. 33.
konstruieren in ihm die Normale. Die Gleichung derselben ist
(X-x)x-\-iY-y)y=0,
wenn X, Y die laufenden Koordinaten, x, y die Koordinaten des Punktes P und
x\ y' die Ableitungen von x^ y nach t bedeuten.
Wir untersuchen jetzt den Schnitt dieser Normalen mit einer benachbarten
Extremalen ©^ der Schar (110).
Angenommen, die Normale schneide diese Extremale in einem Punkt P (S, ^) ,
der auf @^ dem Parameterwert t = t entspricht ; dann haben wir zur Bestim-
mung von i die Gleichung
[qp(*, a) — (p(t, «„)] cptit, a^) -f [^{t, a) — ip{t, %)]^t(t, a,) = 0 . (115)
Dieselbe wird erfüllt für 7 == i', t = t', a = % und da nach (77)
W{t\cL,) + i/',^(r, aJ + O,
^) In der Hauptsache nach Weierstrass, Vorlesungen 1879 ; vgl. auch Kneser,
Lehrbuch, p. 90.
238 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'scbe Theorie.
so sind die Bedingungen für die Anwendbarkeit des Satzes über implizite Funk-
tionen (§ 22, e)) erfüllt; wir können daher die Gleichung (115) nach ~t auflösen
und erhalten eine und nur eine Lösung:
* = %(*, a)i
welche in der Umgebung der Stelle t = t\ a = a^ von der Klasse C ist und
der Anfangsbedingung
Xi*'^ «o) = *'
genügt.
Aus der speziellen Form der Gleichung (115) und der Eindeutigkeit der
Lösung folgt, daß allgemein
X{t, tto) = t
für jedes t in hinreichender Nähe von t'.
Wenden wir jetzt auf die Differenz
Xit, a) — %{t, «o)
den Taylor'schen Satz mit Restglied an und brechen mit den Gliedern zweiter
Ordnung \) ab, so erhalten wir nach einfacher Rechnung :
+ (_ ^A^^^s, + (a - «J r) (. - a.
Dabei sind die Argumente von tp^usw.: f, a^, und r ist eine Funktion von t und
a, deren absoluter Wert in einer gewissen Umgebung der Stelle (*', a^ unter-
halb einer endlichen Grenze bleibt. _
Wir berechnen jetzt weiter den Abstand VT \ der beiden Punkten V und P.
Entwickelt man die Differenzen
ä; _ .^ = ^ (7 , a) — qp [t, a,), y — y = ^P(t, «) - t(*i «o)
mittels des Taylor'schen Satzes mit Restglied nach Potenzen voni — ^ a — «o
und bricht wieder mit den Gliedern zweiter Ordnung ab, so kommt, wenn man
für die Differenz t — t den gefundenen Wert einsetzt:
(A + (a — «o) "^0 '^t (« — «o)
^* ^ ^* .♦ (116)
(A + (a — «o) F)yf(a — CTq)
Dabei sind die Argumente in g)^, ^, und der Funktionaldeterminante A wieder
t und a,, und V ist eine Funktion von t und a, welche in einer gewissen Um-
') Hierzu ist allerdings nötig, daß x^,, m der Umgebung von {t\ aj exi-
stiert und stetig ist: dies findet statt, wenn wir die Annahme machen, daß außer
den unter B) erwähnten Ableitungen auch qp,,„ und i/»^,« im Bereich (76) exi-
stieren und stetig sind. Dies ist sicher der Fall, wenn wir die Funktion 7- von
der Klasse C''' statt von der Klasse C" voraussetzen, vgl. § 24, a) Zusatz 1.
§ 29. Die Jacobi'sche Bedingung für den Fall der Parameterdarstellung. 239
gebung (d) der Stelle t = t\ a = «^ dem absoluten Betrage nach unter einer
festen Grenze G bleibt.
Aus (116) ergibt sich für den Abstand j PP I der Ausdruck:
PF =
(A (f , «o) + (a — cLq) Vit, a)) {a — a^)
ycp,Ht,a,)-^^^\t,a,)'
Ferner folgt aus (116)
^'(y — y) — y\^ — x)=^ (A Ü, %) -\-{a — aj V{t, a)){a — a^) ,
woraus sich schließen läßt, daß der Ausdruck
A (f , a) :rz: A {t , a,) + (a - a,)V{t, a)
als Funktion von t und a in der Umgebung {8) der Stelle {t\ a^) stetig ist.
Soll_nun die Extremale ®„ die Extremale ©/ im Punkt P(t) schneiden, so
muß PP\ = 0 sein, also muß, da a=^aQ vorausgesetzt ist,
A {t, a) = 0
sein. Daraus schließen wir
1. Wenn
A(r, «0)4=0,
so_können wir wegen der Stetigkeit von A {t, a) nach A III 2 eine positive Größe
y<^8 angeben, derart, daß
A(^a)=4=0
für
; * — *' I < 7 , I a — «.(,!< 7 ,
d, h. aber: Wenn
A{t\a,)^0,
so schneidet leine Extremale der Schar (110), für welche: 1 « — «o I ^ 7 ^^^ ^^-
tremale (S^* in dem Intervall [t' — y,t'-\-y^'
2. Wenn dagegen
A(r, ao) = 0,
so ist, wie oben unter b) gezeigt worden ist,
also wechselt A (^, a^) sein Zeichen, wenn t durch den Wert t' hindurchgeht.
Wir können daher eine positive Größe tr ^ ^ so klein wählen, daß
A {t' — T, «o) und A (i' + r, a^)
entgegengesetztes Zeichen haben. Und nunmehr können wir eine zweite positive
Größe X angeben, derart, daß auch
£^{t'—t,a) und A(^'+t, a)
entgegengesetztes Zeichen haben, wofern
240 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
Da die Funktion A{t, a) als Funktion von * im Intervall [*'— r, i'+r] stetig
ist, so muß sie daher mindestens in einem Punkt zwischen t'—x und t' -\- x
verschwinden, d. h. also:
Wenn
A (*', «o) = 0 ,
so schneidet jede Extremale ©„ der Schar (110), für welche | a — «„ 1 < >t die Ex-
tremale @o* ivenigstens einmal zivischen t' — r und t'-\-x.
Da wir x beliebig klein annehmen können, so folgt weiter :
Ber^) Schnittpunkt der beiden Extremalen nähert sich dem Funkt P'{t') als
Grenzlage, wenn a gegen a^ konvergiert.
Aus der Theorie der Enveloppen^) folgt dann, daß der Punkt F zugleich
auf der Enveloppe der Extremalenschar (110) liegt, und zwar berührt im all-
gemeinen die Enveloppe in P' die Extremale @o*
Indem man diese Resultate insbesondere auf die Extremalenschar durch
den Punkt P^ anwendet, erhält man auch für den Fall der Parameterdarstellung
das Resultat, daß der zu P, konjugierte Punkt P/ derjenige Punkt ist, in
welchem die Extremale @o* ^^^ erstenmal (von P^ an gerechnet) die Enveloppe
der Extremalenschar durch den Punkt P^ berührt.
Beispiel XIV (Siehe pp. 206, 234):
Die Extremalenschar durch den Punkt P^ besteht hier aus der Gesamtheit
der im entgegengesetzten Sinne des Uhrzeigers durchlaufenen Kreise vom Radius R
durch den Punkt P, . Die Enveloppe dieser Kreisschar ist ein Kreis um den
Punkt Pi mit dem Radius 2P. Jeder Kreis der Schar berührt die En-
veloppe in dem dem Punkt P^ diametral gegenüberliegenden Punkt, womit wir
zu demselben Resultat gelangt sind, wie auf p. 234.
Beispiel XVI: Geodätische Linien. (Siehe pp. 209, 228).
Aus der vorausgesetzten ein-eindeutigen Beziehung zwischen dem Bereich 31
in der u, ^- Ebene und dessen Bild 911 auf der Flüche folgt: Wenn zwei Kurven
^1, ^^ in der u, v- Ebene sich in einem Punkt P schneiden, so schneiden sich
auch ihre Bilder S^ , 2, auf der Fläche in einem Punkt Q, dem Bildpunkt von P,
und umgekehrt. Ferner folgt aus den Formeln ») für den Winkel, unter welchem
sich zwei Kurven auf der Fläche schneiden: Wenn sich die beiden Kurven t^ , Ä^g
im Punkt P berühren und zwar so, daß ihre positiven Tangentenrichtungen zu-
sammenfallen, so berühren sich auch die Bildkurven S>i\ 2., im Punkt Q, und
zwar ebenfalls mit zusammenfallenden positiven Tangenten und umgekehrt. Hier-
aus folgt, daß sich die Sätze über die geometrische Bedeutung der konjugierten
Punkte unmittelbar von den Extremalen in der w, i;- Ebene auf die geodätischen
Linien selbst übertragen.
1) Es läßt sich zeigen, daß die Anzahl der Schnittpunkte zwischen
t' — x und t'-\-x endlich sein muß; man wähle den zunächst bei P^ ge-
legenen.
^ Vgl. Encyclopädie, III D, p. 47, Fußnote 117.
») Vgl. z. B. Knoblauch, Krumme Flächen, § 4, Gleichung (6) und (8).
§ 30. Die Weierstraß'sche Bedingung und die §-Funktion. 241
Da die Jacobi'sche Bedingung (III) eine notwendige Bedingung für ein
permanentes Zeichen der zweiten Variation ist (vgl. § 14), so folgt aus dem in
§ 28, c) gegebenen Satz :
Wenn das Krümmungsmaß der Fläche entlang der betrachteten geodätischejv
Linie Q^ Q^ beständig negativ ist, so kann der zu Q^ Tconjugierte Punkt nicht
ztüischen Q^ und Q^ liegend)
§ 30. Die Weierstraß'sche Bedingung und die 8 -Funktion.
Zur Herleitung der Weierstr aß' sehen Bedingung") wenden wir hier
die ursprünglich von Weierstrass selbst benutzte Methode an, die
wesentlich elementarer ist als diejenige, welche wir beim ;3?- Problem
benutzt haben, da sie weder den Begriff des Feldes noch den
Weierstraß'schen Fundamentalsatz voraussetzt.
a) Der Weierstraß'sche Beweis der vierten notwendigen Be-
dingung:
Auf unserm Extremalenbogen
wählen wir einen beliebigen Punkt ^^{t^ und ziehen durch denselben
eine willkürliche Kurve der Klasse C:
auf der Kurve S möge der Wert r = rg den Punkt P^ liefern. Es
sei P4 derjenige Punkt von £, welcher dem Wert t = T3 — £ ent-
spricht, wobei £ eine kleine positive Grröße bedeutet; seine Koordi-
naten seien
^4=^3+ ^^3. ?/4=^3+ ^2/3-
Nun ziehen wir eine den Bedingungen einer „Normalvariation" ■^)
genügende Kurve
S : x^ x{t) = }\t) + %{t, b), 2/ = y{() = y{t) + n{t, e)
vom Punkt F^ nach P^, wobei der Parameter t so gewählt sein möge,
^) Weitere interesciante Sätze über konjugierte Punkte auf geodätischen
Linien findet man bei Braunmühl, Mathematische Annalen, Bd. XIV (1879)
p. 557, V. Mangoldt, Journal für Mathematik, Bd. XCI(1881) p. 23; Darboux,
Theorie des surfaces, Bd. III, Livre VI, Chap. V.
Vgl. ferner die Übungsaufgaben Nr. 1 — 6 am Ende dieses Kapitels.
') Vgl. § 18. ^) Vgl. § 8, a).
Bolza, Variationsrechnimg. 16
Fig. U.
242 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
daß den Punkten P,, P, die Werte t=^t^,t==t, entsprechen, so
daß also
1(^1, ^) = o, n{t.,^) = ^^ 1 (118)
Eine solche Kurve können wir z. B. auf folgende Weise herstellen:
Es seien u und v zwei Funktionen von t von der Klasse C in [t^to^]^
welche für t = t^ verschwinden und für t = t^ gleich 1 werden. Dann
genügen die Funktionen
^(t, s) = u^x^ = u{t)[x{t^ -s)- .r(T3)],
rj{t,£)=^vAy^ = V (t) [y {r^ - «) - K^s)]
allen Bedingungen.
Jetzt variieren wir den Extremalen-
bogen @o? iiidem wir das Stück P^P^
von @o durch die gebrochene Kurve
P^P^P^ ersetzen, während wir das Stück
P^P2 ungeändert lassen. Dann ist
A J = «7i4 + «^43 ~ ^13 ?
wobei die Integrale J, J, J respektive entlang den Kurven @o, ^; ^
zu nehmen sind. _
Für die Berechnung der Differenz J,,- Jis können wir von der
Formel (79) von § 8 für die Variation eines Extremalenbogens Ge-
brauch machen. Dieselbe ergibt in unserm Fall:
wobei (£) eine mit 6 unendlich klein werdende Funktion von s be-
deutet und .
öx^eU^yO), dy = evXi,^^y^
Nun folgt aber aus (118)
^^- 13 = _ sx\t,) , öy '-- ^.?/' W ;
Avir erhalten also
j;^ _ j^^ = _ £ j FA^„ 2/3, *s'. y>') äs' + -PV(^s, Ä, ^s', J/s') %' + ('))'
wobei zur Abkürzung
§ 30. Die Weierstraß'sche Bedingung und die 8-Funktion. 243
gesetzt ist.
Andererseits ist
was wir unter Benutzung des Mittelwertsatzes wegen der Stetigkeit
der Funktion F{x{t), y{r), x\r) , y'(t)) schreiben können
^43 = ^ [^(^3 y ifz , Ky y^) + (f ) J •
Beachten wir noch, daß
^^3 = ^3. %-y^,
so kommt
A J^= E { F{x^, 2/3. ^3', %) - F^^s, 2/3, ^3, 2/3') h' - Fy,{x^, y,, x,\ y^) y^
Da s eine positive Größe sein sollte, so folgt hieraus durch Ver-
kleinerung von £, daß im Fall eines Minimums
F{pc„ 2/3, x^, y^) - F^,{x,,y„ x,% y^) x^ - Fy,{x,,y,, x^, y,')y,' ^ 0 (119)
sein muß, und zwar für jede durch den Punkt P3 gehende Kurve g
und weiterhin für jede Wahl des Punktes P^ auf dem Bogen g^.
Wir führen jetzt die Weierstraß'sche S-Funktion^) ein durch
folgende Definition:
S(x, y, x:, y- x\ y') = ]
Fix, y, x\ If) ~ [x'F,,{x, y, x\ y) + y'Fy,{x, y, x\ /)])' ^^^^^
oder, da nach (10)
F{Xy y, x\ ~y') = xF^,{x, y, x\ i/) + ~y'Fy,{x, y, x\ y'),
8>{x,y', x\y'^ x\y)^
X \F^,{x, y, x\ Y)- F^,{x, y, x, y)] . (i20a)
+ y' [^V(^, y. X, if') - Fyix, y, x\ y')-\ j
Aus den Relationen (9) und (13) ergibt sich die folgende Homo-
geneitätseigenschaft der 8 -Funktion :
%{x, y, hx, Ä;/; hx\ l~y') = m{x, «/; x\ y-, x\ y') , (121)
wenn die beiden Größen l und h positiv sind.
^) Für die Vergleichung mit Kneser beachte man, daß Kneser — 8 statt
des Weierstraß'schen -f 8 schreibt, vgl. Lehrbuch, p. 75.
16*
244 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
Setzen wir daher
t) = — — = cos ö . g = --=^==- = sin ö,|
p = ^—=- = cos ö, ^ = ~-=^^===^ = sin Ö,
so ist
g{x, y, X, y-, X, y) = Vx' + y''ß{x, y, p, q-, p, q), (123)
wodurch das zweite und dritte Argumentenpaar auf Richtungskosinus
reduziert werden. i. . /um j-
Wir können daher das oben gewonnene Resultat (119) so tor-
mulieren; , ^ t,^. • j
Die vieHe notwendige Bedingung für ein (starkes) Minimum des
Integrals J bestellt darin, daß
S{x,y',p,q',p,q)'SO (I^)
für jeden Punkt (x, y) des Extremalenhogens @o. ^^^^ P^ ^ ^^^ ^*'^^^-
tungskosinus der positiven Tangente an @o ^^ ^^^^^ (^' 2/) und p,q
die Richtungskosinus irgend einer Richtung bezeichnen.
Wir werden diese Bedingung die Weierstraß'sche Bedingung nennen.
b) Zusammenliang zwischen der 8-Fuiiktioii und der Funktion F^:
Werden die Winkel d und 6 durch (122) definiert, so haben wir
nach (120a): _
^{x,y',p,q',P,q)
= cos e [F,,{x, y, cos d, sin 6) - F,.(x, y, cos 6, sin ö)]
+ sin e\Fy,{x, y, cos 6, sin 6) - Fy,{x, y, cos d, sin ö)].
Nun ist aber
F^,{x, y, cos Ö, sin Ö) - F^,{x, y, cos (9, sin 6)
= / ^F^.[x,y, cos(ö + T), sin (ö + r)) c?r ,
0
wobei: « = Ö - Ö: und eine analoge Eormel gilt für F^,.
Führen wir die Differentiation nach r aus und machen alsdann
von den Formebi (12a) Gebrauch, so erhalten wir:
K^,y\p,r->p^Q) \
•(124)
^fF^{x, yy cos (ö + r), sin (Ö + r)) sin {(D-t)dt]
§ 30. Die Weierstraß'sche Bedingung und die 8-Funktion. 245
Die beiden Winkel 6 und B sind nur bis auf additive Vielfache von
2;t bestimmt; man kann die letzteren stets so wählen^ daß
Da alsdann sin (co — r) zwischen den Integrationsgrenzen sein Zeichen
nicht wechselt, so können wir den ersten Mittel wertsatz anwenden
und erhalten die folgende Relation^) zwischen der %- Funktion und der
Funktion F^:
%{x, y^ cos 6, sin ö; cos 6, sin 6)
= (1 - cos (ö — d)) F^ {x, y, cos 0% sin ö*) , (125)
wo ö* einen Mittelwert zwischen 6 und 0 bedeutet.
Aus diesem Satz ergeben sich eine Anzahl wichtiger Folgerungen:
1. Lassen wir 6 gegen 6 konvergieren, so kommt
_^S(x.,;p,;^j)^^^^ ^^^^ (126)
e = 0 1 — COS (0 — ö)
Daraus folgt, daß die Bedingung (II) eine Folge der Bedingung (IV) ist.
2. Die Bedingung (IV) ist ihrerseits in der stärkeren Bedingung:
F^{Xj y, cos y, sin 'y)^0 (IIa)
für jeden Punkt (x, y) von ©q und für jeden Wert des Winkels y,
enthalten.
3. Die 8 -Funktion verschwindet stets, wenn 6 = 6 („ordentliches
Verschwinden" nach Kneser), und es ist dann stets auch
e
de\ ~ '
Für einen Wert 6=^6 kann die 8-Funktion nur dann verschwinden
(„außerordentliches Verschwinden"), wenn F^(x, y, cos y^ sin y) für
einen Wert y = 6* zwischen 6 und 6 verschwindet.
4. Wenn in einem Punkt (x, y) die beiden Funktionen F(x, y,
cos y^ sin y) und F^{Xy y, cos y, sin y) für alle Werte von y von Null
verschieden sind, so müssen beide in diesem Punkt für alle Werte
von y dasselbe Zeichen haben.. ^)
Dies folgt aus (125), wenn man für die 8-Funktion ihren Aus-
druck (120) einsetzt und dem 6 einen der beiden speziellen Werte
gibt, für welche
F^,{x, y, cos ö, sin 6) cos 6 + Fy,{x, y^ cos 6, sin ö) sin ö = 0.
^) Satz und Beweis nach Weierstkass, Vorlesungen (1882). Vgl. auch die
analoge Formel beim ^r- Problem, § 18, Gleichung (28).
^) Von Kneser auf anderem Weg bewiesen, vgl. Lehrbuch, p. 53.
246 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sclie Theorie.
Beispiel^) XVII: Das Integral
dt
h
ZU einem Extremum zu machen.
Man findet für die 8 -Funktion den Wert
S(^, y\ p, 2; v^ 2)
== 2/sin2(0 — ö)sin(20 + 0).
Abgesehen von dem Ausnahmefall, wo die beiden Endpunkte auf der a?- Achse
liegen, kann man die 8 -Funktion durch passende Wahl von Ö sowohl negativ
als positiv machen; es kann also kein (starkes) Extremum stattfinden. In dem
erwähnten Ausnahmefall ist ©o das Stück der ic- Achse zwischen den beiden
gegebenen Funkten, und 8 eee 0 entlang ^^ für jede Richtung 6.
Allgemeiner gilt der Satz ^), daß ein (starkes) Extremum — im allgemeinen —
nicht eintreten kann, ivenn die Homogeneitätsbedingung (9) nicht nur für positive,
sondern auch für negative Werte von k erfüllt ist, was z. B. allemal eintritt, wenn
F eine rationale Funktion von x\ y' ist.
Denn in diesem Falle gilt (121) auch für negative Werte von k, so daß
8(aJ, 2/; COS0, 8in0; co8(ö-f tt), sin (0 + tt)) = — %{x,ij\ cos0, 8in0; cos0, sin0).
Die Bedingung (IV) kann also nur in der Weise erfüllt sein, daß
Hoc,y\ p,q\ p,~q)~0
entlang ©^ für jede Richtung 0. Es muß also auch
sein. Nun findet man aber durch direkte Ausführung der Differentiation an dem
Ausdruck (124) die Relation
^, -L 8 = F, {X, y, cos 0, sin 0) . (127)
30
Es müßte also auch
l'\ (^, 2/, cos 0, sin 0) e= 0
sein entlang ©„ für jedes 6. Dies ist aber nur für ganz spezielle Funktionen F
und auch dann nur für singulare Lösungen der Differentialgleichung (I) möglich.
1) Auf dieses Integral führt Newton's Problem des Rotationskörpers von
geringstem Widerstand, vgl. unten § 54, sowie Pascal, Variationsrechnung, p. 111;
Knesek, Lehrluch, §§ 11, 18, 26; der obige Ausdruck für 8 rührt von Weierstrass
her, Vorlesungen (1882).
2) Weierstrass, Vorlesungen (1879). Für das iC-Problem gilt der Satz nicht;
denn von den beiden Richtungen 0 und 0+ ä liefert dann immer nur eine eine
zulässige Variation P^P^Ps, da ja jetzt 2;'> 0 sein muß; vgl. § 25, e).
§ 30. Die Weierstraß'sche Bedingung und die 8-Funktion.
247
c) Die Indikatrix:
Die Diskussion des Vorzeichens der Funktionen i'\ und S läßt sich nach
Caratheodory ^) mit Hilfe der „Indikatrix" sehr anschaulich machen. Die Indi-
katrix für einen Punkt x^ x^, y = y^ des Bereiches 01 ist diejenige Kurve,
welche in Polarkoordinaten q, 6 durch die Gleichung
^ Fix^.y^, cos 0, sin ö) ^ " ^
definiert wird. Dabei wird (wie auch sonst in der analytischen Geometrie), fest-
gesetzt, daß für negative Werte von q der Radius Yektor j q \ vom Pol des
Koordinatensystems aus in der der Richtung d entgegengesetzten Richtung zu
konstruieren ist. Der Pol des Koordinatensystems heißt der „Grimdpunkt" der
Indikatrix; wir bezeichnen ihn mit G.
In rechtwinkligen Koordinaten | , iq wird die Indikatrix mit 0 als Parameter
dargestellt durch die Gleichungen
1 =
cosö
sin B
F{x^, 2/o. cosö, sinö)
aus welchen durch Differentiation
nach 6 folgt
F{Xq, 2/oi c^^ ^1 sin0)
(128 a)
V = ^.(128b)
Mit Hilfe von bekannten Sätzen
der analytischen Geometrie beweist
man dann leicht die folgenden
Resultate :
1. Es seien Q and Q die
den beiden Parameterwerten 0 und
0 entsprechenden Punkte der Indica-
trix. Man ziehe den Radius
"Vektor GQ und konstruiere im
Punkt Q die Tangente QT an
die Indikatrix (siehe Fig. 35).
Zieht man dann durch den Punkt Q eine Parallele zu GQ und ist E der Schnitt
punkt derselben mit der Tangente Ql' so ist 2)
QB §(^0 1 2/o? COS0, sin0; cos0, sin 0)
Gr Q F{Xq , 2/o 1 cos 0 , sin 0)
Fig. 35.
(129)
^) C. Caratheodory, über die diskontinuierlichen Lösungen in der Variations-
rechnung, Dissertation (Göttingen 1904), p. 69 und Mathematische Annalen,
Bd. LXII (1906), p. 456. Caratheodory beschränkt sich auf den „positiv de-
finiten" Fall. Die Kurve ist zuerst von G. Hamel in seiner Dissertation: Über die
Geometrieen, in denen die Geraden die Kürzesten sind (Göttingen 1901), p. 52,
betrachtet worden.
^) Nach brieflicher Mitteilung von Herrn Caratheodory.
248 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
mit der Verabredung über das Vorzeichen, daß der Quotient QB/GQ positiv
oder negativ zu nehmen ist, je nachdem die beiden Vektoren QE und GQ gleich
oder entgegengesetzt gerichtet sind.
Daher gilt die ßegel: Wenn
F{x,,y,,cose,8md)>0,
so ist
8 {x^ , i/o ; cos 0 , sin 0 ; cos ö , «in d) > 0 oder < 0 ,
je nachdem der Funkt Q (0) der Indikatrix auf derselben oder der entgegengesetzten
Seite der Tangente an die Indikatrix im Funkt Q{d) liegt, wie der Grund-
punkt G.
Ist dagegen F(iCo,2/o» cosÖ, sinÖ)<0, so sind in der Ungleichung für
die §- Funktion die Zeichen ^ und << zu vertauschen.
2. Aus der leicht zu beweisenden Formel
,, , F
in welcher die Akzente Differentiation nach 6 andeuten, schließt man weiter;
Wenn
F{Xo,y^, cos d,8md)'^0,
so ist
F^ (^0 , 2/o . cos Ö, sin 0) > 0 oder < 0 ,
jenachdem die Indikatrix im Funkt Q{e) ihre konkave oder konvexe Seite dem
Grundpunkt G zukehrt.
Ist dagegen
J^'(^o. 2/oi CO8 0, sin0)<O,
so sind in der Ungleichung für F^ die Zeichen > und < zu vertauschen.
Hiernach lassen sich die unter b) aus der Relation (125) gezogenen Folge-
rungen unmittelbar an der Indikatrix ablesen; ebenso der ebendort bewiesene
Satz von Weierstraß. Weitere Anwendungen der Indikatrix folgen in §§ 36, a)
und 48, c).
Beispiel XVI: Geodätische Linien. ^Siehe pp. 209, 228, 240.) Hier lautet
die Gleichung der Indikatrix in rechtwinkligen Koordinaten
Wegen (35) ist die Indikatrix also eine Ellipse, deren Mittelpunkt mit dem
Grundpunkt G zusammenfällt. Hieraus schließt man sofort, daß F^ > 0 für
jedes 6.
Beispiel XVII. (Siehe p. 246.)
F=-ll^-- y>0.
x^^y'^'
Die Gleichung der Indikatrix in Polarkoordinaten lautet
_ 1
^ ~ T^in »T '
Hier ist:
(,(0-|-7r) = -p(0).
§31. Das Feld und das Feldintegral.
24:9
Daraus folgt, daß die Indikatrix aus zwei zusammenfallenden Zweigen besteht,
von denen der eine den Werten von d von 0 bis 7c(q^0), der andere denen
von Tt bis 2 TT (p << 0) entspricht.
Den Werten
27t
— X
entsprechen Wendepunkte der Indikatrix.
In diesen Punkten wechselt die Funktion
F^(x,y, cosö, sinÖ)
= 2 2/ sin ö (3 — 4 sin^ d)
ihr Vorzeichen. Das Vorzeichen von F^^
ist in den verschiedenen Sektoren von
Fig. 36 eingetragen.
Aus dem Zusammenfallen der beiden
Zweige folgt sofort geometrisch, daß die
beiden Funktionen
rig. 36.
%{x, y; cosö, sin Ö; cos 0, sin ö) und %{x,y', cos B, sinö; cos (0 -)- w), sin(ö -f 7t))^
stets entgegengesetztes Vorzeichen haben. ^)
§ 31. Das Feld und das Feldintegral.
Indem wir uns jetzt zur Aufstellung hinreichender Bedingungen
wenden^ haben wir zunächst wieder den Begriff eines Feldes^) von
Extremalen einzuführen.
a) Der Satz von der Existenz eines Feldes.
Die Gleichungen
x = (p(t,a), y == ^{t,a)
(130)
mögen eine beliebige Schar von Extremalen darstellen, welche unsem
speziellen Extremalenbogen ^^ enthält (für a = a^y und welche die in
§ 21 j d) unter A), B) und C) aufgezählten Eigenschaften besitzt.
^) Hiezu die Übungsaufgabe Nr. 8 am Ende dieses Kapitels.
^) Vgl. die analogen Entwicklungen für das a?- Problem in § 16. Die dort
gegebene Definition des Feldes ist nur darin zu modifizieren, daß jetzt die das
Feld bildenden Extremalenbogen in Parameterdarstellung gegeben sind, und
ausdrücklich vorausgesetzt wird, daß dieselben keine mehrfachen Punkte be-
sitzen.
250
Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
Wir setzen überdies voraus, daß der Bogen (£q heine mehrfachen
Funkte'^) besitzt und daß die FimUionaldeterminante
A{t, a) = ^l^
^ ^ ^ c{t,d)
entlang dem Bogen (Sq von Null verschieden ist, d. h. also
A(^,ao) + 0 für t.'^t^t,. (131)
Alsdann lassen sich nach § 22, d) und § 21, b) zwei positive
Größen h, k
a, + k
a
a„
Fig. 37.
a.-Tc
Fig. 38.
jxCt^-T,, h<T,-t,, k<d,
(132)
so klein wählen, 2) daß die Gleichungen (130) eine ein-eindeutige Be-
ziehung zwischen dem Rechteck^)
^) Man kann diese Bedingung fallen lassen, wenn man mehrblättrige Felder
nach Art einer Riemann'schen Fläche einführt. Der Beweis ergibt sich leicht
aus dem folgenden Hilfssatz: Jede Kurve der Klasse C
X = x{t)
y = y{t), t,<t<t.
läßt sich in eine endliche Anzahl von Bogen ohne mehrfache Punkte zerlegen.
Mit Hilfe des Mittelwertsatzes und der Stetigkeitssätze zeigt man nämlich,
daß man stets eine positive Größe l bestimmen kann, so daß
(xif) — x{t")y + iyit') — y{t")y =h ^
für je zwei Werte t\ t" des Intervalls [t^ t^'], für welche \t' — t" <^ l.
*) Wegen der Definition der Größen Tj, Tg, siehe § 27, d) unter B).
3) Für manche Anwendungen ist es nötig, das Rechteck etwas allgemeiner
in der Form
^1 — /?i ^ * ^ ^2 + /^a 1 «0 — ^1 < « < ^0 + h
anzunehmen.
§ 31. Das Feld und das Feldintegral. 251
(Si: t^ — h^t^t^+h, \a — a^ /^l-
in der ^, a- Ebene und dessen Bild cT in der x^y-Ehene definieren,
und daß gleichzeitig
A(^; a) =f 0 (133)
im ganzen Bereich 6L.
Wir nennen dann wieder den Bereich c^ein den Bogen (Sq umgehendes
Feld, gebildet von den Extremalen der Schar (130). Nach § 22, c)
und d) liegt der Bogen ©q ganz im Innern von oT, so daß also der
Bereich qT im Sinn von § 26, d) eine ,,Umgebung" des Bogens @q
bildet.^)
Ferner sind im Bereich (9L die Ungleichungen (77) erfüllt und das
Feld qT liegt ganz im Innern des Bereiches 01, da wegen (132) das
Rechteck 6t ganz im Bereich (76) enthalten ist.
Wo es nötig wird, die die Ausdehnung des Feldes bestimmenden
Größen h, Je in die Bezeichnung aufzunehmen, schreiben wir €Lf^ ^
und of;^ ^ für GL und of.
Durch die ein- eindeutige Beziehung (130) zwischen den beiden
Bereichen GL und of werden t und a für den ganzen Bereich oT als
eindeutige Funktionen von x und y definiert. Wir bezeichnen die-
selben mit
t^ i{x,y), a = a(x,y),
so daß also, identisch in oT,
(p(t,a) = x, t(t,d) = y, (134)
und umgekehrt
t{cp,t) = t, a{cp,ij) = a, (134a)
identisch in (9L.
Es gelten dann in gT die Ungleichungen:
^1 — ^^ < t(^, y)^t^ + hy I o(^, y)-%\^lx. (135)
Die inversen Funktionen t{x,y), CL(x,y) sind nach § 22, d) im
Bereich oT (mindestens) von der Klasse C Ihre partiellen Ableitungen
ergeben sich aus den Gleichungen
^) Man kann auch hier, ebenso wie in § 16, a), den Satz von Schonfliess
(AVII2) anwenden, mit demselben Resultat wie dort.
252 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
wobei die Klammern andeuten, daß die Argumente von 9^, (p^ usw.
die Funktionen t, a sind.
Durch jeden Punkt F(x,y) des Feldes geht eine und nur eine
Extremale @^ der Schar (130), für welche der Parameter a der Be-
dingung I a — »0 I 5 /v genügt, während gleichzeitig der den Punkt P
liefernde Wert von t der Ungleichung t^—h^t^t^^h genügt.
Diese Extremale @^ hat im Punkt P eine ganz bestimmte positive
Tangente; die Richtungskosinus p, g derselben sind daher im Be-
reich of eindeutig definierte Funktionen von x und y, die wir mit
pix^y), q{x,y) bezeichnen. Ihre expliziten Ausdrücke sind nach (4)
Nach den über 9 und ^ gemachten Voraussetzungen sind die
Funktionen p{x,y), q{x,y) im Bereich of von der Klasse C.
b) Definition des Feldintegrals:
Wir nehmen jetzt auf der Fortsetzung des Bogens ^^ über Pj
hinaus einen Punkt Pq {t = ^0) an, derart daß
und ziehen durch P^ eine Kurve ^0, die wir uns folgendermaßen
herstellen :
Es sei x^ip) eine im Intervall [«q— ^S «0+ ^] eindeutig definierte
Funktion von a von der Klasse C", welche der Anfangsbedingung
ZoK) = ^o (1-8)
genügt. Durch Verkleinerung von h können wir dann stets erreichen, daß
T,<l,{.a)<t,-h (139)
im ganzen Intervall [% — /, aQ+Ä;].
Setzen wir dann
^ (Zo(«); «) = ^'0 W; ^(Zo^«^S «) = ^0 W. (140)
SO sind die Funktionen x^{a), %{a) von der Klasse C in [a^ — h, a^ + /c],
und die Gleichungen
Äq: x = XQ{a), y = ifo((i)
definieren eine Kurve, welche durch den Punkt P^ geht.
§ 31. Das Feld und das Feldintegral.
253
Die Kurve ^q kann auch in einen Punkt ausarten, wenn es sich
nämlicli trifft, daß die durch die Gleichungen (140) definierten Funk-
tionen XQ(a), y^ip) sich auf Konstante reduzieren, die dann mit den
Koordinaten des Punktes P^,
Xq=Xq{%), % = %{%)
identisch sein müssen. Natürlich kann dies nur dann eintreten, wenn
alle Extremalen der Schar (130) durch den Punkt P^ gehen; in diesem
Fall ist die Funktion %oW ^^* ^®^ i^ § ^^? ^) ^^i^er E) ebenso be-
zeichneten Funktion identisch.
Jetzt sei ^^{x^, y^ irgend ein Punkt des Feldes oJ; durch ihn
geht eine und nur eine Extremale des Feldes
@b:
.+A-
wo
Fig
y = t(t,a^),
Dem Punkt P^ möge
auf @3 der Wert t = t^
entsprechen. Aus (140)
folgt, daß die Extremale
@3 die Kurve ^^ in dem-
jenigen Punkt P4 schneidet,
der auf der Kurve (Sg durch
den Wert ^==%o(%)? ^^^ ^®^ Kurve ^q durch den Wert a = a^ ge-
liefert wird. Da ^3 5 i^i — h, so ist nach (139)
^3>Zo(%)-
Wir betrachten jetzt unser Integral
J=fF{x,y,x,y)dt
genommen entlang der Extremalen ^3 vom Punkt P^ bis zum Punkt
Pg. Schreiben wir zur Abkürzung
und machen von der Abkürzung (83) Gebrauch, so ist der Wert
des Integrals^)
^) Dies ist nur richtig, weil ig > i^ Wäre t^^t^, so müßte man zuerst
auf dem Bogen P^ P^ eine den Sinn umkehrende Transformation t = — r aus-
führen, vgl. § 25, b).
254 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'scbe Theorie. •
J^. (P^Ps) -fiit, %) dt ^ u(t,, a,) . (141)
Derselbe ist zunächst als Funktion von t^, a^ gegeben; da er
jedoch durch die Lage des Punktes Pg eindeutig bestimmt ist, so ist
er zugleich eine im Felde ci" eindeutig definierte Funktion von x^, y^y
die wir mit Wicc^^y^) bezeichnen und das zum Feld c^ gehörige Feld-
integraly gerechnet von der Kurve ^^ aus, nennen.
Das Feldintegral ist also explizite gegeben durch die Gleichung
^te. 2/3) = W(t(^3. yz)y tJ(^3. Ih)) • (142)
c) Die partiellen Ableitungen des Feldintegrals : ^)
Es sollen nunmehr die partiellen Ableitungen der Funktion
^(^3? 2/3) ii9.ch x^^y^ berechnet werden; dabei lassen wir jedoch der
einfacheren Schreibweise wegen den Index 3 bei den Größen ^3,2/3,
^3^% weg.
Aus (142) folgt zunächst
ox \ct/dx xdajdx^ dy \dtjdy * \oaJ cy ^ ^ ^
wobei wir wieder durch Einklammern andeuten, daß nach der Diffe-
rentiation tyü durch i{x,y)y (i{x,y) zu ersetzen sind.
Weiter ergibt sich aus (141) nach den Regeln für die Diffe-
rentiation eines bestimmten Integrals nach den Grenzen und nach
einem Parameter
^ = fF(<,a), (144)
t
J^ =Ji^.<Pa + ^yta + %f,a + ^,^.a\ dt " SF(^, «) ^ ,
wobei durchweg von der Abkürzung (83) und (83 a) Gebrauch ge-
macht ist.
Beachtet man jetzt, daß
und wendet auf das dritte und vierte Glied unter dem Integral die
Lagrange'sche partielle Integration an, so kommt
^) Nach Kneser, Lehrbuch, §§ 14, 15, 20.
§ 31. Das Feld und das Feldintegral. 255
+
Nun ist aber
da die Kurve (Sg eine Extremale ist. Wenn man noch beachtet, daß
wegen (10)
^{t, a) = ^,(t, a) ^,,{t, a) -f i^,{t, a) %,(t, a) ,
so erhält man
Wir führen die Rechnung zunächst für den- schon oben erwähnten
speziellen Fall weiter, wo die Extremalen der Schar (130) alle durch
den Punkt P^ gehen und die Kurve ^^ auf den Punkt P^ zusammen-
schrumpft. Das Feldintegral ist dann einfach das Integral J vom
Punkt Po nach dem Punkt P3 entlang der Extremalen ©3. In diesem
Fall gelten für die Schar (130) die Gleichungen (81), und daher
reduziert sich der Ausdruck für du/ da auf:
1^ = fF,. (t, a) <p, it, a) + %. {t, a) t^ {t, a) . (146)
Allgemeiner tritt dieselbe Vereinfachung allemal dann (und nur
dann) ein, wenn die Funktion ^ = Xo (P") ^^^ Differentialgleichung
+ %'(.i'', «) {tAf, «) + fAf, ») 3 = 0
genügt. Da nach (140)
so läßt sich die Bedingung (147) auch schreiben
JF,, {f, a)x^{a) + %, {f, a) y,' (a) = 0 , (147 a)
oder auch in etwas anderer Bezeichnungsweise
F^. {x,y, x', /) 5„' ^FA^,y, x', y') % '-0 (147 b)
256 Fünftes Kapitel. Die "Weierstraß'sche Theorie.
Die Bedingung (147 b) drückt aber, wie wir bei der Bebandlung
des Problems mit variabeln Endpunkten sehen werden, für den Fall
der Parameterdarstellung aus, daß die Extremale ©g im Punkt P^
Yon der Kurve ^^ transversal^) geschnitten wird; ist diese Bedingung
also für jeden Punkt der Kurve ^^ erfüllt, was eben durch das Be-
stehen der Differentialgleichung (147) ausgedrückt wird, so ist die
Kurve ^o, in der schon früher benutzten Terminologie,^) eine Trans-
versale der Extremalenschar (130).
In dem speziellen Fall einer Extremalenschar durch einen festen
Punkt Pq kann der Punkt P^ als eine degenerierte Transversale be-
trachtet werden, da alsdann die Bedingung (147 a) stets erfüUt ist.
In den Ausdrücken (144) und (146) für cii/ct, du /da hat man
nun schließlich t, a statt #, a einzusetzen und die erhaltenen Werte
in (143) einzuführen. Macht man dabei von den Gleichungen (136)
"Gebrauch, so erhält man
- = tr^. (t, a) , -— - = tr„, (t, a) ,
Erinnert man sich jetzt der Identitäten (134), führt die durch (137)
definierten Richtuugskosinus ^, g ein und benutzt die Homogeneitäts-
eigenschaft (13) der Funktionen F^,, F^,, so erhält man den Funda-
mentalsatz : ^)
Wird das Feldintegral W{x, y) von einer Transversalen der das
Feld bildenden Extremalenschar ans gerechnet, so haben die partiellen
Ableitungen desselben folgende einfache Werte:
Tx ^ ^^^' (^' ^^ ^'^ ^) ' V ^ '^y'^^' ^^' ^'^^^' ^-^^^^
wobei p = p{x,y), g_ = q{x, y) die Bichtimgshosinus der positiven Tan-
gente der durch den Punkt {x, y) gehenden Feldextremalen im Punkt (Xy y)
hezeichnen.
Wir werden die Formeln (148) die ,,Hamiltori sehen Formeln^''
nennen, da sie in allgemeineren*) zuerst von Hamilton entdeckten
Formeln enthalten sind.
Es wirft sich hier die Frage auf, ob man durch den Punkt P^
stets eine Transversale der Schar (130) ziehen kann, d. h. ob die
') Vgl. § 7, b) und § 36, a). ^ Vgl. § 20, a).
^ In dieser Form zuerst von Kneser gegeben, Lehrbuch, pp. 47, 69. Die
Formeln entsprechen beim a;- Problem den zuerst von Beltrami gegebenen
Formeln (41) des dritten Kapitels.
*) Ygl. § 37, b).
§ 31. Das Feld und das Feldintegral. 257
Differentialgleicliung (147) stets ein Integral: t^ = Xo((^) der Klasse C
besitzt, welches der Anfangsbedingung (138) genügt. Schreibt man
die Diiferentialgleichung (147) in der nach (10) damit äquivalenten
Form
^(t^, a) l'l + ^^,{t', a) cp,{t', a) + ^^ß', a) t,{t', a) = 0 ,
so erkennt man auf Grund des Cauchy'schen Existenztheorems, daß
ein solches Integral stets existiert, wofern
m,«o) + 0. (149)
Wenn die Kurve ^^ keine Transversale ist, so fallen die Formeln
für die partiellen Ableitungen von W(x, y) etwas komplizierter aus,
da jetzt in Grleichung (145) das auf t = t^ bezügliche Glied nicht
verschwindet. Dasselbe ist eine eindeutige Funktion von a; das un-
bestimmte Integral^) derselben bezeichnen wir mit ^(a), so daß also
Dann hat man in den beiden Formeln (148) rechts noch das Zusatzglied
-eWg^, resp. -?(a)g^
hinzuzufügen. Setzt man daher
so lauten die Formeln für die partiellen Ableitungen des Feldintegrals,
gerechnet von einer beliebigen Kurve ^q aus,
d W{x^ ==F (x u t) o)- ^"^^-^^
(148 a)
die Funktion g)(x, y) ist im Feld eindeutig definiert und von der
Klasse C\
Aus den Formeln (148), resp. (148a), ergibt sich unmittelbar das
Hilberf sehe invariante IntegraP) für den Fall der Parameterdarstellung :
Zieht man nämlich zwischen zwei beliebigen Punkten Pg, P^ des
1) Vgl. dazu Knesek, Lehrbuch, § 20.
*) ^gl- § 17, a\ Einen direkten Beweis des ünabhängigkeitssatzes für den
Fall der Parameterdarstellung, der sich mehr an den Gedankengang von Hilb er t's
ursprünglichem Beweis anschließt, gibt Bliss, Transactions of the American
Mathematical Society, Bd. V (1904), p. 121.
B o 1 z a , Variationsrechnung. 1 7
258 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sclie Theorie.
Feldes irgend eine ganz in cf verlaufende Kurve iE, so ist der Wert
des Linienintegrals
'^^ -J \^Ä^^ y^ p^ ^) ^^^ + ^.'(^^ y^ ^^ ^) ^2/] . (150)
genommen entlang der Kurve ^, vom Integrationsweg unabhängig
und nur von der Lage der beiden Endpunkte abhängig, wofern die
Größen p, q dieselbe Bedeutung haben wie in den Formeln (148) und
(148 a). Denn aus letzteren folgt, daß
J^ ^fd W{x, y) = Wix„ y,) - W{x„ y,) , (151)
falls das Feldintegral von einer Transversalen aus gerechnet wird, und
J* = W{x^, y^ + (o(x,, y,) - TF(^3, y,) - «(^3, y,)
für den Fall einer beliebigen Kurve ^q.
Aus (148a) folgt weiter, daß die Funktionen p{x,y\ q(x,tj) der
jyartiellen Differentialgleichung
ly FA^, y,P, Q) = rx ^/^'^ y' ^> ^) (^^^>
genügen, entsprechend der partiellen Differentialgleichung (19) von § 17.
Endlich schließt man^) aus (148) und (147a):
Wird das Feldintegral W{Xyy) von einer Transversalen aus
gerechnet, so ist
W(x,y) = konst.
entlang jeder Transversalen der Extremalenschar (130).
Ist nämlich^)
^ = ^(z(«)? (^) = ^(«)> y = ^(^(^)? ^) = ^W
eine beliebige Transversale des Feldes, so daß also, identisch in a^
x\a)^At, a) + y{a)^At, a),^=y.^^) = 0,
so folgt aus (148), daß
'lw{x{a),y{a)) = 0,
') Vgl. § 20, a) und § 44, b).
*) Vgl. das oben über die Kurve t^ gesagte, insbesondere die Gleichung
(147 a).
§ 32. Der Weierstraß'sclie Fundamentalsatz.
259
Unter derselben Voraussetzung erhält man die partielle Differen-
tialgleichung^) für die Funktion W(Xyy) durch Elimination von p^ q
aus den beiden Gleichungen (148) und der Gleichung:
§ 32. Der Weierstraß'sche Fundamentalsatz und die hinreichenden
Bedingungen.
Wir sind jetzt in der Lage, den Weierstraß'schen Fundamental-
satz^) über die Darstellung der totalen Variation AJ durch die
8 -Funktion auch für den Fall der Parameter dar Stellung zu beweisen
und daraus hinreichende Bedingungen für ein Extremum abzuleiten.
a) Die Weierstraß'sche Konstruktion:
Wir wollen uns hier zum Beweis des Weierstraß'schen Satzes
der sogenannten „Weierstraß'schen Konstruktion"^) bedienen. Zu
diesem Zweck ziehen wir — unter Festhaltung der Voraussetzungen
und Bezeichnungen des vorigen __ . -
Paragraphen — vom Punkt Pj ^ - ^ i
nach dem Punkt Po irgend eine
Kurve der Klasse C:
welche ganz im Feld of gelegen ^l
ist. Dabei nehmen wir der Ein- ^^^ ^^
fachheit halber die Bogenlänge s,
gemessen von einem festen Punkt der Kurve ^ als Parameter.
Durch einen beliebigen Punkt P^{x^, y^) von S geht dann eine
und nur eine Extremale (S3 des Feldes; dieselbe schneide die Kurve ^q
im Punkt P^ (vgl. § 31, b)).
') Vgl. § 20, b). 2) Vgl. § 17, c).
^) Weierstkass selbst hat die nach ihm benannte Konstruktion zuerst 1879
gegeben , und zwar für die Extremalenschar durch den Punkt P^ . Dabei er-
geben sich jedoch gewisse Schwierigkeiten, da man es mit einem „uneigentlichen"
Feld zu tun hat (vgl. p. 104, Fußnote ^) und § 33, a). um dieselben zu vermeiden,
hat Zermelo (Dissertation, pp. 87, 88) statt dessen die Extremalenschar durch
einen jenseits von P^ gelegenen Punkt P^ eingeführt. Die im Text gegebene
Verallgemeinerung auf ein beliebiges Feld rührt von Kneser her (Lehrbuch,
§§ U, 17).
17*
260 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
Wir betrachten nunmehr das Integral J, genommen vom Punkt F^
entlang der Extremalen (Sg bis zum Punkt Pg und vom Punkt Pg
entlang der Kurve ^ bis zum Punkt Pg. Der Wert dieses Integrals
ist eine eindeutige Funktion des Parameters^) s des Punktes Pg auf
der Kurve ©, die wir mit S{s) bezeichnen, so daß also in der schon
mehrfach benutzten Bezeichnungsweise
S{s) = J^ + J,,, (153)
wobei durch Überstreichen wieder Integration entlang der Kurve %
angedeutet wird.
Wir lassen jetzt den Punkt Pg die Kurve ^ von P^ bis Pg durch-
laufen. FäUt Pg mit P^ zusammen, so fällt ©g mit dem Bogen PqPi
der Extremalen (SJ zusammen und es kommt
Fällt dagegen der Punkt Pg mit dem Punkt Pg zusammen, so er-
halten wir^)
^(^2) = «^02 = ^01 + ^12 •
Also ergibt sich für die totale Variation
A J = J12 ~ ^12 = J^~ J'^o
der Ausdruck
AJ-=-[S(ä,)-S(s.)]. (154)
Da die Funktion S(s)y wie wir sofort sehen werden, im Intervall
[8^82] eine stetige Ableitung S\s) besitzt, so können wir die letzte
Gleichung auch schreiben
AJ=-J S\s)ds. (154a)
Die Berechnung der Ableitung S\s) bietet nach den Resultaten
von § 31, b) keinerlei Schwierigkeiten. Denn einerseits ist nach der
Definition des Feldintegrals
also
ds ~ dx ^ ^ cy y '
^) Der einfacheren Schreibweise halber schreiben wir s statt 5, .
*) Streng genommen ist Sis^) nicht definiert, und die obige Gleichung ist
durch einen (leicht ausführbaren) Grenzübergang zu erschließen, wobei S{s^)
durch den Grenzwert S{s^ — 0) definiert wird.
§ 32. Der Weierstraß'sche Fundamentalsatz. 261
also nach (148)^ wenn wir der Einfachheit halber zunächst annehmen,
daß die Kurve ^^ eine Transversale^) ist,
~~d^ ^ ^^'^^3; ys, P37 ^3) Ä + Fy'i^s, 2/3; i^3; ^3) f 3 ,
indem wir zur Abkürzung
Pz=p{^z,y^), ^3 = ^(^3; 2/3)
^3= ^'(5); Q3-¥Xs)
schreiben.
Andererseits ist
J,i=fF(x{s), y{s),x{s), y\s))ds,
also
Indem wir die beiden Resultate kombinieren, und uns der Definition
(120) der 8 -Funktion erinnern, erhalten wir daher ^)
-dT = - ^(^3; 2/3; P3, Qs'-, Tz, äz), (löö)
und somit nach (154a)
AJ= J ß{x^, y^'^p^, q^;ps, q^) ds . (156)
Ist die Kurve ^^ keine Transversale, so ist nach (148 a) dem
obigen Ausdruck für dJ^^/ds noch das Glied
-d^'' -~dyy ==~ds ^'^^'hyis)) (157)
hinzuzufügen. Das Integral dieses Zusatzgliedes nach s zwischen den
Grenzen s^ und s^y nämlich
ist aber gleich Null. Denn nach der Definition der Funktion C3(x, y) ist
^) Dabei soll stets der Fall mit inbegriflfen sein, wo die Kurve t^ in den
Punkt P^ degeneriert.
^) Weikrstbass beweist dieses Resultat, indem er die DifFerenzenquotienten
S{s±h) — 8{s) ,
— — ZlT}, berechnet und dann zur Grenze übergeht; vgl. Bolza, Lectures,
§ 20, b) und Hancock, Lectures, Art. 161.
262 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
»(^i; Vi) = S((^(^i; ^l)) ; »(^2; 2/2) = S(Ö(^2; 2/2)) .
und da die beiden Punkte Pj und Pg auf derselben Extremalen (a = a^
des Feldes liegen, so ist
ö(^i?2/i) = «o; 0(^2, 2/2) = «0-
Somit gilt die Gleichung (156) auch, wenn ^^ keine Transversale ist.
Dasselbe Resultat bleibt auch noch bestehen, wenn die Kurve (£
eine endliche Anzahl von „EcJcen'' besitzt, also nach unserer Termi-
nologie ^) irgend eine „gewöhnliche Kurve" ist. Denn zunächst folgt aus
den expliziten Ausdrücken^) für J^g und J.^^ nach A III 4 und A V 4,
daß die Funktion S(s) auch in diesem Fall im Intervall [s^Sg] stetig
ist. Ferner behält auch die Gleichung (155) — eventuell mit dem
Zusatzglied (157) — ihre Gültigkeit, wofern man auf beiden Seiten
die Differentialquotienten nach s, (zu denen auch ^3, q^ gehören), durch
die vorderen, resp. hinteren Deri vierten ersetzt, da die bei der Ab-
leitung von (155) benutzten Dilferentiationsregeln auch für rechts-
seitige und linksseitige Differentiation gelten. Hieraus folgt nach
A V 4 durch Integration die Gleichung (156).
Wir haben somit den Weierstraß'schen Fundamentalsats für
den Fall der Parameterdarstellung bewiesen:
Wenn der Eodremalenbogen ©^ sich mit einem Feld umgehen läßt,
so läßt sich für jede ganz im Feld gelegene, die leiden PimMe P^ und
P2 verbindende getvöhnlichc Kurve (^ die totale Variation
durch die ß- Funktion ausdrücken in der Form
AJ=J S{x,y',p,rr: p,q)ds. (156)
Dabei ist (x, y) ein Funkt der Kurve G; ^, q sind die Richtungskosinus
der positiven Tangente der Kurve Ü im Punkt {x,y), und p, q sind
die Ilichtungskosinus der positiven Tangente der durch den Punkt {x, y)
gehenden Extremalen des Feldes im Punkt (Xjy).
Noch einfacher gestaltet sich der Beweis des Weierstraß'schen
Satzes nach HiLUEirr mittels des invarianten Integrals (150). Denn
') Vgl. § 25, a).
^) Wegen der Bedeutung des Integrals Jj^ entlang einer Kurve mit Ecken
vgl. p. 197, Fußnote '^).
§ 32. Der Weierstraß'gche Fundamentalsatz. 263
da nach der Definition der Funktionen p{x,y), q(x, y) entlang der
I Extremalen @o
I p (^; y) = -7-^-,—, ; ^{^y y) ==
so folgt unter Berücksichtigung von (10) und (13), daß entlang ©^
FA^,y,p,(l)dx^Fy,{x,y,p,q)dy •
= (^a:'(^^ y,oc ,y)x ^Fy.{x,y,x ,y )y)dt = F(a:, y, x ,y)ät.
Daher ist
woraus sich ganz wie in § 17, c) eio zweiter Beweis des Weierstraß-
schen Satzes ergibt.
b) Hinreichende Bedingungen:
Mit Hilfe des Weierstraß'schen Fundamentalsatzes ist es nun
leicht zu beweisen, daß die vier bisher für ein starkes Minimum des
Integrals J als notwendig erkannten Bedingungen — von gewissen
Ausnahmefällen^) abgesehen — zugleich auch hinreichend sind.
Der bessern Übersicht halber stellen wir noch einmal unsere
sämtlichen Voraussetzungen zusammen:
Von der Funktion F{x,yjX,y) wird vorausgesetzt,^) daß sie in
dem Bereich
%: {x,y)m6i, x"^-\-y^=^0,
von der Klasse C" ist und der Homogeneitätsrelation (9) genügt.
^) Diese Ausnahmefälle, die wir zum Teil später noch betrachten werden,
sind:
1. @o hat mehrfache Punkte (vgl. hierzu jedoch die Fußnote auf p. 250^
oder Ecken (vgl. §§ 48—50), oder hat Punkte mit der Begrenzung von
01 gemein (vgl. §§ 52, 53).
2. 2<\ = 0 in gewissen Punkten von @^ .
3. *2 = *i' (vgl. § 47).
4. 8=0 in Punkten von ©^ für gewisse Richtungen p, ^, die nicht mit
jp, q zusammenfallen.
Streng genommen könnte man erst dann von „notwendigen und
hinreichenden" Bedingungen sprechen, wenn auch alle diese Aus-
nahmefälle erledigt wären.
^) Vgl. § 25, b;..
264 Fünftes Kapitel. Die Weierstraßsche Theorie.
Von dem Bogen
wird vorausgesetzt:
1. Der Bogen (Sq ist ein Extremalenbogen der Klasse^) C\ ohne
mehrfache Punkte, welcher vom Punkt P^ nach dem Punkt Pg geht
und ganz im Innern des Bereiches Öl liegt. (!')
2. Es ist
F,{l{t), y{t), x\t), y\t))>0 {IV)
für: \<Ct <ih-
3. Der Bogen (S^ enthält den zu P^ konjugierten Punkt P/ nicht:
t, < t,\ (IIP)
4 Es ist
ß{x{t), y{t) ; x{t), y'{t)', cos 6, sin 8) > 0 (IV)
für: t^^t<:^t2 und für jede Richtung Ö, welche von der Richtung
der positiven Tangente an ^^ im Punkt t verschieden ist.
Es soll gezeigt werden, daß unter diesen Voraussetzungen der
Bogen (Eq wirklich ein starkes Minimum für das Integral
J=J F{x,y,x,y)dt
in dem in § 25, d) definierten Sinn liefert.
Aus den Voraussetzungen (P), (IP), (IIP) folgt zunächst, daß der
Bogen (So mit einem Feld o^^^^ umgeben werden kann. Denn wählt
man einen Punkt Po(^oJ ^^^ ^^^ Fortsetzung von ©^ über den Punkt P^
hinaus hinreichend nahe bei Pj, so besitzt die Extremalenschar durch
den Punkt Pq:
x = (p{t,a), y = ^{t,a)
die in § 27, d) angegebenen Eigenschaften, die zugehörige Funktional-
determinante A(f, «o) = c@(^, ^o) genügt nach § 29, b) der Jacobi-
schen Differentialgleichung (102) und verschwindet für ^ = ^o- ^^^
der Bedingung (IIP) folgt dann mittels des Sturm'schen Satzes
genau wie in § 12, aj, daß
A(^, «0)4=0 für t^<:t^t^,
falls der Punkt Pq hinreichend nahe bei P^ angenommen wird. Hier-
aus folgt aber nach § 31, a), daß die Extremalenschar durch den
Punkt Po in der Tat ein Feld c^ j^ um den Bogen (Bq liefert.
^) Hieraus zusammen mit '^11') folgt, daß (i^, allemal von der Klasse C" ist»
vgl. § 27, a).
§ 32. Der Weierstraß'sche Fundamentalsatz. 265
Ziehen wir jetzt im Innern dieses Feldes irgend eine, von (Sq
verschiedene, ,,gewöhnliche" Kurve ^ von P^ nach P^, so gilt für die
vollständige Variation: AJ=J^ — J^ der Weierstraß^sche Satz
(156).
Es bleibt also nur noch zu zeigen, daß aus den gemachten Voraus-
setzungen weiter folgt, daß der Integrand von (156) nie negativ sein
kann, vorausgesetzt, daß die die Ausdehnung des Feldes ol^ ;;. bestim-
menden Größen h, Je hinreichend klein gewählt worden sind.
i Zu diesem Zweck führen wir mit Zermelo^) neben der 8-Funktion
eine Funktion 8j^ ein durch folgende Definition:
^p-T^fi"- wennl-(^^ + ,^) + 0, (158)
[F^(x,y,p,q), wenn 1 - {pp + qq) = 0 , d.h. p=-p, q = q',
wobei ^, g; j}, g durch (122) definiert sind.
Die Funktion 8^ ist dann nach (125) und (126; eine stetige
Funktion ihrer sechs Argumente in dem durch die Bedingungen
(x, y) in Öl , ^2 + g^ = 1 , p^ -[. ~q^ ^ l
charakterisierten Bereich.
Jetzt sei (rc, y) irgend ein Punkt des Feldes cf)^ j^j und (^, d) der
entsprechende Punkt der ^, a- Ebene; ferner seien ^ (rr, y) und q(x,y)
wieder die Richtungskosinus der positiven Tangente der durch den
Punkt (x, y) gehenden Extremalen des Feldes, und 0 sei die Amplitude
einer beliebigen Richtung. Dann ist nach (137) und (121)
^1 {^yViP (^^ y), <1 (^? 2/); cos Ö, sin 0)
= ß^((p(t, a), ^(^, (x); (p^{t^ (7), i^/t, a)] cos 9, sin 6)
und die auf der rechten Seite stehende Funktion der unabhängigen
Variabein t, a, 0 ist nach dem Satz über zusammengesetzte Funktionen
stetig in dem Bereich
t^—h^t^t^+h, \a — a^l^h, — oo < ö < -f- oo . (159)
Sie ist ferner nach unseren Voraussetzungen (IV^) und (IP) positiv in
^) Dissertation, p. 60. Es ist für den folgenden Schluß nötig die Funktion 8^
einzuführen, weil die §- Funktion für 6 = 6 verschwindet.
266 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
der ganz im Innern dieses Bereiclies gelegenen^ beschränkten, ab-
geschlossenen ^) Punktmenge
also lassen sich nach dem erweiterten Vorzeichensatz (§21, b)) die
beiden positiven Größen h und k so klein annehmen, daß die be-
trachtete Funktion von t, a, 0 auch noch positiv ist in dem ganzen
Bereich (159), wobei man noch von der Periodizität in Beziehung auf
6 Gebrauch zu machen hat. Daraus folgt aber nach (158): Wenn
die beiden Größen h und k hinreichend klein gewählt worden sind,
und die Kurve S ganz im Bereich (^\ f. liegt, so ist der Integrand
von (156) positiv in allen Punkten der Kurve ß, in welchen die
Richtung p, q nicht mit der Richtung p, q zusammenfällt, dagegen
gleich Null, wo diese beiden Richtungen zusammenfallen. Es ist also
AJ> 0, außer wenn p = p, q ^ q entlang der ganzen Kurve (i ,
in welchem Fall AJ = 0 ist.
Der letztere Fall kann aber nicht eintreten, wenn, wie wir voraus-
gesetzt haben, die Kurve ^ von @q verschieden ist.
Denn^) nach (134) ist in jedem Punkt (^, y) von ©:
(p{i(x,y), a{x,y)) =x, t{t{x,y), aix,y)) = y, (160)
Diiferentiieren wir diese Identität nach s so kommt:
dt , da
, dt . , da
(161)
Wäre nun p =p^ ^ = ^ entlang der ganzen Kurve S, so würde
folgen
x=m(p^, y=inti,
wo m eine Funktion von s ist, welche in [«iSgl beständig positiv ist,
während die Argumente von (Pi,ti wieder t{x,y)j a{x,y) sind.
^) Bei der entsprechenden Untersuchung beim jj- Problem hat man es, bei
der von uns gewählten Formulierung der Aufgabe, mit einem Bereich zu tun,
der nicht abgeschlossen ist (da dort die Richtungen Ö = + -- ausgeschlossen
sind). Dies ist der Grund, weshalb beim a;- Problem die den Bedingungen (P)
bis (IV) entsprechenden Bedingungen nicht hinreichend sind. (Vgl. § 18, c) u. § 19).
-) Beweis nach Kneser, Lehrbuch, p. 80.
§ 32. Der Weierstraß'sche FundameDtalsatz. 267
Die Gleichungen (161) lassen sich also schreiben:
/dt \ . da ..
Nun gehören aber nach (135) die Argumente t(xyy), a(x,y)
von (pty ^ay'^tj'^a ^^^ Kcchteck €Lj^j. an (vgl. § 31, a)), also ist nach
(133) die Determinante dieses linearen Systems von Null verschieden^
also :
di da r.
= m, , =0.
ds ' ds
Aus der zweiten Gleichung folgt, daß die Funktion a(x,y) ent-
lang der Kurve S konstant ist, und da im Punkt P^ : (i(Xiy y^) = a^ ,
so ist a(x,y) = aQ entlang S. Dagegen sagt die erste Gleichung
aus, daß die Funktion i(x, y) gleichzeitig mit s wächst. Daraus folgt
aher nach (160), daß die Kurve ® mit (5q identisch ^) sein müßte, da
ihre Gleichungen aus denen von ©^ durch eine zulässige Parameter-
transformation hervorgehen.
Somit ist A«7>0, und wir haben das folgende zuerst von
Weierstrass (1879) bewiesene Endresultat gewonnen:
Wenn der Exfremalenhogen @o die Bedingungen (V), (11'), (IIP),
(IV) erfüllt, so liefert er stets ein starl^es eigentliches Minimum für
das Integral
J=jF{x,y,x,ij')dt.
Zusatz I: Die Bedingung (IIP) kann auch hier durch die Be-
dingung ersetzt werden, daß sich der Bogen (S^ mit einem Feld um-
gehen läßt.
Zusatz II: Wenn die Bedingung
jPj (Xj y, cos y, sin y) > 0 (Il'a)
in jedem Punkt (x, y) von @o nnd für jeden Wert von y erfüllt ist,
so sind (IP) und (IV) a fortiori erfüllt, letztere wegen (125).
^) Wir haben stillschweigend vorausgesetzt, daß die Kurve G keine Ecken
besitzt; andernfalls hat man in den Ecken die Diiferentialquotienten durch die
vorderen (resp. hinteren) Derivierten zu ersetzen. Das Resultat bleibt aber das-
selbe; denn auch dann hat die Funktion a(x^y) entlang der ganzen Kurve 1,
denselben konstanten Wert, da sie stetig ist.
268 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
Für ein im Bereich Öl reguläres^) Problem ist daher die Be-
dingung (11^) stets a fortiori erfüllt.
Beispiel') XIII:
Hier ist
^i(^, 2/; P, ^; ^, ^) = <^l^i ?/)•'
daher ist die Bedingung (IV') erfüllt, wenn
G{x,y)>0
entlang @o-
Dies zeigt, daß beim Problem der Brachistochrone ein Bogen P^ Pg der
Zykloide (108) wirklich ein Minimum liefert, wenn er keine Spitze enthält
(vgl. p. 209, Fußuote ^) und p. 235).
Beispiel XVI: Die geodätischen Linien. (Siehe pp. 209, 228, 240, 248).
Hier war
' (j/E u'^'+ 2 ¥u'v' + G v^'Y
Unter den Annahmen, die wir auf p. 209 über die Natur des Flächenstückes
SnX gemacht haben, auf welches die geodätischen Linien zu beschränken sind,
ist das Problem ein reguläres Problem. Ein Bogen Q^ Q^ einer geodätischen
Linie, welcher keine mehrfachen Punkte und keine Jacken besitzt, und ganz im
Innern des Flächen Stückes STl liegt, liefert also allemal wirklich ein Minimum,
wenn er den zu Q^ konjugierten Punkt ^/ nicht enthält.
c) Nachtrag: Die Bliss'sche Modifikation des Weierstraß'schen
Problems.
In einer während der Drucklegung des gegenwärtigen Kapitels erschienenen
Arbeit „J. new form of the simplest proUem of the calculus of variations"-, Trans-
actions of the American Mathematical Society, Bd.VIII (1907), p. 405, hat
Boss das in diesem Kapitel behandelte Weierstraß'sche Problem in einer
modifizierten Form diskutiert, über die hier noch kurz referiert werden soll.
Haben die Buchstaben 6 und s dieselbe Bedeutung wie in § 25, a) und
setzt man
F{x,y, COS0, sinö) = f^(;r,2/,ö), (162)
so läßt sich wegen (9) das Integral r'
J^JF{x,y,x\y')dt
h
J=J*^{x,y,e)ds. (163)
auch schreiben
1) Vgl. p. 214.
*; Wegen mechanischer und optischer Interpretationen dieser Aufgabe siehe
die tjhuyigsauf gaben Nr. 9 und 18 am Ende dieses Kapitels.
§ 32. Der Weierstraß'sche Fundamentalsatz.
269
Bliss stellt sich nun die Aufgabe, das Integral J in dieser Form zu einem
Extremum zu machen, wobei er noch die Verallgemeinerung eintreten läßt, daß
die Funktion ^ in 0 nicht periodisch mit der Periode 27r zu sein braucht.
Ersetzt man, wie in § 26, die Funktionen £C , y durch x = x -\- s^^ y = y -\- sj],
wobei ö in ö übergehen möge, so findet man durch Differentiation der Gleichungen
cos 6
nach 8, daß
Yx' + f
sin d
y
Vx^ +
~^7T\
dy
dB
-, dx
Hiernach läßt sich dann die erste und zweite Variation des Integrals (163)
berechnen. Setzt man
It) = i sin ö — 7] cos 0
■\/x^ + y
-2A?
X = 15^ sin Ö - ^y cos ö + g^ ^ cos 0 + f^^ g sin 6
g, = S^ sin 0-51^ cos 0-f^,(^)',
so erhält man im Fall fester Endpunkte
. dd_
^' ds
(164)
dJ
,>2
%ds,
.v=.'/[g,„. + g.Q]...
(165)
Daraus ergibt sich dann unmittelbar die Euler'sche Differentialgleichung,
die Legendre'sche und die Jacobi'sche Bedingung für das Integral (163).
Man kann diese Resultate auch aus den Weierstraß'schen Formeln ableiten,
indem man von den Relationen zwischen den partiellen Ableitungen der Funktionen
F und % Gebrauch macht, die man durch Differentiation der Identität (162)
nach X, y, 0 erhält. Es ergeben sich dabei folgende Beziehungen:
F, {X, y, x\ y) {i^^^^J^y'-^^y =. %,{x,y,&),
T{x, y, x\ y\ x'\ y") == %\x, y, 0, —j,
^{x,y; X, y; x\ y)
: %(x, y, 6) - %{x, y, 0) cos (0 -0) >
-f50(^,2/,ö)sin(0~-0)
(166)
270 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
Der Vorteil der Bliss'schen Formeln besteht darin, daß in ihnen nur
Größen vorkommen, welche bei einer Parametertransformation invariant bleiben.
Auch ist die Funktion g^ einfacher als die Weierstraß'sche Funktion F^.
§ 33. Existenz eines Minimums „im Kleinen".
Sind zwei Punkte Pj, Pg gegeben, so ist es im allgemeinen nicht
möglieh, a priori zu entscheiden, ob dieselben durch eine Extremale
verbunden werden können; es bedarf dazu in jedem einzelnen Fall
einer besonderen Untersuchung. Wenn jedoch die beiden Punkte
hinreichend nahe beieinander liegen, so kann man sie unter
gewissen Voraussetzungen über die Funktion F stets durch eine Ex-
tremale verbinden, und zwar eine solche, welche tatsächlich ein Ex-
tremum für das Integral J liefert.
Dieser Satz^), der nicht nur an sich, sondern auch wegen seiner
zahlreichen Anwendungen von Wichtigkeit ist, soll den Gegenstand
des gegenwärtigen Paragraphen bilden.
a) Konstruktion eines Feldes um einen Punkt:
Wir beweisen zunächst den folgenden
Satz I: Es sei F-^{x^yy^ ein Tunkt im Innern des Bereiches ^,
für welchen die Bedingung
Fl (^1, Vi, cos y, sin y) + 0 (167)
für jedes y erfüllt ist. Alsdann lassen sich zwei positive Größen l und
R angehen, dera/rt daß sich vom Punkt P^ nach jedem von Pj ver-
schiedenen Punkt Pg im Innern des Kreises mit dem Radius R um
den Punkt P^ eine und nur eine ExtreynaW^) ziehen läßt, deren Länge
kleiner als l ist.
Dieselbe besitzt keine Doppelpunkte und ist ganz in dem Kreis mit
dem Radius | Pi P2 1 um den Punkt P^ enthalten.
Beweis: Aus den gemachten Annahmen folgt zunächst nach § 27, a), daß
vom Punkt Pj nach jeder Richtung eine und nur eine Extremale gezogen werden
kann. Die Extremale @„, deren positive Tangente im Punkt P^ mit der posi-
tiven a;- Achse den Winkel a bildet, schreiben wir in der Normalform (73)
von § 27:
^) Der Satz rührt von Weierstrass her, der jedoch nur einige Andeutungen
eines Beweises gegeben hat. Einen detaillierten Beweis hat zuerst Bliss ge-
geben, Transactions of the American Mathematical Society, Bd. V
(1904), p. 113. Caratheodory hat kürzlich den Satz auf gebrochene Extremalen
ausgedehnt, indem er die Voraussetzung (107) durch eine schwächere Voraus-
setzung ersetzt, vgl. Mathematische Annalen, Bd. LXII (1906), p. 481.
^} Es ist hier ausschließlich von Extremalen der Klasse C die Rede.
33. Existenz eines Minimums „im Kleinen*'.
271
2/ = D(i;a;i,2/i,a) = t(^,
, (168)
U)J' ^ ^
wobei t wieder die Bogenlänge, gemessen vom Punkt P^ an, bedeutet, so daß also
9'.' + ^^' = l- (169)
Nach § 23, a) Zusatz ^) läßt sich dann eine positive, von a unabhängige
Größe h angeben, derart daß das Reguläritätsintervall der Extremalen @^
mindestens das Intervall \t\^h umfaßt, und aus den Eigenschaften der Funk-
tionen^) 3£, ^ folgt zugleich, daß die Funktionen
(170)
171^
(172)
^, 9p ^tr ^' ■^p '^tt
im Bereich
0^\t\^Ji, 0^a^27t
von der Klasse C sind, und daß sie den Anfangsbedingungen
(p{0,a) = x,, if)(0, a) = t/i, 1
g)^(0, a) = cos«, ipf{0, a) = sma\
genügen, aus denen durch DitFerentiation nach a folgt:
(3P^(0,«)==0, i|;jO,a)^0, 1
•^^(0, «) = — sin«, i|)^^(0, a) = cosa.J
Endlich sind die Funktionen qp, i|; in Beziehung auf die Variable a periodisch
mit der Periode 27r.
Es handelt sich um die Auflösung
der Gleichungen (168) nach t und a. Statt
die Aufgabe direkt in Angriff zu nehmen,
wobei sich wegen des Verschwindens der
Funktionaldeterminante A (f , a) für t=0
Schwierigkeiten ergeben, führen wir an
Stelle der rechtwinkligen Koordinaten aj, y
Polarkoordinaten r, co ein mit dem Pol P^
und der positiven ;:i^-Richtung als Achse.
Alsdann ist bei geeigneter Normierung ^) des
Winkels w
Mg. 41.
^) Die dort mit €1^ bezeichnete Punktmenge ist hier die durch die Be-
dingungen
i = o, x — x^, y = y^, 0<ö^27r
charakterisierte Menge im Raum der Variabein t, x, y, 0. Dieselbe liegt nach
den gemachten Voraussetzungen im Innern des Stetigkeitsbereiches der Diffe-
rentialgleichungen (43), vgl. § 27, a).
'-) Vgl. § 27, b).
=') Die hier gewählte Darstellung (173^) für den Winkel w, die man leicht
durch Differentiation nach t verifiziert, hat im Gegensatz zu den Darstellungen
durch inverse trigonometrische Funktionen den Vorteil, eindeutig und stetig zu sein.
272 Fünftes Kapitel. Die Weietstraß'sche Theorie.
t
(o == a -\- l —
(173)
Es läßt sich nun stets eine positive, von a unabhängige Größe k < h angeben ^),
80 daß r>0 für 0<i<Ä'. Alsdann sind die Funktionen r{t,a) und «(*,«)
von der Klasse^) C in dem Bereich
O^t^k, 0^a^27r. (174)
Ferner ist
r^(0, a) = l, r„(0, a) = 0, r(f, a + 27r) = r(i, a) , (175)
(a(0,a) = a, (ö„(0,a) = l, (o(i, a + 2??) = «(t, a) + 27r . (176)
Hieraus ergibt sich für die Funktionaldeterminante
V ^r, «) =
der Anfangswert
^(*'"^=a(*,.)
V(0,a) = l. (177)
Nunmehr kann man auf die Gleichungen (173) den Satz von § 31, a) an-
wenden, wobei den dort mit t, a, a^ bezeichneten Größen der Reihe nach die
Größen a, t, 0 entsprechen und erhält das Resultat, daß man k so klein wählen
kann, daß die Gleichungen (173) eine ein-eindeutige Beziehung zwischen dem
Bereich (174) und dessen Bild in der r, co Ebene definieren, woraus sich der
<>ben ausgesprochene Satz durch Übertragung auf die x, i/- Ebene ergibt.
Statt dessen kann man auch folgendermaßen schüren ^): Nach § 21, b)
folgt aus (175) und (177), daß sich eine positive Größe Z < ä; so klein wählen
läßt, daß
r^>0, V>0 (179)
für
0<«<Z, — oo<a<-|-(X).
^) Durch Anwendung des Taylor'schen Satzes erhält man
r = tycp^HQ't,a)^^,\e"t,a)\ 0<Ö'<1, 0 < ö" < 1 . (178;
Man wende nunmehr den Satz von § 21, b) auf die Funktion
an.
2) Der Wert i = 0 verursacht einige Schwierigkeiten; man wende den
Taylor'schen Satz an und benutze die Gleichungen (109), (171) und (172).
Wesentlich einfacher gestaltet sich der Beweis, wenn cp{t, a), ^{t, a) regulär sind.
8) Nach Bliss, Bulletin of the American Mathematical Society,
Bd. Xin (1907), p. 321; der geometrische Grundgedanke des Beweises kommt
übrigens schon bei Weierstrass vor.
§ 33. Existenz eines Minimams „im Kleinen'
273
Es sei jetzt ^das Minimum der stetigen, stets positiven Funktion r(l,a)
im Intervall 0 < a < 2 :/r und P^ ein von P^ verschiedener Punkt im Innern des
Kreises^) {P^, B). Wir konstruieren den durch P^ gehenden Kreis mit dem
Mittelpunkt P, und bezeichnen mit r« seinen Radius, so daß
0<r2<E.
Alsdann sehneidet jede Extremale ©^ der Schar (168), deren Länge kleiner ist
als l, den Kreis (P^, r^) in einem und nur einem Punkt Pg. Denn lassen wir
t von 0 bis l wachsen, so wächst die Funktion r{t, a) wegen (179) beständig
von 0 bis r{l, a), sie muß also für einen Wert von t zwischen 0 und /, den wir
mit t{r^, a) bezeichnen, den Wert r^ annehmen. Aus der Periodizität von r{t, a)
folgt, daß auch die inverse Funktion t{r, a) in a periodisch ist mit der
Periode 2 7t.
Lassen ivir jetzt a von 0 bis 1% ivaehsen, so beschreibt der Punkt Pg den
Kreis (P^, r^) genau einmal; er muß also durch jeden Punkt des Kreises, also
auch durch P^, gerade einmal hindurchgehen.
Denn die Amplitude des Vektors P^ Pg ist bei passender Normierung ge-
geben durch
(o(t{r^, a), a) = ü(r2,a).
Nun ist aber
da
+ «a =
Fig. 42.
und dies ist nach (179) positiv, da
t(r^, a) << l.
Lassen wir also a von 0 bis 2^
wachsen, so wächst ß(rg,a) beständig
von ß(n, 0) bis a{i\, 27t). Aus Gleichung
(176) und aus der Periodizität von t{r, a)
folgt aber
P.[r„ 27t) = Sl{r„ 0) + 27t,
womit unsere Behauptung bewiesen ist.
Somit geht in der Tat durch jeden
(Pi, P) eine und nur eine Extremale ©jg, deren Länge kleiner ist als l
der Ungleichung r^>0 folgt noch weiter, daß diese „kürzeste Extremale" (£j,
ganz in dem Kreis um P, mit dem Radius | Pj P2 | gelegen ist, und daß sie
keine Doppelpunkte besitzt.
Die durch Auflösung der Gleichungen (173), resp. (168) sich ergebenden
inversen Funktionen t, a sind nach dem Satz über implizite Funktionen von der
Punkt Pg im Innern des Kreises
Aus
^) Allgemein soll nach dem Vorgang von Harkness und Mokley unter der
Bezeichnung (Ä, r) der Kreis mit dem Mittelpunkt Ä und dem Radius r ver-
standen werden.
B o 1 z a , Variationsrechnung .
18
274 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
Klasse C, zunächst als Funktionen von i\ a im Bereich
0<r<J?, ß(r, O)^co<ß(r, 0) + 27t,
und weiterhin auch als Funktionen von x, y in allen Punkten der entlang der
Extremalen a = 0 aufgeschnittenen Kreisfläche : 0 < (o; — x^Y + (2/ — 2/i)^ < ^^*'
In gegenüberliegenden Punkten des Schnittes hat die inverse Funktion
cl{x, y) die Werte 0 und 2 7r; daher sind die Funktionen i{x, y\ p{x, y) = (jp,(t, a),
g(ic, 1/) = i^^(t, a) von der Klasse C in der unaufgeschnittenen Kreisfläche mit
Ausschluß des Mittelpunktes F^. Im Punkt F^ bleibt i{x, y) stetig und hat
dort den Wert Null, während p{x, y) und q{x, y) unbestimmt werden. Nähert
sich aber der Punkt {x, y) längs einer Kurve © der Klasse C dem Punkt P^,
so nähern sich i){x, y), q{x, y) den Richtungskosinus der positiven Tangente an
die Kurve © im Punkt P^. Letzteres folgt daraus, daß nach (ITS^) die Funktion
«(<,«) für t = 0 gegen « konvergiert und zwar gleichmäßig in Beziehung
auf a.
Wir werden im Anschluß an unsere frühere Terminologie sagen^
die Kreisfläche (P^, R) bilde ein (uneigenüiches) Feld von Extremalen
um den PunM P^.
Man beweist 1) dann weiter mittels der Weierstraß'schen Kon-
struktion den
Sats II: Ist Q^R, liegt der Kreis (Pj, q) ganz im Innern des
Bereiches 61 imd ist
F,{x, y, cos y, sin >^) > 0 (< 0) (180)
für jedes x, y in (P^, q) und für jedes y, so liefert die Mrzeste Extremale
@i2 f^'on Pi nach einem im Innern von {P^, q) gelegenen Punlt P^ für
das Integral J einen Heineren^) (größeren) Wert als jede andere
gewöhnliche Kurve d, welche im Innern des Kreises (I\, q) von P^
nach Pg gezogen teer den l'ann.
Aus § 21, b) folgt übrigens, daß sich q stets diesen Bedingungen
gemäß wählen läßt, sobald die Voraussetzungen von Satz I erfüllt sind.
Läßt man in den Gleichungen (168) die Variable t von t--= — h bis zum
Wert 0 wachsen, so stellen die Gleichungen einen im Punkt P^ endigenden
Bogen der Extremalen ©,, dar. Definiert man nun die Funktion r(t, a) für nega-
tive Werte von / durch
1) Vgl. § 32. Der Punkt P^ verursacht dabei einige Schwierigkeiten, dadie
Funktionen p, q in P^^unbestimmt werden; dieselben erledigen sich jedoch unter
Benutzung von A IV 4, wenn man beachtet, daß die Funktionen _p, q sich be-
stimmten endlichen Grenzen nähern, wenn der J'unkt (rc, y) sich dem Punkt P^
längs der Kurve ^ nähert, und daß die Kurve ß, da sie eine gewöhnliche Kurve
ist, nur eine endliche Anzahl von Malen durch I\ gehen kann.
^ Für den Nachweis, daß der Fall AJ^O nicht eintreten kann, (vgl.
§ 32, b)), beachte man, daß: A(t, a) = r V(*,a), sowie die Ungleichung (179).
§ 33. Existenz eines Minimums „im Kleinen". 275
r {t, a) = — y(^ -^7)^+ (:^Z. -^ji \ ^
dagegen (x>{t,a) ebenso wie früher, so ist
r (t, a) = - 1 P^ p, , CO {t, a) = am P, P3 4- :r .
Indem mau dann die frülieren Schlüsse für das Intervall: _ ;^ ^ # ^ 0 wiederholt
erhält man den '
Zusatz: Unter denselben Voraussetzungen tvie im Satz I lassen
sich zwei Größen V und B' angeben, derart daß von jedem von P
verschiedenen Punkt P, im Innern des Kreises (P,, E) eine und nur
! eine Extremale (E,^ nach P, gezogen tverden kann, deren Länge Meiner
als V ist.
Die Extremale ©g^ wird im allgemeinen von ©jg verschieden sein
vgl. § 25, b). '
b) Abhängigkeit der Größen l und R von der Lage des Punktes P,:
Die Größen / und i^ hängen natürlich von der Lage des Punktes
Pj ab. Hierüber gilt der folgende Satz:
Satz III: Ist ölo ein ganz im Innern des Bereiches 6{ gelegener
beschränkter, abgeschlossener Bereich, und ist das vorgelegte Variations-
prohlem regulär^) in 6{„ so gelten die vorangehenden Resultate gleich-
mäßig in bezug auf den Bereich ^„ d. h. es lassen sich zwei von
x„ y^ unabhängige positive Größen l^ und q^ bestimmen, derart daß
irgend zwei Punkte P,, P, von ^„ deren Entfernung kleiner ist als
^0; durch eme und nur eine Extremale ©^^ verbunden werden können
deren Länge kleiner ist als l^, und diese Extremale ©^^ liefert für
das Integral J einen kleineren Wert, als jede andere gewöhnliche 2)
Kurve, welche im Innern des Kreises {P„ ^,) von P, nach R be-
zogen werden kann. *
Um dies zu zeigen, hat man in dem vorangehenden Beweis die Funktionen
qp, 1^; r, tö; r^, V als Funktionen nicht nur von t, a sondern auch von x^ y, zu
betrachten und sich dabei der Eigenschaften der Funktionen 3£, fj zu erinnern
J1.S folgt dann zunächst nach § 23, a) Zusatz, angewandt auf die Menge
* = 0, {x,,y,) in 01,, 0^a^2n,
daß sich eine positive, von «, ./;„ y, unabhängige Größe h, angeben läßt, der-
') D. h. es ist
I\{x,y, cos 7, 8iny)=(=0
für jeden Punkt {x,y) von 01, und für jedes y, vgl. § 27, a)
o o \ ^^^^^f" ^^"^ Ausdehnung des Satzes auf Kurven der Klasse K siehe
§ 3o, d), Ende.
18*
276 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
art daß das Regularitätsintervall für jede, von einem beliebigen Punkt F^ vou
5lo ausgehende Extremale ©„ das Intervall i | < /^o enthält.
Sodann zeigt man mittels des Satzes von §_21, b), daß sich zwei weitere,
von a, iCi, 2/1 unabhängige Größen Aq ^ /^o und lo<K angeben lassen, derart daß
r(i,a.; .Ti,t/i)>0
für ^
0 < i < Ä-^ ; {x^, i/i) in 01, ; — Oü < a < + oo,
r,{t,a;x,,y,)>0. V {f.a; x,, y,)> 0 (181)
für ^ ^
Ferner sei B^ das stets positive Minimum der Funktion rQ^^a; x^^y^) in dem
Bereich __ __
{x^,y^) in 0l(,; 0<a<27r. (182)
Schließlich bestimmen wir nach § 21, a) und b) eine Umgebung [<J]^ , welche
im Innern von 01 enthalten ist, und in welcher das Problem auch noch regulär
ist. Dann ist q^ die kleinere der beiden Größen B^, ö.
Die kürzeste Extremale e^g braucht selbst nicht ganz im Bereich 01^ zu
liegen. In dem speziellen Fall, wo sich eine positive Größe tfo < 9o angeben
läßt, derart daß für je zwei Punkte P^, P^ von ^l^, deren Entfernung kleiner
als 6q ist, die sie verbindende kürzeste Extremale ©12 stets in 01^ enthalten ist,
sagen wir, der Bereich 61^ sei „extremal-konvex/'
Für spätere Anwendungen schließen wir hier noch einige weitere, die
gleichmäßige Konvergenz betreffende Folgerungen an:
Indem man die Stetigkeitssätze und den erweiterten Vorzeichensatz von
§ 21, b) auf die Funktion
der fünf Variabein t\ t'\ a, x^, y^ anwendet und von Gleichung (178) Gebrauch
macht, erhält man das Resultat, daß
jr,':!*!^^^!, ./ (183)
gleichmäßig^) in Beziehung auf den Bereich (182), und daß sich zwei positive,
von a, X,, 2/1 unabhängige Konstante g^ und G^ angeben lassen, derart daß
g,t^r{Ua)^G,t (184;
in dem Bereich __
O^^^A'o, 0<a<2:t, {x^, y,) in 01« ^
was sich auch so aussprechen läßt: Sind P^, P, irgend zwei Punkte von 01,,
1) Vgl. A II 6.
§ 33. Existenz eines Minimums „im Kleinen''. 277
deren Entfernung kleiner ist als B^, und ist l^^ die Länge der Ton Pj nach Pg
gezogenen „kürzesten" Extrem alen 6^3, so ist
9A,< P^F,\<G,l,,. (184a)
Ist ferner JV^ das Maximum der Funktion ! F{x^ y, cos y, sin 7) | im Bereich
(182), so erhält man für den Wert J^^ des Integrals / entlang ß^« "^^n P^ nach
Pg die Ungleichung
\Jr.\<N,\,'^^\P,P,\. (184b)
Weiter folgt aus (173«), daß
L[co{t,u) — a\ = 0 (185)
gleichmäßig in Beziehung auf den Bereich (182). \
Endlich ist ^
L [F{(p {t, a) , ip (^, a) , qp, (i, a) , i|j, (*, a)) — F{x^ , 2/1, cos a , sin a)] = 0
und (186)
L [F{x^ , 2/1 , cos CO (i, a) , sin « (^, a)) — F{x^ , 2/1 , cos a, sin « )] = 0
ebenfalls gleichmäßig in Beziehung auf den Bereich (182).
c) Der deünite Fall:
Ein Variationsproblem heißt positiv (negativ) definit^) in einer
in der x, «/-Ebene gelegenen Punktmenge^ wenn für jeden Punkt (x, y)
dieser Menge und für jeden Wert von y die Ungleichung gilt
F{x, y, cos y, sin 7) > 0 (< 0) .
Wir fügen nun den unter b) gemachten Voraussetzungen noch die
weitere hinzu^ daß unser Problemen Beziehung auf den Bereich ÖIq
definit sein soll. Alsdann lassen sich die vorangegangenen Resultate
zu folgendem Satz-) erweitern:
Satz IV: Ist ÖIq ein heschränläer, abgeschlossener^ ganz im Innern
von Öl gelegener Bereich^ und ist gleichseitig'^)
F^{x, y, cos y, sin 7^) > 0, (180)
F{x, y, cos y, sin y)>0 (187)
für jeden Punkt {x, y) von ÖIq und für jedes y, so läßt sich eine posi-
tive Größe d^ bestimmen, derart daß irgend ztcei PunMe P^ und Pg
^) Nach Caratheodory (Mathematische Ann alen, Bd. LXII (1906), p. 456).
^) Nach Bliss, Transactions of the American Mathematical Society^
Bd. V (1904), p. 123.
^) Nach § 30, b), vierte Folgerung aus der Relation (125), müssen bei einem
gleichzeitig definiten und regulären Problem F^ und F dasselbe Zeichen haben.
278 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
von ÖIq, deren Abstand Meiner ist als d^, durch eine Extremale ^^^
ohne mehrfache PunMe verbunden iverden Mnnen, welche einen Ideineren
Wert für das Intef/rad J liefert, als jede ando'c gewöhnliche^) Kurve,
welche im Bereich Ölo von P^ nach P^ gezogen iverden Icann.
Liegt die Extremale ©^2 selbst ganz im Bereich ÖIq, öo liefert
sie daher ein absolutes Minimum für das Integral J in Beziehung
auf die Gesamtheit aller gewöhnlichen Kurven, welche in ÖIq von Pj
nach P2 gezogen werden können. Dies wird stets stattfinden, wenn
der Bereich Öl^ „extremal-konvex" 2) ist und d^ hinreichend klein ge-
wählt wird.
Beweis: Aus der Voraussetzung (187) folgt zunächst, daß wir auf den
Extremalen der Schar (168) statt des Bogens t den Wert des Integrals /, ge-
nommen vom Punkt P^ bis zum Punkt t der betreffenden Extremalen, also
die Größe
t
0
als Parameter einführen können, wobei Sh {t, a) wieder durch (83) definiert
ist. Denn da nach (187) die Ableitung Uf = ^(*, a) beständig positiv ist,
so können wir die Gleichung: u = u(t, ä) eindeutig nach t auflösen, und die
Einsetzung des gefundenen Wertes in die Gleichungen (168) ergibt für die Ex-
tremalenschar durch den Punkt P^ eine Darstellung von der Form
x=^(p[u,a], y=^ii}[u,a]. (188)
Im Bereich z= _i:r
0<M<it(?oi «)^ 0<«<27r (189)
haben die Funktionen (f[u, a], rl^[u, a\ dieselben Stetigkeitseigenschaften wie
die Funktionen (p(t, «), ^{t, a) im Bereich (170). überdies sind sie periodisch
in a mit der Periode 271;.
Gleichzeitig geht die Funktion r{t, Uj in eine Funktion von u und a über,
die wir entsprechend mit r[u, a] bezeichnen. Wegen (181) ist dann
rjw,a]>0 -' (190)
im Bereich (189). Ist weiter m, das stets positive Minimum der Funktion
F{x, y, cos y, sin y) im Bereich
yx,y) in 0lo. 0^y^27r, (191)
so ist
1) Der Satz bleibt auch noch richtig für Vergleichskui-ven der Klasse K,
vgl. § 35, d) und p. 279, Fußnote »). Für Vergleichskurven, deren sämthche
Punkte auf ^,^ liegen, ist dabei das Zeichen < durch < zu ersetzen.
2) Vgl. die Definition von extremal-konvex auf p. 276.
33. Existenz eines Minimums „im Kleinen".
279
Aus (178) und (192) leitet man dann das weitere Resultat ab, daß es eine von
t, a, x^, 2/i, unabhängige Größe Ä^ gibt, derart daß in dem Bereich (189)
r[u, a]<^K^u. (193)
Nach diesen Vorbereitungen wählen wir eine positive Größe c kleiner als
^o/Kq und gleichzeitig kleiner als das stets positive Minimum der Funktion
u{Iq, a\ x^^ 2/i) i°^ Bereich (182) und betrachten die Kurve ^):
0<a<23r.
Dieselbe ist eine stetige, geschlossene
Kurve ohne mehrfache Punkte (eine
Jordan' sehe Kurve), da sie wegen
(193) ganz im Innern des Kreises
(Pj, Po) liegt. Das Innere^ der Kurve
^ ist das eineindeutige Abbild des
Bereiches
0 < i( < c
0<a<25t.
^ -Ä-
mittels der Transformation (188).
Ist daher P^ ein von P^ ver-
Fig. 48.
schiedener Punkt im Innern der Kurve
M und @j2 die kürzeste Extremale von
Pj nach pg, so ist der Wert J^^ des Inte-
grals J entlang (gj^ kleiner als c. Ziehen wir jetzt irgend eine andere gewöhnliche ^)
Kurve (£ von P^ nach P^, welche ganz im Bereich 31^ liegt, so ist der Wert /i^g
des Integrals ,7, genommen entlang (S;, größer als J^^.
Wenn die Kurve C ganz in dem von der Kurve ^ begrenzten Bereich ver-
läuft, so liegt sie a fortiori im Innern des Kreises (P^, p^,) und die Behauptung
folgt nach b). Es ist also nur nötig, den Fall zu betrachten, wo die Kurve (£
aus dem von der Kurve ^ begrenzten Bereich heraustritt. Sei Pg der Punkt,
wo die Kurve © zum ersten Mal*) die Kurve Ä schneidet; ziehe die kürzeste
Extremale S^j von P^ nach P^. Dann ist nach b)
Also ist a fortiori
'^ 1 3 !^ «^ 1 3 ^0> "l 2 •
da wegen der Voraussetzung (187): ^2>* J13.
(194
^) Die Kurve ist nach § 44, b) eine Transversale der Extremalenschar durch
den Punkt P^.
') Vgl. A VI 2.
^) Der folgende Schluß bleibt auch noch bestehen, wenn die Kurve ^ von
der Klasse K ist, vgl. § 35, d).
") Vgl. Jordan, Cours d' Analyse, Nr. 103.
230 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
Ist endlicli d^ das stets positive Minimum der Funktion r[c, a; a\, ?/J im
Bereich (182), so liegt der Kreis (Pj, d^) ganz in dem von der Kui-ve Ä be-
grenzten Bereich, und die Ungleichung (194) gilt daher a fortiori, wenn der
Punkt Pg im Innern des Kreises (P^, rfj liegt, Avomit der Satz bewiesen ist.
§ 34. Der Osgood'sche Satz.
Wenn eine Funktion f(x) an der Stelle x = a ein eigentliches,
relatives Minimum besitzt, so kann man eine positive Größe /.' an-
creben, so daß _
f{x)-f{a)>0 für 0<|rr-a </•.
Dies gilt, gleichgültig ob die Funktion fXx) stetig oder unstetig ist.
Wenn aber f(x) im Intervall [a — Ä*, a + ^ stetig ist, so besitzt sie
überdies noch folgende Eigenschaft: Zu jeder positiven Größe /, die
kleiner ist als k, gehört eine positive Größe £^, derart daß
f{x)-f{a)^e, für l<c x-a\<l'. (195)
Denn alsdann erreicht f(x) für das Intervall [a — lc, a — l] ein ab-
solutes Minimum in einem Punkt x^ des Intervalls; ebenso für [a-\-l,
ö + ^J in x^, und es ist dann flx^)>f{a), f{x^) > f{a). Bezeichnet
daher Sj die kleinere der beiden positiven Differenzen f{x^) — /(«),
fi^x^^ _ /*(a), so gilt in der Tat die Ungleichung (195).
Daß unstetige Funktionen diese Eigenschaft im allgemeinen nicht
besitzen, zeigt Osgood durch das Beispiel:
1, wenn x irrational;
i/q, wenn x = ± p/q, wo p,q zwei positive ganze Zahlen
ohne gemeinsamen Teiler sind;
0, wenn x = 0.
Diese Funktion hat für x = 0 ein eigentliches Minimum, ohne die
oben angegebene Eigenschaft zu besitzen.
Wie Osgood^) gefunden hat, gilt nun ein ^anz analoger Satz
für das eigentliche, starke Extremum eines bestimmten Integrals.
a) Der Fall eines Extremums „im Großen":
Die Analogie ist am vollständigsten bei der folgenden von Hahn^)
herrührenden Fassung des Satzes:
1) Transactions of the American Mathematical Society. Bd. II
(1901), p. 273.
2) Monatshefte für Mathematik und Physik, Bd. XVH (190G), p. 63;
auch der im Text gegebene Beweis rührt von Hahn her. In der genannten
Arbeit verallgemeinert Hahn den Satz auch auf isoperimetrische Probleme und
auf das Lagrange'sche Problem.
m
§ 34. Der Osgood'sche Satz. 281
Es sei @o ein die beiden FunMe P^ und P^ verbindender Extre-
malenhogen ohne mehrfache Punkte, für tvelchen die Bedingungen (IF),
(Iir), (IV') und außerdem in den beiden EndpunMen die Be-
dingungen
F^{x^, y^, cos y, sin 7) > 0, F^{x^, y^, cos 7, sin y) > 0 (196)
für jedes y erfüllt sind. Alsdann existiert eine Umgebung oT des Bogens
@o von folgender Beschaff mheit : Zu jeder ganz im Innern von cf ge-
legenen (aher nicht mit oT identischen) Umgebung 91 des Bogens (Bq
gehört eine positive Größe £qj, derart daß für jede gewöhnliche von P^
nach P2 gezogene Kurve ß, iveMie ganz im Bereich ofj aber nicht ganz
im Bereich 9i verläuft,
^6-^eo?^9/- (197)
Beweis: Aus der Voraussetzung (196^) folgt zunächst nacli
Satz 11 von § 33, daß wir um den Punkt P^ einen ganz im Innern
von Öl gelegenen Kreis {P^, p/; beschreiben können, in welchem das
Problem positiv regulär ist, und dessen Inneres ein Feld um den
Punkt Pj bildet, geliefert von der Extremalenschar durch den
Punkt Pj.
Sei Pq 4= Pj ein Punkt des Bogens (^^ "" Innern dieses Kreises.
Dann folgt weiter nach § 31, a) und § 32, b) aus den Voraus-
setzungen (ir) und (IIF), daß sich zwei Größen h, h so klein wählen
lassen, daß die Extremalenschar durch den Punkt P^ zugleich auch
ein Feld of^^^. um den Bogen P^^P^ von (S^ liefert, und daß überdies
die Bedingung
%^{x, y, p(x, y), q(x, y)- cos 6, sin d) > 0 (198)
für jedes 6 in allen Punkten (x, y) von of;^ ^ erfüllt ist.
Es sei cfj die Gesamtheit derjenigen Punkte, welche eutweder
zur Kreisfläche (P^, q^) oder zu of^^^ oder gleichzeitig zu beiden ge-
hören-, cTi ist dann eine Umgebung des Bogens ©^ und bildet ein
Feld um denselben. Ist P3 irgend ein Punkt im Innern von ofi, so
; können wir von P^ nach Pg eine Feldextremale ©^3 ziehen. Ist
andererseits d^ irgend eine gewöhnliche, die beiden Punkte P^ und
P3 verbindende Kurve, welche ganz in o^ verläuft, so folgt aus dem
WeierstraßVhen Satz, daß in bekannter Bezeichnungsweise
45^13- • (199)
282
Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie,
Granz ebenso können wir nun ein zweites Feld o£ nm den Bogen
@o konstruieren, welches die analogen Eigenschaften in Beziehung
auf die Extremalenschar nach^) dem Punkt P, besitzt, d. h. von
jedem Punkt P3 von 0^3 läßt sich eine Feldextremale (^32 nach dem
Punkt P2 ziehen und wenn Sg eine gewöhnliche ganz in q?, ver-
laufende Kurve ist, die von P3 nach P.^ gezogen ist, so ist
«^32 > «^32
(199a)
Wir bezeichnen jetzt mit eP irgend eine Umgebung des Bogens @o; j
welche gleichzeitig in eT^ und S'^ enthalten ist. Ist dann P3 ein I
Punkt im Innern von cT, so können wir beide Extremalen ©13 und
@32 ziehen. Wir betrachten nun die Differenz
«(^3? th) = ^13 + ^32 — ^12 •
Dieselbe ist eine im Innern von c5 eindeutig definierte und stetige *
Funktion der Koordinaten x.^, y^ des Punktes P3. Sie verschwindet,
wenn der Punkt P3 auf dem Bogen @o liegt: in allen anderen Punkten
ist sie positiv, da der Bogen ^^ ein eigentliches starkes Minimum
für das Integral J liefert. |
Nunmehr sei ai irgend eine Umgebung von (^o. welche ganz im
Innern von of liegt (ohne mit oT identisch zu sein), und es sei ^
diejenige Menge von Punkten
.-'- --^ von 0^ welche nicht zu 3,1
gehören, unter Hinzurech-
nung ihrer Häufungspunkte.
Die Menge ^ ist dann ab-
geschlossen und enthält
\ keinen Punkt von ©o- Daher
besitzt die Funktion s{x^,y^)
in ^ einen positiven Mini-
malwert, den wir mit e.y
bezeichnen, so daß also in*^:
Jl3 + ^32-^?^9r (200)
Fig. 44. Endlich sei (I irgend eine
gewöhnliche, von P^ nach
Pg gezogene Kurve, welche ganz im Innern von o^ aber nicht ganz
1) Vgl. § 33 a), Zusatz.
§ 34. Der Osgood'sche Satz. 283
in 91 verläuft, und es sei P^ ein Punkt von d, welcher nicht in 9i
liegt. Alsdann gelten gleichzeitig die Ungleichungen (199), (199 a)
und (200) und daraus folgt
was zu beweisen war.
Zusatz: Der Satz gilt auch noch in etwas modifizierter Form,
wenn die beiden Bedingungen (196) in den beiden Endpunkten nicht
erfüllt sind. Der Bereich äl muß dann so beschaffen sein, daß der
komplementäre Bereich "^ keinen Punkt mit der Fortsetzung des
Bogens ©^ über die beiden Punkte P^ und P^ hinaus gemeinsam hat.^)
b) Der Fall des Extremums „im Kleinen":
Für spätere Anwendungen möge auch noch die Modifikation des
Osgood'schen Satzes^) für den Fall eines Extremums „im Kleinen'^ hier Platz
finden :
Ist 01^ ein beschränkter, abgeschlossener Bereich im Innern von 31, und
ist das vorgelegte Variationsproblem regulär in Beziehung auf den Bereich 01^,,
so läßt sich eine positive Größe r^ bestimmen, derart daß nicht nur je zwei
Punkte 1\, Pg von 01^, deren Entfernung kleiner als r^ ist, sich durch eine
kürzeste Extremale ß^g verbinden lassen, sondern daß gleichzeitig für diese
Extremale auch noch der folgende Satz gilt:
Jeder Umgehung 9/" des Extremalenbogens ©jg, ivelche ganz im Innern des
Kreises {P^, r^) liegt, läßt sich eine positive Größe s^. zuordnen, derart daß für
jede die beiden Punkte P^ und P« verbindende gewöhnliche Kurve ^ welche ganz
im Innern des Kreises (P^, r^), aber nicht ganz in 9/ liegt, die Ungleichung gilt
'Ä2— 'Ä2>^i^- (197 a)
Beweis: Nach § 21, a) und b) können wir zunächst eine geschlossene Umgebung
von tH^ bestimmen, welche ganz im Innern von di liegt, und in Beziehung auf
welche das Problem ebenfalls noch regulär ist. Für diesen Bereich 01^ be-
^) Hahn beweist dies, indem er auf der Fortsetzung von ©^ über P^,
resp. P^, hinaus zwei Punkte P/, resp. P/, annimmt und dann statt der Extre-
malenscharen durch P^ und Pg diejenigen durch P/ und P/ betrachtet.
Ebenfalls ohne Benutzung der Voraussetzungen (196) und wieder in etwas
anderer Fassung werden wir den Satz in § 46 mit Hilfe der Kneser'schen
krummlinigen Koordinaten beweisen.
-) In der Hauptsache nach Caratheodory (Mathematische Annalen,
Bd. LXII (1906), p. 490), der den Satz für den allgemeineren Fall von gebrochenen
Extremalen beweist.
284 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
stimmen wir die in § 33, b) definierten i) Größen Z^, R^ und bezeichnen mit r^
eine positive Größe, welche den Ungleichungen genügt:
I
l A
Sind dann Pj, P, irgend zwei Punkte des Bereiches 6i^^, deren Abstand
kleiner ist als r«, so können wir von P^ nach P^ eine wie in § 33, a) definierte
kürzeste Extremale ©ig ziehen.
Sei jetzt © irgend eine andere gewöhnliche Kurve, welche ebenfalls die
beiden Punkte P^ und P^ verbindet und ganz im Innern des Kreises (P^, r^)
verläuft, und sei P^ irgend ein Punkt von (£, der nicht zugleich auf e^, liegt.
Dann können wir zunächst von 1\ auch nach 1\ eine kürzeste Extremale G^s
ziehen, und es gilt die Ungleichung
Weiterhin können wir aber auch vom Punkt Pg nach dem Punkt F, eine
kürzeste Extremale ziehen. Denn aus der Ungleichung (201) folgt, daß der
Punkt Pg im Bereich ^^ liegt und überdies ist
P,P,\<2r,<E,.
Die Extremale ©«^ liegt ganz im Innern des Kreises (Pg, 2r,); in demselben
Kreise liegt aber auch der Bogen F^F, der Kurve ©, da ja der Kreis (P^, r,)
ganz im Innern des Kreises (P«, 2r,) enthalten ist. Der Kreis (P3, 2r,) seiner-
seits liegt ganz im Innern des Kreises (P,, 4ro), und da letzterer wegen der
Ungleichung (201) ganz in 01, enthalten ist, so liegt der Kreis (P«, 2r^'^ ganz
im Innern von 01, und das Problem ist regulär in Beziehung auf den Kreis
(Pg, 2ro). Daraus folgt aber, daß
Andererseits ist aber
wie daraus folgt, daß die aus den beiden Extremalenbogen e^,, ^,, zusammen-
gesetzte Kurve ganz im Innern des Kreises (P^, ^r^) liegt.
Indem man nunmehr wie unter a) weiter schließt, 'erhält man die zu be-
weisende Ungleichung (197 a).
§ 35. Verallgemeinerung der Bedeutung des Kurvenintegrals.
Wir haben uns in allen bisherigen Untersuchungen auf „gewöhn-
liche" Kurven beschränkt. Diese Beschi'änkung war in der Tat not-
wendig für die meisten unserer Beweise, sie liegt aber nicht m der
1) Entsprechend den dort mit l, , P« bezeichneten Größen.
(
§ 35. Verallgemeinerung der Bedeutung des Kurvenintegrals. 285
Natur des behandelten Problems; vielmehr wäre das natürlichste, alle
diejenigen Kurven zuzulassen, für welche das Integral
J = I F{x, y, Xy y) dt
einen bestimmten, endlichen Wert hat.
Für viele geometrische Probleme ist es jedoch wünschenswert,
die Klasse der zulässigen Kurven noch weiter auszudehnen.
a) Beispiel der Länge einer Knrve:
So ist z. B. die Aufgabe, die kürzeste Kurve zwischen zwei
gegebenen Punkten P^, P^ zu bestimmen, nicht genau äquivalent mit
dem Problem, das Integral
'2
zu einem Minimum zu machen, weil der Begriff der Länge auch noch
für Kurven eine Bedeutung hat, für welche das Integral seine Be-
deutung verliert, insbesondere auch für Kurven, welche keine Tan-
genten besitzen.
Die Länge einer stetigen Kurve
£: x = ip(t), y = t(t)/t,^t^t, (202)
wird folgendermaßen definiert^):
Man betrachte irgend eine Teilung 11 des Intervalls [^^^g] in
n -\- 1 Teilintervalle mittels der Zwischenpunkte t^, r^, . . ., r^, wobei
^1 < r^ < Tg • • • < r^ < ^2 .
Die zugehörigen Punkte der Kurve ß seien: Pj, Q^, Q^y ■ - -, Q„, P^y
ihre Koordinaten: x^,y^', l^, Ty^; l^, 1^2; . . .; 1^,7}^', x^,y^; dann ist die
Länge des der Kurve S eingeschriebenen geradlinigen Polygons ^^,
dessen Ecken eben diese Punkte in der angegebenen Reihenfolge sind:
Wn -'^V(Äi:y~+Wn:f'' , (203)
v = 0
^) Vgl, Jordan, Cours d' Analyse, Bd. I (1893), Nr. 105—111. Diese Defi-
nition ist für unseren gegenwärtigen Zweck am bequemsten. Die Peano'sche
Definition wird unter c) zur Sprache kommen.
286 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
wobei
mit der Verabredung, daß
Wenn dann die Summe Wjj gegen eine bestimmte, endliche Grenze J
konvergiert, wenn 7i ins Unendliche wächst, aber so, daß gleichzeitig
alle Differenzen r,,^i — r,, gegen Null konvergieren i),
SO sagt man, die Kurve 2 habe eine endliche Länge, deren Wert
gleich J ist. Und man nennt eine Kurve „reUifi0ierhar"% wenn sie
stetig ist und eine endliche Länge hat.
Wenn die ersten Ableitungen cp'(t), il)\t) existieren und stetig
sind im Intervall \tj^~\y so kann die Lange durch das bestimmte
Integral
1
h
ausgedrückt werden.^)
b) Verallgemeinerung der Bedeutung des Kurvenintegrals J:
In ganz analoger Weise hat Weierstrass*) die Bedeutung des
allgemeinen Integi-als
J=fF{x,y,x\y)dt
h
auf Kurven ausgedehnt, welche nicht zur Klasse der „gewöhnlichen"
Kurven gehören.
«
1) D. h. zu jedem positiven s gehört eine zweite positive Größe 6^ der-
art, daß
für alle Teilungen H, bei welchen sämtliche Differenzen t,.,.i — r,, kleiner
sind als d^.
^) Vgl. Jordan, loc. cit. Nr. 110.
»1 Vgl. Jordan, loc. cit. Nr. 111 und Stolz, Transactions of the
American Mathematical Society, Bd. III (1902), pp. 28 und 303.
4) Vorlesungen 1879; vgl. auch Osgood, Transactions of the American
Mathematical Society, Bd. II (1901), pp. 275 und 293.
§ 35. Verallgemeinerung der Bedeutung des Kur\enintegrals. 287
Wir setzen von der Kurve S voraus, daß sie ganz im Innern
des Bereiches 01 liegt und stetig ist, und betrachten nunmehr, wie
oben, eine Teilung 11 des Intervalls \tit^\ und bilden die Summe ^)
fi
W„^2m,;Vr,i^lr,^n,), (204)
(=0
die als die naturgemäße Verallgemeinerung der Summe (203) er-
scheint, und die wir wegen der Homogeneität der Funktion F auch
schreiben können
n
^n =2F{i,,y f},, cos G3,„ sin co^)r^ (204a)
r = 0
wenn )\, und (o^, die Länge, resp. die Amplitude des Vektors Q^Qj,,^
bedeuten.
Ist die Kurve 2 von der Klasse C, so konvergiert die Summe Wjj
hei dem angegebenen Grenmhergang gegen das Integral JJP^P^):
LW^^==fF{x,y,x',y')dt.
h
Denn das Integral Jg läßt sich alsdann nact dem Mittelwertsatz schreiben
^S =^ / F{x, y, X, y') dt =
.=0'/
n
=^i^(qp(r;), i|^(r/), qp'(r;), ^'{x^)) (r,,^^ — r^,) ,
I =0
wo Tj,' einen Mittelwert zwischen r^, und x^,,^ bedeutet.
Andererseits ist
A^. = ^\^^') (^.+1 - r,) , Ar?,, = i|;'(r;") (t,,^^ - r,,) ,
wo T^", T,,'" wieder Mittelwerte zwischen r^, und r^^^ sind. Daraus folgt wegea
I der Homogeneität von F-.
n
v = 0
^) Sollte Q,. + i = Q,, sein, so ist dabei JP(|y, ij^, 0, 0) durch 0 zu ersetzen.
238 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
Aus der in der Definition einer Kur\'e der Klasse C enthaltenen Annahme:
^^^(t)-\-^^\t)'>0 in [t^t^l folgt dann nach § 21, b), daß man eine abge-
schlossene Umgebung (9L der Menge
im Gebiet der Variabein t\ t" angeben kann, derart daß
Die Funktion F{cp(t), ^p{t), cp\t'), ^'{t")) der Variabein t, t' , t" ist dann gleich-
mäßig stetig in dem Bereich
Hieraus und aus der gleichmäßigen Stetigkeit der Funktionen (jp(t), '\\){t) folgt
dann, daß man zu jeder positiven Größe s eine zweite positive Größe 8, be-
stimmen kann, derart daß
für jede Teilung IT, deren sämtliche Intervalle kleiner als 8, sind. Es ist
dann also
womit die Behauptung bewiesen ist.
Dasselbe Resultat gilt auch noch für gewöhnliche Kurven mit
einer endlichen Anzahl von Ecken, wie man sich durch Betrachtung
solcher spezieller Teilungen überzeugt, welche die Ecken als Teilungs-
punkte enthalten.
Wir kommen nunmehr nach Weierstrass überein, allgemein
für irgend welche stetige Kurve 2 das Integral
k
durch den Grenzwert der Summe Wjj zu definieren, in allen Fällen,
in welchen TT,, bei dem angegebenen Grenzübergang gegen eine
bestimmte, endliche Grenze konvergiert. Dies ist eine naturgemäße
Verallgemeinerung der Definition des Kurvenintegrals, da sie, wie wir
eben gezeigt haben, für gewöhnliche Kurven mit der gewöhnlichen
Definition übereinstimmt.
Die folgende Modifikation i) der Weierstraß'schen Definition
des verallgemeinerten Kurven! ntegrals wird sich später als nützlich
erweisen:
1) Vgl. Osgood, Transactions of the American Mathematical
Society, Bd. H (1901), p. 293.
§ 35. VerallgemeineruDg der Bedeutung des Kurvenintegrals. 289
Da die Kurve *d ganz im Innern des Bereiches Öl liegen sollte,
so wird das geradlinige Polygon ^^ mit den Ecken P^, Q^, Q^^ . . ., Q^^
; Pg ebenfalls ganz im Innern von Öl liegen, vorausgesetzt, daß die
sämtlichen Differenzen t^,^i — t,, hinreichend klein gewählt worden
sind. Unter dieser Voraussetzung bezeichne V^ das Integral J, ge-
nommen entlang dem Polygon ^^^ von P^ bis P^.
Wenn alsdann die Kurve ß rektifizierhar ist, und wenn eine der
Summen W^j und F^ für LAt = 0 gegen eine bestimmte, endliehe
Grenze hmvergiert, so Unvrrgiert die andere Summe gegen denselben
Grenztvert, so daß man auch definieren kann
JJ1\F,) = LJ\^. (205)
Denn bezeichnen wir wieder mit r,, und co^, die Länge, bzw. die
Amplitude des Vektors Q^Q^^-^ und setzen
i:
I,, + s COS CO,, , ry^, = 7]^, -\- s sin o?,, ,
so können wir unter Benutzung der Homogeneität der Funktion F
die Differenz F^ — W^j schreiben
^fj - ^n "'^yt^ Ä' ^'r^ ^0^ ^. .' ^i^ ^r) — F{1,, %„ cos 0)^, sin oj] ds .
1=0 0
j Hieraus folgt dann die Behauptung, wenn man den Satz über die
; gleichmäßige Stetigkeit auf die Funktion
l l'\x,y, cos 7, sin y)
\ anwendet.
Indem wir uns in der Folge auf rektifizierbare Kurven be-
schränken, werden wir die Gesamtheit aller rektifizierbaren Kurven,
für welche die Summe W jj gegen einen bestimmten endlichen Grenz-
wert konvergiert, „die Klasse K" nennen.
c) Zweite Definition des verallgemeinerten Kurvenintegrals:
Für spätere Anwendungen erwähnen wir hier noch eine zweite Definition
des verallgemeinerten Kurvenintegrals, welche als naturgemäße Verallgemeinerung
der Peano'schen Definition i) der Länge einer Kurve erscheint. Peano definiert
I nämlich als Länge der Kurve :^ die obere Grenze der Werte der durch die
t Gleichung (203) definierten Summe Wjj für alle möglichen Teilungen H des
^) "^gl- Peano, Äpplicaziom geometriche del Calcolo infinitesimale, (Turin
(1887), p. 161.
Bolza, Variationsrechnung. ^q
290 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie.
Intervalls [^1^2]. Diese Definition hat den Vorzug, daß sie in allen Fällen für
die Länge einen bestimmten, wenn auch möglicherweise unendlichen, Wert liefert.
Wenn die obere Grenze endlich und die Kurve S stetig ist, so läßt sich zeigen,
daß die obere Grenze der Werte W^j zugleich in dem unter a) erklärten Sinn
die Grenze von Wjj für Ar = 0 ist, so daß also in diesem Fall beide Definitionen
zu demselben Resultat führen^).
Um diese Definitionen und Resultate auf den allgemeinen Fall unseres
Integrals J ausdehnen zu können, machen wir über die Kurve ß, die wir nach
wie vor als stetig voraussetzen, die weitere Annahme, daß unser Variations-
problem entlang der Kurve ü regulär ist, und zwar, um die Ideen zu fixieren,
positiv regulär.
Wir können dann zunächst nach § 21, a) vind b) eine geschlossene ganz im
Innern von 51 gelegene Umgebung
der Kurve S angeben, in welcher das Problem ebenfalls noch regulär
ist. Ferner gehört nach dem Satz über gleichmäßige Stetigkeit, ange-
wandt auf die Funktionen qp(i), ip{t'), zu jedem s eine zweite positive Größe
A(£), so daß für je zwei Punkte P'(*')i P" (t") der Kurve S, für welche
f — i"|<^A(£), stets \P' P" \ <is. Sei jetzt die positive Größe B^ für den
Bereich 01^ ebenso definiert wie in § 33, b), und sei d die kleinere der beiden
Größen -Bq, ?]■ Wenn wir uns dann auf solche Teilungen TI beschränken, bei
welchen sämtliche Teiliutervalle kleiner sind als A(<^, so können wir von P^
nach Q^, von Q^ nach ^2-.., von Q^ nach P^ je eine „kürzeste" Extremale
ziehen, welche überdies ganz im Innern des Bereiches di^ liegt. Wir bezeichnen
nun mit Ujj den Wert des Integrals J entlang dem Extremalenzug P^ Qi Qi • - -
1=0
und definieren ^) als Wert des Integrals / entlang der Kurve ß die obere Grenze
der Werte U^j für alle möglichen, der angegebenen Bedingung genügenden
Teilungen Tl. Wir bezeichnen den so definierten Integralwert mit /g', so
daß also
J^{P,P,)~-^LU^,, , (207)
(77)
Die Summe Ujj hat nun die wichtige Eigenschaft, daß
U„.^ü„, (208)
loenn die Teilung U' aus der Teilung TL durch Weiterteilung der Intervalle von
TL entstanden ist, vorausgesetzt, daß die Teilung TL hinreichend fein gewählt
^) Vgl. Jordan, Cou/rs d' Analyse, Bd. I, Nr. 107.
') Diese Definition ist nicht wesentlich verschieden von der von Osgood
(Transactions of the American Mathematical Society, Bd. II (1901),
p. 294, Fußnote) herrührenden Modifikation einer von Hilbert in Vorlesungen
gegebenen Definition des verallgemeinerten Integrals (vgl. Noble, „Eine neue
Methode in der Variationsrechnung'', Dissertation, Göttingen 1901, p. 18).
§ 35. Verallgemeinerung der Bedeutung des Kurvenintegrals. 291
worden ist. Es genügt dazu, in der Bezeichnung von p. 290 sämtliche Teilintervalle
von IJ kleiner als A (-^) zu nehmen, wenn q^^ für den Bereich ^l^, wie in §33,b) definiert
ist. Sind nämlich bei der Teilung U' zwischen den Punkten Q^ und Q^.,^ von Udie
Zwischenpunkte M^, ilfgv • •» ^m eingeschaltet, so liegt alsdann der Extremalen-
zug Q^M^M^ ... M„^Q^^^ ganz im Innern des Kreises (^^, q^), und daher ist
der Wert des Integrals / entlang demselben nach Satz III von § 33
^^(s {QvQv +■[)•> woraus unmittelbar unsere Behauptung folgt.
Auf Grund dieser Eigenschaft der Summe TJj^j kann man nun aber mittels
der Methode der Superposition zweier Teilungen unter Benutzung der Un-
gleichung (184b) den Satz beweisen^):
Wenn die obere Grenze J^ endlich ist, so ist sie zugleich die Grenze der
Summe Ujj bei unendlicher Verkleinerung der Teilintervalle:
LUjj = Jq\ (209)
und ist P ein Punkt von S zwischen P^ und Pg , so sind auch die Integrale
J^iP^P) und J^{PP^) endlich, und es ist
J2 (-Pi ^2) = Jä(Pi P) + ^2 (-P^^) ■ (210)
Weiter gilt der Satz: Das Integral Jq id stets endlich, wenn die Kurve ^
rektifizierbar ist. Denn nach (184b) ist
wo die beiden Größen Nf^ , g^ für den Bereich Si^^ dieselbe Bedeutung haben wie
in § 33, b).
Es fragt sich schließlich noch, welche Beziehung zwischen der Weier-
straß'schen Definition des verallgemeinerten Integrals und der hier gegebenen
besteht. Hierüber gilt der Satz:
Ist die Kurve S rektifizierbar und ist das Variationsproblem regulär ent-
lang S, so hat das verallgemeinerte Integral nach beiden Definitionen einen be-
stimmten endlichen Wert und zwar denselben für beide:
'T^'-J^' (211)
Denn stellt man die kürzeste Extremale fö von O nach 0, , , in der Normal-
form (168) dar durch die Gleichungen
K'- x=cp^{t,a^), y=.^^{t,a;), O^t^t^.,
und schreibt zur Abkürzung
F{(p^ {t,a^), ^^{t,a^), (p;{t,a^),^;{t, a^)) = SF^. {t , «,,) ,
^) Man schließt ganz analog wie Jordan, loc. cit., Nr, 107, 108.
19*
292 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie
80 ist nach dem Mittelwertsatz
r = 0
WO t^, einen Mittelwert zwischen 0 und t^, bedeutet. Daher ist
n
^n-^n='^''r [ pr(C' «r) " ^(^.- ^^ COS «,„ sin a,.)]
1=0
— [F(a,,, 7j,,, cos CO,,, sin 09,,) — F(|,,, rj,,, cos «, , sin a^)] + ^-'^ — 1 j ^,,(^~,, a,,) } ,
wenn r,, und co,, wieder die Länge, resp. die Amplitude des Vektors ^,,^)+i
bedeuten.
Aus der Gleichmäßigkeit der Grenzübergänge (183), (186) und aus der
Ungleichung
folgt nunmehr, daß man zu jedem positiven e ein 8^ angeben kann, so daß
n
sobald alle Teilintervalle von 11 kleiner sind als 6^. Wenn nun die Kurve ii
rektifizierbar und L ihre Länge ist, so ist
r = 0
und zugleich wissen wir, daß dann JJjj für A t = ü gegen eine bestimmte end-
liche Grenze J^ konvergiert. Derselben Grenze muß sich daher auch Wjj nähern,
was zu beweisen war.
d) Ausdehnung des Hinlängliclikeitsbeweises auf Kurven der
Klasse K\
Es sei jetzt ©^ ein die beiden Punkte Pj und P.^ verbindender
Extremalenbogen ohne mehrfache Punkte, welcher ganz im Innern
des Bereiches Öl liegt. Wir setzen voraus, daß 'für den Bogen (S«
die Bedingungen (11'), (IIF), (IV) erfüllt sind. Dann können wir
nach § 32, b) den Bogen ©^ mit einem Feld cj),^j^. umgeben, in welchem
die Ungleichung (198) erfüllt ist.
Weiter sei ö irgend eine Kurve der Klasse K, welche ebenfalls
die beiden Punkte Pj und 1\ verbindet, ganz im Innern des Feldes
c^, ^ verläuft und mindestens einen Punkt enthält, welcher nicht auf
dein Extremalenbogen @o oder seiner Fortsetzung liegt. Wir wollen
beweisen, daß dann ,^_^
§ 35. Verallgemeinerung der Bedeutung des Kurvenintegrals. 293
unter J„ das in b) definierte verallgemeinerte Kurven integral ver-
standen.
BeAveis: Die Kurve S sei wieder durch die Gleichungen (202)
dargestellt. Wir wählen eine beliebige Teilung 11 des Intervalls
[t^t^] und konstruieren das zugehörige, der Kurve ß eingeschriebene
Polygon ^jj. Da die Kurve 2 ganz im Innern des Feldes oT^ ;;, liegen
sollte, so wird auch das Polygon ^^^ ganz im Innern von qT^ ^ liegen,
vorausgesetzt, daß die sämtlichen Teilintervalle hinreichend klein
gewählt worden sind. Da das Polygon überdies eine gewöhnliche
Kurve ist, so folgt aus unseren Voraussetzungen nach § 32, b), daß
Oehen wir daher zur Grenze über und benutzen die Definition (205)
für das Integral J^, so folgt:
Es läßt sich nun aber, wie schon Weierstrass^) bemerkt hat,
noch weiter zeigen, daß unter den gemachten Annahmen stets
Jg > Jg . Dies folgt sofort aus dem Osgood'schen Satz, am ein-
fachsten in der in § 46, d) gegebenen Formulierung. Denn ist Q
ein Punkt von 2, welcher nicht auf dem Extremalenbogen ©^ oder
dessen Fortsetzung liegt, und ist a = a^ -\- l der Wert des Parameters
der durch den Punkt Q gehenden Feldextrem alen, dann ist: 0 < l\<^k.
Daraus folgt aber nach dem erwähnten Satz, daß sich eine positive
Größe £^ angeben läßt, derart daß für jede gewöhnliche, P^ und P^ ver-
bindende Kurve S, welche durch den Punkt Q geht und ganz im
Innern des Feldes verläuft,
Beschränken wir uns daher bei dem obigen Grenzprozeß auf
solche Teilungen 77, welche den Punkt Q als Teilungspunkt enthalten,
was, wie man leicht zeigt, auf denselben Grenzwert für das Integral
Vj-j führt, so ist
^77 - ^G. 5 ^i
i ^) Vorlesungen 1879; den Weierstraß'schen Beweis findet man in § 31, e)
meiner Lectures durchgeführt. Der im Text gegebene Beweis rührt von Osgood
l her, Transactions of the American Mathematical Society, Bd. II (1901)
l p. 292.
294 Fünftes Kapitel. Die Weierstraß'sche Theorie
und daher, wenn wir zur Grenze übergehen,
womit unsere Behauptung bewiesen ist.
Auch der Satz über die Existenz eines Minimums im Kleinen läßt sich auf
Vergleichskurven der Klasse K ausdehnen:
Es sei 3lo ein Bereich, für welchen die Voraussetzungen von § 33, b) er-
füllt sind, und es sei r^ für den Bereich ^o definiert wie in § 34, b). Sind
dann P^ und Pg irgend zwei Punkte von ^l«, deren Entfernung kleiner ist als r^,
und ziehen wir von P^ nach P^ einerseits die kürzeste Extremale (g^^, anderer-
seits eine beliebige Kurve Ö der Klasse Ä^ welche ganz im Innern des Kreises
(Pj, /'o) liegt und mindestens einen Punkt enthält, welcher nicht auf dem
Extremalenbogen e^g hegt, so ist: /jj > «^g^,-
Der Beweis ist ganz analog wie oben mittels des Osgood'schen Satzes^
diesmal in der Form von § 34, b), zu führen; an Stelle des Feldes c^,^^^, tritt
jetzt die Kreisfläche (Pj, r„).
Übungsaufgaben zum fünften Kapitel.
Für die folgenden Flächen die geodätischen Linien zu bestimmen und die
Frage der konjugierten Punkte zu untersuchen, wenn möglich sowohl geometrisch
als analytisch:
1. Für die Kugel.
2. Für die allgemeinste Zylinderfläche.
3. Für abwickelbare Flächen im allgemeinen. (Jacobi)
4. Für das Motationsparaboloid:
X =^ u cos v, y = u sin y, ^ = u^/2p.
Lösung: Bei passender Wahl des Parameters lautet die Gleichung zur
Bestimmung des zu t^ konjugierten Punktes
Coth t — t = Coth t^~ t^.
5*. Für das Eotationsellipsoid. (Braunmühl, v. Mangoldt)
6*. Für den Kreisring. (Bliss)
7. Die Funktionen F^ und K für geodätische Linien zu berechnen, wenn
das Linienelement in der Form
ds^ ^^ E{du^ -{- dv^)
gegeben ist und die Bogenlänge als Parameter gewählt wird (§ 28, c)).
Lösung:
8. Für folgende Funktionen die Indikatrix zu konstruieren und mit deren
Hilfe die Frage des starken und schwachen Extremums zu diskutieren:
296 Übungsaufgaben zum fünften Kapitel.
F- j^"±y"
x}/x^-\- 2/'^^+ yx
9. Das Prinzij) der kleinsten Aktion für die Beilegung eines materiellni
Punktes in einer Ehene^): Ein materieller Punkt von der Masse 1 sei gezwungen,
sich in der x, y- Ebene zu bewegen. Unter der Einwirkung einer in der x, y-
Ebene gelegenen Kraft, welche eine von der Zeit unabhängige Kräftefunktion
U{x,y) besitzt, möge der Punkt aus einer gegebenen Anfangslage Po(^oi 2/o)
l9ei gegebener Anfangsrichtung und Geschwindigkeit nach Ablauf einer gewissen
Zeit in eine Endlage P^ix^, 2/1) übergehen. Wir bezeichnen den absoluten Wert
der Anfangsgeschwindigkeit mit v^ . Bestimmt man dann die Konstante h aus
der Gleichung
v,'=^{U{x,,y,) -i-h),
80 erfüllt die von dem materiellen Punkt^beschriebene Bahn die erste notwendige
Bedingung für ein Minimum des Integrals
a==/T/.r^<x;-.,w]/e)+e)'^'^
in Beziehung auf die Gesamtheit aller die beiden Punkte P, und P^ verbinden-
den Kurven der x, 1/- Ebene.
Das Integral (SC wird die „Aktion'' entlang der betrachteten Kurve genannt.
Konjugierte Punkte werden dabei „konjugierte kinetische Brennpunkte''
genannt.
Andeutung: Man benutze die beiden Dilferentialgleichungen (20) und tretfe
eine passende Wahl der den Parameter charakterisierenden Zusatzgleichung
(§ 26, a)). Welcher Satz der Mechanik wird durch die Form (23b) der Euler'schen
Differentialgleichung ausgedrückt? (Jacobi, Dakboux, Appell)
10. Das Prinzip der kleinsten Aktion auf die Bewegung eines schiveren
materiellen Punktes in einer vertikalen Ebene anzuwenden (unter Vernachlässigung
des Luftwiderstandes). ,
Der materielle Punkt werde vom Koordinatenanfangspunkt 1\ eines recht-
winkligen Koordinatensystems, dessen positive y- Achse vertikal nach oben ge-
richtet ist, unter einem Winkel a gegen die Horizontale mit einer Anfangs-
geschwindigkeit V, fortgeschleudert. Der Quotient v,/2g werde mit k bezeichnet.
Die Bahn ist dann eine Parabel mit der Geraden: y = k als Direktrix. Den
zu Po konjugierten Punkt P«' zu bestimmen; für welche Werte von a existiert
ein solcher, für welche nicht? Geometrische Konstruktion desselben: Die Gerade
von der Amplitude: 2a — ^ durch den Punkt P^ schneidet die Parabel zum
1) Vgl. Kap. XI
Übungsaufgaben zum fünften Kapitel.
297
Tjweiten Mal im Punkt P^^'. Die Tangenten an die Parabel in P^ und P^'
schneiden sich in einem Punkt T der Geraden: y = k (Lindelöf's Konstruk-
tion, verallgemeinert, vgl. § 13, c)), und zwar unter einem rechten Winkel. Die
Enveloppe der Extremalenschar durch den Punkt P^ zu bestimmen; welche Be-
deutung hat dieselbe für die Aufgabe: bei gegebenem v^ den Winkel a so zu
bestimmen, daß die Bahn durch einen gegebenen zweiten Punkt P^ hindurchgeht?
(Tait and Steel, Appell)
11. Für das vorangehende Beispiel und für die Extremalenschar durch den
Punkt P(, das Feldintegral W{x, y), gerechnet vom Punkt P^, zu berechnen^
.a) mittels der Hamilton'schen Formeln (148), b) nach der Methode von § 20.
Lösung:
W{x, y) = 1/2 (/^ ((2^- - y) u - ""J) ,
wo
u = y^k — y ~yi]c(k—^~-^x^^'^.
Dies läßt sich auch in die Form bringen:
¥ür den Wert der Aktion vom Punkt
Pq bis zum konjugierten Punkt 1\'
•ergibt sich hieraus der Wert
3 g sin^ a
(Darboux)
12. Das Prinzip der kleinsten
Aktion auf die Planetenbewegwng an-
zuwenden.
Die Sonne befinde sich im Pol 0
<eines Systems von Polarkoordinateu
r, ö; die Anfangslage P^ sei gegeben
•durch r = r^, 0 = 0, die Anfangs-
geschwindigkeit sei V(^ , die Anfangs-
lichtung bilde mit der Achse den
Winkel a\ die Anziehungskraft sei
jLt/r^. Die Bahn ist eine Ellipse*
Parabel oder Hyperbel, jenachdem'
/
Fig. 45.
-^ oder > -^
Diese Bedingung ist von a unabhängig. Für den
i Fall der Ellipse ist die große Halbachse a gegeben durch
also ebenfalls von a. unabhängig.
298 Übungsaufgaben zum fünften Kapitel.
Aus den Breunpunktseigenschaften der Ellipse folgen nunmehr folgende
Sätze: Der zweite Brennpunkt F liegt auf dem Kreis mit dem Radius
IPqA = 2a — /o um den Punkt P^; der Vektor P^F bildet mit der Achse
den Winkel 2a. Verlängert man die Gerade Pf^F bis zu ihrem zweiten Schnitt-
punkt mit der Ellipse, so ist dieser der zu P^ konjugierte Punkt P^'. Die Enveloppe
der Extremalenschar durch den Punkt P^ ist eine Ellipse t^, welche die Punkte 0
und Pq zu Brennpunkten hat und durch den Punkt A geht. Bei der Ableitung
dieser Resultate gehe man von der Aufgabe aus, bei gegebenem v^ diejenige
Extremale zu bestimmen, welche durch den Punkt P^ und durch einen zweiten
gegebenen Punkt P^ hindurchgeht: Durch jeden Punkt P^ im Innern der
Ellipse ^ gehen zwei Extrem alen von P^ aus; man verlängere die Gerade OP^
bis zu ihrem Schnittpunkt S mit dem Kreis um 0 mit dem Radius | 0A\ = 2a^
beschreibe sodann um Pj einen Kreis mit dem Radius 'P^S\i derselbe schneidet
den Kreis mit dem Radius \ P^^A\ um P^ in zwei Punkten F, F\ welche die
zweiten Brennpunkte der beiden gesuchten Ellipsen sind. Durch jeden Punkt
von ^ geht eine Extremale von P^^ aus. Liegt P^ außerhalb %, so geht keine
Extremale von P^ nach P^ . (Jacobi, Tait and Stekl)
13. Für die vorangehende Aufgabe die Hamilton'sche partielle Differential-
gleichung aufzustellen und ein vollständiges Integral derselben nach der Methode
von § 20, c) aus dem ersten Integral : F^, = § der Eule r'schen Differentialgleichung
abzuleiten.
Lösung:
(cW\^ , 1 (dW\^ ^ /^ , A
W= ßd -\- Yfialu -\- esinu — 2 Vi — e^ arctg Oy-^~ ^S y) | + ^
ß^ = ua{l — e*) , r = a{l — e cos u) .
Für welche Extremalenschar ist die Schar: W = konst. die Transversalenschar ?
(Jacobi)
14. Das Prinzip der Jdeinsten Aktion auf die Bewegung eines Punktes auf
einer beliebigen Fläche auszudehnen. Hieraus den Satz abzuleiten, daß der Punkt
eine geodätische Linie beschreibt, wenn keine Kraft auf ihn wirkt. (Appell)
15. iJas allgemeine Problem der Brachistochrone auf einer Fläche: Auf einen
materiellen Punkt, welcher gezwungen ist^ sich auf einer gegebenen Fläche zu
bewegen, wirke eine Kraft, welche eine von der Zeit unabhängige Kräftefunk-
tion U{x, y, z) besitzt. Unter allen Kurven, welche auf der Fläche zwischen
zwei gegebenen Punkten P^ und Pj gezogen werden können, diejenige zu be-
stimmen, entlang welcher der materielle Punkt in dex kürzesten Zeit von P^
nach Pj gelangt, wenn ihm im Punkt P^ eine gegebene Anfangsgeschwindigkeit
erteilt wird. (Appell)
Übungsaufgaben zum fünften Kapitel. 299
16*. Die Brachistochrone auf einer Kugel miter der Einwirkung der Schwere
zu bestimmen; die Gestalt der Kurve zu diskutieren; die Frage der konjugierten
Punkte zu untersuchen.
17*. Unter allen Kurven, welche zwei gegebene Punkte Pj und Pj ver-
binden, diejenige zu bestimmen, welche das kleinste Trägheitsmoment in Beziehung
auf einen dritten Punkt P^ besitzt.
In Polarkoordinaten hat man also das Integral
(•2
zu einem Minimum zu machen.
Lösung: Liegen die drei Punkte P^, P^, I\ in gerader Linie, so liefert
das gerade Segment P^P^ das absolute Minimum.
Ist 0<|Ö2— 0ii< , so können die beiden Punkte P^, P, durch eine
3
einzige Extremale : r^ cos (3Ö + ^) = /^ verbunden werden, und diese liefert stets
das absolute Minimum.
Ist I Ö2 — Öj >^ . , so besitzt die Aufgabe keine kontinuierliche Lösung.
(BoNNET, MaSON.)
18*. Die krtimmlinige Bahn eines Lichtstrahls in einem nicht homogenen,
durchsichtigen, einfach brechenden Medium zu bestimmen, dessen absoluter Brechungs-
exponent n eine stetige Funktion der rechtioinkligen Koordinaten x, y, z des
Ortes ist.
Andeutungen: Die Fortpflanzung des Lichtes von einem Punkt P^ nach
einem andern Pj_ erfolgt in der kürzesten möglichen Zeit. Da der absolute
Brechungsexponent nach der ündulationstheorie umgekehrt proportional der
Geschwindigkeit des Lichtes in dem betreffenden Punkt ist, so haben wir daher
das Integral^)
/ =:= I nds
ZU einem Minimum zu machen, wo n eine gegebene Funktion von x, y, z be-
deutet. Wenn insbesondere n eine Funktion der Entfernung von einem festen
Zentrum 0 ist (eine Bedingung, welche annähernd für die Atmosphären der
Himmelskörper erfüllt ist), so liegt die Bahn in einer Ebene durch den Punkt 0.
Macht man diese Ebene zur x, t/- Ebene und den Punkt 0 zum Koordinaten-
anfangspunkt, so ist n eine Funktion von r=>/a^^ + 2/^\ und das Integral,
welches zu einem Minimum zu machen ist, nimmt folgende Gestalt an, wenn
wir Polarkoordinaten r, B mit dem Pol 0 einführen:
^) Vgl. auch Appell, Traite de Mecanique, Bd. T, p. 215.
QQQ Übungsaufgaben zum fünften Kapitel.
Der Lichtstrahl möge von einem gegebenen Punkt r^r«, 0 = 0 ausgehen und
seine Anfangsrichtung möge mit der Achse des Koordinatensystems den Winkel
^ _ i bilden. Den allgemeinen Charakter der Bahn zu untersuchen, insbeson-
d^ere in seiner Abhängigkeit von dem Anfangswinkel *, unter der Annahme, daß
f(r) für r = oo sich einer bestimmten endlichen Grenze > 1 nähert.
Handelt es sich um die Brechung des Lichts in der Atmosphäre eines
Himmelskörpers vom Radius J?, so ist eine angenähert richtige Wahl für die
Funktion /XO: -^r-B)\^
f{r) = (^1 4- fe«" ^''" j 1
wobei k und l zwei physikalische Konstante sind. Dabei ist dann noch die
Gebietsbeschränkung: r "^ B hinzuzufügen.
Die Frage der konjugierten Punkte zu untersuchen. ^) rKuMMERj
1) Die letztere Aufgabe hat Weierstkass in seinen Vorlesungen gestellt.
Sechstes Kapitel.
Der Fall variabler Endpunkte.
§ 36. Die Variationsmethode.
Wir wenden uns jetzt zu einer eingehenden^) Diskussion des
Problem S; das Integral
J = fF(x,y,x,y)dt
zu einem Minimum zu machen in dem Fall, wo die Endpunkte der
zulässigen Kurven nicht beide vorgegeben sind. Wir betrachten zu-
nächst den Fall, tuo der erste der beiden Endpunkte auf einer gegebenen
Kurve ^ beiveglicli ist, während der zweite, P^, fest und gegeben ist.
Die Kurve ^ denken wir uns durch einen Parameter a dargestellt:
^ : X = x(a), y = y{a), a^^a^a^.
Wir setzen voraus, daß sie von der Klasse C" ist und ganz im
Bereich ^^) liegt.
Unsere zulässigen Kurven sind also die Gesamtheit 't)TI aller ^^ge-
wöhnlichen"^) Kurven, welche von der Kurve ^ nach dem Punkt F^
gezogen werden können, und welche überdies ganz im Bereich ^
liegen.
Wir nehmen an, wir hätten eine Kurve
(^0 : x=^ x{t), y = yit), t^^t^ t^ (1)
gefunden, welche unser Integral J in bezug auf diese Gesamtheit 91^1.
zu einem (relativen) Minimum macht. Dieselbe möge von der Klasse
C sein und ganz im Innern des Bereiches ^ liegen. Der Punkt der
Kurve U, von dem sie ausgeht, sei P^ und möge dem Wert a = a^
entsprechen, so daß also
, l'(^i) = .r(«o). 'Kk) = y{%), (2)
^) Vorübergehend gestreift haben wir das Problem bereits in § 7, beim
^-Problem.
^) "^gh § 25, b); die Annahmen über die Funktion F sind dieselben wie dort.
») Vgl. § 25, a).
Bolza, Variationsrechnung. 20
302 Sechstes Kapitel. Der Fall variabler Endpunkte.
wobei wir annehmen, daß «j < a^ < a^. Wir schließen dann zunächst
ganz wie in § 7,a), daß die gesuchte Kurve (Sq in erster Linie alle
notwendigen Bedingungen für ein Minimum bei festen Endpunkten
erfüllen muß. Sie muß also eine Extremale sein und überdies müssen
die Bedingungen (II), (III), (IV) erfüUt sein. Wir nehmen für die
weitere Diskussion an, daß aUe diese Bedingungen erfüllt sind.
Für die weitere Behandlung der Aufgabe sind drei wesentlich
verschiedene Methoden entwickelt worden, die wir als Variations-
methode, Diff'erentiationsmethode^) und Kneser'sche Methode^) unter-
scheiden woUen. Im gegenwärtigen Paragraphen soU die erste der-
selben, soweit sie sich auf die erste Variation bezieht, besprochen werden.
a) Die Transversalitätsbedingung:
Die Variationsmethode besteht darin, daß man für das vorliegende
Problem „Normal- Variationen" •^) von hinreichender Allgemeinheit her-
stellt, für dieselben d J und d^J" berechnet, und dann die Bedingungen
^,7=0, ö^J^O diskutiert. Diese Methode, die bis auf Lagrange ^)
zurückgeht (1760), führt am einfachsten zu der aus dem Verschwinden
der ersten Variation folgenden Trans-
versalitätsbedingung, steht jedoch für
die weitere Behandlung des Pro-
blems hinter der Differentiations-
methode an Einfachheit und Trag-
weite zurück.
Wir setzen zunächst voraus, daß
die Funktion F von den Koordinaten
der Endpunkte nicht abhängt.
Es sei P3 derjenige Punkt von Ä,
welcher dem Parameter a = Oq -^ e
entspricht, wobei £ eine unendlich kleine Größe bedeutet. Dann ziehen
wir eine den Bedingungen einer Normalvariation genügende Kurve
S: x = x(t) + |(^, f), y = y(t) + v(i, ^)'. ii<i<t,
vom Punkte P3 nach dem Punkt P^. Die Funktionen |(^,£), ^(^;f)
müssen also so gewählt werden, daß für jedes e:
1(^1, e) = x{aQ + 0 - ^K); Uhy^) = Ö' /gN
V ih y^) = y {% + f ) -- ^ {%) y ^ (^2 ; f ) = Ö;
') Vgl. §§ 38-40.
«) Dieselbe setzt erst nach Ableitung der Transversalitätsbedingung ein.
Vgl. § 41 und Kap. VU.
») Vgl. § 8, a).
*) Vgl. Lagrangk, G'Juvres, Bd. I, pp. :338, 345.
§ 36. Die Variationsmethode. 303
was stets möglicli ist, z. B. indem man (wie in § 30, a))
Sftf) = [^K + f) - ^K)]^(0;
ri{t, e) = [y(a^ + £) - K%)] «^(0
setzt, wobei u(t), v(t) Funktionen von t aliein sind, die für t = t^ ver-
schwinden und für ^ = ^^ gleich 1 werden.
Für eine solche Variation erhält man dann nach Gleichung (78)
von § 8, da die Kurve (Sq eine Extremale ist, ganz wie in § 30, a),
wobei nach (3) im gegenwärtigen Fall
Die Bedingung dJ=0 fährt also auf das Resultat^):
Im Punkt Pj muß die Relation
Fxix,y, x,y)x + Fy'{x,y, xy)y' | ^ == 0 (5)
erfüllt sein, wobei sich die Ableitungen x, y auf die Extremale (^q, die
Ableitungen x',y' auf die gegebene Kurve ^ beziehen.
Dies ist die „Transversalitätsbedingung" für den Fall der Para-
meterdarstellung. ^)
^) WfiiERSTRAss, Vorlesungen 1882; vgl. Kneser, Lehrbuch, p. 32.
^ Die zweite Variation bei variabeln Endpunkten, auf die wir hier nicht
eingehen, ist zuerst von Ekdmann für das Integral
J=Jf{x,y,y')di
untersucht worden (Zeitschrift für Mathematik und Physik, Bd. XXIII
(1878) p. 364); für das Integral in Parameterdarstellung
J=j F{x,y,x\y')dt
I' touBliss (Transactions of the American Mathematical Society, Bd. UI
; (1902) p. 132, siehe unten § 39; für das allgemeinere Integral
I =j fi^^ y^y^^ • • •, yni, y[, y'^, ■ • •, yn) dx,
in dem die unbekannten Funktionen y^, y^^- ■ ', y durch eine Anzahl von
Differentialgleichungen verbunden sind, von A. Mayek (Leipziger Berichte
(1896) p. 436).
20*
i
304 Sechstes Kapitel. Der Fall variabler Endpunkte.
Zur Bestimmung der lutegrationskonstanten a, ß des allgemeinen
Integrals der Eule r 'sehen Differentialgleicliung, sowie der unbekannten
Größen t^, t^, a^ hat man fünf Gleichungen, nämlich
flh . «; /^) = ^2 ; Oih, ^y ß) = Vi y (ß^)
tXh, ^, ß) = '^(«o), 9(ti, cz, ß) = K^o)
und außerdem die Transversalitätsbedingung (5).
Beispiel XVI: Die Geodätischen Linien. (Siehe p. 209.)
Für die Transversalitätsbedingung findet man hier leicht die Gleichung
welche ausdrückt, daß die geodätische Linie die auf der Fläche gegebene Kurve
orthogonal schneiden muß. ^) ^ ^^
Die im Punkt x^, y^ zur Richtung x[, y\ transversale Richtung x\, y[, die
durch die Gleichung (5) definiert ist, läßt sich nach Cakatheodory sehr einfach
mit Hilfe der Tndikatrix (§ 30,0) geometrisch konstruieren. Bezeichnen wir mite,
und d, die Amplituden der beiden Richtungen, so folgt aus (5):
F^.{x^,y^,CO^G^,sme,)
tg öl = - F,ßc^;;'^^ie;;^Kd;) '
Durch Vergleichung mit Gleichung (128b) von § 30 ergibt sich daraus die Regel:
Um die zur Bichtung 6, transversale Bichtung ~e, zu erhalten, konstruiere
man im PunJä QJß^) der Indikatrix die Tangente Q, T, an dielndikatrix;die
Richtung derselben gibt dann die gesuchte transversale Bichtung Ö,, (vgl. Fig. 35).
Übrigens ist mit 6^ stets zugleich auch ~e^ -\- n transversal zu ö^.^)
b) Der Fall, wo die Funktion F die Koordinaten der Endpunkte
enthält:^)
Die Untersuchung gestaltet sich wesentlich anders, wenn die
Funktion F die Koordinaten der Endpunkte enthält. In diesem Fall
hat man nach p. 50 dem Ausdruck (3) für 8J noch das Zusatzglied
fiF^^Öx, + FJy, + FJx, + FJy.;) dt
u _ - ■
hinzuzufügen, wobei
ÖXi = öx\ h, dy. = d y ^i , (i = 1, 2).
da t^ und t^ von s unabhängig sind.
1) Vgl. z. B. BiANCHi-LuKAT, Differentialgeometrie, p. 65.
2) Hierzu die Übungsaufgaben Nr. 1—3 am Ende von Kap. IX.
^) Zuerst behandelt von Lagbange (1769), vgl. (Euvres, Bd. II, pp. 47 und öy.
Vgl. auch Kneser, Lehrbuch, § 12.
36. Die Variation smethode.
305
Unter Benutzung von (4) erhalten wir daher im gegenwärtigen
Falle statt der Trans versalitätsbedingung (5) die folgende Bedingung:
- {xF, + y'F^;) ' + f(F^x, + FJ{) dt
0,
(7)
wobei die Argumente von F^,, F^, sind: x^y y^y x[y ]j[\ x^, y^, x^, y^-^
diejenigen von F^^^ F^^:
x(f), y{t), x(t\ y{t)- x„ y„ x^, y,^.
Diese Gleichung ist von wesentlich anderem Charakter als die
Trans versalitätsbedingung (5), insofern ihre linke Seite nicht nur vom
Punkte F^, sondern gleichzeitig vom Punkte Pg abhängt.
Beispiel XV. (Siehe p. 207).
Die Brachistochrone für den Fall, daß der Ausgangspunkt P^ auf einer ge-
gebenen Kurve ^ beweglich ist, während der Endpunkt P^ gegeben ist.
Dabei setzen wir voraus, daß die gegebene Anfangsgeschwindigkeit v^ (und
daher auch die Konstante k) von den Koordinaten x^, t/^, x^, y^ unabhängig ist.
Die Funktion , ,
Vy-y.-^t^'
enthält hier in der Tat die Ordinate y^ des Punktes P^. Im Punkte P^ muß
also nicht die Transversalitätsbedingung (5), sondern die Bedingung (7) erfüllt
sein. Im gegenwärtigen Falle ist
F.= ^ , F,== y
" ^x'^-^y'^'^/y-y^^h^
'' V^'^y^Vy-y.^^
F..
2(]/2/-2/i+^^)'
Diese Ausdrücke sind nun für die Extremale ©„ zu berechnen, d. h. für
die Zykloide:
X — x^ -{- § = a.(t — sin i) ,
y — yi +^ = «(1 — cos#),
wobei wir nach einer schon früher gemachten Bemerkung ^) voraussetzen, daß
Man findet
F
1
y2c^^
F,=
cotgj-
2|/2a^ sin^
^) ^gl P- 209 Fußnote *) Die Einschränkung ist zur Zeichenbestimmung
der Quadratwurzeln erforderlich.
306 Sechstes Kapitel. Der Fall variabler Endpunkte.
Daher nimmt die Bedingung (7) die Form an
i; + 2/>otg| = 0. (8)
Bezeichnet jetzt 6^ den Tangenteuwinkel der Zykloide im Punkt P^, 0^ denjenigen
der Kurve ^ im Punkte P^, so folgt hieraus, da
tgÖ2 = cotg 2^
das Resultat^): ^ ^
008(02— ei) = 0, d.h. 0, = 0, + ^.
Die Tangente der Zykloide im Punkte Pg muß also auf der Tangente an die
Kurve ^ im Punkte P^ senkrecht stehen.-)
§ 37. Das Extremalenintegral.
Ehe wir zur Darstellung der „Differentiationsmethode" übergehen
können, müssen wir den wichtigen Begriff des Extremalenintegrals
einführen. Dazu haben wir ein an die Sätze von § 27 anknüpfendes
Existenztheorem nötig.
a ) Ein Existenztheorem über die Konstruktion einer Extremalen
durch zwei gegebene Punkte:
Es sei ein ganz im Innern des Bereiches ^ gelegener Extremalen-
bogen ^iJ.2 gegeben, dem entlang die Bedingung jP^ + 0 erfüllt ist.
P, Wir nehmen in der Nähe von A^
einen Punkt P^, in der Nähe von
J.2 einen Punkt Pg, und stellen
uns die Aufgabe, von P^ nach F^
eine Extremale @ zu ziehen.
Die Koordinaten der Punkte
^i«-^'- ^1, ^2 5 Pi, Ps seien a^, h„ a^, ly,
^ly Vv ^2; ^2- Der Tangentenwinkel des gegebenen Bogens A^Ä^ im
Punkte A^ sei «i, derjenige des gesuchten Boge;QS P^P^ im Punkte
Pi sei ö^; die Länge des Bogens A^^A^ sei /. Dann können wir nach
§ 27, c) den gegebenen Extremalenbogen in der Normalform
^ = 9E(5-6-i; a„h„a,), y = ^(s-s^', a„h„a,),s,^sZl + s, (9)
1) Lagrange hatte in seiner ersten Behandlung der Brachistochrone mit
variablen Endpunkten (1760) die Abhängigkeit der Funktion F von y^ übersehen,
und infolgedessen die gewöhnliche Transversalität (hier Orthogonalität) als Be-
dingung angegeben {(Euvres, Bd. I, p. 343). Das Versehen wurde dann von
BoRDA (1767) bemerkt und das obige Resultat angegeben, das dann auch später
von Lagrange (1769) nach seiner Methode bewiesen wurde {(Euvres, Bd. II, p. 63).
*) Hierzu die Übungsaufgabe Nr. 4 am Ende von Kap. IX.
§ 87. Das Extremalenintegral. . 307
schreiben und ebenso den gesuchten in der Form
Dabei ist 6.^ eine beliebige Konstante^ für die man z. B. Null wählen
kann.
Da die Kurve (10) für s = s^ durch den Punkt Pg gehen soll,
so haben wir zur Bestimmung der beiden unbekannten Größen s^, 0^
die beiden Gleichungen
ae (^2 - s, ; x„ y^, e^) = x^, g (s^ - s, ; x^'y,, 6,) -= y^. (1 1)
Man überzeugt sich leicht, daß die Bedingungen für die Anwendbarkeit
des Satzes über implizite Funktionen erfüllt sind, wofern die Funktional-
determinante
Diese Determinante ist aber nach § 27, d) nichts anderes als die
dort mit A bezeichnete Funktionaldeterminante der Extremalenschar
durch den Punkt J.^, berechnet für den Punkt A^. Die Ungleichung
(12) drückt also aus, daß der Punkt A.^ nicht zu A^ (im weiteren
Sinne) konjugiert ist. Unter dieser Voraussetzung können wir also
die Gleichungen (11) im Sinne von §22, e) in der Umgebung der Stelle
s^ =^ l -\- s^j x^ = a^j y^ = \, x^ = a^, y^ = \ eindeutig nach s^, B^ auf-
lösen und erhalten so den Satz:^)
Es sei A^A^ ein ganz im Innern des Bereiches Öl gelegener Ex-
tremalenhogen , dem entlang -Fj =4= 0, und es sei A^ nicht zu A^ (im
weiteren Sinne) honjugiert. Werden dann die beiden Punkte Pj, P^
hinreichend nahe hei A^, resp. A^ genommeny so kann man von P^ nach
Pg stets eine eindeutig definierte Extremale ziehen.
Die durch Auflösung der Gleichungen (11) erhaltenen Werte
Sjj, 6^ ergeben sich als Funktionen von x^, y^, x^, y^, welche in der
Umgebung der Stelle r/^, \, a^, \ von der Klasse C sind, und an
dieser Stelle selbst sich auf l -\- s^, resp. a^ reduzieren. Setzt man
den gefundenen Wert von 6^ in (10) ein, so erhält man den Extre-
malenbogen P^P^ dargestellt in der Form
^^ x^X{s',x^,y,,x^,y^), y = Y(s]X^,y,,x,,y^),
^) Weierstkass, VorlesmigenlSld-, Weierstraß benutzt zum Beweis irgend-
ein allgemeines Integral der Eul einsehen Differentialgleichung; vgl. Bolza, Lee-
tures, p. 175, Fußnote.
308 Sechstes Kapitel. Der Fall variabler Endpunkte.
Für (x^,yijX2,y2) = ia^,h,ci2,h) reduziert sich derselbe auf den Ex-
tremalenbogen A^A^.
Ist der letztere nicht in der Normalform (9) gegeben, sondern
durch einen beliebigen Parameter t dargestellt:
x==x{f), y = y(t\ h^t^t,, (9a)
der mit dem Bogen s durch die Parametertransformation
s-g(t\ t==h{s) (14)
verbunden sein möge, sodaß also: h{s^) = h, /<? + %) = ^2? so wende
man auf die Gleichungen (13) die Parameter transformation
t-h+ ^\ (his) - 0
an; dann erhält man den Extremalenbogen @ dargestellt in der Form
@ : x = ic(t', X,, y^y X,, y^), y = 1} (^; x^, tj,, x„ y,), (13a)
welche, wie man leicht zeigt, die beiden folgenden Eigentümlich-
keiten hat:
1. Die Endpunkte P^, Pg entsprechen den von x^,y^,x^,y.2 unab-
hängigen Werten t = f^, t = t^.
2. Für {x^, y^,x^, y^) = («i, \,a^y h^) gehen die Gleichungen (13a)
in die gegebenen Gleichungen (10 a) des Extremalenbogens A^A^ über.
Überdies folgen aus den Identitäten
^1 = £ (^1 ; ^i,yu^2, y2), Vi = ^ (^i 5 ^i^yu^-2, 2/2); ^^^^
x^ = £(^25 ^1; 2/1' ^2? !/2^ 2/2 = ^)(^2; ^1. Viy ^2; 2/2)
durch Differentiation nach Xj^, y^ die Grleichungen
ex, »■*' dy, '
'ikj
U;^ = i,2, (16)
wobei dik = 1 oder 0, je nachdem h = i oder h + i.
b) Die ersten partiellen Ableitungen des Extremalenintegrals :
Wir betrachten jetzt unter Festhaltung der Voraussetzung, daß
A^ nicht zu A^ konjugiert ist, unser Integral J, genommen entlang
der Extremalen @ von P^ nach Fc^:
MP,P2)=J^F():,i},i,,ih)dt.
§ 37. Das Extremalenintegral. 309
Dasselbe ist eine Funktion der Koordinaten ^i,2/i?^2?^2 ^^^ beiden
Punkte PiyP2, eindeutig definiert und von der Klasse C in der Um-
gebung der Stelle a^yh^,a2,\. Wir bezeichnen diese Funktion mit
^(a^ij ?/ij ^2 7 2/2J
und nennen sie das „Extremalenintegral" (oder auch den „extremalen
Abstand'^) von P^ nach P^] dasselbe ist identisch mit der von Hamilton^)
j,Principal Function" genannten Funktion, im speziellen Fall der geo-
dätischen Linien mit der „Geodätischen Distanz" ^) der beiden Punkte P^ P^.
Es sollen jetzt die partiellen Ableitungen der Funktion 3 nach
ihren vier Argumenten berechnet werden.^) Aus der Definition folgt
zunächst, wenn z irgend eine der vier Größen x^ , y^ , x.2 , 1/2 bedeutet,
dz
da t^ und t^ von x^,y^y x^^y^ unabhängig sind. Wendet man jetzt
auf die beiden letzten Glieder rechts die Lagrange 'sehe partielle
Integration an, und beachtet, daß die Funktionen j:, ^ den Differential-
gleichungen
genügen, so erhält man
as
oz
K,j. + F,^,^:\i (17)
Spezialisiert man daher die Größe s in (17), macht von den
Gleichungen (16) Gebrauch und erinnert sich der Homogeneitätseigen-
schaften der Funktionen F^,, F^,, so erhält man den folgenden Satz*):
Die partiellen Ableitungen des Extremalenintegrals haben folgende
Werte:
(18)
a^c^ ~""^'^'"2^^2;^^2;^2/> dyl~^^^ " " "^
^'^ = Ki^2,y2^P2,^2), S = F ,{X2,y2,P2A2)'
^) Philosophical Transactions, 1835, Part. I, p. 99.
-) Vgl. Dakboux, Theorie des surfaces, Bei. II, Nr. 536.
^) Für die ganze weitere Diskussion wird vorausgesetzt, daß F die Koordi-
naten der Endpunkte nicht enthält.
^) In den allgemeineren Resultaten von HAMu/rox enthalten, vgl. Hamilton,
loc. cit. ; für den Fall der geodätischen Linien gibt Daruoux die entsprechenden
Formeln. Hierzu die Übungsaufgaben Nr. 13 — 17 am Ende von Kap. IX.
310 Sechstes Kapitel. Der Fall variabler Endpunkte.
Darin bedeuten p^, q^, resp. p^, q^ die Richtungskosinus der positiven
Tangente der Extremalen (S im Punkt P^, resp. P^.
Wir werden die Formelri (18) die „allgemeinen Hamilton^ sehen
Formeln'^ nennen, im Gegensatz zu den spezielleren Formeln (148)
des fünften Kapitels.
c) Die zweiten partiellen Ableitungen des Extremalenintegrals : ^)
Um die zweiten partiellen Ableitungen des Extremalenintegrals
zu erhalten, haben wir die ersten partiellen Ableitungen der Tangenten-
winkel 0^, resp. ^2 der Extremalen @ in den Punkten P^, resp. P^ nötig.
Die Ableitungen von 0^ ergeben sich aus (11) nach den Regeln über
die Differentiation von impliziten Funktionen, und zwar findet man:
de, __ y'{s,) de, _ x{s^^ ^
Darin bedeuten in Übereinstimmung mit § 27, Gleichung (56):
und die Argumente der partiellen Ableitungen der Funktionen H, ^
sind c _ « r II 0
^ ^if ^l: U\j ^1-
Um die partiellen Ableitungen von 6^ zu erhalten, bemerken wir,
daß die Extremale (S sich auch schreiben läßt
x = li{s — 5,; ^2, y^, 0^) = ^i^\ y = d(s- ^2-, ^2, 2/2> ^2) = 2/(^0;
daher genügen die beiden Funktionen .s^, 62 von x^, y^, x.^, y^ auch
den beiden Gleichungen
^1 = ^{h — ^2; ^2> 2/2; ^2); Vi = ^JO'^i - ^2; ^2. Viy ^2)'
Aus diesen erhält man dann analog:
aö, ^ _ y'{s,) ^^A = ^^(^1)
dx, w^(sj' dy, w^{s^) ,^^.
dd,^_ u,{s,) de, _ _ v^^ _
Darin bedeuten u^y v^, w^ dieselben Determinanten wie oben, jedoch
mit den Argumenten
S §2, ^2? 2/27 "2-
1) Die folgenden Entwicklungen, die übrigens erst in § 39 zur Anwendung
kommen, sind der Dissertation von A. Dresden entnommen, „The second partial
derivatives of Hamilton's principal function and their appUcations in the calculus
of variations, Transactions of the American Mathematical Society,
Bd. IX (1908), p. 476.
\
§ 37. Das Extremalenintegra]. 311
Nunmehr erhält man durch Differentiation der Gleichungen (18) Aus-
drücke für die zweiten Ableitungen der Funktion 3- Dieselben lassen
sich jedoch wesentlich vereinfachen. Zunächst drücke man die dabei
auftretenden zweiten Ableitungen von F nach Gleichung (12 a) und
(85) des fünften Kapitels durch die Weierstraß 'sehen Größen F^,
L, M, N aus. Sodann beachte man^ daß die Funktionen u^, v^, w^]
U2, V2, IV 2 nach § 29, a) der zur Extremalen @ gehörigen Jacobi'schen
Differentialgleichung genügen, und zwar sind sie hierdurch zusammen'
mit den folgenden Anfangsbedingungen^ die sich aus den Eigenschaften
der Funktionen 36; §) ergeben, vollständig bestimmt:^)
w^{s,)= 0, <(5i)= 1, (21)
% fe) = - y' ih), «*2 (^2) = - y" fe);
^2(^2)= ^'(^2); ^2(^2)= ^"(^2);
«^2fe) = 0; ^2(^2) = 1-
Bezeichnen nun 09^, resp. Wg diejenigen Integrale der zur Extre-
malen (S gehörigen Jacobi'schen Differentialgleichung, welche durch
die Anfangsbedingungen
^ = ^ r.iW'Q ^ = 0
(22)
G^lfe) ■-
= 1, co;(o = o,
resp. ^2(^2) =
= 1, oo,(s,) = 0
definiert sind, so folgt
u^ = -
-yXs,)tv^-y\s,)oj„
^1 =
und ebenso
X'(S^)U\ -f X(S^)C3^,
Ui = — y'\s^) w^ — y'{s^) oj.,
Macht man hiervon Gebrauch und setzt schließlich noch
so erhält man das folgende von Dresden herrührende Resultat:
^) V'gl. § 27, Gleichungen (51a), (51b) und die aus (51a) durch Differen-
tiation nach Xq, y^, 0^ sich ergebenden Gleichungen.
(24)
3J^2 Sechstes Kapitel. Der Fall variabler Endpunkte.
a^s_ _ _ ^l(^iM^il£(3l ^'^= 5.(s2)y>i)_^2)
dy^'y.~~ ^^'lÄT ' ay'aa?/! W.As,)
Die hieraus folgende Relation
F,{s.:)iv,{s,) + Fl(A)^/;2(^l) = 0 (25)
verifiziert man direkt, indem man den Abel'sclien Satz von § 11, b)
auf die beiden Integrale iv^, w^ der Jacobi 'sehen Differentialgleichung
anwendet : .,/s /r/\ C
und dann einmal s = s^, einmal s = Sg s®^^*-
Daß t6-i(52) und w^ls^) von Null verschieden sind, wenn die beiden
Punkte Pi, P2 hinreichend nahe bei Ä,, A, liegen, folgt aus der
Voraussetzung (12).
Ebenfalls aus dem Abel'schen Satz folgen die später zu be-
nutzenden Formeln
tV, (5) (d[ (s) - CD, (s) tv[ (s) == - j\ '^)
f;{s,) ^ -^
tv,{s)(o'^{s) - (o^[s)iv^(s) = - -^ •
Die Funktionen tv,{s), g),{s) lassen sich leicht mittels der Weier-
straß'schen Funktion &{s,s,) von §29, a) und deren partieller Ableitung
nach s, yr^ ^\- ^(fiii) (27)
ausdrücken:
und analog für die Funktionen W2{s),a„Js).
§ 38. Die Differentiationsmethode. 313
Die Ausdrücke für die zweiten Ableitungen des Extremaleninte-
grals sind unter der speziellen Voraussetzung abgeleitet worden, daß
als Parameter auf der Extremalen (^ die Bogenlänge s gewählt worden
ist. Sie bleiben jedocb unverändert bestehen^ wenn die Extremale (S
durch einen beliebigen anderen Parameter dargestellt ist. Denn geht
man von einem Parameter t zu einem neuen Parameter t über mittels
der Transformation t = Q(t), so erhält man unter Benutzung der
Homogeneitätseigenschaften der Funktion F und ihrer partiellen Ab-
leitungen (§ 25) folgende Transformationsformeln:
'L = L-fy''F„ N = N-fx^F„
_ .. (29)
aus denen sich die Invarianz der rechten Seiten der Gleichungen (24)
unter einer beliebigen Parametertransformation sofort ergibt.
§ 38. Die Differentiationsmethode. ^)
Wir kehren jetzt zu der im Eingang von § 36 formulierten Auf-
gabe zurück j um dieselbe nach der zweiten der dort genannten Me-
thoden, der Differentiationsmethode, in Angriff zu nehmen. Wir wollen
den äußerst einfachen Grundgedanken dieser Methode zunächst an
dem Beispiel der kürzesten Kurve von einer gegebenen Kurve ^ nach
einem gegebenen Punkte P^ erläutern. Nachdem man durch Be-
trachtung von Variationen mit festen Endpunkten gezeigt hat, daß
die Extremalen gerade Linien sind, hat man des weiteren nur noch
die Aufgabe zu lösen: Unter allen Geraden, welche von der Kurve
^ nach dem Punkte P^ gezogen werden können, die kürzeste zu
suchen; und das ist ein Problem der Theorie der gewöhnlichen Maxima
und Minima. Die Entfernung der beiden Punkte P^ und Pg, (die
nichts anderes ist als das Extremalenintegral für das vorliegende Bei-
spiel), ist _ , ^ /-
^5l^3;2/3.^2.«/2) = yfe-^2)' + fe -2/2)'-
^) Der Grundgedanke der Methode scheint auf Poisson und Jacoui zurück-
zugehen; vgl. auch DiENGEu, Grund riß der Variationsrechnung (1867) p. 27. Im
einzelnen durchgeführt worden, und zwar auch für die Glieder zweiter Ordnung,
ist die Methode zuerst von A. Mayek für das allgemeine Lagrange'sche Problem,
Leipziger Berichte (1884) p. 99 und später nochmals in der oben (p. 303 Fuß-
note 2)) zitierten Arbeit von 1896.
314
Sechstes Kapitel. Der Fall variabler Endpunkte.
Man hat also einfach die Funktion
der Variabein a zu einem Minimum zu machen.
Da die gerade Verbindungslinie zweier Punkte ausnahmslos die
absolut kürzeste Verbindungskurve der beiden Punkte ist, so liefert
in der Tat die Methode hier offenbar nicht nur notwendige, sondern
auch hinreichende Bedingungen.
Ganz analog ist die Schlußweise im allgemeinen Falle: Man zer-
legt das Problem in zwei scharf getrennte Teile. Zunächst löst man
das Problem bei festen, aber unbestimmten Endpunkten, bestimmt
dann die Integrationskonstanten als Funktionen der Koordinaten der
beiden Endpunkte und berechnet das zugehörige Extremalenintegral
3K,2/i.^2.^2)- Der zweite Teil der Aufgabe besteht dann darm, daß
man 'die Funktion ^(x„y„x„y,) unter den durch die Aufgabe vor-
geschriebenen Nebenbedingungen zu einem Minimum macht, was eme
Aufgabe der Theorie der gewöhnlichen Maximxi und Minima ist. Das
läuft darauf hinaus, daß man nur solche Variationen der gesuchten
Kurve (Sq betrachtet, welche selbst Extremalen sind.
Es ist klar, daß man auf diese Weise notwendige Bedingungen
erhält- ob auch hinreichende, das ist im allgemeinen FaUe nicht so
selbstverständlich, wie es nach Analogie des obigen Beispiels Schemen
könnte. Daher sind auch die Einwände, die Erdmann ^j gegen die
Methode erhoben hat, an sich berechtigt. Trotzdem führt die Methode,
wenigstens in einem etwas beschränkteren Sinne, auch zu hinreichenden
Bedingungen, wenn man die bekannten hinreichenden Bedingungen
für gewöhnliche Maxim a und Mi-
nima mit den hinreichenden Be-
dingungen für das Variationsproblem
mit festen Endpunkten verbindet.*)
Wir fügen für die weitere Dis-
kussion den im Eingang von § 36
aufgezählten Voraussetzungen über
den Extremalenbogen (^o ^i^ weitere
hinzu, daß die Legendre'sche und
Jacob i'sche Bedingung in der stärke-
ren Form (E') und (IIP) von § 32, b)
erfüUt sind. Dann sind die Voraussetzungen der beiden Sätze von
§ 37 für den Extremalenbogen @o erfüllt, wobei anstelle der dort mit
"' "x^ZeiTschrift für Mathematik und Physik, Bd. XXIII, (1878) p. 364.
») Vgl. BoLZA, Lectures, § 23, e).
Fig. 48.
§ 38, Die Differentiationsmethode. 315
Ä^, Ä2, resp. Pj, Pg bezeichneten Punkte die Punkte P^, Pg, resp.
Pg^ Pg treten.
Wird daher der Punkt F^ hinreichend nahe bei 1\ angenommen,
80 geht von P3 nach Pg eine eindeutig definierte Extremale (S^ dar-
gestellt durch die Gleichungen (loa), wenn man darin x^, y^ durch
x^j y^ ersetzt. Der Wert des Integrals J, genommen von P3 entlang
(S nach Pg, ist dann gegeben durch das Extremalenintegral
Da der Punkt P3 auf der gegebenen Kurve Ü liegt, so ist hierin
x.^x{a), 'h-^y(a) (31)
zu setzen, wenn a der Parameter von 1\ auf der Kurve £ ist, (so
daß also in der Bezeichnung von § 36, a) a = a^ -\- £). Durch Ein-
setzen dieser Werte geht das Extremalenintegral in eine Funktion
der einzigen Yariabeln a über, die wir mit J(a) bezeichnen, so daß
J{a) = ^(x (a) ,y{a),x^, y^) . (32)
Die Funktion J(a) muß nun nach dem im Eingang dieses Ab-
schnitts Gesagten für a = a^ ein Minimum besitzen, es muß also sein:
JXa,) = 0, r(a,):>0. (33)
Nun ist aber nach (32)
J (a) = ^x -\- ^^ y '
setzt man hierin für die Ableituugen von 3 ihre Werte aus (18) ein
und beachtet die Homogeneität von P^,,P^,, so erhält man:
J\a) = - [x'F^,{x,y,x',y') -j- y'Fy,{x,y,x',y')y^ (34)
Für a = % ergibt sich hieraus unmittelbar die Transversalitätsbedingunff
in derselben Form (5) wie in § 36, a).
Ist die Kurve ^ nicht in Parameterdarstellung, sondern durch
eine Gleichung x{x,y) = 0 gegeben, so hat man die Funktion
der beiden Variabein x^,y^ mit der Nebenbedingung
X(^i>2/i) = 0
zu einem Minimum zu machen, was nach den bekannten Regeln für
bedingte Minima auf die Transversalitätsbedingung in der Form
K,'{^iyyu^[yy[)%y{^^yyt) - F^'i^uVi, Kyy[)%M,yi) = o (35)
fährt, in Übereinstimmung mit (5).
316 Sechstes Kapitel. Der Fall variabler Endpunkte.
Ebenso leicht läßt sieht die Differentiationsmethode auf das all-
gemeinere Problem^) anwenden:
Das Integral j ^J_f(,,, ,,;,') rf,
ZU einem Minimum zu machen, während zwischen den Koordinaten
der Endpunkte eine Anzahl von Relationen gegeben ist
Die Anzahl der voneinander unabhängigen Relationen kann nicht
größer als vier sein. Ist sie genau gleich vier, so haben wir den
Fall fester Endpunkte.
Sind beide Endpunkte vollständig frei beweglich, so erhält man
die vier Bedingungen
§ 39. Die Brennpunktsbedingung.
Wir fügen jetzt den im Eingang von §§ 36 und 38 über den
Extremalenbogen (^o gemachten Annahmen die weitere Annahme hinzu,
daß im Punkt P, die Transversalitätsbedingung (5) erfüllt ist, und
wenden uns nun, im weiteren Verfolg der Differentiationsmethode, zur
Diskussion der Bedingung
r(a,)^0. (332)
a) Berechnung 2) von J"K); Einführung des Brennpunktes:
Aus der Definition (32) der Funktion J{a) folgt unmittelbar
Trägt man hierin die Werte für die Ableitungen von 3 aus (18)
und (24) ein und setzt
A, = x'F,. + r F,. + Li'-' + 2 Mx'p + W I S ^gg)
B, = {x'y'-y'xyF, \
wobei die Argumente von F,, F,., F„ L, M, N sich auf die Extre-
male So und den Punkt P^ beziehen, so erhält man
wobei die Funktion 0,it) durch (23) definiert ist und t statt s ge-
schrieben ist, da der Parameter auf der Extremalen (£„ beliebig ist. )
V^ Kneskk, Xe?<rt«cA, § 10. ») Nach Dresden, loc. cit.p. 474.
') Vgl. die Bemerkung am Ende von § 37, c).
§ 39. Die Brennpunktsbedingung. 317
In dem Ausnalimefall, wo: x[y^ — y[x[ = 0, wo also die Extre-
male ^Q die Kurve ^ im Punkt P^ berührt, reduziert sich die Be-
dingung (382) auf: Ä^^ 0, also eine jBedingung, die von der Lage
des Punktes Pg auf der Extremalen^) @* unabhängig ist.
Wir lassen diesen Ausnahmefall in der Folge beiseite und setzen
voraus, daß ^'jy^ _ ^^^- ^ q, (38)
d. h. daß die Kurven (S^ und ^ sich im Punkt P^ nicht berühren.
In diesem Fall hängt J"(s) ^^^^^ ^^^ I^^ge des Punktes Pg ab. Wir
lassen daher den Punkt Pg die Extremale vom Punkt P^ bis zu dem
zu Pj konjugierten Punkt P{ durchlaufen und untersuchen, wie sich
dabei das Zeichen von J"{a^ ändert.
Wegen der Voraussetzungen (IP) und (38) ist B^ > 0. Femer
folgt aus (23) und {^^\ daß
dt F^{t)wi{t)^ y^^)
also stets positiv. Überdies ist nach (21) und (22)
^j (^1 4- 0) = + oü ; dagegen z^(t[ - 0) = - 00 , ■ (40)
da nach |dem Sturm 'sehen Satz von § U, c) die Funktion (0^{t) in
t^ und t[ entgegengesetztes Zeichen hat.
Während also der Punkt Pg die Extremale @* vom Punkt P^
bis zum Punkt F[ durchläuft, nimmt J'\%) beständig ab von + 00
bis — 00, passiert also genau einmal durch den Wert 0. Denjenigen
Wert von t, für welchen dies eintritt, bezeichnen wir mit t'^ . Dann
ist also / \ <^i ^^ j. ^ j."
{ > U, wenn t^<t^ ^
J'\%)\-^, wenn f^ = C; (41)
l < 0, wenn ^ > t'^.
Für ein Minimum^) ist also nötig, daß
h < ii- (42)
Derjenige Punkt P{' der Extremalen (SJ, welcher dem Parameter
t = fl entspricht, heißt nach Kneser^) aus später ersichtlichen Grün-
den der Brennpunkt der Kurve ^ auf der Extremalen @*.
^) Vgl. wegen der Bezeichnung § 27, c).
2) Für spätere Anwendung (§ 42) beachte man, daß die Funktion J{ä) im
Fall t^^t[' für a = a^ ein Maximum besitzt.
3) Ygl Knesek, Lehrbuch § 24; Bliss gebraucht statt dessen „critical point^',
und^ diese Bezeichnung ist von Zermelo und Hahn adoptiert worden {Encyclo-
jßädie, IIA, p. 630). Wenn kein konjugierter Punkt P[ auf der Extremalen @*
existiert, so braucht auch nicht notwendig ein Brennpunkt P^ zu existieren.
Im letzteren Fall ist J"{a^)'>0 auf der ganzen Extremalen (£$. Wir schreiben
.auch in diesem Fall : t^ < V^.
Bolza, Viiriatiousrechuung. 21
318 Sechstes Kapitel. Der Fall variabler Endpunkte.
Somit können wir den Satz aussprechen:
Für ein Mininmm des Integrals J unter den angegebenen End-
punktsbedingungen ist weiterhin nötig j daß der Brennpunkt P'l der
Kurve ^ auf der Extremalen @J nicht swische^i den beiden PunMen
Pi und Po liegt.
Die Gleichung J'\a^ = 0, welcher der Wert t[' genügt, können
wir nach (27) und (28) auch schreiben^)
H{t, t,) = A,&(t, t,) + B, ^®l^^ = 0, (43)
und zwar ist t'^ definiert als die zunächst auf t^ folgende Wurzel
dieser Gleichung.
Mit Hilfe der Gleichungen (21), {^22), {21) und (28) verifiziert
man leicht, daß
Ä,H(t„t,) + B,E,(t,,t,) = 0. (44)
Die Funktion H(t, t^) kann daher, abgesehen von einem konstanten
Faktor, auch als dasjenige Integral der Jacob i'schen Differential-
gleichung definiert werden, welches der Anfangsbedingung (44) ge-
nügt.^) Denn ist u(t) ein zweites Integral der Jacob i'schen Diff'e-
rentialgleichung, welches derselben Anfangsbedingung genügt,
A,u{t,) + By{t,) = 0,
so folgt, da J5i H= 0,
Hu-uH'\'^=0,
und dies ist nach § 11, b) Zusatz I, nur möglich, wenn u = konst. H,
b) Abhängigkeit des Brennpunktes von der Krümmung der
Kurve t im Punkt P^:
In den Ausdruck für die Funktion H(t, t^) kann man statt der beiden
Ableitungen x[\ y[' die Krümmmung der Kurve Ä im Punkt I\ einführen , also
die Größe
1 x y" — y' X
f
{x'^y")^
wenn man — unter Festhaltung der Voraussetzung (38) — aus den beiden Glei-
chungen
^'^.'+^'-^Vr=0, x'F^.Ary'Fy.Y = F\^ (45)
die Größen F ,\^ und F , '^ berechnet und in yl^ einsetzt.
^) In dieser Form zuerst von Bliss gegeben (Transactions of the
American Mathematical Society, Bd. III (1902), p. 13G) und aus der zweiten
Variation abgeleitet. Unsere Bezeichnung weicht von der Bliss'schen um einen
unwesentHchen konstanten Faktor ab. Die entsprechende Gleichung für das
a;-Problem findet man bei Bolza, Lectures, § 23, e).
ä) Vgl. Bliss, loc. cit.
§ 39. Die Brennpunktsbedingung. 319
Bezeichnen 6^ und 6^ die Tangentenwinkel von ©,,, resp. ^ im Punkt P^,
und setzt man zur Abkürzung
(46)
)/a;'*-f 2/'2^sin (ö — ö)
Z)i = X cos^ ö -f 2 Jf cos 0 sin Ö -f ^ sin^ 0 i 1
^1 = (.^'' + y') 8in2(0 — ö)Fi ; ^
io nimmt die Gleichung zur Bestimmung des Brennpunktes nach (37) die Form an
-(y + A) + i'\^x(O-0. (47)
Denken wir uns die Extremale ©„ und den Punkt P^ festgehalten und die
Kurve £ variiert, aber so, daß die Dichtung ihrer Tangente im Punkt Pj unver-
ändert, somit die Transversalitätsbedingung erfüllt bleibt, so zeigt die voran-
gehende Gleichung, daß der Brennpunkt P," ungeändert bleibt, solange die
Krümmung der Kurve ^ im Punkte P, dieselbe bleibt, sich dagegen im all-
gemeinen^) ändert, wenn die Krümmung sich ändert. Um die Abhängigkeit
zwischen beiden näher zu untersuchen, lösen wir die Gleichung (47) nach ~ auf:
^ = i.^,^,(*r)-A,
und betrachten ~- als Funktion von tV.
r ^
Aus (39) und (40) folgt daher für den Fall, daß der konjugierte Punkt P;
existiert, das Resultat:
Während t[' von t^ bis t^ wächst, nimmt die Krümmung — ab (zu), und
zwar von -]- oo (— oc) bis — oü (-f oo), wenn C^ positiv (negativ) ist.
Hieraus ergibt sich zugleich das Verhalten der inversen Funktion t^' als
Punktion von - •
r
Berücksichtigt man noch die geometrische Bedeutung des Vorzeichens von
y (vgl. § 25a)), so läßt sich das Resultat 2) auch folgendermaßen aussprechen:
Läßt man den Krümmungsradius r der Kurve ^ im Punkt stetig sich ändern^
und mar von 0 his oo auf derselben Seite von ^, auf welcher (J^ liegt, und dann
von Oü his 0 auf der entgegengesetzten Seite, so bewegt sich der Brennpunkt P"
stetig vom Punkt P^ nach dem konjugierten Punkt P[, wenn F{x^ , y^, x[, y[) > 0,
dagegen vom Punkt P[ nach dem Pmikt P^, ivenn F(x^, y^, x[, y^ < 0.
^) Ist F{x^, 2/i, x^, 2/0= 0, (was wegen (38) und (45) nur eintreten kann,
wenn gleichzeitig F^,\' = 0, F^,\'=0\ so ist C, = 0 und ti' von der Krümmung
unabhängig; wir setzen in der weiteren Diskussion voraus, daß
F{x,,y,,x[, 1/0=4=0. (48)
Aus dieser Annahme zusammen mit der vorausgesetzten Transversalitäts-
bedingung (5) folgt übrigens rückwärts die Ungleichung (38).
^ Satz und Beweiß nach Bliss, loc. cit. p. 138.
21*
k
320 Sechstes Kapitel. Der Fall variabler Endpunkte.
c) Beispiel I bei variablem Anfangspunkt:^)
Hier ist / ,^ , — -ti\
Die Extremalen sind Kettenlinien mit der aj-Achse als Direktrix. Wir schreiben
insbesondere die Extremale ©o i^ ^^^ Yotcq.
Die Transversalitätsbedingung lautet:
2/(5':c'4-^'2/') = 0.
Die Kettenlinie (g« muß also im Punkt P, zu der gegebenen Kurve ^ ortho-
gonal sein.
Ferner ergibt eine einfache Rechnung
und daraus, wenn -wir die positive Richtung der Kurve S so wählen, daß
Endlich findet man
0{t, t,) = al{ShtSht,(t -t,) + ^htCht, -^ht.Ght) .
Hieraus ergibt sich zur Bestimmung des Brennpunktes die Gleichung^)
a(Chf — <Sh*) + &Shi = 0, worin
a = l-^Ch^^,Sh^,,
r
h = Shi,Chi, + *i + ^"^i"— (Ch^. - *i Sh*,).
* Die Diskussion dieser Gleichung ergibt das folgende Resultat'):
Liegt der Punkt 1\ auf dem absteigenden Äst der Kettenlinie (in welchem
Fall ein zu P, konjugierter Punkt P[ existiert*), so existiert stets em Brenn-
punkt, und zwar in Übereinstimmung mit der allgemeinen Theorie zwischen P,
Liegt der Punkt P, auf dem aufsteigenden Ast (in welchem Fall kein zu
P koniugierter Punkt existiert), so existiert ebenfalls ein Brennpunkt, außer
wenn r zwischen 0 und -cc,Ch%Sht, liegt; liegt dagegen r in dem angegebenen
Intervall, so existiert kein Brennpunkt.
') Siehe pp. 1, 33, 79.
2) Zuerst gegeben von Kneser, Lehrbuch S. 85.
3 Nach Maky E. Sinclair, Annais of Mathematics ^2), Bd. VIII (1907),
p 177 wo für den Fall r = oo auch die experimentelle Bestimmung des Brenn-
punktes mittels des Plateau' sehen Versuches gegeben wird.
4) Vgl. p. 80.
§ 40. Geometrische Bedeutung des Brennpunktes. 321
Der Brennpunkt läßt sich durch eine der Lindelöf sehen ähnliche, aber
im allgemeinen etwas kompliziertere Konstruktion ^) bestimmmen. In dem spe-
ziellen Fall, wo r = + ^^1 ist dieselbe besonders einfach: Die Normale an die
Kettenlinie im Punkt P^ und die Tangente im Brei^npunkt P(' schneiden sich
auf der a;-Achse.^)
§ 40. Greometrische Bedeutung des Brennpunktes.
Alinlicli wie der konjugierte Punkt hat nun auch der Brennpunkt
eine einfache geometrische Bedeutung. Um dieselbe abzuleiten^ be-
trachten wir zunächst die Aufgabe, durch einen Punkt Pg der Kurve
^ in der Nähe von P^ eine Extremale zu konstruieren , welche von
der Kurve £ transversal geschnitten wird.
Der Parameter des Punktes Pg auf der Kurve ^ sei wieder a^
seine Koordinaten also x{a\ y{ct). Ist dann 0 der Tangentenwinkel
der gesuchten Extremalen (S^ im Punkte Pg, so können wir letztere
in der Normalform von § 21, b) ansetzen:
x=li (s-, x(a\ y{a), 6\ t/ = D (s; x{a), y{a), d),
wobei der Punkt Pg dem Wert 5 = 0 entspricht.
Soll diese Extremale im Punkt Pg von der Kurve ^ transversal
geschnitten werden, so muß sein
x' (a) F^, (x {a), y (a), cos 6, sin 6) + y Fy, {x (a), y (a), cos 6, sin 6) = 0. (49)
Diese Gleichung haben wir nach 6 aufzulösen. Die Voraussetzungen
des Satzes über implizite Funktionen (§ 22, e)) sind erfüllt: Denn da
nach unserer Annahme die Extremale @q im Punkt P^ von der Kurve
^ transversal geschnitten wird, so wird die Gleichung befriedigt für
a = üq, 0 = ^1, weun 6^ den Tangentenwinkel von (Sq im Punkt P^
bezeichnet. Ferner ist die linke Seite von (49) in der Umgebung der
Stelle a = «Q, 0 = 6^ von der Klasse C, und endlich ist ihre partielle
Ableitung nach 6 an dieser Stelle von Null verschieden; denn eine leichte
Rechnung ergibt für diese Ableitung den Wert: F^{y qobO — x ^m6)y
und dies ist wegen unserer Voraussetzungen (IP) und (38) im Punkt
Pj von Null verschieden. Somit können wir in der Tat die Gleichung
(49) in der Umgebung der Stelle a^^, 9^ eindeutig nach 6 auflösen
und erhalten als Lösung eine Funktion: 6 = d(a), welche in der Um-
gebung von a = «0 von der Klasse C ist und der Anfangsbedingung:
0(^0) = 6^ genügt. Die gesuchte Extremale @^ wird also dargestellt
duj"ch die Gleichungen
^a' J = dc(s',x{a),y{a\e{a)), y = ^{s',x{a),y{a\d{a)). (50)
^) Vgl. Mary E. Sinclair, loc. cit., p. 182.
^) Hierzu weiter die Übungsaufgaben Nr. 3, 5, 6—8 am Ende von Kap. IX.
322 Sechstes Kapitel. Der Fall variabler Endpunkte.
Dabei liefert der Wert s = 0 den Schnittpunkt Pg mit der Kurve ^,
und für a == a^ reduzieren sich die Gleichungen (50) auf die Gleichungen
der Extremalen (Sq in der Normalform
Endlich folgt aus den Gleichungen (51b) von § 27, daß die
Funktionaldeterminante der beiden Funktionen auf der rechten Seite
von (50) nach s und a für 5 = 0 den Wert: f/ cos 6 {a) — x sin 6 (a)
hat, welcher für kleine Werte von a wegen unserer Voraussetzung (38)
von Null verschieden ist.
Wir formulieren das Resultat als selbständigen Satz:^)
Wenn die Extremale ©^ im Pimld F^ von der Kurve ^ trans-
versal geschnitten, aber nicht berührt wird, so läßt sich durch jeden
PunM P3 von £ in der Nähe von P^ eine und nur eine Extremale
konstruieren, welche im PiinU P^ von ^ transversal geschnitten wirdy
und deren Tangentenwinkel im Punkt P3 nur unendlich tvenig vmi dem-
jenigen von @o ^^^^ Punkt P^ verschieden ist.
Geht die Extremale ©^ aus der ursprünglich gegebenen Dar-
stellung (1) in die Normalform (51) über durch die Parameter-
transformation (14), so führt dieselbe Parametertransformation die
Gleichungen (50) über in eine neue Darstellung der Extremalen @^,
(g^: x=^it,a), ij = t(t,a), (52)
welche für a = a^ in die gegebene Darstellung (1) der Extremalen ©^
übergeht: ^(^t,a,) = Mi), i'{t,a,) ^ y{t), (53)
und bei welcher der Punkt P3 der Extremalen ©^ dem von a unab-
hängigen Wert t = t^ entspricht:
(p{t^,a) = ~x{a), i^{t„a) = y(a). (54)
Überdies haben die Funktionen cp, ^ die in § 27, dj unter A) bis D)
aufgezählten Eigenschaften.
Variiert man a, so stellen die Gleichungen > '(50) oder (52) eine
die Extremale @o enthaltende Schar von Extremalen dar, tvelche sämt-
lich von der gegebenen Kurve ^ transversal geschnitten werden.
Die Transversalität der beiden Kurven @,, und ^ im Punkt P3
drückt sich aus durch die Gleichung
x\a)F,, + y{a)F^,^0, (55)
wobei die Argumente von F^, und F^, sind
x = x{a), y = y{a), x = cp^t^y a\ y = ^Ik , ^)'
^) Derselbe rührt von Kneser her, vgl. Lehrbuch § 30.
§ 40. Geometrische Bedeutung des Brennpunktes.
323
Diese Gleichung^ welche eine Identität in a ist, differentiieren wir
jetzt nach a. In dem zunächst sich ergebenden Resultat drücke man
die zweiten Ableitungen von F mittels der Gleichungen (12 a) und
(85) des fünften Kapitels durch die Funktionen F^, L, M, N aus und
beachte^ daß nach (54)
und daher ., s-// n . n-./ x * / n
(Pt(t„a)y {a) — i^lt^^d)x {a) = A(t,,a),
wenn A(t,a) wieder die Funktionaldeterminante der Schar (52) bedeutet.
Setzt man schließlich a = üq, so erhält man die Relation:
Ä, A (t, , a,) + B, A,(t, , a,) = 0, (56)
wenn A(t,a) die Funktionaldeterminante der Schar (52) bedeutet.
Nun ist aber nach § 29, b) die Funktion A(t,aQ) ein Integral der
Jacobi'schen Differentialgleichung für die Extremale @o; und da
A(t,aQ) der Anfangsbedingung (56) genügt, so folgt nach der am
Ende von § 39, a) gemachten Bemerkung, daß
Mt,%)^CH{t,Q, (57)
wo C eine von Null verschiedene Konstante ist, da nacli (53), (54)
und (38) ^(^^^ „^) _ ^, -, _ ^, ., ^ Q ^5^^^
Die Funktion H(t,t^) unterscheidet sich also nur um einen kon-
stanten Faktor von der Funktionaldeterminante A(t,aQ) derjenigen
Extremalenschar,
welche von der ge-
gebenen Kurve ^
transversal ge-
schnitten wird.
Daraus folgt
aber nach § 29, c)
der Satz:^)
I)er Brenn-
punld P'l der
Kurve ^ auf der
Extremalen (S* ist
derjenige Punkt, in welchem die Extremale @* mm ersten Mal — von P^
nach P^ SU gerechnet — die Enveloppe g der von der Kurve ^ trans-
versal geschnittenen Extremalenschar berührt^)
^) Vgl. Bliss, loc. cit. p. 140.
^) Diese Eigenschaft dient bei Kneser {Lehrbuch § 24) als Definition des
Brennpunktes. Hierdurch findet zugleich der Name seine Erklärung; man denke
Fig. 49
324 Sechstes Kapitel. Der Fall variabler Endpunkte.
Beispiel XVIII: Von einer gegebenen Kurve ^ nach einem gegebenen
Punkt Pg die kürzeste Kurve zu ziehen. ^)
Hier ist • _ ../ , ., , -,g\
Die Extremalen sind Gerade, da die Diiferentialgleichung (23b) von § 26 hier
die Form annimmt ^
- = 0.
r
Die Bedingungen (11') und (III') sind stets erfüllt.
Die Transversalitätsbedingung lautet
X X -\- y'y' ^ = 0,
d. h. die Gerade ©o ^^/-^ **^ Funkt P^ auf
der gegebenen Kurve ^ senkrecht stehen. Die
Extremalenschar, welche von der Kurve ^
transversal geschnitten wird, ist hier also das
Normalensystem der Kurve 9t; ihre Enve-
loppe ist die Evolute g- der Kurve Ä. Der
Brennpunkt P{ ist daher der Krümmungs-
mittelpunkt der Kurve Ä im Punkt P^ , und
wir haben daher das Resultat:^)
Für ein Minimum ist notwendig, daß
Fig. 50. der Punkt P^ entiveder auf der entgegen-
gesetzten Seite der Kurve ^ liegt, wie der
KrümmungsmiUelpunkt P[' oder aber, falls beide Punkte auf derselben Seite von ^
liegen, daß P'( nicht zwischen P^ und P^ liegt.
§ 41. Hinreichende Bedingungen für das Problem mit einem
variabeln Endpunkt.
Wir setzen jetzt voraus, daß der Extremalenbogen @o k^i^®
Doppelpunkte besitzt und die Bedingungen^) (IF) und (IV) für feste
Endpunkte erfüllt-, ferner daß er im Punkt P^ von der gegebenen
Kurve ^ transversal geschnitten wird und die Ungleichung (48) er-
füllt- endlich daß er den Brennpunkt P;' nicht «tothält, d. h. also daß
[ t,<t:. m
an den Fall, wo die Extremalen gerade Linien sind, die man als Lichtstrahlen
interpretiert. Die Brennpunktsbedingung mit dieser Definition des Brennpunktes
rührt von Kneser her (loc. cit.); wir werden seinen Beweis in § 47 geben.
1) Da für das Längenintegral : J,, = J,, (vgl. § 25, b)), so ist die Aufgabe
äquivalent mit der Aufgabe: Von einem gegebenen Punkt nach einer gegebenen
Kurve die kürzeste Kurve zu ziehen.
2) Schon von Erdmann aus der zweiten Variation abgeleitet. Zeitscüriii
für Mathematik und Physik, Bd. XXIII (1878) p. 374.
8) Vgl. § 32, b).
41. Hinreichende Bedingungen bei einem variabeln Endpunkt. 325
Wir wollen zeigen^ daß alsdann der Bogen @q in dem im Ein-
gang von § 36 definierten Sinn ein Minimum für das Integral «/liefert^).
Die in § 40 bestimmte Extremalenschar (52)^ welche yon der
Kurve ^ transversal geschnitten wird, liefert unter den gemachten
Voraussetzungen ein Feld oT,^^^ um den Bogen @q. Denn die Bedingung
(58) läßt sich nach (57), (41) und (43) auch schreiben
A(t,%)=^0 für t^ ^t^t^;
und da überdies die Funktionen cp^ jp die in § 31, a) vorausgesetzten
Stetigkeitseigenschaften besitzen, so sind alle Bedingungen des Satzes
über die Existenz eines Feldes erfüllt.
Der dem Intervall: [üq — Je, a^ -\~ Ic] des Parameters a entsprechende
Bogen der Kurve ^ liegt ganz in diesem Feld, da man wegen (54)
die Kurve ^ auch schreiben kann
Wir verfahren jetzt ganz wie in § 31, b):
Wir nehmen auf der _ _^a =0, + ^
Fortsetzung des Bogens
@o über den Punkt P^
hinaus einen Punkt P^
so nahe bei Pj, daß ^
was wegen der Voraus-
setzung (48) stets mög-
lich ist, konstruieren
durch den Punkt F^ die
Transversale ^^ zur Ex-
tremalenschar (52) und führen das Feldintegral W{x,y) ein, gerechnet
von der Kurve ^q aus.
Jetzt sei
^: x==x{s), y = y(s), Sr^^s^s,
irgend eine gewöhnliche, ganz im Feld gelegene Kurve, welche von
irgend einem Punkt P5 der Kurve ^ nach dem Punkt Pg führt; da-
bei wählen wir der Einfachheit halber den Bogen 5 als Parameter
auf (i. Dann gilt für die totale Variation
'<%— fc.
AJ= J:
t
^) Zuerst von Knesek bewiesen, LehrbucJi^ §§ 20 — 22; wegen eines zweiten
sich unmittelbar an die Differentiationsmethode anschließenden Beweises, vgl.
p. 314, Fußnote l)
326 Sechstes Kapitel. Der Fall variabler Endpunkte,
der We i e r str a ß 'sehe Fundamentalsatz
wobei die Argumente der 8-Funktion dieselbe Bedeutung haben, wie
in § 32, a).
Dies läßt sieb auf Grund der Resultate von § 31, c) mittels emer
von Knesee^) herrührenden Modifikation der Weier str aß' sehen Kon-
struktion beweisen.
Sei in der Tat F^{s = S3) irgend ein Punkt der Kurve S, so
schneidet die durch 1\ gehende Extremale des Feldes, ^^{a = %), die
Transversale ^0 '^'^ ^^^m auf ^0 ^^m Wert a = 6I3 entsprechenden
Punkt P4. Dann bilden wir das Integral J, genommen von P4 ent-
lang der Extremalen ©3 bis P3 und von P3 entlaug der Kurve © bis
Pg, und bezeichnen dessen Wert mit S{s^), sodaß
Läßt man den Punkt P3 mit P5 zusammenfallen, wobei P^ nach P«
rücken möge, so kommt
Läßt man dagegen P3 mit Pg zusammenfallen, so kommt
Nun ist aber
""""^ W(x,,y^:)=W{x,,y,), (60)
da nach §31,c) W{x,y) auf der Transversalen t konstant ist. Es
foloft also ^ - ^ ra/ \ oV"'^\l
Die Berechnung der Ableitung S\s^) und damit der Beweis von (59)
gestaltet sich nunmehr genau wie in § 32, a).
Statt der Weierstraß'schen Konstruktion kann man auch hier
wieder das Hilbert'sche invariante Integral J* benutzen. Nach
Gleichung (151) von § 31 ist nämlich einerseits
J^ = W{x,,y,)- W(x,,y,),
andererseits, da @o eine Extremale des Feldes ist,
Je„= W(x„y,)- W{x,,y,)',
^) Vgl. Knksek, Lehrbuch, § 20.
§ 42. Der Fall zweier variabler Endpunkte. 327
also ist wegen (60) j ^ j*
woraus uunmehr wie in §17^c) und § 32^ a) der Weierstraß'sche
Satz (59) folgt.
Nachdem aber einmal der Weierstraß'sche Satz bewiesen ist,
kann man genau wie in § 32, b) weiter schließen und erhält das Resultat,
daß A«7> 0, falls die Kurve © nicht mit (Sq identisch ist und falls
die Größe h hinreichend klein gewählt worden ist.
Der Bogen @o liefert also in der Tat unter den im Eingang dieses
Paragraphen aufgezählten Bedingungen ein star'kes, eigentliches Minimum
für das Integral J.
§ 42. Der Fall zweier variabler Endpunkte.
Wir betrachten schließlich noch den Fall, wo beide Endpunkte
beweglich sind, der erste auf einer Kurve S^^, der zweite auf einer
Kurve ^9. Beide Kurven sollen, soweit sie für die Untersuchung in
Betracht kommen, von der Klasse G" sein und im Innern des Be-
reiches Ö\ liegen. An der Voraussetzung, daß die Funktion F von
den Koordinaten der Endpunkte unabhängig ist, soll auch hier fest-
gehalten werden.
a) Vorbemerkungeii:
Wir nehmen wieder an, wir hätten eine Kurve (Sq gefunden,
welche unter diesen Anfangsbedingungen ein Minimum für das Inte-
gral J liefert. Indem wir dann zunächst wieder Variationen betrachten,
welche die beiden Endpunkte P^, Pg von @q festlassen, finden wir wie
in § 36, daß die Kurve (Sq eine Extremale sein muß und die sämt-
lichen übrigen notwendigen Bedingungen für den Fall fester Endpunkte
erfüllen muß. Wir nehmen für die weitere Untersuchung an, daß die
Bedingungen (IF), (HF); (1^0 erfüllt sind. Sodann folgt aus der
Betrachtung von Variationen, welche den Punkt Pg fest lassen, während
P^ auf der Kurve ^^ frei beweglich ist, daß die Kurve ^^ die Ex-
tremale @o in P^ transversal schneiden miiß
x'FJx,y,x',t/) -f yFy,{x,y,x',y') i^ = 0, (61)
und daß der in § 39, a) definierte Brennpunkt von ^^ auf der Ex-
tremalen (SJ nicht zwischen P^ und Pg liegen darf. Wir wollen
diesen Brennpunkt den „rechtsseitigen Brennpunkte^ von ^j auf @J
nennen und seinen Parameter wie bisher mit f^ bezeichnen. Wir
nehmen an, die Brennpunktsbedingung sei in der etwas stärkeren Form
erfüllt. <2<C (62)
328 Sechstes Kapitel. Der Fall variabler Endpunkte.
Weiterhin betrachten wir Variationen^ welche den Punkt P^ fest
lassen, während P^ auf ^o beweglich ist. Für solche Variationen
lassen sich die Schlüsse von §§ 36—41 fast unverändert wiederholen,
und wir erhalten das Resultat, daß die Kurve ^^ die Extremale %
in Pg transversal schneiden muß:
x'F^,{x,y,x',i/) + yFy,{x,y,x',y') ' = 0, (63)
und daß der „linksseitige Brennpunkt^' von tg auf (SJ nicht zwischen
P und Pg liegen darf. Der Parameter ^g" desselben ist definiert als
die dem Wert tc^ zunächst vm'angehende Wurzel der Gleichung
^,0,« = O, ' (64)
wobei 7\n{+ f ^
B.ß,t,)^A,®(t,Q^B,^-^^, (65)
während die Konstanten A^, B^ genau in derselben Weise für den
Punkt Pg und die Kurve ^2 ^u berechnen sind, wie die Konstanten
A^, Pi mittels der Gleichungen (36) für den Punkt Pj und die Kurve
tj. Wir nehmen an, die zweite Brennpunktsbedingung sei in der
etwas stärkeren Form
erfüllt.
Endlich soll noch für die weitere Diskussion angenommen
werden, daß
F{x,,y,,<,y[) + 0, F{x„y,,x',,y',) + 0, (67)
woraus nach p. 319 Fußnote "■) folgt, daß die Extremale ^^ weder in
Pj die Kurve t^, noch in Pg die Kurve tg berührt.
b) Die Bliss'sche Bedingung i^)
Zu den auf diese Weise aus der Betrachtung spezieller Varia-
tionen abgeleiteten Bedingungen muß nun noch eine weitere, von
Bliss herrührende Bedingung hinzugefügt werden. Die Kurve tg
hat nämlich auf der Extremalen ©J auch noch, ^inen „rechtsseitigen
Brennpunkt'' F'J, dessen Parameter t'^ durch die zunächst auf ^3 fol-
gende Wurzel "der Gleichung (64) bestimmt wird. Die Bliss'sche
Bedingung läßt sich dann einfach so aussprechen:
1) Für das Beispiel der kürzesten Entfernung zwischen zwei Kurven ist
diese Bedingung zuerst von Erdmann (Zeitschrift für Mathematik und
Physik Bd XXIII (1878) p. 369) aus seiner allgemeinen Formel für die zweite
Variation bei variablen Endpunkten abgeleitet worden; für den allgemeinen Fall
ist der Satz zuerst von Bliss gegeben worden, von dem auch der im Text ge-
gebene Beweis herrührt (Mathematische Annalen, Bd. LVIII (1904) p. 70).
Hierzu die Ühungsaufgahen Nr. 9—12 am Ende von Kap. IX.
§ 42. Der Fall zweier variabler Endpunkte.] 329
Der rechtsseitige BrennpunM P^' von ^^ darf nicht zwischen dem
Endpunkt P^ und dem rechtsseitigen BrennpunM P^' von ^^ liegen^ es
muß also sein ,, ^ „
h<K' (68)
Angenommen es wäre
f" <r f"'
so wähle man zwischen P^ und P^' einen Punkt Pq auf (S* und be-
trachte zunächst die Aufgabe^ das Integral J zu, einem Minimum zu
machen^ wenn der erste
Endpunkt auf ^^ beweglich
ist^ während der zweite fest
ist und mit Pq zusammen-
fällt. Für diese Aufgabe
liefert nach § 39^ a) der
Bogen PiPq der Extre-
malen @J kein Minimum, da
^' Fig. 52.
Wir können also in jeder
Umgebung des Bogens Pj P^ eine Yergleichskurve Pg Pq finden, für welche
Die Kurve P3P0 schneide ^2 i^ einem Punkte P^.
Jetzt betrachte man andererseits das Problem, das Integral J zu
einem Minimum zu machen, Avenn der erste Endpunkt auf ^g beweglich
ist, während der zweite fest ist und mit P^ zusammenfällt. Da
so sind für dieses Problem nach § 41 die hinreichenden Bedingungen
erfüllt, vorausgesetzt, daß die Bedingungen (IP) und (IV) auch noch
über Pg hinaus bis zum Punkte Pq gelten. Daraus folgt, daß
faUs die Kurve P4P0 in hinreichender Nähe von (^J gewählt worden ist.
Durch Subtraktion der beiden Ungleichungen folgt aber
*^34 <^^^12 5
womit die Notwendigkeit der Bedingung (68) bewiesen ist.
Die Bedingung (68) läßt sich noch in eine andere Form bringen.
Dazu konstruieren wir nach § 40 diejenige Extremalenschar
x = g?{t,a), y=.^(t,a), (69)
welche von der Kurve ^^ transversal geschnitten wird. Alsdann
können wir nach § 31, c) auf Grund der Voraussetzung (6 Tg) durch
330 Sechstes Kapitel. Der Fall variabler Endpunkte.
den Punkt Pg eine eindeutig definierte Transversale % der Extremalen-
schar (69) konstruieren. Zugleich ist dann die Extrem alenschar (69)
im Sinne von § 40 die einzige Extremalenschar, welche im Punkte P^
von der Kurve % transversal geschnitten wird. Aus der geometrischen
Bedeutung des Brennpunktes folgt daher ^ daß der Brennpunkt der
Kurve % auf der Extremalen (5J mit dem Punkte P[' identisch ist.
Wendet man jetzt auf die beiden Kurven X und ^^ ^i® Resul-
tate von §39, b) an, nachdem man vorher den positiven Sinn auf
beiden Kurven so gewählt hat^ daß die positive Tangente an (Sq im
Punkte P2 links von der (gemeinsamen) positiven Tangente an % und
^2 liegt, so erkennt man, daß die Ungleichung (68) mit der folgenden
Bedingung äquivalent ist:
Wenn -^(^27 2/2 7^2?^2) ^ ^(< ^)? ^^ ^^^ ^^ Punkte P, die
Krümmung von ^g nicht kleiner (größer) als diejenige von % sein:
'^mj- (70)
Dies läßt sich auch so aussprechen:^)
Wenn F{x^,y^yX'^,y'^)^ 0 {<iO)y so muß die Kurve % in der
Nähe des Punktes F^ ganz auf derselben (entgegengesetzten) Seite der
Kurve ^2 H^gc't^ ^i<^ der Extremalenhogen ^q.
In dieser zweiten Form bleibt der Satz auch dann noch richtig,
wenn die Brennpunkte P^' und P^' gar nicht existieren, in welchem
Falle (68) illusorisch wird.
c) Hinreicheiide Bedingungen:
Wir fügen jetzt den unter a) aufgezählten Voraussetzungen über
den Extremalenhogen (S^ noch die weitere hinzu, daß die Bedingung
(68), resp. (70) in der stärkeren Form
resp.
erfüUt ist. ^^ 2:
Alsdann liefert der Bogen @o in der Tat einen kleineren Wert für das
Integral J als jede andere gewöhnliche Kurve, welche in einer gewissen Um-
gehung von ©0 von der Kurve U^ nach der Kurve ^2 gezogen werden kann.
Man kann dies nach Zermelo und Hahn^) folgendermaßen be-
weisen: Man nehme zwischen P^' und P[' einen Punkt Pq an; da
tQ < t[\ so liefert nach § 41 der Bogen P^Po der Extremalen (5J einen
kleineren Wert für das Integral J als jede andere gewöhnliche Kurve,
1) Vgl. Bliss, loc. cit., p. »0. In dieser Form läßt sich der Satz übrigens
auch direkt mit Hilfe des Kneser'schen Transversalensatzes beweisen.
^) Encyclopädi(\ IIA, p. 631.
§ 42. Der Fall zweier variabler Endpunkte.
331
welche in einer gewissen Um-
gebung äl des Bogens PiPq
von ^j nach P^ gezogen wer-
den kann, allerdings unter
der weiteren Voraussetzung,
daß die Bedingungen (11') und
(IV) über den Punkt P^ hin-
aus bis zum Punkte Pq gelten.
Andererseits folgt nach
(41) aus der Ungleichung
^2' < ^o; ^^ß ^^^ Extremalenbogen P^Pq ein relatives Maximum für
das Integral J liefert in Beziehung auf die Schar von Extremalen^
welche von der Kurve ^^ nach dem Punkte P^ gezogen werden können,
Ist daher die Umgebung Si passend gewählt, so folgt: Ist P3P4
irgendeine Vergleichskurve, welche von einem Punkte P3 von ^^ nach
einem Punkte P^ von ^2 führt und ganz im Bereiche äl liegt, so
können wir vom Punkte P^ nach dem Punkte P^ eine Extremale
P4^Pq ziehen, und es ist dann nach dem eben Gesagten einerseits
andererseits
^40 < ^20 •
Durch Subtraktion folgt hieraus: ^34 < ^ig, was zu beweisen war.^)
^) Der hier gegebene Beweis sowohl für die Notwendigkeit der Bedingung^
(68) als für die Hinlänglichkeit von (68 a) zeichnet sich durch seine Anschaulich-
keit aus, leidet aber an dem Mangel, daß er unnötige Bedingungen einführt^
indem er das Bestehen der Bedingungen (IF) und
(IV*) über den Punkt Pg hinaus voraussetzt. Einen
rein analytischen Beweis für beide Behauptungen,
der von diesem Mangel frei ist und auch sonst vom
Standpunkte der Strenge befriedigender, dafür aber
weniger einfach ist, erhält man nach Bliss (loc. cit.
p. 75), wenn man das Integral J betrachtet, ge-
nommen entlang einer Extremalen (£ der Schar (69)
von ihrem Schnittpunkte mit der Kurve .^^ bis zu
ihrem Schnittpunkte mit ^^. Dieser Integralwert,
der eine Funktion von a ist, muß für a == a^^ ein
Minimum besitzen. Daraus folgt dann zunächst,
ähnlich wie in § 39, die Notwendigkeit der Bedingung (70) und sodann durch Kombi-
nation der hinreichenden Bedingungen für ein gewöhnliches Minimum mit den hin-
reichenden Bedingungen von §41 für ein Minimum bei einem variabeln Endpunkt
die Hinlänglichkeit der angegebenen Bedingungen (siehe Fig. 54). Einen dritten
Beweis für die Notwendigkeit der Bedingung (68) gibt Dresden mit Hilfe der Formeln
(24) für die zweiten Ableitungen des Extremaleuintegral, loc. cit. p. 477.
Fig. 54
Siebentes Kapitel.
Die Kneser'sche Theorie,
§ 43. Darboux's Methode für die Behandlung des Problems der
kürzesten Linien auf einer gegebenen Fläche.^)
Alle bisherigen Beweise für hinreichende Bedingungen waren auf
den Weierstraß'schen Fundamentalsatz über die Darstellung der
vollständigen Variation Ae7 durch die 8-Funktion gegründet.
Für den speziellen Fall der geodätischen Linien hat jedoch
Darboux^), ausgehend von bekannten GAUSS^schen Sätzen über geo-
dätische Parallelkoordinaten, eine wesentlich neue Methode für die
Aufstellung hinreichender Bedingungen entwickelt. Diese Methode
hat dann Kneser in seinem Lehrbuch systematisch auf das Problem,
das Integral ^
J=lF(x,y,x\y')dt
zu einem Minimum zu machen, ausgedehnt^) und so eine von der
Weierstraß'schen unabhängige Theorie geschaffen, die gleichzeitig
den Fall fester Endpunkte und denjenigen eines auf einer gegebenen
Kurve beweglichen Endpunktes umfaßt und überdies die ganze Unter-
suchung der zweiten Variation überflüssig macht.
Im gegenwärtigen Paragraphen wollen wir als Einleitung zunächst
die DARBOüx'sche Methode kurz skizzieren.
^) Hierzu die Übungsaufgaben Nr. 14 — 19 am Ende von Kap. IX.
2) Darboux, Theorie des surfaces, Bd. II (1889), Nr. 514—526, Bd. III (1894),
Nr. 622—627.
^) Der fruchtbare Gedanke, Begriifsbildungen und Sätze aus der Theorie
der geodätischen Linien auf das genannte allgemeine Variationsproblem auszu-
dehnen, ist neuerdings nach verschiedenen Richtungen hin weitergeführt worden;
vgl. Bliss, A gencralization of the notion angle^ Transactions oft he American
Mathematical Society, Bd. VII (1906), p. 184 und Landsbekg, Über die Total-
krümmung, Jahresberichte der Deutschen Mathematiker-Vereinigung
Bd. XVI (1907) p. 36 und Über die Krümmung in der Variationsrechnung, Mathe-
matische Annalen, Bd. LXV (1908), p. 313.
§43. Darboux's Methode für geodätische Linien. 333
a) Die Grauß'sclieii Sätze über geodätisclie Parallelkoordinaten:
Zieht man in einer Ebene von einem Punkte 0 Strahlen nach
allen Richtungen und schneidet auf diesen Segmente von konstanter
Länge ab^ so bilden die Endpunkte eine Kurve (Kreis), welche auf
allen Geraden der Schar senkrecht steht. Dieser triviale Satz der
Elementargeometrie läßt sich als Spezialfall (oder Grenzfall) des Satzes
über Parallelkurven ^) auffassen: Schneidet man auf den Normalen
einer ebenen Kurve von der Kurve aus nach derselben Seite hin
Strecken konstanter Länge ab, so bilden die Endpunkte dieser
Strecken eine Kurve (Parallelkurve), welche die Normalen der ur-
sprünglichen Kurve senkrecht schneidet, und umgekehrt.
Diese Sätze sind von Gauss ^) auf beliebige geodätische Linien
ausgedehnt worden:
Auf einer Fläche sei eine Kurve U gegeben; konstruiert man dann
in jedem Punkte von ^ die senkrecht auf ^ stehende geodätische Linie
und schneidet auf diesen geodätischen Linien, nach derselben Seite hin,
Bogen von konstanter Länge ab, so bilden die Endpunkte dieser Bogeti
eine Kurve auf der Fläche, welche die sämtlichen geodätischen Linien
orthogonal schneidet.
Umgekehrt: Zwei orthogonale Trajektorien derselben Schar von geodä-
tischen Linien schneiden auf den letzteren Bogen von konstanter Länge ab.
Die Sätze bleiben richtig, wenn die Kurve ^ auf einen Punkt zu-
sammenschrumpft.
Sind nun die Punkte der Kurve ^ durch einen Parameter v be-
stimmt, und konstruiert man im Punkte M{v) von ^ die zu ^ senk-
rechte geodätische Linie @ und schneidet auf ihr einen Bogen MB =^ u^)
ab, so ist die Lage des Punktes P eindeutig bestimmt durch die
beiden Größen u, v.
Wenn man sich nun auf ein solches Stück of der Fläche be-
schränkt, daß auch umgekehrt der Punkt P eindeutig die Werte von
u und v bestimmt, so kann man diese beiden Größen als krummlinige
Koordinaten („Geodätische Parallelkoordinaten") auf dem Flächenstück
(^ einführen. Die Kurven : v = konst. sind dann die geodätischen
Linien der betrachteten Schar; die Kurven: u = konst. ihre ortho-
gonalen Trajektorien.
^) Siehe z, B. Scheffeks, Theorie der Kurven, p. 64.
^) Gauss, JDisquisitiones generales circa superficies curvas (1827) art. 16; vgl.
auch Knoblauch, Krumme Flächen, p. 151 und Scheffeks, Theorie der Flächen,
p. 434.
^) D. h. die Länge des Bogens ist \ u\, während der Sinn durch das Zeichen
von u bestimmt wird.
Bolza, Variationsrechnung. 22
334 Siebentes Kapitel. Die Kn es er' sehe Theorie.
Für dieses spezielle Koordinatensystem nimmt dann der Ausdruck
für das Quadrat des Bogendements einer auf der Fläche gezogenen
Kurve die Form an^):
ds^ = du^ + m^dv\ (1)
b) Hinreiclieiide Bedingungen: 2)
Wir betrachten jetzt einen ganz im Innern des Flächenstückes 6
gelegenen Bogen @o einer geodätischen Linie: v = v^ der oben ein-
geführten Schar v = konst. Die Endpunkte von @o seien PiK,'^o)
und PgK^^^o); wobei u,<ii^. Wir verbinden die beiden Punkte
F^,F^ durch eine beliebige, ganz auf dem Flächenstück cf gelegene
Kurve % die durch die Gleichungen
(J : a = ü{x), V = v{t) , r^ ^ r ^ Tg,
dargestellt sein möge, so daß:
Die Länge des Bogens 1 ist dann gegeben durch das bestimmte
Integral t^
Andererseits ist die Länge des geodätischen Bogens (S^ ^^ch der
Bedeutung der Größe u gegeben durch
J = U2 — «^1-
Nun kann man aber schreiben (und dieser Kunstgriff ist der Kern-
punkt des Beweises): ^,
Daher kommt
Der Integrand ist, wie unmittelbar ersichtlich, niemals negativ;
er kann nur dann im ganzen IntervaU [r,T,] verschwmden, wenn
^^- =0 in Ktjj], d. h. wenn die Kurve I mit @o zusammenfällt. Da-
^us folgt aber, daß unter allen Kurven, welche auf dem Flächenstück
^) Gauss, loc. cit. art. 19; vgl. auch Knoblauch, Krumme Flächen, p. 162
und ScHEFFERS, UieoTte der Flächen, p. 441.
^ Nach Darboux, Theorie des surfaces, Bd. II, Nr. 521.
§43. Darboux's Methode für geodätische Linien. 335
4 von Pi nach Pg gezogen werden können, die geodätische Linie @o
in der Tat die Mrzeste ist.
Es mag auf den ersten Blick auffallend erscheinen, daß beim
Beweis von der Jacobi'schen Bedingung gar nicht die Rede war.
Dieselbe ist jedoch implizite in der über das Flächenstück oT ge-
machten Annahme enthalten, daß jeder Punkt von oT die Größen Uy v
eindeutig bestimmen soll. Das läuft darauf hinaus, daß die geodätischen
Linien der betrachteten Schar ein Feld um den Bogen @q bilden.
c) Der Enveloppensatz:
Die Notwendigkeit der Jacob i'schen Bedingung leitet Darboux^)
ohne Benutzung der zweiten Variation aus einem bekannten Satz
über die Enveloppe einer Schar von
geodätischen Linien abr Die Schar
von geodätischen Linien durch den
Punkt P]L in^ge eine Enveloppe ^
besitzen, welche den Bogen @q in
einem Punkt P[ berührt; und zwar
soll der positive Sinn auf g so ge-
wählt sein, daß in P[ die positiven
Tangenten beider Kurven zusammen-
fallen. Ist dann P^P^ eine zweite
geodätische Linie der Schar durch P^, welche die Enveloppe g in
einem Punkt Pg berührt, der auf g vor P[ liegt, alsdann besagt der
erwähnte Enveloppensatz, daß
arc Pj P3 -f- arc P3 P/ = arc P^ P[ . (3)
Wenn nun der Punkt P[ zwischen P^ und Pg liegt, oder mit P^ zu-
sammenfällt, so stellt die aus der geodätischen Linie P1P3, dem Bogen
P^P^ der Enveloppe und dem Stück P'^P2 von ©^ zusammengesetzte
Kurve eine zulässige Variation des Bogens (S^ dar, falls die geodätische
Linie P^P^ hinreichend nahe bei ©^ gewählt ist. Für diese Variation
ist aber nach dem Enveloppensatz: Af7= 0.
Und da die Enveloppe selbst nie eine geodätische Linie ist^),
so kann man den Bogen P^P^ von g durch einen kürzeren Bogen
ersetzen und somit AJ sogar negativ machen. Der Bogen ©^ liefert
also kein Minimum^) für das Integral J", womit die Notwendigkeit
der Jacob i'schen Bedingung bewiesen ist^).
^) Vgl. Darboux, Theorie des surfaces, Bd. II, Nr. 526 und Bd. III, Nr. 622.
^) Siehe Darboux. loc. cit., Bd. III, p. 88.
^) Abgesehen von gewissen Ausnahmefällen, siehe unten § 47.
^) Sogar noch etwas mehr, da auch P\ = P^ im allgemeinen als unzulässig
nachgewiesen ist.
22*
Fig. 55.
336 Siebentes Kapitel. Die Kneser'sche Theorie.
Die Methode, die wir soeben in ihren Umrissen skizziert haben,
läßt sich mit geringen Modifikationen auch auf den Fall anwenden,
wo nur ein Endpunkt fest, dagegen der andere auf einer orthogonalen
Trajöktorie der Schar von geodätischen Linien beweglich ist.
§ 44. Der Kneser'sche Transversalensatz und der verall-
gemeinerte Enveloppensatz.
Wir wenden uns nunmehr zur Verallgemeinerung der beiden im
vorigen Paragraphen angeführten Fundamentalsätze über Scharen von
geodätischen Linien. Dazu ist es nur nötig, die Entwicklungen von
§ 31, b) und c) heranzuziehen, jedoch unter etwas modifizierten Vor-
aussetzungen.
a) Die Funktion u{t,a)\
Wir betrachten eine Schar von Extremalen
x = tp{t,a), y = ^(t,a), (4)
welche die spezielle Extrem ale
@,: x=^x(t), y-y{t\ h^t^t,
für a = ÜQ enthält, und welche in dem Bereich
T.^t^T,, \a-ao\^d' (5)
die in § 27, d) unter A) bis D) aufgezählten Eigenschaften besitzt,
wobei T^<it^, t^< T^.
Überdies soll die Funktion F entlang dem Bogen @o ^^n Null
verschieden sein, also in der Bezeichnung (83) von § 27:
g^(^,ao)4=0 in ftg. (6)
Wir können dann stets nach § 21, b) die Größen T^,l\ so nahe
bei ^1,^2 ^^^ di® positive Größe d' so klein wählen, daß die Un-
gleichung gr^^^^^^^O (7)
im ganzen Bereich (5) gilt.
Dagegen setzen wir in der gegenwärtigen Untersuchung nicht
voraus, daß die Extremalenschar (4) ein Feld um den Bogen @o bildet.
Es entspricht also zwar auch jetzt noch jedem Punkt {t, d) des Recht-
ecks (5) auf Grund der Transformation (4) ein Punkt der ^"j^Z-Ebene,
den wir „den Punkt { ^, a ) " nennen wollen, und jeder Kurve
(J': t = t{x), a = a(t)
im Bereich (5) eine Kurve
^: x = (p{tit), a(r)), tj = t(Ht\ a(t))
§ 44. Der Transversalensatz und der verallgemeinerte Enveloppensatz. 337
der ^,^-Ebene, die wir entsprechend „die Kurve [t = t{x\ a = a(r)}"
nennen, und die übrigens, wie in § 31, b), auch in einen Punkt
degenerieren kann.
Aber die Umkehrung ist jetzt nicht mehr richtig; daher werden
wir jetzt nicht mehr unmittelbar von einem Punkt oder einer Kurve
der x,y-WoQYiQ ausgehen, sondern immer zuerst von einem Punkt oder
einer Kurve in der i(,a-Ebene und dann deren Bild in der o;, «/-Ebene
konstruieren. Gerade dies soll durch die obige Bezeichnung ausge-
drückt werden.
Abgesehen hiervon verfahren wir nun zunächst ganz wie in § 31, b).
Wir konstruieren eine Transversale ^o{^ = Xo(<^)} der Schar (4) durch
einen Punkt F^lt^^a^) von^) @J, wobei:
indem wir die Funktion: t = %(^{a) durch die Differentialgleichung
^ 1^ + ^.«P„ + 5r,,*„ = 0 (8)
und die Anfangsbedingung: ;to(«o) = ^o bestimmen, was nach § 23, a)
wegen der Voraussetzung (6) stets möglich ist. Sind dann T[^ Tl zwei
beliebige den Ungleichungen
T, < T\ < t,, t^ < t; < T,
genügende Größen , und wird t^ auf das Intervall T\ ^t^^ T^ be-
schränkt, so läßt sjch nach § 23, a), Zusatz, eine von t^ unabhängige
positive Größe d ^ d' bestimmen, derart, daß die Lösung ^^^(a) in
dem Intervall [a^ — d^ %^ d\ existiert, von der Klasse C ist und der
Ungleichung: T^<u{a)<l\ genügt.
Indem wir unter {t,a) irgend einen Punkt des Bereiches
T^<i<T„ \a-a,\^d (9)
verstehen, definieren wir, wie in § 31, b), die Funktion u{t,a) durch
das bestimmte Integral
u{t,a) = f^(t,a)dt, (10)
t"
wobei wieder zur Abkürzung: Xo{ci) = t^ gesetzt ist.
Die Kurve
in der t, a- Ebene zerlegt das Rechteck (9) in zwei getrennte Teile;
in dem einen ist: ^>;Ko(»)? im andern t^x^(a). Den ersten der
heiden^Teile bezeichnen wir mit S.
\) Vgl. wegen der Bezeichnung § 27, c).
338 Siebentes Kapitel. Die Kn es er 'sehe Theorie.
Falls ^) dann der Punkt (t,a) dem Bereich ^ angehört, so stellt
die Funktion u{t, a) den Wert des Integrals
dar, genommen entlang der Extremalen @„ der Schar (4) von deren
Schnittpunkt P ^^[t = iQ{a) , a = a] mit der Transversalen ^o ^is zum
Punkt F^[t,a].
Die Formeln von § 31, c) für die partiellen Ableitungen der
Funktion u{t, a)
%-% £ = ^...+ ^,^. (11)
bleiben unverändert gelten. Bewegt sich daher der Punkt V^\t,a\
entlang einer Kurve
^j: X = (p(^(T), a{%)) = x{t), y == t/;(^(T), a{x))~y{t), (12)
so geht die Funktion u{t, a) in eine Funktion von t über, für deren
Ableitung man nach (11) erhält:
was sich mit Hilfe von Gleichung (10) von § 25 auf
du _cr 1^ , qr dy /^^\
dt" '^^'dt'^ "^y dt ^- ^
reduziert, wobei die Argumente von ^*, ^j.,, ^y> sind :
t = t(t), a = a(r).
Aus dieser Formel ergibt sich nun die VeraUgemeinerung der
beiden Sätze über Scharen geodätischer Linien, indem man die
Kurve ^ spezialisiert.
b) Der Transversalensatz:')
Wir wenden die Formel (13) zunächst auf den Fall an, wo die
Kurve ^^ ebenfalls eine Transversale der Schar (4) ist; und zwar
möge sie das Bild der Kurve
in der t, a- Ebene sein, wo dann XiW wieder der Differentialgleichung (8)
genügt.
Alsdann ist entlang ^^
^At,a)§ + %.ii,a)§-0, (14)
1) Und im allgemeinen auch nur dann, weil wir stets voraussetzen daß
die untere Grenze des Integrals / kleiner ist als die obere; vgl. § 26 a) und b).
2) Hierzu die Übungsaufgaben Nr. 8, 13, 20, 21 am Ende von Kap. iX.
§ 44. Der Transversalensatz und der verallgemeinerte Enveloppensatz. 33^
und daher nach (13), wobei im gegenwärtigen Fall a = r,
^ = 0, also u(Xi{a), a) = konst. (15)
Die Funktion u(t, a) ist also entlang jeder Transversalen der Schar
konstant.
Wir wollen nun annehmen, es sei: %i(ao) > ;toK); ^^^ auch der
Anfaiigswert %i(ao) sei in dem Intervall [T1T2] enthalten. Alsdann
existiert nach der Definition der Größe d (§ 44, a)) auch die Lösung ^^ (a)
im ganzen Intervall [aQ — d,aQ-\-d]^ ist in diesem Intervall von der
Klasse 0' und genügt in demselben der Ungleichung: Zi{a) > Xo(d).
Letzteres folgt aus (7) auf Grund des Satzes von § 23, c).
Hieraus folgt aber nach a), daß die Funktion u{%^{a), a) gleich ist
dem Integral J, genommen entlang der Extremalen @^^ der Schar (4),
von deren Schnittpunkt [%Q(a), a) mit der Transversalen ^^ bis zum
Schnittpunkt {%i{a),a] mit der Transversalen ^^. Somit haben wir
folgenden, von Kneser herrührenden Fundamentalsatz ^) bewiesen:
Zwei Transversalen derselben Extremalenschar schneiden auf den
verscJiiedenen Extremalen der Schar Bogen ans, für welche das Inte-
gral J denseTben honstanten Wert besitzt.
Oder ausführlicher: Sind @', (S"
zwei Extremalen der Schar (4) und
P', P", resp. Q\ Q" ihre wie oben
bestimmten Schnittpunkte mit ^(,,
resp. U^, so ist
JriP'Q') = 'h"iP"r)- (16)
Umgekehrt: Schneidet man auf
den verschiedenen Extremalen der Schar
von ihren SchnittpunMen mit einer \ Fig. 56.
Transversalen ^^ aus, nach derjenigen
Seite zu, auf welcher t ivächst, Bogmt ab^ welche für das Integrcd J
denseTben konstanten Wert liefern, so liegen die Endpunkte dieser Bogen
ivieder auf einer Transversalen der Schar.
Denn ist: u{t, a) = konst. entlang der Kurve ^^, so folgt ;^ = 0,
also ist entlang ^^ die Gleichung (14) erfüllt, welche ausdrückt, daß
^1 eine Transversale der Schar ist.
Da für den speziellen Fall der geodätischen Linien die Transversalen
^) Kneser, Lclirhuch, § 15. Der Satz ist bereits in § 20, a) und § 31, c),
Ende, bewiesen worden unter der Voraussetzung, daß die Extremalenschar (4)
ein Feld bildet. Diese Voraussetzung mußte hier fallen gelassen werden, um
auch den Fall einzubegreifen, wo die Transversalen sich auf Punkte zusammenziehen.
340
Siebentes Kapitel. Die Kneser'sche Theorie.
in die orthogonalen Trajektorien übergehen, so ist der Transversalensatz
in der Tat die Verallgemeinerung des angeführten Gauß' sehen Satzes.
Der Satz und seine Umkehrung bleiben richtig, wenn eine der
beiden Kurven ^o? ^i ^^^^^ beide in der in § 31, b) erläuterten Weise
in einen Punkt ausarten. Man erhält so folgende Zusätze:
Zusatz i^); Ist ^^ eine Transversale der Extremalenschar durch
einen festen Punkt P^, so hat das Integral J vom Punkte P^ bis
zur Transversalen ^^ auf den verschiedenen Extremalen der Schar
denselben konstanten Wert, und umgekehrt.
Fig. bl
Fig. 58
Fig. 59.
Zusatz II: Ist ^q eine Transversale der durch den festen Punkt
Pj gehenden Extremalenschar, so hat das Integral J von der Kurve
^Q aus bis zum Punkte Pj auf den verschiedenen Extremalen der
Schar denselben konstanten Wert, und umgekehrt.
Zusatz IIP): W^enn die Extremalen
durch einen Punkt Pq alle durch einen
zvreiten Punkt P^ gehen, so hat das Inte-
1 gral Jyoui Punkte Pq nach dem Punkte P^
auf den verschiedenen Extremalen der
Schar denselben konstanten Wert.
c) Der verallgemeinerte Enveloppensatz : ^)
Wir wenden jetzt zweitens die Formel (13) auf den Fall an, wo
die durch (12) definierte Kurve ^^ die Enveloppe der Extremalenschar
(4) ist und daher sämtliche Extremalen der Schar berührt.
^) Auf geodätische Linien angewandt ist dies der Gauß'sche Satz über geo-
dätische Polarkoordinaten, Gauss, loc. cit. Art. 15.
^) PJin Beispiel für diesen Fall bieten die geodätischen Linien auf der Kugel :
die größten Kreise durch einen Punkt P^ gehen alle durch den gegenüber-
liegenden Punkt Pj der Kugel. Vgl. auch § 47.
•'') Hierzu die Übungsaufgaben Nr. 13, 21 am Ende von Kap. IX.
§ 44. Der Transversalensatz und der verallgemeinerte Enveloppensatz. 341
Dies bedarf jedoch einer genaueren Formulierung:
Der Punkt t der Kurve Ä^ fällt mit dem Punkte t = t{x) der
Extremalen a = a(r) der Schar (4) zusammen. Insbesondere sei:
a{t^ = «0, ^(tq) = t'^^. Wir nehmen an, daß t'^ > t^ und
o+(ir'^'"+o.
Dann läßt sich ein den Wert Tq enthaltendes Intervall [t^'t"] angeben^
in welchem gleichzeitig die beiden Ungleichungen
*W-Zo(«W)>0,') (17)
gelten.
Wir setzen voraus, daß wenigstens für jedes t in [t't"] die
Kurve ^j die Extremale a = a(t) in dem oben näher charakterisierten
gemeinsamen Punkt berührt, so daß also
wo m ein von t abhängiger Proportionalitätsfaktor ist. Aus (18)
und aus der für den ganzen Bereich (5) vorausgesetzten Ungleichung:
^1-\-Vt=¥^ folgt, daß die Funktion m{t) in [t't"] stetig und von
Null verschieden ist. Sie kann also ihr Zeichen nicht wechseln.
Wir dürfen^) stets ohne Beschränkung der Allgemeinheit voraus-
setzen, daß / \ ^ A • r ' "1
d. h. daß die positiven TangentenricMungen der beiden Kurven in ihrem
Berührung spunlde zusammenfallen.
Nunmehr folgt aber aus (19) auf Grund der Homogeneitäts-
relationen (13) von § 25
Daher nimmt die Gleichung (13) unter Benutzung der Homogeneitäts-
relation (10) von § 25 die Form an
du(m,a(r))_j^j^^^.^dxd^y (20)
dt
1) D. h. der Bogen [t' r"] der Kurve ^^ ist das Bild einer Kurve in der
t, a-Ebene, welche ganz in dem unter a) definierten Bereich H?> liegt.
^) Sollte m << 0 sein, so können v^rir durch ümkehrung des positiven Sinnes
auf der Kurve ^^ vermittels der Transformation r = — 6 bewirken, daß für die
80 transformierte Kurve m positiv ist.
342 Siebentes Kapitel. Die Kn es er 'sehe Theorie.
Integrieren wir diese Gleichung nach r von t' bis x" (r' < r")^ so
erhalten wir
u{t{x'\a{x"))-
t"
u{Kx), aix')) ^Jf(x, y/^,2) dt. (21)
Erinnern wir uns jetzt der Bedeutung der Funktion u{t,a), so erhalten
wir, da die ITugleichung (17) erfüllt ist, den verallyemeinerten Enve-
loppensatz'^) :
Es sei ^0 ^'"^^ Transversale der Extremalenschar (4) und 5 \die
Emeloppe der Schar. Ferner seien @', @" zwei Extremalen der Schar,
welche von den Funkten P', F" von ^q ausgehen und ^ in den Funkten
Q' , Q" berühren, alsdann ist
JHi"'Q") = MP'Q') + J%(Q'Q")- (22)
Dabei ist vorausgesetzt, daß der
positive Sinn auf g in der oben
angegebenen Weise festgelegt
worden ist, und daß der Punkt Q'
auf g dem Punkt $" vorangeht.
Der Satz bleibt richtig, wenn
die Kurve ^q in einen Punkt
degeneriert, in welchem Falle
wir den Zusatz erhalten:
J^"{FQ'')=^MFQ')
wo FQ',FQ" zwei Extremalen
der Schar durch den Punkt F
sind und g die Enveloppe der
Schar.
Beide Si^tze behalten ihre
Gültigkeit, wenn ^^ und ^^ beide
für t = t" verschwinden, d. h. wenn die Enveloppe Q in Q" eine Spitze
besitzt, wenn nur die Ungleichung (18) für r' < r < r" erfüllt bleibt.
1) Für den speziellen FaU, wo Ä^ i^ einen Punkt degeneriert, gibt den Satz
schon Zermelo in seiner Dissertation, p. 27, wo er denselben mittels des Weier-
straß'schen Fundamentalsatzes herleitet. Der Satz in seiner allgemeinen 1 orm
rührt von Kneser her, siehe Mathematische Annalen Bd. L (1898) p. 27. Der
einfachste Fall des Satzes ist der bekannte Satz über die Evolute einer ebenen Kurve.
Der Satz findet seine Ergänzung in den Entwicklungen des §47,a), wo die
Existenz der Enveloppe nachgewiesen wird.
§ 45. Transformation des Integrals J durch eine Punkttransformation, 343
Um dies zu zeigen, integriert man die Gleichung (20) zunächst von
r' bis t" — £ und geht dann zur Grenze Le = -\- 0 über.^)
§ 45. Transformation des Integrals J durch eine
Punkttransformation.
Indem wir uns jetzt der Verallgemeinerung der in § 43, a) an-
geführten Resultate über die Einführung geodätischer Parallelkoordi-
naten zuwenden, betrachten wir zunächst im allgemeinen die Frage
der Einführung von krummlinigen Koordinaten in das Integral JJ oder,
was damit gleichbedeutend ist, die Wirkung einer Punkttransformation
auf das Integral J.
a) Allgemeine Vorbemerkungen:
Wir führen an Stelle der bisher gebrauchten rechtwinkligen Ko-
ordinaten x,y irgendein System krummliniger Koordinaten ein:
u=ü{x,y), v=V{x,y). (24)
Dabei mögen die Funktionen U{x,y)y V(x,y) von der Klasse C" sein
in einem Bereich oJ der x, ^-Ebene, der in dem in § 25, b) eingeführten
Bereich Ö\, enthalten ist; überdies soll in oT die Funktionaldeterminante
der beiden Funktionen von Null verschieden sein:
'!^'^ + 0 in cf! (25)
Die Transformation (24) läßt sich auch als „Punkttransformation^^^)
auffassen, indem man die neuen Variabein w, v ihrerseits als recht-
winklige Koordinaten eines Punktes in einer ^t, v-Ebene deutet. Dabei
bezeichnen wir das Bild des Bereiches of in der w, t^-Ebene mit 91
und setzen des weiteren voraus, daß die durch die Transformation (24)
definierte Beziehung zwischen oT und 9.1 ein-eindeutig sein soll. Aus
den Sätzen über implizite Funktionen folgt dann, daß die alsdann für
den Bereich 91 eindeutig definierten inversen Funktionen
x=X{u,v), y=Y{u,v) '^(26)
ebenfalls von der Klasse C" sind, und daß ihre Funktionaldeterminante
D in 91 ebenfalls von Null verschieden ist:
^^ = ^if ^ T- + 0 in 9L. (27)
^) Die beiden in diesem Paragraphen bewiesenen Sätze lassen sich in etwas
anderer Fassung auch mittels der Sätze von § 37 über das Extremalenintegral
beweisen, was auf eine Verallgemeinerung der von Darboux, loc. cit., für den
Fall der geodätischen Linien benutzten Methode hinausläuft.
^) Vgl. über Punkttransformationen z. B, Lie-Scheffeus , Ben'ihrmigstrans-
formationen, Kap. 1.
344 Siebentes Kapitel. Die Kn es er' sehe Theorie.
Wir betracMen jetzt unser Integral
J,^fF{.,y,p/£)är, (28)
genommen entlang irgendeiner gewöhnliclien, ganz im Bereich oT lie-
genden Kurve
von einem Punkt ft(ri) nach einem Punkte ^2(^2)-
Führen wir dann in das Integral J© statt der Variabein x, y die
neuen Variabein u,v ein und bezeichnen mit G{u,v,u',v') die durch
die Gleichung
Giii, vyy) = F{x, Y, xy + xy, ry + ry) (29)
definierte Funktion der vier unabhängigen Variabein u, v, u, v', so geht
das Integral J^i über in das Integral
Ji-m^,^,'^,'£^)är, (30)
genommen entlang dem Bild ^' von S in der ?(,v- Ebene:
^'\ u= U{x{t:, y{T)) = u{t), v = V{xit\ y{x)) = v{x\
vom Punkt Q\ (dem Bild des Punktes Q^ zum Punkt §; (dem
Bild des Punktes Q^). Die Kurve S' ist ebenfalls eine gewöhn-
liche Kur^e.
Aus der Definition der Funktion G und den Homogeneitätseigen-
schaften der Funktion F folgt., daß auch die Funktion G die Honio-
geneitätsrelation
G {u, V, lii\ Iv) = kG(u, V, u', v\ h > 0 (31)
erfüllt. Daher ist auch der Wert des Integrals Jr von der Wahl
des Parameters unabhängig.
Aus der Gleichung
J^' = J^ (32)
folgt: Wenn die Kurve S das Integral J zu einem Minimum macht,
so macht auch ihr Bild ^' das Integral J' zu einem Minimum und
umgekehrt. Wir sagen daher, das Problem, das Integral J in der
iC,?/-Ebene zu einem Minimum zu machen, und das Problem, das Inte-
gral J' in der ?i,i;-Ebene zu einem Minimum zu machen, seien „äqui-
valente Probleme'^.
§ 45. Transformation des Integrals / durch eine Punkttransformation. 345
b) Invarianten der Funktion F(x,y,x,y')\
Die Gesamtheit aller Punkttransformationen {2Qi) bildet eine
Gruppe. Adjungiert man den Transformationsgleichungen (26) noch
die Gleichungen
X = Xji' + Xy, y = r„« + Y^, (33)
die man aus (2^^ ableitet, indem man für w, v Funktionen von x ein-
setzt und dann nach x differentiiert, so erhält man eine Gruppe von
Transformationen zwischen den Variabein Xjy,x,y' einerseits und den
Yariabeln u, v, u' y v andererseits, die sogenannte Gruppe der „erweiterten
Funkttransformationen^^'^). Diesen Prozeß der Erweiterung kann man
weiter fortsetzen, indem man den Gleichungen {2^) und (33) die
durch nochmalige Differentiation nach r abgeleiteten Gleichungen
y" = Y^n" + Y^' + r„„«'^ + 2 Y^,uv' + r„V^ ^^*^
adjungiert, usw.
Es sei ietzt ^ / r r n ,, x
J 0,ix,y',x,y',x ,y ; . . .)
eine Funktion der angegebenen Argumente und außerdem der Funktion
F und einiger partieller Ableitungen von JP; ferner sei
^a(u,V'^ II , v\ u", v" . . .)
die genau in derselben Weise aus den Variabein u,V] u\v-^ u\v" . . .
und der Funktion G und ihren partiellen Ableitungen gebildete
Funktion. Wir sagen alsdann, die Funktion 0p sei eine absolute In-
variante der Fimldion F in Beziehung auf die Gruppe der Punkt-
transformationen (26) und ihrer Erweiterungen, wenn
Qg{u,v', ti, v; u, v"', . . ,) = ^Fix.y, X, /; x", y"- . . .) (35)
in dem Sinn, daß diese Gleichung bestehen soll für alle Wertsjsteme
x,y'^ x,y'^ x",y"'^ . . . einerseits und: u,V'^ ii,v'^ u",v" . . . andererseits,
welche durch die Transformationsgleichungen (26\ (33), (34) usw.
verbunden sind, und zwar soll dies gelten für die Gesamtheit aller
Punkttransformationen. Dagegen nennen wir 0j, eine Invariante vom
Index r, wenn in demselben Sinn
0o(u,v; u, v'', u\ v"', ..) = D^ 0,{x, y, x\ y-, x" , y"; ...), (36)
wo I), wie oben, die Funktionaldeterminante von X und Y bedeutet.
Die einfachste, allerdings triviale, absolute Invariante ist die
Funktion F selbst.
^) Vgl. LiE-ScHEFFERs, Berührungstransformationen, p. 12.
346 Siebentes Kapitel. Die Kn es er 'sehe Theorie.
Ferner ist F^ eine Invariante vom Index 2,
G^ = n'F,. (37)
Denn durch Differentiation der Identität (29) nach ^t' und v folgt
(^w = K'^u + F^' Y,.. ^. = F^'^. + F,. r„ (38)
wobei die Argumente von F^,yF^. dieselben sind wie in (29). Aus
(38) erhält man durch nochmalige Differentiation nach u
Ebenso verifiziert') man leicht, daß die linke Seite der Euler 'sehen
Difierentialgleiehung eine Invariante vom Index 1 ist:
To - ö„.. - G„, + G, (.'." - v'u")
= D[F^^,-F^, + F,(xY~,/x")]^DTr. "- ^
Hieraus folgt, daß das Bild einer Extremalen des ursprünglichen
Problems wieder eine Extremale für das neue Problem ist, während
die Gleichung (37) die Invarianz der Legendre'schen Bedingung aus-
drückt, Resultate, wie sie aus der Äquivalenz der beiden Probleme
a priori zu erwarten sind.
Aus (37) und (39) folgt, daß der Quotient
eine absolute Invariante ist. Dazu bemerken wir noch folgendes:
Denken wir uns diesen Quotienten für irgend eine Kurve (S mit dem
Parameter t berechnet und wenden dann eine Parametertransformation ^)
an, so folgt aus den Homogeneitätseigenschaften von F, daß der obige
Quotient bei dieser Operation nicht invariant bleibt, daß aber der
Quotient T..
S = -^, , (40)
nicht nur bei jeder Punkttransformation (26), sondern auch hei gleich-
seitiger Ausführung einer heliebigen Parametertransformation invariant
UeiU% da nach § 25 Gleichung (9) und (13)
1) Vgl. auch unten § 45, c). ') Vgl. § 25, a).
») Siehe die auf p. 226, Fußnote "■) zitierte Dissertation von Underhill, die
inzwischen in den Transactions of the American Mathematical Society,
ßd IX (1908) p. 316 publiziert worden ist, und Landsberg, Mathematische
Annalen, Bd. LXV (1908) p. 329, der die Größe 5^ die extremale Krümmung
der betrachteten Kurve im Punkt x, y nennt.
§ 45. Traneformation des Integrals / durch eine Punkttransformation. 347
Fix y — ^"l = i—\ Fix y — ^-^\
K ix y — '^) = i^'V F ixy— ^\
mnd nach einer einfachen Rechnung
T irr „ ^^ ^ ^^ ^^y\ — T l^ „ ^^ ^ 1"^ ^1^\
-^F\x,y, ^^,, ^^„ ^^,„ ^^^,2J - ±F\X,li, j^, ^^-, ^^^, ^^,J ■
Für den Fall der geodätischen Linien ist die Invariante >S' mit
der geodätischen Krümtmmg identisch, wie aus den Gleichungen (39)
und (95) des fünften Kapitels ersichtlich ist.
Neben den Variabein x,y''^ ^" y"'-, ■ ■ • kann man auch, ähnlich wie
in der gewöhnlichen Invariantentheorie der Formen, eine zweite Reihe
„kogredienter Variaheln^' x, i/] . . ., resp. w, v . . . einführen, die sich mittels
der Formeln
i = X„« + X>, ,j=Y„ü+YJ (41)
usw. transformieren, was zu einer entsprechenden Erweiterung der
Gruppe und des Invariantenbegriffes führt.
Die einfachste derartige Invariante ist die „identische Invariante":
x'y — y'Xj für welche
u'v — v'ü = D~'^{xy — yx). (42)
Hierauf beruht die Invarianz der Jaco hinsehen Bedingung.^) Ist
nämlich ,, n , /. \
die Extremalenschar durch den Punkt P^ der Extrem alen @q, und
identifiziert man die Größen Xy y mit 9?^, ^^, dagegen x^ y mit (p^, ^„7
was gestattet ist, da die hierdurch einander gleichgesetzten Größen
sich in derselben Weise transformieren, so geht xy — y x in die
Funktionaldeterminante A(t,a) über, woraus nach (42) und nach
§ 29, b) folgt, daß zwei konjugierte Punkte des ursprünglichen Prob-
lems durch die Transformation (24) in zwei konjugierte Punkte des
neuen Problems transformiert werden.
Eine andere Invariante dieser Art ist die Größe
xF^,(x, y, X, y) + yFy,{x, y, x\ y) .
Denn aus (38) und (41) folgt, daß
uG^.{u,v,u,v) + i) G^,{u;V,u,v)==xF^,{x,y,x,y) + yFy,(x,y,x,y). (43)
Dies zeigt, daß, wenn eine Kurve U eine zweite Kurve @ im Punkt
^) Nach Underhill, loc. cit.
348 Siebentes Kapitel, Die Kneser'sche Theorie.
Q transversal schneidet, dann auch das Bild ^' von ^ das Bild @'
von (S im Bildpunkt Q' von Q transversal schneidet.
Aus (43) folgt unmittelbar, daß in demselben Sinn auch die
^-Funktion eine absolute Invariante ist.
8.;(m, v, ti, v] h, v) = ßyix, ij; X, y'] X, y), (44)
womit auch die Invarianz der Weierstraß'schen Bedingung gezeigt ist.
c) Der ^-Algorithmus als invariantenbildender Prozeß:
Wenn man in der eine Funktion ^ als absolute Invariante charakterisie-
renden Gleichung (35) für x,y willküriiche Funktionen x{x),y{r) einer Varia-
bein T einsetzt, für x , y' ; x\ i/"; • • ., deren erste, zweite, . . . Ableitungen nach
TT, und gleichzeitig für u, v die durch die Transformation (24) aus x{x), y{t) ab-
geleiteten Funktionen ii{t),v{t), für n', ü'; u'\ v" -, . . . deren erste, zweite...
Ableitungen nach t, so geht die Gleichung (35) in eine Identität in x über, da
die Ableitungen yon x,y mit denen von i*, t? ja gerade durch die Transformations-
gleichungen (33), (34) usw. verbunden sind. Differentiiert i) man die so ent-
standene Gleichung nach t, so erhält man
du ^ dv ^ cu dv
Diese Gleichung stellt zunächst wieder nur eine Identität in x dar, wobei
^\ y';...,u\v';... Ableitungen nach x bedeuten. Da jedoch die bei dem Pro-
zeß verwandten Funktionen x[x), y{x) ganz willkürlich 2) waren, so schließt man,
daß die Gleichung (45) auch gültig bleibt, wenn man unter x, y; x\ y ', x" , y" ...
einerseits und w, ^5; u\ v' ; u'\ v" . . . andererseits schließHch wieder beliebige durch
-die Transformationsgleichungen (24), (33), (34) usw. verbundene Variable ver-
steht. Durch den angegebenen Differentiationsprozeß wird also aus der absoluten
Invariayite * eine neue absolute Invariante abgeleitet.
Wenn die in (35) für x, y eingesetzten Funktionen außer von x auch noch
von einer zweiten Variabein s abhängen, so geht die Gleichung (35) in eine
Identität in x und s über, die man daher auch nach s differentiieren darf.^ In-
dem wir die Differentiation nach t durch das Symbol d ailÄeuten, erhalten wir so:
a^,. d^,^ d^y , a^^/r
(46)
1) Dabei ist zu beachten, daß x, y, x\ y' auch in der in ^ enthaltenen
Funktion F und deren partiellen Ableitungen vorkommen.
2) Natürlich abgesehen von Bedingungen der Stetigkeit und Diöerentner-
barkeit, die wir bei dem lediglich formalen Charakter der gegenwartigen Unter-
suchung nicht explizite angeben.
§ 45. Transformation des Integrals J durch eine Punkttransformation. 349
Dabei ist, wie durch Differentiation von (26) und (33) nach & folgt,
8x=XJu^X^8v, ^y^YJu^YJv, (47)
8x' = XJu -{- XJv' ^ ^uu'^'^^' + ^..«(^'^^ + v'^u) + ^.^^'^«^,
8y' =:.YJu -i-YJv' ^Y^y8u-YY^jM'8v-^v'8u)-\-Y^y8v.
Die Gleichung (46) ist zunächst wieder bloß eine Identität in x und « ; aus
der Willkürlichkeit der bei dem Prozeß benutzten Funktionen a;(r, «), i/(r, s) folgt
aber wieder, daß die Gleichung (46) gültig bleibt, wenn man unter: ic, i/; x\y',
. . . dx,8y; 8x',8y'\ . . . einerseits und: w, y; u\v'; . , . ()u^8v^ 8u\8v'\ . . .
andererseits irgendwelche durch die Gleichungen (26), (33), . . ., (47), (48), . . .
verbundene Größen versteht. Also stellt 8^ eine neue absolute Invariante dar
und zwar für die durch Adjunktion von 8x^ 8y, 8x\ 8y'; ... erweiterte Gruppe.
Wir haben also das Resultat, daß auch der 8-Prozeß aus einer absoluten In-
variante ivieder eine absolute Invariante erzeugt.
Beispiel: Aus der Gleichung
G{u, V, u\ v') = F{x, y, x',y')
folgt, daß auch die Funktion
8F= FJx + F^8y + F^,8x' + F^ySy'
eine absolute Invariante ist. Nun können wir aber in bekannter Weise 8F auf
die Form bringen ^)
8F=Ttv+^^{8xF^,+ 8yF^,),
wo
w =^y' 8x — X 8y.
Da nach (47) die Größen 8x, 8y mit x\ y' kogredient sind, so folgt nach (43), daß
8xFy-\-8yF^y
eine absolute Invariante ist, also nach dem oben Gesagten auch die Ableitung
dieses Ausdrucks nach x. Hieraus folgt aber weiter, daß auch Tiv eine absolute
Invariante ist. Nun ist aber nach (42) tu eine Invariante vom Index — 1, also muß
der andere Faktor T des Produkts eine Invariante vom Index -\- 1 sein, womit
wir fast ohne Rechnung das oben ausgesprochene Resultat (39) bewiesen haben. ^)
"■) Vgl. § 26, Gleichung (18 a).
^) Eine weitere Ausführung der hier nur kurz angedeuteten Theorie findet
man in der oben zitierten Arbeit von Underhiix, wo insbesondere die mit der
zweiten Variation zusammenhängenden Invarianten untersucht werden. Man
kann sich die Aufgabe vorlegen, für eine bestimmte Gruppe erweiterter Punkt-
transformationen alle Invarianten zu bestimmen. Für den Fall des ^r-Problems
hat schon Lie in seiner Arbeit über Differentialinvarianten (Mathematische
Annalen, Bd. XXIV (1884), p. 569) die Aufgabe gestellt und in seine allgemeine
Theorie der unendlichen Iconiinuierlichen Gruppen eingeordnet. Für den speziellen
Fall der geodätischen Linien ist die LiE'sche Methode von Zorawski im einzelnen
durchgeführt worden {„über Biegungsinvarianten. Eine Amvendung der Lie' sehen
{xruppentheorie", Acta Mathematica, Bd. XVI (1892), pp. 1 — 64).
Bolza, Variationsrechnung. 23
350 Siebentes Kapitel. Die Kneser'sche Theorie.
§ 46. Die Kneser'schen knimmlinigen Koordinaten und ihre
Anwendungen. ^)
Wir haben jetzt die im vorigen Paragraphen entwickelten all-
gemeinen Transformationsprinzipien auf den speziellen Fall der „Kneser'-
schen krummlinigen Koordinaten", welche die Verallgemeinerung der
GAUSS'schen geodätischen Parallelkoordinaten sind, anzuwenden,
a) Definition der Kneser'schen krummlinigen Koordinaten:
Wir fügen jetzt den in § 44, a) über die Extrem alenschar
x = (p(t,a), y = il^{t,a) (4)
gemachten Annahmen die weitere hinzu, daß die Funktionaldeter-
minante A(tya) der Schar der Ungleichung
A(t,a,)^0 in [tM (49)
genügen soU, und daß auch die Ableitungen cp^a^^aa i^^ Bereich (5)
existieren und stetig sind.
Dann lassen sich nach § 31, a) zwei positive Größen \l so klein
wählen, daß das Bild oT des Rechtecks
ÖL: t,-h^t^t, + h, \a~ a^^k
mittels der Transformation (4) ein Feld um den Extremalenbogen ©^^
bildet, worin die Ungleichung
Afta)=|=0in(9L (50)
mit inbegriffen ist.
Wir nehmen h, J: so klein an, daß überdies^)
und wählen den Punkt P« der Extremalen ©J, durch welchen die bei
der DeRnition der Funktion u(t,a) benutzte Transversale ü^it = Zoi^^)]
hindurchgeht, so, daß: T[ Zt,<t,- h. Durch Verkleinerung von k
können wir dann schließlich noch erreichen, daß
%oip)<h-^^ für a^ — k'^a'Zä^-^-k,
so daß das Rechteck (9L ganz dem in § 44, a) definierten Bereich %
angehört.
Die inversen Funktionen
t-i{x,y), a==a(x,y) (51)
des Feldes sind eindeutig definiert und von der Klasse 0" im Bereich o^
wie aus den Gleichungen (136) von § 31 folgt.
1) Vgl. Kneser, Lehrbuch, § 16.
«) Wegen der Bedeutung der Größen T^, T^, d vgl. § 44, a).
§ 46. Die Knes er' sehen krummlinigen Koordinaten. 351
Wir kombinieren jetzt mit der Transformation (51) die Trans-
formation ^^ _ ^^^^^ ^^^ ^ _ ^ ^52)
zwischen der t^a-Ehene und der ^f, i;-Ebene, wobei die Funktion u(tja)
durch (10) definiert ist. Da nach (11) und (7)
j^ = ^t,a)=^0 in ei, (53)
so folgt, daß die durch (52) definierte Beziehung zwischen dem Be-
reich OL und dessen Bild Sl in der w^v-Ebene ein-eindeutig ist. Denn
sind (f, a) und {f, a") irgend zwei verschiedene Punkte von 6C, so
sind ihre Bilder in der ^«, i;-Ebene sicher verschieden, wenn a" =j= «',
weil dann v'^v'-^ ist aber a" = a und f=^t\ so ist wegen (53)
sicher u{t",a) =^ u{t',a), weil die Funktion u(t,a) entweder beständig
wächst oder beständig abnimmt. Überdies ist offenbar
ll^^-'^ + OinÖL.
d {t, a) '
Wenn wir daher die beiden Transformationen (51) und (52) kombi-
nieren, so erhalten wir eine Transformation von der Form (24), näm-
lich, in der Bezeichnung von § 31, Gleichung (142):
u=W{x,y), v = a{x,y), (54)
wo W(x,y) wieder das Feldintegral, gerechnet von der Transversalen
^0 aus, bedeutet. Die Transformation (54) definiert dann nach dem
über die beiden Transformationen (51) und (52) gesagten eine ein-
eindeutige Beziehung zwischen dem Bereich qT in der x, y-Ehene und
dessen Bild ^ in der u, «;-Ebene, welche aUe Bedingungen erfüllt, die
wir in § 45, a) der Transformation (24) auferlegt haben.
Die durch die Gleichungen (54) definierten speziellen krumm-
linigen Koordinaten u, v nennen wir die Kneser'schen Koordinaten,
Sie sind hiernach durch folgende Eigentümlichkeiten charakterisiert:
1. Den Geraden: v = honst, der u, v- Ebene entsprechen in der
x,y- Ebene die Extremalen der Schar (4) und umgekehrt; und zwar
entspricht insbesondere der Geraden: v = a die Extremale a = a.
2. Ben Geraden: u = Jwnst. der u^v- Ebene entsprechen in der
X, y-Ebene die Transversalen der Schar (4) und umgekehrt, und zwar ent-
spricht insbesondere der Geraden u = c diejenige Transversale, entlang
welcher das Feldintegral W {x, y) den konstanten Wert c hat (vgl. § 31, c)).
b) Eigenschaften der Punktion G(u,v,ii,v') für den speziellen
Fall der Kneser'schen Koordinaten:
Aus den eben angeführten Eigentümlichkeiten der Kneser'schen
Koordinaten ergibt sich, daß für dieses spezielle Koordinatensystem die
23*
352 Siebentes Kapitel. Die Kneser'sche Theorie.
Funktion G(u,v,h,v') folgende charakteristische Eigenschaften besitzt^):
G{u, V, 11, 0) = Uy (55)
für jedes Wertsystem u,v im Bereich 9i und für jeden Wert von u\
dessen Vorzeichen mit dem in d konstanten Vorzeichen der Funktion
^(t,a) übereinstimmt.
Beweis: Wegen der Ein-eindeutigkeit der Beziehung zwischen
den Bereichen oT und 61 können wir jede im Bereich oT der x,y-
Ebene gelegene Kurve (^ in der Form
X = (p(tir), a{t)\ y = il^{t{T\ a{x))
darstellen, wo dann
t = t{r), a = a{r)
das Bild der Kurve S in der j^,a-Ebene ist. Das Bild von (S in der
w,t;-Ebene ist alsdann gegeben durch
u = u(t{T), a{r)), V = a{t),
und wegen (29) gilt die Gleichung
F[cp{t,a), ^(t,a), l q>{t,a),^J{t,a)) = G[u{t,a\ a, ^^u(t,a), ^, (56)
wobei man sich für t, a die Funktionen t{r), a{t) gesetzt zu denken hat.
Wenn nun insbesondere die Kurve S eine Extremale a = a der
Schar (4) ist, so ist ihr Bild in der t, «-Ebene gegeben durch
t = t, a==a, ^ (57)
und die Gleichung (56) nimmt die Form an
W(r, a) =G(u {r, a), a\ u,{t, a'j, 0). (58)
Daher ist wegen (11)
Ui{r, a) = G{u (t, a), a, w^(r, a'\ 0).
Jetzt sei u,v irgend ein Punkt von äl und u irgend ein Wert,
welcher dasselbe Vorzeichen hat wie ^{t,a). Das Bild von u,v in
der ^,a-Ebene sei r, a\ so daß: u = u{x,a), v = a. Dann hat Ut(t,a)
dasselbe Zeichen wie u'] wir können also eine positive Größe m be-
stimmen, so daß: ii =mUt[r,a). Daher folgt aus (58) unter Be-
nutzung von (31) die erste der Gleichungen (55) und aus derselben
durch Differentiation nach ii unmittelbar die zweite.
1) Die erste dieser Gleichungen ist eine Folge der beiden übrigen, wegen
der Homogeneitätsrelation:
§ 46. Die Kn es er' sehen krummlinigen Koordinaten. 353
Um die dritte zu beweisen, lassen wir jetzt die Kurve ^ mit
einer Transversalen {t = x{a)} des Feldes zusammenfallen. Das Bild
derselben in der w,?;- Ebene ist dann die Gerade
u = ■n{%{a), a) = c~ ü{a\ v = a ~ v{a). (59)
Dieselbe ist wegen der in § 46, a) bewiesenen Invarianz der Trans-
versalitätsbedingung ebenfalls eine Transversale der Extremalenscbar:
V = konst. für das Integral J\ Im Schnittpunkt der Transversalen
(59) mit der Extremalen (57) muß also die Transversalitätsbedingung
ü'G„. + i'G,^0
erfüllt sein, die sich hier auf
G^,(tiit,a), a, Uf{r,a), 0) = 0
reduziert, woraus, wie oben, die dritte der Gleichungen (55) folgt.
Beispiel XVI: Für den Fall der geodätischen Linien, wo
G{u, V, u\ v') = ]/Ei7^~WwV'+~6V2^' ,
nehmen die erste und dritte der Gleichungen (55) die Form an
und daraus
E = 1, F = 0,
was in der Tat mit der G au ß 'sehen Normalform (1) übereinstimmt.
Aus den Gleichungen (55) ergibt sich die folgende wichtige Re-
lation für die Funktion 8^, für die wir der Einfachheit halber 8'
8' {u, V'^U,0'^Ü,v)^G {;ll, Vj u, v) — ü. (60)
Dabei sind die Größen u, v, u denselben Beschränkungen unterworfen,
wie in den Relationen (55), während u, h irgend ein von 0, 0 ver-
schiedenes Wertsystem bedeutet.
Wir woUen dieses Resultat noch auf eine andere, für spätere An-
wendung bequemere Form bringen. Das Bild der Extremalen a = a
in der t*, i;-Ebene ist gegeben durch die Gleichungen
u = ii{x, a), v = a. (61)
Bezeichnet 6' den Tangentenwinkel der Kurve (61) im Punkt t, so
folgt aus (53), daß 6' = 0 oder it, je nachdem das konstante Zeichen
von ^{t, a) positiv oder negativ ist.
Nun war die Größe ii irgend eine Größe, welche dasselbe Zeichen
hat wie W{t, a). Wir dürfen also in (60): ti ^ cosd' setzen und er-
halten, da sin 6' = 0, die Gleichung (60) in der Form
(t(m, V, üj t') — ü = S'(tiy V'^ cos 6\ sin ö'; ü, v). (ß2)
354 Siebentes Kapitel. Die Kneser'sche Theorie.
c) Hinreicliende Bedingungen für ein Minimum bei einem festen
und einem variabeln Endpunkt:
Die vorangegangenen Entwicklungen lassen sich nun nacli Kneser^)
folgendermaßen zur Aufstellung hinreichender Bedingungen für ein
Minimum des Integrals J bei einem festen und einem auf einer Kurve
^ beweglichen Endpunkt verwenden:
Wir ziehen durch den Punkt P^ der Extremalen ©^ die Transversale
des Feldes, ^[t = rß)],
t, + h Ja ^^ ^ ^ wobei wir h so klein voraus-
setzen dürfen, daß der Bo-
gen [aQ — k, «0 + k] von
= '*' ^ ganz im Felde cf liegt.
Dann ziehen wir von einem
beliebigen Punkt P5 von ^
"°^°^ eine ganz im Bereich oT ge-
legene gewöhnliche Kurve
■= n t,-h
Fig. 62.
©:
X = x(r\ y = y (r), t^ < r < Tg
nach dem Punkt P^ (vgl. Fig. 51 auf p. 325), und konstruieren das
Bild der so entstandenen Figur in der ?^,?;- Ebene.
Das Bild von ©^ ist das Segment P[Pi der Geraden v = a^, wo-
bei die Abszissen der Bildpunkte P[,P^ der beiden Punkte Pi,P2
nach (54) sind
ih = ^'V{x^,y,\ u, = TF(^2.2/2)-
Die Bilder der beiden Transversalen ^0 ^^'^^ ^ sind die beiden Geraden:
u = 0, beziehungsweise: u = u^. Das Bild der Kurve S ist eine ge-
wöhnliche Kurve:
u = u (t)
v = v(r),
< ^ < -^2
welche ganz in äl gelegen ist und den Punkt P^ der Geraden: u = n^
mit dem Punkt P^ verbindet, so daß also
ü (ti) = ^1 , ü (Tg) = ^2 , V (r^) = «0 • (^^^)
Nunmehr ist nach (32) ^^
*i
1) Vgl. Knesee, Lehrbuch, § 17. Um die Resultate der folgeudeii Entwick-
lung auf den Fall anzuwenden, wo nicht die Extremalenschar (4), sondern die
Kurve ä vorgegeben ist, hat man zunächst den Satz des § 40 über die Kon-
struktion einer Extremalenschar, welche von einer gegebenen Kurve transversal
geschnitten wird, anzuwenden.
§ 46. Die Kn es er 'sehen krummlinigen Koordinaten. 355
Andererseits ist nach der Definition des Feldintegrals
JAPiP.) = J^dP^P^) - Wix„y,) - W(x„y,)
u.
Wegen (63) können wir aber schreiben^)
/ du ,
»2-^1 -Ja, dt.
Daher können wir die totale Variation
AJ'=J-g(P,A)-JJAP,)
durch das entlang der Kurve (5^' genommene Integral ausdrücken:
Statt dessen können wir aber nach (62) schreiben
AJ = I ß' (ü,v'^ cos 9', sin 6'] ^^^ ^^\ dt. (65)
Wegen der Bedeutung des Winkels 6' ist dies aber nichts anderes
als der WEiERSTRASS'sche Satz für die w, ^;-Ebene. Erinnern wir uns
jetzt der in § 45, b) bewiesenen Invarianz der 8-Funktion, so haben
wir hiermit einen neuen Beweis dafür gewonnen, daß die in § 41 auf-
gezählten Bedingungen für ein Minimum des Integrals J hinreichend
sind, wenn der erste Endpunkt auf der Transversalen ^ beweglich ist,
während der zweite fest ist, allerdings unter Hinzufügung einer
weiteren Annahme^), nämlich der Voraussetzung (6).
^) Dieser wichtige Kunstgriff ist in letzter Instanz gleichbedeutend mit der
Einführung des Hubert' sehen invarianten Integrals. Denn nach Gleichung (150)
von § 31 lautet dasselbe im gegenwärtigen Fall
J'* = Q, [u, V, cos 0', sin d')du-{- Go'{ii, v, cos 0', %md')dv,
was sich wegen (55) auf ^
J'*= du
reduziert.
^) Es läßt sich zeigen, daß dieselbe keine wirkliche Beschränkung der All-
gemeinheit bedeutet. Denn das vorgelegte Yariationsproblem ist mit dem Problem,
das Integral der Funktion
F{x, y, x\ y') -f- ^^{x, y)x' -f $^(^, y)y'
unter denselben Anfangsbedingungen zu einem Minimum zu machen, äquivalent,
vorausgesetzt, daß die Funktion $ {x, y) entlang der gegebenen Kurve ^ konstant
356 Siebentes Kapitel. Die Kn es er' sehe Theorie.
d) Der Osgood'sclie Satz^) für den Fall eines variablen Endpunktes:
Aus den Resultaten des letzten Absatzes ergibt sich ein einfacher Beweis
des Osgood'schen Satzes für den Fall eines variabeln Endpunktes. Wir gehen
dazu von der Gleichung (65) aus. Führen wir statt des beliebigen Parameters x
den Bogen s der ßildkurve (E' ein und bezeichnen mit ö' den Tangenten winkel
der Kurve 6' im Punkt u, v, so können wir unter Benutzung der Gleichung (123)
von § 30 die Gleichung (65) auch schreiben:
AJ= /8'(m, y; cos ö', sin 0' ; cos d', sin ß'jds.
(66)
Wir setzen jetzt voraus, daß für den Bogen @, die Weierstraß'sche Be-
dingung {IT) erfüllt ist, was wegen (44) die analoge Ungleichung für den Bogen
e^ in der u,v-Ebene zur Folge hat. Führen wir nun genau wie in § 32, Glei-
chung (158), die Funktion %[ ein, so können wir wie dort schließen, daß die die
Ausdehnung des Feldes c'", oder ausführlicher 2) .4;^^^' bestimmenden Größen h, k
sich so klein wählen lassen, daß die Funktion
B^[{ii,v; cos ö', sin 0'; cos 0', sin 0')
in dem ganzen Bereich
{u,v) in äL, O<0'<27r
positiv ist und daher einen positiven Minimalwert m erreicht. Da nun nach der
Definition von %[ für alle Werte von 0'
8'(iZ,i;;cO80',sin0';cos0',sin0') = (l-cos(0'-0'))8((i^,i;;cos0',8in0';cos0',sin0'),
und da überdies 0' = O oder tt, so folgt aus (66) nach dem Mittelwertsatz
- du
oder, da cos 0 =-3—'
' ds
AJ'>w/(l -\-cosd')ds,
A/>w[jC + (i^2 — Mi)J
wenn L die Länge des Bogens ©' von P,' bis P', bedeutet.
Es sei jetzt / eine beliebige positive Größe kleiner als k, und es werde
vorausgesetzt, daß die Kurve © in der x,y-Eheue durch einen Punkt P einer
der beiden Extremalen: a = a,±l der Schar (4) hindurchgeht. Die Bildkurve
ist (in dem Sinn, daß jede Lösung des einen Problems zugleich eine Lösung des
andern ist). Man kann dann stets die Funktion ^{x,y) so wählen, daß die Voraus-
setzung (6) für das neue Problem erfüllt ist, selbst wenn dies für das ursprungliche
nicht der Fall sein sollte; man braucht nur
<I*{x, y) = M[i{x, y) — %{(i{x, y))\
zu setzen wo M eine hinreichend große Konstante ist; vgl. Bolza, Lectures, § 37, c)
1) Vgl. § 34 und für den hier gegebenen Beweis Bolza, Transactions ot
the American Mathematical Society, Bd. II (1901) p. 422.
«) Vgl. wegen der Bezeichnung § 31, a).
§ 47. Folgerungen aus dem Enveloppensatz.
^' geht alsdann durch einen Punkt Pg, dessen Ordinate v = a^^ + Z ist;
wenn Pq der Fußpunkt der vom
Punkt Pg auf die Gerade u = u^ ^
gefällten Senkrechten ist, so ist
d. h.
Bezeichnen wir daher mit 8, die
357
und
stets positive Größe
[yv
so ist
u^u, Fig. 63.
(67)
(68)
Somit erhalten wir den Satz:
Für den Extremalenhogen @o mögen die Bedingungen (IT) und (IV) erfüllt
sein; derselbe möge sich mit einein Feld of,, j, umgeben lassen, und es sei im Punkt P^ :
F{x,,y^,x[,y[)=^0^),
so daß durch den Punkt P^ eine Transversale ^ des Feldes gezogen iverden kann.
Sind dann h und k hinreichend klein gewählt, so gehört zu jedem positiven l <^ k
eine positive Größe «^ derart, daß
für jede Variation des Bogens @o, welclie die Kurve ^ mit dem Punkt P^ verbindet
und ivelche ganz im Innern von o*)^ ^,, aber nicht ganz im Innern von q))^ ^
gelegen ist.
§ 47. Folgerungen ans dem Enveloppensatz.
Die in § 46, a) eingeführte Annahme
A(/,ao) + 0 in [t.Q, (49)
welche nach § 40 aussagt, daß der Extremalenhogen @q den Brenn-
punkt der Kurve ^ nicht enthalten soll, war in dem vorangegangenen
Hinlänglichkeitsbeweis für die Konstruktion eines Feldes erforderlich.
Aber aus unsern Entwicklungen geht nicht hervor, ob diese Bedingung
zugleich auch eine notwendige Bedingung für ein Extremum ist.
Wir wollen nun, in Verallgemeinerung der in §43, c) für den
FaU der geodätischen Linien mitgeteilten Darboux'schen Methode,
nach Kneser^) beweisen, daß die obige Bedingung wenigstens in der
etwas milderen Form
^) Will man sich auf Variationen beschränken, welche auch den Punkt Pj
fest lassen, so ist die letzte Voraussetzung nicht nötig. Die Voraussetzung (6)
braucht nach p. 355 Fußnote ^) nicht gemacht zu werden.
^) Vgl. Knesek, Mathematische xA.nnalen, Bd. L, p. 27 und Lehrbuch^
§§ 24, 25.
358 Siebentes Kapitel. Die Kn es er 'sehe Theorie.
A(#,ao) + 0 für t,<t<t, (69)
in der Tat für ein Extremum notwendig ist.
Der Beweis macht von der Betrachtung der zweiten Variation
(resp. den damit äquivalenten Untersuchungen von § 39) keinen Ge-
brauch; er gründet sich auf den in § 44, c) bewiesenen Enveloppen-
satz und gibt zugleich die Entscheidung über den bei unseren früheren
Entwicklungen von der Betrachtung ausgeschlossenen Fall, wo der
Endpunkt P^ mit dem Brennpunkt der Kurve ^ auf der Extremalen
(S(j zusammenfällt.^)
a) Gestalt der Enveloppe in der Nähe des Brennpunktes:
Wir behalten die Annahmen von § 44, a) über die Extremalen-
schar (4) bei, lassen aber die Voraussetzung (49) fallen und setzen im
Gegenteil voraus,; daß der Extremalenbogen @o ^^^ Brennpunkt P'/
der Kurve ^ enthält, daß also
t, < r; ^ t,
und gleichzeitig ^ .^.^ ^^^^ _ ^^ (70)
dagegen A(^, «o) + ^ ^^^ h<t< t'^.
Wir stellen uns die Aufgabe, alle Lösungen {t,a) der Gleichung
A(^,a) = 0 (^1)
in der Umgebung der Stelle {t'[,a,) zu finden. Da nach unsern An-
nahmen die Funktionen F^, F;, F^ stetig sind in der Umgebung von
t = t'; und überdies i^^ + 0 in f;, so schließen wir wie m § 29, b), daß
Nach dem Satz über implizite Funktionen läßt sich daher die Gleichung
(71) in der Umgebung der Stelle {t';, a,) eindeutig nach t auflösen,
und die Lösung, die wir mit
t = i{a) . "'
bezeichnen, ist in der Umgebung von a = a, von der Klasse C und
reduziert sich für a = % auf f^.
Die Kurve
g : x = (p {t{a), d) = x (a), y = i^ {m, a) = y (a),
^DaTder folgende Beweis auch für den Fall gültig bleibt, wo die Trans-
versale ^ in einen Punkt zusammenschrumpft, so erhält man damit zugleich
einen von der zweiten Variation unabhängigen Beweis der Notwendigkeit der
Jacobi'schen Bedingung für den Fall fester Endpunkte sowie die Entscheidung
für den Fall wo der Punkt P, mit dem konjugierten Punkt P, zusammenfallt.
veloppe ^)
der
Extremalenschar (4),
Denn da
dx
"da
dt ,
-^^d-a^
i = t{a)
so folgt
dx
dy\t = 1
-"^^da:
§ 47. Folgerungen aus dem Enveloppensatz. 359
die wegen titto) = t'[ durch den Punkt F'[ geht, ist dann die En-
dy , dt , , t = t{a)
da ^i da ' ^«j '
'^'^=A(^>),a)-0. (73)
Dies zeigt^ — zunächst abgesehen von den Punkten, in denen ot'
und y' gleichzeitig verschwinden — , daß die Kurve g im Punkt a = a
die Extremale (^^, der Schar (4) berührt, und daher ist g in der Tat
die Enveloppe der Schar (4).
Für die weitere Diskussion unterscheiden wir jetzt zunächst zwei
Hauptfälle :
Fall I: Die Enveloppe degeneriert nicht in einen Funld,
d. h. die Funktionen x{a), y{a) reduzieren sich nicht beide auf Kon-
stante. Wir wollen dann voraussetzen"), daß die Funktionen x{a)j
y(a) in der Umgebung von a = a^ von der Klasse C^"") sind, und daß
für a = ÜQ ihre Ableitungen bis zur r — l*^"" Ordnung verschwinden,
daß aber x^''\aQ) uud y^''\a^ nicht beide Null sind. Dann erhalten
wir nach dem Taylor 'sehen Satz:
^= (a - a,y-\A-\-a), ^ = (a - a,y-^{B+ß)- (74)
dabei ist -(r), . -(/•)/ n
{r — l)r {r—l)r
während a und ß Funktionen von a sind, welche mit a — a^ unendlich
klein werden. Durch Einsetzen in (73) folgt hieraus
A = Gcpltl, a,), B = OiA,(C «o). (75)
wobei C ein Proportionalitätsfaktor ist, der endlich und von Null
verschieden ist, da weder A und B noch (p^it^, cIq) und ^^(^J', a^) gleich-
zeitig verschwinden können.
Ist r > 1, so hat die Enveloppe im Punkt P'/ einen singulären
Punkt r*" Ordnung; aber auch in diesem Fall besitzt sie eine be-
^) Über die Theorie der Enveloppen vgl. Encyclopädie , III D, p. 44, ins-
besondere die in Fußnote 117 gegebenen Literaturangaben; ferner Scheffers,
Theorie der Kurven^ p. 55; vgl. auch oben § 29, c).
^) Dies wird stets der Fall sein , wenn die Funktionen cp {t, a), ^ (t, a) von
der Klasse (P'^ > sind, und dies darf nach § 24, a) Zusatz I angenommen wer-
den, wenn die Funktion F{x,y,x\y') von der Klasse C^''"*"^) ist.
360
Siebentes Kapitel. Die Kn es er 'sehe Theorie.
stimmte^), als Grenzlage der Sekante definierte Tangente^ deren Ge-
fälle gleich B:Ä ist. Die Gleichungen (75) zeigen, daß die Extre-
male (So die Enveloppe g im Punkt P'^ auch dann berührt, wenn
Pj' ein singulärer Punkt von g ist.
Der Einfachheit halber denken Avir uns das Koordinatensystem
so gedreht, daß die positive rr- Achse die Richtung der positiven Tan-
gente an die Extremale (S^ ^^ Punkt P^' hat; dann ist
Die «/-Achse fällt mit der Normalen 9^ der Kurve @o im Punkt P'/ zu-
sammen.
Wir unterscheiden dann noch weiter folgende Fälle:
A) r ungerade:
Dann wechselt , sein Zeichen nicht, wenn a durch den Wert a^
da ' "
hindurchgeht. Daher hat die Enveloppe in PJ' keinen Rückkehr-
punkt; sie tritt von der negativen^) Seite der Normalen 9^ auf die
positive oder umgekehrt (Fig. 64).
Fig. 64.
Fig. 65.
Hierher gehört der nicht-singuläre Fall r = 1.
B) r gerade:
In diesem Fall hat die Enveloppe in PJ' einen Rückkekrimnkt,
und zwar
1. ivenn C < 0,
so liegt die Enveloppe in der Nähe des Punktes PJ' ganz auf der
negativen Seite der Normalen 9^ (Fig. 65);
2. icenn 0> 0,
so liegt die Enveloppe in der Nähe des Punktes P'/ ganz auf der
positiven Seite der Normalen 9^1 (Fig. 66).
^) Wenn man darauf verzichtet der Tangente einen positiven Sinn bei-
zulegen.
*) Die positive oj-Richtung führt von der „negativen Seite" der Normalen
auf die „positive''.
§ 47. Folgerungen aus dem Enveloppensatz.
361
Fall II: Die Enveloppe degeneriert in einen Punkt,
d. ti. die Funktionen x(a), y{a) reduzieren sich beide auf Konstante, näm-
lich die Koordinaten des Punktes F'^. In diesem Fall gehen alle
Extremalen der Schar (4) durch den Punkt F'[.
b) Die Brennpunktsbedingung, abgeleitet aus dem Enveloppensatz:
Es möge jetzt zunächst der Fall I vorliegen, und es sei (S^ eine
dem Bogen @q benachbarte Extremale der Schar (4); sie schneidet
die Transversale ^ im Punkt ^) F^{i{a), a] und berührt die Enveloppe
5 im Punkt F^{t{a),a]. Wenn dann, eventuell nach Umkehrung
des positiven Sinnes auf der Enveloppe, die positiven Tangenten-
richtungen von @^ und "^ im Punkt P^ zusammenfallen und zugleich
P^ auf 5 dem Punkt P^' vorangeht, so können wir den Enveloppen-
satz ^) von § 44, c) anwenden und erhalten
A j = j^^ {p,p,) + j^{P,p';) - J^SP^PT) = 0. (76)
Wir führen daher auf g statt a einen neuen Parameter t ein
durch die Substitution
a
a« == er;
"0 -"1
dabei ist £ = + 1, und wir behalten uns die Wahl des Vorzeichens
vor. Es folgt dann aus (73), daß wir schreiben können:
dx dy
(77)
WO m eine in der Umgebung von t = 0 stetige Funktion von r ist,
deren Verhalten für unendlich kleine Werte von r durch die aus (74)
und (75) sich ergebende Gleichung
m = £'-t:'-i(0 4- y)
bestimmt wird, wobei y mit r unendlich klein wird.
Der Enveloppensatz ist dann nach dem Obigen dann und nur
dann anwendbar, wenn sich das Zeichen von s so wählen läßt, daß
w > 0 für unendlich kleine negative Werte von r.
^) Vgl. wegen der Bezeichnung § 44, a).
^) Die Kurven ^, ^ entsprechen den dort mit to, ^i bezeichneten Kurven.
362 Siebentes Kapitel. Die Kn es er 'sehe Theorie,
Im Fall A) kann man dies stets erreichen, indem man das Zeichen
von e gleich dem Zeichen von C wählt.
Im Fall Bj) ist die Bedingung sowohl für positives als für nega-
tives € erfüllt.
Dagegen ist es im Fall Bg) nicht möglich, das Zeichen von e in,
der angegebenen Weise zu bestimmen.
In den Fällen A) und BJ können wir daher in jeder Umgebung
des Bogens @o zulässige Variationen angeben, für welche AJ==0.
Es findet in diesen Fällen also sicher kein eigentliches^) Minimum
statt. Es findet aber auch kein uneigentliches Minimum statt.
Denn die Enveloppe g kann selbst nie eine Extremale sein^), da sich
sonst durch den Punkt a von ^ in der Richtung der positiven Tan-
gente zwei Extremalen ziehen ließen, nämlich die Extreraale @^ und
außerdem die Enveloppe g selbst. Dies ist aber nach den C auch y 'sehen
Existenzsätzen (§ 27, a)) nicht möglich, da nach unsern Voraussetzungen
(vgl. § 44, a)) entlang der Enveloppe g:
Daher können wir die beiden Punkte P^, P'/ durch eine zulässige
Kurve P^P^P'^ verbinden, welche für das Integral J einen kleineren
Wert liefert, als der Bogen P^P'^ von %. Es ist also möglich, durch
eine zulässige Variation AJ negativ zu machen, und daher liefert der
Bogen PiP'i' von @o, und daher a fortiori auch der Bogen (Sq selbst,
kein Minimum.
Wenn der Fall II vorliegt, so kann man unmittelbar den Zu-
satz II (resp. III) zum Transversalensatz (§ 44, b)) anwenden. Darnach
hat man für jede benachbarte Extremale ©^ der Schar (4) (siehe Fig. 67)
AJ=JJAP:)-J,,{PiP'D - Ö, (78)
woraus hervorgeht, daß der Bogen @o sicher kein eigentliches Minimum
für das Integral J liefern kann. Er kann aber auch kein uneigent-
liches Minimum liefern, wenn t[' < t^. Denn da W^K'^ (^o) 4= 0, so folgt
aus dem Cauchy'schen Existenztheorem, daß die beiden Extremalen
@ und @o sich im Punkt P{' nicht berühren können. Die aus dem
1) Vgl. § 3, b).
2) Vgl. Dakboux, Theorie des surfaces, Bd. III, Nr. 622, und Zermelo, Disser-
tation, p. 96. Man kann die fragliche Behauptung auch direkt beweisen, indem
man in die linke Seite der Eul er 'sehen Differentialgleichung (I) die Funktionen
x{t\ y{x) einsetzt. Man findet in der Bezeichnung von § 26, a)
m T{x, y; x\ y; x\ y") = b^^ {i, a) Afi, a\
und dieser Ausdruck ist für unendlich kleine Werte von r von Null verschieden.
§ 47. Folgerungen aus dem Enveloppensatz. 3ß3
Bogen P^P[' der Extremalen @^ und dem Bogen P'^P^ |der Extre-
nialen ©^ zusammengesetzte Kurve hat also im Punkt P^' eine Ecke.
Bezeichnen B^, resp. d die Tangentenwinkel von S^, resp. ©^ im Punkt
P'^, so ist die Funktion JP'i(a:^^, cos ^, sin^^) im Punkt P'^ für alle
Werte von y zwischen 6^ und 6 von Null verschieden^ wenn a hin-
reichend nahe hei a^ gewählt ist. Daraus folgt aber nach § 48^ c)
Zusatz I, daß im Punkt P'^ die für ein Extrem um notwendige Erd-
mann-Weierstraß'sche „Eckenbedingung^^ nicht erfüllt sein kann.
Daher kann man eine Variation PoP^PgP^ der gebrochenen Kurve
PgPj'Pg angeben, welche für das Integral J einen kleineren Wert
liefert, als die Kurve P^Pr/P[' P^, und welche daher AJ negativ macht.
(Siehe Fig. 67).
Hiermit ist für alle Fälle mit Ausnahme des Falles IB^) die Not-
wendigkeit der Bedingung (69) bewiesen.
Auch für den Fall IB^), in welchem unsere bisherige Schlaßweise>
versagt, hat kürzlich Lindp^berg^) — wenigstens für das ^-Problem
und unter der Voraussetzung, daß F analytisch ist, — die Notwendig-
keit der Bedingung (69) durch eine eingehende Untersuchung des-
Verhaltens der Extremalenschar (4) in der Umgebung des Punktesu
P^" nachgewiesen.
c) Der Fall, wo der Endpunkt P^ mit dem Brennpunkt (resp. dem
zu Pj konjugierten Punkt) zusammenfällt:^)
Durch die vorangegangenen Entwicklungen ist zugleich — ab-
gesehen von dem Ausnahmefall IB2) — der Fall erledigt, wo der End-
punkt Pg des Bogens ©^ mit P[' zusammenfällt.
Denn aus § 47, b) folgt unmittelbar, daß alsdann in den Fällen
lA) und IB^) der Bogen ©^ kein Minimum liefert (auch kein un-
eigentliches und auch kein schwaches).
^) Siehe Mathematische
Annalen, Bd. LIX (1004), p 321
Linde berg zerlegt die Extrem alen-
ßchar (4) in zwei Teilscharen ent-
sprechend den beiden Intervallen
und zeigt, daß jede derselben für
sich genommen ein Feld bildet.
Diese beiden Felder greifen jenseits ,f ^^^' ''^*
des Punktes P^ in der in Figur G8
angedeuteten Weise übereinander, und es wird gezeigt, daß bei passender Wahl des
Punktes P4 derExtremalenbogenPgPj einen kleinerenWert liefert als der Bogen P^P^^.
®) Hierzu die Übungsaufgaben Nr. 22, 23 am Ende von Kap. IX.
364 Siebentes Kapitel. Die Kn es er 'sehe Theorie.
Ferner folgt^ daß im Fall II sicher kein eigentliches Miniraum
stattfinden kann. Dagegen findet in diesem Fall ein uneigentlich es^
starkes Minimum statt^ wenn außer der Bedingung (IF) noch die Be-
dingung (IV^) entlang (Sq erfüllt ist. Denn die Bogen der Schar (4),
gerechnet von der Transversalen U bis zum Punkt P[' bilden ein „un-
^igentliches Feld" oT um den Bogen @^, und man zeigt dann mittels
der Kneser'schen Modifikation der Weierstraß'schen Konstruktion,
daß Ae7> 0 für jede Vergleichskurve, welche ganz in of liegt, und
welche nicht mit einer der Extrem alen der Schar identisch ist.
Wir fassen das Resultat in den folgenden Satz^) zusammen:
Bei der Aufgabe, das Integral J zu einem Minimum m machen,
wenn der Endpunkt F^ fest ist, während der erste Endpunkt auf einer
Kurve ^ heiveglich ist (resp. ebenfalls fest ist), liefert der Extremalen-
bogen @q im allgemeinen kein Minimum, wenn der Punkt Pg mit
dem Brennpunkt P[' von ^ (resp. dem zu P^ konjugierten Punkt) zu-
sammenfällt.
Eine Ausnahme hiervon findet nur in folgenden ztvei Fällen statt:
1. Wenn die Enveloppe g in den Punkt P'l ausartet, so liefert
der Bogen @o zwar kein eigentliches, aber doch ein uneigentliches, starkes
Minimum, falls außer der Bedingung (IE) auch noch die Bedingung
(IV) entlang ©^ erfüllt ist.
2. Wenn die Enveloppe g im Punkt P[' einen Rückkehrpunkt von
der unter IB^) charakterisierten Art besitzt. Für diesen Fall ist die
Frage noch unentschieden.
^) Für den Fall, daß die Enveloppe im Punkt F[' keinen singulären Punkt
besitzt (Fall I, A), r=l), hat schon Eudmann mittels der dritten Variation be-
wiesen, daß kein Minimum stattfinden kann (Zeitschrift für Mathematik
und Physik, Bd. XXII (1877) p. 327), vgl. oben p. 69 Fußnote «). Die Behand-
lung der Aufgabe mittels des Enveloppensatzes rührt von Kneser her (Mathe-
matische Annalen, Bd. L (1898) p. '27 und Lehrluch, §§ 24,25), wo die Fälle
lA), IB^;) und II erledigt werden. Osgood (Transactions of the American
Mathematical Society, Bd. II (1901), p. 166) und später Lindeberg, loc. cit.
p. 329, haben dann gezeigt, daß im Fall IB,) beim x-ProUem ein starkes Mini-
mum stattfindet. Osgood zeigt ferner, daß auch beim f- Problem ein starkes
Minimum stattfindet, wenn im Punkt Pg ^ P" überdies
7^"(a;2,2/2,cos7, siny)>0
für alle Werte von y.
Achtes Kapitel.
Diskontinuierliche Lösungen.
§ 48. Die Weierstraß-Erdmann'sche Eekenbe dingung.
Bei der Formulierung^) der Aufgabe^ das Integral
J==JF{x,y,x,y')(U
zu einem Minimum zu machen, haben wir von den Vergleichskurven
vorausgesetzt, daß sie „gewöhnliche Kurven" sind, womit wir aus-
drücklich Kurven mit „Ecken" ^) zugelassen haben. Dagegen haben
wir uns in allen bisherigen Entwicklungen auf den Fall beschränkt,
wo die gesuchte Kur^e selbst keine Ecken besitzt.
Wir wollen uns jetzt von dieser Beschränkung befreien, indem
wir uns die Aufgabe stellen, nunmehr auch diejenigen Lösungen
unseres Variationsproblems zu bestimmen, welche Ecken besitzen;
solche Lösungen pflegt man „diskontinuierliche Lösungen" zu nennen^)
im Gegensatz zu den bisher ausschließlich betrachteten „kontinuier-
lichen Lösungen". Dabei sollen die Endpunkte P^, Pg der zulässigen
Kurven jetzt wieder fest und gegeben sein.
a) Einleitende Bemerkungen über diskontinuierliche Lösungen:
Wir setzen zunächst der Einfachheit halber voraus, die gesuchte
^^^^- ^ x^x{t), y = y{t), h^t^h,
1) Ygl. § 25, d).
^) ^gl- § 25, a). Statt „Ecke" sagt Caratheodory „Knickpunkt".
^) obgleich die Funktionen x, y selbst stetig bleiben. Gleich bei dem
ältesten Problem der Variationsrechnung (Newton's Rotationskörper kleinsten
Widerstandes) ergab sich eine solche Diskontinuität (vgl. § 54) und dann wieder-
holt im Lauf der geschichtlichen Entwicklung bei vereinzelten Beispielen. Der
erste, der sich in systematischer Weise mit diskontinuierlichen Lösungen be-
schäftigte, war ToDHUNTER, der in seinem Buch „Besearches on the Calculus of
Variations'"'' (1871) eine große Anzahl von Beispielen behandelt, ohne jedoch zu
einem allgemeinen Satz zu gelangen. Die aus der ersten Variation sich ergebende
„Eckenbedingung" verdankt man Weierstrass und Erdmann (vgl. §48,b)).
Bolza, Variationsrechnung. 24
h
0 -
oQQ Achtes Kapitel. Diskontinuierliche Lösungen.
welche das Integral J zu einem Minimum macht, und welche wieder
ganz im Innern des Bereiches 01 liegen möge, besitze eine Ecke und
zwar im Punkt P^(t = Q. Sie besteht ^also aus zwei Bogen der Klasse
C P Po und PoPg, die im Punkt Pq unter einem Winkel zusammen-
' ^ ^^ stoßen. Der Tangentenwinkel des Bogens
P^Po im Punkt Pq sei 6^, derjenige des
Bogens P^P^ im Punkt P^ sei d^. Es
wird ausdrücklich vorausgesetzt, daß
Öo-6>o^0(mod2:r).
Wir betrachten nun zunächst solche
spezielle Variationen P^P^Pq der ge-
suchten Kurve P^PoPs, welche das Stück PoP^ unverändert las.sen
und nur den Bogen P^Po variieren. Dann folgt, wie früher, daß tur
den Bogen P^Po die im fünften Kapitel entwickelten notwendigen
Bedingungen (I), (II), (HI), (IV) für „kontinuierliche^^ Lösungen er-
füUt sein müssen. Ebenso folgt aus der Betrachtimg von speziellen
Variationen, welche das Stück P^Po ungeändert lassen, daß dieselben
vier Bedingungen auch für den Bogen PoP^ erfüllt sem müssen.
Dieselbe Schlußweise ist auf den Fall von beliebig vielen Ecken
anwendbar und man erhält so das Resultat:
Jede disTwntimiierliche Lösung') setzt sich aus Extremalenbogen der
Klasse C zusammen, von denen jeder, für sich genommen, die Be-
dingungen von Legendre, Jacobi und Weierstrass erfüllt,
b) Die Weierstraß'sche Eckenbedingung:
Wir setzen für die weitere Diskussion voraus, daß unsere beiden
Bogen P,Po und P^P^ Extremalenbogen sind. Die Extremale, welcher
der Bogen P^Po angehört, bezeichnen 2) wir mit ^^, diejenige, welcher
der Bogen P.P^ angehört, mit de- Ferner nehmen wir an, daß für
die beiden Bogen P,Po und P,P, die L e gen dre 'sehe und die
Jacob i'sche Bedingung in ihrer stärkeren Form .erfüllt sind:
F,>0, (11')
wobei P^{t = Q denjenigen Punkt von @o bezeichnet, dessen konju-
gierter Punkt Po ist, und P^^t^K) den auf ©« ^^^ ^o konjugierten
Punkt.
iTüm Mißverständnisse zu vermeiden, mag man hier noch hinzusetzen r
„welche abgesehen von ihren Endpunkten frei variierbar ist-, vgl. §52.
^) ®o ' ®o si^^ ^^®^ ^^ demselben Sinn gebraucht, wie ©o ^^ § 27, c).
§ 48. Die Weierstr aß- Erdmann 'sehe Eckenbedingung. 367
Wir ersetzen nunmelir die Kurve P^P^P^ durch eine benachbarte
Kurve von der Form
wobei i(t), 7j{t) zwei willkürliche Funktionen von t von der Klasse C
sind, welche in t^ und t^ verschwinden. Das Integral J^ ist dann
gleich der Summe ^)
>~^ ^,
^e =J F{x, y, x\ y') dt ■^fF{x, y, x\y') dt
h ^o + 0
Auf jedes dieser beiden Integrale können wjr dann unmittelbar die
Formel (18 a) von § 2Q anwenden und erhalt'en
Wählen wir jetzt das eine Mal die Funktionen $, ri so, daß
das andere Mal so, daß
m erhalten wir den folgenden von Weierstkass 2) herrührenden Satz:
In jeder Ed'e P^ einer disJwntmuierlichen Lösung müssen die
heiden Gleichungen
erfüllt sein.
^) "^gl- wegen der Bezeichnung p. 197, Fußnote ^.
*) Von Weiekstkass schon in seiner Vorlesung im S. S. 1865 gegeben.
Siehe Cakatheodory, über die diskontinuierlichen Lösungen in der Variations-
rechnung, Dissertation (Göttingen, 1904), p. 3.
Unabhängig von Weierstraß hat Ekdmann (Journal für Mathematik,
Bd. LXXXII (1877), p. 21) die entsprechende Eckenbedingung für das a:-Problem
gefunden und zwar in der Form
'y'\ 'y'\ (2b)
f— yfy,Y^-^ = f— yfy,f--^^'
Diese Gleichungen folgen unmittelbar mittels der Gleichungen (16) von § 25 aus
den Weierstraß 'sehen. Eine direkte Ableitung derselben ist umständlicher als
für den Fall der Parameterdarstellung, vgl. z. B. Bolza, Lectures, § 9.
Die Eckenbedingung (2) läßt sich nach Whittemore auch 'aus dem Du-
Bois-Reymond'schen Lemma von § 5, c) ableiten; diese Methode läßt sich auf
Diskontinuitäten von kompliziterem Charakter anwenden, ja sogar auf den Fall
von unendlich vielen Diskontinuitäten, vgl. p. 28, Fußnote ^) und p. 29, Fußnote «).
24*
3ßg Achtes Kapitel. Diskontinuierliche Lösungen.
Trotz der Diskontinuität in der Fortschreitungsrichtung müssen
also die Funktionen F^„ F^, in jeder Ecke stetig bleiben.
Wir nennen eine Kurve, welche aus zwei Extremalenbogen Fi^T^
und P^F^ zusammengesetzt ist und in Po eine Ecke besitzt, in welcher
die Weierstraß'sche Eckenbedingung (2) erfüllt ist, eine gebrochene
Extremale.
Da die Funktionen F^,, F^, in x, y positiv homogen von der
Dimension 0 sind, so lassen sich die Gleichungen (2) auch schreiben:
wobei ^ /i ' n
Po = cos Bq, ^0 = ^1^ ^07
fo = cosöo, rJo = sinöo.
c) Zusätze und Beispiele:
Die Eckenbedingung läßt sich auch mittels der 8 -Funktion ausdrücken^).
Es ist nämlich nach der Definition der §- Funktion
8(a;,2/;cos0,sinÖ; cos 0, sin ö) = cos d {F^r - F^r) + Bind {F^y -F^,),
und hieraus berechnet man leicht
a8(^j/;cos0,sin0;cos0,sin0) _ _ ^.^^ ^^j-. _ ^^^ _^ ^^^ ^^-^ _ ^^,^
dB
Daraus folgt, daß die Eckenbedingung (2 a) mit den beiden Gleichungen
H^o^Vo'^ cos0„, sin0o; COS0O, sin0o) = 0,
d%{x^,yo; cosÖq, sinöp; cos0o,8in0o) ^ ^
äquivalent ist.
Andererseits ist aber auch
ß(.'^o.2/o; COS0O, sine«; COS0O, sin0J = 0, (4)
und aus (3J und (4) folgt rückwärts (2 a), vorausgesetzt, daß
e^—e^^0{mod7t). (5)
Aus der Symmetrie d'er Gleichungen (2 a) in
2 bezug auf 00 und 0^ folgt: Schneiden sich zwei
kontinuierliche Extremalen P^ P« P^ und P, P^ P^
im Punkt 1\ derart, daß_ für ihre beiden Tan-
gentenrichtungen 00 und 00 im Schnittpunkt die
Eckenbedingung (2 a) erfüllt ist, so ist sowohl
P^ Po P, als Pi Po P2 eine mögliche ^) diskontinuier-
liche Lösung.
1) Vgl. Caratheodorv, Dissertation, p. 8.
2) Soweit es sich eben um die Eckenbedingung handelt.
(3)
48. Die Weierstraß-Erdmann'sche Eckenbedingung.
369
Kombiniert man die Gleichung (3^) mit der Relation zwischen der 8-Funktion
und der Funktion F^ (Gleichung (125) von §30), so erhält man den
Zusatz I: Die Funktion F^(Xf^,yQ, cos Q, sind) verschioindet wenigstens für
einen Wert von 6 zwischen ^) d^ und 6^ .
Daraus folgt, daß ein Punkt P^,, in welchem F^ für keinen Wert von 0
verschwindet, nicht Ecke einer diskontinuierlichen Lösung sein kann; bei einem
„regulären" Problem können also überhaupt keine diskontinuierlichen Lösungen
auftreten.
Zusatz II: Wenn t'iherdies
-^1 O^o. yo^Po. %) > 0, F, (a?o, 2/o,^o'io) > 0,'
so nimmt die Funktion F^(x^,y^, cos 6, sind) zwischen^) d^ und % auch negative
Werte an und verschwindet daher mindestens zweimal zwischen d^ und 0^.
Denn aus dem Ausdruck (124) von § 30 für die 8 -Funktion folgt dann,
daß die Gleichung (3^) nur dann erfüllt sein kann, wenn F^ zwischen 0^ und 6^
negative Werte annimmt.
_ Zusatz III: 2) Geometrisch sind für einen Punkt P^ diejenigen Bichtungspaare
e^, e^, ivelche der Weierstraß'schen Eckenbedingung genügen, dadurch charak-
terisiert, daß die Punkte d^ ,6^ der zum Punkt P^ gehörigen Indikatrix die Be-
rührwngspunkte einer Doppeltangente der Indikatrix sind.
Denn die Tangente in einem beliebigen Punkt 6 der Indikatrix für den
Punkt Po ist nach Gleichung (128 b) von § 30 gegeben durch die Gleichung
K'i^o^Vo^ cosö, ämd)X-{-F^y{x,,y,, cos0, sin0) r= l, (6)
woraus unmittelbar folgt, daß die Tangenten
in den Punkten 6^ und Ö^, zusammenfallen, wenn
die Gleichungen (2 a) erfüllt sind, und umgekehrt.
Erinnert man sich der Beziehungen der
Funktionen 8 und F^ zur Indikatrix, so kann
man hiernach die Gleichungen (3), (4), sowie die
beiden Zusätze I und II unmittelbar an der
Indikatrix ablesen.
Verbindet man dies Resultat mit der in
§ 36, a) gegebenen Konstruktion der zu einer ge-
gebenen Richtung transversalen Richtung, so
erhält man den
Zusatz IV: Die im Punkt P^ zu den beiden
Bichtungen d^ und 6^ transversalen Bichtungen
fallen zusammen, was übrigens auch unmittelbar
aus der Vergleichung der Gleichungen (2) mit Gleichung (2) von § 36 folgt.
^) Dabei sind nach § 30, b) die Winkel 6^,0^ so zu normieren, daß:
^) Nach Caratheodory, Dissertation, p. 71 und Mathematische Annalen,
Bd. LXII (1906), p. 465.
Fig. 71.
I
370 Achtes Kapitel. Diskontinuierliclie Lösungen.
BielKomtantenbestimmung fm- eine diskontinuierliclie Lösung mit einer Ecke
gestaltet sich folgendermaßen: Ist wieder
x = f{t,oc,ß), y = g{t,cc,ß)
das allgemeine Integral der^Eul er 'sehen Differentialgleichung (I), und sind u = «„,
ß ^ ß^^ resp. a = äo, ß = ßo diejenigen Werte der Integrationskonstanten, welche
den Bogen P,P,, resp. P,P, liefern, und sind ferner t,, resp. t, diejenigen Werte
von t, welche auf P,P,, resp. P,P, den Punkt P, liefern, so hat man zur Be-
stimmung der acht unbekannten Größen
0^01 1^0» "oi ^0' ^n ^•^'■> *oi *o
folgende acht Gleichungen: Zunächst die vier Gleichungen, welche ausdrücken,
daß der Bogen P^P, für t = t, durch P^ , der Bogen P,P, für t=t, durch
Pg geht; ferner die beiden Gleichungen
welche ausdrücken, daß die Koordinaten x, y beim Durchgang durch die Ecke
stetig bleiben; und endlich die beiden Gleichungen (2), bei denen die Argumente
auf der linken Seite sind:
/(«o.«o,^o)i i/(*o."o./5o), ffio^^oJo). gA^O'o^ßol
auf der rechten Seite:
fih, ä,, ß,\ g(t,, äo, ß,h f'Ä^ ^0. ^o). 9t^o^ ^0. ^o)-
Beispiel XIIl. (Siehe p. 2G8.)
Da hier . ^^ ^^
i\ (ic, y, cos 0, sm 6) == G{x, y),
80 folgt nach Zusatz I, daß die Punkte der Kurve G(x,y) = 0 die einzigen
möglichen Ecken von diskontinuierlichen Lösungen sind.
Beispiel XIX: Das Integral
J aYF'^Ty^ + ^'
zu einem Extremum zu machen. Dabei ist unter a eine Funktion von x und y
verstanden. Die zulässigen Kurven sind auf den Bereich: a{x,y)>l zu be-
schränken, damit das Integral sicher endlich bleibt.
Die Gleichung der Indihatrix lautet:
9 = a + cos 0.
Dieselbe stellt eine PascaVsche Schnecke') dar. Bei der Diskussion sind drei Fälle
zu unterscheiden, je nachdem a ^ 2. In den beiden ersten Fällen (^2) besitzt
die Indikatrix keine reelle Doppeltangente. Ist dagegen l<a<2, so besitzt
1) Vgl. G. LoRiA, Spezielle ebene Kurven, p. 136.
§ 48. Die Weierstr aß -Erdmann 'sehe Eckenbedingung.
371
sie eine reelle Doppeltangente, parallel der 73-Achse ; dieselbe berührt die Indikatrix
in den Punkten ö = + /?, wo ß durch die Gleichung gegeben ist:
cos p = .
Hieraus folgt nach Zusatz III für diskontinuierliche
Lösungen das Resultat:
/n denjenigen Teilen der x, y-Ehene^ in ivelchen:
a (x, y) ^ 2^ Jiönnen l-eine Ecken von diskontinuierlichen
Lösungen Hegen. Dagegen ist jeder Punkt des durch
die Ungleichungen: 1 <! a (a?, 2/) <C 2 definierten Be-
reiches Ecke einer gebrochenen Extremalen. Die beiden ~ ^
zugehörigen Bichtungen d, 6 haben die Amplituden + ß.
Für die Funktion F^ findet man nach einfacher Rechnung, bei welcher es
bequem ist, von den Formeln von § 32, c) Gebrauch zu machen
Fig. 72.
^1 {^} Vi cos Ö, sin ö) =
a^ + 3acosö + 2
{a + cos ey
Die Funktion F^ verschwindet mit Zeichenwechsel für d
definiert ist durch die Gleichung
a2-f-2
-{- a, wo cc
cos a = —
3a
In dem speziellen Fall, wo a eine Konstante ist, sind die Extremalen gerade
Linien. Ist insbesondere 1 < a < 2 , so ist jeder Punkt der Ebene Ecke einer
gebrochenen Extremalen,
Ist der Punkt P^ beliebig gegeben, so füllen diejenigen Lagen des Punktes
P^, welche mit P^ durch eine gebrochene Extremale mit einer Ecke verbunden
werden können, das Innere des (spitzen)
Winkels aus, welcher von zwei von P^ aus-
gehenden Halbstrahlen von den Amplituden ß
und — ß gebildet wird. Und zwar gibt es
nach jedem solchen Punkt Pg allemal zwei
gebrochene Extremalen P^ PqP^ und P^P^P.^
(siehe Fig. 73). Es sind dies gerade die-
jenigen Lagen des Punktes P^, nach welchen
sich keine kontinuierliche starke Lösung
ziehen läßt. Dagegen lassen sich von P^
nach jedem Punkt P^ in dem angegebenen
Winkelraum unendlich viele gebrochene Ex-
tremalen mit mehr als einer Ecke ziehen, nämlich gebrochene Linien, welche sich
aus Stücken zusammensetzen, die abwechselnd die Amplituden ß und — ß haben. ^)
Fig. 73.
^) Hierzu weiter die Übungsaufgaben Nr. 24 — 29 am Ende von Kap. IX.
372
Achtes Kapitel. Diskontinuierliche Lösungen.
§ 49. Konjugierte Punkte auf gebrochenen Extremalen.^)
Wir setzen für die weitere Diskussion voraus, daß unsere Kurve
P^PqP^ eine gebrochene Extremale ist, daß also im Punkt P^ die
Weierstraß'sche Eckenbedingung (2) erfüllt ist, und betrachten jetzt
als Vorbereitung für die Aufstellung weiterer notwendiger, sowie hin-
reichender Bedingungen die Aufgabe, die Kurve P^P^P^ in eine Schar
von gebrochenen Extremalen einzubetten. Dabei halten wir an der
schon in § 48, b) eingeführten Annahme fest, daß sowohl für P^ Pq als
auch für P^P^ die Bedingungen (IF) und (IIP) von §32, b) erfüllt sind.
a) Konstruktion einer Schar von gebrochenen Extremalen:
Es «^i x==(p{t,a), y-^{t,a) (8)
irgendeine Schar von Extremalen, welche den Extrem alenbogen P^P(^
enthält, und zwar für a == üq, und welche den in § 27, d) aufgezählten
Bedingungen A) bis D) genügt. Wir
'^ stellen uns die Aufgabe, auf einer der
P , ' ' Extremalen P^ Pq benachbarten Extre-
malen @^^ der Schar (8) einen Punkt P(^)
und zugleich eine durch P gehende
Richtung 6 zu bestimmen, derart, daß
die Richtung Ö der positiven Tangente
der Extremalen ©^ im Punkt P zu-
sammen mit der gesuchten Richtung 9
der Weierstraß^schen Eckenbedin-
gung (2 a) genügt.
Wii- haben dann zur Bestimmung der beiden Unbekannten t und
6 die beiden Gleichungen
F^,(q){t, a),i^it, a\ (pfl, a), ^ß, a)) - F^,{(p{U a),tit, ci\ cos d^ sin 6) = 0,
F/^(p{t, a\tpit, a\ (p,(t, a), il^ß, a)) - F^,((p{t, a\t(t, a\ cos ö, sin Ö) = 0. ^
Für den Wert der Funktionaldeterminante der linken Seiten dieser
beiden Gleichungen nach t und Ö im Punkt P^ ergibt eine einfache
Rechnung^) den Ausdruck
VK' + y'^'FMi\, (10)
*) In ihren allgemeinen Umrissen rührt die Theorie der konjugierten Punkte
auf diskontinuierlichen Lösungen von Caratheodory her {JDissertatiofi , §§ 6, 8, 9
und Mathematische Annalen, Bd. LXII (1906), p. 474); im einzelnen durch-
geführt und in wesentlichen Punkten vervollständigt worden ist sie von Bolza
(American Journal of Mathematics, Bd. XXX (1908) p. 209) und Dresden
(Trans actionsofthe American Math ematical Society, Bd.IX(1908),p. 480).
2) Für die Einzelheiten derselben vgl. Bolza, loc. cit. p. 211.
Fig. 74
§ 49. Konjugierte Punkte auf gebrochenen Extremalen. 373
wobei die von Caratheodory eingeführte Größe SIq definiert ist durch
- PoKi^o^yod^o, %) - äoFy{x^, yo,Po, %)'
Daraus folgt nach dem Satz über implizite Funktionen das Resultat:
Wenn die Bedingung
P^o + 0 (12)
erfüllt ist, so lassen sich die Gleichungen (9) in der Umgehung der
Stelle t^, ÜQy Oq eindeutig nach t, 6 auflösen, und die Lösung
t = t{a), e = e{a) (13)
ist in der Umgebung von a =-- a^ von der Klasse C und erfüllt die
Anfangsbedingung
t{a,) = t„ e{a,)^e,. (14)
Hiermit ist die Aufgabe, die wir uns zunächst gestellt hatten, gelöst.
Wir setzen in der Folge die Bedingung (12) als erfüUt voraus.
Nun war weiter nach Voraussetzung
^1 (^0? .^0? cos ^0, sin 0^) > 0;
daraus folgt, daß auch
F^{(p(tia), a),'ip{t{a),a), cos Ö{a), sin 6{a)) > 0,
wenn nur \a — a^. hinreichend klein gewählt wird. Alsdann können
wir aber nach den Existenztheoremen von § 21, a) durch den Punkt
P in der Richtung d eine Extremale @^ konstruieren, die wir mit
\' x = ^{t,a), y^^(t,a) (15)
bezeichnen. Den Parameter t können wir so wählen, daß auch auf
@^ dem Wert t = t(a) der Punkt P entspricht, so daß also
(p {t (a), a) = cp(t (a), a), ^ (t (a), a) = ijj (t (a), a). (16)
Wir erhalten so eine gebrochene Extremale @^ + (S^ mit der Ecke im
Punkt Pj auf welcher der Parameter t sich stetig ändert.
Lassen wir a variieren, so erhalten wir eine Schar von ge-
brochenen Extremalen, welche die spezielle Kurve P^PqP^ für a = a^
enthält.
Die Schar (15) wollen wir die zur Schar (8) „Iwnplementäre
Extremalenschar'^ nennen.
i
374 Achtes Kapitel. Diskontinuierliche Lösungen.
b) Die Eckenkurve:
Lassen wir a variieren, so beschreibt die Ecke P eine Kurve
S, welche wir die Eckenkiirve^) nennen wollen. Definiert man die
Funktionen x{a), y(a) durch die Gleichungen
x(a)==(p (t {a\ a), y{ci) = ^ (t (ö^); ci\ (^ '^)
wofür man wegen (16) auch schreiben kann
x(a) = ~^(m, a), y{a) == %}{t{a\ a\ (18)
so ist die Eckenkurve in Parameter darstellung gegeben durch die
Gleichungen ^ _ ^ . , .
ü: x = x{a), y = yw^
wobei ein gegebener Wert a = a die Ecke für die gebrochene Extre-
male @„, + S^, liefert.
Aus den Definitionsgleichungen (17) für die Funktionen x{a),y{a)
kann man dann nach den Regeln für die Differentiation impliziter
Fimktionen, angewandt auf die Funktion t{a), die Ableitungen x{a),
y\a) und daraus das Gefälle tgÖ der Tangente an die Eckenkurve
im Punkt P berechnen. Insbesondere erhält man für das Gefälle tg 6q der
Kurve S im Punkt Pq das folgende Resultat 2):
Es sei Q(t = r) der dem Punkt P« zunächst vorangehende Brenn-
punkt der Schar (8) auf der Extremalen ©o', ein solcher existiert stets,
wenn der in § 48, b) definierte Punkt PJ existiert, wie wir für die
folgende Diskussion voraussetzen wollen, und zwar liegt Q nach dem
Sturm 'sehen Satz zwischen PJ und P«. Weiter bezeichne @(t,t) die
in § 29, a) definierte Funktion von Weierstraß, d. h. dasjenige Inte-
gral der Jacobi'schen Differentialgleichung für die Extremale ^q,
welches für t = r verschwindet. Alsdann ist
tg ^0 - ^i§(t^^ ,) + s 07(*;, r) 7 , ■ y J
wobei
a = Af 0 + ^0^0. ß = «' + yo'hoF,{t,) sm(d, - 6,), ^^^^^
A,^L,-L,, B, = M,-M„ C, = N,-N,. (21)
Die Größen L,, M^, N,, resp. L,, M„ N, sind durch die Glei-
chungen (85) von § 28 definiert, und zwar sind die ersteren für den
1) „Knickpiinktskurve" nach Caratheodory, loc. cit.
») Für die Einzelheiten der Rechnung vgl. Bolza, loc. cit. p. 215.
§ 49. Konjugierte Punkte auf gebrochenen Extremalen. 375
Punkt Pq und die Extremale ©^ zu bereclinen, die letzteren für den
Punkt Pq und die Extremale @q.
Da die Grrößen a, ß, y, d von der Wahl der Schar (8), und ins-
besondere von r unabhängig sind, so folgt:
Bas Gefalle der Echenlmrve @ im Punkt Pq ist dasselbe für alle
Extremalenscharen (8J, welche denselben BrennpunM Q besitzen^ wobei
die Extrem alenschar durch den Punkt Q unter den letzteren mit in-
begriffen ist^).
Wir untersuchen jetzt, wie sich das Gefälle tg 6^ verändert, wenn
der Punkt Q die Extremale (^^ durchläuft.
Dazu hat man die Ableitung von igO^ nach r zu berechnen. Die
Rechnung, bei welcher man zu beachten hat, daß die durch (11) defi-
nierte Größe Uq sich auf Grund von Gleichung (87) von § 28 auch
schreiben läßt
ergibt das Resultat
^ tö-^ = -Fsin(Ö, -öo)^o .,^^.
dt ^^ "o I\ (r)(y ©{t,, T) -f ^0,(\, t)Y ^-^"^
wobei k eine von Null verschiedene Größe ist.
Wir machen für die weitere Diskussion die Annahme, daß
e^-e^^O{mod.%). (23)
Nunmehr lassen wir den Punkt Q die Extremale (Sq vom Punkt ^)
Pj,' bis zum Punkt P^ durchlaufen, d. h. wir lassen x von t^ bis t^
wachsen. Dabei behält nach {22) die Ableitung von tgO^ ein kon-
stantes Vorzeichen, da P\(r) > 0 und die Größe ^^^ welche von r
unabhängig ist, nach (12) von NuU verschieden vorausgesetzt wird.
Für t = t^ und r = t^ verschwindet 0(^o,r), und es wird:
Hieraus ergibt sich das Resultat:
Während der Punkt Q die Extre^yiale @q vom Punkt PJ bis zum
Punkt Pq durcJilätift^ dreht sich die Gerade^) 6^ um den Punkt Pq von
der Anfangslage 6^ beständig in demselben Sinn um den Winkel it bis
zur Endlage 6^.
^) Q erscheint dabei als entartete Enveloppe, vgl. § 47, a) p. 361.
*) Siehe § 48, b), Eingang.
^) D. h. die Gerade durch P^ vom Gefälle tgÖ^,, so daß also die Gerade 0^
(nicht zu verwechseln mit der Richtung ^^^) mit der Geraden Öq ~l" ^ identisch ist.
376
Achtes Kapitel, Diskontinuierliche Lösungen.
Dabei passiert sie genau einmal durch die Lage Oq. Den Wert
von t, für welchen dies eintritt, bezeichnen wir mit e^, den ent-
sprechenden Punkt von @o mit Eq. Dabei ist es für die weiteren
Entwicklungen wichtig, zu unterscheiden, ob die Gerade Oq in den
Winkel^) zwischen den beiden Zweigen P^P^,PqP., unserer diskonti-
nuierlichen Lösung eintritt oder nicht. Man erhält vier Fälle, die
durch die beifolgenden Figuren genügend charakterisiert sind, wobei
zunächst nur der Bogen PqPq in Betracht kommt:
Fall I: ^0 > ^.
a) sin(^o-^o)>ö I b) sm{d,-0^)<0
Fig. 75. p*
Fall II: ^0 < Ö,
a) sin(Öo-öo)>0 I b) sm(d,-0,)<0
Fig. 77.
^) Darunter soll derjenige der beiden von den Halbstrahlen ö„ und B^-l-Tt
gebildeten Winkel verstanden werden, welcher kleiner ist als n. Wir werden
diesen Winkel in der Folge kurz den „EckenwinkeV nennen.
§ 49. Konjugierte Punkte auf gebrochenen Extremalen. 377
Während sich der Punkt Q von P^ nach Eq bewegt, dreht sich
die Gerade 6^ aus der Lage Oq in die Lage 6^, und zwar durch den
Ecken Winkel, wenn üo>0, außerhalb desselben, wenn ii^ < 0. Be-
wegt sich dann Q weiter von Eq nach Pq, so dreht sich die Gerade Öq
weiter aus der Lage 9^ in die Lage 6q und zwar außerhalb des frag-
lichen Winkelraumes, wenn £1^ > 0, innerhalb, wenn Sl^ < 0. Liegt Q
auf dem stärker ausgezogenen der beiden Bogen P^Eq^EqPq, so tritt
die zugehörige Gerade 6^ in den Eckenwinkel ein.
Aus der vorangegangenen Diskussion folgt zugleich die Um-
kehning: Zu jeder durch den Punkt Pq gehenden Geraden Oq, welche
in Pq weder den Bogen P^Pqj noch den Bogen PqP^ berührt, gehört
ein und nur ein Punkt Q zwischen PJ und Pq derart, daß die Ecken-
kurve für jede Extremalen schar (8), welche ihren Brennpunkt im
Punkt Q hat, die Gerade 8^ im Punkt P^ berührt.
Man erhält den zu einer gegebenen Geraden Öq gehörigen Wert
von T, indem man die Gleichung (19) nach r auflöst. Setzt man die
Werte von a, ß, y, d ein, so erhält man die Gleichung in der Form
(24)
- {^'! + y')F,{Q sin (Ö, - öo) sin {d, - 0,) @,(t„ r) = 0;
dabei ist ^ '/T - • ;t
Insbesondere erhält man die Gleichung für den Parameter e^ des
Punktes Eq, indem man in (24): 9^ = 9^ setzt.
c) Definition der konjugierten Punkte für gebrochene Extremalen :
, Falls der zu Pq auf (^'^ konjugierte Punkt PJ existiert, wie wir für
die weitere Diskussion annehmen wollen, so besitzt auch die zur Ex-
tremalenschar (8) komplementäre Schar (15) einen Brennpunkt
Q'\t = t"), und zwar zwischen Pq und P^. Zwischen r" und dem
Gefälle tgöy besteht dann eine Relation (24), die aus (24) dadurch
hervorgeht, daß man die überstrichenen und unüberstrichenen Buch-
staben vertauscht, da man ganz analoge Betrachtungen wie unter b)
auch für die Schar (15) anstellen kann. Daraus folgt aber, daß alle
Scharen gebrochener Extremalen, welche den Brennpunkt Q gemein-
sam haben, auch den zweiten Brennpunkt Q^' gemeinsam haben.
Wir nennen diesen zweiten Brennpunkt Q" den zum Punkt Q auf
der gebrochenen Extremalen ^^ + (Sq konjugierten Punkt. Derselbe kann
nach dem eben Gesagten auch definiert werden als der BrennpunM
378 Achtes Kapitel. Diskontinuierliche Lösungen.
auf ^0 der zur Extremalmschar durch den Funkt Q homplementären
Extremalenschar.
Durch Elimination von tgö^ aus den beiden Gleichungen (24)
und (24) erhält man die folgende Relation^) zwischen den Para-
metern T, x" der konjugierten Punkte (>, Q":
(25)
+ (^- +.^o0^i(0(AK+2i?ofo?o + 0,qD®{t,,x) '^p
In Fig. 75 bis 78 ist die Abhängigkeit zwischen den Punkten
Q, Q" angedeutet. So bewegt sich z. B. im Fall I, a) der Punkt Q"
von E, nach P^, während der Punkt Q von P^ nach E, geht. Be-
wegt sich der Punkt Q weiter von E^ nach Pq, so bewegt sich der
Punkt Q" von F, nach E^.
Dabei hat der Punkt E,{t = e^ die analoge Bedeutung für die Ex-
tremale io; ^^ie d®^* P^^^* ^0 für die Extremale (Sq, d. h. in der Re-
lation (24) entspricht dem Wert x" = e^ der Wert d, = 6,.
Die beiden Punkte E,, E,, deren Bedeutung für die Frage des
Minimums aus dem folgenden Absatz erhellen wird, sind von
Caratheodory eingeführt worden.
d) Das Analogon der Jacobi'schen Bedingung für diskontinuier-
liche Lösungen:
Wir werden jetzt unter Festhaltung der Voraussetzungen (12)
und (23) zeigen, daß für ein Minimum des Integrals J außer den
hereits aufgezählten Bedingungen weiterhin notwendig ist, daß')
E,^F„ F,^F';, ' {2Q)
wenn F'^ den zu Pj auf der gebrochenen Extremalen @o + @o kon-
jugierten Punkt bezeichnet.
1) Vgl. BoLZA, loc. cit. p. 221 und Dresden, loc. cit. p. 483.
2) Der Satz in dieser einfachen Form rührt von Dresden her, der denselben
mittels der Differentiationsmethode beweist (Transactions of the American
Mathematical Society Bd. IX (1908). Über die Beziehung zu den ur-
sprünglichen Resultaten von Caratheodory vgl. p. 372. Wegen der Bezeichnung
vgl. § 25, a).
49. Konjugierte Punkte auf gebrochenen Extremalen.
379
Zum Beweis werden wir uns des Enveloppensatzes, ausgedehnt
auf gebrochene Extremalen, bedienen.
Es mögen die Gleichungen (8) die Extremalenschar durch den
Punkt Pj darstellen, (15) die dazu komplementäre Schar. Wir greifen
irgend eine der gebrochenen 5
Extremalen der Schar heraus:
®a + @^, und nehmen auf ihr
einen Punkt P^if) an. Den
Wert des Integrals JJ genommen
entlang dieser gebrochenen Ex-
tremalen vom Punkt P^ bis
zum Punkt Pg, bezeichnen wir
mit u {t, a). Liegt der Punkt P^
vor der Ecke P5, also auf der
Extremalen @^^, so gelten für
die Funktion u{t, a) und ihre Ableitungen genau die früheren Formeln
von § 31, c) und § 44, a). Liegt dagegen der Punkt P3 jenseits der
Ecke, also auf der Extremalen (S^, so ist
u (t, a) = J,, + J53 =/'^(^. ^0 ^^ +f'^(ß> et) dt • (27)
dabei ist zur Abkürzung gesetzt
^(^, a) = F{(f{t, a\ tp{t, d), (p,{t, a), ^ß, a)),
^{t, a) = F{(pit, a), jpit, a\ (p,{t, a), ißß^ a)\
und t^ und ^5 sind die Werte von t, welche auf der Extremalen @^
die Punkte Pj, resp. Pj., liefern. Hieraus folgt zunächst:
und weiterhin, wenn man beachtet, daß die auf den Punkt P^ bezüg-
lichen Glieder ebenso wie in § 31, b) — wo dem Punkt P^ der Punkt
Pq entspricht — wegfaUen,
was sich wegen der Homogeneitätsrelation (10) von § 25 auch
schreiben läßt
da
,^ = ^.(9„ + ^4a) + ^7.(*» + '^S
Nun ist aber t^ = t{a), wo t{a) die in § 49, a) ebenso bezeichnete
Funktion bedeutet, für welche die Gleichungen (16) und (17) gelten.
380 Achtes Kapitel. Diskontinuierliche Lösungen.
Daher kommt
^^^» = fF,,(<5, a)~x'{a) + ^,ß„ a)y{a).
Ganz ebenso erhält man, wenn man (18) statt (17) benutzt .
2/" = f^,(«, a)<p,{t, a) + %,{t, a)n>At, a)
C Ol
also schließlich
^-^ = W^,{t, a)cpSt, a) + W,,{t, a)i^^{t, a) (28a)
Die Ausdrücke (28) und (28 a) für die partiellen Ableitungen von
ii{t, a) unterscheiden sich also von den früher für den Fall eines Feldes
von kontinuierlichen Extremalen gegebenen Gleichungen (144) und
(146) von § 31 nur durch das in dem Ausdruck für u^ in der zweiten
Zeile stehende Zusatzglied. Dieses Zusatzglied ist nun aber auf Grund
der Weier Straß' sehen Eehmhedingung (2) gleich NtdV) Denn dar-
nach gelten im Punkt P5 die Gleichungen
somit erhalten wir für die Ableitungen u,, u^ genau dieselben Aus-
drücke wie früher.
Es sei jetzt ^ die Enveloppe der komplementären Schar (15)
(Fig. 79); sie berührt, wie wir wissen, die Extremale @o im Punkt P^';
der Berührungspunkt von ®, mit ^ sei P,. Dann folgert man genau
wie in § 44, c) den Enveloppensatz: ;
und hieraus folgt weiter wie in § 47, daß im Fall eines Minimums
der Punkt P^ nicht jenseits des konjugierten Punktes P^ hegen dart:
p, :< p;. (29)
Überdies muß aber
sein.^) Um dies zu beweisen, nehmen wir an, es sei: Pj < E^. Dann
können wir nach den Resultaten von § 49, c) stets auf dem Bogen
1) Vgl. Cakatheodory, Dissertation, p. 21. ^ .. ,. ,, i
^) Es muß sogar: E,-<P, sein, wie sich aus der Differentiationsmethode
ergibt, vgl. Dresden, loc. cit.
§ 50. Hinreichende Bedingungen für diskontinuierliche Lösungen. 381
EqF^ einen Punkt Q so nahe bei E^ wählen, daß dessen konjugierter
Punkt Q" vor F^ liegt. Daher können wir nach dem eben be-
wiesenen Satz von Q nach Pg eine zulässige Kurve S ziehen, welche
einen kleineren Wert für das Integral J liefert als die gebrochene
Extremale QF^T^, womit zugleich gezeigt ist, daß auch die gebrochene
Extremale P^P^P^ selbst kein Minimum liefern kann.
Aus (30) folgt nach § 49, c), daß: P; < E'. Somit muß a fortiori
sein. ^2<^o * (31)
Wir erhalten also zunächst für jeden der beiden Punkte P^ und
P2 für sich genommen eine Bedingung, nämlich (30) und (31); außer-
dem muß dann zwischen beiden die der Jacobi'schen Bedingung ent-
sprechende Bedingung (29) erfüllt sein.i)
§ 50. Hinreichende Bedingungen für diskontinuierliche Lösungen.
Die Aufstellung von hinreichenden Bedingungen beruht auf der
Konstruktion eines Feldes von gebrochenen Extremalen und auf der
Ausdehnung des We i er s t r aß'schen Fundamentalsatzes auf ein
solches Feld.
Wir halten dabei an der bereits in § 49 gemachten Annahme
fest, daß für unsere gebrochene Extremale P.P^P^ die Bedingungen
erfüllt .nd. ^i"(^o-^o) + 0 (23)
a) Konstruktion eines Feldes von gebrochenen Extremalen: 2)
Wir betrachten eine beliebige Schar von gebrochenen Extremalen,
die sich zusammensetzt aus der Schar (8) und der dazu komplemen-
tären Schar (15), und bezeichnen wieder mit Q(t = T) und Q'\t = t')
ihre beiden Brennpunkte auf (S^, resp. g^- Wir nehmen an, es sei
und 3) der Punkt P^ liege zwischen Q und P^, der Punkt P^ zwischen
Po und Q". Dann gelten nach der Definition der Punkte §, Q" für
die Funktionaldeterminanten der beiden Scharen die Ungleichungen:
^) Hierzu die Übungsaufgaben Nr. 30, 31 am Ende von Kap. IX.
^ Nach Caratheodory, Dissertation, § 6 und Mathematische Annalen
Bd. LXII (1906) p. 474.
') Vgl. p. 383.
Bolza, Variationärechnung. ok
1
S82
Achtes Kapitel. Diskontinuierliche Lösungen.
A(^,ao) + 0, für t^ZtZ^oy
A{t,a^)=^0, für t^ZiZ^i-
Wir .konstruieren jetzt in einer t, a-Ebene das KecMeck
t^-\ZtZh+hy I« - ^oi 5 ^'^
wobei \,\,l- positive Größen sind.
. a = % + k
(32)
(33)
t = t^h.
-h
Dasselbe wird durch
die Kurve
t-t{a) (34)
— wobei t{a) dieselbe
*o-^ Bedeutung bat wie in
§ 49, a) — in zwei Teile
zerlegt, die wir mit €L
und S: bezeichnen; im ersten ist ^^K^)^ i"^ zweiten t-^t^a).
Das Bild des Bereiches OL in der o;, ^-Ebeue mittels der irans-
formation (8) bezeichnen wir mit oT, dasjenige des Bereiches ÖL mittels
der Transformation (15) mit cS Die Bereiche of und of haben das
Bild der Kurve (34), d. h. die Eckenkurve (S gememsam. Wir
machen noch die Annahme, daß die Kurve P,P,P, keine vielfachen
Punkte besitzt. Dann folgt nach § 31, a) aus (32), daß sich die
positiven Größen h,, h,, h so klein wählen lassen, daß die irans^
formation (8) eine ein-eindeutige Beziehung zwischen (^ und o^, und
^ gleichzeitig die Transformation
(15) eine ein-eindeutige Bezie-
hung zwischen ÖL und of de-
finieren, und daß überdies
A(^, a)4=0 in ÖL,
Ä(^, a) + 0 in ÖL.
Dabei ist es immer noch möglich,,
daß die beiden Bereiche ofund oT
sich teilweise überdecken, und dies tritt in der Tat auch stets ein,
wenn die Tangente an die Eckenkurve S m P, außerhalb des Ecken-
winkels ^) liegt, (siehe Fig. 81). Wir setzen daher m der Folge voraus,
daß die Gerade d, durch den EclenwinUl geht. Unter dieser Voraus-
setzung läßt sich zeigen, daß die beiden Bereiche eirund of außer der
Kurve S keinen Punkt gemeinsam haben, wofern nur die Großen
h. K,h hinreichend klein genommen werden.
Ö"Vgl. p. 376, Fußnote 0-
Pig. 81.
§ 50. Hinreichende Bedingungen für diskontinuierliche Lösungen. 383
Fig. «2
Zum Beweise nehme man an, es gäbe, wie klein auch h gewählt
werden möge, mindestens einen nicht auf S liegenden Punkt, der
gleichzeitig zu oT und oT gehört. Alsdann läßt sich ganz ähnlich wie
in § 22^ b) und d) zeigen, daß es dann in jeder Nähe des Punktes
Pq Punkte geben müßte, die, ohne auf (I zu liegen, gleichzeitig zu oT
und of gehören. Letzteres ist aber nicht möglich, da bei der voraus-
gesetzten Lage der Geraden 6^ alle Punkte von oT in der Nähe von
Pq auf derselben Seite ^) von ß, alle Punkte von oi' in der Nähe von
Pq auf der entgegengesetzten
Seite von ^ liegen müssen.
Man erhält also das Resul-
tat, daß man die Größen h^Ji^jh
so klein wählen kann, daß die
durch die Gleichungen (8) und
(15) definierte Beziehung zwischen
dem Rechteck (33) und dessen
Bildc^-\- c^eine ein- eindeutige ist.
Den Bereich cf + cf nennen wir
dann ein Feld von gebrochenen
Extremalen um die spezielle ge-
brochene Extremale P^ Pq Pg.
Durch jeden Punkt des Feldes geht dann also eine und nur eine (kon-
tinuierliche oder gebrochene) Extremale unserer Schar, für welche die
Bedingungen (33) erfüllt sind. —
In dem vorangegangenen Beweis sind wir von einer gegebenen
Schar von gebrochenen Extremalen ausgegangen und haben dann an-
genommen, daß die beiden Punkte P^, Pg zwischen den Punkten Q
und Q" liegen. Wir wollen jetzt umgekehrt von den beiden Punkten
Pj und Pg als gegeben ausgehen und uns fragen, unter welchen Be-
dingungen wir die Kurve P^PqP^ mit einem Feld von der angegebenen
Art umgeben können.^) Es handelt sich also darum, ob wir den
Punkt Q so wählen können, daß Pq -< Q ^ P^, P^^ Q" ■> ^^^d daß
gleichzeitig die Gerade ö^ in den Ecken winkel eintritt. Sobald dies
der Fall ist, so brauchen wir nur eine Extremalenschar (8) mit dem
Brennpunkt Q zu konstruieren (z. B. die Schar von Extremalen durch
§); diese Schar zusammen mit ihrer komplementären liefert dann nach
dem vorigen ein Feld von gebrochenen Extremalen um die Kurve Pj Pq Pg.
*) Um einen arithmetisch strengen Beweis zu erhalten, wären hier noch
mancherlei Einzelheiten zu beweisen, auf die wir jedoch nicht eingehen.
-) Immer unter Festhaltung der Voraussetzungen (11') und (III') von § 48, b).
25*
3g4 Achtes Kapitel. Diskontinuierliche Lösungen.
Es sind folgende Fälle zu unterscheiden, wobei P/ den dem
Punkt Pi auf @o konjugierten Punkt bezeiclinet. (Man vergleiche
Fig. 75 bis 78):
Fall I: ^0 > Ö,
A) F',^F,-<E,, also E,^F';^Fi
Alsdann ist für die Möglichkeit der Konstruktion eines Feldes der
gegebenen Art offenbar notwendig, daß
p, < p, < p; ;
da ja aus Q-<F, folgt: Q" -< P;'. Diese Bedingung ist aber auch
hinreichend 5 denn wir können dann Q so nahe bei P^ wählen, daß
^^^Ö"* B) E,^P,<P,.
Dann lautet die Bedingung für P^
P,<P,<Pi
Denn wir können dann den Punkt Q zwischen P^ und E^ so nahe
an Eq wählen, daß P2 ^ Q'^Pq-
Fall II: ^0 < ^•
A) P',^P,<E,.
Hier ist es nicht möglich, ein Feld der gewünschten Art zu kon-
struieren; denn für jede Lage von Q zwischen P', und P^ liegt die
Gerade 0^ außerhalb des Eckenwinkels. ^
B) E,<P,<Po, also P,<P:<Eo.
Hier lautet die Bedingung für P^:
p,^p,< p;.
b) Der Weierstraß'sche Fundamentalsatz für ein Feld von ge- -
brochenen Extremalen : ^)
Wir nehmen jetzt an, unsere Kurve PjPoP^ l^^se sich mit einem
Feld von gebrochenen Extremalen 0^+ oT umgeben, wobei wir der
Einfachheit halber voraussetzen wollen, daß die Schar (8) aus den
durch den Punkt Q gehenden Extremalen gebildet ist. Wir definieren
dann das zugehörige Feld-Integral genau wie m §31,b): Ist P^i^^y)
irgend ein Punkt des Feldes, so geht durch ihn eine und nur eine i eld-
extremale, gebrochen oder nicht, je nachdem P, in oT oder in oTliegt.
1) Im wesentlichen nach Caratheodoky, loc. cit.
§ 50. Hinreichende Bedingungen für diskontinuierliche Lösungen. 385
Das Integral J, genommen entlang dieser Extremalen vom Punkt
Q — den wir in der folgenden Untersuchung mit P^ bezeichnen —
bis zum Punkt P3, ist dann das Feldintegral ^ das wir wieder mit
W{x,y) oder u{t,a) bezeichnen, je nachdem wir x,y oder t,a als die
unabhängigen Variabein betrachten, wobei t, a das Bild des Punktes
P3 in der t, a-Ebene bedeutet.
Dann folgt aus den in § 49, c) über die Funktion u{t,a) erhal-
tenen Resultaten unmittelbar, daß die Hamilton' sehen Formeln fl48)
von § 31 auch im Fall eines Feldes von gebrochenen Extremalen bestehen
bleiben.
Daraus folgt aber weiter: Aiich der Weierstraß'sche Fundamental-
satz behält seine Gültigkeit für ein Feld von gebrochenen Extremalen^
da derselbe eine unmittelbare Folge der Hamilton'schen Formeln ist
(§32,a)).
Bei der Anwendung des Satzes tritt aber eine Schwierigkeit auf,
die bei einem Feld von kontinuierlichen Extremalen kein Analogon
hat: Wie wir in § 48, c) gesehen haben, verschwindet die 8-Funktion
im Punkt P^ außerordentlich, wenn nämlich für p,q^ und ^, f die
Richtungskosinus der beiden zur Ecke P^ gehörigen Fortschrei tungs-
richtungen 6^,6^ eingesetzt werden. Die Weierstraß'sche Bedingung
kann also gar nicht für den ganzen Bogen P^PqP^ in der stärkeren
Form (IV') von § 32, b) erfüllt sein, da dies sicher im Punkt Po nicht
der Fall ist. Ebenso verschwindet die 8-Funktion in jedem Punkt
der Eckenkurve außerordentlich. Aus diesem Grunde läßt sich auch
das Endresultat, soweit es sich auf die Weierstraß^sche Bedingung
bezieht, nicht so einfach aussprechen, wie im Fall einer kontinuierlichen
Lösung.
Wir fassen zusammen:
Es sei PiPqPs eine gebrochene Extremale, so daß also im Punkt
Pq die Weierstraß'sche Eckenbedingung (2) erfüllt ist. Ferner sei
entlang P^P^P^ die Leg endre' sehe Bedingung in der stärkeren Form
F^> 0, resp. F,>0 (IV)
erfüllt, und es sei im Punkt P^:
^0 + 0, (12)
sm(d,-e,)=^0. (23)
Endlich werde über die Lage der beiden Endpunkte P^, P^ auf den
Extremalen (S^ und (g^ vorausgesetzt, daß
E,<P^^F„ P,^P,^P[' (35)
336 Achtes Kapitel. Diskontinuierliche Lösungen.
sei. Daraus folgt dann, daß die Kurve PiPo^g ^^(^^ ^^* ^^^^^^^ ^^^^
von gehrocJienen Extremalen umgehen läßt.
Wenn alsdann die Weierstraßsche Bedingung entlang allen Ex-
tremalen des Feldes in der stärkeren Form (IT) erfüllt ist (mit Aus-
nahme der PunMe der EcUnhirve), so liefert die gebrochene Extremale
PiPqP^ /'^^* clas Integral J ein starkes, eigentliches^) Minimum.
c) Beziehungen zwischen der Größe 5^o und der 8-Funktion'^):
Nach den Resultaten von § 50, a) scheint es, als ob im Fall
Sl >0 auch dann noch ein Minimum eintreten müßte, wenn die
Punkte Pi und Pg statt den Ungleichungen (35) den weniger starken
Einschränkungen
p; < A < E„ Po<P,-< p:,
oder _ ^,
E,<P,< Po, Po<P2< K
unterworfen werden.
Dies steht aber in direktem Widerspruch mit den früher als not-
wendig nachgewiesenen Bedingungen (29) und (30). Der Widerspruch
löst sich dadurch, daß die Voraussetzung 5^o > 0 mit der Weier^traß- |
sehen Bedingung (IV) unvereinbar ist, wie sich aus der folgenden
Beziehung zwischen der Größe 5^o und der 8-Funktion ergibt:
Der Einfachheit halber sei die Extremale ©« ^^^^^ ^i® Bogen- |
länge s als Parameter dargestellt
@o: X = x(s), y = y(s).
Führt man jetzt in die 8-Funktion für die beiden ersten Argumenten-
paare: x{s\ y{s), x\s), y\s) ein und setzt zur Abkürzung
8>(x{s),y{s)', x\s),y\sy, cosö,sinö) = 8(5,0),
so folgt durch Differentiation nach s, bei Benutzung der Definitions-
gleichung (120) von § 30 für die 8-Funktion und der Differential-
gleichungen der Extremalen ©^ i» ^^^ ^^^^ (20) , von § 26:
g^(^s, 6) = x\s)F, + y{s)Fy - cos OF, - sin ei\,
wobei die Argumente vonP,,P; sind: x(s\ y(s), x\s\y\s), diejenigen
Yon F^,F', x{s\y(is\co8d,8me.
Für den Punkt Pq folgt hieraus die wichtige von Dresden her-
rührende Relation zwischen der Größe 5^o und der 8-FunUion:
ß, = ^^ S(x{s), yis); x\s\ y\s)', cos 6,, sinÖo)""'". (36)
^rVgTcARATHUODOBr, Mathematische Aunalen, Bd. LXII (1906), p. 480.
2) Nach Dresden, loc. cit. p. 485.
§ 50. Hinreichende Bedingungen für diskontinuierliche Lösungen. 387
Nun ist nach (3): 8(X;Öo) = 0; ist daher h eine kleine positive
Größe, so ist
8(s„-/«,ö„) = -ß„Ä+Ä(A);
also schließen wir: Wmn auf dem Bogen P^P^ die Weierstraß'sche
Bedingung (IV) für ein Minimum erfüllt ist, so muß
sein.
Zugleich ergibt sich aus der Gleichung (36) ein einfacher Beweis^)
des folgenden Satzes von Caratheodory:
Hört eine hontinuierliche Extremale ©^ in einem Punht P^ auf
stark m sein, so gibt es eine durch den Punkt Pq gehende Richtung Öq,
welche zusammen mit der Tangentenrichtung 6^ der Extremalm ©^ der
W ei er Straß' sehen Eckenhedingung genügt.
Denn unsere Voraussetzung sagt aus, daß
S,{s,-hj)>0
für alle hinreichend kleinen positiven Werte von h und für beliebige
I Werte von 9, daß diese Ungleichung aber nicht mehr für alle Werte
von e stattfindet für h = 0. Dabei ist die Funktion S^is^d) aus der
Funktion 8^ von § 32, b) in derselben Weise abgeleitet wie 8 (s, 6)
aus der 8-Funktion. Überdies wird angenommen, daß auch noch im
Punkt Po die Legen dre'sche Bedingung in der stärkeren Form i^j >0
erfüllt ist.
Nach dem Yorzeichensatz für stetige Funktionen schließt man
dann aus dem ersten Teil unserer Voraussetzung, daß %^{Sq,6)^0
sein muß für alle ö; aus dem zweiten Teil derselben folgt daher
daß es mindestens eine wegen F^ (s^) > 0 von 6^ verschiedene Richtung d^
geben muß, für welche %^{Sq, 6^=0] also ist auch: %{Sq, 6^ = 0.
Daher ist
^(^0 -hÖ,^ /.) = - ^0^^ + h{s,, e,)k + ah 4- ßk,
wo «und ß mit h und k unendlich klein werden. Wäre nun:
^öK?^o)4=Ö? so könnte man h>0 und k so wählen, daß: S(sQ — h,
^0 + k) <Z0 ausfallen würde, was gegen unsere Voraussetzung verstößt.
Somit muß: 8^(50, Öq) = 0 sein, und damit ist nach (3) bewiesen, daß
die beiden Richtungen Ö^, Ö^ in der Tat der Weierstraß^schen Ecken-
bedingung genügen.
^) Nach Drksden, Joe. cit. p. 486.
33g Achtes Kapitel. Diskontinuierliche Lösungen.
Weiter folgt noch, daß, wenn 5^o 4= 0, die 8-Funktion beim Durch-
gang durch den Punkt Pq auf der Extremalen (Bq stets ihr Zeichen |
wechselt.
d) Der Ausnahmefall 5^^ = 0:
Wenn ß^ = 0, so können wir nicht mehr zu einer gegebenen Extremalen- .
schar (8) in eindeutiger Weise eine komplementäre Schar konstruieren, und da- |
mit wird die Theorie der konjugierten Punkte hinfällig. Trotzdem lassen sich |
auch in diesem Fall hinreichende Bedingungen aufstellen.
Dazu betrachten wir allgemein (d. h. unabhängig von einer bestimmten
Voraussetzung über Sl^) die folgende Aufgabe, welche bei Caratheodory (loc.
cit. § 6) den Ausgang der ganzen Untersuchung über Scharen gebrochener Ex- i
tremalen bildet :
Für einen in der Nähe von F^ gegebenen Funlt P(x,y) zwei Richtungen
e, e zu bestimmen, ivelche der Weierstraß'schen Eckenbedingung (2a) genügen. j
Man zeigt leicht mittels des Satzes über implizite Funktionen, daß die Auf- j
gäbe unter unsern Voraussetzungen stets eine eindeutige Lösung besitzt, voraus- \
gesetzt, daß die Ungleichung (23) erfüllt ist. Die beiden Richtungen seien
Q = e{x,y), e = d{x,y).
Man kann dann nach § 27, a) eine gebrochene Extremale konstruieren, welche
im Punkt P ihre Ecke hat. Läßt man jetzt den Punkt P eine gegebene, durch
den Punkt J^o gehende Kurve ^ beschreiben, so erhält man eine einparametrige Schar
von gebrochenen Extremalen, welche die Kurve 1\P,P^ enthält, und welche die
gegebene Kurve ^ zur Eckenkurve hat. Man zeigt dann weiter, daß für diese
Schar , .
vorausgesetzt daß die Kurve © im Punkt P« keinen der beiden Bogen P^P„P,P^
berührt. Daraus folgt, daß die Schar von gebrochenen Extremalen mit der ge-
gebenen Eckenkurve S wenigstens für die Umgebung des Punktes P, ein Feld
bildet. Für dieses gilt dann wieder der Weierstraß'sche Satz und die sich
daran knüpfenden Folgerungen. Man beachte, daß es bei dieser Ableitung nicht
nötig war, vorauszusetzen, daß ß„ 4= ^•
Man kann sich nun weiter nach Carathkodory (loc., cit. § 8) die Aufgabe
stellen, eine Kurve zu konstruieren, welche die Eigenschaft hat, daß in jedem
ihrer Punkte die positive Tangentenrichtnng mit der zu demselben Punkt ge-
hörigen Richtung e{x,y) übereinstimmt. Führt man die Bogenlänge als Para-
meter ein, so ist eine solche Kurve einfach durch die Differentialgleichungen
^ = cos(ö(a;,2/)), '[^ = sin (0 (;r, 2/)) (37)
ds "*
charakterisiert. Aus den Existenztheoremen über Differentialgleichungen folgt,
daß man durch jeden Punkt in der Umgebung von P, eine und nur eme solche
,ß-Kurv&^ konstruieren kann. Es gibt also eine einfach unendliche Schar solcher
6 -Kurven.
§ 51. Diskontinuierliche Variationsprobleme. 389
Ebenso gibt es eine Schar von „d-Kurven", deren positive Tangenten-
richtung in jedem ihrer Punkte mit der zu demselben Punkt gehörigen Richtung
ö li berein stimmt.
Hieran knüpft sich die Frage i): Urder iv eichen Bedingung en ist eine 6 -Kurve
zugleich eine Extremale'^ Man findet als notwendige und hinreichende Be-
dingung, daß die Funktion
Sl {x, y) = cos d F^ ix, y, cos ö, sin 0) -f sin 6 Fy {x, y, cos ö, sin öl
— cos öi^^^(a;, y, cos ö, sin Q) — &\neFy{x^ y, cos ö, sin 0),
in welcher 0, ö durch die Funktionen e{x,y), ~e{x,y) zu ersetzen sind, entlang
der betreffenden Ö-Kurve verschwindet.
Wenn eine Extremale mit einer Ö-Kurve zusammenfällt, so ist jeder ihrer
Punkte Ecke einer möglichen diskontinuierlichen Lösung, in direktem Gegensatz
zu dem für den Fall i2, 4= 0 gefundenen Resultat (§ 49, a)). Von besonderem
Interesse ist der Fall, wo 9.{x,y) identisch in x, y verschwindet. Alsdann ist
jede Ö-Kurve einerseits, und jede Ö-Kurve andererseits zugleich Extremale.
Man erhält also zwei bestimmte Extremalenscharen : die eine, mit der Schar
der Ö-Kurven identisch, enthält den Bogen P^ P^ , die andere, mit der Schar der
ö- Kurven identisch, enthält den Bogen P^P^^. Aus beiden kann man auf unend-
lich viele Arten Scharen gebrochener Extremalen zusammensetzen, indem man
eine beliebige durch P^ gehende Kurve S als Eckenkurve wählt und durch jeden
ihrer Punkte einerseits die Ö-Kurve, andererseits die Ö-Kurve zieht.
Beispiel XIX (Siehe p. 370).
In dem speziellen Fall, wo a eine Konstante, ist die Funktion
F =
'^ + 2/'
aYx^ -\-y"^^-\-x
von X und y unabhängig, also ist hier Sl {x, y) ~ 0. Für die Lösung P^ P^ P^
von Fig. 73 sind die beiden ausgezeichneten Extremalenscharen die beiden
Scharen paralleler Geraden von der Amplitude jS und — ß. Brennpunkte sind
hier nicht vorhanden. An der Indikatrix (Fig. 72) liest man ab, daß die Be-
dingungen (IP) und (IV) entlang allen Extremalenscharen des Feldes erfüllt sind.
Man erhält daher ein starkes, aber uneigentliches Minimum. 2)
§ 51. Diskontinuierliche Variationsprobleme.
Wir haben in den vorangegangenen Paragraphen diskontinuierliche
Lösungen von kontinuierlichen Variationsproblemen betrachtet. Die
mathematische Physik liefert jedoch auch Beispiele^ bei welchen dis-
kontinuierliche Lösungen dadurch entstehen, daß das vorgelegte Variations-
proUem selbst disl^ontiniüerlich ist, bei welchen also die Funktion
*) Vgl. Caratheodory, loc. cit. § 8.
-) Hierzu weiter die Übungsaufgabe Nr. 29 am Ende von Kap. IX.
390 Achtes Kapitel. Diskontinuierliche Lösungen.
F{x,yyX,y') als Funktion ihrer vier Argumente in dem in Betracht
kommenden Bereich Unstetigkeiten erleidet.
Dies tritt z. B. ein bei dem Problem der Brechung des Lichtes.
Die Fortpflanzung des Lichtes in einem durchsichtigen Medium (oder
einem System von solchen) von einem Punkt Pj nach einem Punkt
Pg erfolgt in der kürzesten möglichen Zeit, d. h. also entlang der-
jenigen Kurve, welche das Integral^)
i
zu einem Minimum macht, wobei n{x,y,z) den absoluten Brechungs-
exponenten des Mediums im Punkt x,y,z bedeutet.
Hat dabei der Lichtstrahl durch brechende Flächen zu passieren,
so erleidet die Funktion n{x,y,2) an diesen Flächen Unstetigkeiten,
man hat es also in der Tat mit einem „diskontinuierlichen Variations-
problem" zu tun. Man hat dann das Integral J in eine Summe von
Integralen zu zerlegen, entsprechend den verschiedenen Medien, durch
welche der Lichtstrahl zu gehen hat. Ist die Funktion n von z un-
abhängig, und liegen die beiden Punkte P^ und Pg in der x.y-'Ehene,
so liegt auch die Bahn des Lichtes in der x, «/-Ebene, und das Problem
reduziert sich auf den einfachsten Typus.
Die Theorie solcher diskontinuierlichen Probleme ist von Bliss
und Mason^) entwickelt worden, worüber hier noch kurz berichtet
werden soll.
Das Problem wird folgendermaßen formuliert:
Unter allen Kurven, welche zwei auf entgegengesetzten Seiten einer
gegebenen Kurve U liegende PunUe P^ und P^ verbinden und die Kurve
^ nur ein einziges Mal Jcreuzen, diejenige zu bestimmen, tvelche die
Summe der beiden Integrale
J=fFix,y,x\y')dt, ^y
J =fF{x,y,x,y)dt
zu einem Minimum macht, wobei das erste Integral vom Punkt P^ bis
zur Kurve % das ziveite von ^ bis zum PunU P^ zu nehmen ist.
1) Vgl. die Übungsaufgabe Nr. 18 auf. p. 299 und die dort gegebenen
Literaturnachweise.
2) Transactions of the American Mathematical Society, bd. Vii
(1906) p 325. Kurze Andeutungen über diskontinuierliche Probleme hatte
übrigens schon vorher Hilbeut in seinen Vorlesungen (1904/5) gegeben; insbesondere
rührt die Eckenbedingung (39) von Hilbert her.
§51. Diskontinuierliche Variationsprobleme.
391
Man zeigt zunächst in bekannter Weise, daß die gesuchte Kurve
F^PqP^, wobei Pq den Schnittpunkt mit der Kurve ^ bedeutet, aus
einem Extremalenbogen Pj P^ für das Integral J
und aus einem Extremalenbogen Po ^2 ^^^ ^^^
Integral J bestehen muß, und daß für jeden der
beiden Bogen die Bedingungen von Legendre,
Jacobi und Weierstrass erfüllt sein müssen.
Wir setzen dieselben in der stärkeren Form
(ir), (Iir); (1^') voraus.
Weiter ergibt sich dann zur Bestimmung
der Lage des Punktes P^ auf der Kurve ^
eine Bedingung, die man am einfachsten daraus
ableitet, daß die Funktion^)
^{x^,y^,x{a),y{a)) + ^{x{a),y{a),x^,y^)
Fig. 83.
als Funktion von a für a
ein Minimum besitzen muß, wenn die
(39)
Kurve ^ dargestellt ist durch die Gleichungen
^: X = x(a), y = y(a)
und dem Punkt P^ der Wert a = a^ entspricht. Nach den Formeln
(18) von § 37 erhält man hieraus die „Echenbedingimg"
FA^o,yo,Po,%)Po + FA^o,yo,Poy%)äo ■
F^, {x^ ,yo,Poy Qo)Po + ■^y' K ,%,Po^ äo) g'o :
dabei bedeuten Po, g^; p^^ q^'^p^, % der Reihe nach die Richtungskosinus
der positiven Tangente an die Kurven P^P^-^ P^P^-^^ im Punkt P^.
Es wird dann weiter die Extrem alenschar (für das Integral J)
durch den Punkt P^ betrachtet. Ist @ eine dem Bogen P^P^ benach-
barte Extremale dieser Schar und P3 ihr Schnittpunkt mit t, so kann
man stets von Pg aus eine Extremale (g (für das Integral J) kon-
struieren, welche in P3 mit @ die Eckenbedingung (39) erfüllt, voraus-
gesetzt, daß der Extremalenbogen P^P^ die Kurve ^ im Punkt P^
nicht berührt.
Man erhält so ganz ähnlich wie in § 49 eine zur Extremalen-
schar durch P^ „komplementäre Extremalenschar*^, welche mit jener
zusammen eine Schar von „gebrochenen Extremalen^' bildet. Für diese
letztere Schar gelten dann wieder die Formeln (144) und (146) von
§ 31 für die partiellen Ableitungen der Funktion u{t,a), da die wegen
der ünstetigkeit an der Kurve ^ neu auftretenden Glieder sich infolge
der Eckenbedingung (39) wegheben. Daraus folgt dann, daß einerseits
\) Vgl. § .87, b).
392 Achtes Kapitel. Diskontinuierliche Lösungen.
der Enveloppensatz von §44,c) mit seinen Folgerungen auch liier
bestellen bleibt und andererseits der Weierstraß^sche Fundamental-
satz mit seiner Anwendung auf die Herleitung hinreichender Be-
dingungen.^)
§ 52. Randbedingungen bei Problemen mit Gebietseinschränkungen.
Bei unseren bisherigen Untersuchungen haben wir stets voraus-
gesetzt, daß die gesuchte Kurve ganz im Innern des Bereiches 01
der x,tj-^hene liegen sollte, auf welchen die Vergleichskurven be-
schränkt waren.^) Es kann aber auch Lösungen unseres Variations-
problems geben, welche Punkte mit der Begrenzung des Bereiches
01 gemein haben. Wir stellen uns jetzt die Aufgabe, diese Lösungen
zu bestimmen; dabei wird sich zugleich eine neue Art von diskon-
tinuierlichen Lösungen ergeben.
a) Die Weierstraß'sche Randbedingung:
Die hierzu nötigen Überlegungen gestalten sich besonders einfach
für die Aufgabe, das Integral
J -ff{x,y,y')dx (40)
Xi
unter den in § 3 aufgeführten Voraussetzungen zu einem Minimum
zu machen.
Dabei ist es bequem, von der Vorstellung einer punktweisen
Variation einer Kurve Gebrauch zu machen, welche in der älteren
Variationsrechnung eine wichtige Rolle gespielt hat:
Zwischen zwei Kurven
und ^ / \ , / \
^' y = yioc) + cD{x)
können wir eine ein-eindeutige Beziehung herstellen, indem wir je
zwei Punkte mit derselben Abszisse x sich entsprechen lassen; und
wir können uns vorstellen, daß die zweite Kurve aus der ersten durch
eine stetige Deformation entstanden ist, bei welcher jeder einzelne
Punkt sich nach einem bestimmten Gesetz entlang seiner Ordinate
bewegt, z. B. indem wir in
y{x) -{- aG)(x)
den Parameter a von 0 bis 1 wachsen lassen.
1) Hierzu die llhungsaufyabe Nr. 32 am Ende von Kap. IX.
2) Vgl. §a, a) und §25,b), insbesondere die Bemerkungen auf pp. 16, 17.
I
§ 52. Randbedingungen bei Problemen mit Gebietseinschränkungen. 393
Ein Punkt von ^q, dessen Abszisse x' ist, heißt frei variierhar
in Beziehung auf ein vorgelegtes Variationsproblem, wenn (ü(x') be-
liebige hinreichend kleine Werte annehmen darf; andernfalls heißt er
unfrei.
Bei einer Kurve, welche ganz im Innern von 01 liegt, sind beim
Problem mit festen Endpunkten alle Punkte mit Ausnahme der End-
punkte frei variierbar; und diese freie Variierbar keit war bei den
Schlüssen von § 5 wesentlich. Anders verhält es sich bei einer Kurve,
welche Punkte mit der Begrenzung von 01 gemein hat. Der Ein-
fachheit halber wollen wir voraussetzen, daß die Begrenzung von 01,
auch „Schranl-e" genannt, einen Bogen (J enthält, welcher in der
Form
ß: y == fj(x)
darstellbar und von der Klasse C" ist. Dieser Bogen S soll selbst
mit zu 01 gehören, und ebenso mögen alle Punkte, welche über^)
der Kurve & und in einer gewissen Umgebung von d liegen, zu 01
gehören. Wenn dann die Kurve (^^ einen Punkt mit d gemein hat,
so ist die Variation dieses Punktes nicht mehr frei, sondern der Be-
dingung
unterworfen.
Nach diesen Vorbemerkungen wollen wir jetzt annehmen, die
Kurve ^q, welche das Integral J zu einem Minimum macht, setze sich
aus drei Stücken zusammen: aus
zwei Bogen P^P^^ P^P^^ welche,
abgesehen von den Punkten Pg und
P4, ganz im Innern von 01 liegen,
und aus dem Segment P3P4 der
Begrenzung ß von 01.
Dann zeigt zunächst die schon
in § 48, a) benutzte Methode der
partiellen Variation, daß die beiden
„freien •'' Bogen P^P^ und
Extremalen sein müssen.
Sodann betrachten wir eine
zulässige Variation von der speziellen Form
y = y{x) + 8ri{x),
bei welcher die beiden Bogen P^P^ und P^P^ ungeändert bleiben
und nur das Stück P^P^ variiert wird. Die Funktion ri{x) ist daher
^) Ein Punkt x,y liegt „über" dem Bogen g, wenn y>y{x).
w frr) > 0
P P
Fig. 84.
394 Achtes Kapitel. Diskontinuierliclie Lösungen.
identiscli Null in [oc^O[)g] und [^4^*2], während in [x^x^] nach der oben
gemachten Bemerkung: srj(x) ^ 0 sein muß. Die Funktion 7](x) darf
also in [x^x^ ihr Zeichen nicht wechseln; wählen wir: rj{x)^0, so
darf somit die Konstante £ nur positive Werte annehmen. Daher
können wir jetzt aus der Ungleichung^)
nicht mehr schließen: J'(P) = 0, sondern nur: J\0) ^ 0.
Nach Ausführung der partiellen Integration von § 5, a) erhalten
wir daher x^
fniI-.-fM<ix^o, (41)
wobei die Argumente von fy,f],> sind x,y{x), y'{x). Diese Ungleichung
muß erfüllt sein für alle JFunktionen ?j der Klasse C\ welche in ^^3
und Xj^ verschwinden und überdies der Bedingung
genügen.
Die in § 5, b) zum Beweis des Fundamentallenimas der Variations-
rechnung angewandte Schlußweise führt jetzt zu dem Satz:
Wenn die Kurve, welche das Integral (40) zu einem Minimum
macMy ein Segment P3P4 mit der Begrenzung S des Bereiches öl gemein
hat, dann muß entlang diesem Segment die Bedingung erfüllt sein
fy — -T-fy' < ^j wenn Öl unter F^ P^ liegt.
Das erhaltene Resultat läßt sich nun unmittelbar auf den Fall
übertragen^), wo das Integral
J==jF{x,y,x\y')dt y (48)
zu einem Minimum zu machen ist, und wo sowohl die zulässigen
Kurven als die Kurve S in Parameterdarstellung gegeben sind.
Denn ist P irgendein Punkt des Bogens P3P4, so kann man
stets durch eine Drehung des Koordinatensystems erreichen, daß im
Punkt P: X >0. Dann läßt sich die Kurve S in der Umgebung
von P in der Form y = y{x) darstellen, und man kommt auf das
^) In der Bezeichnung von p. 20; vgl. Gleichung (21) auf p. 21.
*) Vgl. die Bemerkungen am Ende von § 25, e).
§ 52. Randbedingungen bei Problemen mit Gebietseinschränkungen. 395
frühere Problem zurück. Es muß daher im Punkt P die Ungleicliung'
(42) erfüllt sein, aus welcher mit Hilfe der Gleichungen (16) und
(23) des fünften Kapitels die Weierstraß'sche Randbedingung^) für
ein Minimum für den Fall der Parameter dar Stellung folgt:
i^<0(^0), (44)
wenn der Bereich öl zur Linken (Rechten) des Bogens P^P^ liegt;
dabei bedeutet T den Ausdruck (23 a) von § 26, berechnet für die
Kurve S.
Wenn entlang dem Bogen P^P^ der Kurve g die Funktion F^
positiv ist, so gestattet das vorangegangene Resultat eine einfache
geometrische Beutung: Alsdann können wir nämlich nach § 27, a) durch
jeden Punkt P von P^P^ eine und nur eine Extremale @ konstruieren,,
welche die Kurve S in P gleichsinnig 2) berührt. Führen wir dann
in den Ausdruck für T die Krümmung 1/f von S im Punkt P ein
und bezeichnen mit 1/r die Krümmung der Extremalen @ im Punkt
P, so können wir unter Benutzung von Gleichung (23b) von § 26
die Bedingung (44) auch schreiben:
r^f
1 /— 1
(^1)
(45)
Für den Fall, wo Öl zur Linken des Bogens P^P^ liegt, folgt
hieraus:
Wenn: r > 0, d. h. wenn der Vektor vom Punkt P nach dem
Krümmungsmittelpunkt M von S zur Linken^) der positiven Tangente
an S in P liegt, so muß auch r positiv sein^
und der Krümmungsmitteipunkt M der Ex- X,^ ^
tremalen (S muß zwischen P und M liegen \\ ^
(oder mit M zusammenfallen). (Fig. 85).
Wenn dagegen: f < 0, d. h. wenn der
Vektor PM rechts von der positiven Tangente
liegt, so muß M entweder (Fig. 86) auf der
^) Von Weierstrass direkt für den Fall der
Parameterdarstelliing abgeleitet, Vorlegungen 1879;
vgl. Knesär, Lehrbuch p. 177 und 'Qoi.zK.Lectures, Mg. 85.
§ 29, a). Zum obigen Beweis beachte man noch, daß nach Gleichung (39)
von § 45 die Größe T bei einer Drehung des Koordinatensystems invariant
bleibt.
^) D. h. so, daß die positiven Tangenten beider Kurven zusammenfallen
') Vgl. p. 192.
396 Achtes Kapitel. Diskontinuierliche Lösungen.
entgegengesetzten Seite der Tangente liegen wie 31 (wenn nämlicli
r > o", oder aber (Fig. 87) auf derselben Seite, aber jenseits M (oder
mit M zusammenfallen).
In allen Fällen
muß also die Extre-
male @ in der Umgebung
des Punlites P ganz im
Bereich Öl liegen, ein
Resultat, das sicli nach
den Existenztheoremen
von § 33 a priori er-
warten läßt.
Im Fall des Maxi-
mums (statt Minimums) sind die Zeichen ^ in > umzukehren.
b) Die Weierstraß'sche Bedingung in den Übergangspunkten:
Neben der Bedingung (44), die entlang dem Bogen P3P4 erfüllt
sein muß, ergibt sich aus der Betrachtung der ersten Variation noch
je eine Bedingung für die Punkte P. und P^, in welchen die gesuchte
Kurve die Begrenzung S von 61 trifft, resp. verläßt.
Die Grenzkurve d sei durch die Gleichungen
g: X = x{a), y = y{a), A^<^a~^ A^
dargestellt und in ihrer ganzen Ausdehnung von der Klasse G". Die
Punkte P3 und P^ mögen den Werten a = a^ und a = a^ entsprechen,
Fig. 80.
Fig. 87.
und es sei
^3 < % < f*4 < A-
Um die Bedingungen in Pg zu erhalten, beachten wir, daß die
Funktion «4
3 (^1, Vi, ^'i^^y 2/(^)) -^jF{x{a\ y{a), xia), y'{a))da
für a = »3 ein Minimum besitzen muß, was auf Grund der Formeln (18)
von § 37 sofort zu der Weierstraß'schen Bedingung^) führt:
Im ÜbergangspunU P3 muß die Bedingung
erfüllt sein, wobei p,, ^3 ^^^ 2h, kz die Richtungskosinus der positiven
Tangenten im Punkt P3 an die Extremale F^F^, beziehungsweise an
die Kurve £ bedeuten.
1) Weierstrass, Vorlesungen, 1879. Vgl. die Übungsaufgabe Nr. 33 am Ende
von Kap. IX.
§ 52. Randbedingungen bei Problemen mit Gebietseinschränkungen. 397
Wendet man dasselbe Verfahren auf den Punkt P^ an, so erhält
man das Resultat, daß im PunM F^ die analoge Bedingung
^(^4.2/45 ihyQAi iu,id = ^
(47)
erfüllt sein muß, wobei p^, q^ und p^^ q^ die Richtungskosinus der
positiven Tangenten im Punkt P^ an die Extremale P4P2; beziehungs-
weise an die Kurve ß bedeuten.
In dem besonderen Fall, wo das Problem entlang der Grenz-
kurve S „regulär^^^) ist, folgt aus Gleichung (125) von § 30, daß die
beiden Gleichungen (46) und (47) nur erfüllt sein können, wenn
P3=P3^ % = ^3; i'4 = Ihy ^4 = ^4;
"das heißt aber: Bei einem entlang der Grenzkurve d regulären Problem
müssen die leiden Extremalenbogen P^Pg und P^P^ die Grenzkurve S
im Punkte P^, beziehungsweise P^ gleichsinnig berührend)
Beispiel^ XX:
In der ic,i/- Ebene sei eine einfache, geschlossene Kurve ß von der Klasse C"
gegeben, und zwei Punkte F^ und P^, deren Verbindungsgerade die Kurve 6
schneidet. Unter allen Kurven, welche die beiden Punkte P^ und P^ verbinden
') Vgl. § 27, a).
-) Weierstrass behandelt auch den Fall, wo die gesuchte Kurve der Be-
dingung unterworfen wird, mit der Begrenzung ^ nur einen einzigen, nicht vor-
gegebenen Punkt Pq gemein zu haben. Durch 2
ein dem obigen ganz analoges Verfahren (siehe
Fig. 88) findet man leicht, daß im Punkt P^ die
Bedingung
erfüllt sein muß, wenn Po> %-^Po,%'^ Po^ % der
Reihe nach die Richtungskosinus der positiven
Tangenten der Kurven Pj P^, P^P^^ii. im Punkt P„
bedeuten.
Weierstkass selbst gibt die Bedingung in
der folgenden Form, die sich leicht aus (48)
ableiten läßt:
sin (J, : sin d\ =^{x^, y^; p^, q^;
Po 1 %) : ^K . 2/0 ; i>o . 2o ; Po 1 ^o).
(49)
Fig. 88.
wenn S^, ^^ die numerischen Werte der Winkel bedeuten, welche die beiden
Richtungen i9oj_2oi ^^sp. p^^ q^ mit der Richtung p^^ q^ bilden, so gemessen, daß
beide Winkel ^n. Vgl. Kneser, Lehrbuch, p. 173; Bolza, Lectures, pp. 151, 2G7;
Hancock, Lectures, pp. 241 — 243.
^) Vgl. Kneser, Lehrbuch, p. 178.
Bolza, Variationsrechnung. 26
398
Achtes Kapitel. Diskontinuierliche Lösungen.
und nicht in das Innere (^^ der geschlossenen Kurve © eindringen, die kürzeste
zu finden.
Hier iat F=yx'* Hh y'*^- ^^^ Bereich 01 besteht hier aus der ganzen Ebene
mit Ausschluß des Bereiches oP. Die gesuchte Kurve muß aus geradlinigen Seg-
menten und ans Segmenten der Kurve ^ bestehen. Die letzteren dürfen nicht
konkav nach außen sein, da im gegenwärtigen Fall =0 und somit die Be-
T
dingung (45) lautet: ^^0 oder ->»0, je nachdem der Bereich 01 zur Linken
oder Rechten des betreffenden Segmentes liegt.
Da das Problem regulär ist, so müssen die geradlinigen Segmente die
Kurve © in den Übergangspunkten berühren.
Fig. 89. Fig. 90.
Beispiel I: (Siehe pp. 1, 33, 79) F = y^/x^+y'^\
Der Bereich 01 ist die obere Halb-Ebene: 2/>0; die Grenzkurve also die
ic-Achse. Die zulässigen Kurven sind die Gesamtheit aller gewöhnlichen Kurven,
die in diesem Bereich von P^ nach P^ gezogen werden können. Bei der Be-
handlung des Problems in Parameterdarstellung treten, »außer den schon früher
gefundenen Kettenlinien
y = aCh^^ (a>0)
tils weitere Extremalen noch die Geraden
„ a; = konst'
auf.
Da die Kettenlinien die a; -Achse nie treffen, so ist die einzige mögliche
Lösung, welche ein Segment der ic-Achse enthält, die aus den Ordinaten Pi Pj,
P^ Pj der beiden Punkte P^ , Pg und dem sie verbindenden Segment P, P^ der
iC-Achse zusammengesetzte Kurve. Da entlang der ic-Achse
§ 52. Randbedingungen bei Problemen mit Gebietseinschränkungen. 399
ßo ist die Bedingung (44) für das Segment P5P4 erfüllt; und da
8 (^ , 2/ ; cos 0, sin 0 ; cos 0, sin 0) = (1 — cos (0 — 0)) t/,
80 sind auch die Bedingungen (46) und (47) in den Übergangspunkten Pg und
P, erfüllt.
].)ies§ diskontinuierliche Lösung ist zuerst von Goldsghmidt ^) bemerkt
worden (1831). Todhunter*) hat bewiesen, daß die gebrochene Linie P^P^P^P^
stets ein starkes relatives Minimum liefert. Nimmt man nämlich auf der Geraden
Pi Pj einen Punkt P an und schneidet dann auf einer beliebigen von P^ aus-
gehenden rektifizierbaren Kurve einen Bogen P^Q gleich 1 Pj P j ab, so ist, wie
man leicht zeigt, die Ordinate MQ des Punktes Q größer als P^P, es sei denn,
daß der Bogen P^ Q mit dem geraden Segment P^ P identisch ist.
Daraus folgt: Ist ß irgend eine von der Gold Schmidt' sehen Lösung verschie-
dene zulässige Kurve von P^ nach P^, deren Länge ^P^P^ \ -{- \ P^P^l, so liefert
die Gold Schmidt'' sehe Lösung einen kleineren Wert für das Integral J, als die
Kurve ß.
Zum Beweis schneide man auf der Kurve (£ von P^ aus einen Bogen P^ Q^
gleich I Pi Pg 1 und von P^ aus einen Bogen Pg ^2 gleich \P^P^\ ab und wende
das obige Lemma an.
Schließlich kann man leicht eine Umgebung der diskontinuierlichen Lösung
PyP^P^P^ angeben, derart, daß für alle in derselben verlaufenden zulässigen
Kurven die obige Ungleichung für die Länge erfüllt ist, womit bewiesen ist, daß
die Goldschmidt'sche Lösung in der Tat stets ein relatives Minimum für das
Integral J liefert.
Die diskontinuierliche Lösung liefert eine wichtige Ergänzung unserer
früheren Resultate über kontinuierliche Lösungen (p. 81). Bezeichnen wir näm-
lich mit I und II dieselben beiden Bereiche wie auf p. 81 (siehe Fig. 12), so
haben wir früher gesehen, daß nach einem Punkt Pg im Innern des Bereiches 11
keine Kettenlinie mit der ic-Achse als Direktrix gezogen werden kann. Hier ist
also die diskontinuierliche Lösung die einzige mögliche Lösung. Dasselbe gilt,
wenn der Punkt P^ auf der Enveloppe % liegt, da die Kettenlinie Pi P« nach
§ 47, d) kein Minimum liefert.
Liegt dagegen der Punkt Pg im Innern von I, so haben wir zwei Lösungen,
welche jede ein relatives Minimum liefert: eine Kettenlinie und die diskontinuier-
liche Lösung,
Mit diesen beiden Lösungen sind zugleich alle möglichen Lösungen des
Problems, das Integral
J^fyyx^-^ry''^dt
zu einem relativen Minimum zu machen, erschöpft, wenn wir die trivialen Fälle:
^1 — ^2 ^ 2/1=0, 2/8 = 0
") Siehe das Zitat auf p. 81, Fußnote *).
*) Besearches in the Calculus of Variations, p. 60^, vgl. auch Mary E. Sinclair,
Annais of Mathematics (2) Bd. IX, p. 151.
26*
^00 Achtes Kapitel. Diskontinuierliche Lösungen.
'beiseite lassen. Denn jede Lösung muß sich zusammensetzen aus einer endlichen
Anzahl von Kettenlinienbogen, von geraden Segmenten parallel der ^/-Achse und
von Segmenten der a;-Achse. Ecken können nach § 48, c), Zusatz I, im Innern
der oberen Halbebene nicht auftreten. Eine einfache Überlegung zeigt dann,
daß die beiden gefundenen Lösungen die einzig möglichen Kombinationen dar-
stellen.
Wir werden später^) zeigen, daß eine der beiden Lösungen stets zugleich
auch das absolute Minimum für das Integral / liefert.-)
§ 53. Hinreichende Bedingungen bei Lösungen, welche Segmente
der Grenzkurve enthalten.
Wir nehmen an, wir hätten eine Kurve F^F^T^F^ gefunden,
welche den bisher als notwendig erkannten Bedingungen genügt,
d. h. also:
1. Die Bogen F^F^ und F^F^ sind Extremalen, welche für sich
betrachtet den für ein Minimum bei festen Endpunkten notwendigen
Bedingungen (II), (III), (IV) genügen;
2. entlang dem Bogen F^F^ der Grenzkurve ist die Bedingung
(44) erfüUt;
3. in den Übergangspunkten Pg und F^ sind die Bedingungen
(46) und (47) erfüllt.
Überdies möge der Kurvenzug F^F.F^F, keine mehrfachen Punkte
besitzen. Der Bereich Öl möge, um die Ideen zu fixieren, zur Linken
des Bogens P3P4 liegen.
Bliss^) hat gezeigt, daß für reguläre Frobleme diese Bedingungen
auch hinreichend sind für ein Minimum des Integrals J, ivofern sie
dahin verschärft iverden, daß (III) durch (IIF) und die Bedingung
(U) durch ^^^ (5Q)
ersetzt werden.
Da das Problem als regulär vorausgesetzt wird, also F^{x,y, coay,
ginj;) 4= 0 für jedes y im ganzen Bereich Öl, so müssen nach § 52, b)
die Extremalenbogen P^ P3 und F,F, in den Punkten F, und P^ die
Grenzkurve S gleichsinnig berühren.
Da überdies insbesondere
7-; > 0 entlang d, (51)
') Vgl. §57,e).
^) Hierzu weiter ^^^^ ^~,^ - ,~,
=') Transactious of the American Mathematical Society, Bd. V
; vgl. § o<, e;. 1- TV
2) Hierzu weiter die Übungsaufgaben Nr. 33-40 am Ende von ^^ap. ^A.
(^1904) p. 477.
§ 53. Hinreichende Bedingungen. 4()2
SO können wir nacli § 62, a) die Bedingung (50) auch schreiben
7 - ^ > 0- (52)
Der Beweis von Bliss^ bei dessen Darstellung i) wir übrigens
hier nicht auf alle Einzelheiten eingehen können, gründet sich einer-
seits auf die Konstruktion eines zusammengesetzten Feldes, das aus
der Schar von Extremalen durch einen Punkt P^ auf der Fortsetzung
des Bogens P^P^ über P^ hinaus und aus der Schar von Extremalen,
welche den Bogen P3P4 berühren, gebildet wird, andererseits auf
die Ausdehnung des Weierstraß'schen Fundamentalsatzes auf ein
solches Feld.
a) Die Schar von Extremalen, welche die Grenzkurve berühren:
Aus der Ungleichung (51) folgt nach § 27, a), daß wir durch
jeden Punkt P(a) der Grenzkurve
S: x=-x(a\ y-y{a), Ä^^a^Ä^
eine und nur eine Extremale @^ konstruieren können, welche die
Kurve ß im Punkt P gleichsinnig berührt. Wir können den ana-
lytischen Ausdruck derselben sofort mit Hilfe der Funktionen 36, g
von § 27, b) hinschreiben, nämlich
x=^?i{t', x{a\y{a\ dia)) = cp{t,a), y==^{t', x(a\y{a), d(a)) = 'ilj(t,a). (53)
Dabei bedeutet t die Bogenlänge der Extremalen @^, gemessen
vom Punkt P an, und d(a) den Tangentenwinkel der Kurve & im
Punkt P, so normiert 2), daß e(a) eindeutig und stetig ist entlang
©. Aus den Existenztheoremen über Differentialgleichungen folgt,
daß sich eine positive, von a unabhängige^) Größe l angeben läßt
derart, daß die Extremale iB^ mindestens im Intervall: \t\^l existiert.
Lassen wir a variieren, so erhalten wir so eine Schar von Extre-
malen, welche die Kurve d berühren, und welche durch die Gleichungen
(53) dargestellt sind.
Die Funktionen (p, ^ genügen folgenden Anfangsbedingungen:
(p (0, a) = x (a), t (0, a) = y (a) ,
^.(0; a) = x\a), ^,(0, a) = iy(a), ^^^^
^) Wir weichen dabei darin von Bliss ab, daß wir den Beweis direkt für
das Problem in Parameterdarstellung geben, während Bliss die Aufgabe zuerst
für den speziellen Fall des a;-Problems löst und dann den allgemeinen Fall der
Parameterdarstellung mittels einer Punkttransformation der Ebene auf jenen Fall
zurückführt.
') Vgl. § 34, Gleichung (173,). ») Vgl. § 23, a), Zusatz.
I
402 Achtes Kapitel. Diskontinuierliche Lösungen.
wenn wir der Einfachheit halber für a die Bogenlänge auf der Kurve
d wählen. Hieraus folgt durch Differentiation nach a
woraus sich für die Funktionaldeterminante
(55)
d{t,a)
(56)
die Gleichungen ergeben:
A(0,a) = 0, A,(0,a)=_
Es seien jetzt a^, a\ irgend zwei den Ungleichungen
^3 < «3 < «3, 0^4 < ^1< -^4
genügende Größen: alsdann kann man beweisen^), daß unter den ge-
machten Annahmen die Gleichungen (53) eine ein-eindeutige Beziehung
zwischen dem Rechteck
(SC: O^t^k, a'^^^a^al
in der ^,a-Ebene und dessen Bild oJ in der x^y-Ehene definieren, wo-
fern die positive Größe k hinreichend klein genommen wird. Der
a
t=0 t^k
Fig. 91.
Fig. 92.
Beweis ist jedoch hier wesentlich komplizierter als in dem m § 31, a)
betrachteten Fall, weil die Funktionaldeterminante A(t,a) im Recht-
eck (SC verschwindet, wie klein auch k genommen werden möge,
nämlich entlang der Seite ^ = 0.
Das Bild der Begrenzung des Recktecks OL ist eine stetige ge-
schlossene Kurve ohne mehrfache Punkte F'^KKKK ^ie Punkt-
1) Wir verweisen auf Bliss, loc. cit. pp. 482, 488 und Bolza, Trans-
actions of the American Mathematical Society, Bd. VIII (1907) p. 399.
§ 53. Hinreichende Bedingungen, 403
menge oT ist identisch mit dem Innern dieser geschlossenen Kurve
zusammen mit der Kurve selbst. Dieser Bereich wird also von den
Extremalen der Schar (53) einfach und lückenlos überdeckt^ wenn t
und a auf das Rechteck €L beschränkt werden. In diesem Sinn
bilden die Extremalen, welche den Bogen P3P4 berühren, ein Feld. Es
handelt sich aber nur um ein ^^uneigentliches Feld", da die früher für
ein Feld aufgestellten Bedingungen wegen des Verschwindens der
Funktionaldeterminante hier nicht ausnahmslos erfüllt sind.
Die „inversen Funktionen des Feldes'^, die wir wieder mit
t = i{x,yl a = a{x,y)
bezeichnen, sind stetig im ganzen Bereich oT und überdies von der
Klasse 0' in allen Punkten von cf mit Ausnahme der Punkte des
Bogens P3P4, in denen die partiellen Ableitungen im allgemeinen zu
existieren aufhören.
b) Konstruktion des zusammengesetzten Feldes:
Wir kombinieren jetzt nach Bliss das im vorigen Absatz be-
trachtete Feld mit dem Feld von Extremalen durch einen Punkt Pq
auf der Fortsetzung der Extremalen P1P3 über den Punkt P^ hinaus.
Letztere Schar schreiben wir in der Normalform von § 27, d)
x = X(r] x^,y^, a)~qp(t, a), y^'Qit', x^,y^, 0) = -^ {t, a), (57)
wobei T die Bogenlänge bedeutet, gemessen vom Punkt P^ aus, und
a den Tangentenwinkel der Extremalen ©,, im Punkt Pq.
Die Schar (57) enthält unsern Extremalenbogen PiP^] dies möge
für « = «0 stattfinden, und dem Punkt Pg möge dabei der Parameter-
wert r = Tg entsprechen. Aus unserer Voraussetzung (IH') folgt wie
in § 32, b), daß wir den Punkt Pq so nahe bei P^ annehmen können,
daß die Schar (57) ein Feld um den Bogen P1P3 liefert, wenn r und
a auf den Bereich
0 ^ T ^ Tg + 6?i, « — «0 ^ ^'1
beschränkt werden, wofern die beiden positiven Größen d^^ und Ä\
hinreichend klein gewählt werden.
Von diesem Feld behalten wir denjenigen Teil bei, welcher dem
Bereich 6i angehört; wir bezeichnen diesen Teil mit I (Siehe Fig. 93).
Wie wir gesehen haben, berührt der Extremalenbogen P^P^ die
Kurve d im Punkt P3 gleichsinnig; dasselbe tut aber auch die Extre-
male @^^ der Schar (53), und da überdies F^ =^ 0 entlang S, so muß
die Extremale @^^ im Sinn von § 23, d) die Fortsetzung des Bogens
4Q4 Achtes Kapitel. Diskontinuierliche Lösungen.
P^Ps sein, also gleichzeitig der Extremalen a = a^, der Schar (51)
angehören. ^)
Andererseits berührt der Extremalenbogen P^P^ die Kurve ß^ im
Punkt P^ gleichsinnig; er muß also der Extremalen ©^^ der Schar
(53) angehören.
3 Diese Extremale
existiert also nicht
bloß im Intervall :
O^t^hy sondern
in dem ganzen
Intervall: 0 ^ ^
Länge des Bogens
6 ^ ■ ^ ■ -^ P4P2 bedeutet ; sie
läßt sich sogar
nach § 23, d) auf
ein etwas weiteres
Daraus folgt aber nach § 27, c),
Pig. 93.
d^ fortsetzen.
Intervall: 0 < ^ < ^., , , „ . o .. ,
daß sich eine positive Größe l', <a[- a, angeben läßt, derart, Jaß samt
liehe Extremalen der Sdiai^(53), für welche a^ — Ä'g < a < r^4 + i^2,
im ganzen Intervall: 0 ^ ^ < ^2 + ^2 existieren.
Wir behalten nun von dem von den Extremalen der Schar (53)
gebildeten Feld cf denjenigen Teil bei, welcher das Bild des Bereiches
O^t^l; 0^3 ^ a ^ a^ + A2
mittels der Transformation (53) ist. Diesen Teil von c^ bezeichnen
wir mit II; derselbe bildet a fortiori ebenfalls ein Feld.
Endlich bezeichnen wir mit III das Bild des Bereiches
Ä- ^ ^ ^ ^2 + ^4' ^4 - h ^ « ^ 0^4 + h
mittels der Transformation (53). Auch dieser Bereich bildet ein Feld,
vorausgesetzt, daß d, und k, hinreichend klein gewählt werden. Denn
die Funktion A(^,aJ verschwindet nach (56) für f = 0; daher kaun
sie nach dem Stürmischen Satz (§ 11, c)) zwischen 0 und f, nicht
1) Bei der von uns gewählten Darstellung der beiden Scharen (53) und (57)
erleidet allerdings der Parameter beim Übergang von P,P, auf den Bogen ©^^
einen Sprung. Dem kann man aber, wo es nötig sein sollte, dadurcji abheilen,
daß man zunächst den Anfangspunkt für den Bogen a der Kurve ß so wählt,
daß a, = t,, und sodann in der Schar (53) den Parameter t durch #- a ersetzt.
Dabei wird dann auf der Extremalen ©„ der Berührungspunkt mit (^ durch den
Wert t = a gegeben.
§ 53. Hinreichende Bedingungen. 40&
noch einmal verscli winden, da nach Voraussetzung (HF) der Bogen
P4P2 ^^^ 2^ ^4 konjugierten Punkt nicht enthält.
Diese drei Felder J, II, III setzen sich nun zu einem einzigen
Feld äl zusammen. Die beiden Felder I und II stoßen entlang dem
Bogen P3P7 der Extremalen (S^^ zusammen, die beiden Felder II und
III entlang dem Bogen Pp^Pq der Kurve
X == €p{k, a)j y = t{J^^, 0), «4 — /'^ ^ öf ^ 0^4 + ^2 •
Sonst haben die drei Felder keine Punkte gemein, wofern die Größen
A', l\j l\j d^, d.2 hinreichend klein gewählt werden.
c) Das Peldintegral und der Weierstraß'sclie Fundamentalsatz :
Es sei jetzt P^ irgendein Punkt des im vorigen Absatz kon-
struierten Feldes 2.1; x,y seine Koordinaten.
Liegt der Punkt Pc, im Bereich I, so geht durch ihn eine dem
Feld angehörige Extremale P0P9 der Schar (57). Unter dem Feld-
integral W(Xjy) verstehen wir dann genau wie in §31,b) den Wert
unseres IntegTals J genommen entlang dieser Extremalen PqP^^ be-
trachtet als Funktion von x, y. Dann gelten für die partiellen Ab-
leitungen von W ohne weiteres die Hamilton'schen Formeln (148)
von § 31.
Liegt dagegen Pc, im Bereich II + HI? aber nicht auf der Kurve
S, so geht durch ihn eine dem Feld angehörige Extremale der
Schar (53); ihr Berührimgspunkt mit der Grenzkurve d sei der Punkt
Pg. In diesem Fall verstehen wir unter dem Feldintegral W{x, y}
das Litegral J genommen vom Punkt P^ entlang der Extremalen
PqP^P^ bis zum Punkt Pg, von da entlang der Kurve S bis zum
Punkt Pg und endlich vom Punkt Pg entlang der Extremalen P^P^
der Schar (53) zum Punkt P,,, das Integral wieder betrachtet als
Funktion von x, y:
M^.i/) = ^3 + 4+^89- (58)
Wir woUen zeigen, daß auch in diesem Fall die Hamilton' sehen
Formeln noch gelten.
Der Parameter des Punktes Pg auf der Kurve d sei a, derjenige
des Punktes Pc, auf der Extremalen P^P^ sei t. Wir betrachten das
Feldintegral W zunächst als Funktion von t und a und bezeichnen
dasselbe, so aufgefaßt, mit u{t, a). Es ist also
a t
u(t,a) = J013 -\-fF{x{a\y{a\x\a\iy(a'))da' +fi(t\a)dt\
406 Achtes Kapitel. Diskontinuierliche Lösungen.
wobei die Funktion ^{t,a) für die Schar (53) durcli die Gleichung
(83) von § 27 definiert ist.
Da das Integral J^^g von t und a unabhängig ist, so erhalten
wirzunächBt |^ = ^(*,a) ^ (59)
und weiter unter Benutzung der Lagrange'schen partiellen Integration
l'^^F{x(a),y{a),x'(a),y'ia)) + [^,,ft a)9),(^,a) + %it,a)tSt.a)l.
Nun folgt aber aus den Relationen (54) und (55) unter Benutzung
der Homogeneitätsrelation für F:
^A^^'')'Pa{^^^) + ^y'(0,öt)iA,(0,a) == F{x{a\y{a\x(a),y\a)y,
also kommt
g = ^At,^)q>Jt,d) + %,(t,a)^Si^a). (60)
Wir erhalten also für die partiellen Ableitungen von u dieselben
Ausdrücke wie bei einem gewöhnlichen Feld^), und daraus folgt dann
weiter, wenn wir von den Variabein t,a zu den Variabein x,y über-
gehen, daß auch für die partiellen Ableitungen von W nach x und y
dieselben Formeln gelten wie früher, d. h. eben die Hamilton'schen
Formeln.
Die Definition (58) des Feldintegrals dehnen wir auch auf den
Fall aus, wo der Punkt Pc, auf der Kurve S liegt, indem dann einfach
der Punkt Pc, mit Pg zusammenfällt, weshalb in (58) das letzte Glied
Jgg = 0 zu setzen ist.
Die nunmehr für das ganze Feld 91 eindeutig definiei-te Funktion
W ist stetig im ganzen Feld, und es gelten für ihre partiellen Ab-
leitungen die Hamilton'schen Formeln in allen Punkten von äi mit
einzig möglicher Ausnahme der Punkte der Kurve S, in denen die
Existenz der partiellen Ableitungen fraglich wird.
Wir ziehen jetzt vom Punkt P^ nach dem Punkt P^ irgendeine
gewöhnliche Kurve S, welche ganz im Feld ai gelegen ist; sie möge
durch die Bogenlänge s als Parameter dargestellt sein.
Dann können wir die Weierstraß'sche Konstruktion in folgender
Weise anwenden: Ist Pg irgendein Punkt von ß:, so definieren wir
die Funktion g^^^^^ _ W{x,,y,) -f- J,,. (61)
Die Funktion S(s^) ist stetig entlang ^, und es ist
1) Vgl. die Gleichungen (144) und (146) von § 31,
§ 54. Der Rotationskörper kleinsten Widerstandes, 407
Da die Hamilton'schen Formeln bestehen bleiben, so findet man für
die Ableitung von S, genau wie früher, in der Bezeichnung von § 32, a),
Dies gilt zunächst nur, wenn der Punkt P^ nicht auf der Grenzkurve
ß liegt. Hat die Kurve S ein Segment mit der Kurve ß gemein,
so folgt aus der Definition der Funktion Sy daß S{s,j) entlang diesem
Segment konstant ist, also S'(Sq) = 0. Da aber für ein solches Segment
^9 = h = ^9; ^9 = ^9 = ^9. also 8 = 0,
so bleibt die Formel (62) auch für ein solches Segment bestehen.
Wir wollen annehmen, daß die Kurve ß nur eine endliche Anzahl
derartiger Segmente enthält.
Es folgt dann, daß für die totale Variation AJ der Weierstraß-
sche Fundamentalsatz (156) von § 32, a) gilt, und da das Problem
als regulär vorausgesetzt ist, so folgt nach §30, b), daß Ar7> 0, es
sei denn, daß die 8-Funktion entlang der ganzen Kurve % verschwinde,
was nicht eintreten kann, wenn die Kurve ^ nicht mit dem Kurven-
zug P^P.P^P^ zusammenfällt.
Somit ist bewiesen, daß unter den im Eingang dieses Paragraphen
aufgezählten Bedingungen der Kurvenzug P^^P^P^P^ in der Tat ein
starkes Minimum für das Integral J liefert.
Beispiel XX (siehe p. 397):
Wenn der Bogen P3P4 der Schranke ^ nach außen konvex ist, so sind die
sämtlichen hinreichenden Bedingungen erfüllt, und der Kurvenzug P^F^F^P^
liefert in der Tat ein starkes Minimum.^)
§ 54. Das Newton'sche Problem des Rotationskörpers kleinsten
"Widerstandes. ^)
An die Probleme mit Gebietsbeschränkung würde sich naturgemäß
eine , Besprechung von Aufgaben mit Gefällbeschrän'kung anschließen;
auch diese führen im allgemeinen auf diskontinuierliche Lösungen.
Da jedoch Aufgaben dieser Art noch wenig untersucht worden sind^),
^) Hierzu die Übungsaufgaben Nr. 34, 35, 38 — 40 am Ende von Kap. IX.
*) Wegen der Literatur vgl. Pascal, Variationsrechnung, § 30; vgl. auch
oben p. 95, Fußnote ^), die sich übrigens auf eine andere Formulierung des
Problems bezieht (ohne Gefällbeschränkung).
^) Eine Aufgabe dieser Art behandelt Zermelo, Jahresberichte der
Deutschen Mathematikervereinigung, Bd. XI (1902), p. 186 (siehe Übungs-
aufgabe Nr. 41 am Ende von Kap. IX). Vgl. auch Beispiel VIII, p. 34 und Übungs-
aufgabe Nr. 35 auf p. 149.
408
Achtes Kapitel. Diskontinuierliche Lösungen.
SO begnügen wir uns damit, ein hierher gehöriges, nach verschiedenen
Richtungen interessantes, klassisches Beispiel im einzelnen durchzu-
führen, das Newton'sche Problem des Rotationskörpers von kleinstem
Widerstand.
a) Analytische Formulierung der Aufgabe:
Wir betrachten den Rotationskörper, der durch Rotation der
Kurve ÄBD um die :r- Achse erzeugt wird. Dabei soll der Punkt
Ä auf der rr- Achse liegen ; wir wählen
ihn der Einfachheit halber zum Ko-
ordinatenanfang. Der Punkt B liege
in der oberen Halbebene, sodaß seine
Ordinate DB positiv ist. Dieser Ro-
tationskörper bewege sieh mit kon-
stanter Geschwindigkeit V in der
Richtung der net^ativen ;r-Achse in
einem widerstehenden Medium, das
aus gleichen, gleichmäßig verteilten,
in Ruhe befindlichen materiellen Teil-
chen besteht.
Ist dann die Meridiankurve AB
durch einen Parameter t dargestellt,
der von ^^ t>is ^2 wächst, so erhält
man nach Newton^) für den Wider-
stand, welchen der Rotationskörper
1) Principia philosopJdae naturalis, Buch II, Sect. VIL Prop. XXXIV, Scholium
(1686). Newton geht von der Bemerkung aus, daß die Wirkung des Zusammen-
pralls des Körpers und der Teilchen des Mediums dieselbe ist, als wenn der
Körper ruhte und die materiellen Teilchen mit derselben Geschwindigkeit 1 in
der Richtung der positiven ^-Achse gegen den Körper geschleudert würden.
Der Stoß eines einzelnen Teilchens, das im Punkt P den Rotationskörper trifft,
möge nach Größe und Richtung durch den Vektor PQ = f dargestellt werden
(siehe Figur 94), man zerlege denselben in eine normale Komponente FN und
eine tangentiale Komponente PT; letztere ist ohne Wirkung auf den KöiTer,
wenn die Reibung vernachlässigt wird. Die normale Komponente PN zerlege
man weiter in eine Komponente PL in der Richtung der ^-Achse und m eine
Komponente PM senkrecht dazu. Gleichzeitig trifft ein zweites Teilchen mit
derselben Geschwindigkeit den Rotationskörper in dem zum Punkt P m Be-
ziehung auf die a^-Achse svmmetrischen Punkt P'. Die analoge Zerlegung fuhrt
zu einer Komponente P' M' in der Richtung der ^/-Achse, welche mit der Kom-
ponente PM in derselben Geraden liegt, ihr absolut gleich, aber entgegeugerichtet
ist Von dem Stoß PQ bleibt daher nur die Komponente PL = fsm'-e als
wirksam übrig, wenn Ö den Tangentenwinkel der Kurve AB im Punkt P bedeutet.
Sei ietzt n die Anzahl derjenigen Teilchen, welche in der Zeiteinheit durch
die Flächeneinheit der durch Rotation der Ordinate ÄC=DB um die a^-Achse
Eig. 94.
§ 54, Der Rotationskörper kleinsten Widerstandes. 409
erfährt^ (abgesehen von einem von der Gestalt der Kurve AB un-
abhängigen numerischen Faktor) das bestimmte Integral
^^ (63)
Aus physikalischen Grründen kann man schließen^), daß man sich
dabei auf Kurven AJß zu beschränken hat^ für welche ^' ^ 0 und
y' ^ 0. Daher formulieren wir nunmehr unsere Aufgabe analytisch
folgendermaßen :
Das Integral (63) soll za einem Minimum gemacht iverden in Be-
ziehung auf die Gesamtheit aller gewöhnlichen Kurven, tvelche vom
Koordinatenanfangspunlä A nach einem gegebenen Funkt B im Inneren
des ersten Quadranten gezogen iverden können, und welche überdies der
Gehietsheschränkung
y>0 für t,<t^t, (64)
entstehenden Kreisfläche hindurchgehen. Dann hat die Resultante der Stöße,
welche der Rotationskörper in der Zeiteinheit erfährt, d. h. eben der Widerstand,
den Wert
nfjsm^ddco,
wenn dco ein Element dieser Kreisfläche ist. Indem man in letzterer Polar-
koordinaten mit dem Pol A einführt, kann man schreiben
doo = y dy dcp
und erhält so, da der Winkel 6 von cp unabhängig ist, den Widerstand durch
das bestimmte Integral
27t7if I sin^ Oydy
ausgedrückt, woraus sich durch Übergang zur Parameterdarstellung die obige
Formel (63) ergibt.
Die Newton'schen Hypothesen und die daraus gezogenen Folgerungen
werden übrigens durch das Experiment nicht bestätigt, vgl. darüber Encyclopädie,
IV C, {Fmsterwalder), p. 164.
Hierzu die Übungsaufgaben Nr. 42, 43 am Ende von Kap. IX.
^) Diese wichtige Bemerkung hat zuerst August gemacht, Journal für
Mathematik, Bd. 103 (1888), p. 1. Wäre ^' < 0 für Teile der Kurve AB, so
würden in der Oberfläche des Rotationskörpers „trichterförmige oder ringförmige
Vertiefungen entstehen, bei denen ein wiederholtes Anprallen der Luftteilchen
unvermeidlich wäre, was eine bedeutende Vermehrung des Widerstandes zur
Folge hätte." Wäre y'<CO, so würden luftverdünnte Räume entstehen, welche
ebenfalls den Widerstand vermehren würden. Die mathematischen Folgerungen,
welche August aus diesen physikalischen Bemerkungen zieht, sind übrigens in
wesentlichen Punkten falsch.
410 Achtes Kapitel. Diskontinuierliche Lösungen.
und der Gefällbeschrmikung
^'5 0, y'>0 für tQ^f^t^ (65)
genügen.
b) Die Newton 'sehe Kurve:
Wir betrachten zunächst einen Bogen der Minimumskurve von
der Klasse C, für welchen
Bei Anwendung der Schlüsse von § 26, a) auf einen solchen Bogen
folgt aus der Gefdllbescbränkung (65) keine weitere Einschränkung
der dort mit |, rj bezeichneten Funktionen; der Bogen muß daher der
Euler 'sehen Differentialgleichung genügen^), woraus sich sofort das
erste Integral^) ergibt ,, ,
O y O yy 3<JJ
(x'i+V9 = «' (67)
wobei a eine Konstante bedeutet, welche wegen (64) und (66) positiv
sein muß.
Zur weiteren Integration^) der Differentialgleichung (67) setzen wir
y- = « = cotg e, (68)
unter 6 den Tangentenwinkel der Kurve im Punkt t verstanden. Dann
folgt aus (67) «/ii«s?\2
^ = »(i±äl^ (69)
und hieraus nach (68)
und somit „ , ^,
X = a{q' + |g^ - log q) + h. (70)
Die Gleichungen (69) und (70) stellen das allgemeine Integral der
Euler 'sehen Differentialgleichung dar, wenn man darin noch q durch
eine solche Funktion von t ersetzt, für welche 'die Bedingung (66)
erfüllt ist.
Die allgemeinste Extremale geht also aus der speziellen Kurve
X = q' + ^g'-logq^Xiq),
Y^^'^Yi^ ^''^
*) Vgl. die analoge Bemerkung auf p. 34.
*) Schon von Newton angegeben, loc. cit.
') Dieselbe ist zuerst von L'Hospital ausgeführt worden (1699), etwas später
und unabhängig davon von Johann Bernoulli, vgl. des letzteren Opera Omnia,
Bd. I, pp. 307, 311, 315.
§ 54. Der Rotationsliörper kleinsten Widerstandes.
durch die Ähnlichkeitstransformation
X = aX i- h, y = aY
hervor.
Für die Diskussion der Kurve (71) hat man
411
^\<1)
(3^^-l)(g^+l)
r{i)
(33'-l)(2^-fl)
/(fo"
x\^)T'ia) - r(,)x7,) == - ^t-^^±^\
woraus sich die schon von t
L'HosPiTAL angegebene Gestalt
der Kurve ergibt: Wächst ^
von 0 bis l/]/3\ so nehmen X
und Y von + c» anfangend
beständig ab, und die Kurve
ist konvex gegen die ^r- Achse.
Für q = 1/1/3^ hat die Kurve
eine Spitze, deren Tangente mit
der positiven X-Achse einen
Winkel von 60^ bildet. Wächst^
weiter von l/]/3 bis
+ oOy 80 wachsen X
und Y beständig bis
zum Wert + c», und
die Kurve ist konkav -^-^°
gegen die X-Achse
(siehe Fig. 95). Zu-
gleich folgt, daß für den konvexen Zweig : t = l/q^ für den konkaven :
t = q ein zulässiger Parameter ist.
Die Leg endre' sehe Bedingung nimmt für unsern Bogen die
Form an:
-^i-3/"'(lH-2')»>"'
Somit kann nur ein Bogen des konkaven Zweiges der Kurve Bestand-
teil unserer Minimumskurve sein.
Schließlich lautet die Weierstraß'sche Bedingung^)
y^m\d - e) sin (2ö + Ö) ^ 0
'^) Wohl zuerst von Silvabelle angegeben. *) Vgl. p. 246.
-VK.
Fig. 95.
412- Achtes Kapitel. Diskontinuierliche Lösungen.
für alle Werte von 6 im Intervall
und zwar nur für diese, da auch die Vergleichskurve, mit deren Hilfe
die Weierstraß'sche Bedingung abgeleitet wird (vgl. p. 241), der Be-
dingung (65) genügen muß. Daraus folgt aber, daß
0 <: ö <: ^ (73)
sein muß, d. h.^) ^^ ^ (^73a)
Einen Bogen einer Kurve (69), (70), für welchen q ^ 1, werden
wir in der Folge kurz einen New tonischen Bogen nennen.
c) Bestimmung des Winkels an der Stirnfläche:
Wir zeigen jetzt weiter, daß ein Bogen der Minimumskurve von
der Klasse C, welcher nicht in seiner ganzen Ausdehnung der Be-
dingung {(^6) genügt, entweder ein Segment einer Geraden x = konst.,
oder aber einer Geraden y = konst. sein muß. ^
Denn angenommen der Bogen, der dem Intervall a<^t<: ß ent-
sprechen möge, enthielte einen Punkt f, in welchem x'y > 0, so folgt
nach § 2, a) und A III 2, daß es ein in [aß] enthaltenes Intervall
laß'] geben muß, derart daß x'y'>0 für a'<t<ß\ dagegen /i/' = 0
für t=a, außer wenn a' = a, und x'y' = OiÜYt=ß\ außer wenn ß' = ß.
Nach dem unter b) bewiesenen muß also der betrachtete Bogen für
u' <t< ß' der Differentialgleichung (67) mit einem positiven Wert
der Konstanten a genügen. Indem man dann t gegen a\ resp. ß' kon-
vero-ieren läßt, zeigt man, daß x y' weder in a' noch ß' verschwmden
kann, daß also a = a, ß' = ß sein muß, und xy>0 im ganzen
IntervaU [aß], was mit unserer Annahme im Widerspruch steht.
Somit muß x'y' = 0 sein in [aß]. Nunmehr zeigt man durch
Anwendung derselben Schlußweise auf den Faktor x, daß entweder
^' = 0 in [aß\ oder y' = 0 in [aß], wobei man noch davon Gebrauch
zu machen hat, daß bei einer gewöhnlichen Kurve x' und y' nie
gleichzeitig verschwinden.
Die Minimumskurve, falls eine solche überhaupt existiert, muß
sich also aus einer endlichen Anzahl von Stücken zusammensetzen,
von denen jedes einzelne ein Newton'scher Kurvenbogen, oder ein
Segment einer Geraden x = konst. oder ein Segment einer Geraden
y = konst. ist.
1) Diese Bedingung findet sich wohl zuerst expHcite bei Walton, Quar-
terly Journal, Bd. X (1870), p. 344, implicite jedoch schon bei Newton, loc.
«it., vgl. Übungsaufgabe Nr. 43 am Ende von Kap. IX.
§ 54. Der Rotationskörper kleinsten Widerstandes. 413
Wir haben nun zu untersuchen, welche Kombinationen dieser
drei Bogenarten, die wir der Reihe nach mit N, X, Y bezeichnen,
möglich sind, und welche Bedingungen in den Übergangspunkten er-
füllt sein müssen. In einem solchen Ubergangspunkt sind folgende
sieben Fälle möglich: N'N''', NX, XN-, NY, YN-, XY, YX.
1. N'N'': Ein Punkt P^, in dem zwei verschiedene Newton'sche
Kurven aneinanderstoßen, ist frei variierbar, da für beide Bogen die
Ungleichungen (66) erfüllt sind. Man kann also direkt die Schlüsse,
die zur Weierstr aß 'sehen Eckenbedingung (2) führen, anwenden. Da
^\{^> V) cos y, sin y) ^ 2y sin y(ß cos^^^ — sin^^)
für keinen Wert von y zwischen 0 und ^ verschwindet, so folgt aus
§ 48, c), Zusatz I, unter Berücksichtigung der Bedingung (73), daß
dieser Fall unmöglich ist.
2. NX und XN: Ein Punkt P^, in welchem ein Newton'scher
Bogen und ein Segment x == konst. aneinander stoßen, ist zwar in der
Richtung der i/- Achse frei variierbar, nicht aber in der Richtung der
^-Achse wegen der Bedingung x' > 0. Da, wie man leicht verifiziert,
auch die Gerade x = konst. der Euler'schen Differentialgleichung ge-
nügt, so muß die Weierstr aß 'sehe Eckenbedingung, soweit sie sich
auf eine Variation in der Richtung der y- Achse bezieht, erfüllt sein;
■es muß also im Punkt P^
?/' y'
sein; das führt auf die Bedingung
aus welcher folst
{1 + qr
tr>'
1.
Für die Kombination NX kann diese Bedingung nie erfüllt sein,
•da hier im Punkt Pj notwendig g > 1 sein muß. Wohl aber ist die
Kombination XN möglich, d. h. ein gerades Segment parallel der
^- Achse, an welches sich ein Newton'scher Bogen unter einem Winkel
von 45^ gegen die positive ^-Achse anschließt.
3. iVY und YN: Die analoge Schluß weise zeigt, daß hier die
Bedingung
-^ x' x'
erfüllt sein muß, was auf einen Widerspruch führt.
4. X Y und YX: Daß auch diese Kombinationen unmöglich sind,
zeigt man durch Abschrägen der Ecken (siehe Fig. 96). Denn bildet
B o 1 z a , Variationsrechnung. 27
414
Achtes Kapitel. Diskontiimierliche Lösungen.
die Gerade P3P4 mit der positiven ^- Achse den Winkel a, so ist
Da ein Newton 'scher Bogen nie die :r- Achse erreicht, so ergibt
sich aus den bisherigen Entwicklungen das folgende Resultat, bei
2
>- X
Pig. v)6.
Fig. 97.
dessen Formulierung, wie überhaupt in der weiteren Diskussion, wir
Pq und Pg statt A und B schreiben:
Wenn unsere Aufgabe überhaupt eine Lösung besitzt, so muß sich
dieselbe atis einem Segment P^P^ der y-Achse und aus einem Newton'-
sehen Bogen P^P„ welcher im PunU P, einen Winlcel von 45^ mit
der positiven y-Achse bildet, zusammensetzen})
d) Konstantenbestimmung:^)
Es sind jetzt die Integrationskonstanten a und b so zu bestimmen,
daß die Kurve (69), (70) durch den gegebenen Punkt P^ geht und
die positive r Achse unter einem Winkel von 45« schneidet.
1) Baß bereits Newton dieses Resultat bekannt war, ergibt sich aus seiner
Bestimmung der Integrationskonstanten a in der Gleichung (67), welche er, aus
seiner geometrischen Einkleidung ins Analytische übersetzt, folgendermaßen
>6chreibt: yq t/i ''
unter y, die Ordinate des Punktes P, verstanden. Ich verdanke diese Bemerkung
Herrn Wedderburn. . ^ ^ j^,.
Unabhängig von Newton ist der Satz, daß der Tangentenwinkel an der
Stirnfläche 45 ^^ betragen muß, von Armanini bewiesen worden (Annali di Mate-
matica (3) Bd. IV (1900) p. 131), und zwar unter folgender Formulierung der
Aufgabe- Von einem unbekannten Punkt P, der y-Achse nach einem gegebenen
Punkt R eine Kurve zu ziehen, für welche die aus der Rotation der gebrochenen
Linie PF,P, entstehende Oberfläche ein Minimum ^f«^ Widers andes lief e^^^^^
«) Nach Kneser, Archiv der Mathematik und Physik (3), Bd. II (1902).
p. 273.
§ 54. Der Rotationskörper kleinsten Widerstandes. 415
Die letzte Bedingung, analytisch ausgedrückt, lautet
woraus folgt
Tragen wir diesen Wert in (70) ein und schreiben der Überein-
stimmung mit unserer sonstigen Bezeichnung halber t statt q, so er-
halten wir für die Schar 7on Newton'schen Kurven, welche die
2/- Achse unter einem Winkel von 45^ schneiden, den Ausdruck
X = a[f + 1^* - log ^ - |] ^ g^(t, a), )
In diesen beiden Gleichungen haben wir x, y durch x^,y^ yai ersetzen
und dann nach t und a aufzulösen. Durch Division der beiden Glei-
chungen erhalten wir zunächst zur Bestimmung von t die Gleichung
y. - ~ (T-HV"- ^ l^)^ (75)
nun ist
stets positiv für t 5> 1, und
;:(1) = 0, ;t(+oo) = + cx).
Daraus folgt, daß die Gleichung (75) eine und nur eine Wurzel t S 1
besitzt. Ist dieselbe gefunden, so erhält man a aus der Gleichung
Somit geht durch jeden Funkt P, im Innern des ersten Quadranten
eine und nur eine Neivton'sche Kurve, welche mit der positiven y- Achse
einen Winkel von 45' bildet, und daher können wir vom Koordinaten-
anfangspunkt P, nach jedem Punkt P, im Innern des ersten Quadranten
einen und nur einen Kurvenzug P,P,P, der verlangten Art ziehen.
e) Hinlängliclikeitsbeweis:!)
Das vorangehende Resultat zeigt zugleich, daß die Extremalen
der Schar (74) bei Beschränkung der Variabelu t und a auf den
Bereich ^^
t>l, a>0 (76)
ein Feld bilden, welches den ersten Quadranten
^SO, y>0 (77)
^) Zuerst von Kneser gegeben, loc. cit. p. 274.
27*
^^g Achtes Kapitel. Diskontinuierliche Lösungen.
einfach und lückenlos überdeckt, da überdies die durch Auflösung
der Gleichungen (74) nach t und a erhaltenen inversen Funktionen
im Bereich (77) Ton der Klasse C sind. Letzteres ergibt sich nach
dem Satz über implizite Funktionen daraus, daß die Funktionaldetei-
minante A(«, a) der Schar (74) gleich ist dem Zähler des Ausdrucks
für iit), multipliziert mit a, weshalb A(f, a) > 0 im Bereich (76).
Sei letzt P, irgend ein Punkt im Innern des ersten Quadranten,
P der Punkt, in welchem die durch P, gehende Feldextremale die
«-Achse schneidet; so deflmeren wir nach Knesee das zum obigen
Feld gehörige Fddintegral als das Integral J genommen vom Punkt
P entlang der r^chse bis zum Punkt P, und von da entlang der
Ädextremalen P3P, bis zum Punkt P, Als Funktion von < und «
(wie wir zur Abkürzung statt «„ «, schreiben) b^eicbnen wir das-
selbe mit u{t, a), als Funktion von x und y mit W{x, y). Ua
Jo3 = i2/L ^^^ 2/, = «r(l) = 4«,
'03
SO ist
t
uit,d)='Sa' +J'7{t,a)dt,
wo W(t,a) wieder durch die Gleichung (83) von § 27 definiert ist.
Bildet man jetzt die partiellen Ableitungen von u{t, a) in der üblichen
Weise und beachtet, daß
cpjl,a)^0, i,,{l,a) = i, F^,^ = y, = 4:a,
so erhält man
l" = "7(<,"),
0 t
l« = WJt, a)rp,{t, a) + ^/i, a)t,{t, «),
c ci
also genau dieselben Ausdrücke wie in der aUgemeinen Theorie für
die partiellen Ableitungen des Feldintegrals, gerechnet von einer Trans
versalen aus (§31, Gleichungen .144) und ^40))- D-aus fo^gt abe
weiter, daß auch die Hamilton'schen Formeln (148) von § 31 tu
die partiellen Ableitungen der -Funktion W{x, y) nach x und y hiei
unverändert bestehen bleiben.
Nachdem die Gültigkeit .1er Hamilton'schen lormeln nach-
gewiesen ist, läßt sich nun leicht mit Hilfe einer passenden Modi-
fikation der Weierstraß'schen Konstruktion beweisen, daß der un ei
c) bestimmte Kurvenzug P,P,P, einen kleineren Wert für das In-
tegral J liefert als jede andere zulässige Kurve (i, welche vom Punkt
P„ nach dem Punkt P, gezogen werden kann.
§ 54. Der Rotationskörper kleinsten Widerstandes.
417
Wir setzen der Allgemeinheit halber voraus^ daß die Kurve S
vom Punkt P^ aus zunächst ein Stück weit der positiven 1/ -Achse
entlang läuft und diese erst im Punkt Pg verläßt. Darin soll der
Fall mit inbegriffen sein, wo der Punkt P5 mit dem Punkt P^ zu-
sammenfällt, wo die Kurve also nur den Punkt P^ mit der y- Achse
gemein hat. Wegen der Bedingungen (64) und ^
(65) liegt dann der Bogen P5P2 der Kurve S
abgesehen von seinem Anfangspunkt P5 ganz
im Innern des ersten Quadranten. Durch einen
beliebigen Punkt P^ des Bogens P5P2 geht
also eine und nur eine Feldextremale; dieselbe
möge die ^-Achse im Punkt P3 treffen. Wir
betrachten alsdann das Integral JJ genommen
vom Punkte P^ entlang der y- Achse bis zum
Punkt Pg, von da entlang der Feldextremalen
P3P4 bis zum Punkt P^, und endlich vom
Punkt P^ entlang der Kurve S bis zum Punkt Pg, und bezeichnen seinen
Wert mit S(s\ unter s den Parameter des Punktes P^ auf der Kurve S
verstanden, also
Fig. 98.
Es ist dann
T^fe; 2/4) +fF{x, y, x\ y')ds.
also
^J= Ä + J,,) - «1 + ^12) = - [^(^2) - ^(^5)],
woraus sich nunmehr in der üblichen Weise der Weierstraß'sche
Satz ergibt:
AJ=J S(x, y- p, q-, x', y')ds,
wenn p,q die Richtungskosinus der durch den Punkt P^ gehenden
Feldextremalen in diesem Punkt bedeuten. Nun ist aber
ö(^, 2/, P,q, oc ,y )- - -^._^--^^^-^-_,^^
Da ^>1, außer im Punkt P5, und ferner ^'^0, ^' ^ 0, ohne daß
beide gleichzeitig verschwinden, so ist
entlang dem Bogen P'^l\, und zwar gleich Null nur in denjenigen
418 Achtes Kapitel. Diskontinuierliche Losungen.
Punkten, in welchen die Feldextremale die Kurve (^ berülirt, und mög-
licherweise im Punkt P-.
Daraus schließt man aber ganz wie in § 32, b) das Endresultat:
Unter allen gewohnlichen Kv/rven, welche vom Funli P^ nach dem Punlct
P^ gezogen u-erden können, und welche den Bedingungen (64) und (65)
genügen, liefert der Kurvenzug P^F^P^, ivelcher sich aus dem Stüch
PqP^ der y- Achse und dem Newton' sehen Bogen P^P^ 'vom Gefälle
-\- 1 im Punkt P^ zusammensetzt , den kleinsten Wert für das Integral J})
^) Hierzu die Übtoigsauf gaben Nr. 44, 45 am Ende von Kap. IX.
Neuntes Kapitel.
Das absolute Extremuin.
§ 55. Einleitende Bemerkungen.
Wir haben bei der Definition des absoluten und relativen Ex-
tremums in § 3 gesehen, daß das Problem des absoluten Extremums
sich auf dasjenige des relativen reduzieren läßt, insofern eine Kurve,
welche für ein bestimmtes Integral in Beziehung auf eine gegebene
Mannigfaltigkeit von zulässigen Kurven ein absolutes Extremum liefert,
allemal auch ein relatives liefert. Kennt man also alle Lösungen des
relativen Problems, und kann man a priori die Existenz eines
absoluten Extremums beweisen, so ist mit dem relativen Problem
— wenigstens wenn dasselbe nur eine endliche Anzahl von Lösungen
besitzt — , zugleich auch das absolute . gelöst. Kann man dagegen
einen solchen Existenzbeweis nicht führen, so bleibt das absolute
Problem ungelöst, selbst wenn man das relative vollständig gelöst hat.
Daher die fundamentale Wichtigkeit der Aufgabe: Für ein ge-
gebenes Variationsproblem a priori die Existenz oder Nichtexistenz
eines absoluten Extremums nachzuweisen. In älterer Zeit hat man
geglaubt, aus der bloßen Existenz einer endlichen unteren Grenze für
die Integralwerte ohne weiteres auf die Existenz eines absoluten Ex-
tremums schließen zu dürfen. So ist z. B. das berühmte Dirichlet'-
sche Prinzip gerade auf den Schluß basiert, daß das Doppelintegral
^ -//[©' +(©!-*
notwendig ein Minimum besitzen müsse, weil sein Wert stets ^ 0 ist.
Weierstrass hat zuerst gezeigt, daß der Schluß falsch ist, da
derselbe auf einer Verwechslung von unterer Grenze und Minimum
beruht, und hat zugleich ein Beispiel^) angegeben, welches die Unhalt-
barkeit der Dirichl et 'sehen Schluß weise drastisch illustriert. Es ist
die Aufgabe, das Integral ^
^) Weierstrass, Werke, Bd. II, p. 41).
420 Neuntes Kapitel. Das absolute Extremum.
zu einem Minimum zu machen in Beziehung auf die Gesamtheit aller
in der Form y = y{x) darstellbaren Kurven der Klasse C, welche
durch zwei gegebene Punkte (— 1^ d) und (-f l,h) gehen, wo-
bei a ^h.
Die untere Grenze dieses Integrals ist gleich Null. Denn einer-
seits kann das Integral sicher nie negative Werte annehmen, während
andererseits zulässige Kurven angegeben werden können, welche dem
Integral einen beliebig kleinen Wert erteilen. So ist z. B. die Funktion
Are tff -
a-\-h , h — a ^ s
2/ = ^- + -^-77-1
Are tg —
eine zulässige Funktion, für welche man leicht die Ungleichung
+ 1
J< C{x' + e')y'dx
+ 1
^ 2 Are tg
verifiziert, aus der durch Verkleinerung des Parameters s die Be-
hauptung folgt.
Die untere Grenze des Integrals ist also in der Tat gleich Null.
Trotzdem gibt es keine zulässige Kurve, für welche das Integral den
Wert Null annimmt. Denn wegen der vorausgesetzten Stetigkeit von
y' wäre dies nur möglich, wenn der Integrand beständig gleich Null,
d. h. y konstant wäre, und dies widerspricht der Voraussetzung a =H h.
Obgleich somit der Schluß von der Existenz einer endlichen
unteren Grenze auf die Existenz eines Minimums nicht haltbar ist,
so wirft sich doch die Frage auf, ob es nicht möglich ist, bei einem ge-
gebenen Variationsproblem der Funktion unter dem Integrationszeichen
oder der Mannigfaltigkeit der zulässigen Kurven (oder beiden) solche
Bescliränkungen aufzuerlegen, daß man die Existenz eines absoluten
Extremum s a priori feststellen kann, ähnlich wie man etwa von einer
in einem Intervall [ah] definierten Funktion f(x) a priori die Existenz
eines Maximums und Minimums behaupten kann, vorausgesetzt, daß
man der Funktion die Bedingung der Stetigkeit auferlegt.
HiLBERT^) hat nun in der Tat eine Methode ersonnen, durch die
diese wichtige Frage in Angriff genommen und in gewissen Fällen
vollständig erledigt werden kann. Er hat den Grundgedanken der-
selben an dem Beispiel der kürzesten Linie auf einer Fläche erläutert
') Jahresberichte der Deutschen Mathematiker-Vereinigung,
Bd. VIII (1899), p. 184.
§ 55. Einleitende Bemerkungen. 421
und auch einige Andeutungen über die Ausdehnung der Methode auf
das allgemeine Integral
J^ j tl^,y,y')^^
gegeben^).
Die Hubert 'sehe Methode ist inzwischen von Lebesgue^) und
Caratheodory^) nicht unwesentlich vereinfacht worden, und unter
Benutzung dieser Vereinfachungen^) soll in diesem Kapitel die Existenz,
eines absoluten Minimums des Integi'als
J = J F{x,y,x,y)dt,
h
bei festen Endpunkten, bewiesen werden, und zwar unter den folgen-
den Voraussetzungen:
A) Die Funktion F{iv,y,x\y') ist von der Klasse C" und genügt
der Homogeneitütshedingung
F(x, y, lex, hy') = hF{x, y, x, y')y Ic > 0
in dem Bereich
%: {x,y) in Öl, x^^y'^=f^O.
B) Das Problem ist positiv definit^) in einem im Innern von 6i
gelegenen Bereich 6{q.
^) In Vorlesungen, Göttingen, Sommer 1900. Noblk hat in seiner Disser-
tation „Eine neue Methode in der Variationsreclinung'-^ (Göttingen 1901) in
§§ 5 — 14 diese Andeutungen im einzelnen durchgeführt. Seine Schlüsse entbehren
jedoch derjenigen Strenge, welche bei einer Untersuchung dieser Art unerläßlich
ist. Insbesondere sind die Entwicklungen in §§ 9, 10 und 13 nicht einwandfrei
Andeutungen eines auf wesentlich anderen Prinzipien beruhenden Existenz-
beweises für dasselbe Integral gibt Hadamard, Comptes Rendus, Bd. CXLIII
(1906), p. 1127. Der Beweis knüpft an die Transformation der ersten Variation
von Du-Bois-Reymond an.
HiLBERT selbst hat später das Dirichlet'sche Prinzip ausführlich mittel»
seiner Methode behandelt, vgl. Festschrift zur Feier des hundertfünfzigjährigen
Bestehens der Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen \ Mathematische
Annalen, Bd. LIX (1901), p. 161; Journal für Mathematik, Bd. CXXIX
(1905), p. 63.
Einen direkten Existenzbeweis für den Fall des Dir ichle tischen Prinzip»
hat neuerdings unter sehr allgemeinen Voraussetzungen auch Beppo Levi ge-
geben, Rendiconti del Circolo Matematico di Palermo, Bd. XXII (1906).
^) Annali di Matematica (3), Bd. VII (1902), p. 342.
■'') Mathematische Annalen, Bd. LXII (1906), p. 493.
^) In engerem Anschluß an das ursprüngliche Hilbert'sche Verfahren ist
der Beweis in meinen Lectures, Kap. VII durchgeführt.
^) Vgl. p. 277.
422 Neuntes Kapitel. Das absolute Extremum.
C) Das Problem ist positiv regulär'^) in demselben Bereich 6{q.
D) Der Bereich ÖIq ist leschränkt , abgeschlossen und konvex^),
d. h. die Verbindungsgerade je zweier Punkte von ÖIq liegt ganz in 6{q.
xlus der Voraussetzung C) folgt nach § 35, c), daß das (verall-
gemeinerte) Integral J entlang jeder ganz in ÖIq gelegenen rektifizier-
baren Kurve einen bestimmten endlichen Wert hat.
Es soll nun unter den Voraussetzungen A) bis D) bewiesen werden:
Sind A^ und A^ irgend zwd verschiedene Funkte von Öl^^, so gibt
es stets mindestens eine von A^ nach A^ führende, ganz in ÖIq gelegene
rektifizierbare Kurve §, ivelche für das verallgemeinerte Integral J ein
absolutes Minim/um liefert in Beziehung auf die Gesamiheit aller rekti-
fizierbaren Kurven, tvelche in 01^ von A^ nach A^ gezogen werden können.
Diese Kurve § besteht aus einer endlichen oder abzahlbar uneyid-
lichen Menge von Extremalenbogen der Klasse C"\ welche abgesehen von
ihren Endpunkten im Innern des Bereiches ÖIq liegen, und aus Punkten
oder Punktmengen der Begrenzung von ÖIq. Die Kurve § hat über-
dies keine Doppelpunkte.
§ 56. Ein Hilfssatz über die Existenz einer Grenzkurve.
Wir basieren den zu führenden Existenzbeweis nach dem Vor-
gang von Lebesgüe^) und Caeatheodory*) auf den folgenden all-
gemeinen Satz über die Existenz einer Grenzkurve:
Es sei eine unendliche Menge von rektifizierbaren Kurven, {^},
gegeben, ivelche zivei gegebene Punlde A^ und A^ verbinden, und tvelche
die Eigenschaft haben, daß die Menge ihrer Längen beschränkt ist.
Alsdann kann man aus der Menge { ß^,, ) eine unendliche Folge von
herausgreifen derart, daß die Kurven S^ gegen eine ebenfalls die Punkte
A^ und A^ verbindende, rektifizierbare Kurve § konvergieren.
^) Vgl. p. 214.
^) Die folgenden Resultate bleiben bestehen, wenn die VoraussetzAing D)
durch die allgemeinere Voraussetzung D') ersetzt wird:
D') Der Bereich 01^ ist beschränkt, perfekt, zusammenhängend und zu
jedem positiven e gehört eine zweite positive Größe rf^, derart, daß je zwei
Punkte P', P" von ^^^, deren Entfernung kleiner ist als c?^, durch mindestens
eine ganz in 01^, gelegene, gewöhnliche Kurve U verbunden werden können, für
welche: ^^ <C ^- (^gl- eine analoge Bemerkung von Hahn, Monatshefte für
Mathematik, Bd. XVII (1906), p. 67, Fußnote »)).
') loc. cit. p. 346.
^) loc. cit. p. 493. Der im Text gegebene Beweis schließt sich im wesent-
lichen an die Darstellung von Caratheodory an.
§ 56. Ein Hilfssatz über die Existenz einer Grenzkurve. 423
Darunter ist folgendes zu verstehen. Die Kurven S^ und § lassen
sich derart durch einen zwischen denselben Grenzen variierenden
Parameter ausdrücken:
k<i< h,
daß für jedes t im Intervall [t^t^'\
und zwar gleichmäßig in Beziehung auf das Intervall: t^ ^ ^ ^ ^2-
Zur besseren Übersicht heben wir die verschiedenen Etappen des
Beweises ausdrücklich hervor.
a) Vorbereitende Bemerkungen:
Wir bemerken zunächst, daß sämtliche Kurven der Menge [^]
in einem beschränkten Bereich der :r^^-Ebene gelegen sind. Denn
nach Voraussetzung gibt es eine positive Größe G derart, daß für jede
unserer Kurven ^ die Ungleichung
h<G ' (1)
gilt, wenn wir mit ?(j die Länge der Kurve (^ bezeichnen. Ist daher
P ein Punkt von ß, so ist
A^F ^ arc JLi P^h<G. (2)
Wir wählen als Parameter zur Darstellung der Kurve S die Größe
< = -A^, (3)
und erhalten so eine Parameterdarstellung, bei welcher der Parameter
auf sämtlichen Kurven der Menge {S) von 0 bis 1 wächst, während
die Kurve von Ä^ bis Ä^ beschrieben wird.
Sind dann t',f irgend zwei Werte von t im Intervall [Ol], und
bezeichnen P^(f), P^iit") die denselben auf der Kurve ^ entsprechen-
den Punkte, so folgt aus (3) und (2) die fundamentale Ungleichung
\F^{f)F^{t")\<G\t'-r\. (4)
b) Konstruktion der Kurvenfolge 'xKi:
Wir greifen jetzt aus dem Intervall: 0 ^ ^ ^ 1 eine abzählbare,
in diesem Intervall überall dichte^) Punktmenge
(r,), 7c =1,2,.,. (5)
^) Vgl. A I 6. Eine den Anforderungen genügende Menge ist z. B. die Ge-
samtheit der rationalen Zalilen im Intervall [0 1].
424 Neuntes Kapitel. Das absolute Extremum.
heraus und betrachten zunächst die Menge der dem Wert t = t^ auf
den verschiedenen Kurven S entsprechenden Punkte:
{P^i^i))- (6)
Dieselbe ist nach dem vorigen beschränkt und besitzt daher mindestens
einen Häufungspunkt, den wir mit Hir^) bezeichnen. Wir können
dann aus { S } eine unendliche Folge von Kurven
herausgreifen, sodaß^)
L P)(r,) = if(r,),
^. = CO
indem wir mit PJ(t^i) den dem Wert t = r^ entsprechenden Punkt
der Kurve ^\ bezeichnen. Der Punkt Hit^) ist dann zugleich der
einzige^) Häufungspunkt der Menge
[PIM], A = l,2,.... (7)
Jetzt betrachten wir weiter die Punktmenge
jP5(r,)}, A = l,2...... (6a)
Sei H{t.j) einer ihrer H'äufungspunkte und { PJ (tj) |, fi = 1, 2, . . .
eine in (6a) enthaltene unendliche Teilfolge, für welche
L P' (r,) = H(r,).
^< = ao ^*
Wir schreiben S^ statt ^] und P^ statt P] , und erhalten so eine
zweite, in QTli enthaltene, unendliche Kurvenfolge
für welche
L P;(r,) = i/(r,).
/< = QO
Zugleich ist aber auch
L Pf (r.) = //(r.). ..
Denn da die Punktmenge {Pl(r^)]= {^'/^i)l i^ der Menge (7) ent-
halten ist, so ist jeder ihrer Häufungspuukte, deren sie mindestens
einen besitzt, zugleich Häufungspunkt der Menge (7); diese hat aber
^) Nach A I 4. Wegen der Bezeichnung vgl. p. 156, Fußnote *).
2) Nach dem leicht zu beweisenden Lemma: „Ist die unendliche Folge
{ «j, j konvergent und l ihre Grenze , so ist l der einzige Häufungspunkt der
Menge { «,, J ; umgekehrt: Ist { a J eine abzählbare, beschränkte lineare Punkt-
menge, welche nur einen einzigen Häufungspunkt l besitzt, so ist die unendliche
Folge {«j, } konvergent und l ihre Grenze."
[
§ 56. Ein Hilfssatz über die Existenz einer Grenzkiirve. 425
nur den einen Häufungspuukt H{r^, woraus die Behauptung nach
dem oben^) angeführten Lemma folgt.
Jetzt betrachten wir weiter die Punktmenge
(P;(r3)j, f< = l,2,..., (6 b)
und wenden auf sie die analogen Schlüsse an^ und indem wir so fort-
fahren, gelangen wir nach ^^-ma]iger Wiederholung des Verfahrens zu
einer unendlichen Kurvenfolge
9n„: s;; %,...,
welche in 9TL„_i enthalten ist, und welche die Eigenschaft hat, daß
L P:(r,) = Ä(r,)
für Zv = 1, 2 . . . w, wobei PI(t-j^ den dem Wert t = x^. entsprechenden
Punkt der Kurve (^^,! bezeichnet.
Nunmehr bezeichnen wir: ^\ = ©^,, PJ; = P^-, alsdann hat die
Kurvenfoli/e cj^. g^^ ^^^ ^ ^
die Eigenschaft, daß für jedes k
L PJr^) = H{r,). (8)
1'= 00
Denn da 9TL^^^^ in ^tJTif. enthalten ist, so ist die Punktmenge
welche dieselben Häufungspunkte hat wie die Menge
{P,(TJK 1^=1,2,...,
in der Menge
|Pi:(rj), v = l,2,...
enthalten und hat daher ebenso wie diese den einzigen Häufungspunkt
H(r^), woraus, wie oben, die Behauptung (8) folgt.
c) Konstruktion der Grrenzkurve§ :
Von dieser Kurvenfolge { ^^ }
müssen wir nun nachweisen, daß sie
in dem angegebenen Sinn gegen eine
Grenzkurve konvergiert.
Wir haben also zunächst zu zeigen.
nicht nur für die Werte t = r^. der / j^ig 99
Menge (5), sondern für jeden be- ^^
liebigen Wert von t im Intervall [Ol] der zugehörige Punkt P^(t) der
^) Vgl. p. 424, Fußnote ^).
6
426 Neuntes Kapitel. Das absolute Extremum.
Kurve S,, für v==csd gegen einen Grenzpunkt konvergiert. Wir gehen
dazu von der Ungleichung aus
unter r^ irgendeinen Punkt der Menge (5) verstanden.
Die rechte Seite dieser Ungleichung ist nach (4) kleiner als
2G\t-r,\ + \P^X^,)P,,(r,)\.
Ist jetzt eine positive Größe 8 beliebig vorgegeben, so können wir
einerseits den Index k so wählen, daß
da ja t, wie jeder Punkt des Intervalls [Ol], ein Häufungspunkt der
Menge (5) ist. Andererseits können wir wegen (8) eine positive
Größe N angeben, sodaß
\P,(r,)Pr(r^\<l
sobald ^ und v beide größer als N sind. Daher ist alsdann
\P,u(t)PM\<^. W
und daraus folgt nach dem allgemeinen Konvergenzprinzip ^), daß der
Punkt P^(t) für v = (x> gegen einen Grenzpunkt konvergiert, den
wir mit II(i) bezeichnen:
LPxt)-m)- (1^)
) ■ = 00
Zu jedem Wert von t im Intervall [0 1] gehört somit ein Grenz-
punkt H{t). Die Gesamtheit dieser Grenzpunkte bildet eine Kurve,
die wir mit
§: ^ = 9(0. 2/ = ^(0. O^^^l
bezeichnen.
Es ist jetzt weiter zu zeigen, daß die Kurve ^^. gegen diese
Grenzkurve § gleichmäßig konvergiert: Die ganze Zahl N hängt
von 8 und t^ ab, wir bezeichnen sie dementsprechend mit N{8,Xj^.
Wählen wir jetzt aus der Menge (5) eine endliche Anzahl von Ele-
menten tj^, aus, so daß
0<T, <T, <---<r, <1 (11)
und so, daß die Differenz zweier aufeinanderfolgender Größen der
Reihe (11) kleiner ist als £/3(t, und ist N^ die größte der m ganzen
1) Vgl. All 4. Man wende das Prinzip auf die Funktionen «3P,,(i), tjXO ^^^-
[
§ 56. Ein Hilfssatz über die Existenz einer Grenzkurve. 42 T
SO gilt die Ungleichung (9) für jedes t im Intervall [0 1]^ sobald ^
und V beide größer als N^ sind, womit die Gleichmäßigkeit der Kon-
vergenz bevpiesen ist.
d) Eigenschaften der Grenzkurve §:
Es bleibt jetzt nur noch zu zeigen, daß die Grenzkurve § von
A^ nach A^ führt und rektifizierbar ist.
Das erstere ergibt sich unmittelbar daraus, daß nach unserer
Wahl des Parameters t
PM-A, Pr(i) = A,
woraus durch Grenzübergang folgt
H{0) = A,, H(l) = Ä,_. (12)
Weiter folgt aus der fundamentalen Ungleichung (4) für je zwei
Werte t',t" von t im Intervall [Ol]:
\P,.{nPr(n''<Cr\t'-t'-,
und hieraus durch Grenzübergang
\H(t')Hit")\^,G t'-r\. (13)
Es ist also a fortiori
\f(t')~^i^(r)\^G\r-r\.
Daraus folgt aber sofort, daß die beiden Funktionen (p(t),il^(t) stetig-
und „von beschränkter Variation"^) sind, und dies ist die not-
wendige und hinreichende Bedingung dafür, daß die Kurve § reJäi-
fizierhar^) ist, womit der im Eingang dieses Paragraphen ausgesprochene
Satz in allen seinen Teilen bewiesen ist.
*) Vgl. Jordan, Cours d' Analyse, Bd. I, Nr. C.7. Es sei /(f) eine in einem
Intervall [t^t^] definierte Funktion und
irgendeine Teilung dieses Intervalls. Wenn dann die obere Grenze der Summe
it
2\ fK + l) - AV I , (-^0 = ^0. ^« + 1 = *l),
v = 0
für alle Teilungen JT endlieh ist, so heißt f(t) „von beschränkter Variation" (»
Variation bornee) in [i^^J.
^ Vgl. Jordan, loc. cit. Nr. 105, 110.
■428 Neuntes Kapitel. Das absolute Extremum.
§ 57. Beweis des Hilbert'schen Existenztheorems.
Wir gehen jetzt dazu über, den im vorangehenden Paragraphen
bewiesenen Hilfssatz auf das in § 55 formulierte Existenztheorem an-
zuwenden.
a) Eigenschaften der unteren (jrenze i(F' F"):
Wir werden uns dabei der folgenden abkürzenden Bezeichnungs-
weise bedienen: Wenn P\ P" irgend zwei Punkte des Bereiches ÖIq
sind, (die auch zusammenfallen dürfen), so bezeichnen wir mit9TL(P' P")
die Gesamtheit aller rektifizierbaren Kurven, welche in 6{q von P'
nach P" gezogen werden können, und mit i[P' P") die untere Grenze
-der Werte, welche unser Integral
J=JF(x,y,x,y)dt,
in der verallgemeinerten Bedeutung von §35, b) und c), entlang den
verschiedenen Kurven der Menge 9TI (P'P") annimmt.
Diese untere Grenze ist stets positiv ^ ivenn P' =H P ■ Denn nach
Voraussetzung A) und B) hat die Funktion F{x,yyGOsyjSm}>) in dem
abgeschlossenen Bereich: (x,y) in ÖIq; 0^'y^2:t ein positives Mini-
mum m und ein positives Maximum M. Ist daher ^ irgendeine
Kurve von 971 (P'P"), so erhalten wir, indem wir die Bogenlänge
auf der Kurve ß^ als Parameter einführen^),
0 < m P'F" ^^ml^^ J^iP'Pl < ^k ^ (^^)
unter L die Länge der Kurve S verstanden. Daraus folgt unsere
Behauptung und zugleich, daß
i(P'P")^m P'P'u (15)
Dagegen ist die untere Grenze i{P'P") gleich Null, wenn P"=P'\
i{P'P') = i). (16)
Denn gehen wir von P' nach irgendeinem anderen Punkt P" von
0lo entlang der Geraden-) P' P" und dann von'P" entlang derselben
Geraden nach P' zurück, so stellt dieser Weg nach unseren Voraus-
setzungen über den Bereich ^R^ eine Kurve der Menge 91[l(P'P') dar;
indem wir aber den Punkt P'' längs einer Geraden gegen P' kon-
vergieren lassen, können wir den Integralwert unter jede Grenze
herunterdrücken, womit unsere Behauptung bewiesen ist.
^) Daß die Ungleichung (14) auch für das verallgemeinerte Integral gilt,
folgt aus Gleichung (204 a) von § 35.
*) Im Fall der Voraussetzung D') ist anstelle der Geraden P'P" eine Ä-
Kurve von F' nach P", resp. von F" nach P' zu setzen, vgl. p. 422, Fußnote^).
§ 57. Beweis des Hubert 'sehen Existenztheorems. 429
Da der Bereich Öly konvex sein sollte, so dürfen wir die Un-
gleichung (14) auf die Gerade^) F' F" anwenden und erhalten so die
weitere Ungleichung
i{:P'F'')^M\F'F"\, (17)
aus welcher unmittelbar folgt, daß
L i(P'P") = 0. (18)
p" = 1"
Aus den beiden charakteristischen Eigenschaften der unteren
Grenze folgt weiter, daß für irgend drei Punkte P, P', F" des Be-
reiches 6\o die Ungleichung gilt
i(FF') + iiF'F") S i{PP"), (19)
die sich sofort auf eine beliebige Anzahl von Punkten ausdehnen läßt.
Die untere Grenze i{F' F") ist überdies eine stetige Funktion der
Koordinaten der beiden Punkte F',F"- Denn aus (19) folgt für je
zwei Punktepaare F',F" und Q',Q" von Öl^ die Ungleichung
- i{F'Q') - iiQ"F") Z i{Q'Q-) - i{rF") < i{Q' F') + i{F" Q"),
aus welcher nach (18) unsere Behauptung unmittelbar folgt, wenn
wir Q' gegen F' und Q" gegen F" konvergieren lassen.
b) Konstruktion der Hilberfschen Kurve:
Wir betrachten jetzt die Gesamtheit yXi{A^A^ aUer rektifizier-
baren Kurven, welche in ÖIq von Ä^ nach Ä^ gezogen werden können,
und bezeichnen die untere Grenze der zugehörigen Integralwerte mit K:
Dann gibt es entweder unter den Kurven von ^tKL^A^Ä^) eine,
welche dem Integral J den Wert K erteilt, in welchem Fall unsere
Behauptung bewiesen ist, oder aber wir können eine unendliche Folge
von Kurven
911«: S», 6», ..., 6;, ...
aus der Menge dTL^Ä^Ä^) herausgreifen derart, daß die zugehörigen
Werte des Integrals J, die wir mit
bezeichnen, für v = oo gegen K konvergieren^):
L Jl = K. ' (20)
Alsdann erfüllt die Kurvenfolge {SJ) die Bedingungen des Hilfs-
\) Vgl. Fußnote ^) auf p. 428.
^ Vgl. A I 4. Die Größe K ist Häufungspunkt der Menge der Integralwerte.
JB o 1 z a , Yariationsrechniing. 28
430 Neuntes Kapitel. Das absolute Extremum.
Satzes von § 56. Denn die Kurven (SJ verbinden sämtlicli die beiden
Punkte Ä^ und Ä^^, sie sind rektifizierbar, und die Menge ihrer Längen
ist beschränkt. Aus (20) folgt nämlich, daß die Menge {j;} beschränkt
ist, und die Ungleichung (14) zeigt dann, daß dasselbe für die Menge
der Längen gilt.
Somit können wir aus der Folge ?P(V eine Teilfolge
herausgreifen, welche gegen eine die heiden Funkte Ä^ und A^ ver-
bindende, reTctifizierhare Grcnzlurve § honvergiert:
L (£„=§. (21)
Da der Bereich ÖIq abgeschlossen ist, so liegt die Kurve § gan^
in 0lo-
■ Bezeichnen wir mit J„ den Wert des Integrals J eutlang der
Kurve (^^,, so folgt aus (20), daß auch
L J^, = K=i(Ä,Ä,\ (22)
da die Folge {J,,} in der Folge (j;) enthalten ist.
Die Kurvenfolge { © J hat nun die wichtige Eigenschaft, daß ein
analoger Satz für jeden Bogen der Kurve § gilt:
Wir wählen auf den Kurven S^ und § den Parameter t in der-
selben Weise wie in i^ 56, a). Sind dann f < t" zwei Werte von t
im Intervall [Ol], und bezeichnen wir vorübergehend mit [Jj;, den
Wert des Integrals J entlang der Kurve ^, vom Punkt t' bis zum
Punkt t", und mit H',H" die beiden entsprechenden Punkte H{t'),
Hit") der Kurve §; so gilt aUgemein der Satz^\ daß
L [JX-iiH'H'y ' (23)
r = 00
Zum Beweis gehen wir aus von der nach Gleichung 1210) von
§ 35 auch für das verallgemeinerte Integral geltenden Gleichung
Da wegen der Voraussetzung B): [J,]?^^., so ist die Menge
{[Jj;),^ = l,2,... (25)
beschränkt; sie besitzt also mindestens einen Häufungspunkt Zf,', und
wir können eine Teilfolge aus (25) herausgreifen derart, daß
1= CO
^) Vgl. Cakatheodory, loc. cit., p. 497.
§ 57. Beweis des Hilbert'schen Existenztheorems. 431
Ebenso besitzt die Menge
mindestens einen Häufungspunkt D^ und es existiert eine Teilfolo^e,
so daß ^ n ^ n ,
gleichzeitig ist dann auch
A= 00 K
Nunmehr folgt aus (24) und {22), daß auch die Grenze
existiert und endlich ist, und daß
Wir schreiben der Einfachheit halber ^tt^ statt i^,.^ und markieren
auf den beiden Kurven ^,^ und ö die Punkte:
und ziehen die Geraden^) H' F' und
; F" H"y die nach unserer Voraus-
setzung D) im Bereich Öl^ liegen.
Dann gehört die aus der Geraden H' F\
'■■ dem Bogen F' F'' der Kurve K und
der Geraden F" H" zusammengesetzte
Kurve zu ^tKi{H' H"). Der Wert des
Integrals J entlang dieser Kurve ist also > i{H' H"). Gehen wir zur
Grenze k = csd über, so konvergieren die Punkte F',F" gegen H'^H",
also das Integral J entlang den Geraden H' F' und F" H" gegen Null
Daher erhalten wir
n^^i{H'Hy (27)
Ebenso zeigt man, indem man die Kurvenzüge^)^iP'jff', resp.^"P"^2
betrachtet, daß
Li S KAH'\ Lh > i{H"A,). (27a)
Addiert man jetzt die drei Ungleichungen (27), (27 a) und benutzt
(26), so erhält man
*) Fiir den Fall der Voraussetzung D'), vgl. p. 422, Fußnote ^.
28*
432 Neuntes Kapitel. Das absolute Extremum.
Andererseits ist aber nach (19) die rechte Seite > K. Die beiden
Resultate sind nur vereinbar, wenn in (27) und (27a) überall das
Gleichheitszeichen gilt. Somit ist
L{ = i{A,H'), D; = i(H'H"), L],. = i{H"A,). (28)
Nun war aber Lf irgendein Häufungspunkt der Menge (25);
aus dem eben erhaltenen Resultat folgt daher, daß es der einzige
sein muß, und daher folgt das zu beweisende Resultat (23) nach dem
auf p. 424 Fußnote ^) gegebenen Lemma.
c) Minimaleigenschaft der Hubert 'sehen Kurve:
Wir wollen nunmehr nachweisen, daß das Integral J entlang der
Hilbert 'sehen Kurve § gleich der unteren Grenze K ist:
■h = -ff- (29)
Der Beweis gründet sich auf folgende charakteristische Eigenschaft
der Hilhert' sehen Kurve:
Sind H, H', H" drei in dieser Ordnung aufeinanderfolgende
Punkte der Hilbert 'sehen Kurve §, so ist
i{HH') + i(H'H") = i{HH"). (30)
Ist nämlich: O^^t <t' <t" ^l, and: H=H(t), H' = H{t'\
H' = H{t"\ so ist
woraus nach (23) durch Grenzübergang unmittelbar die Gleichung
(30) folgt.
Aus dieser Eigenschaft der Kurve § ergibt sich nun der Beweis
von (29) durch folgende Überlegung:
Wegen der Voraussetzung C) ist das verallgemeinerte Integral Jj^
die Grenze der in § 35, c) definierten Summe
n
v = 0
für Ar = 0. Wird die Teilung 77 so fein genommen, daß für jedes v
die Entfernung !P,P, + il kleiner ist als die in § 33, c) für den Be-
reich ölo definierte Größe d^, so liefert die .„kürzeste" Extremale @^
von P^ nach P^+i einen nicht größeren Wert für das Integral J als
jede andere rektifizierbare i) Kurve, welche in 6lo von P, nach P^,^^
gezogen werden kann.
1) Vgl. p. 278, Fußnote \ und p. 291, Gleichung (211).
§ 57. Beweis des Hilbert'scben Existenztheorems. 433
Liegt daher ©^ selbst ganz in ÖIq, so ist
Liegt dagegen @^ teilweise außerhalb Öl;,, so ist
daraus lolgt, daß
v = 0
Nun ist aber nach (30) die rechte Seite gleich K = iiA^Ä^)] indem
man zur Grenze A t = 0 übergeht, erhält man also
Andererseits folgt aber aus der Definition der unteren Grenze K^ daß
J§ > K, es muß also J^ = K sein.
Somit liefert in der Tat die Hilbert^sche Kurve § in dem an-
gegebenen Sinn das absolute Minimum für das Integral J.
Aus der Gleichung (29) folgt noch, daß für je zwei aufeinander-
folgende Punkte H', B" der Kurve §:
J^{H'H")^i{H'H"). (31)
Denn die linke Seite kann sicher nicht kleiner sein als die rechte;
wäre sie aber größer, so könnte man, wie aus den charakteristischen
Eigenschaften der unteren Grenze i{H' H") folgt, durch Abänderung
des Bogens H' B" der Kurve § eine neue Kurve herleiten, welche
dem Integral J einen Wert erteilen würde, der kleiner wäre als Z,
was nicht möglich ist.
d) Weitere Eigenschafteii der Hubert 'sehen Kurve:
Es sind jetzt noch die in § 55 behaupteten Eigenschaften der
Kurve ^ nachzuweisen.
Es ist zunächst klar, daß die Kurve § keine Boppelpunkte be-
sitzen kann, d. h. daß zwei verschiedenen Werten von t stets zwei
verschiedene Punkte von § entsprechen. Denn wäre B'(t') = B{t"\
t'<t'\ so könnte man durch Unterdrückung des Bogens [ff] aus
§ eine neue Kurve herleiten, entlang welcher der Wert des In-
tegrals J wegen unserer Voraussetzung B) kleiner wäre als K, was
unmöglich ist.
Die Punkte der Kurve § werden nun im allgemeinen zum Teil
im Innern von ÖIq liegen, zum Teil auf der Begrenzung. Es sei
^= [u], resp. £B = {i'j die Gesamtheit derjenigen Werte von t im
Intervall [01]^ welchen Punkte der Kurve § entsprechen, die im
434 Neuntes Kapitel. Das absolute Extremum.
Innern, resp. auf der Begrenzung des Bereiches öl^ liegen. Aus der
Stetigkeit der Kurve § folgt dann, daß jeder Punkt u von ^ zugleich
ein innerer Punkt der Menge c^ ist, mit Ausnahme von t = 0 und
^ = 1, falls diese Punkte überhaupt zu ^ gehören sollten. Daher läßt
sich ein den Punkt u in seinem Innern enthaltendes Teilintervall [a ß]
von [Ol] bestimmen, derart daß alle inneren Punkte des Intervalls
[aß] zu ^ gehören, während die Endpunkte a, ß zu 6h gehören, außer
falls dieselben etwa mit 0 oder 1 zusammenfallen sollten. Die Menge
^ besteht daher aus einer endlichen oder unendlichen Menge solcher
offenen Intervalle, die sich nicht gegenseitig überdecken. Nach einem
Satz von Cantor^) ist die Menge dieser Intervalle abzählbar, so
daß wir sie mit , ^ ^ ^ ^^
(KAI), v = l,2,...
bezeichnen dürfen.
Wir haben jetzt zu beweisen, daß jedem solchen Intervall K^J
auf der Kurve g ein einziger Extremalenbogen Ä^,B^ entspricht,
welcher, abgesehen von den Endpunkten, ganz im Innern des Be-
reiches 6{q verläuft.
Sei in der Tat t^ ein Wert von t zwischen a^. und ^,„ und Äq
der entsprechende Punkt der Kurve §; derselbe liegt dann im Innern
von Ölo; daher können wir eine Umgebung {d) des Punktes H^ an-
geben, welche ganz in 0lo liegt. Ferner gehört zum Bereich % eine
wie in § 34, b) definierte positive Größe r^; es sei 6 die kleinere der
beiden Größen -, ^- Dann können wir wegen der Stetigkeit der
^ .
Kurve § rechts und links von t zwei Werte t^ ^^^ ^i ^^ ^^^^ "^^ ^o
annehmen, daß der dem Intervall [r^r^] von t entsprechende Bogen
H^H^ der Kurve § ganz im Innern des Kreises {H^, ö) liegt.
Da alsdann i^i-Hg^ < ^^ ^ ^o^ so können wir von E^ nach i/g
eine „kürzeste'^ Extremale @ ziehen; dieselbe ist von der Klasse G"\
besitzt keine mehrfachen Punkte 2) und liegt ganz im Innern des
Kreises (H^, 2 a). Sie liegt daher auch a fortim-i im Innern des
Kreises {H^, 4(j), also sicher auch im Kreis {H^, d) und somit ganz
im Bereich 6^^, woraus folgt, daß
Andererseits ist der Bogen Ä^i^g ^^"^ ^^rwQ § von der Klasse^) K,
er liegt im Innern des Kreises {H^, a) und daher a fortiori im Innern
von (i^i, 2(5), somit auch im Innern des Kreises (JEZ^, r^). Angenommen
dieser Bogen enthielte mindestens einen Punkt, welcher nicht auf dem
1) Mathematische Annalen, Bd. XX (1882), p. 118.
^) Vgl. Satz I von § 83. ») Vgl. § 35, b).
§ 57. Beweis des Hilbert'schen Existenztheorems. 435
Extremalenbogen @ liegt, so würde nacli § 35, d), Ende, auf Grund
■des Osgood' sehen Satzes^) folgen, daß
Das ist aber wegen (31) ein Widerspruch mit dem eben gefundenen
Resultat; also muß jeder Punkt des Bogens H^H^ der Kurve ^ auf
dem Extremalenbogen @ liegen.
Sind die beiden Bogen dargestellt durch
@: x = x{s), y = y{s), s.^s'^s^,
so bedeutet das eben bewiesene Resultat analytisch, daß es eine im
Intervall [r^r^] eindeutig definierte Funktion s = s(f) gibt, für welche
in diesem Intervall ^ , . ^
Um die Identität der beiden Bogen nachzuweisen, ist nun über-
dies noch zu zeigen, daß diese Funktion s{t) stetig ist und beständig
zunimmt.
Um die Stetigkeit in einem Punkt i^' zu beweisen, betrachten wir
irgend eine Folge {t^} von Werten der Variabein t, welche t' zur
Orenze hat, und für welche die Folge [s(Q} konvergent ist; sei s'
der Grenzwert. Dann folgt aus der Tatsache, daß der Bogen @ keine
Doppelpunkte hat, daß s' = s{t') sein muß, woraus sich in bekannter
Weise ^) die Stetigkeit von s(t) in t' ergibt.
W^eiter hat aber auch die Kurve §, wie wir geseher haben, keine
Doppelpunkte. Daraus folgt, daß zwei verschiedener Werten von t
stets zwei verschiedene Werte von s{t) entsprechen, und hieraus
schließt man nunmehr leicht, daß die Funktion s{t) beständig wächst.
Die beiden Bogen sind also identisch, da ihre analytischen Dar-
stellungen durch eine zulässige Parametertransformation ineinander
übergeführt werden können (vgl. § 25, a)).
Nun war aber i^^, ein beliebiger Wert von t zwischen a^ und j3^;
daraus folgt, daß der Bogen A^B^. der Kurve § aus einem einzigen
Extremalenhogen der Klasse C" besteht.
Hiermit ist der in § 55 ausgesprochene Satz in allen seinen Teilen
hewiesen.
^) Der Satz von § 83, c) würde nur zu der Ungleichung J^{Hy^ II^)^J^ {H^ H^)
führen; erst die Anwendung des Osgood' sehen Satzes Hefert die hier nötige
stärkere Ungleichung mit dem Zeichen >.
^) Vgl. z. B. Veblen and Lennes, Introduction to Analysis, p. 70, Corollary 7.
4^36 Neuntes Kapitel. Das absolute Extremum.
Wir erwähnen noch folgenden Zusatz zum Existenztheorem:
Ist der Bereich ÖIq hescJiränM, perfeli, susammenhängend und
extremal-lionvex^), so hcsteU die Hilhert'sche Kurve § aus einem ein-
zigen Extremdlenhogen.
Zunächst folgt nämlich aus Gleichung (184b) von § 33, daß in
diesem Fall die Voraussetzung D') erfüllt ist, wobei die kürzeste
Extremale von P' nach P" an Stelle der Kurve t tritt. Sodann
gelten die obigen Schlüsse nunmehr für jeden Bogen H^H^ der
Kurve §, mag derselbe Punkte der Begrenzung von 6{^ enthalten
oder nicht, wofern nur die beiden Punkte H^, H, hinreichend nahe
beieinander gewählt werden. Denn unter unserer gegenwärtigen Voraus-
setzung liegt die kürzeste Extremale von H^ nach H^ dann stets ganz
im Bereich 6i^. Daraus folgt, daß die dort für den Bogen ^,Ji,, ab-
geleiteten Resultate jetzt für die Kurve § in ihrer ganzen Ausdehnung
gelten.
Beispiel I: (Vgl. pp. 1, 33, 79, 398).
Wir wollen schließlich noch das Hilbert'sche Existenztheorem auf die
Frage des absoluten Minimums bei dem Problem der Rotationsflüche kleinsten
Inhalts anwenden. Es handelt sich darum, das Integral
zu einem absoluten Minimum zu machen in Beziehung auf die Gesamtheit aller
gewöhnUchen Kurven, welche in dem Bereich 01 : i/> 0 von P, nach P, gezogen
werden können. . ^„
Wenn es überhaupt eine Kurve gibt, welche ein absolutes Minimum mr
das Integral J liefert, so muß dieselbe a fortiori auch ein relatives Minimum
liefern Nun haben wir aber früher 2) das Problem des relativen Minimums voll-
ständig gelöst: dasselbe hat je nach der Lage des Punktes P, entweder eii^
einzige Lösung, nämlich die Goldschmidt'sche diskontinuierliche Losung k,
oder aber zwei^ Lösungen, nämlich die diskontinuierliche Lösung k und außer-
dem noch eine Kettenlinie 6« ^i* ^^r rr-Achse als Direktrix, welche den zu P,
konjuo-ierten Punkt nicht enthält. Sobald wir also beweisen können, daß ein
absolutes Minimum überhaupt existiert, so folgt im ersten Fall unmittelbar, daß
dasselbe von der Kurve t geUefert wird, während im zweiten Fall die Losung
diejenige unter den beiden Kurven ©„ und k sein muß, welche den kleineren
Wert für das Integral J liefert.
Wir können nun zwar das Hilbert'sche Existenztheorem in der Formu-
lierung von § 55 nicht direkt auf unser Beispiel anwenden, da unsere Voraus-
setzungen im Bereich 01 nicht erfüllt sind. Dagegen führt die folgende von
Mary E. Sinclaik^) herrührende Überlegung zum Ziel:
i) Nach der Definition von § 33, b). ') Vgl. p. 399.
») VgL Annais of Mathematics (2), Bd. IX, (1908) p. 151
§ 57. Beweis des Hilberfschen Existenztheorems. 437
Wenn zunächst die Entfernung der beiden Punkte P^ , P^ grüßer oder
gleich 2/1 +2/2 ist'i so ist die Länge jeder zulässigen Kurve ^y^ -\' V-ii "^^^ ^^-
her folgt nach dem in § 52, b) mitgeteilten Satz von Todhunte r sofort, daß in
diesem Fall die diskon^tinuierliche Lösung ^ einen kleineren Wert für das Inte-
gral J liefert als jede andere zulässige Kurve.
Es bleibt also nur der Fall zu betrachten, wo: Pi Pg <I 2/i ~h 2/2 • ^^
diesem Fall konstruieren wir die Ellipse mit den Brennpunkten P^, P^, für
deren Punkte P \P,P\ + \P,_P, ^ y^ + y^,
und bezeichnen das Innere derselben zusammen mit der Ellipse selbst mit ^^j.
Für irgend einen nicht auf der Ellipse gelegenen Punkt Q ist dann : ^)
1 J\ <? I + i J^ ^ l< 2/1 + 2/2 od er > 2/, + 2/2 ,
je nachdem der Punkt im Innern oder außerhalb der Ellipse liegt. Daraus folgt,^
daß die Ellipse ganz im Innern der oberen Halbebene liegt.
Ferner folgt, daß die Länge jeder zulässigen Kurve, welche nicht ganz
im Innern der Ellipse verläuft, >2/i +2/21 ^^^ daher liefert nach dem eben er-
wähnten Todhunt er 'sehen Satz jede solche Kurve für das Integral J einen
größeren Wert als die diskontinuierliche Lösung ^.
Andererseits sind für den Bereich 01^ die Voraussetzungen A) bis D) für
das Existenztheorem erfüllt. Daher gibt es mindestens eine rektifizierbare, von
Pj nach P^ führende, ganz in Si^ verlaufende Kurve §, welche einen nicht
größeren Wert für das Integral J liefert, als jede andere rektifizierbare Kurve,
welche in 01^ von P^ nach P^ gezogen werden kann.
Liegt die Kurve § ganz im Innern der Ellipse, so besteht sie nach dem
Existenztheorem aus einem einzigen Extremalenbogen, sie muß also mit der oben
erwähnten Kettenlinie ©^ identisch sein. In diesem Fall liefert daher entweder
die Extremale (gj, oder die diskontinuierliche Lösung ^ oder beide das gewünschte
absolute Minimum, je nachdem J^ <; oder ^ oder = J"^.
Liegt dagegen die Kurve § nicht ganz im Innern der Ellipse, so ist ihre
Länge > 2/1 + 2/2 1 da sie mindestens einen Punkt P der Ellipse enthält und
nicht mit dem Geradenzug 1\FF^ identisch sein kann. Daher ist, wie man
leicht aus dem Satz von Todhunter ableitet, J ^^ >> ,7^, woraus folgt, daß in
diesem Fall die Kurve ^ das absolute Minimum liefert.
Nachdem so die Existenz eines absoluten Minimums bewiesen ist, bleibt
nur noch übrig, für den Fall, wo der Punkt P^ im Innern des auf p. 81 defi-
nierten Bereiches I liegt, zu entscheiden, welche von den beideii Kurven ©^ und
^ den kleineren Wert für das Integral J liefert. Diese Frage ist von Mac Neish ^)
untersucht worden. Er findet folgende Resultate:
Auf jeder vom Punkt P^ ausgehenden Kettenlinie mit der ^- Achse als
Direktrix gibt es zwischen P^ und dem zu P^ konjugierten Punkt P( einen
; und nur einen Punkt P'/, für welchen der Bogen I\ T'{ der Kettenlinie dem
^) Vgl. z. B. Briot et Bouquet, Legons de Geometrie analytique, 14 ^me ed.
p. 224.
2) Annais of Mathematics; (2), Bd. VII (1905), p. 72.
438
Neuntes Kapitel. Das absolute Extremum.
Integral / denselben Wert erteilt, wie die diskontinuierliche von P^ nach P^
führende Lösung,
Der Ort der Punke P^' ist eine Kurve ®, welche eine ähnliche Gestalt
hat wie die Kurve ^, und weichenden Bereich 1 in zwei
Teile V und I" zerlegt (siehe Fig. 101). Liegt der Punkt P^
im Lmern von F, so liefert die Kettenlinie den kleineren
Wert; liegt der Punkt P, auf der Kurve @, so liefern beide
Lösungen denselben Wert; liegt der Punkt Pg im Innern
des Bereiches I", so liefert die diskontinuierliche Lösung
den kleineren W^ert.
Somit erhalten wir folgendes Schlußresultat:
Liegt der Punkt Pg im Innern des Bereiches 1\ so
liefert die Kettenlinie, und nur sie, das absolute Minimum.
Liegt der Punkt P^ auf der Kurve %, so liefern die
,' Kettenlinie und die diskontmuierliche Lösung beide das ab-
'/ sohlte Minimum.
Für jede andere Lage des Punktes Pg liefert
~ ^^ ^ die diskontinuierliche Lösung, und nur sie, das ab-
Pig. 101. solute Minimum.
§ 58. Ein Satz von Darboux über das absolute Extremum.
Wenn längs einer vom Punkt P^ ausgehenden Extremalen ^
die Bedingungen (IV) und (IV ') von § 32, b) erfüllt sind, so wird
ein Bogen P^P^ dieser Extremalen ein starkes relatives Minimum für
das Int*egral J liefern, solange der Punkt Pg zwischen P^ und dem
zu Pi konjugierten Punkt P[ liegt; das relative Minimum wird da-
gegen aufhören (abgesehen von den beiden in § 47, c) angeführten
AusnahmefäUen), wenn der Punkt Pg mit P/ zusammenfaUt.
Aus der Beziehung zwischen dem relativen und dem absoluten
Extremum folgt daher a priori, daß das absolute Extremum spätestens
im Punkt P/ aufhören muß. Darboux i) hat nun aber gezeigt, daß
das absolute Minimum stets schon vor dein relativen aufhört, wenn die
eben erwähnten Ausnahmefälle ausgeschlossen werden.
Denn da wir voraussetzen, daß der Extremalenbogen P^P^ schon
kein relatives Minimum mehr liefert, so können wir eine benachbarte,
von Pi nach P/ führende Kurve S angeben, für welche die Differenz
j,(p,p;)-/,(PiP;) = /^
einen positiven Wert hat. Wählen wir dann den Punkt Pg zwischen
Pi und P; so nahe bei P^, daß zugleich ^j
1) Theorie des surfaces, Bd. III (1894), p. 89; vgl. auch Zermelo, Jahres-
bericht der deutschen Matheraatikervereinigung, Bd. XI (1902), p. 184.
2) Wegen der Bezeichnung (£-' vgl. § 25, b).
I
§ 58. Ein Satz von Darboux über das absolute Extremum. 439
j^(i\p;)|<|, und |j^^.(p;i^)|<|,
80 erteilt der aus der Kurve S und dem Bogen P/P2 ^^^ Kurve @~^
zusammengesetzte Weg dem Integral J einen kleineren Wert als der
Extremalenbogen PiP2'-, letzterer liefert
also sicher kein absolutes Minimum.
Darboux schließt dann weiter (wenig-
stens für den speziellen Fall der geo-
dätischen Linien), daß es mvischen Pj und P'^
einen ganz bestimmten Punld P'^ geben
muß^)j derart daß der Extremalenbogen P^P^ für P^^P^^<^P'[ das
absolute Minimum liefert, dagegen nicht mehr für P^ -^ P^.
Um eine feste Grundlage für den Beweis zu haben, nehmen wir
an, daß für das betrachtete Yariationsproblem die Voraussetzungen
A), B), C) und D') von § 55 erfüllt sind, und daß der Bogen P^P[
der Extremalen @ ganz im Innern des Bereiches Öl^ liegt.
Wir wählen den Punkt P^ beliebig auf dem Extremalenbogen
P^P[ und betrachten in der Bezeichnung von § 57 die Differenz
J^iP^P,) - i(P,P,). (32)
Sind fj, ^2, t^ die Parameter der Punkte P^, P^, P^ auf der Extre-
malen (S, so ist die Differenz (32) eine im Intervall t^'^t^^ t[ ein-
deutig definierte Funktion von t^, die wir mit f{t^) bezeichnen. Nach
§ 57, a) ist dieselbe in dem angegebenen Intervall stetig und nach
der Definition des Zeichens i^P^P,^) ist überdies
fit,) y 0 für t,^t,^ t[. (33)
Ist ^2 hinreichend nahe bei t^, so ist /"(fg) = ^f ^^^^ dann nach § 33, a)
und c) der Extremalenbogen P^P2 das absolute Minimum des Inte-
grals J liefert; ebenso ist wegen (16): f{tj) = 0.
Andererseits ist nach der über den konjugierten Punkt P^ ge-
machten Annahme
fit;) > 0.
Es sei jetzt f^ die untere Grenze derjenigen Werte von t^ im Inter-
vall pi^J, für welche f(t2)>0. Dann folgt aus der Stetigkeit von
f(t^), daß f(t'l) = 0, sodaß also wegen (33)
f(t,) = 0 für t,Zt,Z t'i (34)
Dagegen ist
fih) > 0 für t'l <t,^t [. (35)
^) Wegen der Bedeutung des Zeichens -< siebe p. 190.
440 Neuntes Kapitel. Das absolute Extremum.
Denn wenn t^ zwischen den angegebenen Grenzen liegt^ so können
wir nach der Bedeutung von f'/ stets zwischen t'[ und t^ einen Wert ^3
finden, für welchen f(t^ > 0. Dann gibt es nach der Bedeutung des
Zeichens i{P^P^) eine der Menge ^tT(l(P^l\) angehörige Kurve il, für
^^'^^ J^{P,F,)<J^{P,P,),
Also liefert auch die aus der Kurve S und dem Bogen P3 P^ von ® zu-
sammengesetzte Kurve einen kleineren Wert für das Integral J als
der Bogen P^ P^ von @, es muß also in der Tat fXQ > 0 sein. Die
hiermit bewiesenen Relationen (34)^ (35) drücken aber gerade den
oben ausgesprochenen Satz aus. Darüber hinaus gilt aber noch der
folgende Satz:
Liegt der Punkt P^ zwischen P^ und P'^, so ist der Bogen P^P^
der Extremalen (S die einzige Kurve, ivelche das absolide Minimum
liefert, mit anderen Worten: dieser Bogen erteilt dem Integral J" einen
kleineren Wert als jede andere rektifizierbare Kurve, welche in Öl^
von Pj nach Pg gezogen werden kann.
Denn angenommen, es gäbe eine von dem Extremalenbogen ©
verschiedene Kurve ^ der Menge 9Tl(PiP2), für welche
dann hat die Kurve (S alle in § 57, d) von der Hilbert'schen Kurve
g bewiesenen Eigenschaften. Da der Punkt Pg ein innerer Punkt
von Ölo ist, so besteht sie daher, falls sie ganz im Innern von ÖIq
liegt, aus einem einzigen Extremalenbogen, oder aber sie besitzt, falls
sie Punkte mit der Begrenzung von ÖIq gemeinsam hat, einen letzten
der Begrenzung von ÖIq angehörigen Punkt P^, und es ist dann der
Bogen P3P2 ein Extremalenbogen. In
beiden Fällen kann die Kurve ^ im
Punkte P2 die Extremale @ nicht gleich-
sinnig berühren; denn sonst müßte nach
§ 23, c) und d) und' § 27, a) wegen der
Voraussetzung C) entweder die Kurve d
mit dem Bogen P^P^ der Extremalen @
^'^s-iod. identisch sein, oder sie müßte diesen
Bogen als Bestandteil enthalten; ersteres verstößt gegen unsere An-
nahme über die Kurve ^, letzteres gegen die Voraussetzung B) und
die Gleichung (36).
Nunmehr^) können wir einerseits auf der Kurve (E einen Punkt
P4 und andererseits auf der Extremalen @ zwischen Pg und P'/ einen
1) Vgl. für diesen Schluß Darboux, loc. cit. p. 90, Fußnote.
I
§ 58. Ein Satz von Darboux über das absolute Extremum. 441
Punkt P5 annehmen, beide so nahe bei P<^, daß wir nach § 33, c)
von P^ nach P5 eine ganz in BIq verlaufende „kürzeste'^ Extremale
(^' ziehen können, welche einen kleineren Wert für das Integral J
liefert, als die wegen der Ecke im Punkt Pg sicher von ihr ver-
schiedene, zusammengesetzte Kurve P^P^Pr^. Dann ist aber nach (36)
j^ip.p,) = j^{p,p,) + J^{p,p,) > J^{p,Pd + 'J^.{p,p,)-
Das ist aber nicht möglich, weil nach (34): J^(P^P^) = i(^P^P^). Es
kann also keine Kurve S von den angegebenen Eigenschaften geben,
womit unsere Behauptung bewiesen ist.
Der Punkt P^' hat die weitere, für geodätische Linien ebenfalls
schon von Darboux bemerkte Eigentümlichkeit, daß es eine von dem
Bogen P^ P[' von (£ verschiedene Kurve § der Menqe 9TI (P^ P^') gibt,
^''^"*''^ j,iP.p;)-MP.p:). ' "m
Zum Beweis nehmen wir auf der Extremalen (^ zwischen P^' und
P[ eine unendliche Folge von Punkten {§,, ) an, welche für v = cx)
gegen P^' konvergiert. Für jedes v gibt es dann nach dem Hilbert'-
schen Existenztheorem eine nach (35) von dem Extremalenbogen P^ Q^,
von (^ verschiedene Kurve ©,, von 9TL (P^ (>^,), für welche
Bezeichnen wir mit ^\, die aus der Kurve (5^,. und dem Bogen Q^P^'
von (£~^ zusammengesetzte Kurve, so konvergiert nach § 57, a) der
Wert des Integrals J^^{P^P'^) für v = 00 gegen i(P^P['). Daher
können wir nach § 57, b) aus der Folge {^J eine Teilfolge {^, }
herausgreifen, welche für Ä = 00 gleichmäßig gegen eine Kurve § der
Menge 9TI (P^P^') konvergiert, für welche
J^(p,p;') = ^•(AP;),
und für welche also wegen (34) die Gleichung (37) gilt.
Angenommen diese Kurve § wäre mit dem Bogen P^P^ der
Extremalen @ identisch. Dann könnten wir, da der letztere ganz im
Inneren von 01^ liegt, eine ganze Zahl n angeben, so daß sämtliche
Kurven ^,,^, für welche k :> n, ebenfalls im Innern von ÖIq liegen.
Dann müßten aber nach § 57, d) die Kurven (S;,, für k> n Bogen der
Extremalenschar durch den Punkt P^ sein, deren Schnittpunkte Q,
mit der Extremalen @ für k = 00 gegen P^" konvergieren. Da P['
kein zu P^ konjugierter Punkt (im weiteren Sinn) ist, so führt dies,
wie man leicht zeigt, zu einem Widerspruch mit der in § 29, c) be-
wiesenen Eigenschaft nicht-konjugierter Punkte. Somit muß also die
442
Neuntes Kapitel. Das absolute Extremum.
Kurve § von dem Bogen F^P'^ der Extremalen (g verschieden sein,
womit unsere Behauptung bewiesen ist.
Bestimmt man auf jeder vom Punkt P^ ausgehenden Extremalen
den Punkt F'^, so ist der geometrische Ort des Punktes F'^ eine
Kurve \), die wir mit % bezeichnen, und die für das absolute Extre-
mum dieselbe Rolle spielt, wie die Enveloppe g für das relative.
Liegt die oben mit § bezeichnete Kurve ganz im Innern des Be-
reiches ^0 7 so besteht sie aus einem einzigen, von F^ nach F'^ führen-
den Extremalenbogen. Wegen der Voraussetzung B) können wir
sowohl auf § als auf @ den Integralwert u als Parameter einführen
und beide Kurven in der Normalform (188) von § 33, c) darstellen:
§ : o; = g?K a^\ y = ^bh %]. ^^^^< C;
wobei c den für beide Kurven gemeinsamen Integralwert im Punkt F'^
bedeutet, während a^ 4= %. Im Punkt F'^ ist dann
Diese Gleichungen sagen aber aus, daß der FimU P^' ein DoppelpmU
der Transversalen
x = (p[c,a], y-=i^[c,a], 0 < a < 2??
(38)
der Extremalmschar durch den FunU F^ ist.
Die vorangehenden allgemeinen Sätze wer-
den durch die in § 57, e) für die Rotationsfläche
kleinsten Inhalts erhaltenen Resultate bestätigt.
Noch einfacher ist das folgende Beispiel ^),
welches zugleich zeigt, daß analoge Sätze auch
für Probleme mit variabeln Endpunkten gelten :
Die kürzeste Kurve von einem gegebenen
Punkt Pi nach einer gegebenen Ellipse zu ziehen.
Die gesuchte K\irve ist nach § 40 eine
von P^ auf die Ellipse gefällte Normale P^Pg.
Ist P:, der zum Punkt P^ gehörige Krümmungs-
mittelpunkt der Ellipse, so liefert die Normale
Pi P2 ein relatives Minimum, wenn der Punkt P,
auf derselben Seite des Punktes P^ liegt wie
der Punkt P^. Dagegen hört das relative Mini-
3,ig.l04. mum auf, wenn P„ mit P!, zusammenfällt
1) Zeumelo, loc. cit. p. 185, nennt diese Kurve für den Fall der geodätischen
Linien die ^,Doppelabstan(lskurve''.
2) Vgl. Darboux, loc. cit., p. Ol.
I
§ 58. Ein Satz von Darboux über das absolute Extremum. 443
(außer wenn P^ mit einer der auf der großen Achse der Ellipse gelegenen
Spitzen^) P^ und P^ der Evolute ^ zusammenfällt).
Zwischen dem Punkt P^ der Ellipse und dem Krümmungsmittelpunkt P^
existiert nun (abgesehen von dem eben erwähnten Ausnahmefall) stets ein Punkt
P2', von dem aus außer der Normalen P'^' P^ noch eine zweite, mit ihr gleich-
lange Normale P^ Ps an die Ellipse gezogen werden kann, nämlich der Schnijit-
punkt der Normalen im Punkt P^ mit der großen Achse der Ellipse.
Liegt dann der Punkt P^ zwischen P^' und P^ oder jenseits des Punktes
Pg, so liefert die Normale P^P^, und nur sie, das absolute Minimum; fällt P^
mit Pg' zusammen, so liefern die gleichlangen Normalen P^' P^ und P2 P3 beide
das absolute Minimum; liegt P^ zwischen P^" und P;, so liefert die Normale P^P^
noch das relative, aber nicht mehr das absolute Minimum; von P^ an hört auch
das relative Minimum auf.
Die Kurve (SJ ist also hier das Segment P^P'^ der großen Achse; dasselbe
ist in der Tat (zusammen mit dem entsprechenden Segment P^P^ der kleinen
Achse) der geometrische Ort der im endlichen gelegenen Doppelpunkte der
Parallelkurven 2) der Ellipse, welche im gegenwärtigen Fall an die Stelle der
Trans versalenschar (38) tritt.
^) Diese Spitzen sind nämlich gerade von der ausgeschlossenen Art; in
diesem Ausnahmefall, welcher eintritt, wenn der Punkt P^ auf der großen Achse
der Ellipse liegt, gelten auch in der Tat die Darboux'schen Sätze nicht mehr.
^) ^gl. z- B- LoRiA, Spezielle algebraische und transzendente Kurven, (1902)
p. 648.
Übungsaufgaben zu Kapitel VI bis IX.
1 Für Beispiel XVII: F= ,f ^- „ die TransversaUtätshedingung auf-
zustellen (§ 36).
Lösung:
V sin^ö, (— sin 2Ö, cosöj + (2 + cos 26,) sin0J = 0.
^' ' (Kneser)
2. Für Beispiel XIII: F =^ O {x,y)yx"'^^^^ die TransversaUtätshedingung
mittels der Indikatrix abzuleiten (§ 36).
3. Für Beispiel XIV:
F=^ ixy' — yx') — E ^/x"" + y''^ :
a) Die Transversalitätsbedingung aufzustellen. Elementargeometrische Kon-
struktion von öl, wenn x,, y^, 6, gegeben sind (§ 30).
b) Zu der Extremalenschar durch den Koordinatenanfangspunkt 0 die Trans-
versaloischar zu bestimmen (§§ 31, 44).
Lösung: Die Schar konzentrischer Kreise mit dem Mittelpunkt 0.
c) Die Kurve k schneide die Extremale (£« im Punkt 1\ transversal: den
Brennpunkt der Kurve k auf der Extremahn ^^ zu bestimmen, sowohl nach der
Formel (47) von § 39 als mittels der Extremalenschar, welche von t transversal
geschnitten wird (§ 40).
Lösung: Sind 0,,e, die Tangentenwinkel von ©o, beziehungsweise t im
Punkt P,, i\ der Krümmungsradius von ^ in I\, D^ der Abstand des Punktes P,
.vom Koordinatenanfangspunkt 0, y die Amplitude des Vektors OP,, so lautet
die Gleichung zur Bestimmung des Tangentenwinkels 0'/ von ©o ^^ Brennpunkt P'/:
2r, sin (ö;' - 6,) sin^ (d, — 6,) + sin (Ö'/ — ÖJ (A ^in {B^ — y) — 212) = 0.
Wenn insbesondere r, = o^ , so ist die Tangente an ©^ in P'/ parallel der Tan-
gente an ^ im Punkt P^ .
4*. Für das AktionsintegraV)
die Bedingung zur Bestimmung des Punktes P« aufzustellen, ivenn der Anfangs-
pu/nkt Po auf einer gegebenen Kurve t beweglich, der Endpuyikt P, fest ist (§ 36, b))-
») Vgl Aufgabe 9, p. 296.
Übungsaufgaben zu Kapitel VI bis IX. 445
Dabei wird vorausgesetzt, daß die Anfangsgeschwindigkeit t?o und das
Potential U{x,y) von den Koordinaten der Endpunkte unabhängig sind, und daß
die Konstante h bestimmt ist durch die Gleichung
Lösung: Die Gleichung zur Bestimmung des Punktes P^ auf der Kurve ^
lautet :
V, cos {% — e,) -f {t^ — t,) {X, cos e, H- Y, sin %) == 0 .
Dabei bedeutet t die Zeit, X^, Y^ die Komponenten der Kraft im Punkt P^^.
Für den speziellen Fall eines schweren materiellen Punktes^) reduziert sich
die Bedingung darauf, daß die Tangente an die Extremale im Punkt P^ senkrecht
zur Tangente an die Kurve ^ im Punkt P^ sein muß, also dieselbe Bedingung
wie bei der Brachistochrone. (Bück)
5*. Die Gleichung zur Bestimmung des Brennpunktes für das Integral
dy
dx
aufzustellen (§ 39).
Lösung: Die Kurve t sei gegeben in der Form: y==y(x); sie schneide
die Extremale ©^ ■.y = y(x) transversal im Punkt P^ ; A(^,^J habe dieselbe Be-
deutung wie in § 12. Setzt man dann
A-f. + i^r-y')f, + y"f,' + {y'-yrf,^,\\
P^^=-{y'-yyfy,y\\ '^^^
ßo lautet die Gleichung zur Bestimmung des Brennpunktes der Kurve t auf der
Extremalen (g^ :
A,l^{x,x,)JrB,^^^p'''^=0. (40)
0 X-^
6. Das Integral'^)
J'=^Yf{y''' — y'^)dx
Xj_
soll zu einem Minimum gemacht werden; der Anfangspunkt ist fest und fällt mit
dem Koordinatenanfangspunkt zusammen; der Endpunkt ist auf der Kurve
'-. y = {a~xY, (c^>0)
hetveglich (§ 38).
Lösung: *
2/2 sin X
2/=- -^ ,
sin x^ ' "
wo x^_ der Gleichung
3 {x^ — a) — sin 2 a?2 = 0
^) Vgl. Aufgabe 10, p. 296. '-) Vgl. Aufgabe 3, p. 144.
Bolza, Tariationsrechnung. 29
4^ß Übungsaufgaben zu Kapitel VI bis IX.
genügt. Für ein Minimum ist notwendig, daß: x^<ci, und x,^<:^n. Diese Be-
dingungen sind nur vereinbar, wenn
Numerisches Beispiel : a = 2 ; dann ist a;. = 1 . 88 , y.j,.^ 0 . 55 .
Andeutung: Wende die „Differentiationsmethode" von § 38 an und mache
von den Formeln (75) von p. 147 Gebrauch. (A. Mayer)
7. Konstruktion einer KettenUnie mit der x-Achse als Direktrix, trelche durch
einen gegebenen Funkt geht und eine gegebene Gerade senkrecht schneidet (§ 39).
Lösung: Die Konstantenbestimmung, bei der man von dem Satz, daß alle
Kettenlinien ähnlich sind, Gebrauch machen kann, führt auf eine transzendente-
Gleichung von der Form
Ch u =:= au -\- h .
8*. Es sei eine Kurve ^ gegeben und auf ihr ein Punkt F^; einen siveiten
Funkt Pg auf Ä und eine von F^ nach P^ führende Kurve © von gegebener Länge l
zu bestimmen derart, daß der von dem Bogen F^ F, der Kurve ^ und dem Bogen
Pi F^ der Kurve ® eingeschlossene Flächenraum ein Maximum wird.
Andeutungen: Führe Polarkoordinaten ein mit dem Punkt P^ als Pol.
Ist P ein beliebiger Punkt der Kurve .t und | P^ P | = r, so bedeute qp (?) den
Inhalt der zwischen der Geraden P^ P und dem Bogen P^ P der Kurve ^ ent-
haltenen Fläche. Führt man dann auf den zulässigen Kurven die Bogenlänge s,
gemessen vom Punkt P^ aus, als unabhängige Variable ein (vgl. Aufgabe 35 von
p. 141)), so ist die gegebene Aufgabe mit der folgenden äquivalent: Das Integral
J=^J{r i/i — r'^ + 2 qp'(r) r') ds
o
zu einem Maximum zu machen in Beziehung auf die Gesamtheit der Kurven
r = r(s), 0^s:^l
in der ?•, 6--Ebene, welche vom Koordinatenanfangspunkt nach der Geraden s=l
gezogen werden können, und welche abgesehen von Stetigkeitsbedingungen den
Ungleichungen '
r(«)>0, |»''(s)|5l füJ^ 0^s<:Z
genügen (§§ 7, 38—41). '
Lösung: Die gesuchte Kurve in der x,y-Ehene ist ein Kreisbogen, welcher
im Punkt P, auf der Kurve ^ senkrecht steht. Ist 2% der Zentriwinkel des
Kreisbogens P^ P, , ferner r, = Pj P^ ' und q^ der Krümmungsradius der Kurve t
im Punkt Pg , so muß überdies die Ungleichung
Ti = sin2;g — 2;ecos2;^
p2 2 (sin X — X cos x)
erfüllt sein. (Ebdmann, Kneser)
Übungsaufgaben zu Kapitel VI bis IX. 447
9*. Bie Bliss'sche Bedingung von § 42 mittels des JExtremalenintegrah
herzuleiteil. (Dresden)
10*. Zwischen zwei koaxialen Kreisringen die Motationsßäche kleinsten In-
halts zu spannen (§ 42).^)
Konstantenbestimmung. Bei welcher Entfernung der beiden Kreisringe
hört das Minimum auf? Behandle zunächst den Fall kongruenter Kreisringe.
Lösung für den Fall kongruenter Kreisringe: Ist R der Radius des er-
zeugenden Kreises und D der Abstand seines Mittelpunktes von der Rotations-
achse, 80 ist der Abstand der Mittelebenen der beiden Kreisringe im Moment
wo das Minimum aufhört, gegeben durch
^^ {B~Dt,-Rt,Tht,}
wo t^ der Gleichung genügt:
B_ Cht, (t, Sht^—Cht,)
i) (i-sh^^ji, -H2"SHCH ■
(Mary E. Sinclair)
11. Den kürzesten Abstand zwischen einer Parabel und einem Kreis zu be-
stimmen. Detaillierte Diskussion der verschiedenen möglichen Fälle. Unter-
scheidung von relativem und absolutem Minimum (§ 42).
12*. Es sei ein Kreis ^^ und eine von ihm ausgehende Kurve ^^ gegeben:
von einem nicht vorgeschriebenen Punkt des Kreises ^^ nach der Kurve Ä^ eine
Kurve (l von gegebener Länge zu ziehen, welche mit den Kurven ^^ und ^^
zusammen eine Fläche maximalen Inhalts einschließt (§ 38—42),
(Kneser, Mathematische Annalen Bd. LVI, p. 200)
l.H*. Den Transversale nsatz und den Knveloppensatz mittels des Extremalen-
integrals abzuleiten (§§ 37, 44).
14. Sind zwei Punkte P, und P^ auf zwei Kurven Ä\, resp. ^^ beweglich,
welche durch ihre Bogenlängen 5^ , resp. s^ als Parameter dargestellt sind, so
ist das Differential des Abstandes \P,P^\ beider Punkte, als Funktion der beiden
unabhängigen Variabein s^, s^:
rf ! PjPg = cos ojgds^ — cos cöj (^Sj , (41)
wenn m. den Winkel zwischen der Richtung P^P^ und der positiven Tangente
an die Kurve ^,. im Punkt P. bedeutet (§ 37).
16. Ausdehnung des vorangehenden Satzes auf geodätische Linien. Daraus
die Sätze von § 43, a) und c) abzuleiten. (Darboux)
16. Zieht man von einem Punkt P die Normalen PP^ und PP^ nach zwei
gegebenen Kurven ^1,^3, so hat die Kurve
IPPi j-h|PP, i=konst. (42)
*) Das bekannte Plateau 'sehe Experiment, wenn die Dimensionen des
Drahtquer Schnitts berücksichtigt werden.
=1, (44)
lAg Übungsaufgaben zu Kapitel VI bis IX.
die Eigenschaft, daß ihre Tangente im Punkt P den Winkel zwischen der
Geraden PP, und der Verlängerung der Geraden PP, halbiert; dagegen halbiert
die Tangente der Kurve
pp^ I _ 1 pp^ 1 =^ konst. (43)
im Punkt P den Winkel der beiden Geraden PP, und PP, .
Die beiden Kurvenscharen (42) und (43) sind orthogonal. Schrumpfen
die beiden Kurven ^„ ^, zu Punkten zusammen, so erhält man bekannte Sätze
über Ellipse und Hyperbel (§ 37; vgl. Aufgabe Nr. 14^.
17 Den vorangehenden Satz einerseits auf geodätische Linien zu verall-
gemeinern (Darboux; geodätische Ellipsen und Hyperbeln), andererseits auf das
Variationsproblem, für welches
18 Ist e irgend eine Lösung der partiellen Differentialgleichung
«_(§>- Ca!) (")l4i)
80 stellt die Gleichung . , ^ , ^
d{u,v) = konst.
eine Schar von ,,Parallelkurven^' der Fläche dar, für welche das Linienelement
gegeben ist durch: ds' = Edu^ + ^^dudv + Gdv'. Umgekehrt läßt sich jede
Schar von Parallelkurven in dieser Form darstellen (§ 20, b), § 31 c), § 43).
(ÜARBOUX)
19. Kennt man eine Lösung der partiellen Differentialgleichung (44),
welche eine nicht additive Konstante ß enthält, so ist das allgemeine Integral
der DifferentialgUichung der geodätischen Linien gegeben durch
dd
Bei festgehaltenem ß sind die beiden Kurvenscharen 0 = konst. und dBjdß
= konst. orthogonal (§ 20, d), § 31,0, § 43). (Darboüx)
20*. Verallgemeinerung des Begriffs des Winkels: Es sei Ä,A^ ein Bogen
einer Transversalen t der vom Punkt 0 (o;« , i/,,) ausgehenden Extremalenschar, und
Oä,,OA, die beiden nach A, und A, führenden Eartremalen dieser Schar.
Femer bezeichne
l = J^{A,A,),
r = J^^{OA,) = J^^{OA,),
und es werde vorausgesetzt, daß
^(^oi2/oiC08y, siny) > 0
für jedes y. Alsdann definiert Bliss den Grenzwert
Sl = r
Übungsaufgaben zu Kapitel VI bis IX. 449
als den „Yerallgemeinerten" Winkel zwischen den Extremalen OA^^ und OA^.
Der Wert desselben wird ausgedrückt durch das bestimmte Integral
^ _ r F{x,,y,, CO
J F{x,,y^,cosd,
cosÖ, sinö) dd
sin Ö) sin (0 — 0)
Dabei sind ö^, Ö^ die Tangentenwinkel der Extremalen OA^^OA^ im Punkt 0,
und 6 ist diejenige der beiden^) zur Richtung ö transversalen Richtungen,
welche zur Linken der Richtung d liegt, wenn, wie vorausgesetzt wird, 6^ < 6^
(§44,b)).
Andeutung: Stelle die Extremalenschar durch den Punkt 0 in der
Normalform (188) von § 33 dar. (Bliss)
21. Für das Integral ^
J = ^f{y'-y'')dx
.T,
den Zusatz III von § 44, b) zu verifizieren (vgl. Aufgabe 3 auf p. 144). (Kneser)
'22. Die kürzeste Entfernung von einem Punkt nach einer Ellipse zu be-
stimmen. Den Fall zu diskutieren, wo der gegebene Punkt auf der Evolute der
Ellipse liegt (§§ 38—41, 47).
23*. Für das abgeplattete BotationseUipsoid
ist der Äquator eine geodätische Linie. Der auf dem Äquator zu einem Punkt A
gehörige konjugierte Punkt A' hat gegen A einen Längenunterschied nb/a.
Der Bogen AA' des Äquators liefert ein Minimum der Länge (§ 47).
(v. Braunmühl, Osgood)
24*. Die Eckenbedingung für diskontinuierliche Lösungen für das Integral
= I f{x,y.
/N j ' dy
abzuleiten (Vgl. p. 367, Fußnote 2)). (Erdmanxv)
25. Die Weierstraß'sche Eckenbedingung für diskontinuierliche Lösungen
aus dem Du-Bois-Reymond' sehen Lemma von § 5, c) abzuleiten.
(Whittemore)
26. Die Weierstraß'sche Eckenbedingung für diskontinuierliche Lösungen
mittels des Extremalenintegrals herzuleiten (§§ 37, 48).
27. Für Beispiel X: ^
J^yy"\l-^yydx
die diskontinuierlichen Lösungen zu bestimmen.
^) Vgl. § 36, a), Ende.
^5Q Übungsaufgaben zu Kapitel VI bis IX.
Lösung: Wenn das Gefälle der Verbindungsgeraden P^P^ zwischen 0 und
— 1 liegt, gibt es zwei diskontinuierliche Lösungen mit je einer Ecke, bestehend
aus zwei geraden Segmenten vom Gefälle 0 und — 1, beziehungsweise — 1 und 0.
Dagegen gibt es unendlich viele Lösungen mit mehr als einer Ecke; sie setzen
sich ebenfalls aus geraden Segmenten zusammen, die abwechselnd das Gefälle
0 und — 1 haben.
28*. Für das Problem der Kurve Jcleinsten Trägheitsmoments in Beziehung
auf einen Punkt (Aufgabe 17 von p. 299) die diskontinuierlichen Lösungen zu
bestimmen.
Lösung: Wenn |Ö2~^i!<^V' ^^ existiert keine diskontinuierliche
Lösung.
Wenn ; Ö2 ~~ ^i I > '^ ' ^° liefert der aus den beiden geraden Segmenten
o
P P und P„ P^ zusammengesetzte Kurvenzug das absolute Minimum. (Mason)
29*. Bas Integral
<2
J=j 1 iT^TV 4 I ^*
zu einem Extremum zu machen; insbesondere sollen auch die diskontinuierlichen
Lösungen bestimmt iverden.
a) Die Extremalen sind gerade Linien. Führe Polarkoordinaten ein:
x = rco8q), y = ra'm(p und setze: 0 — cp = ip, unter 0 den Tangentenwinkel
der betrachteten Kurve verstanden. Dann wird
F{x, 2/1 cos 0, sin 0) = . , ^2
|/l-f r2 8in*i/j^__ 1
1 1
F^ {x^ y, cos 0, sm 0) = -- ^ — -.
(l-f-r^sin»"^
Hieraus die Indikatrix für die verschiedenen Lagen des Punktes x, y zu be-
stimmen. An derselben liest man zunächst für kontinuierliche Lösungen folgende
Resultate ab: Sei p die Länge der Senkrechten vom Koordinatenanfangspunkt 0
auf die betrachtete Gerade. Dann liefert die Gerade stets, ein starkes Maximum,
wenn: p > ")/l5\ stets ein schwaches Maximum, wenn: K2^— 1 </}<]/l5,
ßtets ein Minimum, wenn: jp«<r 2^ — 1, wobei jedoch zwei Fälle zu unter-
scheiden sind: Sind M und N die beiden Schnittpunkte der Geraden mit
dem Kreis
so ist die Bedingung (IV) für ein starkes Minimum erfüllt für die Punkte der
Geraden zwischen M und JV; dagegen ist die Bedingung (IV) nicht erfüllt für die
Punkte der Geraden außerhalb des Segmentes MN.
Übungsaufgaben zu Kapitel VI bis IX.
451
b) Jeder Punlt im Innern des Kreisringes
K 2^— 1 ^r^yi^
ist eine mögliche Ecke für diskontinuierliche Minimallösungen ; die zugehörigen
Richtungspaare werden durch die Gleichungen
1 1
(l + r2)yi+7^"8in>^ 4
0,
1p = 7t
bestimmt. Der Winkel P^ P^ P^ wird dabei von dem Radius Vektor OPq vom
Koordinatenanfangspunkt aus halbiert.
Auf einer gegebenen Geraden, welche in diesen Kreisring eintritt, sind die
möglichen Ecken gerade die beiden oben mit M und N bezeichneten Punkte. ^)
c) Jeder Punkt außerhalb des Kreises: r = yib^ ist eine mögliche Ecke für
diskontinuierliche Maximallösungen. Die zugehörigen Richtungspaare werden
durch die Gleichungen
11 _
j/l + r^sin^i/j^ 4
hestimmt. Die beiden Stücke P^ P^ und P^ Pg dei diskontinuierlichen Lösung
«ind, verlängert, die Tangenten vom Punkt P^ an den Kreis r = ]/l5\ Es liegt
hier der Fall ß(rc, i/) = 0 von §50, d) vor; die beiden Scharen von Tangenten
an den Kreis r = "j/l5^ sind die dort definierten beiden ausgezeichneten Extre-
malenscharen. Enthiilt die gebrochene Linie P^P^P^ keinen Berührungspunkt
mit dem Kreis r = ]/l5\ so hat man ein starkes, uneigentliches Maximum.
(Caratheodory, Dresden)
30*. Die beiden notwendigen Bedingungen
E,^P[, P,^P'(
für diskontinuierliche Lösungen (§ 49, c)) mittels des Extremalenintegrals her-
zuleiten. (Dresden)
31*. Es sind zwei Punkte P^ und P^ im Innern der oberen Halbebene ge-
geben (2/1 >0, 2/2 >0). Es soll ein Punkt P^ der oberen Halbebene (2/0 >0) und
ein Punkt P^ der x- Achse so gewählt und drei gewöhnliche Kurven PqP^, PqAi
Pq Pg in der oberen Halbebene (y > 0) so gezogen werden, daß die durch Potation
der aus diesen drei Bogen zusammengesetzten Kurve um die x- Achse erzeugte
Fläche einen möglichst kleinen Inhalt besitzt-) (§§ 48—50).
Lösung: Die Bogen P^P^, resp. P^P^ sind Bogen von zwei Kettenlinien
%, resp. ©0 mit der ^- Achse als Direktrix; der Bogen P^Pg ist eine zur aj-Achse
senkrechte Gerade; die letztere bildet im Punkt P^ mit jedem der beiden Ketten-
linienbogen einen Winkel von 120 ^.
^) Vgl. den Satz von Caratheodory auf p. 387.
^) Bei dem Plateau 'sehen Versuch mit zwei kreisförmigen Drähten bildet
«ich bei geeigneter Anordnung des Versuches die hier vorliegende zusammen-
;gesetzte diskontinuierliche Lösung.
^^2 Übungsaufgaben zu Kapitel VI bis IX.
Die Tangente an (£, (resp. @,) im Punkt 1\ möge die a:; -Achse im Punkt
T (resp. 2\) schneiden. Die Tangente von T^ aus an den absteigenden Ast von
e" möge denselben im Punkt E^ berühren; die Tangente von T^ aus an den
aufsteigenden Ast von (£„ möge denselben im Punkt E^ berühren. Dann muß:
P, > i;, Pa < ^0 sein.
Ferner sei T^ der Schnittpunkt der Tangente an ©^ in P^ mit der a^-Achse
und Pj' der Berührungspunkt der Tangente von T^ aus an den aufsteigenden
Ast von \. Dann ist es für ein Minimum weiter nötig, daß
Sind diese Bedingungen in der durch Unterdrückung des Gleichheitszeichens
charakterisierten stärkeren Form erfüllt, so liefert die gefundene Lösung in der
Tat ein Minimum des Flächeninhalts.
Andeutung: Zum Beweis der notwendigen Bedingungen wende man die
Differentiationsmethode von § 38, passend modifiziert, an; für den Hinlänglich-
keitsbeweis kombiniere man die hinreichenden Bedingungen für ein ge-
wöhnliches Extremum mit den hinreichenden Bedingungen für kontinuierliche
Lösungen von Variationsproblemen mit festen Endpunkten.
(Talqvist, Mary E. Sinclair)
32. Das Snellius'sche Brechungsgesetz mit den Methoden von § 51 ab-
zuleiten.
33. Die Weierstraß'sche Bedingimg (46), (47) von § 52 mittels der Varia-
tionsmethode zu beweisen. (Weierstrass)
34. Die dem Beispiel XX entsprechende Verallgemeinerung für geodätische
Linien aufzustellen (§§ 52, 53).
Andeutung: Benutze Gleichung (39) von § 26.
35. Beispiel I mit der Modifikation, daß die zulässigen Kurven auf den
Bereich _
1/ > Z: > 0
beschränkt werden (§§ 52, 53). (Kneser)
36. Im Innern eines konvexen Bereiches 31 sind zwei Punkte P^ , Pg ge-
geben. Die kürzeste Verbindungskurve von P^ nach Pg zu ziehen, welche den
Bereich 61 nicht verläßt und mit der Begrenzung desselben einen nicht vor-
geschriebenen Punkt Pq gemein hat (§ 52).
Lösung: Eine gebrochene Linie 1\F^F^, deren Segmente F^P^,, Pq Pg
im Punkt P„ mit der Tangente der Begrenzung gleiche Winkel bilden.
37. Die vorige Aufgabe auf geodätische Linien zu verallgemeinern.
(Kneser)
38*. Bei dem Prinzip der kleinsten Aktion, angewandt auf die Bewegung
eifies schweren materiellen Punktes in einer vertikalen Ebene, ^) sind die zu-
lässigen Kurven auf den Bereich: y^k beschränkt.
*) Vgl. auch für die Bezeichnung Aufgabe Nr. 10 und 11 auf pp. 296
und 297.
Übungsaufgaben zu Kapitel VI bis IX. 453
Daraus folgt die Existenz einer diskontinuierlidien Lösung P^P^P^P^, be-
stehend aus der Senkrechten P^ P.^ vom Punkt P^, auf die Schranke : y =^k, dem.
Segment P3P4 der Schranke und der Senkrechten P^^P^ auf die Schranke.
Diese diskontinuierliche Lösung liefert stets wenigstens ein relatives Minimum.
Läßt man den zweiten Endpunkt P^ eine kontinuierliche Lösung (Parabel) vom
Punkt Pq an beschreiben, so liefert zunächst die kontinuierliche Lösung den
kleineren Wert für das Aktionsintegral, bis der Punkt P^ mit einem bestimmten
zwischen P^ und P'^ liegenden Punkt P^' zusammenfällt, in welchem beide Lö-
sungen denselben Wert liefern. Jenseits des Punktes Pq liefert dann die dis-
kontinuierliche Lösung den kleineren Wert. Der geometrische Ort des Punktes
Pq wird in Polarkoordinaten mit der positiven 2/ -Achse als Achse durch die
Gleichung
(k + r sin^ 1)^ -(k-r cos ^ |-)^' = k^ + (/j - r cos 0)^
gegeben (§§ 52, b) und 57, e)).
Die Frage des absoluten Minimums mittels der auf p. 436 mitgeteilten Me-
thode zu diskutieren. (Todhunter)
39*. Sollen die orthogonalen Trajektorien der Kurvenschar
U(x, y) = konst. (45)
zugleich Extremdien für das Aktionsintegral '^)
sein, so ist notiüendig und hinreichend, daß das Potential U der partiellen Diffe-
rentialgleichung genügt
U. Ü,(U^. - ir„) = f/,,(t/| - P|) , (47)
iceMie ausdrückt, daß L^. + C/2 eine Funktion von ü (d. h. also die Kraft eine
Funktion des Potentials) ist.^)
Andeutung: Man beachte, daß für das Integral (46) transversal = orthogonale
und wende die Sätze ^) von § 20, b) an.
Zusätze: 1. Sind die orthogonalen Trajektorien der Schar (45) Extremalen
für das Integral (46), so sind sie stets gerade Linien. 2. Sind die orthogonalen
^) Vgl. Aufgabe Nr. 9 auf p. 298.
^) Wegen Verallgemeinerung dieses Satzes auf die Bewegung eines Punktes
auf einer Fläche vgl. De Saint-Gehmaix, Journal de Mathematiques (3) Bd. II
(1876), p. 325, ExxEPER, Göttinger Nachrichten, 1869, p. 62 und Stäckel,
Dissertation, Berlin 1885, p. 11.
^) Der hier in Frage kommende Satz ist folgendermaßen zu berichtigen:
„Eine Kurvenschar F{x, y) = konst. kann nur dann Transversalenschar für ein
gegebenes Variationsproblem sein, wenn eine Funktion von F existiert:
TF= i^(F), welche der Beltrami-Hamilton'schen Differentialgleichung (47)
genügt."
^54 Übungsaufgaben zu Kapitel VI bis IX.
Trajektorien der Schar (45) gerade Linien, so sind sie zugleich stets auch Extre-
malen für das Integral (46). 3. Besitzt das Integral (46) eine einparametrige
Schar von geradlinigen Extremalen, so sind dieselben die orthogonalen Trajek-
torien der Schar (45).
Andeutung: Die Euler' sehe Differentialgleichung für das Integral (46)
in der Form (23b) von § 26 lautet:
ds ^y ds =" r ^ ^
40*. Bei dem Prinzip der kleinsten Aktion sind die zulässigen Kurven
uuf das Gebiet
U{x,y)-j-h:^0 (49)
beschränkt. Die hieraus folgenden diskontinuierlichen Lösungen für das Äktions-
integral (46) zu untersuchen unter der Voraussetzung, daß das Potential U der
partiellen Differentialgleichung (47) genügt (§ 52).
Lösung: Die Betrachtung wird auf einen Bereich beschränkt, in welchem
U eindeutig definiert und regulär ist, und in welchem U^ und Uy nicht gleich-
zeitig verschwinden. Es sei 6^:
x = x{v), y = y{v)
ein regulärer Bogen der Schranke
U{x,y) + h = 0; (50)
V sei' die Bogenlänge, und der positive Sinn sei so gewählt, daß die positive
Normale der Kurve S, d. h. diejenige, deren Richtungskosinus durch: — ^/'(y),
X (v) gegeben sind, ins Innere des Bereiches (49) gerichtet ist. Man betrachte
die Transformation
x=.x(^v) — y'{v)s, y = y{v)-\-x{v)s (51)
zwischen der rc, y-Ebene und einer v, s-Ebene und bezeichne mit cf das Bild in
der X, y-Ehene des Bereiches
0<S<So, ^o<^<^i- (^2)
Man kann dann stets s^, v^, v^ so wählen, daß die Transformation (51) eine
ein-eindeutige Beziehung zwischen den Bereichen (52) un4 c^ definiert, und daß
gleichzeitig die Funktionaldeterminante der Transformation (51), nämlich
A(s,i;) = -1 + |,
wo r den Krümmungsradius der Kurve (I im Punkt v bezeichnet, im Bereich (52)
von Null verschieden ist. Dann gilt der folgende Satz : ^)
Die Funktion U möge der partiellen Differentialgleichung (47) genügen;
die zulässigen Kurven mögen auf den Bereich cf beschränkt werden, und die
1) VgL FiiANK, Mathematische Annalen, Bd. LXIV (1907), p. 239
und die Berichtigung dazu Ibid. Bd. LXVI.
Übungsaufgaben zu Kapitel VI bis IX.
455
beiden gegebenen Punkte F^ und P^ mögen im Innern von cP liegen. Dann kann
man von P^ und P^ aus je eine eindeutig definierte Normale P0P3, resp. P^P^
auf die Schranke S ziehen.
Alsdann liefert der aus den Normalen Pq Pg , dem Bogen Pg P^ der Schranke
und der Normalen P^P^ zusammengesetzte Kurvenzug stets ein starkes (relatives)
Minimum für das Aktionsintegral (46).
Andeutung: Man zeige zunächst, daß die Funktion U beständig wächst,
wenn man längs einer Normalen der Kurve ® von ^ aus ins Innere des Be-
reiches S fortschreitet, und wende dann den auf p. 399 angeführten Satz von
Todhunter in leichter Modifikation an.
41*. Auf einer in der Form: z = cp{x,y) gegebenen Fläche sind zwei
Punkte Pi, Pg gegeben. Die kürzeste Kurve zu bestimmen, welche auf der
Fläche von P^ nach P^ gezogen werden kann, und deren Steilheit eine gewisse
Orenze k nicht übersteigt:
d z .^ ,
Lösung: Die Lösungen setzen sich zusammen aus geodätischen Linien,
soweit sie die Bedingung (53) erfüllen, und aus „Kurven konstanter Steilheit":
dz/ds = k. An den Übergangspunkten müssen auch die geodätischen Linien
die Steilheit k besitzen. (Zekmelo)
42. Einen abgestumpften Kegel von gegebener Basis und Höhe zu konstru-
ieren, welcher in der Richtung der Achse den geringsten Widerstand erfährt (§ 54).
Lösung: Entsteht der gesuchte abge- P
stumpfte Kegel durch Rotation der FigurJ. PCD
um die Achse AB, und ist M der Mittelpunkt
von J. P , so ist I MS\ = \ MD \ . (Siehe Fig. 105.)
(Newton)
43*. Ist PQ ein Kurvenbogen, dessen Ge- _____^i_
fälle durchweg ^ 1 ist, so erfährt die durch ^
JRotation des Bogens PQ um die x- Achse er-
zeugte Fläche einen größeren Widerstand als die durch Rotation der gebrochenen
Linie PMQ erzeugte, ivobei PB parallel der y- Achse ist und BP das Gefälle 1
hat (§ 54).
Andeutung: Zerlege den Bogen PQ in Elemente, wende auf dieselben
-den vorangehenden Satz an und gehe zur Grenze über. (Newton, Ellis)
44. Der Widerstand einer Halbkugel ist gleich der Hälfte des Wider-
standes eines Zylinders von derselben Basis und Höhe, wenn beide sich in der
Richtung der Achse bewegen (§ 54). (Newton)
Wie groß ist der Widerstand des Rotationskörpers kleinsten Widerstandes
von derselben Basis und Höhe?
Anwort: 0,3748 des Widerstandes des Zylinders.
^ M
Fig. 105.
456 Übungsaufgaben zu Kapitel VI bis IX.
45*. Den Boiationskörper kleinsten Widerstandes zu bestimmen, wenn statt
des Newton 'sehen Gesetzes^) für den Widerstand:
dW= c sin^ dd(o
eines der folgenden mit der Erfahrung besser übereinstimmenden Gesetze 2) zu
Grunde gelegt wird: . t .. x
dW--=c sind da, (v. Lossl)
,,^^ 2csinö j ,j^ .
dW= -y . ^^dcj. (Duchemin)
Lösung: Die Extremalen lassen sieb nach derselben Methode wie beim
Newton 'sehen Problem in endlicher Form darstellen mit q als Parameter. Ihre
allgemeine Gestalt ist dieselbe wie beim N ewton' sehen Problem. Der Tangenten-
winkel y an der Spitze wird gegeben durch:
cotg y = ■ ^ , 7 = 54" 44', resp.
cotg'y^^Al^^ y = 3l0 37'.
Die Bedingung (IV) wird: 0<^, wo
8in^ = ^^~-^, ^ = 38« 10', resp.
2 sin 8 d + 3 sin 2 (^ + 2 sin d^ — 1 = 0, d = 18» 30'.
Die Lösung setzt sich zusammen aus einem Segment der y-Achee und einem
darauf folgenden Extremalenbogen, der mit dem Tangentenwinkel d ansetzt.
Ganz ähnliche Resultate gelten allgemein für
dW=f{q)d(o
wenn f (q) zunächst von 0 bis zu einem endlichen Minimalwert abnimmt und
von da beständig bis 0 wächst, während q von 0 bis -f Oü wächst. (Miles).
^) Vgl. wegen der Bezeichnung p. 409.
*) Vgl. Encyclopädie, IV 17, Nr. 4, 5, 6.
Zehntes Kapitel
Isoperimetrisclie Probleme.
§ 59. Die Euler'sche Regel.
Beim isoperimetrischen Problem^) vom einfachsten Typus^ welches
den Gegenstand des gegenwärtigen Kapitels bildet^ besteht — zunächst
für den Fall fester Endpunkte — die Gesamtheit 9TI aller zulässigen
Kurven aus allen gewöhnlichen Kurven S, welche von einem ge-
gebenen Punkt P^ nach einem zweiten gegebenen Punkt F^ führen^
ganz in einem vorgeschriebenen Bereich 01 verlaufen und dem Integral
K^= fG{x,y,x,y')dt
einen vorgeschriebenen Wert l erteilen:
K^ = l. (1)
Unter diesen zulässigen Kurven ist dann diejenige auszusuchen,
welche dem Integral
J^=^ j F{x,y,x,y')dt
k
den ^kleinsten Wert erteilt.
Dies ist das Problem des ^^absoluten" Minimums^ dem sich dann,
ganz wie in § 3,b) und § 25, das „relative" an die Seite stellt.
Von den Funktionen F und G soll dabei vorausgesetzt werden,
daß sie in x'^y' positiv homogen von der Dimension 1 sind und
überdies als Funktionen ihrer vier Variabein von der Klasse C" in
dem Bereich
%: (x,y) in ^, (^', i/') + (0, 0).
a) Herstellung einer Schar von zulässigen Variationen:
Wir nehmen an, wir hätten eine zulässige Kurve
^0- x = x{t), y = y(t), t,^t^t, (2)
^) Vgl. p. 4. Statt „isoperimetrisches Problem" wird häufig „Problem des
relativen Extremums" gesagt. Wir halten jedoch im Gebrauch der Worte absolutes
und relatives Extremum an der in §§ 2 und 3 eingeführten Terminologie fest.
458 Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
gefunden, welche in dem angegebenen Sinn ein relatives Minimum
für das Integral J liefert, und welche ganz im Innern des Bereiches
Ö\ liegt.
Es handelt sich dann zunächst darum, einen analytischen Aus-
druck für eine einfach unendliche Schar von zulässigen Variationen
dieser Kurve zu erhalten. Man überzeugt sich leicht, daß man infolge
der „isoperimetrischen Bedingung^' (1) jetzt nicht mehr mit Variationen
von dem einfachsten Typus (17) von § 26 auskommt, sondern daß
68 nötig wird, Variationen von dem allgemeineren Typus
heranzuziehen. Man kann zu solchen einparametrigen Scharen zu-
lässiger Variationen nach Weieestrass folgendermaßen gelangen:
Man wähle irgend zwei Funktionenpaare l{t), ri(t) und |i(Q, t]^ (t)
von der Klasse D', welche in t^ und t^ verschwinden:
und setze
X{t, e, 8,) = x{t) + sm + ^i^i(0; Y(t^ ', h) = y(t) + ^VÜ) + ^1% W,
wobei £, £i Konstante bedeuten.
Wenn wir diesen Konstanten nun noch die Bedingung auferlegen,
daß sie der Relation
Kie, 8,) ^fG{x, r, X', r)dt = l (4)
genügen sollen, so stellen die Gleichungen
X = X(t, e, e,), y = Y{t, e, s,) (5)
für jedes solche Wertsystem f, e^ eine zulässige Variation der Kurve
@o dar, wenn nur e und | s^ \ hinreichend klein genommen werden.^)
1) An dieser Stelle zweigt eine von Hilbert in seinen Vorlesungen gegebene
elegante Modifikation des Weierstraß'schen Beweises der Euler'schen Regel
ab. Statt die Gleichung (4) nach f^ aufzulösen, führt er die Aufgabe auf ein
geicöhnliches Extremum mit einer Nebenbedingung zurück. Es muß nämlich jetzt
die Funktion .
J{8,e,)=fF{X,Y,X',Y')dt
für f = 0, f 1 = 0 ein Minimum mit der Nebenbedingung (4) besitzen. Daher
muß es unter den Voraussetzungen und in der Bezeichnung des Textes eine von
f und fj unabhängige Größe X geben, so daß gleichzeitig
§59. Die Eul er 'sehe Regel. 450
Nun wird die Gleichung (4) befriedigt durch s = 0, e^ = 0, weil
ja die Kurve (Sq als zulässige Kurve der isoperimetrischen Bedingung
(1) genügt. Ferner ist die Funktion K(£, s^) in der Umgebung der
Stelle £ = 0, f -1^ = 0 von der Klasse C'\ Wenn wir daher ^, r] so
wählen, daß die Größe
m.-ß
GJi + G,Vi + GAi + GylDdt ^ K,
von Null verschieden ist, so können wir nach dem Satz über implizite
Funktionen die Gleichung (4) in der Umgebung der Stelle £ == 0,
«1 = 0 eindeutig nach e^ auflösen, und die erhaltene Lösung: s^ = %[e)
verschwindet für £ = 0, ist in der Umgebung dieser Stelle von der
Klasse C", und es ist
wenn wir analog
u
ßf)„=/(ej + G,n + GA' + G^.vyu^Ko
setzen; dabei soll überall der Index 0 das Nullsetzen von £, resp. von
£ und £j andeuten.
Tragen wir für e^ die Funktion i{8) in (5) ein, so erhalten wir
eine einparametrige Schar von Variationen der Kurve @o'
welche alle verlangten Eigenschaften besitzt.
Aus (6) folgt, daß für diese Schar
Sx = e[i-§i,), Sy = '^{ri-§V,)- (8)
Es wirft sich jedoch die Frage auf, ob sich die Funktionen
Si, % stets so wählen lassen, daß K^^O. Dies ist nur dann un-
möglich, wenn das Integral K^ für alle Funktionen ^j, rj^ von den
angegebenen Eigenschaften verschwindet. Das würde aber nach § 2^, a)
Die zweite Gleichung bestimmt X und zeigt, daß l jedenfalls von |, r] unabhängig
ist; aus der ersten folgt dann die Euler'sche Regel.
Dies ist wohl der einfachste strenge Beweis der Euler'schen Regel. Daß
wir denselben trotzdem im Text nicht gewählt haben, ist mit Rücksicht auf die
Entwicklungen von § 60 über die zweite Variation geschehen.
Vgl. auch Kneser, Eul er und die Variatwn.<?rechnung, Abhandlungen zur
Geschichte der Mathematischen Wissenschaften, Bd. XXV (1907), p. 50.
^ßQ Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
bedeuten, daß die Kurve @o eine Extremale für das Integral K wäre.
Wir setzen daher in der Folge voraus, daß die Kurve @o nicht zugleich
Extremale für das Integral K ist, d. h. also daß der Ausdruck
berechnet für die Kurve ^^, im Intervall \t^t^'\ nicbt identisch ver-
schwindet.^)
üa die Kurven der Schar (7) für beliebige Werte von e der
Gleichung K = / genügen, so folgt daraus durch Differentiation nach e
öK=-0. (10)
Umgekehrt gilt aber auch das folgende Lemma, welches später bei
der zweiten Variation zur Anwendung kommen wird:
Sind l, rj zwei vorgegebene FunUionen der Klasse D', welche in
t^ und t^ verschwinden und der Gleichung
J\gA + ^-yv + (^A' + ^/V)^^^ = 0 (11)
h
genügen, so läßt sich stets eine einparametrige Schar von zulässigen
Variationen konstruieren, für ivelche
dx^el, öy = £7]. (12)
Denn wählen wir bei der obigen Konstruktion der Schar (7) für
I, 7/ die beiden vorgegebenen Funktionen, so ist wegen (11): Kq = 0,
und daher gehen die Gleichungen (8) in die verlangten Gleichungen
(12) über.
Ist die Kurve ©^ von der Klasse C", so können wir auf die
Gleichung (11) die Transformation (18) von § 26 anwenden und
erhalten das Lemma in der folgenden modifizierten Form, in welcher
dasselbe von Weiersteass gegeben worden ist:^)
Ist w irgendeine Funktion der Klasse D', ii^elche in t^ und t^
verschwindet und der Gleichung
ti
fVwdt = 0 (13)
^1
^) Wäre diese Bedingung nicht erfüllt, so würden gewisse hinreichend
kleine Stücke des Bogens (S^ wenigstens ein schwaches Extremum für das
Integral K liefern, und es wäre daher unmöglich, ein solches Stück zu variieren
(wenigstens im Sinn der schwachen Variation) ohne den Wert von K zu ändern
(Wkierstrass).
') Vgl. Kneser, Mathematische Annalen, Bd. LV, p. 100.
§ 59. Die Euler'sche Regel. 461
genügt, so kann man stets eine Schar zulässiger Variationen honstruieren,
für imlche , ^ , ^
y ox — X oy ^ ew.
Denn die Funktionen
ivy' — wx'
5
x'^ + y"-'' ' x'^-i-y'^
genügen alsdann allen Bedingungen des eben bewiesenen Lemmas,
aus welchem dann die Behauptung unmittelbar folgt.
b) Beweis der Euler'schen Regel:
Nachdem wir so eine Schar von zulässigen Variationen kon-
struiert haben, schließen wir jetzt in der üblichen Weise, daß für
dieselbe die Kurve @q den Bedingungen
dJ=0, d'J^O (14)
genügen muß. Wenn wir zur Abkürzung schreiben
h
h
so lautet die erste der beiden Bedingungen (14), mit der wir es hier
zunächst ausschließlich zu tun haben, wenn wir für dx^ dy ihre Werte
aus (8) einsetzen, ^
J-„-|Ji=0. (15)
Wir denken uns jetzt die beiden Funktionen |^, t^^ ein für alle-
mal fest gewählt; dann ist der Quotient
eine ganz bestimmte numerische Konstante, die jedenfalls von der .
Wahl der beiden Funktionen |, ri unabhängig ist. Die Gleichung (15)
lautet also jetzt
d. h. aber, wenn wir
F(x, y, x\ y') + l G{x, y, x, y) = H{x, y, x\ /; A) (16)
setzen: Es muß
f(HJ + H^rj + H,,i'^H^,r^')dt = 0 (17)
h
Bolza, Variationsrechnung. 30
4ß2 Zehntes Kapitel. Isoperimetrisclie Probleme.
sein für alle Funktionen |, j] von der Klasse D', welche in t^ und t^
verschwinden. Daraus folgt aber nach § 5, c) und § 26, a) das.
folgende^ unter dem Namen der „Euler sehen Regel" ^) bekannte Resultat:
') Euler hat die nach ihm benannte Regel durch eine sinnreiche Infini-
tesimalbetrachtung bewiesen {MetJwdus inveniendi etc. [1744J, Kap. V, Art. 27).
Er betrachtet die Kurve als Polygon von unendlich vielen Seiten, variiert dann
die Ordinaten zweier aufeinanderfolgender Ecken desselben, aber so, daß die
isoperimetrische Bedingung erfüllt bleibt. Seine Schlüsse entsprechen zwar den
heutigen Begriifen von Strenge nicht mehr, sind aber immer noch befriedigender
als das meiste, was sonst vor Weierstraß über diesen Gegenstand geschrieben
worden ist.
Der erste strenge Beweis der Eul ersehen Regel rührt von Weierstkass
her (Vorlesungen 1877, oder früher); es ist im wesentlichen der im Text ge-
gebene.
Man kann dem Beweis auch eine andere Wendung geben, welche sich
mehr an die Schlußweise der älteren Variationsrechnung anschließt, indem man
denselben folgendermaßen in zwei scharf getrennte Teile zerlegt:
Angenommen man hätte auf irgendeinem Weg eine Schar zulässiger
Variationen der Kurve (i^ gefunden. Dann müssen für diese Schar gleichzeitig
die beiden Gleichungen bestehen
Daraus hat man nun weiter geschlossen: Also muß <y,7=0 sein für alle Funk-
tionen dx.dy, welche der Bedingung 8K=0 genügen. Dieser Schluß ist an
sich falsch; er wird erst gerechtfertigt, nachdem das unter a) erwähnte
Weierstraß'sche Lemma bewiesen ist, welches somit eine wesentliche Lücke
der älteren Variationsrechnung ausfüllt.
Weiter zeigt man dann: Ist dJ=0 für alle Funktionen dx.dy, für welche
dK=(i ist, so muß die Kurve ©„ der Differentialgleichung (I) genügen.
Der Beweis dieses Satzes reduziert sich (nach Anwendung derLagrange'schen
partiellen Integration auf dJ und öK) auf das folgende Fundamentallemma für
isoperimetrische Probleme , welches sich dem Fundamentallemma von § 5 als
Gegenstück an die Seite stellt:
Sind M und N zwei im Intervall [t^t^] stetige FunUionen von t, und ist
'2
CMtvdt
für alle Funktionen w der Klasse C , welche in t^ und t.^ verschic in den und der
(rleichung ^
rNwdt = 0
fi
genügen, so gibt es eine Konstante l derart, daß
M-\-l N=0 im ganzen Intervall [t^t^].
Dieses Fundamentallemma ist wohl zuerst von Bertrand bewiesen worden
(Journal de Mathematiques, Bd. VII (1842), p. 55). Bekannter ist der Beweis
von Du-Bois-Reymond geworden (Mathematische Annalen, Bd. XV (1879),
§ 59. Die Euler 'sehe Regel. 463
Jede Lösung des vorgelegten isoperimetrischen Problems, welche
nicht zugleich Extremale für das Integral K ist, muß für eimen ge-
wissen Wert der Konstanten k den Differentialgleichungen
K-iH^.-^0, H^-I^H^.^0 (18)
genügm, welche mit der einen Bifferentialgleichwng
Ky - -ö,.. + JI, {«'y" -y'x") = 0 (I)
äquivalent sind.
Dabei ist die Funktion H durch die Gleichung (16) definiert,
und es ist
^ y^ x'y' x'^ ' K^-^J
Dies ist aber dieselbe Differentialgleichung, die man erhalten
tvürde, wenn man das Integral
f(F-{-XG)dt (20)
ohne Nebenbedingung zu einem Extremum zu machen hätte.
Jede der Differentialgleichung (I) für einen bestimmten Wert
von X genügende. Kurve soll nach Kneser wieder eine Extremale für
das vorgelegte Variationsproblem heißen.
Zu den vorangehenden Resultaten fügen wir noch die folgenden
Bemerkungen hinzu:
1. Nach der obigen Ableitung könnte es scheinen, als ob
die Konstante k noch von der Wahl der Funktionen J^, r]^ ab-
hängig wäre. Dem ist aber nicht so. Denn aus (15) folgt, wenn
auch Kq =1= 0,
p. 312, wo noch ein weiterer, von Reiff herrühi-ender Beweis gegeben wird).
Die entsprechende Verallgemeinerung für das allgemeinste isoperimetrische
Problem bei einfachen Integralen findet man bei Scheeffer, ibid., Bd. XXV
(1885), p. 584 und A. Mayer, ibid., Bd. XXVI (1886), p. 78.
Die oben hervorgehobene Lücke ist typisch für die ältere Variations-
rechnung. Durch den Lagrange'schen ^-Algorithmus wird die Aufmerksamkeit
auf die ersten Variationen $x, dy abgelenkt, und man vergißt darüber nur zu
leicht, daß man aus den Funktionen ^x, 8y erst dann etwas schließen kann, wenn
man imstande ist, von diesen auf eine Schar von zulässigen Vergleichskurven
zurückzugehen. Erst Weierstrass hat hier Klarheit in die Variationsrechnung
gebracht.
30'
^^^^ Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
Die linke Seite dieser Gleichung enthält nur i^, Vi, ^ie ^^^^^^
nur i, 7]', die beiden Funktionenpaare sind voneinander vollkommen
unabhängig; daraus folgt aber, daß die isoperimetrische Konstante X
awih von der Wahl der FunUionen l^, Vi unabhängig ist (Weier-
STRASS).
2. Das aUgemeine Integral^) der Differentialgleichung (I) enthält
außer den beiden Integrationskonstanten noch die Konstante X:
x = f(t,a,ß,x), y=-g{t,a,ß,l). (21)
Zur Bestimmung der Konstanten a, ß, X und der unbekannten Größen
t t haben wir — im Fall einer kontinuierlichen Lösung — außer
den vier Gleichungen, welche ausdrücken, daß die Kurve für t = t^
durch den Punkt P^, für t = t^ durch den Punkt V^ gehen soll, noch
die isoperimetrische Bedingung K=l, also ebensoviele Gleichungen
als Unbekannte.
3. Neben den der Differentialgleichung (1) genügenden Lösungen
des Problems kann es dann möglicherweise noch Losungen geben,
welche Eodremalen für das Integral Ksind, sogenannte „starre Lösungen",^)
was in jedem einzelnen Fall durch eine besondere Untersuchung zu
entscheiden ist. Man kann diese Lösungen unter die vorigen mit
einbegreifen, wenn man einen zweiten Faktor k einführt, der im all-
gemeinen Fall — 1 ist, während in diesem Ausnahmefall % = 0, A = 1
ist, und
H=kF-^XG
setzt.
4. Bei dem obigen Beweis der Euler'schen Regel war nicht
vorausgesetzt, daß die Kurve @o von der Klasse C ist; sie darf auch
eine endliche Anzahl von Ecken haben. Nur hat man dann vor
Ausführung der Differentiation nach e und e^ die Integrale J{e, fj
und K{b, fi) in bekannter Weise in Summen von Integralen zu zer-
legen, die Differentiation an den Summanden auszuführen und nach
der Differentiation die Integrale wieder unter einem Integralzeichen
zu vereinigen. Daraus folgt, daß auch hei einer „diskontinuierlichen
Lösung"' die isoperimetrische Konstante X entlang allen kontinuierlichen
Segmenten ein und denselben konstanten Wert hat.^)
*) Näheres hierüber unter e); vgl. übrigens die auch hier gültigen Bemer-
kungen auf p. 204.
*) Vgl. p. 460, Fußnote »).
') Diese wichtige Bemerkung rührt von A. Mayer (Mathematische
Annalen, Bd. XIII, (1877), p. 66, Fußnote) und Weierstrass her.
§ 59. Die Euler' sehe Regel. 465
Ferner ergibt sich weiter aus (17) nacli § 48, b): In jeder Ecke
t = (q einer diskontinuierlichen Lösung muß die Weierstraß'sche
Eckenbedingung
H,''^-'-H,'\'^^\ ^,,| '0-0==^^, 1^0 + 0 (22)
erfüllt sein.
c) Das spezielle isoperimetrische Problem:
Darunter verstehen wir die folgende Aufgabe , welche der ganzen Klasse
von Aufgaben, mit der wir uns gegenwärtig beschäftigen, den Namen gegeben hat :
Beispiel 11:^) Unter allen geicöhnliclien Kurven von gegebener Länge,
welche zwei gegebene Funkte P^ und Pg verbinden, diejenige zu bestimmen, ivelche
mit der Sehne P^ Pg den größten Flächeninhalt einschließt.
Wählen wir die Verbindungsgerade von Pj und P^ zur a;-Achse, mit P^ Pj
als positiver Richtung, so haben wir das IntegraP)
J=^ I {xy' —yx')dt
zu einem Maximum zu machen, während das Integral
K= r^x^^y'^^dt
h
einen vorgeschriebenen Wert 2Z besitzen soll, den wir größer als den Abstand
Pj Pg I voraussetzen.
Für den Bereich 01 können wir hier die ganze x^ y-WoeuQ wählen.
Da , —^
H=^{xy' — yx') + l^x'^ -\- g'^\
so erhalten wir " -
und daher wird die Differentialgleichung (I)
1 x'y" —y'x" 1
(24)
Dieselbe zeigt, daß % stets von Null verschieden ist, und daß die gesuchte
Kurve ein Kreis vom Badius | X \ ist, der im Sinn ^) des Uhrzeigers oder im ent-
gegengesetzten beschrieben wird, je nachdem X^O oder ^ <; 0. Man verifiziert
dies auch leicht direkt durch wirkliche Ausführung der Integration, indem man
') Vgl. p. 3.
^) Hierdurch wird zugleich definiert, was wir unter dem fraglichen Flächen-
inhalt verstehen; vgl. Goursat, Cours d' Analyse, I, Nr. 94 und C. Jordan, Cours
d' Analyse, I, Nr. 102, 112 und II, Nr. 129—133. Man beachte, daß das Integral J
entlang der Geraden Pj Pg gleich Null ist. •
^) Vgl. p. 192.
466
Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
die DifFereutialgleichung (24) in der Normalform (43) von § 27 schreibt, mit dem
Bogen s als unabhängiger Variabein. Die Integration ergibt bei passender Wahl
des Anfangspunktes für den Bogen s
^ — X cos
(-1)
y
l sin
(-1)
(25)
Da H^ stets von Null verschieden ist, so können nach (22) und § 48, c),
Zusatz I, keine diskontinuierlichen Lösungen auftreten.
Konstantenhestimmung^): Wir wählen zur
Vereinfachung den Mittelpunkt 0 der Strecke
Pj P2 zum Koordinatenanfangspunkt, so daß
a = 0 wird. Ferner beschränken ^) wir uns
auf Lösungen, welche nicht über einen vollen
Kreisumfang hinausgehen, und auf den Fall
X < 0. Führt man dann den halben Zentri-
winkel CO des Bogens P^ P^ ein, so normiert,
daß derselbe zwischen 0 und 7t liegt, so ist
x^ = — Xsin CO, Z = — Z CO , /? = 1 cos co,
_^ woraus sich zur Bestimmung von co die trans-
zendente Gleichung ergibt
CO = sm CO
Fig. 106. l
Da nach Voraussetzung 0 < o?! < /, so ergibt die Diskussion dieser Gleichung,
daß dieselbe stets eine Wurzel co zwischen 0 und ä besitzt. Daraus folgt, daß
es stets einen den Anfangsbedingungen genügenden Kreisbogen gibt, für
welchen A «< 0 .
Daneben gibt es, wenn xjl unter einer gewissen Grenze liegt, dann noch
Lösungen, welche über einen vollen Kreisumfang hinausgehen.
Der Ausnahmefall, daß eine Extremale für das Integral K, d. h. also eine
Gerade, Lösung des Problems ist, kann nur eintreten wenn 2 Z = | P^ Pg ! . Als-
dann ist aber diese Gerade überhaupt die einzige zulässige Kurve, kann also
gar nicht den Bedingungen der Aufgabe gemäß variiert werden.
d) Gleichgewiclitslage eines schweren, an söinen beiden End-
punkten befestigten Fadens:
Nach physikalischen Prinzipien ist die Aufgabe mit der folgenden äquivalent:
Bei spiel XXI: In einer vertikalen Ebene zwischen zivei gegebenen Punkten
Pi und Pj diejenige Kurve von gegebener Länge zu ziehen, denn Schiverpunkt
möglichst niedrig liegt.
Wir nehmen die positive i/-Achse vertikal nach oben; dann wird die Ordi-
nate des Schwerpunktes gegeben durch den Quotienten
') Vgl. C. Jordan, Cours d' Analyse, III, p. 498.
«) Vgl. § 61, c).
§ 59. Die Euler' sehe Regel. 467
fyx'^-i-y'^^dt
Da jedoch der Nenner bei allen zulässigen Kurven konstant bleibt, so haben wir
einfach das Integral
J=fyVx'^-fy^dt
h
zu einem Minimum zu machen, während gleichzeitig das Integral
einen vorgeschriebenen Wert l haben soll, den wir größer als den Abstand
I Pi Pg ! voraussetzen.
Wir haben hier
Indem wir von der ersten der beiden Grleichungen (18) Gebrauch machen, erhalten
wir sofort ein erstes Integral der Differentialgleichung (I):
" Vx'^^y'^'
Ist a = 0, so erhalten wir die Lösung ^)
X = konst.,
welche nur dann statthaben kann, wenn die beiden gegebenen Punkte in der-
selben Vertikalen liegen.
Ist dagegen cc=^0, so erhalten wir als allgemeine Lösung der Differential-
gleichung (I) zwei Systeme von Kettenlinien
x=ß-\-cct, y -\- X ^ ±aCht . (26)
Aus (22) folgt, daß die Konstante a selbst im Fall einer diskontinuierlichen
Lösung entlang der ganzen Kurve denselben Wert behalten muß. Sehen wir
daher von dem trivialen Fall cc = 0 ab , so können nach § 48 , c) , Zusatz I,
keine diskontinuierlichen Lösungen auftreten ; denn
H^{x^y^cosd,smd',X) = y-\-X,
und dies ist im Fall a^O entlang jeder Extremalen von Null verschieden.
Konstantenbestimmung ^) : Nehmen wir an, daß ^i<C^2» ^^ ^^^ a >► 0 sein,
^) Die G erade : ^Z + ^ = 0 ist keine Extremale , da sie der zweiten der
Differentialgleichungen (18) nicht genügt.
^) Nach Weiekstrass, Vorlesungen 1879; vgl. auch Appell, Iraite de Meca-
nique, I, p. 191.
468 Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
damit *i<*,. Da die Kurve durch die beiden Punkte P^ und P^ gehen soll,
80 müssen die folgenden Gleichungen erfüllt sein
x,=ß, + at,, y,+^ = ±ccCht, .
Femer muß die Kurve die vorgeschriebene Länge haben; das gibt die weitere
Gleichung
o;(Shi3 — Shii) = L
Aus diesen fünf Gleichungen haben wir die Unbekannten a^ ß^X^t^^t^ zu be-
stimmen. Führt man statt t^ und t^ die beiden Größen
_ t,J- 1, _ x,_±x,-2 ß
2 a
(27)
ein, 80 leitet man leicht aus den obigen Gleichungen die folgenden ab
2/j — 2/1 = dz 2aSh^Shi;,
? = 2o:ChaShv.
Daraus folgt
Thft= + ^^-^'. (28)
Da nach Voraussetzung
i > Vi^,- ^ryTW.-w^ > 1 2/2 - 2/1 1 ,
so hat jede der beiden in (28) enthaltenen Gleichungen eine Lösung fi. Ferner
folgt aus (27)
y7^-(^;_7J.^ = 2aSh., also ^ ^VlE^y^lH ^j, ,
Da A:^l, so hat diese transzendente Gleichung eine positive Wurzel v, wie
sich aus der Diskussion der durch die Funktion Shi/ — kv von v dargestellten
Kurve ergibt.
Nachdem u und v bestimmt sind, ergeben sich die Werte von a, ^, X, ij.^j
unmittelbar.
Jedes der beiden Systeme von Kettenlinien (26) enthält also eine Ketten-
linie, welche den Anfangsbedingungen genügt. ^)
e) Existenztlieoreme für isoperimetrische Extremalen:
Aus dem Satz von § 21, a) folgt unmittelbar: Durch einen
Punkt ^o(<^o> ^0) ^^ Innern des Bereiches öl läßt sich in einer vor-
geschriebenen Richtung y^ eine und nur eine Extrem ale der Klasse C
mit einem vorgeschriebenen Wert Xq der isoperimetrischen Kon-
stanten A konstruieren, vorausgesetzt daß
-^1 («0. K cos 7o, sin j'o ; '^0) + 0 . (29)
^) Hierzu weiter die Übungsaufgaben Nr. 1—9, 18—22 am Ende dieses Kapitels.
§ 59. Die Euler'sche Regel. 459.
Diese Extremale, die wir schreiben
x = x{t), y = y{t), (30)
läßt sich dann wieder auf ein ganz bestimmtes Maximalintervall
t\<t<tl
fortsetzen.
Ist t==tQ der Parameter des Punktes A^, und sind T^y T^ zwei
der Ungleichung
^t < ^1 < ^0 < ^2 < tl
genügende Werte, so läßt sich eine positive Größe d angeben derart^
daß die folgenden Sätze gelten:
1. Ist
so läßt sich auch durch den Punkt x^yy^ in der Richtung 6^ eine
Extremale mit dem Wert X der isoperimetrischen Konstanten kon-
struieren. Bedeutet insbesondere t die Bogenlänge, so können wir
diese Extremale unter Benutzung der in § 21, b) definierten Punk-
tionen 36, g schreiben:
x^üit-t^', x^, 2/0, e^,k), y=-d(i- hl ^0. 2/0; ^0, ^) , (31)
wobei wir im gegenwärtigen Fall noch X mit unter die Argumente
aufnehmen müssen. Dazu kommt dann noch für den Tangenten-
winkel 0 in Punkt t die Gleichung
2. Für
geht die Extremale (31) in die Extremale (30) über.
3. In dem Bereich
^i<i<T2,\^o-(^o\<dAyo-K\<d,^eQ-yQ\^d,\X-XQl^d (32)
sind die Funktionen
als Funktionen der Variabein t, Xq^ y^, 6^, l von der Klasse C,
4. In dem Bereich (32) ist
^,(3£,g,.^,,g,; A) + 0 (33)
und
^(^0) 2/01^0)
4=0.
(34)
^'JQ Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
Endlich liegt die Extremale (31) für jedes den Ungleichungen
(32) genügende Wertsystem von t, x^^y^, Oq, X ganz im Innern des
Bereiches 6i.
Zum Beweis dieser Behauptungen schreibe man die Differential-
gleichung (I) unter Einführung des Tangentenwinkels 6 in der den
Gleichungen (43) von § 27 entsprechenden Normalform und betrachte A
als vierte, der Differentialgleichung
dt
genügende unbekannte Funktion. Auf das so erweiterte System von
Differentialgleichungen wende man dann die Sätze von § 24 an.
Gibt man in (31) einer der Größen Xq, y^, Oq einen festen
numerischen Wert und betrachtet die übrigen beiden als Integrations-
konstanten, so erhält man das bereits unter b) erwähnte „allgemeine
Integral" der Differentialgleichung (I), zunächst in einer Normalform,
von der man dann wie in § 27, c) zur allgemeinsten Form über-
gehen kann.
§ 60. Die zweite und vierte notwendige Bedingung.
Wir nehmen jetzt an, wir hätten eine Extremale
@o: x = x(t), y = y(t)> k<i<k
gefunden, welche der Differentialgleichung (I) mit einem bestimmten
Wert Xq der isoperimetrischen Konstanten genügt, von P^ nach Pg
führt und dem Integral K den vorgeschriebenen Wert l erteilt.
Weiter setzen wir voraus, die Kurve (Sq sei von der Klasse C" und
liege ganz im Innern des Bereiches 01, und endlich verschärfen wir
die in § 59, a) über die Funktion V gemachte Annahme dahin, daß
sie entlang der Extremalen @o in keinem noch so kleinen Teilinter-
vall von \t^t^ identisch verschwinden soU.
a) Das Analogon der Legendre'schen Bedingung:
Zur Aufstellung weiterer notwendiger Bedingungen wenden wir
uns nunmehr zunächst zur Untersuchung der zweiten Variation.
Wir betrachten irgendeine einparametrige Schar von zulässigen
Variationen (3); für dieselbe muß dann nach (14)
ö'JyO (35)
sein. Bei der Bildung von ö^J haben wir zu beachten, daß im gegen-
wärtigen Fall der Integrand nicht nur die schon beim Problem ohne
Nebenbedingungen (§ 28) auftretende quadratische Form in öx, dy^
§ 60. Die zweite und vierte notwendige Bedingung. 471
Sx\ öy' enthält, sondern nach § 8, b) außerdem noch eine lineare
Form der zweiten Variationen, nämlich
weil wir es hier nicht mit Variationen von dem einfachsten Typus
(17) von § 26 zu tun haben, sondern mit solchen von dem allge-
meineren Typus (3).
Diese zweiten Variationen lassen sich nun aber eliminieren/)
wenn man die Ungleichung (35) mit der aus der Differentiation der
Gleichung: K = l nach s folgenden Grleichung: d^K = 0 in der Weise
kombiniert, daß man die letztere mit der Konstanten Xq multipliziert
zur ersteren addiert:
dV+Aod'/iT^O. (36)
Die Glieder, welche zweite Variationen der unbekannten Funktionen
enthalten, vereinigen sich nunmehr zu dem Integral
f{HJ'x + H^d'y + H,,d-'x' + H^,dY)dt, (37)
wobei in der Funktion H die Konstante /l = Aq zu setzen ist.
Wendet man auf dieses Integral die Lagrange'sche partielle
Integration an und beachtet einerseits, daß die Extremale (Sq den
Differentialgleichungen (18) mit dem Wert Xq der isoperimetrischen
Konstanten genügt, andererseits, daß die Funktionen d^x, ö^y in t^
und t<^ verschwinden, wie sich durch zweimalige Differentiation der
in £ identischen Gleichungen
x(t,,e) = x^, y{t^,8) = y^,
x{t^, s) = x^, y(t^,£) = y2
ergibt, so erkennt man, daß das Integral (37) gleich Null ist, und
daß sich daher die Ungleichung (36) auf
ö'J^fiH^Xöxf + . . . + H^.y.{dyy]dt ^ 0 (38)
h
reduziert. Diese Ungleichung muß bestehen für jedes Funktionen-
paar dx^ dy, welches aus einer einparametrigen Schar von zulässigen
Variationen durch den d-Prozeß ableitbar ist. Die Gesamtheit dieser
Funktionenpaare ist aber nach dem Weierstraß'schen Lemma von
§ 59, a) identisch mit der Gesamtheit derjenigen Funktionenpaare
^) Vgl. eine hierauf bezügliche Bemerkung von Swift, Bulletin of the
American Mathematical Society, Bd. XIV (1908), p. 373.
^12 Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
dXydij, welche in [tj^] von der Klasse D' sind, in t^ und t^ ver-
schwinden und überdies der Gleichung öK^O genügen. Für alle
diese Funktionenpaare muß daher die Ungleichung (38) gelten.
Auf das Integral auf der linken Seite von (38) kann man jetzt
die Weierstraß'sche Transformation von § 28, a) anwenden und
gleichzeitig auf öK die Transformation (18 a) von § 26, so daß in
beiden Integralen öx und dy nur mehr in der Verbindung
y'öx ~ x'öy = £iv
vorkommen. Wendet man dementsprechend das Weierstraß'sche
Lemma in der zweiten am Ende von § 59, a) gegebenen Form an,
so erhält man den folgenden Satz:^)
Für ein Minimum des Integrals J mit der Nebenbedingung K=l
ist weiter notwendig, daß das Integral
Ö^J^ s^f[H, (^,^)'+ H,u,^}u y 0 (39)
für alle FunUionen w von der Klasse B\ welche in t^ und t^ ver-
schwinden, und für welche
f
Vwdt = 0. (13)
Dabei sind die Funktionen H^, E^ ^^^ ^^^ Funktion H= F -\- X^G
genau so abgeleitet wie in § 28, a) die Funktionen F^,F^ aus der
Funktion F, die Funktion V ist durch (9) definiert, und die Funk-
tionen Hy,H^,V sind für die Extremale @o berechnet.
Hieraus folgt nun leicht der Satz:
Bie zweite nottcendige Bedingung für ein Minimum des Integrals J
mit der Nebenbedingung K = l ist, daß
H,yO ^ (11)
entlang der Fxtremalen @o? ^^- ^-
H,{x{t), y{t), x\t), yfXt); X,) ^ 0 in [t^.
Zum Beweis können wir genau wie in § 9, b) und § 28, a)
verfahren, nur daß jetzt noch zu zeigen ist, daß wir zu jedem vor-
*) Weierstrass , Vorlesungen 1«7'J. Man kann dieses Resultat auch ohne
Benutzung des Weierstraß'schen Lemmas ableiten, indem man in konsequenter
Weiterführung des Hilbert'schen Gedankengangs (p. 458, Fußnote 0), die zweite
notwendige Bedingung dafür entwickelt, daß die i'unktion J(£, Sj) für t = 0,
f 1 = 0 ein Minimum mit der Nebenbedingung K{s, «i) = ^ besitzen soll; vgl. Bolza,
Bulletin of the American Mathematical Society, Bd. XV (1909), p. 213.
§ 60. Die zweite und vierte notwendige Bedingung. 473
geschriebenen Teilintervall [t't''] von [t^t^] eine Funktion tv kon-
struieren können j welche in [t't"] von der Klasse C ist, in t' und r"
verschwindet, ohne im ganzen Intervall identisch zu verschwinden,
und welche der Bedingung (13) genügt. Dazu wähle man zwei be-
liebige Funktionen w^i, ^(?2> welche den ersten beiden der drei auf-
gezählten Bedingungen genügen, und überdies W2 so, daß
* "
x'
was nach der im Eingang dieses Paragraphen über die Funktion Y
gemachten Voraussetzung stets möglich ist. Dann setze man:
w = w^^ cw^ und bestimme die Konstante c so, daß (13) erfüllt ist.
Die Bedingung (II) ist das Analogon der Leg endre' sehen Bedin-
gung für das isoperimetrische Problem. Wir werden dieselbe in der
ganzen weiteren Entwicklung in der stärkeren Form:
■Hx > 0, (11')
entlang (Sq, voraussetzen. Es folgt dann nach § 27, c), daß sich die
Extremale (S^ über das Intervall [t^t^ hinaus fortsetzen läßt, und es
gelten für die so fortgesetzte Extremale @* die Sätze von § 59, e).
Insbesondere folgt, daß die Extremale ©^ aus dem allgemeinen Integral
(21) der Differentialgleichung (I) abgeleitet werden kann, indem man
den Größen «, ß. l gewisse spezielle Werte a = c<:q, /3 = /J^^, A = l^ gibt,
so daß also
xif) ^ f{t, a,, ß,, X,) , y(t)^ g{t, a„ ß,, X,) . (40)
i)) Die Weierstraß'sche Bedingung:
Um spätere Entwicklungen nicht
unterbrechen zu müssen, schließen wir
gleich hier die Weierstraß'sche Be-
dingung an. Wir wenden dasselbe Ver-
fahren wie in § 30, a) an, wobei jedoch
einige Modifikationen nötig werden. Unter ^
Festhaltung der dortigen Bezeichnung J^'ig- 107.
handelt es sich darum, eine einparametrige Schar von Vergleichskurven
X = x{t,s), y=.y{t^e)
aufzustellen, welche nicht nur, wie dort, die Bedingungen
x{t,0) = x{t), y(t,0) = y(t),
x(t„e) = x^, y(t,,8)==y^,
474 Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
sondern auch die isopermetrisclie Bedingung
K,,+ K,,^K,, (41)
erfüllen. Dazu setzen wir die Vergleichskurven in der Form an
X = x{t) + s,^,(t) + e,^,{t) + 6,Ut),
y = y(t) + 8,ri^{t) + e^ri^{t) + hn^{t) ,
wo l-j r}- willkürliche Funktionen von t von der Klasse C sind, welche
in fj verschwinden^ und bestimmen nun e^, e^y £3 als Funktionen von £
durch die Gleichungen:
^3+^1^1(^3) + ^2^2(^3) + hk{h) = ^{h-^)y
2/3 + hnSz) + ^2^2(^2^+ hnzih) = y{h-^)^
^14 + ^43 = -^13 •
Dies ist aber nach dem Satz über implizite Funktionen stets möglich,
\it,) UQ UQ\
.Vi(Q %fe) %W] + 0;
^1 K, K, i
wobei ,
Das ist stets leicht zu erreichen; man wähle z. B. ?i,% so, daß
was nach der im Eingang dieses Paragraphen über die Funktion V
gemachten Annahme stets möglich ist; ferner
Nachdem so eine allen Anforderungen genügende Schar von Ver-
gleichskurven hergestellt ist, muß für alle hinreichend kleinen posi-
tiven Werte von 6 die Ungleichung
stattfinden, welche man mit Rücksicht auf (41) auch schreiben kann:
(^14 + ^0^14) + («^43 + ^0-^43) > *^13 + ^0^13-
Die weitere Behandlung dieser Ungleichung führt nun ganz wie in
§ 30, a) zu dem folgenden Resultat: Es bezeichne
%{x,y', x',y'', x,ir, l) =
H(x,y,x\y', X) - x' H^,{x,y,x,y'', k) - yHy.{x,y,x',y'', l).
§ 61. Die Weierstraß'sche Theorie der konjugierten Punkte. 475
Dann gilt der Satz^):
Die vierte notwendige Bedingung für ein starlies Minimum des
Integrals J mit der Nehenhedingung K = l besteht darin, daß
S(x,y',p,q-p,q-X^):>0 (IV)
entlang^) dem JExtremalenhogen ^q.
§ 61. Die Weierstraß'sche Theorie der konjugierten Punkte beim
isoperimetrischen Problem.
Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt^ daß, soweit es sich
um die Bedingungen (I), (II) und (IV) handelt, das vorgelegte iso-
perimetrische Problem äquivalent ist mit dem Problem, das Integral
'?
j\F-\-X,G)dt (43)
ohne Nebenbedingung zu einem Minimum zu machen.
Man hat lange geglaubt, daß beide Probleme überhaupt äquivalent
seien; dies ist jedoch falsch, wie zuerst Lundström^) gefunden hat.
Die weitere Untersuchung der zweiten Variation zeigt nämlich, daß
auch beim isoperimetrischen Problem ein konjugierter Punkt F[
existiert, über welchen hinaus ein Extremum nicht mehr stattfinden
kann; dieser Punkt fällt aber im allgemeinen nicht mit dem konju-
gierten Punkt für das Integral (43) ohne Nebenbedingung, den wir mit
P[ bezeichnen wollen, zusammen, vielmehr ist im allgemeinen F[^F[,
wie dies auch a priori nicht anders zu erwarten ist. Denn beim
Problem ohne Nebenbedingung muß die Ungleichung (39) für aUe
Funktionen iv der Klasse D' erfüllt sein, welche in t^ und t^ ver-
schwinden, beim isoperimetrischen Problem dagegen nur für diejenigen,
welche außerdem noch der Bedingung (13) genügen; daraus folgt
schon, daß sicher F[ >- F[ sein muß.
Bei der dritten notwendigen Bedingung hört also die Äquivdlens
der beiden Probleme auf.
a) Definition der konjugierten Punkte:
Wir wenden zunächst auf das Integral (39) die Jacobi'sche Trans-
formation von § 10, b) an. Ist [r^Tg] irgend ein Teilintervall von
^) Nach Weierstrass, Vorlesungen 1879.
^) In demselben Sinn wie in § 30, a).
^) ^S^- „Distinction des maxima et des minima dans un prohlenie isoperi-
metrique", Nova acta reg. soc. sc. Upsaliensis, Ser. 3, Bd. VII (1869); vgl.
auch A. Mayer, Mathematische Annalen, Bd. XIII (1878), p. 54.
476 Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
[tit^], und wählen Avir die Funktion w identisch gleich Null außerhalb
[r^Tg], gleich Null in r^ und r._, und von der Klasse 0" in [r^tg], so
können wir hiernach die zweite Variation schreiben
d^J=e^Jw^(w)dt, (44)
wobei
Da wir aber nur solche Funktionen lo betrachten, welche der Glei-
chung (13) genügen, so können wir in den Ausdruck für d^J dadurch
eine willkürliche Konstante einführen, daß wir das mit einer Kon-
stanten u multiplizierte Integral
/
Vwdt
hinzuaddieren. Wir erhalten so: ^
^2 j _ s^fwl-^Pitv) -h ii V]dt (45)
Wir versuchen nun zunächst, ähnlich wie in § 10, b), die zweite
Variation durch passende Wahl der Größen Tj, tg, ft und der Funktion
w gleich Null zu machen. Dazu betrachten wir die Differentialgleichung
-^Fiiv) + iti F = 0. (46)
Das allgemeine Integral derselben läßt sich mittels eines dem
Jacobi'schen Verfahren von § 12, b) und § 29, a) analogen Verfahrens
leicht angeben. Denn setzen wir in die Differentialgleichung
■^ dt ^
mit unbestimmtem A für x, y das allgemeine Integral (21) ein, diffe-
rentiieren nach a, ß, l und setzen schließlich a = a^, ß = ß^, 1 = 1^,
so ergibt sich das folgende Resultat:
Bezeichnen wir
^S)=0tfa-ft9ay
«0. ß = ßo^ r == roy
so ist
W{^, (t)) = 0, W(^, (t)) = 0, W(^, (t)) +V^0. (47)
§ 61. Die Weierstraß'sche Theorie der konjugierten Punkte. 477
Die ersten beiden dieser Gleichungen werden genau so erhalten wie
die analogen Resultate in § 29, a). Bei Ableitung der dritten Glei-
chung hat man sich zu erinnern, daß die Größe l nicht nur implizite
in den Funktionen f, g vorkommt, sondern auch explizite als Faktor
von G in 11= F -\- XG. Die Ausführung der Differentiation nach X
«rgibt daher zunächst die Gleichung
woraus dann das obige Resultat auf Grund der nach Gleichung (23)
von § 26 gültigen Relation
folgt.
Aus den Gleichungen (47) ergibt sich, daß die Funktion
iv = c, &^(t) + c.d'.it) + /i^3(0 (48)
der Differentialgleichung (46) genügt, und da sie zwei willkürliche
Konstanten c^, c^ enthält, so ist sie zugleich das allgemeine Integral.
Dasselbe kann nur dann in einem Intervall \y^%^ identisch ver-
schwinden, wenn q = 0, Cg = 0, /i = 0. Denn wäre w = ^, so würde
zunächst aus (46) folgen, daß ^ = 0 sein muß, da F ^ 0 vorausgesetzt
ist; weiter würde dann c^ = 0, Cg = 0 folgen, da ^'^(t) und ^^{t) zwei
nach § 29, a) linear unabhängige Integrale der Differentialgleichung
W(w) = 0 sind.
Sollte es nun möglich sein, die Konstanten c^jC^^yi und einen der
Ungleichung
k < K < h
genügenden Wert ^i so zu bestimmen, daß gleichzeitig
k' i"-' ^i' 'i'
j Vwdt ~ cj r^^dt + c^fVd'^dt + afvd-^dt = 0,
so könnte man die zweite Variation durch eine allen Bedingungen
genügende Funktion w gleich Null machen, indem man w in \tj['\
gleich dem Integral (48) mit diesen speziellen Werten von c^yC^j^i
setzt, dagegen identisch gleich Null in \t[Q. Daraus würde dann,
wie wir wenigstens als wahrscheinlich erwarten dürfen, folgen, daß
AJ<0.
B o 1 z a , Variationsrechnung. 3 -t
^Y8 Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
Wir können somit den folgenden Satz^) aussprechen:
Soll d^J>0 sein für alle zulässigen^ in [tj^] ^«"^^«^ identisch ver
schwindenden Funldionen w, so muß
^i(0. ^2(^1), ^3(0 I
^i(0, ^2(0, ^3(0 ^ + 0
Bit.t,)^
fv»^dt, fv»^dt, fr»^dt
(49)
sein für , ^ ^ = .
Indem wir mit t[ die zunächst 2) auf t^ folgende Wurzel der
Gleichung l){t,t,) = 0
bezeichnen, können wir die Bedingung (49) auch schreiben
Der dem Wert t[ auf der Extremalen @J entsprechende Punkt P[
heißt wieder der zu P^ konjugierte Tunld.
Eine leichte Modifikation der obigen Schlußweise führt zu dem
folgenden, wenigstens scheinbar allgemeineren Resultat: Wenn
B{t'\t') = 0
für zwei den Ungleichungen
^1 ^ ^' < t" < h
genügende Werte t',t", so kann man ö?J = 0 machen durch eine zu-
lässige Funktion iv.
b) Eigenschaften der Funktion J)(ty Q\
Für die weitere Entwicklung haben wir den folgenden Hilfssatz ^)
über die Funktion D(^, tj) nötig:
Die Funktion D{t,t^) wechselt im PimU t['ihr Zeichen ^ außer
wenn t[ zugleich konjugierter Funkt (im weiteren Sinn) für das Integral
(43) ohne Nehenhedingung ist.
Zum Beweis bringen wir zunächst D{t, t^) auf eine für die Dis-
kussion bequemere Form. Wir führen dazu die beiden folgenden
Funktionen ein:
^) Satz und Beweis nach Wkierstrass, Vorlesungen 1872.
*) Vgl. die Bemerkung am Ende von Absatz b).
•') Derselbe rührt von Wkierstrass her, siehe die Dissertationen von Howe,
Berlin 1887, und Hormann, Göttingen 1887; einen Beweis hat zuerst Kneser ge-
geben, Mathematische Annalen, Bd. LV (1902), p. 86.
§ 61. Die Weierstraß'sche Theorie der konjugierten Punkte. 479
V = C, 9, (0 + C, », (t) - *3 (0 ^ V {t, t,),
wobei die beiden Konstanten C^, ü^ der Gleichung
genügen. Die beiden Funktionen «, v genügen den Differential-
gleicliungen , ^ „
« ^ ?<•(«) = 0, ■q'{v) = v (50)
und den Anfangsbedingungen
u{t,)=0, v{t,) = 0. (51)
Mit Hilfe von elementaren Determinantensätzen läßt sich dann die
Funktion D{t, t^) folgendermaßen durch u und v ausdrücken:
I){t, ^1) = mv — nu, (52)
wo
m
t t
=jVudt ~ m{t, t^), n =^fvvdt = n{t, Q
Aus (50) folgt
V W(^u) -u W{v) = ^^ H,{uv' - vW) = - uV.
Integriert man diese Gleichung und bestimmt die Integrationskon-
stanten aus (51)^ so kommt
Hj {iiv' — V li)^ ~ m. (53)
Differentiiert man andererseits (52) nach t, so folgt aus der Defi-
nition der Funktionen m und n.
D'=mv'—nu\ (53a)
und daher
Du-n'u=^^^. (54)
Wir schließen hieraus zunächst^ daß die Funktion D(t,t^) in
keinem noch so kleinen Teilintervall von [t^t^] identisch verschwinden
kann; denn sonst müßte dasselbe mit D' und daher auch mit m der
Fall sein, was mit der im Eingang von § 60 über die Funktion V
gemachten Annahme im Widerspruch steht.
Weiter folgt aber aus (54), daß
dtu H,' V^^)
und dies zeigt, da H^ > 0, daß der Quotient B/u sein Zeichen wechselt,
wenn t durch den Wert t[ hindurchgeht; dasselbe tut also auch die
31*
430 Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
Funktion Z), wenn u(t[) ^ 0, und das ist eben der oben ausgesprochene
Satz, da ja die Gleichung ii(t) = 0 die konjugierten Punkte (im
weiteren Sinn) für das Integral (43) ohne Nebenbedingung bestimmt.
Da u in t^ nach (50) und § 11, a) nur von der ersten Ordnung verschwindet,
m und D dagegen von höherer^) Ordnung, so folgt durch Integration von (55),
fm^dt
Diese Gleichung zeigt, in Übereinstimmung mit den Bemerkungen im Eingang
dieses Paragraphen, daß Z)=|=0 für ij <it<Ct[; denn i', ist nach Definition die
zunächst auf i folgende Wurzel der Gleichung u{t) = 0. Kombiniert man dieses
Resultat mit dem folgenden, leicht zu beweisenden Satz über stetige Funktionen:
„Ist die Funktion f(x) stetig in [ab], positiv in a, aber nicht in allen
Punkten von [ab], so gibt es in [ab] einen Punkt c, so daß
fix) :>0 füT a^x<c, f{c) = 0",
so folgt: Wenn die Funktion D(t,t^) überhaupt im Intervall i^ <^ ^ < ^g ^^i"-
schwindet, so besitzt sie stets auch einen zunächst auf t^ folgenden Nullpunkt.
c) Nachweis der Notwendigkeit der Bedingung: P^ <: P^:
Die in Absatz a) bewiesenen Resultate machen es wahrschein-
lich,^) daß das Extremum jenseits des konjugierten Punktes P^ nicht
mehr bestehen kann, und in der Tat läßt sich durch eine Modifikation
der von Weierstraß^) für den analogen Zweck beim Problem ohne
Nebenbedingung angewandten Methode beweisen,^) daß man die zweite
Variation und daher auch AJ negativ machen kann, wenn P[ -< Pg.
Dazu schreiben wir den Ausdruck (45) für die zweite Variation
in der Form
*) Sind die Funktionen H^, H^,V yq^mYsüT, und verschwindet V in ty von
der Ordnung ^•(>0), so verschwindet m in t^ von der Ordnung h-\-2, I) von
der Ordnung 2 Ä; -|- 4.
*) Vgl. die Bemerkungen bei der analogen Diskussion auf p. 62, insbesondere
Fußnote ^).
') Vgl. p. 82, Fußnote ^).
*) Der Beweis ist zuerst von Kneser gegeben worden in der auf p. 478,
Fußnote ^ zitierten Arbeit. Nach den Mitteilungen, die Howe und Hokmann in
ihren ebendort erwähnten Dissertationen machen, scheint es, daß Weierstrass im
Besitz eines ähnlichen Beweises war; doch ist mir nicht bekannt, ob er den-
selben in Vorlesungen vorgetragen hat. Einen wesentlich hiervon verschiedenen,
ebenfalls von Kneser herrührenden Beweis werden wir in § 62 geben.
§ 61. Die Weierstraß'sche Theorie der konjugierten Punkte. 481
wobei h eine willkürliche positive Konstante bedeutet, während
d { -r^ dw'
^W = (if, + Ä).-i'^(54»)
Es seien jetzt ü, v diejenigen partikulären Integrale der Differential-
gleichungen n.iu) = 0, W(:ö) = r,
welche den Anfangsbedingungen
genügen. Dann folgt aus dem Einbettungssatz i) von § 24, b), daß
L[u{t) - u{t)] = 0, L\y{t) - v{t)] = 0,
und zwar gleichmäßig in Beziehung auf das Intervall [tj^]-
Setzen wir daher entsprechend
m
=fViidt, h = fVvdt,
B(ty t^) = md — nü,
so folgt, daß auch
LI){t,t,) = D{t,t,), (56)
ebenfalls gleichmäßig in [t^ t^].
Angenommen es sei jetzt
und zunächst
'^(^0 + 0.
Dann wechselt, wie wir unter b) gezeigt haben, die Funktion B(t, t^)
in t[ ihr Zeichen; wir können daher zwei der Ungleichung
genügende Werte t^^ t^ von t angeben, für welche B{t, Q entgegen-
gesetzte Zeichen hat. Und nunmehr können wir wegen (56) die
^) Man schreibe die Differentialgleichung W{u) = 0 in der Normalform (20)
Yon § 23 mit u, u\ k als unbekannten Funktionen und mit der Zusatzdifferential-
gleichung dk/dt = 0. Dann gibt es nach J 24, b) eine positive Größe d, so daß
die Funktion ü{t) in dem Bereich t^^t^U,\k\^d eine stetige Funktion von
t und k ist, welche für ä; = 0 in u{t) übergeht; daraus folgt dann die Behauptung
nach dem Satz über gleichmäßige Stetigkeit, vgl. A 11 6 und AIIT8. Dasselbe
gilt für die Funktion v.
^g2 Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
Größe k so klein wählen, daß auch D(t, t^) in ^3 und t^ entgegen-
gesetzte Zeichen hat; daher muß D(t, t,) in einem zwischen ^3 und t^
gelegenen Punkt t!, verschwinden. Wenn aber D(t[, t^) = 0, so können
wir zwei Konstante c,,c^, nicht beide gleich Null, so bestimmen, daß
Wählen wir jetzt
w = cji -f c^v in [^1^1],
IV = 0 in \i[ t^
und geben der Konstanten ^ den Wert — Cg, so hat w alle in dem
Satz von § 60, a) verlangten Eigenschaften und genügt überdies der
Differentialgleichung _
W{iv) -f itF=0.
Diese Funktion iv macht aber ö^^J negativ, da für sie
Es bleibt jetzt noch der Ausnahmefall: i) u{t[) = 0 zu unter-
suchen. Derselbe kann nur dann eintreten, wenn gleichzeitig m(t[) = 0
und v(t[) = 0, wie sofort aus (54) und (53) folgt, wenn man be-
achtet, daß i^i + O in [t^Q, und daß u und u nach § 11, a) nicht
gleichzeitig verschwinden können.
In diesem Fall können wir nun zunächst dV=0 machen durch
die zulässige Funktion
tv = u in [t^Q, tv^O in [t[ ^2],
wie aus der Form (44) der zweiten Variation folgt, wobei man sich
der Definition der Funktion w zu erinnern hat.
Darüber hinaus läßt sich dann aber mittels einei Modifikation
des von Schwarz für den Beweis der Notwendigkeit der Jacob i'schen
Bedingung beim Problem ohne Nebenbedingung benutzten Methode
(§ 14,° b)) beweisen, daß man d^J auch negativ machen kann.
Man zeigt nämlich leicht, daß man stets eine Funktion o von t
bilden kann, welche in [t^Q von der Klasse C" ist und den Be-
dingungen k
coit,) = 0, ay(t,) = 0, co{t[) 4= 0, /« Vdt = 0
■^ <i
») Vgl. wegen dieses Ausnahmefalles Bolza, Mathematische Annalen,
Bd. LVII (1903), p. 44.
§ 61. Die Weierstraß'sche Theorie der konjugierten Punkte. 483
genügt. Setzt man dann
w = u -\-Jcc3 in [^i^J; w = k(D in [t[Q,
unter Jx eine Konstante verstanden, so ist die so definierte Funktion w
stetig in [^i^, ihre erste Ableitung erleidet aber einen Sprung an der
Stelle i^^; ferner verschwindet w in t^ und t^ und genügt der Be-
dingung (13).
Wir können daher auf die zweite Variation in der ursprünglichen
Form (39) die Jacobi'sche Transformation in der modifizierten Form
von § 10, c) anwenden und erhalten genau wie in § 14, b)
\
Da der Koeffizient von h von Null verschieden ist, so folgt hieraus
in der Tat, daß wir d^J durch passende Wahl von h negativ machen
können.
Somit ist bewiesen, daß ohne Ausnahme der Satz gilt:
Für ein Extremum des Integrals J mit der Nebenbedingung K = l
ist weiterhin notwendig, daß
Bit,t,)^0 für t,<t<t,,
oder anders ausgedrückt, daß
P2<P[' (in)
Beispiel II (Siehe p. 465).
Aus der Gleichung (23) folgt, daß im Fall eines Maximums X negativ sein
muß. Von den beiden in Beziehung auf die Gerade P^ P^ symmetrischen Kreis-
bogen, welche den Anfangsbedingungen genügen, kann also nur derjenige ober-
halb der ic-Achse ein Maximum liefern. Für denselben dürfen wir
als Parameter einführen und erhalten so aus (25) für den Bogen g^, die ana-
lytische Darstellung
x = (x^ — X,cost, 2/ = /5o — ^osin*, ti^t^t,.
Hieraus folgt
^^ (t) = — X^coat, &^ (t) = — X,8int, -9-, (t) = X^.
Ferner
Y^ ^y —y^
was sich nach (24) für die Extremale ©^ auf —1/X^ reduziert. Eine leichte
Kechnung ergibt dann für D{t,ty) den Ausdruck:
B{t, ty) = 4.Xl sin tr(8in r — t cos t), (57)
An^ Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
wobei
t — Vi
'= 2 •
Den beiden Faktoren von D{t,t,) entsprechend erhalten wir zwei Reihen von
konjugierten Punkten im weiteren Sinn, einerseits t = v7t, andererseits die Wur-
zeln der Gleichung
tgT = T,
deren zunächst auf r = 0 folgende Wurzel im dritten Quadranten liegt.
Der zu P, im engeren Sinn konjugierte Punkt wird also geliefert durch den
Ein Kreisbogen, welcher über einen vollen Kreisumfang hinausgeht, kann
also keine Lösung für das isoperimetrische Problem liefern.
Andererseits ist, wie wir bereits auf p. 234 gesehen haben, für das Problem,
das Integral
h
ohne Nebenbedingungen zu einem Extremum zu machen, der zu t^ konjugierte
Wert
K = ^1 + ^,
80 daß also in der Tat: t[>ti in Übereinstimmung mit der allgemeinen Theorie.
Da ferner:
u(t) = — Xl8m{t — t,\
80 tritt hier gerade der oben erwähnte Ausnahmefall ein, daß u{t[) = 0.
Beispiel XXI (Siehe p. 466):
Da hier , ,
80 ist für ein Minimum notwendig, daß 2/ + ^ > 0. Da nach unseren Fest-
setzungen die Konstante c.>0, so erfüllt von den beiden den Anfangsbedingungen
genügenden Kettenlinien (27) nur die nach wnten konvexe die Bedingung (II),
d. h. also die Kettenlinie
@o: X = §,^a,t, yJ^l = a,Ght.
Für dieselbe erhält man
^^ (t) = a,(tSh< - Ch*), ^^it) = aoSh^ ^,(t) = «^0.
y x'y"-yx" __ _1
Hieraus folgt
§ 61. Die Weierstraß'sche Theorie der konjugierten Punkte. 485
woraus sich für I){t,t^) das folgende Resultat^) ergibt:
D(t, t,) = a2[2 — 2Ch(^ — t,) -\-{t — t^)Sh{t — t^)],
oder wenn wir
I)(t,t^) = — 4: al^ht{Bhr — t Cht).
Die Funktion Shr ist positiv für positive Werte von t, und die Funktion
qp (t) =:^ Sh r — T Ch r
ist negativ für alle positiven Werte von t, da
qp (0) = 0 und qp ' (t) = — r Sh r.
Es existiert also kein zu P^ konjugierter Punkt, und die Bedingung (III) ist stets
erfüllt. ^)
d) Hinlänglichkeit der Bedingung: Pg -< F[ für ein permanente*
Zeichen von 8^J\^)
Soll d^J > 0 sein für alle nicht identisch verschwindenden zu-
lässigen Funktionen w, so ist, wie wir in § 60, a) und § 61, a) gesehen
haben, notwendig, daß Ä"^ > 0 in [tit^] und P^ ^ P[. Es soll jetzt
die Umkehrunff dazu bewiesen werden:
Wenn für den Extremalenhogen ©^ die beiden Bedingungen
ff^>0 in [t,Q, Ql'}
P2<P[ (in')
erfüllt sind, so ist ö^J^O für alle nicht identisch verschwindenden
zulässigen Funktionen w.
Es sei ^0 irgend ein der Ungleichung^)
t\<t^< t;
genügender Wert von t. Zu demselben gehören dann vier Funktionen.
u = u(t, Iq), v = v{t, ^oj, m = ni{tj t^), n = n(t, t^),
welche der Stelle t^ in derselben Weise zugeordnet sind wie unter b)
die Funktionen u{t,t^ usw. der Stelle t^.
Sind dann p, q irgend zwei E'unktionen von t, welche im Intervall
[t^t^] von der Klasse C sind, und setzt man
(D ^ pu + g.v,
^) Zuerst von A. Mayer gegeben, Mathematische Annalen, Bd. XIII
(1878), p. 67.
^) Hierzu weiter die Übungsaufgaben Nr. 12 — 17^21 am Ende dieses Kapitels.
^) Von dem Inhalt dieses Absatzes ist nur das am Schluß gegebene Lemma
für die späteren Entwicklungen erforderlich und auch dieses erst in § 64.
*) Ygl. wegen der Bezeichnung § 50, e).
486 Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
SO gilt die folgende Relation ^j:
Hy' + ^2«^ = H,{jyu + qvf - 2q(p'm + q'n)
d ^ ■^
+ ^- [H^ipu + qv)(pu + qv') + {pm -f- qn)q\
Man verifiziert dieselbe leicht^ indem man einerseits die Werte
von w und a' einsetzt und ausmultipliziert und dann die dabei auf-
tretenden Produkte H^u^H^v mittels der Differentialgleichung (50)
eliminiert, andererseits die Differentiation nach t ausführt und von
der Relation (53) Gebrauch macht.
Wir wollen zunächst annehmen, t^ ließe sich so wählen, daß
B{t, Q + 0 für ^1 5 ^ ^ ^2 . (59)
Ist dann tv irgend eine in [^^^g] nicht identisch verschwindende zu-
lässige^) ^^-Funktion, so bestimmen wir die beiden Funktionen p, q
aus den beiden Gleichungen ^
2)u-\-qv = w, pm + qn=JVwdt, (60)
deren Determinante nach (59) in [t^t^] von Null verschieden ist, da
ja der Gleichung (52) entsprechend die Relation
gilt. Hieraus und aus den Eigenschaften der Funktion w folgt, daß
die so definierten Funktionen p, q im Intervall [t^t^] von der Klasse D'
sind und in t^ und t.2 verschwinden, ohne identisch in pi^ zu ver-
schwinden. Ferner folgt aus (60) durch Differentiation
2V7n + qn = 0. (61)
Sind nun die Funktionen p und q zunächst von der Klasse C in
[tJi], so gilt für sie die Relation (58), durch deren Integration wir
erhalten^)
JIh,w''+ H^w^)dt =fH^{p'u + qv)hlt.
h h
Wegen der Voraussetzung (11') kann die rechte Seite nur dann gleich
Null sein, wenn p'u-\-q'v^^O in [^1^2]? ^^^ wegen (61) und (59)
*) Vgl. A. Mayek, Mathematische Aunalen, Bd. XIII (1878). p. 53, und
BoLZA, Transactions of the American Mathematical Society, Bd. III
(1902) p. 809.
») Vgl. § 60, a).
^) Dies ist das Analogon der Jacobi'schen Formel (11) von § 10.
§ 61. Die Weierstraß'sche Theorie der konjugierten Punkte. 487
mit den nachgewiesenen EigenBcliaften der Funktionen p und q un-
vereinbar ist-, es ist also in diesem Fall d^J^O.
Dasselbe Resultat bleibt aber auch bestehen, wenn die Funk-
tionen p, q von der Klasse JD' sind, wie man in bekannter Weise
durch Zerlegen des Intervalles \t^t^ in Teilintervalle und nachherige
Integration zeigt, wobei man zu beachten hat, daß die Funktionen p, q
selbst stetig bleiben, auch wo ihre Ableitungen Unstetigkeiten erleiden.
Hiermit ist das folgende vorläufige Resultat gewonnen:
Ist die Bedingung (11') erfüllt, und läßt sich t^ so wählen, daß
D(t,Q=^0 für h^t^t,,
so ist ö^J > 0 für alle nicht identisch verschwindenden zulässigen
Funktionen tv.
Um nun von hier aus zu dem im Eingang dieses Paragraphen
ausgesprochenen Satze zu gelangen, bemerken wir zunächst, daß aus
der Vergleichung des eben erhaltenen Resultates mit dem unter a)
bewiesenen folgt, daß für die Funktion D{tj t^) das folgende, dem
Sturm'schen Satz von § 11, c) analoge Lemma gilt:
^'^«'» D{t,Q + Oin[t,t,], (59)
SO muß B{t", t')=^0 sein für je zwei der Ungleichung: t^^^t' <,t" ^t^
genügende Werte t', t".
Hieraus folgt nun weiter: Wenn t^<.t[, so läßt sich stets t^ so
wählen, daß die Bedingung (59) erfüllt ist.^) Denn da unsere Voraus-
setzung gleichbedeutend ist mit
J){t, Q 4= 0 für h<t^t^, (IIP)
so ist insbesondere Bit^, t^) 4= 0. Daher können wir wegen der
Stetigkeit der Funktion D in Beziehung auf ihre beiden Argumente
eine positive Größe d angeben derart, daß
Z)(r', O + O für: \t'-t,\^d, \r-t,\^d. (62)
Daher ist: D(tft^)=^0 für t^-{- d^t^t2-\- d. Daraus folgt aber
nach dem obigen Lemma, daß
D(^2 + ^^ ^) 4= 0 iür t^ + d^t<t^ + d,
während aus (62) folgt, daß
D(^2 i-d,t)=^0 für t^- d^t^t^-i- d.
Es ist also
D(t^ ^d,t)^0 im t^~d^t^ t^,
womit unsere Behauptung bewiesen ist, da: D{ty t^-\- d) = — I){t^-\- d, t) .
^) Beweis nach C. Jordan, Con/rs d' Analyse, Bd. III, Nr. 393.
488 Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
Nunmehr folgt aber aus dem oben erhaltenen vorläufigen Resultat
der im Eingang dieses Absatzes formulierte Satz.
Wir fügen hier noch ein weiteres Lemma über die Funktion
B{tj Q an, das wir später gebrauchen werden. Wählen wir nämlich t^^
im Intervall t^— d <.tQ<Ct^, so folgt aus der bewiesenen Ungleichung:
D(t, f 2 + (f) + 0 für t^— d^t^t^ nach dem obigen Lemma ^):
Sind die Bedingungen (IF) und (IIF) erfüllt, so läßt sich eine
positive Größe d angeben derart, daß
D{t,t,)^0 für t.^t^t,,
sobald t^— d <tQ<i t^.
e) Das Mayer'sche Reziprozitätsgesetz für isoperimetrische
Probleme :
Schon Euler ^) hat bemerkt, daß das Problem: das Integral J
zu einem Extremum zu machen, während das Integral K einen vor-
geschriebenen Wert hat, und das dazu „reziproke P^vhlem": das
Integral K zu einem Extremum zu machen, während das Integral J
einen vorgeschriebenen Wert hat, zu derselben Gesamtheit von Extre-
malen führen.
Denn beziehen sich durchweg die überstrichenen Größen auf das
zweite Problem, so haben wir
S= Gi-JF = J(F+^^ g),
also wenn wir
X = Y" setzen, (63)
woraus folgt, daß die Differentialgleichungen der beiden Probleme
durch die Substitution ^ = ^ ineinander übergehen.
A. Mayer ^) hat diese Bemerkung von Euler dahin erweitert,
daß die beiden genannten Probleme auch in Beziehung auf die übrigen
notwendigen Bedingungen eines Extremums äquivalent sind.
Wir nehmen dabei an, die Endpunkte seien bei beiden Problemen
dieselben, und die vorgeschriebenen Integralwerte seien in beiden
*) Für den Fall, daß die Funktion Bit^t^) in der Umgebung der Stelle
* = *n *o = *i i'egulär ist und F(^i)=|=0, gibt Knesek einen von der Betrachtung
der zweiten Variation unabhängigen Beweis dieses Lemmas, Lehrbuch §§ 31 und 42.
') Vgl. Methodus inveniendi etc., Kap. V, Art. 37.
3) Mathematische Annalen, Bd. XIII (1878), p. 60; vgl. auch Kneser,
Lehrbuch, p. 131 und 136.
§ 62. Die Kneser'sche Theorie der konjugierten Punkte. 489
Problemen so gewählt, daß ein und dieselbe Extremale ©q die Anfangs-
bedingungen für beide Probleme befriedigt. Überdies möge die zu-
gehörige Größe X(^ endlich und von Null verschieden sein. Dann
folgt die behauptete Äquivalenz zunächst für die Bedingungen von
Weierstraß und Legendre unmittelbar, da nach (63)
_ ; (63a)
ß(x, «/; x\ y; x, f; Ao) = — %{x, y, x, y'-, x\ ^ Vo)-J
Nur ist dabei za beachten, daß einem Minimum des ersten Problems
ein Minimum oder Maximum des zvp^eiten entspricht, je nachdem X^
positiv oder negativ ist.
Aber auch die lionjugierten Funkte sind hei beiden Problemen
dieselben. Denn nach dem über die Beziehung zwischen den Differen-
tialgleichungen der beiden Probleme Gesagten ist
f{t, a, ß, X) = f(t, a, ß, i) , g{t, a, ß, l) = g{t, a, ß, |) .
Daraus folgt
Ferner ist:
V = T, also, da entlang (^^i T + XqV == 0,
Nunmehr folgt aus (49)
womit unsere Behauptung bewiesen ist.
Der Satz wird nach Mayer das Reziprozitätsgesetz für isoperi-
metrische Probleme genannt.^)
§ 62. Die Kneser'sche Theorie der konjugierten Punkte beim
isoperimetrischen Problem.
Die Kneser'sche Theorie der konjugierten Punkte geht — ähn-
lich wie die analoge Theorie von § 29, b) — von der Betrachtung der
Extremalenschar durch den Punkt P^ aus. Daraus ergibt sich dann
eine doppelte geometrische Deutung des konjugierten Punktes, welche
zu einer Übertragung des Enveloppensatzes von § 44, c) auf isoperi-
metrische Probleme und mit dessen Hilfe zu einem neuen Beweis für
die Notwendigkeit der Bedingung (III) führt.
*) Hierzu die Übungsaufgabe Nr. 10 am Ende dieses Kapitels.
490 Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
a) Die Doppelscliar von Extremalen durcli den Punkt P^:
Durch den Punkt P^ geht eine doppelt unendliche Schar von
Extremalen. Nach den Ergebnissen von § 59, e) können wir dieselbe
in der Normalform ^) schreiben:
X = 9e(f - t,] x,,tj,,oi,X) = (p{t,x, l),
Der Kurvenparameter t hat dabei die Bedeutung der Bogenlänge; von
den beiden Scharparametern k, X ist x der Tangentenwinkel der be-
treffenden Extremalen im Punkt P^, während X wie bisher die iso-
perimetrische Konstante bedeutet. Auf allen Kurven der Doppelschar
entspricht der Punkt P^ demselben konstanten Wert t = t^, so daß
also, identisch in x^ X:
(p{t,,x,X) = x^, ^{t^,x,X) = y^,
woraus durch Differentiation folgt
^Jt^^x,X) = 0, t.Ät,,^,X) = 0,
cp,{t„x,X) = 0, t,{h,x,X) = 0. ^ ^
Femer folgt aus der geometrischen Bedeutung der Größen t und x
cp^it^^XyX) = Gosx, ^p^{t^,x,X) = sinx. (66)
Die einem bestimmten Wertsystem x,X entsprechende Extremale
der Doppelschar (64) bezeichnen wir mit @^;.
Die Extremale ©^ ist in der Doppelschar (64) enthalten, und
zwar möge dies eintreten für x = Xq^ X = Aq, so daß also, wenn auch
auf der Extremalen @o die Bogenlänge mit passendem Anfangspunkt
als Parameter gewählt wird,
(p(t, >Co, Xq) = x{t), t{t, ^0, V) = y(ß)'
Aus den in § 59, e) unter 3) und 4) aufgezählten Eigenschaften
der Funktionen 3E, g folgen schließlich noch die entsprechenden Eigen-
schaften der Funktionen % i/^.
Wir führen, ähnlich wie in § 27, d), die permanente Bezeichnung ein
G(cp,ip,(p,,i^,) = (^](t,x,X), (67)
^) Von der Normalform (64) der Doppelschar kann man durch eine Trans-
formation von der Form
T = X(^x,;i), a = 2((x,X), 5 = g3(>t,A)
zu deren allgemeinster Darstellung übergehen, wobei die Funktionen 3!!, 51, 33
ähnlichen Beschränkungen zu unterwerfen sind wie auf p. 220.
§ 62. Die Kneser'sche Theorie der konjugierten Punkte. 491
die wir dann auch auf die partiellen Ableitungen dieser Funktionen^,
sowie auf die Funktionen H^,H^^ V ausdehnen.
Setzen wir
^i = 9^tty. - ^t^.,y V = (ft^lJ; - tt^;t, (68)
SO folgt ganz wie in § 61, a), daß diese beiden Funktionen den Diffe-
rentialgleichungen
genügen, und aus (65) und (66) folgt, daß
^(g = 0, v\t,) = 0. ^^^>
Für X = Xq, X == Xq gehen die Differentialgleichungen (69) in die Diffe-
rentialgleichungen (50) über, und durch Vergleichung von (70) und
(51) folgt dann, daß
vorausgesetzt, daß die in § 61, b) nur bis auf ein additives konstantes
Vielfaches von u(f) bestimmte Funktion v passend normiert wird; q ist
eine von Null verschiedene Konstante.
b) Die Kongruenz von räumliclien Extremalen durch den Punkt P^ :
Wir betrachten jetzt das Integral K, genommen entlang der Ex-
tremalen (S^^ vom Punkt Pi(^i) bis zu einem variabeln Punkt P(t)
und bezeichnen den Wert desselben als Funktion von t, %, X mit lii^z^ A):
t
z(i,z,X)=^f(:^(t,x,X)dt. (72)
Und nunmehr errichten wir nach dem Vorgang von Weierstrass ^)
im Punkt P eine Normale zur x,y-Ehejie, die nach Größe und Rich-
tung gleich dem Integralwert x(t,%,X) ist, indem wir eine bestimmte
Richtung der Normalen als positiv festlegen. Führen wir diese Kon-
struktion für jeden Punkt von @^; aus, so erhalten wir eine der
ebenen Extremalen @^;^ zugeordnete räumliche^) Extremale @^;, welche
^) Vorlesungen 1879.
^) Die Bezeichnung ist insofern gerechtfertigt, als diese Raumkurve Ex-
tremale für das folgende Variationsproblem ist, welches in gewissem Sinn mit
dem gegebenen isoperimetrischen Problem äquivalent ist : Unter allen Baumkurven,
icelche die beiden Punkte x = x^, y = y^, z == 0 und x = x.^, y = y^^ ^ = 1 ^'^r-
492 Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
-auf ein räumliches rechtwinkliges Koordinatensystem bezogen ana-
lytisch gegeben ist durch die Gleichungen
X = q>(t, X, A), y=- Ht, K, l), z = lit, K, X). (73)
Lassen wir % und k variieren, so stellen die Gleichungen (73)
eine der Doppelschar von ebenen Extremalen (64) zugeordnete Kon-
gruenz'^) von räumlicJien Extremalen dar^ welche wegen
sämtlich vom Punkt P^ der a;,i/-Ebene ausgehen. Insbesondere ent-
spricht der Extremalen ©o eine räumliche Extremale (S^.
Die Funktionaldeterminante der Schar (73) bezeichnen wir mit
Es gilt dann nach Knesek der Satz 2):
Die FunUionaldeterminante der Kongruenz räamlicJier Extremalen
durch den Funkt P^, berechnet für die räumliche Extreynale @o> '^'^'^ter-
scheidet sich von der Weierstr aß' sehen Funliion D{t,t^) nur um einen
von Null verschiedenen Iwnstanten FaUor:
A(t,y.,,X,) = CD(t,t,), C+O. (74)
Zum Beweis berechnen wir die partiellen Ableitungen der Funktion
X. Wendet man bei der Berechnung von x.^ und x^ die Lagrange-
sche partielle Integration sowie die den Formeln (23) von § 26 ent-
sprechenden Relationen an, so erhält man, der Formel (18a) von
§ 26 entsprechend, das Resultat
t
t
h
wobei man noch von den Gleichungen (65) Gebrauch zu machen hat.
binden und der Differentialgleichung: z' = G{x,y,x\y') genügen, diejenige zu be-
stimmen, weldie das Integral ^^
J = f F{x, y, x\ y')dt
ZU einem Minimum macht. Vgl. übrigens auch § 04, b) Ende.
^) Unter einer ,, Kongruenz^' von Raumkurven versteht man allgemein ein
zweiparametriges System von Raumkurven, vgl. Darboux, Theorie des surfaces,
Bd. n (1889), p. 1. 2) Vgl Lehrbuch, § 42.
wobei
§ 62. Die Kneser'sche Theorie der konjugierten Punkte. 493
Setzt man diese Werte in die Determinante A ein, so folgt nach
einfachen Determinantensätzen
A(t,Z,l) = inu — nu, (76)
t t
"V =fVu dt, 1^ -f^vdt. (77)
Für Jc = ;co; ^ = K göht aber die rechte Seite von (76) nach (71),
abgesehen von einem konstanten Faktor, in 7nv — nu über, womit nach
(52) unsere Behauptung bewiesen ist.
Aus bekannten Eigenschaften der Funktionaldeterminante folgt,
daß der Satz (74), sowie die weiter unten folgenden geometrischen
Anwendungen, von der speziellen Normalform, in welcher wir die
Doppelschar (64) angenommen haben, unabhängig sind.^)
Wir bezeichnen jetzt den dem Wert t = t[ entsprechenden Punkt
von @Q, dessen Projektion also der Punkt F[ ist, mit Q[ und nennen
ihn den räumlichen Jwnjugierten Punkt Für denselben ergibt sich
nunmehr aus der allgemeinen Theorie der Kongruenzen von Raum-
kurven eine einfache geometrische Deutung.
Ersetzt man in (73) tc und l durch Funktionen eines neuen
Parameters«: ^ = ^^^)^ X ^ X(a),
welche für einen gewissen Wert a = a^ die Werte tCq, Xq annehmen,
so gehen die Gleichungen (73) in eine einparametrige, in der Kon-
gruenz (73) enthaltene Kurvenschar („Kurvenbüschel")
X = (p(t, 7c, i), y = ^{t, %, 1), z = x{t, %, l) (78)
über, welche die Kurve ©^ enthält, oder anders ausgedrückt, in eine
„Fläche der Kongruenz (73)", welche durch die Kurve ©^ hindurchgeht.
Konstruiert man dann in einem beliebigen Punkt Q von @^
die Tangentialebene an die Fläche (78), so wird dieselbe im allgemeinen
von der Wahl der Funktionen z(oj), l{a) abhängen. Dagegen hat der
Punkt Q[ die Eigentümlichkeit, daß alle Flächen der Kongruenz,
welche durch ^'^ hindurchgehen, im Punkt Q[ dieselbe Tangentialebene
besitzen (oder aber sämtlich einen singulären Punkt in Q[ haben).
Dies ist aber die definierende Eigenschaft 2) des „Brennpunktes^^ der
Kongruenz (73). Das ergibt den Satz:
Der räumliche konjugierte Punkt Q[ ist ein Brennpunkt der Kon-
gruenz (73) auf der räumlichen Extremalen @^ und zwar der zunächst
auf P^ folgende.
') Vgl. p. 490, Fußnote '). ^) Vgl. Darboux, loc. cit., p. 4.
Bolza, Variationsrechnung. 32
494 Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
Zum Beweis der erwähnten Eigentümlichkeit des Punktes Q[
schließt man folgendermaßen: Es mögen zunächst nicht alle Unter-
determinanten der Determinante dritter Ordnung ^.{([^Xq^Xq) gleich
Null sein. Dann folgt aus der Gleichung
A(^;,^o,^o) = 0, (79)
daß sich drei Größen a, h, c, von denen l und c nicht beide gleich
t[, K = X.,, A = A,
Null sind, so bestimmen lassen, daß für t = t^^ x = Xq,
att + H, + et?. = 0,
Bildet man jetzt für die Fläche (78) und den Punkt Q[ die drei in
der Flächentheorie mit A, B, C bezeichneten Funktionaldeterminanten,
welche den Richtungskosinus der Normalen in Q[ proportional sind,
so folgt auf Grund dieser Relationen, daß die Verhältnisse der drei
Größen Ä, B, C von der Wahl der Funktionen x, A unabhängig sind.
Sind dagegen alle Unterdeterminanten von A gleich Null, so sind
die drei Größen A, B, G gleich Null, wie auch die Funktionen x, l ge-
wählt sein mögen, d. h. sämtliche Flächen haben in Q[ einen singu-
lären Punkt. Wie aus den Gleichungen (75) folgt, tritt dieser Aus-
nahmefall stets und nur dann ein, wenn gleichzeitig
^,(^;) = 0, v{Q^O, m(t[) = 0, n{Q=-0.
In der allgemeinen Theorie der Kongruenzen^) wird weiter be-
wiesen, daß die Brennfläche der Kongruenz, d. h. der geometrische
Ort sämtlicher Brennpunkte, von allen Kurven der Kongruenz in den
jeweiligen Brennpunkten berührt wird. Daher kann der Punkt Q[ auch
charakterisiert werden als derjenige Punkt, in welchem die Kurve @^
zum ersten Mal (von Pj aus gerechnet) die Brennfläche der Kongruenz
(73) berührt, wobei jedoch zu beachten ist, daß die Brennfläche ganz
oder zum Teil auch in Kurven oder Punkte degenerieren kann.
Beispiel II (Siehe pp. 465, 483):
Aus der in § 61, c) gebrauchten Form des allgemeinen Integrals der
Differentialgleichung (I) ergibt sich die Doppelschar von Kreisen durch den
Punkt P, in der Form
X — x^ = — X{cost — cosi^),
y — yi = — ^(sint — sin^^),
wobei t^ als variabler Parameter zu betrachten ist. Die Länge des Kreisbogens
t\ X vom Punkt P, (t^) bis zu einem variabeln Punkt P{t) hat den Wert
^ z = — l{t — t').
^) Vgl. Darhoux, loc, cit., p. 6.
62. Die Kneser'sche Theorie der konjugierten Punkte.
495
Die Kongruenz räumlicher Extremalen ist also hier ein doppelt unendliches
System von Schraubenlinien mit der Neigung 45^.
Führen wir statt t und t^ die für unsere Zwecke bequemeren Größen
t-t^ , TT
2 ' 2
ein, so erhalten wir die Kongruenz in der Form
X — a?! = — 2 ;i cos (tr -f- 7t) sinr , |
2/ — 2/i= — 2^sin(r + x)sinr,| (80)
z = — ^Xx, J
wobei nunmehr auf allen Kreisen der Doppelschar der Punkt P^ demselben
Wert T = 0 entspricht, während x dieselbe Bedeutung hat wie in der Normal-
form (64), siehe Fig. 108.
Aus diesen Gleichungen ergibt sich in
Übereinstimmung mit (57) und (74)
A(r, X, X) = 8X2gin^(gijj^ _ -j-cosr). (81)
Jede der unendlich vielen Wurzeln der Gleichung
A = 0 liefert einen konjugierten Punkt im
weiteren Sinn; und jedem derselben entspricht
eine Schale der Brennfläche, die aber auch de-
generieren kann.
Letzteres tritt nun gleich bei dem kon-
jugierten Punkt im engeren Sinn ein, für
welchen r = tt; die zugehörige Schale der
Brennfläche degeneriert in die Gerade
Fig. 108.
x = X.
2/ = 2/i»
welche von allen Kurven der Kongruenz (80) geschnitten wird.
Wir wollen noch den nächsten konjugierten Punkt betrachten, welcher der
im dritten Quadranten gelegenen Wurzel^)
257'>27'12"
der Gleichung
^ 360000'00"
tgr = r
entspricht. Hier wird die Brennfläche gegeben durch die Gleichungen
X — a?! = — 2 ;, cos (y -f- %) sin 7 , ]
2/ — 2/i = — 2Xsin(y -f x)sin y , !
Zr^ — 2Xy, J
mit X, X als Flächenparametern; daraus ergibt sich durch Elimination von x und
(82)
{x~X,r-\-(y-yJ'
sin* 7
z^=0
^) Nach Ekdmann, Zeitschrift für Mathematik und Physik, Bd. XXIII
(1878), p. 372.
32 =
4.96 Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
Die zugehörige Schale der Brennfläche ist also ein senkrechter Kreiskegel mit der
Geraden x = x^,y = y^ als Achse. Man verifiziert leicht, daß jede Kurve der
Kongruenz (80)"in der Tat diesen Kegel in dem fraglichen räumlichen kon-
jugierten Punkt berührt.
c) Das ausgezeichnete Extremalenbüscliel durcli den Punkt Pj*.
Wir machen für die folgende Diskussion die beschränkende
Annahme, daß ^^^^,^ ^o, ^o) + 0 . (83)
Dann läßt sich nach dem Satz über implizite Funktionen die Gleichung
A(^, z, A) = 0
in der Umgebung der Stelle t[, x^, X^ eindeutig nach t auflösen. Die
Lösung sei: t = t\7t, 1)^ so daß also, identisch in ;c, A,
A(r(x,A),x, X) = 0 (84)
und überdies t\x„X,)^t:. (85)
Wir greifen jetzt aus der doppelt unendlichen Extremalenschar
(64) ein Büschel heraus, welches die Extremale @o enthält, d. h.^wir
ersetzen x, X durch zwei Funktionen eines Parameters a: k = x(a),
X^l(^cc^^ welche für einen bestimmten Wert a^ der ^Bedingung
Xo=Ä(ao), ^o=^(«o) genügen. Die Funktionen x{a), X{a) sollen
überdies in der Umgebung von «q ^^n der Klasse C sein und die
Ableitungen x'(£^o); ^'K) »ollen nicht beide gleich Null sein. Auf
jeder Kurve des so erhaltenen Extremalenbüschels
x^(p{t,ü,X), y = iit,K,l) (86)
markieren wir den durch den Parameterwert
t = t'(x, X) = i{a)
definierten konjugierten Punkt. Der geometrische Ort % dieser kon-
jugierten Punkte ist dann die durch die Gleichungen
5: x = (p(lx,X)=x{a), i/ = z^(f,x, i) = ^(a)
dargestellte Kurve. Wir stellen uns jetzt mit Kneser die Aufgabe,
das Extremalenbüschel so auszuwählen, daß jede Kurve des Büschels
in ihrem konjugierten Punkt t = t{a) die Kurve 5 berührt, oder,
anders ausgedrückt, so, daß der geometrische Ort der konjugierten
Punkte der Büschelkurven zugleich die Enveloppe des Büschels ist.
Dazu ist notwendig und hinreichend, daß es eine Funktion q
von a gibt, so daß, identisch in «,
§ 62. Die Kneser'sche Theorie der konjugierten Punkte. 497
wobei die Klammer [ ] andeutet, daß die Argumente t, tc, X durch %yi 1
zu ersetzen sind. Ausgeschrieben lauten diese Gleichungen
Daraus folgt durch Elimination von q in der Bezeichnung (68)
H<?;c + [u]c?A = 0. (88)
Gleichzeitig besteht aber mit Rücksicht auf (83) und (76) die Gleichung
MH-H[^0 = O. (89)
Es sind nun zwei Fälle zu unterscheiden:
Fall I: Es ist gleichzeitig
FaU II: Es ist
und daher
Aus einem weiter unten ersichtlichen Grund lassen wir den
Fall II beiseite.
Für die Behandlung des Falles I bemerken wir^ daß mindestens
eine der beiden Funktionen m^ iv für t = t[, 3f = 3fo; ^ = K ^^n Null
verschieden ist, wie nach (53a) und (74) aus der Annahme (83)
folgt. Daher können wir die Differentialgleichung (90) mit der An-
fangsbedingung % = K^, ^ = h integrieren, und die Lösung ist ein-
deutig. Aus (89) folgt, daß dann die Differentialgleichung (88) von
selbst miterfüllt ist. Und nunmehr folgt rückwärts, daß wir q so
bestimmen können, daß die Gleichungen (87) erfüllt sind. Freilich
kann es vorkommen, daß die so bestimmte Funktion Q{a) identisch
verschwindet; das bedeutet dann eben, daß die Kurve % in einen
Punkt degeneriert.
Wir haben also den folgenden, von Kneser herrührenden Satz^)
gewonnen:
Unter der Voraussetzung, daß
kann man aus der Doppelschar von Extremalen durch den PunJd F^
ein ausgezeichnetes Büschel herausgreifen, welches die Extremale @o
^) Vgl. Lehrbuch, § 40.
^gg Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
enthält^ und dessen Enveloppe jede Extremale des Büschels in dem zu
P^ Iwnjugierten FunU herührO)
Für dieses Büschel bestellt außerdem die Differentialgleicliung (90).
Man kann zu demselben Resultat noch auf einem zweiten Weg gelangen,
der zugleich über den oben ausgeschlossenen Fall II Aufschluß gibt. Dazu führt
folgende aus der allgemeinen Theorie der Kongruenzen 2) bekannte FragesteUung:
Greift man aus der Kongruenz (73) ein beliebiges Büschel (78) heraus, so
wird dasselbe im allgemeinen keine Enveloppe besitzen, d. h. es wird keine
Kurve geben, welche von sämtlichen Kurven des Büschels berührt wird. Man
kann sich aber die Aufgabe stellen, alle in der Kongruenz enthaltenen Büschel
zu hestimmen, welche eine Enveloppe besitzen.
Man wird dapn auf die beiden Gleichungen (88) und (90) als notwendige
und hinreichende Bedingungen geführt, aus denen sich dann (89) ergibt. Unter
den beiden oben gemachten einschränkenden Voraussetzungen folgt daraus, daß
es ein und nur ein die Kurve ©o enthaltendes Büschel gibt, welches eine En-
veloppe S' besitzt; dieselbe berührt die Kurven des Büschels in ihren Brenn-
punkten und liegt daher auf der Brennfläche.
Projiziert man dieses Büschel räumlicher Extremalen mit seiner Enveloppe
%' auf die x, y-Ebene , so erhält man das oben bestimmte ausgezeichnete ebene
Büschel mit seiner Enveloppe %.
Dagegen führt der Fall II auf ein Büschel räumlicher Extremalen, welches
keine Enveloppe besitzt, dessen Kurven aber sämtlich in ihren jeweiligen Brenn-
punkten einen auf der a;,2/- Ebene senkrechten Zylinder berühren. Das aus der
Projektion eines solchen Büschels entstehende ebene Büschel hat zwar auch
noch die verlangten Eigenschaften, genügt aber nicht mehr der für die weitere
Entwicklung wesentlichen Differentialgleichung (90).
Beispiel II (Siehe pp. 465, 483, 494):
Aus den Gleichungen (80) berechnet man
vL=i ^7.^^\x\xco^t, i> = — 4^sin^T,
m = — 2P.sin^r, n=2r — 2 sin r cos r.
Wir bestimmen zunächst die zum konjugierten Punkt im engeren Sinn ge-
hörige Enveloppe 5- Hier ist nach (81)
r'(x, l) = Tt .
Die Differentialgleichung (90) wird also
^7cdX==0
mit der Lösung: X = X(^.
^) Es verdient übrigens hervorgehoben zu werden, daß der konjugierte
Punkt P[ nicht notwendig der zunächst auf P^ folgende Berührungspunkt von %
mit der Enveloppe zu sein braucht; vgl. unten Beispiel IL
=*) Vgl. Darboux, loc. cit., p. 6, und die Untersuchungen von Bliss und
Mason über das räumliche Variationsproblem ohne Nebenbedingungen, Trans-
actions of the American Mathematical Society, Bd. IX (1908), p. 450.
i
§ 62. Die Kneser'sche Theorie der konjugierten Punkte. 499
Das zum konjugierten Punkt im engeren Sinn gehörige ausgezeichnete Extre-
malenhüschel ist also das Büschel von Kreisen mit dem konstanten Badius \ Iq \
durch den Punkt P^ .
Die Enveloppe desselben besteht aus dem Kreis mit dem Radius 2 1 ^^ ! ^°^
den Punkt P^, zusammen mit dem als degenerierte Kurve zu betrachtenden
Punkt Pj. Aber nur der letztere Bestandteil der Enveloppe kommt nach der
Definition der Kurve % für uns in Betracht. Dies geht auch deutlich aus der
Betrachtung des zugehörigen Büschels von räumlichen Extremalen (Schrauben-
linien) hervor; die Enveloppe f^' desselben degeneriert in den Punkt Q[:
x = x^, y = yi, z = — 2l^7t,
durch welchen sämtliche Kurven des Büschels für t = n hindurchgehen. Das
zeigt wieder, daß die Enveloppe f^ in den Punkt P^ (t = it) degeneriert.
Interessanter gestaltet sich die Untersuchung für den zweiten konjugierten
Punkt ^) ' i\
(vgl. p. 495). Hier lautet die Differentialgleichung (88)
lcOQyd% — Bmydl = 0,
deren Integration bei passender Konstantenbestimmung ergibt
X = l eCotg(;<->;o) ^
Setzt man diesen Wert von 1 in (80) und (82) ein, so erhält man das aus-
gezeichnete Büschel von räumlichen Extremalen und dessen Enveloppe 5'. Daraus
ergeben sich dann durch Projektion auf die x^ y-]^henQ^ d. h. durch Unterdrückung
der Gleichung für 0, das ausgezeichnete ebene Extremalenbüschel , sowie dessen
Enveloppe %. Für letztere erhält man in Polarkoordinaten mit dem Punkt Pj
als Pol das Resultat
,. = _2X^8inye'^«*^>'(^/'->'-^o),
also eine logarithmische Spirale, welche die radii vectores vom Punkt Pj aus
unter dem konstanten Winkel 7 schneidet, ein Resultat, das sich auch a priori
aus der charakteristischen Eigenschaft der logarithmischen Spirale und der
geometrischen Bedeutung des Winkels x (siehe Fig. 108) hätte erschließen lassen.
Diese logarithmische Spirale berührt in der Tat jeden durch den Punkt P^
gehenden Kreis des ausgezeichneten Büschels in dem dem Wert x = y ent-
sprechenden konjugierten Punkt, freilich auch schon vorher in dem nicht kon-
jugierten Punkt X = y — n .
d) Der Enveloppensatz für isoperimetrisclie Probleme:
Für das im vorigen Absatz bestimmte ausgezeichnete Extremalen-
büschel durch den Punkt P^ gilt nun ein dem Enveloppensatz von
§ 44, c) analoger Satz.
^) Nach Kneser, Konjugierte Punkte heim isoperimetrischen Problem^
Jahresberichte der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische
Kultur, 1906.
500 Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
Zum Beweis desselben betrachten wir das Integral J, genommen
entlang irgend einer Extremalen @^; der Doppelschar (64) vom Punkt
P (t^ bis zu einem variabeln Punkt F(t), und bezeichnen dasselbe mit
t
h
Für die partiellen Ableitungen der Funktion ü erhalten wir, ganz
analog den Formeln (75),
t
U,. = ^,'9. + ^y ^y. -f^ " 'ii, (91)
h
t
h
wobei % die für die Extremale ^^^ berechnete Funktion T von §26,a)
bedeutet.
Addieren wir diese Gleichungen zu den mit k multiplizierten
Gleichungen (75) und erinnern uns, daß die Extremale ^.^j^ der Diffe-
rentialffleichung
genügt, so erhalten wir
u.,.^l^..= K,,ip,,^-K^,^^^J (92)
Wir betrachten jetzt insbesondere die beiden Integrale J und K
entlang der dem Parameterwert a entsprechenden Extremalen @ des
unter c) bestimmten ausgezeichneten Extremalenbüschels vom Punkt
Pi(^/) bis zu dem dem Wert t = t{a) entsprechenden konjugierten
Punkt P'. Die so definierten Integral werte, d. h. also in unserer
früheren Bezeichnung die Größen
sind eindeutige Funktionen des Parameters «, die wir mit J{a) be-
ziehungsweise K{a) bezeichnen. Wir erhalten dann zunächst für die
Ableitung von K{a)
^'(«) = [x-K + [zJi' + M^'.
§ 62. Die Kneser'sche Theorie der konjugierten Punkte.
501
(93)
(94)
also, wenn wir von (75) Gebrauch machen und uns der Definition der
die Enveloppe g darstellenden Funktionen x{a)y y{a) erinnern,
Nun genügen aber die Punktionen x{a), X{a) für das ausgezeichnete
Extremalenbüschel der Difierentialgleichung (90), also ist
Ganz in derselben Weise folgt aus (92)
J'(«) + I(«)/f'(«) = [^..]ä' + ['H'yly',
und hieraus unter Benutzung von (93), da
y.C] = [?] + i\ßy],
J\a) = [5FJ£' + [fF,,]y'.
Wir unterscheiden jetzt, wie in § 47, zwei Fälle:
Fall I: Die Enveloppe 5 degeneriert nicht in einen Funld.
Dann können wir nach (87) eine nicht identisch verschwindende
Funktion q^o) bestimmen, so daß
Wir wollen annehmen, daß Q{a^ =f= ö, daß also die Enveloppe g im
Punkte P[ keinen singulären Punkt besitzt. Wir dürfen dann ohne
Beschränkung der Allgemeinheit voraussetzen, daß ()(c^q) > 0, d. h.
daß die Enveloppe und die Extremale sich im Punkt P[ gleichsinnig
berühren, da wir andernfalls zuvor den positiven Sinn auf der Enve-
loppe durch die Substitution a = — a umkehren könnten. Nunmehr
folgt ganz wie in § 44, c)
J'(a) = F{x,y,x,y'), K\a) = G{x,y,x\y). (95)
Integrieren wir diese Gleichung von a^
bis zu einem hinreichend nahen Wert a,
so erhalten wir den von Kneser^) her-
rührenden Enveloppensatz für isoperi-
metrische Frobleme:
J^ (P, P,) + J^{P, P[)=J^XP.P[), (96)
K^{P,P,)+K^{P,P[)^K^SAP'^ ■
Die zweite dieser Gleichungen zeigt,
daß der aus dem Bogen P, Pg von (S
und dem Bogen P^P[ von g zusammengesetzte Kurvenzug eine zu-
lässige Variation des Extremalenbogens PiP^ ist. Daher folgt jetzt
^) Vgl. Kneser, Lehrbuch, § 40.
Fig. 109.
502
Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
aus der ersten der Gleichungen (96) ähnlich wie in § 47, b), daß
der Bogen (Sq kein Extremum mehr liefern kann, wenn sein End-
punkt Pg ^^^ -^1 zusammenfällt, also a fortiori auch nicht mehr,
wenn P[ -< Pg
Hiermit haben wir einen zweiten Betveis^) für die NohvendigJceit
der Bedingung P ^ P' (III)
gewonnen, allerdings unter der beschränkenden Voraussetzung, daß
die Bedingung (90) erfüllt ist, und daß die Enveloppe % im Punkt P[
keinen singulären Punkt besitzt.
Fall II: Die Enveloppe degeneriert in einen Punkte der notwendig
mit dem konjugierten Punkt P[ auf ©^ zusammenfallen muß. In
diesem Fall gehen sämtliche Extremalen des ausgezeichneten Büschels
durch den Punkt Pj, und es ist
^'(«)^0, y\a)^0,
also
J\a} = 0, K\a) = 0.
AVir erhalten also in diesem Fall den Satz:
Wenn sämtliche Extremalen des ausgezeichneten Büschels durch den
Punkt Pj zugleich auch durch den konjugierten Punkt P[ gehen, so hat
sowohl das Integral J als das Integral K, genommen entlang den ver-
schiedenen Extremalen des ausgezeichneten
Büschels von P^ nach P[, einen konstanten
Wert:
J{a) = J(ao), K(a) = K{a,). (97)
Daraus folgt dann wieder wie in
§ 47, b), daß auch in diesem Fall ein
Extremum über den konjugierten Punkt
hinaus nicht bestehen kann.
g Ein fast triviales Beispiel hierzu liefert
unser Beispiel II (p. 498). Bei dem Büschel
von Kreisen durch den Punkt I\ mit dem
konstanten Radius | ^^ | ist für den Bogen P^ P'^,
d. h. für einen vollen Kreisumfang, sowohl
die Bogenlänge als der Flächeninhalt kon-
stant. Daraus folgt aber sofort, daß ein über den vollen Kreisumfang hinaus-
gehender Kreisbogen P^ABP^ P., kein Maximum liefern kann. Denn der aus dem
Kreis P^CDP^ mit demselben Radius und dem Kreisbogen P^P^ zusammen-
gesetzte Kurvenzug ist eine zulässige Variation und liefert denselben Wert für J,
der aber nach § 59, b) sicher kein Maximum sein kann wegen der Ecke im Punkt P^.
•) Vgl. Kneser, Lehrbuch, § 40.
Fig. HO.
§ 63. Der Weierstraß'sche Fundamentalsatz. 503
§ 63. Der Weierstraß'sche Fundamentalsatz für isoperimetrische
Probleme.
Auch beim isoperimetrisclien Problem beruht der Hinlänglichkeits-
beweis auf einem dem Weierstraß'schen Fundamen talsatz über die
Darstellung der totalen Variation durch die 8-Funktion analogen Satz.
Zum Beweis desselben haben wir zunächst die Theorie des Feldinte-
grals und der Hamilton'schen Formeln von § 31 auf isoperimetrische
Probleme zu übertragen, wobei wieder die schon im vorangehenden
Paragraphen hervortretende Auffassung des isoperimetrischen Problems
als eines räumlichen Problems von entscheidender Bedeutung sein wird.
a) Die Hamilton'sclieii Formeln für isoperimetrische Probleme:
Es sei Po(^o) ^^^ Punkt auf der Fortsetzung uDseres Extremalen-
bogens @q über den Punkt P^ hinaus. Dann lassen sich die Entwick-
lungen von § 62, a) und b) ohne weiteres auch für den Punkt Fq
durchführen. Wir erhalten zunächst eine Doppelschar von ebenen
Extremalen durch den Punkt Pq, die wir wieder — also unter Be-
xeichnunQfswechsel — mit
X = cp (t, Xj l), y = t (t, ^, ^) (98)
bezeichnen; weiter eine Kongruenz von räumlichen Extremalen durch
den Punkt P^
x^cpit, %, A), y = i^{t, %, l), 2=^%{t, %, X), (99)
wobei nunmehr die Funktion i(t,y.,X) den Wert des Integrals K ent-
lang der Extrem^alen @^; der Doppelschar (98) vom Punkt P^ bis zu
•einem variabeln Punkt P{t) bedeutet.
An Stelle der Gleichungen (64) bis (70), (72) bis (77) treten
entsprechende auf die Kongruenz durch den Punkt Pq bezügliche
Gleichungen, die wir von jenen durch Überstreichen unterscheiden
wollen, und die sich von ihnen nur durch die Substitution von ^o?^o??/o
an Stelle von t^yX^^y^, sowie durch die veränderte Bedeutung der
Funktionen cpyt,X und dementsprechend der Funktionen ^,G,K,Uf\>
etc. unterscheiden.
Wir nehmen jetzt an, daß die Gleichungen (99), als Transfor-
mation zwischen einem t, x, A-Raum und einem x, y, £^-Raum aufgefaßt,
^ine ein-eindeutige Beziehung zwischen einem bestimmten Bereich (9L
des if, ;c, yl-Raumes und dessen Bild cT' im a;,^,0-Raum definieren, so
daß also durch jeden Punkt des Bereiches cF' eine und nur eine räum-
liche Extremale der Kongruenz (99) hindurchgeht, für welche das zu-
gehörige Wertsystem t,%yk dem Bereich (SC angehört.
504 Zelmtes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
Überdies soll vorausgesetzt werden, daß die Funktionen
als Funktionen ihrer drei Argumente im Bereich (9l von der Klasse
C sind; ferner daß die Projektion cT des Bereiches of' auf die Xyy-
Ebene ganz im Bereich Öl enthalten ist, und endlich, daß
K^(t,K,X)>0 in OL (100)
''''^ A{t,K,^,)^0 in OL. (101)
Alle diese Annahmen fassen wir in die Aussage zusammen, daß der
Bereich oT' ein Feld von räumlichen Extremalen bildet.
Die zugehörigen inversen Funktionen des Feldes j welche die Auf-
lösung der Gleichungen (99) nach t,XjX darstellen, bezeichnen wir mit
t = t(x, y, z), %^l{x, y, z), A = l(x, y, z),
so daß also, identisch in x:y,z\
^{i,\,l)^x, ^(t,f,l)^y, z(t,M) = ^ (102)
und gleichzeitig, identisch in ^, x, A:
t df, ^, X) ^ i, K% ^, %)^^y I {% ^, %) = ^' (103)
Es sei jetzt Q^{x^,yz,z^ irgend ein Punkt von gT', F^{x^,y^ seine
Projektion auf die rr,2/-Ebene. Alsdann geht von P^ nach Q^ eine
und nur eine räumliche Feldextremale ©g-, nach der Bedeutung der
Ordinate z^ ist dann die Projektion ©g von ©g zugleich die einzige
Extremale der Doppelschar (98), welche durch den Punkt Pg geht,
und für welche das Integral K den Wert z^ besitzt:
und die zu ©g gehörige isoperimetrische Konstante hat den Wert
Das Integral J, genommen entlang (Sg von F^^ bis Pg, betrachtet
als Funktion von x^^^y^, z^y nennen wir das zum Feld cf' gehörige
Feldintcgral und bezeichnen seinen Wert mit 1^(^3,^37-2^3), so daß
also nach der Bedeutung der Funktion U
W{x,y,,)=V{i,l,{),
wenn wir der Einfachheit halber den Index 3 durchweg unterdrücken.
Wir berechnen jetzt die partiellen Ableitungen von TF; zunächst ist
w,={u.)i,+{u.::)i^+(v,)\,,\ (104)
Tr,= (D;)t,+ (C^Jf. + (£/■,)!,,
§ 63. Der Weierstraß'sche Fundamentalsatz.
505
wenn wir durch die Klammer ( ) andeuten, daß t, tc, l durch t, f, ( zu
ersetzen sind.
Multipliziert man jetzt die Gleichungen (104) der Reihe nach
nii* Ky %j K uiid berücksichtigt die durch Differentiation der Iden-
titäten (102) sich ergehenden Gleichungen
(9',)t.+ (9>Jf.+ (<P,)I.= l,
Wt.+ Wi+ (*,)(.= 0,
(;t.)t,+ (;t.)f.+ fc)t.= o,
SO erhält man
und ganz analog
Nun sind aber die rechten Seiten der beiden ersten Gleichungen
nach der Bedeutung des Zeichens K. und der Klammer gleich den
Funktionen K^,^ H^, mit den folgenden Werten ihrer fünf Argumente
Die ersten beiden sind nach (102) identisch gleich x und i/; das
dritte und vierte dürfen wir wegen der Homogeneität von H^,, H^,
ersetzen durch die Funktionen
i?(^, 2/; ^)
M
Vi^D + W
q(x, y, z) =
{'^t)
Vi^i) + m
^
(105)
Daher erhalten wir schließlich für die partiellen Ableitungen des Feld-
integrals die folgenden Werte:
^^ TT / n
dW
(106)
dz
= -1.
Darin bedeuten die Funktionen p=p{x,y,z), q = q(x, y, s) die Rich-
tungskosinus der positiven Tangente der Extremalen (Sg im Punkt Pg,
und i = i(^x,y,z) ist der zur Extremalen (£3 gehörige Wert A3 der
isoperimetrischen Konstanten.
Diese Formeln sind das Analogon der Hamilton' sehen Formeln
(148) von § 31 für das isoperimetrische Problem.
50(5 Zehntes Kapitel. Isoperimetrisclie Probleme.
b) Die Weierstraß'sclie Konstruktion für isoperimetrisclie Probleme;
Aus den Hamilton' sehen Formeln ergibt sich nun der Weier-
straß'sche Fundamentalsatz entweder mittels der Weierstraß'schen
Konstruktion oder mittels des Hilbert'schen Unabhängigkeitssatzes,
beide in t^eeigneter Weise modifiziert. Wir betrachten zuerst die
erste der beiden Methoden.
Es sei^) @o ^®^ unserem Extremalenbogen @o i^ ^^r Kongruenz
(99) zugeordnete räumliche Extremalenbogen:
Derselbe führt vom Punkt Q^: x = x„ y = y^, 2 = 2-,{= K^^) nach
dem Punkt Qf. x^x^,y = y2,^ = ^2(= ^02)-
Wir nehmen an, dieser Bogen ^^ ^^^ g^"^ ^^ Innern des
Feldes cT' gelegen, und ziehen nunmehr in der x, ^/-Ebene irgendeine
zulässige Kurve ^ von P^ nach P^
als zulässige Kurve genügt dieselbe der
isoperimetrischen Bedingung (1)
K,,= h (107)
Den Wert des Integrals K, genommen
von Po entlang (S* bis Pj und von da
Fig. 111. entlang S bis zu einem variabeln Punkt
T^{t) von S, bezeichnen wir mit z(r), so daß also
i (r) = K,,\K,,= K,, +fG{x, y,x,y')dr. (108)
Dann ordnen wir der Kurve (^ die Raumkurve
S': x^x{r), y-yiy), ,'^ = ^(tr)
zu. Da
so führt die Kurve S', ebenso wie @o., ^^^ ^^^^^ ^i ^^^^ ^^^
Punkt $2.
Wir führen jetzt die heschränlcende Annahme ein, daß auch die
der Kurve (^ zugeordnete Baumlcurve ^' ganz im räumlichen Feld oT'
gelegen ist. Für die Kurve © selbst bedeutet dies: Durch jeden Punkt
^) Mit Bezeichnungswechsel (!) gegen § 02, b).
§ 63. Der Weierstraß'sche Fundamentalsatz. 507
P3 von d läßt sich von Pq aus eine und nur eine ebene Extremale (£3
ziehen, für welche _
K,,^K,, + K,,. (109)
Man pflegt diese Annahme auch dadurch auszudrücken, daß man sagt:
Für die Kurve ß soll die Weierstraß'sche KonstruMion mö(jlich sein.
Jetzt betrachten wir mit Weierstraß das Integral J, genommen
von Pq entlang der Extremalen (S3 bis zum Punkt P3 und von da
entlang S bis Pg; wir bezeichnen dasselbe als Funktion von r mit
S(t), so daß also
S(r) == J03+ Js2'
Es ist dann insbesondere
>Sf(ri) = J01+ ^12; ^^'(rg) = Jo2 = J01+ ^12 7
also
AJ- = J6-Jso=-[SW-'S(r,)], oder
AJ
-ß^^-
Nun ist aber nach (109) und nach der Definition der Funktion W:
Daher kann man nach (106) den Ausdruck für die Ableitung 8' (x)
unmittelbar hinschreiben; derselbe vereinfacht sich, wenn man aus
(108) den Wert von z' einführt:
7= G{x,y,x\y'),
und man erhält in der Bezeichnung von §60, b) den Weierstraß' sehen
Fundamentalsatz für isoperimetrische Probleme^)
AJ =JS(x, y;p, g; x\ y'-, l)dx. (110)
Dabei ist
P = p{x, y, z), q = q{x, y, i"), I = l(x, y, i),
^) Weierstrass, Vorlesungen 1879; Weierstraß benutzt die Kongruenz
von räumlichen Extremalen durch den Punkt P^ , vgl. p. 259, Fußnote ^). Die
hier gegebene Modifikation, bei welcher der Punkt P^ an Stelle von P^ tritt,
rührt von Kneser her, Lehrbuch, §§ 36 und 38.
^Qg Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
oder ohne Bezugnahme auf den Raum ausgedrückt: p, q sind die
Richtungskosinus derjenigen von Po nach dem Punkt F^{x,y) der
Kurve ^ führenden Extremalen, für welche
während I die isoperimetrische Konstante für eben diese Extremale (Sg
bedeutet.
c) Der Hilbert'sche Unabhängigkeitssatz für isoperimetrische
Probleme:
Andererseits folgt aus den Hamilton'schen Formeln (106) un-
mittelbar das Analogon des Hilbert'schen Unabhängigkeitssatzes. Ist
nämlich ^' irgendeine gewöhnliche Raumkurve, welche ganz im
Feld qT' gelegen ist und von einem Punkt ÖsC^sj 2/3? %) ^^ch einem
Punkt ^4(^4,2/4,^4) führt, so ist der Wert des räumlichen Linien-
integrals
Jl=f[HJx, y,p, q; i)dx + H^,{x,y,p,q', {)dy -Idz], (111)
genommen entlang der Kurve S' von Q^ nach Q^ nur von der Lage
der beiden Endpunkte Q^ und Q^, nicht aber von der sonstigen Gestalt
der Kurve S' abhängig. Denn es ist
Jl=fdW(x, y, z) =W{x^, 2/4, 2,) -W{x^, y„ %) . (112)
Ist die Kurve S' insbesondere eine Extremale @' des räumlichen
Feldes, dargestellt durch die Gleichungen (99), so ist nach (103) und (105)
*^'^' "' '^ = vA^- ^^''' "' '^ = vwtfr '^'" "' '^ = '■
Da femer in diesem Fall
dz = i^{t, X, k)dt = (^(t, K, X)dt,
so geht das Integral nach einfacher Reduktion über in
Jl=jy(t,x,X)dt.
Es ist also entlang einer Extremalen (S' des räumlichen Feldes^)
wenn @ die Projektion der räumlichen Extremalen @' auf die x, «/-Ebene
bedeutet.
*) Vgl. den analogen Satz in § 17, b).
§ 64. Hinreicliende Bedingungen. 509
Nennt man die Flächen
W{(r., y, 2) = konst.
die Transversalenflächen des räumlichen Feldes, so folgt aus (112),
daß das Hill) er f sehe Integral J*, genommen zwischen zwei Funkten
derselben Transversalenfläche, stets gleich Null ist.
Aus (113) ergibt sich nun genau wie in § 17, c) ein zweiter
Eeweis des Weierstraß'schen Fundamentalsatzes. Denn da die
beiden Kurven d' und (S^ in oT' liegen und dieselben Endpunkte
haben, so folgt
und daher
AJ=J^-Jl, (114)
woraus sich sofort die Gleichung (110) ergibt.
§ 64. Hinreicliende Bedingungen beim isoperimetrischen Problem,
Die Frage der hinreichenden Bedingungen liegt beim isoperi-
metrischen Problem viel weniger einfach als bei dem Problem ohne
Nebenbedingungen. Zwar reicht bei manchen Beispielen der Wei er-
st r aß 'sehe Fundamentalsatz aus, um die Existenz eines starken
Extremums zu beweisen. Dagegen genügt dieser Satz nicht, um all-
gemein zu beweisen, daß die den Bedingungen (F), (IF), (HF), (IV)
von § 32, b) entsprechenden Bedingungen für ein starkes Minimum
hinreichen; er gestattet vielmehr nur zu zeigen, daß, falls diese Be-
dingungen erfüllt sind, A«/>0 für alle diejenigen Vergleichskurven
in einer gewissen Umgebung des Bogens (Sq, für welche die Weier-
straß^sche Konstruktion möglich ist. Das ist aber eine nicht in der
Natur der ursprünglichen Aufgabe gelegene, künstliche Beschränkung
der Vergleichskurven.
Die hiernach nötige Ergänzung der Weierstraß'schen Theorie
ist vor kurzem von Lindebekg^) gegeben worden mit Hilfe eines
Satzes über Extrema ohne Nebenbedingungen, welcher zusammen
mit dem Weierstraß'schen Fundamentalsatz zu dem Schlußresultat
führt, daß auch im Fall des isoperimetrischen Problems die oben ge-
nannten vier Bedingungen für ein starkes Extremum hinreichend sind.
^) In einer demnächst in den Mathematischen Annalen erscheinenden
Arbeit ,,Über einige Fragen der Variationsrechnung'', deren Manuskript mir
Herr Lindeberg gütigst zur Verfügung gestellt hat.
B o 1 z a , Variationsrechnung. 3 o
510
Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
a) Erledigung der beiden Beispiele:
Unsere beiden Beispiele II und XXI gehören gerade zu den-
jenigen, bei welchen der Weierstraß'scbe Satz ausreicht, um die
Existenz eines starken Extremums (und zwar sogar eines absoluten)
nachzuweisen.
Beispiel II (Siehe pp. 465, 483, 494, 498).
Wir betrachten neben dem Kreisbogen ©^ eine beliebige von P^ nach P^
führende gewöhnliche Kurve © von der vorgeschriebenen Länge 2 l Wir nehmen
dann auf der Fortsetzung des Kreis-
bogens @o über Pi hinaus einen Punkt P^
an, der nur der einen Bedinf^ung unter-
worfen ist, nicht auf (S- zu liegen.
Ist dann Pg irgend ein Punkt von S^
so ist Pg von Po verschieden, und die
Summe z^ der Länge des ßogens P^^Pi
von e* plus der Länge des Bogens P^ P^
von ® ist sicher größer als der Abstand
Fig. 112
h > 1/(^3 - ^o)^ + ivs -y of > 0. ai5>
Daher geht nach den Resultaten der in
§ 59, c) gegebenen Konstantenbestimmung von P, nach I\ ein und nur ein
Kreisbogen 6,, dessen Länge gleich der eben genannten Bogensumme z^ ist:
und welcher überdies weniger als einen vollen Kreisumfang beträgt und in
positivem Sinne durchlaufen wird.
Oder anders ausgedrückt: Die Kongruenz von räumlichen Extremalen durch
den Punkt P«, welche nach (80) durch die Gleichungen
x — x^ = — 2Xcos{t +x) sin r,
^ — 2/o == — 2 X sin (t -|- ■/.) sin t,
z = — 2Xr
dargestellt wird, bildet, wenn die Größen t, ti, l auf den Bereich
0<T<7r, 0^x<27r, A<0
beschränkt werden, ein räumliches Feld <^', welches den durch die Ungleichung
z~>y{x-x,Y-^{xf-W^>^ (11^)
definierten Teil des Raumes ausfüllt, und die der Kurve öT zugeordnete Eaum-
kurve ©' liegt ganz in diesem Feld c^".
Daher gilt für die Kurve © der Weierstraß'scbe Satz (110). Femer ist in
leichtverständlicher Bezeichnung
8(^8,2/»: l\.<h\lh^%\ y = ^3[l-cos(Ö,-0s)]-
§ 64. Hinreichende Bedingungen. F)1l
l^ ist negativ und cos (ög — Ö3) kann nicht entlang der ganzen Kurve e gleich 1
sein, wenn, wie wir annehmen, ^ von ^^ verschieden ist. Dies folgt, wie unter
b) allgemein gezeigt wird, daraus, daß nach (81) entlang der ganzen Kurve 1
A (r^ , X3 , Ag) = 8 XI sin Tg (sin r^ — x^ cos r,) 4= 0
da • '
0<T3<7r, 23<0.
Aus dem Weierstraß'schen Satz folgt daher, daß
AJ'<0.
Wir erhalten also das Resultat: Der Kreislogen ©„ liefert für den Flächen-
inhalt J einen größeren Wert als jede andere gewöhnliche Kurve derselben Länge,
welche von Pj nach P^ gezogen werden kann.
Durch eine Modifikation der vorangehenden Schlußweise beweist man auch
den Satz: Unter allen geschlossenen geicöhnlichen Kurven von gegebener Länge
umschließt der Kreis den größten Flächeninhalt.'^)
Beispiel XXI (Siehe pp. 466, 484):
Ist irgend eine zulässige Kurve W gegeben,
so wählen wir den Punkt P^ auf der Fortsetzung
des Kettenlinienbogens ©„ über P^ hinaus so, daß
für jeden Punkt Pg der Kurve S^
Dann gilt auch hier die Ungleichung (115).
Es läßt sich also nach den Resultaten der Kon-
stantenbestimmung von § 59, d) von P^ nach
jedem Punkt Pg der Kurve ß eine und nur eine
nach unten konvexe Kettenlinie ©g ziehen, deren Direktrix mit der o;- Achse parallel
ist, und für welche
-S'o 3 = -^01 + ^^i 3 »
d. h. die Weierstraß'sche Konstruktion ist auch hier stets möglich für die
Kurve ß.
Für die Kongruenz von räumlichen Extremalen durch den Punkt P^ findet
man aus (26)
oc — XQ = a{t — yc),
y-yo = cc{Cht — Ch^),
^ = a(Sht— Shx).
^) Weierstrass, Vorlesungen 1879; vgl. auch Kneser, Lehrbuch, § 37. Steiner
gibt in der Abhandlung ,^Vber Maxima und Minima bei den Figuren etcJ'
(Werke, Bd. 11, p. 193) einen rein geometrischen Beweis dieses Satzes (jedoch
unter der Voraussetzung der Existenz einer Lösung), sowie zahlreiche interessante
Modifikationen des speziellen isoperimetrischen Problems. Neuere Beweise ohne Be-
nutzung der Variationsrechnung sind gegeben worden von Hurwitz, Comptes Pendus,
Bd. CXXXn(1901), p. 401; Bernstein, Mathematische Annalen, Bd. LX (1905)'
p. 117 und WiTTiNG, Archiv der Mathematik (3), Bd. XJI (1907), p. 288.
33*
^j2 Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
Bei Beschränkung auf den Bereich
bildet dieselbe ein räumUches Feld, welches den durch die Ungleichungen (116)
und x>x^ definierten Teil des Raumes ausfüllt. Die der Kurve (£ zugeordnete
Raumkurve ©' liegt ganz in diesem Feld.
Ferner findet man
s (^3, 2/s ; Ps^ 33; i>8. äs ; h) = (Vs + h) [1 - ^«^ Ä - Ö3)].
Da
^3+^S=«3Ch*3>0,
und da kein konjugierter Punkt vorhanden ist, so schließt man wie beim vorigen
Beispiel, daß A 7"^ 0
d. h. Bei der Kettenlinie ©« ^*«flf* <^»* Schwerpunkt tiefer als hei jeder ayidern gewöhn-
lichen Kv/rve von derselben Länge, welche von P^ nach P^ gezogen tverden kann.^)
b) Polgerungen aus dem Weierstr aß' sehen Fundamentalsatz:
Wir wollen nun zusehen, wie weit sich der Weierstr aß 'sehe
Fundamentalsatz zur Aufstellung von hinreichenden Bedingungen beim
allgemeinen isoperimetrischen Problem verwerten läßt. Wir machen
dabli über den Bogen ®o die analogen Voraussetzungen wie in
§ 32, b), nämlich :
1. Der Bogen @o genügt der Eul er 'sehen Differentialgleichung (I)
mit einem bestimmten Wert k^ der isoperimetrischen Konstante; er
führt von F^ nach Pg und erteilt dem Integral K den vorgeschriebenen
Wert ^, endlich ist er von der Klasse C\ besitzt keine mehrfachen
Punkte und liegt ganz im Innern des Bereiches öl. (10
2. Es ist
H,{x (t), y it), x' {t\ y (t); X,) >0 für t,Zt^t,. (IV)
3. Der Bogen (Sq enthält den zu P^ (im Sinne des isoperimetri-
schen Problems) konjugierten Punkt P[ nicht:
p.<p;- ' (iir)
4. Es ist
S{x(t), y{t)- x\t), y'{t)- cosö, sinÖ; X,)>0 (IV^
für t^^t^t^ und für jede Richtung d, die von der Richtung der
positiven Tangente an @o im Punkt t verschieden ist.
Es fragt sich, ob diese Bedingungen für ein Minimum des In-
tegrals J mit der Nebenbedingung K = l hinreichend sind.
Zunächst folgt nach § 61, d), Ende, aus den ersten drei Voraus-
^) Weierstrass, Vorlesungen 1879; vgl. auch Kneser, Lehrbuch, p. 142
Hierzu weiter die Übungsaufgaben Nr. 10, 11, 12, 15 am Ende dieses Kapitels.
§ 64. Hinreichende Bedingungen. 5^3
Setzungen, daß wir einen Punkt P,(^,) auf der Fortsetzung von ©.
über Pj hinaus so nahe bei P^ wählen können, daß
I)(t,Q^O für t,^t^t,.
Daraus ergibt sich aber mit Rücksicht auf i) (74) nach dem aUgemeinen
Satz über die Existenz eines Feldes (§ 22, d)), daß die Kongruenz
von räumlichen Extremalen (99) durch den Punkt P^ ein räumliches
Feld of' liefert, welches den dem Bogen ©^ in der Kongruenz (99)
zugeordneten räumlichen Extrem alenbogen ©^ in seinem Innern enthält.
Weiter zeigt man, ganz ähnlich wie in § 32, b), mittels der
analog wie dort zu definierenden Hilfsfunktion 8^, daß sich auf Grund
der Voraussetzungen (II') und (IV ') eine räumliche Umgebung («')
von (So angeben läßt, derart, daß
8,(x, y, p(x, y, z), q{x, y, z)-, cos Ö, sin 6-, \{x, y, ^)) > 0 (117)
im Bereich
{x, y, z) in (^'); 0 ^ Ö ^ 27r; (cosö, sinÖ) + {p, q).
Wir wählen q' so klein, daß die Umgebung {q') zugleich ganz
im Feld gT' gelegen ist. 0
Zieht nian jetzt von P^ nach F,^ irgendeine der isoperimetrischen
Bedingung K=l genügende gewöhnliche Kurve S, deren zugeordnete
Baumkurve S' ganz in der Umgehung (q') von (S; verläuft, so gilt für diese
Kurve ß der Weierstraß'sche Satz fUO), und wegen (117) ist dann
AJ>0, es sei denn, daß in jedem Punkt P3 von ß die positive
Tangente an d mit der positiven Tangente der oben mit (S3 bezeich-
neten Extremalen zusammenfällt:
C0SÖ3 =^3, sinÖ3 = ^3 . (118)
Aber auch hier läßt sich ähnlich wie in § 32, b) zeigen 2)^ daß
dieser Ausnahmefall nur eintreten kann, wenn die Kurve S mit @
identisch ist. Denn ersetzen wir in den Identitäten (102) die Variabein
x,y,z durch die die Kurve ß' definierenden Funktionen x, y, z von
T und diflerentiieren nach x, so erhalten wir
(119)
^) Wegen der Bedeutung der überstri ebenen Gleicbungsnummern siebe
§ 63, a), Eingang. ^) Nacb Kneskr, Lehrbuch, p. 134.
^j^4 Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
Durch Überstreichen ist dabei angedeutet, daß überall x, y, z durch
x.y^z zu ersetzen sind, während die Klammer die in § 63, a) er-
klärte Bedeutung hat.
Angenommen, es beständen nun in jedem Punkt von S die Glei-
chungen (118), so gäbe es nach (105) eine stets positive Funktion m
von T, derart, daß _
^' = m(^,), y' = 7n{t,).
Dann wäre aber auch
da einerseits: z' ^ G{x,y,x\y'), andererseits: %, = G ((p,t,(p„tlft)y
und überdies die Funktion G positiv homogen von der Dimension 1
in ihren beiden letzten Argumenten ist.
Setzt man diese Werte von x\y',z' in (119) ein, so erhält man
ein System von drei homogenen linearen Gleichungen in
dt _ dl d\
dr~^^^' dt' dt'
deren Determinante A(F, !, f) nach (101) für r^ ^ t ^ Ta von Null
verschieden ist, da die Kurve CS' ganz im Felde liegt. Es muß also
f^m, f = 0, f=0 (120)
dt ' dt ' dt
sein, woraus man wie in § 32, b) schließt, daß die Kurve S mit ©^
identisch sein muß.
Somit haben wir den folgenden Satz^) bewiesen:
Sind für den Bogen ©o die Bedingungen (!'), (IF), (HF), (1^0 ^^ßUt, so
liefert derselbe für das Integral J einen Heineren Wert als jede andere
zulässige Kurve ß, deren zugeordnete Raumhurve S' ganz in einer ge-
liissen Umgehung {q') des dem Bogen ©^ zugeordneten räumlichen
Bogens ®(J gelegen ist.
Hiermit ist aber noch nicht bewiesen, daß die Bedingungen (F)
bis (IV) für ein Minimum unserer isoperimetrischen Aufgabe in dem
ursprünglich definierten Sinn hinreichend sind, da den Vergleichs-
kurven hier eine nicht in der Aufgabe begründete Beschränkung auf-
erlegt wird.^)
^) Wkierstrass, Tor/esitn^en 1882 ; vgl. auch Kneser, Lehrbuch, §§ 3G und 38.
*) Das erhaltene Resultat ist gleichbedeutend mit dem folgenden Aussprach:
Die Raumkurve 6q liefert ein starkes Minimum für das auf p. 491 Fußnote ^)
formulierte räumliche Variationsproblem, welches gewöhnlich als äquivalent mit
dem gegebenen ebenen isoperimetrischen Problem betrachtet wird, jedoch nicht voll-
kommen äquivalent mit demselben ist, wie sich eben gerade an dieser Stelle zeigt.
§ 64. Hinreicliende Bedingungen. 515
c) Der Lindeberg'sclie Satz:
Wir wenden uns nun zu dem im Eingang dieses Paragraphen
erwähnten Satz, mit dessen Hilfe es Lindeberg gelungen ist, die
eben hervorgehobene Lücke auszufüllen. Derselbe bezieht sich auf
das Extremum des Integrals
J=-fF{x,y,x\y')dt
ohne Nehenhedingungen, und ist auch unabhängig von seiner Anwen-
dung auf das isoperimetrische Problem von Interesse. Bei der Dar-
stellung desselben müssen wir uns jedoch auf einen kurzen Bericht
beschränken und verweisen für die Detaiiausfühmng auf die oben
zitierte Arbeit von Lindeberg.
Es sei
eine von Pj nach F^ führende Kurve, über welche wir die folgenden
Voraussetzungen machen:
A) Die Kurve (^ ist von der Klasse C, hat keine mehrfachen
Punkte und liegt ganz im Innern des Bereiches 6i.
B) Es gilt für sie die Legendre'sche Bedingung in der stärkeren
Form (ir).
C) Es gilt für sie die Weierstraß'sche Bedingung in der
stärkeren Form (IV ') von § 32, b).
Wir heben ausdrücklich hervor, daß die Kurve (S^ zwar eine Ex-
tremale für das Integral J sein kann, aber nicht zu sein braucht.
Wir können dann die Kurve S stets so über das Intervall [tj.^]
hinaus auf ein weiteres Intervall [T^T^] fortsetzen, daß die Bedin-
gungen A), B), C) auch für den so erweiterten Bogen ©* erfüllt sind.
Es folgt dann zunächst aus den beiden ersten Bedingungen auf
Orund der Sätze von § 21, b) und § 27, a): Ist 6 eine hinreichend
kleine positive Größe, so kann man durch jeden Punkt P (t) der
Kurve S* eine und nur eine Extremale des Integrals J ziehen, welche
mit der positiven Tangente der Kurve ^* im Punkt P den konstanten
Winkel 6 bildet. Als Parameter möge auf der Extremalen die Bogen-
länge s, gemessen vom Punkt P aus, gewählt werden.
Mit Hilfe des Satzes von § 22, d) zeigt man dann weiter: Es
lassen sich zwei positive Größen h, Je so klein wählen, daß die so
erhaltene Extremalenschar ein den Bogen S in seinem Innern ent-
haltendes Feld qT bildet, wenn s und t auf den Bereich
\s\ ^k, t^-jr^t^i^-^h
beschränkt werden.
5 Iß Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
Ist dann
irgendeine von P^ nach Pg führende gewöhnliche Kurve^ welche ganz
in diesem Feld oT liegt, so gilt die Formel
J^-J^=f%<h-ßdt. (121)
Zum Beweis wende man auf die beiden Kurven ^ und ^ den
Hilbert'schen ünabhängigkeitssatz von § 31, c) an:
und addiere links J- — J-, rechts J^g — J^, wobei sich zugleich die
Bedeutung der in der Gleichung (121) gebrauchten abkürzenden Be-
zeichnung erklärt.
Werden die drei das Feld o^^ bestimmenden Größen 6, h, h hin-
reichend klein gewählt, so läßt sich von jedem Punkt des Feldes oJ
auf die Kurve ^* eine und nur eine Normale fällen^). Unter dieser
Voraussetzung sei P (t) irgend ein Funkt von (^ und P der Fuß-
punkt der von P auf die Kurve S* gefällten Normalen; für den
Parameter t werde die Bogenlänge gewählt. Dann bezeichnen wir
mit CD (r) den Winkel zwischen der Richtung der positiven Tangente
an © im Punkt P und der Richtung der positiven Tangente an S
im Punkt P, so normiert, daß
Ist dann s eine beliebig vorgegebene positive Größe, so läßt
sich zeigen, daß die Menge derjenigen Punkte t des Intervalls [r^Tg],
'° ^•'l«'^«" »(T)l>f', (122)
eine abzählbare Menge von offenen Intervallen ist, deren Längen stets
eine endliche Summe haben, welche wir mit
4 (£')
bezeichnen wollen.
Bei dieser Bezeichnungsweise läßt sich nun der Lindeherg'sche
Satz folgendermaßen formulieren:
Genügt die Kurve S den Bedingungen A), B)y C) und sind e, s' zwei
hdiehig vorgegebene positive Größen, so läßt sich eine Umgehung (q) der
Kurve S bestimmen derart, daß
J-^>J^ (123)
*) Vgl. Bliss, Transactions of the American Mathematical Society,
Bd. V (1904), p. 487.
§ 64. Hinreichende Bedingungen. 517
für jede von F^ nach P^ führende, ganz in der TJmgelmng {q)^ gelegene
gewöhnliche Kurve ^, für welche
d^{8)>S.
Der Beweis beruht darauf*, daß das erste Integral auf der rechten
Seite von (121) bei fortgesetzter Verkleinerung der Größen 6 und Ä
für alle Kurven S von der angegebenen Beschaffenheit infolge der
Voraussetzung C) oberhalb einer bestimmten positiven Grenze bleibt,
während gleichzeitig durch Verkleinerung von a der absolute Wert des
zweiten Integrals unter jede Grenze herabgedrückt werden kann.
Die Bedeutung dieses Satzes für das Extremum ohne Neben-
bedingung besteht darin, daß derselbe den Anteil feststellt, welchen
die Bedingungen von Legendre und Weierstraß, für sich ge-
nommen, am Zustandekommen des Extremums haben. Dieser Anteil
ist überraschend groß; die beiden genannten Bedingungen verbürgen
in der Tat das Bestehen der Ungleichung A «7 > 0, für alle benach-
barten Kurven mit Ausnahme gerade derjenigen, welche sich, wie wir
es kurz ausdrücken können, in ihrer Tangentenrichtung am engsten
an die Curve ß anschließen. Nur um auch für diese letzteren die
Ungleichung AJy-0 zu erzwingen, sind die Bedingungen von Euler
und Jacobi erforderlich.
d) Anwendung des Lindeberg'schen Satzes auf das Isoperi-
metrisclie Problem:
Wir nehmen jetzt an, für die Kurve ©^ seien die unter b) auf-
gezählten Bedingungen (I'), (11'), (IIF), (IV) erfüUt. Dann läßt sich,
wie unter b) gezeigt worden ist, eine positive Größe q' angeben, so daß:
J^ > Jg für jede von ©o verschiedene, im Sinn des isoperimetrischen
Problems zulässige Kurve S, deren zugeordnete Raumkurve ß' ganz
in der Umgebung q' der räumlichen Extremalen @q liegt.
Lindeberg beweist dann weiter den folgenden Hilfssatz:
Ist q' eine beliebig vorgegebene positive Größe, so lassen sich
drei positive Größen q^, £, £ angeben, derart, daß die Raumkurve ^'
ganz in die Umgebung {q) von (SJ, fällt für jede zulässige Kurve (S?
welche ganz in der Umgebung (^q) von (Sq liegt, und für welche
wobei bei der Definition des Symbols d^^ {e) die Extremale (Sq an die
Stelle der Kurve S tritt.
Und nunmehr wird folgendermaßen weiter geschlossen:
518 Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
Für das Integral
ßF+X,G)dt
sind die Voraussetzungen des Lindeberg'schen Satzes erfüllt, wobei
wieder ©^ an die Stelle der Kurve © tritt. Daher können wir eine
positive Größe Q ^Qq bestimmen derart, daß
h + ^0 ^e > J^, + ^0 ^(jo (124)
für jede gewöhnliche, von Pj nach Pg gezogene Kurve (^, welche ganz
in (())(jo verläuft, und für welche
d^ (£') > s.
Wir ziehen jetzt in dieser Umgebung (())@o von P^ nach Pg
irgend eine im Sinn des isoperimetrischen Problems zulässige Kurve <S.
Für dieselbe ist entweder
h (^') < ^'
dann liegt nach dem Hilfssatz die Raumkuive S' in {q)^^'^, und es
ist Ae7>() auf Grund des Weierstraß^schen Satzes.
Oder aber es ist 7 / /
dann ist A J>0 auf Grund des Lindeberg'schen Satzes, da hier
insbesondere
Wir gelangen also zu dem Schlußresultat ^):
Wenn für den Kurvenhoyen ©q die Bedingungen (F), (H^y (HI'),
(IV) erfüllt sind, so liefert derselbe ein eigentliehes starlies Minimum
für das Integral J mit der Nehenhedingung K =1.
^) Der entsprechende Satz für das x-Frohlem, der das Analogon des auf
p. 126 erwähnten Satzes über das Problem ohne Nebenbedingungen ist, lautet
folgendermaßen :
Es sei 6(, : 2/ = y {x) eine Extremale für das Problem, das Integral
•«2
zu einem Minimum zu machen in Beziehung auf die Gesamtheit aller in der
Form y = y{x) darstellbaren Kurven der Klasse C, welche von P^ nach Pg
führen, in einem gewissen Bereich 6i liegen und dem Integjal
K=Jg{'-\ y, y') dx
§ 65. Der Fall variabler Endpunkte. 519
§ 65. Einiges über isoperimetrische Probleme bei variablen
Endpunkten.
In diesem Paragraphen soll noch kurz die Modifikation des iso-
perimetrischen Problems besprochen werden, bei welcher der erste
Endpunkt auf einer gegebenen Kurve beweglich ist, während der
zweite fest ist.
a) Die Transversalitätsbedingung bei isoperimetrisclieii Problemen:
Die gegebene Kurve sei durch einen Parameter % dargestellt.
Wir machen über dieselbe die nämlichen Voraussetzungen wie in § 36;
auch die Gesamtheit der zulässigen Kurven ist ebenso definiert wie
dort, nur daß dieselben jetzt noch überdies der isoperimetrischen Be-
dingung (1) genügen müssen.
Eine Kurve
@o: x = x(t\ y = y{t), t^^f^t^,
welche in Beziehung auf diese Gesamtheit von zulässigen Kurven ein
Minimum für das Integral J liefert, muß dann zunächst die sämt-
lichen notwendigen Bedingungen für ein isoperimetrisches Minimum
bei festen Endpunkten erfüllen; sie muß also in erster Linie eine
Extremale sein. Der zugehörige Wert der isoperimetrischen Kon-
einen vorgeschriebenen Wert erteilen; l^ sei der zu ©^ gehörige Wert der iso-
perimetrischen Konstanten.
Ferner sei ^ ,, ~^^
ly,y, I QVy,y,^
entlang ^^, der Bogen ©^ enthalte den zu P^ im Sinn des isoperimetrischen
Problems konjugierten Punkt nicht, und es sei
für
x^'<^x^x^, 0 <\p — y {x)\<Qq-
Dann läßt sich eine positive Größe q bestimmen derart, daß jede von ©o ver-
schiedene zulässige Kurve 6^, für welche
\y{pc) — y{pc)\< 9, \y (x^ — y {x) \ <()^,
für das Integral / einen größeren Wert liefert als ©(,•
Dabei ist die Funktion § aus der Funktion f -\- 1^ g in derselben Weise
abgeleitet, wie die 8-Funktion auf p. 110 aus der Funktion /"; über die Funktionen
/■ und g werden dieselben Voraussetzungen gemacht, wie über die Funktion f
auf p. 14.
Für diesen Satz hatte Lindeberg bereits in der in Fußnote 2) auf p. 126
zitierten Arbeit einen ausführlichen Beweis gegeben, der sich jedoch wohl nur
schwer auf den Fall der Parameterdarstellung übertragen läßt.
520 Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
stanten sei Xq. Der Punkt der Kurve ^, von welchem die Extremale
@o ausgeht, sei P^ und entspreche dem Wert x = tCq. Wir setzen wie
in § 60 voraus, daß kein noch so kleiner Bogen von ©^ Extremale
für das Integral K ist.
Um weitere notwendige Bedingungen zu erhalten, hat man nun
zunächst eine einparametrige Schar von zulässigen Variationen
zu konstruieren, welche, abgesehen von Stetigkeitsbedingungen, die
folgenden Bedingungen erfüllt:
x(t,0) = x(t\ y{t,0) = y{t\
x{t,,e)^x{7iQ-^£\ ^(^i,f) = ^K + 4 (1^^)
x{t^,e)^x^, y{t^ye) = y.2,
K-l (126)
Eine solche Schar von zulässigen Variationen kann man leicht mit
Hilfe der in § 60, b) benutzten Methode herstellen.
Für diese Schar muß nun: 8J=0 sein, während gleichzeitige
aus (126) folgt: 8 K =- 0. Indem man beide Gleichungen kombiniert,
erhält man SJ+X,SK=Q,
woraus man nach Anwendung der Lagrang ersehen partiellen Inte-
gration wie in §36, a) das Resultat^) schließt:
Im Funkt Pj muß die Belation
^x' (^; Vy ^'y V', K) ^' + H^, {x, y, X, y) X,) i/7 = 0 (127)
erf'ülU sein, wobei sich die Ableitungen x, y auf die Extremale %, da-
gegen X, ]/ auf die gegebene Kurve ^ beziehen.
Dies ist die Transversal itätsbedingung beim isoperimetrischen
Problem. Sie ist identisch mit der Transversalitätsbedingung für die
Aufgabe, das Integral (43) mit denselben Endbedi'ngungen, aber ohne
Nebenbedingung zu einem Extremum zu machen.^)
b) Die Brennpunktsbedingung:
Wir setzen für die Folge die Transversalitätsbedingung (127)
als erfüllt voraus; weiter nehmen wir an, daß entlang dem Extremalen-
bogen % die Bedingung (IF) von § 60, a) erfüllt ist.
Dann lassen sich nach Knesek») die Entwicklungen von § 62
folgendermaßen auf den gegenwärtigen Fall übertragen:
*) Vgl. hierzu Kneser, Lehrbuch, § 33.
*) Hierzu die Ühungsaufgahen Nr. 3, 23—25 am Ende dieses Kapitels.
») Lehrbuch, § 39.
§ G5. Der Fall variabler Endpunkte. 521
Wir stellen uns zunächst die Aufgabe, durch einen dem Punkt P^
benachbarten Punkt P^ der Kurve Ä eine Extremale (S mit vor-
gegebenem, von Ao nur wenig abweichendem Wert A der isoperi-
metrischen Konstanten zu konstruieren, welche in Pg von der Kurve ^
transversal geschnitten wird. Ist 0 der Tangentenwinkel der gesuchten
Extremalen @ im Punkt Pg und tc der Parameter von P3 auf ^, so
muß die Gleichung bestehen
^x' (^ W. yi^)y cos d, sin e- A) x\%)
+ Hy'(x{%),y{%), cosÖ, sinö; l)y'{yi) = 0.
Man zeigt genau wie in § 40, daß diese Gleichung stets in der Um-
gebung der Stelle % = %q, A == Aq, 6 = 0^ (unter 6^ den Tangenten-
winkel von @Q in P^ verstanden), eindeutig nach 6 auflösbar ist,
wenn die beiden Kurven ^^ und ^ sich in P^ nicht berühren, wie
wir in der Folge voraussetzen wollen.
Die Lösung der Gleichung (128) sei: 6 = ö(%, A); dann wird die
gesuchte Extremale @ in der Bezeichnung von § 27, b) durch die
Gleichungen dargestellt
x^ I(t-t^', x{}c), y{x), e{7c, A); A) = (p(t, %, A),
wenn unter t wieder die Bogenlänge verstanden wird.
Dieselben Gleichungen stellen^ wenn ;c, A als variable Parameter
betrachtet werden, eine doppeltunendliche Schar von Extremalen dar,
welche sämtlich von der Kurve ^ transversal geschnitten werden, und
zwar tritt dies auf allen Extremalen der Doppelschar für denselben
Wert t = t^ ein. Die Extremale @q erhält man für x = z^j A --= A^ .
Aus der Definition der Funktionen 9, ^ und den Eigenschaften
der Funktionen 3t', ^ ergibt sich, daß, identisch in x, A,
(p(t^,x,X) = x{yi), ip{t^,7c,X) = y{%),
woraus durch Differentiation folgt
(pjt^, %, A) = x{7i), ilj.^Xh, ^, ^) = ^'W?
^)ihy ^, ^) = ^y ^/ft; ^; ^) = ^^•
Aus diesen Relationen folgt, daß wir die Trans versalität der
Kurve ^ zur Extremalen @ in der Bezeichnung (67) auch durch
folgende Gleichung ausdrücken können:
cK,, (t^,x, A) qp^ {t,, %, A) + Ky, (t,, X, A) ^, (t^, z, A) = 0. (131)
Wir bezeichnen jetzt mit x(tyK,X), resp. lJ{t,KjX) die Werte
der Integrale K, resp. J", genommen entlang der Extremalen @^^ der
(130)
522 Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
Doppelschar (129 ) von deren Schnittpunkt t = t^ mit der Kurve ^
bis zu einem variabeln Punkt F{t), und berechnen die partiellen Ab-
leitungen der Funktionen % und U. Auf Grund der Gleichungen (ISOg)
unterscheiden sich die Resultate, die man erhält, von den früheren
(75) und (91) nur dadurch, daß in den Ausdrücken für i.^, U^ je ein
Zusatzglied
-(^^x^^.+ (:^'^.),S resp. -(9^,,9',4-^,^/^Ji'^
hinzutritt. Dieses Zusatzglied fällt aber in der Kombination
infolge der Transversalitätsbedingung (131) weg, und daher bleiben
die Fm-meln (92) auch für den Fall einer Doppelschar von Extremalen^
welclie von der Kurve ^ transversal geschnitten icerden, bestehen.
Andererseits aber hat das Auftreten dieses Zusatzgliedes zur Folge^
daß der Ausdruck (76) für die Funktionaldeterminante A(t^ %, X) im
gegenwärtigen Fall nur dann richtig bleibt, wenn man jetzt unter m
die Größe ^
versteht.
Mit dieser veränderten Bedeutung der Funktion m bleiben nun
die Entwicklungen von § 02, c) und d) bestehen, und man erhält das
folgende Resultat:
Es sei t[' die zunächst auf t^
folgende Wurzel der Gleichung
A{t,7i,X) = 0',
dann nennen wir den dem Wert
t = t'^ entsprechenden Punkt F'^
der Extrem^len (Sq den Brenn-
punkt der Kurve ^ auf dieser
Extremalen.
Unter denselben beschränkenden Annahmen wie in § 62, c) kann
man dann aus der Doppelschar (129) von Extremalen ein ausgezeichnetes
Büschel herausgreifen, dessen Enveloppe g jede Extremale des Büschels
in dem auf ihr gelegenen Brennpunkt der Kurve ^ berührt.
Für dieses ausgezeichnete Büschel gilt dann der Enveloppensatz
in der folgenden Form
JAP"Q")=JAP'Q')-^J^iQ'Q")' 1 .^32.
K^JP"Q-) = K^SP'Q') + K^iQ'Q") . J
§ 65. Der Fall variabler Endpunkte. 52S
Daraus schließt man dann wieder wie in § 62, d), daß das iso-
perimetrisclie Extremuni unter den vorliegenden Anfangsbedingungen
jedenfalls nicht über den Brennpunkt P^' hinaus bestehen kann:
F,<Fl (III)
c) Hinreichende Bedingungen:
Der allgemeine Hinlänglichkeitsbeweis für isoperimetrische Probleme
mit einem variabeln Endpunkt bietet noch ungelöste Schwierigkeiten.
Zwar folgt aus dem Bestehen der Formeln (92), daß auch die Hamilton '-
sehen Formeln (106) mit ihren Folgerungen für jedes von der Kon-
g™«"^ x^^(^t,x,l), y^i,H,x,X), 0^x{t,K,X) (133)
gebildete räumliche Feld gültig bleiben.
Aber die Kurve ^ kann nie einem solchen Felde angehören^
denn da die Funktionen (p,ip, % für t = t^ identisch verschwinden, so
Hierin besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen dem isoperi-
metrischen Problem und dem Problem ohne Nebenbedingungen (§ 41),
der zur Folge hat, daß man jetzt aus dem Bestehen der Bedingungen
(II') und (Iir) nicht mehr ohne weiteres schließen kann, daß sich
der Bogen @^ mit einem räumlichen Feld umgeben läßt. Vielmehr
führt das allgemeine Existenztheorem von § 22, d) hier nur zu einem
uneigentlichen räumlichen Feld, Avelches gegen den Punkt F^ zu in
eine Spitze ausläuft und daher für den Hinlänglichkeitsbeweis bei
variablem ersten Endpunkt nicht zu gebrauchen ist.
Wenn sich dagegen in einem speziellen FaU zeigen läßt, daß ein
den Punkt F^ enthaltendes endliches Stück der Kurve ^ der Be-
grenzung eines den Bogen ©^ (abgesehen von seinem Anfangspunkt Pj)
umgebenden räumlichen Feldes angehört, so läßt sich für alle Ver-
gleichskurven S, deren zugeordnete Raumkurven S' (abgesehen von
ihren Anfangspunkten) ganz in diesem Feld verlaufen, die Weierstraß'-
sche Konstruktion mit ihren Folgerungen durchführen.
Beispiel XXII.^) (Vgl. Beispiel II, pp. 465, 483 und Aufgabe Nr. 37 auf p. 151.)
Von dem einen Schenkel eines gegebenen Winkels nach einem auf dem andern
Schenkel gegebenen Punkt P^ eine den Winkelraum nicht verlassende Kurve von
gegebener Länge l zu ziehen^ welche mit den beiden Schenkeln eine möglichst große
Fläche einschließt.
Der erste Schenkel werde zur positiven a:;- Achse gewählt; der fragliche
Winkelraum werde erzeugt, indem ein vom Koordinatenanfang.spunkt 0 aus-
^) Vgl. dazu Kneser, Lehrbuch, p. 159.
524 Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
gehender Halbstrahl sich von der positiven a;- Achse aus in positivem Sinn um
4en zwischen 0 und 27t gelegenen Winkel a dreht.
Wir haben wieder das Integral
'2
yx')dt
mit der Nebenbedingung
'2
zu einem Maximum zu machen.
Daher folgt aus den Resultaten von § 59, c) und § 61, c) zunächst, daß die
gesuchte Kurve ein in positivem Sinn beschriebener Kreisbogen von der Länge l
sein muß, v^elcher, von einem Punkt P^ der positiven ic- Achse ausgehend, durch
4en Winkelraum a nach dem Punkt P^ führt. ^)
Da ferner im Punkt Pi : 2/i = ^i 2/i = ^i so reduziert sich die Trans-
versalitätsbedingung darauf, daß der Kreisbogen im Punkt P^ auf der x- Achse
senkrecht stehen muß.
Wir nehmen an, wir hätten einen diesen Bedingungen genügenden Kreis-
bogen @o gefunden
g, : x = -Hq — l, Goat, y =^ — X^Bmt.^
Die Doppelschar von Extremalen (129) besteht hier aus den Kreisen
X = y. — ^cos^, y == — Xsint, . (134)
welche sämtlich für ^ = 0 die a?- Achse senkrecht schneiden. Die beiden Glei-
chungen (134) zusammen mit der Gleichung
z = — Xt (135)
definieren die Kongruenz (133). Daraus erhält man
A{t,yc,X) = X(smt — tcost) .
Auf allen Kreisen der Doppelschar (134) wird also der Brennpunkt der a;- Achse
durch denselben Wert 257 ^27' 12"
t = V = . • 2 7t
,. „ ^ ^ 7 — 360«00'00"
geliefert.
Zur Bestimmung des in (134) enthaltenen ausgezeichneten Extremalenbüschels
erhält man nach (88) die Differentialgleichung
COS)' dy, — dX = 0.
Daraus folgt, daß das ausgezeichnete Büschel aus denjenigen Kreisen besteht, welche
ihre Mittelpunkte auf der ic- Achse haben und die im Brennpunkt P(' an den Kreis
@* gezogene Tangente berühren. Die letztere ist also die Enveloppe ^ des
3 Tt
Büschels, ein Halbstrahl, welcher mit der positiven oj-Achse den Winkel y —
bildet.
^) Abgesehen von etwaigen unfreien Lösungen (§ 52), welche streckenweise
mit den Schenkeln des Winkels zusammenlaufen.
§ 65. Der Fall variabler Endpunkte.
525
Werden die Yariabeln t, -n, l auf den Bereich
€1: 0<^<y, — c3ü<x<+Oü, ^<0
beschränkt, so bildet die Kongruenz (134), (135) ein räumliches Feld, welches
den durch die Ungleichungen
(^': ^>0, cosy < ^ < 1
z
definierten Teil des Raumes ausfüllt.
Zu einem gegebenen Punkt x,y,z von oP' erhält man den zugehörigen Punkt
von €1, indem man zunächst die Gleichung
sini
y
t = 0
nach t auflöst; da die Funktion sin t/t von -f 1 bis cos/ beständig abnimmt,
wenn t von 0 bis y wächst, so hat diese Gleichung eine und nur eine Lösung
t zwischen 0 und y. Die Werte von X und x folgen dann aus (134).
Die o;- Achse gehört nicht zu diesem Feld c^', wohl aber zu dessen Begren-
zung. Daher läßt sich die Weierstraß'sche Konstruktion durchführen und zwar
.auf folgende Weise:
Fall I: 0 < a ^ TT .
Sei % irgendeine von ©^ verschiedene Vergleichskurve; sie möge von einem
Punkt Pg der ^-Achse ausgehen. Wir setzen zunächst voraus, daß sie nicht mit
\
C <9 1 54
Fig- ll-'>- Fig. 116.
einem zur oj-Achse senkrechten geraden Segment beginnt (Fig. 115). Ist dann Pj
ein Punkt von © zwischen P- und Pg, so ist die Länge des Bogens Pg Pg sicher
größer als y^, und 2/.> > 0, da ja die Kurve © ganz in dem Winkelraum cc ver-
laufen soll. Daher liegt der Punkt x^,y^, z^ in S\ da cosy < 0; wir können
also nach Pg von der ic- Achse aus einen und nur einen Kreisbogen P4P3 kon-
struieren, welcher im Punkt P^ die ^- Achse senkrecht schneidet, in positivem
Sinn beschrieben ist, dessen Zentriwinkel t^ zwischen 0 und 7 liegt, und dessen
Länge z^ gleich der Länge des_Bogens P5 Pg der Kurve f ist. Die Betrachtung
der Funktion: Ä'(r) = J43 -f J^^ führt nun zum Weierstr aß 'sehen Funda-
mentalsatz und mit dessen Hilfe wie in § 64, a) zu dem Resultat: AJ'<0.
Der Beweis ist etwas zu modifizieren^), wenn die Kurve ® mit einem zur
^) Vgl. hierzu Kneser, Lehrbuch, p. 148.
B Ol z a , Variationsrechnung. 34
526
Zehntes Kapitel. Isoperimetrische Probleme.
a;- Achse senkrechten geraden Segment P^ P^ beginnt (Fig. 116). Für einen Punkt P^
zwischen Pg und Pj gelten dann die vorigen Resultate. Nähert sich der Punkt
Pj dem Punkt Pg, so nähert sich der Kreisbogen P4PS dem geraden Segment
PgPg, und es ist _
X
r^ = t.
L
= 76 + 0
^48 = ^5
Daraus folgt, daß
'S^(^6 + 0) = ^56 4- ^62 = ^62 1 ^^d daher
AJ=-[S{r,-0)~ Ä(re4-0)],
woraus, wie oben, folgt, daß AJ <^0.
Wir erhalten also das Resultat: Wenn der Winkel a zwei Rechte nicht
übersteigt^ so liefert der Kreisbogen (S^ das absolute Maximum für den Flächen-
inhalt.
Fall II: 7r<a<27r.
Hier ist die Weierstraß'sche Konstruktion nicht immer möglich. Trotz-
dem läßt sich wenigstens die Existenz eines starken relativen Maximums nach-
weisen. Dazu verbinden wir die beiden Schenkel des Winkels durch zwei mit
@o konzentrische Kreis-
bogen mit den Radien
R — d und R -\- d, wenn
R ^ — Xq den Radius von
@o und d eine hinreichend
kleine positive Größe be-
deutet, und beschränken
die Vergleichskurven auf
den zwischen diesen bei-
den konzentrischen Kreis-
bogen gelegenen Teil des
Winkelraums cc. Ist Pg
ein Punkt einer solchen
Vergleichskurve, für wel-
chen 2/3 > 0, so gelten
dieselben Betrachtungen
(, der Schnittpunkt des Vektors CP^
und ^„ die Länge des Bogens P^ Pq
wie im Fall I. Ist dagegen y.
oder dessen Verlängerung mit
von @^
<< 0, so sei P,
dem. Kreis @,
Dann zeigt man leicht (siehe Fig. 117), daß
Vs^^ + ^Vo
z,> R-d z,'
und hieraus läßt sich schließen, daß man d so klein wählen kann, daß die Un-
gleichung
cosy < f < 1
für jeden Punkt Pg jeder ganz zwischen den beiden konzentrischen Kreisbogen ver-
laufenden Vergleichskurve erfüllt ist, welche nicht mit einem zur o;- Achse senk-
§ 65. Der Fall variabler Endpunkte. 527
rechten Segment beginnt. Daraus folgt dann wieder die Möglichkeit der
Weierstraß'schen Konstruktion und damit die Ungleichung AJ< 0^).
d) Weitere Literatur über isoperimetrische Probleme:
Schon die letzten Entwicklungen haben gezeigt, daß die Theorie des iso-
perimetrischen Problems noch nicht zu einem ähnlichen Abschluß gelangt ist
wie die Theorie des Extremums ohne Nebenbedingungen. Dies gilt auch von
den Fragen, die wir für das letztere in Kapitel VI bis IX im einzelnen durch-
geführt haben. Wir beschränken uns daher darauf, die wichtigsten hierher
gehörigen neueren Arbeiten zusammenzustellen:
Yon diskontinuierUcJien Lösungen ^) bei isoperimetrischen Problemen handelt
Caratheodory in seiner auf p. 367, Fußnote ^) zitierten Dissertation. Insbesondere
wird der Ausnahmefall untersucht, in welchem jede Extremale des Integrals J
zugleich Extremale für das Integral K ist.
Für isoperimetrische Probleme mit Gebietseinschränkung gilt zunächst der
von Weierstrass herrührende Satz, daß alle frei variierbaren Bestandteile der
Minimumskurve Extremalen mit demselben Wert X^^ der isoperimetrischen Kon-
stanten sein müssen. Ferner müssen, wie ebenfalls Weierstrass ") gezeigt hat, in
den Übergangspunkten in der Bezeichnung von § 52, b) und § 60, b) die Be-
dingungen
erfüllt sein. Andeutungen über die Bedingung entlang der Schranke gibt
Hadamard, „Stir quelques questions de calcul des variations", Annale.s de l'^cole
Normale Superieure (3), Bd. XXIV, (1907), p. 222.
In derselben Arbeit beschäftigt sich Hapamard mit der Aufgabe das
Hilberfsche Existenztheorem auf isoperimetrische Probleme zu übertragen. Dabei
ergeben sich eigentümliche Schwierigkeiten, die damit zusammenhängen, daß
in den Bedingungen von Legendre und Weierstraß die isoperimetrische
Konstante ;, auftritt. Hier ist schon der Satz von § 33 über die Existenz eines
Minimums im Kleinen nicht mehr richtig. Dagegen läßt sich der Osgood'sche
Satz auf das isoperimetrische Problem übertragen, wie Hahn'') gezeigt hat.
An weiteren neueren Arbeiten erwähnen wir schließlich noch zwei Göttinger
Dissertationen: Cairns, „Die Amvendung der Integralgleichungen auf die ziveite
Variation hei isoperimetrischen Problemen'' (1907), und Crathorne, „Das räum-
liche isoperimetrische Problem'' (1907).
^) Hierzu weiter die Lbungsauf gaben Nr. 11, b) und 26—35 am Ende dieses
Kapitels.
^) Vgl- § 59, b), Ende, und Kneser, Lehrbuch §§ 45, 46.
^) Vorlesungen 1879, vgl. auch Hancock, Lectures, Art. 205 und Kneser,
Lehrbuch § 47. Der Beweis folgt leicht nach der Schlußweise von § 60, b);
vgl. dazu Fig. 84.
*) Vgl. p. 280, Fußnote ^).
34*
Übungsaufgaben zum zehnten Kapitel/)
1. Die a;, 2/-Ebene sei mit Masse (Bodenpreisen) belegt und die Dichtigkeit
im Punkt x, y sei ii{x, y)\ in dieser Ebene sei eine Kurve ^ gegeben und auf
ihr zwei Punkte Pi,Pj- Unter allen Kurven von gegebener Länge, welche von
I\ nach Pj gezogen werden können, diejenige zu bestimmen, welche mit dem
Bogen PjPi von ^ zusammen die Fläche von größter Masse (Gesamtpreis) ein-
schließt {Problem der Dido).
Lösung: Die Extremalen sind durch die Gleichung
^^_\i{x,y)
r l'
charakterisiert.
Andeutung: Mache vom Green'schen Satz Gebrauch. (Lord Kelvin)
2. Auf einer Fläche ist eine Kurve Ä gegeben und auf ihr zwei Punkte P^
und P,. Unter allen Kurven von gegebener Länge 1, welche auf der Fläche von
Pj nach Pj gezogen werden können, diejenige zu bestimmen, welche mit dem Bogen
P^Pi von £ den größten Flächenraum umschließt (§ 59).
Die rechtwinkligen Koordinaten eines Punktes der Fläche seien durch zwei
Parameter u,v ausgedrückt; die Kurve ^ sei gegeben durch die Gleichungen
^■j u = ü{t), v = v{t);
die gesuchte Kurve werde in der Form
(5: u = \i(t), v = v{t) f
angenommen. Sind dann M und i\^ zwei Funktionen von u und v, für welche
so hat man das Integral
/ = £ C\M.{u, v)u 4- N{u, v)v'^,dt -f- sßM{ü, v)u-i- N{ü, v)v']dT,
wo f = + 1 , zu einem Maximum zu machen mit der Nebenbedingui^g, daß
k
Es sollen die analogen Stetigkeitsannahmen gemacht werden wie bei
Beispiel XVL
*) Die zulässigen Kurven werden überall, wo nichts besonderes festgesetzt
wird, als „gewöhnliche'' Kurven angenommen.
Übungsaufgaben zum zehnten Kapitel.
529
Lösung: Die gesuchte Kurve ist ein geodätischer Kreis, ^) d. h. eine Kurve
konstanter geodätischer Krümmung:
Ferner muß X negativ sein.
Andeutungen: Zur Ableitung des Ausdrucks für J" wende den Green'schen
Satz an, wobei sich auch die Bestimmung des Vorzeichens s ergibt. Wende die
Euler'sche Differentialgleichung in der Weierstraß'schen Form an und mache
von Gleichung (40) von § 26 Gebrauch. (Minding, Darboux)
S. Dieselbe Aufgabe mit der Modifikation, daß der Punkt P^ nicht gegeben,
sondern auf ^ frei beweglich ist (§ 65, a)).
Dasselbe Resultat mit der weiteren Bedingung, daß die gesuchte Kurve im
Punkt Pj die Kurve ^ senkrecht schneiden muß.
4. Für Botationsflcichen läßt sich die Integration der Differentialgleichung
der geodätischen Kreise auf Quadraturen zurückführen. (Minding, Darboux)
Andeutungen: Das Linienelement läßt sich in der Form schreiben
ds^== du'^-\- cp^{u)dv'.
Ist dann: ip{u) = 1 (p{u)du^ so sind die geodätischen Kreise dargestellt durch
die Gleichung
J qp(««)
(cc — sip{u))du
i)yx'cp\u) ~ {cc — Eii,{u)y
Man mache von der Euler'schen Differentialgleichung in der Form (18) Gebrauch.
5. Gleichgewichtslage eines auf einer gegebenen Fläche ohne Reihung auf-
liegenden schweren Fadens, der an seinen leiden Endpunkten befestigt ist (§ 59, b)
und d)).
Die positive 0-Achse werde vertikal nach oben gewählt; die Fläche sei durch
zwei Parameter w, v dargestellt. Dann ist das Integral
/ = p|/E*t'^+2Fw'r'+, Gv'*^i^
zu einem Minimum zu machen mit der Nebenbedingung
'2
Lösung: Die Weierstraß'sche Form der Euler'schen Differentialgleichung
führt zu folgender charakteristischen Eigenschaft^) der gesuchten Kurve: Man
konstruiere in einem Punkt P der Kurve den Vektor PM nach dem Mittel-
punkt M der geodätischen Krümmung; dann liegt der Endpunkt N des zu PM
entgegengesetzten Vektors PN in der konstanten Ebene
z + X=^0.
^) in der Terminologie von Darboux.
*) In etwas anderer Form gegeben von Lindelöf-Moigno, Legons, p. 314.
530 Übungsaufgaben zum zelinteu Kapitel.
6. Untev allen zwei gegebene Punkte P^ und P^ verbindenden Kurven, welche
zusammen mit den Ordinaten dieser beiden Punkte und der x-Achse eine Fläche
von gegebenem Inhalt begrenzen, diejenige zu bestimmen, welche durch Rotation
um die x-Achse die Oberfläche kleinsten Inhalts erzeugt (§ 59). (Euler)
Lösung: Es werde die Bedingung: y^O hinzugefügt. Ist ^^;> 1, so gehen
die Extremalen aus den verkürzten Zykloiden
X = — -)-sini, Y =X -\- cos t
durch die Transformation
hervor. Ist V <i li so ersetze man t durch it. Ist ^^=1, so erhält man rationale
Kurven 3. Ordnung. Außerdem sind sämtliche Geraden der Ebene Extremalen.
Die Möglichkeit diskontinuierlicher Lösungen zu untersuchen.
7. Die Brachistochrone bei gegebener Länge zu bestimmen. Die genauere
Formulierung soll, abgesehen von der isoperimetrischen Bedingung, dieselbe sein
wie in § 26, b).
Lösung: Die Extremalen lassen sich schreiben, wenn a^>>X%
x-{- ß= -f[{^^^-\- ci^)t — 4: ccX sin t-\- a- sin i cos*],
, , (l — acos*)*
Für die Bogenlänge ergibt sich
cc n'
(Salt — 2{X--\-a^)Bmt-\-aXsintco8t)
.{cc'-Xr
Ist o:^<;>L*, so ist t durch it zu ersetzen. Für a^z=X^ werden die Extremalen
algebraisch. (Eulek, Mechanica, Bd. II, Art. 401)
8. Unter allen Kurven, welche von einem Punkt A der ^-Achse nach einem
Punkt B der oberen Halbebene gezogen werden können,, und welche zusammen
mit der Abszisse AD und der Ordinate DB einen gegebenen Flächenraum ein-
schließen, diejenige zu bestimmen, welche zusammen mit ihrem Spiegelbild AB'
an der a;- Achse den kleinsten Widerstand erfährt, wenn die Kurve B' AB in
ihrer Ebene in einem widerstehenden Medium in der Richtung der negativen
rc- Achse bewegt wird (Siehe Fig. 94; Fall eines flachen oder eines zylindrischen
Schiffes mit horizontaler Direktrix).
Für den Widerstand findet man nach der Newton'schen Methode von p. 408
das Integral
Übungsaufgaben zum zehnten Kapitel. 531
Aus denselben Gründen wie in § 54 wird man die Gefällbeschränkungen
hinzufügen.
Die Extremalen sind rationale Kurven 4. Ordnung mit drei Spitzen:
^ = T (1 +pr + ^ ' 2/ = y ^^, + ß , (136)
dy
(Euler, Scientia Navalis, Art. 531)
9. Den Botationskörper kleinsten Widerstandes bei gegebenem Volumen zu
bestimmen. Die genauere Formulierung soll, abgesehen von der isoperimetrischen
Bedingung, dieselbe sein wie in § 54.
Die Extremalen sind gegeben durch die Gleichungen
y (i+y»)'+(i+p'f'
wobei
Soll die Extremale die a;- Achse treffen, so muß y = 0 sein, und man erhält
die Kurve (136) mit dem Wert |3 = 0,
Halbiert man den Rotationskörper mittels einer Meridianebene, so erhält
man den Fall eines Schiffes, dessen zur Längsrichtung senkrechte Schnitte Halb-
kreise sind. (Euler, Scientia Navalis, Art. 690)
10. Die reziproke Aufgäbe zu Beispiel II (p. 465) im einzelnen durchzu-
führen und daran das Mayer'sche Reziprozitätsgesetz zu verifizieren (§ 61, e)).
Andeutungen: Wähle den Punkt P^ zum Koordinatenanfang. Die Kon-
stantenbestimmung, und damit die Weierstraß'sche Konstruktion, führt auf
die Aufgabe, eine Zykloide mit gegebener Basis und Spitze zu konstruieren,
welche durch einen gegebenen Punkt geht, vgl. p. 208, Fußnote ^).
11*. Mit Hilfe der Fourier' sehen Beihen einen direkten Beweis für den Säte
■ZU geben, daß der Kreis unter allen geschlossenen Kurven von gegebenem Umfang
den größten Flächeninhalt einschließt (§ 64, a)).
Andeutungen: Wähle den Bogen s als unabhängige Variable zur Dar-
stellung irgendeiner geschlossenen Kurve von der Länge l. Entwickle x und y
in Fourier'sche Reihen, fortschreitend nach Kosinus und Sinus der Vielfachen
von 27t/Z, und berechne daraus den Flächeninhalt. Vergleiche denselben mit
dem Ausdruck für den Flächeninhalt eines Kreises von demselben Umfang l, den
man durch Integration der Gleichung
nach s zwischen den Grenzen 0 und l erhält, (Hukwitz)
532 Übungsaufgaben zum zehnten Kapitel.
12. Die Aufgaben Nr. 2 und 3 im einzelnen durcbzuführen für den Fall,
wo die gegebene Fläche eine Kugel und die gegebene Kurve ein größter Kreis
derselben ist (§ 59—65).^)
Lösung: Die geodätischen Kreise sind Kreise. Ist u das Komplement der
Breite und v die Länge, so lassen sich dieselben bei passender Wahl der Kon-
stanten schreiben
cos y cos u -f- sin 7 sin u cos (v — ß) = cos cc .
Ist 2r der Zentriwinkel des Kreisbogens von P^ bis zum konjugierten, resp.
Brennpunkt, so ist x durch die folgenden Gleichungen zu bestimmen:
a) wenn P^ gegeben ist
sin T (r cos r — sin t) = 0 ;
b) wenn P^ auf ^ beweglich ist
tg(2r) = 2r;
also in beiden Fällen dieselben Gleichungen wie in den entsprechenden ebenen
Problemen (Beispiel II und XXII).
Die Möglichkeit der Weierstraß'schen Konstruktion zu diskutieren.
13*. Die Aufgabe Nr. 5 für den speziellen Fall der Kugel im einzelnen
durchzuführen {Sphärische Kettenlinie) ^)
Andeutungen: Die Kugel werde dargestellt durch die Gleichungen
^ = acosit cosv, y = aco%u^\nv, z = aQinv.
Dann ist die sphärische Kettenlinie dargestellt durch die Gleichung
'^^J{a'-z')-VB{z)
wo
B{z) = {z ^Ifia^- z^) - ci\
Die Größen z,x-\-iy durch die Funktionen 6{t), s-^{t) auszudrücken, wenn
dz
dt = ~-=—'
}/B{z)
Eingehende Diskussion der Realitätsverhältnisse der Wurzeln von B(z) und
entsprechende Fallunterscheidungen bei den elliptischen Funktionen. Diskussion
der Gestalt des Fadens. Wann wird derselbe ganz auf der oberen Hemisphäre
aufliegen, wann zum Teil frei herabhängen; im letzteren Fall Bestimmung der
Übergangspunkte. Die Gleichung zur Bestimmung des konjugierten Punktes
aufzustellen und zu diskutieren.
1) Das isoperimetrische Problem auf der Kugel ist neuerdings von Bernstein
ohne Benutzung der Variationsrechnung eingehend behandelt worden. Mathe-
matische Annalen Bd. LX (1905), p. 117.
2) VgL GuDERMANN, Crelle's Journal, Bd. XXXIII (184G), p. 189; Clebsch,
ibid., Bd. LVII (1860), p. 103; Biermann, Berliner Dissertation, 1865; Schlegel,
Programm des Wilhelms-Gymnasiums, Berlin 1884; Appell, Bulletin de
la Societe mathematique de France, Bd. XIII (1885), p. 65.
Übungsaufgaben zum zehnten Kapitel.
533
14. Für das auf p. 518, Fußnote ^), formulierte isoperimetrische Problem
mit X als unabhängiger Variabein die Gleichung zur Bestimmung des konjugierten
Punktes abzuleiten, entweder direkt oder aus den Resultaten von § 61, a) nach
§ 25, e).
Lösung: Ist
y=Y{x,cc,ß,X)
das allgemeine Integral der Euler'schen Differentialgleichung und
so lautet die Gleichung-
Y,(x,)
Y,{x)
wobei die dritte Z
X X
fr^Näx, Cy^NcIx,
X^ Xj^
eile auch durch
X
CY^Ndx
Xi
ersetzt werden kai
Z,fx)
m, wenn
Z/^),
^M
0,
(137)
Z{x^ a, ß, X) = Cg{x, r, Y')dx,
Dabei sind überall nach Ausführung der Differentiation a,§,l durch a^^^ß^,!^
zu ersetzen, und N ist für ^^ zu berechnen. (A. Mayer)
15*. Bas Integral
X^
/c
\dxj
bei festen Endpunkten mit der Nebenbedingung
x^
I y^dx= l
f^^),
ZU einem Minimum zu machen.
Lösung: Die Extremalen sind
1. 2/ = c*: sin (fi,£c -f- i^) , wenn ^ << 0 , {1--
2. y = ciX-\- § ., wenn 1 = 0,
3. y^a^h.ihX-\-ßQh.^x, wenn A > 0, (;i = jtt-).
Im ersten Fall lautet die Gleichung zur Bestimmung des konjugierten Punktes
u (sin u — u cos u) = {u'^ — ^in^u) cos {u -f 2 öt) ,
wenn . . , .
Sie zeigt, daß stets ein konjugierter Punkt im Intervall: 3t<;M<^27r existiert.
In den beiden andern Fällen existiert kein konjugierter Punkt.
534 Übungsaufgaben zum zehnten Kapitel.
Konstantenhestimmung : Je nachdem
3 ? ^ (^2 — ^i) iyl + 2/i 2/. + yl) .
gibt es eine^) Lösung vom ersten Typus, für welche: 0 <Cii{oc^ — x^) <^7t, oder
eine Lösung vom zweiten Typus, oder eine vom dritten.
Hiernach die Weierstraß'sche Konstruktion und die Frage des absoluten
Extremums zu diskutieren. (Lunn, Miles)
16*. Unter allen Kurven, welche zwei gegebene Punkte P^,P^ der oberen
Halbebene (2/>0) verbinden, ganz in dieser Halbebene verlaufen und durch
Umdrehung um die x-Achse eine Fläche von gegebenem Inhalt erzeugen, diejenige
zu bestimmen, für welche diese Fläche zusammen mit den beiden durch Rotation
der Ordinaten von P^ und P^ erzeugten Kreisen das größte Volumen einschließt
{Unduloid, Nodoid)^). (Euler)
Andeutungen: Erstes Integral
Führt man statt l und ^ zwei neue Konstanten q und y ein durch die Gleichungen
und setzt: H = siny, >c' = cosy, so lautet das allgemeine Integral in der
Legendre'schen Bezeichnung:
x = a-\-Q[^'F{yi,t)-\-E{yi,t)-\,
y = QA{yi,t).
Die Extremalen werden beschrieben durch den einen Brennpunkt eines auf
der a:- Achse rollenden Kegelschnitts (Delaunay). Diskussion der Gestalt der
Extremalen. Spezielle, resp. Grenzfälle: Halbkreis über der a;- Achse, Kettenlinie
und Gerade^) parallel der ic-Achse
Diskussion der konjugierten Funkte (Howe, Hormann).
Ecken von etwaigen diskontinuierlichen Lösungen müssen auf der ÄJ-Achse
liegen, und diskontinuierliche Lösungen müssen sich aus' Stücken der o;- Achse
(§ 52) und aus Kreisbogen mit dem gleichen Radius, deren Mittelpunkte auf der
iC-Achse liegen, zusammensetzen (Todhunter).
Die reziproke Aufgabe ist identisch mit der Bestimmung der Gleichgewichts-
lage von Seifenblasen, welche die Ränder zweier koaxialer Kreisscheiben ver-
binden (Plateau).
^) Eine Ausnahme tritt ein für 2/2 = — 2/i •
2) Vgl. W. HowE, Berliner Dissertation 1887 und G. Hormann, Göttinger
Dissertation 1887.
3) YgL dazu Almansi, Annali di Matematica (3), Bd. XH (1905), p. 1.
Übungsaufgaben zum zehnten Kapitel. 535
17*. Unter allen Kurven von gegebener Länge, welche zwei gegebene Punkte
Pj und Pg der oberen Halbebene (2/>0) verbinden, und ganz in dieser Halb-
«bene liegen, diejenige zu bestimmen, welche zusammen mit den Ordinaten von
Pj und Pg den JRotationskörper größten Volumens erzeugt. (Euler)
Lösung: Die Extremalen sind elastische Kurven, charakterisiert durch:
1 2y
— = -Y Bezeichnet a den konstanten Wert von H^,, so sind folgende zwei
J'älle zu unterscheiden:
Fall I: t,-j_;L<0.
^ = /5 + P[2^(x, t) — F(x, t)], y = 2KQCost, (138)
„ ^ — a , ^ _
Fall 11: o: + ;i>0.
^obei
X = ß-j-Q [^^(H, t)-{l- ^') F(X, t)j
(139)
-wobei
2/ = ()A(x,*),
2X
X = p^
Dazwischen der Fall a-\-X==0, in welchem die elliptischen Integrale degenerieren.
Die Gestalt der Extremalen za diskutieren. Die Kongruenz räumlicher
Extremalen durch den Punkt P^ aufzustellen sowie deren Funktionaldeterminante,
wenigstens für spezielle Lagen des Punktes P^. Womöglich etwas über die
Existenz und Lage des konjugierten Punktes auszusagen.
18. Die Euler'sche Begel für den Fall abzuleiten, daß das Integral
mit der Nebenbedingung
J
«2
zu einem Extremum zu machen ist.
Andeutung: Vgl. p. 458, Fußnote ^) und Aufgabe Nr. 45 auf p. 153.
(Euler)
19. Die Euler'sche Begel für den Fall abzuleiten, daß das Integral
J=Jfi^, 2/i , 2/2 .•••, 2/ni 2/ii 2/21 ••• . yn)äx
mit mehreren isoperimetrischen Bedingungen
x^
j 9i{^^ 2/i 1 2/2 1 • • • . 2/«' 2/i% 2/2', • • • , yn)dx = ?., »■ = 1, 2, . . . w
zu einem Extremum zu machen ist.
536 Übungsaufgaben zum zehnten Kapitel.
Andeutung: Ygl. p. 458, Fußnote *), und Aufgabe Nr. 41 auf p. 151.
(Scheeffer)
20. Die Aufgabe Nr. 17 dahin abzuändern, daß nicht nur die Länge der
Kurve, sondern auch der Inhalt der zwischen der Kurve, den Ordinaten von P^
und Pj und der ic-Achse eingeschlossenen Fläche vorgeschrieben ist.
Lösung: Die Extremalen sind elastische Kurven und gehen aus den
Gleichungen (138), resp. (139), hervor, indem man y durch y -\- {i und a durch
a -f ^2 ersetzt. (Euler)
21*. Bie Gleichgeiüichtslage eines elastischen, an seinen beiden Enden fest-
geklenmiten Drahtes zu testimmen^)
Andeutungen: Man hat die potentielle Energie des Drahtes, d.h. wenn r
den Krümmungsradius bedeutet, — abgesehen von einem konstanten Faktor —
das Integral i
-/?
o
bei gegebener Länge l zu einem Minimum zu machen, während die Endpunkte
und die Tangentenrichtungen in denselben gegeben sind. Die zulässigen Kurven
sind von der Klasse C" vorauszusetzen.
Die Aufgabe gehört zum Typus von Nr. 18, läßt sich aber auf ein Funk-
tionenproblem vom einfachsten Typus mit zwei isoperimetrischen Bedingungen
zurückführen, wenn man die Bogenlänge s als unabhängige und den Tangenten-
winkel ö als abhängige Variable einführt. Man hat dann das Integral
äs
mit den Nebenbedingungen
i i
I coseds==x^ — x^, 8mdds = y^~y^
0 0
und den Anfangsbedingungen: 0(o) = 0, , ö(0 = Ö^ zu einem Minimum zu machen.
Lösung: Die Extremalen in der x, t/- Ebene sind elastische Kurven. Ein
Bogen der elastischen Kurve, welcher keinen Wendepunkt enthält, liefert stet»
ein starkes Minimum (vgl. Aufgabe Nr. 23, p. 147). "' (Euler, Born)
22. Nach der Methode von Nr. 21 läßt sich die allgemeinere Aufgabe be-
handeln, das Integral ^
ff{r)ds
bei gegebener Länge l zu einem Extremum zu machen, z. B. die Aufgabe Nr. 44
von p. 152 mit der Modifikation, daß die Länge der Kurve vorgeschrieben ist.
1) Vgl. die Dissertation von M. Born, Göttingen 1906, wo zahlreiche inter-
essante Modifikationen der Aufgabe theoretisch und experimentell untersucht
werden, besonders auch in Beziehung auf die Stabilität.
Übungsaufgaben zum zehnten Kapitel. 537
Lösung: Die Extremälen gehen aus den Kurven
x^^ccit — sin ^) — |5cos — , ^
y .= a{l — cos t) -\- p sin —
durch die allgemeinste rechtwinklige Koordinatentransformation hervor.
(Jellet)
23. Unter allen Kurven, welche die beiden Geraden x = x^ und x = x^
verbinden und zusammen mit den beiden Ordinaten M^ P^ , M^ P^ ihrer End-
punkte und dem Stück Mi M^ der a;- Achse eine Fläche von gegebenem Inhalt
einschließen, diejenige zu bestimmen, für welche der Schwerpunkt eben dieser
Fläche am tiefsten liegt, unter der Voraussetzung, daß die positive y-Achse ver-
tikal nach oben gerichtet ist (§ 65, a)). (Euler)
Lösung: Eine horizontale Gerade. Da die Euler'sche Differentialgleichung
degeneriert, so läßt sich der allgemeine Hinlänglichkeitsbeweis nicht anwenden.
Man berechne daher direkt die totalen Variationen A J und A K und beweise
daraus, daß die Gerade ©^ ein schwaches Minimum liefert; auch ein starkes,
wenn man sich auf Vergleichskurven beschränkt, für welche Aa;^0; dagegen
kein starkes bei unbeschränkter Variation.
24. Die Aufgabe Nr. 40 auf p. 151 als isoperimetrisches Problem zu lösen
(§ 65, a)).
Lösung: Bei Benutzung von rechtwinkligen Koordinaten ist
J=27cl(l— ~:^^\x'dt, K = 7tfy'x'dt.
J\ Vx^ + y^y J^
Die beiden Endpunkte sind auf der a;-Achse beweglich.
Die Euler'sche Differentialgleichung degeneriert in eine endliche Gleichung
(§6, b)):
y =:V a^ x^ — x^ , 0<;a;<;a,
Die Anziehung des zugehörigen Rotationskörpers verhält sich zu derjenigen einer
Kugel von gleichem Volumen wie i|/27 : ^25 .
Man versuche einen Hinlänglichkeitsbeweis,^) wenigstens für gewisse Klassen
von Variationen, aus der zweiten Variation. (Gauss, Airy)
Bei Benutzung von Polarkoordinaten mit der positiven ic-Achse als Achse ist
J = 27t jr sind COS 6 6' dt, K='^ j r^ sind 6' dt.
Die Lösung lautet: r^^a^coBd . (Lindelöf-Moigno)
^) Einen Hinlänglichkeitsbeweis ohne Benutzung der Variationsrechnung
gibt Schellbach, Journal für Mathematik, Bd. XLI (1851), p. 343.
RQo Übungsaufgaben zum zehnten Kapitel.
25. Einen homogenen Ilotationsl:örper von gegebener Masse und möglichst
kleinem Trägheitsmoment in Beziehung auf eine zur Botationsachse senJ^rechte
Achse zu Tconstruieren (§ 65, a)).
Lösung: Ein abgeplattetes BotationselUpsoid , dessen Achsen sich verhalten
wie 1 : y^. Das Trägheitsmoment desselben in Beziehung auf einen in der
Äquatorebene gelegenen Durchmesser verhält sich zum Trägheitsmoment einer
gleich großen Kugel in Beziehung auf einen Durchmesser wie y2 zu 4/3. Es
gelten ähnliche Bemerkungen wie bei den vorigen beiden Aufgaben. (Carll)
26.^) Unter allen Kurven, welche von der Peripherie eines gegebenen
Kreises (0, rj nach einem gegebenen Punkt P^ gezogen werden können, und für
welche das Potential des Sektors mit dem Scheitel 0 in Bezug auf den Punkt O
einen vorgeschriebenen Wert hat, diejenige zu bestimmen, welche für das Poten-
tial des Bogens in Beziehung auf den Punkt 0 den kleinsten Wert liefert, wenn
für beide das Newton'sche Anziehungsgesetz zugrunde gelegt wird und die
Dichtigkeit als konstant vorausgesetzt wird (§ 65).
Lösung: Die gesuchte Kurve ist ein Kreis durch den Punkt 0. Die Kon-
gruenz (133) läßt sich in Polarkoordinaten schreiben
r,cos{d — ß),
r = 1
cosy
_ ri[sin(ö — <3) — siny] ^
cosy
Hiernach läßt sich die Frage des Brennpunktes und der Weierstraß'schen Kon-
struktion erledigen.
27. Für Beispiel XXII (p. 466) die Konstantenbestimmung im einzelnen
durchzuführen.
28. Für Beispiel XXII den Enveloppensatz von § 65, b) zu verifizieren.
(Kneser)
29*. Es sei eine Kurve k gegeben und auf ihr ein Punkt P^; unter allen
Kurv^i von gegebener Länge l, ivelche von Punkten der Kurve ^ aus nach dem
Punkt Pg gezogen werden können, diejenige zu bestimmen, welche mit der Kurve k
den größten Flächenraum einschließt (§ 65) 2).
Die Kurre Ä wird in der Foim: y==f{x) und von 'der Klasse D" voraus-
gesetzt. Dann läßt sich der fragliche Flächeninhalt in der Form darstellen
ti
J=f{f{x) — y)x'dt.
1) Unter allgemeineren Voraussetzungen in Beziehung auf das Anziehungs-
gesetz von Haton de la Goupilliere gegeben, Association Fran9aiBe, 1893,
2de partie, p. 164; übrigens sind die dort über die Jacob i'sche Bedmgung ge-
gebenen Entwicklungen nicht richtig.
2) Vgl. Aufgabe 8 auf p. 446.
Übungsaufgaben zum zehnten Kapitel. 539
Lösung: Ein in positivem Sinn durchlaufener Kreisbogen, welcher in
seinem Anfangspunkt P^ auf ^ senkrecht steht. Wird auf der Kurve ^ als
Parameter x die Bogenlänge gewählt und die positive Richtung so gewählt, daß
im Punkt P^ der Kreisbogen zur Linken der positiven Tangente an ^ abgeht
(ßi = ^1)1 so lautet die Kongruenz (133)
y = y(yi)—X{smt~y'{yi)),
wobei
Ä'(x) = cosÖ, ,y'(x) = sinÖ.
Daraus ergibt sich für die Bestimmung des Brennpunktes die Gleichung
wenn r^ den Krümmungsradius der Kurve ^ im Punkt P^ bedeutet, und
qp(f) = sini — tcost.
Die Diskussion dieser Gleichung führt zu folgendem Resultat: Nimmt die
Krümmung 1/f ^ von -f- cx) bis — 00 beständig ab , so bewegt sich der Brenn-
punkt P{' von Pj ausgehend einmal in positivem Sinn um die ganze Kreisperi-
pherie, woraus sich die auf p. 446 gegebene Erdmann'sche Ungleichung als
notwendige Bedingung des Extremums ergibt.
Die Möglichkeit der Weierstraß'schen Konstruktion ist für jede spezielle
Kurve ^ einzeln zu diskutieren. (Kneser)
30*. Gleichgewichtslage eines schweren Fadens, dessen erster Endpunkt auf
einer gegebenen Kurve £ beweglich ist, während der zioeite gegeben ist. Insbesondere
soll der Brennpunkt bestimmt werden (§ 59, d), § 65, § 39, b)).
Lösung: Die gesuchte Kurve ist eine Kettenlinie ©^ mit horizontaler
Direktrix, welche die gegebene Kurve senkrecht schneidet. Die Kongruenz (133)
läßt sich schreiben: - / x ,
x = x{yc)-\-cc{t — y),
y = y{yt)^cc(Cht~Chy),
Z= a(Shi — Shy),
wobei y durch die Gleichung
x{yC)^y'{y)^hy = 0
als Funktion von % definiert ist.
Es bezeichne
^{t) = 2 — 2Ch(i — 7) + (i — y)Sh it — 7) .
Ferner sei ö^ der Tangentenwinkel und Ijr^ die Krümmung der Kurve Ä im
Punkt Pj ; der positive Sinn auf der Kurve ^ werde so festgelegt, daß sin öi > 0 ;
endlich sei cc^ der Wert der Konstanten a für die Kettenlinie (£(,. Dann lautet
die Gleichung zur Bestimmung des Brennpunktes P'{ der Kurve Ä auf der Ketten-
*(«) r,sine,
^^ Übungsaufgaben zum zehnten Kapitel.
Die Diskussion derselben ergibt das folgende Resultat: Es bezeichne
/^•o =
2sin2?L8in0.
2 ^
Wenn dann: l/r^< — kf,, so existiert ein Brennpunkt, und zwar bewegt
ßich* derselbe vom Punkt P, bis -{-oo, wenn, bei festgehaltenem d^, l/f^ von
— cx) bis — ICq wächst.
Wenn dagegen: l/ri^ — Jc^, so existiert kein Brennpunkt. (Kneser)
31. Die Aufgabe Nr. 6 dahin abgeändert, daß der Punkt P, auf der x- Achse
frei beweglich ist, während P^ im Innern der oberen Halbebene gegeben ist (§ 65).
Man nehme an, daß: 2/>0 zwischen P^ und Pg.
Lösung: Eine Gerade. Die Kongruenz (133) besteht aus Parabeln. Brenn-
punkte existieren nicht. Die Weierstraß'sche Konstruktion ist stets möglich,
und es findet ein absolutes Minimum statt.
32. Einen Botaiionskörper von gegebener Ober fläche und möglichst großem
Volumen zu konstruieren ^) (§ 65).
Die zulässigen Kurven in der x, 2/-Ebene, durch deren Rotation um die
ic- Achse die Oberfläche des Rotationskörpers erzeugt wird, sollen von einem
nicht gegebenen Punkt der positiven a;- Achse beginnen und durch das Innere
der oberen Halbebene {y > 0) nach dem Koordinatenanfang führen.
Lösung: Ein in positivem Sinn durchlaufener Halbkreis; der Rotations-
körper ist also eine Kugel. Ecken können im Innern der oberen Halbebene
nicht auftreten. Die Kongruenz (133) lautet
^==o:_;Lco8^ y^ — l^mt, z = X^{1 — coat).
Daraus: t['==27t; der Halbkreis ©„ enthält also den Brennpunkt P(' nicht. Die
Weierstraß'sche Konstruktion ist stets möglich mit derselben Pallunterscheidung
wie in Beispiel XXII. Daher absolutes Maximum.
33. Die zur vorigen Aufgabe reziproke Aufgabe: Einen Rotationskörper von
gegebenem Volumen und kleinster Oberfläche zu konstruieren. Daran das Mayer'sche
Reziprozitätsgesetz zu verifizieren (§ 61, e), § 65).
Andeutungen: In der Kongruenz (133) haben x,y dieselben Werte wie
in Nr. 32; z ist durch ^^^
z r= ^ (2 — 3 cos i -|- cos^ t) ^-'
zu ersetzen. Die Weierstraß'sche Konstruktion ist stets möglich für Ver-
gleichskurven, entlang welchen 1:^0; jeder Vergleichskurve, für welche z in
einer endlichen Anzahl von Segmenten negativ ist, kann man eine andere zu-
ordnen, welche einen kleineren Wert für die Oberfläche liefert, und für welche ^ > 0 .
34*. Ben Rotationskörper von gegebener Meridianlänge l und größtem Volumen
zu konstruieren. (Aufgabe Nr. 17 so modifiziert, daß P, auf der a^-Achse beweg-
lich ist, während P, auf der ic-Achse gegeben ist.)
1) Vgl. Aufgabe 39 auf p. 151.
Übungsaufgaben zum zehnten Kapitel. 541
Lösung: Die gesucbte Kurve @o wird dargestellt durch die Gleichungen
<138) mit den Worten
Die Bestimmung der konjugierten Punkte führt auf die Gleichung
enudnu
u = 0,
cn u
welche zeigt, daß der Bogen (Bq keinen konjugierten Funkt enthält. Die Weier-
fltraß'sche Konstruktion führt auf die Gleichung
sn u t/s ,,
anu Zg
Dieselbe zeigt, daß die Weierstraß'sche Konstruktion stets ausführbar ist mit
denselben Fallunterscheidungen wie in Beispiel XXII; daher liefert der Bogen ©^
•das absolute Maximum. Das Maximalvolumen ist
6K'
und weicht um weniger als 1 7o von dem Volumen eines abgeplatteten Rotations-
ellipsoids von derselben Meridianlänge ab, dessen Halbachsen sich wie 3 : 2 ver-
halten.
35*. Ändert man die Aufgabe Nr. 21 dahin ab, daß der eine Endpunkt
des Drahtes auf der y-Achse frei beweglich sein soll, so geht die Aufgabe in der
s,Ö-Ebene in ein isoperimetrisches Problem vom einfachsten Typus mit einem
variabeln Endpunkt über (§ 65).
Hiernach die von Bokn, loc. cit. § 8 erhaltenen Resultate zu verifizieren und
wo möglich weiter zu führen.
Bolza, Variationsrechnung. 35
Elftes Kapitel.
Die Euler-Lagrange'sche Multiplikatoren-Methode/)
§ 66. Allgemeiner Überblick.
Indem wir uns nunmebr allgemeineren Problemen der Variations-
rechnung zuwenden, bemerken wir zunächst, daß die in §§ 4 und 5
für den einfachsten Typus von Aufgaben entwickelten Methoden zur
Ableitung der Euler 'sehen Differentialgleichung sich ohne weiteres
auf Probleme übertragen lassen, bei welchen das Integral, welches zu
einem Extremum zu machen ist, höhere Ableitungen von y enthält,
also von der Form ist
Hier findet man für die Differentialgleichung des Problems 2):
df _d a/- , rf^ £/ , .. , /_iy^ JZ__0 (2)
Dasselbe gilt für Aufgaben, bei denen mehrere unbekannte Funk-
tionen von X und ihre ersten Ableitungen unter dem Integral vor-
kommen, wo es sich also um ein Integral von der Form
Xn
J=ß\X, 2/i, y^y . . •; yn, yi, 2/2; • • -, 2/«)^^ (3)
Xi
handelt. Hier erhält man das System von n Differentialgleichungen^)
|^^_f 14 = 0, ^=l,2,.•'.,.^. (4)
oVi dx cVi '
Wesentlich neue Schwierigkeiten treten erst bei Problemen mit
Nebenhedingungen auf. Der wichtigste Typus derselben wird durch
^) Wie schon Kneser betont hat, hat Eüler so wesentlichen Anteil an der
Entdeckung dieser Methode, daß es nicht gerechtfertigt erscheint, dieselbe nach
Lagrange allein zu benennen, wie dies gewöhnlich geschieht (siehe EncyUopädie
II A, p. 580).
^ Vgl. die Übungsaufgaben Nr. 43—47 p. 152.
3) Hierzu die Übungsaufgabe Nr. 2 am Ende von Kap. XIII.
§ 66. Allgemeiner Überblick. 5^3
das sogenannte „Lagrange' sehe Problem'' repräsentiert, bei welchem es
sich darum handelt, ein Integral von der Form (3) zu einem Extremum
zu machen, während gleichzeitig die zulässigen Funktionen einer An-
zahl von Nebenbedingungen von der Form
"Pi^ (^; yi, yi, • • •; yn, yl, y^y ■ • -, yn) == 0, (5)
ß==l,2^- • ',m, (m<n)
unterworfen sind; dabei können die Ableitungen y^ auch in einigen
oder allen Gleichungen (5) fehlen.
Auf diese Aufgabe läßt sich der allgemeinere Fall reduzieren, in welchem
unter dem Integral J auch höhere Ableitungen der unbekannten Funktionen vor-
kommen, während die zulässigen Funktionen außer Bedingungen von der Form
(5) auch noch isoperimetrischen Bedingungen unterworfen sein können.
Kommen von der Funktion y. die Ableitungen bis zuraten Ordnung vor,
so betrachte man die Ableitungen
als neue unbekannte Funktionen, welche den Differentialgleichungen
dVi ^ dy'. dy^P-^^
genügen. ^^
Nachdem so die Aufgabe auf den Fall reduziert ist, wo nur erste Ablei-
tungen der unbekannten Funktionen vorkommen, ersetzt man etwaige isoperi-
metrische Bedingungen
J^^(^'2/i,3/2,- • •. 2/n, 2/;, 2/2, • ■ ;y'^)dx==l^, 9 = 1,2, • • ., r,
durch Bedingungen von der Form (5), indem man r neue Funktionen
X
^ ^J^?(^' 2^1' • • •' 2/n' 2/l' • • -^ 2/n) ^^
x^
einführt, welche den Differentialgleichungen
und den Anfangsbedingungen
0^ fic ^ = 0 , z (x^\ = i
unterworfen sind. ^ \ U ' q\ .) ^
Übrigens ist die Äquivalenz des so erhaltenen Lagrange'schen Problems
mit dem ursprünglich gegebenen nur in Beziehung auf das absolute Extremum
eine vollständige; beim relativen Extremum dagegen kann es vorkommen, daß
eine Kurve, welche für das gegebene Problem als benachbart anzusehen ist,
für das entsprechende Lagrange'sche Problem keine benachbarte Kurve ist, wie
wir dies beim einfachsten isoperimetrischen Problem gesehen haben (siehe § 64,
insbesondere die Fußnote ^) p. 514; vgl. auch p. 91, Fußnote ^) und die dort ge-
gebene Verweisung auf Zermelo).
35*
544 Elftes Kapitel. Die Euler- Lag ränge 'sehe Multiplikatoren-Methode.
Für das Lag ränge 'sehe Problem haben schon Euler und
Lagrange die folgende einfache Regel aufgestellt:
Man bilde unter Einführung von m unbestimmten Funktionen
(den sogenannten „Multiplikatoren^^) die Funktion
F^f-\-ll(pi-\-h(Pi-\ \-Kx(pm (6)
und verfahre dann so, als ob man das Integral
F(x, 1/1, ?/2; • • •, yn, 2/1; 2/2, • • •, 2/n) dx
ohne Nebenhedingungen zu einem Extremum zu machen hätte. Dies
führt auf die Differentialgleichungen
dF d dF ^ -10 rn\
d^-dxdy'r^^ ^-h^r-^n, (7)
welche, zusammen mit den Relationen (5) und geeigneten Anfangs-
bedingungen, im allgemeinen die n unbekannten Funktionen y. und
die Multiplikatoren k^ bestimmen.
Der Beweis dieser „MuUiplihatorenregeV, — die übrigens zunächst
nur richtig ist, soweit es sich um die Aufstellung der Differential-
gleichungen des Problems handelt, und dann auch nur nach Ausschei-
dung eines später zu besprechenden Ausnahmefalls — bildet den Gegen-
stand des vorliegenden Kapitels.
Es sind dabei drei Fälle zu unterscheiden, je nachdem die Be-
dingungsgleichungen (5) sämtlich endliche Gleichungen sind (§ 68),
oder sämtlich Differentialgleichungen (§§ 69, 70), oder zum Teil end-
liche, zum Teil Differentialgleichungen (§ 71).
Dem Beweis der Multiplikatorenregel für das Variationsproblem
schicken wir als Vorbereitung einen Beweis der analogen Regel für
gewöhnliche Extrema mit Nebenbedingungen voraus (§ 67). Den
Abschluß des Kapitels bildet die Reduktion der Differentialgleichungen
des Problems auf ein kanonisches System (§ 72) und im Anschluß daran
eine kurze Darstellung der Hamilton-Jacobi'schen Theorie (§ 73).
§ 67. Die Lagrange'sche Multiplikatoren-Methode für
gewöhnliche Extrema mit Nebenbedingungen.*)
Es handelt sich um folgende Aufgabe: Es seien m -f 1 Funktionen
von n Variabein gegeben
^) Vgl. Encyklopädie II A, p. 85 (Voss), und die dort angeführten Literatur-
angaben, denen wir noch hinzufügen : Stolz, Grundzüge^ Bd. I, p. 240, und Weier-
§ 67. Gewöhnliche Extrema mit Nebenbedingungen. 545
welche in einem gewissen Bereich €L im Gebiet der Variabein
^1, x^, . . ., x^ von der Klasse C" sind. ^5 sollen unter allen
Punkten des Bereiches GL, welche den m (< n) Bedingungsgleichungen
^a {^u ^2, • • •; ^J = 0, («=1,2,..., m) (8)
genügen, diejenigen lestimmt werden, in welchen die FunUion
ein j,relatives'' Minimum im Sinne von § 2, c) besitzt.
Angenommen
sei eine Lösung der Aufgabe und zugleich ein innerer Punkt ^) von
6t. Dann ist
^'aK; «2, • • •; ö^J = 0, (a^ 1, 2, . . ., m),
und es läßt sich eine positive Größe d angeben, derart daß die Dijfferenz
Au = f(a, + h,, a^+\, . . ., a^^hj-f{a,, a^, .- -, aJ^O (9)
für alle Werte der Größen \,\,- • 'jKj welche den Gleichungen
9aK+^^i, (^2-^K ••', «„ + ^J = 0, («== l,2,...,m) (10)
und den Ungleichungen
\W<d, W\<d,--', \h^\<d (10a)
genügen.
Indem wir zur Abkürzung
schreiben, machen wir die weitere Annahme, daß nicht alle Deter-
minanten mten Grades der Matrix
(jpW, ^f, ...., 9.W
©(1), g)(2), , M
^2 ' ^2 ' ' ^2 (11)
(p(^), ©(2), . . . ., a)(«)
; -an der Stelle (it;)==(a) verschwinden; sei z. B.
_______ ^(^1' ^2---'^J
(x) = (a)
+ 0. (12)
STRAss, Vorlesungen über Variationsrechnung, siehe Hancock, Lectures on the
theory of Maxima and Minima of functions of several variables (Cincinnati 1903).
^) Wofür wir auch kürzer (x) = (a) schreiben.
') Vgl. p. 12.
546 Elftes Kapitel Die Eul er- Lagrange 'sehe Multiplikatoren-Methode.
Alsdann können wir nach dem Satz über implizite Funktionen
(§ 22, e)) die Gleichungen (10) in der Umgebung der Stelle:
\ = 0, h,^0, .••., /^„=0
eindeutig nach \j li^, . . ., h^ auflösen:
Die Funktionen x« verschwinden für hm + i = 0 ^ hrn + 2 = 0 ^ • • •, Jin=0,
sind in der Umgebung dieser Stelle von der Klassö C und daher
nach A IV 6 in der Form
n — m
X.-2K,r{x'r'' + ^..«.r) (14)
r = l
darstellbar, wobei ^ci"'"^""^ ^^^ ^^^^ ^^^ dXa/dhm + r für hm + i =0, - • -,
7^^_ 0 bedeutet, während die £«,m + r unendlich kleine Funktionen von
Denkt man sich für die Größen K die Ausdrücke (13) m die
Funktion f{a,+ h,, o^+h,,---, a^-^h^) eingeführt, so geht dieselbe
in eine Funktion der n — m unabhängigen Variabein hm+iy /im + 2,
. . ., Iin über, und diese muß für Jim + i = 0, hm + 2 =0, • • •, //^„ = 0
ein Minimum besitzen.
Damit ist die Aufgabe auf die Bestimmung eines Minimums ohne
Nebenbedingungen zurückgeführt.
Statt dessen ist es jedoch eleganter, nach LaGRanGE^) die lle-
thode der unbestimmten Multiplilatoren anzuwenden: Nach dem Satz
über das totale Differential lassen sich die Gleichungen (9) und (10)
auch schreiben:
A« = J'/*i(f«K, «2, • • ■> «») + 5i) > 0, (15)
i = l
J'',(9'2'(«l,«2---->«n)+^..)=0, (16)
i = 1 ,,f
(a=l,2, •••, m).
Dabei sind |., |„, unendlich kleine Funktionen von h^, \^ • • ., K-
Multipliziert man jetzt die m Gleichungen (16) mit vorläufig unbe-
stimmten „Multiplikatoren" A^, h> " -^ K ^"^^ ^^^^^^^ «^^ ^^^^ ^^
(15), so erhält man
i = l
^) Laorange, Oeuvres Bd. IX, p. 291,
§ 67. Gewöhnliche Extrema mit Nebenbedingungen. 547
wobei zur Abkürzung ^
dF
F = f+2K^^, l^-F^.
a = l
OX,
gesetzt ist, und die rj- wieder unendlicli kleine Funktionen von \,
h^y • ' •,\ bedeuten.
Die Ungleicbung (17) muß ebenfalls für aUe den Bedingungen
(10) und (JlOa) genügenden Werte von \y\, . . .^ h^ bestehen.
Jetzt bestimmen wir die bisher unbestimmt gelassenen Größen
^ly ^27 ' ' ■} ^m ^^^ ^^^ ^^ Gleichungen
F'''^\ai, «2, • • •, a„) = /^''(oi, »2, • • •, a«) +^A„9)lf' («i, «2, • • •, «„)= 0,
was nach (12) stets möglich ist. Dann geht (17) über in
n — m n
^Kn-^rF^'"'^''^ (ai, »2, • • •, an) +^hirji 5 0.
Drückt man hierin die Größen \,\y... h^y mittels (13) und (14)
durch lhu + \j hm + 2y • • -, ^hi aus, so erhält man
n — m
2K,.r [i^^"+'^(ai, «2, • • •, an) + ?,»+.] 5 0,
WO nunmehr die Größen ^m+r unendlich kleine Funktionen der un-
abhängigen Yariabeln lim+iy . . ., hn sind, und diese Ungleichung muß für
alle numerisch hinreichend kleinen Werte dieser Größen bestehen.
Hieraus folgt aber wie in der Theorie der Extrema ohne JSTeben-
bedingungen, daß
sein muß für r = 1, 2, • • •, w — m.
Die Voraussetzung, daß mindestens eine Determinante mter Ord-
nung der Matrix (11) von Null verschieden ist, war beim Beweis
wesentlich; wir wollen den Fall, in dem sie erfüllt ist, den „Haupt-
fall" nennen. In dem „Ausnahmefall^', wo aUe Determinanten wter
Ordnung der Matrix (11) gleich NuU sind, folgt aus der Theorie der
linearen Gleichungen, daß sich m Größen A^, ^3, . . ., A^, nicht alle
null, so bestimmen lassen, daß
m
a = l
für ^ = 1, 2, . . ., n. Indem man nach Hilbert eine Größe A^ = 1
für den Hauptfall, A^ = 0 für den Ausnahmefall definiert, kann man
beide Fälle in den Satz zusammenfassen:
548 Elftes Kapitel. Die Euler- Lagrange 'sehe Multiplikatoren-Methode.
Soll die FunJction
der durch die m Gleichungen (8) verJinüpften Variahein x-^, x^y . . ., x^
an einer inneren Stelle (x) = (a) des Bereiches €L ein relatives Mini-
mum besitzen, so muß es m ■}- 1 Konstayiten: A^^ A^, Ag, . . ., A,^, nicht
alle gleich Ntdl, gehen ^ derart daß an der Stelle (a) gleichzeitig
^ ^0, i = l,2,...,^. (18)
i
Man verfährt also, soweit es sich um die erste notwendige Be-
dingung handelt, genau so, als ob man die Funktion
-F'^V+J'^^'J^a (19)
a
ohne Nebenbedingungen zu einem Minimum zu machen hätte.
Im Hauptfall hat man zur Bestimmung der m -j- n Unbekannten:
«1, «2; • • •; ^«5 ^i; '^2> • • •? Kl genau m + n Gleichungen, nämlich die
Gleichungen (18) und (8).
§ 68. Die Multiplikatorenregel für den Fall endlicher
Bedingungsgleichungen.
Wir betrachten jetzt zunächst die Aufgabe, das Integral (3) zu
einem Extremum zu machen in dem Fall, wo die Nebenbedingungen
(5) sämtlich endliche Gleichungen sind, also von der Form
'P,,{^,y^,■■■,yn) = 0, ß = l,2,-.;m. (20)
Wir setzen voraus, wir hätten eine Kurve ^) der Klasse C" ge-
funden :
welche durch die beiden gegebenen Punkte
Pi (^i; 2/iu 2/21, • • ', Vui) ^nd F^(x^, i/i2/!/22» • • •; Vn^)
geht, den m Gleichungen
9'/a;,2/,(a;),---,y„(a;)) = 0, ,3 = 1, 2, • • •, m, (21)
genügt und das Integral
dx
*) Das Wort „Kurve" wird hier gleichbedeutend mit „Funktionensystem'
gebraucht.
§ 68. Der Fall endlicher Bedingungsgleichungen. 549
zu einem Minimum macht in Beziehung auf die Gesamtheit aller in
einer gewissen engeren^) Umgebung ^ von (^^ gelegenen, durch die
beiden Punkte P^, F^ gehenden Kurven der Klasse JD', welche eben-
falls den m Gleichungen (20) genügen.
Die Funktionen f und cp,. werden von der Klasse 0'" voraus-
gesetzt, und zwar f in dem Bereich %, die Funktionen g). in der
Projektion^) äl von % in den (x, y^j . . ., ?/^J-Raum.
Weiter setzen wir voraus, daß mindestens eine Determinante
mten Grades der Matrix
i= 1,2, •••,n,
^ = l,2,...,m.
4=0 in [x^x^']. {22)
entlang ©^ von Null verschieden ist^); es sei z. B.
^(2^1' ^2' •••'2/J
Zur Vereinfachung der Schreibweise setzen wir für die folgenden
Entwicklungen fest, daß die verschiedenen Indizes ganz bestimmte
Zahlenreihen durchlaufen sollen, und zwar
^,i, Ä;=l, 2, ...,>*,
«; /5, r == 1; 2, • • •, m,
r = 1, 2, • • •, w — m,
so daß also z. B. ^ stets eine Summation von 1 bis n bedeuten soll.
i
Ebenso soll z. B. die Gleichung go^ = 0 stets das System von m Glei-
chungen bezeichnen, welches man hieraus für ß = 1, 2, ■ ■ •, m erhält.
Ferner werden wir, wo kein Mißverständnis zu befürchten ist,
häufig bloß (x, y, y'), resp. (x, y, i/, X), für {x, y,, . . ., i/„, y[, . . ., i/^),
resp. (x, ^1, . . ., ^^^, y'i, . . ., ?/,;, A^, . . ., Xj, schreiben.
Endlich werden wir, wo es wünschenswert ist, die Argumente
anzugeben, schreiben
a) Herstellung einer Schar von zulässigen Variationen:
Dazu wählen wir n — m Funktionen ^„, + ^(^) der Klase C will-
kürlich, nur der Bedingung unterworfen, daß sie in x^ und x^ ver-
schwinden sollen,
^m + r(^l) = 0, n„,U^,) = <i, (23)
^) Vgl. die Definition von p. 91, Fußnote 2), die sich unmittelbar auf höhere
Räume überträgt.
^ Vgl. p. 167. 3) Vgl. Fußnote ^) auf p. 558.
550 Elftes Kapitel. Die Euier-Lagrange'sche Multiplikatoren-Methode.
und setzen ^^^^^^^^ ^^ _ ^^^^^^^ + ,^^^^(^). (24)
Dann lassen sich auf Grund unserer Voraussetzungen, insbesondere
der Voraussetzung (22), nach dem erweiterten Satz^) über implizite
Funktionen (J 22, e)) die m Gleichungen
in der Umgebung der Punktmenge
eindeutig nach y^,.--,y^ auflösen. Die Lösungen
y^- 5^X^;«)>
für die somit identisch in x und s die m Gleichungen gelten
(p/^, r, (rc, £),..., r„(^, 6)) = 0, (26)
sind dann samt den Ableitungen cY^lcx, cY^/ce, c^Y^/dxds') stetig
in dem Bereich x^^x^x^, I ^ I ^ <^7
wenn 6 eine hinreichend kleine positive Größe ist, und es ist
Y^{x,0) = y^{x). (2T)
Überdies genügen aber die Funktionen Y^ den Anfangsbedingungen
identisch in s. Denn setzt man in (25) x = x„ während e beliebig
bleibt, so erhält man nach (23)
(P^{x,,y„ . . ., ym, ym+iM> • • -^ 2/„M = ^^
1) Vor Anwendung des Satzes hat man zunächst die Kurve ^ auf ein
etwas weiteres Intervall [X, X,] fortzusetzen, so daß auch der verlängerte Bo^en
von der Klasse C" ist und ganz im Inneren von % hegt. Dann kann man eme
Umgebung (d) dieses verlängerten Bogens angeben, we che ebenfalls noch ganz
im Inneren von t^ liegt. Man setze dann auch die Funktionen n^^^^) auf das
Intervall [X,X,] fort, so daß sie von der Klasse C bleiben und bestimme dann
eine positive Größe s, so, daß: \ ^rj^^.i^) \<^ f^i^-= ^i^^<^^' '''<'»•.
Alsdann ist der auf p. 167 mit €1 bezeichnete Bereich defimert durch die
Ungleichungen :
a-. Xi^rr^x,, i«l<«o. \y^i-y^,i^)\<^-
In diesem Bereich a und in der in seinem Inneren gelegenen Punktmenge 6
haben dann die linken Seiten der Gleichungen (25) als Funktionen von x,8,y,, . . ., y„,
die in dem Satz von § 22, e) verlangten Eigenschaften A) bis D).
2) Um die Existenz und Stetigkeit der letzteren Ableitungen zu beweisen,
differentiiert man die Identitäten (26) nach 8 und löst nach cY^i^de aul. Es
zeigt sich dann, daß sogar die Ableitungen d'Y^/d^'^ und a« i,/a^^s^ existieren
und stetig sind, was für die Behandlung der zweiten Variation von Wichtigkeit ist.
§ 68. Der Fall endlicher Bedingungsgleichungen. 551
und diese Gleichungen werden nach (21) befriedigt durch: y^ = y/i{x^'^
daraus folgt aber wegen der Eindeutigkeit der Lösung^ daß': YJx^,e)
Hieraus folgt, wenn man noch die aus ihrer Definition folgenden
Eigenschaften der Funktionen Y^^^ hinzunimmt, daß die Kurvenschar
Vi = Y,(x, £), x^^x^x, (29)
eine Schar zulässiger Variationen der Kurve ©q darstellt: Sie hat die
erforderlichen Stetigkeitseigenschaften, genügt den m Gleichungen (26),
und es ist
Y,(x,0)==y,(x), (27 a)
Y,{x,,6) = y,(x,), Yi{x„ s) = y,(x,). (28a)
Durch Differentiation der Gleichungen (28) nach s folgt noch:
Bezeichnen wir
'^^r=n,(j^, (30)
so ist
^..(^i) = 0. ^.^(^2) = 0. (31)
b) Die Lagrange'schen Multiplikatoren:
Für diese Schar (29) muß nun im Falle eine Extremums
ÖJ=0
sein. Gleichzeitig folgt durch Differentiation der Gleichungen (2Q)
nach £, daß
öqD^ = 0
ist. Ausgeschrieben lauten diese Gleichungen unter Benutzung der
Bezeichnung (30)
•^1
2'S''' = 0, (33)
wobei die Argumente in den Ableitungen der Funktionen f und g?^
sich auf die Kurve ©^ beziehen.
Wir multiplizieren jetzt nach dem Vorgang von Lagrange 2) die
Gleichungen (33) mit vorläufig unbestimmten stetigen Funktionen kß{x),
^) Man kann dasselbe Resultat auch direkt beweisen^ indem man die Identi-
titäten (26) nach s differentiiert und dann x = x^ setzt.
') Oeuvres, Bd. IX, p. 312; Bd. X, pp. 416, 420.
552 Elftes Kapitel. Die Euler-Lagrange 'sehe Multiplikatoren-Methode.
integrieren zwischen den Grenzen x^ und x^ und addieren die sämt-
lichen so erhaltenen Gleichungen zu (32). Wir erhalten so die Glei-
chung x^
Xj_ i
wenn wir zur Abkürzung
setzen.
Sodann wenden wir auf das Integral (34) die Lagrange'sche
partielle Integration an und erhalten, da sämtliche Funktionen '^^{x)
nach (23) und (31) an beiden Grenzen verschwinden,
'dF d cF
J ^ idVi
dVi dxdy
'^rj^dx^O, (35)
und nunmehr bestimmen wir, immer nach Lagrange, die m unbe-
stimmten Funktionen A^ aus den m Gleichungen
BF d dF _ ^
dy^ dxdy'„
Ausgeschrieben lauten dieselben
Z^^nyl^ dy, dxdy',
Sie bestimmen also wegen der Voraussetzung (22) die Funktionen A^
eindeutig als stetige Funktionen von x im Intervall [x^x^.
Bei dieser speziellen Wahl der Funktionen A^ reduziert sich die
Gleichung (35) auf
*1
Da aber die Funktionen ^^+^ ganz beliebige in x^ und x^ verschwin-
dende Funktionen der Klasse C waren, so folgt hieraus, daß
dF d dF
0
"^Vm + r dxdy'„,^r
sein muß für r = 1, 2, . . ., >^ — w; man braucht nur je w - m - 1
der Funktionen i?„,^.^ identisch gleich Null zu setzen und dann das
Fundamentallerama der Variationsrechnung (§ 5, b)) anzuwenden.
Hiermit ist aber die Multiplikatorenregel in der Tat für den Fall
endlicher Bedingungen bewiesen:
§ 68. Der Fall endlicher Bedingungsgleicliungeii. 553 -
Es muß im Fall eines Extremums m stetige FunJctionen >l^(^) geben,
welche zusammen mit den FunJctionen y^{x) den n Differentialgleichungen
'dVi dxdy'i
geniigen, tvobei: F = f -\- Sl^g)^,
ii
c) Beispiel III^):
Die kürzeste Linie zu bestimmen , welche auf einer in der Form
(p{x,y,z) = 0 (37)
gegebenen Fläche zwischen zioei auf der Fläche gegebenen Punkten gezogen
werden kann.
Wir nehmen der Symmetrie und der größeren Allgemeinheit halber die zu-
lässigen Kurven in Parameterdarstellung ^) an. Dann haben wir das Integral
h
mit der Nebenbedingung (37) zu einem Minimum zu machen.
Da hier
F^Yx^' + y'^ + ^'^ + W.
so lauten die Differentialgleichungen der gesuchten Kurve
d x'
d y'
, d z'
dtYx'^-^y'^-\-z'^-
Dieselben lassen sich auch schreiben
d^x d^y d^z
rf.^=^^-' Ts^^^'^y^ ds^^^"^'^
ds
wenn man den Bogen s einführt und ;L = ^ - - setzt.
a t
Diese Gleichungen drücken die charakteristische Eigenschaft der geodä-
tischen Linien aus, daß in jedem ihrer Punkte die Hauptnormale der Kurve mit
der Normalen der Fläche zusammenfällt.^)
^) Vgl. p. 5 und Beispiel XVI, p. 209.
*) Dies ist auf die unter a) und b) durchgeführten Schlüsse ohne Einfluß;
nur sind die erhaltenen Differentialgleichungen nicht voneinander unabhängig,
vgl. unten § 70, d).
^) Hierzu die Übungsaufgabe Nr. 1 am Ende von Kap. XIH.
554 Elftes Kapitel. Die Euler-Lagrange'sche Multiplikatoren-Methode.
d) Beispiel XXIII: Das Hamilton' sehe Prinzip:^)
Es sei J/j, M^, • -, ^4 ein System materieller Punkte. Die Masse
des Punktes M^, sei w^, seine Koordinaten zur Zeit t seien x^y y^, ^/,
die Bedingungsgleichungen des Systems seien
^^ = 0, a=l,2,..., m, (38)
wobei die Funktionen (p^ von den Koordinaten der Punkte 31^ und
der Zeit abhängen. Auf die Punkte des Systems wirken Kräfte, welche
eine Kräftefunktion besitzen, d. h. es gibt eine Funktion U der Koor-
dinaten und der Zeit, derart daß
^ _du V __^JL 7 ^^Jl
wenn X^, F,,, Z^ die Komponenten der auf den Punkt M^ wirkenden
Kraft bezeichnen. Endlich werde mit T die lebendige Kraft des
Systems bezeichnet, also
V
wobei der Akzent Differentiation nach der Zeit t bedeutet.
Unter der Wirkung dieser Kräfte wird das System bei gegebenen
Anfangslagen und Anfangsgeschwindigkeiten der Punkte M^. eine be-
stimmte Bewegung ausführen, dargestellt durch
Dabei möge sich das System zur Zeit ^o '^^ <ier Lage A^, zur Zeit t^
in der Lage A^ befinden.
Wir betrachten jetzt die Gesamtheit aller möglichen Bewegungen
welche mit den Bedingungen (38) des Systems verträglich sind, und
bei welchen das System zur Zeit t^ und mr Zeit t^ dieselben Lagen Aq,
resp. J-i, einnimmt wie hei der tvirUichen Bewegung.
Unter aU diesen zulässigen Bewegungen soll diejenige bestimmt
werden, bei welcher das Hamilton' sehe Integral
J^f{T+U)dt
den kleinsten Wert annimmt.
Über die Funktionen cp^, U, x^, y,, s, werden die der aUgemeinen
Theorie entsprechenden Stetigkeitsannahmen gemacht.
1) Wegen der Literatur vgl. Encyklopädie IV 1 (Voß), Nr. 42.
§ 68. Der Fall endlicher Bedingungsgleichungen. 555
Wir haben ein Lagrange'sches Problem mit endlichen Bedin-
gungßgleichungen und festen Endpunkten vor uns, und zwar ein
Funktionen-Problem (a;-Problem) , kein Kurvenproblem, da wir es
mit einer ganz bestimmten unabhängigen Variabein, der Zeit, zu tun
haben. Da hier F=T+U+^X^^^,
SO lauten die Differentialgleichungen des Problems
a
dt' ^^^^^^^y^ (39)
m^
^^^~di^ ^^ '^ Xj^a — -'
a
1/ = 1, 2, . . ., n.
Das sind aber, wie in der Mechanik gezeigt wird/) die Differen-
tialgleichungen der wirklichen Bewegung des Systems unter der Ein-
wirkung der gegebenen Kräfte.
Die wirUiche Bewegung des Systems erfüllt also die erste not-
wendige Bedingung für ein Minhnum des Integrals
h
J=f(T-{-U)dt
in Beziehung auf die Gesamtheit derjenigen Bewegungen, tvelche den Bedin-
gungen des Systems genügen, und hei welchen das System mr Zeit t^ und
mr Zeit ^ dieselben Lagen einnimmt, wie hei der wirklichen Betvegung.
Lassen sich die Bedingungen (38) in der Weise allgemein auf-
lösen, daß man die 3n Koordinaten x^, y^, z^ als eindeutige Funk-
tionen von r == 3n — m unabhängigen Größen q^^, q^,..., q^ und t
ausdrückt, so läßt sich die Aufgabe auf ein Problem ohne Neben-
bedingungen zurückführen. Gehen nämlich die Funktionen T und U
durch Einführung der „allgemeinen Koordinaten'^ 5i; ^2? • • •? ^r ^^^i' i^
^= "^{^ly Q2' • -7 Qr> Q.'iy ^2> • • •; Qny 0.
U=^(q^,q^,...,q^,t),
so ist unsere Aufgabe äquivalent mit der Aufgabe, das Integral
/C^ -f ^)dt.
1) Vgl. z. B. Appell, Tratte de Mecanique rationelle, Bd. II (1896), p. 322.
556 Elftes Kapitel. Die Eul er -Lagrange 'sehe Multiplikatoren-Methode.
ohne Nebenbediiigungen zu einem Minimum zu machen, woraus sich
die Diiferentialgleichungen der Bewegung in der Form
ergeben. ^ ^^
e) Beispiel XXIV: Die Ja c ob i 'sehe Form des Prinzips der
kleinsten Aktion:^)
Es sei wie im vorigen Beispiel ein System von n materiellen
Punkten gegeben, welche m Bedingungsgleichungen unterworfen sind:
9), = 0, a^l,2,...,m, (38)
und auf welche gegebene Kräfte wirken, welche eine Kräftefunktion U
besitzen.
Darüber hinaus machen wir jetzt aber die weitere Annahme, daß
sowohl die Bedingungsgleiclmngen als die Kräftefunktion die Zeit t nicht
explizite enthalten. Wir benutzen dieselbe Bezeichnung wie unter d),
insbesondere sollen Äq und Ä^ wieder die Anfangs- und Endlage bei
der wirklichen Bewegung bezeichnen.
Unter einer mit den Bedingungen des Systems verträglichen
„Bahn" verstehen wir irgend eine Kurve
im 3w-dimensionalen Raum der Variabein r^,, i/,,, ^,,, dargestellt durch
einen beliebigen Parameter r, welche den Bedingungen (38) für be-
liebige Werte von x genügt. Nunmehr betrachten wir das folgende
Variationsproblem :
Unter allen mit den Bedingungen des Systems verträglichen Bahnen,
welche das System ans der Anfangslage A^ in die Endlage A^ führen^
diejenige zu bestimmen, welche für das „AJdionsintegral'^
J=fV2(lJ+li^V2m,(x:,'+y:' + Ö^^r
den Jdeinsten Wert liefert.
Dabei ist h eine Konstante, die für alle zulässigen Kurven den-
selben Wert hat, und die Akzente bedeuten Differentiation nach r.
Dies ist ein Lagrange'sches Problem in Parameterdarstellung
mit endlichen Nebenbedingungen und festen Endpunkten. Wir schreiben
zur Abkürzung ,„
^) Vgl. Jacobi, Werke, Suppl. p. 43 ; auch Appell, IVaite de Mecanique, Bd. II,
p. 426; ferner die auf p. 586, Fußnote ^), angegebene Literatur, sowie die Übungs-
aufgaben Nr. 9 — 14 zu Kapitel V.
§ 68. Der Fall endlicher Bedingungsgleichungen. 557
Dann ist
J' = -|/2(F+Ä)\l/SH^A„9,„;
a
also lauten die Differentialgleichungen des Problems
a
und zwei analoge Gleichungen für y^,, z^.. Diese 3w Differential-
gleichungen sind aber nach § 70, d) nicht voneinander unabhängig
und wir können eine beliebige „Zusatzgleichung" ^) hinzufügen, was
mit einer speziellen Wahl des Parameters gleichbedeutend ist. Wir
wählen diese Zusatzgleichung folgendermaßen
ys'
(40)
und bezeichnen den ausgezeichneten Parameter, für welchen dieselbe
statt hat, mit t. Dann gehen die Differentialgleichungen des Problems
in die Differentialgleichungen (39) über, d. h. also in die Differential-
gleichungen der Bewegung, welche das System unter der Einwirkung
der gegebenen Kräfte wirklich ausführt.
Die Bahn des Systems hei der wirUichen Beivegung ist also eine
Extremale für das obige Variationsproblem.
Zwischen einem beliebigen Parameter r und dem ausgezeichneten
Parameter t, welcher der Zeit im mechanischen Problem entspricht,
folgt aus (40) die Beziehung
/
1/2-. [(!?)■+ (t)+(t)']
2-l\
d
■V^{U-\-hy
(41)
Das Charakteristische des Prinzips der kleinsten Aktion in dieser
Form besteht darin, daß die Zeit darin gar nicht vorkommt. Hat
man mittels desselben die Bahn des Systems mit einem beliebigen
Parameter x bestimmt, so kann man nachträglich, wenn man sich
dafür interessiert, die Zeit durch die Quadratur (41) erhalten.
Auch hier kann man wieder „allgemeine Koordinaten" q^q^y-y^r
einführen und erhält dann eine ähnliche Modifikation des Satzes wie
beim Hamilton 'sehen Prinzip.
') Vgl. § 26, a) und § 70, d).
Bolza, Variationsrechming. 36
558 Elftes Kapitel. Die Euler-Lagrange' sehe Multiplikatoren-Methode.
§ 69. Die Multiplikatorenregel für den Fall von Differential-
gleichungen als Nebenbedingungen.^)
Der Beweis der Multiplikatorenregel ist wesentlich schwieriger
in dem Fall, wo die Nebenbedingungen (5), wenigstens zum Teil,
die Ableitungen i/.' enthalten. Wir betrachten zunächst den einfacheren
Fall, wo sämtliche Nehenbedingiingen Differentialgleichungen sind.
'wir machen dabei über die Kurve @o dieselben Voraussetzungen
wie in § 68, nur daß jetzt an Stelle der endlichen Gleichungen (21) die
Differentialgleichungen
%M 2/i (^). • • • . Vni^)^ ^; W; • • • . y») = 0 (42)
treten, und daß die Voraussetzung (22) durch die Annahme zu er-
setzen'ist, daß mindestens eine Determinante mten Grades der Matrix
dy'i
i= 1,2, ...,n,
/3 = 1, 2, ...,m,
(43)
%0. (44)
entlang @o ^^n Null verschieden ist,^) etwa
Von den Funktionen (p. wird vorausgesetzt, daß sie in demselben
Bereich % wie die Funktion f von der Klasse C" sind.
a) Herstellung einer Schar von zulässigen Variationen:
Dazu wählen wir zunächst {m + 1) Systeme von je {n — m)
Funktionen^) ^ / n ^:i (^\
von der Klasse C", welche in x^ und x^ verschwinden:
sonst aber willkürlich sind.
Sodann definieren wir
(i
1) Im wesentlichen nach Hilbert, Göttinger Nachrichten 1905 und
Mathematische Annalen, Bd. LXII (1906), p. 351. Vgl. auch die historische
Skizze am Ende dieses Paragraphen, sowie Bolza, Mathematische Annalen,
Bd. LXIV (1907), p. 370. ^ ^ o • • ^
2^ Diese Voraussetzung läßt sich durch die schwächere ersetzen, daß in jedem
Punkt von (£„ mindestens eine Determinante wten Grades der Matrix (43) von Null
verschieden ist, vgl. Hahn, Mathematische Annalen, Bd. LVIII (1903), p. 161.
3) Man beachte die im Eingang von § 68 getroffenen Verabredungen über
die Bezeichnung, die auch hier in Kraft bleiben.
§ 69. Der Fall von Differentialgleichungen als Nebenbedingungen. 55 9
sodaß also ^^ / ^ ^
Yn,+MO,0,...,0) = y^^^(x) m [x,x,] (46)
und
Ym + ri^U^^ h, • • •, £m)-yru + r(^l)> ^,. + r(^2; ^; ^1; • • •; 0 = !/m + .(^2) (47)
für alle Werte der f. Ferner ist
de ^^ + r> ^^^ ~^m + r- (48)
Nunmehr stellen wir uns die Aufgabe, das System von m Differen-
tialgleichungen
^ß{^> vu • • ., Vm. i^+i, . . ., i;, y',, . . ., 2/:, r;,^,, . . ., r;) = o,
nach Viyy^,- • -iVm aufzulösen.
Dieses Differentialgleichungssystem enthält die Größen f,f^,...,£^
als konstante Parameter. Für das spezielle Wertsystem: £ = 0, fi = 0, . . .'^
£^ = 0 derselben kennen wir nach (42) eine Lösung, nämlich
Sowohl die linken Seiten der Differentialgleichungen (49) als
Funktionen von x, y^, . . .,y^^^, y^^ . . ., y;^, s, s,, . . ., s^, als auch die
Funktionen y^(x) besitzen die in dem Existenztheorem ^) von § 24, e)
vorausgesetzten Eigenschaften, wobei besonders von der Voraussetzung
(44) Gebrauch zu machen ist. Daraus folgt die Existenz eines Lösungs-
systems -^:r / N
von folgenden Eigenschaften:
1. Die Funktionen Y^, ihre ersten Ableitungen, sowie die Ab-
leitungen c^YJdscx, o^YJde^cx sind stetig in dem Bereich
wofern die positive Größe d hinreichend klein gewählt wird.
2. Die Funktionen Y^ genügen für alle hinreichend kleinen Wert-
systeme der e den m Differentialgleichungen
<p^(^, r„,.., r„, r;,.,.,r:) = o. (öo)
o. Es ist
Y.{x, 0, 0, . . . , 0) = y^{x) . (51)
^) Und zwar in der speziellen, am Ende von § 24, e) erwähnten Fassung,
bei welcher in der dortigen Bezeichnung ^^ = I2. Bei Anwendung des Satzes
hat man eine ganz ähnliche Vorbetrachtung anzustellen wie auf p, 550, Fußnote *).
36*
560 Elftes Kapitel. Die Euler-Lagrange'sche Multiplikatoren-Methode.
4. Es ist
Ya(0C,,£,hy'y ^.j = ya M (52)
für alle hinreichend kleinen Wertsysteme der £.
Für jedes hinreichend kleine Wertsystem der Größen f, £i, . • ., «„,,
welches den m Gleichungen
^afe; f, hy • • • . O = ^a(^2) (53)
genügt, stellen daher die Gleichungen
2/,= Y,{x,£,£^,...,£j (54)
eine zulässige Variation der Kurve ©o dar.
b) Die Hilbert'schen konstanten Multiplikatoren l:
Bezeichnen wir daher mit J(£j £^, . . ., f^J das Integral
Ji^y h, ' ' •; O -ffi^y ^1' • • 'y ^n7 Y[, • . ., K) dX,
SO muß die Funktion J"(£, a^, • • •, £,„) für f = 0, «^ = 0, • • •, £„^ = 0
ein Minimum mit den m Nebenbedingungen (53) besitzen. Daher muß
es nach § 67 m -{- 1 Konstanten Iq, l^, . . ., l^ geben, die nicht alle
gleich Null sind, derart daß gleichzeitig die folgenden m + 1 Glei-
chungen bestehen:
,(|i)_^.|,(!i(v-.^-,))^.„, (»e,
wobei der Index 0 andeutet, daß nach Ausführung der Differentiation
alle £ gleich Null zu setzen sind.
Für unsere weiteren Schlüsse ist es nunmehr von der größten
Wichtigkeit, zu untersuchen, wie weit die Faktoren l von der Wahl
der Funktionen ti , , ri^ , abhängen. Schreiben wir zur Abkürzung
( 8. -^) = »?.W, (-^ — er-.— =)„= ^'»(^)' (5^)
SO folort aus (52) durch Differentiation nach «, resp. £^ und nach-
heriges Nullsetzen der £:
und ebenso aus (50), unter Benutzung von (48):
§ 69. Der Fall von Differentialgleichungen als Nebenbedingungen. 561
wobei wegen (46) und (51) die Argumente der Ableitungen von cp^ sind:
X, yi{x), . . ., yn{x), y[{x), . . ., yn{x).
Die Gleichungen (59) für einen gegebenen oberen Index ß und
für u = l,2j • • ,m lassen sich, nachdem die Funktionen ^^^ , j^, ' ' 'i "Hn
gewählt sind, als ein System von m Differentialgleichungen für die
Funktionen iq^, . . .^ rj(^^^ auffassen, und zwar sind diese m Funktionen
wegen (44) durch die m Differentialgleichungen zusammen mit den
m Anfangsbedingungen
vollständig bestimmt. Obgleich also die Funktionen Y^ {x, s, fj, . . ., a^')
selbst von der Wahl der sämtlichen {m + 1) {n — m) Funktionen:
Vm + ri^)y ^^+rW abhängen, so sind doch die Funktionen ^^(ii?) nur
von der Wahl der n — m Funktionen ^j^j^^(^) mit demselben oberen
Index ß abhängig. Ebenso sind die Funktionen r]^(x) nur von der
Wahl der n — m Funktionen rjm+r{x) abhängig.
Da ferner
so " ' ■ '
m.-fm^^Sj^>
ö— ) nur von der Wahl der Funk-
tionen rj^^_^_^{x) mit dem oberen Index ß abhängig ist.
Für die weitere Diskussion des Gleichungssystems (56) setzen wir
jetzt zunächst voraus, daß die (n — m)m Funktionen i^^^^^ so gewählt
werden können, daß mindestens eine der 7n -\- 1 Determinanten mten
Grades, die sich aus dem Koeffizientensystem der Gleichungen (56)
bilden lassen, von Null verschieden ist. Alsdann bestimmen diese
Gleichungen die Verhältnisse ?o • ^i • * * * • ^m eindeutig, und zwar sind
diese Verhältnisse von der Wahl der n — m Funktionen r}m-]-r{x) un-
abhängig und genügen dann im Fall eines Extremums stets auch der
Gleichung (55).
Sind dagegen jene Determinanten mter Ordnung sämtlich gleich
Null, wie auch die Funktionen ri'l^,^ gewählt sein mögen, so möge
p der Rang des Koeffizientensystems der Gleichungen (56) sein in dem
Sinn, daß alle Determinanten (p + l)ten Grades verschwinden, und
zwar für jede Wahl der Funktionen '»^'^ , ^; während es möglich
sein soll, diese Funktionen so zu wählen, daß mindestens eine Deter-
minante ^ten Grades von Null verschieden ist. Alsdann können wir
562 Elftes Kapitel. Die Eul er- Lagrange 'sehe Multiplikatoren-Methode.
p der Gleichungen (56) — es seien z. B. die p ersten — nach p der
Größen l auflösen und erhalten die letzteren als homogene lineare
Funktionen der übrigen m -\- \ — p Größen l mit Koeffizienten, die
sowohl von der Wahl der Funktionen iq.n + r als von der Wahl der
Funktionen ri(^_^^ mit dem oberen Index p -\- 1, p -\r 2 , - - -, m unab-
hängig sind. Jedes so erhaltene Wertsystem ?o? ^u • • •? L genügt dann
zugleich den übrigen m— p der Gleichungen (5G), und zwar wie man
auch die Funktionen ry/^^^^ mit dem obern Index p -\- 1, ^-f 2, • • •, m
wählen mag. Daraus folgt aber, daß diese Werte der l zugleich auch
der Gleichung (55) genügen, da man ja z. B. ril'^^^ = yi^^_^^ wählen kann.
Das Resultat dieser Betrachtung ist, daß es stets möglich ist,
m + 1 numerische Konstanten ?o? ^i? * * '? L ^^ bestimmen, welche nicht
alle gleich Null sind, und welche von der Wahl der w — m Funktionen
rim + r unabhängig sind, derart daß die Gleichung (55) gilt, und zwar
für jede Wahl der Funktionen yini + r-
c) Die Lagrange 'sehen Multiplikatoren A:
Um aus dem letzten Resultat weitere Schlüsse zu ziehen, kom-
binieren wir die Gleichung (55) mit den m Relationen (58), indem
wir die letzteren nach Lagrange der Reihe nach mit unbestimmten
Funktionen l^{x), . . ., l^ni^) multiplizieren, dann zwischen den Grenzen
x^ und x^ integrieren und schließlich zu (55) addieren. Setzen wir
so erhalten wir auf diese Weise
Das Integral transformieren wir in der bekannten Weise durch
partielle Integration und beachten dabei, daß säpitliche Funktionen
rj.^x) in Xj^ und überdies die Funktionen ^]m + r{oc) auch in x^ verschwin-
den; so kommt:
Nunmehr bestimmen wir die m Funktionen A„ durch die m Diffe-
rentialgleichungen
^^ <* l^,= 0, «=l,2,.-.,m, (62)
dy„ dx a«/,
§ 69. Der Fall von Differentialgleichungen als Nebenbedingungen. 563
und die m Anfangsbedingungen
dF
ha
-f?^=0, « = 1,2, •.•,m. (63)
Schreibt man die Differentialgleichungen (62) aus, so sieht man,
daß dieselben ein System von m linearen Differentialgleichungen in
Ky • • -7 ^m darstellen, und daß die Determinante der Koeffizienten der
Ableitungen Al, . . ., X'm mit der im ganzen Intervall \x^x^ von Null
verschiedenen Funktionaldeterminante (44) identisch ist. Ferner lauten
die Gleichungen (63) ausgeschrieben
'«+'»Äi+^^^a5
0; (64)
dieselben lassen sich also wegen der Voraussetzung (44) eindeutig
nach den m Anfangswerten lß{x^ auflösen. Aus alledem folgt nach
den Existenztheoremen ^) für Systeme linearer Differentialgleichungen,
daß es ein den Differentialgleichungen (62) und den Anfangsbedin-
gungen (63) genügendes Funktionensystem l^(x) gibt, welches im
Intervall \x^x^ von der Klasse C ist. Zugleicli folgt aus den über die
Konstanten l gefundenen Resultaten, daß auch die Funktionen lAx)
von der Wahl der Funktionen rim + r unabhängig sind.
Setzen wir die so bestimmten Funktionen A^ in die Gleichung
(61) ein, so geht dieselbe über in
12
Vm^r(^^^ - j- /^ ]dx^O. (61a)
Da diese Gleichung für alle Funktionen ri^ + r der Klasse 0", welche
in beiden Endpunkten verschwinden, gelten muß, so folgt aus dem
Fundamentallemma ^) der Variationsrechnung, daß
1^_JL^ = 0, r=l,2 ...,n-m. (65)
Ist ?o + ö? SO können wir, da nur die Verhältnisse der Größen l
bestimmt sind, Iq= 1 setzen und haben dann in den Gleichungen (62)
und (65) die Euler-Lagrange 'sehe Multiplikatorenregel in der in
§ 66 gegebenen Form vor uns.
Ist dagegen l^^O, so liegt ein Ausnahmefall vor, mit dem wir
uns im nächsten Absatz zu beschäftigen haben werden.
^) Ygl. Encyklopädie, II A 4a (Painleve), Nr. 5 und Picard, Traue d' Ana-
lyse, Bd. III (1896), p. 91, 92.
») Vgl. p. 25, Fußnote ^).
564 Elftes Kapitel. Die Euler-Lagrange' sehe Multiplikatoren-Methode.
In beiden Fällen nennen wir eine Kurve ^q, welcher sicli eine
Konstante Iq= 1 oder 0 und m Funktionen Ao(^) der Klasse C zu-
ordnen lassen, so daß für das Funktionensystem y^^x), lß{x) die
Differentialgleichungen (42), (62) und (G5) bestehen, eine Extremale
für das vorgelegte Variationsproblem. ^)
d) Normales und anormales Verhalten der Extremalen:
Wenn Z^,= 0, so lauten die DiflFerentialgleichungen (62) und (65)
[^ *
Zugleich folgt, da dann sicher nicht alle Konstanten Z^ , Zj, . . ., Zm gleich
Null sind, daß nicht alle aus (64) bestimmten Endwerte X^ (x^) gleich Null sein
können, und daher können auch nicht alle Funktionen X^ {x) im Intervall [x^ x.-,]
identisch verschwinden. Somit kann der Ausnahmefall 1q = 0 nur dann ein-
treten, wenn es m nicht identisch verschwindende Funktionen X^(x) gibt, welche
gleichzeitig den n >> m homogenen linearen Differentialgleichungen (66) genügen.
Wie die weitere Entwicklung zeigen wird, erweist es sich nun als zweck-
mäßig, bei der Multiplikatorenregel statt der scheinbar naturgemäßeren Fall-
unterscheidung: Iq = 0 oder ^ 0 die folgenden beiden Fälle zu unterscheiden:
Wir sagen mit Hahn*), die Extremale @o verhalte sich anormal im Inter-
vall [x^x^], wenn es (mindestens) ein System von m Funktionen ^^^(a;) von der
Klasse C gibt, welche nicht alle in [x^ x^] identisch verschwinden, und welche
gleichzeitig den w Differentialgleichungen (66) genügen. Im entgegengesetzten
Fall sagen wir, die Extremale @o verhalte sich im Intervall [^^1072] '^^orrnal.
Für den Fall des normalen Verhaltens gelten nun eine Reihe wichtiger
Zusätze zur Multiplikatorenregel.
^) Beispiele folgen in § 70, Übungsaufgaben am Ende von Kap. XIII, und
zwar Nr. 2, 4, 8.
2) Mathematische Annalen, Bd. LVIII (1903), p. 152. Die Unterschei-
dung kommt übrigens schon in der grundlegenden Arbeit von A. Mayer vor,
Mathematische Annalen, Bd. XXVI (1886), p. 79 und spielt auch in den
Untersuchungen v. Escherich's über die zweite Variation eine wichtige Rolle
(Wiener Berichte, Bd. VIII (1899), p. 1290). Beim einfachsten isoperimetri-
schen Problem ist das anormale Verhalten der Extremalen ©^ damit identisch,
daß @o zugleich Extremale für das Integral K ist, vgl. p. 460, insbesondere Fuß-
note 1). Analog läßt sich das anormale Verhalten im allgemeinen Fall dahin
charakterisieren, daß alsdann die Kurve ©^ zugleich Extremale für die n Mayer'-
schen Probleme ist, welche den m Differentialgleichungen (5) zugeordnet sind,
vgl. § 70, c). Eine Lösung der allgemeinen, hier vorliegenden Aufgabe, die not-
wendigen und hinreichenden Bedingungen dafür anzugeben, daß ein System von
w>m homogenen linearen Differentialgleichungen erster Ordnung mit m unbe-
kannten Funktionen eine nicht identisch verschwindende Lösung besitzt, hat
Schlesinger gegeben (briefliche Mitteilung, noch nicht publiziert).
Hierzu die Übungsaufgabe Nr. 8 am Ende von Kap. XIII.
§ 69. Der Fall von Differentialgleichungen als Nebenbedingangen. 565
Dazu müssen wir noch etwas näher auf die unter b) gegebene Diskussion
des Gleichungssystems (56) für die Größen l eingehen, das wir unter Benutzung
der Bezeichnung (57) auch schreiben können
är) +-^^«€G'^2) = 0. (56a)
In dem ersten der dort unterschiedenen Fälle {p = m) ist nun entweder
die Determinante
von Null verschieden; dann können wir nach Z^, l^, ...,1^ auflösen, und ?„, welches
willkürlich bleibt, muß von Null verschieden gewählt werden, damit nicht alle l
verschwinden. Oder aber diese Determinante ist gleich Null; dann ergibt die
Auflösung des Gleichungssystems: Z^, = 0.
In dem zweiten Fall (p < m) können wir den Gleichungen (56a) stets
durch ein Wertsystem der l genügen, in welchem l^ == 0, während die übrigen l
nicht sämtlich verschwinden.
Hieraus folgt aber:
Zusatz I^): Verhält sich die Extremale ©o 'normal im Intervall [Xj^x^], so
lassen sich die Funktionen rf^^^^. so wählen, daß die Determinante
hü W 1 + 0, (67)
und daher ist in diesem Fall stets
Aus (67) folgt nach dem Satz über implizite Funktionen, daß im Fall des
normalen Verhaltens die Gleichungen (53) sich in der Umgebung der Stelle
f = 0, fi = 0, . . ., f^^ = 0 eindeutig nach f^, s^, . . ., f„, auflösen lassen, woraus die
Existenz einer einparametrigen Schar von zulässigen Variationen
folgt.
Zusatz II: Verhält sich die Extremale ©^ normal im Intervall [x^xj, so
gibt es nur ein einziges System von Multiplikatoren X^.
Denn gäbe es zwei verschiedene Systeme X^ und X^ , so daß also gleich-
zeitig
dyi dxdy'i ' ' dy^ dxdyl~ '
wo: F=f-\-^l^q}^^ so würde durch Subtraktion folgen
' 2(ft-v)S-Ä(v-,)3)=».
was mit der Voraussetzung, daß ©„ sich normal verhält, im Widerspruch steht.
^) Auf anderem Wege bewiesen von Hahn, loc. cit. p. 155.
566 Elftes Kapitel. Die Euler-Lagrange'sche Multiplikatoren-Methode.
Hieraus folgt, daß bei normalem Verhalten von @^ die Multiplikatoren X^
von der Wahl der Funktionen %i-\-r '^^(^^hängig sind.
e) Historisclies :
Die Multiplikatorenregel ist zuerst von Eulee *) durch eine scharfsinnige,
aber ziemlich komplizierte Infinitesimalbetrachtung für den speziellen Fall ge-
funden worden, wo das Integral
mit der Nebenbedingung
v' = g{x,v,y,y\...,y^''^)
zu einem Extremum zu machen ist.
Den allgemeinen Satz hat zuerst Lagrange*) bewiesen mit Hilfe seines ^-
Algorithmus und seiner partiellen Integration. Er schließt folgendermaßen: Da
die Kurve ©^ das Integral / zu einem Extremum machen soll, so muß dj=0
sein; daneben müssen die Gleichungen dq)^ = 0 erfüllt sein, d.h. es müssen
gleichzeitig die Gleichungen (32) und (58) bestehen, wenn unter rj^ die durch
die Gleichungen Sy^^sri^ definierten Funktionen verstanden werden.') Hieraus
wird dann wie oben in § 68, b) mit Hilfe der unbestimmten Multiplikatoren und
durch Anwendung der partiellen Integration die Gleichung (35) abgeleitet.
Nunmehr wird weiter geschlossen: Die Gleichung (32), und daher auch (35), muß
für alle Funktionen tj^ erfüllt sein, welche in x^ und x^ verschwinden und den
Relationen (58) genügen. Von den n Funktionen t]^- können wir aber die n — m
letzten willkürlich annehmen und die übrigen dann aus den Differentialgleichungen
(58) bestimmen. Dann werden die Multiplikatoren X^ so gewählt, daß sie den
m Differentialgleichungen (62) genügen, wodurch sich die Gleichung (35) auf die
Gleichung (61a) reduziert. Aus dieser folgen dann wegen der angeblichen Will-
kürlichkeit der Funktionen tj^^^ die Differentialgleichungen (65).
Der Beweis enthält jedoch wesentliche Lücken.
Zunächst ist die Behauptung, daß die Funktionen t]^^^ , ^ willkürlich gewählt
werden können (abgesehen von der Bedingung, daß sie in x^ und x^ verschwinden
müssen) nur dann richtig, wenn die sämtlichen Gleichungen (5) endliche Glei-
chungen sind, oder aber, wenn die Endwerte der Funktionen y^ in x^ willkürlich
bleiben. Wenn dagegen die Gleichungen (5), wie wir hier vorausgesetzt haben,
Differentialgleichungen sind und die Endpunkte fest sind, so kann man zwar,
nachdem man die Funktionen ri^^j^^. gewählt hat, den Funktionen rj^ noch vor-
schreiben, daß sie in x^ verschwinden sollen. Durch diese Anfangsbedingungen
^) Methodus inveniendi etc. (1744) p. 119. Vgl. auch die Darstellung von
Kneser {Encyklopädie , IIA, p. 579, und „Euler und die Variationsrechnung'',
Abhandlungen zur Geschichte der mathematischen Wissens chaften,
Bd. XXV, p. 28).
*) Oeuvres, Bd. I, p. 347, 350; Bd. X, pp. 414—421.
') Die Funktionen tj,- haben hier also eine andere Bedeutung als unter a).
§ 69. Der Fall von Differentialgleichungen als Nebenbedingungen. 567
und die Differentialgleichungen (58) sind aber die Funktionen ri vollständig be-
stimmt, und sie werden im allgemeinen die Bedingung, auch in x^ zu verschwinden,
nicht erfüllen. Und damit wird der ganze Beweis hinfällig.
A. Mayer ^) gebührt das Verdienst, diesen schwierigen Punkt zuerst auf-
geklärt zu haben. Es handelt sich darum, analytisch die Bedingungen zu for-
mulieren, welche den n — ni Funktionen t]^, ^ auferlegt werden müssen, damit
die durch die Differentialgleichungen (58) und die Anfangsbedingungen r] (x^) = 0
bestimmten Funktionen rj^ auch in x^ verschwinden.
Dazu multipliziert Mayer die Differentialgleichungen (58) mit neuen un-
bestimmten Funktionen v^ von x, integriert zwischen den Grenzen x^ und iCg,
wendet die bekannte partielle Integration an und summiert nach cc. Das Resultat ist,
wenn man beachtet, daß alle Funktionen 7}^ in x^ verschwinden und die Funk-
tionen ri^^^ überdies in a^g,
2
= 0.
Es sei jetzt: vjf, v^, . . ., vl^ dasjenige System von Lösungen der m homogenen
linearen Differentialgleichungen
welches den Anfangsbedingungen
V^r Yf ._ |lfür^ = y
^a2/;,r«^'^^^-\0für|3 + y
genügt. Alsdann folgt ^
VyM = -f^rirn + rK + rdx,
wenn wir zur Abkürzung
setzen. Die fraglichen Bedingungen, denen die Funktionen %,^,f. zu unterwerfen
sind, lauten also
J^Vm + r^m + r^X^O, y = l,2, ...,m. (68)
Somit braucht die Gleichung (61a) nicht für alle Funktionen ri^^^., welche in
x^ und x^ verschwinden, erfüllt zu sein, wie Lagrange annahm, sondern nur
für diejenigen, die den m Gleichungen (68) genügen. Damit ist die Aufgabe auf
das Fundamentallemma -) für isoperimetrische Probleme zurückgeführt. Aus dem-
^) Mathematische Annalen, Bd. XXVI (1886), p. 74; auf eine wesentlich
andere Art hat Turksma dieselbe Schwierigkeit gelöst (Mathematische Annalen,
Bd. XLVn (1896), p. 33.
2) Vgl. p. 462, Fußnote ').
568 Elftes Kapitel. Die Euler-Lagrange'sche Multiplikatoren-Methode.
selben folgt, wie Mayer weiter zeigt, als Endresultat die Multiplikatorenregel»
freilich mit anderen Multiplikatoren als den Lagrang ersehen.
Der Lagrange'sche Beweis enthält aber noch eine ziveite, weniger an der
Oberfläche liegende Lücke, auf die wir im Fall der isoperimetrischen Probleme
bereits hingewiesen haben. Erinnert man sich nämlich der Bedeutung des Ya-
riationsalgorithmus (§ 8), so erkennt man, daß derselbe in bezug auf das Bestehen
der beiden Gleichungen (32) und (58) nur zu folgendem Resultat führt. Ist
irgend eine Schar Ton zulässigen Variationen der Kurve ©„i ^°^ ^^^^^ ^^^
'^VA^^ (70)
(7;)r-
so müssen die Funktionen rj^. die Gleichungen (32) und (58) gleichzeitig befriedigen.
Die weitere Folgerung, daß die Gleichung (32) für alle in oc^ und x^ verschwin-
denden Funktionen ?],•, welche den Differentialgleichungen (58) genügen, erfüllt
sein muß, entbehrt aber so lange der Begründung, als nicht das folgende „i>-
gänzungslemma^'- bewiesen ist:
Ist irgend ein System von FunJdionen rji gegeben, welche in x^ und x^ ver-
schwinden und den Bedingungen (58) genügen, so gibt es allemal eine zugehörige
Schar von zulässigen Variationen (69), ivelche mit den gegebenen Funktionen r\i
durch die Gleichungen (70) verbunden sind.
Dieses Ergänzungslemma, das übrigens auch für die Behandlung der zweiten
Variation wichtig ist, ist nun in der Tat richtig, wenigstens wenn die Kurve ©q
sich normal verhält, und kann im Anschluß an die unter a) und d) gegebenen
Entwicklungen mit Hilfe von Zusatz I leicht bewiesen werden.^)
Diese zweite Lücke im Lagrange'schen Beweis ist erst von Kneser*) und
HiLBERT^) ausgefüllt worden.
Bei den bisher besprochenen Beweisen war die Existenz und Stetigkeit der
zweiten Ableitungen der Funktionen y^ix) vorausgesetzt. Eine Modifikation des
Kneser'schen Beweises, bei welcher von dieser Voraussetzung kein Gebrauch
gemacht wird und nur die Existenz und Stetigkeit der ersten Ableitungen vor-
ausgesetzt wird, hat Hahn*) gegeben in Verallgemeinerung der Du-Bois-Rey-
mond'schen Methode von § 5, c). Wendet man auf Gleichung (60) statt der
Lagrange'schen die Du-Boie-Reymond'sche partielle Integration an, so erhält
mau an Stelle der Gleichung (61) die folgende^)
/2(S-/K-)'^-+2'.<-*>('-+/i-)--
(71)
*) Vgl. den entsprechenden Satz für isoperimetrische Probleme, p. 460, und
die analogen allgemeinen Entwicklungen von Hahn, Mathematische Annalen,
Bd. LVIII (1904), pp. 158—164.
«) Lehrbuch (1900), §§ 56, 59.
») Vgl. das Zitat auf p. 558, Fußnote ^).
*) Monatshefte für Mathematik und Physik, Bd. XIV (1902), p. 325.
^) Die Funktionen rj^ haben hier wieder dieselbe Bedeutung wie unter a)
und b).
0,
§ 70. Diverse Bemerkungen zur Multiplikatorenregel. 569
Nunmehr kann man nach einem von Hahn bewiesenen Hilfssatz die Funk-
tionen XJx) und gleichzeitig m Konstanten C^ so bestimmen, daß
Dadurch geht die Gleichung (71) über in
0-1 ^ Xj
woraus nach dem Du-Bois-Reymond'schen Lemma die Multiplikatorenregel
folgt, und zwar ohne Zuziehung^) der zweiten Ableitungen y'^.
Weiter folgt dann, ähnlich wie in § 5, d), die Existenz und Stetigkeit der
Ableitungen y'-ix)^ X'^{x) in allen denjenigen Punkten des Intervalles [x^x^], in
welchen die Determinante B{x,y,y\X) von § 72, a) von Null verschieden ist.
§ 70. Diverse Bemerkungen zur Multiplikatorenregel.
Wir knüpfen an den vorangegangenen Beweis der Multiplikatoren-
regel in diesem Paragraphen eine Reihe von Bemerkungen, welche
sich meist auf Modifikationen des bisher behandelten Problems beziehen.
a) Grenzbedingungen im Fall variabler Endwerte der unbekannten
Funktionen: 2)
Wir betrachten hier nur den einfachsten Fall variabler End-
punkte, wo die Grenzen x^ und X2 gegeben sind, nicht aber die
sämtlichen End werte der unbekannten Funktionen y.. Da auch in
diesem Fall unter der Gesamtheit der zulässigen Variationen der als
gefunden vorausgesetzten Lösung ©^ stets diejenigen enthalten sind,
welche die Endpunkte nicht variieren, so folgt zunächst, daß auch
hier die Euler -Lagrange'schen Differentialgleichungen erfüllt sein
müssen.
Für die weitere Diskussion muß man nun unterscheiden, ob die-
jenigen Funktionen y.y deren Endwerte nicht vorgeschrieben sind, zu
den Funktionen y^ oder zu den Funktionen y^_^^ gehören.
^) Freilich ist in dem unter a) bis c) durchgeführten Beweis nicht nur bei
Anwendung der Lagrange'schen partiellen Integration auf die Gleichung (60),
sondern auch bei der Anwendung des Einbettungssatzes von § 24, e) die Existenz
und Stetigkeit von y'/ix) vorausgesetzt. Doch ist zu vermuten, daß di-eser Satz
auch noch richtig bleibt, wenn man in der dortigen Bezeichnung die Voraus-
setzung der Existenz und Stetigkeit der Ableitungen dFJdt fallen läßt, womit
dieser Einwand beseitigt wäre.
^) Für den allgemeinsten Fall von variabeln Endpunkten, v^o die Koordi-
naten der letzteren einer Anzahl von Relationen : v . {y^^ , • • • , 2/n n S/is 1 • • • > 2/n 2) = 0
unterworfen sind, vgl. p. 580, Fußnote ^).
570 Elftes Kapitel. Die Euler-Lagrange' sehe Multiplikatoren-Methode.
1. Es seien alle Endwerte vorgesclirieben mit Ausnalinie des
Wertes von y^ im Punkt a^. Wir wählen dann die Funktionen rj
ebenso wie in § 69, a) mit der einzigen Ausnahme, daß wir jetzt
annehmen. Dann schließen wir genau wie früher weiter; die letzte
der Gleichungen (47) lautet dann
Sonst bleiben alle Schlüsse ungeändert bestehen bis zur Gleichung (60)
inklusive. Erst bei der Ausführung der partiellen Integration tritt
eine Änderung ein, insofern in Gleichung (61) auf der linken Seite
nun noch das Glied
dF
^y'n
Vni^i)
hinzuzufügen ist. Bestimmt man daher jetzt wieder die Funktionen X^
aus den Differentialgleichungen (62) mit den Anfangsbedingungen (63),
so folgt aus der vorangegangenen Betrachtung von Variationen mit
festen Endpunkten, daß gleichzeitig die Differentialgleichungen (65)
bestehen. Daher bleibt auf der linken Seite von (61) gerade nur das
obige Zusatzglied stehen, woraus folgt, daß
1^1"= 0
sein muß.
2. Sind dagegen alle Endwerte vorgeschrieben mit Ausnahme
des Wertes von y^^ in X2, so ändern wir die ursprüngliche Beweis-
führung dahin ab, daß wir jetzt nur m Größen s einführen, sodaß
m-l
Dementsprechend hängen jetzt auch die Funktignen Y^ . nur von
m Größen 8 ab, die nunmehr nur m — 1 Bedingungsgleichungen
« = 1, 2, . . . , m — 1 ,
unterworfen sind. Durch dieselbe Schlußweise wie in § 69, b) erhalten
wir statt der Gleichungen (55; und (56) entsprechende Gleichung"en,
die sich von jenen nur dadurch unterscheiden, daß jetzt die Indizes
a, ß nur von 1 bis w — 1 laufen. Indem wir in der früheren Weise
weiter schließen, erhalten wir an Stelle von (60) eine Gleichung, die
aus (60) hervorgeht, wenn man darin 1^=0 setzt. Das hat zur
0 -^h=o ^f^-0 m\
§ 70. Diverse Bemerkungen zur Multiplikatoren regel. 571
Folge, daß die letzte der Gleichungen (63) jetzt lautet
Hieraus ergibt sich das allgemeine Resultat:
Sind die Endwerte der Funktionen y, yV- . • . .,y. im PunJct x^
nicht vorgeschrieben, sondern willMrlichy so hat man den Euler-
Lagrange' sehen Differentialgleichungen noch die „Grenzgleichungen^'
BF
^y[ ^' ^2/41 -^'•••' dy;^^
hinmsufügen.
Ist dagegen die obere Grenze x^ nicht vorgeschrieben, während die
sämtlichen übrigen Koordinaten der beiden Endpunkte gegeben sind,
so lautet die „Grenzgleichung"
, ^-2'l|^«'r=0, (73)
i
wie man am einfachsten durch Übergang zur Parameterdarstellung ^) zeigt,
b) Diskontinuierliclie Lösungen:
Wir nehmen jetzt an, eine aus zwei Kurven der Klasse C" :
und
zusammengesetzte stetige Kurve liefere für das Integral J ein Extremum mit
den Nebenbedingungen (5). Über jede der beiden Kurven werden die Voraus-
setzungen (42) und (44) gemacht.
Dann muß zunächst jede der beiden Kurven eine Extremale sein. Wir
nehmen an, daß die Extremale (£(, sich in Beziehung auf das Intervall [x^x^]
normal verhält, und ebenso die Extremale d^ in Beziehung auf das Intervall
[XqXJ. Alsdann müssen im Punkt P^ die folgenden EcJcenbedingungen^) er-
füllt sein:
En + i{x. 2/, y\ ^) 1° = F^ + i{x, y, y\ X)\\ : (74)
F{^, y. y\ ^) -^F„^i{x, y, y\ l)y;\'= F{x, y, y\ l) -^F„ + ,(x, y,y\m\\
»■ t
wenn %ß, resp. J^, die zu e^, resp. ©q, gehörigen Multiplikatoren bezeichnen.
Zum Beweis konstruiere man zwei (n -f l)-parametrige Scharen zulässiger
Variationen
yi= 5^i(ic,f,fi.-.-,0,
^) "^^gl- § 70, d), Ende. Hierzu die Ühunqsaufqahen Nr. 3, 5 am Ende von
Kap. Xm.
^) ^gl- die Verabredungen über die Bezeichnung im Eingang von § 68.
572 Elftes Kapitel. Die Euler-Lagrange' sehe Multiplikatoren-Methode.
welche die folgenden Bedingungen erfüllen
Yiix, 0, 0, . . ., 0) = yiix) , Yi{x, 0, 0, . . . , 0) = yi{x),
Yi{x, ,£, fi, ...,£„) = ViM^ Yiioc^^^. «1 ,•••,««) == ViM^ .
Yiixo -f f, a, fi , . . ., O = Vio + H = i^i(^o + «j «. ^1 1 • • M ««)•
Die Herstellung zweier solcher Scharen erfolgt nach derselben Methode, die
später bei der Ableitung der Weierstraß 'sehen Bedingung (§ 74, a)) auseinander-
gesetzt werden wird.
Die Bedingungen (74) ergeben sich dann in bekannter Weise durch An-
wendung des d- Algorithmus in Beziehung auf jeden der Parameter f, fj,...,f„.
Wir heben noch den folgenden Zusatz'^) hervor: Wenn
so ist auch
Denn in diesem Fall reduzieren sich die Gleichungen (74) auf die n Gleichungen
0
= 0,
aus denen nach (44) unsere Behauptung folgt.
Wenn überdies in der Bezeichnung von § 72, a) die Bedingung
B{x^,y ixo) ,y'{x^),X {x^)) + 0
erfüllt ist, so ist nach § 72, a) die Extremale @o die „Fortsetzung" der Extre-
malen ©„ im Sinn von § 23, d) und daher ist insbesondere auch
2//'(^o)=2/rK)-
c) Das Mayer 'sehe Problem:
Führt man in dem Lagrange 'sehen Problem als neue unbekannte
Funktion das Integral
Vo
=ff{x>yu"->ynyyv'->yn)^^
ein, so läßt sich das Integral J auch definieren als der Wert, welchen
die durch die Difi'erentialgleichung
y'o - f{^, yi, ■ ' ■ , yny y'iy "^ y'n) - ^
und die Anfangsbedingung
definierte Funktion «/^ für x = x^ annimmt.
Daher läßt sich das Lag ränge 'sehe Problem mit n unbekannten
1) Derselbe folgt auch aus der Hahn 'sehen Modifikation des Beweises der
Multiplikatorenregel, siehe § 69, e) Ende.
§ 70. Diverse Bemerkungen zur Multiplikatorenregel. 573
Funktionen auch als spezieller Fall des folgenden, zuerst von A. Mayer ^)
allgemein formulierten Problems auffassen:
Unter allen Systemen von Funktionen y 0,1/1, . . ., t/„ einer Variahein x
von der Klasse C\ welche ni -\- 1 gegebenen Differentialgleichungen
fP^i^y Vor Viy • • -^Vn, 2/0; y'i^ ■ ■ -y V'n) = ^y .^^x
9 = 0, 1, . . ., m, m <in,
genügen und mit Ausnahme von y^ in x-^ und x^ vorgeschriebene Werte
annehmen, tvährend der Wert von y^ nur im Punkt x^ vorgeschrieben
ist, dasjenige System zu bestimmen, in welchem die Funktion y^ im
Funkt x^ den größten, resp. kleinsten Wert annimmt.
Dieses Problem läßt sieb aber seinerseits wieder nach einer
schon von Lagrange ^) gemachten Bemerkung als spezieller Fall des
Lagrange'schen Problems mit n + 1 unbekannten Funktionen auf-
fassen. Denn ist
^0= y>-ys(^)> 5 = 0, 1, ...,n
eine Lösung des soeben formulierten Problems und
irgend eine zulässige Variation von @o, so ist im Fall eines Minimums
^0(^2)^2/0(^2)-
Da aber nach den über die zulässigen Kurven gemachten Voraus-
setzungen - / N / K
2/0(^1) =2/0(^1);
so können wir die Ungleichung auch schreiben
2/0(^2) - ^o(^i) ^ 2/0(^2) - 2/0(^1).
d. h. aber
J%dx^Jy;^dx.
Die gegebene Aufgabe ist daher äquivalent mit der Aufgabe, das
Integral
^) Leipziger Berichte (1878), p. 17 und ibid. 1895, p. 129. Ferner haben
sich mit diesem Problem beschäftigt: Kneser, Lehrbuch, VII. Abschnitt; Hahn,
Monatshefte für Mathematik und Physik, Bd. XIV (1902), p. 825; Hilbert,
Göttinger Nachrichten 1905, und Mathematische Annalen, Bd. LXII
(1906), p. 351; Egorow, Mathematische Annalen, Bd. LXII (1906), p. 371;
Hadamard, Annales de l'Ecole Normale Superieure (3), Bd. XXIV (1907),
p. 208. Vgl. auch Kneser, Encyklopädie II A, pp. 579, 580; einzelne Aufgaben
dieser Art sind schon von Euler behandelt worden, siehe unten p. 579.
^) Oeuvres, Bd. X, p. 419,
Bolza, Variationsrechnung. 37
574 Elftes Kapitel. Die Euler-Lagrange'sche Multiplikatoren-Methode.
J=Jy'^dx
mit den Nebenbedingungen (75) zu einem Minimum zu machen, wenn
alle Endwerte, mit Ausnahme des Wertes von y^ in x^ gegeben sind.
Um die Differentialgleichungen des Problems zu erhalten, haben
wir also ^
zu setzen. Da Jq konstant ist, so sind die hieraus sich ergebenden
Differentialgleichungen genau dieselben, wie wenn das erste Glied l^y^
o-ar nicht vorhanden wäre. Wir erhalten also den von A. Mayer
o
herrührenden Satz:
Die erste notwendige Bedingung für eine Lösung des oben formulierten
Mayer sehen ProMems besteht darin, daß es m -\- 1 Functionen X^ geben
muß, ivelche nicht sämtlich in [x^xj identisch verschivinden, und tvelche mit
den gesuchten FmiMionen y^ zusammen den n + 1 Differentialgleichungen
(76)
genügen.
Dazu kommt dann noch, da der Wert von y^ im Punkt x^ nicht
gegeben ist, nach a) die Grenzgleichung
TU ^ ,
Daß die Funktionen A^, nicht sämtlich verschwinden können, folgt
in Fall Iq=0 aus den allgemeinen Resultaten von § 69, d), im Fall
/q=4=0 aus der Gleichung (77).
Die Mayer'schen Differentialgleichungen (76) zeichnen sich vor
den Euler-Lagrange'schen Differentialgleichungßn durch ihre voll-
kommene Symmetrie aus. Sie zeigen unmittelbar, daß man dieselben
Differentialgleichungen erhält, wenn man die Funktion y^ ihre Rolle
mit irgend einer der n Funktionen 2/i, . • -, ?/„ vertauschen läßt. {All-
gemeiner May er 'scher Reziprozitätssatz.)
d) Das Lagrange'sche Problem in Parameterdarstellung:^)
Wir haben bisher die zulässigen Kurven im (w + l)-dimensionalen
Raum der Variabein x, y^, •••,!/„ in der Form: i/, = y^^x) darstellbar
^) Vgl. hierzu A. Mayer, Leipziger Berichte 1895, p. 140; Knkser,
Lehrbuch, pp. 228, 241; v. Escherich, Wiener Berichte, Bd. CX, Abt. 2a
(1901), p. 1361.
§ 70. Diverse Bemerkungen zur Multiplikatorenregel. 575
vorausgesetzt. Bei geometrischen Aufgaben liegt hierin eine Be-
schränkung^ von der man sich befreit, indem man die Kurven in
Parameterdarstellung annimmt. Schreibt man dabei der Symmetrie
halber y^ statt Xj so nimmt das Problem nunmehr folgende Form an:
Unter allen „Kurven'^
der Klasse^) C im (n -f l)-dimensionalen Raum der Variabein
yoyVir-^yny welche durch zwei gegebene Punkte (2/01, 2/ii; ' • ', 2/„i)
und (2/02? Vii) ' ' 'j Vn^ gehen und m Differentialgleichungen
9a(«/o; 2/1; • • •; 2/„; y^, yi, ' ■ •; 2/n) = ö, (78)
genügen, diejenige zu bestimmen, welche das Integral
^-'ffiyo, yu • • -> yn> yi, yi • • -, yn)^^
zu einem Extremum macht.
Dies ist nun wieder ein Lagrange'sches Problem mit ii -\- 1 un-
bekannten Funktionen, welches jedoch folgende Eigentümlichkeiten zeigt:
1) Sowohl das Integral J als die Bedingungen (78) müssen von
der Wahl des Parameters unabhängig sein, also hei einer Parameter-
transformaiion^) invariant bleiben. Das ist sicher der FaU, wenn die
Funktionen f und (p^ die Variable t nicht explizite enthalten und
überdies in den Variabein Vq, y[j - - ■ ■, y^ „positiv homogen"^) von der
Dimension eins*) sind, sodaß also
f{yQyyiy''',ynMiWir'-Mn)==M{y^,yu-'-,yn^yiy[r-',yn)y ,^q.
9a{yo>yir'-yyn^^yoy^yir'-,kyn)-^^a{yo>yir--,ynyyoyyi"-yyn)
für jedes positive Ic.
2) Die Grenzen t^, t^ sind jetzt nicht gegeben. Letzterer Um-
stand hat aber auf die Ableitung der Lagrange 'sehen Differential-
gleichungen keinen Einfluß, da man stets durch eine vorausgegangene
Parametertransformation erreichen kann, daß die Endwerte von t auf
den Vergleichskurven dieselben sind wie auf der als gefunden voraus-
gesetzten Lösung (Sq.
^) Darin soll wieder inbegriffen sein, daß: ^y^^4= Q; vgl. § 25, a).
^ Vgl. § 25, a).
=') Vgl. §25,b).
*) Die Funktionen cp^ eventuell nach Multiplikation mit einer geeigneten
Potenz von 2/0 •
37*
576 Elftes Kapitel. Die Euler-Lagrange 'sehe Multiplikatoren-Methode.
Setzt man 7 /. , X^i
SO lauten die Differentialgleichungen des ProUems
Man erhält also jetzt außer den m Differentialgleichungen (78) w -f 1
Differentialgleichungen. Dieselben sind aber in Folge der Homo-
geneitätsrelationen nicht voneinander unabhängig^). Denn aus (79)
folgt durch Differentiation nach h
s
Denkt man sich hierin für die y^ irgend welche Funktionen von t ein-
gesetzt und differentiiert, so kommt:
-sn , /dF d_ dF\ ^
Zjy^Vdy] dt dyO^ '
s
womit die obige Behauptung bewiesen ist.
Wie in § 26^ a) werden daher die Funktionen !/,(^) erst bestimmt,
wenn man den Differentialgleichungen (78) und (80) eine Zusats-
gleichung (oder Differentialgleichung) hinzufügt, die man beliebig
wählen kann.
Sind die Endwerte der Funktionen y^^, y,^, " 'y Vs^ i^ ^2 ^^i^ht
vorgeschrieben, sondern willkürlich, so müssen nach a) für t = t^ noch
die Grenzqleichungen
dy dy
n ?
erfüllt sein.
Fügt man den Bedingungen für die zulässigen Kurven die weitere Be-
dingung hinzu, daß für alle zulässige Kurven
2/0 >0 ^' (82)
sein soll, und schreibt x statt t/^, so wird nach einer schon früher (25, e)) ge-
machten Bemerkung das Problem wieder mit dem rc-Problem von § 69, resp.
§ 70, a) identisch. Die Hinzufügung der Bedingung (82) ist auf die Endresultate
(80) und (81) ohne Einfluß; denn ist dieselbe für die Kurve @o erfüllt, so folgt
aus den Stetigkeitseigenschaften der beim Beweis benutzten Funktionen Y^{t, «,
«it'--i«m)i ^^^ ^^^^' ^o>0, wofern nur die Größen e hinreichend klein ge-
wählt sind. Die Gleichungen
1) Vgl. die analogen Entwicklungen beim einfachsten Fall in § 26, a) und
Knbseh, Lehrbuch, pp. 241, 242.
i
= 0
§ 70. Diverse Bemerkungen zur Multiplikatorenregel. 577
ßtellen also auch noch nach Hinzufügung der Bedingung (82) eine Schar von
zulässigen Yergleichskurven dar.
Man kann von dieser Bemerkung Gebrauch machen, um für das a;-Problem
die Grenzgleichung (73) zu beweisen. Man erhält dieselbe, indem man einen
Parameter t einführt, dann für das i-Problem die Grenzgleichung
cF
ansetzt und darin schließlich wieder zur Variabein x übergeht; dies ergibt sich
daraus, daß hier _ , ,
^=^(,.,,....,,„,||,...,_|),.
wobei i/(, mit x gleichbedeutend ist und i^ die in § 69 mit F bezeichnete Funk-
tion bedeutet.
e) Beispiel IV: Die BracMstochrone im widerstehenden Mittel
(Siehe p. 5):
Wir denken uns die zulässigen Kurven durch einen Parameter dargestellt,
den wir r nennen. Wir haben dann das Integral
r-^
jr- i r- -\-y'^-\-z'''dt
*1
zu einem Minimum zu machen mit der Nebenbedingung
vv' — gz' -f R{v) Yx'^ 4- y'^ -f ^'«^ = 0, (83)
wobei der Akzent Differentiation nach r anzeigt. Die Anfangs- und Endwerte
von X, y, z sind gegeben, ebenso der Anfangswert von v, aber nicht der End-
wert von V.
Wir haben also ein Lagrange'sches Problem in Parameterdarsteliung mit
einer Differentialgleichung als Nebenbedingung.
Es ist hier
F= yx'^":f^'^'-fj''^ H -\- Xvv' - Xgz' ,
wenn wir zur Abkürzung^) ,
H^f + ^'Hiv)
schreiben. ^
Da F die Größen x, y, z nicht explizite enthält, so erhalten wir sofort
drei erste Integrale, die wir unter Einführung der Bogenlänge s schreiben können
wobei a, b, e Integrationskonstanten sind. Dazu kommt noch die Differential-
gleichung ,
0^,=^,. (85)
^) Iq ist = 1 im allgemeinen Fall, = 0 im Ausnahmefall, vgl. § 69, c), Ende.
578 Elftes Kapitel. Die Euler-Lagrange'sche Multiplikatoren-Methode.
Die Differentialgleichungen (84) und (85) zusammen mit (83) stellen dann die
Differentialgleichungen des Problems dar.
Schon EüLER^) hat diese Differentialgleichungen richtig aufgestellt und sie
auf Quadraturen zurückgeführt.
Zunächst folgt aus (84^) und (843):
bx' — ay' = 0,
d. h. die gesuchte Kurve liegt in einer vertikalen Ebene. Wir wählen dieselbe
zur rc-2-Ebene unseres Koordinatensystems, sodaß «
Aus (84) ergibt sich nun weiter
H^=^a'J^{c-\-lgY. (86)
Diese Gleichung bestimmt X als Funktion von v und den beiden Integrations-
konstanten a und c. Dividiert man (84 J und (843) durch (85), so erhält man
avdX j {c-\-Xg)vdl
Denkt man sich hierin den oben gefundenen Wert von X eingesetzt, so erhält
man durch zwei Quadraturen x und z ausgedrückt als Funktionen von v:
x-{-Ä = (p{v;a,c\ 2-f C = ;t(7;; a, c), (87)
also eine Parameterdarstellung der gesuchten Kurve.
Für die Konstantenbestimmung bemerken wir zunächst, daß für t = t^ nach
(81) die Grenzgleichung
|-?r = ;i;l* = 0 (88)
ov !
erfüllt sein muß, da der Endwert von v nicht vorgeschrieben ist. Hieraus folgt,
wenn wir die Gleichung (86) zunächst mit v^ multiplizieren und dann r = r^
«^^^^^' (a^ -f- c^)t;« = ^^ (88a)
Setzt man in den Gleichungen (87) zuerst r = Tj , dann r = r^ , so erhält man
zusammen mit (88 a) fünf Gleichungen zur Bestimmung der fünf unbekannten
Konstanten a, c, A, O, v^.
Die ebenfalls schon von Euler*) behandelte Modifikation der Aufgabe, bei
welcher die Endgeschivindigkeit v^ vorgeschrieben ist, unterscheidet sich von der
obigen Aufgabe nur darin, daß an Stelle der Grenzgleichung (88) jetzt die
Gleichung v(t.^) = v^ tritt, wodurch die Konstantenbestimmung noch einfacher wird.
f) Beispiel XXV: Kurve größter Endgescliwindigkeit unter der
Wirkung der Schwere im widerstehenden Mittel:
Ist ein materieller Punkt von der Masse 1 gezwungen, sich auf einer ge-
gebenen Kurve
^ x = x(r), y=^y{t), z = z{r), ^iK'^K'^t
^) Methodus inveniendi etc. p. 126. Die im Text gegebene Anordnung des
Beweises rührt von A. C. Lunn her.
') Methodus inveniendi^ p. 214.
§ 70. Diverse Bemerkungen zur Multiplikatorenregel. 579
unter der Einwirkung der Schwere in einem widerstehenden Medium zu bewegen,
und ist die gegebene Anfangsgeschwindigkeit v^ , so erhält man die Geschwindig-
keit V = v{t) im Punkt r, indem man die Differentialgleichung ^)
vv' — gz' + E(v) Yx'' + 2/'' + ä'*^ = 0 (83)
mit der Anfangsbedingung
nach V integriert. Hierdurch ist die Funktion v{t) vollständig bestimmt, also
auch ihr Endwert
Wir stellen uns jetzt die Aufgabe: Unter allen, zivei gegebene Punkte F^ und P^
verbindenden BaumJcurven diejenige zu bestimmen, für ivelche die so erhaltene End-
geschwindigkeit ein Maximum wird.
Analytisch können wir die Aufgabe folgendermaßen formulieren: Unter
allen „Kurven"
x = x{t), 2/ = 2/(r), z = z{t\ v = v{t), tr^^r^r^
im Raum der Variabein x, y, z, v, welche der Differentialgleichung (83) und den
Anfangsbedingungen
xM = x^, yM = yi, z{t^) = z^, v(t,) = v^,
xit^)==x^, yM = yi, z{t^)^z^
genügen, diejenige zu finden, für welche v{t^) ein Maximum wird; r^ und r^
sind dabei nicht gegeben.
Dies ist ein Mayer'sches Problem in Parameterdarstellung.
Die Differentialgleichungen, die man nach der allgemeinen Regel von
§ 70, c) erhält, sind aber, wie man sofort sieht, identisch mit den Differential-
gleichungen für den „Ausnahmefall" (l^ = 0) beim Problem der Brachistochrone
im widerstehenden Mittel.
Es gelten also die Resultate (84) bis (87) von § 70, e), wenn wir darin
l^ = 0, also
H=XB{v)
setzen. Die Kurve liegt daher in einer vertikalen Ebene, die wir wieder zur
ic^-Ebene wählen, und die Differentialgleichungen des Problems lauten:
XE(t;)^| = a, XB{v)^^=c + gX, (84a)
Vj^ = lB{v), ^^-^^g--B(v), (86a)
Wir wollen hieraus eine interessante, schon von Euler*) gefundene Eigen-
^) ^gl- PP- 6 und 577. Die Bezeichnung ist dieselbe wie dort, und die
positive 2^- Achse ist wieder vertikal nach unten gewählt. Der Akzent bedeutet
Differentiation nach r,
*) Methodus inveniendi etc., p. 125.
580 Elftes Kapitel. Die Euler-Lagrange 'sehe Multiplikatoren-Methode.
Bchaft der gesuchten Kurve ableiten. Dazu differentiieren wir die erste der Gleich-
ungen (84 a) logarithmisch nach s und eliminieren -j- , -=- mittels (85 a). Dann
Ui S uS
erhalten wir
d^x
gB'{v) ds
vli,{v) dx dz
ds ds
0.
Beachtet man, daß ^) wegen y = 0
dx d^z dz d^x
ds ds^ ' ds ds^ '
wo r den Krümmungsradius bezeichnet, so läßt sich die letzte Formel auch
rB'{v) ^''ds'~
Berechnet man andererseits nach den Regeln der Mechanik*) die Reaktion N
der Kurve, so findet man
r ^ ds^
Daraus ergibt sich im Fall unserer Kurve @o für die Reaktion der Ausdruck:
r \ vB {v)/
Derselbe nimmt eine besonders einfache Form an, wenn
r \ n)
nämlich
Für den Fall n= 1 ist daher iV=0, und man hat den Satz: Wenyi der Wider-
stand der Geschtvindigkeit proportional ist, so ist die Kurve größter Endgeschivindig-
keit identisch mit der Kurve, ivelche ein freier materieller Punkt unter der Wirkung
der Schwerkraft im widerstehenden Mittel beschreibt.
§ 71. Die Multiplikatorenregel für den Fall gemischter
Bedingungsgleichungen. ^)
Die in § 69 entwickelte Methode läßt sich nicht unmittelbar auf
den Fall übertragen, in welchem einige der Bedingungsgleichungen
(5) endliche Gleichungen sind, da dann alle Determinanten mten
Grades der Matrix (43) verschwinden. Trotzdem gilt auch in diesem
FaU die Multiplikatorenregel.
^) Vgl. z. B. Scheffers, Theorie der Kurven, pp. 30, 188.
') Vgl. z. B. Appell, Tratte de Mecanique, Bd. I, p. 415.
») Vgl. dazu BoLZA, Mathematische Annalen, Bd. LXIV (1907), p. 370,
wo auch der allgemeinste Fall Tariabler Endpunkte behandelt wird.
§ 71. Der Fall gemischter Bedingungsgleichungen. 531
a) Modifikation des frülieren Beweises:
Um dies zu zeigen^ setzen wir voraus, daß von den Gfleichungen
(5) die p ersten wirklich Differentialgleichungen sind:
^^{^, Vu • • •, Vny y[> • • •; Vn) = 0, p = 1^ 2, • . ., ^; (89)
dagegen seien die m—p = q letzten endliche Gleichungen, die wir
zur Unterscheidung mit
^a(^;2/l,---,^J = 0, 0=1,2,...,^ (90)
bezeichnen. ^) Dabei sollen die beiden extremen Fälle ^ = 0 und ^ = 0
mit inbegriffen sein.
An Stelle der Determinante (44) soll nunmehr die Determinante
+ 0, (91)
dyr hV '"' ^vL
dy^^ dy.^ -"> ~dy,,
(> = 1, 2, -..^jö; 6=1, 2, -'-^q
sein entlang der Kurve ©q. Sonst sind die Annahmen über die zu-
lässigen Kurven und die Kurve ©^ dieselben wie in § 68 und § 69,
insbesondere sollen die Endpunkte wieder als fest betrachtet werden.
Natürlich müssen die Koordinaten derselben den Gleichungen (90)
genügen, es muß also sein
^a(^i; Vn, ' • •, 2/.i)= 0, t„(x,, y,,, ■ • -, y^,) = 0. (92)
Wir bemerken nun zunächst, daß jede Kurve, welche den Glei-
chungen (90) genügt, zugleich auch den daraus durch Differentiation
nach X entstehenden Differentialgleichungen
'p.-^-i#+2^?,:2''^ = o (93)
genügt; aber auch umgekehrt genügt jede durch die beiden Punkte P^ undP^
gehende Kurve, welche den Differentialgleichungen (93) genügt, allemal
auch den Gleichungen (90). Denn durch Integration von (93) erhalten wir
wo die c^j Konstanten sind. Setzt man hierin aber x = x^, so folgt,
da die Kurve durch P^ gehen sollte,
^a(^l; 2/ll; •••; 2/nl) = ^af
also ist nach (92): c^;=0.
^) Bei der folgenden Untersuchung nimmt der Index q stets die Werte
e = 1, 2, • •■, jp, der Index 6 die Werte ö == 1, 2, • • •, g an, auch wo dies nicht
ausdrücklich angegeben ist; die Bedeutung der Indizes i, a, r ist dieselbe wie
früher.
582 Elftes Kapitel. Die Eul er- Lagrange 'sehe Multiplikatoren-Methode,
Da -^^^-±5=-^, so folgt aus (91), daß für das Differentialglei-
chungssystem (89) und (93) die Bedingung (44) erfüllt ist. Somit
ist durch diese Bemerkung die ganze Aufgabe auf die frühere zurück-
geführt. Dazu ist aber zweierlei zu bemerken: Einmal erhält man
auf diesem Wege nicht die Lagrang ersehe Regel, sondern eine kom-
pliziertere Regel; und zweitens wird man dabei, wenn g' > 0, stets
auf den in § 69, d) erwähnten Ausnahmefall des anormalen Verhaltens
der Extremalen geführt.^)
Deshalb schlagen wir einen anderen Weg ein. Zunächst ersetzen
wir allerdings die Gleichungen (90) durch die Differentialgleichungen
(93) und die Anfangsbedingungen (92), und verfahren nun genau wie
in § 69, bis zur Aufstellung der Gleichung (55):
'o/( 2*^ ^^ + a% ^0 <^^ + ^'<'''« (*>) = 0' (^4)
worin die Größen Iq, li, ■ ■ -y l^ Konstanten sind, welche von der Wahl
der Funktionen 7]m-^r(oo) unabhängig sind, und welche nicht sämtlich
gleich Null sind.
Die in der früheren Weise bestimmten Funktionen
genügen aber nicht nur den m Differentialgleichungen
<P.i^,Y„--; ¥„,¥{,-■ ■,Yi)^0, (95)
sondern nach der oben gemachten Bemerkung mit Rücksicht auf die
Anfangsbedingungen
zugleich auch den q endlichen Gleichungen
4,„{x,Y„--;Y,) = 0. (96)
Durch Differentiation der p ersten Differentialgledchungen (95) und
der Gleichungen (96) nach s erhalten wir daher
Wir multiplizieren jetzt die Gleichungen (97) mit unbestimmten Funk-
^) Vgl. dazu A, Mayer, Mathematische Annalen, Bd. XXVI (1886),
p. 80, Fußnote.
§ 71. Der Fall gemischter Bedingungsgleichungen. 583
tionen lAx), die Gleichungen (98) mit unbestimmten Funktionen iia{x)j
integrieren zwischen den Grenzen x^ und x^ und addieren sämtliche
Gleichungen zu (94). Das Resultat formen wir schließlich noch durch
partielle Integration um und erhalten so die Gleichung (61)^ wobei jetzt
F=-%f^2\q^,^-2i^a^a' (99)
e (7
Nunmehr können wir aber nicht mehr wie früher weiter schließen.
Denn in den m Gleichungen (63) würden jetzt nur p zu unserer Ver-
fügung stehende Anfangswerte X (x^ vorkommen.
Wir ziehen daher zunächst die Gleichungen
^afe) = 0 (100)
a
heran; dieselben ergeben sich aus (98), wenn wir x == x.2 setzen und
beachten, daß ri^^^^ix^) == 0. Multiplizieren wir jetzt die Gleichungen
(100) mit unbestimmten konstanten Faktoren h^ und addieren sie zu
(61), so kommt:
/2.
Nunmehr bestimmen wir die Funktionen lg(x)y ^„(x) und die Kon-
stanten k^ durch die m Differentialgleichungen
F-^-|^ = 0 (102)
und die m Gleichungen
a
Wegen der Voraussetzung (91) kann man die Gleichungen (102) nach
den m Größen A^, iia auflösen, und erhält so p lineare Differential-
gleichungen erster Ordnung für die Funktionen X und q Gleichungen,
welche die Funktionen ft^^ durch die Funktionen A ausdrücken. Ferner
folgt wieder aus (91), daß die Gleichungen (103) die p Anfangswerte
A (a^g) und die q Konstanten h^ eindeutig bestimmen.
Nunmehr geht die Gleichung (101) über in (61a), woraus wie
früher (65) folgt, womit die Lagrange' sehe Regel auch für den Fall
gemischter Bedingungsgleichungen bewiesen ist.
Zusatz ^) : Wenn die Funktionen f, cp , ip^ die unabhängige Variable x nicht
explizite enthalten, so läßt sich unmittelbar ein erstes Integral der Euler-
^) Vgl. den analogen Satz für den einfachsten Fall, § 6, a).
584 Elftes Kapitel. Die Euler-Lagrange'sche Multiplikatoren-Methode.
Lagrangeschen Differentialgleichungen angeben, nämlich
Denn alsdann ist
i i Q ^
Sind die Endpunkte nicht fest und gestatten die Anfangsbedingungen eine will-
kürliche Variation der oberen Grenze x^, während gleichzeitig die übrigen Ko-
ordinaten beider Endpunkte fest bleiben, so ist stets c = 0. Dies folgt aus der
Grenzgleichung (73), die auch im Fall gemischter Bedingungen gültig bleibt,
wenn, wie wir voraussetzen, die Funktionen qp^^, ip^^ die Variable x nicht explizite
enthalten. \)
Von dieser Bemerkung hat man Gebrauch zu machen, wenn man bei geo-
metrischen Problemen, bei welchen die Länge der gesuchten Kurve nicht vor-
geschrieben ist, die Bogenlänge s als unabhängige Variable einführt. 2)
b) Beispiel XXVP): GleichgewicMslage eines auf einer gegebenen
Fläcbe ohne Reibung aufliegenden schweren Fadens, der an seinen
beiden Endpunkten befestigt ist:
Nach den Gesetzen der Mechanik^} ist die Gleichgewichtslage des Fadens
dadurch charakterisiert, daß sein Schwerpunkt möglichst tief liegt. Es sei l die
gegebene Länge des Fadens, die positive 0-Achse sei vertikal nach unten gerichtet
^^^ g,(aj,2/,^) = 0 (105)
sei die Gleichung der gegebenen Fläche.
Wir wählen auf sämtlichen zulässigen Kurven die Bogenlänge s, gemessen
vom Anfangspunkt P^ als Parameter. Dann läßt sich jede Kurve von der Länge
l darstellen in der Form
mit der Nebenbedingung
Daher besteht unsere Aufgabe darin, unter allen Funktionensystemen x{s), y{s)^
z{s) von vorgeschriebenen Stetigkeitseigenschaften, welche den Anfangsbedingungen
^(0)==^i, y{0) = y,, 2(0) ==^1,
x{l) = x^, y{l) = y^, z{l) = z^,
der endlichen Gleichung (105) und der Differentialgleichung (106) genügen, das-
jenige zu bestimmen, welches das Integral
=/
zds
^) Vgl. die auf p. 580 Faßnote ") zitierte Arbeit, p. 384.
*) Vgl. LiNDELÖF-MoiGNo, Lc^ons, p. '241.
2) Vgl. Übungsaufgabe Nr. 5 auf p. 529 und Lindelöf-Moigno, Legons, p. 313.
*) Vgl. z. B. Appell, Traite de Mecanique, Bd. I, Nr. 155, IGl und 126.
dcp
-'iX'x'
dy
-2X'y
1 3«)
-^Vz'
§ 71. Der Fall gemischter Bedingungsgleichuugen. 585
zu einem Maximum macht. Dabei müssen natürlich die Koordinaten der beiden
Endpunkte P^, Pg der Gleichung der Fläche genügen.
Wir haben es also mit einem Lagrang e'schen Funktionenproblem mit ge-
mischten Bedingungen und festen Endpunkten zu tun.
Hier ist, wenn wir den Ausnahmefall \ = 0 beiseite lassen
wobei X, ft unbestimmte Funktionen von s sind. Daraus ergeben sich die Euler-
Lagrang e'schen Differentialgleichungen in der Form:
2^2/" = 0, (107)
^Xz" = 0.
Da die Voraussetzungen des Zusatzes von § 71, a) erfüllt sind, so ergibt
sich unter Berücksichtigung der Bedingungsgleichungen (105) und (106) unmittel-
bar ein erstes Integral aus (104), nämlich
z — 2X = c. (108)
Ein zweites Integral erhält man folgendermaßen: Es sei P der dem Wert s ent-
sprechende Punkt der gesuchten Kurve auf der Fläche g? = 0, PT die Richtung
der positiven Tangente, K der zum Punkt P gehörige Krümmungsmittelpunkt
der Kurve, FN diejenige Richtung der Flächennormale, welche mit PK einen
spitzen Winkel bildet. Ferner bedeute PB denjenigen Vektor, der auf PI' und
PN senkrecht steht und so gerichtet ist, daß die drei Vektoren PT, PP, PN
ebenso zueinander liegen, wie die positive ic- Achse zur positiven ^/-Achse zur
positiven ^-Achse. Die Richtungskosinus von PP seien Z, w, n. Multipliziert
man dann die drei Gleichungen (107) der Reihe nach mit Z, w, n und addiert,
so kommt:
n = 2^(Z£c" -\~ my" -j- nz").
Bezeichnet jetzt r die Länge des Krümmungsradius der Kurve im Punkt P,
<ö den Winkel zwischen den beiden Vektoren PK und PN, gerechnet von PK
nach PN, so erhält^) man hieraus unter Benutzung von (108)
z — c r
= - — ■ — - •
n sm CO
Diese Gleichung hat eine einfache geometrische Bedeutung: Ist G der Mittel-
punkt der geodätischen Krümmung 2) für den Punkt P, so ist
PG == -A ,
sm (o
zeichenrichtig in dem Sinn, daß die rechte Seite positiv ist, wenn der Vektor
^) Siehe z. B. Scheffebs, Theorie der Kurven, pp. 179, 188.
*) Siehe z. B. Scheffers, Theorie der Flächen, pp. 480, 484.
586 Elftes Kapitel. Die Euler-Lagrange'sche Multiplikatoren-Metliode.
FG mit der Richtung PB zusammenfällt, negativ, wenn er entgegengesetzt ge-
richtet ist.
Bezeichnet man andererseits mit Q den Schnittpunkt der Ebene
0 = c
mit der Geraden PR (resp. ihrer Verlängerung über P hinaus), so ist
n
mit derselben Yorzeichenregel wie bei FG.
Also gilt zwischen den beiden in derselben Geraden gelegenen Vektoren
PG,PQ die Gleichung
PG = — PQ.
Es gilt also der Satz^): Konstruiert man im Punkt P der gesuchten Kurve den
Vektor PG nach dem Mittelpunkt G der geodätischen Krümmung und sodann den
dazu entgegengesetzten Vektor PQ, so liegt der Endpunkt Q des letzteren in einer
festen horizontalen Ebene: z = c.^)
c) Beispiel XXVII: Die Lagrange'sche Form des Prinzips der
kleinsten Aktion:^)
Wir betrachten wie in § 68, e) ein System materieller Punkte,
welches gegebenen Bedingungsgleichungen
,,„ = 0, a^l,2,...,m, (109)
unterworfen ist, und auf welches gegebene Kräfte wirken, die eine
Kräftefunktion U besitzen; sowohl die Bedingungsgleichungen als die
Kräftefunldion sollen die Zeit t nicht explizite enthalten.
Unter diesen Voraussetzungen gilt für die wirkliche Bewegung
des Systems der Satz von der Erhaltung der lebendigen Kraft:
T=ü+h, (110)
wobei h eine von t unabhängige Konstante ist, und
^dx\^ /dy\^ (dz^
^-a^mhm^m
Wir betrachten jetzt die Gesamtheit aller möglichen Bewegungen
des Systems, welche folgende Bedingungen erfüllen:
A) Sie genügen den Bedingungsgleichungen (109) des Systems.
B) Sie genügen dem Satz von der Erhaltung der lebendigen Kraft
(110) und zwar mit demselben Wert der Konstanten h.
^) In etwas anderer Form bei Lindelöf-Moigno, loc. cit.
*) Hierzu weiter die Übungsaufgabe Nr. 6 am Ende von Kap. XIII.
^) Wegen der Literatur verweisen wir auf Encyklopädie IV 1 (Voss), Nr. 43.
Insbesondere sind zu erwähnen A. Mayer, Leipziger Berichte, Bd. XXXVIII
(1886), p. 'SA'S und Holder, Göttinger Nachrichten 1896. Vgl. auch Kneser,
Lehrbuch, p. 244.
§71. Der Fall gemiscMer Bedingungsgleicliungen. 587
C) Anfangslage und Endlage sind dieselben wie hei der ivirTüicIien
Bewegung; die Anfangslage soll auch zur selben Zeit t^ ein-
genommen werden, aber die Zeit, zu welcher das System die
Endlage einnimmt, ist nicht vorgeschrieben.
Unter all diesen Bewegungen soU diejenige gefunden werden, bei
welcher das Zeitintegral der lebendigen Kraft
'1
J=fTdi
den kleinsten Wert einnimmt.
Wir haben also ein Lagrange'sches Funktionenproblem mit ge-
mischten Nebenbedingungen bei variabler oberer Grenze. Es ist hier
a
wobei X, ^^ Funktionen von t sind.
Daraus ergeben sich die Euler-Lagrange'schen Differentialglei-
chungen
^^(i + A),^,:=-AY„+2'/»«^, (111)
a
^^(i+A)»,x=-^^.+2'f'«£-
a
Hierzu kommen dann noch die Gleichungen (109) und die Diffe-
rentialgleichung (110).
Da die Funktionen T, ^^, ü die unabhängige Variable t nicht
explizite enthalten, so können wir nach (104) ein erstes Integral un-
mittelbar angeben. Dasselbe reduziert sich hier auf
-{l + 2X)T=c.
Der Wert der Konstanten c ist aber nach § 71, a), Ende, gleich Null,
weil die obere Grenze t^ nicht vorgeschrieben ist. Daraus folgt, da
im Fall einer Bewegung T > 0,
Setzen wir diesen Wert von X in die Differentialgleichungen (111)
ein und schreiben l^ statt 2/^^, so erhalten wir die Differentialglei-
chungen (39), also die Differentialgleichungen der wirklichen Be-
wegung. Wir haben also das Resultat:
Die Beivegimg, welche das System unter der WirJcung der gegebenen
588 Elftes Kapitel. Die Euler-Lagrange'sche Multiplikatoren-Methode.
Kräfte ivirMich ausfuhrt, erfüllt die erste notivendige Bedingung eines
Extremums des Integrals
fldt
unter den Bedingungen A), B), C).
Dies ist die sogenannte Lagrange'sche Form des Prinzips der
kleinsten Aktion.
§ 72. Existenztheoreme für Extremalen und Reduktion der
Euler-Lagrang e'schen Differentialgleichungen auf ein
kanonisches System.
Wir wenden uns jetzt zur Frage der Integration der Euler-
Lagrange 'sehen Differentialgleichungen
f ^ _ ^ ^j" _ 0 a)
(I) dy, dx dyl -^y
1 . 9>^=0. (5)
Dabei werden wir uns, wie überhaupt bei der ganzen weiteren Be-
handlung des Lagrange 'sehen Problems, auf den Fall beschränken,
wo sämtliclie Nebenbedingungen (5) Differentialgleichungen sind, und
wo die Konstante /o= ^ i^^; sodaß also
F^f + 2^^,%r
Wir werden zunächst die Aufgabe betrachten, die Differential-
gleichungen (I) mit gegebenen Anfangsbedingungen zu integrieren,
sodann die Reduktion dieser Differentialgleichungen auf ein sogenanntes
„kanonisches System" behandeln und schließlich mit Hilfe der so ge-
wonnenen Normalform die Abhängigkeit der Lösung von den An-
fangswerten untersuchen.
a) Existenz einer Lösung bei gegebenen Anfangswerten :^)
Um auf die Differentialgleichungen (I) die allgemeinen Existenz-
theoreme anwenden zu können, müssen wir dieselben zunächst auf die
Normalform von § 23, a) reduzieren. Zu diesem Zweck führen wir
in den Gleichungen (7) die Differentiation nach x aus und differen-
^) Vgl. dazu C. Jordan, Cours d' Analyse, Bd. IIl, Nr. 374, und v. Escherich,
Wiener Berichte, Bd. CVII (1898), p. 1209; v. Escherich gibt auch die ent-
sprechenden Entwicklungen für den Fall gemischter Nebenbedingungen.
(112)
§ 72. Existenztheoreme für Extremalen. 539
tiieren gleichzeitig die Gleichungen (5) nach x-, man erhält dann ein
System von n -{- m Differentialgleichungen von der Form
k ^
wobei in den nicht ausgeschriebenen Gliedern die Ableitungen y'^^ A^
nicht vorkommen.
Jede Lösung des Systems (I) genügt auch dem System (112),
während das umgekehrte nicht der Fall ist.
Die Gleichungen (112) stellen ein System von n ^ m in den
Größen yj^^ l^ linearen Gleichungen dar, deren Determinante den fol-
genden Wert hat^)
^{^y y, y'y ^)
(113)
dy[^ ^
(i=l,2, ..., n; /3=1^2, ..., m).
Ist diese Determinante von Null verschieden, so können wir die
Gleichungen (112) nach den Größen yk\ X'^ auflösen und erhalten so
das System (112) in der Normalform
lix=y^> ^=^.(^;2/,2/,A), ^i-^^ix,y,y\X), (114)
wo nunmehr die Funktionen auf der rechten Seite als Funktionen
ihrer 2 n i- m + 1 Argumente in dem Bereich ^)
(9L: {x,y,y') in ^- _(X)<A,< + oü; B{x, y, y', X) =^ 0
von der Klasse C sind.
Dieser Bereich (9L ist also der „StetigJwitshereich" der Differential-
gleichungen (112). Hieraus folgt nun unmittelbar der Satz
Ist
«'; M, •••,«; 2>?; •••,«'; /?;••-,& (115)
ein Wertsystem, für tvelches (a^, h"^, W) im Innern des Bereiches % liegt
und überdies tw n ^n ,n. -,r.x
I^(a^ b', b'\ 0 + 0, (116)
^,. K ^^ ^n = 0, (117)
^) Wegen der abgekürzten Bezeichnung vgl. die Verabredungen im Ein-
gang von § 68.
^) % war der Bereich, in welchem die Funktionen f und g) von der Klasse
•C" sind, vgl. § 69, Eingang. ^
B o 1 z a , Variationsrechnung. sjg
590 Elftes Kapitel. Die Euler-Lagrange'sche Multiplikatoren-Methode.
SO gibt es ein und nur ein FunUionensystem
von der Klasse C\ welches den Biff'erentialgleiclmngen (I) und den An-
fangsbedingungen
y,{a')=-h^, y',{a')^W, 1. K) = ?? (118)
genügt.
Für das System (114) und daher auch für (112) folgt dies so-
fort nach § 23, a); daraus folgt durch Integration von (112^), daß
wo die c. Konstanten sind. Setzen wir aber in diesen Gleichungen
X = a^ so folgt aus (118) und (117), daß c^ = 0, womit unsere Be-
hauptung bewiesen ist.
Wir knüpfen hieran noch eine vorläufige Konstantenzählung: Die
gefundene Lösung hängt von den 2n -\- m -\- 1 Konstanten (115) ab;
einer derselben kann man nach § 24, a) einen festen numerischen
Wert beilegen, außerdem bestehen zwischen diesen Größen die m Re-
lationen (117), so daß also die allgemeinste Lösung im ganzen von
2n unabhängigen IntegrationsJconstanten abhängt.
Zur Bestimmung derselben hat man gerade 2n Bedingungen; im
FaU fester Endpunkte sind es die Gleichungen, welche ausdrücken, daß
die gesuchte Kurve durch die beiden gegebenen Punkte Pj , Pg gehen soll.
b) Reduktion der Euler-Lagrange'schen Differentialgleichuiigeii
auf ein kanonisches System^):
Die Differentialgleichungen (I) lassen sich auf ein sogenanntes
„kanonisches System^^ reduzieren, indem man die Funktionen X^ elimi-
niert und statt der unbekannten Funktionen y- andere Funktionen v^
in geeigneter Weise einführt. Um eine sichere Grundlage für diese
Umformung zu haben, nehmen wir an, es sei
Vi^Vi^^), ^li-^ßiß^)^ x^^x-^x^ (119)
eine Lösung des Systems (I) von folgenden Eigenschaften:
A) Die Funktionen y.{x) sind von der Klasse G'\ die Funktionen
Xß(x) von der Klasse (V im Intervall [iTi^g]-
B) Die Kurve
@o: Vi-Vii.^). yi^ylipc), x.^x^x,
^) Vgl. dazu A. Mayer, Journal für Mathematik, Bd. LXIX (1868),
p. 241; C. Jordan, Cours d' Analyse Bd. IIl, Nr. 375; Bolza, Mathematische
Annalen, Bd. LXIII (11)06), p. 251, sowie Encyldopädie , U A, p. 585 (Knesek).
§ 72. Existenztheoreme für Extremalen. 591
liegt ganz im Innern des Bereiches '^^ in welchem die Funktionen f
und (p^ von der Klasse C" vorausgesetzt sind (§§ 68, 69).
C) Es ist
R {x, y ix), y' (x), l {x)) + 0 in \x^ x^,
unter B, die durch (113) definierte Determinante verstanden, die sich
auch als Funktionaldeterminante schreiben läßt:
wenn wir, wie schon früher,
setzen.
Die Annahmen A), B), C) drücken aus, daß die Lösung (119)
in der Terminologie von PainleveI) im Intervall [x^x^] „regulär'' sein
soll. Daraus folgt nach § 23, d), daß diese Lösung sich auf ein ganz
bestimmtes Maximalintervall (ihr „BegularitätsintervalV'Y), das wir mit
x\<x< x\ (121)
bezeichnen, ausdehnen läßt. Die Extremale ^^ samt ihrer Fortsetzung
auf dieses Intervall bezeichnen wir mit (S*.
Weiter zeigt man wie in § 24, c), daß infolge der Annahmen A),
B), C) im Intervall (121) die Funktionen y.(x) von der Klasse C"\
die Funktionen X^(x) von der Klasse G" sind.
Wir adjungieren nun der Lösung (119) die n Funktionen
^i (^) = ^«+i (^; y^x),y' ix), X {X)) , (122)
die nach den gemachten Voraussetzungen in \x^x^ von der Klasse C
sind. Alsdann lassen sich die n ^ m Gleichungen
Fn^i (x, y, y, X) = ^., 9^ {x, y, y') = 0, (123)
in welchen die Größen v. neue Variable bedeuten, auf Grund des er-
weiterten Satzes 2) über implizite Funktionen von § 22, e) in der Um-
gebung der Punktmenge
e: x,^x^x^, yi = yi(x), yl=y;(x), X^^X^(x), v, = v,{x)
^) EncyUopädie, II A, pp. 194, 195.
^) Der dort mit OL bezeichnete Bereich ist hier durch die Bedingungen
definiert
{x, y, y') im Innern von ^^; _ oo < ^^< + Oü; — Oü < Vi < -f- Oü,
während die Buchstaben 6, J^, (> hier dieselbe Bedeutung haben wie im all-
gemeinen Satz.
38*
592 Elftes Kapitel. Die Euler-Lagrange'sche Multiplikatoren-Methode.
eindeutig nach t/,'^ ...,!/„, A^, .. ., A^^ auflösen. Es gibt also n + m
Funktionen^)
y; = Wi (x, y, v) , X,^ = 77^ (x, y,v), (124)
welche in einer gewissen Umgebung ((?) der Punktmenge
S&: x^^x^x^, yi = yi{oc), Vi = Vi(x)
eindeutig definiert und von der Klasse C sind^ in die Gleichungen
(123) eingesetzt dieselben identisch in {x, y, v) befriedigen:
Fn + i(^, Vy ^(^; Vy ^); ^ix, y, v)) = V,,
und überdies den Anfangsbedingungen genügen
^^{x, y{x), v{x)) = yXx), n,(x,y{x),v{x)) = X^,(x) (126)
in [x^x^].
Nach Voraussetzung ist nun
j^ ^n+f(^;2/(^)^2/'(^);^(^)) = F,{x,y{x),y(x\X{x)).
Unter Benutzung von (126) und (122) geht dies über in
p^ = F,{x, y{x\ ^{x, y {x),v{x)\ n{x,y{x\v{x))).
Berücksichtigen wir noch (126^), so können wir daher den Satz aus-
sprechen:
Das Funktionensystem
yi = 2/i(4 ^i = ^» W. ^1 5 ^ 5 ^2; (127)
genügt dem System von Differentialgleichungen
||= ^,{x,y,v\ ^ = F,{x,y, ^{x,y,v\n{x,y,v)). (128)
Umgekehrt folgt unmittelbar: Es seien ^^ (x, i/, v), 11^ {x, y, v)
n-\-m Funktionen der unabhängigen Variabein ^, «/^, • • •, 2/„; ^i , • ' '; ^n ^^^
den oben angegebenen Stetigkeitseigenschaften, welche den Identitäten
(125) und den Anfangsbedingungen (126J genügen; ferner mögen die
Funktionen yi{x)j v^{x) den Differentialgleichungen (128) genügen.
Definiert man alsdann die Funktionen X^{x) durch (I262), so stellen die
Funktionen (119) eine Lösung des ursprünglichen Systems (I) dar.
Das System (128) ist wieder in der Normalform von § 23, a),
und zwar hat es vor der früheren Normalform (114) den Vorzug
^) Wir schreiben wieder
{x,y,v) statt (ic, , 2/1, . . ., 2/„, Vi,-.-,«^«), ebenso
{x,y,W,n) statt (a:, 2/1, . . .,2/„, W^,...,W^, JT,,...,nj.
§ 72. Existenztheoreme für Extremalen. 593
voraus, daß es von derselben Ordnung 2n ist wie das ursprüngliche
System (I), während das System (114) von der Ordnung 2w-f-m war.
Die Differentialgleichungen (128) haben aber die weitere wichtige
Eigentümlichkeit, daß sie ein sogenanntes „hanonisches System^' bilden.
Bezeichnen wir nämlich mit H{XjyjV) diejenige Funktion der unab-
hängigen Variabein ^jV^- • 'yVny'^ii' ' 'y'^n^ i^ welche der Ausdruck
^ViK+ii'^y y, y\ ^) - F{x, y, y\ X)
i
durch die Substitution (124) übergeht, d. h. also, unter Berücksich-
tigung der Identitäten (125),
H{x, 2/; ^) = ^^i ^i (^; y, ^) - F{^, y, ^i^, y, ^\ n{x, y, v)), (129)
i
SO erhält man nach leichter Rechnung unter Benutzung der Identi-
täten (125) für die partiellen Ableitungen der Funktion H nach «/^
und v^ die Werte
Q TT
jj-=°- ^h{«, y> ^(x, y, V), n{x, y, v)),
Daher können wir die Differentialgleichungen (128) auch schreiben
dVi ^ dll dVi^ ^ _ dH (\^V)
dx dvi^ dx dyi ' ^ ^
und dies ist die charakteristische Form eines kanonischen Systems.
Die Funktion H kann man wegen (125) auch schreiben
^(^; 2/; ^) = 2Vi'^i{x, yy '^) " f{^, y, ^i^y y, ^))' (129 a)
t
c) Abhängigkeit der Lösung von den Anfangswerten:
Unter Festhaltung der Voraussetzungen A), B), C) wenden wir
jetzt auf das System (128) den Einbettungssatz von § 24, b) an; dies
ist gestattet, da die rechten Seiten der Differentialgleichungen (128)
Funktionen der Variabein x,y^,- • -yy^jV^^- ",i\^ sind, welche in einer
gewissen Umgebung der Lösung (127) von der Klasse C sind. Sind
daher X^, X^ irgend zwei den Ungleichungen
X^ <C -^i <^ X-^j X^ '^ -^^2 <C ^2
genügende Werte, so können wir eine positive Größe d so klein an-
nehmen, daß die folgenden Sätze gelten:
Wählen wir a^ beliebig zwischen X^ und X^ und setzen
2/.(«") = ^, »,(«°) = "1, (132)
594 Elftes Kapitel. Die Euler-Lagrange 'sehe Multiplikatoren-Methode.
so gibt es für jedes den Ungleichungen
\a-aP\Zd, \h-^ Zd, \c,-c^\^d (133)
genügende Wertsjstem , ,
eine eindeutig bestimmte Lösung^)
Vi = ?)i(^; «. ^; c)> ^t = ^^■(^'; «; ^ ^) (134)
des Systems (128), welche folgende Eigenschaften besitzt:
1) Die Funktionen
sind in dem Bereich ^^' ^^' ^'' ^''
X,^x^X,,\a-a^\^d,\h,-hy\Zd,\c,-cy^d (135)
von der Klasse C als Funktionen ihrer 2n -{- 2 Argumente.
2) Die Funktionen ^., SS- genügen den Anfangsbedingungen
g,(a; a, 2>, c) = h„ ^,(a; a, ?>, c) = c, (136)
im ganzen Bereich (133).
3) Es ist
%{x', < &^ c«) = y,{x), %ix- < 6«, c«) = i;,(a;) (137)
in [XiXg].
4) Endlich ist die Funktionaldeterminante
im Bereich (135).
Definieren wir jetzt die Funktionen
so folgt nacl. b): M^^^^M ^ H^M, (139)
D^e Funktionen
genügen den Eider- Lagrang ersehen Differentiolpleichungen (I) im
ganzen Bereich (135). Für die FunUionen D,- gelten die Anfangs-
bedingungen (136^) und (137^) und die FunUionen'^)
^) Wir schreiben wieder
(a, &, c) statt (a, &! , • • • , hj,, q , • • • , cj.
2) Um zu zeigen, daß dies auch für die Funktionen DJ', ^'^ gilt, beachte
man, daß aus Voraussetzung C) folgt, daß
E(aj,?),?)',ß) + 0 (Ul)
im Bereich (135), wofern die Größe d hinreichend klein angenommen wird.
Daher genügen die Funktionen ^., ß^ auch den Differentialgleichungen (114),
aus welchen die Behauptung unmittelbar folgt.
(140)
§ 73. Die Hamilton-Jacobi'sche Theorie. 595
sind als Funktionen ihrer 2n -{- 2 Argumente von der Klasse C im
Bereich (135).
Aus (125), (128) und (139) folgen dann noch die Relationen
% = W,{x, % »), % = F„Jx, % D', S). (142)
Ferner folgt aus den Gleichungen (136) durch Differentiation
(143)
WO in der Krön eck er 'sehen Bezeichnung d.j^ = 1 oder 0, je nach-
dem i = k oder 4= ^•
Endlich werden wir später noch von der folgenden Relation
Gebrauch zu machen haben
nach hj^ und Cf.
Si=-i:H
a
aaSf
a
= 0,
"=*a,
.
^ a^F Wi\^ ^of^i
V-^
^ ^2/;
32
d,,. (143a)
^ dyldy': dc^ ^ ^ dyl dcj,
Darin sind die Argumente der partiellen Ableitungen von cp^ und F:
(a,g)(a),?)'(a)), resp. (a, g) ^a), ?) ' (a), ß (a)) .
Man beweist (143 a), indem man die Identität
FnU^, h "^^ h c\ n{a, h, c)) = c,
nach Cj^ differentiert und dann von den Gleichungen
^i(f^> k ^) == De- (ö^; ^^ ^ c), n^{a, h, c) = S^(a; a, h, c)
Gebrauch macht.
§ 73. Die Hamilton- Jacobi'sche Theorie.^)
An die Entwicklungen des vorigen Paragraphen läßt sich un-
mittelbar die „Hamilton-Jacobi'sche Theorie" anschließen. Es handelt
sich dabei um eine Ausdehnung unserer früheren Resultate über das
Extrem alenintegraP) und über die Hamilton'sche partielle Differential-
gleichung^) auf das Lagrange 'sehe Problem.
^) Vgl. zum folgenden EncyMopädie^ II A, p. 343 (v. Weber)
^ Vgl. § 37, a) und b).
') Vgl. § 20, b), c) und d).
596 Elftes Kapitel. Die Euler-Lagrange'sche Multiplikatoren-Methode.
a) Die Punktion ]X{x] a, h, c):
Wir betrachten unser Integral^)
genommen entlang der in § 72, c) definierten Extremalen
von dem Punkt mit der Abszisse x = a bis zum Punkt mit der Ab-
szisse X = ^. Der Wert dieses Integrals ist eine eindeutige Funktion
von ^',ciy\r "fKy^i)' "}^ny ^^^ ^^^' ^^^ ^ (i '•> ^y ^} ^) bezeichnen , so-
daß also
n{l',a,h,c)-^^ff(x,%W)dx,
a
wofür wir auch schreiben können
U(^;a,h,c)=fF{x,%W,^)dx,
da die Funktionen ^^ den m Differentialgleichungen
<P;,(.^,^,W)-0 (144)
genügen.
Es sollen jetzt die ersten partiellen Ableitungen der Funktion U
nach ihren 2n -\- 2 Argumenten berechnet werden. Zunächst ist
I" - /•(*, % dV- = Fi^, V, W, 2):'=*- (145)
Femer ist, wenn a irgend eine der Größen ?;., c^ bedeutet, in der Be-
zeichnung (120)
a i [i
die zweite Summe unter dem Integralzeichen ist gleich Null wegen (144);
wendet man auf die übrigbleibenden Glieder die Lagrange 'sehe par-
tielle Integration an und beachtet, daß die Funktionen 5),., 2y den
Differentialgleichungen (I) genügen, so erhält man
du jLjI ""^'caL
^) Immer unter Benutzung der im Eingang von § 68 verabredeten ab-
kürzenden Schreibweise.
§ 73. Die Hamilton-Jacobi'sche Theorie. 597
und ebenso
da ^l'^ + ^dal 'I
Macht man jetzt von den Formeln (143) Gebrauch^ so erhält man
da —^ •^"+^ a« ^ "^ [^ K+i'Si f)\ ,
i i
au _ >ri ^ ^l^f
(146)
Darin sind die Argumente der Funktionen F und~-F„_^^ vor Aus-
führung der Substitutionen x = ^ und x = a : (x, '^, f)'j2).
b) Konstruktion einer Extremalen durch zwei gegebene Punkte:
Es seien jetzt ^^(a^ &?,..., hf) und P^{^^, ril, . . ., i^o) zwei Punkte
der Extremalen^) (SJ. Wir wählen in der Nähe 7on A^j resp. P^,
zwei beliebige Punkte Aia,})^, . . ., hj, resp. P(|, ^i? • • •; ^J, und stellen
uns die Aufgabe, von Ä nach P eine Extremale (S zu konstruieren.
Setzen wir diese Extremale in der Normalform von § 72, c) an:
so ist die erste Forderung, daß @ durch Ä gehen soU, stets erfüllt.
Es bleiben also nur die n Parameter c- so zu bestimmen, daß @ auch
durch den Punkt P geht, d. h. so daß
dmci,h,c) = nr (147)
Da die beiden Punkte A^ und P^ auf der Extremalen (SJ liegen,
so werden diese Gleichungen nach (137) befriedigt durch das spezielle
Wertsystem: J = ^^, rj. = ri^, a == a^, h^ = 69, c. = c9. Daher können
wir nach dem Satz über implizite Funktionen die Gleichungen (147)
in der Umgebung dieser Stelle eindeutig nach c^, • • ; c^ auflösen,
wofern an dieser Stelle die Funktionaldeterminante der Auflösung von
Null verschieden ist. Schreiben wir allgemein die Determinante
d^i(x^a,b,c)\
^^
^(^;a, &,c), (148)
so lautet die fragliche Bedingung^)
^(|«;<6^6-«) + 0. (149)
^) Vgl. wegen der Bezeichnung § 72, b).
-) Wie wir später (§ 75, a)) sehen werden, bedeutet dieselbe, daß die beiden
Punkte ^4o und Pq kein Faar konjugierter Punkte (im weiteren Sinn) von @q sein dürfen.
598 Elftes Kapitel. Die Euler-Lagrange'sche Multiplikatoren-Methode.
Wir setzen diese Bedingung als erfüllt voraus und erhalten dann eine
eindeutige Lösung der Gleichungen (147)
wofür wir wieder kurz ^^^(a, 6; |, ry) schreiben; es ist dann also, iden-
tisch in den Variabein {a^ &; J, i^):
Uha,h,^)^rj„ (150)
und die Extremale @ durch die beiden Punkte Ä und P ist dar-
gestellt durch die Gleichungen
@: Vi = ?)X^; ^; ^ ^) ^ ^)i(^; ^^ ^^ ^' ^) • (1^1)
Die hierdurch definierten Funktionen t),. genügen nach (136) und (150)
den Anfangsbedingungen
t),(a; a, h, % n) = h,, 9,(S; «; ^ 5. ^) = ^r (1^2)
Ferner ergeben sich aus (150) durch Differentiation nach den Größen
% VkJ ^7 h ^^® Relationen
(«)+i;(t)t-«.l
km-'-
[dal +2;,Uc,/ aa -"^^
i
Dabei bedeutet d.^ wieder das Kronecker'sche Symbol, und die
Klammer () soll andeuten, daß die Argumente der eingeklammerten
Funktionen sind: (|;a,6, ß).
Der Extremalen (151) sind einerseits die m Multiplikatoren
X^ = ^^,{x', a, h, ©) = i^{x', a, h, |, t?)
zugeordnet, welche zusammen mit den Funktionen t),. den Differential-
gleichungen (I) genügen, und andererseits die n Funktionen
V. = %{x', a, h, ©) = üfC^; a, h, l, rj),
welche zusammen mit den Funktionen t|. dem kanonischen System (131)
genügen.
Zwischen den Funktionen t),., t):, I^, Ü^ bestehen nach (139) und
(143) die Beziehungen
D; = W,{x, 9, 0), t, = Ilp{x, \), D), t), = F„^,{x, 9, i,', t). (154)
(153)
§ 73. Die Hamilton-Jacobi'sche Theorie.
599
Endlich genügen die Funktionen ü^ nach (136) den Anfangsbedingungen
t),.(a; a, h, % 7]) = e.(a, &; l rj). (155)
c) Die allgemeinsten Hamilton'schen Formeln:
Wir betrachten jetzt das Integral J, genommen entlang der so-
eben bestimmten Extremalen @ vom Punkt Ä nach dem Tunkt P.
Dasselbe ist eine eindeutige Funktion der Variabein a,h^y . . ., h^-
i, Vi, • • ■,Vn, die wir mit
Sß(a, &i, . . ., &„; i, 7]^, . . ., rjj oder kürzer 3ß(a, 5; |, r^)
bezeichnen und das Extremalenintegral vom Funkt A nach dem Punkt
P nennen; dasselbe ist identisch mit Hamilton's^) „Principal Function'^.
Aus der Definition der Funktion U von § 73, a) folgt, daß
^(a,h',lri) = U(t,a,b,(i). (156)
Es sollen jetzt die partiellen Ableitungen der Funktion SS be-
rechnet werden. Zunächst folgt aus (156)
dm
i
a \da) '^^VccJ da '
i
(157)
wobei die Klammer ( ) die in Absatz b) definierte Bedeutung hat.
Ersetzt man hierin die partiellen Ableitungen von U durch ihre
Werte (145) und (146) und macht von den Relationen (153) Gebrauch,
so erhält man nach einfacher Rechnung die folgenden Ausdrücke für
die partiellen Ableitungen des Extremalenintegrals
n
= ai imt)\i)) -2imKUiMi\ ^m m,
^ = -z^n+.(it^(i),r(ö,ui)),
,-^ = - f{a, i){a), t)\a)) -^2^,{a)F^^,{a,\){a),\^'{a\ l{a)),
ass
gft^- = - P; + la, ^ (a), ^ ' (a), l{a)) .
(158)
^) Philosophical Transactions, 1835, Part. I, p. 99.
600 Elftes Kapitel. Die Euler- Lagrange 'sehe Multiplikatoren-Methode.
Dies sind die Hamilton' sehen Formeln in ihrer allgemeinsten Form.
Man kann denselben noch eine andere Gestalt geben^ indem man mitteis
der Gleichungen (154) statt der Funktionen t)\y I^ die Funktionen ü,-
einführt. Macht man dabei noch von den Gleichungen (152) und
(155) Gebrauch, so erhält man
-|f = -^(|,^,0(|)),
(159)
wo H die durch die Gleichung (129) oder (129 a) definierte Funktion ist.
Durch Elimination der Funktionen \{l)y resp. ©^ ergibt sich
hieraus der folgende Satz von Hamilton^):
Bas Extremalenintegral So genügt jeder der beiden folgenden par-
tiellen Differentialgleichungen erster Ordnung
^2ß , rrft ^ ^^ ^^\ _ 0
(160)
0.
Dies bind die beiden zum kanonischen System (131) gehörigen
Hamilton' sehen partiellen Differentialgleichungen.
Aus der .xsten derselben folgt, daß die partielle Differentialglei-
chung
S + H(M....,..X.-.-a = 0 (161)
befriedigt wird durch die Funktion
'.;^'-
und zwar bei beliebigen Werten der Konstanten a,h^, . . .,h
Es läßt sich aber weiter zeigen, daß diese Funktion überdies ein
sogenanntes „vollständiges Integral''^) der partiellen Differentialglei-
chung (161) ist. Hierzu ist nach der allgemeinen Theorie^) der par-
^Th^^^lton, loc. cit. p. 100. Hierzu die Übungsaufgabe Nr. 9 am Ende
von Kap. XIII. ^, . .
2) Siehe z. B. Gouksat, Le(^ons sur l'integration des equahons aux denvces
partielles du premier ordre (1891), Nr. 42. . , t.^ x x
3) Ibid. Nr. 44. Die Konstante a ist hierbei als eine numerische Konstante,
bj, . . ., &^ als variable Parameter aufzufassen.
§ 73. Die Hamilton-Jacobi'sche Theorie. 601
tiellen Differentialgleichungen erster Ordnung notwendig und hin-
reichend, daß mindestens eine Determinante ^-ten Grades der Matrix
nicht identisch verschwindet. Da aber nach (I6O1)
i
SO reduziert sich diese Bedingung darauf, daß die Determinante
Nun ist aber nach (löOJ
driidh
^ 0. (163)
ae
und aus (löSg) folgt, daß die Determinante
1^+0
dm
in der Umgebung der Stelle {a^,W-^l^,yf). Daher ist die Bedingung
(163) stets erfüllt, und der Ausdruck (162) ist also in der Tat ein
vollständiges Integral der partiellen Differentialgleichung (161).
Sobald also das allgemeine Integral des kanonischen Systems (131) bekannt
ist, kann man durch eine Quadratur ein vollständiges, und daher auch das
y^allgemeine'^^) Integral der partiellen Differentialgleichung (161) erhalten.
Umgekehrt gilt der folgende Satz von Jacobi^):
T<ii
^-'W(x,y„...,y„,ß„...,ßJ+c (164)
irgend ein vollständiges Integral der partiellen Differentialgleichung
so ist das allgemeine Integral des kanonischen Systems (131) gegeben
durch die 2n Gleichungen
dW dW ,,^^.
Jy, ^ '- W. ^ ^- ^^^^)
wobei die 7^ willkürliche Konstanten bedeuten.
Beide Sätze zusammen zeigen, daß die Integration des kanonischen
Systems (131) und die Integration der partiellen Differentialgleichung
(161) äquivalente Probleme sind.
^) Siehe z. B. Goürsat, loc. cit. Nr. 42.
*) Vorlesungen über Dynamik, 19. und 20. Vorlesung; vgl. auch C. Jordan,
Cours d' Analyse, Bd. III, Nr. 258.
Zwölftes Kapitel.
Weitere notwendige, sowie hinreichende Bedingungen beim
Lagrange'schen Problem.
§ 74. Analoga der Bedingungen von Weierstraß und Legendre.
In diesem Kapitel sollen zunäclist die den Bedingungen von
Legendre, Jacobi und Weierstrass entsprechenden Bedingungen
(II), (III), (IV) für das Lagrange 'sehe Prohlem aufgestellt werden.
Wir werden diese Bedingungen zuerst ohne Benutzung der zweiten
Variation ableiten, indem Avir mit der Weierstraß 'sehen Bedingung
beginnen und daraus die Bedingung (II) herleiten (§ 74), während
sich die Bedingung (III) aus einer Verallgemeinerung des Enveloppen-
satzes ergeben wird (§ 75). Alsdann werden wir, wenn auch nur
kurz, auf die Theorie der zweiten Variation eingehen, teils ihres
großen historischen Interesses wegen, teils weil dieselbe, wie sich
herausstellen wird, zur Vervollständigung der vorangegangenen Theorie
der konjugierten Punkte unentbehrlich ist (§ 76).
Den Abschluß des Kapitels bildet dann die Aufstellung hin-
reichender Bedingungen auf Grund des allgemeinen Hilbert'schen
Unabhängigkeitssatzes (§ 77) und die Theorie der Mayer'schen Extre-
malenscharen (§ 78).
Wir beschränken uns dabei durchweg auf den Fall des ,^mik-
tionenproUems^' mit festen Endpunkten bei welchem sämtliche Neben-
beding iingm Differentialgleichungen sind.^)
Ferner machen wir über die Extremale @o dieselben Voraus-
setzungen A), B), C) wie in § 72, b), fügen denselben aber noch eine
weitere Voraussetzung D) hinzu:
^) Der einzige Fall, welcher außerdem bisher vollständig durchgeführt
worden ist, ist das räumliche Variationsproblem ohne Nebenbedingungen,
welches kürzlich Mason und Bliss eingehend behandelt haben, und zwar in
Parameterdarstellung bei festen und bei variabeln Endpunkten, Trans actions
of the American Mathematical Society, Bd. IX (1908), p. 440; vgl. auch
die Dissertation von Nadeschda Geknet (Göttingen li)02), die dasselbe Problem
mit X als unabhängiger Variabein bei festen Endpunkten behandelt.
§ 74. Analoga der Bedingungen von Weierstraß und Legendr e. 603
D) Die Extremale @* soll sich in Beziehung auf jedes noch so
kleine Teilintervall [lilg] ^^^ in § 72, b) definierten „Regularitäts-
intervalls^^
normal verhalten (§ 69, d)), d. h. das einzige System von m Funk-
tionen Aj, Ag, . . ., A,^, welche in [lilg] ^^n der Klasse C sind und
den n linearen Differentialgleichungen
genügen, ist
A, = 0, X,^0, • • ., A„ :^ 0 in ItM
Wir drücken diese Voraussetzung nach v. Escherich ^) dadurch
aus, daß wir sagen, es soll der „Hauptfall" des Lagrange 'sehen
Problems vorliegen.
In den Voraussetzungen A) bis D) ist enthalten, daß die Kon-
stante Iq von §69 den Wert 1 hat, sodaß also in den Euler'-Lagrange-
schen Differentialgleichungen
zu setzen ist. ^^
a) Die Weierstraß 'sehe Bedingung 2):
Zur Herleitung der Weierstraß'schen Bedingung wählen wir
auf der Extremalen ©^ zwischen Pj und Pg einen beliebigen Punkt Pg .
Es folgt dann aus der Voraussetzung C), daß im Punkt Pg mindestens
eine Determinante mten Grades der Matrix (43) von § 69 von Null
verschieden ist; es sei etwa
Hvi^ Vi ■ ■ -^ VL) ^ ^'^
Diese Determinante ist dann auch noch in einer gewissen Umgebung
des Punktes Pg von Null verschieden. In dieser Umgebung wählen
wir auf (S^ und vor Pg einen Punkt Pq. Wir ziehen dann durch Pg
eine beliebige Kurve _
^' Vi-'Vii^)
") Vgl. Wiener Berichte, Bd. CVIII (1899), p. 1290.
^) Zuerst von Hahn auf etwas anderem Wege abgeleitet, vgl. Monatshefte
für Mathematik und Physik, Bd. XVII (1906), p. 295; für den Fall end-
licher Bedingungsgleichungen ist die Ausdehnung der Weierstraß'schen Be-
dingung auf das Lagrange'sche Problem schon vorher von Rudio gegeben w^orden,
vgl. Yierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft zu Zürich,
Jahrgang XLIII (1898), p. 340.
604 Zwölftes Kapitel. Lagrange'sches Problem. Fortsetzung.
der Klasse C, welche den m Differentialgleichungen^)
(p^(x, y{x), y{x)) = 0
genügt, und für welche das Wertsystem
^3. 2/1(^3); •••. ynipz)^ ^1(^3)» •••. ynipOz) (2)
ganz im Innern des Bereiches % von § 69 liegt. Wie sich aus den
Existenztheoremen über Differentialgleichungen ergibt^ ist dies stets
möglich, und wir können die Werte
beliebig vorschreiben, vorausgesetzt, daß für das Wertsystem (2)
mindestens eine Determinante mten Grades der Matrix
dy'A ^ = 1,2, ...,m, W
von Null verschieden ist.
Es sei jetzt P^ derjenige Punkt von S, dessen Abszisse den
Wert x^^ x^ — £ hat, unter e eine kleine positive Größe verstanden.
Dann können wir stets, und zwar für beliebige, hinreichend kleine
Werte von e, eine Kurve
von den erforderlichen Stetigkeitseigenschaften konstruieren, welche
durch Pq und P^ geht:
^i(^o. ^) = 2/iK); yi{^iy ^) = i/iW; (4)
sich für £ = 0 auf (5q reduziert:
und den m Differentialgleichungen
(p^(x,y(x,£),y'{x,6)) = 0
genügt.
Zum Beweis dieser Behauptung verfahren wir ganz ähnlich wie in § 69, a).
Wir wählen n{n — m) Funktionen^) r]f^^^(aj) von der Klasse 0", welche sämtlich
in Xq verschwinden, sonst aber willkürlich sind, und setzen
k
Alsdann können wir nach § 24, e) m Funktionen
^) Wir benutzen dieselben abkürzenden Bezeichnungen wie in §§ 68 und 72.
*) Wegen der Bedeutung der Indizes vgl. die Verabredung im Eingang
von § 68.
§ 74. Analoga der Bedingungen von Weierstraß und Legendre. 605
von den dort angegebenen Stetigkeitseigenschaften bestimmen, welche mit den
Funktionen r"„j^,, zusammen den m Differentialgleichungen
und den Anfangsbedingungen
Y^{x, 0, . . , 0) = 0, Y^{x,, 8„ . . , 8„) = y^{x,)
genügen.
Gelingt es nun, die Größen g^, . . ., f^ so als Funktionen von s zu bestimmen,
daß sie den n Gleichungen
^i(^4i«l,--M«J = ^i(^4) (5)
mit der Anfangsbedingung: f^ = 0, . . ., s^^ = 0 für e = 0 genügen, so besitzt die
Kurve
y. == Y,{X, 8, {8\ . . ., 8„ (6)) = y -(OJ, s)
alle verlangten Eigenschaften.
Eine solche Bestimmung der s. ist nun aber in der Tat stets möglich.
Denn da nach der Konstruktion der Kurve (£
yii^s) = yiM^ (6)
so werden die Gleichungen (5) durch das Wertsystem s = 0, Sj = 0, . . . , s =0
befriedigt, und überdies läßt sich zeigen, daß die willkürlichen Funktionen rj^
sich so wählen lassen, daß die Funktionaldeterminante der Auflösung von Null
verschieden ist. Zum Beweis bemerken wir zunächst, daß die durch die Glei-
chungen
definierten Funktionen rjj^ den Differentialgleichungen
und den Anfangsbedingungen
genügen, woraus wie in § 69, b) folgt, daß die Funktionen tj* nur von den Funk-
tionen nt + r ^^* demselben oberen Index abhängen und nach Wahl derselben
eindeutig bestimmt sind.
Da ferner nach unserer Voraussetzung D) die Extremale S^, sich in Be-
ziehung auf das Intervall [x^x^] normal verhält, so folgt nach § 69, d), daß sich
die Funktionen ri^^^^ so wählen lassen, daß sie in x^ verschwinden, und daß
für die hiernach in der eben angegebenen Weise bestimmten Funktionen ?]^ die
Determinante
h«W|+0. (7)
Wählt man jetzt schließlich noch die Funktionen v^'t^ so, daß
unter d^^ wieder das Kronecker'sche Symbol verstanden, so reduziert sich die
Bolza, Variationsrechnung. 39
606 Zwölftes Kapitel. Lagrange'sches Problem. Fortsetzung.
fragliche Funktion aldeteraiinante auf die Determinante (7), womit unsere Be-
hauptung bewiesen ist.
Nachdem so eine Schar von zulässigen Variationen von den ge-
wünschten Eigenschaften hergestellt ist, betrachten wir das Integral J
vom Punkt P^ entlang @o bis Pq, von da entlang ß bis P^, dann
von P4 entlang S nach P3 und endlich von P3 entlang @q bis Pg.
Den Wert desselben als Funktion von s bezeichnen wir mit J{e\
Da sowohl die Funktionen yi{x), als y.{x,8), als ^.(a;) den Differential-
gleichungen 9)^ = 0 genügen, so können wir J{s) auch schreiben
Xo x^ X, a-2
J(s) =fFdx +fFdx -\-fFdx +fFdx,
•J'l Xf, Xi Xj
wobei die in F, resp. F und F vorkommenden Funktionen A^ die zur
Extremalen @o gehörigen Multiplikatoren sind.
Beachtet man jetzt Gleichung (6) sowie die aus (43) folgende
Relation
so erhält man nach einfacher Rechnung unter Anwendung der La-
grange'schen partiellen Integration und unter Benutzung der Be-
zeichnung (120) von § 72:
J' (0) = F(x, y ix), y {x), k {x)) - F{x, y {x\ y ' {x\ l (x))
-^(y-i^) - y[i^))K+i{^,y(^\y'(^)>^(^))?''
Definiert man daher die Weierstraß'sche 8-Funktion für das
vorliegende Lagrange'sche Problem als Funktion ihrer ^n -\- m -{■ 1
Argumente
X, 2/u • • -> yn,Pu • • '>Pn^Pu • • '^Pny ^U ' ' V ^m
durch die Gleichung
ßiix,y',p,p',X) = F{x, y,p, X) - F{x,y,p,X) -^{Pi -Pi)KU^,y^P>^\ i^)
i
so folgt hieraus der Satz^):
Soll die Extremale ©^ ein starlces Minimum für das Integral J
mit den Nebenbedingungen (p. = 0 liefern, so muß
8 {X, y {X) ; y ' {x\p', X {x)) ^ 0 (IV)
^) Vgl. Hahn, loc. cit., p. 303. Hier, wie bei allen folgenden Sätzen über
das Lagrange'sche Problem, sind stets die Voraussetzungen A) bis D) noch,
hinzuzufügen.
§ 74. Analoga der Bedingungen von Weierstraß imd Legendre. 607
sein für Jedes x im Intervall [x^x^-] und für jedes endliehe Wertsystem
Pi) ■ ' ■) Pn^ welches den Bedingungen
gmügt, und für tvelches der PunU (x,y{x),p) im Innern des Bereiches
% liegt und mindestens einer Determinante mien Grades der Matrix (3)
einen von Null verschiedenen Wert erteilt.
b) Die Clebsch'sche Bedingung:
Aus der Weierstraß'schen Bedingung läßt sich nun leicht die
der Legendre'schen entsprechende Bedingung (II) ableiten.^)
Dazu müssen wir zunächst den folgenden Hilfssatz beweisen:
Es sei ^i,?2?- ••;f,^ irgend ein System von Größen, welche den
m Gleichungen xrr^tp
2^g,;?' = o (10)
genügen. Alsdann kann man stets n Funktionen p.{e) bestimmen,
welche in der Umgebung der Stelle £ = 0 von der Klasse C" sind,'
für beliebige, hinreichend kleine Werte von |£| den m Gleichungen
9P^fe2/(^3);^(f)) = 0 (11)
und den Anfangsbedingungea
genügen. Ä(0) = 0, p^O) = e, (12)
Die Argumente von d^p^joy. sind dabei (x^,y{x^),y\x^)).
Zum Beweis definieren wir zunächst
Dann können wir nach dem Satz über implizite Funktionen die m
Gleichungen
^^ip^^, 2/1(^3), . • .; yni^3),Pl, ' • ■,Pm>Pm + li^\ • • v ^(f)) = 0
in der Umgebung des Wertsystems ^ = 0, ^^ = y[(x,), ...,p^^ y„X^,)
emdeutig nach A, . . .,^^ auflösen. Denn die Gleichungen werden
durch dieses spezielle Wertsystem befriedigt, und die Funktionaldeter-
minante der Auflösung ist nach (1) von Null verschieden. Wir er-
halten daher eine Lösung p^=pj^e) der verlangten Art, von der nur
noch zu zeigen ist, daß sie auch der Bedingung (12^) genügt. Diffe-
rentiieren wir die in s identischen Gleichungen (11) nach a und setzen
dann £ = 0, so erhalten wir
a ^« V^ ^ym + r
^) ^gl- Hahn, loc. cit. p. 303. Der Beweis von Hahn ist übrigens durch
den hier gegebenen Hilfssatz zu ergänzen.
39*
608 Zwölftes Kapitel. Lagrange 'sches Problem. Fortsetzung.
woraus durch Vergleich mit (10) wegen (1) folgt, daß: p^(p) = ?,,
womit der Hilfssatz bewiesen ist.
Wegen (11), (12^ und (1) muß nun im Fall eines Mmimums
die Weierstraß'sche Bedingung
für alle hinreichend kleinen Werte von \s\ erfüllt sein. Bezeichnen
wir die linke Seite als Funktion von s mit E^s), so ergibt eine ein-
fache Rechnung unter Benutzung von (12):
£(0) = 0, £'(0) = 0, i?"(0)=2'S^'^^') ■
Da nach dem Taylor'schen Satz
so folgt hieraus der Satz:
Für ein Minimum des Integrals J mit den Nebenbedingungen 9^ = 0
ist weiter notwendig, daß in jedem PunU des Extremalenbogens @o
für alle den m Gleichungen
^S^--0 (13)
genügenden Wertsysteme der Größen I^^Uj ' ' 't^n-
Dabei sind die Argumente der zweiten Ableitungen von F:
{x, y{x), y\x)y k{x)), diejenigen von dcp^/cy.: {x, y{x\ y\x)).
Wir werden diese Bedingung die „Clebsch'sche Bedingung nennen,
da sie zuerst von Clebsch^) gegeben worden ist, und zwar mit Hilfe
der zweiten Variation.
In der Theorie der quadratischen Formen wird gezeigt^), daß die
Bedingung (II) damit äquivalent ist, daß unter den Wurzeln der
Gleichung
1) Das Summationszeichen ^ bedeutet hier und in der Folge stets die
n n i,k
Doppelsumme ^ ^.
*) Journal *ftr Mathematik, Bd. LV (1858), p. 254. Vgl. auch unten
§ 76,f). n 1 n
») Weierstrass, Vorlesungen über Variationsrechnung 1879; C.Jordan, Lowrs
d' Analyse, Bd. UI, Nr. 392.
§ 74. Analoga der Bedingungen von Weierstraß und Legendre. 609
G(e) ^
-^nl> ^«2^ • • •; ^nn — 9> An '••; Am
Au Ai» • ' •; Au ö? • • •, 0
Am? Am? • • '> Am? ö? • • •, 0
0, (14)
welche bekanntlich alle reell sind^)^ sich keine negativen befinden,
wobei zur Abkürzung
gesetzt ist. ey.^yl--^'^' ^yl-"-'^
Für Q = 0 reduziert sich die Determinante G(q) auf die Determi-
nante B von § 12, a), die nach Voraussetzung C) entlang ©^ von
Null verschieden ist. Somit kann unter den Wurzeln der Gleichung
(14) die Null nicht vorkommen. Das hat zur Folge, daß unter der
Voraussetzung C) die Bedingung (II), wenn überhaupt, nur in der
stärkeren Form .^-^ ^^ ^
für aUe den Gleichungen (13) genügenden, nicht sämtlich verschwin-
denden Werte ^i , ?2 ? * * ' ? Sn erfüUt sein kann.
Da die Wurzeln der Gleichung (14) sämtlich reeU sind, so er-
^) Siehe Gundelfinger in Hesse, Analytische Geometrie des Baumes (1876)
p. 518; Weierstrass, Vorlesungen über Variationsrechnung 1879. Den folgenden
einfachen Beweis verdanke ich Herrn Löwy:
Ist Q eine Wurzel der Gleichung (14), so gibt es n -f- m reelle oder kom-
plexe Größen x^^x^^- • • , aJ^j, 2/1 , 2/2 , • • •, 2/,n» welche nicht alle gleich Null sind
und den n -\- m Gleichungen genügen
-Rtl^l + -^^2^2 H h I^in^n + A'l2/l + A22/2 H h Li^r^Vm = Q^'i^
Dabei können wegen (1) nicht alle Größen x^ gleich Null sein.
Es seien jetzt x^, y ^ die zu x^^y ,^ konjugiert imaginären Größen; dann folgt,
indem wir die e te Gleichung mit x^, die {n -\- §)iQ mit y multiplizieren und
dann addieren^
^BikXf^Xi -f ^Liß{Xiy^-\-Xiy^) = q ^^i^i-
/, k i,[i i
D2i R ,, L reell sind, und B , = B, ., so ist die linke Seite reell; da
ik^ ifi ' tk *t'
Überdies auch ^x^x^ reell und von Null verschieden ist, so folgt, daß q reell
sein muß.
610 Zwölftes Kapitel. Lagrange'sches Problem. Fortsetzung.
gibt sich aus der Des carte s 'sehen Regel ein sehr einfaches Mittel,
um zu entscheiden, ob die Bedingung (IV) erfüllt ist: Man ordne die
cranze Funktion G{q) nach absteigenden Potenzen von q] alsdann
müssen die Koeffizienten der so erhaltenen ganzen Funktion ab-
wechselnde Vorzeichen haben.
§ 75. Die Kn es er 'sehe Theorie der konjugierten Punkte beim
Lag ränge 'sehen Problem.
Wir werden in diesem Paragraphen nach dem Vorgang von
Kneser den Enveloppensatz von § 44, c) und § 62, d) auf den Fall
des Lagrange 'sehen Problems ausdehnen und daraus die der Jacobi-
schen Bedingung entsprechende Bedingung (III) ableiten. Wir halten
dabei an den Voraussetzungen A) bis D) von §§ 12 und 74 über die
Extremale @o fest.
a) Definition des konjugierten Punktes:
Wir gehen aus von der Betrachtung der Gesamtheit^) der Extre-
malen durch den Anfangspunkt Pi(^i, 2/ii; ' ' 'j Vnd ^^^ Extremalen-
bogens ©q. Dieselbe bildet eine w-parametrige Schar, die sich nach
den Resultaten von § 72, c) mittels der Funktionen ^^ in der folgenden
Normalform darstellen läßt:
Vi = a(^; ^u Vn, • • •; ynu Cu ■ • •; O = Y,{x, C,, • • •, cj, (15)
mit Ci, • • •,c,^ als Parametern. In der Tat ist nach Gleichung (136J
von § 72
Y,(x,,c„--', cj=-y,„ (16)
woraus sich durch Differentiation nach c^ ergibt
Die Schar (15) enthält die Extremale ®o ^^^ ^^^^ ^^^ ^^^ ^®'
Zeichnung von § 72, Gleichung (122), für:
sodaß also
Y,{x, e\, ■ ■ ; c«) = y,{x).
^) Streng genommen handelt es sich nur um Extremalen, die zu solchen
Lösungen der Differentialgleichungen (I) gehören, welche nur wenig von der
Lösung (119) von § 72 abweichen. Daß die Gleichungen (15) alle diese Extremalen
darstellen, folgt daraus, daß nach Gleichung (143) von § 72 die Determinante
d'^i/dbf^ 1 von Null verschieden ist.
§ 75. Die Kneser'sche Theorie der konjugierten Punkte. 611
Die Funktionaldeterminante der Schar bezeichnen wir mit
Es folgt dann aus (17), daß
insbesondere also auch
^(^i,«;,---,<) = o. ' (18)
Wir wollen nun die Annahme machen, daß der Punkt Xy^ ein
isolierter NullpunM der Funktion Dix, cj, • • •, c^) ist, d. h. daß sich
eine Umgebung von x^ angeben läßt, in welcher diese Funktion, ab-
gesehen vom Punkt x^y von Null verschieden ist. Es wird sich später
zeigen^), daß dies in Wirklichkeit keine weitere beschränkende An-
nahme, sondern eine Folge unserer bisherigen Voraussetzungen A)
bis D) ist.
Es folgt dann, daß entweder^)
D{Xy c\, • • •, cj;) + 0 für x^<x<xl
oder aber, daß es zwischen x^ und x^ einen zunächst^) auf x^
folgenden Nullpunkt x[ dieser Funktion gibt, sodaß also
Bix' c?, • • •, ßO) = 0,
D(:y, cj, •.•,cO) + 0 für ^i<^<^;. ^ ^
Im zweiten Fall heißt der dem Wert x = x[ entsprechende Punkt
Pj der Extremalen ©^ wieder der zu F^ konjugierte Punkt.
Die Funktionaldeterminante D läßt sich auch als Determinante
2nter Ordnung schreiben; definiert man nämlich nach A. Mayer*) die
Funktion A(XfX^) durch die Determinante
A{x,x,) =
' 8«! i '
"'dc„
86. i '
(20)
(i = 1, 2, • . ., n\
wobei in den partiellen Ableitungen der Funktionen ^,(^; a, h, c) nach
^) Siehe § 76, g). Sind die Funktionen f und cp analytisch und regulär
im Bereich %, so ist diese Annahme damit gleichbedeutend, daß Z)(rc, c?, • • -,0°)
nicht identisch verschwinden soll.
*) Wegen der Bedeutung des Zeichens xt siehe § 72, b).
^) Vgl. den am Ende von § 61, b) erwähnten Hilfssatz über stetige Funktionen.
*) Journal für Mathematik, Bd. LXIX (1868), p. 250.
612 Zwölftes Kapitel. Lagrange' sches Problem. Fortsetzung.
der Differentiation a = x^, h^ = y,^, ' • *, ^« = Unu ^i = ^Ir • ', <^n = ^n
zu setzen ist^ so ist
D(a;,c?,---,c») = A(a;,xO, (21)
wie sich unmittelbar aus den Gleichungen (143) von § 12 ergibt.
In dieser Form A wird uns die Determinante in der Theorie der
zweiten Variation wieder begegnen; man pflegt sie die 31 ay er' sehe
Determinante zu nennen.
Geht man von der Normalform (15) der Extremalenschar durch
den Punkt P^ zu einer andern Darstellungsform über, indem man an
Stelle der Parameter Cj, • • •, c„ andere n unabhängige Parameter ein-
führt, so wird die Funktionaldeterminante I)(x,c^,---, c„) der Schar
nach bekannten allgemeinen Sätzen über Funktionaldeterminanten nur
mit einem konstanten, nicht verschwindenden Faktor multipliziert.
Dasselbe gilt von der Determinante ^{x, x^), wenn man von den
„kanonischen Konstanten" \, - - -y^, c^, - - -, c^i zu beliebigen anderen
Integrationskonstanten übergeht.
Für die weitere Diskussion werden wir die beschränkende Annahme
machen, daß im konjugierten Punkt, falls ein solcher existiert,
DM, <, ■ ■ ; cS) + 0. (22)
Dann können wir nach dem Satz über implizite Funktionen die Gleichung
in der Umgebung der Stelle x = x^, ^i = ^v * ' '; ^« ^ ^? eindeutig
nach X auflösen^). Die Lösung sei
^ = £(q,-";0;
sodaß also ^. n /^
identisch in c^, • - •, c^ und
Es besitzt dann auch jede der Extremalen ©^ benachbarte Extremale
(c) der Schar (15) einen zu P^ konjugierten Punkt, und die Abszisse
desselben ist j(Ci, • • •, cj.
Den geometrischen Ort dieser konjugierten Punkte, d. h. also die
w-fach ausgedehnte Mannigfaltigkeit
^) Dabei müssen wir allerdings voraussetzen, daß auch die zweiten Ab-
leitungen d^Y^/dc^dCj existieren und stetig sind; das wird nach p. 178, Zusatz I
sicher der Fall sein, wenn wir die ursprünglichen Voraussetzungen von § 69
über die Funktionen f und qp dahin verschärfen, daß dieselben im Bereich S
von der Klasse Civ gind. '
§ 75. Die Kn es er 'sehe Theorie der konjugierten Punkte. 613
im Raum der Variabein o[), y^, • • -, y^ könnte man die „Brennhyper-
fläcJie'^ der Schar (15) nennen. Es lassen sich für dieselbe ähnliche
Betrachtungen anstellen, wie im Fall des isoperimetrischen Problems
(§62,b)).
b) Das ausgezeichnete Extremalenbüscliel durch den Punkt P^:^)
Wir greifen jetzt aus der w-fach unendlichen Extremalenschar (15)
eine einfach -unendliche, die Extremale (Sq enthaltende Schar (ein
„Büschel") heraus, indem wir die Größen c. durch Funktionen eines
Parameters a ersetzen, welche für einen bestimmten Wert a = «q die
Werte cj annehmen und in der Umgebung von aQ von der Klasse 0' sind:
^z=^,-(«). ^\K) = C?; (23)
sodaß das Büschel dargestellt wird durch die Gleichungen
2/.= r,(^,c„. ..,aj, (24)
und stellen uns nunmehr die Aufgabe, die Funktionen c.(a) so zu
bestimmen, daß dieses Büschel eine Enveloppe besitzt, d. h., daß es
eine Kurve g gibt, welche von sämtlichen Kurven des Büschels be-
rührt wird.
Angenommen es existiere eine solche Kurve g, und es sei
x(a) die Abszisse des Berührungspunktes Pg der Extremalen d^ des
Büschels (24) mit g. Die Ordinaten von P^ sind dann r'.(^, c^,. . .,cj,
und die Kurve g ist in Parameter dar Stellung gegeben durch die
Gleichungen
g: x = x(a), yi-Y,(x,c,,...,c„) = y,(a), (25)
Im Punkt Pg soUen sich die beiden Kurven @^ und g berühren,
worunter wir verstehen, daß die n Gleichungen bestehen soUen:
^'(«)[il] = y;(«), (26)
wenn wir durch die Klammer [] die Substitution von ^, Ci,...,(5„
für iT, Cj, . . ., c„ andeuten. Da nach (25)
SO reduzieren sich die Gleichungen (26) auf
VP5
^ I '^^^
ö;W = o. (28)
^) Im wesentlichen nach Kneser, Mitteilungen der Mathematischen
Gesellschaft zu Charkow, zweite Serie, Bd. VII (1902); vgl. auch für den
speziellen Fall n=2, m = 0 die schon oben erwähnte Arbeit von Mason und
Bliss, Transactions of the American Mathematical Society, Bd. IX
(1908), p. 446.
614 Zwölftes Kapitel. Lagrange 'sches Problem. Fortsetzung.
Da ferner die Funktionen c^ nicht sämtlich konstant sein sollen,
so muß die Determinante des Gleichungssystems (28) verschwinden,
d. h. es muß
i)(^,c,,...,O = 0 (29)
sein. Diese Gleichung sagt aus, daß der Berührungspunkt F^ ein zu
Pj auf der Extremalen @^ konjugierter Punkt (im weiteren Sinn)
sein muß. Wir betrachten insbesondere den Fall, wo der Berührungs-
punkt der Extremalen @o mit 5 der konjugierte Punkt im engeren
Sinn, P', ist, also
^(«o) = ^r
Dann folgt aus (29) nach der am Ende von Absatz a) gemachten
Bemerkung unter der Voraussetzung (22), daß
für alle Werte von a in der Nähe von a^.
Gibt man dem x{a) diesen Wert, so ist es möglich, den Gleichungen
(28) durch Werte der Größen c[ {a) zu genügen, welche nicht sämt-
lich null sind, und zwar sind die Verhältnisse dieser Größen durch
die Gleichungen (28) eindeutig bestimmt. Denn wegen der Voraus-
setzung (22) sind die Subdeterminanten des Koeffizientensystems dieser
Gleichungen nicht sämtlich gleich Null, da
i,k
wenn D,.^ die Subdeterminante des Elementes rYJcc,^ in der Deter-
minante D bedeutet. Es sei z. B.
für u = Uq und daher auch in einer gewissen Umgebung von a^.
Dann ergibt die Auflösung von (28)
Den Proportionalitätsfaktor q dürfen wir ohne Beschränkung der All-
gemeinheit gleich 1 annehmen, da wir dies durch Einführung eines
passenden neuen Parameters an Stelle von a stets erreichen können.
Die Gleichungen (31) stellen nunmehr ein System von n Diffe-
rentialgleichungen erster Ordnung in der Normalform dar, welche
zusammen mit den Anfangsbedingungen {2'd^) nach dem C au chy 'sehen
Existenztheorem von § 23, a) die Funktionen c^.(a) eindeutig be-
§ 75. Die Kneser'sche Theorie der konjugierten Punkte. 615
«timmen, und zwar sind dieselben wegen (30) nicht etwa sämtlich
konstant.^)
Für das so erhaltene Funktionensystem Cj^{a) gelten dann in der
Tat die Gleichungen (20) in der Umgebung von a = a^. Falls x\aQ) =f= 0,
so ist die Berührung eine eigentliche. Ist dagegen x\a^ = 0, so
ist auch yi{ccQ) = 0. Ist dabei x\a) ^ 0, so ist P[ ein singulärer
Punkt' der Enveloppe g. Ist dagegen ä;'(c(:) = 0^ so ist auch
y'.{a)^Oj d. h. die Enveloppe g degeneriert in einen Punkt, und
zwar in den Punkt P^, wie sich aus den Anfangsbedingungen für
a = a^ ergibt.
Es gilt also der folgende von Kneser herrührende Satz:
Unter der Voraussetzung (22) gibt es in der n-faeli unendlichen
JExtremalenschar (15) durch den Punkt P^ ein und nur ein die Extre-
male (^0 enthaltendes ausgezeichnetes Extremalenbüschel , ivelches eine
Enveloppe besitzt, die im PunJct P[ entiveder die Extremale ©^ herüJirt,
oder in P[ einen singulären Punkt besitzt, oder aber in den Punkt P[
degeneriert
c) Der verallgemeinerte Enveloppensatz : 2)
Wir betrachten jetzt unser Integral J, genommen entlang der
Extremalen (S„ des ausgezeichneten Büschels vom Punkt P^ bis zum
konjugierten Punkt Pg. Dasselbe ist eine eindeutige Funktion von a,
die wir mit J{a) bezeichnen:^)
X
J{a) =jf{x, Y(x, c), Y\x, c))dx.
Nach der Definition der Funktion U von § 73, a) ist dann
J{a) = U(^; x^, y,^, . . ., «/„i, c,, . . ., cj. (32)
Daher können wir mit Hilfe der allgemeinen Formeln (145) und (146)
^) Hieraus folgt, daß die Extremale @^ nicht etwa für alle Werte von cc
in der Umgebung von a^ mit (S^ identisch sein kann. Denn aus der Identität
würde durch Differentiation nach a folgen, daß
i
was wegen (lOg) nicht möglich ist.
Diese Bemerkung ist für den unter d) folgenden Beweis von Wichtigkeit.
^) Vgl. Kneser, loc. cit.
^) Wir schreiben analog den früheren Abkürzungien
{x,c) statt (ic, Ci, . . .,c„).
616 Zwölftes Kapitel. Lagrange'sches Problem. Fortsetzung.
von § 73 den Ausdruck für die Ableitung J'{a) unmittelbar hin-
schreiben, wobei wir uns der Definition (15) der Funktionen Y^ sowie
der Bedeutung des Zeichens [] zu erinnern haben. Man findet
J\a) = f{x, Y{x,c\ T{x/c)yx'
i,k ^ *-'
Die Doppelsumme ist aber gleich Null, da ja das Extremalen-
büschel das durch die Gleichungen (28) definierte ausgezeichnete
Büschel sein sollte. Es kommt also schließlich
J\a) = f{x, Y{x, c), Y\x, h))x\ (33)
Wir unterscheiden jetzt zwei Fälle:
Fall I: x'{a) ^ 0, die Enveloppe g degeneriert nicht.
Wir beschränken uns dabei auf den Fall
X'(«„) + 0, (34)
indem wir den Ausnahmefall, wo die Enveloppe 5 i^ P[ einen sin-
gulären Punkt hat, bei Seite lassen. Dann können wir nach (25)
und (26) die Gleichung (33) schreiben
j'(«) = /-(ä(«),K«),fi)^'W- (3^)
Andererseits können wir wegen (34) die Gleichung x = x(a) in
der Umgebung von a^a^ eindeutig nach a auflösen; es sei: cc = a{x)^
Wir können daher die Enveloppe 5 ^^ der Form schreiben:
woraus folgt
Wir erhalten also, wenn wir die Gleichung, (35) nach a inte-
grieren und X als Integrationsvariable einführen,
J{a,) - J{a) =ff{x, Y{x), r{x))dx. (36)
X
Wir wählen nun a ^ c^^, je nachdem xUa^) ^ 0, sodaß in beiden
Fällen x{a) < ^(«o)? ^- ^•
X <^ x[.
Dann können wir die Gleichung (36) schreiben:
- J^.^{P,P[) = J^^{P,P,) + J^{P,P[). (37)
§ 75. Die Kneser'sche Theorie der konjugierten Punkte. 617
Diese Gleichung stellt den von Kneser herrührenden verallgemeinerten
Enveloppensats dar.
Fall II: x\a) = 0, die Enveloppe degeneriert in einen Punkt.
Dann folgt aus (33): J\a) = 0^ also J(a) = Jiy.^y d. h.
J^SPiP:) = J<,SP^P:)- 058)
Die Extremalen des ausgezeichneten Büschels, welche in diesem Fall
sämtlich durch P^ und P[ gehen, liefern also für das Integral J,
genommen von Pj bis F[, sämtlich denselben Wert.
d) Notwendigkeit der May er 'sehen Bedingung:
Mit Hilfe des Enveloppensatzes läßt sich nunmehr zeigen, daß
ein Extremum jenseits des konjugierten Punktes nicht mehr bestehen
kann. Angenommen es sei
x[<X2. (39)
Dann folgt aus dem Enveloppensatz zunächst, daß man A «7 = 0
machen kann durch eine zulässige Variation des Extremalenbogens Ö^.
Für den Fall II ist dies unmittelbar klar. Für den Fall I ist nur
noch zu zeigen, daß auch der Bogen PgP^ von ^ den Bedingungs-
gleichungen (pß = 0 genügt. In der Tat folgt dies aus der Grleichuiig
(p^(x, Y{x,~c), r(;r,a)) = 0,
wenn man darin zunächst x durch x(cc) und dann a durch a(x) er-
setzt. Daher stellt die aus dem Bogen P^P^ von (S^ und dem Bogen
PgP^ von % zusammengesetzte Kurve eine zulässige Variation^) des
Bogens P^P[ von (Sq dar, für welche AJ=0. Damit ist bewiesen,
daß kein eigentliches Extremum stattfinden kann, wenn x[^x^.
Es muß aber noch weiter gezeigt werden, daß unter der Voraus-
setzung (39) auch kein uneigentliches Extremum stattfinden kann,
d. h. daß man A J < 0 machen kann.
Wir betrachten zunächst den Fall I. Angenommen der Kurven-
zug PjPgPj liefere ein Minimum für das Integral «7; dann muß der
Bogen P^P[ der Enveloppe g ein Extremalenbogen sein. Aus Stetig-
keitsgründen folgt, daß für denselben ebenso wie für den Bogen P^P^
die Bedingungen B), C) von § 12 und^) die Bedingung D) von § 74
erfüllt sind, wenn a hinreichend nahe bei c^q gewählt wird. Nehmen
wir dann noch an, daß die Enveloppe ^ von der Klasse 0" ist, was
^) Man beachte auch die Ungleichung x <^ x{, sowie die Bemerkung in
Fußnote ^) auf p. 615.
^) Für die Bedingung D) kann ich dies allerdings nur als Vermutung aus-
sprechen.
618 Zwölftes Kapitel. Lagrange 'sches Problem. Fortsetzung.
stets der Fall sein wird, wenn die Stetigkeitsvoraussetzungea von § 69
über die Funktionen f und (pß hinreichend verschärft werden, so
können wir auf den Kurvenzug Pj Pg F[ den Zusatz von § 70, b) über
diskontinuierliche Lösungen anwenden. Darnach muß, da die beiden
Kurven @^ und g sich im Punkt Pg berühren,
Yi'{x,c)^Y-'{x) (40)
sein. Nun ist aber nach (2^), identisch in a,
YI{x,c)=^Y;{x).
Daraus folgt durch Differentiation nach a
rr(x,c)x'+2'Fa5''
C/t = Yi [x] X
Die n Gleichungen (40) sind also nur möglich, wenn
2"
k
m''"-
Da aber außerdem die Gleichungen (28) bestehen und die n Größen C],
nicht sämtlich gleich Null sind, so schließt man, daß die n Deter-
minanten, die aus der Determinante 2)(£', Cj, . . ., cj hervorgehen, wenn
man je eine Zeile [aT./rc^], Ä: = 1, 2, • • •, w durch die entsprechende
SsY'ijcc^^ Ä^= 1, 2, • • •, ?^ ersetzt, verschwinden müssen. Daraus
würde aber folgen, daß D^ix^ c'j, • • •, c„) = 0 sein muß, was wegen
(22) nicht stattfinden kann, wenn a, hinreichend nahe bei a^ liegt.
Damit ist bewiesen, daß der Kurvenzug P^P^P[ kein Minimum
für das Integral /liefern kann; man kann denselben daher so variieren,
daß das Integral J einen kleineren Wert annimmt, d. h. daß
AJ<0 wird.
Aber auch im Fall II kann man A J<0 machen, wenn x[< x^.
Denn nehmen wir an, die aus dem Bogen P^P^ von @„ und dem
Bogen P1P2 von ©^ zusammengesetzte Kurve liefere ein Minimum
für das Integral J, so müssen im Punkt P[ die Eckenbedingungen
(74) von § 70, b) erfüllt sein Aus denselben folgt, daß im Punkt P^'
i
sein muß, wobei sich die unüberstrichenen Buchstaben auf @„, die
überstrichen en auf (Bq beziehen. Man zeigt aber leicht, daß diese Be-
dingung für hinreichend kleine Werte von | « — «^ | nicht erfüllt sein
kann, wenn die C leb seh 'sehe Bedingung für die Extremale (S^ in
der stärkeren Form (11') erfüllt ist.
§ 76. Die zweite Variation. 619
Unter der einschränkenden Annahme (22) und unter Beiseite-
lassung des Ausnahmefalles, in welchem die Enveloppe g in P[ einen
siugulären Punkt besitzt, können wir also den Satz aussprechen^):
Für ein Extremum des Integrals J mit den Nebenbedingungen
(f^ = 0 ist weiterhin nottv endig, daß
A (x, Xj) + 0 für x^<x<x^ (III)
oder, anders geschrieben,
x^^x[.
Dieser Satz ist zuerst von A. Mayer ^) gegeben worden, der den-
selben aus der zweiten Variation ableitet.
§ 76. Die zweite Variation beim Lagrange 'sehen Problem.
In den vorangehenden Paragraphen haben wir die Notwendigkeit
der beiden Bedingungen (II) und (III) ohne Benutzung der zweiten
Variation bewiesen. Im gegenwärtigen Paragraphen soll nunmehr im
Anschluß an die Untersuchungen von v. Escherich eine gedrängte
Darstellung der Theorie der zweiten Variation^) gegeben und wenig-
stens angedeutet werden, wie man mit deren Hilfe ebenfalls die Not-
wendigkeit dieser Bedingungen beweisen kann. Zugleich wird sich
^) Der in Fußnote ^) p. 617 erwähnte Punkt wäre dabei noch aufzuklären.
*) Loc. cit. p. 258. Freilich beweist Mayer nur, daß dV= 0 gemacht
werden kann, wenn x^^ x^; vgl., auch wegen der weiteren Literatur, p. 625
Fußnote ^). Hierzu die Übungsaufgaben Nr. 4, 7, 8 am Ende von Kap. XIII.
^) Wegen der Geschichte dieser Theorie verweisen wir auf die Encyklo-
pädie IIA, pp. 591—601 (Kneser) und pp. 683—635 (Zermelo und Hahn), sowie
auf die historische Einleitung der unten angeführten Arbeit von Scheffer. Die
für unsere Zwecke wichtigsten Arbeiten sind:
Clebsch, „lieber die Beduktion der ziveiten Variation auf ihre einfachste
Form'', Journal für Mathematik, Bd. LV (1858), pp. 254—270.
Clebsch, „ lieber diejenigen Probleme der Variationsrechnung, welche nur eine
unabhängige Variable enthalten", Ibid. pp. 335 — 355.
A. Mayer, „lieber die Kriterien des Maximums und Minimums der einfachen
Integrale'', Journal für Mathematik, Bd. LXIX (1868), pp. 238—263.
Scheeffer, „Die Max im a und Minima der einfachen Integrale zivischen festen
Grenzen'', Mathematische Annalen, Bd. XXV (1885), pp. 522—593.
V. Escherich, „Die ziceite Variation der einfachen Integrale", Wiener Be-
richte, Abt. IIa, Bd. CVII (1898), pp. 1191-1250, 1267 — 1326, 1383—1430;
Bd. CVni (1899), pp. 1269—1340.
Kneser, „Ableitung hinreichender Bedingungen des Maximums oder Mini-
mums aus der Theorie der ziveiten Variation", Mathematische Annalen,
Bd. II (1899), p. 321—345.
Endlich ist auch die Darstellung in C. Jordan's Cours d' Analyse, Bd. III
(1896), pp. 499—527 zu erwähnen.
620 Zwölftes Kapitel. Lagrange'sclies Problem. Fortsetzung.
dabei eine wichtige Ergänzung unserer bisherigen Entwicklungen er-
geben, insofern der in § 75 ohne Beweis benutzte Satz über das Ver-
schwinden der Funktion A {x, x^) seine Erledigung finden wird.
a) Vorbereitungssatz über die zweite Variation:
Wir halten an den Voraussetzungen A) bis D) von §§72 und 74
über die Extreraale @o ^^st. Dann gilt auf Grund der Voraussetzung
D) das „Ergänzungslemma" von § 69, e) für jedes Teilintervall des
Integrationsintervalls [x^x^]. Daher können wir jedes Stück [Jilg]
des Extremalenbogens ^q für sich variieren, und zwar können wir
zu jedem System von Funktionen tj-, welche in [l^y ^^^^ ^^r Klasse
C" sind, in l^ und Jg verschwinden und den m Differentialgleichungen
genügen, eine einparametrige Schar von zulässigen Variationen
des Bogens [l^y ^^^ Extremalen ©^ konstruieren, für welche
Für diese Schar muß nun im Fall eines Minimums
d'J^ 0 (42)
sein; gleichzeitig folgt aus den Grleichungen: 9^^(^; ^, ^') = ^? ^^^
Daher können wir die Ungleichung (42) auch schreiben
^. _
wo die X^ die zur Extremalen @o gehörigen Lagrange'schen Multi-
plikatoren von § 69, c) sind. Wie bei der analogen Untersuchung
von § 60, a) fallen nun in dieser Ungleichung infolge des Bestehens
der Differentialgleichungen (1) die zweiten Variationen d^y^ heraus, und
wir erhalten wie dort den Satz:
Im Fall eines Minimums muß das Integral
(5 V = £2 ry{P,,rj,rjk + 2 QaV>-r}k + Ba^iVk) dx^O (43)
sein für je zwei den Ungleichungen x^^l^<l^^ x^ genügende Werte ^i, l^
§ 76. Die zweite Variation. ß21
und für alle Funktionensysteme tj. der Klasse C", welche in l^ und Ig
verschwinden und den m Differentialgleichungen (41) genügen.
Darin bedeutet
wobei die Argumente in den zweiten Ableitungen Ton F sind: {x,y(x)y
y'{x),X{x)).
b) Erste Transformation der zweiten Variation^):
Multipliziert man die Differentialgleichungen (41) mit unbestimmten
Funktionen von x von der Klasse G\ 2^^, integriert zwischen den
Grenzen l^ und l^ und addiert die erhaltenen Resultate zu (43), so
kann man die zweite Variation auch in der Form schreiben
^.
d^J=8'f29.{ri,,f,^)dx, (44)
wobei 2^{ri,ri',y) die folgende quadratische Form der Größen
bedeutet:
*•* (45)
fs,t
Nach dem Euler'schen Satz über homogene Funktionen ist
Die letzte Summe ist null, da nach (41)
dSl
W^ = <^^{yi) = 0.
Setzt man den so erhaltenen Ausdruck für 9, in (44) ein, wendet
partielle Integration an und beachtet, daß die Funktionen yi^ an beiden
Grenzen verschwinden, so erhält man für d^J den Ausdruck^):
d'J^s'f2Vi'i'Xv,l^)dx, (46)
^) Nach A. Mayer, loc. cit. , p. 243; vgl. auch C. Jokdan, Cours d' Analyse,
Bd. III, Nr. 378.
^ Verallgemeinerung der Formeln (12) von § 10 und (45) von § 61.
Bolza, Variationsrechnung. 40
622 Zwölftes Kapitel. Lagrange'sches Problem. Fortsetzung.
wenn
' " 3Tr /^ ..^
drii dxdrii^
' 'PX.„") = l^-.'^^;f., (47)
oder ausgeschrieben,
Wir versuchen nun zunächst wieder, die zweite Variation gleich
Null zu machen. Dies ist stets möglich, wenn es eine Lösung
(w, q} = (iti, ii^y . . ., u^; Qi, 927 • • -y 9m)
des Systems von n + m homogenen linearen Differentialgleichungen
^,K^) = 0, ^,.W = 0 (48)
gibt, in welcher die Funktionen u^ von der Klasse C", die Funktionen
Q^ von der Klasse C sind, und sämtliche Funktionen w^ in zwei
Punkten li und ^g ^^s Integrationsintervalles [x^x^] verschwinden,
ohne jedoch im Intervall [gjg] sämtlich identisch zu verschwinden.
Denn variieren wir dann nur den Bogen [li^g], indem wir in diesem
Intervall rj. = u^ und zugleich ^^ = q^ setzen, so erhalten wir ein zu-
lässiges System von Funktionen rj^, für welches nach (46): d^J"= 0.
c) Integration des akzessorischen Systems linearer Differential-
gleichungen;
Es kommt nunmehr alles auf die Integration des Systems linearer
Differentialgleichungen (48) an, das wir nach v. Eschekich^) das
,,al;zessorische System linearer Differentialgleichungen'' nennen wollen.
Man kann dieses System zunächst auf ein System linearer Differential-
gleichungen in der Normalform reduzieren, indem man, ähnlich wie
in § 72, a), die Gleichungen (48^) nach x differfentiiert und die so
modifizierten Gleichungen (48) nach den Größen <, q^ auflöst, wobei
die Auf lösungsdeterminante mit der Determinante R von § 72, a) identisch
ist, welche nach Voraussetzung C) von NuU verschieden ist. Daraus
schließt man nach allgemeinen Existenzsätzen über Systeme linearer
Differentialgleichungen, daß in jeder Lösung {u,q) des Systems (48)
die Funktionen u. von der Klasse C", die Funktionen q^ von der
Klasse C sind in dem in §72,b) definierten ,,Regularitätsintervall"
xl<x < xl der Extremalen @J.
1) Vgl. V. Escherich, Wiener Berichte, Bd. CVIl, p. 1236.
§ 76. Die zweite Variation. g23
Ferner gilt nun auch hier, in Verallgemeinerung des Jacobi'schen
Theorems von §12,b), der Satz^), daß sich das allgemeine Integral
des Systems (48) aus dem allgemeinen Integral der Euler-Lagrange-
schen Differentialgleichungen (I) durch Differentiation nach den Inte-
grationskonstanten ableiten läßt:
Ist
Vi = 2/z(^; ri; r„ ' . -, r2n), ^^ = '^/.(^in; 72, • • •; 72 J
das allgemeine Integral der Euler-Lagrange'schen Differentialglei-
chungen (I), mit beliebigen Integrationslonstanien y^, so wird das ak-
zessorische System linearer Differentialgleichungen (48) durch die 2n
Systeme von Funktionen
<=t-'-'< = fc .!=&.•. .:=|^, (49)
1^ = 1, 2,... ,2^,
befriedigt, in denen nach der Differentiation die y^ durch die speziellen^
die Extremale ©^ liefernden Werte ^J zu ersetzen sind.
Zusatz I: Diese 2n Lösungen bilden ein „Fundamentalsystem'\
d. h. sie sind linear unabhängig in dem Sinne^ daß es keine 2n Kon-
stanten (7^, die nicht alle null sind, gibt, derart daß in irgend einem
TeilintervaU von [x-^^x^]
für i=l,2,.._,n',ß = l,2,...,m.
Zusatz II: Jede andere Lösung (u, q) des Systems (48) läßt sich
linear und homogen durch diese 2n Lösungen ausdrücken:
Ui =2cA, Q^ =2Gy,. (50)
Der Beweis des Hauptsatzes ergibt sich sofort, wenn man die
Funktionen y^x-, y,, y„ . . ., y^J, ^,(^',71,72, • • •; 72.) an SteUe von y,,
X^ in die Differentialgleichungen (I) einsetzt und die so erhaltenen
Identitäten nach y^ differentiiert.
Insbesondere folgt, daß die aus den Lösungen
Vi = %{^--> «; ^ c), X^, = 2^(ä;; a, b, c)
von § 72, c) abgeleiteten 2n Funktionensysteme
^?)l m^ ^_^ aS^, ^^^>
(k = l,2,..,n),
^) Vgl. Clebsch, loc. cit. p. 259.
40'
624 Zwölftes Kapitel. Lagrange'sclies Problem. Fortsetzung.
in denen nach der Differentiation h, = y,(a), c, = v,{a) zu setzen ist,
Lösungen des akzessorischen Systems (48) sind. Wir wollen dieselben
das dem PunM x = a zugeordnete „'kanonische Lösungssystem" von (48)
nennen.
An diesem speziellen^) Lösungssystem beweist man auch am ein-
fachsten den Zusatz L Aus den Identitäten
2n 2w „
in denen wir c„ + i statt h^ geschrieben haben, würde nämlich zunächst
und dann weiter nach Gleichung (1422) von § 12
^
(J^-^0
V
was wegen der Ungleichung (138) von § 12 nicht möglich ist.^
Wegen des Beweises von Zusatz II verweisen wir auf die all-
gemeinen Entwicklungen von v.EsCHERiCH^) über Fundamentalsysteme
des Systems (48).
Aus diesen Resultaten folgt nun weiter: Soll- es eine Lösung {u,q)
des akzessorischen Systems (48) von den am Ende von Absatz b)
postulierten Eigenschaften geben, so müssen sich 2n Konstanten
Ci, . . ., C^2«? ^i<^^* ^11® gleich Null, so bestimmen lassen, daß gleich-
zeitig die 2n Gleichungen erfüllt sind
und dazu ist notwendig, daß die Mayer'sche Determinante 2w-ten
Grades
A(l2,y =
cyi% dyA^^
dyi_
^x
(52)
(^=l,2,...,>^)
gleich Null ist.
1) Vgl. die Bemerkung in § 75, a) über den Übergang von dem kanonischen
Integrationskonstanten zu beliebigen anderen.
*) Siehe Fußnote ^) auf p. 622.
§ 76. Die zweite Variation. 625
Ist umgekelirt A(|2,li) = 0, so ist die verlangte Bestimmung der
Konstanten C^ stets möglich, und die so erhaltenen Funktionen u^, • • •? ^n
können nicht im ganzen Intervall [?i, I2] sämtlich verschwinden. Denn
sonst würden die zugehörigen Funktionen q^, welche wegen Zusatz I
sicher nicht ebenfalls sämtlich identisch verschwinden, nach (48^) den
n Differentialgleichungen genügen:
was mit der Voraussetzung D) im Widerspruch steht.
Wir erhalten also das folgende von A. Mayer ^) herrührende
Schlußresultat dieser Betrachtung:
Wenn es zwei dem Integrationsintervall [x^x^ angehörige Funkte
50 gibt es zulässige^ nicht identisch verschwindende FunMionensysteme t]^,
für welche ö^J= 0.
Insbesondere kann man also d^J= 0 machen, wenn die zunächst^)
auf x^ folgende Wurzel x[ der Gleichung
A(x,x^) = 0
zwischen x^ und x^ liegt oder mit x^ zusammenfällt. Man wird dann
als wahrscheinlich erwarten dürfen, daß ein Extremum nicht eintreten
kann.^)
Wählt man bei der soeben gegebenen Ableitung für das Funda-
mentalsystem (49) das dem Punkt 1^ zugeordnete kanonische Lösungs-
system (51), so erhält man die Determinante A(l2?6i) i^^ der Normal-
1) Vgl. Mayer, loc. cit. pp. 250, 258.
2) Vgl. § 76, g).
^) "^gl- § 10, b) und § 61, a). Wenn x[ <^x^, so kann man, wie in den ein-
facheren Fällen von § 14 und § 61, c), nicht nur 8^J= 0, sondern sogar ^^J'<0
machen, womit dann die* Notwendigkeit der Bedingung (III) bewiesen ist; vgl.
ScHEEPFER, Mathematische A.nnalen, Bd. XXV (1885), p. 522 und v. Escherich,
Wiener Berichte, Bd. CVII, p. 1418 und Bd. CVIII, p. 1300. Der Beweis von
Scheeffer, der übrigens nicht ganz vollständig ist, und der zweite Beweis von
v. Escherich beruhen auf einer Verallgemeinerung der Methode von Erdmann
von § 14, a), der erste Beweis von v. Escherich dagegen auf einer Verallgemei-
nerung der Methode von Weierstraß von p. 82, Fußnote ^) und § 61, c). Wir
gehen auf diesen Nachweis nicht ein, da wir in § 75 bereits auf anderem Wege
die Notwendigkeit der Bedingung (III) bewiesen haben, allerdings unter Beiseite-
lassung gewisser Ausnahmefälle, die bei den eben erwähnten Beweisen nicht aus-
geschlossen zu werden brauchen.
626 Zwölftes Kapitel. Lagrange'sclies Problem. Fortsetzung.
form (20) von § 75, womit die Bezeichnung A(|2, l^) für die Deter-
minante (52) gerechtfertigt ist.
d) Konjugierte Systeme von Lösungen des akzessorischen Systems
linearer Differentialgleichungen:
Sind
und
(U, q) = (%, U^, • • •, U^', Qi, Q2> ' • '> 9m)
irgend zwei Systeme von n -\- m Funktionen von x von den erforder-
lichen Stetigkeitseigenschaften, so gilt nach einem bekannten Satz
über quadratische Formen für die durch (45) definierte Funktion Sl
die Formel:
2j h -^dzT^ + ""' dz', J +^ ^^^dTT-
i ff '
Mit Hilfe derselben verifiziert man leicht die folgende Relation von
Clehsch'):
^K'P-,(^,r)-^,'f^,(«^,())]+^[()^^^(^)-r^^^(«^)] = ^tA(^,r-,i.,()), (54)
wo
H^,nu,Q)=2 h —dK ^^ —dzT-] (55)
i,k i,(i ^
Wenn daher (z, r) und (u, q) zivei Lösungen des alczessoriscJien
Systems (48) sind, so ist
jp{2^r'^ Uj q) = konst. , (56)
Wenn nun insbesondere diese Konstante den Wert null hat, so
heißen die beiden Lösungen nach v. EscHERiCH%,0MÄawf?er konjugiert'',
und ein System von n linear unabhängigen Lösungen des akzessorischen
Systems (48), von denen je zwei zueinander konjugiert sind, heißt ein
^^konjugiertes System". Unter der „Determinante eines konjugierten
Systems"
^) Vgl. Clebsch, loc. cit. p. 260 und v. Escherich, Wiener Berichte,
Bd. CVII, p. 1244. Die Formel ist eine Verallgemeinerung von Gleichung (14)
von § 10.
§ 78. Die zweite Yariation. 627
verstehen wir die Determinante
Ein solches konjugiertes System bilden z. B. die n ersten Lösungen
des kanonischen Fundamentalsystems (51):
Denn bildet man die Gleichung (56) für irgend zwei Lösungen
dieses Systems und berechnet den Wert der Konstanten aus dem
speziellen Wert x = a, so folgt
'^ (ff' II' II' S) = 0, ■ (58)
da nach Gleichung (143) yon § 72
äc^ =^5 (59)
damit ist zugleich die Existenz von konjugierten Systemen bewiesen.
Durch Vergleich^) mit (21) erhält man zugleich den Satz:
Die May er 'sehe Determinante A(x, a) ist zugleich die Determinante
eines Jconjugierten Systems, nämlich des dem Punkt a zugeordneten
kanonischen konjugierten Systems (57).
In derselben Weise findet man unter Benutzung von Gleichung
(143a) von § 72 ^^ ^
WO djj^ wieder das Kroneck er 'sehe Symbol ist.
Von besonderer Wichtigkeit ist für uns der folgende Satz von
V. Escherich 2):
Zu jedem Funkt x = a im Innern des Regularitätsintervalls :
ic* < ^ < a?2 der Extremalen ©^ läßt sich ein konjugiertes System
0^,r^',0^,r^y-']Z'\r"
konstruieren, dessen Determinante
V(^i,^V--,^") = l^'i, i,k^l,2,--;n
im Punkt x = a von Null verschieden ist.
Zum Beweis gehen wir von dem dem Punkt a zugeordneten
kanonischen Fundamentalsystem (51) aus, das wir schreiben
u\ Q^', u% Q^;-"-, w^ ()"; «^" + ^ ()" + !; .. •; u^% q^"".
^) Statt des speziellen Punktes x ^ x^ haben wir hier einen beliebigen
Punkt x = a der Extremalen ©J .
2) Wiener Berichte, Bd. CYIII, p. 1339.
628 Zwölftes Kapitel. Lagrange'sches Problem. Fortsetzung.
Darin bilden, wie wir gesehen haben, die n ersten Lösungen ein kon-
jugiertes System. An Stelle der n letzten Lösungen führen wir andere
n Lösungen {z^jV'') ein durch die Substitution
Aus den Eigenschaften der Funktion ^ als bilinearer Form folgt
dann, daß
i J
hJ ^
was sich nach (58) und (60) auf
tp(z\r^',z\r^) = l^(w" + ^^^ + ^;^t" + ^ ()"+*) + «' - < (61)
reduziert. Daraus folgt aber, daß wir die Konstanten a stets so
wählen können, daß
ip{z\r^',s\r') = 0, für h,k =- 1,2, - - -, n,
d. h. so, daß die n Lösungen
z\r^;z\r^', • ••;^",r''
ein konjugiertes System bilden.
Die Determinante dieses konjugierten Systems ist aber für x =^ a
von Null verschieden, da nach Gleichung (143) von § 12
4(«) = *a,
womit der Satz bewiesen ist.
e) Die Es eher ich 'sehe FundamentalformeP) :
Es sei jetzt
u\Q'',u',Q'','--,lt%Q- y {62)
irgend ein konjugiertes System, dessen Determinante U =
V(u\ii^, • • •, tt") in einem Teilintervall [IJg] ^^n [x^x^] von Null ver-
schieden ist. Ferner sei (-s?,-,r^) ein, abgesehen von Bedingungen der
Stetigkeit und Differentiierbarieit, beliebiges System von w + m Funk-
tionen von X. Setzt man dann mit unbestimmten Multiplikatoren
w^, v'\ die n Ausdrücke an
t ' ff
1) Nach V. Escherich, Wiener Berichte, Bd. CVIII, p. 1278, wo der Leser
auch die im Text übergangenen Einzelheiten der Rechnung nachlesen möge.
§ 76. Die zweite Variation.
629
so
welche lineare, homogene Funktionen der Größen z^, z\, r^ sind
kann man für das Intervall [IJg] die Multiplikatoren tv^,v^ so be-
stimmen, daß in dem Ausdruck Wf^(z) alle Größen r. herausfallen,
sowie alle Ableitungen /. mit Ausnahme von z[, welches den Koeffi-
zienten 1 erhält, sodaß also w,^{z) die Form annimmt
k
Das Resultat dieser Bestimmung ist
i,k ^
Darin bedeutet B die durch Gleichung (113) von § 12 definierte
Determinante, Aj^j^ ist die Subdeterminante von i?^^,, (p^ diejenige von
c(pßl(y'j^ in der Determinante i?; endlich ist ü\ die Subdeterminante
von wj. in der Determinante JJ.
Nun läßt sich aber noch eine zweite Form für die Funktion Wf^{z)
mit diesen speziellen Werten der Multiplikatoren angeben. Denn aus
der Definition der konjugierten Systeme folgt, daß die n Funktionen
Wj^{z) identisch verschwinden, wenn für z, r irgend eines der obigen
Lösungssysteme le, q^ von (48) gesetzt wird. Wir kennen also n linear
unabhängige Lösungen des Systems von n homogenen linearen Diffe-
rentialgleichungen erster Ordnung: Wf^(z) = 0, und können daher nach
der Theorie der linearen Differentialgleichungen die Koeffizienten von
u\(z) durch die partikulären Lösungen u^ ausdrücken. Bezeichnen
wir mit XjX^) die Determinante
Xh(^)
so ist
"A '
"2;
"A 5
iC
M^) = jjXk(^)'
(63)
(64)
Für die weitere Diskussion machen wir die spezialisierende
Annahme, daß die Funktionen z^ den m Differentialgleichungen
0^{z) = 0
genügen. Dann vereinfacht sich die durch Gleichsetzen der beiden
Ausdrücke für w,^(z) erhaltene Formel, und man erhält
(65)
Zki^) = i^ Aa- üit« q'-, z, r).
i,k
630 Zwölftes Kapitel. Lagrange'sclies Problem. Fortsetzung.
Hieraus folgt zunächst die wichtige Relation
wenn man von der Gleichung
Gebrauch macht, die sich aus der Betrachtung der Subdeterminanten
der Determinante R ergibt.
Weiterhin leitet man aber aus (65) die folgende, von v. Escherich
herrührende Fundamentalformel ab:
i,k
-V'«<•••,?^")V«.•.,l^^•-^^,^f^•+^..•,w„)).
Darin bedeutet V die Ableitung von V nach x, und die Formel gilt,
ebenso wie (66), unter der Voraussetzung, daß die Funktionen ^^ den
Differentialgleichungen (64) genügen.
Zum Beweis setze man auf der linken Seite von (68) für einen
der beiden Faktoren x(^) den Ausdruck (65) ein und mache dann von
den folgenden beiden Determinantenrelationen Gebrauch:
-2c/;;%.(^) = vV^^^•••,^")v'(^^^•••,^^'■-^^,^^•+^•••.^^") ^^^^
deren erste, wie (67), aus der Betrachtung der Determinante R folgt,
während sich die zweite aus den Sätzen^) über Determinanten von
Subdeterminanten, angewandt auf die Determinante Xki^)} ^^^ ^^®^
die Differentiation einer. - Determinante ergibt.
f) Die zweite Transformation der zweiten Variation: 2)
Aus der Fundamentalformel (68) ergibt sich nun ohne Mühe
eine zweite Transformation der zweiten Variation, und zwar auf die
der Jacobi 'sehen Formel (11) von § 10 entsprechende reduzierte Form.
1) Vgl. z. B. Baltzer, Determinanten (1875), p. 60; es handelt sich um die
Formel d^ B
Der rechten Seite derselben entspricht bei der Anwendung das Produkt Xk (^) ^^k ■
*) Nach V. Escherich, Wiener Berichte, Bd. CVII, p. 1284.
§ 76. Die zweite Variation. 631
Immer unter der Voraussetzung, daß die Determinante des kon-
jugierten Systems (Q2) im Intervall [^^la] Glicht verschwindet:
v«<.-.«") + o in [i^y,
kann man die Gleichung (68) auch schreiben
(71)
Darin ersetze man die Ableitung von -^{u^ q'\ s, r) durch den aus (54)
sich ergebenden Wert und beachte, daß
und daß nach einfachen Determinantensätzen
i
Dann geht die Gleichung (71) über in
^ h ^ki^y ^) = \(^iTr7~iF^ (72)
i
Nun ist aber nach (46), wenn nur der Bogen [I1I2] ^®^ Extre-
malen @q variiert wird, .
6^J=B'j2>ni'^i{%V^äx. (46)
Darin waren die ri^ irgend ein System von Funktionen der Klasse C",
welche sämtlich in |j und %^ verschwinden und den m Differential-
gleichungen (41) genügen, während die \i^ beliebige Funktionen der
Klasse C waren. Man darf daher in (72): ^^ = 7]-, r^ = ji^ setzen.
Integriert man die so erhaltene Gleichung zwischen den Grenzen ^^
und I2 und beachtet, daß die Determinante V(^t^, . .., u'~'^, t]^ w' + ^, . . ., ^t'')
zugleich mit den Funktionen ly. in 1^ und Ig verschwindet, so erhält
man die folgende, zuerst von Clebsch^) gegebene redimeHe Form
^) Vgl. Clebsch, loc. cit. p. 266. Kmq der reduzierten Form (73) läßt sich
die Notwendigkeit der ^^edingung (II) für ein schwaches Minimum herleiten,
siehe v. Escherich, Wiener Berichte^, Bd. CVII, p. 1393.
632 Zwölftes Kapitel. Lagrange 'sches Problem. Fortsetzung.
der zweiten Variation:
r2^
^'^=^\1 vty .n,.dx, (73)
wo zur Abkürzung
gesetzt ist. Wegen (66) genügen die Funktionen t,^ den m Gleichungen
i
Wir wollen nun annehmen, daß für unsern Extremalenbogen ^^
die Clebscli'sclie Bedingung von § 74, b) in der stärkeren Form (II')
erfüUt ist. Dann folgt, daß (5^J'> 0, außer wenn gleichzeitig
ziW = o, ;f,(^) = o,..„ %M = (>
im ganzen Intervall [Iil2]- ^^^ würde aber bedeuten, daß das Funk-
tionensystem rj^ eine Lösung dieser n homogenen linearen Differential-
gleichungen erster Ordnung wäre, und da nach (63) die Funktionen
u{y.. .,u^ n Lösungen desselben Systems sind, welche nach der De-
finition eines konjugierten Systems linear unabhängig sind, so würde
folgen
i
Nun verschwinden aber sämtliche Funktionen t^^ in l^, während die
Determinante j^^^X^i) ^^ch Voraussetzung von Null verschieden ist;
also muß 6\ = 0, C^=0,. .., C^=0 sein.
Wir erhalten also den folgenden Satz:^)
Ist für den Extremalenbogen ©^ die Bedingimg (IF) erfüUtj und
gibt es ein konjugiertes System, dessen Determinante im Intervall [I1I2]
'von Null verschieden ist, so ist die zweite Variation für dieses Intervall
positiv für alle nicJd identisch verschwindenden FunJctionensysteme rj- der
Klasse C'\ ivelche iyi l^ und ^^ verschwinden und den Differential-
gleichungen (41) genügen.
g) Sätze über die Mayer'sche Determinante L{x, |):
Hält man den letzten Satz mit dem am Ende von Absatz c) be-
wiesenen zusammen, so erhält man das folgende ,,Oszillationstheorem^^:^)
Ist die Bedingung (IP) für die Extremale @o erfüllt, und gibt
^) Vgl. A. Mayer, loc. cit. p. 256. ') Vgl. A. Mayer, loc. cit. p. 258.
§ 76. Die zweite Variation. 633
es ein konjugiertes System, dessen Determinante in einem Teilintervall
[I1I2] ^^^ [^1^2] ^^^^ -^^^^ verschieden ist, so ist
A(r;r) + o
für je zivei den Ungleichungen: li^r<r'^?2 genügende Werte l',l".
Daran schließt sich der folgende, zuerst von v. Escherich ^) be-
wiesene Satz:
Ist I ein heUehiger PunM des Regularitätsintervalls der Extre-
malen (^J:
lind ist die Bedingung (IF) in der Umgebung des Punktes | erfüllt,
so hat die zum PunU | gehörige May er' sehe Determinante A(x, |)
in I einen isolierten NullpunJct.
Denn nach Absatz d), Ende, können wir stets ein konjugiertes
System: 0^, r^; . . .; <^", r" konstruieren, dessen Determinante V{ß^,..., ^")
im Punkt | von Null verschieden ist. Wegen der Stetigkeit der
Funktion V läßt sich dann ein Intervall \l — 8, ^ + d] angeben, in
welchem auch noch V 4= 0- In diesem Intervall kann daher die
Funktion h.{x, |) nur den einen Nullpunkt | besitzen, weil sich
sonst ein Widerspruch mit dem vorangehenden Satz ergeben würde.
Dieser Satz ist deshalb von ganz besonderer Wichtigkeit, weil
ohne ihn die ganze Theorie der konjugierten Punkte in der Luft
hängt; denn so lange nicht festgestellt ist, daß der Punkt x^ ein iso-
lierter Nullpunkt der Funktion ä,{x, x^ ist, kann man gar nicht von
dem zunächst auf x^ folgenden Nullpunkt dieser Funktion, und daher
auch nicht von dem zu P^ konjugierten Punkt sprechen. Der Satz
bildet daher eine unentbehrliche Ergänzung des in § 75 gegebenen
Beweises für die Notwendigkeit der Bedingung (III), der erst jetzt
als vollständig erbracht angesehen werden kann.
Endlich gilt noch der folgende Satz, 2) von dem wir später Ge-
brauch zu machen haben werden:
Ist für den Extremalenhogen (S^ die Bedingung (IT) erfüllt, und ist
A(ä;, 0^1)4=0 für x^<x^x^, (IIP)
^) Wiener Berichte, Bd. CVIII, p. 1299. Wir haben zwar bereits früher
hervorgehoben, daß alle in diesem Kapitel abgeleiteten Sätze nur unter den
Voraussetzungen A) bis D) von §§ 72 und 74 bewiesen sind, wollen dies aber
hier nochmals wiederholen und ganz besonders betoaen, daß gerade dieser Satz
nur im „HawpifalV richtig ist.
*) Nach A. Mayer, loc. cit. p. 259 und C. Jordan, Cours d' Analyse, Bd. III,
Nr. 393.
634 Zwölftes Kapitel. Lagrange 'sches Problem. Fortsetzung.
SO läßt sich eine positive Größe d angeben derart, daß
l^{x,x^)^0 für x^^x'^x^,
wofern x^ — d < Xq<x^.
Man beweist denselben genau so, wie den analogen Satz in § 61, d),
Ende wobei man nur noch zu beachten bat, daß die Funktion
A(Xj I) nach d) stets zugleich die Determinante eines konjugierten
Systems ist.
Dieser Satz, in Verbindung mit dem am Ende von f) erhaltenen
Resultat zeigt, daß die Bedingungen (IP) und (III') für ein permanentes
Zeichen der zweiten Variation hinreichend sind. Daß dieselben Be-
dingungen auch für ein schwaches Minimum des Integrals J hin-
reichend sind, beweist Kneser^) durch eine Verallgemeinerung der
Methode von § 15, b). —
Seitdem Weierstraß und Kneser für das einfachste Problem der
Variationsrechnung gezeigt haben, daß zum Beweis der Notwendig-
keit der Legendre'schen und Jacobi'schen Bedingung, sowie zur
Aufstellung von hinreichenden Bedingungen, die Theorie der zweiten
Variation nicht nötig ist, ist dieselbe wegen ihrer geringeren An-
schaulichkeit etwas in Mißkredit geraten. Dem gegenüber ist hervor-
zuheben, daß schon beim einfachsten Problem der Variationsrechnung
ein alle Fälle umfassender, strenger Beweis der Notwendigkeit der
Jacobi'schen Bedingung mittels des Enveloppensatzes mit weit größeren
Schwierigkeiten verbunden ist, als sie die zweite Variation darbietet
(vgl. § 47); daß aber beim Lagrange'schen Problem die Unter-
suchung der zweiten Variation solange überhaupt unentbehrlich ist,
als nicht die beiden letzten der oben gegebenen Sätze ohne Hilfe der
zweiten Variation bewiesen sind, ganz da^on zu schweigen, daß hier
der Nachweis der Notwendigkeit der Jacobi'schen Bedingung für die
erwähnten Ausnahmefälle mit Hilfe des Enveloppensatzes überhaupt
noch nicht erbracht worden ist.^)
1) Mathematische Annalen, Bd. LI (1899), p. 321; dasselbe beweist
auf anderem Weg v. Escherich, Mathematische Annalen, Bd. LV (1902),
p. 108.
2) An weiterer neuerer Literatur über die zweite Variation erwähnen wir
noch eine Abhandlung von v. Escherich, Wiener Berichte, Bd. CX (1901),
pp. 1355—1421, in welcher derselbe seine Untersuchungen auf den Fall der
Parameterdarstellung ausdehnt, und eine solche von Hahn, Monatshefte für
Mathematik und Physik, Bd. XIV, pp. 1-57, in welcher die Verallgemeinerung
der Escherich'schen Resultate für den Fall von gemischten Bedingungen ge-
geben w^ird.
§ 77. Hinreichende Bedingungen. 635
§77. Hinreichende Bedingungen beim Lagrange'schen Problem.^)
Wir wenden uns jetzt zur Ausdehnung der Sätze von §§16 und^
17 über Extremalenfelder auf das Lagrange'sche Problem, und zwar
betrachten wir in diesem Paragraphen den speziellen Fall von Feldern,
deren Extremalen durch einen festen Punkt gehen. Für diesen speziellen
Fall lassen sich die früheren Resultate über das Feldintegral, den Un-
abhängigkeitssatz und den Weierstr aß 'sehen Fundamentalsatz ohne
Schwierigkeiten verallgemeinern, und hieraus ergeben sich dann leicht
hinreichende Bedingungen des Extremums für das Lagrange 'sehe
Problem bei festen Endpunkten.
Wir werden dabei an den Voraussetzungen A) bis D) von § 72
und § 74 über den Extremalenbogen (Sq festhalten.
a) Das Peldintegral und der Weierstraß'sche Fundamentalsatz :
Es sei Äq^ü^, 65, . . ., K) ein beliebiger Punkt der Extremalen @J.
Durch diesen Punkt geht eine 9i-parametrige Schar ^) von Extremalen,
die wir in der Normalform
Vi = M^; < 6°, c)^Y,{x,c„.-; O (75)
mit q, . . ., c„ als Parametern sehreiben. Die zugehörigen Multiplika-
toren sind ^^ _ g^ ^^. ^„^ j„^ ^^ ^ ^^ ^^^ ^^^ . . .^ ^^^^
Die Schar (75) enthält die Extremale @J für d = c^ = Vi {oP) in der
Bezeichnung von § 72, b).
Wir nehmen jetzt an, daß diese Schar ein Feld bildet, so daß
also die Gleichungen (75) eine ein-eindeutige Beziehung zwischen
einem gewissen Bereich €L im Gebiet der Variabein x, c^, , . . ., c^
und dessen Bild of im x, y^, . . .^ y^-'^Sium definieren und daß gleich-
zeitig im Bereich €L die Funktionaldeterminante der Schar, d. h. die
Funktion') B{x, c„ ■ ■ -, c:) ^^{x; a^W, c)
von Null verschieden ist.
Durch jeden Punkt (x, y^, . . ., y^ des Feldes 6 geht eine und
nur eine Feldextrem ale, deren Parameter c^, . . ., c^ durch die inversen
Funktionen des Feldes^)
Cj = tj {x, y,, • • •, y^) ^ (i:,« hl, • • •, &«; x, y^, • • •, yj
^) Vgl. zu diesem Paragraphen A. Mayer, Leipziger Berichte 1903,
p. 131 und BoLZA, Transactions of the American Mathematical Society,
Bd. VII (1906), p. 476.
^) Vgl. § 75, a) ; unsere jetzige Bezeichnung wird mit der dortigen iden-
tisch in dem speziellen Fall, wo a^ = x^.
^) Vgl. wegen der Bezeichnung Gleichung (148) von § 73.
*) Vgl. wegen der Bezeichnung § 73, b).
636 Zwölftes Kapitel. Lagrange' sches Problem. Fortsetzung.
geliefert werden. Dieselben genügen den Gleichungen
Y,{x,c„.-;Q = y, (76)
identisch im Bereicli oT und umgekehrt ist
c,(^, r„.-., r„) = o„ (77)
identisch im Bereich (9L.
Als Gefällfunktionen des Feldes bezeichnen wir die n Funktionen
Vi {^y Vu ' • 'y yJ = ^- (^; ^u ' * 'y O; 0^)
dieselben genügen den m Gleichungen
identisch in den Yariabeln x, y^,. . .,y^. Dies folgt aus den identisch
in X, Ci, . . ., c^ gültigen Gleichungen
^^{x,Y, r) = o,
wenn man darin c^ durch c,- ersetzt.
Ferner verstehen wir unter den Multiplikatoren des Feldes die
Funktionen^)
^ßi^yyiy"; y«) = ^ß (^; hr"y O • (^0)
Endlich verstehen wir unter dem Feldintegral das Integral J, ge-
nommen vom Punkt A^ bis zum Punkt P(x, y^, . . ., yj des Feldes
entlang der eindeutig definierten Feldextremalen , welche diese beiden
Punkte verbindet. Wir bezeichnen dieses Integral mit W(x, y^, . . ., y„),
sodaß in der Bezeichnung von § 73, c)
W{x, y„ . . ., i/J = 2Ö K, hl • . •, M; x, y,, • . •, 2/J.
Daher können wir die Ausdrücke für die partiellen Ableitungen des
Feldintegrals unmittelbar aus den allgemeinen Formeln (158) von
§ 73 entnehmen; wir erhalten so unter Berücksichtigung der Defini-
tion der Funktionen p^ und ^i^
^ = fix, y, p) - 2PiFn^i (x, y, p, ^),
Tw ' ^^^^
j^ = Fn + k{x,y,p,^).
Hieraus folgt unmittelbar der Hilherfsche ündbhängigleitssatz
für das La^range'sche Problem^):
^) Die Funktionen ^. haben natürlich mit den in § 76, b) eingeführten,
ebenso bezeichneten Funktionen nichts zu tun.
2) Für den allgemeinen Fall zuerst bewiesen von A. Mayer, loc. cit. p. 140;
für die speziellen Fälle ri = 2, ?w = 0, und w = 2, n = 1 schon vorher von
Nadeschda-Öeunet, Göttinger Dissertation 1902, pp. 21 und 63.
§ 77. Hinreichende Bedingungen. 637
Der Wert des Integrals
Jl ==f[f(^> y^P) -^(^^- - S) ^« + '-^^' 2/, P> .")) dx, (82)
k i
genommen entlang einer ganz im Feld of gelegenen Kurve (^ der
Klasse C" von einem Punkt P'{^', rj'^, . . ., rj^) bis zu einem Punkt
P"(|", ryi', . . -, rjn), hängt nur von der Lage der beiden Endpunkte
P'j P" ab, nicbt aber von der sonstigen Gestalt der Kurve S, da
nach (81)
jl(rr^) = Tf (r; vü . • ; vn) - Wir, vi . . ., Vn).
Liegen insbesondere die beiden Endpunkte P\ P" auf derselben
Feldextremalen @, so ist
Jl {P'P") = J3(P'P") = MP'P"),
w'iQ daraus folgt, daß nach (77) und (78)
p,{x, Y^, ■ . ., rj = y;{x, c^, • • ', cj-
Liegt daher ©o ganz im Innern des Feldes cf, und ist
irgend eine zulässige Kurve für das vorgelegte Variationsproblem,
welche ebenfalls ganz im Innern von of liegt, so ist, da auch die
Kurve ^ von P^ nach P^ führt,
'"''^'^'' A=r=J,-J,= J,-Ji. (83)
Die Kurve ^ genügt als zulässige Kurve den m Differentialgleichungen
^^{^yy>y')-^'
Daher kann man in J^ den Integranden fix^y^y') durch F{Xj y, y\ ^)
ersetzen; ebenso kann man wegen (79) in dem Ausdruck für J| die
Funktion f{x,y,p) durch F{x,y,p,^) ersetzen. Erinnert man sich
schließlich noch der Definition (8) der 8 -Funktion, so erhält man
aus (83) den Weierstr aß' sehen Fundamentalsatz für dasLagrange'sche
Problem: x..
AJ=fß(x,y', p,y'- ^)dx. (84)
^1
Darin sind p., resp. ^^, die Gefällfunktionen, resp. Multiplikatoren des
Feldes für die Argumente (x, fi, • ■ -, y^)-
b) Hinreichende Bedingungen:
Wir nehmen jetzt an, daß für den Extremalenbogen ©^ die Bedin-
gungen (IL) und (Iir) von § 74, b) und § 76, g) erfüllt sind. Wählen
B o 1 z a , Variationsrechnung. 41
638 Zwölftes Kapitel. Lagrange'sches Problem. Fortsetzung.
wir dann den Punkt Ä^ auf der Fortsetzung von (Sq über P^ hinaus
hinreichend nahe bei Pj, so ist nach dem letzten Satz von § 76, g)
A{x, a^)^0 in [x^x^],
was wir nach (21) auch schreiben können
D{x,c%---,cl)=^0 in [x,x,],
wenn D dieselbe Bedeutung hat wie unter a).
Hieraus folgt aber nach dem allgemeinen Satz über die Existenz
eines Feldes (§ 22, d) Zusatz), daß die Extremalenschar (75) durch den
Punkt A ein den Bogen @o in seinem Innern enthaltendes Feld oTliefert.
Ist dann S irgend eine zulässige Kurve, welche ganz im Innern von oT
liegt, so gilt für sie der Weierstraß'sche Satz (84). Hieraus folgt aber^)
'sind für den Extremalenhogen @o die Bedingungen (IT) und (UV)
erfüllt, und gibt es eine Umgehung (q) von @o derart, daß
8 {x, 2/5 p{x,y), r, ^ (oc, y)) > 0 (IV,)
fik jedes Wertsystem x,y,,..., ?/„•, i^p • • . Pn^ welches den Bedingungen
{x, y,, . . ., 2/„) ^^^ ((>)•. (^^ Vi^ ■ ' -> yn^ ^1' • • -^^-^ '*" ^'^''
genügt, so liefert der Extremalenhogen @o ^«'^ starlces, eigentliches Mini-
mum für das Integral J mit den Nehenhedingungen (p^ = 0.
Daß es sich wirklich um ein eigentliches Minimum handelt^
folgt ganz wie in § 19, a): Wäre nämlich A J=0 für eine Ver-
gleichskurve (5, so müßten entlang dieser Kurve die n Gleichungen
bestehen y^ -= p,{x, y„ . . .,yj. (85)
Dies ist aber unmöglich, wenn S von @o verschieden ist. Denn
differentiiert man die aus (76) folgenden Gleichungen
Y,{x,i„''-,~0 = yk^ ' (^^>
in welchen: c, = C,(x, y„ • • •, ^„), nach x, so würde aus der Annahme
(85) folgen, daß die n Gleichungen bestehen müßten
i
Die Determinante derselben, d.h. die Funktion D{x, c^, . . ., cj ist
aber in [x^Xc^] von Null verschieden, wenn © ganz im Felde liegt,
^) Immer unter den beschränkenden Annahmen A) bis D) von §§ 72 und 74.
') Vgl. §§ 68 und 69.
§ 78. Mayer'sche Extremalenscharen. 639
und daher würde folgen c,= C-, einer Konstanten, deren Wert sich
ans X ^ x^ als c9 ergibt. Das bedeutet aber nach (86), daß S = (Sq.
Es ist also in der Tat A J"> 0 für jede von ©^ verschiedene Ver-
gleichskurve (S^, welche ganz in der Umgebung (q) von @q gelegen
ist, vorausgesetzt, daß q so klein gewählt wird, daß (q) ganz im
Innern von of liegt.
§ 78. Mayer'sche Extremalenscliaren.
Im vorangehenden Paragraphen haben wir den Hilbert 'sehen
Unabhängigkeitssatz für den speziellen Fall von w-parametrigen Ex-
tremalenscharen durch einen festen Punkt bewiesen. Im gegenwärtigen
Paragraphen soU dieser Satz nun auf allgemeinere w-parametrige Ex-
tremalenscharen ausgedehnt werden. Es wird sich dabei das Resultat
ergeben, daß der Hilbert 'sehe Unabhängigkeitssatz und seine Folge-
rungen beim allgemeinen Lagrange 'sehen Problem nicht für beliebige
^-parametrige Extremalenscharen gilt, sondern nur für eine ganz be-
stimmte spezielle Klasse solcher Scharen, die wir nach ihrem Ent-
decker „Mayer'sche Extremalenscharen'^ nennen werden.
a) Die allgemeinste Form des Hilbert 'sehen ünabhängigkeitssatzes :
Es sei^)
y, = Y,(x, \, . . ., \), V, = Y,(x, h„ . . ., \) (87)
eine beliebige >*-parametrige Schar von Lösungen der kanonischen
Differentialgleichungen
dx dv^' dx dyi ^ ^
von § 72, welche unsere spezielle Lösung
Vi = VA^), '^i = ^f W
enthält, und zwar für ö^ = &J . Diese Schar möge ein Feld oT um den
Extremalenbogen @q liefern; die inversen Funktionen des Feldes be-
zeichnen wir mit
die GefäUfunktionen und Multiplikatoren des Feldes mit
f*^(^; Vi,-", 2/n) = ^ßi^y K'"y K)^
^) Die Zeiclieii Yj, Vi,Aß,bi usw. haben hier also eine allgemeinere Be-
deutung als in § 77.
41*
•640 Zwölftes Kapitel. Lagrange'sches Problem. Fortsetzung.
die zur Lösung (87) gehörigen Multiplikatoren bedeuten.
In dem speziellen Fall, wo die sämtlichen Extremalen der Schar
y,= Y,(x,h„...,K) (89)
•durch einen festen Punkt gehen, ist dann der mit diesen Funktionenp,.,^^
als Argumenten gebildete Differentialausdruck
i ^
nach § 77, a) ein vollständiges Differential. Es fragt sich jetzt: Gilt
dies auch noch für eine ganz beliebige >^-parametrige Extremalen-
schar, wie dies beim einfachsten Variationsproblem (n = l, m = 0) in
der Tat der Fall war?
Zur Entscheidung dieser Frage ^) ziehen wir quer durch das Feld
eine beliebige >*-dimensionale Mannigfaltigkeit („Hyperfläche" in der
Terminologie^) der mehrdimensionalen Geometrie) ^, welche jede Ex-
tremale des Feldes in einem und nur einem Punkt schneidet. Eine
solche Hyperfläche kann man darstellen in der Form
Ä: X = Uh, • . •. K), Vi = ^(i h^ ' • - ^n), (91)
wenn |(&i, • • -, U ^^^ Abszisse des Schnittpunktes der Hyperfläche ^
mit der Extremalen (S^ der Schar (89) ist.
Wir betrachten dann das Integral /, genommen entlang der
Extremalen @^, von deren Schnittpunkt P^ mit der Hyperfläche ^
bis zum Punkt P^, dessen Abszisse x ist, d. h. also das Integral
u{x,h„...,K)^ff{x,Y,r)dx.
|(6i,...,6n)
Dasselbe Integral, betrachtet als Funktion der Koprdinaten x,y^,...,y^
des Punktes Pg bezeichnen wir mit W(x,y^, . . .,y^, sodaß also
W(x,y,,...,y:)=TJ{x,\,...,K). (92)
Die Hyperfläche ^ nennen wir die „Ausgangshyperfläche'' für die
Funktion W. .
Wir berechnen jetzt die partiellen Ableitungen der Funktion W.
Dabei machen wir zur Vereinfachung der Rechnung von der leicht
1) Vgl. für das Folgende Bolza, Transactions of the American Mathe-
matical Society, Bd. VH (1906), p. 478.
*) Vgl. z. B. BiANCHi-LuKAT, Differentialgeometrie, p. 564.
§ 78. May er 'sehe Extremalenscharen. 641
zu verifizierenden^) Bemerkung Gebrauch, daß jede n-parametrige
Schar von Lösungen der kanonischen Differentialgleichungen (88),
welche ein Feld von Extremalen um den Bogen (Sq liefert, sich durch
eine Parametertransformation auf die kanonische Form bringen läßt:
y, = %{x; a", h, C), V, = f8,{x; a", h, C) , (93)
wobei die Größen 6\, . . ., (7„ Funktionen von &i, • . ., &„ sind, welche
den Anfangsbedingungen
Q(6;,...,6») = c« (93a)
genügen. Die Größen a^, fej, . . ., ?)^ sind dabei die Koordinaten eines
Punktes der Extremalen @J, und cj = v^{a^).
Wir nehmen an, die Parameter der Schar (87) seien gerade diese
kanonischen Parameter, sodaß also
Y,ix,\,-;b,)^dX^-yAG), V,{x,\,.-;K)^W.^-yAG). (94)
Es folgt dann nach Gleichung (136) von § 72, daß
Y,{a\\,...,K)^h„ FXa»,6.,...,6J = C,. (95)
Weiter folgt, daß das Integral IJ sich durch die in § 73, a) definierte
Funktion U ausdrücken läßt:
U{x, \^ . . ., \) = nix; a", h, C) - U(?; a\ h, C).
Wir erhalten daher
'^ = f{x, r, r),
du rd)X{x)-\ ^vcyx{x)-\dCj a[U(a)] ^ ^
j
wobei die Klammer [ ] die Substitution von o?, Q für a, c. andeuten soll.
^) Ist die Schar von Lösungen des kanonischen Systems (88) zunächst mit
beliebigen Parametern 7i , . • • , 7^1 gegeben
?/,•= r,-(^,7i,...,yj, Vi=Vi{x,y^,...,y,,),
wobei die Extremale ©^ dem speziellen Wertsystem y^ = y^ entsprechen möge,
so wähle man auf (gj, aber noch im Innern des Feldes, einen beliebigen Punkt
«?>«,...,&«) und setze
Y,{a\y,,...,y,) = l,.
Diese n Gleichungen können wir, da die Extremalenschar ein Feld bilden sollte,
in der Umgebung der Stelle y^, h^ eindeutig nach /i , . . . , y„ auflösen ; sei
y,= r,(^,...,&J.
Definiert man dann __
so ist nach der Definition der Funktionen ^^^SSj- von § 72, c)
Y,{x,r,,...,r^)^%{x-,a\l,C), V,{x,r,,...,r„)-=^^,{x;a\b,C),
womit die Behauptung bewiesen ist.
642 Zwölftes Kapitel. Lagrange'sches Problem. Fortsetzung.
Hierin setze man die Ausdrücke für die Ableitungen von \X(x)
aus Gleichung (146) von § 73 ein und beachte, daß nach (94)
~ Ich,] ~^Zj idcjl a&.
und nach (95) und nach Gleichung (142) von § 72
F„^,{a\ na\ Y'{a% A(aO)) = V.ia", b„ . . ., \) = C,.
Dann erhält man
'^^-^F^U-,Y,T,J)'^^ + M„ (97)
i
WO Mj^ die folgende Funktion von \, • • -yh^ ist:
1,, = -C,-«. (98)
Geht man jetzt zur Funktion W{x, 2/i> • • •? 2/J über, indem man
von der Definitionsgleichung (92) und von den durch DiflPerentiation
der Identitäten x^/ r < \
folgenden Relationen Gebrauch macht, so erhält man^)
-Z = A^. % p) -^PiKU^, y, p, f») +2^^'^ 3 '
« « (99)
i
wobei die Klammer () die Substitution von h^ für h^ andeutet.
Hieraus folgt: Soll der Difi'erentialausdruck (90) ein vollständiges
Differential sein, so ist notwendig und hinreichend, daß auch der
Differentialausdruck
i k i
ein vollständiges Differential ist. Die Integrabilitätsbedingung, welche
die notwendige und hinreichende Bedingung hierfür ausdrückt, redu-
ziert sich nach einfacher Rechnung auf die Bedingungen^)
'dMÄ (dMk
^) Vgl. die entsprechenden Entwicklungen in § 73, c).
*) Man erhält zunächst
§ 78. Mayer'sche Extremalenscharen. . 648
aus denen durch die Substitution y. = Y^ folgt, daß auch
sein muß. Es muß also eine Funktion N(h^, . . .j\) geben, so daß
d. h. also
Wir haben also den folgenden, von A. Mayer ^) herrührenden
Satz bewiesen:
Soll für eine in der 'kanonischen Form
y,^%{x;aO,h,C{h)) (101)
gegebene n-parametrige Extremalenschar der Hill er f sehe Unabhängig-
Tieitssats bestehen, d. h. soll der JDifferentialausdruck (90) ein vollständiges
Differential sein, so ist notwendig und hinreichend, daß die Funktionen
C^(b^, . . ., 6J den Integrabilitätsbedingungen
S = -S (102)
genügen, also die partiellen Ableitungen ein und derselben Funktion
B(b^j . . ., &J sind:
C.= ^l^h^'2M. (103)
Die Funktion J5(&i, . . ., 6J ist, abgesehen von Stetigkeitsbedingungen,
nur der aus (93 a) folgenden Anfangsbedingung
gJ3(6..^...U^^ = >°^^ (104)
unterworfen.
Wir werden eine w-parametrige Extremalenschar, welche, in
die kanonische Form (101) gebracht, diese Bedingung erfüllt, eine
May er' sehe Extremalenschar nennen.
Wie wir im vorigen Paragraphen gesehen haben, gilt für die
Extremalenschar durch einen festen Punkt der Hilbert'sche Un-
Hieraus folgt das im Text gegebene Resultat, da im Feld oP die Determinante
dyj\
|5»l (^,i = l,2,...,n)
von Null verschieden ist.
1) Von A. Mayer auf anderem Weg bewiesen in den Leipziger Be-
richten 1905, p. 49.
644 Zwölftes Kapitel. Lagrange'sches Problem. Fortsetzung.
abhängigkeitssatz; daher müssen diese speziellen Scharen May er 'sehe
Scharen sein. Dies läßt sich leicht mit Hilfe der Resultate von § 73
verifizieren. Wir fanden dort für die Extremale durch die beiden
Punkte (a,\j . . ., hj und {^j%y . . ., ?/J in der dortigen Bezeichnung
den Ausdruck j,. = D,(^; a, 6, ©),
und nach Gleichung (159) von § 73 war
Wir können die Extremale also schreiben
Halten wir darin die Größen |, t^^, . . ., ?/^ sowie a fest und variieren
die Parameter \j . . .^h^^ so stellen diese Gleichungen die Extremalen-
schar durch den Punkt |, t^^, . . .^ t^„ in der kanonischen Form (101) dar
und zeigen daher, daß diese Schar in der Tat eine Mayer'sche Schar ist.
b) Verallgemeinerung des Kneser'schen Transversalensatzes^):
Wir betrachten eine beliebige, die Extremale (Sq enthaltende
w-parametrige Extre malen schar in der kanonischen Form (93)
Die Funktionen C^ sollen in der Umgebung der Stelle ^J, . . ., 6JJ von
der Klasse C sein und den Anfangsbedingungen (93 a) genügen, und
die Schar soll ein Feld um den Bogen @q liefern.
Und nunmehr stellen wir uns die Aufgabe^), die Ausgangshyper-
fläche £ für das Integral W so zu bestimmen, daß die Ausdrücke für
die partiellen Ableitungen von W dieselbe einfache Form (81) an-
nehmen wie in dem speziellen Fall einer Schar von Extremalen durch
einen festen Punkt. Dazu ist nach (99) notwendig und hinreichend,
daß die durch (98) definierten Funktionen M^ sämtlich identisch ver-
schwinden, daß also
Die verlangte Bestimmung der Fläche ^ ist also nur möglich,
wenn die gegebene Schar eine Mayer'sche Schar ist, wie dies auch
a priori aus dem unter a) erhaltenen Resultat folgt. Diese Bedingung
sei erfüUt, und es sei _ dB{b,,. . .,h„)
'"""""" C/, = -M. (105)
db,
^) Vgl. hierzu Bolza, loc. cit. p. 483.
*) In Verallgemeinerung eines von Kneser für das einfachste Variations-
problem durchgeführten Gedankengangs, vgl. § 31,c).
§ 78. Mayer'sche Extremalenscliareii. 64&
Dann folgt aus (105) durch Integration
U(|;a»,6,||)+-B = c, (106)
WO c eine von \,"',\ unabhängige numerische Konstante ist. Dieser
Gleichung muß also die gesuchte Funktion J genügen.
Für die Diskussion derselben schreiben wir der Kürze halber
und machen die beschränkende Annahme, daß
f(x,y{x\y'{x))=^0 mix^x^l (107)
Unter dieser Voraussetzung betrachten wir die Aufgabe, die Gleichung
G{x, \, . . ., &„) = c (108)
nach X aufzulösen. Da nacli (104) und Gleichung (145) von § 73
G,{x,h\,...,-b'>;)==f(x,y{x\y'(.x)),
SO sind wegen (107) die Voraussetzungen des erweiterten Satzes über
implizite Funktionen von § 22, e) erfüllt, und man erhält durch An-
wendung desselben das folgende Resultat:
Es sei c^, resp. c^, das Minimum., resp. Maximum, der Funktion
G{x, hl, . . ., hl) im Intervall [^r^^g] ^^^ ^ =" ^oW ^^^ wegen (107) im
Intervall [c^c^] eindeutige Lösung der Gleichung
G{x,l'>,...,bl)==c.
Dann läßt sich die Gleichung (108) in der Umgebung der Punktmenge
e-, x = ^q(c), h = h% c^^c^c^
eindeutig nach x auflösen. Die Lösung sei
X = K&i, . . ., h^', c).
Schreiben wir dann noch
mih, ■ ■ - K; c), h, . . ., 6J = nAK ■ ■ -, K\ c), (109)
SO stellen die Gleichungen
X = |(5i, . . ., h^', c), y, = 7].{h^, . . ., h^', c)
eine Hyperfläche von den verlangten Eigenschaften dar, die wir mit
Xg bezeichnen. Lassen wir die Konstante c variieren, so erhalten
wir eine einfach unendliche Schar von solchen Hyperflächen, die wir
die „Transversalhyperflächen" des Feldes nennen woUen. Man beweist
leicht, daß bei gehöriger Beschränkung des Feldes durch jeden Punkt
desselben eine und nur eine Transversalhyperfläche hindurchgeht. Wir
können dann unser Resultat in den Satz zusammenfassen:
646 Zwölftes Kapitel. Lagrange'sches Problem. Fortsetzung.
Damit die Ausdrücke für die partiellen ÄUeitungen der Funktionen
^(^? 2/i7 • • •? 2/«) dieselbe einfache Form (81) annehmen wie hei einer
Schar von Extremalen durch einen festen Punkt, ist notwendig und hin-
reichend, daß die zugrunde liegende Extremalenschar eine May er' sehe
Schar ist, und daß die Ausgangshyperfläche für die Funktion W eine
Transversalhjperfläche des Feldes dieser Schar ist.
Weiter folgt nun unmittelbar die Verallgemeinerung des Kn es er-
sehen Transversalensatzes für das Lagrange'sche Problem^):
Zwä Transversalhyperflächen %^, und %^„ eines von einer May er-
sehen Schar gebildeten Feldes schneiden auf den verschiedenen Extremalen
der Schar Bogen aus, welche für das Integral J denselben konstanten
Wert liefern, nämlich den Wert c' — c\
Denn es ist nach der Definition der Funktionen U und |:
Jfix, Y, T)dx = u [i{b-cyy,b,^-^) - u (|(&;0; <^|f)
'^''''^ = G{l{b',c'\b) - G{Ub',c\b) = c' - c\
Hieraus folgt weiter: Wird als Ausgangshyperfläche bei der Defi-
nition der Funktion W eine Transversalhyperfläche des Feldes gewählt,
so sind die Transversalhyperflächen identisch mit den Hyperflächen
TF(:r,2/i,...,2/J = konst. (110)
Kombiniert man dieses Resultat mit dem unter a) bewiesenen
Satz, daß der Hilbert'sche Unabhängigkeitssatz für ein beliebiges
Mayer'sches Extremalenfeld gilt, so erkennt man, indem man genau
wie in § 41, Ende, schließt, daß der Weierstraß'sche Fundamentalsatz
(84) seine Gültigkeit behält, wenn das Feld statt von einer Extremalen-
schar durch einen festen Punkt von einer beliebigen Mayer'schen
Schar gebildet wird, und die Vergleichskurve S statt vom Punkt P^
von einem beliebigen Punkt der durch P^ gehenden 'Transversalhyper-
fläche X des Feldes ausgeht.
Damit hat man zugleich hinreichende Bedingungen für die Auf-
gabe gewonnen, das Integral J mit den Nebenbedingungen 9^ = 0 zu
einem Extremum zu machen, wenn der erste Endpunkt auf der Hyper-
fläche % frei beweglich, dagegen der zweite fest ist.
c) Zusammenliaiig mit der Transversalitätsbedingung:
Um die Analogie der im vorangehenden entwickelten Theorie
mit den entsprechenden Untersuchungen von Kneser für den ein-
^) Hierzu die Übungsaufgabe Nr. 9 am Ende von Kap. XIII.
§ 78. Mayer 'sehe Extremalenscharen. 647
fachsten Fall n = 1, m = 0 zu vervollständigen^ haben wir nun zu
zeigen, daß die Transversalhyperfläclien auch durch ein System von
partiellen Differentialgleichungen definiert werden können, welche
die Yerallgemeinerung der Transversalitätsbedingung des einfachsten
Falles sind.
Dazu differentiieren wir die Gleichung (106), durch welche die
Funktion |(fei, . . ., 5^^; c) definiert wird, partiell nach hj^ und machen
von den bei der Ableitung der Gleichungen (97) erhaltenen Resultaten
Gebrauch. Dann kommt
fix, Y, r) j^^^ +2f„U^, y, t, A) |5- ^= 0. (111)
Umgekehrt: Ist | eine Funktion von fe^, . . ., 6^, welche diesen
n partiellen Differentialgleichungen genügt, so folgt rückwärts die Glei-
chung (106). Die Transversalhyperflächen können also in der Tat durch
die n partiellen Differentialgleichungen (111) für die Funktion | defi-
niert werden; dieselben sind infolge der Relationen (102) miteinander
verträglich.
Führt man die durch die Gleichungen (109) definierten Funk- *
tionen y\^ ein, so gehen die Gleichungen (111) über in
/(^r;r)-^i7j;^X*, 1^ n^)f4+^j;+.(*, J^ r',^)f|f =0. (112)
Für n = 1 , m = 0 reduzieren sich diese Gleichungen auf die
eine Gleichung
fix, Y, Y') - Y'f^,{x, Y, T)\^^^ + f^ix, Y, r,)!'|| = 0, (112a)
d. h. eben auf die bekannte Transversalitätsbedingung.
Hiermit sind zunächst rein formal die Transversalhyperflächen als
Yerallgemeinerung der Transversalen des einfachsten Falles nachgewiesen.
Es bleibt jetzt aber noch zu zeigen, daß die Differentialgleichungen
(112) für das Lagrange'sche Problem mit einem variablen Endpunkt
dieselbe Bedeutung haben wie die Transversalitätsbedingung (112 a)
für den einfachsten Fall.
Wir betrachten daher jetzt die Aufgabe, — gleich etwas allge-
meiner, als für unsern unmittelbaren Zweck nötig wäre — , das Integral J
mit den Nebenbedingungen (p^ = 0 zu einem Extremum zu machen,
wenn der Punkt Pg fest ist, während der Anfangspunkt auf einer ge-
gebenen g-dimensionalen Mannigfaltigkeit ^ beweglich ist, welche in
ParameterdarsteUung gegeben sein möge durch die Gleichungen
wo 3' <; >^.
648 Zwölftes Kapitel. Laorange'sches Problem. Fortsetzung.
Die gesuchte Kurve @q muß dann eine Extremale sein, und wenn
ihr Anfangspunkt P^ auf ^ den Parameterwerten h^=hl, - - -,}) =6J
entspricht, so muß nach der in § 38 entwickelten Differentiations-
methode in der Bezeichnung von § 73, c) die Funktion
der unabhängigen Variabein h^^ - ■ •, h^ für &i = 2>5, •• •,?>„ = &? ein
Extremum besitzen; dabei ist (^3, ^13, • • •, ^/ns) ®^^ Punkt der Extre-
malen @q, der so nahe bei P^ gewählt ist, daß ^{x^^x^ =^0}) Dies,
führt nach den Gleichungen (158) von § 73 auf die Bedingungen:
+ 2F^U^,,y{x,\y{x,\l{x,)) {^^ = 0,
(113)
1, 2, • • •, q,
wobei der Index 0 die Substitution von &9 für h^ andeuten soU.
Dieselben lassen sich unter Einführung der Funktionen v^{x) nach
den Gleichungen (122) und (129 a) von § 72 auch einfacher schreiben
in der Form
H{x,,yi.x,),v{^,)) (ßi^^ -^ v,{x,) (g')^ = 0. (114)
Diese q Gleichungen, welche im allgemeinen die Lage des Punktes P^
auf der Mannigfaltigkeit ^ bestimmen, bilden zusammen die „Trans-
versalitätsbedingung^^ für das vorgelegte Variationsproblem; wenn die-
selbe erfüllt ist, werden wir sagen, die Mannigfaltigkeit £ schneide
die Extremale @q im Punkt Pj transversal. —
Die Gleichungen (112) sagen also aus, daß die durch Gleichung
(106) definierte Transversalhyperfläche ^ in jedem ihrer Punkte die
durch denselben hindurchgehende Extremale der M,ay er 'sehen Schar
transversal schneidet, womit die Bezeichnung Transversalhyperfläche
ihre Rechtfertigung findet.
d) Zwei Aufgaben über Transversalhyperfläclieii:
Hieran schließen sich naturgemäß zwei Aufgaben, deren Lösung
eine wichtige Ergänzung zu den unter a) und b) gegebenen Entwick-
lungen liefern wird; zunächst die Aufgabe:
Zu einer beliebig gegebenen Hyjperfläche ^ eine n-fach unendliche
Extremalenschar zu bestimmen^ welche von ^ transversal geschnitten ivird.
') Vgl. § 73, b), insbesondere p. 597, Fußnote ^) und § 76, g).
§ 78. May er 'sehe Extremalenscharen. ß49
Dabei wird angenommen, daß die spezielle Extremale ©^ im Punkt
Pi von ^ transversal geschnitten wird. Die Hyperfläche ^ sei wieder
gegeben in der Form
Durch den Punkt (b) derselben ziehen wir zunächst eine beliebige
Extremale, die wir in der Normalform von § 72, c)
ansetzen. Dann ist nach (114) die Bedingung dafür, daß diese Ex-
tremale von der Hyperfläche ^ in ihrem gemeinsamen Schnittpunkt
transversal geschnitten wird:
m,V,c)§l-^-;Se,l^ = 0, Jc^l,2,...,n, (115)
da nach Gleichung (136) von § 12
Da nach Voraussetzung die Hyperfläche ^ die Extremale (S^ i^ ^i
transversal schneidet, so werden die n Gleichungen (115) befriedigt
durch das spezielle Wertsystem h. = &», c. = c^ = v.{x^). Daher können
wir dieselben in der Umgebung dieser Stelle eindeutig nach q,---,c„
auflösen, wofern an derselben die Funktionaldeterminante der Auf-
lösung von NuU verschieden ist. Erinnert man sich, daß nach (88)
so erhält man für die fragliche Funktionaldeterminante nach einfachen
Determinantensätzen die Determinante n -\- 1 ten Grades
(M\ (^Jk\ (^Jh\ (drin\ (116)
(^=1;2,-..,^).
Wir können also den Satz aussprechen:
Wenn die Determinante (116) von Null verschieden ist^), so läßt
sich stets eine und nur eine, die Extremale (S^ enthaltende n-parametrige
Extremalenschar konstruieren, welche von der Hyperfläche ^ transversal
geschnitten wird.
^) I>- li- geometrisch: Wenn die Hyperfläche ^ im Punkt P^ die Extremale
@o nicht berührt.
650 Zwölftes Kapitel. Lagrange'sches Problem. Fortsetzung.
Die zweite der oben erwäbnten Aufgaben ist die zur ersten in-
verse Aufgabe:
Zu einer gegebenen n-parametrigen Extremalenschar eine Trans-
versalhyperfläche zu konstruieren.
Wir nehmen dabei an, daß die gegebene Schar die Extremale (Sq
enthält, und präzisieren die Aufgabe genauer dahin, daß die zu kon-
struierende Transversalhyperfläche durch einen gegebenen Punkt
Jo(<Z>;,---,6J) von (So gehen soll.
Wir schreiben die gegebene Extremalenschar in der kanonischen
Form (93) mit der Nebenbedingung (93 a) und schneiden, wie unter
a), die Schar mit einer beliebigen durch den Punkt Aq gehenden
Hyperfläche ^, die wir wieder durch die Gleichungen (91) analytisch
darstellen. Soll dann ^ jede Extremale der Schar transversal schnei-
den, so muß die Funktion l(^i? ' ' *? ^J ^®^ ?^ partiellen Differential-
gleichungen (111) genügen. Führen wir jetzt wie unter a) die Funk-
tion U{x,\, • ' ', 6„) ein und machen von den Formeln (96) und (97)
Gebrauch, so gehen die Gleichungen (111) über in
du
^ aa du
dx
was wir auch schreiben können
-Jf, = 0,
Da aber £^(|, &i, • • •, &J = 0, so folgt: Mj^^O. Hiermit sind wir
aber auf die bereits unter b) gelöste Aufgabe zurückgeführt und
erhalten daher den Satz:
Soll es möglich sein, zu einer gegebenen n-parametrigen Extremalen-
schar eine Transversalhyperfläche zu konst/ruieren, so ist notwendig und
hinreichend, daß die gegebene Schar eine May er' sehe Schar ist.
Durch Kombination mit dem oben gefundenen Resultat ergibt
sich hieraus der weitere Satz^):
Konstruiert man zu einer beliebigen Hyperfläche ^ die von ihr
transversal geschnittene Extremalenschar, so ist letztere eine May er 'sehe
Schar, und umgekehrt kann jede Mayer'sche Schar auf diese Weise
erzeugt werden.
^) Hiermit ist die Verbindung zwischen den Resultaten von A. Mayer und
HiLBEBT hergestellt. Letzterer hatte nämlich, noch vor Veröffentlichung der
oben zitierten May er 'sehen Arbeit, an dem Fall w = 2, w = 0 in sehr einfacher
Weise durch vollständige Induktion bewiesen, daß für jede n-parametrige Extre-
malenschar, welche von einer Hyperfläche transversal geschnitten wird, der Un-
abhängigkeitssatz gilt, vgl. Zur Variationsrechnung, Göttinger Nachrichten
1905, p. 169 und Mathematische Annalen, Bd. LXII (1906), p. 351.
§ 78. May er 'sehe Extremalenscharen. 651
Hiermit ist zugleich eine von der speziellen Normalform (93) un-
abhängige Definition der May er 'sehen Scharen gewonnen.
Beispiel XXVIII: Für das Problem der kürzesten VerbindungsJcurve zweier
Punkte im drei-dimensionalen Baum die May er 'sehen Extremalenscharen zu be-
stimmen.
Hier hat man das Integral
J = fyi'-\-y'-\-V^dx
^1
ohne Nebenbedingung (m = 0) zu einem Minimum zu machen.
Die Extremalen sind die Geraden des Raumes. Eine n{= 2)-parametrige
Extremalenschar ist eine Kongruenz von Geraden. Die Bedingung, daß eine
Fläche {= Hyperfläche)
die Extremale
y=ax-\-ß, z = 'yx -{- d
transversal schneidet, wird durch die beiden Gleichungen
^- 11. + y j^j, '' 1^ = 0 jc^^i 2
yi-\.y'^-^V^dbk ]/i-j-2/'2-f /2\afe^ yi^y'tj^2'^\dbk
ausgedrückt. Transversal ist also mit orthogonal identisch. Für das vorliegende
Problem sind also die Maye)-' sehen Extremalenscharen Normalenkongruenzen})
Der Kneser'scheTransversalensatz geht in den bekannten Satz iihQx Parallel-
flächen über ^) : Trägt man auf den Normalen einer Fläche von ihren l'ußpunkten
aus eine konstante Strecke ab, so bilden die Endpunkte derselben eine Fläche,
welche die Normalen der ersten Fläche wieder senkrecht schneidet (eine „Paral-
lelfläche" der ersten).
^) Vgl. z. B. BiANCHi-LuKAT, Differentialgeometrie^ § 143.
^) Vgl. z. B. Scheffers, Theorie der Flächen, p. 205.
Dreizehntes Kapitel.
Elemente der Theorie der Extrema yon Doppelintegralen.
§ 79. Die erste Variation von Doppelintegralen mit x^ y als
unabhängigen Variabein.
Die Theorie der Extrema von Doppelintegralen ist noch nicht
^u einem ähnlichen Abschluß gelangt wie die analoge Theorie der
einfachen Integrale. In der Tat läßt sich zwar ein Teil der Betrach-
tungen, die wir bei einfachen Integralen durchgeführt haben, ohne
große Mühe auf Doppelintegrale ausdehnen, bei einem anderen Teil
dagegen wachsen die Schwierigkeiten beim Übergang zu Doppelinte-
gralen ganz außerordentlich, was in erster Linie damit zusammenhängt,
daß hier an Stelle der gewöhnlichen Differentialgleichungen partielle
Differentialgleichungen treten. Wir werden uns daher bei der fol-
genden Darstellung auf die einfachste Klasse von Problemen und auf
die einfachsten darauf bezüglichen Fragestellungen beschränken.
Wir unterscheiden wieder „Funktioneuprobleme", bei denen eine
Funktion zweier unabhängiger Variabein zu bestimmen ist, und
„Flächenprobleme" bei welchen es sich um die Bestimmung einer
Fläche in allgemeiner ParameterdarsteUung handelt. Die Theorie der
ersten Variation werden wir für beide Probleme durchführen (§§ 79, 80),
uns dagegen bei der Theorie der zweiten Variation (§ 81) und der
hinreichenden Bedingungen (§ 82) auf den Fall des Funktionen-
problems beschränken.
a) Die Lagrang e'sche Differentialgleicliuiig ^) :
Es sei einerseits eine Funktion f{x,y,z,p,q) der unabhängigen
Variabein x,yjZ,p,q und andererseits eine geschlossene Raumkurve 2
gegeben. Wir betrachten die Aufgabe: Unter allm^ in rechtwinkligen
Koordinaten in der Form
z = z{x,y) (1)
^) Vgl. dazu die Darstellung von Goursat, Cours d' Analyse, Bd. II (1905),
^r. 456, der wir im wesentlichen gefolgt sind.
§ 79. Die erste Variation Yon Doppelintegralen. 653
darstellbaren Flächen'^), welche von der Kurve £ begrenzt werden, die-
jenige zu bestimmen, für welche das Doppelintegral
J -fjf{oc, y, z,p, q) dxdy (2)
den Ideinsten Wert annimmt.
Dabei ist in dem Integranden des DoppeKntegrals
z = z{x, y), p = z^x, y), q = Zy{x, y)
zu setzen und das Integral ist über die Projektion CL der Fläche (1)
auf die x, ?/- Ebene zu erstrecken.
Über die Funktion f{x,y,z,p,q) wird vorausgesetzt, daß sie von
der Klasse C " ist, wenn der Punkt {x, y, z) in einem gewissen Bereich
Öl des Raumes liegt und p und q beliebige endliche Werte haben.
Die geschlossene Kurve £ soll ganz im Inneren dieses Bereiches
^ liegen und, ebenso wie ihre Projektion ^ auf die rr,^-Ebene, eine
gewöhnliche^) Kurve ohne mehrfache Punkte sein. Überdies soll es
eine ganze Zahl n geben derart, daß jede Grerade der x, ^-Ebene, welche
zur ic-Achse oder zur 2/- Achse parallel ist, die Kurve ^ höchstens in
n Punkten trifft, es sei denn, daß sie eine ganze Strecke mit ihr gemein
hat. Das Innere^) der Kurve ^ zusammen mit der Kurve ^ selbst
ist dann der oben mit €L bezeichnete Integrationsbereich.
Von den „zulässigen Flächen" wird, abgesehen davon, daß sie von
der Kurve ß begrenzt sein soUen, vorausgesetzt, daß sie ganz im
Inneren des Bereiches 61 liegen und von der Klasse*) B' sein sollen.
Unter diesen Voraussetzungen hat das Integral (2) für jede zulässige
Fläche einen bestimmten endlichen Wert.^)
Wir nehmen an, wir hätten eine zulässige Fläche ^^ von der
Klasse C" gefunden, — dieselbe sei durch die Gleichung (1) dar-
gestellt — , welche dem Integral J einen nicht größeren Wert erteilt
als jede andere zulässige Fläche ^ in einer gewissen Umgebung von
9\). Ist dann i{x,y) irgend eine Funktion, welche in 61 von der Klasse
D' ist und entlang der Begrenzung ^ verschwindet:
if=^, '(3)
^) Das Wort „Fläche" wird hier überall im Sinn von „Flächenstück" gebraucht.
^) Vgl. die Definition in § 25, a) , die sich unmittelbar auf ßaumkurven
übertragen läßt.
3) Vgl. A VI 2.
^) D. h. die Funktion z{x,y) soll stetig sein im Bereich €C, und dieser Be-
reich soll sich in eine endliche Anzahl von Teilbereichen zerlegen lassen, in
deren jedem z{x^y) von der Klasse C ist, wobei die TrennungsUnien denselben
allgemeinen Charakter haben sollen wie die Kurve Ä.
^) Vgl. Jordan, Cours d' Analyse, Bd. I, Nr. 66 ; Stolz^ Grundzüge, etc., Bd. III, p. 69.
Bolza, Variationsrechnung. 42
554 Dreizehntes Kapitel. Extrema von Doppelintegralen.
•SO stellt die Gleichung
z = z{x,y)-\- st,{x, y\ (x, y) in ÖL (4)
bei hinreichend kleinem , £ \ eine Schar von zulässigen Variationen
der Fläche 7^ dar. Daher muß die Funktion
J{e) =JJf(^y y,0 -{- £t,^^+ f ?:,, ^y + eQdxdy
a
für £ = 0 ein Minimum besitzen, es muß also ^)
a
sein, wobei die Argumente in den Ableitungen von f sich auf die
Fläche ^0 beziehen. Nun ist aber^)
und nach dem Green'schen Satz^) ist
a ^ a «
wobei die Linienintegrale auf der rechten Seite im entgegengesetzten
Sinn des Uhrzeigers über die Kurve ^ zu erstrecken sind, wenn, wie
wir stets voraussetzen, die positive i/- Achse links von der positiven
iC-Achse liegt. Auf diese Weise erhalten wir für die erste Variation
den Ausdruck
a Ä
^) Wegen der Differentiation eines Doppelintegrals nach einem Parameter
vgl. Jordan, loc. cit. Nr. 83.
*) Diese der partiellen Integration von § 5, a) entsprechende Transformation
der ersten Variation rührt von Lagrange her, die Einführung des Linienintegrals
von Gauss (1830), Werke^ Bd. V, p. 60. Dabei ist" von der vorausgesetzten Existenz
und Stetigkeit der zweiten partiellen Ableitungen von z Gebrauch gemacht. Will
man nur die Existenz und Stetigkeit der ersten Ableitungen voraussetzen, so hat
man analog wie in § 5, c) zu verfahren; mit dieser Verallgemeinerung der Du-
Bois-Reymond'schen Methode beschäftigen sich Hilbert, Mathematische
Annalen, Bd. LIX (1904), p. 166; Mason, Ibid. Bd. LXI (1905), p. 450; Hadamard,
Comptes llendus, Bd. CXLIV (1907), p. 1092. Vgl. unten Beispiel XXX.
') Vgl. z. B. Stolz, Grundzüge, Bd. III, p. 94.
§ 79. Die erste Variation von Doppelintegralen. 655
Wegen (3) ist das Linienintegral gleich Null, und es muß also das
Doppelintegral für alle zulässigen Funktionen J verschwinden.
Dem Fundamentallemma von § 5, b) entspricht nun hier der Satz:
Ist die Funktion M{x,y) stetig im Bereich GL, und ist
fft,Mdxdy=^0 (6)
a
für alle Funktionen g, welche in (9L von der Klasse C sind und ent-
lang der Begrenzung ^ von (SC verschwinden, so ist
M{x,y) = 0 in 6C.
Denn angenommen, es sei Jf (^0,7/0) =h 0, etwa > 0, für einen
inneren Punkt P^ {x^, y^) von 61, so können wir die positive Größe q
so klein wählen, daß M(Xyy)>0 in der Kreisfläche 6 mit dem
Radius q und dem Mittelpunkt P^, und daß gleichzeitig dieser Kreis
ganz im Innern von (9L liegt. Dann hat die durch die Festsetzung
i[Q^-{x-x,f-{y-y,ff in 6
l 0 außerhalb 6
definierte Funktion J die verlaugten Eigenschaften und macht trotz-
dem das Integral (6) positiv. Daraus folgt, daß M(x, y) = 0 sein
muß, zunächst im Innern von (9L, und wegen der Stetigkeit von M
alsdann auch auf der Begrenzung ^.
Wendet man dieses Lemma auf die Gleichung dj = 0 in der
zuletzt erhaltenen Form an, so erhält man den Satz^):
Die erste notwendige Bedingung für ein Extremum des Doppel-
integrals J besteht darin, daß die Funktion 0 der partiellen Differential-
gleichung
f'-ljv-Tyf^-^ (I)
genügen muß.
Dabei sind die Differentiationen nach x und y so zu verstehen,
daß vor der Differentiation in f^ und f^ für 3, p, q die Funktionen
^) Zuerst von Lagrange (1760) für den Fall der Minimalflächen gegeben, vgl.
Oeuvres, Bd. I, p. 356.
Mit dem .^inversen Problem'' (vgl. § 6, c)), die Funktion f so zu bestimmen,
daß die DiflFerentialgleichung (I) mit einer vorgegebenen partiellen Differential-
gleichung zweiter Ordnung identisch wird, beschäftigen sich Hirsch, Mathema-
tische Annalen, Bd. XLIX (1897), p. 49; Hertz in seiner Dissertation „lieber
partielle Differentialgleichungen, die in der Variationsrechnung vorkommen" (Kiel,
1903); KüRscHAK, Mathematische Annalen Bd. LX (1904), p. 157 und Bd.
LXII (1906), p. 148; und Königsberger, Berliner Berichte, 1905, p. 205.
42*
656 Dreizehntes Kapitel. Extrema von Doppelintegralen.
z{x, y), ^x(^>y)> ^yi^yV) einzusetzen sind, so daß die Differential-
gleichung in ausgeschriebener Form lautet:
Man hat es also mit einer partiellen Differentialgleichung zweiter
Ordnung von dem nach Monge und Ampere benannten Typus ^) zu tun.
Man hätte nun weiter zunächst die allgemeine Lösung derselben
zu finden und die darin enthaltenen willkürlichen Funktionen so zu
bestimmen, daß die Funktion z entlang der Kurve t die durch die
Kurve £ vorgeschriebenen Randwerte annimmt, eine Aufgabe von
ungleich größerer Schwierigkeit als die entsprechende Aufgabe im Fall
des einfachen Integrals.
Jede Fläche, welche der Lagrange'schen Differentialgleichung (I)
genügt, nennen wir eine j^Extremalfläche'^ ^) für das Doppelintegral (2).
Beispiel XXIX: Das Integral
J=rj\p' + q^dxdy (8)
zu einem Minimum zu machen.
Hier findet man als Differentialgleichung des Problems die Laplace'sche
Differentialgleichung ^j^ ^t^
deren allgemeines Integral bekanntlich^) ist
z = 9?qp(ic -f iy),
wo (p eine willkürliche analytische Funktion von x + iy bedeutet und der Buch-
stabe ?R anzeigt, daß der reelle Teil derselben genommen werden soll.
Die Frage nach der Existenz einer Lösung, welche durch die gegebene ge-
schlossene Kurve 2 geht, ist identisch mit dem berühmten Dirichl et' sehen
Problem. *)
Hat man eine der Differentialgleichung (9) genügende Fläche gefunden,
welche von der gegebenen Kurve S begrenzt wird, so liefert dieselbe stets ein
absolutes Minimum für das Integral (8). Ist nämlich (o{x,y) eine beliebige
Funktion von x,y, welche in €1 von der Klasse C ist und entlang der Begren-
zung Ä verschwindet, so findet man für die totale Variation des Integrals (8)
beim Übergang von z zw. z -\- a
AJ = 2jT(^^aj^ -f z^coy) dx dy J^^j^J^^o^l -f «J) dx dy .
^) Vgl. z. B. GouBSAT, Legons su/r l'integration des equations aux derivees pdr-
tidles du second ord/t'e., Chap. H.
*) Kneser sagt statt dessen einfach „Extremale", vgl. Lehrbuch, p. 271.
«) Vgl. z. B. PicARD, Traite d' Analyse, Bd. H (1905), p. 6.
*) Vgl. darüber z. B. Picard, loc. cit. pp. 36—50, 81—108.
§ 79. Die erste Yariation von Doppelintegralen. 657
Wie sich aus der oben allgemein durchgeführten Transformation der ersten
Variation ergibt, ist das erste Integral gleich Null, weil z der DiiFerentialglei-
chung (9) genügt und w entlang dem Rande verschwindet. Es ist also in der
Tat AJ'> 0, außer wenn to^= 0, w^ = 0, d. h. co = 0 in (9f. Dasselbe gilt
auch noch, wenn die Funktion (a von der Klasse 2>' ist, wie man sich über-
zeugt, wenn man vor der erwähnten Transformation das fragliche Integral in
eine Summe von Integralen zerlegt, entsprechend den Teilbereichen von (9f, in
welchen ro von der Klasse C ist.
Kann man a priori die Existenz eines Minimums für das Integral (8) be-
weisen, so folgt daraus die Existenz einer Lösung der partiellen Differential-
gleichung (9) mit den vorgeschriebenen Randwerten {Dirichlet'sches Prinzip) ^).
Beispiel V^: Die Iläche Ueinsten Inhalts zu bestimmen, welche von einer
gegebenen geschlossenen Baumhurve begrenzt wird.
Hier hat man das Integral
J = Cß/i + p2 4- q^' dxdy (10)
zu einem Minimum zu machen. Die Lagrange 'sehe Differentialgleichung lautet^)
— ^ + A g = 0
oder wenn man die Differentiationen ausführt und von den in der Flächentheorie
üblichen Abkürzungen
P = ^x^ i = ^y^ r = ^xx^ ^ = ^xy^ t = ^yy
Gebrauch macht,
r(l J^g^)-2pqs-^t{\ -f p2) = 0. (11)
Diese Gleichung hat eine einfache geometrische Bedeutung. ^) Die beiden Haupt-
krümmungsradien Q^ , (>2 in einem Punkt einer in der Form (1) dargestellten
Fläche sind die Wurzeln der quadratischen Gleichung^)
(H-Op'-{(l+3')^-2i?^5 + (l+P')Myi + i5' + 2'> + (l+P'+2T = 0.
Daraus folgt für die mittlere Krümmung der Ausdruck
1 1 ^(i-f g^)r-2pgg + (l-|-p^)< (j2^
Qx 92 (yi + p^-i- q^'^y
Die gesuchte Fläche hat also die charakteristische Eigenschaft, daß in jedem
ihrer Punkte die mittlere Krümmung gleich Null ist.
Jede Fläche, welche diese Eigenschaft besitzt, heißt eine Minimalfläche.
Das allgemeine Integral^) der Differentialgleichung (11) ist zuerst von Monge
^) ^gl- § 55, insbesondere die Fußnote ^) auf p. 421.
') Vgl. p. 7.
^ Schon von Lagrange gefunden (1760).
^) Zuerst von Meusnier angegeben (1776).
^) Vgl. z. B. Knoblauch, Krumme Flächen, p. 40.
^) Vgl. darüber auch p. 667.
658 Dreizehntes Kapitel. Extrema von Doppelintegralen.
angegeben worden (1784). Mit der Aufgabe, eine Minimalfläche zu konstruieren,
welche von einer gegebenen geschlossenen Raumkurve begrenzt wird, hat sich
besonders H. A. Schwarz ^) beschäftigt. Experimentell wird dieselbe durch die
Gleigewichtslage einer zwischen der Begrenzung ausgespannten Flüssigkeits-
lamelle gelöst {Plateau'sches Problem).^)
Beispiel XXX: Das Integral
J=ff{p'-q')dxdy
zu einem Extremum zu machen.
Die Lagrange'sche Differentialgleichung lautet:
1^ _ l!i _ 0
Ihre allgemeine Lösung ist
z = (p{x -\- y) -\- ip{x — y\
wo tp und Tp zwei willkürliche Funktionen sind.
Das Beispiel illustriert^) zwei Eigentümlichkeiten von Variationsproblemen
mit zwei unabhängigen Variabein, welche im Fall einer unabhängigen Variabein
kein Analogen haben.
1) Die Lagrange'sche Differentialgleichung eines analytischen Variatiöns-
prohlems kann nicht-analytische Lösungen besitzen. Man braucht nur für cp und
1/; nicht-analytische Funktionen der Classe C" zu wählen.
2) Die erste Variation kann verschtvinden, ohne daß die Lagrange'sche
Differentialgleichung befriedigt ivird. Wählt man für qp und ij) zwei Funktionen,
welche stetige erste, aber keine zweiten Ableitungen besitzen, so erhält man
eine Funktion z, welche der Lagrange 'sehen Differentialgleichung nicht genügt,
aber trotzdem die erste Variation für alle zulässigen Funktionen ^ der Klasse C"
zum Verschwinden bringt, da hier
^ n -^-
dy • ^^ dx
nt + fpt, + f,ty = o .. FC - /„ F^y
F=2[(p{x-]-y)-^{x-y)],
und ''
^^dx -{- ^ydy = 0 entlang ^.
Der Du-Bois-Reymond'sche Einwand ist also bei Doppelintegralen viel ein-
schneidender als bei einfachen Integralen. *)
0 Gesammelte mathematische Abhandlungen, Bd. I.
') Plateau, Statique experimentale et theorique des liquides (1873); vgl. auch
Encyklopädie V 9, Nr. 10 (Minkowski).
') Nach Hadamard, vgl. die Fußnote ^ auf p. 654. Die beiden Eigentümlich-
keiten hängen damit zusammen, daß das vorliegende Beispiel kein „reguläres
Variationsproblem" ist, vgl. p. 675 Fußnote ^).
*) Hierzu weiter die Übungsaufgaben Nr. 10, 20 am Ende von Kap. XIII.
§ 79. Die erste Variation von Doppelintegralen. 659
b) Ausartung der Lagrange 'sehen Differentialglßicliung in eine
Identität:^)
Für spätere Anwendung betrachten wir noch den Fall, wo die
Lagrange 'sehe Differentialgleichung (I) in eine Identität degeneriert,
und zwar soll dies in dem Sinn stattfinden, daß die Differential-
gleichung in ihrer ausgeschriebenen Form (7)
/> + 24,s + fj + f^^p + f,A + fp. + f,y - /; = 0
für jeden Punkt {x, y, s) in einem gewissen, im Innern von 31 ge-
legenen Bereich ÖIq und für alle endlichen Wertsysteme p, q, r, s, t
erfüllt sein soll.
Man zeigt leicht, daß hierfür notwendig und hinreichend ist, daß
die Funktion f von der Form
/•= L{x, y, d) + M{x, y, z)p + N{x, y, 2) q_
ist, und die Funktionen Z, Jf, iV in ^^ identisch der Relation
4 = nr, + N^
genügen.
Es sei jetzt eine diesen Bedingungen genügende Funktion f ge-
geben; die Funktionen Z, ilf, JV seien im Bereich ÖIq von der Klasse C
und überdies möge der Bereich öl^ in Beziehung auf die ^-Richtung
konvex^) sein und die vorgegebene geschlossene Kurve £ enthalten.
Bann ist der Wert des Boppelintegrals (2), genommen über irgend
eine in der Form (1) darstellbare Fläche von der Klasse C\ welche
von der Kurve £ begrenzt wird und ganz in 01^ liegt ^ nur von der
Begrenzung slzurve ß, nicht aber von der sonstigen Gestalt der Fläche
abhängig.
Denn sind
z=-z^{x,y) und z = z^{x,y),
{x,y) in OL,
zwei diesen Bedingungen genügende Flächen, so genügt auch jede
Fläche der Schar
z = z^{x,y) -{- a(z^{x,y)- z^{x,y)) = Z{x,y',a),
(x,y) in (9L5 O^a^l,
*) Ygl. die analogen Betrachtungen in § 6, b) und Jellett, Treatise on the
Calculus of Variations, p. 340; ferner wegen verschiedener Verallgemeinerungen
Königsberger, Mathematische Annalen, Bd. LXII (1906), p. 118.
^) D. h. sind P^ und Pg irgend zwei Punkte von 01^ mit denselben x.y-Ko-
ordinaten, so liegt stets die ganze Strecke P^ P, in 0l<, .
660 Dreizehntes Kapitel. Extrem a von Doppelintegralen.
denselben Bedingungen. Berechnet man jetzt die Ableitung des Doppel-
integrals
^(«) = JT^(^^ yy ^^ ^^^ ^y) ^^ ^y
d
nach a und benutzt dabei die unter a) bei der Berechnung von dj
angewandte Umformung^), so ergibt sich
J\cc) = 0 für 0^«^1.
Denn in der der Gleichung (5) entsprechenden Formel verschwindet
das Doppelintegral, weil nach Voraussetzung die Lagrange'sche
Differentialgleichung (I) in dem obigen Sinn identisch erfüllt ist, und
das Linienintegral, weil ^^^x^y) = z^{x,ij) entlang der Kurve ^. Hier-
aus folgt aber, daß J{0) = J{l)j d. h. die beiden Flächen liefern für
das Doppelintegral J denselben Wert, was zu beweisen war.
Umgekehrt zeigt man leicht, daß das identische Erfülltsein der
Lagrange 'sehen Differentialgleichung zugleich die notwendige Be-
dingung für die Invarianz des Doppelintegrals in dem angegebenen
Sinn ist.
c) Der einfachste Fall variabler Begrenzung:
Die Formel (5) für die erste Variation führt auch leicht zur Er-
ledigimg des Falles, wo die Begrenzung S der gesuchten Fläche zwar
nicht selbst gegeben ist, wohl aber ihre Projektion k auf die iP, «/-Ebene,
d. h. also des Falles, wo die Kurve S der Bedingung unterworfen ist,
auf einem gegebenen, zur x, y-Ebene senkrechten Zylinder m liegen.
Man schließt zunächst durch Betrachtung von Variationen, welche
die Begrenzung nicht ändern, daß die gesuchte Fläche auch in diesem
Fall der Differentialgleichung (I) genügen muß, also eine Extremal-
f lache sein muß. Man betrachtet dann weiter eine beliebige Variation
der Form (4), welche die Begrenzung auf dem angegebenen Zylinder
variiert. Dabei ist für das Integral J{s) der Integfationsbereich
derselbe wie für das Grundintegral J(0). Daher ändert sich nichts
an der obigen Transformation der ersten Variation, und man erhält,
da jetzt 5 längs der Kurve ^ nicht verschwindet, die weitere Be-
dingung
jtifA's-m'^s^o,
^) Bei dieser Umformung muß vorausgesetzt werden, daß fp und fq von der
Klasse C sind; dazu genügt es im gegenwärtigen Fall wegen der speziellen
Form von f, daß Z von der Klasse C ist.
§ 79. Die erste Variation von Doppelintegralen. QQl
wobei wir auf der Kurve ^ den Bogen s als Parameter eingeführt
haben. Hieraus schließt man leicht, daß wegen der Willkürlichkeit
von f der Faktor von J entlang der Kurve k verschwinden muß, daß
also die „Gremgleichung^^
/p§f-n^r=o (13)
erfüllt sein muß.
Für die beiden Beispiele XXIX nnd V lautet die Grenzgleichung
= 0.
dy dx
Nun sind aber
—p —q
die Richtungskosinus der (positiven) Normalen der Extremalfläche, dagegen
dy dx
ds' ~ds^ ^
diejenigen der Normalen des gegebenen Zylinders; die Grenzgleichung drückt
also aus, daß in jedem Punkt der Begrenzung ß die Extremalfläche den Zylinder
senkrecht schneiden muß.^)
d) Die Euler'sche Regel für Doppelintegrale: 2)
Auch die Euler'sche Regel für isoperimetrische Probleme läßt
sich leicht auf Doppelintegrale übertragen. Sind die zulässigen Flächen
außer den unter a) angegebenen Bedingungen noch der isoperimetrischen
Bedingung unterworfen, daß sie einem zweiten Doppelintegral der-
selben Form
K ^JJg{x, y, z,p, q) dx dy
a
einen vorgeschriebenen Wert l erteilen sollen, so betrachte man wie
in § 59, a) Variationen von der Form
2==z{x,y)i- £^(x, y) + s, J, {x, y) = Z{x, y, e, e^),
wobei i{x,y), t^{x,y) beliebige Funktionen der Klasse D' sind, welche
^) Hierzu weiter die Übungsaufgaben Nr. 15, 16 am Ende von Kap. XIII.
^) Für die weitere Theorie der isoperimetrischen Probleme bei Doppel-
integralen verweisen wir auf Kobb, Acta Mathematica, Bd. XVII (1893), p. 321
und J. 0. Müller, „Über die Minimaleigenschaft der Kugel'', Dissertation,
Göttingen 1903.
ßß2 Dreizehntes Kapitel. Extrema von Doppelintegralen.
entlang der Kurve ^ verschwinden, während die Größen £, f^ Kon-
stanten sind, welche der Gleichung
K{e, 8, ) ^ f'fgix, y, Z, Z,, Z^) dxdy = l (14)
genügen. Die Funktion
^(^, ^l) = /7/'(^^ 2/; ^. ^. ^v) ^^ ^^
muß dann an der Stelle £ = 0, t^ = 0 ein Extremum mit der Neben-
bedingung (14) besitzen. Indem man genau wie auf p. 458, Fuß-
note ^) weiter schließt, erhält man das Resultat, daß die gesuchte
Fläche der partiellen Differentialgleichung
' dx P cy ^ ^ ^
genügen muß, wobei
und l eine Konstante ist. Ausgenommen ist wieder der FaU, wo die
Fläche zugleich Extremalfläche für das Integral K ist.
Für den unter c) betrachteten speziellen FaU variabler Begrenzung
lautet hier die Grenzgleichung:
1 dy T dx
^Pds~^d^
= 0.
Beispiel XXXI: Unter allen Flächen, welche von einer gegebenen ge-
schlossenen Kurve S begrenzt werden und zusammen mit dem die Kurve S auf die
X, y-Ehene projizierenden Zylinder und dessen Basis in der x^ y-Ehene ein ge-
gebenes Volumen einschließen, diejenige zu bestimmen, welche den kleinsten
Flächeninhalt besitzt.
Hier hat man das Integral
/= /Yi/T+pM^ dx dy
zu einem Minimum zu machen mit der Nebenbedingung . '
l j zdxdy = a^.
Es ist also
woraus sich die partielle Differentialgleichung^) ergibt
(yT+ p^ + 2^^)'
Nach (12) drückt dieselbe aus, daß die Extremal flächen Flächen konstanter
mittlerer Krümmung sind.
^) Schon von Lagrange gegeben (1760), Oeuvres, Bd. I, p, 356.
§ 80. Doppelintegrale in Parameterdarstellung. 663
Auch hier läßt sich die Fläche experimentell darstellen durch eine Flüssig-
keitslamelle, welche zwischen dem Rand eines zylindrischen Gefäßes ausgespannt
ist und in letzterem ein bestimmtes Volumen Luft abschließt. ^) Auch die Ober-
fläche eines Öltropfens, der in einer gleich schweren Mischung von Wasser und
Alkohol frei schwebt oder sich an eingetauchte feste Körper anlehnt, nimmt im
Gleichgewichtszustand die Figur einer Fläche konstanter mittlerer Krümmung an. ^)
§ 80. Die erste Variation von Doppelintegralen in Parameterdarstellung.
Aus denselben Gründen, wie bei einfaclien Integralen^), ist eine
erschöpfende Behandlung von geometrischen Variationsproblemen auch
bei Doppelintegralen nur unter Benutzung der Parameter dar Stellung*)
möglich.
a) Allgemeines über Flächen in Parameterdarstellung:
Es sei eine Fläche in Parameterdarstellung gegeben durch die
Oleichungen
X=^X{U,V), y = y(u,v), z = z{u,v). (16)
Die unabhängigen Variabein w, v (die „Parameter") deuten wir als
rechtwinklige Koordinaten eines Punktes in einer zt, i'-Ebene. Die
Funktionen x{ii,v), y{ii,v), z{u,v) seien von der Klasse C (resp. C^"'\
D^"^) in einem Bereich 6L der w, ^-Ebene, welcher von einer endlichen
Anzahl gewöhnlicher, geschlossener Kurven ohne mehrfache Punkte
begrenzt wird, deren Gesamtheit wir mit ^ bezeichnen; die Kurve ^
soll die Eigenschaft haben, von jeder zur M-Achse oder zur i;-Achse
parallelen Geraden höchstens eine bestimmte endliche Anzahl von
Malen geschnitten zu werden, es sei denn, daß sie eine ganze Strecke
mit ihr gemein hat. Überdies sollen die drei Funktionaldeterminanten
^-Vu^.-^uVv, ^-^u^v-^u^v, ^-^Vv-Vu^v
in keinem Punkt von 6L gleichzeitig verschwinden.
Die Gleichungen (16) ordnen jedem Punkt {u, v) des Bereiches 6C
einen Punkt (x^y,z) der Fläche zu, dem ganzen Bereich GL ein Stück
^) Vgl. Encyklopädie V 9 (Minkowski), Nr. 10.
^) Ibid. Nr. 9. Hierzu weiter die Übungsaufgaben Nr. 11 — 16 am Ende von
Kap, XIII.
') Vgl. § 25, e).
*) Dieselbe ist zuerst von Poisson auf Variationsprobleme angewandt worden,
allerdings nur als Mittel zur Ableitung der Grenzgleichungen bei Problemen mit
variabler Begrenzung, Memoires de l'Academie de France, Bd. XII (18^3),
p. 286. Systematisch auf die allgemeine Theorie der Extrema von Doppelinte-
gralen angewandt wurde dieselbe zuerst von Kobb, Act a Math ematica, Bd. XVI
(1892), p. 65; vgl. auch Kneser, Lehrbuch, Abschnitt VIII.
ßß4 Dreizehntes Kapitel. Extrema von Doppelintegralen.
iF der Fläche, der Begrenzung ^ des Bereiches €L die Begrenzung ö
des Flächenstückes ^. Umgekehrt soll auch jedem Punkt von W nur
ein Punkt von 61 entsprechen^). Ein allen diesen Bedingungen ent-
sprechendes Flächenstück soll eine Fläche der Klasse C (resp. 0^"^
i)(")) heißen.
Eine solche Fläche hat in jedem ihrer Punkte eine bestimmte
positive Normale^), deren Richtungskosinus sind:
A B C
yA* + B« -f C*^ ' |/Ä2 + B^+C^*^ ^ l/Ä« + B* + C*^ '
Unter einer „zulässigen Parametertransformation^' verstehen wir
eine Transformation
p = P{il,v), q=Q(u,v) (17)
von folgenden Eigenschaften:
a) Die Funktionen P,Q sind im Bereich GL von der Klasse C";
b) ihre Funktionaldeterminante ist positiv in (9L-,
c) die Transformation (17) definiert eine ein-eindeutige Beziehung
zwischen dem Bereich (SC und dessen Bild ^ in der ti, v-Ehene.
Ist
die zu (17) inverse Transformation, so läßt sich die Fläche ^ auch
darstellen durch die Gleichungen
X = xiU,V)^X{p,q),
y = y{U,r)^T(p,q),\(p,q) in Ä.
Bei einer zulässigen Parametertransformation bleibt wegen b) die
positive Richtung der Normalen erhalten.
Wir betrachten jetzt ein Doppelintegral von der Form
J = /X^>. y> ^> ^u, Vuy ^u, ^.. y^y ^J ^^ ^^. (i^>
wobei die Funktion F von der Klasse C"' sein soll, wenn x,y,z in
einem gewissen Bereich öl des Raumes liegt und die übrigen sechs-
Argumente von F beliebige endliche Werte haben, für welche
A2 + B2 + C2 4= 0.
Die Fläche ^ soll ganz in diesem Bereich 61 liegen.
^) Ygl. wegen dieser verschiedenen Einschränkungen z. B. Knoblauch^
Krumme Flächen, p. 7.
*) Vgl. z. B. Scheffers, Theorie der Flächen, pp. 27, 30.
§ 80. Doppelintegrale in Parameterdarstellung. 665
Wir fragen zunächst: Unter welchen Bedingungen ist der Wert
des Integrals (18) von der Wahl der Parameter unabhängig und nur
von der Fläche W abhängig? Eine den Entwicklungen von § 25, b)
genau parallel laufende Schlußweise, bei welcher man von dem Satz^)
über die Einführung neuer Variabein in ein Doppelintegral Gebrauch
zu machen hat, führt ohne Schwierigkeit zu dem Resultat^):
Soll der Wert des Doppelintegrdls (18) hei jeder zulässigen Para-
metertransformation invariant bleiben, so ist notwendig und hinreichend,
daß die Funktion F in dem oben angegebenen Bereich ihrer Argumente
die Belation
F(X,-;XX^ + IIX.^,-',IX^-^VX^,'-) = (XV-X^)F(X,-',X^,-,X^,'") (19)
für jedes Wertsystem der konstanten x, A, fi, v erfüllt, für ivelches
av — lii^ 0.
Dabei gehen die nicht hingeschriebenen Argumente aus den hin-
geschriebenen durch zyklische Vertauschung der Buchstaben x, y, z hervor.
Differentiiert man die Identität (19) der Reihe nach nach z, A,
/!,, V und setzt nach der Differentiation: z = l, A = 0, fA = 0, v = \,
so erhält man die folgenden Identitäten:
^j;„^. = F, 2f x^ = 0,
^ ^ (20)
wobei die Summation sich auf eine zyklische Vertauschung der Buch-
staben X, y, 0 bezieht.
Führt man auf einer in der Form (1) gegebenen Fläche durch eine den
Bedingungen einer zulässigen Parametertransformation genügende Transformation
die Parameter u, v ein, so wird
Zu=^px^ + qyu> 2v=-pxv + qyt,>
also
A B
daher geht nach den Regeln für die Einführung neuer Variabein in ein Doppel-
integral das über die Fläche genommene Doppelintegral (2) in ein Integral von
der Form (18) über, in welchem
^) Vgl. z. B. Serret, Lehrbuch der Differential- und Integralrechnung, Bd. 11,
(1899), p. 271.
^) Zuerst gegeben von Kobb, loc. cit. p. 68.
ßQQ Dreizehntes Kapitel. Extrema von Doppelintegralen.
Daraus leitet man ab:
F^^=-pf,x,-^(f-pfp)y,,
Fjc^ = — pfgX^ - (f—pfp) Vu ,
Fy^ = — qfp^J, — {f— qfq) x^.
Fy^ = qfpyu-V{f-CLQXu,
F,^ = — f,jX, + fptj,,
F,=f,x,-fpy,,
(21)
b) Die Differentialgleicliung des Problems im Fall der Parameter-
darstellung:
Unter der Voraussetzung, daß die Relation (19) für die Funktion F
erfüllt ist, nehmen wir jetzt an, wir hätten eine Fläche ^^ der Klasse
G" gefunden, dargestellt durch die Gleichungen (16), welche dem
Integral J einen nicht größeren Wert erteilt als jede andere Fläche
der Klasse D', welche dieselbe Begrenzung ß besitzt und in einer ge-
wissen Umgebung von ^^ liegt. Wir betrachten dann Variationen
von der Form
wobei die Funktionen ^, r], t, entlang der Begrenzung ^ des Bildes €L
der Fläche 9^, in der ^*,^;- Ebene verschwinden. Das in § 79 ange-
wandte Verfahren führt dann auf den folgenden Ausdruck für die
erste Variation:
dJ=srryUF-S-F^ -.^ FAdudv
• +\f2UF^Jv-F^^du\
wobei die Summation sich wieder auf eine zyklische Vertauschung
der Buchstaben ic, y, z, resp. |^ t^, g bezieht.
Hieraus schließt man wie in § 79, daß die erste notwendige Be-
dingung für ein Extremum des Doppelintegrals (18) darin besteht, daß
die Funktionen x, y, z den drei partiellen Differentialgleichungen ge-
nügen müssen ^ ^
(23)
Wie man a priori zu erwarten hat, sind diese drei Differential-
gleichungen nicht voneinander unabhängig. In der Tat bestehen
zwischen den linken Seiten derselben, die wir zur Abkürzung mit
P, Qj R bezeichnen wollen, zwei identische Relationen. Setzt man
K-
V
du
^'.
—
0
F
=
0,
F,-
d
du
^y.
d
dv
Fy,
=
0,
F.-
_ d
du
K
d
dv
^•.
=
0.
§ 80. Doppelintegrale in Parameterdarstellung. QQI
nämlicli in den Gleichungen (20) für x, y, z irgendwelche Funktionen
von u und X) ein und differentiiert die erste Gleichung nach u, die
zweite nach v und addiert, so findet man, daß
und ebenso ergibt sich aus den beiden letzten der Gleichungen (20)
■P^. + Qy. + ^^, = 0.
Hieraus folgt aber, daß es eine Funktion T der Funktionen x, y, s
und ihrer ersten und zweiten partiellen Ableitungen gibt, so daß
Die drei Differentialgleichungen (23) sind also mit der einen
Differentialffleichunef^) _
^ ^ ^ r = 0 (24)
äquivalent.
Beispiel V: Die Minimalflächen in Parameterdarstellung. (Siehe p. 657).
Hier ist .
-F = |/EG — F^ .
Daraus ergeben sich die Dijfferentialgleichungen (23) zunächst in der Form
f(«-|^) + ^(,^^-^M,o (,,)
und zwei weitere, die durch zyklische Vertauschung von x, y, z hieraus her-
vorgehen.
Nunmehr wählen wir für die bisher willkürlich gelassenen Parameter u, v
insbesondere isometrische Parameter^), was zur Folge hat, daß
E = 6, F = 0. (26)
Dann reduzieren sich die Differentialgleichungen (25) auf
d'x ,d'x_ c'y d'y ,^ d'z . d'z ^
du^ ^ dv^ ' du^~^ dv
cW cv
Die allgemeinen Lösungen dieser Differentialgleichungen sind bekanntlich ^)
X = dtf{w), y = dig{w), z = m{w), (28)
wo f{w), g{w), h{w) drei willkürliche analytische Funktionen der komplexen
Variabein ^ , .
W == U -\- IV
sind. Da die Funktionen x, y, z aber nicht nur den Differentialgleichungen (27),
sondern auch den beiden Differentialgleichungen (26) genügen müssen, so sind
die Funktionen f, g^ h einer Beschränkung zu unterwerfen. Setzt man nämlich
f{w) = x-i- ii, g {lü) = 2/ + i^, h (w) = ^ -[- «5,
^) Explizite ausgeschrieben findet sich der Ausdruck für T bei Kobb, loc.
cit. p. 79, Gleichung (14).
^) Vgl- z- B- BiANCHi-LüKAT, Differentialgeometrie, p. 72.
') Vgl. wegen der Bezeichnung p. 656.
QQS Dreizehntes Kapitel. Extrema von Doppelintegralen.
so ist nach Cauchy^)
V
r{w) =x^+il,-\-i^^
9' {^) = 2/, + *^, = 2/, - ^y, ^
h' (iv) = z 4- ii = z — iz .
Daher sind die beiden reellen Gleichungen (26) mit der einen komplexen
Gleichung
äquivalent. Man kann der letzteren in allgemeinster Weise genügen, indem
man setzt
wo G{w)^ H{w) zwei beliebige analytische Funktionen von w sind. Führt man
schließlich eine neue komplexe Variable ein mittels der Gleichung
G{w)
s = — -—— (29)
H(w) ^ '
und definiert die Funktion %{s) durch die Gleichung
80 erhält man den folgenden von Weieestrass *) herrührenden allgemeinsten Aus-
druck einer Minimalfläche
x^^mßl — s')2r {s)ds, y = di ß^l + s^)%{s) ds, z = di ßs%{s)ds. (30)
c) Der Fall variabler Begrenzung^):
Die Methode der Parameterdarstellung eignet sich besonders auch
zur Behandlung von Aufgaben, bei welchen die Begrenzung nicht
vorgeschrieben, sondern nur gewissen weniger weitgehenden Beschrän-
kungen unterworfen ist, weil man bei Benutzung derselben die Variation
') Vgl. z. B. PicARD, Traite d' Analyse, Bd. II (1905), pp. 2, 4.
*) Vgl. die giTindlegende Arbeit von Weierstrass, Monatsberichte der
Berliner Akademie, 1866, p. 612. Im übrigen verweisen wir für die Theorie
der Minimalflächen, die durch ihren Zusammenhang mit der Theorie der analy-
tischen Funktionen ein besonderes Interesse gewonnen hat, auf die Encyklopädie,
III D 5 (v. Lilienthal), sowie auf die Darstellungen in den Lehrbüchern von
Scheffkrs, Theorie der Flächen^ Zweiter Abschnitt, § 15; Bianchi-Lukat, Diffe-
rentialgeometrie, Kap. XIV, XV; Darboux, Theorie des surfaces, Bd. I, Li vre III.
Hierzu weiter die Übungsaufgaben Nr. 17 — 19 am Ende von Kap. XIII.
') Gauss war der erste, welcher ein spezielles Variationsproblem dieser Art
behandelte (1830), Werke, Bd. V, p. 58. Den allgemeinen Ausdruck für die erste
Variation bei variabler Begrenzung hat zuerst Poisson gegeben (1833) in der auf
p. 663, Fußnote "*) zitierten Arbeit. Vgl. darüber, sowie über die analoge Auf-
gabe für mehrfache Integrale, Kneser's Artikel in der Encyklopädie, 11 A, p. 616;
ferner C. Jordaü, Cours d' Analyse, Bd. III. Nr. 395 — 400, und Kjikser, Lehr-
buch, § 65.
§ 80. Doppelintegrale in Parameterdarstellung. 669
des Integrationsbereiches vermeiden kann, welche andernfalls im all-
gemeinen nötig ist und große Komplikationen herbeiführt.
Man schließt zunächst in bekannter Weise, daß die das Extremum
liefernde Fläche
^qI X = X (u, v), y = y (u, v), 2^2 (u, v), (u, v) in GL
auch in diesem Fall eine Extremalfläche sein muß.
Um die Grenzgleichungen zu erhalten, hat man dann allgemeinere
Variationen der Fläche ^q von der Form
x=X(UyV]£)j y=Y(ujV^s), 2= Z {ii,V'^ s), {u,v)\\\€L (31)
zu betrachten. Die Funktionen X, F, Z müssen sich für f = 0 auf
x(u,v)y y (u,v), z (u,v) reduzieren und die üblichen Stetigkeitseigen-
schaften besitzen, und überdies muß die Begrenzung S^ der Fläche (31)
bei beliebigem e den vorgeschriebenen Grenzbedingungen genügen.
Schreiben wir die Begrenzung ^ des Bereiches €L in der Form
so ist die Begrenzung S^ dargestellt durch die Gleichungen
S,: x^X{ü,v', 8), y=Y(ü,v',e) z = Z{u,V', e),
wofür wir einfach X, Yj Z schreiben werden.
Für die Schar (31) muß nun die erste Variation des Integrals
J verschwinden. Wir können dieselbe auf die Form (22) bringen;
wobei nunmehr
l = XXu,v;0), ^=r.(M,«;0), J = ^.(m, «;; 0). (32)
Da die Fläche 9\) den Differentialgleichungen (23) genügt, so reduziert
sich daher die Gleichung dJ=0 auf
f2^{F./-F.u)dt = 0, • (33)
h
wobei I, 1], t, aus den Ausdrücken (32) für ^y r], t, durch die Substi-
tution von üj V für w, v hervorgehen-, die Argumente der Ableitungen
von F sind: x(u, v), • • -, x^(u, i), • • •, x^{ü, h), • • •.
Die Funktionen J, ^, ^ sind gewissen aus den gegebenen Grenz-
bedingungen folgenden Beschränkungen unterworfen; aus diesen zu-
sammen mit der Gleichung (33) hat man dann die Grenzgleichungen
abzuleiten.
Bolza, Variationsrechnung. ' 43
670 Dreizehntes Kapitel. Extrema von Doppelintegralen.
Wir wenden diese allgemeinen Überlegungen zunächst auf den
Fall an, wo die Begrenzungen der zulässigen Flächen der Bedingung
unterworfen sind, auf einer gegebenen Fläche
^{x,y,^)^0 (34)
zu liegen. Hier muß also für jedes s die Gleichung
erfüllt sein, aus welcher sich durch den Variationsprozeß ergibt
9^J + %V + ^.i == Ö, (35)
wobei die Argumente von 9)^, cp^y cp, sich auf die Begrenzung ß der
Fläche ^Q beziehen.
Man verfährt nun ganz wie beim Beweis der Multiplikatoren regel
für den Fall endlicher Bedingungsgleichungen (§ 68): Man multipliziert
die Gleichung (35) mit einer unbestimmten Funktion v(t), integriert
von fj bis ^2 ^^^ addiert das Resultat zu (33); so erhält man
f^l [F^^v' - F^u + i/g^.] dt = 0.
Nun schließt man weiter^): Von den drei Funktionen 1, f/, g kann
man zwei willkürlich wählen, die dritte ist dann durch die Gleichung
(35) bestimmt. Daraus folgert man wie in § 68, daß es eine Funk-
tion v{t) geben muß derart, daß die Faktoren von |, r], i unter dem
Integralzeichen einzeln verschwinden. Daraus folgt durch Elimination
von üyVjV das Resultat:
Ist die Begrenzung der gesuchten Fläche nicht vorgeschrieben, son-
dern nur der Bedingung unterworfen, auf einer gegebenen Fläche
(p{x, y, z) = 0 zu liegen, so muß entlang der Begrenzung die Gleichung
erfüllt sein
F. F, cp^
= 0. (36)
*) Der Beweis leidet an denselben Mängeln wie die älteren Beweise der
Multiplikatorenregel (vgl. die Kritik derselben auf p. 568). Es müßte gezeigt
werden: Sind l, fi, l irgend welche Funktionen von t, welche der Gleichung (35)
genügen, so kann man stets eine Schar von zulässigen Variationen (31) konstruieren,
für welche Xe{u, v, 0) = \, etc.
§ 80. Doppelintegrale in Parameterdarstellung. ß71
Beispiel V (siehe p. 667): Im Fall der Mimmalflächen reduziert sich (36)
auf die Gleichung
^"f^x^ ^^j,+ ^"P.^ 0'
welche aussagt, daß die Minimalfläche entlang der Bandkurve 2 auf der gegebenen
Flache senkrecht stehen muß. —
Aus der Gleichung (36) kann man die entsprechende Grenzgleichung für
das Integral (2) mittels der Übergangsformeln (21) ableiten. Man erhält nach
einfacher Rechnung^)
n^/p +^yf,- ^. (f - Pf, ~ ^Q] = 0. (36a)
Eine andere Art der Grenzbedingung besteht darin, daß für
sämtliclie zulässige Flächen ein entlang der Begrenzung genommenes
einfaches Integral von der Form
fH{x, y, z, x', y', z)dt
einen vorgeschrielenen Wert haben soll.
Hier sind die Funktionen |, ^, J der Bedingung unterworfen, daß
f2{H^l^Hj')dt = 0. (37)
Auf diese Gleichung wende man die Lagrange'sche partieUe Inte-
gration an, wobei das vom Integral freie Glied wegfällt, weil die Be-
grenzungskurven der zulässigen Flächen geschlossen sind. Nunmehr
schließt^) man nach dem Fundamentallemma für isoperimetrische
Probleme (p. 462, Fußnote i)), daß es eine Konstante l geben muß
sodaß gleichzeitig '
(38)
^) Hierzu die Übungsaufgaben Nr. 15, 16 am Ende von Kap. XIII.
^) Einen strengen Beweis erhält man, indem man Variationen von der Form
x = x(:u,v)-[- «I {u, V) -\- 8, li {u, v), etc.
ansetzt und dann nach der auf p. 458, Fußnote ') erklärten Methode von
HiLBERT weiter schließt.
43'
.^72 Dreizehntes Kapitel. Extrema von Doppelintegralen.
§ 81. Die zweite Variation bei Doppelintegralen.^)
Wir kehren jetzt zu dem in § 79 definierten „Funktionenproblem"
mit x^y als unabhängigen Yariabeln und mit fester Begrenzung zurück
und wenden uns zur Betrachtung der zweiten Variation. Man erhält
für dieselbe den Ausdruck
8^J=8^fß^dxdy, . (39)
a
wobei 2Sl die folgende quadratische Form von i,tx,iy l>edeutet:
2ß = f,,^' + 2/;^?^, + 2/;^ge, + f,,il + ^fp.Uy + f,,^l- (40)
Die Argumente der Ableitungen der Funktion /' beziehen sich dabei
auf die Fläche
%: z = z{x,y), {x,y) in ÖL,
von welcher wir voraussetzen, daß sie von der Klasse C" ist, der
Lagrange'schen Differentialgleichung (I) genügt und die vorge-
schriebene Begrenzung ß besitzt. Diese Ableitungen sind daher Funk-
tionen von X, y, welche im Bereich (9L von der Klasse C sind.
Es sollen in diesem Paragraphen die den Bedingungen von
Legendre und Jacobi entsprechenden Bedingungen abgeleitet werden.
1) Der erste, welcher Untersuchungen über die zweite Variation von Doppel-
integralen angestellt hat, scheint Brunacci gewesen zu sein (Memorie delV
Ifitituto Nazionale Italiano, Bd II, Teil II (1810), p. 121). Derselbe über-
trägt den Legendre'schen Kunstgriff von § 9, b) in der Lagrange'schen Modi-
fikation (§ 15, b)) auf DoppeUntegrale, indem er zur zweiten Variation das bei
fester Begrenzung verschwindende Integral
a
mit unbestimmten Funktionen a, ß hinzufügt und dann ^ie Funktionen a, ß so
zu wählen sucht, daß die alsdann unter dem Doppelintegral erscheinende qua-
dratische Form von ^, ^^, ty definit wird. Damit wird zunächst nur bewiesen,
daß die unten mit (11') bezeichnete Bedingung für ein permanentes Zeichen von
dV hinreichend ist, wenn der Integrationsbereich hinlänglich klein ist.
Die analoge Transformation für den Fall, daß höhere Ableitungen von z
unter dem Doppelintegral vorkommen, gibt Delaunay, Journal de l'Ecole
Polytechnique, Bd. XVU, Cahier XXIX (1843), p. 90.
Weitergehende Folgerungen haben an die Brunacci'sche Transformation
Mainardi (siehe unter c)), Kobb und Kneser geknüpft (siehe unter c), Ende).
Die zweite Variation von Doppelintegralen für den Fall der Parameter-
darstellung haben H. A. Schwarz (siehe die Zitate auf p. 682, Fußnote ^)), Kobb,
(Acta Mathematica, Bd. XVI (1892), pp. 86—116) und Kneser, Lehrbuch §§ 67,
68 behandelt.
§ 81. Die zweite Variation bei Doppelintegralen. 673
a) Das Analogon der Legendre'schen Bedingung:
Dasselbe lautet folgendermaßen^):
Die zweite notwendige Bedingung für ein Minimum des Doppel-
integrals (2) besteht darin, daß
f,,^0, /;/^^_/^^^0 (II)
im ganzen Bereich GL.
Dies läßt sich auch so ausdrücken: Es muß
/;.x' + 2/,,xr + /;,r^>o (4i)
sein für jeden Punkt (x, y) des Bereiches €L und für jedes reelle
Wertsystem X, Y.
Zum Beweis^) nehmen wir an, die Bedingung sei nicht erfüllt,
es gäbe also einen Punkt PQ{xQ,yQ) des Bereiches 6C, — und zwar
möge es zunächst ein innerer Punkt sein — , und ein reelles Wert-
system Xq^Yq, so daß in leicht verständlicher Bezeichnung
(fJoXl + 2if^,\X,Y„ + (fJ,Y^<0. (42)
Dann lassen sich zwei modjc verschiedene Winkel «j, «g angeben, so
daß auch
(fppX cos' a.+ 2 {f^^\ cos a, sin a, + (fj^ sin^ <^, < 0,
i=l,2.
Aus der Stetigkeit der Funktionen /^^, /^^, f^^ folgt dann weiter,
daß sich eine Umgebung (q) des Punktes Pq und eine positive Größe
k^ angeben lassen, so daß
fpp cos' <^i + ^fpq cos a^ sin «. + f^^ sin' a, < - l\ (43)
für jeden Punkt {x, y) von {q).
Nach diesen Vorbereitungen konstruieren wir in der x,y-YlhQiiQ
das Parallelogramm, dessen Seiten durch die Gleichungen gegeben sind
(a): d — u^ = Oy (c): (? + w^ = 0,
(6): d — u^ = 0, (d): d -{- u^ = 0,
^) Für ein Maximum lautet die Bedingung
ipp'^ "> PP 11 P9 ^ '
sodaß also im Fall ff — fpq'^^ weder Maximum noch Minimum eintritt.
^) Im wesentlichen nach Mason (Bulletin of the American Mathema-
tical Society, Bd.XIII (1907), p. 293).
674 Dreizehntes Kapitel. Extrema von Doppelintegralen.
wobei d eine positive Konstante ist und
u. = {x- x^) cos a. + {y — y^) sin a., ^ = 1^ 2.
Der Mittelpunkt dieses Parallelogramms ist der Punkt P^. Wir können
daher d so klein wählen, daß das Parallelogramm ganz im Innern der
eben definierten Umgebung (p) und zugleich im Innern des Bereiches
OL liegt.
Das Parallelogramm wird durch seine beiden Diagonalen in vier
Dreiecke A, B, C, D geteilt, welche resp. die Seiten (a), (h), (c), (d) ent-
halten. Wir definieren jetzt eine Funktion ^(x,tj) folgendermaßen:
Außerhalb des Parallelogramms soll J = 0 sein; in jedem der vier
eben- definierten Dreiecke gleich der linken Seite der Gleichung, durch
welche wir oben die dem betreffenden Dreieck angehörende Seite des
Parallelogramms dargestellt haben. In einem Punkt P(x,y) des Drei-
ecks A ist dann t, gleich dem positiv gerechneten Abstand des Punktes
P von der Seite (a), und analog für die übrigen drei Dreiecke.
Daraus folgt, daß die so für den ganzen Bereich 61 eindeutig
definierte Funktion g in ÖL von der Klasse D' ist und überdies auf
der Begrenzung Ü von (9L verschwindet. Für diese Funktion ^ muß
daher im Fall eines Minimums die zweite Variation positiv sein.
Zur BerechnuDg des Wertes derselben zerlegen wir d^J in die
beiden Bestandteile
a
und
a
Für den absoluten Wert des ersten Integrals können wir leicht
eine obere Grenze angeben. Denn aus der Definition der Funktion f
folgt, daß im ganzen Bereich 6C
\i\<d, isj^i, igj^i,
und überdies folgt aus der Stetigkeit der Funktionen |/;^', 1/;^!, |/;^ ,
daß dieselben im Bereich GL endliche Maximalwerte besitzen, deren
größten wir mit 31 bezeichnen. Ist daher S der Flächeninhalt des
Bereiches GL, so ist
\dlJ\^£'d(4-{-d)MS.
Andererseits ist im Dreieck A:
^x = — cos^i, t = — sinoji
§ 81. Die zweite Variation bei Doppelintegralen. 675
und analog für die übrigen Dreiecke. Daraus folgt wegen (43)
Durch Verkleinerung der Größe d kann man nunmehr bewirken, daß
d^J < 0 wird, womit unsere Behauptung bewiesen ist, wenn man noch
hinzufügt, daß aus dem Bestehen der Ungleichung (42) für einen
Punkt Pq der Begrenzung ^ sofort folgt, daß dieselbe auch für innere
Punkte von (SC in der Nähe von P^ erfüllt ist.
Wir werden in der weiteren Diskussion voraussetzen, daß die
Bedingung (II) in der stärkeren Form^)
/„>0, 4/„-/^,>0m(9L (ir)
erfüllt ist. Dann ist
für jeden Punkt (x,y) von (9L und für jedes reelle, von (0,0) ver-
schiedene Wertsystem X, Y.
b) Das Analogon der Jacobi'schen Bedingung:
Aus dem Euler'schen Satz über homogene Funktionen folgt, daß
wir die quadratische Form 2Sl schreiben können
2ii = £i,i + :^.J, + £l,L
oder auch
2^ = ti^. - i~ si. - /- si^ ) + ^(i^. 0 + ^(% ?)•
*\ ^ dx ^x dy ^y) ^ dx^ ^x^^ ' dy^ h^
Integrieren wir jetzt über den Bereich 6L und wenden auf die
beiden letzten Glieder den Green'schen Satz an wie in § 79, a), so
erhalten wir entsprechend der Jacobi'schen Transformation von § 10, b)
die Formel 2)
dV= s^fß W{t)dxdy + B'ß{Sl,^dy - i^,. dx), (44)
wenn wir zur Abkürzung schreiben
we) = 5^^-^% -^Sl.
^^^ ^ ex '^x Oy ''y
^) Variationsprobleme mit zwei unabhängigen Variabein, bei welchen für
die in Betracht kommenden Argumente die Bedingung
erfüllt ist, nennt Hilbeut „reguläre Variationsprobleme'' (Göttinger Nach-
richten 1900, p. 288).
^) Von ToDHUNTER, Htstory of tJie CaJculus of Variations (1861), p. 280 ge-
geben und Mainardi zugeschrieben.
()76 Dreizehntes Kapitel. Extrema von Doppelintegralen.
^(Ö — ^[ftz 3 x^zp ^ yfzq) -f^ifppix + fpqQ dy^'^iP^^" "^ ^wW • \^^)
oder aucli ausgeschrieben
d . d ^\ d __
XTpp^X~^Tpq^y) ^y
Die Umformung setzt voraus, daß die Funktion ^ im Bereich (9L
von der Klasse C" ist. Sie gilt aber auch noch, wenn t, in einem
ganz in €L enthaltenen Bereich €Lq von der Klasse G" ist, auf der
Begrenzung^) ^^ von (9Lq und außerhalb €Lq dagegen gleich Null ist.
Nur ist dann in der Formel (44) das Doppelintegral über den Bereich
ÖLq, das Linienintegral entlang der Kurve U^ zu nehmen.
Hieraus schließen wir zunächst:
Wenn die „akzessorische^^ lineare partielle Differentialgleichung
W{u) = 0 (46)
ein Integral u besitzt, welches entlang einer ganz im Bereich (9L ge-
legene? einfachen geschlossenen Kurve ^q verschivindet und in dem von
der Kurve ^^ begrenzten Bereich €Lq von der Klasse C" ist und nicht
identisch verschwindet, so kann man durch passende Wahl der Funk-
tion ? die zweite Variation gleich Nidl machen.
Man braucht nur zu setzen
Uf in (9Lo,
^"JO außerhalb 61^,
und die Formel (44) auf den Bereich (SLq anzuwenden; das Doppel-
integral verschwindet dann wegen (46), das Linienintegral, weil u
entlang Äq verschwindet.
Darüber hinaus hat Sommerfeld^) durch Verallgemeinerung der
in § 14, b) entwickelten Schwarz 'sehen Methode gezeigt, daß unter
den genannten Voraussetzungen die zweite Variation nicht nur gleich
Null, sondern auch negativ gemacht werden kann, wenigstens wenn
die Kurve ^^ ganz im Innern des Bereiches €L liegt.
Zu diesem Zweck wähle man
[u -{-kv in (9Lo,
I kv außerhalb €Lq,
wo k eine Konstante ist und v eine beliebige Funktion von x und y,
welche im Bereich (9L von der Klasse C" ist und entlang der Be-
grenzung Ä verschwindet. Diese Funktion ^ ist stetig in 6L, da ^«
^) Die Kurve Ä^ muß dieselben allgemeinen Eigenschaften haben wie die
Kurve Ä (§ 70, a)), damit die Anwendbarkeit des Green'schen Satzes gesichert ist.
*) Jahresberichte der Deutschen Mathematikervereinigung,
Bd. Vm (1899), p. 188.
§ 81. Die zweite Yariation bei Doppelintegralen. 677
entlang ^q verscli windet; sie verschwindet auf der Begrenzung von (SC
und ist in jedem der beiden Bereiclie (9Lq und (9L — €Lq von der
Klasse 0".
Um den Wert der zweiten Variation für diese spezielle Funk-
tion ^ zu berechnen, zerlegen wir zunächst d^J in eine Summe von
zwei Integralen, den beiden Teilbereichen GLq und €L — €Lq ent-
sprechend. Das auf den zweiten Bereich bezügliche Integral hat den
Faktor Jc^. Auf das über den Bereich €Lq zu erstreckende Integral
wenden wir die Transformationsformel (44) an. Beachtet man dabei,
daß die Operationen W, Sl^. , Sl^ distributiv sind, ferner, daß die
Funktion u der Differentialgleichung (46) genügt und entlang ^q ver-
schwindet, so erhält man den folgenden Wert für die zweite Variation
d^J=€^h f ju^(v)dxdy
^0 (47)
wo H eine von /c unabhängige Konstante ist.
Das Doppelintegral transformieren wir jetzt mittels der folgenden,
leicht zu verifizierenden Identität, welche für irgend zwei Funktionen u^v
der Klasse C" gilt,
wo wir zur Abkürzung gesetzt haben
Integriert man diese Gleichung über den Bereich (9LQ*und wendet den
Green'schen Satz an, so erhält man
ff{uW{v)--vW{u))dxdy = -fl{f^^i-^f^^ri)dy-{f^^^ (49)
Ist nun insbesondere, wie in Gleichung (47), u eine Lösung von
(46), welche entlang Ü'q verschwindet, so folgt durch Anwendung von
(49), daß das Doppelintegral in (47) gerade gleich dem in derselben
Formel auftretenden Linienintegral ist, sodaß der Ausdruck für d^J
die Form annimmt
Ö^J= a^{ 2fc/.[(/-„«, + /;,«„)g - (f^,^u^ + f,,u/£ds + km] , (50)
wenn wir auf der Kurve ^q den Bogen 5 als unabhängige Variable
einführen.
^78 Dreizehntes Kapitel. Extrema von Doppelintegralen.
Es fragt sich nun, ob man die Funktion v so wählen kann, daß
das hierin auftretende Linienintegral von Null verschieden ist. Wäre
dasselbe für alle zulässigen Funktionen v gleich Null, so würde durch
eine leichte Modifikation des Fundamentallemmas von § 5, b) und
§ 79, a) folgen, daß der Faktor von v unter dem Integralzeichen ent-
lang Üq identisch verschwinden müßte, d. h.
If ^2/ _ f ^^\ \ (f ^y_f ^^V _ 0
['PP Js 'Pi'dsj'^^'^ yP'i ds 'li dsj^y ~ '
Gleichzeitig folgt durch Differentiation der Identität
u(x{s),y{s)) = 0
nach s, daß entlang der Kurve ^q auch
dx , dy ^
ds "^ ds y
Es müßte also entweder
'pp\dsj 'PI ds ds "^ '9<i\ds)
sein, was wegen der Voraussetzung (IF) nicht möglich ist; oder aber
es müßten w^, w^ entlang ^^ identisch verschwinden.
Nun folgt aber, wie wir weiter unten näher ausführen werden,
unter sehr allgemeinen Voraussetzungen aus dem gleichzeitigen Ver-
schwinden von u, u^, Uy entlang der Begrenzung ^o, daß w = 0 im
ganzen Bereich ÖLq, was unserer Voraussetzung widerspricht.
In allen Fällen, in denen der Schluß auf das identische Ver-
schwinden von u gestattet ist, können wir daher in der Tat v so
wählen, daß der Faktor von Ix} in dem Ausdruck (50) für d^J von
Null verschieden ist. Alsdann können wir aber d'^J<iO machen,
indem wir h numerisch hinreichend klein und von geeignetem Vor-
zeichen wählen. Damit ist (unter der erwähnten, noch näher zu for-
mulierenden Einschränkung) der Satz bewiesen:
Bie dritte notivendige Bedingung für ein Minii^um des Boppel-
integrals (2) besteht darin, daß Jceine Lösung u der partiellen Bifferen-
tialgleichung (46) existieren darf, welche entlang einer einfachen, ge-
schlossenen, ganz im Innern des Bereiches €L gelegenen Kurve Ä^
verschwindet und in dem von derselben begrenzten Bereich 6Cq von der
Klasse C" ist und nicht identisch verschwindet.
Wir haben jetzt noch den Beweis^) des Hilfssatzes nachzutragen,
^) Vgl. Encyklopädie IIA, pp. 513, .öl5 (Sommeufeld) und Hedrick, Göttinger
Dissertation (1901), p. 32.
Eine homogene lineare partielle Differentialgleichung zweiter Ordnung
dx^ ' dxcy ' dy^ ^ dx ^ dy
§ 81. Die zweite Variation bei Doppelintegralen. 679
wonacli u ^0 in €Lq, wenn u, u^, Uy entlang der Begrenzung SIq ^ei'-
schwinden. Es sei FQ{xQ,y^ ein Punkt im Innern des Bereiches Gi^,
und es werde vorausgesetzt, daß eine zugehörige „Grundlösung" «
der partiellen DiJBferentialgleichuug (46) existiert/) d. h. eine Lösung
von der Form
CO = (p{x, 2/)log|/(^ - x^Y-^Jy - i/o)2^ + 7l,{x, y) ,
wo (p {x, y) und i/; (x, y) in 6lo von der Klasse C" sind und (p {pc^^yy^ = 1 ist.
Alsdann konstruiere man um den Punkt P^ einen ganz im Innern
von €Lq gelegenen Kreis mit dem Radius q und wende die Formel
(49) mit V = (o auf den nach Herausnahme dieses Kreises übrig
bleibenden Teil von d^ an. Geht man dann zur Grenze ^ = 0 über,
so erhält man nach einfacher Rechnung die FormeP)
^[fpp{^o, Vo) + f,,(^o, yo)'iu(xQ, y^)
=jlfppi + fp'i'^)<^y - ifpi^ + fq,v)^^^'
Da wegen der Voraussetzung (IP)
so folgt hieraus, daß w(^o, y^) = 0, wenn u, u^^ u^ entlang ^^ ^e^'"
schwinden. Somit ist der oben benutzte Hilfssatz und damit die
dritte notwendige Bedingung unter der Voraussetzung bewiesen, daß
für jeden Punkt im Innern von 0^^ eine Grundlösung existiert.
c) Hinreichende Bedingungen für ein permanentes Zeichen der
zweiten Variation:
Den in den beiden vorangehenden Absätzen abgeleiteten not-
wendigen Bedingungen (II) und (III) lassen sich nun auch hinreichende
heißt von elliptischem, parabolischem oder hyperbolischem Typus, je nachdem
.4(7— £2 >0, =0 oder <0; sie heißt sich selbst adjungiert, wenn
Die Differentialgleichung (46) ist daher wegen der Voraussetzung (11') von
elliptischem Typus und überdies sich selbst adjungiert wegen f=f
^) Eine partielle Differentialgleichung der Form (51) vom elliptischen Typus
läßt sich durch Einführung von neuen unabhängigen Variabein auf die Normal-
form bringen ^^ ^g ^ ^
Für diese Normalform haben Hedrick (loc. cit. p. 37) und Holmgren (Mathe-
matische Annalen, Bd. LVIII (1903), p. 404) die Existenz einer Grundlösung
für den Fall bewiesen, daß die Koeffizienten a, &, c analytische Funktionen sind.
^) Dieselbe ist eine Verallgemeinerung der bekannten Green 'sehen Formel
der Potentialtheorie, vgl. z. B. Picard, Traite d' Analyse, Bd. II (1905), p. 15.
680 Dreizehntes Kapitel. Extrema von Doppelintegralen.
Bedingungen für ein permanentes Zeichen der zweiten Variation an
die Seite stellen.
Dazu stellen wir uns nach Clebsch^) die Aufgabe, drei Funk-
tionen Uj Vy w von X und y so zu bestimmen, daß identisch in t,, J^, ^
die Gleichung gilt
( (d^X d^d^ (d^y\
Führt man hierin die angedeuteten Differentiationen aus und setzt
dann beiderseits die Koeffizienten entsprechender Produkte der Größen
J, g^, 5 einander gleich, so erhält man die drei Gleichungen
(53>
Berechnet man aus den beiden letzten Gleichungen die Werte
von v^ und u\, und setzt dieselben in die erste ein, so erhält man
für die Funktion u die partielle Differentialgleichung
^F(u) = 0, (46)
wo W wieder durch (45) definiert ist. Die Werte von v und w er-
geben sich alsdann aus (öSg) und (öSg).
Integriert man jetzt die Gleichung (52) über den Bereich €L
und wendet auf die beiden letzten Glieder den Green 'sehen Satz an^.
so erhält man für d^J den Ausdruck
dV = i'ffiU,^' + K.XY + f„ Y')dxdy +ß(My - wdx), (54)
^) Journal für Mathematik, Bd. LV (1858), p. 271, wo dieselbe Trans-
formation für r- fache Integrale durchgeführt wird. Eine nicht wesentlich von
(54) verschiedene Formel gibt übrigens schon Mainardi, Annali di scienze
matematiche e fisiche (Tortolini), Bd. III (1852), p. 163. In einer späteren
Arbeit hat Clebsch seine Untersuchungen über die zweite Variation auf r-fache
Integrale ausgedehnt, welche n unbekannte Funktionen enthalten (Journal für
Mathematik, Bd. LVI (1859), p. 122). Schon im Fall r = 2, n = 2 treten hier
eigentümliche Schwierigkeiten auf, auf welche neuerdings Hadamard aufmerksam
gemacht hat (Bulletin de la Societe Mathematique de France, Bd. XXX
(1902), p. 253, und Bd. XXXIII (1905), p. 73.
§ 81. Die zweite Variation bei Doppelintegralen. 681
wo zur Abkürzung ^ ^
d - - d —
dx ' dy
gesetzt ist.
Die Transforniation setzt voraus^ daß u im Bereich (SL nicht
verschwindet und von der Klasse 0" ist. Da jede zulässige Funk-
tion t, entlang der Begrenzung ^ verschwindet, so reduziert sich ö^J
auf das Doppelintegral, und wir können daher den Satz aussprechen:
Ist die Bedingung (IF) erfüllt, und gibt es ein Integral u der
akzessorischen Differentialgleichung (46) ^ welches im Integrationsher eich
nicht verschwindet und von der Klasse C ist (Bedingung (III')), so
ist die zweite Variation für jede zulässige Fimldion J der Klasse C positiv.
Denn wegen (111') gilt alsdann die Transformation (54), und die
unter dem Doppelintegral stehende quadratische Form ist wegen der
Voraussetzung (IF) positiv, außer wenn X und Y in GL identisch ver-
schwinden. Daraus würde aber folgen: g = cu, was nicht möglich
ist, da 5 entlang ^ verschwindet, u aber nicht.
Eine wichtige Ergänzung zu den Resultaten dieses und des vor-
angehenden Absatzes bildet der folgende, schon von Mainardi und
Clebsch gegebene Satz über die Integration der akzessorischen Diffe-
rentialgleichung (46), welcher das Änalogon des Jacohi^schen Theorems
von § 12,b) ist:
^^^ z^(p(x,y',a) (55)
eine einparametrige Schar von Lösungen der Lag ränge' sehen Differential-
gleichung (I), welche die Fläche ^^ für a = a^ enthält, so ist
eine Lösung der akzessorischen Differentialgleichung (46).
Zum Beweis setze man in (I) die Lösung (55) ein, differentiiere die
so entstehende, in x, y und a identische Gleichung nach a und setze
schließlich a = a^.
Hieraus ergibt sich eine einfache geometrische Deutung^) der er-
haltenen Resultate, welche eine Art Änalogon der Sätze über konju-
gierte Punkte bei einfachen Integralen darstellt:
Man betrachte eine einparametrige Schar (55) von Extremalflächen,
welche die Fläche 9^^ für a = a^ enthält. Die Fläche {a) der Schar (55)
möge die Fläche 9^q, beziehungsweise ihre Fortsetzung in einer Kurve £^
schneiden; läßt man a gegen a^ konvergieren, so möge ß^ gegen eine
Grenzkurve £q konvergieren.
^) Vgl. Clebsch, loc. cit. p. 273.
632 Dreizehntes Kapitel. Extrema von Doppelintegralen.
Gibt es dann eine Schar (55), für welche diese Grenzkurve Sq
eine geschlossene Kurve als Bestandteil enthält, welche ganz auf dem
Flächenstück 9\) liegt, ohne die Begrenzung desselben zu treffen, so
findet kein Extremum statt.
Gibt es dagegen eine Schar (55), für welche die Grenzkurve Sq
ganz außerhalb tF^ liegt, so ist die zweite Variation stets positiv.
Nach Kneser^) läßt sich ferner mittels des auf p. 672 Fußnote ^)
erwähnten Verfahrens von Brunacci beweisen, daß die Bedingungen
(I), (ir), (III') für ein schwaches Extremum des Doppelintegrals (2)
hinreichend sind.
Beispiel V (Siehe pp. 657, 667): Zweite Variation bei Minimalflächen.
Hier findet man*)
Die ziceite Variation des Flächeninhaltes eines Minimalflächenstückes ist also
stets positiv, ivenn sowohl das Minimalflächeni^tücJc als die Vergleichsflächen in
der Form
z = z{x,y)
darstellbar vorausgesetzt werden.
Wir wollen noch unsere allgemeinen auf die Jacobi'sche Bedingung be-
züglichen Resultate an dem vorliegenden Beispiel verifizieren. Da hier f^^ = 0,
fzp= 0, f2g=^0, so ist in der akzessorischen Differentialgleichung (46) der Koeffi-
zient von u gleich Null; daher können wir sofort eine Lösung derselben angeben,
welche in €1 von Null verschieden ist, nämlich 11=1.
Dementsprechend läßt sich eine einparametrige Schar von Minimalflächen
angeben, welche die Fläche cF^ nicht schneiden, nämlich die Schar
z=--z{x,y)-{-a,
wie daraus hervorgeht, daß die Differentialgleichung der Minimalflächen nur die
Ableitungen von ^, nicht aber z selbst enthält.
Für den allgemeinen Fall, wo die zulässigen Flächen in Parameterdarstellung
vorausgesetzt werden, hat Schwarz^) unter Benutzung eines f speziellen Systems
von Parametern einen sehr einfachen Ausdruck für die zweite Variation des
Flächeninhalts eines Minimalflächenstückes angegeben. Man bilde das Minimal-
flächenstück cF^^ durch parallele Normalen auf die Einheitskugel mit dem Koordi-
natenanfang als Mittelpunkt ab'*), projiziere sodann den Bildpunkt Q eines
variabeln Punktes P der Minimalfläche vom Punkt x = 0, y==0, z = l auf die
^) Vgl. EncyUopädie, IIA, p. 617.
*) Schon von Tkdenat gegeben, Annales de Mathematiques par Ger-
gonne, Bd. VII (1816), p. 284.
') Vgl. Schwarz, Gesammtlte Mathematische Abhandlungen, Bd. I, pp. 156,
187, 236. Vgl. auch die Darstellung bei Bianchi-Lukat , Differentialgeometrie,
p. 414.
*) Vgl. z. B. Bianchi-Lukat, loc. cit., Kap. V.
§ 82. Hinreichende Bedingungen für Extrema von Doppelintegralen. 683
Ebene z = 0 und wähle die Koordinaten |, rj der Projektion des Punktes Q als
Parameter für die Darstellung der Minimalfläche. ^) Ferner variiere man das
Minimalflächenstück bei fest bleibender Begrenzung in der Weise, daß man jeden
Punkt auf der durch ihn gehenden Flächennormale um ein Stück s lo verschiebt^
wobei IC eine willkürliche Funktion von h, und rj ist, welche entlang dem Rande
verschwindet. Dann erhält man für die zweite Variation des Flächeninhaltes
den folgenden Ausdruck
'••'-//[©■+©'-fr4w,-]«'"- «
6L
Die zweite Variation ist also nur von der Gestalt des sphärischen Bildes^
nicht aber von der sonstigen Beschaffenheit des Minimalflächenstückes abhängig.
Auf das Integral (56) lassen sich die unter b) und c) entwickelten Schlüsse
anwenden, wobei die akzessorische Differentialgleichung die Form annimmt
d^U C^U ^U _
Wegen der aus diesen Resultaten zu ziehenden geometrischen Folgerungen
verweisen wir auf die oben zitierte Abhandlung von Schwarz. ')
§ 82. Hinreichende Bedingungen für Extrema von Doppelintegralen.^)
Der Hubert 'sehe Unabliängigkeitssatz lässt sicli ohne Schwierig-
keit auf Doppelintegrale übertragen; aus ihm folgt dann die Verall-
^) Zwischen der durch (29) definierten komplexen Größe s und den Para-
metern I, 7] besteht nach Weierstrass die Beziehung: s = |-|-*^-
^) Hierzu die Übungsaufgaben Nr. 18, 19 am Ende von Kap. XIII.
^) Hinreichende Bedingungen für Extrema von Doppelintegralen hat zuerst
Schwarz für den speziellen Fall von Minimalflächen in Parameterdarstellung ent-
wickelt in der Arbeit „Über ein die Flächen kleinsten Flächeninhalts betreffendes
Problem der Variationsrechnung'-'' (1885), Gesammelte Mathematische Ab-
handlungen, Bd. I, p. 222. Mit der Aufstellung von hinreichenden Bedin-
gungen für den allgemeinen Fall in Parameterdarstellung beschäftigen sich Kobb
(in der auf p. 663 Fußnote *) zitierten Arbeit (1892)) und Kneser, Lehrbuch
§ 69 (1900).
Den Unabhängigkeitssatz für Doppelintegrale hat zuerst Hilbert gegeben
Göttinger Nachrichten 1900, p. 295; vgl. auch die Darstellung von Osgood
(Annais of Mathematics (2), Bd. II (1901), p. 126), der wir im Text gefolgt sind.
Endlich hat Hilbp:rt in der Arbeit „Z«*r Variationsrechnung"" (Göttinger
Nachrichten 1905, pp. 171 und 174) den Unabhängigkeitssatz auf den Fall
eines Doppelintegrals, welches von zwei unbekannteu Funktionen von x und y
abhängt, ausgedehnt, sowie auf den Fall, wo die Summe eines Doppelintegrala
von der Form (2) und eines einfachen, über einen Teil des Randes erstreckten
Integrals zu einem Extremum gemacht werden soll, während z auf dem übrigen
Teil des Randes vorgeschriebene Werte hat. Mit der ersteren dieser beiden
Aufgaben beschäftigt sich auch Hadamard im Bulletin de laSocieteMathe-
matique de France, Bd. XXXIII (1905), p. 73.
ßg4 Dreizehntes Kapitel. Extrema von Doppelintegralen.
gemeinerung des Weierstr aß 'sehen Fundamen talsatzes. Aus letzterem
ergeben sicli hinreichende Bedingungen für ein Extremum eines Doppel-
integrals, welche den in § 19 für einfache Integrale entwickelten ganz
analog sind.
a) Das Feld und die Gefällfunktionen:
Wir nehmen an, es existiere eine einparametrige Schar von
Extremalflächen /_ . ^x /prox
0==cp{x,y',a\ (58)
welche unsere spezielle Extremalfläche % enthält, etwa für a = Qq^
und für welche . \ i a ,•„ /CY
Überdies werde vorausgesetzt, daß die Funktionen cp, qp^, cp^ von der
Klasse C sind, wenn {x,y) in einem den Integrationsbereich €L in
seinem Innern enthaltenden Bereich der x, i/- Ebene liegt und
\a — aQ\^d ist. _
Wir können dann nach § 21,b) eine Konstante k^d angeben
derart, daß / \ i a /'f;q\
in dem Bereich _
(x, y) in ei, \a-a^\^ k (60)
Man schließt dann genau wie in § 16, c) weiter: Das Bild oT^ des
Bereiches (60) im ic,«/,^-Raum mittels der Transformation (58) bildet
ein Feld von Extremalflächen, d. h. durch jeden Punkt x, y, z von^cT^
geht eine und nur eine Fläche der Schar (58), für welche | a — «q | < Z;,
und der zugehörige Wert von a,
a = a(a;, y, z\
die inverse Funktion des Feldes, ist von der Klasse C in gT^. Für
die partiellen Ableitungen derselben findet man durch Differentiation
der Identität . x
(p{x,y',a) = 0
die Werte , , ,- . ,-'
_ ^^^^ _ _ L^J^ rt = -—
wobei die Klammer ( ) die Substitution von 0 für a andeutet.
Als Gefällfunktionen des Feldes definieren wir die beiden Funktionen
p (x, y, 0) = (p,{x,y',a), q (x, y, z) == (Py{x,y', a). (61)
Auch sie sind von der Klasse C in gT^. Durch Differentiation erhält
man hieraus die Relationen
§ 82. Hinreichende Bedingungen für Extrema von Doppelintegralen. 685
Trägt man jetzt in die Lagrange 'sehe Differentialgleichung in der
Form (7) für 0 die der Differentialgleichung für jedes a genügende
Funktion (p{x,y'^a) ein und ersetzt dann in der so entstehenden, in
x,y,a identischen Gleichung a durch a, so erhält man die folgende,
identisch in x,yj2 geltende Gleichung
+ [^pjp+[/;jq + [/,j + Kj-[/;] = o, ^^^)
wobei die Klammer [] andeuten soll, daß die Argumente der einge-
klammerten Funktionen sind
Die Gleichung (63) stellt eine partielle Differentialgleichung^) für
die beiden GefällfunJctionen p, q dar, die Verallgemeinerung der partiellen
Differentialgleichung (19) von § 17. Die Gleichung (63) läßt sich,
wie man unmittelbar verifiziert, auf die Form bringen:
^ [/.] + i~ [f,] = -^ ([/] - Plf,] ~ q[/;]). (64)
b) Der Hilbert'sche Unabhängigkeitssatz und seine Folgerungen:
Die Gleichung (64) gilt im ganzen Bereich cf^; in demselben Be-
reich sind die drei Funktionen
L = [/'] - p[f,] - q[/;], M^ [f^], N== [/;]
vou der Klasse C und der Bereich o^. ist wegen (59) in Bezug auf
die ^-Richtung konvex. Daher können wir auf die Funktion
L-\- Mp-^Nq
den Integrabilitätssatz von § 79, b) anwenden und erhalten so den
Hilherf sehen TJnabhängiglceitssatz für Doppelintegrale:
Ist S eine ganz im Feld cT^ gelegene, geschlossene Raumkurve 2),
so hat das Doppelintegral
^* ^e/Jf W -^^P-^) [4] + Ö - q) [Q]dxdy (65)
denselben Wert für aUe Flächen der Klasse C, welche von der Kurve ^
begrenzt werden und ganz im Felde oT^ gelegen sind.
Hieran schließt sich analog wie in § 17, b) der
Zusatz: Liegt die Kurve © ganz auf einer Extremalfläche des
Feldes oT^, so ist der Wert des Hilb er tischen Integrals J"* über irgend
^) Eine zweite ergibt sich durch Gleichsetzen der beiden Ausdrücke für (w )
und (qp ) in (62). ^ a;/
') Von denselben allgemeinen Eigenschaften wie die vorgegebene Kurve S
(§ 79, a)).
Bolza, Variationarechnung. aa
686 Dreizehntes Kapitel. Extrema von Doppelintegralen.
eine von ß begrenzte, ganz in oT^ gelegene Fläche der Klasse C gleich
dem Wert des Grrundintegrals (2), genommen über das von S be-
grenzte Stück der fraglichen Extremalfläche.
Denn für eine Extremalfläche
des Feldes ist
und daher reduziert sich der Integrand von J* auf
Ist jetzt
cf: z== s {x, y)
irgend eine Fläche der Klasse C\ welche von der vorgeschriebenen
Kurve ß begrenzt wird und ganz im Feld oil liegt, so ist nach den
beiden eben bewiesenen Sätzen
also ,^^^
Definiert man jetzt die 8- Funktion als Funktion von sieben un-
abhängigen Variabein durch die Gleichung
ß ipc, y, 0] Py g-, ih q) = fi^, y, ^, P, q) - fi^y y, ^yPy ^)
-(i>-p) fp{^y y> ^^p, ^) - G - q) f,(^, 2/; ^> p> q)> (ö'^)
und bezeichnet
so ergibt sich aus (66), indem man die Integrale rechterhand aus-
schreibt, unmittelbar der Weierstraß'sche Fundamentalsatz für Doppel-
integrale
^"^^fj ^ ^^' y^ ^'^ ^^ ^5 P, i) doo äy. (68)
a
Hieraus folgt ^), dem Satz von § 19, a) entsprechend, der Satz:
Wenn die Extremalfläche 9\) sich in ein Feld oT^ einbetten läßt,
und wenn überdies
%(x,y,Z',)^ ix, 2/, ^), q {x, y, s); p,q)>^ (I^'b)
für jeden Tunkt (ic, y, z) dieses Feldes und für jedes endliche, von
(p, q) verschiedene Wertsystem (j), q\ so liefert % ein starkes, eigent-
liches Minimum für das Doppelintegral J.
^) Bei Beschränkung auf Vergleichsflächen der Klasse C .
§ '82. Hinreichende Bedingungen für Extrema von Doppelintegralen. 687
Denn alsdann ist der Integrand von (68) positiv in allen Punkten
des Integrationsbereiches mit Ausnahme derjenigen, in welchen
f = p, 2=q. (69)
Ae7 ist also positiv, außer vrenn die Gleichungen (69) im ganzen
Bereich (9L gelten, in welchem Fall AJ=0. Durch eine dem ent-
sprechenden Beweis von § 19, a) genau parallele Schluß weise zeigt
man aber, daß letzteres nur dann stattfinden kann, wenn die Fläche ^
mit Wq identisch ist.
Auch der Satz von § 19, b) hat sein Analogon bei Doppelinte-
gralen. Aus dem Taylor'schen Satz für Funktionen zweier Variabein
folgt nämlich, entsprechend der Gleichung (28) von § 18, die Formel
=i{(^-i>)Y,,(/,^*)+2(^-^)(5-^)/;,(2)*,g*) + (g-g)Y,,(?>*,g*)),
wo
p*=p + e{p-p), q'' = q + eiq-q), O<0<1,
und wir der Einfachheit halber die Argumente x, y, 0 in den Ab-
leitungen von f unterdrückt haben. Hieraus ergibt sich nun der Satz:
Wenn die Extremalfläche 3^, sich in ein Feld einhetten läßt, und
wenn überdies die Bedingung
mit den Argumenten x, y, z, p, q von f^^, f^^, f^^ erfüllt ist für jeden
PimU (x, y, z) einer gewissen Umgebung (q) von 9\) und für jedes
endliche Wertsystem p, q, so liefert Wq ein starkes, eigentliches Minimum
für das Doppelintegral J.
Denn wendet man auf den Integi-anden von (68) die Formel (70)
an, so geht derselbe in eine quadratische Form der Größen {p — p),
(^— q) über, welche wegen (11 'b) ini ganzen Integrationsbereich positiv ist,
außer wo p = ^, q = <\, vorausgesetzt, daß man, was stets möglich
ist, die Größe /j so klein gewählt hat, daß das Feld oJ^ ganz in der
Umgebung {q) von 9\) liegt.
Beispiel V (siehe pp. 657, 682): 3Iinimal flächen.
Ist z = z{x., y) das betrachtete Minimalflächenstück, so stellt die Gleichung
z = z{x, y) -\- a; {x,y) m GL; — c» < a < + oo
eine Schar von Minimalflächen dar, welche ein Feld bilden. Da überdies
f = ^__±j^_ f f -r^ =— ^
pp (y(T+7Mr^)8' w?« 'pi (i 4.^2 _|_ ^.).»
so ist auch die Bedingung (II 'b) erfüllt, und daher besitzt das Minimalflächen-
stück cFq einen kleineren Flächeninhalt als jede andere Fläche z = z{x, y) der
Klasse C, welche dieselbe Begrenzung besitzt (absolutes Minimum).
44*
Übungsaufgaben zu Kapitel XI bis XIII.
1*. Bestimmung der geodätischen Linien des Eotationsellipsoides im n-dim^n-
sionalen Euklidischen Baum (§ 68).
Es handelt sich darum, das Integral
h
zu einem Minimum zu machen mit der Nebenbedingung ^
Lösung: Setzt man
ds^ = dxl+ dxl-\ h ^4 .
BO erhält man für die Extremalen
Ä;2 4 a2 -_&2 ^ _ a2
wobei fc eine Integrationskonstante und l der Multiplikator ist. Die Funktionen
X ^x ^ . . .^ X genügen sämtlich derselben homogenen linearen Differential-
gleichung zweiter Ordnung
d^x. X.
'- = 1-1 ^ = 1, 2, • . ., n — 1 ;
man kann sie daher durch zwei linear unabhängige Integrale x^ y dieser Diffe-
rentialgleichung homogen und linear ausdrücken, und zwar kann man die
letzteren so wählen, daß
^2 + 0^2^.. ■^xl_^=x^-\-y\
womit das Problem auf das entsprechende dreidimensionale zurückgeführt wird.
(RuDio)
2. Geodätische Linien des n-dimensionalen Baumes.^)
Im Raum B^ der Variabein x^, x^, . . .,^x^ sei die Länge einer „Kurve"
definiert durch das bestimmte Integral
dXj
J =J V^a,, x[ x^ dt, \x[ = -^ j ,
^) Vgl. BiANCHi-LuKAT, Differentialgeometrie (1899), p. 568.
Übungsaufgaben zu Kapitel XI bis XIII. 6g9
wobei die a^^ gegebene Funktionen von x , x , . . , x^ sind und die quadra-
tische Differentialform
ds^^^a.i^dx.dxj^ , (a^ . = a,^)
i, k
definit und positiv ist.
Es soll die kürzeste, zwei gegebene Punkte des B^ verbindende Kurve
(„geodätische Linie'') bestimmt werden (§§ 66, 69, 70).
Lösung: Die Differentialgleichungen der geodätischen Linien sind, wenn
s als unabhängige Variable gewählt wird,
Z^'^^+^L^Jd^^""' '•=1,2,..,«,
i i, h
wobei
Lh\ ^-\dx^~^ dx. dxj^
das „Christoffel'sche Drei-Index-Symbol erster Art" bedeutet.^)
Dieses Resultat soll abgeleitet werden 1) indem man zunächst von einem
beliebigen Parameter t ausgeht, 2) indem man von vorn herein s zur unabhän-
gigen Variabein wählt.
3. Das im fünften Kapitel behandelte ebene Variationsproblem in Para-
meterdarstellung läßt sich auch als Lagrange'sches Funktionenproblem behan-
deln, wenn man den Bogen s als unabhängige Variable einführt. Es ist dann
das Integral ^
J=JF{x, y, x\ y') ds
0
zu einem Extremum zu machen mit der Nebenbedingung
x'^-{-y'^=l
bei nicht vorgeschriebener oberen Grenze s^ (§ 70, a)).
Hiernach die Extremalen für Beispiel I und XV zu bestimmen.
4. Wird die Aufgabe dahin modifiziert, daß die Länge der zulässigen
Kurven vorgeschrieben ist, so hat man ein Lagrange'sches Problem mit festen
Endpunkten, auf welches sich die Resultate von §§ 74—77 anwenden lassen.
Hiernach Beispiel II und XXI vollständig durchzuführen.
Dieselbe Methode läßt sich allgemein auf das in Kapitel X behandelte
isoperimetrische Problem anwenden, wenn die Funktion G {x^ y, x\ y') im Sinn
von § 33, c) definit ist, da man dann das Integral
V =Jg{x, y, x\ y') dt
als unabhängige Variable einführen kann.
"■) Ibid. p. 43.
ß90 Übungsaufgaben zu Kapitel XI bis XIII.
5. Analoge Bemerkungen gelten für räumlicbe Variationsprobleme. Hier-
nach folgende Aufgaben als Lagrange 'sehe Probleme mit der Bogenlänge als
unabhängiger Variabein zu behandeln:
Beispiel XVI (Geodätische Linien). (Lindelöf-Moigno)
Aufgabe Nr. 15 auf p. 298 (Allgemeine Brachistochrone auf einer Fläche).
(LiNDELÖF - MoiGNO)
Aufgabe Nr. 2 auf p. 528 (Spezielles isoperimetrisches Problem auf einer
Fläche). (LiNDELÖF -MoiGNO)
6*. Zwischen zwei gegebenen Punkten die hürzeste Baumkurve von gegebener
konstanter erster Krümmung ^ zu ziehen (§ 71). (Dklaunay)
Lösung*): Wenn man die Bogenlänge s als unabhängige Variable einführt
und setzt: x' = 1, y' ^^r]^ z' = ^, so hat man ein Lagrange'sches Funktionen-
problem mit gemischten Bedingungen, bei welchem die obere Grenze s^ nicht
vorgeschrieben ist. Bei passender Wahl der ;2!- Achse findet man
B{^+ji)d^
(1 s — ' — t
wobei: G^(J) = (^ 4- a)'(l — ^^) — cl Die Größen a und c sind konstant.
Setzt man
|4-i^ = pe^>, x-\-iy = re''',
80 findet man weiter
,^=l_^^ d^ = — ^^
und nach geeigneter Verschiebung des Koordinatenanfangspunkte.8 in der x, y-
Ebene ,, , .^-.^
Setzt man
-p^__ = du,
80 kann man sämtliche Variabein mittels der Funktionen f(>M, <pu ausdrücken.
G{t) hat genau dieselbe Form wie in Aufgabe Nr. 13 p. 532; daher dieselbe
Realitätsdiskussion wie dort.
Ausartungen: 1) Ein Kreisbogen (c = 0), zuerst von Delaunay an-
gegeben, von H. A. Schwarz -) auf Hinlänglichkeit untersucht. Dies ist die ein-
zige mögliche Lösung, wenn die Tangentenrichtungen in beiden Endpunkten
nicht vorgeschrieben sind.
2) Eine Schraubenlinie, zuerst von Todhunter angegeben, von Venske
genauer untersucht.
*) Vgl. die Dissertation von 0. Venske, Göttingen 1891, auch für die son-
stige Ijiteratur über das Problem.
*) Berliner Berichte, 1906, p. 365.
Übungsaufgaben zu Kapitel XI bis XIII. 691
7. Für das Problem
Jf{oc,y,y\ y'\ • • •, y^""^) dx = Minimum.
a) nachzuweisen, daß stets der „Hauptfall" eintritt (§§ 66, 69, d), 74).
(v. Escherich)
b) die Bedingungen (II), (III), (IV) aufzustellen (§§ 66, 74, 75, 76).
(Jacobi, Zermelo)
8*. Die Stabilitäts grenzen für einen an seinen beiden Enden festgeklemmten
ebenen elastischen Draht zu bestimmen. ^) (§ 69, 74, 75).
9*. Für das räumliche Variationsproblem in Parameterdarstellung ohne
Nebenbedingungen :
'2
J= j F{x^ y, 2, x\ y\ z)dt = Minimum
lauten die Hamilton' sehen Formeln für die partiellen Ableitungen des Extre-
malenintegrals ^{x^-^yii z^\, x^^y^., z^):
Joe, = -^- 1 • T,T = -■f'.' I - a^ = - ^»' I .
g-:.---^-'^' wr^''^' ä^=-^''i-
Für das spezielle Integral
h
J = jG{x,y,z)-\/x^-\-y^ + z^^dt (72)
h
folgt hieraus: Sind die beiden Endpunkte Pi (^i, 2/i, ^i), resp. P^ix^^y^^z^), auf
zwei Raumkurven ^j, resp. ^g, beweglich, welche durch ihre respektiven Bogen-
längen Sj und §2 dargestellt sind, und bezeichnet co^, resp. Wg, den Winkel
zwischen der Extremalen P^ P^ und der positiven Richtung von ^^ im Punkt P^,
resp. der Kurve ^^ im Punkt Pg, so lautet das Differential des Extremalen-
integrals von P^ nach Pg :
däB= (7(a;2,2/2,^2)cö'^"2 ^^2 ~ ^(^ii2/n'^i) coscö^ ^s^. (73)
(Thomson und Tait)
Hiernach den folgenden Satz von Thomson und Tait zu beweisen:
Zieht man von den Punkten einer gegebenen Fläche c^ aus Extremalen für
das Integral (72) senkrecht zur Fläche und schneidet auf jeder derselben von
ihrem Schnittpunkt P mit der Fläche aus, nach derselben Seite hin., einen Bogen
PQ ab., ivelcher für das Integral einen konstanten Wert liefert, so ist der geo-
metrische Ort der Endpunkte Q eine Fläche, ivelche sämtliche Extremalen senk-
recht schneidet (§ 78).
^) Siehe Aufgabe Nr. 21 auf p. 536 und die dort zitierte Dissertation von Böen.
592 Übungsaufgaben zu Kapitel XI bis XIIL
10. Das Doppelintegral
//[ö^(^, y. ^) y HhPTi'^ + ^(^, y. ^)] ^^ ^^2/
zu einem Extremum zu machen (§ 79, a)).
Lösung: Die Extremalflächen sind charakterisiert durch die Gleichung
Qi Qi ^
wo X, y, Z die Richtungskosinus der positiven Normalen und ^j, p,, die Haupt-
krümmungsradien der Fläche sind. (Jellett)
11. Unter allen geschlossenen Flächen, tvelche ein gegebenes Volumen ein-
schließen, diejenige kleinster Oberfläche zu bestimmen (§ 79, d)).
Dabei sollen die zulässigen Flächen in räumlichen Polarkoordinaten in
der Form
r = r (Ö, (p)
darstellbar sein.
Die Lagrange 'sehe Differentialgleichung aufzustellen und zu zeigen, daß
die Kugel mit dem Koordinatenanfang als Mittelpunkt derselben genügt. ^)
12. Die Fläche niedrigsten Schwerpunktes bei gegebenem Flächeninhalt und
gegebener Begrenzung zu konstruieren (§ 79, d)).
Lösung: Die positive ;2r-Achse werde vertikal nach unten gewählt. Dann
haben die Extremalflächen die charakteristische Eigenschaft, daß
WO N das Stück der Flächennormale zwischen der Fläche und der konstanten
horizontalen Ebene : z -\- X = 0 bedeutet. (Jellett)
13. Ein gegebenes Quantum homogener Materie ist nach oben begrenzt von
einer horizontalen Ebene, nach unten von einer Fläche von gegebenem Flächen-
inhalt. Die Fläche so zu bestimmen, daß der Schiverpunkt der Masse möglichst
tief liegt (§ 79, d)).
Lösung: Die positive ^^-Achse werde vertikal nach unten gewählt. Dann
haben die Extremalflächen die charakteristische Eigenschaft, daß
1_ J. _ £; + ^
wo X und fi die beiden isoperimetrischen Konstanten sind.
Überdies muß die Fläche die gegebene horizontale Ebene senkrecht schneiden
(§ 80, 0)). (LiNDELÖF-MoiGNO)
*) Wegen des Nachweises, daß die Kugel wirklich die kleinste Oberfläche
bei gegebenem Volumen besitzt, vgl. H. A. Schwarz, Göttinger Nachrichten,
1884, p. 1; Minkowski, Mathematische Annalen, Bd. LVIl (1903), p. 447; und
die auf p. 661, Fußnote *) zitierte Dissertation von J. 0. Müller.
Übungsaufgaben zu Kapitel XI bis XIII. 693
14. Unter allen Flächen von gegebener Begrenzung und gegebenem Flächen-
inhalt diejenige zu bestimmen, deren Potential in Beziehung auf einen gegebenen
Punkt ein Extremum ist (bei Zugrundelegung des Newton 'sehen Anziehungs-
gesetzes).
Lösung: Die Extremalflächen haben die charakteristische Eigenschaft, daß
in jedem ihrer Punkte
Darin bedeutet r den Abstand des Flächenpunktes P von dem angezogenen
Punkt; d den senkrechten Abstand des angezogenen Punktes von der Tangential-
ebene an die Fläche im Punkt P; X die isoperimetrische Konstante.
(Jellett)
15*. Die Gleichgeivichtsfigur einer homogenen Flüssigkeit in einem Gefäß
mit vertikaler zylindrischer Wandung unter der Einwirkung der Schivere und der
Kapillarkräfte zu bestimmen (§ 79, d), § 80, c)).
Lösung: Die positive 0-Achse werde vertikal nach oben gewählt; der
Boden des Gefäßes sei eine horizontale Ebene^ welche wir zur x, y-Ehene wählen.
Es bezeichne V das Volumen der Flüssigkeit, H die Höhe des Schwerpunktes
derselben über dem Boden des Gefäßes, ferner T den Inhalt desjenigen Teiles
der Oberfläche der Flüssigkeit, welcher die Wand berührt, U den Inhalt des
freien Teiles der Oberfläche, welcher entlang der Kurve 2 an die Wand grenzen
möge; endlich seien a, ß zwei von dem Verhältnis der Schwere zur Intensität
der Kapillarkräfte abhängige Konstanten.
Alsdann ist die Gleichgewichtslage der Flüssigkeit nach Gauss ^) dadurch
charakterisiert, daß der Ausdruck
VH-^{cc' — 2ß')T-\-cc'U (74)
ein Minimum wird mit der Nebenbedingung, daß das Volumen V einen vorge-
schriebenen Wert haben soll, während die Kurve S nur der Beschränkung unter-
worfen ist, auf dem gegebenen Zylinder zu liegen.
Betrachtet man zunächst Variationen, bei welchen S ungeändert bleibt, so
bleibt T konstant und man hat ein isoperimetrisches Problem, wie das in § 79, d)
behandelte. Man erhält als charakteristische Eigenschaft der freien Oberfläche
die Relation (Laplace)
1 , 1 z^X
wo X die isoperimetrische Konstante bedeutet.
Bei Variationen, welche die Kurve i* ändern, ist auch das einfache Integral
T zu berücksichtigen. Eine leichte Modifikation der in § 79, c) und d) durch-
geführten Schlüsse führt auf das Resultat-(LAPLACE, Gauss), daß entlang der Kurve S
• i ß
sm - = -
2 «
^) Werke, Bd. V, pp. 55, 290, wo die Aufgabe für beliebige Gestalt des Ge-
fäßes durchgeführt wird. Vgl. auch Kneser, Lehrbuch, pp. 274, 280, wo die Auf-
gabe in ParameterdarsteUung behandelt wird.
gQ4r Übungsaufgaben zu Kapitel XI bis XIII.
sein muß, wenn » den Neigungswinkel zwischen der Tangentialebene der freien
Oberfläche und der vertikalen Richtung bedeutet. (Gauss.)
16*. Gleichgewichtsfigur eines an einer horizontalen Ebene hängenden
Tropfens') (§ 79, d), § 80, c)).
Lösung: Es muß wieder der Ausdruck (74) ein Minimum werden mit der
Nebenbedingung V= konst. Dabei ist hier
T=Jfdxdy
und ß = a.
Die Gleichung (75) gilt auch hier. Die Grenzgleichung geht in die Be-
dingung über, daß die freie Oberfläche des Tropfens die horizontale Ebene be-
rühren muß.
«
17. Die „Kantenbedingung" für diskontinuierliche Lösungen (Flächen der
Klasse D") für das Integral (19) aufzustellen (§ 80, b)).
Lösung: Ist ß die Kurve in der u,v-Ehene, an welcher die partiellen Ab-
leitungen von X, 2/, z Sprünge erleiden, so müssen beim Überschreiten von (E die
Ausdrücke
F,y-F^,u\ Fyy-Fyu\ F,y-F.y
stetig bleiben, wobei die Ableitungen u\ v' entlang der Kurve ß genommen sind.
(KOBB).
18. Zu beweisen, daß die partielle Differentialgleichung (57) befriedigt
wird durch die Funktion
u^^^G'{s)-j^^Gis)j, . (76)
wenn G{s) eine beliebige analytische Funktion von s = ^-{-iri ist, und s"= | — nj.
(Schwarz).
19*. Die Schraubenfläche
x + ytgz = 0 (77)
ist eine Minimalfläche. Bei fester Begrenzung die zweite Variation desjenigen
Teiles derselben zu untersuchen, welcher zwischen den beiden Ebenen
z = — UTC und z = -\- ccTt
und zugleich innerhalb der Zylinderfläche x^ -\- y^ = B^ liegt (§ 81).
Lösung: Es sei
^ = log(i? + |/l + JR«0
und es bezeichne
UiQ, X) = ;iCh;i9Ch() — Sh^^Shc».
') Vgl. Encyklopädie V 9 (Minkowski), p. 572 und E. Swift, Über die Form
und Stabilität geicisser Flüssiglceitstropfen, Dissertation, Göttingen 1907, w^o eine
Anzahl spezieller Fälle im einzelnen durchgeführt werden.
Übungsaufgaben zu Kapitel XI bis XIII. 695
Wenn dann a<^^, so ist ^(q^^) positiv für jedes q, und die zweite
Variation ist stets positiv. Ist dagegen a ]> ^, so besitzt die Gleichung
stets eine positive Wurzel /S^; die zweite Variation ist dann stets positiv, wenn
ß<ißoi sie kann dagegen negativ gemacht werden, wenn ß^ß^.
Andeutung: Für die Schraubenfläche (77) ist
»(^) = 2i-.'-
Mache von Nr. 18 Gebrauch, wähle
und setze s = e? + *>.
-i
(SCHWAKZ)
20. Das dreifache Integral
^=Jjjfi^^ 2/, ^, u, u^, Uy, u,)dxdydz
durch passende Wahl der Funktion u von rc, 2/, ^ bei unveränderlichem Inte-
grationsbereich zu einem Extremum zu machen.
Lösung: Die Lagrange'sche Differentialgleichung lautet
f -A/- _A/ _A/- _o
^" dx'^'x dyS dz'""' '
wobei die angedeuteten Differentiationen sich auch auf die in u^u^^Uy,Ug als
Argumente enthaltenen Variabein x^ y, z beziehen.
Andeutung: Wende den allgemeinen Green'schen Satz für dreifache Inte-
grale auf die Transformation der ersten Variation an.
Beispiel: /"= «*| + w| + w|, (Dirichlet'sches Prinzip für den Raum).
Nachträge und Berichtigungen.
Zu p. 24, Z. 9 von unten: Lies X und XI statt XI und XII.
Zu p. 30, Z. 3 von unten: Lies § 35 statt Kap. IX.
Zu p. 32, Fußnote ^): Vgl. auch Guldberg, Rendiconti del Circolo Mate-
matico di Palermo, Bd. XXI (1906).
Zu p. 39, Fußnote ^): Mit derselben Aufgabe beschäftigt sich auch Böhm, Jour^
nal für Mathematik, Bd. CXXl (1900), p. 124.
Zu p. 50, Z. 2 von unten: Lies § 3G,b) statt § 34, c).
Zu p. 57: Einen andern, elementaren Beweis des Fundamentalsatzes II gibt
LiNDEBERG^ Öfvcrsigt af Finska Vetenskaps-Societetens Förhand-
lingar, Bd. XL 711 (1904—1905), Nr. 2. Vgl. auch den analogen Beweis von
Mason für Doppelintegrale, § 81, a).
Zu p. 63, Z. 2 von unten: Lies p. 197, Fußnote ^) statt § 44, a).
Zu p. 79, letzte Zeile: Lies § 29, c) statt § 30, c).
Zu p. 83, Fußnote ^): Den Fall x^ = x^' behandelt auch Korn, Münchener
Berichte, Bd. XXXII (1902) p. 75, und zwar durch Betrachtung der dritten
und vierten Variation.
Zu p. 83, letzte Zeile: Lies § 47 statt § 43.
Zu p. 96 Fußnote ^): Einen andern direkten Beweis für die Notwendigkeit der
Weierstraß'schen Bedingung gibt Lindeberg, Öfversigt af Finska Ve-
tenskaps-Societetens Förhandlingar, Bd. XL VII (1904— 1905), Nr. 2.
Zu p. 96, Z. 6 von unten: Lies § 30 statt § 31.
Zu p. 106, Fußnote ^): Vgl auch Ermakoff, Journal de Mathematiques (5),.
Bd. X (1905), p. 97.
Zu p. 106, Z. 2 von unten: Lies § 32 statt § 33.
Zu p. 110, Z. 3 von unten: Lies § 32 statt § 33. ''
Zu p. 115: Hiermit verwandt ist die geometrische Deutung der 8 -Funktion im
Fall der Parameterdarstellung mittels der Indikatrix von Caratheodory, vgl.
p. 247. Andere geometrische Deutungen der 8-Funktion geben Kneser, Lehr-
buch, p. 78, und Luve, Proceedings of the London Mathematical
Society (2), Bd. VI (1907). p. 205.
Zu p. 118, Fußnote *): Herr A. Kosenblatt teilt mir folgendes Beispiel mit,,
welches zeigt, daß auch die Bedingungen (I), (II'), (IIP), (IV), (V) noch
nicht hinreichend sind für ein starkes Minimum:
J=J {ay'^-^^hy"'y^-Ahy''>yx-\-by'''x^)dx,{a:>0,I)^o,x,:>0).
0
Nachträge und Berichtigungen, 697
Hier ist die Gerade y =- 0 eine Extremale, für welche bei hinreichend kleinem
^2 die sämtlichen obigen Bedingungen erfüllt sind. Trotzdem findet kein Mi-
nimum statt. Denn setzt man iCg == o; /i, wo 0 << o; << 1, so ist
woraus folgt, daß A/<0 gemacht werden kann.
Dasselbe beweist Hahk (Monatshefte für Mathematik und Physik,
Bd. XX (1909), p. 279) mittels des Beispiels:
@«:2/ = 0, 0<^<1.
Zu p. 131, letzte Zeile: Lies § 44 statt § 40.
Zu p. 133, Z. 6 von oben: Der Satz ist nach p. 453, Fußnote ^) zu berichtigen.
Zu p. 140, Fußnote ^): Caratheodory hat inzwischen seine Methode weiter ent-
wickelt, und zwar für den Fall der Parameterdarstellung, in den Rendi-
conti del Circolo Matematico di Palermo, Bd. XXY (1908). Der Grund-
gedanke der Methode geht auf eine Arbeit von Johann Bernoulli über die
Brachistochrone zurück, Opera omnia (Lausanne 1742), Bd. II, p. 266.
Zu p. 146, Z. 9 von oben: Lies
Zu p. 146, Z. 14: Auch der Fall n = —l ist auszuschließen.
Zu p. 146: Nach Aufgabe 17 einzuschalten:
17a*. {Zweites inverses Problem der Variationsrechnung): Alle Funktionen
f (^? y, y) zu bestimmen , für welche die Transversalitätsbedingung eine vor-
geschriebene Form
y' = 9(^,y,y')
^^t- (Stromquist)
Zu p. 151: Aufgabe Nr. 40 ist mit einem Stern zu versehen.
Zu p. 214: Eine andere Definition von regulären Variationsproblemen gibt Cara-
theodory, Mathematische Annalen, Bd. LXII (1906), p. 465.
Zu p. 280: Vgl. auch die Arbeit von Kneser, Die Stabilität des Gleichgeivichts
hängender Fäden, Journal für Mathematik, Bd. CXXV (1903), p. 191, wo
ganz ähnliche Schlüsse zur Anwendung kommen.
Für Doppelintegrale gilt der Osgood 'sehe Satz im allgemeinen nicht,
vgL Caratheodory, Mathematische Annalen, Bd. LXII (1906), p. 452;
Hadamard, Annales de l'Ecole Normale Superieure (3), Bd. XXIY
(1907), p. 223.
Zu p. 297, Aufgabe 12: Die entsprechenden Sätze für den Fall der Hyperbel und
der Parabel gibt T. H. Hildebrandt, American Mathematical Monthly,
Bd. XV (1908), p. 177.
^gg Kachträge und Berichtigungen.
Zu p. 392: Notwendige und hinreichende Bedingungen für Probleme mit Ge-
bietseinschränkung entwickelt auch Lindeberg in der Arbeit „t/6er ein
Problem der Variationsrechnung'^ Översigt af Finska Vetenskaps-So-
cietetens Förhandlingar, Bd. LI (1908—1909), Afd. A. Nr. 21.
Zu p. 421, Fußnote ^): Hadamard hat den erwähnten Existenzbeweis im einzel-
nen durchgeführt in den Memoires presentes par divers savants ä
r Academie de France, Bd. XXXIIl (1908), p. 75.
An neueren Arbeiten über das Dirichlet'sche Prinzip sind noch zu nennen:
FuBiNi, Rendiconti del Circolo Matematico di Palermo, Bd. XXII
(1906), p. 383; Hadamard, Bulletin de la Societe Mathematique de
France, Bd. XXXIY (1906), p 135; Lebesgue, Comptes Rendus, Bd. CXLIV
(1907) pp. 316, 622.
Zu p. 509, Fußnote ^): Die Arbeit von Lindeberg ist inzwischen erschienen,
Mathematische Annalen, Bd. LXVII (1909), p. 340.
Zu p. 536, Z. 10 von oben: Zwischen „festgeklemmten'' und „Drahtes" ist ein-
zuschalten „ebenen".
Zu p. 619: Hier sind noch einige Arbeiten von Culverwell zu erwähnen, Pro-
ceedings of the London Mathematical Society, Bd. XXIII (1892)
p. 241; Bd. XXV (1895), p. 361; Bd. XXVI (1896), p. 345.
Sachregister.
(Die mit einem Stern versehenen Zahlen beziehen sich auf den nach dem Sachregister folgenden
Anhang )
Abbildung, 158, 9*, 10*.
AbeVscher Satz über lineare Differential-
gleichungen, 67.
Abgeschlossene Punktmengen, 2*.
Abrunden der Ecken, 86.
Absolutes Extremum: einer Funktion , 10;
eines Integrals, 15, 121, 419—443.
.A&siancZ zweier Punkte : Bezeichnung, 207 ;
Differential desselben, 447; extremaler
A., 309.
Aktion: Prinzip der kleinsten A. , nach
Jacobi, 296—298, 444, 452—455, 556;
nach Lagrange, 586.
Akzessorisches System linearer Differential-
gleichungen, 622.
Amplitude eines Vektors, 99.
Anormales Verhalten einer Extremalen,
564.
Äquidistant, geodätisch ä. Kurven, 142.
Äquivalente Probleme, 344, 355, 475,
491, 543.
Arcus tangens, Definition, 191.
Ausartungen der Euler'schen (La-
grang e'schen) Differentialgleichung,
35, 659.
Ausgezeichnete Extremalenbüschel , 496,
522, 613.
Außerordentliches Verschwinden der 8-
Funktion, 120, 245.
Begrenzung einer Punktmenge, 14, 3*.
Beispiele: I, 1, 33, 41, 44, 59, 72, 79, 99,
320, 398, 436, 451; II, 3, 465, 483,
494, 498, 502, 510; III, 5, 553; IV, 5,
577; V, 7, 657, 661, 667, 671, 682,
687; VI, 32, 71, 79, 98; VII, 33, 99,
124, 131; VIII, 34, 99; IX, 95, 113;
X, 113, 122, 125, 449; XI, 116, 119,
122, 125; XII, 119; XIII, 124, 132,268,
370; XIV, 206, 234, 240; XV, 207, 234,
268, 305; XVI, 209, 228, 240, 248, 268,
304, 353; XVII, 246, 248; XVIII, 324,
XIX, 370, 389; XX, 397, 407; XXI,
460, 484, 511; XXII, 523; XXIII, 554;
XXIV, 556; XXV, 578; XXVI, 584;
XXVII, 586; XXVIII, 651; XXIX, 656,
661; XXX, 658; XXXI, 662.
Beltrami-Hilberf scher Unabhängigkeits-
satz, siehe Unabhängigkeitssatz.
Beltrafni' sehe Partielle Differentialglei-
chung, 132.
Benachbarte Kurven, 19.
Bereich, 14, 3*; stetiger B., 14, 3*.
Beschränkte Punktmengen, 8, 2*.
Beschränkte Variation, Funktionen von
b. V., 427.
Bliss'sche Bedingung bei Problemen mit
zwei variablen Endpunkten, 328, 447.
Bliss'sche Modifikation desWeierstraß'-
schen Problems, 268.
Bogen einer Kurve, 191.
Brachistochrone : gewöhnliche, siehe Bei-
spiel XV; Konstantenbestimmung, 208 ;
Fall eines variabeln Endpunktes, 305;
auf einer gegebenen Fläche, 298, 299,
690; im widerstehenden Mittel, 5, 577;
von gegebener Länge, 530.
Brechung des Lichtes, 299, 390, 452.
Brennfläche einer Kongruenz, 494.
Brennpunkt: einer Kurve auf einer von
ihr transversal geschnittenen Extre-
malen, Definition, 317; Gleichung zur
Bestimmung desselben nach Bliss, 318,
445, nach Kneser, 323; geometrische
Bedeutung, 321; Abhängigkeit von der
Krümmung, 318; Fall wo der ß. mit
dem zweiten Endpunkt zusammenfällt,
363; bei isoperimetrischen Problemen,
522; B. einer Kongruenz, 493.
Caratheodory'sche Methode zur Behand-
lung von Variationsproblemen, 140,
697.
CJebsch'sche Bedingung, 608.
700
Sachregister.
Darhouxsche Meüwde für geodätische
Linien, 334.
Darboux'scher Satz über das absolute Ex-
tremum, 438.
Defmite Vanationsprobleme^ 277, 421.
8-Algoritlimus, 21, 45, 348.
Derivierte, vordere, hintere, 6*.
Dicht: in sich d. Punktmengen, 2*.
Dido: Problem der D., 528.
Differentialgleichungen-.'Elxistenztheoieme
über D., 168—174; Abhängigkeit der
Lösung von den Anfangswerten, 175 —
186; von Parametern, 186—188; Sätze
über lineare D., 64—67.
Dift'eventiationsmethode bei Problemen
mit variabeln Endpunkten, 313.
Differentiierbar, 6 *.
Dirichlefsches Prinzip, 419, 421, 657, 695,
6Ü8.
Dirichlefsches Problem, 656.
Diskontinuierliche Lösungen, 365 — 418;
bei isoperimetrischen Problemen, 464,
527; beim Lagrange' sehen Problem, ;
571; bei Doppelintegralen, 694. j
Diskontinuierliche Variatiotisprobleme, i
389. I
Doppelabstandskurve, 442. |
Doppelintegrale: Extrema von D., 652
bis 687.
Dritte Variation, 69, 696.
Du - Bois - lieymond'sches Lemma , 27;
Z e r m e 1 o ' s Verallgemeinerung für i
Probleme mit höheren Ableitungen,
153; für das Lagrange' sehe Problem, j
568; für Doppelintegrale, 654.
Ecke: Definition, 192; Ekenbedingung
bei diskontinuierlichen Lösungen, 367,
449, 465, 571; Eckenbedingung bei
diskontinuierlichen Yariationsproble-
men, 391; Eckenkurve, 374.
%-Funktion: Definition, 110, 243, 474,
606, 686; geometrische Interpretation,
116, 247, 696; Verschwinden der g-F.,
120, 245; Beziehungen zu f^, f, resp.
1^1, 115, 244; Beziehungen zur Inva-
riante Üq, 386.
Eigentliches Extremum: einer Funktion,
10; eines Integrals, 18.
Einbettungssatz für Differentialgleichun-
gen, 179, 185, 186, 217, 593.
Einfach zusammenhängend, 36.
Einseitige Variation, 393; siehe auch Ge-
bietsbeschränkungen.
Elastische Kurve, 535, 536.
Element einer Lösung eines Systems von
Differentialgleichungen, 169.
Endgeschwindigkeit; Kurve größter E.,
578.
Endlich: Funktion e. in einem Intervall, 9.
Enveloppe einer Extremalenschar, 358.
Enveloppensatz : für geodätische Linien,
335; allgemein, 342, 447; für gebro-
chene Extremalen, 380; bei isoperi-
metrischen Problemen, 501, 522; beim
Lagrange'schen Problem, 615.
Erdmann'sche Eckenbedingung, 367, 449.
Ergänzungslemma zum Fundamentallem-
ma der Variationsrechnung, 460, 568.
Erste Variation: Definition, 21, 46; Ver-
schwinden, 21; Transformation durch
partielle Integration nach Lagbange,
23^ nach Dü-Bois-Reymond, 27 ; bei va-
riabeln Endpunkten, 41, 44; für den
Fall der Parameterdarstellung, 202,
204; bei isoperimetrischen Problemen,
457 — 470; beim Lagrange'schen Pro-
blem, 542 — 595; bei Doppelintegralen,
602—671.
Escher ich' sehe Fundumentalformel , 628.
Euler-Lagrange' scheMultip likatorenregel:
für den Fall endlicher Bedingungs-
gleichungen, 548; für den Fall von
DifiFerentialgleichungen als Nebenbe-
dingungen, 558; für den Fall gemisch-
ter Bedingungen, 580.
Eider' sehe Diff'erentialgleichu7ig, 24 ; We i -
erstraß'sche Fonn derselben, 203;
Bliss'sche Form derselben, 269; Re-
duktion auf ein kanonisches System,
134, 593; (siehe auch unter: Euler-
sche Regel, Euler-Lagrange' sehe
Multiplikatorenregel, Lagrange' sehe
Differentialgleichung, Ausartungen der
Eul er' sehen Differentialgleichung).
Eulcr'sche Hegel für isoperimetrische Pro-
bleme, 461, 535, 661.
Evolute einer ebenen Kurve, 342; Auf-
gaben die E. betreffend, 152, 536.
Sachregister.
701
Existenz eines Minimums: „im Großen",
419—438, 698 „im Kleinen", 270—280.
Existenztheoreme fürExtremalen, 184, 212;
bei isoperimetrischen Problemen, 468;
beim Lagrange' sehen Problem, 588.
Extremale: Definition, 32, 203, 463, 564;
E. durch einen Punkt in gegebener
Richtung, 184, 213, 468, 589; E. durch
zwei gegebene Punkte, 306, 597; Ex-
tremalfläche, 656; Extremalenschar
durch einen Punkt, 76, 221, 490, 610;
Extremalenschar, die von einer gege-
benen Kurve transversal geschnitten
wird, 322, 521, 648; ausgezeichnete
Extremalenbüschel, 496, 522, 613.
Extremalenintegral : Definition und erste
partielle Ableitungen, 146, 147, 308,
599; zweite partielle Ableitungen, 310.
Extremaler Abstand zweier Punkte, 309.
Extremum: Definition, 2 (vgl. auch Maxi-
mum, Minimum).
Feld: Definition und Existenz, 96, 100,
164, 249; uneigentliches F., 98; F. um
einen Punkt, 270; F. von gebrochenen
Extremalen, 381; F. von Extremalen,
die eine gegebene Kurve berühren,
401 ; bei isoperimetrischen Problemen,
504, 523; beim Lagrange' sehen Pro-
blem, 635; bei Doppelintegralen, 684.
Feldintegral, 131, 252, 384, 405, 504, 636.
Fortsetzung einer Lösung eines Systems
von Differentialgleichungen, 173,
Fundamentallemma der Variationsrech-
nung, 25; für isoperimetrische Pro-
bleme, 462; für Doppelintegrale, 655.
Fundamentalsysteme^ 66, 623.
Fünfte noticendige Bedingung, 117, 696.
Funktion §^ , 265, 513.
Funktion F^, 196.
Funktion F^, 226.
Funkiionenprobleme, 199.
Gebietseinschränkungen : Probleme mit G.,
392—407, 527, 697.
Gebrochene Extremalen: Definition, 368;
Scharen von, 372; konjugierte Punkte
auf, 377.
Gefällbeschränkung: Probleme mit G.,
34, 126, 407.
Bolz a, Variationsrechnung.
Gefälle einer Kurve, 15.
Gefällfunktion{en) des Feldes, 97, 106,
636, 684.
Gemischte Variationen, 49.
Geodätische Bistanz, 309.
Geodätische Ellipsen und Hyperbeln,
448.
Geodätische Kreise, 529.
Geodätische Krümmung, 210.
Geodätische Linien, siehe Beispiel III
und XVI; ferner 295, 448, 690;
G a u ß'sche Sätze über, 333 ; Enveloppen-
satz für, 335; G. L. des Rotations-
ellipsoids im w-dimensionalen Raum,
688; G. L. des n-dimensionalen Raumes,
688.
Geodätische Parallelkoordinaten, 333.
Gewöhnliche Kurven, 192.
Gleichgeivichtsfigur einer Flüssigkeit, 693,
694.
Gleichgeiüichtslage eines elastischen Drah-
tes, 536, 541, 691.
Gleichgewichtslage eines hängenden Fa-
dens, siehe Beispiel XXI, ferner 697;
bei variablem Endpunkt, 539; auf einer
Fläche, siehe Beispiel XXVI, ferner
529; speziell auf der Kugel, 532.
Gleichmäßige Konvergenz, 4*.
Gleichmäßige Stetigkeit, 5*.
Green'scher Satz, 654.
Grenze: Definition und allgemeine Sätze,
3*, 4*; obere und untere G. einer
linearen Punktmenge, 9, 2*; einer
Funktion, 3*.
Grundintegral, 109.
Hamilton- Jacobi' sehe Theorie, 135, 595.
Hamilton'sche Formeln, 147, 256, 310,
385, 405, 416, 505, 599, 636, 691.
Hamilton' sehe Partielle Differential-
gleichung, 135, 138, 298, 600.
Hamilton' sches Prinzip, 554.
Häufungspunkt, 2 *.
Hauptdeterminante, 66.
Hauptfall des Lagrange' sehen Problems,
603.
Hilbert'sches Existenztheorem, 419—438,
527, 698.
Hilbert'sches Invariantes Integral, siehe
unter ünabhängigkeitssatz.
45
702
Sachregister.
Hubert' scher Unabliängigkeüssatz , siehe
unter Unabhängigkeitssatz.
Hinreichende Bedingungen für ein per-
manentes Zeichen der zweiten Varia-
tion, 71, 485, 634, 681.
Hinreichende Bedingungen für ein
schwaches Extremum, 92, 126; beini
Lagrange'schen Problem, 634; bei
Doppelintegralen, 682.
Hinreichende Bedingungen für ein starkes
Extremum : beim einfachsten Funk- j
tionenproblem, 121, 123; beim ein- 1
fachsten Kurvenproblem , 267 ; für |
Kurven der Klasse K, 292; bei einena !
variabeln Endpunkt, 327, 354; bei j
zwei variabeln Endpunkten, 330; bei j
diskontinuierlichen Lösungen, 385;,
bei Gebietseinschränkungen, 407; bei;
Gefällbeschränkungen, 126, 418; bei
isoperimetrischen Problemen, 514, 518,
523; beim Lagrange'schen Problem,
638; bei Doppelintegralen, 686.
Höhere Ableitungen: Probleme mit h. A.
unter dem Integranden, 4, 153, 154,
542, 691; Reduktion auf das La-
grange'sche Problem, 543.
Homogencitätsbedingung , 194, 575; bei
Doppelintegralen, 665.
Hyperbolische Funktionen : Bezeichnung,
33.
Implizite Funktionen: Dini's Satz über,
166, 7*; erweiterter, 167.
Jn einer Punktmenge : Definition, 9, 13,
14.
Indikatrix, 247, 304, 369.
Innerer Punkt einer Punktmenge, 2*.
Integrabel 105.
Integrabilitätsbedingung, 36, 153, 659.
Integral entlang einer Kurve, 15; in
Parameterdarstellung, 193; Unabhän-
gigkeit von der Wahl des Parameters,
195, 575; Verallgemeinertes Kurven-
integral, 284, 422.
Intervall, 9.
Invarianten der Funktion F(x, y, x\ y'),
345.
Invariante Normalform der zweiten Varia-
tion, 227.
Inverse Funktionen, 5*, 7*.
Inverse Funktion{en) des Feldes, 97, 251,
504, 635, 684.
Inverses Problem der Variationsrechnung,
37, 645.
Inversion eines Funktionensystems, 159,
160.
Isolierter Pmikt einer Punktmenge, 2*.
Isoperimetrische Konstante, 464 ; Fall dis-
kontinuierlicher Lösungen, 464.
Isoperimetrische Probleme, 457—541, 543,
661.
Isoperimetrisches Problem, spezielles, siehe
Beispiel II, ferner 531; bei variablem
Endpunkt, siehe Beispiel XXII, ferner
149, 151,446,538; auf einer gegebenen
Fläche, 528, 529, 532, 690.
Jacobi' sehe Bedingung, 87, 103; Weier-
straß'sche Form, 233; Kneser'sche
Form, 236; Analogon bei isoperi-
metrischen Problemen, 483; beim
Lagrange'schen Problem, 619, 625;
bei Doppelintegralen, 678.
Jacobi'sche Differentialgleichung, 60, 233,
236; Analogon beim Lagrange'schen
Problem, 622; bei Doppelintegralen,
676.
Jacobi'scher Fundamentalsatz, 72; siehe
I auch unter Jacobi'sche Differential-
gleichung.
Jacobi'sches Kriterium, 71; siehe auch
; unter Jacob i'sche Bedingung und kon-
\ jugierter Punkt.
' Jordan' sehe Kurven, 9*.
Kanonische Systeme von Differentialglei-
chungen, 134, 593.
Kanonisches Lösufigssystem des akzes-
sorischen Systems linearer Differential-
gleichungen, 624.
Kantenbedingung, 694.
Kapillarität: Aufgaben über, 693, 694.
Katenoid, siehe Beispiel I.
Kinetische Brennpunkte, 296.
Klasse: Funktionen (Kurven) der Klasse
(j{n)^ j){n)^ -^3^ (33^ 191^ 575. Kurven
der Klasse K, 289 ; Flächen der Klasse
Cf.n)^ j^(n)^ g^4_
Kneser'schehinreichendeBedingmige7i,Sb4:.
Kneser'sche krummlinigeKoordinaten, 350.
Sachregister.
703
Kneser'sche Theorie^ 332 — 364; insbeson-
dere der konjugierten Punkte, 235, 489,
610.
Knesef scher Trmwversalensatz^ siebe unter
Transversalensatz.
Knickjßunkt^ 192, 365; Knickpunktskurve,
374.
KomplementäreExtremdlenschar, 373, 391.
Kongruenz von räumlichen Extremalen,
491.
Konjugierte Punkte, 71, 234; geometri-
sche Deutung, 75, 237; auf gebroche-
nen Extremalen, 377; bei isoperime-
trischen Problemen, 478, 489; beim
Lagrange' sehen Problem, 611; im
weiteren Sinne, 234; Fall, wo der
zweite Endpunkt mit dem konjugier-
ten Punkt zusammenfällt, 83, 363, 617,
696.
Konjugierte Systeme, 626.
Kontinuum, 3*.
Konvergenzprinzip: allgemeines, 4*.
Konvexer Bereich, 422; in Beziehung auf
die 0-Richtung, 659.
Koordinatenachsen : Verabredung über
die Orientierung der K., 192.
Kreis: Bezeichnung, 273.
Kritischer Punkt, 317.
Krummlinige Koordinaten: im allgemei-
nen, 343; Kneser'sche, 350.
Krümmung: einer ebenen Kurve, 192;
geodätische, 210; extremale, 346; kür-
zeste Raumkurve von gegebener erster
K., 690; mittlere K. einer Fläche, 657.
Kurven: Allgemeine Definitionen, 189;
der Klasse &''\ 191, 575; gewöhnliche,
192; reguläre, 192; der Klasse Z", 289;
Jordan' sehe, 9*.
Kurvenprobleme, 199.
Lagrange'sche Differentialgleichung, 24,
655; siehe auch unter Euler' sehe Diffe-
rentialgleichung.
Lagrange'sche MuUiplikatorenmethode,
544; siehe auch unter Euler-Lagran-
ge'sche Multiplikatorenregel. \
Lagrange'sche Partielle Integration, 23. 1
Lagrange' sches Problem, 6, 542 — 651. |
Länge einer Kurve: Definition von Jordan.
285; von Peano, 289.
Laplace'sche Differentialgleichung, 656.
Legendre'sche Bedingung: 57, 115, 696:
Weierstraß'sche Form, 227; Analo-
gen bei isoperimetrischen Problemen
473; beim Lagrange' sehen Problem,
608; bei Doppelintegralen, 673.
Legendre'sche Differentialgleichung, 56.
Limes: oberer, unterer, 4*.
Lindeberg' scher Satz, 515; seine Anwen-
dung auf isoperimetrische Probleme,
517.
Lindelöfsche Konstruktion, 80; Verall-
gemeinerung, 321.
Lineare Differentialgleichungen: Hilfs-
sätze über, 64.
Lipschitz' sehe Bedingung, 170.
Maximum, siehe Minimum.
Mayer'sche Bedingung, 617, 625.
Mayer'sche Determinante, 612, 624, 632.
Mayer'sche Extremalenscharen, 643.
Mayer'sches Problem, 572.
Mayer'sches Beziprozitätsgesetz, 488, 574.
Miyiimal flächen, siehe Beispiel V, ferner
694.
Minimum : einer linearen Punktmenge, 8 ;
M. einer Funktion, absolutes 10, 5*,
relatives, 10, eigentliches \MA uneigent-
liches, 10, mit Nebenbedingungen, 544;
eines Integrals, absolutes, 15, relati-
ves, 17, 197, eigentliches und uneigent-
liches, 18, schwaches und starkes, 91;
Existenz eines M. im Kleinen, 270, im
Großen, 419.
Mittelwertsatz: der Differentialrechnung,
6*; der Integralrechnung, 8*.
Monotonieprinzip, 4*.
Multiplikatorenregel, siehe Euler-La-
grange'sehe M.
Multiplikatoreti des Feldes, 636.
Nachbarschaft einer Kurve, 18.
Neivton'sches Problem, 407 — 418.
Nodoid, 534.
Normale einer Fläche, 664.
Normalen-Kongruenz^ 651.
Normalform: des allgemeinen Integrals
der E u 1 e r' sehen Differentialgleichung,
215, 594; der Extremalenschar durch
einen Punkt, 221; der zweiten Varia-
tton, 228.
45*
704
Sachregister.
Nonnales Verhalten einer Extremalen, 564.
Norm alvariation ,47.
Obere Grenze, siehe Grenze.
Ordentliches Verschivinden der g-Funk-
tion, 120, 245.
Osgood'scher Satz, 280, 356, 527, 697.
Parallel flächen, 651.
Parallelkurven, 333; geodätische P., 448.
Parameter: Di fiFerentiation eines bestimm-
ten Integrals nach einem P., 8*.
Faramcterdarstellung: Kurven in P., 189;
ebene Yariationsprobleme in P., 193;
das Lagrange' sehe Problem in P.,
574; Flächen in P., 663.
Parametertrans formation, 190, 664; In-
varianz gegenüber P., 192, 193, 346,
575, 665.
Partielle Ableitungen: Bezeichnung, 22;
Sätze über P.A., 6*, 7*.
Partielle Integration, 8*; Lagrange-
sche, 23; Du-Bois-Reymond'sche,
27.
Peano'sche Ungleichung, 170.
Perfekte Punktmengen, 2*.
PlanetenheiCKgung, 297, 697.
Plateau'sches Problem, 658.
Positiv-homogen^ 194, 575, G65.
Potential: Kurve kleinsten P., 538; Flä-
che kleinsten P., 692.
Principal Function: Hamilton' s, 309,
599.
Punktmengen: Sätze über P., 8, 1*.
Pu7ikttransformationen, 343 ; erweiterte
P., 345.
Punktweise Variation, 392.
Quadratwurzel: Bezeichnung, 2.
Pegulär: Funktionen, 11; Kurven, 192;
Variationsprobleme, 123, 214, 675, 697.
Pegularitätsintervall : einer Lösung eines
Systems von Differentialgleichungen,
591.
Reine Variationen, 49.
Pektifi zierbare Kurven, 286.
Relatives Extremum, siehe Minimum;
ferner 457.
Reziproke Probleme, 488.
Reziprozitätsgesetz, siehe Mayer'sches R.
RoUe'scher Satz, 6*.
Rotationskörper: größter Anziehung, 151,
537; größten Volumens bei gegebener
Oberfläche, 540 ; größten Volumens bei
gegebener Meridianlänge, 535, 540;
kleinster Oberfläche, siehe Beispiel I,
ferner 451; kleinster Oberfläche bei
gegebenem Inhalt des Meridianschnitts,
530; kleinster Oberfläche bei gegebe-
nem Volumen, 540; kleinsten Wider-
standes, 407 — 418, 455, 456; kleinsten
Widerstandes bei gegebenem Volumen,
531.
Schranke, 393.
ScMvaches Extremum, 91.
Schivache Variation, 94.
Schwerpunkt: Kurve niedrigsten S. bei
gegebener Länge, siehe Beispiel XXI;
Fläche niedrigsten S. bei gegebenem
Flächeninhalt, 692 ; Körper niedrigsten
S. bei gegebener Oberfläche und ge-
gebenem Volumen, 692.
Snellius'sches Biechungsgesetz, 452.
Sphärische Kettenlinie, 532.
Starkes Extremum, 91.
Starke Variation, 94.
Stetige Funktionen: Sätze über, 10, 4*.
Stetigkeitsbereich eines Systems von Dif-
ferentialgleichungen, 169.
Stürmischer Satz über lineare Difl'erential-
gleichungen, 67.
Substitutionssymbol, 23, 84.
Tait und Thomson: Formel von, 691;
Satz von, 691.
Tangentemoinkel, 192.
Taylor' scher Satz, 6*, 7*.
Totales Differential, 6*.
Trägheitsmoment: Kurve kleinsten T. 299,
450; Rotationskörper kleinsten T. bei
gegebener Masse, 538.
Transversal, 44, 303, 304, 369; bei iso-
perimetrischen Problemen, 520; beim
Lagrange' sehen Problem 648; bei
Doppelintegralen, 660, 670.
Transversalen einer Extrem alenschar, 130,
I 256, 322, 522, 648, 650.
I Transversalensatz, 131, 258, 338; beim
1 Lagrange' sehen Problem, 646.
Sachregister.
705
Transversalhyperflächen, 645.
Transversalitätsbedingung , siehe trans-
versal.
ÜberdlUicht, 2*.
Vbergangspunkte: Bedingung in den Ü.
bei Problemen mit Gebietseinschrän-
kung, 396.
Umgebung: eines Punktes, 1*; einer
Kurve, 42, 198; engere U. einer Kurve,
91; U. einer Punktmenge, 154.
Unabhängiglceitssatz, 108, 130, 257, 326,
355; bei isoperimetrischen Problemen,
508; beim Lagrange' sehen Problem,
637, 639; bei Doppelintegralen, 685.
Unbestimmtheitsgrejize, 4 *.
TJnduloid, 534.
UneigentUches .'Extiemum, 10, 18; u.Feld
98. *
Unendlich Mein, Bezeichnung, 11.
Unfreie Variation, 393.
Untere Grenze, siehe Grenze.
Variable Endpunkte: Fall eines auf einer
Kurve v. E., 40, 42, 301—364; bei
isoperimetrischen Problemen, 519—526 ;
beim Lagrange'schen Problem, 569,
647; Fall zweier v. E., 327—331.
Variable Begrenzung, bei Doppelinte-
gralen, 660, 668.
Variation: vollständige, 19, 20; erste,
zweite, usw., Definition für Variationen
vom Typus srj, 21; allgemeine Defini-
tion, 45—53; reine, gemischte, 49;
der unabhängigen Variabein, 49;
schwache, starke, 94; freie, unfreie,
einseitige, 393; siehe auch unter erste,'
zweite, dritte V.
Variieren, 19.
Vergleichskurven, 1 5 .
Vertauschung der Differentiationsordnung
in höheren Ableitungen, 7*.
Vollständige Variation, 19, 20.
Vollständiges Integral einer partiellen
Differentialgleichung, 136.
Vorzeichensatz: gewöhnlicher, 5*; er-
weiterter, 157.
Weierstraß' sehe Bedingung, 113, 115,244,
696; bei isoperimetrischen Problemen,
475; beim Lagrange'schen Problem,
606.
Weierstraß'sche Eckenbedingung bei dis-
kontinuierlichen Lösungen, 367, 465.
Weier Straß' scher Fundamentalsati, 110,
262; bei einem variablen Endpunkt,
326, 355; bei diskontinuierlichen Lö-
sungen, 384; bei Problemen mit Gebiets-
einschränkungen, 405; beim Newton'-
schen Problem, 417; bei isoperimetri-
schenProblemen,507;beimLagrange'-
schen Problem, 637; bei Doppelinte-
gralen, 686.
Weierstraß'sche Konstruktion, 259, 326,
406, 417, 507.
Weierstraß'sche Bandbedingungen bei
Problemen mit Gebietseinschränkung:
entlang der Schranke, 395; in den
Übergangspunkten, 396.
Weierstraß'sche Theorie der Variations-
probleme in Parameterdarstellung
189—294; 456—514.
Widerstand, Aufgaben betreffend den
W., 407—418, 455, 456, 530, 531.
Winkel, Bliss'sche Verallgemeinerung
desselben, 448.
Wronski'sche Determinante, 66.
Wurf, als Anwendung des Prinzips der
kleinsten Aktion, 296.
Zulässige Kurven, 15, 198, 301, 457; z.
Flächen, 653.
Zusammengesetzte Funktionen, 5*, 7*.
Zusammenhängend, 3*.
Zioeite Ableitung: Existenz derselben bei
Extremalen, 30, 202, 569.
Zweite Variation: beim einfachsten Funk-
tionenproblem, 54—87; beim einfach-
sten Kurvenproblem, 224—241; bei
variablen Endpunkten, 303; bei iso-
perimetrischen Problemen, 470—489;
beim Lagrange'schen Problem, 618—
634; bei Doppelintegralen, 672—682;
Legendre'sche Transformation der
z. V., 55, 672; erste Jacob i'sche Trans-
formation, 61, 476, 621, 675; zweite
Jacobi'sche, 63, 632, 680; Weier-
straß'sche, 224; invariante Normal-
form, 228.
Druck von B. G. Teubner in Leipzig.
Anhang.
Im folgenden werden die wichtigsten Definitionen und Sätze aus der Theorie
4er reellen Funktionen reeller Variabein, von denen im Text Gebrauch gemacht
ißt, mit den nötigen Literaturnachweisen zusammengestellt. Es. wird dabei nicht
beabsichtigt, die Sätze in möglichster Allgemeinheit zu formuliearön, sondern in
einer für die Anwendung auf die Variationsrechnung bequemen Form. Bei den
Literaturnachweisen wird von den folgenden Abkürzungen Gebrauch gemacht.
D: DiNi, Grundlagen für eine Theorie der Funktionen einer veränderlichen
reellen Größe^ übersetzt von Lüroth und Schepp (1892).
E: Encyclopädie der mathematischen Wissenschaften, Bd. IIA, die Artikel
von Prinqshbim über Allgemeine Funktionentheorie und von Voss über Differential-
und Integralrechnung (1899).
G: GoüRSAT, Cours d' Analyse Mathematique, Bd. I (1902).
J: Jordan, Cofu/rs d' Analyse, Bd. I (1893).
0: Osgood, Lehrbuch der Funktionentheorie^ Bd. I (1907).
Pe: JPeano, Differentialrechnung und Grundzüge der Integrdlrechnvm,g, über-
setzt von Bohlmann und Schepp (1899).
Pi : PiERPONT, Lectures on the Theory of Functions of real Variables, Bd. I
(1905).
Sch : Schönflies, Bericht über die Mengenlehre, Jahresbericht der Deutschen
Mathematikervereinigung, Bd. VTU (1900).
St: Stolz, Grundzüge der Differential- und Integralrechnung, Bd. I (1893).
St. G: Stolz und Gmeiner, Einleitung in die Funktionentheorie, I. Abt (1904).
T: Tannbry, Introduction ä la Theorie des Fonctions dune Variable, Bd.
(1904).
V: Veblen and Lennes, Introduction to Infinitesimal Analysis (1907).
Im folgenden bedeuten die Zahlen Seiten.
I. Punktmengen.
1. Die Umgebung (q) eines Punktes A{a^, «^ , . . ., aj im Gebiet der Variabein
.'Cj , iCj , . . ., ^„ ist die Gesamtheit der Wertsjsteme (Punkte) x^, x^, . . .,x , für
welche
1^1 — «iKe. i^2 — «ä i<(>,- ••. !^« — ««!<?•
Wir bezeichnen dieselbe in Übereinstimmung mit § 21 mit (q)..
Vgl. E. 44; Pi. 166.
Bolza, Variationsrechnung. i
j9«r Anhang.
2. Eine Punktmenge 9TI im Gebiet der Variabein x^^x^,. ..,x^ heißt be-
schränkt (bome, bounded), wenn es eine feste Zahl G gibt, so daß für jeden
Punkt F{Xi ,x^,...,x^) der Menge
\x,\<G, \x,\<G,..., \xJ<G.
Vgl. J. ^2, 23; Pi. 156; T. 66; V. 3,
3. Definition und Existenz der oberen und unteren Grenze einer beschränkten
linearen Punktmenge.
Vgl. § 2,a) und D. 28, G. 169; J. 22; 0. 33; Pe. 13; T. 66.
4. Ein Punkt fi^ heißt ein Häufungspunkt (Grenzpunkt; point limite; limit-
point, Cluster- point) einer Punktmenge 911, wenn es in jeder Umgebung von H
Punkte von 911 gibt, die von JS verschieden sind. (NB. : H braucht nicht zu 911
zu gehören.)
Folgerungen.:
a) In jeder Umgebung von H gibt es unendlich viele Punkte von 91t.
b) Man kann stets eine unendliche Folge ( P, } von Punkten von 911 heraus-
greifen, derart, daß
d. h. wenn
L xC=hi, t = 1, 2,. . .,w.
Ein Punkt der Menge 911, der nicht zugleich Häufungspunkt von 911 ist,
heißt ein isolierter Funkt von 9IL.
Vgl. D. 22; Pi. 157; E. i, 185; T. 71; V. »SQ.
5. Jede beschränkte Punktmenge, welche unendlich viele verschiedene
Punkte enthält, hat wenigstens einen Häufungspunkt. (NB.: Derselbe braucht
nicht selbst zur Menge zu gehören.)
Vgl. J. 23; D. 22; Pi. 163; T. 71; V. 39.
6. Eine Punktmenge heißt
a) abgeschlossen (ferm^^), closed), wenn sie alle ihre Häufungspunkte
enthält ;
b) in sich dicht, wenn jeder ihrer Punkte zugleich Häufungspunkt ist;
c) perfekt, wenn sie zugleich abgeschlossen und in sich dicht ist.
Eine lineare Punktmenge heißt in einem Intervall überall dicht, wenn jeder
Punkt des Intervalls ein Häufungspunkt der Menge ist.
Vgl. E. I, 196; J. 19; 0. 32; Pi. 167; Seh. 68; T. 112; V. 41.
7. Ein Punkt A einer Punktmenge 911 im Gebiet der Variabein x^,
a:,, . . ., a;„ heißt ein innerer Punkt der Menge, wenn alle Punkte {x^, a;,, . . ., x„)
^) Jordan gebraucht dafür „parfait*', abweichend von Cantob.
Anhang. 3*
in einer gewissen Umgebung des Punktes A ebenfalls zu STI gehören. Die Ge-
samtheit aller innerer Punkte einer Menge heißt „das Innere" der Menge.
Ein Punkt B liegt außerhalb der Menge 9TI, wenn kein Punkt einer ge-
wissen Umgebung von B zu STI gehört.
Ein Punkt C gehört der Begrenzung der Menge an, wenn jede Umgebung
von C mindestens einen Punkt enthält, welcher zu 9TI gehört, und mindestens
einen, welcher nicht zu 9TI gehört.
Vgl. E. 45; J. 20; Pi. 154.
8. Eine Punktmenge heißt zusammenhängend (d'un seul tenant, connected),
wenn man zwischen irgend zwei Punkten A und B von 9TI, nach Annahme
einer beliebig kleinen Größe *, eine endliche Anzahl von Punkten von 911: Pj,
Pg, ..., P^ derart einschalten kann, daß der Abstand je zweier aufeinander
folgender Punkte {A und B inbegriffen) kleiner ist als s.
Dabei ist unter dem „Abstand" zweier Punkte (a^j, rCj, . . . , icj und (y^^
2/j , . . . , y^) der Ausdruck
verstanden.
Vgl. E. 46; J. 25; Pi. 149.
9. Unter einem Bereich verstehen wir eine Punktmenge, welche innere
Punkte enthält; unter einem stetigen Bleich eine Punktmenge, welche nur
innere Punkte enthält.
Ein Kontinuum ist ein zusammenhängender stetiger Bereich.
Vgl. E. 46; 0. 124.
n. Grenzwerte.
1. Obere und untere Grenze einer Funktion. Vgl. § 2, b) und D. 28, 57;
E. 12.
2. Die Funktion f{x) sei in der Umgebung der Stelle x = a eindeutig
definiert. Wenn dann eine feste endliche Größe b existiert, so daß zu je^em
positiven s ein positives d gehört, derart daß
I f{x) — 6 I •< t , wenn a<^x<^a-^ d^
so sagt man : f{x) nähert sich beim Grenzübergang x=^a-\-0 der Grenze b ;
in Zeichen:
Lf{x) = b (=/-(a-4-0)).
x-a + O
Analog ist f(a — 0) definiert. Wenn f(a -f 0) und f{a — 0) beide existieren
und gleich sind (=6), so sagt man f{x) nähert sich bei dem Grenzübergang
X -'^ a der Grenze b.
Vgl. E. 12, 13; D. 56; T. 222; V. 61.
3. Wenn f{x) beständig wächst (oder doch wenigstens nicht abnimmt),
während x sich abnehmend dem Wert a nähert, und wenn f{x) überdies dabei
4* Anhang.
kleiner bleibt als eine feste Größe 6r, so näbest sieh f(^Hit-jü=^ a-\-0 einer
begtimmten endlichen Grenze {MonotoniepHnzip).
Analog für x^^ä — 0, -|- oo, — oo und für abnehmende Funktionen.
Vgl. D. 42; E. 13; 0. 26; Pe. 8; St. G. 15: V. 61.
4. Damit die Funktion f{x) fitr a;=^a + 0 sich einer bestimmten, end-
lichen Grenze nähert, ist notwendig und hinreichend, daß zu jedem positiven €
ein positives S gehört derart, daß
\f{x)-f{x")\<B
für jedes Wertsystem x\ x\ für welches
a<a;'<o-|-d, a<C^x" <Cia-\- ^ .
(Allgemeüies Konvergenzprinzip). Analoger Satz für x=^a — 0, a, -f oc, — oo.
Vgl. D. 38; E. 14; 0. 27; Pe. 9; Pi. 179; St. G. 21; V. 66.
6. Ist Y{h) die (endliche oder unendliche) obere Grenze der Funktion f{x)
im Intervall [a,a-\-h]^ wo 7t>>0, so besitzt die Funktion Y{h) für h=^-{-0
stets eine bestimmte (endliche oder unendliche) Grenze, welche der rechtsseitige
obere Limes (auch Unbestimmtheitsgrenze) von f{x) für x=^a genannt wird,
in Zeichen:
x = a + 0
Analog /•(g-fO), 'f(a — 0), und f{a — 0). Wenn /"(a + 0) = f{a -\- 0), so existiert
f(a + 0), endlich oder unendlich.
Vgl. E. 14; Pi. 205: St. G. 17; T. 233; V. 84.
6. Gleichmäßige Konvergenz: Die Funktion f{x, y) sei definiert für jedes
a5, y, für welches x dem Bereich : a<ix<iD und gleichzeitig y einer gewissen
Punktmenge Y angehört. Alsdann sagt man, die Funktion f{x^ y) nähere sich
bei dem Grenzübergang x=^a-\-0 einer bestimmten endlichen Grenze q? (y)
gleichmäßig in Beziehung auf die Menge Y, wenn zu jedem 8 >■ 0 eine von y
unabhängige positive Größe 6 gehört derart, daß
lA^i J/) — 9'(3/)i<«
für jedes a<Cx<ia -\- 6 und für jedes y der Menge Y.
Analoge Definition für x^^a — 0, a, -j-oo, — oo.
Vgl. E. 62; Pi. 200; St. G. 78.
m. Stetigkeit.
1. Die Funktion f{x^^ x, , . . , a;J sei definiert in einer Menge 9TI, und es
sei Ä{a^, Oj, . . ., aj ein Punkt von 911. Alsdann heißt f{x^, x,7 . . ., x^ stetig^)
*"» Nach dieser von C. Jordan gegebenen Definition ist die Funktion f in
jedem isolierten Punkt von 911 stetig. Gewöhnlich beschränkt man den Stetig-
keitsbegriff auf Häufungspnnkte.
Anhang. 5*
in A (in bezug auf 9TI,), wenn zu jedem positiven « ein positives d gehört, der-
art daß^
für jeden Punkt {x^^ x^, .. ., xj von 911 in {S)^.
Vgl. J. 46; Pi. 208; Seh. 116; T. 223.
2. Vorzeichensatz: Ist die Funktion f{x^, x^, . . . , x^ stetig im Punkt
J.(Oi», ttj, . . ., aj, und ist f{a^, «si • • -i "J > ^i so läßt sich eine positive Größe
if angeben, so daß f{x^ , x^^ . . ., x^^O in allen Punkten von (^)^ , welche zu
911 gehören.
Vgl. Pe. 11, 121; Pi. 214; V. 88.
3. Die Funktion f{x^, a;,, . . ., x^ heißt stetig in der Punktmenge 911, wenn
aie in jedem Punkt von 911 stetig ist.
Ist die Punktion f{Xy , ic, , . . . , a; J stetig in einer beschränkten, abgeschlossenen
Punktmenge 911, so gelten die folgenden Sätze:
a) Die Funktion f besitzt in 911 eine endliche obere Grenze G und eine
endliche untere Grenze K.
b) Die Funktion f nimmt die Werte G und Ä^ in 91L wirklich an (Maximum
und Minimum).
c) Zu jedem positiven e gehört ein positives d, derart daß
I /"(a;/, x^\ . . . , x^) — f{x^'\ x^\ . . . , x,;^') |< g
für je zwei Punkte (a;/, aij', . . ., x^) und (aj/', x^\ . . ., a;/') von 9Tt, für welche
(Gleichmäßige Stetigheit.)
Vgl. D. 63, 68; E. 18, 19, 49; G. 162, 163; J. 48, 53; 0. 13, 16, 34;
Pe. 16, 122, 123; Pi. 214, 215, 216; Seh. 119; St. G. 17, 53, 97, 98; T. 287, 238;
V. 89, 90, 91.
4. Zusammengesetzte Funktionen: Vgl. unten IV 9, Zusatz.
5. Die inverse Funktion: Wenn die Funktion y = f(x) im Intervall:
n^x^b stetig ist und mit wachsendem x beständig zunimmt, und zwar von
y = g bis y = h, so hat die Gleichung: y = f{x) für jeden Wert von y im Inter-
vall [gh] eine und nur eine Wurzel x = (p{y) im Intervall [a6], und die hier-
durch für das Intervall [gh] eindeutig definierte inverse Funktion qp(y) ist stetig
in [gh].
Vgl. Pe. 21;^?r. 13«, 134; St. G. 48; T. 246; V. 45, 93.
IV. Die Ableitung.
1. Wenn der Quo^ent
A^o-hfe)-/'W ^^„ fix, ~h)- fix,) ^^
_ ._, reap. — -^-^ , (?^>0)
e* Anhang.
für A =^ 0 sich einer bestimmten, endlichen Grenze nähert, so heißt dieselbe die
vordere, resp. hintere, Derivierte von f{x) im Punkt x^^. Sie werde mit /^(a;^)»
resp. fiXo) bezeichnet.
Sind beide einander gleich, so heißt der gemeinsame Wert, /"(aj^), die Ab-
leitung von f{x) im Punkt x^,, und die Funktion f{x) heißt differentiierbar im
Punkt Xq.
Wegen der Definition von Funktionen der Klasse (ß'\ D^^ vgl, pp. 13, 63.
Vgl. D. 87; E. 61; Pi. 223; St. 31; T. 341; V. 118.
2. Der Satz von Boüe: Es sei f{x) stetig in [ab] und f'{x) existiere für
jedes x zwischen a und b. Wenn alsdann f{a) = f{b), so gibt es einen Wert |
zwischen a und 5, für welchen f{^) = 0.
Vgl. G. 9; Pe. 43; Pi. 246; St. 61; T. 369; V. 182.
3. Der Mittelwertsatz: Wenn f{x) stetig ist in [ab] und fXx) für jedes x
zwischen a und, b existiert, so gibt es einen Wert ^ zvnschen a und b^
für welchen
m-m={b-a)f\^).
Vgl. D. 92; E. 65; G. 9; Pe. 44; Pi. 248; St. 62; T. 370; V. 133.
4. Es sei f'{x) stetig in [ab] und von der Klasse C' für a*^x<Ch. Femer
nähere sich f\x) für x=^a-\-0 einer bestimmten, endlichen Grenze f'(a -{- 0).
Alsdann existiert /^(a) und es ist /*'(«) = f'{a -\- 0).
Vgl. D. 109.
6. Der Taylor'sche Satz: Ist f{x) von der Klasse O"^ in [a, a + Ä], so ist
(n-1)!
/•(a + Ä) = Aa) -f ^A«) + • • • -f- 7^:71^., /^"-'^(a) 4- ^/-^"^(a + ÖÄ),
wo
O<0<1.
Vgl. E. 76; G. 102; J. 246; Pe. 68; St. 96; V. 136.
6. Ist die Funktion f(x^, Xj, . . ., icj von der Klasse C in der Umgebung
von Ol, ttj, . . ., a^, so ist für hinreichend kleine Werte von |Äj |, |Äj |, . . ., | Ä,J:
A«! + K «j + '»«,•• •, «„ + K) — fi^i^ «81 • • M aj
+ '^«/'x„(«i' •••' »n) + Ko(i + h^t'^ ^-K'^u'
wo «1, «j, . . ., «jj unendlich klein werden, wenn \,\,...,h^ simultan Mud.
voneinander unabhängig gegen Null konvergieren. (Totales Differential.)
Vgl. E. 70; J. 76; Pe. 130; Pi. 271 "; St. 134.
7. Wenn die Funktion /"(a?, y) und die partiellen Ableitungen Z"^, /* , /' in
der Umgebung der Stelle «©, y^ existieren und stetig sind, alsdann existiert
Anhang. 7*
auch fy^iXf,, I/o) und ist gleich f^^ix^, y^). (Vertauschung der Bifferentiatiom-
ordnung.)
E. 73; Pi. 265; St. 150; T. 366.
8. Der Taylor'sche Satz für Funktiotien mehrerer Variabdn: Ist f{x, y)
von der Klasse O"^ im Bereich : a^x^a-\-h^ b^y^b-\-k (resp. a > 05
^a-\-h, oder b^y'^b-\-k)j so ist in bekannter Abkürzung:
wo
O<0<1.
Analog für Funktionen mehrerer Variabein.
Vgl. E. 77; G. 120; J. 249; Pe. 137; St. 161.
9. Es seien die Funktionen:
2/, = //(^i'^2' •••' ^n)' i = l, 2, ...,m, (1)
von der Klasse C^^ in einem Bereich (9L, femer sei die Funktion F(yi, yj » • • * y»,)
von der Klasse C^^ in einem Bereich 6, welcher das Bild SB von (9L mittels der
Transformation (1) enthält. Alsdann ist die zusammengesetzte Funktion
F(ft{x,, a;,, . . ., x„), f^{x,, ^2, . . ., ajj, . . ., 4(a;i, x^, . . ., x^))
von der Klasse C^^ in (9C.
Der Satz gilt auch für stetige Funktionen {p = 0).
Vgl. E. 19, 71; J. 77; Pe. 131; Pi. 209, 274; St. 137; St. G. 94; T. 369.
10. Inverse und implizite Funktionen: Vgl. § 22 und E. 72; G. 40—57;
J. 80—85; 0. 48—57; Pe. 21, 138—151; Pi. 282 — 297; St. G. 48; T. 37*1.
V. Bestimmte Integrale.
1. Definition von integrabel: Vgl. E. 95; G. 166; J. 37; Pe. 271; Pi. 336;
St. 346; V. 163.
2. Jede im Intervall [ab] endliche und mit Ausnahme einer endlichen An-
zahl von Punkten stetige Funktion f{x) ist integrabel in [ab].
Vgl. D. 332; Pe. 272; Pi. 344; St. 358.
3. Wenn die Funktion f(x) im Intervall [ab] endlich und integrabel ist,
und man ändert ihren Wert in einer endlichen Anzahl von Punkten beliebig ab,
■Ö* Anhang.
(aber so, daß f\x) endlich bleibt), so ist die neue Funktion in [a6] wieder inte-
^rabel und der Wert des Integrals
b
fm dx
a
ändert sich nicht.
Vgl. D. 363; Pi. 365. ' "
4. Ist f{oc) endlich und integrabcl in [a&], so Iwt dife F\!lnktion
F{x)=ff{x)
dx
stetig in [ab].
In den Punkten, wo f{x) stetig ist, ist F{x) differentiierbar und es ist
F\x) = f{x).
In den Punkten, wo f{x-\-0), resp. f{x — 0), existiert; ejjistiert auch die
vordere, resp. hintere, Derivierte von F{x) und es ist
F\x) = f{x -\- 0} , resp. F'{x) = f{x — Ö) .
D. 366—869; E. 99; Pi. 368, 369: V. 171.
5. Partielle Integration: Sind u{x) und v{x) von der Klasse C in [a6], so ist
0 0
Vgl. E. 101; Pi. 384; V. 175.
6. Erster Mittelwertsatz: Es seien P{x\ ilt{x) endlich und integrabel in
[ab], und es sei P(ic)>0 in [ab]. Alsdann ist
6 b
fPix) tl}{x)dx = ti fPix) dx ,
a a
wo fi ein Mittehvert zwischen der unteren und der oberen Grenze von rj^ix) in
[ab] ist.
D. 363; E. 97; Pi. 366; V. 168.
7. Differentiation nach einem Parameter: Wenn die Funktion /*(«, a) stetig
ist im Bereich
a^x^b, a^^a^a^, («)
lind a und b von a unabhängig sind, so ist das bestimmte Integral
b
F{a)= Cf{x,a)dx
a
eine stetige Funktion von a in [a^aj.
Anhang. 9*
Wenn überdies die partielle Ableitung [„(x, u) im Bereich (2) stetig ist,
so ist die Funktion F(a) differentiierbar in [a^aj, und es ist
6
F\cc)=j\{x,a)dx.
a
Dagegen ist
'Xcc)=Jf^^{x,a)
FXcc) = lU^,cc)clx-\-f{b,a)~-fia,a)^£
wenn a und b Funktionen von a sind, welche in [a^ai] von der Klasse C sind.
Vgl. E. 102; G. 216; J. 72; 0. 84—89; Pi. 388, 392.
VI. Kurven.
1. Definitionen über Kurven: Vgl. § 25, a).
2. Satz von Jordan: Jede stetige geschlossene Kurve S ohne mehrfach^
Punkte („Jordan'sche Kurve") zerlegt die Ebene in zwei Kontinua, von denen
das eine (das Innere von 2 genannt), im Endlichen liegt, während die andere
(das Äußere von ß genannt), sich ins Unendliche erstreckt. Die Kurve selbst
bildet die vollständige Begrenzung beider Bereiche.
Je zwei Punkte des Inneren (Äußeren) können stets durch eine stetige
Kurve verbunden werden, welche keinen Punkt mit der Kurve S gemein hat.
Dagegen hat jede stetige Kurve, welche einen Punkt des Innern mit einem
Punkt des Äußeren verbindet, notwendig mindestens einen Punkt mit der
Kurve S gemein.
Vgl. J. 91—99; 0. UO.
VII. Abbildung.
1. Die Funktionen
3/i=/i(aJi»^2i ...,a7j, y. = U{x^,x^ a;„), ..., t/^, = /;(a;i, a:^, ...,a;J, (3)
seien stetig in der Menge 9TI und es sei 91 die der Menge 911 mittels der
Transformation (3) im Raum der Variabein y^, y^, , 2/„ entsprechende Menge
(das Bild von 9TI).
Wenn alsdann 9H beschränkt und abgeschlossen ist, so ist auch 9t be-
schränkt und abgeschlossen.
Wenn insbesondere m = n und die durch (3) vermittelte Beziehung zwischen
911 und 91 eine ein-eindeutige ist (d. h. wenn zwei verschiedenen Punkten von
911 allemal zwei verschiedene Punkte von 91 entsprechen), so definieren die
Gleichungen (3) a^i, .t, , . . ., ir^ in 91 als eindeutige Funktionen von y^ J/s , - • •, y„ ,
(inverse Funktionen).
10* Anhang.
Wenn alsdann die Funktionen f. stetig sind in 911, und 911 beschränkt
und abgeschlossen ist, so sind auch die inversen Funktionen stetig in 91.
J. 51, 53; Seh. 117.
2. Satz von Schönflies: Sind die Funktionen
i = (p{x,y), n^fpi^^y) (4)
eindeutig definiert und stetig in dem Bereich
0^a;^l, 0^2/^1 (5)
und definiert die Transformation (4) eine ein-eindeutige Beziehung zwischen dem
Quadrat (5) und dessen Bild o)' in der |, tj- Ebene, so ist das Bild des Randes
des Quadrates (5) eine stetige geschlossene Kurve S ohne mehrfache Punkte,
und das Bild oP des Quadrates (5) ist identisch mit dem Inneren der Kurvfe ß
zusammen mit der Kurve S selbst.
(ScHÖNPLiEs, Göttinger Nachr., 1899, p. 282; 0»oood, Ibid., 1900, p. 94;
Bernstein, Ibid., 1900, p. 98.
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